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Wahrheit oder Pflicht

von

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Ganz blöde Zufälle

Hikari überlegte scharf, was sie gerade am meisten tangierte. Dass hier im Unwissen ihrer Eltern eine Party gefeiert wurde, für diesen Anlass sogar Alkohol zur Verfügung stand; die allgemein etwas eigenartige Stimmung unter ihren Kameraden… oder eben ihr Bruder, der sie in so eine verdammt bescheidene Lage brachte und nur doof grinste.
 

„Also? Ich warte.“

Mit einer ausladenden Handbewegung verlieh er seiner Forderung Nachdruck. Kari spürte förmlich ihr Gesicht glühen, als die erwartungsvollen Blicke aller auf ihr klebten und so stumm nach einer Antwort verlangten.

Hilfesuchend schaute sie zu Takeru. Da er aber gut damit beschäftigt war, den Energydrink aus seinen Atemwegen zu pressen, konnte sie auch hier wohl auf keinen Beistand hoffen. Was dachte sich Tai nur dabei, dieses Thema vor den anderen anzuschneiden?!

Das würde er noch bitter bereuen, schwor sie sich im Geiste. Das hatte er nicht umsonst gemacht.
 

Wie es zu dieser Situation kam? Ganz einfach. Alles begann mit einem harmlosen Telefonat am Nachmittag.
 

~
 

Bis über beide Ohren strahlte das Mädchen wegen des Namens, der auf dem flimmernden Display ihres Handys stand. Takeru, seines Zeichens Sandkastenfreund und wohl der süßeste Junge im ganzen Universum. Hikari musste sich eingestehen, dass die meeresblauen Augen und das blonde Haar es ihr einfach angetan hatten und sie still und heimlich ihr Herz an ihn verlor.

Glücklicherweise beruhte das auf Gegenseitigkeit, weshalb er ihr vor knapp einer Woche während des Sommerfestes – genauer gesagt im Riesenrad – ein umfassendes Liebesgeständnis machte. Im Hintergrund das gigantische Feuerwerk.
 

Ein heißes Gesprächsthema während des letzten Frauenabends. Man spekulierte ja schon seit einiger Zeit, was für ein niedliches Pärchen die beiden abgeben würden. Und dann wagten sie diesen Schritt tatsächlich! Wer hätte das gedacht?

Eine beste Freundschaft für eine Beziehung aufs Spiel zu setzen, traute sich nicht jeder. Ganz davon abgesehen, dass T.K. und Kari immer wieder vehement abstritten, Gefühle füreinander zu haben. Wahrscheinlich schämten sie sich schlicht und ergreifend dafür. Allen voran Mimi hatte absolut kein Verständnis dafür aufbringen können. Als müsste man sich für die Liebe schämen. So ein Unsinn!
 

Na ja… Wie es der Zufall so wollte, stand Taichi in der Tür und lauschte unbemerkt den Schwärmereien der Mädchen. Und wie man den erstgeborenen der Yagami-Sippe kannte, lag ihm nichts mehr am Herzen als das Wohlergehen und Glück seiner kleinen Schwester. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, ihrem ersten Freund – sobald sie denn einen hatte – vornehmlich die Beine zu brechen, wenn er auch nur einen Finger an sie legte. Aber ausgerechnet Takeru schien die goldene Ausnahme zu sein.
 

Tai zeigte sich relativ gelassen über die Identität des geheimnisvollen Verehrers. Zum Glück T.K. Da er ihn schon seit frühester Kindheit als potentiellen Schwager ansah, kam das für ihn weniger überraschend am Ende. In der Vergangenheit setzte Takeru alles daran, Hikari zu beschützen und ihr Lächeln zu bewahren. Bei ihm war sie in guten Händen.
 

Soweit, so gut. Taichis Segen hatten sie schon mal… Zumindest so lange, bis Miyako und Mimi wild darüber diskutierten, wann sie sich ihren ersten Kuss abholen sollte. Dass eine Partnerschaft im „schlimmsten“ Fall weit über unschuldiges Händchenhalten hinaus ging, verdrängte er dabei total. Gut, Tai akzeptierte die Liebe der beiden, aber dass seiner Kari schon so bald ein Teil ihrer kindlichen Unschuld geraubt werden sollte, stieß ihm irgendwie negativ auf.
 

Sie war aber nicht auf den Mund gefallen und erinnerte ihn an seinen ersten Kuss. Im zarten Alter von nur elf Jahren.

Taichi gab keinen besonders guten Moralapostel ab, wenn er sich durch einen einfachen Kommentar den Wind aus den Segeln nehmen ließ.

Aber wo sie recht hatte… Zu blöd aber auch, dass im Laufe der Jahre sein loses Mundwerk auf sie abfärbte und sie nun gut zurück beißen konnte, wurde es denn mal nötig. Gegen ihre Sprüche wuchs kein Kraut.
 

~
 

„Also gut, bis dann. Ich freu mich!“

Ein Druck auf den roten Knopf ihres Handys beendete das Gespräch. Wieder mal wich ihr ein wohliger Seufzer über die Lippen. Ein Laut, den ihr Bruder zu genüge von ihr kannte seit letzter Woche. Konnte man echt so schlimm verschossen sein, wie es bei ihr eben der Fall war?
 

„Na, warum so fröhlich? Habt ihr zwei ein Date?“, unterbrach er Karis leises Summen. „So würde ich das nicht unbedingt nennen. Keru hat gefragt, ob wir mit ihm zum Sommerfest gehen wollen.“

„Wir?“ „Ja, du und ich. Wir eben. Yamato und die anderen kommen auch mit. Sogar Joe hat zugesagt“, erklärte sie.

„Und mit „die anderen“ meinst du…“

„Ja, Mimi wird auch da sein.“
 

So wie ihm die Gesichtszüge entgleisten, wusste Kari sofort, wo das Problem lag. Mimi. Dank Taichis unglaublicher Gabe, mit Anlauf in jedes noch so kleine Fettnäpfchen zu springen, war die Schulschönheit stinksauer auf ihn.
 

„Mensch, Tai. Da bist du aber auch selbst dran schuld. Du hättest schließlich anklopfen können. Sei mal froh, dass das nicht die Runde gemacht hat. Dein Ruf als Kapitän der Fußballmannschaft wäre ruiniert!“

Der Übeltäter schaltete direkt auf Durchzug. Hier rein, da raus. Ihren „haltlosen“ Vorwürfen schenkte er kein Gehör.
 

Wie oft hatte er ihr schon erklärt, dass es sich um einen ganz blöden Zufall – eine Laune Gottes – letzten Endes einen Unfall handelte.

Er tat es nach bestem Gewissen, im Auftrag des Lehrers, als er in die Mädchenumkleide stürmte und Mimi in Unterwäsche antraf. Von diesem Anblick und ihrem Geschrei geschockt, hielt er sich die Augen zu und wollte schnell flüchten. Der von ihm mitgebrachte Tennisball, den er im Affekt fallen ließ, wurde ihm zum Verhängnis. Natürlich rutschte er darauf aus. Selbstverständlich ruderte er wild mit den Armen, drehte sich im Flug und riss sein armes Opfer mit sich zum Boden. Und wo landete seine Hand? Na klar! Auf ihrer Brust, die er in einem Moment der Orientierungslosigkeit verwirrt drückte. Wo denn auch sonst?

Typische Animeszene eben.
 

Den unerwünschten Körperkontakt quittierte sie mit einer saftigen Ohrfeige.

Unfall? Missgeschick? Laune Gottes?

Wer glaubt denn so einen Quatsch? So eine unglaubliche Geschichte kauft dem Depp doch keiner ab.

Kari schon. Er war wirklich so ungeschickt, dass ihm so etwas passierte. Und er bekam ihr vollstes Mitgefühl.
 

„Die Schnepfe wollte mir ja nicht mal zuhören. Ich hab ihr doch gesagt, der Lehrer hat mich zum Lager geschickt, um den vergessenen Tennisball wegzuräumen. Aber sie hat nur rumgekreischt wie ein aufgescheuchtes Huhn und mich mit ihrer Schminke beworfen. Die Mädchenumkleide ist eine Abkürzung. Wenn ich gewusst hätte, dass sie da drin ist, wär ich doch niemals da reinmarschiert! Was hatte sie da überhaupt zu suchen?! Der Unterricht war längst vorbei!“, redete er sich in Rage, „Kannste knicken. Wenn Mimi dabei ist, bleib ich zu Hause.“ Lebensmüde war Taichi zwar, aber so heiß auf eine öffentliche Hinrichtung konnte er gar nicht sein.
 

Hikari zog nur zweifelnd die Brauen hoch. Was sein Glück mit Frauen betraf, … welches Glück? Da existierte keins. Sora kotzt er den Hut voll, Mimi betatscht er… Ein Wunder, dass sie selbst noch nicht die Kurve gekratzt hat. Ob das an der Blutsverwandtschaft lag? Immerhin tolerierte man da schon mal so einiges.
 

Nein, so konnte das definitiv nicht weitergehen, entschloss sich die junge Japanerin. Er und Mimi machten seit Tagen einen großen Bogen umeinander. Kürzlich erst gestand sie Kari, ein gewisses Interesse für ihren großen Bruder entwickelt zu haben. Liebe nannte sie es zwar nicht, aber ihrer Erklärung nach hörte es sich verdammt danach an.

Noch schlechter konnte der Zeitpunkt eines Streites also nicht gewählt sein. Und es lag nun in ihrer Hand, etwas dagegen zu unternehmen, wenn die Älteren es schon nicht allein hinbekamen.
 

„Es wird nicht gerade besser, wenn ihr euch ständig ignoriert. Das macht die Sache nicht ungeschehen.“

Taichi setzte zum Protest an. „Aber sie benimmt sich wie eine Furie!“

„Und du wie ein Oberidiot! Wer ist denn unerlaubterweise reingeplatzt und hat sie befummelt?!“

Den erhobenen Zeigefinger senkte er gleich wieder und zog einen Flunsch. Wo sie recht hatte… da gab es nichts zu diskutieren. Schließlich nannte sie nur reine Fakten.
 

„Damit wir uns verstehen: Du kommst mit zum Fest und machst dein Missgeschick wieder gut. Man kann das ja gar nicht mit ansehen, wie ihr euch streitet.“

Als seine Begeisterung immer noch etwas zu wünschen übrig ließ, lächelte sie ihm aufmunternd zu und wechselte ihren bestimmenden und ernsten Gesichtsausdruck gegen den gewohnt liebevollen.

„Hey, wir kriegen das schon wieder hin mit euch beiden. Ich helfe dir auch dabei, versprochen“, klopfte sie ihm auf die Schulter.
 

„Du bist mir ja eine…“

Schmunzelnd kratzte er sich am Hinterkopf und trat ein paar Schritte auf seine Schwester zu, nur um ihr ordentlich durch die Haare zu wuscheln.

„Tai! Lass den Quatsch!"

„Hast du etwa Angst, dass ich dir deine Frisur kaputt mache? Takeru ist doch gar nicht hier, also musst du dich nicht aufbrezeln."
 

Sein Lachen verstummte, als sie ihm voll Karacho auf den Fuß trat. Nun war es Hikari, die in schallendes Gelächter ausbrach, während der Brünette sich auf einem Bein durch die Gegend hüpfend den schmerzenden Fuß hielt.

„Tja, wer zuletzt lacht ..."

Die Ruhe vor dem Sturm

Yamato verschränkte seine Arme vor der Brust und trommelte mit den Fingern ungeduldig herum. Er und seine Freunde standen nun schon zehn Minuten wie bestellt und nicht abgeholt auf dieser Brücke herum und warteten auf das Eintreffen der Yagami-Geschwister. Im Hintergrund schallte ihnen bereits die Musik vom Festplatz entgegen, die die Vorfreude auf diesen Abend nur weiter anfeuerte.
 

„Das ist wieder mal so typisch Tai! Wenn ich 18 Uhr sage, dann meine ich das auch so und keine Ewigkeiten später!“, schimpfte der Sänger und kaute wütend auf seiner Unterlippe herum. Irgendwie konnte er sich nicht damit abfinden, dass Taichi seine Unzuverlässigkeit wohl niemals ablegen würde.

„Reg dich nicht auf, Matt. Du kennst doch Tai. Solche kleinen aber feinen Verspätungen gehören bei ihm halt zum guten Ton“, versuchte sein Bruder ihn etwas zu beruhigen, was nur mäßigen Erfolg nach sich zog.

Es folgte ein prüfender Blick über den Rest der Gruppe. Sora und Mimi standen etwas abseits – glücklicherweise außer Hörweite – und unterhielten sich angeregt miteinander.

Koushiro hockte auf einem der steinernen Podeste und tippte wild auf seinem Laptop herum. Nicht mal zu solch einem Anlass ließ er es sich nehmen, seinen elektronischen Freund mitzuschleppen.

Joe hingegen musterte nun ebenfalls seine Uhr und legte die Stirn in Falten.
 

Allmählich wurde auch Takeru etwas nervös.

Nicht nur, dass Yamato langsam angefressen war und Mimi stinksauer auf den Nachzügler – Nein! Denn auch er hegte einen gewissen Hintergedanken mit der Einladung, die er seiner Holden heute aussprach.

Allein schon der Gedanke daran, Hikari gleich hübsch zurechtgemacht in einem Yukata zu sehen, brachte sein Herz zum Rasen.

Schon vor einigen Jahren wurde ihm bereits klar, wem sein Herz gehörte. Dieser Platz an seiner Seite gehörte immer nur ihr.

Jetzt noch spürte er deutlich die Aufregung in seinem Inneren. Von dem Moment, in dem er endlich über seinen Schatten sprang, um ihr von seiner heimlichen Liebe zu erzählen. Und anstatt angewidert oder in irgendeiner Art ablehnend darauf zu reagieren, erwiderte sie seine Gefühle. Genauso hatte er sich seine Jugend immer ausgemalt.
 

Nach weiteren fünf Minuten kam endlich ein Ende in Sicht. Erleichtert seufzte Takeru und wedelte auffällig mit den Armen hin und her, damit die beiden sie bemerkten. „Hey, wir sind hier drüben!“, rief er und erkannte auf die Distanz bereits das strahlende Lächeln seiner Freundin, die ihm entgegen kam. Wie erwartet, hatte Hikari sich in feinstes Geschmeide gehüllt, zudem die Haare hochgesteckt mit einer Spange, die aussah wie eine Kirschblüte. Passend zu ihrem Yukata.

„Entschuldigt die Verspätung. Hat wohl doch etwas länger gedauert als gedacht.“

Völlig außer Atem japste das arme Mädchen nach Luft, während ihre Begleitung in aller Seelenruhe nachgetrottelt kam.
 

„Na endlich, das hat ja ewig gedauert. Was hast du denn so lange getrieben, Tai?“, fuhr Yamato den brünetten Wuschelkopf gleich an, der nur einen Schmollmund zog. „Was fragst du denn mich? Kari hat ewig lange beim Umziehen gebraucht.“

Dieser Ausrede schenkte sein Freund keine Beachtung, er kannte Taichi schließlich in und auswendig. Im Gegensatz zu seiner Schwester sah er nämlich aus wie immer. Schlabberklamotten, zerzaustes Haar. Mit dem konnte man echt nirgendwo hingehen. „Na klar. Wahrscheinlich bist du einfach nur wieder auf der Couch eingepennt und keiner hat dich wach bekommen. Wäre ja nicht zum ersten Mal passiert."
 

Während die Jungs sich also scherzhaft zankten, gingen die anderen zur Begrüßung über. Bevor sie überhaupt jemandem hallo sagen konnte, musste Hikari erstmal das Lob und die Komplimente für ihr Outfit über sich ergehen lassen. Dabei sahen die anderen Mädchen nicht weniger hübsch aus. Deshalb verstand sie nicht ganz, warum ausgerechnet sie so angehimmelt wurde.

Nur mit Mühe und Not – und der Hilfe von Joe und Koushiro – entkam sie also der Euphorie ihrer Mitstreiterinnen und flüchtete sich zu ihrem Freund, der bislang belustigt daneben stand und das Spektakel beobachtete.
 

„Hey“, begrüßte sie ihn zurückhaltend und klemmte sich eine lockere Haarsträhne hinters Ohr, „Danke für die Einladung.“

Eine zarte Röte lag auf ihren Wangen, recht ungewöhnlich für ihren sonst doch sehr selbstbewussten Auftritt nach außen hin. Anscheinend war diese neue Situation immer noch etwas ungewohnt und komisch, seinen ehemaligen besten Freund nun als seinen festen Freund zu bezeichnen.

Dass man das Gesamtbild nun aus einem ganz anderen Winkel betrachtete, gehörte wohl oder übel dazu.

„Da nicht für, wir haben schließlich eine geheime Mission zu erfüllen.“

Ihre leichte Nervosität steckte Takeru augenblicklich an, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gab. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und grinste schief. „Du siehst umwerfend aus.“
 

Betonung lag auf umwerfend. Zumindest meinte Hikari für einen Moment, dieser Kommentar hätte ihr einen kräftigen Schubs in Richtung Erdboden verpasst vor Aufregung, Freude und Scham. Wie konnte man nur so viele Emotionen gleichzeitig empfinden?!

„D-Danke, lieb von dir…“

Ihr puterrotes Gesicht versuchte sie tapfer hinter dem Handfächer zu verstecken, den sie extra für diese Festivität mit sich führte. Zwar befanden sie sich hier nachweislich auf dem alljährlichen Odaiba-Sommerfest, doch sie waren nicht zum Spaß hier, jawohl!
 

Angefangen hatte das alles am Vormittag, als Takeru nichts ahnend seinen Bruder besuchte und dabei der ebenfalls anwesenden Sora begegnete. Diese sorgte sich um Mimi, die wohl dank Taichis blöder Aktion mehr als fertig mit den Nerven war und wegen der anhaltenden Streitigkeiten und Abweisungen öfters mal weinte. Es wurden Überlegungen angestellt, wie man den beiden Streithähnen etwas unter die Arme greifen konnte, nur kamen sie auf kein zufrieden stellendes Ergebnis. Solange, bis Sora dann wieder einfiel, wovon Hikari ihnen beim Frauenabend pausenlos vorschwärmte. Das Liebesgeständnis auf dem Sommerfest.
 

Ehe T.K. die Gelegenheit bekam, aufzustehen und sich schnellstens aus dem Staub zu machen, spannte ihn seine zukünftige Schwägerin kurzerhand mit in den Plan ein. Er solle Kari dazu bringen, gemeinsam mit Tai das Fest aufzusuchen, wo sie sich mit den anderen trafen, um ein wenig Verkupplung zu spielen. Eigentlich ging das dem Jüngling ordentlich gegen den Strich. Schließlich hatte er relativ wenig mit der Sache am Hut, geschweige denn diesen Zustand verursacht. Warum sollte er sich dann einmischen, wenn es darum ging, die Risse in einer fremden Beziehung zu kitten?

Tja… So genau konnte sich das T.K. selbst nicht erklären. Und doch willigte er ein. Schließlich lag es auch irgendwo im Interesse aller Beteiligten, dass bald wieder Frieden herrschte. Außerdem bekäme er noch mal die Chance, mit seiner Freundin eine Fahrt auf dem Riesenrad zu machen. Beim letzten Mal brachte ihn die Nervosität so aus dem Konzept, da vergaß er glatt das allerwichtigste, was er mit dem heutigen Versuch wieder glatt bügeln wollte. Jedenfalls weihte er sie bei seinem Anruf in das Geheimnis ein und bekam sogleich ihre vollste Unterstützung zugesagt.
 

Joe und Koushiro blieben lieber weiterhin in der Position des stillen Beobachters. Zu ihrer Linken konnten sie das Wunder der jungen Liebe bewundern, die ihnen in voller Pracht entgegenstrahlte. Die schüchternen und doch vielsagenden Blicke, die sich das Paar zuwarf, sprachen regelrecht Bände. Zu ihrer Rechten hingegen verriet ihnen die Aura in der Luft, wie Mordlust aussah, als Mimi Taichis Anwesenheit bemerkte. Allerdings hielt sie sich noch sehr zurück und drehte nur das Gesicht weg. Ihr war die Lust auf Zoff vergangen, trotzdem kein Grund, diesem Fußballidioten zu vermitteln, der Drops sei gegessen. Nicht bevor er auf die Idee kam, sich bei ihr zu entschuldigen! Und selbst wenn er das tat, konnte er froh sein, wenn sie ihm sein ungehobeltes Verhalten, sowie seinen „Ausrutscher“ überhaupt noch verzieh.
 

Natürlich entging dem Jungen diese mehr als nur giftige Laune nicht. Im selben Zuge bereute er, hergekommen zu sein. Seit wann war Kari eigentlich so stur und zwang ihn schlichtweg zu seinem Glück? So ein Benehmen war er von seiner sonst so lieben und gehorsamen kleinen Schwester gar nicht gewohnt.

Auf jeden Fall regte ihn die Reaktion von Prinzesschen Mimi wieder mal mehr auf, als ihm lieb war. Entschuldigen? Pah! Schließlich war sie diejenige, die ihm eine geklatscht hat! Als würde er sie mit Absicht befummeln, so ein Unsinn! Das musste sie doch wissen! Und doch machte sie so ein Theater…

Ursprünglich wollte er sich ja auch versöhnen, dafür stieß ihm aber ihr Anblick allein schon zu sehr auf. Die Wut musste auf beiden Seiten erstmal herunterkochen, um Platz für eine Beilegung des Krieges zu schaffen.
 

Entschlossen verschränkte Taichi die Arme vor der Brust und fixierte die beiden Küken in ihrer vertrauten Runde. Takeru und Hikari.

Genau der passende Vorwand, um einer Entschuldigung aus dem Weg zu gehen. Immerhin gab es hier Arbeit für ihn. Wer weiß, wie lange Takeru seine Hormone noch unter Kontrolle behielt und nicht in einem unbeobachteten Moment über seine neue Errungenschaft herfiel?! Die Diskussion vom Frauenabend neulich hing ihm immer noch als warnendes Beispiel im Kopf. Er musste die arme Kari unbedingt vorm Erwachsenwerden beschützen, koste es, was es wolle!

Unbezahlbare Missverständnisse

Um die angespannte Stimmung ein wenig zu lockern, packte Hikari Takeru am Arm und schleifte ihn aufgeregt hinter sich her.

„Lasst uns erst mal was essen. Ich bin am Verhungern!"

Die anderen waren natürlich alles andere als abgeneigt, wohingegen Sora sich ernsthaft fragte, ob die Brünette ihren gemeinsamen Plan nicht vielleicht schon wieder abgeschrieben und unter "Ferner liefen" verbucht hatte. Eigentlich sah jener Plan vor, dass sie es sich bei ein paar schönen Partyspielchen auf der Wiese bequem machten. Aber wer weiß. Kari wäre nicht Kari, wenn sie nicht vielleicht noch einen Plan B in der Hinterhand hätte. Ihren Bruder kannte sie schließlich von allen hier am besten. Und mit einer Mahlzeit konnte man bei dem sowieso nichts falsch machen.
 

Ein süßer Duft zog wenig später die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich und trieb ihnen das Wasser im Munde zusammen.

„Oh ja, Crepes!"

Wie magisch von ihnen angezogen, schnellten sie an den mit bunten Lämpchen und Blumen geschmückten Stand, der so wunderbar nach Teig und Zimt duftete. Sie hatten alle Mühe, sich für eine der unzähligen Variationen zu entscheiden.

„Ihr wollt euch ernsthaft was Süßes reinpfeifen?", blickte Taichi die Mädchen ganz vorn am Anfang der Schlange ungläubig an und kassierte dafür sogleich einen gekonnten Schlag in die Seite.

„Hey, das tat weh!", protestierte er, wurde dafür aber sofort von Hikari zur Seite genommen.
 

„Lass doch die Stänkerei. Wenn du so weitermachst, wird das nie was mit eurer Versöhnung! Mimi steht nun mal nicht auf solche Miesepeter, aber das solltest du ja mittlerweile wissen."

Sofort war Tais Laune auf einem Tiefpunkt angekommen, den er nicht für möglich hielt. Warum wusste heute jeder alles besser und meinte, ihn zurechtweisen zu müssen?

„Ich hab eine Idee! Lad sie doch einfach auf einen Crepe ein. So kommt ihr ins Gespräch und könnt vielleicht Frieden schließen."
 

Aus seinem Missmut wurde eine leise Hoffnung, als er den Ausdruck in den Augen der Jüngeren sah. Sie meinte es nur gut und ihm ging es trotz seiner Wut im Bauch auch mächtig auf die Nerven, ständig Zielscheibe der nicht ausgesprochenen Morddrohungen zu werden. Seinen kleinen „Unfall“ aus der Umkleide bereute er nur aus dem einfachen Grund, dass dieser einen Keil zwischen ihn und Mimi trieb. Ansonsten hatte Taichi eher weniger Probleme damit, sie halbnackt gesehen zu haben. Wieso auch? Bei so einem grazilen Körper gab es für sie keinen Anlass, sich zu schämen. Außerdem verstand er ohnehin nicht, warum Mädchen immer so einen Herrmann darum machten, wenn sie mal jemand in Unterwäsche sah. Ist ja nicht so, als würden sie in einem Bikini weniger nackte Haut zeigen. Wo lag also der Unterschied?!
 

„Meinst du wirklich? Und wenn sie mich wieder für einen Widerling hält?"

„Weil du ihr einen Crepe spendierst? Jetzt hör aber auf Tai. Du bist doch sonst nicht so skeptisch. Also hör auf zu diskutieren und versuch es wenigstens. Mehr als schief gehen kanns nicht.“

Einen Moment haderte er noch mit sich und der Idee seiner Schwester. Dann entschloss er sich aber doch dafür und klatschte sich auf beide Wangen. „Dann auf in den Kampf!", sprach er sich in Gedanken selbst Mut zu und wagte sich todesmutig rüber zu den Damen. Hikari blieb etwas ratlos an der Seite stehen und schüttelte den Kopf. Auch wenn sie den Tipp an sich als brauchbar empfand, wusste sie nicht wirklich, ob Taichi die Praxis auch so umsetzte, wie sie sich das vorstellte.

Insgeheim baute sie auf Mimis Geständnis von neulich. Sie war an ihm interessiert. Vielleicht kam sie ihm ja sogar entgegen, sobald sie merkte, dass es ihm wirklich leid tat. Allerdings beschlichen Kari auch leise Zweifel, ob er das echt hinbekam.
 

„Hey, Mimi", begann er. So gut es ging, versuchte er Augenkontakt herzustellen, sah sie doch aus, als wollte sie ihn gleich beißen. Erwartungsvoll stand sie da und wartete wohl auf den Spruch, der das Eis brach. „Du, hör mal... Wegen neulich..."

Sein Herumdrucksen machte die Sache irgendwie nicht besser. „Also... was ich sagen wollte..." Er spürte Hikaris bohrenden Blick an seinem Hinterkopf. Jetzt war nicht die Zeit für so einen Quatsch, wenn er die Wogen wieder glätten wollte.

„Es tut mir leid!"
 

Aus ihrem Zorn wurde Erstaunen, als ihr Mitschüler sich vor ihr verbeugte. Peinlich berührt schaute sie sich zu allen Seiten um, bevor sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder bei Taichi ankam.

„Es gab da ein paar Missverständnisse und ich denke, du hast einen falschen Eindruck von mir bekommen. Das wollte ich mit dieser Entschuldigung hier richtig stellen, weil ich..." Er zögerte. War das, was ihm hier als erstes einfiel, die beste Option für eine Entschuldigung? Na ja, wie die jüngere Version von ihm eben schon sagte, gab es ja nichts mehr zu verlieren. „Weil ich gerne dein Freund sein würde!!"
 

Sofort waren alle Blicke auf die beiden gerichtet und sowohl Mimi als auch Hikari entglitten augenblicklich jegliche Gesichtszüge, da mit so etwas keiner von ihnen gerechnet hatte.

Wie angewurzelt stand die Brünette da und wusste nicht, was sie machen sollte. Sich einfach umdrehen und so tun, als wäre das nie passiert? Wütend werden und dem Ekel eine runterhauen, wie den Tag in der Umkleide? Nein, dafür klang das viel zu überzeugend, was er da blubberte. Trotzdem änderte das nichts daran, dass sie von allen angestarrt wurde, weil er hier so eine Szene veranstaltete. Unangenehm, auch wenn es Mimi sonst liebte, im Rampenlicht zu stehen.
 

Nach einigen Sekunden, die dem armen Jungen wie Stunden vorkamen, erhielt er endlich seine Antwort.

„Gut, meinetwegen. Dann will ich mal nicht so sein. Wenn das wirklich nur unglückliche Zufälle waren und du kein Unterwäschefetischist bist, werd ich das wohl nur herausfinden, indem ich dir eine Chance gebe."

„Wirklich?!", strahlte er sie an und entlockte ihr damit eine leichte Röte auf den Wangenknochen. „Aber ich bleibe wachsam, kapiert?!"

„Natürlich! Aber wie wär's, wenn ich dir zur Feier des Tages erstmal einen Crepe ausgebe?"

Genau ins Schwarze getroffen. Für solche kleinen Leckereien war sie immer zu haben. „Mit Schokosoße?", fragte sie begeistert und vergaß dabei, dass sie eigentlich hart bleiben wollte. „Kommt sofort!"
 

„Das hat ja super geklappt." Zufrieden probierte Hikari von ihrem Crepe, den ihr Takeru eben in die Hand drückte. Zur Belohnung hielt sie ihm die Tüte auch einmal hin. „Ich hatte auch mit einer neuen Katastrophe gerechnet. Aber man soll sich doch immer überraschen lassen.... Wow, die sind echt lecker", stellte er nach einem Bissen fest. Die Vanillesoße passte perfekt zu dem luftigen Teig.
 

„Ähm... Mimi?"

Fragend schaute sie zu Tai auf, der sich nur verlegen am Hinterkopf kratzte.

„Du kannst mir wohl nicht zufällig noch 200 Yen leihen, oder? Ich hab wohl irgendwie nicht genug dabei."

Diese Feststellung haute seine Freunde beinahe aus den Latschen. Da war also das Fettnäpfchen, das er zuvor so elegant umschiffte.

Auch die Angesprochene guckte ganz schön verdattert aus der Wäsche.

„Keine Sorge, Mimi", beruhigte Yamato sie, „Er ist eigentlich ein netter Junge, das weißt du doch." Zweifelnd schaute sie zu dem Blondschopf. „Du meinst, er ist kein Perversling sondern nur ein totaler Volldepp?"

Erst wollte der Junge abwehrend mit den Händen schütteln, verschränkte dann aber nur die Arme vor der Brust. „Sagen wir... ich hätte es ein wenig freundlicher formuliert."

Typisch Tai. Erst wollte er sie großherrlich einladen und ihr eine Freude mit der Süßspeise machen, blamierte sich dann aber wieder dank der gähnenden Leere in seiner Brieftasche. Die vielen Comics hätte er wohl lieber im Laden stehen lassen und in den Wiederaufbau seiner Freundschaft investieren sollen.
 

Koushiro stand währenddessen etwas belämmert daneben und versuchte die letzten Gesprächsfetzen voreinander zu bekommen. Noch immer ungläubig beobachtete er das ganze Schauspiel und konnte seine Verwunderung gar nicht in Worte fassen. Hatte Taichi gerade tatsächlich...? Er zog die Augenbrauen nach oben, warf das Papier, in das eben noch sein Crepe gehüllt war, in den kleinen weißen Papierkorb und trat dann an die beiden wild diskutierenden Teenager heran.

„Taichi, Mimi?" Sofort hatte er die Aufmerksamkeit des Grüppchens auf sich gezogen. Zeit, sich zu verbeugen. „Ich wünsche euch alles Gute und hoffe, eure Liebe wird niemals vergehen!"

Erst als sich Hikari an ihrem Gebäck verschluckte und Mimi feuerrot anlief, hob Koushiro den Kopf. Die verdatterten Blicke seiner Freunde verrieten ihm, dass er das gerade besser nicht gesagt hätte.
 

Die viele Zeit vorm Computer tat dem Oberschüler anscheinend überhaupt nicht gut. Zumindest im Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation, die gerade anscheinend gänzlich bei ihm scheiterte. Liebe gehörte zu den wenigen Dingen, über die der sonst so wissbegierige Junge rein gar nichts wusste. So kam anscheinend auch diese Fehlinterpretation zustande, durch die er glaubte, Taichi hätte ihr eben ein Geständnis gemacht, statt sich zu entschuldigen.

„Was denn? Ich wollte doch nur nett sein ..."

Schließlich gab sich Sora einen Ruck, die ihn kurzerhand zur Seite nahm und Licht ins Dunkel brachte.

„Er hat ihr nicht seine Liebe gestanden, Izzy. Sie haben sich nur wieder angefreundet."

Sie konnte kaum an sich halten, so witzig fand sie die Situation und das mit jeder Sekunde beschämter werdende Gesicht ihres Freundes trug sein Übriges dazu bei.

„Wobei seine Reaktion ja schon anderes vermuten lässt ...", fügte sie noch hinzu, den Blick zu Taichi gewandt, der etwas bedröppelt von einem zum anderen schaute.

Sora legte die Stirn in Falten und zerrte den zur Tomate mutierten Koushiro wieder zurück zu den anderen, nur damit sich dieser wieder verbeugte und die ganze Sache noch schlimmer machte.
 

„Tut mir leid, dass ich euch so was unterstellt habe. Ich meine, so ganz abwegig ist das gar nicht, aber irgendwie ..."

Je mehr er versuchte, die Sache wieder gerade zu biegen, desto peinlicher wurde es irgendwie.

„Also… ihr wärt ohne Frage ein süßes Paar und so, aber Freunde ist auch gut! Und man kann ja nie..."

„Izzy, ist gut jetzt. Ich denke, sie haben verstanden", beendete Takeru schließlich das Trauerspiel und der Rothaarige suchte händeringend nach einer Möglichkeit, für immer im Erdboden zu versinken. Doch leider, leider tat sich keine Tür oder dergleichen auf. Und so vergrub er nur das noch immer rot angelaufene Gesicht in den Händen und versuchte, so unsichtbar wie möglich zu werden.
 

„Du bist so ein Vollidiot!"

Mit Schmackes haute Mimi dem armen Taichi eine runter. „Aua! Womit hab ich das denn jetzt verdient?", startete er einen Verteidigungsversuch, den sie aber gekonnt abblockte. „Was redest du auch für einen Unsinn? Ist doch klar, dass das jeder in den falschen Hals kriegt! Wie steh ich denn jetzt da?!" Beleidigt drehte sie den Kopf weg und nahm ihm damit auch die letzte Hoffnung, dass die Versöhnung wider Erwarten geglückt war.
 

„Mach dir nichts draus, Tai", wandte sich ihm Yamato zu, der sich neben ihn hockte, nachdem ihm die Knie zu weich wurden, „Das mit der Liebe ist schwerer als es aussieht."

Der Angesprochene zog nur einen Schmollmund und rieb sich den schmerzenden Kopf. „Was für eine Liebe? Ich wollte mich nur entschuldigen..."

„Der Abend ist noch jung. An deiner Stelle würde ich nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Probiers einfach noch mal."

„Du hast leicht reden..."
 

„Das ist wohl schwieriger als vorerst gedacht. Was machen wir jetzt?" Fragend wandte sich Takeru Hikari und Sora zu, die neben ihm standen und schon merklich grübelten. „Keine Sorge. Für solche Fälle tritt Plan B in Kraft. Überlasst das ruhig mir dieses Mal.“
 

Joe, der das Szenario bislang stumm mitverfolgte, konnte sich eher weniger von Soras Tatendrang anstecken lassen. Insgeheim fragte er sich, wieso er nicht einfach zu Hause über seinen Büchern hockte. Er hatte zwar eine Freundin, doch beziehungstechnisch war er ungefähr so versiert wie Koushiro, der sich immer noch für seinen Patzer in Grund und Boden schämte.

Auch wenn er hier nicht viel ausrichten würde, empfand der Brillenträger es doch als netten Zeitvertreib, mal wieder mit seinen alten Kameraden auszugehen.

Ob die Wappenträgerin der Liebe den erhofften Frieden herbeiführen würde? Immerhin schien das so was wie ihr Spezialgebiet zu sein.

Zeit für Plan B!

Die Tachikawa tat sich schwer damit, ihre aufgewühlten Emotionen wieder unter Kontrolle zu bringen. Im ersten Moment glaubte sie noch, dieser Idiot wäre doch nicht halb so schlimm, wie sie zuvor tagelang annahm. Ja, mittlerweile war sie sich ziemlich sicher, Gefühle für Taichi entwickelt zu haben. Nur hatte er mit der Nummer neulich echt den Vogel abgeschossen.

Mimi war sauer wie schon lange nicht mehr.

Und seine angebliche Entschuldigung kam auch eher einem Showact gleich, zumindest den ganzen Schaulustigen nach zu urteilen. Dass sie nun jeder für ein Paar hielt, schuldete sie Koushiros Verpeiltheit. Nun… zur Last legen konnte sie es ihm nicht. Immerhin fand sie Taichis Wortwahl auch etwas… unpassend.

Ob es diesem Kerl so viel Spaß machte, sie in unangenehme Situationen zu bringen?!
 

Noch immer von Scham erschlagen, trottete Koushiro hinter seinen Freunden her und versuchte angestrengt, zumindest ein wenig mit ihnen Schritt zu halten. Sein Blick fiel auf Hikari und Takeru, deren Hände ganz zufällig immer wieder leicht gegeneinander schlugen, sich beinahe ineinander verloren, nur um ängstlich wieder zurückgezogen zu werden. Das ganze Spiel wiederholte sich mehrere Male und langsam fragte sich der Rotschopf, ob sie es denn jemals schaffen würden, zueinander zu finden, oder ob sie ewig so unschlüssig nebeneinander herdümpeln würden.
 

Wenn er ehrlich war, fand er das Ganze sogar ziemlich witzig, was auf den ohne jegliche Vorwarnung neben ihm laufenden Taichi jedoch nicht zuzutreffen schien. Seine Augen durchbohrten die Hände der beiden förmlich und so langsam bekam Koushiro Angst, dass er jeden Moment auf sie losstürmen und jeden von ihnen an eine seiner Hände nehmen würde, nur damit sie selbst nicht Händchenhalten konnten.

Der Gedanke daran entlockte ihm ein leises Lachen und zog die Aufmerksamkeit des Älteren auf sich. „Was ist so lustig?“

„Ach, nichts weiter. Mir ist nur was Komisches eingefallen“, gab er zurück und wandte das Gesicht ab, in der Hoffnung, Tai würde sich doch endlich wieder Wichtigerem zuwenden. Der Unschuld seiner Schwester zum Beispiel.
 

„Da wären wir", gab Sora schließlich die rettenden Worte von sich und am liebsten wäre ihr Koushiro um den Hals gefallen.

„Das Riesenrad? Super! Ich habe mich schon gefragt, ob wir wohl noch mal die Gelegenheit haben werden, gemeinsam damit zu fahren während des Festes", lächelte Hikari verzückt. Knallrot lief Takeru an, erinnerte ihn das alles zu gut an ihre Fahrt von letzter Woche. Einzig der Gedanke daran, wie er hier vor wenigen Tagen selbst gegen sein klopfendes Herz ankämpfen musste, ließ wieder dieses wohlig warme Gefühl in ihm aufsteigen... auch wenn sich die kritischen Blicke von Taichi irgendwie sehr furchterregend anfühlten. Der schien bereits zu ahnen, dass T.K. nicht ganz ohne Vorsatz mit ihr in die Gondel steigen würde.

Dem Yagami war die Verstimmung darüber deutlich anzusehen.
 

„Jetzt hab dich mal nicht so, Taichi. Der wird Kari schon nicht fressen."

Yamato konnte sich einen neckischen Kommentar einfach nicht verkneifen und schlug ihm dabei beherzt auf den Rücken, ließ ihn damit vor Schmerz aufhusten.

„Ach ja? Wer sagt eigentlich, dass die zwei zusammen fahren? Kari kommt schön mit mir mit!“

So lautete zwar der Plan, doch den Zahn zog Sora ihm schneller als gedacht. Solange der „Aufpasser“ in eine beherzte Diskussion mit seinem besten Freund vertieft war, gab das Mädchen dem jungen Paar einen Schubs in Richtung der Kabine, die genau in diesem Moment vor ihnen stehen blieb. Unbemerkt verschwanden die beiden. Sichtlich mit sich zufrieden schloss Sora die Tür, worauf sich das riesige Gefährt in Bewegung setzte.
 

„H-Hey, was soll das denn?!“

Das blanke Entsetzen zeichnete sich auch Taichis Gesicht ab, als er das Verschwinden seiner Schwester bemerkte und sie ihm kaltlächelnd aus der Gondel zuwinkte.

„Das ist ein schlechter Scherz, oder?“

„Nur keine Panik. Wenn es dich beruhigt, können wir ja gleich mit der nächsten hinterherfahren. Du hast unser vollstes Mitgefühl.“

Theatralisch schaute auch Yamato hinauf, wo sein kleiner Bruder hinter der Scheibe hervorlugte. „Sie werden so schnell erwachsen.“
 

Keine fünf Minuten später fand sich auch Gruppe zwei auf dem Weg in den Himmel wider. Zu viert saßen sich Yamato und Taichi, sowie Sora und Mimi gegenüber.

Nervös tippelte letztere mit den Füßen auf dem Metallboden des Riesenrads herum, während ihr Blick immer wieder auf die Gondel fiel, in der es sich Hikari und Takeru eng nebeneinander gemütlich gemacht hatten. Während sie mit ihren zum Zerreißen gespannten Nerven kämpfte, weil eine gewisse Person nicht weit von ihr weg saß, schien besagter allzeit bereit, schlimmstenfalls aus der Zelle zu springen und sich wie King Kong zu der seiner Schwester zu hangeln, sollte Takeru ihr zu nahe kommen.
 

Yamato hingegen saß relativ entspannt auf seinem Platz, die Beine über Kreuz geschlagen, einen Arm um seine Sitznachbarin gelegt und schien mit sich und der Welt völlig im Reinen zu sein. Ob er Taichi aufhalten könnte, sollte er durchdrehen, war mehr als nur fraglich.

„Jetzt komm doch mal runter. Du kennst meinen kleinen Bruder. Der tut nichts, was sie nicht auch will. Außerdem musst du langsam mal lernen, loszulassen. Immerhin ist sie kein Kind mehr. Du kannst sie nicht ewig beschützen. Spätestens bei der Hochzeitsnacht hörts auf."

Das hätte er lieber nicht sagen sollen. Seine erst beruhigend gemeinten Worte schlugen in das genaue Gegenteil um und führten dem Brünetten erst richtig vor Augen, was ihr "Wir sind jetzt ein Paar" eigentlich bedeutete. Innerlich konnte er sogar schon ihre Kinderchen um sich herumkrabbeln sehen.
 

„Nein ... Kari ... Nicht noch eins ...", brabbelte er verzweifelt vor sich hin und sank zurück auf seinen Teil der Bank.

„Gute Arbeit, Matt. Jetzt hast du ihn kaputt gemacht."

Sora wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, entschied sich schlussendlich für ein leichtes Kichern.

„Zumindest hält er jetzt die Klappe."

Völlig unbeteiligt zuckte er mit den Schultern und lehnte sich an, um den schönen Ausblick noch ein bisschen zu genießen, bevor sie wieder unten ankamen und das ganze Drama von neuem begann.
 

Mimi dagegen wurde nachdenklich. Als Einzelkind fiel es ihr schwer, sich in die Rolle eines großen Bruders hineinzuversetzen. Das schien den armen Tai doch mehr mitzunehmen, als er je zugeben würde. Und dann ausgerechnet noch wegen Takeru. Wäre Kari nun mit irgendeinem dahergelaufenen Jungen aus der Parallelklasse zusammen, gäbe es wohl allen Grund, vor Sorge nicht still sitzen zu können. Aber mit Takeru hatte sie doch deutlich das richtige Los gezogen. Wahrscheinlich war es einfach nur eine Gewöhnungssache, bis er seinen Kontrollwahn in den Griff bekam.

„Vielleicht solltest du etwas mehr Vertrauen in Kari haben“, brachte sie leise hervor und holte Taichi so aus seinem visionären Albtraum zurück. Sie redete wieder mit ihm? Hatte er was Grundlegendes verpasst?

„Vielleicht hast du recht.“
 

~
 

„Denkst du, Tai nimmt mich auseinander nach der Fahrt?"

Kari seufzte angestrengt und schüttelte den Kopf. „Das werden wir ihm schon austreiben, keine Sorge. Früher oder später wird er damit klarkommen. Ich hab mich schließlich auch nicht beschwert, als er so sehr in Sora verknallt war."

„Dabei ist der Gedanke ganz schmeichelhaft, findest du nicht? Immerhin will er dich nur beschützen." Zweifelnd sah sie ihn an. „Denkst du denn, das wird bei dir nötig sein?" „Wer weiß...", gab er mysteriös zurück und ging gleich zum Angriff über. Dass er sie in die Seite piekste, hatte sie nicht einkalkuliert. Entsprechend hilflos war sie ihm ausgeliefert, konnte sich vor lachen kaum halten.

„Gnade! Du hast gewonnen!"

„Ach, hab ich das?" Zufrieden ließ er von ihr ab und konnte sich sein überlegenes Grinsen nicht verkneifen. „Wenn das so ist, habe ich jetzt einen Wunsch bei dir frei." Neugierig blinzelte sie ihn an. „Was denn für einen Wunsch?"
 

Mittlerweile war ihre Gondel an der Spitze angelangt und verweilte einen Moment dort im Stillstand. Gute Position - Hier waren sie unbeobachtet und würden nicht gleich den geballten Hass von Taichi auf sich ziehen, der wahrscheinlich sowieso schon von Yamato an der kurzen Leine gehalten werden musste.

„Es gibt da nämlich etwas, was ich nachholen muss. Bei unserer letzten Fahrt habe ich mich schlicht und ergreifend nicht getraut. Auch auf die Gefahr hin, dass ich heute nicht mehr in einem Stück nach Hause komme nach Tais Behandlung. Wenn du erlaubst", lächelte er ihr zu und legte seine Hand an ihre Wange.

„Keru…“
 

Sie wusste sofort, worauf er hinaus wollte und spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Wie oft lief exakt diese Szene vor ihrem inneren Auge – in ihrer Fantasie ab. Wie oft hielt sie sich selbst für bescheuert, weil das ja sowieso nie passieren würde. Und jetzt saßen sie hier dicht nebeneinander, sich tief in die Augen blickend. War sie schon dafür bereit? Andererseits sah er trotz der Ruhe, die er ausstrahlte, ähnlich nervös aus. Damit überschritten sie eine lang gefürchtete Grenze.

Zögernd nickte sie und schloss langsam die Augen.
 

„Ich liebe dich", flüsterte er, bevor ihre Köpfe hinter seinem Hut verschwanden, den er schützend vor das Geschehen hielt. So bekam niemand außer den beiden mit, wie ihre Lippen sanft aufeinander trafen und sich wie bei einer zärtlichen Umarmung aneinanderschmiegten.
 

„Oh, Keru."

Als er sich von ihr löste, lächelte sie ihn überglücklich an und beugte sich dann so zu ihm, dass ihr Mund an seinem Ohr zum stehen kam. Ihr Herz pochte wie wild, während sie jene Worte aussprach, die ihr ebenfalls schon so lange auf der Seele brannten und zu denen sie sich nun endlich bereit fühlte.

„Ich liebe dich auch ..."

Nun war er es, der mit einem leichten Rotschimmer um die Nase verschmitzt lächelte. Nichts und niemand hätte diesen wundervollen Moment zerstören können, dessen waren sie sich sicher.

Noch eine ganze Weile hielten sie sich eng umschlungen, tauschten immer wieder verstohlene Küsse aus und hätten glücklicher nicht sein können. Wenn sie doch nur die Zeit anhalten könnten...

Ja, Riesenräder schienen definitiv so was wie eine magische Wirkung zu besitzen.
 

~
 

„Du, Joe?“

„Hm?“

„Glaubst du, es gibt einen Grund, warum ich nie eine Freundin abkriege? Wirke ich so abschreckend auf die Frauenwelt?“

„Gute Frage“, entgegnete der Ältere und rückte seine Brille zurecht. Das war nun nicht gerade die Antwort, die Koushiro sich erhoffte. Nachdem nur noch sie beide übrig blieben und diese Fahrt nun zusammen hinter sich brachten, hatte er ja die Gelegenheit, über solche Themen in aller Privatsphäre mit seinem Kumpel zu sprechen.
 

„Vielleicht solltest du mehr rausgehen und nicht immer vor deinem Computer hocken. Dann merkt diese ominöse Frauenwelt, dass du existierst und Interesse zeigst.“ „Du bist doch auch nur zu Hause und starrst in die Bücher, anstatt rauszugehen. Du hast trotzdem eine Freundin“, merkte er an.

„Ja, weil sie Nachhilfestunden bei mir genommen hat und wir uns darüber kennengelernt haben. Kannst es ja mal übers Internet probieren, wenn du so von Mensch zu Mensch nicht gut klarkommst.“

Koushiro musste sich eingestehen, dass dieser Vorschlag ihm wirklich zusagte. Vorhin hatte er ja bereits zu genüge unter Beweis gestellt, was für einen Durchblick er in dieser Hinsicht besaß – gar keinen. Online sah das aber schon ganz anders aus.
 

„Was mir aber dazu einfällt, Izzy…“

„Was denn?“

„Glaubst du, du bist der richtige Typ für eine Beziehung? Du bist ein schlauer Kerl und einer der liebsten Menschen auf der Welt, aber am Ende gerätst du noch an ein so explosives Exemplar Frau wie…“

Da ging ihm endlich ein Licht auf.

„…Mimi?“, fragte er vorsichtig und erhielt zur Antwort nur ein angestrengtes Nicken.

„Na ja…“, stammelte er, als er sich an die vielen Kopfnüsse erinnerte, die der arme Tai heute schon einstecken musste, „Vielleicht lasse ich mir doch noch ein wenig Zeit, bevor ich mich Hals über Kopf in eine Beziehung stürze. Solo zu sein hat sicherlich auch… diverse Vorteile.“

"Der sieht dir irgendwie ähnlich, Tai!"

Nach ihrem gemeinsamen Besuch auf dem Riesenrad spazierten die ehemaligen Digiritter erneut allesamt über den großen Festplatz. Es gab schließlich noch eine Menge zu sehen und zu entdecken. Spiele zu spielen, Süßes zu essen…

Hikari fragte sich zunehmend, wer ihrem Bruder die Gehirnwäsche verpasst hatte. Vor der Fahrt spielte er sich noch wie der große Beschützer auf und anschließend wirkte er gewisserweise abgeklärt und ruhig. Zum Glück wusste er nichts davon, was hinter den Türen der Gondel passiert war. Sonst hätte es sicher Mord und Todschlag gegeben. Mit all den Schmetterlingen im Bauch fiel es ihr zwar etwas schwerer, sich auf die Mission zu konzentrieren, doch diese warme und starke Hand, die sie sich nun endlich traute zu umfassen, wies ihr den Weg zur nötigen Ruhe.
 

„Sag mal, Kari…“, unterbrach Taichi ihre Träumereien und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich, „Wo stecken eigentlich Davis und die anderen? Habt ihr sie nicht eingeladen?“

Takeru schaute erstaunt über den Kopf seiner Liebsten hinweg zu ihm. „Hast du das noch nicht mitbekommen? Sie sind in den Urlaub gefahren. Davis hat doch jetzt eine Freundin und um seinen Eintritt in die „Erwachsenenwelt“ zu feiern, sind sie zum Meer unterwegs“, erklärte der Blonde. Anhand seiner Betonung entnahm man bereits, dass er das alles ein wenig lächerlich fand. Erwachsenenwelt? Davis? So ein Quatsch.

„Und warum seid ihr dann nicht mit dabei? Ich dachte, ihr seid so dicke mit denen.“

Nun übernahm Hikari das Wort: „Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, weil das mit uns…“, beim Anblick von Takerus Lächeln schoss ihr gleich wieder rote Farbe ins Gesicht, „Na ja, das ist alles noch so frisch. Wir dachten, wir gönnen uns noch ein wenig Zeit, bevor wir zusammen wegfahren.“

„Ja, das klingt vernünftig. Etwas anderes habe ich nicht von euch erwartet.“
 

Zweifelnd sah das Paar ihrem Anführer hinterher, der nach seinem letzten Satz zu Yamato vorne aufschloss und eine Unterhaltung startete.

Dafür, dass er ja so großes Vertrauen in die Jüngeren setzte, ließ er es sich zuvor aber nicht nehmen, wie ein Wachhund Schmiere zu stehen und ja jeglichen Körperkontakt der beiden zu vermeiden. So war Taichi eben, in jeder Situation eine andere passende Antwort parat. Aber er meinte es ja auch nie böse und tat das alles zum Wohle seiner kleinen Prinzessin. Konnte man ihm das überhaupt übel nehmen?
 

„Da sind wir!“

Neugierig trat die hintere Reihe der Jugendlichen etwas weiter nach vorne, um den Austragungsort von Plan C unter die Lupe zu nehmen. Sie standen zweifelsohne vorm Goldfischangeln.

Eine der beliebtesten Attraktionen auf japanischen Festen wie diesen.

Man bekam drei Papierschläger und ein Behältnis. Mittels des Schlägers versuchte man dann die Fische in den Behälter zu schubsen. Da das Material aber alles andere als robust war, stellte sich das manchmal als schier unmöglich heraus.
 

„Guck mal, Sora! Sind die süüüß!“

Mimi strahlte fast heller als die Sonne, so sehr erfreute sie der Anblick der kleinen Gesellen in dem Becken. Schätzungsweise sechzig Fische tummelten sich in dem kühlen Nass, zogen ihre Bahnen aneinander vorbei und wichen den Kindern aus, die gerade ihr Glück versuchten.

Zufrieden grinste Yamato. Seine Idee schien einzuschlagen wie eine Bombe, zumindest wirkte seine Kameradin zum ersten Mal heute richtig begeistert. Dabei fand er die Tierchen alles andere als unterhaltsam. Tja, seine Menschenkenntnis ließ ihn eben nie im Stich. Jetzt musste Taichi ihr nur noch so ein Kerlchen aus dem Wasser fischen und alle waren glücklich.
 

Natürlich musste man den planlosen Jungen wieder zu seinem Glück zwingen. Der stand nämlich völlig unbeteiligt daneben und guckte irgendwo in der Landschaft herum, anstatt diese Gelegenheit wahrzunehmen und das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß war. So schnappte Matt sich seinen Kumpel und tuschelte ihm den Masterplan ungeachtet vom Rest der Truppe zu.

„Worauf wartest du noch, Tai? Das ist doch die ideale Gelegenheit, sie ruhig zu stimmen. Fang ihr einen von den Fischen, die sie so süß findet und sie wird dir verzeihen!“

Taichi runzelte vielsagend die Stirn und machte sich los.

„Ich weiß ja nicht… Glaubst du, sie ist echt so einfach gestrickt und fühlt sich sofort entschädigt, wenn ich ihr so ein Vieh aus dem Tümpel hole? Ganz davon abgesehen, hab ich dank eurer Super-Idee von vorhin keinen Penny mehr in der Tasche“, konterte er und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Allmählich hatte er die Nase gestrichen voll von den vergeblichen Versuchen, Mimi friedlich zu stimmen. Anscheinend wollte sie sich nicht vertragen. Da konnte er sich auf den Kopf stellen und so viel bitte-bitte machen, wie er wollte.

„Jetzt sei kein Spielverderber und probier es dieses eine Mal noch. Vertrau mir, das klappt schon!“

Voller Zuversicht drückte Yamato ihm einen Schein in die Hand. Das reichte für bis zu drei Versuche laut dem Preisschild.
 

Also gut. Was gab es schon zu verlieren? Wenn er das in den Sand setzte, war es wenigstens nicht sein Geld, was da reingeflossen ist. Und mit etwas Glück (und der Güte der Autorin) würde der Plan vielleicht sogar aufgehen.

Entschlossen schob er Mimi und Sora auseinander, die sich gerade noch über das Becken beugten und trat in ihre Mitte.

„Lasst mal nen Profi ran! Wäre doch gelacht, wenn mir nicht so ein Fischchen in den Becher hüpft!“

„Da bin ich ja mal gespannt. Zeig mal, was du drauf hast“, erwiderte Mimi und trat ein paar Schritte zurück. Es kam nicht oft vor, dass Tai so große Töne spuckte. Natürlich war der brünetten Schönheit nicht entgangen, was ihre Freunde für ein Spiel mit ihr trieben. Er sollte sich entschuldigen und seinen dusseligen Fehler wieder gut machen.
 

Es stimmte – Eine Woche lang lief sie stinksauer durch die Schule und machte einen großen Bogen um diesen Idioten, damit es ja zu keiner Konfrontation kam.

Trotz ihrer Zuneigung für ihn fühlte sie sich einfach nur schlecht dabei, auf diese Weise mit ihm Bekanntschaft gemacht zu haben. Auch wenn er es sicherlich (hoffentlich) nicht mit Absicht getan hatte, entwürdigte sie diese Behandlung als Frau. Solange sie es nicht für richtig hielt, sollte nicht einmal der Junge, den sie liebte, sie so sehen oder berühren. Schon gar nicht, wenn sie nicht wusste, ob er dasselbe für sie empfand.

Wie Taichi eben so war, ging er dem Stress ebenso aus dem Weg und die Entschuldigung, die sie sich von ihm wünschte, blieb aus. Bis vorhin, als er dann endlich mal all seinen Mut zusammennahm und das aussprach, was sie von ihm hören wollte. Auch wenn er in seiner Aufregung etwas unglücklich formulierte und es dadurch zu noch mehr Missverständnissen kam, hatte sie sich eigentlich vorgenommen, nicht mehr wütend zu werden.

Guter Vorsatz, nur hielt sie sich nicht ganz daran.
 

Der arme Kerl tat ihr bald selbst schon ein wenig leid, schließlich tat er sein Möglichstes, um das Ganze ungeschehen zu machen. Spätestens seit dem Riesenrad war ihre Wut bereits komplett verflogen. Allein wegen des Anblicks, in was für eine Not er beim Amateurfischen geriet, ließ sie ihn aber noch ein bisschen zappeln.

Irgendwie schmeichelte ihr der Gedanke, dass ihm anscheinend doch mehr an dem Erhalt ihrer Freundschaft lag, als sie vorher zu glauben wagte.
 

Taichi schluckte schwer. Nachdem die anderen Schläger allesamt den Geist aufgaben und das dünne Papier an allen gerissen war, hielt er seine letzte Chance zwischen den zittrigen Fingern. Es kam ihm so vor, als würde ihn jeder beobachten und nur darauf warten, bis etwas schief ging. Okay, er gestand sich seine Tollpatschigkeit ein, aber mussten seine Freunde deswegen ständig auf ihm rumhacken? Hatte niemand ein paar aufbauende Worte für ihn parat?!

„Nur die Ruhe, Tai. Das ist echt nicht ganz einfach. Aber mit ein wenig Konzentration und Fingerspitzengefühl kriegst du das sicher hin“, sagte eine Stimme neben ihm.

Verwundert schaute er zur Seite und entdeckte Mimi, die direkt neben ihm kniete, den Kopf auf die geballten Fäuste gestützt und ihn liebevoll anlächelnd. Von ihrer schlechten Laune schien nicht ein Fünkchen übrig geblieben zu sein. Doch woher kam der plötzliche Wandel?

„Darauf würde ich nicht wetten. Wie du siehst, bin ich nicht gerade der Profi.“
 

Vorsichtig tunkte er sein Werkzeug ins Wasser und hielt Ausschau nach einem potentiellen Opfer. Seine Wahl fiel auf einen Fisch mit besonders großer Flosse, die er geschmeidig hinter sich herzog beim Schwimmen. Der war perfekt. Der und kein anderer.

„Ach, keine falsche Bescheidenheit. Das würde ich sicher nicht besser machen.“

Genau solche Anfeuerungsrufe wollte der Wuschelkopf hören. Neuer Ansporn machte sich in ihm breit und beflügelte ihn, zur Höchstform aufzulaufen. Seine Bewegungen wirkten mit einem Mal überhaupt nicht mehr verkrampft oder ungeschickt. Seine Hand wanderte mit einer spielerischen Leichtigkeit durch die kalte Flüssigkeit und scheuchte den kleinen Kauz in die Falle. Wie ein wilder paddelte er im Kreis, fand aber keinen Ausweg aus der Schale.

„Na, wer sagts denn!“

Triumphierend hielt Taichi das Gefäß in die Höhe und erhielt zur Anerkennung einen kleinen Höflichkeitsapplaus von Hikari und Takeru.
 

Während er mit vor Stolz geschwellter Brust zum Betreiber des Standes ging, um den Fisch in einen Beutel mit Wasser umfüllen zu lassen, stieß Sora ihrem Freund in die Rippen.

„Super Idee, dafür hast du dir echt einen Orden verdient, Matt. Sieh nur, wie sich Mimi freut!“

Die Rothaarige deutete zu Besagter, die gerade zur Sekunde ihr neues Haustier in die Hand gedrückt bekam.

„Manchmal hab ich anscheinend auch einen lichten Moment. Hoffentlich haben wir ab jetzt etwas Ruhe“, antwortete er, versenkte seine Hände in den Hosentaschen. Immerhin war er nur derjenige, der einen Ratschlag erteilte. Die Erfüllung dieser Aufgabe lag ganz allein bei Taichi.
 

„Den schenk ich dir, weil du die Einzige warst, die an mich geglaubt hat.“

Mit leuchtenden Augen nahm Mimi die Plastiktüte entgegen, beäugte das Wesen, das vor sich hinblubberte. Für einen Moment meinte sie sogar, er hätte ihr mitten ins Gesicht geschaut, bevor er weiter schwamm und sein neues Umfeld erkundete.

„Wie willst du ihn nennen?“, fragte der Fußballer nach, als sie auf seinen letzten Satz nichts erwiderte.

„Hmm… Mal überlegen…“

So etwas Wichtiges entschied man eigentlich nicht so leichtfertig. Bei genauerem Hinsehen ging ihr aber ein spezieller Name durch den Kopf, den sie nicht mehr loswurde.
 

„Tama.“

„Tama?“

„Ja, Tama“, entschied sie.

„Nennt man nicht eher seine Katze so? Aber doch keinen Goldfisch…“

„Tama ist ein Geschenk für mich, nicht wahr? Und damit hast du deine Besitzansprüche offiziell an mich abgetreten. Somit entfällt auch das Mitspracherecht über den Namen.“

Zuerst überlegte der Junge, ob ein Kontra angebracht wäre, entschied sich jedoch dagegen. Damit hatte sie schließlich recht.

Kopfschüttelnd warf er einen Blick in die Tüte. Das sollte also Tama sein?

„Ich meine ja nur…“

Ein paar Schritte machte die Tachikawa von ihm weg, nur um sich dann mit Schwung zu ihm umzudrehen und ihn frech anzugrinsen.

„Weißt du, warum das Fischchen so heißen soll? Er sieht dir nämlich irgendwie ähnlich, Tai. Und jetzt fangt ihr auch noch beide mit einem T vorne an. Verrückt, was?“
 

Auf diese Feststellung hin konnten sich auch die anderen nicht mehr halten und lachten herzhaft. Tai und Goldfisch?

Taichi spürte, wie ihm dieser peinliche Vergleich zu Kopf stieg und sein Gesicht zu glühen begann. Da strengte er sich extra für dieses Prinzesschen an und bekam trotzdem einen Spruch gedrückt. Was für eine ungerechte Welt.

„Du willst also behaupten, ich seh dem Glubschauge da ähnlich?“, schnaubte er, wobei man seiner Tonlage die Belustigung darüber entnahm.

„Denkst du, ich lüge?“, grinste Mimi ihm zu und steuerte bereits den nächsten Stand an. Von der ganzen Lauferei wurde sie ganz schön hungrig. Dieses Mal zückte sie aber lieber selbst die Brieftasche, bevor sie und der Rest wieder einen Grund mehr zum Lachen serviert bekämen.

Die Rückkehr der ganz blöden Zufälle

Relativ bald nach Tamas Adoption zog sich die Gruppe zur Showwiese zurück. Hier versammelten sich die Besucher des Festes, um einen guten Ausblick auf das Feuerwerk zu erhaschen. Die Atmosphäre war gelassen - entspannt. Während man aus der Ferne fröhliches Kinderlachen und laute Musik hörte, herrschte hier verhältnismäßig Stille. Unterhaltungen fanden auf Zimmerlautstärke statt, der Rest blieb stumm oder beschäftigte den Mund mit Essen statt reden.

Die Teenager hatten es sich im weichen Gras gemütlich gemacht und plauderten miteinander. Lange würde der Abschluss des Festes nicht mehr auf sich warten lassen. Besser hätte es wohl nicht laufen können. Zumindest merkte man auch nichts mehr von Taichis Eifersucht oder Mimis Unmut über seine Blödheit. Im Gegenteil, nach ein-zwei Becherchen Cola benahmen sich die beiden fast wie beste Freunde.
 

„Na, woran denkst du?"

Lächelnd beugte sich Kari über ihren Freund, der sich der Länge nach ins frische Grün hatte fallen lassen und angeregt die Sterne beobachtete.

„Ach, weißt du, es ist in letzter Zeit so schön friedlich geworden. Ich freue mich einfach darüber, dass wir zusammen hier sein und das Fest genießen können. Wir waren doch sehr erfolgreich, oder was meinst du?" Sein Blick wanderte rüber zu Taichi und Mimi, die sich angeregt unterhielten und bis über beide Ohren strahlten.

„Ja, die Idee war wirklich gut. Aber das ist wohl nicht das Einzige, was zu unseren Gunsten lief", gab sie zurück und kicherte vergnügt, da er anscheinend nicht sofort verstand, was sie meinte und sie nur fragend anschaute. „Genau das meine ich."

Bevor er jedoch die Gelegenheit hatte, das näher zu hinterfragen, flog mit einem lauten Zischen die erste Rakete in die Luft, die in einer eindrucksvollen Explosion am Abendhimmel endete.
 

Während sich das Spektakel am Himmel fortsetzte, wurde Mimi sehr ruhig. Bis eben überwog bei ihr die Freude über das begrabene Kriegsbeil. Allerdings brachte sie das wieder zurück zu der Ausgangssituation, mit der sie auch alles andere als glücklich war. Sie hatte Gefühle für Tai und war eigentlich nicht länger gewillt, es für sich zu behalten. Nur stellte sie eine Erwiderung dieses Empfindens ziemlich infrage. Als Kapitän der Fußballmannschaft flogen ihm die Herzen der Mädchen nur so zu. Wenn er wollte, konnte er jedes beliebige Weibchen in der Nähe um den Finger wickeln. Und dass er gerne flirtete, fiel ihr mit unter schon sehr negativ auf. Allein Mimi selbst blieb bislang von diesen Versuchen verschont. Ob er sie überhaupt gar nicht mochte? Dann machte es aber keinen Sinn, weshalb er sich so um ihre Gunst bemühte, um den Streit ungeschehen zu machen.

Es war einfach zum Haareraufen. Sie hatte gehofft, die Dinge würden sich klären, sobald sie einen Mitstreiter für sich gewann. Diesen Unterstützer fand sie in Hikari, die von der Idee einer Partnerschaft der beiden sehr angetan wirkte. Bislang passierte aber nicht viel. Sehr demotivierend.

Da Mimi ebenfalls kein Mauerblümchen war und die Sympathie vieler Jungs auf sich zog, war sie diese Situation gar nicht gewohnt. Dass sie um jemandes Liebe kämpfen musste, kam relativ selten vor. Davon machte sie allerdings bislang auch keinen Gebrauch.
 

Immer wieder schaute sie zu Taichi, der sich mit Yamato unterhielt und dabei immer wieder von seinem Becher nippte. Die ganze Kuppelei und die Sache mit Hikari und Takeru hatte sie doch sehr nachdenklich gestimmt. Sollte sie es wagen und ihm endlich die Wahrheit sagen? Allein der Gedanke daran verschnellerte ihren Herzschlag so sehr, dass sie glaubte, das Pumporgan würde ihr jeden Moment aus dem Brustkorb springen. So als hätte er bemerkt, dass sie ihn beobachtete, trafen sich plötzlich ihre Blicke und sie konnte gar nicht anders, als sich zum Gras hin abzuwenden und zu hoffen, er würde sie jetzt nicht für komisch halten.

„Immer noch keine Fortschritte, hm?"

Mit der Hand auf ihrer Schulter geparkt, hatte sich Hikari neben ihr niedergelassen und lächelte sie aufmunternd an. Am liebsten hätte sie die Dinge sofort selbst in die Hand genommen, entschied sich dann auf Flehen ihrer Freundin, die Angst hatte, sie müsste augenblicklich sterben, sollte er auch nur ansatzweise davon erfahren, doch dagegen. Man konnte dieses schüchterne und zurückhaltende Verhalten kaum mit ansehen.
 

Mimi schüttelte bestimmt den Kopf. „Ich beneide dich und T.K. Bei euch klang das alles so einfach und geküsst habt ihr euch ja auch schon. Ich dagegen bekomm es nicht mal gebacken, in Taichis Nähe nicht wie ein Volltrottel zu wirken ..."

Allein beim Gedanken an Koushiros Missverständnis vorhin wäre sie am liebsten erneut im Erdboden versunken.

„Am besten, ich geb's einfach auf, immerhin lauf ich ihm ja schon so lange hinterher, ohne dass sich irgendwas ergeben hat. Er sieht mich wahrscheinlich einfach nur als Freundin und nicht als Frau.“

„Du solltest dich nicht so hängen lassen, das passt irgendwie nicht zu dir", sagte Hikari, nachdem sie bis zum Ende zugehört hatte, „So was geht nicht von heute auf morgen und ich denke, das weißt du auch. Bei Keru und mir hat es auch eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis wir uns über unsere Gefühle im Klaren waren. Von einfach kann da gar nicht die Rede sein." Einen Moment überlegte sie, bevor sie noch leise hinzufügte: „Außerdem ist mein Bruder nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte, was solche Themen anbelangt. Ich glaube, Keru hat da einfach mehr Feingefühl, deswegen ist er auch schneller hinter das Geheimnis gekommen."
 

In der Zwischenzeit war die Unterhaltung vom Rest noch in vollem Gange.

„Schade, das Feuerwerk ist sicher gleich vorbei. Das könnte ich mir noch stundenlang ansehen", merkte Koushiro an und schaute rauf zum Himmel. Auch Sora schien das aufzustoßen. „Ich hab noch gar keine Lust, nach Hause zu gehen. Wir unternehmen so selten was zusammen."

Nachdenklich legte Yamato den Kopf schief. „Wir könnten doch im Anschluss noch was unternehmen. Der Abend ist schließlich noch jung."

Jetzt mischte sich auch Takeru ein, der sich mit einem Schwung wieder aufsetzte aus seiner liegenden Position. „Und was hattet ihr euch da vorgestellt? Hoffentlich keinen Ausflug in die nächstbeste Karaokebar."

„Wieso nicht? Hast wohl Angst, dass du keine Töne triffst, was?", neckte sein Bruder ihn, worauf er nur stur wegschaute. „Quatsch. Ich hab zwar nicht so eine goldene Stimme wie du, aber mein Gesang ist bis jetzt noch nie jemandem negativ aufgefallen."

Da kam Taichi schließlich eine Idee. „Hey, mir fällt gerade was ein. Unsere Eltern sind heute nicht zu Hause. Was haltet ihr davon, wenn ihr alle mit zu mir und Kari kommt und wir eine kleine Pyjamaparty schmeißen?"

„Meinst du nicht, Mama und Papa schimpfen, wenn sie das rausbekommen?", gab Hikari zu bedenken, wurde jedoch sofort von dem Älteren abgeschmettert.

„Ach was. Ist ja nicht so, als würden wir die Bude auseinandernehmen. Und das wäre sowieso nicht das erste Mal."

Er winkte nur ab und lachte ihre Bedenken weg, als wären sie das Abwegigste, das er sich vorstellen könnte.

Schlussendlich gab sie auf und schaute durch die illustre Runde.

„Also, wie sieht's aus? Hättet ihr Lust?"

Auch wenn nicht wirklich etwas dabei war, so war das Grüppchen doch leicht gespalten. Ein Teil konnte sich natürlich nichts Besseres vorstellen, während die Vernünftigeren eher darüber schwiegen. So auch Mimi, der man deutlich im Gesicht ablesen konnte, dass ihr trotz geklärter Fronten nicht ganz wohl dabei war.

Schließlich kam aber von allen eine positive Antwort zurück, und so machten sie sich auf den Weg, die Festtagsklamotten loszuwerden und Schlafsachen zu holen.
 

~
 

Wenig später saßen sie auch schon in Hikaris Zimmer und warteten auf den Rest - bestehend aus Taichi, Mimi und Yamato - während sie sich darüber unterhielten, dass Tai darauf bestanden hatte, Mimi zu begleiten, damit ihr auch ja nichts passierte.

„Alle Achtung, er geht ja echt ran", lachte Sora.

„Ein Wunder, dass es nicht schon wieder eskaliert ist. Mit Mädchen hat er irgendwie kein Glück. Das mit euch lag sicher auch nicht nur daran, weil er dir in den Hut gekotzt hat“, spekulierte Koushiro und befüllte den Plastikbecher mit Limo.

Hikari grinste verschmitzt. Also hatte nicht nur sie Spaß daran, ihren Bruder damit aufzuziehen. Zu lustig war seine immer wiederkehrende Reaktion darauf - erst redete er das Ganze herunter, dann meinte er, sie hätte einfach übertrieben, bis er schließlich zusammensackte und sich als komplett unfähigen Vollidioten deklarierte. Obwohl ihr Sora in diesem Fall auch leidtat, die etwas unruhig auf ihrem Platz hin und herrutschte. Daran erinnerte sie sich nicht sonderlich gern. Seit sie und Yamato zu einem Paar wurden, mied sie die Gespräche über das Liebesdrama mit Tai strikt. Vergangenes sollte da bleiben, wo es war. In der Vergangenheit.
 

Joe rückte seine Brille zurecht, ehe er seinen Einwand aussprach: „Das ist gemein, Izzy. Hat halt nicht jeder so ein glückliches Händchen. Du siehst ja, was bei ihm alles schiefgegangen ist, bevor er sich gemausert hat. Und das auch nur mit tatkräftiger Unterstützung." Auch er genehmigte sich den nächsten Schluck. Bekräftigend nickte Sora. „Genau. Komm du erstmal selbst in so eine Situation, dann reden wir weiter."

Grummelnd befüllte der Rotschopf seinen Becher erneut mit der Limo. Dabei war ihm anscheinend nicht klar, dass er damit einen fruchtigen Sekt erwischt hatte und gerade auf dem besten Weg war, sich haltlos zu betrinken. Aber das brauchte er jetzt. Mussten die anderen ihn denn immer aufziehen, weil er sich nicht verliebte? Dann klingelte es endlich an der Tür - Das Zeichen für die Rückkehr ihrer drei verschwundenen Freunde. „Mal gucken, ob Tai in einem Stück angekommen ist, oder ob man ihn unterwegs ein paar Köpfe kleiner gemacht hat." Kichernd lehnte sich Takeru zurück und beobachtete seine Freundin dabei, wie sie zur Wohnungstür eilte, um aufzumachen.
 

„Leute, jetzt kriegt euch doch mal wieder ein! Ernsthaft!"

Völlig mit den Nerven am Ende stolperte Yamato ins Zimmer und gab sogleich den Blick auf den Grund für seine Verzweiflung frei.

„Rettet mich doch endlich mal jemand! Die gehen gleich aufeinander los!"

Sofort versteckte er sich hinter Sora und fing an, gespielt zu quengeln, was ein so merkwürdiges Bild abgab, dass sein kleiner Bruder nur die Hand gegen die Stirn schlug und seine Scham sogleich mit dem nächsten Schluck eiskalter Cola ertränkte. Manchmal benahm sich Matt eben doch nicht wie der Ältere von beiden.

„Ich hatte echt für einen Moment geglaubt, du wärst kein Volltrottel!"

Angesäuert warf Mimi ihre Tasche in die Ecke und ließ sich auf Hikaris Bett fallen. Die Erklärungsversuche von Taichi blendete sie dabei völlig aus.

„Aber wenn ich's dir doch sage! Das war ein Missverständnis!"

„Ist es bei dir doch immer ...", zischte sie nur und so langsam platzten ihre Freunde vor Spannung darüber, was denn dieses Mal vorgefallen war.

„Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?"
 

Taichi ließ sich im Schneidersitz auf den Boden sinken, wuschelte sich angestrengt durchs Haar. Er wollte nicht darüber reden. Ganz und gar nicht. Zu peinlich erschien ihm allein schon der Gedanke an eben.

„Jetzt spannt uns doch nicht so auf die Folter! Was war los?“

„Fragt doch ihn!", antwortete die Brünette und deutete auf den Übeltäter. Von ihrer Sorge, ihre Gefühle weiter verstecken zu müssen, war eindeutig nichts mehr übrig geblieben. Nur noch die blanke Wut stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Bevor die ganze Sache sich noch weiter hochschaukelte, schaltete sich schließlich Yamato ein, der einen ganzen Becher Vodka-Cola in einem Zug leerte, um wenigstens ein kleines bisschen runterzukommen.

„Ging eigentlich nur darum, dass Mimi uns zu sich in die Wohnung gelassen hat und Tai aufs Klo musste. Irgendwann haben wir einen lauten Knall gehört und sind ins Bad gestürmt, wo die Leuchte hier mit dem Kopf im Wäschekorb gesteckt und ausgerechnet eins ihrer Höschen zu fassen bekommen hat ..."

Der gesamte Raum war erst in Schweigen, dann in schallendes Gelächter getaucht, abgesehen natürlich von den Streitenden, die beide mehr als nur rot um die Nase wurden und sich am liebsten in Luft aufgelöst hätten.

„Wie oft denn noch?! Ich wollte das Fenster aufmachen und bin abgerutscht. Was stellt ihr eure Schmutzwäsche auch an so 'ne blöde Stelle?!", gab er nur trotzig zurück und verursachte damit nur den nächsten Lachschwall.
 

Warum in Gottes Namen passierte ihm immer wieder so ein Quatsch? Womit verdiente er so was? Das Schicksal wollte anscheinend keine harmonische Freundschaft für die Teenager. Eher provozierte es immer wieder diese dämlichen Zufälle, die ihn in Teufelsküche brachten. Beinahe jetzt noch sah er das Feuer der Hölle in ihren Augen lodern. Ausgerechnet ihr verdammtes Höschen. Ein benutztes. Noch schlimmer konnte es doch gar nicht mehr werden.

„Du bist aber auch ein Pechvogel, Tai. Man möchte fast meinen, dass es so viele unglückliche Zufälle gar nicht gibt."

„Fall du mir nicht auch noch in den Rücken, Izzy! Als wär das hier nicht schon schlimm genug", motzte er und zeigte zurück auf Mimi. „Du musst gerade reden! Glaubst du, für mich war das nicht schlimm?!"

„Jedenfalls hat dir keiner eine runtergehauen.“

Yamato wedelte nur mit der Hand. „Beruhig dich, Mimi. Das mag jetzt noch viel unglaubwürdiger klingen als vorhin, aber er ist wirklich so ein Tollpatsch." „Ach, Quatsch mit Soße! Gib schon her!" Ohne lange nachzudenken, nahm sie dem Sänger den aufgefüllten Becher aus der Hand und genehmigte sich auch einen, um ein wenig runterzukommen. Und das, obwohl sie kein besonders großer Fan von Alkohol war. Ein kleines Becherchen würde sie schon nicht aus den Latschen kippen lassen. Vielleicht half es ihr aber wenigstens, die Dinge für ein paar Stunden etwas lockerer zu sehen und Taichi nicht permanent den Kopf einschlagen zu wollen.

Dieser ließ sich geknickt neben seinen besten Freund fallen, der nur permanent grinste. „Morgen ist auch noch ein Tag. Bleib einfach still sitzen, dann passieren keine Unfälle mehr“, flüsterte ihm dieser frech zu.

„Was für ein weiser Ratschlag." Gequält seufzte der Anführer. Was für eine Pleite.

Hoffend, für etwas Ruhe zu sorgen, wandte sich Hikari an die Streithähne. „Wie wär's, wenn ihr euren Streit trotzdem erstmal auf Eis legt und einfach eine Nacht drüber schlaft? Wäre doch schade um die schöne Stimmung. Ihr habt euch doch sicher auch beide auf den Abend gefreut, oder nicht?"

Jetzt war es Mimi, die seufzte. „Gut, meinetwegen. Ehrlich gesagt habe ich auch überhaupt keinen Nerv, mich weiter darüber aufzuregen. Dieses Explosionsartige liegt eben bei mir in der Familie."

Gute Ausrede. Gewissermaßen kannte man die Schönheit nicht anders. Da gab es öfter mal die eine oder andere extremere Gefühlsregung bei ihr.

„Für heute sei dir erstmal verziehen, Yagami! Aber darüber sprechen wir noch, klar?"

Völlig überrascht schaute er zu ihr auf, rechnete er doch nicht damit, dass sie überhaupt noch ein Wort mit ihm wechselte. „W-Wirklich? Na klar!"
 

„Mach's nicht kaputt ..."

Allein sein dümmlicher Blick reichte dem Mädchen schon, um sofort die nächste Schelle auf ihn loszulassen. Warum zum Teufel hatte er sich eigentlich ausgerechnet auf sie eingeschossen, was solche Peinlichkeiten betraf? Es wollte ihr einfach nicht in den Kopf. Seufzend resignierte sie und ließ sich schließlich neben Izzy, der schon mehr als nur gut dabei war, fallen und genehmigte sich den nächsten Schluck, der ihre Stimmung tatsächlich ein wenig hob.

„Ich bin ja echt froh, dass ich nicht so viel Pech hab wie du. Zumindest wäre dann wahrscheinlich nie was aus Kari und mir geworden."

Ja, Takeru liebte es, noch einmal schön nachzutreten und in der offenen Fleischwunde herumzustochern, als gäbe es kein Morgen mehr. Doch nicht einmal hier traute sich Tai noch große Widerworte zu geben, in der Angst, sie könnten ihm nur wieder negativ angelastet werden. Stattdessen vergrub er sein Gesicht auf seinen Knien und seufzte gequält. Für heute war er fertig.

„Schön, wie du einfach immer die passenden Worte findest, Brüderchen“, lächelte Hikari. Vielleicht entwickelte sich der Abend doch noch ganz interessant. So zumindest ihre Annahme. Es konnte ja niemand ahnen, wie sehr sie es noch bereuen würde, sich lustig gemacht zu haben.

Küsse sind doch gar nicht so schlimm... oder doch?

Yamato warf seinem Bruder die Dose Energiedrink zu, mit der er schon seit einer gefühlten Ewigkeit geliebäugelt hatte, und genehmigte sich dann ebenfalls eine.

„Und ihr wollt nichts?"

Fragend wandte er sich Koushiro und Joe zu, die allerdings nur abwehrend die Hand hoben und mit dem Kopf schüttelten.

„Die wissen eben, was sich gehört. Bleibt, wie ihr seid. Ihr seid echt anständig", lächelte Sora den beiden zu. Wenigstens saßen hier nicht nur Jungs, die sich unkontrolliert zulaufen ließen.

Joe rückte nur seine Brille zurecht, die für einen kurzen Moment aufblitzte.

„Ich bin hier der Älteste und da wäre es unverantwortlich, mich zu betrinken. Irgendjemand muss ja die Übersicht behalten.“

„Und ich... ehrlich gesagt war ich noch nie so richtig betrunken. Ich hab keine Ahnung, ob ich das vertrage“, fügte Izzy hinzu und musterte die Bierdosen, die etwas seitlich der Gruppe standen. Ob er es vielleicht doch mal probieren sollte? Bald stand ihr Einstieg ins Berufsleben an. Spätestens ab da wäre es vorbei mit Ausprobieren.
 

„Und was machen wir jetzt?“ Es gab wohl in der Tat spannendere Dinge, als dem Chaosduo dabei zuzusehen, wie sie sich einen genehmigten. Nachdenkliche Blicke, leises Murren... bis Taichi der rettende Einfall kam.

„Was haltet ihr von einem kleinen Spiel?" Zweifelnd runzelte Hikari die Stirn. Zwar betrank sich ihr Bruder relativ selten, doch wenn er es mal tat, kamen ihm meistens die eigenartigsten Ideen. Besser sie passte darauf auf, dass der Abend nicht in einer für sie peinlichen Situation endete.

„Wie wär's mit einer Runde Wahrheit oder Pflicht?"

Das klang ja... fast noch vernünftig. Obwohl das Mädchen überzeugt war, dass selbst bei so einem "netten" Spielchen das Haus Feuer fangen könnte, traute sie sich doch nicht, zu verneinen. Die Gruppe war ja sofort begeistert von diesem Vorschlag. Als Tai die Jüngere daraufhin prüfend ansah, zuckte sie nur mit den Schultern, was wohl so viel wie "Meinetwegen" heißen sollte.
 

„Gut, Kari... Dann fangen wir doch gleich mal mit dir an", sagte er verheißungsvoll und sein Blick ließ schon ihre Alarmglocken schrillen, „Wahrheit oder Pflicht?" Irgendwie konnte sie an seiner Mimik überhaupt nicht einschätzen, was er plante. Und dass er etwas plante, stand wohl außer Frage. „Wahrheit", gab sie etwas unsicher zurück und wartete gespannt auf den Hammer, der sie nur Sekunden später traf. „Perfekt! Jetzt musst du mir ein für alle Mal Rede und Antwort stehen!" Er sah mit einem Mal todernst aus. „Was habt ihr da vorhin im Riesenrad getrieben?!"

Dass er das nicht so einfach auf sich sitzen lassen würde, war eigentlich klar. Trotzdem rechnete keiner damit, wie offen er an das Thema ... "ranging"?

So überraschend kam es für das Paar, dass Takeru sich prompt an seinem Getränk verschluckte, von dem er bis eben noch einen großen Schluck genommen hatte und es im selben Zug auch gleich wieder bereute.

Kari wurde so unglaublich nervös in diesem Moment. Verdammtes Bier. Eben hockte Tai noch wie ein Häufchen Elend herum und hoffte, er würde durch eine unbedachte Handlung nicht gleich wieder den Zorn von Mimi auf sich ziehen. Und jetzt?!

Apropos... Wo wir gerade bei Mimi waren... Besagte bekam ganz große, leuchtende Augen. Anstatt eines Machtwortes, das die Jugendlichen wieder zur Räson brachte, lauschte sie gespannt. Natürlich... bei dem Mädelsabend war sie eine der ersten, die jedes kleinste Detail über den Beziehungsstart der beiden hören wollte. An dieser Stelle brauchte sie also keine Hilfe zu erwarten.
 

„Also? Ich warte.“

Mit einer ausladenden Handbewegung verlieh er seiner Forderung Nachdruck. Kari spürte förmlich ihr Gesicht glühen, als die erwartungsvollen Blicke aller auf ihr klebten und so stumm nach einer Antwort verlangten.

Hilfesuchend schaute sie zu Takeru. Da er aber gut damit beschäftigt war, den Energydrink aus seinen Atemwegen zu pressen, konnte sie auch hier wohl auf keinen Beistand hoffen. Was dachte sich Tai nur dabei, dieses Thema vor den anderen anzuschneiden?!

Das würde er noch bitter bereuen, schwor sie sich im Geiste. Das hatte er nicht umsonst gemacht.

„Was wir ... getrieben haben ...?", versuchte sie ein wenig Zeit zu schinden und nach einer Möglichkeit zu suchen, wie sie ihm mit einem blauen Auge entkommen konnte, doch ohne Erfolg. Also blieb ihr nur, ihre Antwort so unverfänglich wie möglich zu formulieren und zu hoffen, sie und ihr Freund würden nicht augenblicklich an Scham sterben. Natürlich fand sie es unglaublich schön und würde es jederzeit wieder tun, aber so an den Pranger gestellt zu werden, war selbst dem sonst so offenen Mädchen zu viel. Aber sie war ja auch selbst schuld, immerhin war das nur die Retourkutsche für das, was sie ständig mit ihrem Bruder für Albereien trieb. Die Rache würde allerdings genauso grausam ausfallen, wenn nicht sogar noch grausamer. So viel stand fest.
 

„Na ja, also ...", begann sie und kramte nach den unverfänglichsten Worten, mit denen sich das Ganze erläutern ließ. Innerlich betete Takeru schon, dass Tai nicht allzu brutal mit ihm umgehen würde, sobald er erfuhr, dass er die Finger nicht von ihr lassen konnte.

„Wir haben rumgesessen, uns unterhalten und dann ... hat er mich geküsst ...", nuschelte sie nur und zuckte leicht zusammen, aus Angst, ihr Bruder würde jeden Moment Amok laufen. Doch stattdessen nippte er nur kurz an seiner Flasche und bewegte dann den Kopf leicht in ihre Richtung.

„Ich hab überhaupt nichts verstanden. Mach mal die Zähne auseinander."

Die Röte stand Kari deutlich ins Gesicht geschrieben. „Wir haben ... uns ... geküsst", wiederholte sie noch einmal, diesmal ein wenig lauter, doch auch dieses Mal spielte Taichi den Schwerhörigen und trieb sie damit beinahe zur Weißglut.

„Er hat mich geküsst, verdammt noch mal!"

Dass sie so laut werden würde, hatte sie nicht gedacht und auch Taichi war das Lachen aus dem Gesicht verschwunden. Takeru wäre beinahe an seiner Cola ertrunken, die er zum Nachspülen genommen hatte und der Rest starrte sie nur entgeistert an, ging jedoch sogleich in ein vielsagendes Grinsen über.
 

„Warte, Tai! Ich kann das erklären!", presste Takeru heraus, als er das nächste Mal wieder Luft in der Lunge hatte, was allerdings völlig vergebens war. Nachdem seine Überraschung einigermaßen verflogen war, zeichnete sich beinahe so etwas wie Enttäuschung auf dem Gesicht des Älteren ab. „Wenn's weiter nichts ist."

„...Wie?" Jetzt war das Paar gleichermaßen verwundert über seine so coole Reaktion, rechneten sie doch eigentlich mit der Explosion des Jahrhunderts. Taichi hingegen nahm noch mal einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche und antwortete: „Ich hab mir also die ganze Zeit völlig umsonst Sorgen gemacht. Gegen einen Kuss ist eigentlich nichts einzuwenden. Nicht viel schlimmer als Händchenhalten. Ich hatte eher Angst, er würde dir an die Wäsche gehen, wenn keiner hinsieht."

„Tai!! Red nicht so einen Quatsch, du bist betrunken!", entfuhr es Kari automatisch. Als würde ihr Keru so etwas ohne ihr Einverständnis tun, so ein Blödsinn!

Selbigem hatte es mittlerweile völlig die Sprache verschlagen, so überrumpelt war er von dieser Aussage ihres Anführers. Ja, Taichis Mundwerk war wirklich ein wenig zu locker, wenn Alkohol im Spiel war. Nur ließ sich jetzt schwer einschätzen, ob er ihn tatsächlich für einen triebgesteuerten Idioten hielt oder nicht. Da der Blondschopf wenig Erfolgsaussichten hatte, seine entglittenen Gesichtszüge wieder unter Kontrolle zu bekommen, ließ er diese lieber hinter seinem Hut verschwinden, den er über seine Augen zog, um die Tragödie nicht länger mit ansehen zu müssen.
 

„Jetzt übertreibst du aber ein bisschen. Mein Bruder ist nicht so ein kleiner Gauner wie du. Überleg mal, wie du in dem Alter drauf warst", neckte Yamato ihn, der ihm im Normalzustand wohl eher eine verpasst hätte, dass er so schlecht von seinem kleinen Bruder sprach.

„Das tut hier gar nichts zur Sache! Ich war immer ein Engel!" „Das träumst du wohl gerade..."

Die restlichen Gäste taten sich etwas schwer, sich zwischen Scham und Amüsement zu entscheiden. Die einen grinsten verschmitzt, die anderen schauten nur peinlich berührt in der Gegend herum. Um die unangenehme Stille zwischen dem Rest der Anwesenden zu vertreiben, traute sich Izzy als einziger, das Wort zu erheben.

„Und äh... Wer ist als nächstes dran?“
 

„Ich.“

Das war Hikaris große Chance. So etwas ließ sie nicht einfach so auf sich sitzen. Später würde es ihr sicher leidtun, was sie nun von ihm verlangte, aber im Augenblick war es das einzig Richtige. Mit einer waschechten Yagami legte sich eben keiner so ungestraft an.

„Nachdem mein Bruder mich schon zu dieser Aussage genötigt hat, bin jetzt wohl ich an der Reihe."

Man konnte ihrem Blick deutlich ansehen, dass sie sich schon ungemein auf das freute, was gleich kommen würde. Um nichts in der Welt hätte sie sich die Möglichkeit von jemandem nehmen lassen, die Rache sofort auf dem Fuß folgen zu lassen. Je größer ihr Grinsen wurde, desto schlimmer wurden die Vorahnungen des Brünetten und insgeheim bereute er es jetzt schon, so sehr über die Stränge geschlagen zu haben.

„Bruderherz ..." Sie wandte sich ihm zuckersüß grinsend zu. „Keine Angst, so ein Monster bin ich ja nicht, dass ich etwas Unmenschliches von dir verlangen würde."

Beinahe hätte der Ältere erleichtert aufgeatmet, hätte sie nicht sofort weiter gesprochen.

„Du darfst Matt küssen."

Augenblicklich verschluckten sich beide Jungs und sprangen wild protestierend auf.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein!"

Angewidert tauschten er und Yamato Blicke aus. Das konnte sie doch nicht ernsthaft von ihm verlangen!

„Ich mach auch alles was du willst, aber bitte lass mich nicht den Vollpfosten küssen!"

Nun war er tatsächlich vor seiner Kari auf die Knie gefallen, die allerdings zeigte keinerlei Gefühlsregung. Ein heroisches Grinsen war das Einzige, das ihr Gesicht schmückte.
 

„Wen nennst du hier Vollpfosten?!"

Aus seiner Schockstarre erwacht, verpasste Yamato seinem Freund eine saftige Kopfnuss und fiel direkt neben ihm auf die Knie.

„T.K, tu mir den Gefallen und bring sie wieder zur Vernunft, ja?"

Hinter dem wieder nach hinten gezogenen Hut kam aber auch nur ein freudiges Lächeln hervor und das erste, was sein jüngeres Ebenbild ihm zu sagen hatte war: „Ach, jetzt sei doch nicht so ein Spielverderber, Brüderchen! Ihr sollt ja nicht gleich heiraten. Du hast Tai doch eben gehört: Beim Küssen ist nicht viel dabei, unterscheidet sich kaum vom Händchenhalten. Außerdem seid ihr betrunken. Wenn ihr Glück habt, erinnert ihr euch nicht mal mehr dran."

Das darauf folgende fassungslose Gesicht zu sehen, war wie eine zusätzliche Bestätigung, dass der Racheplan voll aufgegangen war. Lässig legte der Blonde einen Arm um seine Freundin und zog sie näher zu sich. Ein wahrer Geniestreich.

Sie nickte nur und fügte ein: „Besser hätte ich es nicht formulieren können" hinzu. Dann mischte sich zu der Genugtuung etwas Finsteres in Takerus Blick, als er sich ein Stück vorbeugte und Matt zuflüsterte: „Geschieht dir ganz recht. Ich hab genau gesehen, wie sehr du dich gerade zusammenreißen musstest, dir das dreckige Grinsen zu verkneifen. Mit uns treibt man keine Späße - Man kriegt sie nur doppelt und dreifach zurück."

„Tai, was setzt du den beiden für Flausen in den Kopf?! Weil du deine Klappe nicht halten kannst, darf ich das wieder ausbaden oder wie?!"

Der Anführer dachte aber gar nicht daran, sich das in die Schuhe schieben zu lassen. „Was paffst du mich denn jetzt so an? Ich bin genauso ein Opfer der Umstände wie du!"
 

Die Jungs waren kurz davor, sich die Köpfe einzuschlagen, packten sie sich jeweils schon einander am Kragen und funkelten sich bedrohlich an. Bei dem Anblick kam Mimi eine glorreiche Idee. „Hey, Izzy!"

Unauffälligkeit wedelte sie mit ihrer Hand, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, worauf er aber erst nicht reagierte. Fast hätte er vor Schreck einen Rückwärtssalto gemacht, als sie zu ihm rübergerobbt kam und mit ihrem Gesicht plötzlich direkt neben seinem war, wurde aber gleich von dem abgelenkt, was sie ihm zuflüsterte.

„Hör zu, wir helfen den beiden mal ein bisschen auf die Sprünge, okay? Du machst doch bestimmt mit, nicht wahr?" Wie ein Engel lächelte sie ihm zu und ohne großherrlich darüber nachzudenken oder sich zu fragen, wie er denn dabei helfen könnte, stimmte er zu. „Sehr schön. Dann steh mal auf." Wie gewollt erhob er sich mit ihr, wovon die Streithähne gar nichts mitbekamen, so beschäftigt waren sie damit, sich gegenseitig anzuknurren.

„Guten Flug!", trällerte die Prinzessin und gab dem armen Koushiro einen Stoß in den Rücken, der ihn mitten ins Geschehen und zusammen mit Taichi und Yamato auf den Boden beförderte, die nun doch engeren Körperkontakt hatten, als sie eigentlich wollten...
 

Immer angeekelter wurden ihre Gesichtsausdrücke, je mehr sie realisierten, dass sie dank Koushiro nun tatsächlich zu dem gebracht worden waren, was sie eigentlich so sehr zu umgehen versucht hatten. Sofort löste Yamato sich von den Lippen seines besten Freundes und fuhr ihn an.

„Ist ja widerlich! Hättest wenigstens vorher mal Zähneputzen können!"

Er wischte sich angesäuert den Mund ab und nahm einen großen Schluck aus seinem Becher, um die Schmach dieses Kusses hinunterzuspülen. Dass er damit die Wut des Brünetten noch weiter anfeuerte, war ihm dabei natürlich bewusst.

„Und du riechst nach Frühlingsfrisch oder was? Höchstens als Kloreiniger ..."

Wütend stapfte er zur Tür. „Ich geh mir mal kurz den Mund ausspülen ..."

Und schon war er weg.

Kaum hatte der Gastgeber den Raum verlassen, brachen alle Anwesenden - zumindest bis auf Yamato, der noch immer versuchte, die letzten Minuten vollständig aus seinem Gedächtnis zu versaufen - in schallendes Gelächter aus und mussten sich deutlich zusammenreißen, nicht noch mit dummen Kommentaren in der Wunde herumzustochern, so sehr sie ihnen auch auf der Seele brannten und um Befreiung flehten.

„Macht euch nur lustig, das bekommt ihr alles noch zurück! Keinen Respekt vor den Älteren ..."

Dass er sich bei seinem Geheule selbst kaum ernst nahm, musste er nicht extra noch hervorheben.

Triumphierend klatschten Mimi und Kari sich gegenseitig in die Hände. Teamwork vom Allerfeinsten. Da beide Mädchen eben noch ein Hühnchen mit Taichi zu rupfen hatte, verbündeten sie sich kurzerhand.

Joe saß immer noch kopfschüttelnd neben Koushiro, der nun doch zurückhaltend an einem Bier nippte. Auf den Schreck griff er nun doch einfach mal zu. Wenn dieses „harmlose“ Spielchen schon nach zwei Runden den Abend so aufmischte, wie würde das erst in einer halben Stunde aussehen? Der Blauhaarige ahnte schon Schreckliches...

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„Nein, nein und noch mals nein!"

Abwehrend wedelte Mimi nach einigen weiteren Runden mit den Armen herum. Sie hatte sich für Pflicht entschieden und bekam sogleich zu spüren, was für eine Fehlentscheidung das doch war.

„Jetzt hab dich mal nicht so. Wenn sich Tai und Matt schon küssen, schaffst du das hier doch locker", grinste Izzy und deutete auf die Pocky-Packung in seiner Hand.

„Hey, das war immerhin ein Unfall!" „Erinner uns doch nicht wieder daran!"

Mittlerweile merkte man deutlich, dass Koushiro kein Gewohnheitstrinker war. Innerhalb weniger Minuten hatte sich seine Persönlichkeit von dem ruhigen Jungen zum Partyluder verändert. Und das nutzte er gleich, um sich an Mimi für die Aktion vorhin zu rächen, in der er so unsanft auf dem Boden gelandet war.

Doch sie blieb stur. „Ich mach ja viele Späße mit, aber das..." Ihr angesäuerter Blick wanderte vorsichtig zu Taichi, dem es glatt die Sprache verschlagen hatte und der mit einer unnatürlichen Röte auf den Wangen kämpfte.

„Ist doch nur ein Spiel! Und gerade bei Wahrheit oder Pflicht ist es besonders blöd, sich zu weigern. Man weiß ja vorher schon, dass es unangenehm werden kann", argumentierte der Rothaarige, um für etwas mehr Entschlossenheit zu sorgen. „Unangenehm? Das weiß sie doch vorher noch gar nicht. Vielleicht ist Tai ja ein guter Küsser. Wir wissen ja, wen wir fragen müssen." Für seinen Kommentar bekam Takeru zwar gleich eine Kopfnuss von seinem Bruder, die es ihm aber durchaus wert war.
 

Erst wollte Mimi wieder einen blöden Spruch loslassen, verkniff es sich aber prompt, als sich ihr Blick mit dem von Taichi traf. Ihr war es schon mehr als unangenehm, dass sie ihn so deprimierte mit ihrer Aufregung darum, auch wenn das durchaus berechtigt war. Vorhin auf dem Fest hatte sie schon das Gefühl, er wäre ein netter Kerl und vielleicht sogar ein guter fester Freund. Und selbst wenn es ihr niemand abkaufen würde nach ihrem Auftritt heute, war sie eigentlich gar nicht der Typ Frau, der sich ständig zoffte und so eklig wurde.

„Na, komm schon, Mimi", begann Sora schließlich, „Vergiss doch diesen einen Abend mal deine Vorurteile und mach mit. Haben wir einfach ein wenig Spaß." Seufzend gab sie sich geschlagen und nahm Koushiro die Packung aus der Hand.

„Also gut, meinetwegen. Aber nur, wenn ich die Schokoladenseite kriege."

Ein kleines bisschen erleichterte es sie, dass sich die Gesichtszüge ihres Lieblingsidioten aufhellten, trotz der Tatsache, dass es gleich ans Eingemachte ging und ihr seine Freude darüber schon ein wenig eigenartig vorkam.

Startklar ließen sich die beiden also kurz darauf in der Mitte des krummen Sitzkreises nieder und nahmen eines der kleinen Stäbchen zur Hand. So leise es ging, flüsterte sie ihm dann zu: „Nimm das als Entschuldigung, dass ich so gemein zu dir war. Dann sind wir quitt."

Daraufhin steckte sie sich das Schokoende in den Mund, schloss ihre Augen, da sie das unmöglich mit ansehen konnte und wartete mit pochendem Herzen auf seinen Zug.
 

Dass Mimi trotz ihrer mehr als nur deutlichen Aussage ebenfalls nervös war, erleichterte die Prozedur nicht wirklich. Dennoch nahm sie allen Mut zusammen, verband ihre Augenlider miteinander und bewegte sich ein kleines Stück auf den noch immer hin- und herzappelnden Taichi zu, für den es trotz allem einiges an Überwindung kostete, einfach, wie ihm befohlen, auf das Stück Gebäck zu beißen, bis sich ihre Lippen berührten. Und das vor versammelter Mannschaft.

Man konnte beinahe hören, wie ihm das Herz immer tiefer in die Hose rutschte.

„Jetzt mach schon ...", nuschelte sie schließlich ungeduldig mit dem Pocky im Mund und gab ihrem Gegenüber zu verstehen, dass es nun tatsächlich kein Zurück mehr gab. Dass sie es ernst meinte.

Und so beugte er seinen Oberkörper in ihre Richtung und biss das erste kleine Stück ab. Mimi tat es ihm gleich. Mit jedem Biss, den sich ihre Lippen näherkamen, pochten ihre Herzen schneller, wilder. So als würden sie sich ein Rennen liefern, das keinen Gewinner hervorbringen konnte.

Während die umsitzende Menge die Luft anhielt, überwanden beide die letzten Millimeter und betteten ihre Lippen vorsichtig aufeinander, obwohl sie problemlos hätten abbrechen und die letzten Stücke einfach so verputzen können. Ob das ein Zeichen war? So ganz sicher war sich Tai dabei nicht, allerdings musste er zugeben, dass sich ihre Lippen wirklich wunderschön anfühlten und er gern ewig so verweilt hätte. Und auch sie schien das Ganze weniger zu stören als vorher angenommen, zumindest wenn man davon ausging, dass das sonst so meckerfreudige Mädchen kein einziges Wort des Protestes erklingen und ihn stattdessen einfach gewähren ließ. In ihm keimte die Frage auf, ob sie ihn vielleicht doch nicht so sehr hasste, wie sie es immer aussehen ließ und ob nicht doch eine kleine Chance für ihn bestand.

Erst der Applaus der anderen holte sie wieder aus ihrer eigenen kleinen Welt zurück. Hektisch trennten sich die beiden voneinander und wandten mit hochroten Köpfen den Blick ab. Mimi war schlicht und ergreifend von sich selbst überrascht, hatte sie sich einfach so mitreißen lassen und es sogar schön gefunden. Natürlich würde sie das niemals zugeben. Am Ende bildete sich der Kerl noch was darauf ein.

Aber allein schon sein schüchterner Seitenblick zauberte ihr ein kleines Lächeln aufs Gesicht. Vielleicht war er eben doch nur ein unerfahrener Junge mit verdammt viel Pech.
 

„Na, seht ihr? Habt ihr doch super hinbekommen", jubelte Koushiro und klatschte begeistert in die Hände, was aber sofort erstarb, als sich die Brünette ihm zuwandte und aussah, als würde sie jeden Moment zur Axt greifen und um sich schlagen wollen. „Dann stört es dich ja sicher auch nicht, wenn ich mich gleich dafür räche."

Er schluckte, war er doch auf den Ernstfall vorbereitet. In seinem angeheiterten Zustand hatte er die beiden zu der Pocky-Sache aufgefordert und bekam nun die Antwort darauf. Vielleicht sollte er doch nicht immer auf das hören, was jemand im Internet sagte. Zumindest war diese Pflicht als ein absoluter Knaller vermarktet worden. „Du darfst dir jetzt jemanden von den Mädchen aussuchen, mit dem du folgendes machst..."

Geheimnisvoll wie sie war, winkte sie den Nerd zu sich und flüsterte ihm die Idee ins Ohr, was natürlich Fragen aufwarf.

„Wozu denn die Geheimniskrämerei? Wir erfahren das doch sowieso gleich", merkte Matt an, wurde aber einfach ignoriert.

„Ist das dein letztes Wort?" Auf einmal war der Rotschopf ganz kleinlaut, als sie auf seine Frage hin bestätigend nickte. Verstohlen schaute er sich in den Reihen der Gäste um, konnte sich wohl aber nicht so recht entscheiden. „Also? Was ist?"

So viel Auswahl gab es in diesem Falle ja nicht. Außer Mimi waren da ja nur noch Hikari und Sora. Und er wusste jetzt schon, dass er bei keiner von ihnen ohne ein blaues Auge davonkommen würde.
 

„... ... Ist ja gut, ist ja gut! Dann nehm ich Sora!"

„Na bitte. War doch gar nicht so schwer. Wenn ich zu einem Kuss gezwungen werde, schaffst du so was doch locker! Und jetzt ab mit euch!"

Um sie zu ihrem Glück zu zwingen, gab die Oberschülerin ihm noch einen Schubs in Soras Richtung und deutete zur Tür. Seufzend resignierte Izzy und hoffte, seine feuerroten Wangen würden nicht so auffallen. „Komm mit, Sora. Ich erklärs dir draußen. Wir sind gleich wieder da..."

Fragende Blicke wanderten zur Auftragsgeberin, als die beiden dann verschwunden waren.

„Und, klärst du uns auf?" „Die beiden sollen mal vorführen, wie Cross-Dressing funktioniert", grinste sie zur Antwort und ließ sich neben Joe nieder, der immer noch ganz durch den Wind war von eben. Dass seine Freunde immer so einen Unsinn veranstalten mussten! W-Wer käme denn auf die eigenartige Idee, sich vor den Augen aller anderen zu k-küssen?!
 

~
 

„Das kann doch nicht euer Ernst sein ..."

Sora wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als sie das rosa Rüschenkleid in Empfang nahm, das Mimi extra nur für diesen Anlass mitgenommen hatte. Der Schminkkoffer, der mehr an Theaterschminke als an dezentes Makeup erinnerte, gab ihr endgültig den Rest. Cross-Dressing? Und sie sollte Izzy schminken und herrichten? Das träumte sie doch wohl gerade nur...

Dieser schaute nur etwas irritiert zwischen den ganzen Schminkutensilien umher und legte den Kopf schief. „Wie macht man das? Malt man sich zuerst an, oder zieht man sich erst um?“, fragte er, wobei er mehr nuschelte als wirklich sprach.

„Erst umziehen, dann anmalen. Sonst machst du noch Flecken in das Kleid. Du willst doch nicht, dass Mimi dich frisst.“

Gesagt, getan. Während sie kurz nicht hinsah, hatte er sich geschwind umgezogen und saß nun in dem schulterfreien Einteiler vor ihr.

Zugegeben, sie fand die Idee schon lustig, andererseits bereitete es ihr aber ein bisschen Sorgen, den armen Izzy während des Schminkens so zu verunstalten, dass die anderen noch aus lauter Spaß an der Freude zur Kamera griffen und das Resultat nach dem Wochenende in der Schule am schwarzen Brett aushing.

„So, fertig ..."

Er öffnete die Tür und blickte vorsichtig nach draußen. Für einen Moment war Sora sogar richtig baff, was sie dort kreiert hatte.

„Wow. Du könntest echt als Mädchen durchgehen. Noch ein bisschen Schminke und die Haare vielleicht etwas länger, dann läufst du glatt Gefahr, dass dich gleich einer da drinnen anbaggert.“

Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, nachdem er gequält das Gesicht verzog. „Du kannst einem ja Hoffnung machen. Ich weiß nicht, ob mir das gefallen würde.“

Er presste sich ein Lachen aus der Kehle und versuchte, sich von diesem ekelhaft klebrigen Film, den die Schminke auf seinem Gesicht hinterließ, abzulenken. Hoffentlich hatte er das Ganze schnell hinter sich ...

Zufrieden betrachtete Sora also ihr Meisterwerk. Besser hätte sie ihn definitiv nicht hinbekommen können, dessen war sie sich mehr als nur sicher. Blieb nur abzuwarten, was die anderen dazu sagen würden.
 

„Perfekt. Das sieht doch ganz wunderbar aus. Dann wird's Zeit, den anderen davon zu-..."

Gerade als sie sich umdrehen wollte, stieß sie mit Mimi zusammen, die vorsichtshalber nach dem Rechten sehen wollte.

„Alle Achtung, da hast du ja ganze Arbeit geleistet."

Zufrieden klopfte sich Sora auf die Brust. „Natürlich, natürlich. Lass uns bloß keine Zeit verlieren, bevor sich Izzy das noch anders überlegt!"

Wieder wollte sie an der Schulschönheit vorbei, die sie an der Schulter packte und aufhielt. „Nur nicht so voreilig. Ich glaub, du hast da was Grundlegendes vergessen, meine Liebe."

„W-Was könntest du da wohl meinen?", stellte sie sich ein wenig blöd und erschauderte beim Anblick der Jungsklamotten, die ihre Freundin da hinter ihrem Rücken hervorzauberte. „Die habe ich mir mal bei Tai ausgeliehen. Es wäre doch gemein, wenn der arme Izzy allein dafür büßt, was er mir angetan hat. Schließlich ist er das erste Mal so richtig betrunken und weiß wahrscheinlich gar nicht, was er da tut. Und er hat dich als seine Gehilfin auserwählt. Kneifen gilt also nicht!" Mit einem zuckersüßen Lächeln drehte sie ihre rothaarige Freundin um und schob sie Richtung Bad. „Du entschuldigst uns kurz, Izzy. Die Wartezeit kannst du dir damit vertreiben", trällerte sie und drückte ihm noch eine Bierflasche in die Hand. „Wir sind gleich wieder da ~“

„J-Ja, natürlich..."
 

Nachdem die Tür zu war, staunte der Junge nicht schlecht über den Lärmpegel. Anscheinend wehrte sich Sora mit Händen und Füßen.

„Neiiiin, was tust du denn da, Mimi?! Geh weg damit!"

„Jetzt hab dich nicht so, sieht doch ganz ordentlich aus. Jetzt nur noch die Haare..." Es krachte und klopfte im Bad. Ob da gerade ein Duell stattfand, wie man es sonst nur von bösartigen Digimon gewohnt war?

„Ich geh doch überhaupt nicht als Junge durch! Das lohnt sich gar nicht!" „Keine Panik, die Brüste kann man auch unter der Weste gut vertuschen, sind ja sowieso nicht besonders groß." „Wie war das?! Ich hab mich wohl verhört!"

Wieder ein Poltern, dann ging die Tür auf und Mimi präsentierte das Endergebnis. Das zerzauste Haar war unter einer Mütze verschwunden. Die eben noch erwähnten, kleinen Rundungen unter einer Weste und darunter ein blaues Shirt, gepaart mit ein paar längeren Shorts und Schweißbändern an den Handgelenken. „Ich weiß gar nicht, warum du dich so anstellst. Izzy hat es ja deutlich schlimmer erwischt. Der musste sich schließlich noch schminken lassen!", kommentierte sie und drängte ihre Freundin zurück zu Hikaris Zimmer. „Dann spannt die anderen mal nicht länger auf die Folter. Die erwarten euch schon sehnsüchtig."
 

Anders als erwartet, ging Koushiro nun relativ gelassen mit seiner prekären Lage um. Wie eine junge Göttin stolzierte er auf hochhackigen Schuhen in das Zimmer und posierte. Auf der kurzen Strecke zwischen Bad und Zimmer schien ihm das Bier völlig zu Kopf gestiegen zu sein. Immerhin wollte er heute mal die guten Sitten beiseite schieben und was Neues ausprobieren! Schlimmer als heimliche Reibereien im Riesenrad und öffentliches Geknutsche würde es sicher nicht werden.

Es fühlte sich schon seltsam an, sich jetzt in einem Kleidchen zu zeigen, obwohl er die Beinfreiheit und das leichte Lüftchen an seinem Unterleib an diesem heißen Sommerabend schon sehr zu schätzen wusste und es beinahe schon bereute, nicht in Schottland oder Konsorten zu leben, wo Röcke und Killte auch für Männer keine Schande waren.
 

Augenblicklich klappte einem Großteil der Jungs die Kinnlade herunter. Auch Joe wurde leicht rot um die Nase bei dem Anblick und seine Brille rutschte ihm abrupt von der Nase.

„Da scheint's ja jemanden richtig erwischt zu haben."

Grinsend stupste Hikari ihm mit dem Ellenbogen in die Seite.

„S-So ein Quatsch!"

Abwehrend drehte er das Gesicht weg. Wie konnten die anderen nur so einen Stuss behaupten, wo er doch schon seit einigen Monaten eine Freundin hatte und er nicht wusste, ob der tanzende Koushiro eher lustig oder abschreckend war?!

Verständnislos schüttelte Takeru den Kopf und flüsterte seiner Freundin ein leises: „Sei vorsichtig, sonst bist du am Ende die nächste, die dran glaubt" zu. Seit der Pocky-Sache schien Mimi nämlich mehr als besänftigt und gut gelaunt zu sein. Sehr verdächtig, wie die Teenager fanden. Selbstverständlich verlor aber niemand ein Wort über die Vermutung, es könnte ihr glatt gefallen haben und sie hätte tatsächlich etwas für Taichi übrig.
 

Oder sie interpretierten das falsch und sie ließ ihre heimliche Wut gerade über das Ventil raus, indem sie Koushiro schön für diese unglaubliche Aufgabe quälte. Wobei... „quälte“ war hier irgendwie das falsche Wort. Dem schien es echt Spaß zu machen, durch das Zimmer zu tanzen und auf den stelzenartigen Schuhen das Gleichgewicht zu halten. Auffordernd gab die Brünette Sora einen schönen Schubser und drängte sie mitten in den Vordergrund, wo sie mit hochrotem Kopf vor der Mannschaft zum Stehen kam. Bislang hatte sie sich sehr zurückgehalten. Obwohl ihr Jungenkleidung von ihrem sportlichen Typ her eigentlich gut stand, schämte sie sich nun doch ein bisschen und nahm das nicht ganz so locker wie ihr Leidensgenosse. Wie hatte Yamato es vorhin so schön formuliert? Trinkpartys sind erst erträglich, sobald man selbst einen im Tee hat.
 

Erst jetzt merkte Tai, woher ihm dieser Aufzug so bekannt vorkam, in welchem seine damalige Jugendliebe vor ihm stand.

„Moment mal... Sind das meine Klamotten?!", stellte er mit Entsetzen fest. Das war in der Tat die Kleidung, die er sich für den morgigen Tag zur Seite gelegt hatte. "D-D-D-Das ist nicht-... Ich wollte nicht-... Mimi hat mich gezwungen! Und überhaupt..." Erschüttert wandte sie sich der Modeprinzessin zu. „Sagtest du nicht, du hättest dir die Sachen von Tai geliehen?!“

Mimi pfiff nur unschuldig und konterte mit einem gezielten: „Hab ich doch auch. Ich habe nur versäumt, vorher zu fragen!"

„Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob ich dafür die Erlaubnis gegeben hätte... Aber Matt hätte mich so oder so breitgeschlagen“, erwiderte der Junge und leerte hastig seinen Becher. Der Anblick verschlug ihm ja doch schon irgendwie die Sprache.

Stöhnend fasste sich Joe mit der Hand an die Stirn und schüttelte angestrengt den Kopf. „Wär ich mal zu Hause geblieben und hätte gelernt. Wenn das so weitergeht, bin ich gleich der nächste, der ein Kleid trägt.“

„Mal den Teufel nicht an die Wand, das würde dir sicher echt super stehen, Joe! Also bring uns nicht auf blöde Ideen!“, flötete Izzy und umklammerte den Arm des Brillenträgers, während er fröhlich summte.

Dass er seinen Auftritt irgendwann bitter bereuen und vielleicht hinterher vor Scham im Erdboden versinken wollen würde, kam dem Rothaarigen gar nicht in den Sinn. Nicht einmal, dass er den armen Joe gerade indirekt anflirtete, schien ihn nicht wirklich zu stören.

Nur Soras leises Winseln ging im Gelächter ihrer Freunde unter.

„Kann ich jetzt das Schlabberzeug ausziehen?“



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  Kaninchensklave
2016-06-28T19:21:08+00:00 28.06.2016 21:21
ein hahahahahahahahahahahahahahaha Kap

oh man ich lach mich schlapp ja a rache ist süß
besonders Izzy scheint der aufzug ja zu gefallen da er halt einen klitzekleinen im Tee hat

der rest wird sich hüten eine Dumme bemerkung zu machen
sonst tragen bald alle Jungs Kleider was vor allem die Mädchen zum lachen bringen würde
und auch sämtliche Leser ^^

Sora hat es ja noch gut erwischt mit den Jungssachen da sie ihr ja stehen
also muss ihr das nicht Peinlich sein warum auch
und es ist wohlö besser als in Reizwäsche herum zu Laufen ;)

ichj sehe es schon vor mir wie Takeru dazu genötigt wird nur in Hikaris Unterwäsche sich vor den anderen zu zeigen
und wie ein Junges paar tief rot vor lauter scham ist xDDDDDDDDDDD

GVLG
Antwort von:  BakaOtakuFish
29.06.2016 04:03
Allein schon die Vorstellung... xD
Nein, so schlimm wirds nicht, keine Angst. Geht jetzt stark aufs Ende zu, da müssen sich die Katastrophen mal ein bisschen in Grenzen halten xP
Sagen wir nur, Izzy wird es bereuen und das war definitiv seine erste und letzte Erfahrung mit Alkohol ^o)

Liebe Grüße,
Lucia ~
Antwort von:  Kaninchensklave
29.06.2016 07:18
alleine die ist schon Genial was xDDDDDDDDDDDDDDDDDD

das Izzy das ganze bereuen wird ist klar wer tut das nicht nach seiner ersten Erfahrung mit Akohol xD
Von:  Kaninchensklave
2016-06-20T06:27:17+00:00 20.06.2016 08:27
ein Klasse Kap

Tja das haben die beiden nun davon das man sich
mit den jüngeren und Klügeren Geschwistern anlegt
und Mimi hat auch noch brav mit geholfen in dem sie Izzy
auf die beiden geschupst hatte xDDDDDDDDDDDDDDDDD

GVLG
Von:  Kaninchensklave
2016-04-20T05:51:48+00:00 20.04.2016 07:51
Ein Tolles Kap

Taichi ist echt der Pechvogel vom dienst sowas kann echt auch nur ihm passieren
das ist eben sein ganz eigenes Glück auch kein Fettnäpfchen aus zu lassen,
aber das ihm das zu 90% nur bei Mimi passiert ist von Schicksal echt gemein

wenigstens hat da eine andere Yagami viel mehr glück das ihr Freund
in Sachen Liebe mehr zu den Kerzen die da heller sind

GVLG
Von:  Kaninchensklave
2016-04-06T20:21:53+00:00 06.04.2016 22:21
ein Tolles Kap

nun hat Mimi ihren Fisch bekommen und taichi war der jenige der ihn gefangen hat
und trotzdem können sie nicht anders als sich gegenseitg zu necken
immerhin haben beide interesse am jeweils anderen
und Tama bekommt ein gutes neues zu Huase sofern er kein Pinkes Aquarium bekommt

GVLG Arata
Von:  Black-Starshine
2016-04-01T10:27:01+00:00 01.04.2016 12:27
Guten Tag :3
Ich bin neu hier und hab mal interessiert die Geschichte angefangen zu lesen.
Erschreckend, dass du noch so wenige Kommentare hast! Dabei ist die Geschichte bisher richtig gut. Wahrheit oder Pflicht hat so und auch so eine Menge Potenzial. Deshalb musste ich gleich los lesen. Übrigens nicht böse sein. Bei mehreren Kapiteln schreib ich meist nur einen Kommentar, da ich da gerne alles zusammenfasse.
 
Die Ausgangslage finde ich richtig gut. Dass Mimi und Taichi Stress wegen einem dummen Missverständnis habe finde ich richtig gut. Auch, dass er es nicht hinbekommt, sich richtig zu entschuldigen und von einem zum anderen Fettnäpfchen springt. Mein persönliches Highlight war übrigens Koushiro und sein missverständlicher Spruch. Einfach richtig niedlich!
 
Soviel kann ich ja noch gar nicht schreiben. Nur dass sich der Plot richtig gut anhört und ich schon gespannt bin, was noch alles kommen wird. Außerdem ein Kompliment für deinen Schreibstil. Deine Texte lassen sich flüssig und spannend lesen. Man bekommt direkt Lust auf mehr. Freue mich schon auf die nächsten Kapitel.
 
Bis dahin ein schönes Wochenende :3
Alles Liebe
 
Janine
Antwort von:  BakaOtakuFish
05.04.2016 17:26
Heyho, danke für deinen Kommentar! x3
Ich bin selbst noch relativ frisch hier und kenn mich auch nur grob in dem FF-Bereich aus, also keine Panik xD

Danke für das tolle Kompliment!
Den Plot fand ich erst ziemlich klischeehaft, hab mich dann aber doch dafür entschieden, es mal so zu versuchen. Das Grundgerüst ist in Zusammenarbeit mit einer Freundin entstanden und ich fands zu lustig/niedlich, als dass ich es nicht mit der Welt teilen wollte. (Ergibt der Satz überhaupt Sinn? Ich kann gerade irgendwie nicht denken o_o)
Das nächste Update kommt jedenfalls entweder heute noch oder morgen. Je nachdem, ob ich mich noch zum Korrigieren aufraffen kann. Dauert also nicht mehr lange ^_^

Liebe Grüße und gaaanz lieben Dank,
Lucia ~
Von:  Kaninchensklave
2016-03-28T18:33:28+00:00 28.03.2016 20:33
ein Tolles Kap

tja da hat Yamato Taichi wohl einges zum Knabbern gegeben
und dazu in einen Schlimmen Schock versetzt
nur Mimi hat ihn da wieder raus geholt und das hat sie gut gemacht

Izzy sollte sich ruhig Zeit lassen bevor er an eine Frau wie Mimi geratet nur wer weiss
so jemand könnte ihm gut tun und ihm vom Computer weg bringen um mal raus zu gehen

na das wurde ja auch Zeit das Takeru diese drei Worte raus gebracht hat im Riesenrad und Hikari hat ebenso erwiedert
dazu noch einen Kuss und somit ist ihre Beziehung endültig besiegelt worden auch wenn sich Taichi nicht damit abfinden kann das
seine Schwester mal ein Sexleben hat xD

GVLG
Von:  Kaninchensklave
2016-03-25T18:20:55+00:00 25.03.2016 19:20
ein Tolles Kap

oh man das hat wohl Izzy (ist leichter zu schreiben) einbdeutig falsch verstanden
doch wenigstens ist schonmal ein ansatz einer versöhnung zu erkennen
es war auch zu einfach das ganze Falsch zu verstehen

ich bin echt auf Plan B gespannt hat Sora vor beide in einem Raum zu sperren
und nicht mehr raus zulassen xD

GVLG
Von:  Kaninchensklave
2016-03-22T21:49:06+00:00 22.03.2016 22:49
ein Tolles Kap

nun das kann ja noch was werden mit Taichi und Mimi
denn die beiden werden sich wohl nicht so schnell vertragen
was voralem an Mimi liegt welche Taichi am liebsten umbringen würde

nun Takeru hat es fast die Sprache verschalgen aals er seine bessere Häälfte gesehen hat
welche wohl wunderschön aussieht

Taichi sollte sich nciht da einmischen denn Takeru hat seine Hormone sehr gut unterkontrolle
denn soweit sind beide noch lange nicht dazu ist die Beziehung noch zu Frisch und ungewohnt


GVLG
Von:  Kaninchensklave
2016-03-21T18:51:22+00:00 21.03.2016 19:51
ein Klasse Anfang

ich habe selten bei einem ersten Kap sowas von gelacht
dazu ist das Typisch Taichi das er immer einen gewaltigen anlauf nehmen muss
nur um ja mitten rein ins Fettnäpfchen zu tretten

das in der umkleide Kabine war echt einfach nur Pech ungeschick und ein verdammt dummer zufall
aber bei Taichi kommt das nicht nach und nach dann wäre er ja bescheiden
ein Taichi Yagami und Bescheiden das passt einfach nicht zusammen xDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD

das Takeru der auserwählte seiner schwester ist bringt diesen solange einen Goldenen Bonus
solange er ihr nich die unschuld nimmt dann ist s vorbei mit dem Bonus und er wird einen Kopf kürzer gemacht
nur wird Hikari ihm das kaum auf die Nase Binden xDDDDDDDDDDDD

GVLG


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