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Ich lasse dich darum flehen!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin euch für eure Zurückhaltung sehr dankbar, aber ihr hättet mir ruhig sagen können, dass wir im 6. und nicht im 7. Schuljahr sind! Also, der bisherige Teil spielte im 6. Schuljahr und dieser nun im 6. und im 7. Jahr.

Des weiteren wird es euch sicher freuen, dass auch dieses Kapitel nicht vollständig ist und nun „Lass dich nicht vergessen!“ erst das fünfte Kapitel wird. Ich habe mich für zwei nette, zusätzliche Szenen entschieden, die endlich ein wenig Geschichte in diese Geschichte bringen. ;)

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Butterfly!

Alles, alles Gute zu deinem Geburtstag!!!

Viel Spaß beim Lesen!

Liebe Grüße
Deine Traumfänger Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Kapitel wartet schon länger darauf endlich online gestellt zu werden. Ich müsste es noch einmal Korrektur lesen, aber da ihr nicht noch länger warten sollt, gibt es zum Ende dieser Feiertage endlich ein neues Kapitel!

Mit herzlichen Grüßen
Traumfänger Komplett anzeigen

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Lass dich nicht fangen!

Ich lasse dich darum flehen!
 

1. Kapitel

Lass dich nicht fangen!
 

Seine kühlen, grauen Augen starrten hinüber, musterten den jungen Mann und er wusste, dass Harry ihm auch in dieser Nacht wieder folgen würde. Sie waren im sechsten Schuljahr und er spürte das gewachsene Misstrauen des Schwarzhaarigen. „Was ist denn los, Draco?“ Riss ihn nun eine weibliche Stimme aus seinen Gedanken und genervt blickte er zu der Frau an seiner Seite hinüber. „Ich überlege nur, wie ich dem Narbengesicht eine auswischen kann, also halt die Klappe, Pansy!“ Knurrte er ungehalten und wusste, dass er log! Diese Angelegenheit war delikat, schwierig und das war ihm bewusst. Jemanden wie sie konnte er dabei nicht gebrauchen. Nun, im Bett war sie annähernd befriedigend, aber sie war nun mal nicht das, was er wirklich wollte. Mit einem Seufzen griff er nach dem Becher und trank ihn gänzlich aus. Was brachte es ihm schon nur hier zu sitzen und zu grübeln? Nichts! Aber heute Nacht… ja, heute Nacht würde er sich nehmen, was er schon so lange begehrte! Er wusste nicht, wann es ihm klar geworden war, sein Vater würde ihn dafür wahrscheinlich verachten. Eine Weile hatte er das auch getan, er hatte sich selbst für diese Gefühle als verachtenswert empfunden, sich dafür gehasst und sich geekelt.

Solange, bis der Teufel in ihm erwachte und der blonde Schüler eine Entscheidung fällte, die alles, wirklich alles verändern sollte. Er trug das Symbol der Todesser auf seinem Arm, ein Fehler, den er bereute. Er sollte sich einem anderen Magier unterwerfen und sich für diesen Opfern? Er sollte Harry Potter ausliefern? Er war ein Malfoy! Seit wann unterwarfen sich so stolze, reinblütige Magier einem anderen? Nun verachtete er seinen Vater für diese Schwäche und er wusste, dass dieser es nicht verstehen konnte. Mit einer unglaublichen Eleganz erhob er sich und schritt an dem langen Tisch der Slytherins entlang. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, er hatte sich in diesem Schuljahr von den anderen etwas entfernt und zurückgezogen. Seine Sticheleien waren jedoch nicht weniger geworden und offensichtlich hatte er die Fähigkeit mit jedem Satz ins Schwarze zu treffen weiterentwickelt, wogegen seine Dummheit deutlich weniger wurde. „Potter, Potter, Potter, was mache ich nur mit dir?“ Seine Stimme hatte einen unerwartet rauen, tiefen Anklang, der ihn älter wirken ließ. Auch der Blick dieser kühlen Augen war wild und kraftvoll.
 

Erstaunt wurden nun auch alle Köpfe am Tisch der Gryffindors zu ihm gedreht und der blonde Schüler blieb direkt gegenüber von Harry, Hermine und Ron stehen. „Was willst du, Frettchen?“ Fragte der Rothaarige genervt und nur kurz schweiften die grauen Augen zu diesem ab. „Was ich will? Das ist doch die Frage, nicht wahr? Ich will wissen, was deine Aufmerksamkeit so gefangen nimmt, dass du all meine kalten, stichelnden Blicke ignorierst, Potter. Etwa dabei erwachsen zu werden?“ Diesen Satz sprach er so süffisant und herablassend aus, dass dem Angesprochenen ein Schauer über den Rücken lief. „Halt dein Maul, Malfoy! Ich wusste ja nicht, dass du gleich so eifersüchtig wirst, wenn ich dich mal ignoriere!“ Fauchte er zurück, noch immer aufgewühlt und wütend über die ganze Situation. Er wusste, dass dieser Kerl etwas im Schilde führte und schlich ihm seit Tagen, seit Wochen hinterher ohne eine Spur zu finden. Hermine und Ron hielten ihn schon für bescheuert, aber es musste einen Grund geben, warum dieser sich ebenso des Nachts durch die Gänge stahl.

Mit einem Mal beugte sich Draco vor, sein rechtes Knie stellte sich auf die freie Bank vor dem Tisch, mit der linken Hand stütze er sich auf der Mitte der Platte ab und griff nach Harrys Krawatte. Diese zog er ein gutes Stück vor, damit der Schwarzhaarige ihm folgen musste. Nun befanden sich ihre Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt. Die kühlen Augen bohrten sich regelrecht in das Grün Harrys und mit einem herablassenden Lächeln meinte er leise. „Ja, ich bin eifersüchtig, denn ich will dass all deine Gedanken nur von mir besessen sind. Dass ich des Nachts durch deine Träume geistere und du im Dunkel meine Schritte zu hören glaubst. Ich will die Angst in deinen Augen sehen, wenn du meinen Namen hörst und ich will, dass es nichts auf dieser Welt gibt, dass neben meiner Anwesenheit deine Aufmerksamkeit auch nur locken kann!“ Dieses Flüstern ging unter die Haut, Harry starrte ihn einfach nur mit großen Augen an und in diesem Moment verstand er nicht, was Draco von ihm wollte.
 

„Mister Malfoy! Lassen sie diesen Unfug!“ War die hohe, aufgebrachte Stimme von Professor McGonagall zu hören. Außer ihr sagte niemand etwas, die anwesenden Schüler ringsherum, die die Worte vernommen hatte, konnten sie kaum glauben. „Was denn, Potter, ich bin ein eingebildeter, sehr egoistischer Mensch! Wenn du mein Feind sein willst, dann gehörst du mir, mit all deiner Angst und deinen Albträumen!“ Die schlanken Finger ließen die Krawatte los und mit einem überheblichen Lächeln quittierte er, dass seinem Gegenüber nur der Mund offen stand.

„Da hast du Recht, du bist eingebildet und egoistisch!“ Fauchte nun als erstes Hermine und war aufgesprungen, den Zauberstarb in der Hand. Die grauen Augen funkelten herausfordernd, als er das Knie wieder von der Bank zog und die Hände hob. „Selbstverliebt hast du noch vergessen!“ Meinte er und beachtete die alte Dame nicht, die nun mit ihrem spitzen Hut zu ihnen geeilt war. „Was soll das werden, Mister Malfoy?“ Fragte sie noch immer laut und nun drehte sich der Blonde zu ihr, musterte sie einen Moment und meinte dann direkt ohne Umschweife. „Ich bin ein Slytherin und ein Malfoy, selbst wenn ich einen Grund hätte, würde ich Ihnen diesen niemals nennen.“ Dabei klang seine Stimme kalt, herablassend und er drehte sich um. „Die Punkte können sie mir ja auch in meiner Abwesenheit abziehen.“ Er hatte die Hand gehoben und eine herabwürdigende Bewegung ausgeführt, als würde er die Bedeutung ihrer Worte einfach damit fortwischen. „Und denk dran, Potter, das nächste Mal ignorierst du mich nicht!“ Seine Stimme hallte von den Wänden wider, sein Lachen erfüllte die Luft. Verzweifelt versuchte Professorin McGonagall noch 10 Punkte Abzug zu werten, doch der Blonde war schon gegangen. Nur sein Lachen blieb zurück.
 

„Was auch immer das war, er hat anscheinend wirklich einen Schaden!“ Fauchte Hermine und bemerkte, wie Harry erst einmal zu seinem Becher griff, den er in einem Zug leerte. „Der hat einen riesen Knall!“ Entkam es entrüstet dem rothaarigen Gryffindor und Harry nickte. „Er will, dass ich von ihm träume? Er will, dass ihm meine Angst und meine Albträume gehören?“ Spuckte er angewidert aus und starrte auf seinen Teller. Mit großen Augen hob er langsam den Blick und hoffte, dass seine Freunde etwas entgegneten. „Er will, dass ihm meine Albträume und meine Angst gehören?“ Wiederholte er entsetzt und schüttelte sich dann angewidert. „Ich glaube, jetzt ist mir schlecht!“ Schnell griff er nach einem Krug und füllte seinen Becher wieder auf.

Das diese ganze Aktion einem bestimmten Zweck diente, war niemandem aufgefallen. So nahmen die folgenden Ereignisse ihren Lauf und Draco zog sich zu einem ausgiebigen Bad zurück. Mit unglaublicher Selbstzufriedenheit wusste er, dass es nichts mehr gab, was seinen Plan nun noch verhindern konnte. Alles war perfekt und die 10 Punkte Abzug waren ein lohender Preis für das, was er heute Nacht erleben würde.
 

oooOOOooo
 

Wie in den vielen Nächten zuvor konnte er sich auch heute Nacht darauf verlassen, dass ihm der schwarzhaarige Gryffindor folgte. Es war so herrlich, so langsam dürfte die Wirkung beginnen. Er blieb vor dem Raum der Wünsche stehen und beobachtete, wie sich die Tür aus der Wand drückte, Stück für Stück sichtbar wurde. „Ich weiß, dass du da bist!“ Mit diesen Worten drehte er sich um, seine kalten Augen funkelten und suchten den dunklen Flur ab. „Komm Harry, glaubst du wirklich, dass ich dich die ganzen Nächte nicht bemerkt habe?“ Er konnte das leise Rascheln von Stoff hören und einen Moment später trat der Angesprochene hinter einer der Säulen hervor. „Harry? Seit wann lässt du dich dazu herab mich bei meinem Vornamen zu nennen?“ Den Zauberstab hatte der 17 Jährige erhoben und stierte den Blonden zornig an. „Ich lasse mich gleich zu noch ganz anderen Sachen herab!“ Lachte er, das Licht seines Zauberstabes sinken lassend. „Ich finde es großartig, wie du in meine Falle gelaufen bist. Obwohl es vielleicht besser so ist, wäre schon böse gewesen, wenn du jetzt noch im Bett lägest!“ Seine Stimme klang so grausam erfreut, die grauen Augen funkelten so wild und da war sie.

Die erste heiße Welle ergriff Harry und ließ ihn kurz nach Luft schnappen. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass ihm heiß wurde. Er blinzelte, atmete konzentriert durch den Mund und spürte die Wärme, die sein Atem hatte. „Es ist soweit!“ Hörte er die herablassende, freudige Stimme und dann spürte er die zweite. Eine weitere Welle glühender Hitze ergriff ihn, umspülte ihn und beraubte ihn seiner Kraft. „Was… was hast du gemacht?“ Keuchte er, wankte zurück, den Zauberstab sinken lassend. Schweiß trat auf seine Stirn und sein Herz schlug wild in der Brust. Als er wieder auf sah, stand der blonde Slytherin vor ihm und lächelte. „Ich bin grausam, so gemein und so böse… aber ich will ein wenig gnädig zu dir sein, Harry. Wenn du darum flehst, werde ich dir Erlösung schenken.“
 

Wieder stolperte er zurück, die Hitze kaum noch ertragend. Er öffnete mit zitternder Hand seinen Umhang und ließ ihn fallen. „Ich… ich werde dich niemals anflehen!“ Wieder keuchte er auf, das Bild vor seinen Augen verschwamm leicht. „Was… was hast du gemacht?“ Doch da spürte er die Wand im Rücken. Malfoy hatte seinen Zauberstarb in seinen Gürtel gesteckt, Harry mit beiden Händen an den Schultern gepackt und ihn gegen den kalten Stein gedrückt. Dieser schrie leise auf, keuchte stöhnend. Die Berührung der schlanken Hände löste etwas in ihm aus, dass er kaum beschreiben konnte. Es war so heiß, als würde er unter ihnen verbrennen und doch gefiel ihm dieses Gefühl so unglaublich gut. „Das ist ein kleiner Zaubertrank, er hat den schönen Namen „Verbotene Triebe“. Ich habe ihn dir heute Abend in deinen Becher geschüttet, während du meinen Worten so andächtig gelauscht hast.“

Diese Stimme schien ihn um den Verstand zu bringen. Seine Knie waren so schwach, er lehnte sich an die Wand hinter ihm und schloss die Augen. Er hörte das Blut in seinen Adern fließen und das Donnern seines eigenen Herzens. Seine Stimme versagte ihm den Dienst und so öffneten sich nur die Lippen zu einem kläglichen Versuch. Anscheinend war Draco näher, als er dachte. Seine raue, tiefe Stimme klang verführerisch in seinen Ohren wider, so nah, als könnten die schmalen Lippen ihn berühren. „Du willst sicher wissen, was er bewirkt. Ich erkläre es dir einmal ganz direkt.“
 

Erschrocken riss er die Augen auf, als er die Hand des Slytherins zwischen seinen Beinen spürte. Draco hatte einfach zugepackt und hielt nun seine Männlichkeit gefangen. Doch die Reaktion, die sein Körper dafür von sich gab, verwirrte den Schwarzhaarigen bis ins Mark. Ein wildes Pochen breitete sich dort zwischen seinen Lenden aus, er spürte, wie Blut in sein edelstes Stück gepumpt wurde. Bekam… bekam er da gerade wirklich einen Steifen?

„Verdammt, du siehst mit deinem unschuldigen Entsetzen verflucht gut aus!“ Harry konnte es nicht glauben, sein Kopf schien leer, er spürte nur die Hand zwischen seinen Beinen, die sich langsam zu bewegen begann. Die Stimme an seinem Ohr war alles, was seinen Verstand erreichte und dann legte er den Kopf in den Nacken, die kalte Wand hinter sich spürend. Ein Stöhnen entkam seinen vollen Lippen und er hasste sich dafür. „Hör… hör auf damit!“ Keuchte er, Hitzewallungen durchfuhren seinen Körper und dann erfüllte ihn die Kälte. Draco hatte seine Hand zurückgezogen und nun wölbte sich seine Hose offensichtlich. „Ich soll also aufhören? Na, dann lasse ich dich mal mit deinem kleinen Problem hier allein.“ Die Wärme seines gesamten Körpers verschwand mit dem Zurücktreten und Harry musste sich mit beiden Händen an der Wand festhalten. „Du… du hast es also… also wirklich so nötig?“ Brachte der mit geschlossenen Augen hervor. Jetzt wusste er, worauf das hinauslaufen sollte, auch wenn er das Warum nicht verstand.

Der Blonde hingegen sammelte nur den heruntergefallenen Zauberstab ein, die beiden Umhänge und beachtete sein Opfer nicht. Erst nach einer Weile, die ihm als ausreichend erschien, sah er wieder zu ihm hinüber. Harry saß nun am Boden, das Gesicht in den Händen vergraben. Der Schwarzhaarige versuchte nach Luft zu schnappen, Schweiß stand auf seiner Stirn, sein Körper glühte und Draco wusste, dass jede Berührung seinerseits eine süße Qual in ihm auslösen würde.
 

Dieser Zaubertrank gehörte zu den verbotenen, denn er löste eine unglaubliche Erregung in seinem Opfer aus. Dabei war es egal, wer oder wie sie befriedigt wurde, Hauptsache lang und kraftvoll. „Ich? Momentan sieht es eher so aus, als wärest du derjenige, der sehr erregt ist!“ Langsam trat er näher, ging in die Hocke und flüsterte boshaft. „Übrigens, Handarbeit reicht nicht aus! Obwohl ich den Anblick berauschend fände, wie du hier so sitzt und es dir selbst besorgst!“ Er wollte den Blick in die grünen Augen werfen, doch Harry hielt den Kopf nur gesenkt. „Niemals, Malfoy!“ Schrie er schon beinahe, ein Zittern ging durch seinen Körper und dann griffen die schlanken Finger nach seinem Kinn. Bevor er noch etwas sagen konnte, legten sich die schmalen Lippen auf die seinen und er schien zu verbrennen. Lust stieg wie ein Feuer in ihm auf, glühende Lava schien sich in seinen Lenden zu bewegen und jegliche Kraft zur Gegenwehr fehlte ihm. Er musste standhaft sein, er konnte doch nicht wirklich hier aufgeben? Nein, was wäre er nur für ein Mensch, wenn er sich nun dem Mann an den Hals warf, den er so sehr hasste? Ein Zittern ergriff ihn, Tränen liefen über seine heißen Wangen, er konnte den Kuss nicht lösen. Er gierte nach ihm. Seine bebenden Hände griffen nach Draco und er zog diesen näher an sich.

„Nicht so schnell, mein kleiner Lustmolch!“ Stichelte ihn der Blonde, der sich wieder von ihm entfernte. Er hatte den Kuss gelöst und sah in das vor Erregung gerötete Gesicht seines Gegenübers. Der Zaubertrank hatte besser gewirkt, als er zu hoffen wagte. Der Schleier auf den grünen Augen zeugte von Lust und purer Erregung. „Ich verrate es auch keinem. Du kannst dir ja sagen, dass du es nur getan hast, weil du dazu gezwungen wurdest!“ Mit diesen Worten griff er wieder zwischen die Beine seines Opfers, Harry keuchte auf, ohne es bewusst entschieden zu haben drückte er seine Oberschenkel leicht auseinander, um dem anderen mehr Platz zu bieten.
 

Es war ein so süßes Spiel. Harry litt und gleichzeitig verlange er danach. Natürlich war ihm aufgefallen, wie der Schwarzhaarige ihn zu sich gezogen hatte, nun seine Beine spreizte. Oh ja, bald war es soweit, gleich hatte er ihn! „Du musst mich einfach nur darum anflehen. Dann helfe ich dir.“ Raunte die Stimme an Harrys Ohr und wieder war da diese Hitze. Die schlanken Finger strichen an seiner Wange entlang bis hin zu seinem Kinn. Dann berührte der Zeigefinger seine Lippen, die sich ohne Befehl öffneten. „Du machst das gut!“ Lobte ihn der Blonde, beugte sich zu ihm vor und schenkte ihm noch einen Kuss.

Die Tränen waren längst wieder versiegt, ihr Grund blieb verborgen. Aus der kurzen Hilflosigkeit wurde eine Leidenschaft, eine Gier, eine Sucht! Er wollte mehr! Er wollte noch einen Kuss, er wollte die Wärme dieser Hand deutlicher spüren. Unbewusst drückte er seine Hüften weiter nach vorne, spürte den Rhythmus, mit dem die Hand über seine Hose strich, kräftig, fordernd und erregend. Sein Gehirn verlangte nach Luft, doch er konnte nicht zurückweichen. Draco war da, überall, seine Lippen forderten, ließen ihn nicht gehen. Seine Hand rieb kraftvoll über seine erregte Männlichkeit und der Stoff gab ihm dabei ein so seltsames Gefühl. Die Erregung wurde krampfhaft, er wollte Luft, er brauchte sie! Immer schneller waren die Bewegungen geworden und dann konnte er es nicht mehr halten. Er stieß Draco von sich, schnappte nach Luft, sein Rücken spannte sich an, die Beine spreizten sich noch weiter. Hitze verbrannte seine Seele, seinen Verstand und er stürzte in ein glühendes Rot. Noch immer spürte er die Hand an seinem pulsierenden Glied und dann explodierte alles. Jeder Muskel spannte sich an, seine Gedanken hielten inne, nichts geschah, alles verlor sich in dem Gefühl dieser Explosion.
 

Nur schwer wallte diese Erregung wieder ab, sein Körper zitterte und bedächtig drang in seinen Verstand, was hier eben geschehen war. Erschrocken zog er die Beine zusammen, presste die Hand auf seinen Mund und wagte es nicht aufzusehen. Noch immer erschütterten kleine Beben seinen Körper und da war sie wieder, Dracos Stimme. „Das war gut, nicht wahr? Du kannst wieder denken, die Geilheit ist für einen Moment geringer geworden. Aber sie kommt wieder, Harry!“ Den letzten Satz sprach er lachend aus, neckend. „Ich bin noch immer bereit dir zu helfen!“

Hilflos blickten die grünen Augen zu ihm auf, das Entsetzen stand so deutlich in ihnen. Verzweiflung machte sich in ihm breit und er spürte, dass er nicht mehr als einen Moment Zeit hatte. „Ich… warum…“ Keuchte er zitternd. Sanft strichen die schlanken Finger über seine Wange. „Weil ich es kann! Weil ich böse bin! Aber ich will dir einen kleinen Gefallen tun. Du siehst so verzweifelt aus, es soll mir reichen, wenn du mich darum bittest!“
 

Nein, das konnte er nicht! Er konnte ihn doch nicht… weiter kam er nicht, da erwischte ihn die nächste Welle aus Erregung und Leidenschaft. Sein Verstand versuchte sich noch zu wehren, doch er wusste, dass es nicht lange halten würde. Er spürte, dass sein Glied noch immer steif war. Mit einem Schlucken ballte er die Hände zu Fäusten. „Hasst… hasst du mich so sehr?“ Fragte er, die Stimme verlor sich in einem Keuchen. „Im Gegenteil, Harry. Aber ich bin ein Malfoy, wie könnte ich es auf eine andere Weise tun? Wie würdest du dich unter mich legen, wenn du mich so verachtest, so hasst, mir so misstraust! Außerdem…“ Er hielt kurz inne und lächelte, während er sich zu einem neuen Kuss beugte. „… ich liebe die Verzweiflung in deinen Augen!“
 

„Tu es… bitte!“ Flüsterte er in den Kuss, als sich die schmalen Lippen auf seine legten und er spürte, wie sein Verstand verschwamm.

Lass dich nicht flach legen!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lass dich nicht verführen!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lass dich nicht verraten!

4. Kapitel

Lass dich nicht verraten!
 

„Harry! Wach endlich auf!“ Diese Stimme kannte er. Sie drang in die Tiefen seines beinahe ohnmächtigen Bewusstseins vor und eine warme Hand lag auf seinem Oberarm, rüttelte an ihm und wieder rief die Stimme. „Harry, wir müssen uns beeilen!“ Alles schmerzte, sein Körper fühlte sich so taub an. Wo war er? Wer war er? Und was war passiert?

Müde kämpfte er darum die Augen zu öffnen, die Welt war dunkel und verschwommen. Er konnte nicht viel erkennen, nur langsam erhellte sich sein Sichtfeld. „Harry, bist du jetzt endlich wach? Mine wird uns umbringen, wenn wir nicht rechtzeitig beim Frühstück sind.“ Beschwerte sich die Stimme und Harry hob langsam den Kopf. Dieser dröhnte dumpf und seine Kehle war schrecklich trocken. Langsam kam vor ihm das Gesicht seines Freundes zum Vorschein, die rotbraunen, kurzen Haare waren deutlich erkennbar. „Ja…“ Antwortete er und seine Stimme klang seltsam verzerrt. „Gib mir einen Moment…“ Fügte er noch dazu und mit einem Seufzen verschwand das Gesicht aus seinem Blickfeld. „Bist du heute Nacht schon wieder Malfoy hinter her gestiegen?“ Knurrte Ron wütend.
 

Blitzartig flohen Bilder vor seinem inneren Auge entlang und er erinnerte sich an Dinge, die ihm heiße und kalte Schauer über den Rücken laufen ließen. „Werd erst Mal wach, ich sicher dir was vom Frühstück. Aber wehe, wir verlieren wegen dir Punkte, weil du nicht rechtzeitig im Unterricht bist.“ Ron klang wütend, aber da war auch ein Ton von Mitleid, vielleicht sogar von Bedauern. „Danke…“ Nuschelte der Schwarzhaarige und schloss die Augen wieder. Jeder Muskel tat ihm weh, er konnte sich kaum rühren und hörte nur noch, wie die Tür zugeschlagen wurde. Ron hatte Recht, er durfte nicht wieder einschlafen.

Müde zwang er sich dazu die Augen zu öffnen. Er musste wach bleiben und obwohl er sich schrecklich fühlte, hatte er keine Wahl. Die Bilder der vergangenen Nacht liefen wie ein zerschnittener Film vor seinem Geist entlang. Kaum hatte er sich daran erinnert, wie er Draco nachschlich, sah den dunklen Gang, in dem er stehen blieb, da rief dieser ihn schon, gab zu verstehen, dass er seine Anwesenheit schon vor langer Zeit bemerkt hatte. Dieses Bild wurde von einem wahrhaft erregenden Gefühl ertränkt. Bevor er noch das Rascheln des Stoffes hörte, welches das Herunterziehen des Zauberumhangs begleitete, spürte er die schlanken Finger zwischen seinen Beinen. Selbst jetzt noch wurde ihm bei der Erinnerung daran heiß, sein Körper begann zu zittern und ohne es zu wollen, schloss er die Augen wieder. Da stand er, Draco im warmen Licht der Kerzen und Harry konnte nicht anders. Er musste diese makellose Haut berühren.
 

Noch immer dröhnte sein Kopf, doch sein Körper ließ ihm keine Wahl. Erschöpft öffnete er die grünen Augen wieder, blickte sich im Zimmer um und konnte über das verschleierte, unscharfe Bild dennoch deutlich erkennen, dass er ganz allein war. Seine Hand wanderte beinahe reflexartig unter die Decke, er drehte sich auf den Rücken und da war wieder das Gefühl. Er lag dort, spürte die warmen, fremden Finger auf seiner eigenen Haut, erinnerte sich an das Gefühl der ohnmächtigen Erregung, welches ihn in diesen Stunden überfallen hatte. Er konnte jeden einzelnen Kuss auf seiner Brust spüren, erinnerte sich an das Gefühl aus Geilheit und Schmerz, als sich die schlanken Finger um sein empfindsamstes Köperstück legten und das Eis dazwischen auf und ab gerieben wurde.

Heiß brannte das Feuer in seiner Seele auf, als er sich vorstellte, dass es nun nicht seine eigene Hand war, die unter der Decke den Stoff von seinen Hüften schob. Oh bei Merlin, wie konnte er nur? Er hasste diesen Mann doch! Aber allein der Gedanke an seine Finger, an das erniedrigende und gleichzeitig erregende Gefühl, als er in ihn eindrang… wie er sich gegen jeden dieser Stöße gestellt hatte, wie er sie in sich aufnahm und sich dem Feuer hingab, welches ihn in einer ungeahnten Lust ertränkte.
 

oooOOOooo
 

Alles brannte in ihm, sein Körper schmerzte und sein Kopf dröhnte, als wollte er zerspringen. Dennoch schien erst jetzt seine Seele eine Art der Entspannung zu finden und seine Gedanken klärten sich langsam. Müde griff er nach dem Zauberstarb, den er mit seiner tastenden Hand auf dem Nachtisch fand. Er konnte seine eigene Stimme nicht hören, als er den Zauber sprach und die Spuren seiner Tat verschwanden. Ein weiterer ließ ein Glas Wasser entstehen, welches er in einem Zug leerte. Noch immer war sein Atem flach und er musste sich beruhigen, sich zu einer gewissen Ruhe zwingen. Jetzt war er auf jeden Fall wach!

Gut, duschen und dann ab zum Frühstück oder eher in den Unterricht von Professor McGonagall. Wie gut, dass sie erst später am Tage Zaubertrankunterricht hatten und er vorher Malfoy nicht begegnen würde. Wie sollte er dem Kerl denn bitte nach all dem in der letzten Nacht geschehenen gegenübertreten? Wie wollte er nicht an diesen Morgen denken, wenn er in die grauen Augen blickte? Selbst jetzt noch hatte er den makellosen Körper vor Augen, der im hellen Kerzenschein von weichen Schatten wie ein Kunstwerk geschmückt wurde. Bei allen Göttern dieser verfluchten Welt, das war doch nicht der Zaubertrank allein!
 

Mit diesem Gedanken setzte er sich auf und versuchte die Geschehnisse langsam zu ordnen. Harry kniff die Augen zusammen, weil sich alles vor ihnen drehte. Schwarze Punkte tanzten vor ihnen und müde legte er sein Gesicht in die warmen Hände. Wie war er eigentlich hier her gekommen? Selbst wenn Draco das mit dem Zaubermantel verstanden hatte, wie war er bitte in den Griffindorturm gekommen? Oder hatte einer der Lehrer ihn gefunden? Ron hatte nichts diesbezüglich gesagt. Aber der schlief auch wie ein Murmeltier im Winterschlaf. Solange man ihm nicht sein Essen klauen wollte, weckte den gar nichts.

Vielleicht sollte er doch noch einmal mit Draco sprechen. …
 

Allein seinen Namen zu denken jagte ihm einen heißen Schauer über den Rücken. Er hatte gestern wirklich… er hatte wirklich seinen Namen gestöhnt! Blut schoss in die eh schon geröteten Wangen und er konnte nicht verhindern, dass er auch an seinen eigenen Namen dachte. Oh, wie hatte es ihn wahnsinnig gemacht, als Draco den seinen rief!

Eine kalte Dusche! Ja, er brauchte jetzt eine kalte Dusche! Aber erst einmal musste er seine Brille finden. Er griff müde nach dem kleinen Schrank, der neben seinem Bett stand. Dort würde sicher auch seine Brille sein. Verzögert hob er den Kopf und starrte auf das verschwommene Etwas, das dort stand. Sein Atem hatte sich langsam beruhigt, doch sein Kopf dröhnte noch immer. Da stand eine kleine Flasche mit der Aufschrift. „Trink mich, wenn du Kopfschmerzen hast!“

Diese Handschrift sah verdammt weibisch aus! Dennoch… was blieb ihm schon für eine Wahl? Die Brille lag direkt vor einem aufgerollten Pergament und so angelte er zuerst nach dieser. Müde setzte er sie auf und zog dann die kleine Flasche zu sich. Hermines Handschrift war es nicht. Ob sie von Draco stammte? Was konnte schon schlimmeres passieren, als dass er Draco die Wahrheit über diesen Morgen sagte?
 

Mit jenem Gedanken öffnete er den kleinen Stöpsel der grünen Glasflasche. Sie war bauchig, wirkte eher wie ein Flakon und der Duft von Sandelholz entstieg ihr. In einem Zug leerte er den Zaubertrank und schloss dann die Augen. Die Flüssigkeit rann kühl über seine Kehle, wirkte gleich belebend und erfrischend. Als würde er sie sehen, spürte er, wie sie seinen Hals herunter rann, sich in ihm verteilte und nach und nach seinen gesamten Körper kräftigte, ihn entspannte und vor allem schmerzfreier werden ließ. Auch das Dröhnen in seinem Kopf wurde ruhiger, dumpfer, bis es schließlich ganz verschwand.
 

Erleichtert seufzte Harry. Nun konnte er sich endlich der Schriftrolle zuwenden. Verwundert musterte er das ordentlich aufgerollte Papier. Eine silberne Schlange war darum gewickelt, sie schien aus Metall zu sein. Vorsichtig griff er danach und versuchte die Schlange herunterzuziehen, von der Rolle zu schieben. Nichts geschah. Die dunklen Augenbrauen verengten sich und er stieß die Luft leicht verärgert aus.

#Öffne dich!# Befahl er mit einem Mal und die Augen der kleinen Schlange leuchteten grün auf. Sie hob ihren filigranen Kopf und sah Harry einen Moment an, als wartete sie auf etwas. Erschrocken starrte dieser zurück. Sie begann ihren schlanken, biegsamen Körper zu bewegen und dann hielt der Griffindor ihr die Hand entgegen. Endlich streckte sich der „Oberkörper“ der Schlange und sie ließ sich elegant auf seine Handinnenfläche sinken. Es kitzelte ein wenig, als das kleine Tier mit den glänzenden Schuppen auf seiner Haut entlang strich und ihr gesamter Körper von der Pergamentrolle herunter glitt. Langsam begann sie sich einzurollen und bettete den wunderschönen, feinen Kopf auf den geringelten Leib. Nur ihr Schwanz bildete einen eigenen, kleinen Kreis, als wäre es eine kleine Öse.
 

Die Schlange erstarrte und ein wundervoller, fein gearbeiteter Anhänger blieb zurück. Dracos Magie war unglaublich. Wieso wusste er nicht, dass der Mann so etwas konnte? Nachdenklich musterte er den Anhänger und seine Gedanken schweiften zu den Gesprächen, die sie in der letzten Nacht geführt hatten. Noch nie hatte er sich dem blonden Slytherin so nah gefühlt, sie waren unglaublich ehrlich zueinander gewesen. Draco erschien ihm stark, so selbstbewusst und erfahren. Wie gerne würde er noch einmal auf diese Art mit ihm sprechen, frei, ohne die Mauern aus Stolz und Starrsinn! Da war etwas in dieser Nacht gewesen, das eine Verbindung zwischen ihnen geschaffen hatte. So unangenehm ihm eine erneute Konfrontation auch erschien, da blieb dennoch die Sehnsucht, die nicht allein die körperliche Erregung suchte. Müsste er es benennen, hätte er gesagt, dass allein Draco ihn verstehen konnte, die Angst in seiner Seele, die Zweifel und die Trauer. Der Schmerz und die Dunkelheit, die zu jeder Zeit in seiner Seele tobten, sie schien der Blonde gesehen zu haben, nach ihnen gegriffen und sie auf diese seltsame Art befriedigt zu haben. Ja, wenn er ehrlich war, fühlte er sich gut. Müde, erschöpft und schwach, aber seit Wochen das erste Mal entspannt, lebendig… frei!
 

Lange musterte er die schöne Schlange in seiner Hand, bevor er sich wieder dem Pergament widmen konnte. Beim Aufrollen bemerkte er schon, dass es sich um die gleiche Handschrift wie auf der Flasche handelte. Dass diese auch mit einem Zauber belegt gewesen war, begriff er nicht. Sonst hätte er sicher den Schriftzug nicht ohne seine Brille lesen können. Es musste sich um Dracos Handschrift handeln. Es waren wunderbare, feine Buchstaben, die alle etwas Verschlungenes besaßen.

Es gab keine Begrüßung, als wäre klar, an wen der Brief gehen sollte. Angespannt las Harry die ersten Zeilen und dann erstarrte sein Herz. Das konnte nicht wahr sein oder? Das las er nicht! Nein, das war nur ein Scherz.
 

Ich bin ein Lügner und doch auch wieder nicht. Ich habe dir mein wahres Gesicht gezeigt und doch auch wieder so viel verschwiegen. Die letzte Nacht war berauschend, ich habe jede Sekunde genossen und ich werde keine von ihnen vergessen.

Ich ließ dich in dem Glauben, dass es ein weiteres Mal geben würde. Jedoch sprachen meine Worte nur von dem Verlangen danach, nicht von dem Versprechen. Mit keiner Silbe bestätigte ich deinen Glauben, noch gestand ich dir die Wahrheit.
 

Ja, ich bin eifersüchtig, denn ich will, dass all deine Gedanken nur von mir besessen sind. Dass ich des Nachts durch deine Träume geistere und du im Dunkel meine Schritte zu hören glaubst. Ich will die Angst in deinen Augen sehen, wenn du meinen Namen hörst und ich will, dass es nichts auf dieser Welt gibt, dass neben meiner Anwesenheit deine Aufmerksamkeit auch nur locken kann!
 

Ich habe es dir gesagt in dem Wissen, dass du den feinen Ton darin nicht hörst. Ich werde in deinen Träumen sein, du wirst mich in den Schatten suchen und wenn du meinen Namen hörst, wird die Angst in deinen Augen stehen, dass es mein Tod gewesen ist.

Ich sagte dir bereits, dass ich ein Schatten werde, der allein in deinen Gedanken kreist. Ich bin ein Slytherin, du hast mir vertraut! Wie herrlich war dieses Gefühl, wie sehr habe ich es genossen und nein, ich bereue Nichts! Nur eines rührt mein kaltes Herz zu einem Bedauern. Den Ausdruck auf deinem Gesicht nicht sehen zu können, wenn die Bedeutung meiner Worte in deinen Verstand sickert und du spürst, wie sich der Boden unter deinen Füßen öffnet.
 

Du wolltest nicht gehen! Ich war bereit dazu! In dem Moment, in dem du mir deine Sehnsüchte zeigtest, mir die Wahrheit deiner Gefühle gestandst, begriff ich ihre Bedeutung. Dich gehen zu lassen hätte dich befreit. Es wäre nur eine Nacht gewesen, eine, in der du mich weiter hättest hassen können. Eine Nacht, die dir die Reinheit bewahrt und meine Seele mit Grausamkeit gestraft hätte. Du aber wolltest nicht gehen und nun leide!

Ich habe es dir gesagt! Ich habe dir meine Gefühle so deutlich offenbart, doch du hast es nicht gehört! Ich wollte dich gehen lassen, um dich zu beschützen!
 

Nun hasse mich dafür, dass ich dich verrate!
 

Nun hasse mich dafür, dass ich dich zurücklasse!
 

Es wird keine zweite Nacht geben! Es wird kein Wiedersehen geben!
 

Ich gehe und komme nie wieder zurück!


 

Seine Hände zitterten und er konnte nicht weiterlesen. Das musste ein dummer Scherz sein! Er konnte doch nicht einfach gehen! Wohin denn? Warum denn? Weil er was nicht verstanden hatte? Das Draco ihn liebte? Tat er das? Wann hatte er es ihm gesagt? Wann hatte er ihn…

Zitternd zwang er sich zu atmen, ein und aus. Ein und aus. Ein und aus. Er musste weiterlesen. Er musste wissen, warum Draco gehen wollte.
 

Ich trage das dunkle Mal und du hast es nicht gesehen. Ein dunkler Zauber hat es verborgen und du wolltest ihn nicht spüren. Nichts blieb in dieser Nacht, außer deinem Verlangen.

Keine Sekunde werde ich vergessen, das verspreche ich dir!
 

Doch nun will ich deinem verletzten Herzen einen Hoffnungsschimmer geben. Du bist der Gute, der Held, den ich verdorben habe. Wir werden uns nie wieder sehen! Deine Sehnsüchte bleiben dein und alles, was in dieser Nacht geschehen ist. Erzähle ihnen deine Gesichte. Erzähle deinen kleinen Freunden, was dir am besten gefällt. Leugne mich! Hasse mich! Aber lebe!

Denn ich bin in dieser Nacht an deiner statt gestoben! Mein Leben ist zu Ende, alles habe ich aufgegeben, damit du leben kannst! Sei der Held, den sie alle in dir sehen, den sie brauchen und verberge die dunkle Bosheit, die du mir in dieser Nacht zeigtest!
 

Lebe Harry, beschütze die, die sterben sollen und lass dich ein letztes Mal von meinem schwarzen Zauber führen!
 

Nicht weinen! Nicht zittern! Nicht zögern! Ich bin nur der Bösewicht in dieser Geschichte. Trauer nicht um mich, ich bin der Geist in deinen Gedanken, der Schatten in deinen ruhelosen Träumen.
 

Tippe drei Mal mit deinem Zauberstarb auf dieses Pergament und sage die Worte, die du vor dem Raum der Wünsche gegen meine Lippen geflüstert hast!
 

Und hasse mich, damit du weiter der Held sein kannst!
 

Mit Tränen in den Augen griff Harry nach dem Zauberstarb, der neben ihm auf dem Bett lag. Noch immer hatte er nicht verstanden, um was es wirklich ging. Draco war weg! Das war das einzige, was er begriffen hatte.
 

„Tu es… bitte!“ Flüsterte er, nachdem die Spitze des schlanken Holzes drei Mal auf das Papier gestoßen war. Vor seinen Augen begann sich das Pergament zu strecken, zu dehnen und dann wand es sich in einem langen, bebenden Zittern um sich weiter auszurollen.

Ein Zauber war auf dem folgenden Stück beschrieben, ein dunkler Zauber. Er forderte Blut, Fleisch und ein Stück der Seele. Es war ein Zauber, der das Erschaffen eines lebenden Doppels beschrieb und Draco erklärte, dass er den Auftrag hatte Dumbledor zu töten. Er berichtete von dem Bündnis mit Professor Snape und den Hoxruxen. Viel mehr konnte Harry nicht lesen, heiß brannten die Tränen auf seinen Wangen und er spürte, wie ein Teil seiner eigenen Seele gefror.

Wie gut trafen die Worte seine eigenen Gefühle. Ja, sie alle sahen in ihm den Helden, er musste seine Dunkelheit verbergen und den Schmerz ertragen, den die Welt ihm auflud. Als hätten die grauen Augen tief in seine Seele geschaut, als wäre diese Verbindung wie ein Stück seiner selbst. Das war kein Scherz, das war kein vielleicht… Draco war fort. Eventuell hatte er Zuflucht bei seinen Eltern gesucht, aber Harry spürte, dass er den Slytherin verloren hatte.

Warum hatte er ihn zurück gelassen? Warum hatte er nun auch noch Draco verloren? Nein! Das wollte er nicht! Das konnte er nicht!
 

Zitternd sank er auf die Knie vor das Bett. Er weinte, er schrie und er zitterte. Der Boden schien sich in eine dunkle, schwarze Masse zu verwandeln und ihn zu verschlingen. Er wollte sterben! Er hatte kaum den Verlust seines Onkels verwunden, wieso musste er nun wieder jemanden verlieren? Warum schien der Verlust dieses Mannes seine Seele in Stücke zu reißen? Erneut? Warum sehnte er sich schon jetzt nach diesen weichen Lippen, dieser tiefen, anrüchigen Stimme und den warmen Händen? Was war in der letzten Nacht geschehen, dass ihm das Verschwinden Dracos wie ein Verrat, wie ein unendlicher Verlust erschien? Wie sollte er ohne ihn weiter leben? Wie sollte er erneut die Kraft finden um sich zu erheben und sich dem Bösen entgegen zu stellen? Nein, das konnte er nicht! Nein! Nein! NEIN!!!
 

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Sie alle saßen schon in der großen Halle und aßen zu Mittag. Ron war sauer auf seinen Freund, der sie heute mit seinem Fehlen einige Punkte gekostet hatte. Noch einmal würde er nicht nach ihm sehen und auch auf Hermines Zureden wollte er nicht gehen. Er hatte das Essen wütend in den Müll geschmissen, als Harry nicht einmal im Zaubertrankunterricht aufgetaucht war. Allerdings war er dabei nicht der einzige. Auch Draco blieb verschwunden, etwas, dass Hermine zu tiefst beunruhigte. Sie beide wussten, dass Harry nachts oft dem blonden Slytherin hinterher schlich, weil er ihn verdächtigte.

Als Harry dann in der großen Tür stand, wurde es totenstill. Dass er nicht beim Frühstück war, hatten sie alle bemerkt. Jeder verschlief mal. Dass er jedoch den ganzen Tag nicht aufgetaucht und die Tür zu seinem Schlafraum versperrt war, verbreitete sich wie ein böses Gerücht. Wäre er der einzige gewesen, der ohne Erklärung gefehlt hatte, wäre es vielleicht gar nicht groß aufgefallen.

Nun stand er dort, die schwarzen Haare noch feucht vom Duschen, seine dunkle Jeans wurde von keinem Umhang verborgen. Er trug nur ein einfaches, dunkelblaues Shirt, die Haut wirkte bleich wie die eines Toten. Er hielt etwas in seiner Hand, eine Rolle, und um seinen Hals hing eine Kette. Der Anhänger war unter dem dunklen Stoff verborgen und so konnten sie nur sehen, wie sich etwas Rundes darunter abzeichnete. Seine grünen Augen wanderten über den Tisch der Slytherins und blieben auf dem Platz zwischen Vincent Crabbe und Gregory Goyle hängen. Draco war nicht da.
 

Langsam ging er durch den großen Raum, alles begann zu tuscheln und Hermine sprang auf. Etwas an dem Schwarzhaarigen ließ sie inne halten. Er wirkte nicht wie sonst, nicht wie verletzte… er wirkte wie tot!

Er schritt an ihnen vorbei, sah nicht nach links oder rechts, sondern nur zu Albus Dumbledore. Der Schulleiter erhob sich und blickte mit besorgten Augen zu seinem Schützling hinunter. Dass etwas nicht stimmte, konnte er ihm überdeutlich ansehen. „Ich muss mit ihnen und Professor Snape reden.“ Klang nun seine raue, tiefe Stimme durch den Raum, die einen kühlen Anschlag hatte.

„Ich hoffe, dass es wichtig ist. Wichtig genug um ohne Erklärung meinem Unterricht fern zu bleiben.“ Schnarrte der schwarzhaarige Lehrer und erhob sich mit einem bitterbösen Blick. Snape war sauer, er war gereizt und das hatte er an den Gryffindor Schülern ausgelassen. Er hatte es sogar geschafft, sie für etwas Richtiges zu bestrafen!

„Nein Professor, es ist nicht wichtig!“ Begann Harry und sah aus seinen grünen Augen zu dem hakennasigen Mann auf. Seine Stimme war noch kälter geworden und dieses Mal herablassend. Die Stimmung in der großen Halle war zum Zerreißen gespannt und es war wieder totenstill geworden. Keiner von ihnen wollte auch nur ein Wort verpassen. „Es geht nur um Leben und Tod! Es geht nur um das Schicksal dieser gottverdammten Welt! Also nein, es ist nicht wichtig genug, um ihrem Unterricht fern zu bleiben!“ Seine Stimme wurde immer lauter und dann klang sie voller Zorn von den Wänden wider. Nun kehrte endlich Leben in den erstarrten, jungen Mann, der so vorwurfsvoll und anklagend aus seinen grünen Augen starrte.
 

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Das, was Draco ihm hinterlassen hatte, war ungemein wertvoll. Draco hatte fein säuberlich erklärt, mit welchem Auftrag er zurück in die Schule geschickt wurde, welche Maßnahmen er ergriffen hatte und das alles für den Angriff vorbereitet war. Er erklärte, dass der dunkle Lord nach dem Elderstab suchte und äußerte die Vermutung, dass Dumbledore dessen Aufenthaltsort kannte. Er berichtete von den Hoxruxen und nannte einige Möglichkeiten, in denen eines verborgen ein könnte. Ebenso sprach er an, dass Harry einen Teil dieser schwarzen Seele in sich tragen konnte. Zusätzlich beschrieb er den Zauber, wie sie Dumbledore retten konnten. Es war der erste, dunkle Zauber auf dem Pergament, er stammte aus der Linie der Blutmagie.

Snape ärgerte sich, wütend fluchte er, woher dieser Dummkopf das alles wissen wollte. So lange hatte er versucht an diese Informationen zu kommen und nun schrieb der Slythrin all dies.
 

„Es tut mir beinahe leid, Severus, aber wer vertraut schon einem hakennasigen Spion? Hingegen keiner sein loses Mundwerk hält, wenn ein kleiner, verängstigter Schüler vor ihm steht und wenn man ihn mit der Unsterblichkeit noch weiter in Panik versetzten kann… welcher grausame Todesser kann dem wiederstehen?“
 

Brannte die Schrift ganz unten auf, nachdem die Worte des Schwarzhaarigen in der Luft verklungen waren und der Lehrer verstummte. Nun wurde auch Harry langsam klar, warum der Platz an der Tafel leer geblieben war. Draco hatte alles verraten. Er hatte ihnen allen etwas vorgespielt und nun würde jeder Todesser auf der Welt den blonden Jungen jagen! Wenn jemals heraus kam, was Draco getan hatte, war er tot!

Er opferte alles, damit sie Dumbledore retten konnten!
 

Es war nicht leicht Professor Slughorn von der Dringlichkeit der Wahrheit zu überzeugen. Da sie jedoch schon alles wussten, gab er schließlich dem Drängen nach. Vor so vielen Jahren hatte ihn Tom nach diesem Zauber gefragt und wollte seine eigene Seele „rein hypothetisch“ in 8 Teile zerreißen.
 

Von den 8 Dingen hatten sie die ersten schon zusammen. Nun suchten sie zuerst nach dem Diadem in den Tiefen der Schule und wie von Draco vermutet konnte es ein Zahn des Basilisken zerstören. Der Schulleiter war erstaunt, fasziniert und bedauerte doch, dass einiges umsonst sein würde. Er war bei dem Versuch ein Hoxrux zu zerstören verflucht worden und nichts würde ihn noch retten können.
 

Die Wochen vergingen und immer deutlicher wurde die Veränderung, die Harry erfasste. Er verbrachte seine Freizeit nur noch mit dem Lernen für den Unterricht, mit der Suche nach den Horuxen oder er trainierte seinen Körper. Er war morgens der erste, der aufstand, und der letzte, der ins Bett ging. Dabei wurde er immer schweigsamer, seinen grünen Augen verloren ihren besonderen Glanz, es blieb nur eine gefährliche Kälte zurück und eine Gefahr, die alleine so manchem Slytherin Einhalt gebot.

Was in dieser Nacht geschehen war, erzählte er nicht. Hermine hatte ihn einige Mal darauf angesprochen, doch nichts als Schweigen erhalten. Die grünen Augen starrten sie an, keine Regung bewegte das markante Gesicht. Traurig konnte Hermine nur zweierlei sicher sein: Draco hatte Harrys Seele berührt und nun litt er unter dem Verlust!
 

Eines Morgens flog ein wundervoller, kräftiger Uhu in die große Halle. Sein Federkleid glänzte in leichten Brauntönen und in seinen starken Krallen hielt er ein großes Paket. Anmutig glitt er durch die Luft und ließ sich vor Harry nieder. Es befand sich sein Zaubermantel darin, der Umhang, den er seit dieser einen Nacht vermisste, und ein Zettel. „Heute Abend.“ Mehr stand dort nicht. Die Handschrift kannte er. Schweigend starrte der Gryffindor auf das kleine Stück Papier, als hoffte er, dass es ihm noch etwas anderes verraten würde.

Snape war es, der den dunklen Zauber umsetzte, den Draco auf das Pergament geschrieben hatte. Es war bei Weitem keine angenehme Aufgabe. Der Schulleiter opferte seinen verletzten Arm, von den Fingern bis zur Schulter. So gab er von seinem Fleisch und seinem Blut, doch das Stück seiner Seele zu opfern, war ein Schmerz, den er nicht in Worte zu fassen verstand.
 

Der Zauber gelang und ein perfektes Abbild Dumbledores entstand. An diesem Abend war es das zweite Ich, dass oben im Büro auf den Angriff der Todesser wartete und da es Dracos Aufgabe gewesen war, stellte sich Snape dem Schulleiter. Trotz des Wissens, dass es nur ein Teil seines Freundes war, schmerzte jedes Wort wie der Stich einer Klinge, die tief in seine Seele gestoßen wurde.

Bellatrix war so begeistert davon, dass Snape es war, der den alten Mann tötete, dass sie vor Freude kreischte. Sie tanzte auf dem hölzernen Boden und sang, dass der Verrat doch ein so süßes Gift wäre. Nun konnte Snape endlich Schulleiter werden.

Doch Dumbledore lebte!
 

Er machte sich auf die Suche nach den anderen Hoxruxen und mit ihm Harry, Hermine und Ron. Auf ihrer Reise wurde deutlich, was schon die letzten Wochen über seine Zeichen schickte. Harry verlor sich. Er wusste, dass er sterben musste und seine Seele schien jeden Tag weiter ins Dunkel zu stürzen. Doch auch Dumbledore erging es nicht besser. Der Fluch war mit seinem zweiten Ich gestorben, doch der Preis war eine gewaltige Wunde in seiner Seele, die noch immer blutete. Er und Harry saßen oft stundenlang schweigend nebeneinander und versuchten sich Nähe und Geborgenheit zu spenden.

Draco hatte mit all seinen Worten Recht. Harry suchte ihn in jedem Schatten, lauschte auf seine Schritte und selbst in seinen Träumen war er nicht von ihm frei. Manchmal brachte es Ron nicht mehr über sein Herz und heftig packte er seinen Freund, weckte ihn aus den Albträumen, in denen Harry alles zu verlieren schien. In den wenigen Stunden, die der junge Mann schlief, träumte er von seinen Eltern, seinen Freunden, einer Welt voller Blut und der ewigen Sehnsucht nach dem Rest seiner Seele.
 

Selbst auf der Hochzeit von Bill, bei der sie von den Todessern angegriffen wurden, blieb kleine Angst in den Augen Harrys. Voller Grausamkeit stieß er einen der Angreifer vom Besen herunter und folgte ihm in die Weiten der Grasebene. Der Todesschrei erklang laut durch die sternenbesetzten Nacht.

Dies war der Abend, an dem Ron und Hermine sich endlich ihre Liebe gestanden. Sie brauchten einander dringender denn je. Sie waren es nun alleine, die Hoffnung und Zuversicht an eine bessere Welt in ihren Herzen trugen.

Es war leicht mit der Hilfe des Schulleiters in die Bank von Gringotts einzubrechen und nach und nach fanden sie alle verfluchten Gegenstände. Nur die Schlange und Harry blieben übrig. So kehrten sie zurück nach Hogwarts, um sich auf den alles entscheidenden Kampf vorzubereiten.
 


 

Snape hatte die Leitung der Schule übernommen und Angst und Grauen herrschte in den Gängen. Vieles hatte sich verändert, obwohl nur wenige Monate vergangen waren. Das siebte Schuljahr hatte gerade begonnen, dennoch schien sogar das alte Gemäuer unter der grausamen Herrschaft zu leiden. Die Todesser verbreiteten sich immer stärker in der Welt, wurden immer offensiver und begannen nun auch das Ministerium öffentlich zu unterwandern.

Heimlich schlichen sich die vier auf unbekannten Wegen in die Schule und erstaunt beobachtete Harry, wie sich Snape und Dumbledor wieder begegneten. Es war in dem großen Büro des Schulleiters, das nun finster und kalt wirkte. Ein zaghaftes Lächeln lag auf den schmalen Lippen des schwarzhaarigen Mannes und er eilte mit schnellen Schritten auf sie zu. „Albus, wie geht es dir?“ Fragte er direkt und legte dem alten Mann beinahe freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. War das wirklich der Lehrer, der ihn all die Jahre gequält und gehasst hatte?
 

Minerva McGonagall blieb beinahe das Herz stehen, als sie von Dumbledors Überleben hörte. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie fiel dem alten Mann um den Hals. Es war Snape, der die nächsten Schritte ankündigte und so machte er sich auf den Weg, um den dunklen Lord in die Schule zu locken. Er gab an, dass sich Harry irgendwo in den Tiefen der Schule verbarg und er ihn nicht finden könne. Die Schüler mussten ihm offensichtlich helfen und auch das Gebäude selbst, welches anscheinend eine eigene Gesinnung zu haben schien, unterstützte den Widersacher.

So führte er an der Seite des dunklen Lords die Truppen an, die sich nun vor Hogwarts versammelten. Es war eine gewaltige Armee an Todessern, die vor dem magischen Schutzschild auftrat und Harrys Kopf forderte. Angst und Beklemmung erfasste die Schüler, die Lehrer, die sich nun gegen diese unglaubliche Übermacht behaupten mussten.
 

Nun war auch der Augenblick gekommen, an dem Harry Abschied nehmen musste. Doch der junge Mann war nicht aufzufinden. Hermine und Ron erfuhren erst zu spät, dass Harry vor dem magischen Schild stand und nun mit kaltem Blick Tom zu einem Duell herausforderte. Dieser hatte den Elderstarb noch immer nicht gefunden, dennoch ließ er sich von dieser unerwarteten Wendung täuschen. Dass sich sein Erzfeind praktisch selbst vor den Augen seiner Freunde opferte, war einfach zu verlockend.

Absichtlich zog Harry seinen Zauberstarb zu spät und mit voller Wucht traf ihn die Macht des Todesfluches! Er sackte noch im selben Moment zusammen und blieb regungslos liegen.
 

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„Ich wusste doch, dass du ein Feigling bist! Denkst du wirklich, dass alles besser wird, wenn du jetzt stirbst? Die Schlange lebt noch immer!“ Höhnte eine bekannte Stimme und Harry öffnete die Augen. Er blickte verwirrt in das helle, weiße Licht und nur schwer wurden die sanften Umrisse deutlich. Er stand auf einem Bahnhof, doch es wirkte nicht so. Alles war sauber, hell und… leer!

Das Lachen drang wieder an seine Ohren und so drehte er sich um. Da saß er auf einer Bank, die Hände hinter sich abgestützt, die Beine elegant überschlagen. „Draco?“ Fragte der Schwarzhaarige und musterte sein Gegenüber. Die blonden Haare wirkten etwas länger, locker und offen umrahmten sie das feine Gesicht. Er trug eine enge, schwarze Stoffhose, war barfuß und das seidenweiche, dunkle Hemd war nur an den Ärmeln weit, sonst betonte es jede der schönen, wunderbaren Wölbungen dieses athletischen Körpers. „Nein, ich bin Lucius Malfoy, nur deutlich jünger, deutlich attraktiver und ich habe mit dir geschlafen!“ Lachte er höhnisch und in den grauen Augen stand der Schalk deutlich zu lesen.
 

„Was… was machst du hier und wo sind wir? Bin ich tot?“ Fragte Harry nun völlig verwirrt und beobachtete, wie sich Draco elegant von der weißen Bank erhob und auf ihn zuschritt. Jede seiner Bewegungen wirkte so leicht, so beschwingt. „Wie hält Granger das nur mit dir aus? Bist du immer so Begriffsstutzig?“ Hänselte ihn der Slystherin und grinste dann breit, als er keine Antwort bekam.

„Ich habe heute ausgesprochen gute Laune, daher werde ich mich dazu herablassen und dir antworten.“ Begann er, strich sich provozierend mit der rechten Hand durch die vollen, blonden Haare. „Du erinnerst dich noch daran, dass du vom Todesfluch getroffen worden bist?“ Der Angesprochene nickte nur schweigend, jede Bewegung Dracos beobachtend. „Gut, dieser Fluch reißt die Seele aus dem Körper und tötet so das sterbliche Fleisch. In deinem Fall befinden sich aber zwei Seelen in deinem Körper und der Todesfluch hat das Stück schwarzer Seele erwischt, das dich schon so lange quält. Der Hoxrux liegt im Sterben und dein Körper befindet sich in einer Art Schockstarre. Dein Stammhirn hat die Verbindungen zum Rest gekappt, damit dein Verstand nicht mit den Reaktionen deines Körpers überflutet wird. Dein Herz und deine Lunge setzen gerade aus und sind kurz davor zu kollabieren. Während dein Stammhirn verzweifelt deinen Körper reanimieren will, schafft deine Großhirnrinde diese Welt hier. Das ist der Notfall-Notfallplan, wenn der Notfallplan schon versagt hat. Sie schafft sich eine eigene Welt, in der sie die nächsten drei Minuten überleben kann, bevor der Hirntod eintritt.“
 

Wie konnte man das so sagen? Harry schluckte und starrte ihn entsetzt an, wankte zurück und fuhr sich zitternd mit beiden Händen durch die Haare. „Es gibt kein „du bist von den Toten wieder auferstanden“, Harry. Dein Herz schlägt mit einer unglaublichen Verzögerung und deine Brustmuskulatur bewegt sich minimal, um deine Lunge mit Luft zu füllen. Das ist nur nicht ausreichend um zu überleben! Dieser Notfallplan, um deinen Verstand nicht nachhaltig zu beschädigen, wird oft als der Übergang zum Totenreich angesehen und dann erzählen Spinner davon, dass sie den Himmel gesehen haben. Wenn du tot bist, gibt es uns hier nicht mehr, dann bricht diese Welt zusammen!“

Offensichtlich machte es dem Blonden Spaß und Harry konnte nicht sagen, ob diese Worte der Wahrheit entsprachen. Wut und Angst ergriffen ihn, ließen ihn sauer auf den Slytherin werden. „Was soll der ganze Scheiß bedeuten? Dass ich mir das hier nur einbinden?“ Fuhr er den Blonden wütend an und dieser lachte höhnisch. „Ja, ganz offenbar bildest du dir in deinen letzten lebenden Minuten den Bahnhof Kings Cross ein! Mal ehrlich, wie kommt man auf die Idee? Ich hätte die Schule verstanden, ich hätte dein erbärmliches Haus verstanden, das du von deinem toten Onkel hast, aber das hier?“ Lachend breitete Draco die Hände aus und drehte sich einmal um sich selbst.
 

„Es ist der Ort, an dem sich mein Leben geändert hat!“ Diese Worte waren leise, bedrückt, ja, sogar voller Trauer. Nun hielt der Blonde inne und wandte sich dem jungen Mann wieder zu. „Dann ist es passend. Dein Leben ändert sich nämlich gerade wieder grundlegend.“ Verwirrt blickten die grünen Augen zu ihm auf und dann kam der Slytherin näher. „Ich bin hier, weil ich jeden deiner Träume bewohne. Ich bin hier, weil ich die Sehnsucht deiner Seele bin. Du aber bist nur hier, um jeden Schaden in deinem Verstand so gering wie möglich zu halten.“ Tränen standen in den grünen Augen und sanft griffen die schlanken Hände nach Harrys Gesicht. „Nicht weinen! Nicht zittern! Nicht zögern! Du lebst! Du wirst gewinnen! Das ist wie mit jedem Traum. Er ist im Bruchteil einer Sekunde geträumt und unser Verstand benötigt doch so lange, um ihn zu verarbeiten. Du hast deine Entscheidung längst gefällt, du lebst! Lebe, schaffe eine Welt, in der ich frei sein kann! In der du frei sein kannst! Schaffe eine Welt, in der wir keinen Grund mehr zu fliehen haben!“
 

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Wie gerne wäre er geblieben, wie gerne hätte er ihn noch so viel gefragt, doch da war ein Gefühl, dass ihn aus diesem Traum riss. Erschrocken sog er die Luft in die Lugen, spürte die weichen Haare auf seiner Wange. Jemand hatte sich über ihn gebeugt, warme Finger lagen an seinem Hals. „Erzähl mir alles über die Nacht, in der mein Sohn verschwand, und ich sage, dass du tot bist!“ Es war eine Frau. Es dauerte einen Moment bis Harry verstanden hatte, wo er war und was sie von ihm wollte. Das musste Dracos Mutter sein!

Schweigend nickte er und nur einen Moment später verschwand das Gefühl der weichen Haare auf der Wange und der warmen Finger an seinem Hals. „Er ist tot, mein Herr! Ihr habt gewonnen!“ Also wussten selbst seine Eltern nicht, wo er war! Bisher hatte er gehofft, dass wenigstens sie eine Ahnung hatten. Der Jubel der Anwesenden ließ seine Gedanken verstummen, er hörte Hagrids weinerliche Stimme, die vor Schmerz und Trauer bebte.
 

Wie bald alles sein Ende nehmen würde, wusste der Gryffindor nicht. Sie zwangen den riesenhaften Wildhüter dazu Harry zu tragen und dann griffen sie den Schutzwall an. Es schien wie eine Kleinigkeit, als die gewaltige Wand an Angriffszaubern gegen den Wall prallte. Stücke brachen heraus, der magische Schild brach und nicht viel später marschierte die Armee über die große Brücke. Es schien alles aus, wie ein Feldheer schritt Snape auf den großen Hof vor dem Eingangsportal und sah in die entsetzten Gesichter.

Voldemort war es, der seine herablassende Rede hielt, ihnen vom Tod ihres Helden berichtete. Angst packte die Schüler, die sich hinter der ersten Reihe an Lehrern verbargen. Auch die Mitglieder des Ordens des Phönix waren dort. Nun schien der Untergang unaufhaltsam.
 

Es war Neville, der wütend und mit zitternder Stimme hervortrat und rief. „Harry war nicht der einzige, dessen Eltern gestorben sind. Er war nicht der einzige, der unter dem leiden musste, was ihr mit eurem Wahnsinn getrieben habt! Keiner wird sich ergeben, keiner wird sich euch anschließen! Wir kämpfen für eine Zukunft, in der wir alle leben können!“ Seine Worte sollten in die Geschichte Hogwarts eingehen, sein Opfer würde noch in hunderten von Jahren als Legende weiter leben. Er trug das Schwert Gryffindors in der Hand und lachend hatte Bellatrix gerufen, dass er nicht einmal mit einer Schlange fertig werden würde.

Erst zu spät begriff der dunkle Lord diese Falle, Nagini war längst zum Angriff übergegangen und wollte ihre Zähne in den jungen Schüler schlagen. Sein Schrei erklang wie ein dunkles Zeichen über den Platz, Blut spritzte auf die Erde, als die Zähne seine Schulter durchschlugen und er rückwärts stolperte. Bellatrix lachte schallend und dann wurde sie still. Ein siegessicheres Lächeln lag auf den Lippen des schwerverletzten Jungen und das silberne Schwert ragte weit aus dem Rücken des Tieres heraus.
 

Wäre Tom nicht schon bleich, jetzt hätte sein Gesicht jede Farbe verloren. Die weiße Schlange bäumte sich auf, brach in duzende kleine, schwarze Stücke auf, bevor sie in einem dunklen Nebel explodierte. Das war der letzte Teil der schwarzen Seele und nun war der große, mächtige Zauberer sterblich. Keuchend ließ Neville das Schwert zu Boden fallen und schloss die Augen. Die Zähne hatten große Wunden in seinen Körper geschlagen und dass er noch immer lebte, erschien wie ein Wunder. Es war Luna, die panisch zu ihm rannte, sich ohne zu zögern neben ihn auf den Boden stürzte und ihn zu sich zog.
 

Für einen Moment blieb alles still. Niemand sagte ein Wort und Bellatrix riss die Augen weit auf. Nagini war tot! Sie war verschwunden!

Das war der Augenblick, in dem sich Harry regte. Er sprang aus den Armen Hagrids und zwang sich dazu nicht zu Neville zu sehen. „So schnell bringst du mich nicht um!“ Rief er voller angestauter Wut und richtete den Zauberstarb auf Tom.
 

Bevor noch jemand verstehen konnte, was hier geschah, spürte der hagere, bleiche Mann einen Schmerz im Rücken. „So lange warte ich auf diesen Moment! Ich habe nie vergessen, dass du die einzige Frau getötet hast, die zu lieben ich je fähig war!“ Das bleiche Gesicht drehte sich zu Severus und mit einem weiteren Ruck stieß dieser den Dolch tiefer in den Brustkorb des Zauberers.

Blut lief aus dem Lippenlosen Mund und dann drehte der schwarzhaarige Lehrer das Messer im Fleisch herum. Bellatrix stand neben ihnen und starrte auf das dunkle Blut, welches nun aus der Wunde quoll „Du… du bist ein Verräter…“ Flüsterte sie und schien noch immer nicht zu begreifen, was hier wirklich geschah.
 

Mit einem Ruck riss sie die Augen auf und nun schrie ihre Stimme die Worte erneut. „Du bist ein Verräter!“ Der Wahnsinn und die Angst um den Verlust ihres Herrn ließ sie den Verstand verlieren und sie verlor sich in ihrem überschwänglichen Zorn. „STUPOR!“ Kreischte sie und traf Snape mit voller Wucht. Sein verletzter Körper flog durch die Luft und schlug hart auf dem Boden auf. Noch einige Meter schlitterte er über den harten Stein, bevor er vor den Füßen eines Mannes zum Liegen kam.

Kalt und doch auch besorgt sahen sie alten Augen Dumbledores auf den verletzten Lehrer herunter. „Es reicht, Bellatrix!“ Donnerte seine energische Stimme über den gesamten Hof des Schlosses und brach sich an den Wänden des Gebäudes. „Der Kampf ist vorbei!“ Verkündete der todgeglaubte Schulleiter.
 

Ihre dunklen Augen waren rund wie Kugeln, ihr Mund stand offen und ihre Unterlippe bebte. Die schwarzen Haare hingen wirr um ihr bleiches Gesicht und ließen sie noch wahnsinniger wirken. Bellatrix stützte den kraftlosen Körper ihres Meisters, ein gewaltiger Blutfleck tränkte die schwarze Robe auf dem Rücken und ein unkontrolliertes Zittern hatte ihn ergriffen.

„Also stimmt es…“ Flüsterte der sterbende Mann, während sich sein Mund mit Blut füllte. „Draco hat uns verraten… und nun auch Narzissa und Severus! Warum du… Se… Se…“ Doch die Worte gingen in einem blutigen Gurgeln unter. Nur einen Augenblick später brach der sterbende Körper kraftlos zusammen und Bellatrix fing ihn auf. „Nein!“ Kreischte sie und heiße Tränen der Verzweiflung rannen über ihre Wangen. „ER IST TOT!“ Schrie sie panisch und dann drehte sie ruckartig den Kopf zu Snape. Dieser lag noch immer vor den Füßen des alten Schulleiters und keuchte, Blut lief über die bleichen Lippen. „Du… du bist daran schuld!“ Flüsterte sie wieder, der Blick war der Welt entrückt. „Ich werde ihn finden, deinen kleinen, verräterischen Draco! Ich werde ihn finden und ihn töten! Langsam und qualvoll und dann werde ich dir seinen geschundenen Körper vor die Füße werfen!“ Kreischte sie und verwandelte sich in schwarzen Rauch.
 

Sie verschwand und mit ihr hunderte, aberhunderte Todesser, die den Kampf als ausweglos ansahen. Doch nicht alle gaben auf. Ein kurzer Kampf entbrannte, der nicht schlimmer hätte sein können. Die verbleibenden Zauberer wollten nur den größtmöglichen Schaden erreichen, es ging nicht um ein eigenes Überleben. Dennoch wurden sie besiegt!
 


 

Der Vorplatz vor dem großen Eingang wirkte alt, das Gemäuer war an vielen Stellen eingerissen und abgesprengt. Auf dem Platz davor lagen viele tote Zauberer, viele Hexen und zwischen ihnen lagen die Reste der steinernen Krieger Hogwarts und die toten Körper großer Trolle.

Harry stand inmitten all dieses Chaos und hörte Lunas weinerliche Stimme. Madam Pomfrey kniete neben ihr und kümmerte sich um Nevilles Wunden. Auch Tonks Stimme konnte er hören. Sie lag in Remus Armen und weinte bitterlich. Sie hatte das Kind verloren, das sie unter dem Herzen trug. Sanft strich er ihr über die schwarzen Haare und sprach beruhigend mit ihr. Offensichtlich war er von vielen, aber nur leichten Verletzungen übersät.
 

Dann wurde seine Aufmerksamkeit von den beiden Weasly Zwillingen geweckt. Molly kreischte und schien aufgebracht und ängstlich zu sein. Nun hielt sich auch Fred das linke Ohr und sie erklärten ihrer Mutter lachend, dass sie wieder gleich aussahen. Noch immer trug George den Verband um den Kopf und nun stützte er seinen Bruder. Offensichtlich war Molly nicht so begeistert davon, auch wenn sie mit Erleichterung feststellte, dass es sonst beiden Söhnen gut ging. Ihr Mann war zwar lädiert, hatte eine große Wunde am Bein, würde aber ebenso alles überstehen. Percy hatte es am schlimmsten erwischt. Zwei große Schnittwunden zogen sich über sein Gesicht und Bill stützte seinen jüngeren Bruder. „Mum, jetzt bin ich nicht der einzige, hübsche Junge in der Familie!“ Lachte er und bemerkte doch, dass sich Percy nahe eines Nervenzusammenbruchs befand. Allein die Vorstellung, für den Rest seines Lebens mit solchen Narben gezeichnet zu sein, war zu viel für ihn.
 

Anscheinend hatte es Neville am schlimmsten erwischt. Es war nicht einmal sicher, ob er die Nacht überstehen würde. Snape war verschwunden, aus eigener Kraft. Bevor er sich jedoch weiter umsehen konnte, packte ihn seine beste Freundin an den Schultern. „Ich glaub es nicht! Harry! Wie konntest du so etwas Dummes tun und dich nicht einmal bei uns verabschieden? Ich dachte, dass wir dich nie wieder sehen würden! Tu so was nie wieder!“ Tränen rannen über ihr Gesicht und sie fiel ihm einfach um den Hals. „Ja, Alter, du hast wirklich ausgesehen, als wärest du tot!“ Brummte Ron und nun musste der Schwarzhaarige doch grinsen. „Tut mir leid. Ich mach es auch nie wieder, versprochen!“
 

War jetzt wirklich alles vorbei? Nachdem er auch Ron kurz gedrückt hatte, suchte sein Blick den alten Schulleiter. Langsam ging er auf diesen zu, so viele Stunden hatten sie miteinander verbracht. „Ist… ist er wirklich tot?“ Fragte er und blickte auf das herunter, was vor den Füßen des alten Mannes lag. „Ja, Harry, er ist tot. Als er starb, löste sich sein Körper auf, er war schon lange kein Teil dieser Welt mehr.“ Meinte Dumbledor und vor ihm lag der schwarze Mantel und der blutige Dolch. „Wie geht es dir?“

Wie müde rieb er sich mit den Händen über das Gesicht. „Keine Ahnung! Ich kann… ich kann das alles nicht glauben. Ich lebe, Voldemort ist tot und Snape… ich meine, warum hat er das getan? Das ist alles so surreal! Ich habe erwartet, dass es vielleicht zu einem großen Kampf kommt, dass ich dabei sterbe, ich habe versucht mich darauf vorzubereiten, wie es sein wird ihn zu töten. Nichts von all dem ist passiert. Klar, der Kampf war schlimm, aber kaum einer scheint lebensgefährlich verletzt zu sein. Wie lange ist es jetzt her, dass sie hier aufgetaucht sind. Ein paar Stunden? Das ist wie ein Traum und ich habe Angst, dass ich gleich aufwache!“
 

Sanft legte sich die linke Hand auf seine Schulter. „Das ist kein Traum, Harry, du bist frei!“
 

Frei…
 

Die grünen Augen wandten sich ab und starrten in die Ferne. War er das?
 

Woher hatte der dunkle Lord gewusst, dass Draco ein Verräter war?
 

Wo war nun Bellatrix? Würde sie Draco finden?
 

Nein, er war vielleicht zu Ende, aber er war nicht frei!
 

Er hatte Angst!

Lass dich nicht vergessen!

5. Kapitel

Lass dich nicht vergessen!
 

Das Zeitalter der Auroren war erneut angebrochen und täglich standen im Tagespropheten neue Berichte über die Schandtaten der Todesser, die Gerichtsverhandlungen und Verhaftungen. Natürlich hatte das Ministerium die Vorfälle in der Schule bis ins kleinste Detail geprüft und besonders Snape ins Visier genommen. Wie enttäuscht war der Minister, als plötzlich all die Lügen ausgegraben wurden, hinter denen der Professor seine guten Taten versteckt hatte. Die Schreckensherrschaft war nicht halb so schlimm gewesen, wie er allen weiß gemacht hatte. Offenbar verbarg sich hinter der finsteren Maske des Hauslehrers ein deutlich sanfteres Herz.

Natürlich verbarg er dieses auch hinter einer Mauer aus Stolz und diese ließ ihn all die Verletzungen mit regloser Miene ertragen. Etliche Rippen waren gebrochen, Lunge, Magen und Leber gequetscht und auf der linken Seite waren das Schulterblatt und das Kniegelenk zertrümmert. Es waren Wunden, die heilen würden und Madame Pomfrey arbeitete hart gegen den Stolz des Mannes an, der am liebsten jede Behandlung ablehnen und sich selbst um diese Wunden kümmern würde.
 

Wahrscheinlich behielt sein linkes Knie für den Rest seines Lebens eine leichte Steifheit und mit einem gewissen Missfallen nutze Snape einen eleganten, schwarzen Gehstock. Etwas hatte sich mit dem Tod Voldemorts verändert. Der Lehrer wirkte ausgeglichener, ruhiger und ein außergewöhnlich seltsames Verhalten war bei ihm zu bemerken. Professor Snape lobte Schüler!

Dabei ging es nicht nur um die verbleibenden Slytherin, deren Anzahl deutlich geringer geworden war, in einer Unterrichtsstunde hatte er sogar Ron für seine gelungene Abhandlung über Gifte vor der anwesenden Schülerschaft gelobt. Nun, natürlich musste er mit erwähnen, dass die Leistung im Vergleich mit anderen Schülern mäßig, aber offenkundig in Eigenarbeit entstanden war und eine der besten Werke des Rothaarigen darstellte. „Sie sollten dennoch Miss Granger das nächste Mal darum bitten ihre Arbeit zu korrigieren. Selbst Mr. Potters Aufsatz ist Fehlerfreier.“
 

Mache Schüler berichteten sogar davon, dass sie den schwarzhaarigen Lehrer lächeln gesehen hatten. Es war nicht dieses böse, herablassende Lächeln. Die Mehrheit der Slytherin beschränkte sich nun auf die jungen Schuljahre, die Kleinsten unter ihnen und gerade ihnen gegenüber schien Snape eine Sanftmut entwickelt zu haben. Er begann Fehler zu verzeihen! Zumindest, wenn man aus ihnen lernte!

Harry wünschte sich auch einen solchen Frieden. Er machte sich noch immer Sorgen um Draco, von dem er nichts gehört hatte. Durch seine Aussage wurde Narzissa Malfoy freigesprochen und ihr Mann unter Beobachtung gestellt. Noch vor Weihnachten kam es zu dem „Gespräch“ zwischen ihnen. Harry erzählte ihr schonungslos alles, was in dieser Nacht geschehen war. Vielleicht lag darin die Hoffnung, dass er dann endlich mit all dem besser zurechtkommen würde. Still und mit eiserner Miene hatte sie allem gelauscht und nach einer Weile des Schweigens meinte sie. „Es ist gut, dass Lucius nicht hier ist. Draco hat Recht, er würde das nicht verstehen. Ich hätte es nicht verstanden…“ Sie ließ die Worte zuerst im Raum stehen, blickte in das Feuer des kleinen Kamines. Sie saßen in einem runden Turmzimmer, welches fernab aller für gewöhnlich genutzten Räume lag. Das Licht der untergehenden Sonne erhellte den Innenraum und zog lange Schatten.
 

Narzissa trug ein schwarzes, hochgeschlossenes Kleid, die Haare hatte sie zu einem Knoten zusammen genommen und der mit Tüll und Spitze besetzten Hut lag neben ihr auf dem kleinen Tisch. Seidene Handschuhe bedeckten ihre Hände und nur wenig Schmuck zierte ihre elegante Gestalt. „Ich liebe meinen Sohn! Ich achte ihn für den Mut, den er bewiesen hat und ich sorge mich jede Sekunde um sein Wohlergehen. Es ist mir gleich, wen er liebt und wonach ihm der Sinn steht. Ich habe dieses Kind unter meinem Herzen getragen, ihm das Leben geschenkt, ihn aufwachsen sehen… ich will ihn einfach zurück!“

Mit einem Schlucken nickte Harry und irgendwie hatte er eine solche Reaktion nicht erwartet. „Ich muss dich noch einmal um dein Wort bitten, Harry.“ Begann sie erneut und nun blickten diese unendlich tiefen Augen ihn an. Ein Schauer lief über seinen Rücken und er wusste jetzt schon, dass er ihr kaum etwas abschlagen konnte. „Sorge dafür, dass Lucius davon niemals etwas erfährt, außer von Draco selbst und wenn du meinen Sohn siehst, sage ihm, dass ich ihn liebe und immer für ihn da sein werde!“
 

Sein Mund fühlte sich so trocken an und plötzlich fiel ihm jedes Wort schwer. Seine Gedanken drehten sich und dann nickt er. „Ja… ja Mrs. Malfoy. Wenn ich ihn sehe, werde ich es ihm sagen.“ Er leckte sich über die Lippen, schluckte noch einmal. „Ich denke nicht, dass ich großartig über irgendetwas sprechen werde, was in dieser Nacht geschehen ist. Sie… sie sind die erste, der ich überhaupt davon erzählt habe.“ Gestand er ihr nun und da war es. Wie ein Stich in seinem Herzen tauchte das Gefühl auf, als er ihr Lächeln erkannte. Sie wirkte so liebevoll, sanftmütig und in ihren Augen stand so viel mütterliche Wärme. Wie gerne hätte er eine Mutter, die ihm einen solchen Blick schenkte. „Wenn du noch einmal darüber sprechen willst, höre ich dir gerne zu.“
 

Noch lange saß er dort in dem kleinen, runden Raum und starrte auf die Tür. Narzissa war gegangen, hatte keine Antwort auf ihr Angebot gefordert und nun wirkte das Zimmer leer und kalt. Warum musste man Menschen immer erst verlieren, bis man sein wahres Gesicht zeigte? Warum hatte Draco erst gehen müssten, damit Narzissa zu ihrer grenzenlosen Mutterliebe stehen konnte? Warum musste Draco erst alles verraten, damit er ihm seine Gefühle offenbaren konnte? Um ehrlich zu sein war er sich noch immer nicht sicher, was der blonde Slytherin empfand.

Mit einem Ruck löste er sich aus seiner Starre und entschloss sich zu einem erneuten Training. Er hatte seinen alten Rhythmus wieder gefunden. Morgens vor dem Frühstück Ausdauertraining, dann der Unterricht und nach dem Mittagessen eine kurze Pause. Lernen und Abarbeiten der Hausaufgaben und danach noch einmal verstärktes Muskel und Quidditch Training.
 


 

Er hatte Ron und Hermine allein in den Fuchsbau geschickt, diese Weihnachtsferien brauchte er seine Ruhe. Natürlich war das nicht einfach und es hatte ihn einiges an Überredungskunst gekostet. Er musste Hermine manches versprechen und so genoss er nun seine ersten zwei Tage in Freiheit. Er wechselte seine Trainings- und Lernzeiten regelmäßig ab und achtete, Hermine zu Liebe, besonders auf seine Ruhephasen und sein Essen. Nach dem anstrengenden Schulbeging in diesem Jahr waren beinahe alle bei Freunden und Familie zu Besuch und nur ein gutes Duzend Schüler teilte sich einen Tisch in der großen Halle. Die meisten von ihnen blieben, weil sie keine Familie mehr hatten und Hogwarts so wie für Harry ihr Zuhause darstellte. Nur bei einem war er sich da nicht sicher, ein einziger der Slytherin war geblieben.
 

Doch darüber wollte er nicht weiter nachdenken, er musste noch immer etliches in seinem Leben verarbeiten und in diesen freien Tagen, in denen das Schloss von einer unglaublichen Ruhe erfüllt war, brachen sich seine Gedanken Bahn. Er versuchte seine beruflichen Ziele zu fokussieren und zu hinterfragen, auch dies hatte er Hermine versprechen müssen. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer war seine Entscheidung. Er hatte heute als Ergebnis seiner Überlegungen auch eine extra Lehrstunde für die praktische Anwendung von Magie eingelegt und würde sie nun täglich in sein Programm einarbeiten. Es war nicht ausreichend, wenn er nur „gut“ in dem wäre, was er tat. Er musste „überragend“ sein!

Immer wieder hatte er in diesen zwei Tagen das Gefühl in die Dunkelheit zu stürzen und nachts wurde er erneut von Bellatrix Lachen geweckt. Allein der Sport ließ seine Gedanken schweigen, ließ jedes Gefühl aus seinem Körper verschwinden und nur den Schmerz und die Anstrengung blieben zurück.
 

Am 21. Dezember war der Zug mit seinen Freunden abgefahren, der Schnee lag schon seit Beginn des Monats auf dem weitläufigen Gelände. Die Dunkelheit des Abends hatte mittlerweile die großen Türme des Schlosses eingehüllt und Harry war auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum, den er sich nur mit drei anderen teilte. Es war die Nacht vor Heiligabend und Morgen war der 24. des zwölften Monats. Doch er war nicht der einzige, der an diesem Abend in den Gängen unterwegs war, offensichtlich wartete jemand auf ihn.

Harry hatte noch sein Handtuch um die Schultern, seine Hosenbeine waren vom Schneewasser durchzogen und seine Wangen glühten Rot von der winterlichen Kälte. Selbst bei dem Schnee, der draußen lag, ließ sich der Gryffindor nicht von seinem Programm abhalten.
 

„Was willst du hier?“ Fragte er mürrisch und rieb die kalten, dreckigen Hände gegeneinander um sie aufzuwärmen. „Dir ein unmoralisches Angebot machen, Potter!“ Begann der dunkelhäutige Slytherin und lächelte vielsagend.

Misstrauisch blieb Harry stehen und sah sich im Gang um. Sie waren allein und keine Bilder hingen in der Nähe, die sie belauschen konnten. Es gab keine Türen und die nächsten Abzweigungen waren gut einzusehen. Zabini hatte den Platz hervorragend ausgewählt. „Was für ein Angebot?“ Wollte er nun wissen und trat näher. Der Slytherin stand mit verschränkten Armen dort und lehnte mit der linken Schulter an der Wand. Blaise Zabini war schlank, die dunkle Haut wirkte im Licht der warmen Kerzen seidenweich. Er trug keine Robe, sein elegantes, dunkelgraues Hemd wurde von einem grünen, wollenden Pullunder geschmückt.

Unerwartet blitzen die Worte von Draco vor ihm auf, er dachte an die rote Kerze, die sich so faszinierend zwischen dessen schlanken Fingern gedreht hatte. Der Geruch von Whisky drang in seine Nase und er hörte das Klirren der Eiswürfel im Glas.
 

Mit einem Schlucken drehte er den Kopf zur Seite, er hatte die Vorstellung nicht verhindern können und sah nun diesen ebenso athletischen Körper Splitterfaser nackt vor sich, sah das Eis auf der dunklen Haut. Manchmal war es besser unwissend zu sein. „Woran denkst du Potter?“ Fragte der Schwarzhaarige neckend, als würde er die Antwort schon kennen.

„Eis.“ Antwortete Harry und zwang sich dazu wieder in die mit Schalk besetzten Augen zu blicken. „Und rotes Kerzenwachs?“ Erschrocken wich der Gryffindor zurück, zu viele Gedanken platzen plötzlich in seinem Verstand auf. „Ich weiß, dass Draco etwas von dir wollte und der Kerl geht nicht, bevor er hat, was er will!“ Hohn lag in diesen kräftigen Worten und Blaise machte dennoch damit deutlich, dass er nur spekulierte. Zu gut für Harrys Geschmack und Wut mischte sich in seine Verlegenheit. Hatte dieser blonde Trottel wirklich mit Zabini über ihn gesprochen? Im gleichen Moment fiel ihm eiskalt ein, dass er sich davon nicht frei sprechen konnte. Auch er hatte die Bilder vor Augen, die er Draco verdankte.
 

Mit einem spielerischen Lächeln löste sich Zabini von der Wand. „Wir beide sind nicht wie er, nicht wie Draco, der Prinz der Slytherin, der mit seinen umgarnenden Worten und seinem Scharm alles bekommt, wonach es ihn verlangt. Ich habe gerne ein Spiel mit ihm gespielt. Ich habe ihm Namen und Datum gegeben und er bestimmte den Wetteinsatz. Jede einzelne Wette habe ich verloren. Er hat keine zwei Wochen gebraucht, um die Moor Zwillinge ins Bett zu bekommen!“

Harry konnte sich noch gut an die Situation im Raum der Wünsche erinnern, als Draco davon sprach. Anscheinend hatte er nicht gelogen. Dieser Gedanken war ihm nämlich auch schon gekommen. Er rief sich das Bild der beiden Schüler in Erinnerung, die nun 16, wohl eher 17 Jahre alt waren. Zwei gut gebaute, sonnengebräunte, junge Männer, die immer einen dummen Spruch auf den Lippen hatten. Sie waren nicht sonderlich groß, handelten aber oft wie eine Person und konnten einem das Leben wirklich schwer machen. Man verglich sie gerne mit den Weasly Zwillingen, obwohl es deutliche Unterschiede zwischen ihnen gab. Die beiden hätten perfekte Treiber sein können, jedoch stellte sich schnell eine ausgeprägte Höhenangst heraus, die ihnen die Teilnahme am Quidditch unmöglich machte.
 

„Woher willst du das so genau wissen? Kann ja angehen, dass Draco dich angelogen hat!“ Fragte er nun provozierend und verschränkte seinerseits die Arme vor der Brust. Als Antwort bekam er nur ein breites Grinsen. „Keine Sorge, ich bin mir sicher. So sicher, als hätte ich es mit meinen eigenen Augen gesehen!“ Nun zwinkerte er und der Gryffindor spürte, wie ihm die Hitze erneut in die Wangen schloss. Nun leicht verärgert fuhr er mit der rechten Hand durch die Luft, um diesen Teil der Unterhaltung zu beenden. „Komm endlich auf den Punkt! Was willst du von mir?“

Die nun folgende Antwort verschlug ihm wahrhaftig die Sprache. Offensichtlich hatten „die Slytherins“ die Ehrlichkeit für sich neu entdeckt. „Meine herablassende Haltung Frauen gegenüber ist nur dazu gedacht den Anschein zu wahren. Ich habe kein Interesse an ihnen und dank der letzten Ereignisse ist meine Auswahl deutlich geringer geworden. Ich werde hier noch ein halbes Jahr verbringen und bisher ist das eine sehr unbefriedigende Aussicht. Ich denke, wir könnten uns da gegenseitig entgegen kommen!“ Die grünen Augen starrten ihn einen Moment einfach nur an, die vollen Lippen standen einen Spalt breit offen und Harry ließ die Hand sinken, die er noch immer erhoben hatte.
 

„Wie… wieso kommst du auf die Idee, dass ich mit… dass ich mit dir schlafen würde?“ Platze es dann stotternd aus ihm heraus und der Gryffindor wankte zwischen tiefem Entsetzen und purer Fassungslosigkeit. „Neugierde!“ Konterte der dunkelhäutige Blaise direkt.

Nun brach die Wut in ihm aus und mit einem Knurren schubste er den leicht größeren zur Seite. „Vergiss es! Du hast sie doch nicht mehr alle!“ Fuhr er ihn an, während er mit festen Schritten den Gang entlang eilte. Alles brodelte in ihm und er konnte es noch immer nicht fassen, wie überhaupt jemand auf solch eine Idee kommen konnte. Das Lachen des Slytherin dröhnte in seinen Ohren und trieb den Zorn nur noch weiter an.
 

„Also bist du dir sicher, wonach dir der Sinn steht? Draco war also nur eine einmalige Geschichte? Ein Ausrutscher?“ Diese Worte schafften es wirklich ihn inne halten zu lassen. Die Wut brodelte noch immer, schrie langsam nach Blut und Rache für diese dummen Worte. „Du warst doch schon immer neugierig, Harry! Du hast dich nie an Regeln gehalten und zu deinem großen Glück konntest du es immer hinter dem Deckmantel der „guten Tat“ verbergen. Es heißt, du wärest wie dein Vater! Ihr beide hättet auch durchaus großen Erfolg im Hause Slytherin haben können.“

Wagte der Kerl es wirklich seinen Vater da mitreinzuziehen? Bewusst zwang sich der Schwarzhaarige zum kräftigen Ein- und Ausatmen. Er würde nicht auf diese billige Tour von Blaise hereinfallen! „Also, war er nur eine einmalige Geschichte oder stehst du auf Frauen UND Männer?“
 

Blaise hatte es geschafft. Er hatte die Frage ausgesprochen, die Harry schon seit Wochen immer wieder durch den Kopf geisterte und ihn nicht los ließ. Nach der Schlacht hatte er viele Angebote bekommen und sein all abendliches Training endete das eine oder andere Mal zwischen den Schenkeln einer lusttrunkenen Mitschülerin. Es gefiel ihm, diese ablenkenden Momente, in denen er die Welt vergessen konnte.

Dennoch… so gut ihm diese Augenblicke auch taten, wenn die Leidenschaft verschwunden war und die Kälte seinen Körper wieder umfing, dann tauchte Draco in seinen Gedanken auf. An manchen Tagen hatte er schweigend beim Essen gesessen und war in Gedanken der Frage nachgegangen, ob es nicht nur an Draco lag. Zu anderen Männern fühlte er sich nicht direkt hingezogen, obwohl ihm so mancher Anblick ehrlich gefiel. Da sie nur eine kleine Gruppe in diesen Weihnachtsferien waren, hatte er gehofft der Frage ausweichen zu können.
 

Seine Wut war verschwunden, sie hatte sich in den immer wiederkehrenden Gedankenspielen verloren, den offenen Fragen, die noch immer nicht geklärt waren. Das hier war eine Gelegenheit, ein Angebot, wie er es sicher kein zweites Mal bekommen würde. Aber wollte er sich wirklich auf Blaise Zabini einlassen?

Er drehte sich um, die grünen Augen funkelten. „Komm her!“ Sein Ton hatte etwas Strenges, ließ keine Widerworte zu und selbst aus dieser Entfernung, die nun zwischen ihnen lag, konnte er den Schauer erkennen, welcher über den Rücken des dunkelhäutigen Slytherin lief. Als wäre Blaise seine Beute, beobachtete er jede seiner Bewegungen, jede Regung seiner Gesichtszüge. „Näher!“ Forderte er, als die ersten Signale eines Innehaltens erschienen und noch immer über ein guter Meter zwischen ihnen lag. Misstrauen und Aufregung flackert in den braunen Augen auf, immerhin hatte er Blaise noch keine Antwort gegeben. Tief in seiner Seele brannte das Feuer der Neugierde und der Leidenschaft. Ja, der Slytherin hatte Recht!
 

„Weißt du, was das Schöne an deinen Problemen ist?“ Fragte er mit anrüchig tiefer Stimme. Der junge Mann vor ihm war angespannt und Harry konnte das leise Schlucken hören, welches die Unsicherheit deutlich verriet. „Dass du mir dabei behilflich sein kannst?“ Fragte er mit ruhiger Stimme und doch stand die Aufregung in seinen braunen Augen.

Sie waren nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt und langsam hob Harry die rechte Hand, legte sie behutsam in den fremden Nacken und lächelte vielsagend. Das Zittern seines Körpers konnte Zabini bei dieser Berührung nicht verhindern, folgte dem zarten Druck im Nacken, der ihn noch näher zu dem Gryffindor dirigierte. Fordernd legten sich die vollen Lippen auf den leicht geöffneten Mund.

Diesem Kuss konnte er nicht widerstehen. Diese Lippen waren so fordernd, der Blick in den grünen Augen fesselte ihn und die kalte Hand im Nacken ließ ihn nicht entkommen. Blaise schaffte es nicht einmal die eigenen Augen zu schließen, so gefangen war er in diesem Moment.
 

Langsam löste Harry den Kuss wieder und zog den etwas größeren Slytherin noch näher, um ihm zuzuflüstern. „Sie lassen mich völlig kalt!“ Sanft strichen seine kühlen Finger über die dunkle Haut und mit einem Lächeln auf den Lippen drehte sich der junge Mann um.

Blaise stand einfach nur da, blickte ihm nach und hörte sein Blut in den Ohren rauschen. Ob Harry ein erfolgreicher Slytherin gewesen wäre? Scharf sog er die Luft ein und spürte den Schauer, der über seinen Rücken lief. Oh ja, er wäre mehr als perfekt gewesen. Offensichtlich verstand der Kerl besser zu spielen, als er zu hoffen gewagt hatte. Nun hieß es also warten.
 

Zwei Küsse hatte er dem schwarzhaarigen Gryffindor noch stehlen können, bevor sein Werben am 2. Weihnachtstag endlich erhört wurde. So viel Unsicherheit blitze immer wieder in den grünen Augen auf, dennoch schien er genau zu wissen, was er wollte. Diese Nacht war unbeschreiblich und sie endete erst, als die Uhr im Gemeinschaftsraum der Slytherins zum Frühstück rief.

Es blieb nicht bei dieser einen und bald entwickelte sich eine Art Freundschaft, die über das Sexuelle hinweg ging. Offensichtlich wussten nicht sehr viele von Blaise Vorlieben und diese Schule war nicht gerade der Ort für ein Comingout. Das war nun ein Problem, das sie miteinander verband. Erstaunlicherweise fanden die beiden weitere Sorgen, Wünsche und Ängste, die sie teilten.

Der Slytherin ahnte jedoch nicht, was er mit seinem Angebot verursacht hatte. Er konnte sich nicht vorstellen die Dunkelheit in dem Gryffindor für immer geweckt zu haben. Dieser war sich nun seiner Ziele und seiner Bedürfnisse im Klaren und begann langsam seinen eigenen Weg zu finden. Er war der Junge, der überlebt hatte! Er war der Mann!
 


 

„Was ist los?“ Fragte Harry direkt und setzte sich an den langen Tisch Blaise gegenüber. Die vier Hausfahnen hingen an den Wänden der großen Halle, doch nur noch ein langer Tisch stand parallel zum Lehrertisch in dem gewaltigen Raum. Der 18 jährige Gryffindor war der letzte, die anderen saßen schon und hatten mit dem Essen begonnen. Das Mittagessen versprach heute mit einer Vielseitigkeit jeden Hunger zu stillen, doch der Slytherin meuchelte gerade das Grünzeug auf seinem Teller. Mit zusammengezogenen Augenbrauen versuchte Harry zu erkennen, um was für ein Gemüse es sich dabei handelte. „War das Brokkoli?“ Wollte er nun wissen und die braunen Augen sahen ihn direkt an. „Ja, um den ist es nicht traurig, wenn nichts zum Essen übrig bleibt!“ Brummte der Angesprochene sauer und ließ die Gabel sinken, an der noch Reste des toten Gemüses steckten. Wie immer trug er ein Hemd, doch heute hatte er einen dunkelgrünen Pullover darüber gezogen.

„Kannst du eh nicht nachvollziehen…“ Kamm dann etwas angefressen von dem Dunkelhäutigen und Harry füllte sich seinen Becher mit rotem Traubensaft. „Warum? Geht es um deine Familie? Eltern?“ Fragte er ruhig und ließ seinen Blick wählerisch über den Tisch wandern. Er bemerkte das Nicken nur im Augenwinkel, sah aber nicht wieder zu Blaise hinüber. „Lass mich raten, sie wissen endlich, dass sie nie Großeltern werden?“ Fragte er wie beiläufig und sein Gegenüber zuckte leicht zusammen. „Ich kann zuhören und ich habe meine eigene Meinung, Blaise. Ich muss nicht wissen, wie es ist Eltern zu haben, die einen nicht verstehen! Ich habe eine ganze Welt, die mich nicht versteht!“
 

Die grünen Augen funkelten, als sie wieder zu ihm sahen und zaghaft breitete sich ein Lächeln auf den dunklen Lippen aus. „Ich dachte, dich lassen meine Probleme kalt.“ Neckte Blaise nun vorsichtig und da war wieder dieser gefährliche, wilde Zug in diesen faszinierenden Augen. „Tun sie auch, aber ich mag es nicht, wenn meine Betthasen so frustriert sind!“ Im ersten Moment starrte der Slytherin ihn einfach nur fassungslos an, bevor das leise Lachen Harrys endlich seinen Witz verriet. „Klar mache ich mir einen Kopf drüber, wenn es dir so offensichtlich schlecht geht. Was denkst du denn von mir?“ Stichelte er nun belustigt und bemerkte den 12 jährigen Ravenclaw, der sie mit offenem Mund anstarrte.

Plötzlich verfinsterte sich die Miene des 18 Jährigen und er beugte sich leicht über den Tisch. „Das hier ist ein Gespräch für Erwachsene, also hör woanders zu und wenn du auch nur ein Wort darüber verlierst, verwandel ich dich in eine Maus und gebe dich Krummbein zu fressen!“ Knurrte Harry nun und erschrocken griff er Junge nach seinem Teller, nickte mit großen Augen und rutschte ein gutes Stück weiter von Blaise weg. Dieser schüttelte nur breit grinsend den Kopf. „Nein, kein bisschen Slytherin in dir! Wie komme ich nur auf die Idee?“
 

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Der Schnee lag noch immer hoch und die Temperaturen schienen nach Neujahr noch tiefer gefallen zu sein. Offenbar war Blaise deutlich kälter als Harry, er rieb seine behandschuhten Hände gegeneinander und blies warme Luft zwischen sie. „Wie lange dauert es denn noch, bis dieser Zug endlich hier ist?“ Fragte er fröstelnd und trat von einem Bein auf das andere.

„Du wolltest hier mit mir warten, ich habe dich nicht darum gebeten!“ Meinte der grünäugige Schüler, er selbst hatte seine Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben. „Wir stehen hier außerdem erst seit ein paar Minuten. Stell dich nicht so an.“ Die braunen Augen verengten sich und ein wenig wehleidig klagte der Slytherin. „Ich muss ja bitten, meine Vorfahren stammen aus deutlich wärmeren Regionen, in denen es keinen Winter gibt!“ Er trug einen dicken, gefütterten Mantel, einen grünen Schal und eine wollene Mütze. Sie war das einzige, das irgendwie nicht zu dem eleganten Auftreten passen wollte. Aber bei den nur wenige Millimeter langen Haaren war es kein Wunder, dass er ohne Kopfbedeckung lieber nicht aus dem Schloss ging. Ihr Atem gefror in der Luft und langsam wanderte sein Blick über die kalten, steinernen Gebäude am Rand des Bahnsteiges. Die Lampen erhellten den im Dunkeln liegenden Bahnhof und jemand hatte den Schnee gegen die Wände geschoben, sodass sich ein großer Wall gebildet hatte.
 

„Was macht ihr beiden denn hier?“ Erklang mit einem Mal die tiefe Stimme des Wildhüters und Harrys Gesicht erhellte sich sofort wieder. Das Licht seiner Laterne hatte er bei dem dämmrigen Schein dennoch nicht bemerkt. Diese hielt er wie immer vor sich, sie wackelte bei jedem Schritt des großen Mannes leicht von einer Seite zur anderen. „Wir warten auf den Zug.“ Meinte er grinsend und begrüßte seinen alten Freund, mit dem er die Feiertage und das Neujahresfest verbracht hatte. Zumindest wenn er nicht anderweitig beschäftigt war.

„Sag mal, was ist denn mit dem da los?“ Fragte Hagrid, als sich der Gryffindor wieder von ihm löste und deutete auf den frierenden Slytherin. Bevor dieser jedoch noch etwas sagen konnte, meinte der riesenhafte Wildhüter leise zu seinem Freund, jedoch immer noch laut genug, dass es jeder hätte hören können. „Find ich gut, dass du ihn frieren lässt. Obwohl du mir doch gesagt hast, dass er gar kein so schlimmer Slytherin ist. Hast du ihm nichts von deinem Wärmezauber erzählt?“

„Was?“ Fragte Blaise entsetzt, der mittlerweile vor Kälte nicht mehr so dunkel war. Hagrid fuhr sich mit seiner großen Hand durch den Bart, in dem einiges an abgebrochenen Ästen hing. Er trug wie immer seine Felljacke, die aus vielen, unterschiedlichen Tierfellen zusammen genäht worden war. Seine großen Stiefel reichten bis zu den Knien und um den Hals hatte er einen wollenden, braunen Schal.
 

„Vielleicht könnte ich das vergessen haben.“ Meinte Harry mit einem entschuldigenden Grinsen und musste dann laut lachen. „Es tut mir wirklich leid, aber du stellst dich so unglaublich an.“ Das Funkeln und Glitzern in den grünen Augen ließ Blaise Zorn gleich wieder verschwinden und dann zog Harry seinen Zauberstarb. „Es tut mir wirklich leid, ich versuche schon die ganze Zeit nicht zu lachen. Was glaubst du denn, warum ich sogar bei tiefem Schnee draußen trainiere?“ Fragte er noch immer belustigt und mit einem Schwung seines eleganten Zauberstarbs wurde auch dem Slytherin langsam wieder wärmer. „Sag ich doch immer wieder. Du wärest sehr erfolgreich bei uns geworden.“ Brummte er zitternd.

Kurz warf Harry einen Blick zur Seite, leise war das erste Dröhnen der Zugpfeife erklungen und Hagrid drehte sich um. „Ich kann dich heute Abend dafür ja wieder wärmen.“ Flüsterte er leise und gab ihm einen flüchtigen, neckenden Kuss. Die schlanken Augenbrauen wanderten in die Höhe, aber er bekam keine Antwort von Zabini.
 

Mit einem lauten Dröhnen und Rattern tauchte die große Lock vor ihnen auf. Nun, es war nur das Licht ihrer Scheinwerfer, welches alle drei blendete. Die Dunkelheit hatte sie schon lange eingeholt, immerhin hatten sie sich bei Einbruch der Dämmerung auf den Weg zum Bahnhof Hogsmeade gemacht. Nun war es endlich soweit und ja, Harry freut sich darüber seine Freunde wieder zu sehen. Es war seltsam, aber diese Ferien hatten ihm wirklich geholfen einige Dinge zu klären und seine Ziele deutlich ins Auge zu fassen.

Natürlich blieb die Sorge um Draco und jeden Tag suchte er im Tagespropheten etwas über den Verbleib des jungen Mannes. Bisher war er nicht erwähnt worden. Doch jetzt galt es erst einmal Hermine und Ron zu begrüßen, die Neujahr bei den Grangers verbracht hatten. Hermines Mutter hatte darauf bestanden, sie wollte endlich den Freund ihrer Tochter kennenlernen. Obwohl er sich sicher eine Predigt anhören durfte, weil er keine einzige Eule geschickt hatte.
 

Mit einem lauten Quietschen kam er Zug zum Stehen und der Dampf stieß wie eine weiße Nebelwand aus dem Schornstein der Lokomotive. Eis hatte sich auf dem glänzenden Mantel des Zuges gebildet und die Fenster waren von innen beschlagen. Mit einem Ruck gingen alle Türen wie auf ein unsichtbares Zeichen gleichzeitig auf und die Schüler kletterten über die kleinen Treppen herunter. Manche waren sogar so übermütig, dass sie einfach heraussprangen. Der Lärmpegel war augenblicklich gestiegen, alle sprachen miteinander, riefen sich noch etwas zu oder wollten, dass jemand wartete.

Mit einem breiten Grinsen musterte Harry diese Meute, die wie ein lebendes, waberndes Wesen erschien. Ja, lebend, das war eine schöne Bezeichnung. Endlich kam wieder Leben nach Hogwarts zurück und sein Herz machte einen Sprung, als er den roten Schopf sah, der aus der Tür gestreckt wurde. „Ist ja gut, Mine, ich beeile mich ja. Die werden schon nicht ohne uns fahren und außerdem sind wir doch gar nicht…“ Er sprach nicht weiter und Harry vermutete, dass ihre gemeinsame Freundin im Zug ihren Kommentar dazu gab.
 

Mit diesem unglaublichen Grinsen im Gesicht stand er dort, die Hände in den Manteltaschen und den Blick auf seine Freunde gerichtet. Nun kam auch Hermine aus dem Zug, sie trug Krummbein im Arm, den sie nicht hatte alleine lassen wollen. Dieser fauchte und knurrte, anscheinend war er wie immer bestens gelaunt.

„Ist das da nicht Harry?“ Fragte Ron mit einem Mal und deutete auf die beiden jungen Männer, die am Rande standen. „Ron, warum sollte Harry hier sein? Wir sehen uns doch gleich wieder, da muss er uns doch nicht vom Bahnhof abholen!“ Fuhr sie ihn leicht genervt an und folgte dann seinem ausgestreckten Arm. „Harry?“ Kam nun erstaunt von ihr und sie musste aufpassen, dass sie nicht von einer Schar 1. Klässler angerempelt wurde. Langsam kämpfte sie sich mit ihrem Kater im Arm zu den beiden und blickte dann noch verwirrter zu Zabini, der neben ihrem Freund stand.
 

„Vielleicht habe ich euch ja vermisst und konnte nicht bis nachher warten.“ Schlug er seiner Freundin vor und zog die Hände aus den Taschen. Er wollte sie gerade in den Arm nehmen, als jede Reaktion der brünetten Hexe ausblieb und sie nur misstrauisch den Slytherin musterte. „Was macht der den hier?“ Kam direkt von Ron, der nun endlich bei ihnen angekommen war. Eine Horde aufgedrehter Schülerinnen hatte ihn abgedrängt.

„DER verabschiedet sich jetzt ganz höflich und lässt euch in Ruhe.“ Brummte Blaise, der mit einer solchen Begrüßung gerechnet hatte. „Das mit dem Aufwärmen müssen wir dann wohl verschieben.“ Neckte er leise den schwarzhaarigen Gryffindor und mit einem kurzen Kopfnicken drehte er sich um. Erstaunt blickte Hermine ihm hinter her und sah dann wieder zu Harry. Dieser ließ nun noch immer grinsend die Arme wieder sinken und meinte schlicht. „Ich glaube, wir haben uns heute Abend viel zu erzählen.“ Dann warf er einen Blick zu Ron, dessen rote Haarpracht deutlich kürzer geworden war, anscheinend hatte Hermine ihm für den Besuch bei ihren Eltern einen neuen Haarschnitt verpasst. „Ist nicht meine Idee gewesen.“ Brummte er, als er den Blick seines besten Freundes bemerkte.
 

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Die Uhr hatte vor kurzem Mitternacht geschlagen und nach der langen Reise waren alle schon im Bett. Harry war ein wenig mulmig zu Mute, doch er wusste, dass es nun kein Herauszögern mehr gab. Er hatte viel zu lange geschwiegen und seine besten Freunde hatten ein Anrecht darauf die Wahrheit zu erfahren. Das Feuer brannte noch immer im Kamin und er saß auf einem Sessel, die Beine angezogen und ein Kissen vor seinen Bauch gedrückt. Ron saß auf dem kleinen Sofa, sie beide sahen Hermine dabei zu, wie sie einen Zauber über sie legte, damit keiner ihr Gespräch zufällig belauschen konnte. Vorsichtshalber hatten sich schon alle für die Nacht fertig umgezogen, damit sie schnell und unauffällig ins Bett huschen konnten.

Nun setzte sich Hermine auch endlich zu Ron, legte den Zauberstab neben sich auf das Sofa und blickte ihren besten Freund an. Sie hatten beim Abendessen viel über die Ferien gesprochen, beinahe ausschließlich über die von Ron und Hermine. Ginny hatte dabei ständig Harrys Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen und dem Schwarzhaarigen war ihr Interesse schon länger aufgefallen. Sie war hübsch, doch keine Frau für eine Nacht und binden wollte er sich ganz sicher noch nicht!
 

„Du und Zabini seid jetzt also Freunde?“ Begann sie und wirkte ebenso angespannt wie die beiden Männer in der Runde. Harry leckte sich über die Lippen, um sie zu befeuchten. Sein Hals kam ihm plötzlich so trocken vor. Noch ein Räuspern um etwas Zeit heraus zu schinden. „Ja, wir sind Freunde. Ich bin nicht so mit ihm befreundet, wie ich mit euch befreundet bin. Oder wie mit Neville, Dean oder den anderen.“ Er war aufgeregt und als er wusste, welchen Satz er als nächsten sagen musste, schoss ihm schon jetzt die Hitze in die Wangen. „Es gibt, denke ich, keinen schonungsvollen Weg, euch das zu erklären. Also,… die Freundschaft hat sich nicht zuerst ergeben, es… es war eher so, also, ich…“ Er räusperte sich erneut und nachdem er kurz die Lippen aufeinander gepresst hatte, strafften sich seine Schultern.

Beide sahen ihn aufmerksam an, Besorgnis und eine Art von Misstrauen stand in ihren Gesichtern. Hermine griff schweigend nach der Hand ihres Freundes und verschränkte ihre Finger haltsuchend in den seinen. „Ich schlafe mit ihm.“
 

Der Satz saß und bei aller Begriffsstutzigkeit, die man Ron vorwerfen konnte, den Inhalt dieser Aussage verstand er sofort. Er blies die Wangen auf, seine Augen wurden rund und auch ihm konnte man die Röte ansehen, die nun seine Wangen färbte. Dennoch wirkte er erstaunlich gefasst. Gefasster, als Harry erwartet hatte.

Auch Hermine reagierte anders, die zog hörbar die Luft ein, fuhr sich mit der freien Hand fahrig durch ihre offenen, braunen Locken und nickte dann, als stimmte sie einer unausgesprochenen Aussage zu. Sie hob den Blick und etwas Wissendes stand in ihren wunderschönen, leuchtenden Augen. Sie war verlegen, offensichtlich, doch auf die Antwort vorbereitet. Nun schien sie selbst den Mut zu fassen und versuchte sachlich zu bleiben. „Also ist es nur eine Art Affäre, nichts Festes?“
 

Nun war Harry der Verwirrte und nickte. Irgendwie hatte er sich das anders vorgestellt. Aber das war doch etwas Gutes oder? Er atmete kräftig ein und aus und nickte erneut. „Ich habe zwar immer das Gefühl, dass man für eine Affäre auch eine Beziehung haben muss, aber dennoch sollte das die Situation am besten Beschreiben. Es hat sich am Anfang der Ferien… ergeben und so kam es dazu, dass wir einiges an Zeit miteinander verbracht haben. Ich denke, dass wir uns jetzt während der Schulzeit nicht mehr so oft treffen werden und ich hatte nicht vor… na ja… die hübschen Damen abzuweisen, die mir offensichtliche Angebote machen.“ Sein Lächeln war von seiner Nervosität geprägt und die Hände, die sich im Stoff des Kissens vergraben hatten, wurden schweißnass.

„Also bist du bisexuell?“ Fragte Hermine nun noch immer so sachlich, wie sie konnte, während sie von Ron offenbar keine weitere Reaktion erwartete. Dieser hatte ihr das Reden überlassen und dem Spiel seiner Emotionen konnte man bei den verschiedenen Gesichtsausdrücken nur schwer folgen. Harry konnte nur vermuten, dass Hermine schon vorher eine Ahnung hegte und mit Ron darüber gesprochen hatte.
 

Unerwarteter Weise wurde es nicht einfacher für ihn, obwohl sie so ehrlich zu ihm war. Zwar spürte er eine gewisse Erleichterung in seiner Brust, dennoch fiel ihm jedes Wort schwer. So entschied er sich zu einem Nicken und senkte den Blick wieder. Sein Herz schlug wild und stark, das Blut schien leise in seinen Ohren zu rauschen. Plötzlich stellte Hermine noch eine Frage. „Du hast auch mit Malfoy geschlafen.“ Ron stieß einen Laut aus, den er nicht einzuordnen vermochte. Irgendwie entsetzt, angestrengt, vielleicht auch abstoßend. Er war sich auch nicht sicher, ob Hermines Frage wirklich eine Frage war, die Stimme hob sich nicht, ihr Ton spiegelte ebenso viele Gefühle wieder, die sich zu einem seltsamen Klang vermischten. Sie war angespannt, aufgeregt und gab sich große Mühe nicht verurteilend zu sein.

„Ihr wisst davon?“ Seine grünen Augen starrten die beiden an, sein Herz schmerze mit einem Mal in der Brust und dann erhob sich Ron mit einem Ruck. Er sah seinen Freund nicht an, stieß einen Laut aus, der wie ein unterdrücktes „Also doch.“ klang und dann fuhr er sich mit beiden Händen durch die rötlichen Haare. Hermine sah ihm nach, der junge Mann wirkte noch angespannter, ging vor dem Feuer auf und ab, sah aber nicht zu seinem Freund. „Ja… ja, ich dachte mir so etwas schon.“ Begann die Hexe und zwang sich dann dazu den Blick wieder auf Harry zu lenken.
 

„Ich meine, ich hab ja gesehen, wie es dir ging und so hab ich eins und eins zusammen gezählt. Es gibt immer noch einiges, das ich nicht verstehe. Du magst ihn offensichtlich, vermisst ihn und sein Verschwinden war wie ein Verrat für dich. Du hast dich benommen wie jemand, der schrecklichen Liebeskummer hat. Davon einmal abgesehen, dass du auf der Reise das eine oder andere geträumt hast, oder eher im Schlaf davon erzählt, dass bisherige Vermutungen stützte. Aber…“ Sie brach ab, rieb ihre Handflächen gegeneinander und schluckte dann. Nun war die Nervosität noch stärker zu erkennen. Sie verlor ihre sachliche Art und wurde dabei immer lauter.

„Du kannst ihn nicht ausstehen, ich meine, du konntest ihn nicht ausstehen. Vielleicht hast du ihn sogar gehasst, auf jeden Fall hast du ihm misstraut und du bist ihm immer hinterher geschlichen, hast dich über jede Regel hinweg gesetzt, weil du ihn verdächtigt hast, und dann auf einmal schläfst du mit ihm? Ich meine, das ist doch völlig unlogisch! Es bleibt also nur die Möglichkeit, dass er dich… na ja, dass du es nicht wolltest, aber dann wärest du ja… du würdest ihn deswegen ja nur noch mehr hassen. Also kommt das auch nicht in Frage und ich habe dich schon heimlich auf alle Liebeszauber getestet, die mir eingefallen sind. Ich habe extra noch Gegengifte gebraut, falls er einen Zaubertrank verwendet hat, auch ohne ersichtlichen Erfolg. Ich…“
 

„Hermine!“ Unterbach sie Harry mit einem Mal und die junge Frau zuckt schuldbewusst zusammen. Sie lächelte nervös und griff nach ihren vollen Locken, um sie zusammen zu nehmen. Dann zog sie den entstandenen Strang über die linke Schulter und kämmte ihn mit ihren Finger auf. „Es ist noch wesentlich komplizierter und ich übergehe jetzt einfach, dass du mich anscheinend auf lauter Liebeszauber getestet hast.“ Meinte er versöhnlich und versuchte ein Lächeln, jedoch gelang ihm das nur mäßig. Er musste noch einmal durchatmen, bevor er sich sammeln konnte. Das hier war der schwerste Teil und obgleich die beiden das mit Blaise anscheinend ganz gut aufgenommen hatten, war Ron offensichtlich nicht von der Tatsache erfreut, dass sein bester Freund etwas mit Draco Malfoy gehabt hatte.

„Ich bin ihm auch in dieser Nacht hinterher geschlichen, allerdings wusste ich nicht, dass ihm das bewusst war. Er hat mir an diesem Abend eine Falle gestellt und auf mich vor dem Raum der Wünsche gewartet.“ Krampfhaft versuchte er die Bilder zu verdrängen, die sich nun in seinen Verstand schlichen. Es war eine erniedrigende Mischung aus Erregung und eigenem Ekel, als er die Hand zwischen seinen Beinen zu spüren schien.
 

Nun fühlte sich seine Kehle absolut trocken an, ein weiteres Räuspern schien zu schmerzen. Wie sollte er anfangen? Wie weit sollte er gehen? Wenn er sich an das Gespräch mit Dracos Mutter erinnerte, war er aus verschiedenen Gründen so ehrlich gewesen. Er wollte ihr auf gewisse Weise auch weh tun, sie verletzten, indem er ihr gab, wonach sie verlangte. Der ganzen, schonungslosen Wahrheit. Aber das waren seine besten Freunde und Rons Reaktion zeigte jetzt schon, dass er nicht begeistert war.

Suchend blickte er sich nach dem Rothaarigen um und fand ihn am Fenster mit verschränkten Armen. Er starrte hinaus, ließ nicht erkennen, was in ihm vorging. „Er wusste also, dass du ihm hinterher bist.“ Half ihm Hermine angespannt weiter, der Versuch ihres Lächelns wirkte ebenso kläglich, wie das seine kurz zuvor. „Ja, er hat sich doch so komisch beim Abendessen benommen. Anscheinend hat er es geschafft, mir dabei etwas in meinen Becher zu mischen.“ Fuhr er nun fort und spürte, wie sein Herz noch schmerzhafter, noch schneller schlug. Wäre es möglich, er hätte das Brechen seiner Rippen erwartet. Wieder leckte er sich über die Lippen, um das trockene Gefühl zu verringern. „Sagt dir… sagt euch der Zaubertrank „Verbotene Triebe“ etwas?“ Fragte er nun und versuchte so wieder Zeit zu schinden.
 

Für einen Moment zog Hermine die Augenbrauen zusammen, sie drehte den Kopf zum Feuer und dachte nach. Dann setzte sie sich aufrecht, rieb die offensichtlich ebenso vor Aufregung feuchten Hände über den Stoff an ihren Oberschenkeln und nickte dann. „Du meinst den Zaubertrank „Nefastus libido“, der umgangssprachlich „verbotene Triebe“ genannt wird. Er fällt in die Kategorie der Liebestränke, obwohl er da meiner Meinung nach nichts zu suchen hat. Liebestränke beeinflussen die Gefühle, die Empfindungen, die man einem bestimmten Menschen gegenüber hat oder über Auslöser funktionieren. Der Nefastus libido Trank hingegen beeinflusst weniger den Kopf, als eher den Körper. Er löst nach ca. 3 bis 5 Stunden, je nach Stärke des Trankes, eingenommener Menge und persönlicher Voraussetzungen des „Opfers“, ein extremes Erregungsgefühl aus, welches sich nicht auf eine bestimmte Person bezieht und nichts mit Liebe im klassischen Sinne zu tun hat. Ich vermute, dass sie nur nicht gewillt waren, eine eigene Kategorie zu benennen, darum läuft er unter der der Liebestränke. Da nach Einnahme dieses Trankes die eigene Entscheidungsmöglichkeit stark eingeschränkt ist, gehört er zu den verbotenen Zaubertränken. Das Verlangen soll so groß werden, dass es nur noch um das Stillen dieses Gefühls geht, dabei soll es sich um eine besonders starke Erregung handeln. Außerdem ist er verboten, weil er zu Nachwirkungen führt. Der Beischlaf kann durch den Trank deutlich erregender sein, als bisherige Erfahrungen zeigen und so kann es zu ernüchternder Wiederholung führen. Der Betroffene sehnt sich nach einer ebenso starken Befriedigung, wie beim ersten Mal.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Wenn ich mir das vorstelle… wenn man unter Einfluss dieses Trankes Professor McGonagall oder Professor Snape begegnet wäre…“
 

„Oder Draco Malfoy!“ Erschrocken zuckte Harry zusammen, dass Ron noch etwas sagen würde, hätte er nicht erwartet. Dabei klang seine Stimme wütend, aufbrausend und als er in das Gesicht des jungen Mannes sah, konnte er den Zorn in den blauen Augen sehen. Tief atmete Harry ein und nickte dann. „Oder Draco Malfoy.“ Bestätigte er und versuchte sich keinen Gedanken über die Herkunft dieser Wut zu machen. Dennoch blieb diese leise Stimme, die ihm ohne Unterlass zuflüsterte, dass er Ron für immer verlieren würde, mit jedem einzelnen Wort würde er den Dolch tiefer in das Herz seines Freundes stoßen. Bedrückt und voller Angst ließ er den Blick sinken, biss sich auf die Unterlippe und plötzlich fehlte ihm aller Mut weiter zu sprechen.

„Was ist, Harry?“ Knurrte der Rotschopf direkt und kam näher. „Wenn es nur der Zaubertrank gewesen wäre, dann wär die Situation nicht kompliziert! Dann wäre es nur diese Nacht gewesen, dann wären es vielleicht die Nachwirkungen, von den Hermine eben sprach, aber dann wäre es nicht kompliziert und du würdest nicht mit … du… du würdest…“ Ihm fehlten die Worte und so fuchtelte er wild mit den Armen in der Luft. Unter all der Wut glaubte der schwarzhaarige Gryffindor auch Besorgnis zu hören und so hob er den Blick wieder.
 

„Ich würde nicht mit Blaise schlafen?“ Vollendete er den Satz und für einen Moment starrte ihn Ron einfach nur schweigend an. Er hatte die Arme erhoben, seine Augen funkelten und dann kam es so plötzlich. Alle Wut schien mit einem einzigen Herzschlag zu verschwinden und er ließ die Arme wieder sinken. „Harry, du bist mein bester Freund und… ich will das ganze einfach verstehen. Seit dieses Frettchen verschwunden ist, hast du dich komplett verändert und du hast nie irgendetwas über dies Nacht erzählt. Nur allein schon um diesem… diesem…“ Er schien sich nicht für das passende Schimpfwort entscheiden zu können. „… diesem Frettchen das Fell über die Ohren zu ziehen, würde ich ihn suchen!“

Irgendwie fiel ihm ein gewaltiger Stein vom Herzen und da war es wieder. Harry grinste bis über beide Ohren. „Danke Ron!“ Meinte er ehrlich und zum ersten Mal an diesem Abend fühlte er sich stark. „Komm setzt dich und ich versuch es dir, ich versuche es euch zu erklären.“ Sein Blick wanderte zu Hermine, die seine Erleichterung ebenso nachempfand. „Aber keine Details, verstanden! Ich habe jetzt schon zu viele Vorstellungen im Kopf, argh...“ Der Rotschopf schüttelte sich angewidert und setzte sich mit einem eindeutigen Gesichtsausdruck neben seine Freundin.
 

„Ok, keine Details. Kann ich absolut mit leben.“ Noch immer grinste er und das lockerte die Situation deutlich auf. „Als ich begriff, auf was das alles hinaus laufen sollte, fragte ich ihn, wie sehr er mich hasst. Seine Antwort geht mir bis heute nicht aus dem Kopf. ‚Im Gegenteil, Harry. Aber ich bin ein Malfoy, wie könnte ich es auf eine andere Weise tun? Wie würdest du dich unter mich legen, wenn du mich so verachtest, so hasst, mir so misstraust!‘ Das hat er zu mir gesagt.“

Eine Weile schwiegen sie und dann war es Ron, der begann. „War das jetzt eine Malfoysche Liebeserklärung? Ich meine, das Gegenteil von Hass ist Liebe und er wollte ja… na ja, ihr wisst schon.“ Hermine nickte langsam. Sie hatte von Harry zu Ron gesehen, als dieser zu sprechen begann. „Das klingt wirklich so. Ok, das hätte ich jetzt nicht erwartet. Ich meine, warum sollte er dich lieben?“ Als sie Rons Gesichtsausdruck bemerkte, floh ihr Blick zu ihrem besten Freund und beide sahen sie erstaunt und grinsend an. „Ach so, ich bin so unattraktiv und zickig, dass keiner sich in mich verlieben würde?“ Fragte er lachend nach und Hermine hob gleich abwehrend die Hände. „Nein, oh Harry, so meine ich das doch nicht! Jungs, macht es mir doch nicht so schwer!“ Auch der Rotschopf an ihrer Seite kicherte und schüttelte vehement den Kopf.
 


 

Die Stimmung war deutlich gelassener als zuvor und so fasste Harry die wichtigsten Dinge dieser Nacht zusammen und er zeigte ihnen den Brief, den er bisher unterschlagen hatte. Zumindest den oberen Teil davon. Ron stieß nur einen Bewunderungslaut aus und schüttelte den Kopf. „Wenn er das als „deutliche Offenbarung seiner Gefühle“ ansieht, will ich nicht wissen, was er unter einer innbrünstigen Liebeserklärung versteht!“ Kommentierte er den Brief und enthielt sich sonst jeder Bemerkung dazu.

Die Uhr schlug mittlerweile zwei Mal, sie sollten wirklich ins Bett. So verabschiedete sich Harry, er wollte den beiden noch etwas Zeit für sich lassen. Hermine wirkte nicht mehr so angespannt und auch Rons Wut war verraucht. Müde und unglaublich erleichtert schlich er sich in den Schlafsaal und schlüpfte unter die Decke. Die Brille legte er auf den kleinen Tisch neben sich und versuchte die Augen zu schließen. Gut, auf der Seite liegen war heute nicht, vielleicht auf der anderen. Nach wenigen Herzschlägen rollte er sich auf den Rücken, starrte gegen den Baldachin seines Bettes. Ok, Rücken war auch nicht gut, vielleicht doch wieder die andere Seite?
 

„Ron?“ Flüsterte er leise, als endlich die Tür geöffnet wurde und ein Schatten hinein schlich. „Du schläfst immer noch nicht?“ Fragte die vertraute Stimme und der Rotschopf kam näher. „Wie denn?“ Flüsterte er zurück und setzte sich langsam auf. Im Dunkeln konnte er kaum etwas sehen, nur ein Vorhang stand etwas offen, sodass der Mond hinein scheinen konnte. „Ich will immerhin wissen, wie es dir jetzt geht!“ Protestierte Harry und versuchte in den dunklen Schatten, die das rundliche Gesicht umgaben, etwas zu erkennen. „Na ja, was soll ich sagen. Ich habe das Gefühl, ein stückweit meinen besten Freund verloren zu haben. Klar, Mine hat mir erklärt, wieso und warum das jetzt alles so sein kann. Ich meine, vor zwei Jahren hast du noch Cho nachgesehen und jetzt… ach egal…“

Das saß! Ron empfand ihn nicht mehr als seinen besten Freund? Wahrscheinlich hatte Ron sein Schlucken gehört, denn er setzte wieder an. „Hey, wehe, du machst dir darüber jetzt einen Kopf! Das ist jawohl mein Problem oder? Ich bin einfach jemand, der nicht gut mit Veränderungen zurechtkommt und davon habe ich mehr, als ich zählen kann. Weißt du, was ich heute gesehen habe?“ Jetzt würde er gerne das Leuchten in den blauen Augen sehen und das breite Grinsen, welches Ron sicher von einem bis zum anderen Ohr ging und in seiner Stimme mitschwang. „Ich habe meinen besten Freund grinsen gesehen, es ging ihm gut und er war sogar so verrückt, dass er die halbe Stunde nicht warten konnte, um uns wieder zu sehen und darum extra bis zum Bahnhof gelatscht ist. Weißt du, wie gut das tat?“
 

Er konnte in der Dunkelheit nur den Kopf schüttel, seine Kehle war wie zugeschnürt. „Ich will mir einfach keine Sorgen mehr um dich machen und ich will, dass es dir gut geht. Was auch immer du für dieses Frettchen empfindest, was auch immer du für… Zabini empfindest, wenn es dir damit gut geht, dann komm ich damit schon irgendwie zurecht. Außerdem brauche ich dich als besten Freund noch! Ich habe da nämlich noch etwas vor, aber dass darfst du Mine auf keinen Fall verraten! Verstanden? Sonst sind wir wirklich keine Freunde mehr!“ Angespannt beugte sich Harry vor, auch Ron kam ihm entgegen und senkte seine Stimme noch weiter. „Ich liebe sie! Ich liebe sie so unglaublich und ich will nie wieder eine andere Frau an meiner Seite haben. Darum… na ja, ich bin am überlegen, ob ich ihr… ob ich sie beim Abschlussball frage, ob sie… ob sie mich heiraten will!“
 

Damit hatte Harry nicht gerechnet und im nächsten Moment griff er nach seinem Zauberstarb und flüsterte. „Lumos.“ Er blickte in das grinsende, vor Aufregung angespannte Gesicht. Ron hatte die Augen zusammengekniffen, als es so hell wurde. „Danke auch…“ Brummte er noch immer freudig. „Du willst ihr einen Antrag machen?“

„Leise! Ja, … nein… ich weiß nicht. Ich liebe sie und gleichzeitig denke ich, dass wir noch so jung sind. Ich will ihr auf keinen Fall einen vor den Prüfungen machen und wenn ich darüber nachdenke, dann komme ich mir unglaublich dumm vor. Wenn ich das auf dem Abschlussball mache, was auch noch ein ganzes, halbes Jahr hin ist, und sie nein sagt… oder schlimmer, sie sagt nur ja, weil sie mich nicht bloßstellen will! Darum brauche ich dich! Wie soll ich das denn planen und es vor ihr verheimlichen?“ Fragte er und ahnte schon, dass er keine vernünftige Antwort bekam. Harry grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Sag ihr ja nichts! Außerdem will ich vor den Prüfungen gar nicht mehr darüber nachdenken! Wenn ich die bestanden habe, dann, aber erst dann plane ich überhaupt etwas!“

„Komm her! Du bist der Beste! Natürlich helfe ich dir und wenn ich mich zur Ablenkung bis auf die Knochen blamieren muss!“ Da war kein Zögern, Ron breitete seine Arme einfach aus, als sein bester Freund ihn umarmen wollte. „Danke! Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Ich hoffe, du weißt, auf was du dich einlässt. Ich werde die Rede sicher tausend Mal üben müssen und du wirst es dir tausend Mal anhören müssen!“ Drohte er lachend und jemand regte sich in einem der anderen Betten. „Was auch immer ihr zu besprechen habt, macht es morgen!“ Brummte Dean und drehte sich um. „Schlaft wieder!“ Kam noch unter der Decke hervor und beide lachten.

Lass dich nicht bloßstellen!

6. Kapitel

Lass dich nicht bloßstellen!
 

Der nächste Morgen war hart, zumindest für Ron. Sein bester Freund war schon wach, auch wenn Harry heute nicht trainierte. Sein Körper ließ ihn die wenigen Stunden Schlaf spüren, sein Geist hingegen sprühte vor Lebensfreue und Euphorie. „Oh Merlin, was ist denn in der letzten Nacht passiert?“ Fragte Neville, der sich aus dem Bett kämpfte. Er wirkte erschöpft und seine schwarzen Haare standen wild zur rechten Seite ab. Müde griff er mit der linken Hand nach seiner rechten Schulter und massierte diese. Er hatte den Angriff der Schlange überlebt und die Wunden waren soweit verheilt, doch seinen rechter Arm würde in seiner Bewegung wahrscheinlich immer eingeschränkt bleiben. Er konnte ihn nur noch bis knapp unter die Schulter heben. Morgens schmerzte diese oft, wenn er in der Nacht zu lange auf der rechten Seite gelegen hatte. Auch seine Lunge hatte es erwischt und bei zu großer Anstrengung spürte er, wie ihm regelrecht die Luft ausging. Hässliche Narben zierten nun seine Brust und erinnerten ihn jeden Tag wieder an das Geschehene. Er musterte Harry, der sie alle geweckt hatte und sah dann zu Dean, der ebenso verwundert dreinblickte. „Keine Ahnung, ich hätte auch noch länger schlafen können.“ Kommentierte er die Situation, vermutlich erinnerte er sich nicht einmal daran, dass er selbst in der Nacht geweckt worden war.
 

„Ich hab gute Laune. Ist das schlimm?“ Fragte Harry grinsend und Ron schlug die Decke zurück. „Ja, wenn ich darüber nachdenke, dass ich noch eine halbe Stunde hätte schlafen können.“ Knurrte der Rotschopf nun und rieb sich fahrig über die Augen. Er musste ausgiebig gähnen und dann schüttelte er den Kopf. Konnte er vielleicht noch einmal einschlafen? „Denk einfach an das wirklich leckere Essen, das unten auf dich wartet und eine positiv erstaunte Hermine, wenn du so früh wach bist!“ Schlug Harry seinem Freund vor und Neville lachte. Auch er hatte Hunger und so ließ er die Beine aus dem Bett baumeln. Harrys Idee gefiel ihm und doch wollte er Ron ein wenig helfen, denn auch er hätte problemlos etwas länger schlafen können. „Dann denkst du auch an die ersten beiden Stunden heute Morgen? Zaubertränke mit den Slytherins bei Professor Snape?“

Nun stöhnte Seamus laut auf und schlug dann gereizt seine Bettdecke zurück, um schwunghaft aufzustehen. „Jetzt ist mein Morgen verdorben, danke dir, Neville!“ Beschwerte er sich und stand ein wenig steif auf. Müde streckte sich der Ire und fuhr sich dann über die kurzen Stoppelhaare. Mit einem leicht provozierenden Blick sah er zu dem Schwarzhaarigen und meinte direkt. „Na, Angst vor der Abschlussprüfung bei Snape? Immerhin ist das dein mit Abstand schlechtestes Fach!“
 

Die grünen Augen verengten sich und Harry zog gerade seinen wollenden Pullover zu Recht, als er Seamus stichelnde Worte hörte. Anscheinend war eine gewisse Rivalität seit einigen Monaten zwischen den beiden Gryffindors ausgebrochen. „Nein, Angst habe ich ganz sicher nicht. Du etwa?“ Der irische Schüler verschränkte die Arme vor der Brust und grinste frech. „Wieso sollte ich, immerhin bin ich besser im Brauen von Zaubertränken als du.“

Der schwarzhaarige Draufgänger wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als er einem Kissen ausweichen musste. Ron ging ihr Hahnenkampf anscheinend ganz gewaltig auf die Nerven, dazu war er bei weitem noch nicht wach genug. Dean sah das genauso. Sein Kissen hatte das Ziel allerdings nicht verfehlt und sein bester Freund Seamus wankte, konnte sich vor dem Fall gerade noch an seinem Bett festhalten. Bevor Harry nun zu seinem provozierenden Grinsen noch einen Kommentar in Richtung des Iren geben konnte, meldete sich Ron wieder zu Wort. „Ok, bleiben wir beim Frühstück! Ich will nichts anderes hören als Geschichten über gebratenen Speck, Rührei, warmes, frisch gebackenes Brot und Gläser voll mit Honig, Marmelade und Sirup…“ Rief der Rotschopf laut und ließ sich eher aus dem Bett fallen, als ordentlich aufzustehen.
 

Zuerst begann Neville zu lachen, dann stimmten auch die anderen drei ein. Ron war der letzte, der ihnen ein breites, sehr breites Grinsen schenkte. „Ihr könnt natürlich auch vom Mittagessen sprechen. Aber wehe jemand lässt sich über Gemüse aus!“ Drohend erhob der Rothaarige den Zeigefinger, die linke Hand hatte er in die Hüfte gestemmt und funkelte sie alle nacheinander an. Da die roten, nicht mehr so langen Haare in alle Himmelsrichtungen abstanden, wurde das Gelächter nur noch größer. „Dann bin ich für Marmeladen. Erdbeermarmelade, Kirschmarmelade, Heidelbeermarmelade.“ Schlug Harry vor und Neville unterstützte ihn. „Brombeermarmelade. Pfirsichmarmelade.“
 


 

Ihr Lachen drang bis in den Gemeinschaftraum vor und erstaunt wartete Hermine unten auf sie. Ihre Schultasche stand schon fertig gepackt auf dem Sofa neben ihr und sie hatte die wilden Locken zu einem einfachen Zopf zusammen genommen. Alle fünf jungen Männer kamen zusammen aus dem Schlafsaal und Dean schüttelte den Kopf. „Nein, aus Pilzen kannst du Soßen machen, du kannst sie in Suppen oder zum Würzen verwenden, ja, sie fallen sogar in die Böse G-Kategorie, aber doch keine Marmelade!“ Meinte er bestimmt und Neville grinste breit, während er nach dem Treppengeländer griff. „Ja, aber du kannst sie mit Trüffeln zu leckerem Brot verarbeiten.“ Meinte er überzeugt und Ron schlug ihm auf die linke Schulter. „Brot ist keine Marmelade!“ Gab er klar an und Seamus seufzte. „Ich denke nicht, dass wir noch irgendeine Beere finden, die man zu Marmelade verarbeiten kann. Wir haben jetzt sicher über 20 Sorten zusammen gefunden, selbst Stachelbeerenmarmelade haben wir schon aufgezählt!“
 

Parvati strich ihren geflochtenen, schwarzen Zopf über die Schulter und blickte verwundert zu Hermine. Ihr schwarzer Umhang war offen und so konnte man Parvatis farbenkräftige Kleidung darunter bewundern. Die indisch stämmige Hexe trat neben die ebenso irritierte Hermine und fragte direkt. „Sollen wir uns mehr Sorgen darüber machen, dass sie alle so früh wach sind, dass sie alle gemeinsam herunter kommen oder darüber, dass sie Pilze zu Marmelade verarbeiten wollen?“ Die braunen Augen sahen zu ihrer dunkelhäutigen Mitschülerin und Hermine zuckte mit den Schultern. „Die gesamte Kombination lässt mich erschaudern!“ Gab sie offen zu und blickte dann zu ihrem Freund, der anscheinend ausschlaggebend für diese Diskussion war.

„Sanddorn, Physalis oder Gojibeeren!“ Meinte Parvati unerwartet und provozierend, während sie die Arme vor der Brust verschränkte. Die fünf jungen Männer blieben stehen und sahen sie alle erstaunt an. Kurz hielten sie inne und dann fragten sie wie aus einem Mund. „Was sind Gojibeeren?“
 


 

Es war ein seltsamer Anblick, als die bunt gemischte Gruppe die große Halle betrat. Hermine hatte mit einem Zauber eine Liste angefertigt auf der alle bisherigen Marmeladensorten, keine Kombinationen, aufgeführt waren. Auf dem Weg zum Frühstück hatte sich Padma zu ihrer Zwillingsschwester gesellt und die Almabeere vorgeschlagen, die in den trockenen Regionen Indiens wuchs. Sie wurde von ihrer Freundin Mandy Brocklehurst begleitet, die ebenso aus dem Hause Ravenclaw stammte. Grinsend erklärte die junge Frau, dass ihre Mutter gerne aus Ingwer Marmelade machte und Lisa Turpin meinte, dass es auch Menschen gab, die aus Kastanien Marmelade machten. Allerdings hatte sie nicht probiert, ob das auch essbar war.

Auch aus dem Hause Hufflepuff hatten sich drei jüngere Schüler angeschlossen. Einer von ihnen war Bill, der von seiner 5 Jahre älteren Schwester begleitet wurde. Sie war eine dunkelblonde, schlanke17 Jährigen, die von ihrem Rezept mit Honig und Roter Beete vorschwärmte. „Wie sieht es mit Quitten aus? Eine Mischung aus Birne und Apfel, hattet ihr die schon?“ Fragte Thomas, der zweite der drei jungen Hufflepuff Schüler, und ein freudiger Ausruf ging durch die Gruppe. „Klar, wie konnten wir Quitten vergessen? Meine Großmutter jammert ihrem verlorenen Quittenbaum seit Jahren hinterher.“ Lachte Neville und Hermine nahm auch diese mit auf.
 

„Solange ihr keine Tollkirschenmarmelade kochen wollt.“ Kam plötzlich von jemandem, der aus Richtung der Kerker auf den großen Saal zusteuerte. „Nein, Zabini, es werden nur ernsthafte Vorschläge akzeptiert.“ Stieß Seamus hervor und dann kam die Antwort unerwartet.

„Hagebuttenmarmelade!“ Meinte der dunkelhäutige Slytherin gelassen. Ron verengte die Augen, er wusste ja nun, wie dieser Kerl zu seinem besten Freund stand. Etwas in ihm schien zu überlegen, ob er den Kerl gleich anspringen und erwürgen sollte, doch das würde Harry ihm sicher übel nehmen, „Noch weitere Vorschläge?“ Knurrte er so nur misstrauisch und Blaise Blick wanderte kurz zu dem schwarzhaarigen Gryffindor daneben. Schnell verstand er, dass das angekündigte Gespräch gestern wohl auch stattgefunden hatte. Zwar gab sich Harry größte Mühe einen neutralen Gesichtsausdruck zur Schau zu tragen, doch die Anspannung konnte er nicht verbergen. „Papaya. Daraus kann man auch gute Marmelade machen.“ Bot er nun an und versuchte sich an einem unschuldigen Lächeln.

Harry hingegen spürte den Schmerz in seiner Brust, so stark schlug sein Herz von jetzt auf gleich. Er musste schlucken und sah zu seinem besten Freund. Innerlich schrie ihn eine Stimme an, dass an jeder seiner Gesten, an dem überlauten Schlucken das Verhältnis zu Zabini für jeden Mitschüler abzulesen war. Krampfhaft verdrängte er diesen Gedanken, es kam jetzt nur auf Ron an. Ihre beste Freundin hatte die Tatsache mit seiner ungewöhnlichen Neigung immerhin deutlich besser aufgenommen. Ron wirkte noch immer argwöhnisch und da er dieses seltsame Spiel begonnen hatte, warteten anscheinend alle auf seine Entscheidung. „Auf Papaya wäre ich mein Leben nicht gekommen.“ Meinte Dean nachdenklich brummend und die indischen Zwillingsschwestern kicherten neben ihm. „Schmeckt aber wirklich gut.“ Bestätigte Padma lächelnd und jemand fragte nach einem Rezept dafür.
 

„Gut, du kannst mitmachen.“ Knurrte Ron noch immer skeptisch und füge noch hinzu. „Aber behalt deine Tollkrischen für dich.“ Für einen Moment wurden seine Knie so weich, dass Harry beinahe gestürzt wäre. Irgendwie hatte er schon damit gerechnet, dass sich sein Freund auf Blaise stürzen würde. Vor Erleichterung und dem Gefühl von einer gewaltigen Last befreit zu sein, begann er leicht zu wanken und die schlanke 17 Jährige Hufflepuff Schülerin hielt ihn fest. „Alles ok bei dir, Harry?“ Fragte sie und ihre blaugrauen Augen leuchteten ihn an. Deutlich spürte er die Wärme ihrer Hände, die selbst durch den Stoff der Robe zu brennen schienen. „Klar, kein Ding, nur etwas Hunger, wir haben zu viel über Marmelade gesprochen.“ Meinte er lächelnd und konnte sich einen Moment nicht von ihrem Blick lösen. Seine Gedanken hielten inne, das Grau überlagerte die weichen, blauen Akzente und für einen Moment waren diese gänzlich verschwunden. Blonde Haare und graue Augen…

„Rahbarber.“ Schlug Bill vor und griff nach dem Arm seiner Schwester. „Du machst doch auch aus Rahbarber und Kiwi Marmelade.“ Rief er aufgeregt und eine Diskussion brach aus, ob man auch nur Rahbarbermarmelade kochen konnte, denn Kombinationen sollten ja ausgelassen werden.
 

Irgendwie schafften es diese gewaltige Gruppe einen großen Teil des Gryffindortisches einzunehmen. Bis auf das Haus Slytherin verteilten sich die Schüler nach dem großen Kampf auf die unterschiedlichen Tische und mischten sich, wie es ihnen gerade gefiel. Dieses irrwitzige Spiel schien aus einem nicht verständlichen Grund unglaublich Spaß zu bereiten und während sich alle einen Platz suchten, wurde weiter diskutiert. Dass nun auch Blaise aufgeregt war, sein Herz bis zum Halse schlug, ließ er sich in keiner Weise anmerken. Natürlich wurde er von den anderen offensichtlich seltsam angesehen, immerhin war er der erste seines Hauses, der nicht bei den Slytherins saß. Doch viel mehr interessierte ihn, wie Hermine und Ron zu seiner Anwesenheit standen, die über sein kleines Geheimnis wahrscheinlich Bescheid wussten. Es war nicht einfach für ihn, denn bisher kannte kaum jemand seine Vorliebe für das gleiche Geschlecht und er wollte sich nicht ausmalen, was bei einem Verrat dieses Geheimnisses geschehen würde.

„Melone! Zabini, du hast mich auf eine Idee gebracht. Haben wir schon Melonenmarmelade?“ Rief Mandy, Padmas Freundin aus dem Hause Hufflepuff. Hermine hatte die Feder mit einem Zauber belegt, damit sie nicht alles selbst schreiben musste. „Nein, aber nehmen wir nur Melonen oder zählen wir das nach Sorten auf? Ich habe noch nie Marmelade aus Melonen gegessen.“ Es war eine aberwitzige Situation und Blaise versuchte nur unauffällig zu Harry zu sehen, der sich nun sein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte. Ob es nur an dem Spiel lag, welches nicht einmal einen Preis besaß oder ob diese Situation aus dem unglaublich tiefverwurzelten Wunsch der Grenzenlosigkeit zwischen den Häusern entsprang, war unmöglich zu bestimmen. Es war wie ein starkes Gefühl, bei dem es nicht allein um das Erraten von Marmeladensorten ging und sie alle nach und nach ergriff.
 

Jemand rief von weiter fort, ob sie schon Orangen und Clementinen hatten, aus denen man auch gut Marmelade machen konnte. In diesem bunten Treiben vergaß Harry seine Sorgen, seine Ängste und seine Zweifel. Ron hatte gestern eine Frage in ihm aufgeworfen, die er krampfhaft verdrängte. Was empfand er eigentlich für Draco? Das er Angst vor diesem einen Wort hatte, wurde ihm nicht bewusst. Sollte die Antwort „Liebe“ heißen, was musste dann folglich daraus resultieren? Welche Konsequenzen hatte es für ihn? So gab er sich lieber dem Moment hin, frei von den Zwängen jeder Beziehung und der Frage, ob man sich in einer Nacht verlieben konnte.

„Was macht ihr denn hier? Und was macht DER hier?“ Fragte Ginny, die sich zwischen Ron und Harry quetschte, um sich zu setzten. Sie hatte ihre roten Haare zu einem lockeren Zopf zusammengebunden und blickte misstrauisch zu dem einzigen Slytherin am Tisch. Der schwarzhaarige junge Mann, seines Zeichens von ihr auserkorene Beute ihrer Begierde, schenkte ihr ein Lächeln und meinte mit einem Achselzucken. „Der da sitzt hier, weil er schon zwei neue Marmeladensorten gefunden hat und wir versuchen alle zusammen zu bekommen, die es auf der Welt gibt.“
 


 

Dass aus diesem unbedarften Spiel etwas Neues wurde, hatte keiner erwartet. Es war nicht nur die Frage, wo sie die Liste aufbewahren sollten, die schließlich zu der Idee führte. Sie alle hatten gemütliche Gemeinschaftsräume, in denen sie sich in ihren Häusern entspannend den sorglosen Gesprächen, Spielen und auch dem Lernen hingeben konnten. Doch schon nach kurzer Zeit wurde deutlich, dass die Große Halle diese Anforderungen Hausübergreifend nicht erfüllen konnte. Zum Lernen war sie geeignet, aber um den Abend gemütlich mit Freunden bei einer Diskussion über Quidditch, Zauberschach und die anstehenden UTZ‘ zu verbringen, reichte sie nicht aus.

So wurde ein neuer Raum geschaffen, ein Ort, an dem die Freizeit und die Gemeinschaft im Vordergrund stand. Es ging um Gemütlichkeit, um lange Abende und die Möglichkeit, dass ein Miteinander gestärkt wurde. All das hatte niemand vorausgesehen, als Ron an diesem Morgen das Kissen nach seinem besten Freund warf.
 

Sie hatten den großen Raum gemütlich eingerichtet, es gab viele kleine Sitzgruppen, die zu gemütlichen Stunden einluden, einen langen Tisch, an dem gemeinsam gelernt oder gespielt werden konnte. Vor dem Kamin waren etliche Sessel und drei längere Sofas aufgestellt, dass selbst eine größere Gruppe zusammen sitzen konnte.

Eine große Tafel hing dort an der Wand, die alle bisherigen Marmeladensorten aufführte und darum herum war alles mit weißen Zettel gepflastert. Irgendwann kam jemand auf die Idee, dass die Rezepte als Beweis fehlen würden und nun wurde der Platz immer knapper. Der Raum besaß auf der einen Seite lange, hohe Fenster die einen Blick hinaus auf den See ermöglichten. Auf den Fensterbänken lagen Kissen und Decken, Pflanzen standen in kleinen Nischen oder hingen in Töpfen von der Decke. Die verbleibenden Wände waren mit den Hausfahnen geschmückt und selbst das Grün der Slytherins war vertreten.
 

Ein kleiner Kern der großen Gruppe war geblieben. Neben Ron, Harry und Hermine kamen von den Gryffindors noch Ginny, Neville und Luna dazu, bei den Hufflepuff schloss sich die dunkelblonde Maria, mit den beiden Zwillingsbrüdern Moor der Gruppe an. Die beiden Schwestern Parvati und Padma ärgerten die zwei mit größter Vorliebe und Lisa Turpin hatte anscheinend ein Auge auf den einzigen Slytherin geworfen, der sich in der Runde befand. Auch Mandy leistete ihnen hin und wieder Gesellschaft und erfreute sie mit kleinen Zaubertricks.

Zusammen lernten sie, lachten und manchmal saßen sie abends Stundenlang zusammen und genossen einfach nur die Zeit. Es war für Ron nicht einfach, dass Blaise ein Teil dieser Gruppe wurde und erst nach Wochen konnte er seinen Groll langsam begraben. Er fand es nicht gut, dass sein bester Freund anscheinend noch immer sehr freizügig lebte und so wollte er lieber nicht wissen, ob er mit der blonden Rahbarber-Maria auch etwas angefangen hatte.
 

Die Wochen verstrichen und der Schnee taute. Harry war noch immer nicht bereit sich dieser einen Frage zu stellen, auch wenn er nach und nach wieder gelassener wurde, mehr von den liebenswerten Verhaltensweisen zeigte, die er vor der Eröffnung seines bevorstehenden Todes besaß. Noch immer stand er morgens vor den anderen auf, auch wenn er nun nicht mehr alleine war. Jetzt bestand sein Training zuerst darin, Ron aus dem Bett zu schmeißen und dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Hermine verstand immer noch nicht, wie ihr Freund das noch vor dem Frühstück schaffte, aber sie bewunderte ihn stolz dafür. Natzürlich verschwiegen die beiden, dass Ron einen kleinen, geheimen Essensvorrat hatte, den er allmorgendlich nutze.

Ein ums andere Mal tat der Rotschopf bei ihren morgendlichen Läufen seinen Unmut darüber kund, dass auch drei Mitschülerinnen und ein … und Blaise zu viel „Abwechslung“ wären! Ganz gleich, ob nun alle wussten, dass es nichts Festes war und nur ein Spiel aus leidenschaftlicher Lust.
 

Misstrauisch musterte er dann immer das breite Grinsen seines Freundes, dem es anscheinend mit seinem Arrangement sehr gut ging. Sie hatten nicht wieder über diese eine Nacht gesprochen, nicht noch einmal über Draco und doch bemerkten Hermine und Ron wie Harry jeden Morgen nach dem Essen und vor dem Unterricht den Tagespropheten genau las. Dass er etwas Bestimmte suchte oder besser, dass er froh darüber war, etwas Bestimmtes nicht gefunden zu haben, war offensichtlich für sie.

Nachmittags lernten sie, wobei Hermine die langsam wieder auftretende Schludrigkeit ihrer beiden Freunde streng überwachte. Anscheinend war Harrys Vorhaben, „überragend“ und nicht nur „gut“ zu sein, langsam in den Hintergrund getreten und besonders das Fach Zaubertränke schien ihn zu quälen. Dafür zog er sich jeden zweiten oder dritten Abend zurück, ging seinem alten Training nach und stieß dann oft später zu der kleinen Gruppe hinzu, die es sich im großen Gemeinschaftsraum gemütlich gemacht hatte.
 


 

An diesem Abend war er von einer seltsamen Stimmung ergriffen. Wie eine böse Vorahnung schwang ein Gefühl in seinem Herzen mit, welches ihn schon den ganzen Tag bewegte. Blaise hatte ihm einen Rat gegeben, an den er sich heimlich jeden Morgen klammerte, wenn er die letzte Seite der Zeitung schloss. Wenn Bellatrix Draco wirklich erwischt hatte, dann wüssten sie es alle. Wahrscheinlich würde sie seinen Kopf als Rache vor dem Eingangstor aufspießen. Dennoch… heute Abend konnte ihm dieser Gedanke keine Ruhe schenken. Selbst die Aussage, dass Draco gerissen genug war, um an all diese Informationen zu kommen und er so sicher gut auf sich selbst aufpassen konnte, erschien ihm absurd. Draco… er hatte ihn so lange aus seinen Gedanken verbannen können, nur allmorgendlich hatte er es zu gelassen, aber nun war er da, mit einer gewaltigen Macht. Schuld mischte sich in dieses Gefühl, plötzlich kamen ihm all die intimen Momente wie ein Betrug vor.

Wütend straffte er die Schultern und schüttelte den Kopf. Was brachte es ihm schon? Draco war nicht zu finden, er konnte hier nicht weg und außerdem wusste er ja noch nicht einmal, was der blonde Slytherin für ihn empfand… geschweige denn, was er für ihn! Er sollte sich beeilen, er war heute schon spät dran. Die anderen wollten noch einmal einiges für die Abschlussprüfungen durchgehen, die in einer Woche begannen. Noch eine Woche und dann begann die letzte, alles entscheidende Phase ihres Schullebens.
 

Seine schwarzen Haare waren noch feucht vom Duschen und er trug nur ein weißes T-Shirt. Der Sommer war angebrochen und die Temperaturen wurden immer wärmer. Die Sonne erhellte die hohen Türme des Schlosses und würde erst in zwei, drei Stunden untergehen. Erschöpft ließ er die Schultern kreisen, sie schmerzten etwas. Der breite Flur war leer, allerdings konnte er die anderen Schüler schon hören. Je näher die Prüfungen für die UTZ rückten, desto voller wurde der Raum. Beinahe der gesamte 7. Jahrgang hatte sich hier versammelt und auch viele aus dem 6ten, ebenso einige aus dem 5. Schuljahr.

Erstaunt blickte er in den großen Raum, dessen viele Sitzgruppen nun alle genutzt wurden. Sein Blick schweifte über die unzähligen Gruppen, die sich immer wieder neu mischen würden. Sie bestanden aus allen Häusern und zum ersten Mal schienen sie sich gegenseitig zu unterstützen. Nachmittags tummelten sich immer häufiger auch Slytherins hier, jedoch nur aus den unteren Klassen. Er hatte Blaise in Verdacht, der wohl immer wieder aufmunternde Worte an die Kleinen richtete, damit sie endlich den ersten Schritt gingen. Seit er nicht mehr verbissen alle Frauen kritisierte und sich herablassend über alles äußerte, hatte man den dunkelhäutigen Schüler für einige seiner Fähigkeiten zu schätzen gelernt.
 

Seine Freunde saßen wie immer hinten in der Ecke, ihr fester Stammplatz. Sie waren in ein Gespräch vertieft, anscheinend konnten sie sich über etwas nicht einigen, Bücher waren überall verteilt, ihre Unterrichtsnotizen waren auch zu erkennen. Anscheinend ging es um ein Problem in Zauberkunst. Er selbst hatte am meisten Sorge vor seiner Prüfung in Zaubertränke, die er für seine angestrebte Ausbildung als Auror brauchte. „Um was geht es?“ Fragte er nach einer Weile, die er neben der Gruppe gestanden hatte und dem Gespräch zu folgen versuchte. Erstaunt blickten sie zu ihm auf und schienen ihn erst jetzt zu bemerken. „N’Abend Harry.“ Kam von den vier Zwillingen wie aus einem Mund und nach einer kurzen Pause brach ein unterdrücktes Lachen aus.

„Es geht um einen Verwandlungszauber.“ Begann Hermine nun und erklärte, wo das Problem lag. Müde und irgendwie schwer im Kopf setzte er sich zu ihnen und nickte. Dass er in seinen Notizen nichts finden würde, war ihm gleich klar. Parvati und Padma saßen auf zwei Sesseln dicht nebeneinander, die beiden Brüder hatten es sich auf Kissen davor bequem gemacht. Ron und Hermine teilten sich ein Sofa und Maria saß auf einem Kissen neben dem Sessel, den sich Blaise geangelt hatte. Mandy schien heute nicht in der der Runde zu sein und Ginny hockte auf der Lehne des Sofas, die Füße neben ihrem Bruder auf der Sitzfläche abgestellt.
 

Seine Gedanken flohen wieder zu dem blonden Slytherin, der ihn heute nicht in Ruhe lassen wollte. Rons Frage kehrte zurück in seinen Verstand und leise knirschte er mit den Zähnen. Ja, da waren noch immer so viele Fragen, die er Draco stellen wollte und die Sehnsucht nach dieser Ehrlichkeit begann wieder zaghaft in seinem Herzen zu brennen. Vielleicht bildete er sich ja auch einfach nur etwas ein? Was war denn bitte geschehen, dass er sich immer wieder Gedanken über diese Nacht machte?

Vielleicht war es weniger das, was Draco zu ihm gesagt hatte, sondern eher die Art und Weise. Sie hatten sich über Dinge unterhalten, über die Harry bisher mit keinem gesprochen hatte und auch im Nachhinein blieb das Gefühl, dass er ihn hätte alles fragen können. Was war so faszinierend an diesem jungen Mann, dass er ihn nicht aus seinen Gedanken bekam? Was sollte er sagen, wenn er ihn wieder sah? Sollte er ihn fragen, was genau er mit diesen Worten gemeint hatte, was er genau für ihn empfand? ‚Wie lange hast du dir darüber nun schon den Kopf zerbrochen? Immer noch so begriffsstutzig wie früher?‘ Hörte er die weiche, melodische Stimme in seinen Ohren, die dennoch höhnisch klang.
 

Irritiert bemerkte er die Blicke, die nun auf ihn gerichtet waren. Langsam musterte er die einzelnen Gesichter, bis ihm schlagartig klar wurde, dass Hermine von ihm eine Antwort erwartete. „Oh… ähm…“ Begann er und die Hitze schoss ihm in die Wangen. „Ich soll dazu jetzt etwas sagen oder?“ Fragte er nach und versuchte sich an einem Lächeln, welches wahrscheinlich kläglich versagte.

Die rothaarige Ginny griff nach dem Kissen neben ihren Füßen, mit einer schnellen Handbewegung riss sie es in die Luft und schlug zu. Sie hatte nicht allzu viel Kraft genutzt und zog die gefederte Waffe über Harrys Hinterkopf. „Ahhh… es tut mir ja leid!“ Rief er und versuchte dem Kissen noch auszuweichen, als er es zu spüren bekam. Schützend hob er die Hände und hielt sie abwehrend vor seinen Hinterkopf, doch ein zweiter Angriff folgte nicht. „Es tut mir ja wirklich leid!“ Rief er und wartete noch einen Moment, bevor er die Hände wieder sinken ließ.
 

„Was hast du angestellt?“ Erklang die ruhige, wenn auch leicht belustigte Stimme von Neville, der nun mit einer freudig lächelnden Luna zu ihnen kam. Sie hatte ihre blonden Haare zu einem Zopf geflochten, der auf der linken Seite über ihre Schulter hing. Sie trug ein kurzes, hellrotes Kleid und eine dunkelgrüne, seidene Strumpfhose. Alles war wie immer mit kleinen Rüschen und Anhängern versehen. „Erst will er wissen, über was wir uns hier unterhalten und während Hermine es ihm erklärt, scheint er mit seinem Kopf irgendwo anders zu sein.“ Meinte Parvati und Maria grinste breit. „Wer weiß, vielleicht stellt er sich ja schon in Gedanken vor, wie er seine Abschlussprüfung als Auror besteht.“ Schlug die Blonde vor und Harry spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.

Nun rutschte Ginny von ihrem Platz herunter, damit das Paar sich neben Ron und Hermine setzten konnte. Sie machte es sich neben Harry bequem und der Schwarzhaarige ahnte, dass er ihr langsam mal klar machen sollte, dass er ganz offensichtlich nicht so wie sie dachte. Er mochte sie und noch immer war er der Meinung, dass sie langsam immer attraktiver wurde. Allerdings war er froh darüber, dass Ron wegen Blaise die Füße still hielt und wenn er nun etwas mit seiner kleinen Schwester anfing… Obwohl er sich nicht sicher war, wessen Rache er mehr fürchten sollte, die seines besten Freundes oder die Ginnys!

All diese Gedanken brachten ihn wieder zu diesem unausweichlichen Punkt, um den sich heute seine ganzen Überlegungen drehten. Er wusste, dass es eine Schwärmerei mit Cho war, vielleicht auch etwas mehr, ein wenig Liebe. Ginny war jemand, denn man lieben musste, wenn man sich auf sie einließ. Aber war er in seinem Leben schon einmal wirklich verliebt gewesen?
 

Wieder bemerkte er, dass die Gespräche weiter gingen und er nichts davon verstanden hatte. Heute wichen seine Gedanken ab, drifteten zu all den Problemen, um die er sich sonst zu drücken versuchte. „Na, etwas müde?“ Fragte Ginny und stieß ihm sanft in die Seite. „Du scheinst heute mit deinen Gedanken wirklich abwesend zu sein.“ Sie hatte sich zu ihm vorgebeugt und er konnte das Leuchten ihrer braunen Augen erkennen. Sie hatte schöne Augen.

„Ja, ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich etwas müde. Heute ist nicht so ganz mein Tag, glaube ich. Man, ich kann es noch immer nicht fassen, dass sich Snape dazu bereit erklärt hat, mit uns noch einmal die wichtigsten Zaubertränke zu wiederholen.“ Lenkte er nun vom Thema ab und die Rothaarige nickte grinsend. „Oh ja, ich wüsste immer noch gerne, warum er das macht. Soll wohl das erste Mal vor den Prüfungen sein.“ Antwortete sie ihm und sie schien den Blick noch immer nicht von ihm abwenden zu wollen. Langsam spürte Harry ein Kribbeln im Nacken, es war ihm etwas unangenehm sie so nah bei sich zu haben und doch mochte er diese braunen Augen, dieses breite Lächeln. Sie hatte einen starken Charakter und einen Dickkopf, den sie immer wieder unter Beweis stellte, Eigenschaften, die er bevorzugte. Nachdenklich glitt sein Blick über ihre sommersprossigen Wangen und blieb an ihren sanften Lippen hängen.
 

Er war erledigt! Bei diesem Gedanken zuckte er leicht zusammen und richtete seinen Blick wieder auf die noch immer nicht aufgeschlagenen Bücher vor sich. Ob Ron noch immer nicht begriffen hatte, dass seine Schwester etwas von ihm wollte? Flüchtig sah er zu seinem besten Freund und bekam dafür einen tadelnden, strafenden Blick von Hermine. Ok, sie wusste es! Klar, sie wusste immer alles! Vorsichtig setzte er sich um, wich somit etwas von Ginny fort. Klasse, das war heute wirklich nicht der richtige Abend für… was auch immer das war!

Die grünen Augen blinzelten, als er einen kleinen Gegenstand bemerkte, der sich in seinem Sichtfeld bewegte. Es war ein flaches, kantiges Etwas, welches sich durch die Luft bewegte und auf dem etwas geschrieben stand. Noch ein Blinzeln später, denn er konnte nicht glauben, was er da sah, erkannte er die Buchstaben auf dem fliegenden Brief. Da stand Blaise Zabini in einer einfachen, klaren Schrift. „Ähm… was ist das?“ Kam zuerst von ihm und dann wurden auch die anderen darauf aufmerksam. Der sauber gefaltete Briefumschlag schwebte ruhig und zielsicher durch die Luft, bis er bei ihnen angekommen war und direkt vor Blaise verharrte. „Das ist ein schwebender Briefumschlag.“ Meinte Hermine und mit einem Seufzen antwortete ihr der Schwarzhaarige. „Das sehe ich auch. Aber normalerweise fliegen diese Viecher nicht. Also, was ist das?“
 

Die brünette Hexe setzte sich weiter auf, sah sich im großen Raum um und ließ ihren Blick über die kleinen Sitzgruppen schweifen. Auch am langen Tisch fiel ihr nichts auf und der Eingang schien leer zu sein. „Jemand muss ihn schweben lassen, Harry, natürlich fliegen Briefe nicht von allein. Sonst bräuchten wir ja keine Eulen.“ Gab sie etwas schnippisch von sich, offensichtlich war sie nicht mehr gut auf ihn zu sprechen. „Ich glaube, das ist ein Heuler.“ Meinte Maria plötzlich und Hermine drehte sich wieder zu ihnen um. „Wie kommt ein Heuler hier her?“

Bevor sie eine Antwort erhalten konnte, begann sich der Umschlag wie von Zauberhand zu öffnen und zu wandeln. Zwei dunkle Augen entstanden und ein schmaler, schnittförmiger Mund. Die Stimme, die nun laut durch die große Halle donnerte, gehörte einer ihnen allen gut bekannten Frau. Wie erstarrt saßen sie dort, starrten auf den Brief, der direkt vor Blaise kalkweißem Gesicht schwebte und seine lachende, hämische Borschaft verkündete. Wie immer triefte Pansy Parkinsons Stimme nur so vor boshaftem Spott.
 

„Du bist schlecht geworden, Zabini! Das dich die Freundschaft mit diesen widerwärtigen Gryffindors dumm und blind machen würde, war mir von Anfang an bewusst. Dass du aber auch noch schlampig bist, hätte ich nicht erwartet. So lange hast du dein kleines Geheimnis vor uns verborgen und jetzt verlierst du in unserem Gemeinschaftsraum den Brief von deinem Vater? Aber ich will ja nicht so sein, da du ihn noch nicht gelesen hast, werde ich das für dich tun!“
 

Ein kurzes Räuspern war zu hören und im gesamten Raum war es totenstill geworden. Alle Blicke hatten sich auf die kleine Gruppe gerichtet. Dass Hermine selbst so schockiert war, bereute sie zu tiefst. Hätte sie früher gehandelt, wäre vielleicht alles anders gekommen, doch dass sich die Slytherins nun gegenseitig fertig machten, hätte sie niemals erwartet.
 

„Blaise!

Die Anschuldigungen, die ich gegen dich erhoben habe, sind von derart widerwärtiger Natur, dass ich dein Schweigen nur als Schuldeingeständnis anerkennen kann. Da du weder in den letzten Ferien zu einer Konfrontation bereit warst, noch auf die Briefe meinerseits geantwortet hast, habe ich eine Entscheidung getroffen. Solange du deiner abartigen Neigung weiterhin frönst und der Meinung bist, das Bett mit deinem Geschlecht zu teilen, werde ich dich nicht als meinen Sohn anerkennen. Es ist mir gleich, was…“

Lass dich nicht ausspielen!

Kapitel 7

Lass dich nicht ausspielen!
 

In duzende kleine Fetzen explodierte der Brief und ein Knall dröhnte in ihren Ohren. Hermine war aufgesprungen, hielt ihren Zauberstarb in der Hand und zitterte. Sie war bleich und Übelkeit stieg in ihr auf. Wie ein Vater solche Worte an seinen Sohn richten, noch wie jemand diese dann boshaft vor dem gesamten Jahrgang hinaus posaunen konnte, würde sie niemals verstehen. Mittlerweile sollten alle Schüler aus dem 7. Schuljahr hier sein, viele aus dem 6. und sogar einige aus dem 5. befanden sich heute Abend im großen Gemeinschaftsraum. Sie alle wussten nun um die „Neigungen“ Blaise Zabinis, denn der Heuler war so laut und klar gewesen, dass er selbst in den hintersten Ecken zu hören war!

Der Slytherin schien zu keiner Reaktion fähig, er saß da, starrte auf die Stelle in der Luft, an der sich noch eben der Brief befunden hatte. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, Panik stand in den braunen Augen. Seine Hände waren geballt, damit sie nicht zu offensichtlich zitterten. Nur flach wagte er es zu atmen und jedes Geräusch wurde von dem wilden Pochen seines Herzens übertönt. Er hatte den Brief nicht geöffnet, hatte es sich nicht gewagt. Wann hatte er ihn verloren? Er war doch erst heute Morgen angekommen!
 

„Stimmt das, Blaise? Bist du… bist du wirklich schwul?“ Es war Maria, die zuerst fragte, sie rückte, wenn auch nur unterbewusst, ein Stück von ihm fort und starrte ihn aus ihren graublauen Augen seltsam an. Auch Ginnys Gesichtsausdruck spiegelte eine Abneigung wider und sie zuckte leicht zusammen, als Ron knurrte. „Ehrlich jetzt? Muss das sein, Maria?“ Fauchte er die junge Frau aus dem Hause Hufflepuff an. Erstaunt versuchte Harry sich wieder zu fangen, er sah, wie Pansy mit einem breiten Grinsen näher kam. Sie trug ein schwarzes, elegantes Kleid, welches bis zu ihren Knien reichte. Sie wurde von den beiden Schränken begleitet, die einst einmal hinter Draco hergelaufen waren. Die Haare der Mitschülerin waren offen, die dunkelbraunen Strähnen umrahmten spielerisch ihr ovales, leicht kantiges Gesicht. Die Schultern und Arme waren frei, kräftig und stark wirkten sie, gaben ihr dennoch eine gewisse Eleganz. Nein, hässlich war diese Frau nicht, bei weitem nicht, aber ein Blick in ihre dunklen Augen ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. „Doch ehrlich, sein Vater geht darauf noch einmal deutlich ein. Ihr habt eine kleine Schwuchtel in eurer Mitte!“ Frohlockte sie mit eisiger Stimme und teuflischem Lächeln.
 

Es war Hermine, die wütend herumfuhr und mit erhobenem Zauberstarb fauchte. „Halt die Klappe, Parkinson! Selbst wenn es so wäre, was spielt das für eine Rolle?“ Ihre braunen Augen funkelten voller Wut und innerlich spürte sie noch immer die Verständnislosigkeit dieser Tat gegenüber. Pansy hingegen blieb mit einem unbeeindruckten Lächeln vor dem Sofa stehen und verschränkte die Arme in einer eleganten Bewegung unter ihrer Brust. Die Strähnen ihrer dunkelbraunen Haare strichen sanft über die helle Haut ihrer Schultern und der Oberarme. „Für dich spielt es ja keine Rolle, Granger.“ Begann sie mit herablassend kalter Stimme und dann wanderte ihr Blick zu Harry, der sie noch immer erstaunt anstarrte. „Es ist ja immerhin Potter, der um seinen Arsch fürchten muss, nicht wahr?“ Mit einem beinahe feengleichen Zwinkern brachte sie den 18 Jährigen Gryffindor gänzlich aus der Fassung. Dieses Biest wollte sich wirklich mit ihm anlegen?

Für einen Moment stand sein Mund einen Spalt breit offen und ein Gefühl regte sich tief in seiner Seele, welches ihn schon eine Weile in Frieden gelassen hatte. Er spürte, wie es immer gewaltiger wurde, wie es in ihm wuchs und innerlich seine gesamte Seele ausfüllte. Es schien so groß zu werden, dass es die Grenzen seiner Gefühle überspannte und ihn beinahe platzen ließ. Seine nebligen, abgelenkten Gedanken wurden in einem einzigen Herzschlag hinfort gewischt. Es war wie eine Explosion, als dieses Gefühl berstete und sich wie eine schwarze, hässliche Masse in jeder Faser seines Körpers ergoss und dennoch liebte er es. Ja, er liebte diese Bosheit, die nun auch Pansy erfüllen musste. Genau das war dieses schrecklich abartige Gefühl, welches ihn nun klarer Denken ließ, als je zuvor.
 

Langsam erhob er sich schüttelte den Kopf und musterte die junge Frau mit einem langen Blick von oben bis unten. Nun war er es, der dieses bitterböse Lächeln auf den Lippen hatte und seine Stimme triefte vor Selbstüberzeugung. „Warte, du denkst wirklich, dass ich das nicht schon lange weiß?“ Fragte er direkt und am Rande seines Blickfeldes sah er, wie Hermine sich zu ihm umdrehte. Ginny prustete neben ihm und Blaise schnappte nach Luft. Er wusste, dass damit jedes Dementieren unmöglich war. Aber das wollte er auch nicht! Nein, jetzt wollte er seine Rache! Jetzt wollte er diesem grausamen Biest den Spiegel vorhalten und wenn Blaise je mit dieser Situation klar kommen wollte, musste er die Wahrheit sagen. Dann mussten sie beide die Wahrheit sagen.

„Also doch! Und ich hatte damit gerechnet, dass du mir vorhältst, dass ich den Brief nur gefälscht habe. Bist du ein guter Freund, Potter!“ Spottete die reinblütige Schülerin und schien sich schon siegessicher. Ohne Hast trat Harry aus der kleinen Sitzgruppe hervor und stellte sich Pansy gegenüber. Er hatte die Daumen in die Hosentaschen gesteckt, den Kopf leicht schräg gelegt und lächelte selig. „Ich kann dich so gut verstehen.“ Begann er ruhig und wusste, dass alle ihn anstarrten, ihn wahrscheinlich für verrückt hielten. Es war leise geworden, die einzigen Stimmen waren das leise Getuschel und das Rascheln von Stoffen, wenn sich die Schüler aneinander vorbeidrängten, um besser sehen zu können.
 

„Ich an deiner Stelle wäre auch ziemlich sauer auf Blaise, wenn ein schwuler Kerl wirklich bessern Sex hätte als ich….“ Er grinste und schüttelte leicht den Kopf. „Ach warte, nachdem dein Ex abgehauen ist hast du da eigentlich noch welchen oder liegst du jede Nacht ganz allein und verlassen in deinem Bettchen?“ Harry konnte die Gesichter seine Freunde nicht sehen, das unterdrückte Prusten stammte aber definitiv von Ron, der den Geräuschen nach dafür einen Schlag von Hermine erhalten hatte. Auch im Raum war ein leises Gelächter ausgebrochen.

Seine Gegenspielerin verengte die Augen, mit so einem direkten Angriff hatte sie offenbar nicht gerechnet und ihre Stimme war angefüllt von misstrauischem Zorn und Kälte. „Er ist nicht mein Ex!“ Begann sie und wollte schon zu einem neuen Vorwurf ansetzen, als sie das erstaunte Gesicht Harrys sah. Dieser schlug sich leicht mit der linken Hand gegen die Stirn und deutete dann eine Verbeugung an. „Mein Fehler, tut mir leid. Ich bin manchmal ja so vergesslich. Er war ja nie mit dir zusammen, er hat nur mit dir geschlafen! Er kann also gar nicht dein Ex sein.“ Meine Güte, wenn Draco jedes Mal dieses berauschende, schreckliche Gefühl hatte, konnte er seine Gemeinheiten sehr, sehr gut verstehen. Innerlich badete der Gryffindor in Euphorie und Begeisterung. Ein leises Stimmchen sagte ihm, dass er genau das Flasche tat, aber er konnte und er wollte nicht mit diesem Spiel aufhören.
 

„Woher willst du das bitte wissen, Potter!“ Fuhr Pansy ihn nun an und trat wütend auf ihn zu. Nun war nur noch ein Meter zwischen ihnen und er konnte das totbringende Funkeln in ihren wunderschönen, braunen Augen sehen. Ja, er wollte mehr, er wollte sie bis zur Weißglut treiben und sie leiden sehen! Dafür, dass sie immer und immer wieder auf ihnen herum hackte, dass sie immer wieder so kaltschnäuzig und boshaft war, dafür wollte er sie nun leiden lassen.

„Dein… mir fehlt das passende Wort, Malfoy hat da beiläufig etwas erwähnt, dass mir irgendwie nicht aus dem Kopf gehen will.“ Gab er grinsend zu und nun konnte er beobachten, wie sich die Slytherin wieder zu voller Größe aufrichtete, wie der Zorn sich in einen siegessicheren Ausdruck verwandelte. „Klar, als ob du dich je mit ihm unterhalten hättest.“ Er hob nur die Augenbrauen, blieb gelassen vor ihr stehen, lockte sie weiter aus ihrer Fassung. „Warte… du hast ihn also doch in dieser Nacht gesehen! Du warst bei ihm!“ Kombinierte sie seine gelassene Geste und Harry lächelte nur selbstgefällig. „Ja, war ich.“ Meinte er ruhig und spielte ihr so den Ball zu.
 

Überlegen stieß sie die Luft mit einem ‚ha‘ aus und meinte dann auffordernd. „Na, dann erzähl doch, was in dieser ominösen Nacht geschehen ist. Interessiert sicher nicht nur mich.“ Gespieltes Erstaunen zog sich über sein Gesicht und er wandte sich den anderen Schülern zu. Diese hatten sich zu einer großen Menge zusammen geballt und alle versuchten einen Blick auf die Szene zu werfen. „So, so, euch würde das also auch interessieren, ja?“ Fragte er und warf einen abwartenden Blick über seine Mitschüler.

Hermine wusste nicht, was sie empfinden sollte. Auf der einen Seite wollte sie diesem Kerl am liebsten den Kopf wieder gerade rücken, ihn packen und schütteln und anschreien, dass er den Mund halten sollte! Er stand da so überheblich, so selbstverliebt und eingebildet, dass sie ihn kaum wieder erkennen konnte. Eigentlich erkannte sie ihn gar nicht wieder, der junge Mann, der nun dort stand, erinnerte sie ungemein an die Vorstellung, die sie immer von James hatte. Nach allem, was sie von Harrys Vater gehört hatte, musste er in seiner Schulzeit nicht nur nette Seiten gehabt haben. Er war sicher ein beeindruckender, talentierter Zauberer, aber sie hatte den Verdacht nie ablegen können, dass James Potter ein selbstverliebter, eingebildeter junger Mann gewesen war. Ja, genau so hatte sie sich Harrys Vater immer vorgestellt, überheblich, stolz und irgendwie so… attraktiv? Ja, es hatte schon etwas, wie ihr bester Freund mit Pansy spielte und sie schien ihm dabei gänzlich ausgeliefert zu sein. Wahrscheinlich war es dieses Badboy Image, welches James damals schon berühmt gemacht hatte und sich nun auch bei seinem Sohn zeigte. Ob er einen Plan verfolgte, immerhin schien er ihre Antworten bewusst zu provozieren? Plötzlich beschlich sie ein böses Gefühl.
 

Es war Seamus, der sich zu Wort meldete und offensichtlich angriffslustig rief. „Klar interessiert uns das. Du hast ja nie etwas gesagt.“ Langsam nickte Harry, als wäre da noch etwas, dem er zustimmte. „Gut, wenn ihr das so gerne wissen wollt, fangen wir also ganz am Anfang an. Hat irgendwer mitbekommen, dass dieses elende Frettchen mir etwas in meinen Becher gemischt hat?“ Es schien für ihn eine Leichtigkeit zu sein die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu ziehen, sie zu lenken und zu führen. Ein Murmeln brach aus und man entschied sich mehrstimmig für ein nein. „Ich nämlich auch nicht und so war ich auch noch so dumm und hab meinen Becher in einem Zug geleert. Und natürlich bin ich davon ausgegangen, dass er etwas im Schilde führt und anstatt in Ruhe und in Frieden im Bett zu liegen, bin ich ihm nachts durch das Schloss nachgeschlichen. Ja, ich gebe zu, meine Neugierde ist meine größte Schwäche. Dass ich ihm damit direkt in die Falle laufe, hätte ich mir eigentlich denken können. Natürlich musste er mir das gleich unter die Nase reiben und meinte, wie großartig er das doch fände und ob ich immer so einfach zu manipulieren wäre.“ Harry grinste breit und lehnte sich gelassen an die Rücklehne des Sofas.

Noch immer war sich Hermine nicht sicher, was der Schwarzhaarige vor hatte und vor allem, ob er wirklich ehrlich sein würde. Sie meinte auch zu erinnern, dass er Dracos Mutter verspochen hatte nichts über die sexuellen Neigungen ihres Sohnes preis zugeben. Welche Geschichte wollte er ihnen also auftischen?
 

„Ich wollte ihm gerade antworten, dass er seine Klappe halten sollte und mir lieber erklären, was er mitten in der Nacht in den Gängen verloren hätte, als ich mich sagen hörte: Ganz offensichtlich oder?“ Er ließ diesen Satz wirken und fuhr dann gelassen fort. „Ich habe bis heute keine Ahnung, was er mir da in meinen Becher gemischt hat, aber ich war in dieser Nacht nicht in der Lage irgendetwas anderes als die Wahrheit zu sagen. Bevor hier jetzt irgendwer protestiert, habt ihr auch nur eine Ahnung, was es bedeutet Draco Malfoy gegenüber nicht einmal eine Notlüge vorschwindeln zu können?“ Er hatte das auftretende Getuschel wahrgenommen, welches nun noch lauter wurde.

Hermine und Ron wussten, dass er nun log. Gut, er wollte die Wahrheit sagen und grundsätzlich hätte er auch kein Problem damit den Sex zuzugeben, aber es reichte ja schon, wenn Blaise und er Probleme bekämen. Da musste er diesen verschollenen Kerl, der sicher ebenso große Probleme mit seinem Vater hätte wie Zabini, nicht auch noch mit rein ziehen.
 

Die dunkle Stimme von Gregory brachte den leisen Tumult zum Schweigen, als er meinte. „Du hättest auch einfach gehen können, Potter.“ Sein Freund stimmte ihm zu und kurz hatte Pansy einen Blick über die Schulter zu ihnen geworden. „Ähm… nein!“ Fing Harry an und verzog leicht entsetzt das Gesicht. „Glaubst du ehrlich, dass ich diesem Frettchen den Triumph gönne, dass ich vor IHM davonlaufe? Vergiss es! Da beiße ich mir lieber auf die Zunge und sage gar nichts! War ja schon schlimm genug, dass ich wie ein dummer Trottel in seine Falle gelaufen bin!“ Beschwerte er sich gespielt aufgebracht und hörte Deans Lachen. „Klar, ihr zwei würdet eher sterben, als dem anderen einen Sieg zu gönnen.“ Breit grinsend nickte Harry und die angespannte Stimmung lockerte sich, nicht nur Dean hatte gelacht.

„Nachdem ich nun hoffte, alle wirklich peinlichen Fragen überstanden zu haben, und nein, ich werde sie sicher nicht wiederholen, mein Unterkiefer schmerzte schon von dem ganzen Zähne zusammenbeißen um nichts zu sagen, versuchte ich den Spieß natürlich umzudrehen. So selbstverliebt und eingebildet der Kerl gerade war, musste es ja nicht so schwer sein ihn zum Reden zu bringen. Also habe ich locker angefangen und fragte leicht genervt, wieso er sich nachts im Schloss eigentlich so gut auskannte. Da antwortet mir der Kerl wirklich, dass er seine Verabredungen eben lieber nachts trifft.“

Noch immer lehnte er am Sofa, unterstrich mit der rechten Hand seine Worte und schien sich königlich zu amüsieren. Hermine stand noch, Ron und Neville hatten sich umgedreht und knieten auf dem Sofa. Ginny und die Moor Zwillinge waren aufgestanden. Kurz warf die brünette Hexe einen Blick zu Blaise, der noch ebenso kalkweiß im Gesicht war, wie zu Beginn dieses Theaters.
 

„Nachdem ich mir mal wieder anhören durfte, wie begriffsstutzig ich war und endlich verstanden hatte, was für Verabredungen Malfoy da mitten in der Nacht traf, dachte ich natürlich gleich an dich, liebe Pansy.“ Er drehte sich nun wieder zu ihr, deutete mit der rechten Hand auf sie, wobei er die Handinnenfläche nach oben hielt. „Es ist ja ein offenes Geheimnis gewesen, dass ihr was miteinander hattet und ich dachte immer, dass ihr ein Paar wäret. Hab ich ihn auch gefragt und…“ Er musste sich kurz fassen, denn ein breites Grinsen zog sich nun über seine vollen Lippen.

Innerlich war er sehr angespannt. Jeder hier im Raum hing an seinen Worten, seine eigenen Gefühle waren aufgewühlt und sein Verstand war davon regelrecht berauscht. Ja, es war ein wahnsinniges Gefühl, wie sie ihn alle anstarrten, warteten und von seinen nächsten Worten hing so viel ab. Er würde sie ihr direkt ins Gesicht sagen, jede Regung ihres Körpers beobachten, jedes Zucken und voller Zufriedenheit dabei zum nächsten Schlag ausholen. Schnell leckte er sich über die Lippen, versuchte sein Grinsen zu unterdrücken. „Ich gebe zu, so eine Antwort habe ich wirklich nicht erwartet. Ich sage also zu ihm. ‚Ich denke, du bist mit Pansy zusammen.‘ Darauf antwortete er mir ungelogen, wortwörtlich. ‚Das denkt sie auch!‘“
 

Ein schallendes Gelächter brach aus und Ron begann neben ihm zu Prusten. Der Rotschopf drückte sich die flache Hand vor den Mund, selbst Hermine konnte nicht anders und begann zu schmunzeln. Die kleine Stimme in Harrys Hinterkopf warnte ihn, meinte, dass er sehr vorsichtig sein sollte und doch gefiel ihm der Zorn, der nun in dem rotfleckigen Gesicht erschien. Sein Herz klopfte wild, sein Körper schien zu glühen und alles wirkte so einfach. Er wusste, was er als nächsten sagen musste, es war wie ein Spiel. Nein, es war einfacher als das…

„Wenn du jetzt schon wütend bist, erzähle ich dir lieber nicht, was er noch gesagt hat. Das war ja nur der erste Teil.“ Die grünen Augen beobachteten wild funkelnd, wie Pansy die Hände zu Fäusten ballte und selbst Vincent und Gregory konnten sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. „Nun komm schon, erzähl es uns!“ Rief jemand vom Tisch hinüber und Harry drehte den Kopf in diese Richtung. „Ja, was hat er noch gesagt?“ Rief eine Mitschülerin aus dem sechsten Jahrgang und das Grinsen des schwarzhaarigen Gryffindors wurde nur noch breiter. Beruhigend hob er beide Hände und machte so deutlich, dass sie ihre Stimmen wieder senken sollten, denn noch weitere Aufforderungen trafen ein. Selbst Neville hinter ihm hatte leise zu Ron geflüstert, dass er ja jetzt schlecht aufhören konnte.

„Ich gestehe, ich muss nach dieser Aussage wirklich dumm ausgesehen haben. Nachdem er also meinte, dass auch Pansy das glaubte, kam von ihm und ich versuche es wortwörtlich zu wiederholen: ‚Sagen wir einmal so, sie ist eine Art Versicherung. Niemand kommt auf die Idee, dass ich nachts heimlich durch die Gänge schleiche und hübsche Schülerinnen verführe, wenn alle glauben, dass ich ein treuer Freund bin.‘“
 

Als hätte er den Geduldsfaden reißen hören, machte Harry einen Schritt vom Sofa fort, während nun ein lautes Lachen ausbrach. Pansy hingegen kochte vor Wut und hatte die kurze Distanz zwischen ihnen mit wenigen, starken Schritten überbrückt. Sie griff nach seinem T-Shirt und zog ihn mit vor Hass funkelnden Augen an sich heran. „Das ist eine Lüge! Das hat er nicht gesagt!“ Fauchte sie ihn an und für einen Moment konnte der Gryffindor nicht antworten. Diese Reaktion brachte sein Blut zum Kochen, er sah all diese zerfressenden Gefühle in ihren Augen, die auch die Unsicherheit spiegelten. Langsam hob er die Hände, machte deutlich, dass er sie nicht von sich stoßen würde und konnte das Grinsen in seinem Gesicht doch nicht verbergen.

Hermine war angespannt, sie hielt noch immer ihren Zauberstarb umklammert und fragte sich, wie das Ganze ausgehen sollte. Ron war aufgesprungen, auch Neville hatte seinen Zauberstarb gezogen, als die Slytherin den 18 Jährigen packte. „Warum sollte ich lügen? Offensichtlich hat dich dein blonder Traumprinz betrogen und verarscht. Er hat hinter deinem Rücken mit anderen geschlafen und nach seinen nächsten Worten, kann ich das sogar sehr gut verstehen!“ Kurz wich der Blick der dunklen Augen zur Seite und sie starrte auf die erhobenen Zauberstäbe. Gregory und Vincent hatten ihre ebenso gezogen, doch dass sie gegen diese Übermacht keine Chance hatten, war beiden bewusst.
 

Mit einem bitterbösen Lächeln griff er nach ihren Handgelenken und beugte sich vor. Seine Lippen wanderten bis dicht zu ihrem Ohr, leise flüsterte er die nächsten Worte. „Ich kann gut verstehen, warum du so sauer auf Blaise bist, immerhin hat dein heißgeliebter Draco dich als zickig und unkreativ beschrieben und den Sex mit dir als ‚so langweilig‘!“

Erstaunt musste er nach Luft schnappen, sie hatte sich aus seinem Griff befreit und mit beiden Händen kräftig gegen seine Brust geschlagen. Der 18 Jährige wankte leicht zurück, die Luft hatte sie bei diesem Angriff aus seinen Lungen getrieben. Unter all dem Zorn war nun ein anderes Gefühl in ihre dunklen Augen getreten und genau das wollte er sehen. Schmerz! Er stand so offensichtlich in jedem ihrer Gesichtszüge, dass es still wurde. Langsam rieb er sich über die Brust, nun schien dieses erregende, aufregende, euphorisierende Gefühl ihn bis zum Bersten auszufüllen. Nun hatte er erreicht, was er wollte, nun gab er ihr endlich den Gnadenstoß! „Was denn, Pansy? Kann ich etwas dafür, dass dich dein Prinz als zickig, unkreativ und den Sex mit dir als langweilig beschreibt? Nein! Lass deine Wut nicht an mir aus, wenn du es im Bett nicht bringst!“ Warf er ihr nun laut vor und wieder entstand Unruhe in der großen Halle. Vereinzelnd wurde gelacht, viele grinsten und doch war die Stimmung gedrückt. Pansy war emotional angeschlagen, das konnte sie nicht verbergen. Sie hatte ihm in die Augen gesehen und etwas sagte ihr, dass dieser verdammte Gryffindor die Wahrheit erzählte.
 

Dennoch ließ sie sich so schnell nicht unterkriegen und neu brannte die Wut in ihr auf. Die Schülerin straffte die freien Schultern und warf mit der rechten Hand ihr Haar zurück. „Vielleicht hat er das gesagt, Potter, aber eine Sache musst du mir noch erklären.“ Das Funkeln in ihren Augen signalisierte die Kampfbereitschaft ein heißer Schauer lief über Harrys Rücken. So wollte er es! Ja, wenn sie noch einen Nachschlag wollte, sollte sie den bekommen.

„Woher weißt du etwas über die Qualität von Zabinis Bettgeschichten? Schläfst du mit ihm, dass du dir da so sicher bist?“ Fauchte sie ihn trotzig an, der Schmerz ließ ihre Stimme kälter wirken, noch immer flackerte er in ihren Augen auf. Pansy hatte die Arme unter der Brust verschränkt, wartete nun auf eine Antwort wie ein ausgehungerter Drache.

Schweigend hatte Blaise dieses Gespräch beobachtet. Er stand neben Hermine, noch immer klopfte sein Herz so stark, dass es in seiner Brust schmerzte. Da war er nun, der Satz, vor dem er bangte. Es war ja schön und gut, dass Harry ihn verteidigte, aber er….
 

„Ja!“ Diese Antwort unterbrach alle Gedanken, die der Slytherin in diesem Moment über seinen besten Freund hegen konnte. Verwirrt und fassungslos starrte er den Schwarzhaarigen an, der da mitten im Raum stand, alle Augen auf ihn gerichtet. Das sonnengebräunte Gesicht war ernst, doch er lächelte.

Seine Antwort hingegen war so unerwartet, dass selbst Pansy nicht richtig zu verstehen glaubte. „Was?“ Entkam ihr und sie lockerte die Verschränkung ihrer Arme. „Ja, ich schlafe mit ihm, darum bin ich mir sicher, dass er guten Sex hat.“ Sie blinzelte erstaunt und konnte sich nicht rühren. Es war mittlerweile so still geworden, dass der Aufschlag einer Stecknadel wie ein Donnern erklungen wäre. Der leichte Wind, der durch die offenen Fenster strich, schien selbst unglaublich laut zu sein.

Jetzt war sein Selbstbewusstsein nur noch gespielt. Innerlich hatte er eine Mauer aus Hoffnung aufgebaut, hinter der sich seine Angst versteckte. Es war ihm von Anfang an bewusst gewesen, dass sie an diesen Punkt kommen würden. Er hatte es gehofft, er hatte davor gebangt. Er wollte sich nicht länger verstecken, er wollte nicht, dass Blaise der einzige war, der sich dem Hohn und Spott stellen musste. Dennoch zitterte seine Seele, das Schweigen raubte ihm beinahe den Atem. Lächeln, einfach Lächeln. Sie wissen nicht, was du empfindest! Dachte er sich in einem fort und baute auf seine Überheblichkeit, die er die ganze Zeit zur Schau getragen hatte.
 

„Du lügst.“ Stellte Pansy mit einem Mal klar und wirkte nun verärgert. „Hör auf, für diese kleine Schwuchtel den Kopf hinzuhalten. Du kannst nicht mit ihm schlafen!“ Schallte ihre Stimme nun deutlich durch die Luft und Harry blinzelte. Ok, damit hatte er nicht gerechnet. Musste er sie jetzt wirklich davon überzeugen, dass er mit Blaise schlief? Erstaunt hob er den Kopf und blickte zum ersten Mal seit Beginn dieses Theaters zu der kleinen Sitzgruppe, suchte den Blick des jungen Mannes.

Dieser schüttelte leicht den Kopf, er wirkte noch immer bleich. Ron hingegen schien völlig unentschlossen, seinem Gesicht nach konnte er nicht erahnen, was der Rotschopf dachte. Seine Schwester zeigte ihre Gefühle deutlich offener. Sie starrte ihn an, hatte die Hände vor den Mund geschlagen und ihre braunen Augen, diese wunderschönen braunen Augen glänzten vor Entsetzen. Ok, jetzt hatte er sie verletzt! Kurz knirschte er mit den Zähnen, dass hatte er in seinem tollen Plan nicht bedacht.
 

„Und warum soll ich das angeblich nicht können?“ Fragte er nun doch gereizter, als ihm lieb war. Seine grünen Augen funkelten sie an und die Angst in seinem Herzen wurde von seiner eigenen Wut durchzogen. Klasse, jetzt drückte er sich seit Wochen, seit Monaten darum Ginny endlich klar zu machen, dass er nichts von ihr wollte, und nun bekam sie so etwas von ihm zu hören. Gut, vorerst sollte er sich um dieses Problem direkt vor seiner Nase kümmern. „Weil ich mir sehr sicher bin, dass du beinahe mit dem gesamten weiblichen Jahrgang geschlafen hast!“ Zischte Pansy nun und holte ihn damit aus seinen Gedanken. Harry blinzelte, spürte wie der Zorn und die Angst in ihm verpufften und nur Erstaunen zurück blieb. Er blinzelte wieder und sah die dunkelhaarige Schülerin verwirrt an. Das hatte ihn nun wirklich erwischt und ungläubig versuchte er zu verstehen, was sie da eben gesagt hatte. „Ok… nur weil ich mit so vielen Frauen geschlafen habe, heißt das für dich, dass ich nicht auch was mit Blaise am Laufen habe?“ Fragte er noch einmal nach und Ginny war gänzlich vergessen. Er bemerkte, wie eine gewisse Röte auf die Wangen der Schülerin vor ihm schlich und sie die Verlegenheit niederzukämpfen versuchte. „Ja, genau! Willst du mir jetzt wirklich sagen, dass du…“ Doch sie fand die Worte nicht, um den Satz zu vollenden.
 

Was musste er tun, damit ihm diese Frau glaubte? Irgendwie war das doch so typisch oder? „Pansy, ist das jetzt dein Ernst? Wenn Blaise Vater schreibt, dass sein Sohn das Bett mit anderen Männern teilt, dann posaunst du es hier durch die Gegend und wenn ich dir versichere, dass ich einer dieser Männer bin, dann bezichtigst du mich der Lüge? Warum? Weil ich der große Harry Potter bin und nicht einmal weiß, mit welchen Frauen ich das Bett geteilt habe, weil es so viele waren?“ Fuhr er sie nun in einem seltsam gemischten Ton an, der von Verwirrung und von Ärger sprach. Bei diesen Worten entstand wieder eine Unruhe und die anwesenden Schüler schienen geteilter Meinung über diese Aussage zu sein.

„Hör mal, es ist etwas völlig anderes mit einer Frau zu schlafen, als mit einem Mann. Wenn ich die Wahl habe, warum muss ich mich dann entscheiden? Es ist ja nicht so, als ob wir uns noch im grauen Mittelalter befinden!“ Warf er ihr nun vor, doch der verbissene Ausdruck wich nicht aus dem geröteten Gesicht von Pansy Parkinson. Also versuchte er es auf einem anderen Weg. „Glaubst du etwa, dass ich der erste hier in Hogwarts bin? Mal ehrlich, selbst du wirst wissen, wo du einen ruhigen Ort findest, immerhin hast du mit Draco nicht mitten in eurem Gemeinschaftsraum geschlafen!“
 

Abrupt drehte er sich zu der Menge um, die noch immer unruhig war. „Jeder von uns weiß das! Wir kommen hier mit 11 her, bleiben bis wir 18 sind und verbringen die meiste Zeit des Jahres an dieser Schule. Wir sind keine Kinder mehr, wir wissen, dass Babys nicht von Störchen oder Feen gebracht werden! Nur weil keiner mit uns darüber spricht, heißt das doch noch lange nicht, dass wir keinen Sex in Hogwarts haben! Wir wissen genau, wofür man den Raum der Wünsche verwenden kann, wo die abgelegenen Klassenräume sind, die nicht mehr benutz werden, warum wir den Astronomieturm so oft aufsuchen und wie viele Briefe sind niemals abgeschickt worden, weil wir die Geheimkammer unter der Eulerei kennen? Leute, wir sind doch nicht der erste Jahrgang, der vor der Heirat Sex hat! Mal ehrlich, die Hälfte von euch hat Eltern, die auch schon hier zur Schule gegangen sind und die haben sicher nicht bis zum Jawort gewartet!“

Endlich sprach er das aus, was die ganze Zeit schon in der Luft lag. Jetzt wurde es erst recht unruhig, nun waren die anderen keine unbeteiligten Zuschauer mehr, jetzt wurden sie selbst mit einbezogen. „Deine Eltern haben das vielleicht getan, Potter!“ Rief jemand aus der Menge, versuchte dabei selbst nicht in die Schussbahn zu geraten. Für einen Moment hielt Harry inne, das war etwas, worüber er sich nie Gedanken machen wollte, aber ja, es war davon auszugehen. „Meine Eltern sind ja auch die einzigen hier, die schon zu Schulzeiten zusammen gewesen sind.“ Meinte er sarkastisch. „Aber ja, ich denke schon, die beiden werden sicher nicht unschuldig und jungfräulich gewesen sein.“

Sein Herz klopfte bis zum Halse. Jetzt musste er auch noch seine Eltern mit in die Sache hinein ziehen. Dennoch fühlte er sich wie in einer falschen Zeit gefangen. Sie warfen ihm vor, dass er einen guten Freund verteidigte, dass er nicht bereit war, sich auf ein Geschlecht einzulassen. Wäre nicht die Aufregung und eine gewisse Wut über diese Situation vorherrschend in seinen Gefühlen, dann wären seine Knie langsam sicher weich geworden.
 

„Es ist mir gleich, was ihr darüber denkt! Falls ihr es vergessen habt, um diese verdammte Welt zu retten, bin ich gestorben! Nein, es ist kein schönes Erlebnis von einem Todesfluch getroffen zu werden! Ich bin Monate lang davon ausgegangen, dass ich meinen Schulabschluss nicht miterlebe, also nein, es interessiert mich nicht, ob ihr euch darüber aufregt, wenn ich etwas mit Blaise am Laufen habe. Es hat euch ja auch nicht gestört, dass ich mit so vielen Frauen schlafe! Ich bin schon einmal für euch gestorben, noch einmal werde ich mir mein Leben nicht von euch nehmen lassen!“ Seine Stimme zitterte leicht, er wollte sich beherrschen, aber das konnte er nicht. Wut brannte in seinen Adern und dass ihm diese ganze Situation langsam aus den Händen glitt, bemerkte er nicht.

Nun war es etwas Persönliches, es ging nicht mehr nur um Pansy. Tief in seiner Seele regte sich etwas, das nicht schweigen wollte. Ja, niemand von ihnen hatte etwas dagegen gesagt, als er begann sich sein unsittliches Verhalten anzugewöhnen. Ron hatte es immer bemängelt, Hermine hatte es für falsch gehalten, aber sonst hatten sie geschwiegen. Die meisten hier wusste es, sie mussten es wissen! In dieser Schule wurde getratscht, wie nichts Gutes. Natürlich wussten sie es! Dennoch blieb die Wut in seinem Herzen zurück, die sich anklagend gegen seine Mitschüler richtete. Als wäre er der einzige unter ihnen!
 

„Verdammt noch Mal, er hat doch Recht!“ Erklang plötzlich eine Stimme und mit hoch rotem Kopf trat eine 19 Jährige Ravenclaw aus den Reihen. Sie hatte erst vor wenigen Tagen Geburtstag und war eine der ältesten unter ihnen. „Ich habe das Gefühl, als würde ich ein Doppelleben führen! Ich habe Zuhause eine Freundin, eine feste Freundin und ich kann es einfach nicht mehr hören, Fiona! Ich kann nicht mehr hören, wie toll du diesen verdammten Kerl da drüben findest!“ Fuhr sie die junge Frau an, die eben noch an ihrer Seite gestanden hatte. Rot glühte ihr Gesicht und sie deutete offensichtlich auf Harry, der völlig verdutzt von diesen Worten war. Sie hatte ihre braunblonden Haare geflochten, war schlank und großgewachsen. Die 19 Jährige hatte eine eher drahtige Figur, das Gesicht voll von Sommersprossen, welche nun unter der dunklen Gesichtsfarbe verschwanden.
 

Die Angesprochene wich einen Schritt zurück, sie selbst bekam eine deutliche Farbe im Gesicht. „Es ist mir egal, was du jetzt von mir hältst, immerhin ist das mein Leben und ich verzichte schon viel zu lange darauf. Wenn ich nach Hogwarts fahre, habe ich immer das Gefühl, einen Teil meines Lebens Zuhause zu lassen.“ Energisch griff sie nach der Kette, die unter ihrer weißen Bluse versteckt war. Ein feiner, silberner Schmetterling kam zum Vorschein. „Die hat mir nicht mein Freund geschenkt, es war meine Freundin, als Zeichen dafür, dass sie mir vertraut und auf mich wartet, obwohl sie mich so lange nicht sieht. Ich habe mich im Sommer so gefreut, als ich sie bekam, und hätte es dir am liebsten gleich erzählt. Ich bin beinahe geplatzt vor Glück und was machst du? Du erzählst mir erst einmal wie schrecklich du es findest, dass die Tochter einer Nachbarin irgendwo in der Straße lesbisch ist. Du lässt dich darüber aus, wie miserabel ihre Mutter sein muss, damit sie ihr Kind zu so etwas erziehen kann! Wie bitte soll ich dir dann von meiner festen Freundin erzählen? Du willst meine beste Freundin sein? Du hast nicht einmal bemerkt, wie sehr ich es gehasst habe, wenn du mir alles über deine… deine Bettgeschichten erzählt hast!“

Die rotblonde Irin sah ihre aufgebrachte Freundin nur mit großen Augen an. Ihr Mund stand einen Spalt offen und sie wollte etwas erwidern, konnte es aber nicht. „Und wenn ich mit Blaise eine Selbsthilfegruppe gründe, es ist mir egal! Ich will endlich ich selbst sein, ich will endlich offensichtlich einer hübschen Frau hinterher sehen können und dabei schuldbewusst an meine Freundin denken!“ Platze es noch immer aufgewühlt aus ihr heraus. Die anderen waren ein Stück von ihr gewichen, selbst Fiona sah sie an, als hätte sie etwas Ekliges an sich.
 

Damit hatte Harry nicht gerechnet. Das Geständnis hatte jedoch noch deutlich mehr zur Folge. „Dann sind wir schon zu dritt!“ Kam plötzlich eher schüchtern eine männliche Stimme in der auftretenden Stille zu Wort. Ein sechst Klässler stand mit verschämtem Blick und seinen kurzen, braunen Haaren zwischen seinen Freunden, die ihn erstaunt und verwirrt anstarrten. „Ich… na ja… ich hab auch kein Interesse an dem weiblichen Geschlecht…“ Ihm fehlte die Wut, die in seiner Vorrednerin gebrodelt hatte, die sonnengebräunten Wangen wurden dunkelrot und er bemerkte, wie seine Freunde einen Schritt zur Seite gingen. Nur einer blieb stehen und seufzte. Der 17 jährige fuhr sich mit der Hand durch seine schwarzen Haare und sah aus blauen Augen zu dem Verlegenen. „Toll, dann war mein letztes Geburtstagsgeschenk ja absolut beschissen. Tja, dann sollte der nächste Kalender wohl eher halbnackte Männer zeigen, was?“ Scherzte er und begann über das ganze Gesicht zu grinsen.

Als wäre ihm ein Stein vom Herzen gefallen, breitete sich die Erleichterung in den geröteten Gesichtszügen aus. „Wir können ja tauschen, ist ja noch über ein halbes Jahr gültig und bei mir liegen die Damen nur in der Schublade… ganz, ganz unten!“ Versuchte er den Witz aufzunehmen und sein Freund klopfte ihm auf die Schulter. „Guter Plan.“
 

Pansy konnte es nicht glauben. Vor ihren Augen geschah etwas, dass in die komplett falsche Richtung lief. „Also… ich würde mich übrigens zwangsweise mit anschließen.“ Meldete sich eine Huffelpuff Schülerin hinter den beiden Freunden und quetschte sich zwischen zwei Schülern hindurch. „Ich meine, ich stehe nicht auf Frauen, aber wenn ich jetzt gestehe, dass ich betrunken mit meiner besten Freundin geknutscht habe, dann sinkt mein Beliebtheitsgrad auch ganz gewaltig.“ Sie versuchte sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, doch ihre Stimme konnte das Zittern nicht verbergen. „War ein schöner Abend und ich hab es echt genossen. Wenn wir im Sommer wieder grillen, die Abende ausführlich genießen und Sekt und Wein trinken, werde ich ihr sicher noch einmal einen Kuss stehlen.“ Sie verschränkte die Arme verlegen vor dem Bauch. „Als ich das meiner Mutter gesagt habe, hat sie fast geweint und mich in den Arm genommen. ‚Jetzt ist mein kleines Küken auch endlich eine Frau.‘ Hat sie zu mir gesagt. War das peinlich, aber meine Eltern sind eben echte Hippies.“ Fahrig strich sie sich ihre schwarzen Locken aus dem Gesicht und verschränkte sofort wieder ihre Hände ineinander. „Ist eben etwas komplett anderes eine Frau zu küssen.“ Gestand sie verlegen und die beiden vor ihr grinsten sie an.
 

Unruhig tauschte er einen Blick mit seinem Bruder und dann räusperte sich Thomas Moor. „Dann sollten sich deine Eltern mal mit unseren unterhalten. Wenn unser Vater erfährt, dass wir auch einmal eine solche Nacht genossen haben, bringt er uns wahrscheinlich um.“ Verlegen rieb er sich mit der Hand über den Nacken und sein Zwillingsbruder sah zu Blaise. „Na ja, wenn wir Glück haben, hasst er uns nur für den Rest unseres Lebens und verlobt uns auf der Stelle mit irgendwelchen dummen Hühnern, nur weil sie reinblütig sind.“

Es war Padma, die ihn bleich anstarrte und fragte. „Was… was soll das heißen?“ Wollte sie nun wissen und Mattias lächelte verlegen. „Na ja, was schon? War ein netter Abend, etwas zu viel Butterbier im letzten Herbst und eine charmante Gesellschaft. Da kann es schon vom einen zum anderen kommen.“ Versuchte er die Frage unverfänglich zu beantworten und doch musste er schlucken, als er ihr Gesicht sah. Parvati stand auf, griff nach ihren Schulsachen, den Büchern und Notizen, um an Thomas vorbei zu gehen. „Ich glaub es nicht! Und ich habe wirklich gedacht, dass du…“ Sie brach ab, schien wütend, aber auch verwirrt.
 

Schnell griff der braunhaarige junge Mann nach ihrem Arm und wollte sie am Gehen hindern. „Dass ich mir seit Tagen den Kopf darüber zerbreche, wie ich dir sagen soll, dass du eine wunderschöne, starke, liebevolle Frau mit eigenem Kopf bist und ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dich zum Abschlussball zu begleiten?“ Thomas Worte hallten in der Luft wider und brachten die indisch stämmige Hexe zum Innhalten. Auch Padma, die ihre Sachen im Arm trug, blieb stehen. Sie wollte ihrer Schwester folgen, starrte nun auf diese aberwitzige Szene. „Das kannst du vergessen, Thomas! Ich werde sicher nicht mit dir zum Abschlussball gehen. Ich weiß nicht einmal, ob ich dich morgen wieder sehen will!“ Entführt es ihr direkt und er ließ sie augenblicklich wieder los.

„Warum?“ Fragte sein Bruder und der Schmerz war in seiner Stimme deutlich zu hören. „Diese Nacht ändert nichts an meinen Gefühlen und nichts an der Tatsache, dass wir uns Stundenlang die Köpfe darüber zerbrochen haben, wie wir euch fragen. Wie wir euch sagen: Ich liebe dich, Padma!“
 

Völlig irritiert drehte sich die junge Frau um und sah dem breitschultrigen Schüler direkt ins Gesicht. Kurz öffnete sie den Mund und wollte etwas erwidern, doch ihre Stimme versagte. „Du hast es schon ganz richtig gehört, Padma. Du bist eine wundervolle, einfühlsame Frau und ich liebe deine lustige, naive Art, mit der du deine unerschöpfliche Phantasie auslebst. Seit Wochen ist mir das klar und ich wälzen mich nachts im Bett, weil ich nicht weiß, wie ich es dir sagen soll. Wie sagt man einer Frau wie dir „Ich liebe dich!“?“

Ihr Schlucken war zu hören und Parvati blickte von ihrer Schwester zu Thomas, der sie mit einem eindeutigen Blick betrachtete. „Sag es nicht!“ Verlangte sie von ihm und ihre Stimme zitterte. Doch der Huffelpuff Schüler ließ sich nicht entmutigen. Er strafft seine breiten Schultern und sah sie mit leuchtenden Augen an. „Gut, dann sage ich es nicht! Dann sage ich dir eben, dass ich jeden Augenblick mit dir genieße, dass ich vor jedem Abschied abends Angst habe, dich morgens als erstes in der großen Halle suche. Dann sage ich dir eben nur, dass mein Herz wie verrückt zu klopfen beginnt, wenn ich dich sehe und für dein Lächeln wäre ich bereit zu sterben. Wenn du unglücklich bist, dann glaube ich das Ende der Welt zusehen und nachts geistert du durch meine Träume. Mein Glück liegt in deinen Händen…“ Er hielt einen Moment inne und wurde Ernst. „Ebenso wie mein Unglück.“
 

Padma wich zurück an die Seite ihrer Schwester, die Thomas so unschlüssig anstarrte. Was sie ihm nun antworten sollte, wusste sie nicht. Unsicher griff sie nach der suchenden Hand ihrer Zwillingsschwester und senkt dann den Blick. „Das ist nicht fair.“ Nuschelte sie und spürte, wie aufgewühlt sie innerlich war.

Sanft griff Hermine je nach einer Schulter der Moor Brüder und meinte beruhigend. „Denkt einfach darüber nach und lasst erst einmal alles sacken. Morgen ist es sicher viel einfacher noch einmal darüber zu sprechen. Jetzt muss ja nichts entschieden werden.“ Ihre braunen Augen musterten das angespannte Gesicht Thomas und dieser nickte langsam. Auch sein Bruder stimmte mit ein. Verlegen sahen nun die Patil Schwestern zu ihr auf und nickte schweigend. „Du… du magst mich also wirklich?“ Fragte Padma leise und die braunen Augen Mattias begannen zu leuchten. Er wollte schon zu einer Antwort ansetzen, als er den Druck von Hermines zurückhaltender Hand auf der Schulter spürte. So zügelte er sich und meinte so ruhig wie möglich. „Ja, sehr sogar. Es gibt so viel, was ich an dir sehr gerne mag!“ Sein Herz klopfte so stark, dass es ihm im nächsten Moment aus der Brust springen müsste. War das ein Hoffungsschimmer? War das wirklich eine Chance?
 

Nicht nur sein Herz klopfte wild. Padma wusste, dass sie ihn mochte, ihn sehr gerne hatte und wie oft hatte sie schon mit ihrer Schwester darüber gesprochen, wie es wohl wäre, wenn die Zwillinge sich in sie verliebt hätten. Es war eine aberwitzige Situation und irgendwie hatten sie ja Recht, was änderte diese Nacht schon oder? Hätten sie es nicht gesagt, dann wäre es sicher nie herausgekommen. War es nicht eher mutig und… stark von ihnen so etwas dennoch zu sagen? Voller Hoffnung sah sie in die Augen ihrer Schwester und wünschte sich die gleichen Empfindungen darin zu erkennen.

Diese schien etwas sagen zu wollen, öffnete die Lippen und Unsicherheit stand in den dunkelbraunen Augen. Dann schloss sie ihren Mund wieder und wich dem Blick ihrer Schwester aus. Anscheinend war sie nicht der gleichen Meinung wie Padma, so löste sie die Verbindung ihrer Hände und fasste ihre Bücher im Arm nun mit beiden. „Sieh mich nicht so an…“ Forderte sie ihre Zwillingsschwester auf, denn sie erkannte die Bedeutung in ihren Augen. Vielleicht war es gerade diese naive, liebevolle Seite an Padma, die eher bereit war zu verzeihen, zu vergeben und die eher der Frage nachging, ob es wirklich etwas zu verzeihen und zu vergeben gab.
 

„Bei Merlin ist das abartig!“ Entfuhr es laut Pansy, die von einem Schauer ergriffen wurde. „Ich glaube, mir wird gleich schlecht! Denkst du wirklich darüber nach, dich auf diesen abartigen Kerl einzulassen, Patil?“ Rief sie und verzog ihr Gesicht demonstrativ.

Bevor ihr noch jemand antworten konnte, trat Harry nun einen Schritt auf sie zu. Aus seiner Wut war eine Bewunderung geworden und er konnte noch immer nicht fassen, dass seine Worte, dass sein Geständnis offensichtlich etwas bewirkt hatten. Die Stimmung in der großen Halle war wechselartig. Besonders die Schüler aus Muggelfamilien schienen wenig Probleme mit dieser Situation zu haben, doch in den traditionell reinblütigen Familien war Entsetzen und Ekel zu spüren. Die beiden Männer hinter Pansy waren etwas zurückgewichen, auch ihnen sah man die auftretende Übelkeit an. Gregory sagte etwas, das jedoch im Tumult unterging.

„Nein, Pansy! Das einzig abartige hier bist du! Das hier ist das Leben! Vielfältig, frei und immer bereit die eigenen Grenzen und Gesetze zu brechen! Das hier ist nicht abartig, das bist du ganz allein!“ Seine Stimme quoll ein letztes Mal über vor Stolz und Selbstbewusstsein. Ganz offensichtlich hatte sich das Spiel gegen die Slytherin gewendet und nun stand sie allein mit ihren beiden Begleitern da. Natürlich würde es nicht einfach werden, natürlich würde das für all diejenigen, die sich hier zu Wort gemeldet hatten, noch ein Nachspiel geben, aber sie hatten dieses elende Miststück in ihre Schranken gewiesen!
 

Eine weitere Lektion lernte Harry an diesem Abend! Sein Blut begann gerade wieder voller Euphorie zu kochen, seine Brust füllte sich mit Stolz und Überheblichkeit, als er etwas am Rande seines Blickfeldes bemerkte. Erstaunt hob er den Blick und sah zum Eingang hinüber. Das ihm seine Gesichtszüge entglitten, konnte er nicht verhindern. Sein Mund stand leicht offen und alle Farbe wich aus dem bisher so geröteten Gesicht. An diesem Abend lernte Harry die Gefahr, die von diesem euphorisch berauschenden Gefühl ausging; es verschwand ebenso schnell, wie es kam, und dann ließ es nur noch eine eiskalte, grausame Leere zurück!

„Welch tiefgreifende Worte, Mr. Potter!“ Schnarrte die kalte Stimme von Severus Snape. Bei Merlin, hätte nicht irgendein anderer Lehrer hier auftauchen können? Musste es unbedingt Snape sein? Da stand er, leicht auf seinen schwarzen Gehstock mit silbernen Knauf gestützt, die schwarzen Augen funkelten kalt zu ihm hinüber und der Boden schien sich unter Harry aufzutun. Es war das gleiche Gefühl, welches er schon an diesem Morgen verspürte, an diesem schrecklichen, alles verändernden Morgen, an dem er Dracos Brief in Händen hielt. Jede Kraft schien aus seinem Körper zu weichen, die Kälte hüllte ihn ein, fraß sich von innen durch seine Seele und raubte ihm jeden Gedanken. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins begriff er, wie die Unruhe sofort erstarb und er hörte Pansys Stimme, die mit Snape sprach.

Lass dich nicht verwirren!

Kapitel 8

Lass dich nicht verwirren!
 

„Haben Sie das gehört, Professor?“ Diese Worte hallten in seinem Verstand nach, ihre Bedeutung blieb ihm aber fern. Noch immer sah der Gryffindor in das helle Gesicht mit der kantigen Nase. Was konnte er sich vorwerfen? Was hatte Pansy wirklich gegen ihn in der Hand? Konnte sie Snape etwas zuspielen, damit dieser ihm dann daraus einen Strick drehen konnte? Wie viele Punkte konnte das sein Haus kosten? „Potter hat mich ohne Grund beleidigt und er treibt es offenbar…“ Doch Pansy brach ab, als sie die erhobene Hand des Lehrers bemerkte. Langsam wanderten die schwarzen Augen von Harrys bleichem Gesicht zu dem ihren und einen Moment schwieg Snape. „Es spielt keine Rolle, welcher Meinung Mr. Potter ist. Solange keine Regeln übertreten wurden, werden Sie ihre kindlichen Streitereien alleine klären, Miss Parkison.“ Kein Gefühl schien in diesen Worten zu liegen, keine Überheblichkeit und kein Stolz. „Ich denke, es wird Zeit die Schlafsäle aufzusuchen.“ Es war keine Bitte, die Snape aussprach und bevor diese Anweisung noch gänzlich ausgesprochen war, begannen die ersten Schüler ihre Sachen zusammen zu packen.

Für einen Moment setzten seine Gedanken aus. Kam er hier gerade mit einem blauen Auge davon? Interessierte es Snape nicht, weswegen er das alles gesagt hatte? Ober hatte der Professor mehr gehört, als ihm lieb war? Die letzten Gespräche hatten nicht unbedingt den Hintergrund dazu preisgegeben. Vielleicht hatte er ja Glück, vielleicht hatten sie alle Glück und es würde kein Nachspiel geben.
 

Die Patil Schwestern nutzen diese Chance und flüchteten als erstes. Thomas wollte ihnen schon nachsetzen, als sein Bruder ihn aufhielt und mit einem Kopfnicken auf ihre Bücher deutete. Maria hingegen hatte ihre schnell zusammen und eilte mit den in Bewegung kommenden Massen hinaus aus der großen Halle. Ginny stand noch immer da, bleich und verwirrt, aufgebracht und angewidert. Nur schwer löste sich ihr Blick von Harry und dann fokussierte sie Blaise. Unfähig diese Situation klar zu reflektieren und ihre Gefühle zu ordnen, wankte sie zwischen ihren Empfindungen wie ein Tänzer auf glühenden Kohlen. Aus ihrer Hilflosigkeit entstand ein Zorn, der sie aus ihrer Starre befreite. Wut begann in ihren Augen zu funkeln und mit einer energischen Bewegung sammelte sie alles zusammen, was ihr gehörte. „Das verzeihe ich dir nicht, Zabini!“ Fauchte sie aufgebracht und stieß ihn im Vorbeigehen heftig mit der Schulter an.
 

„Hey, was soll das?“ Rief ihr nun ihr Bruder hinterher und Hermine meinte nur beruhigen, dass Ron sie einfach lassen sollte. Nachdenklich strich sich Luna einige nicht existierende Falten aus dem Rock und blickte ihr kurz nach. Dann wanderten diese verträumten Augen mit einem sanften Ausdruck zu Blaise. Kurz wirkte sie mitleidig und doch war da ein Lächeln auf ihren Lippen. „Sie hat dich zumindest nicht in einen Frosch verwandelt.“ Neville, der endlich seinen Zauberstarb verstaute, sah sie erstaunt an und mit einem plötzlich auftretenden Grübeln legte sie die Stirn in Falten. „Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie es nicht noch machen wird. Ihr hättet sie schließlich vorwarnen können.“ Noch immer irritiert nahm der angeschlagene Schüler die Bücher seiner Freundin und seine eigenen vom Sofa herunter und fragte nach, was sie denn damit meinte. „Ginny ist in Harry verliebt. Das war doch offensichtlich. Es war wirklich kein feiner Zug von ihm, dass er ihr nie etwas gesagt hat.“ Ron prustete entsetzt bei ihren Worten und auch Neville wirkte überrascht. „Meine Schwester steht auf… auf… seit wann?“ Entfuhr es dem Rothaarigen und Hermine rollte die Augen.

„Wir sollten jetzt lieber gehen oder wollt ihr wirklich noch einmal von Professor Snape darum gebeten werden?“ Meinte die brünette Hexe streng. Dieses Argument zog und schnell sammelte Ron auch die Bücher seines besten Freundes ein. Na, wenigstens war er nicht der einzige Kerl, der nichts von der Liebe seiner Schwester mitbekommen hatte.
 

„Warte, Ginny , ich…“ Wollte Harry noch sagen, doch sie riss sich aus seinem Griff frei und fuhr wütend herum. „Du wirst und tust gar nichts, Potter!“ Schrie sie ihn feurig an und ihr ganzer Körper bebte. Mit dem linken Arm presste sie die Bücher an ihre Brust, die rechte Hand war zur Faust geballt. „Jetzt begreife ich auch, warum du nie auf mich reagiert hast. Wahrscheinlich war ich zu dumm und zu unauffällig zwischen all den anderen Weibern! Oder warte, es geht gar nicht um mich, ich war nur zu unbedeutend neben dem angeblich so guten Sex mit Zabini!“ Das hatte gesessen und Ginny schien ihren Erfolg zu bemerken. „Du bist ein Scheißkerl, Harry, und ich dumme Gans komme noch auf die Idee, dass du etwas Besonderes wärst!“ Diese Worte waren leiser gesprochen, doch noch immer war der Schmerz in ihrer Stimme zu hören. Mit einer unglaublichen Eleganz drehte sich die heranwachsende Frau um, ihr roter Zopf flog über die Schulter und mit schnellen Schritten eilte sie mit den anderen Schülern hinaus. Mittlerweile war beinahe der halbe Raum leer, die meisten hatten nur alles zusammengerafft und waren dann so schnell wie möglich zum Eingang geeilt.

Die schwarze Augenbraue des Lehrers hob sich verdächtig und Harry sank unter dem kalten, durchdringenden Blick noch etwas in sich zusammen. Klasse, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Jetzt hatte er Ginny wirklich wütend gemacht und er konnte sich gut vorstellen, dass Ron ihm gleich auch noch die Leviten lesen würde. Wenn nicht er, dann sicher Hermine. Davon einmal abgesehen, dass nun sein schlechtes Gewissen einer anderen Person gegenüber wie ein ganzes Gebirge auf seine Seele zu drücken begann. Nein, was dachte er da? Er wusste ja nicht einmal, ob er diesen Kerl je wieder sehen würde, warum also sollte er sich ihm gegenüber rechtfertigen? Zuerst würde er sich seinen Freunden gegenüber verteidigen dürfen.
 

Kaum hatte er das gedacht, als er die Moor Brüder an sich vorbei gehen sah und die Stimme seiner besten Freundin hörte. „Wir reden später. Lass uns gehen.“ Zischte sie etwas zickig und der schwarzhaarige Gryffindor ahnte, warum sie so angefahren war. Allerdings hätte Ginny auch über die ganze Zeit langsam begreifen können, dass er kein Interesse an ihr hatte. Wie lange versuchte sie nun schon seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Innerlich war er unentschlossen, ob er sauer auf sie war oder eher auf sich selbst. Vielleicht hätte er es ihr einfach sagen sollen, vielleicht hätte er ihr deutlich klar machen sollen, dass er nichts von ihr wollte. Aber wie blind stellte sich dieses sonst so intelligente Mädchen denn bitte an?

Mit einem Seufzen nickte er ansonsten schweigend und folgte Hermine. Nur kurz wagte er einen Blick zu Ron, der ihn mit großen, fragenden Augen anstarrte. Anscheinend war Ron bis eben nicht klar gewesen, dass seine Schwester etwas von ihm wollte. Verlegen drehte er den Kopf wieder nach vorne, mit Blaise würde er wohl erst Morgen sprechen können. Ob sie alle sauer auf ihn waren? Er hatte versucht zu helfen und irgendwie war alles anders gekommen. Nein, er musste sich nicht für das schämen, was er getan hatte!

Es war gut gewesen! Dachte der Schwarzhaarige mit dem Anflug eines Lächelns, als er den finsteren Blick von Pansy Parkinson erkannte. Sie wirkte wütend, vor allem enttäuscht und verletzt. Genau so wollte er es haben! Genau das wollte er erreichen. … Langsam wurde ihm bewusst, dass es ihm nicht direkt darum ging Blaise zu helfen. Er wollte Pansy ein für alle Mal das M… ja, das Maul stopfen und er hoffte, dass er dieses nun endlich erreicht hatte! Es ging nicht nur um Gerechtigkeit, dieses tiefe, dunkle Gefühl, welches seine Gedanken beherrschte und seinen Blick so klar werden ließ, hatte sie vernichten wollen.
 

Jetzt fühlte es sich seltsam an und der Schwarzhaarige fragte sich, ob es gut war. Woher stammte dieses seltsame Gefühl, diese dunkle, boshafte Empfindung? Nachdenklich blieb er stehen und drehte sich um. Sein Blick schweifte über die leeren Sitzgruppen, nur noch wenige Schüler rafften ihre Schulbücher und Federn zusammen, um dann wie panisch mit langen, schnellen Schritten von ihren Plätzen zu fliehen. Vielleicht kannten die jungen Schüler Snape als einen akzeptablen Lehrer, aber alle hier Anwesenden hatten ihn als grausam, arrogant und gnadenlos kennengelernt. Keiner wollte länger bleiben, als ihnen lieb war. Besonders die Zeit, in der Snape Schulleiter gewesen war, hatte sie alle geprägt.

„Harry!“ Hörte er Hermines Stimme, die schon am Eingang stand. Offensichtlich war ihr erst jetzt aufgefallen, dass ihr Freund stehen geblieben war. Erschrocken zuckte er und drehte sich auf der Stelle zu ihr um. Er sollte sich wirklich beeilen, bevor der Kerl noch auf die Idee kam…

„Mr. Potter, Sie werden noch einen Moment bleiben!“ Da waren sie, die kalten Worte, die er nicht hören wollte. Kurz setzte sein Herz aus und er bemerkte das Entsetzen auf dem Gesicht der brünetten Hexe. Auch ihm selbst war mulmig zu Mute, doch was sollte Snape schon machen? Er konnte ihm Punkte abziehen, vielleicht eine Strafarbeit aufbrummen, aber mehr auch nicht. Diese Selbstsuggestion half ein wenig und mit einem leichten Lächeln und einer auffordernden Handbewegung machte er seinen Freunden klar, dass sie schon gehen sollten. Er musste nur ein paar einfache Regeln beachten: Nicht frech sein. Snape nichts zuspielen und ihm nicht ins Wort fallen.
 

Er würde sich sicher nicht entschuldigen, aber es war auch keine gute Idee Pansy vor ihm bloßzustellen. Vielleicht konnte er es ruhig erklären und deutlich machen, dass er nur Blaise helfen wollte. Mehr musste er ja nicht tun oder?

All diese Gedanken kamen ihm, während er das helle, kantige Gesicht des Lehrers musterte. Die letzten beiden Schüler hörte Harry an sich vorbei laufen und schnell rannten sie aus dem großen Gemeinschaftsraum. So schnell war er noch nie leer gewesen. Kurz warf er einen Blick hinter ihnen her, nur um Pansy zu entdecken, die noch immer am Eingang stand und ihn mit lauerndem Blick betrachtete. Sie schien wie ein hungriger Drache, der von seiner Verletzung noch nicht ganz erholt, nach Rache dürstete. Nein, sein Ziel hatte er anscheinend noch nicht erreicht. So schnell würde sie nicht aufgeben.
 

Die Tür fiel zu, als wäre sie auf einen stillen Wink hin geschlossen worden. Langsam hob Harry den Blick und fixierte wieder die dunklen Augen des Lehrers. Anscheinend war er es gewesen, denn dieser ließ gerade seine Hand sinken, die sich nun über die andere legte. Er stützte sich nicht direkt auf den Gehstock, doch beide Hände waren darüber zum Ruhen gekommen, als wäre er ein Teil dieses Mannes. Der silberne Knauf hatte den Kopf einer Schlange, erst jetzt fiel dem Gryffindor auf, dass sich diese in der selben Farbe um den gesamten, schwarzen Stock schlang. War sie schon immer dort gewesen? Der silberne Körper war doch auffällig, er musste sie vorher schon gesehen haben.

Wieder hob er den Blick, der von den dunklen Augen über die Handbewegung bis zum Stock gelenkt worden war. Was dachte Snape? Keine Regung stand in seinen Augen, in seinem Gesicht konnte er nichts ablesen. Er wirkte so angespannt und irgendwann musste er doch etwas sagen. Oder wartete der Lehrer darauf, dass er sich zu rechtfertigen begann? Wieder schlug sein Herz vor Aufregung schneller, dieses Schweigen erfüllte die gesamte Halle. Was erwartete Snape von ihm? Speichel sammelte sich in seinem Mund, Schweiß begann seine Handinnenflächen zu bedecken. Aber wie sollte er beginnen? War der Mann noch am Leben? Nicht einmal die Atmung schien zu beobachten zu sein, klein Blinzeln unterbrach den Blick des ehemaligen Slytherin. Harry musste schlucken, als der Speichel in seinem Mund Überhand nahm und versuchte sich seine aufkommende Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
 

„Was?“ Entkam es ihm, als der Schwarzhaarige sich einfach umdrehte und zu gehen schien. Wie vor den Kopf gestoßen stand Harry da, starrte auf den schmalen Rücken von Severus Snape, der nun beinahe an der Tür angekommen war. Das Aufschlagen seines Stockes bei jedem Schritt klang wie ein Donnern von den Wänden des Raumes wider und ließ den Gryffindor in einer Trance verschwinden. Ließ ihn Snape jetzt ohne ein weiteres Wort stehen? Warum sollte er dann bleiben?

„Warten Sie!“ Hörte er die eigene Stimme rufen und dann hielt der schlanke Mann vor ihm inne. Kurz blinzelte Harry, warte, warum hatte er das getan? Wenn der Kerl einfach wieder gehen wollte, war das doch gut! Warum hielt er ihn zurück? „Was sollte das alles? Warum sollte ich bleiben, wenn sie doch nichts sagen?“ Wieder hatte er schneller gesprochen, als seine gerade trägen Gedanken nachvollziehen konnten.
 

Als nähme er alles besonders langsam wahr, beobachtete er die Drehung des schlanken Körpers. Jetzt hatte er ihn wirklich aufgehalten! Sein Herz sank mit diesem Gedanken tief in seinen Magen und jeder Mut floh aus dem 18 jährigen Schüler. Die Kehle war trocken, zu viel hatte er schon hinaus posaunt und auch der sich erneut ansammelnde Speichel in seinem Mund machte es nicht besser.

„Ich wollte nur sicher gehen, dass James Potter dort ist, wo er hingehört. Verrottend, tief unter der Erde!“ Wie ein Schlag trafen ihn diese Worte und die kalte Stimme hallte in seinen Ohren wider. Da war kein Stolz in ihr, nur diese Kälte, die keine Regung, keine Empfindung zuließ. Unglaube machte sich in Harry breit und er fragte sich, ob er vielleicht träumte. Hatte er das wirklich gehört? Hatte Severus Snape gerade über seinen Vater gesprochen? Wie viele James Potters mochte es geben? Gab es überhaupt eine Chance, dass es nicht sein Vater war? Wieder schluckte er, starrte ihn voller Entsetzen an, unfähig zu reagieren.

Wieder drehte sich der Mann zur Tür und wieder verstand er erst seine gesprochenen Worte, als sie in den heißen Ohren widerhallten. „Warum hassen Sie meinen Vater so?“ Wollte er das wirklich wissen? Bilder aus den Übungen mit Snape kamen ihm blitzartig in den trüben Verstand und er hörte die Stimme seines Vaters. Schnifelus… er hatte den Lehrer anscheinend als sein Lieblingsopfer angesehen. Noch immer wie in einer Trance gefangen trat er zwei Schritte vor, streckte die Hand aus und sah ihn mit diesem bleichen Gesicht und den vor Verlegenheit glühenden Wangen an. „Das ist die falsche Frage, nicht wahr?“ Begann er leise und hatte das Gefühl auf dünnem Eis zu stehen. Dennoch arbeitete etwas in seinem Unterbewusstsein, welches gänzlich seiner Kontrolle entkam. „Warum hat mein Vater Sie so gehasst? Das ist die richtige Frage oder? Das ist der Grund, warum ich hier bleiben sollte, nicht wahr?“ Langsam schien jedes Wort zu schmerzen, seinen Empfindungen nach stand er neben sich, als kontrolleierte jemand anderes seine Worte, seine Handlungen.
 

„Wollen Sie die Wahrheit wirklich wissen?“ Fragte die kalte Stimme, doch nun schien da noch etwas in ihr zu sein. Harry konnte es nicht deuten, noch immer drehte der Mann ihm den Rücken zu, stützte sich nun sichtbar auf seine Gehhilfe. Bewegte sich die Schlange an dem schwarzen Stock? Für einen Moment hätte es Harry geglaubt. „Ja.“ Nein! Nein! Panik brach in seinen Gefühlen aus und wie ein Alarmsystem brannte das Wort Gefahr in seinem Verstand auf. Er durfte nicht weiter fragen, er musste gehen, er musste das hier abbrechen! Er wollte die Wahrheit nicht hören.

Was auch immer in diesen dunklen Augen zu lesen war, es berührte sein Herz so tief, dass kein weiterer Gedanke mehr in seinem Bewusstsein manifestiert wurde. Es war kein Schmerz, es war keine Angst, keine Resignation, es war kein Mitleid, kein Stolz, keine Liebe, keine Verachtung, kein Missfallen, kein Ekel, keine Ablehnung… kein Hass…

Es war eine Erinnerung… es war der Nachhall alter Gefühle, die lange nicht mehr aus den Tiefen dieser dunklen Seele hervor gekommen waren. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er das Feingefühl seiner Mutter, jenes Einfühlungsvermögen, mit dem Lily ihren Mann immer zu den richtigen Entscheidungen führte. Dieses Mitgefühl, welches damals bei Severus versagte. Ruhig klang seine eigene Stimme und kurz leckte er sich über die trockenen Lippen. „Sie haben mir immer gesagt, dass mein Vater nicht der glorreiche Held war, der begnadete Zauberer, den seine Freunde in ihm gesehen haben. Das war er nicht Ihnen gegenüber. Diese Szene, die ich nicht sehen sollte, war nicht die einzige, es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass er so etwas getan hat oder?“
 

„Seit wann haben Sie Ihre Begriffsstutzigkeit abgelegt, Mr. Potter? Sie wollen doch nicht auf die letzten Wochen Ihrer Zeit in Hogwarts Ihrer Mutter Ehre bereiten?“ Snape stand dort, aufrecht, selbstsicher und seine Stimme klang fest. Nur in den dunklen Augen blieb dieser undeutbare Nachhall alter Empfindungen. Wieder legte er die Hände ruhig übereinander, wieder hatte Harry den Eindruck, die Schlange hätte sich bewegt. Snape würde ihm nicht einfach antworten, ganz offensichtlich musste er sich die einzelnen Bruchstücke zusammen setzen und sich an den kleinen Splittern in den schroffen, kalten Aussagen entlang hangeln.

Lily wurde ihm nie als besonders Intelligent beschrieben. Nun, sie war sicher nicht dumm, aber das war nicht die Eigenschaft, die bei ihr als erstes genannt wurde. Er hatte sich seine Mutter immer sehr liebevoll und führsorglich vorgestellt, einfühlsam und doch auch dickköpfig und durchsetzungsfähig. „Sie war nicht so wie mein Vater. Meine Mutter haben sie gemocht.“ Schlussfolgerte Harry, unsicher, wie weit er gehen konnte.
 

„Ich kannte sie schon vor dem Schulbeginn. Sie und ihre grauenhafte Schwester Petunia lebten in der Nähe.“ Snape war in der Nähe seiner Mutter großgeworden? Sie waren vielleicht sogar zusammen aufgewachsen? „Sie waren befreundet.“ Stellte Harry fest und hätte sich am liebsten auf die Lippe gebissen, als er diese Worte so offen hörte. Vielleicht hätte er das anders ausdrücken sollen. Kurz flackerte etwas in den dunklen Augen auf und Angst schoss durch die Seele des Gryffindors. Was wäre, wenn er jetzt jede Chance auf eine Antwort vertan hatte?

„Ja.“ Sehr kurz, aber eine Antwort! Dachte Harry erleichtert. „Sie wuchs bei Muggeln auf und wusste nichts über die Zaubererwelt, in die sie gehörte. Offensichtlich sah ihre abartige Schwester in ihr ein Monster.“ Mehr musste er nicht erklären, die Abscheu in der Stimme war deutlich und kurz lächelte der 18 Jährige. „Das ist Petunia! Sie ist das Monster und noch immer abscheulich.“ In der eintretenden Stille spürte Harry zum ersten Mal eine Verbundenheit mit diesem Mann. Sie beide hassten die Frau, die Lily und dann ihrem Sohn das Leben zur Hölle gemacht hatte.
 

Plötzlich blitze ein Gedanke in seinem Verstand auf, den er nicht verdrängen konnte. „Sie haben meine Mutter geliebt!“ Stieß er hervor, ohne es verhindern zu können. Erstaunen breitete sich auf seinem Gesicht aus und als er das Nicken sah, welches die einzige Reaktion auf seine Feststellung darstellte. Heiß brannte diese Erkenntnis in seinem Blut und ein tosendes Rauschen erfüllte seine Ohren. Diese Bestätigung ließ alle offenen Puzzlestücke wie von Geisterhand zu einem einzigen Bild werden und der Gryffindor wankte zurück. „Darum hat mein Vater sie gehasst. Sie beide haben die gleiche Frau geliebt!“ Stieß er erneut hervor, seine Gefühle waren in Aufruhr gebracht, Erstaunen, Entsetzen, Verwirrung balgten sich mit Verständnislosigkeit, einem Hauch von Wut und irgendwie einer gewaltigen Enttäuschung seinem Vater gegenüber.

Noch ein weiterer Gedanke entkam diesem Chaos und stieg in sein Blickfeld. „Warum wusste niemand etwas davon? Hätten nicht wenigstens seine besten Freunde… ich meine, es hat mir nie jemand etwas gesagt…“ Seine Stimme klang brüchig und wankend. Verlegenheit breitete sich in den grünen Augen aus und Harry fuhr sich mit der flachen Hand über den Nacken.
 

„Warum sollten sie?“ War die erste, den 18 Jährigen sehr überraschende Reaktion. „James konnte mich von Anfang an nicht leiden. Er hielt Lily immer vor, wie sie sich bitte mit einem Slytherin abgeben konnte. Erst später begann er sich in sie zu verlieben und hat es nicht einmal begriffen. Um mich gegen ihn zu wehren, habe ich mich meinem Haus angeschlossen. Es war meine Schuld, im fünften Jahr beging ich einen Fehler, den sie mir nie verziehen hat. Nur James verstand, warum ich es getan hatte und ab diesem Moment war es Hass, den er mir gegenüber hegte. Nun hatte er eine Begründung für sein Handeln.“ Wann war der Mann je so ehrlich zu ihm gewesen? Aus den Tiefen seiner Erinnerung kam etwas hervor, welches ihm Remus einmal erzählt hatte. „Schlammblut. Sie haben meine Mutter damals Schlammblut genannt…“ Flüsterte Harry und spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.

Er musste an Draco und sich selbst denken. Seit sie sich kannten versuchten sie einander zu schaden. Natürlich war es zu Anfang von dem Slytherin ausgegangen, aber war er besser? Wann hatte er begonnen jede Situation zu nutzen, um dem Blonden eins auszuwischen? Wie konnte er seinem Vater gegenüber vorwurfsvoll sein, wenn er sich ebenso egoistisch und selbstverliebt benahm?
 

„James hat es tunlichst vermieden irgendjemandem zu sagen, weshalb er mich hasste. Er baute darauf, dass der Druck aus meinen eigenen Reihen ausreichen würde, um ihr niemals die Wahrheit zu sagen. So wie er ihr unsere Freundschaft vorwarf, so wurde sie mir von den Slytherin vorgeworfen. An diesem Tag hatten sie einen grausamen Plan vorbereitet und ich wusste, dass Lily ihnen in die Falle gehen würde. Also brachte ich sie dazu den Abend wütend und vielleicht auch weinend mit ihrer besten Freundin im Gemeinschaftsraum zu verbringen und so den Zeitraum für die erfolgreiche Umsetzung der Falle ablaufen zu lassen.“

Noch immer aufgewühlt hörte er diese Worte und begriff noch etwas anderes. Es war der gleiche Trick, den der Lehrer Jahrzehnten später erneut nutzte. Er tat etwas Böses, um etwas wahrhaft Grausames zu verhindern. Nun schienen auch alle anderen Puzzleteile ihren Platz zu finden und leise fragte Harry nach, seine eigene Stimme kaum hörend. „Sie sind damals wegen ihr zum Todesser geworden?“ Nun konnte er nicht mehr in die dunklen Augen sehen, er fühlte sich wie ein dummes Kind. All die Jahre hatte er nur den eingebildeten, arroganten Mann in ihm gesehen, dem zu misstrauen war. Zweifel an sich oder seinem Vater hatte er in diesem Punkt nie zu gelassen. Dabei hatte er in so vielen anderen Bereichen so oft an sich selbst gezweifelt.
 

„Erfolglos. Sie wollte ich beschützen und doch kam ich zu spät. Manche Augenblicke im Leben werden niemals vergessen. Sie bleiben und wenn der Geruch von verbranntem Holz und gebrochenem Stein in der Luft liegt, dann kriechen sie aus den Erinnerungen und schleifen all die Empfindungen mit sich.“

Noch immer konnte der 18 Jährige nicht aufsehen, der Klang in der Stimme war zu gewaltig. Wie ein leichter Geruch in der Luft, der nur eine Spur, nur einen Hauch darstellt, aber so intensiv ist, dass er alles andere verdrängt. Genau ein solcher Ton befand sich in der Stimme des Lehrers und Harry verstand, dass Snape damals dort gewesen war. Er hatte die Frau, die er liebte, tot in den Trümmern ihres Hauses gefunden, welches sie mit dem Mann erbaute, den er hasste.

Jetzt verstand er auch die Geste, die Art, wie dieser Mann Voldemort umgebracht hatte. Nicht mit einem Zauber, nicht weit entfernt, sondern direkt, nah, mit eigenen Händen, mit einer Klingen, die er ihm direkt in sein trockenes Fleisch stoßen konnte, um in jeder Faser des eigenen Körpers die Gegenwehr der zu durchstoßenden Organe zu spüren. Nun verstand er sogar die Wandlung, diese seltsame Art von Freiheit, die er an Snape beobachtet hatte. Jetzt verstand er die Offenheit, mit der dieser nun zu ihm sprach. Es war der Wunsch die letzte Kette zu brechen, die ihn noch an die Dunkelheit seines alten Lebens band.
 

„Zeit Ihres Lebens habe ich gehofft, dass Sie mehr nach Ihrer Mutter kommen, als nach Ihrem Vater. Ihr Andenken zu erhalten war die Aufgabe, die ich mir selbst auferlegte.“ Kurz ließ er diese Worte wirken und endlich fand Harry den Mut seinen Blick zu heben. Was er nun sah, zerriss sein Herz in schmerzende Splitter. Da war ein Hauch von Zuneigung, eine Sanftheit, die sich allein in den dunklen Augen widerspiegelt und die niemand von ihnen je aussprechen würde. Snape war nie sein Feind gewesen!

„Du bist nicht wie dein Vater, du nutzt nur die Gaben, die er dir schenkte und aus denen er einen Fluch schuf. Er hätte nie seinen Ruf riskiert, um einen Slytherin zu helfen. Er hätte ihn nicht einmal als Freund anerkannt, wenn es sein eigener Bruder gewesen wäre. Auch wenn ich nichts über seine guten Seiten zu berichten weiß, bist du ihm weit überlegen, denn du nutzt die Dunkelheit in dir, um zu beschützen und das Dunkel zu zerstören.“ Harry schluckt, er konnte nichts darauf erwidern. Seine Knie begannen zu zittern. Woher konnte dieser Mann das alles wissen? Woher kannte er die Gefühle, die in ihm erst heute wieder erwacht waren und die ihn in der Vergangenheit vorher schon heimgesucht hatten? Woher kannte er die Dunkelheit, die sich erst vor kurzen hier in diesem Raum gegen Pansy gestellt hatte, um sie zu verschlingen?
 

„Sie ist ein Teil von dir, es wird leichter, wenn du sie akzeptierst.“ Ein Teil in ihm wollte den Mann aufhalten, der sich nun von ihm abwand. Snape wollte gehen und wieder klang das Aufschlagen des Holzstabes wie ein lautes Donnern in dem leeren Raum wieder. Es erfüllte Harry, hielt ihm die Leere seiner eigenen Seele vor, wie ein ausgebranntes Haus erschien der träge Verstand, in dem nichts arbeitete. Zu keiner weiteren Reaktion war er fähig, alles hatte sich in nur einem einzigen Gespräch geändert. Sie alle… sie alle schienen ein Geheimnis zu tragen und wenn sie es preis gaben, dann war die Welt eine andere!

„Deine Mutter war eine besondere Frau! Ihr Verlust hat diese Welt schwer getroffen, vergiss das nie!“ Dumpf hallten diese Worte in seinem Kopf wider, als die Tür in ihr Schloss fiel. Er war fort! Er war gegangen! Panik brach in seinem Verstand aus und er wusste nicht, woher sie kam. Sein Körper begann zu beben, zu zittern, seine Brust brannte, als wütete ein Feuer in ihr. Jede Kraft fehlte ihm, er wollte Snape nach, er wollte ihn festhalten, er wollte jetzt nicht alleine sein… nicht schon wieder!
 

Luft! Panisch schnappte er nach ihr und endlich begriff er, was diese Angst in ihm ausgelöst hatte. Jede Regung war zum Stillstand gekommen und Schweiß brach aus. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte er nach Luft und so füllten sich die brennenden Lungen mit dem sehnlich erwarteten Sauerstoff. Er hatte aufgehört zu atmen! Das wollte ihm sein Verstand sagen! Atmen!

Mit weit aufgerissenen Augen wankte er zur Seite, stolperte leicht und konnte nicht mehr sagen, wann er am Fenster angekommen war. Sie alle standen offen, kleine Haken hielten sie in ihrer Position und mit beiden Händen ließ er sich auf das Kissen sinken, welches auf der breiten Fensterbank lag. Luft! Er brauchte Luft!
 

Wie lange er dort gesessen hatte, bis der Schmerz in seiner Brust nachließ, wusste er nicht. Alles hatte sich verändert, er selbst hatte sich verändert. Lange schon starrten die grünen Augen in die Spiegelung des Fensters und er betrachtete sein sonnengebräuntes Gesicht. Auch seine Gedanken hatten sich wieder beruhigt und er konnte etwas klarer über all das nachdenken, was hier geschehen war.

Eine Aussage blitze wieder auf und er musste an die Slytherins denken. Draco, der hinter seiner Fassade aus Stolz und Überheblichkeit so viele Gefühle und so viel Verstand versteckte. Blaise, der humorvoll und hilfsbereit sein konnte, wenn er seine Arroganz vergaß und sich gelegentlich in seinen Mimosenhaften Nörgeleien verlor. Ja, und schlussendlich Severus Snape… der Mann, der Lily Potter geliebt hatte und offenbar nicht sein Feind war. Was bedeutete es ein Slytherin zu sein? Blaise meinte immer, dass er selbst hätte einer sein können und jetzt verstand Harry auch warum.

Nachdenklich betrachtete er seine Hände und erinnerte sich an die Geschehnisse im ersten Schuljahr. Sie war schon immer da gewesen. Diese Dunkelheit war schon immer da gewesen. Er hatte den Mann getötet, der ihn töten wollte. Er hatte es bewusste getan! Vielleicht war er seiner Intuition gefolgt, aber er hatte sich in diesem Moment bewusst dafür entschieden, als ihm die Auswirkungen seiner Tat klar wurden. Sein Leben oder das dieses Mannes. Er hatte keine weitere Sekunde gezögert.
 

Immer mehr Moment fielen ihm ein, in denen sein Handeln so eindeutig gewesen war, doch er wollte es nie erkennen. Es hatte ihm immer das Leben gerettet, es hatte ihn schlussendlich an den Punkt geführt, an dem er heute war. Es hatte ihn dazu gebracht seinen Freund zu beschützen. Es hatte ihm die Möglichkeit gegeben seinen Freund zu beschützen.

Wer sein Vater wohl war? Remus und Sirius hatten immer in großer Begeisterung von ihm gesprochen und Snape mit immer ebensolch großem Hass. Die Wahrheit lag sicher dazwischen. James war sicher nicht zimperlich, direkt und sich für keinen Blödsinn zu schade. Gerne hätte er ihn gefragt, warum er den Slytherin von Anfang an gehasst hatte. Wer wusste schon, was geschehen wäre. Hätten die Häuser sich nicht so gehasst, dann wäre Severus Snape vielleicht immer noch ein Freund seiner Mutter. Wären sie alle ehrlicher zueinander gewesen, vielleicht wäre dann der sanftmütige Teil in dem Lehrer gewachsen, niemals so tief in seiner Seele begraben worden. Vielleicht wäre Snape dann ein ganz anderer Mensch… vielleicht wäre er ein anderer Mensch, wenn er bei seinen Eltern aufgewachsen wäre.
 

Der nachdenkliche Blick der grünen Augen schweifte über den schwarzen See, die Sonne war beinahe gänzlich untergegangen. Nur noch dunkelrote Schlieren erhellten den Himmel. Es musste sehr spät sein, immerhin war es mitten im Sommer. Ja, was wäre er wohl für ein Mensch geworden, wenn sein Vater noch leben würde? Mit einem Lächeln stellte er sich das Haus in Godric's Hollow vor. Ja, er wollte für einen Moment glauben, dass er nach diesen Ferien wieder da sein würde. Wieder in dem großen Garten, in dem sein Vater einen steinernen Grill aufgebaut hatte. Nur einmal wollte er sich einbilden, dass er das Knistern des Feuers hören konnte, das Lachen der Männer, die ihre Butterbierkrüge gegeneinander stießen. „Severus, irgendwie wirst du es nie lernen! Lass dich nicht immer von Tonks ausspielen!“ Lachte James, der sich mit dem linken Arm auf der Schulter von Sirius abstützte und grinsend den Bierkrug hob. Lily stand mit einem Tablett in der Tür, welches sie dem hageren Mann gerade reichte. Dieser erwiderte nichts, schob nur die rechte Augenbraue in die Höhe und stellte das mit Tellern und Besteck gefüllte Tablett auf den großen Tisch, um den sie alle saßen. Remus hatte seine Frau an sich gezogen, sie saßen auf der Bank vor der großen Fensterreihe, die die Wand zum Wohnzimmer darstellte. „Lass ihn doch, wenn er sich zu den Frauen zählt, die sich um das Essen kümmern, soll es mir recht sein!“ Scherzte Sirius und grinste zu seinem Patensohn, der nur den Kopf schüttelte.
 

Harry saß zufrieden mit seinem großen Krug in der Hand zurückgelehnt in seinem Stuhl und entschied sich dann doch anders. „Dann zähle ich mich mal lieber auch dazu.“ Meinte er plötzlich grinsend und stellte das Butterbier ab. Auf das aufkommende Lachen meinte Harry nur schulterzuckend. „Pluspunkte bei Mama sammeln ist immer gut. Sie ist die Köchin, sie weiß, wem sie das Beste gibt.“ Meinte er frech zu seinem Vater, der anerkennend seinen Krug hob. Der 17 Jährige verschwand durch die große Fenstertür in den kühlen Innebereich, um seiner Mutter in der Küche zu helfen.

„Um keine Antwort verlegen, der Kleine, was?“ Lachte Tonks und hob den Zauberstab, mit dessen Schwung sie die Teller verteilte. „Weißt du noch, was ich dir das letzte Mal zu deinen inadäquaten Aussagen mitgeteilt habe, James?“ Fragte nun Severus ruhig und da war ein so wissendes Lächeln auf seinen Lippen. Remus zog den Kopf ein. „Oh nein, dieses Lächeln bedeutet nichts Gutes.“ Gab er halblaut von sich und Tonks lachte wieder laut auf. „Ich weiß es noch!“ Der Angesprochene zuckte hingegen nur mit den Schultern. „Du sagst so viel, wenn der Tag lang ist. Woher soll ich das…“ Er brach ab, als sich Sirius neben ihm stark bewegte. Dieser beugte sich vorn über, presste die rechte Hand auf den Mund, die linke auf den Bauch.

„Alles in Or…“ Ein Schmerz zuckte durch seinen Körper und eine ekelerregende Übelkeit stieß in ihm auf. Wie unter Krämpfen zog sich sein Magen immer wieder zusammen und begann auf widerwärtige Weise seinen Magensaft die Speiseröhre wieder hinauf zu pressen. Nur einen Moment später sprangen beide Männer auf und stießen dabei ihre Stühle um. Lily schrak zurück, als sie gerade aus der Tür treten wollte. Die gemütliche Terrasse war von Tonks Lachen erfüllt und sie stampfte mit beiden Füßen auf den Boden. Tränen standen in ihren Augen und ihre Haare änderten unablässig die Farbe. Auch Remus konnte nur herzhaft lachen, denn sowohl James, wie auch sein bester Freund waren ins Haus gestürmt.
 

„Sev, was hast du getan?“ Rief sie vorwurfsvoll und trat nun auf die gepflasterte Terrasse, die mit einem Sonnensegel im Schatten lag. Dieser verschränkte nur locker die Arme vor der Brust und meinte gelassen. „Sie wollten sich beim Essen mit einem Meister der Zaubertränke anlegen!“ Entsetzen stand auf ihrem wunderschönen Gesicht, sie trug eine grüne Schürze und die rotbraunen Haare waren zu einem Zopf zusammengenommen. Ihr Sohn prustete vor Lachen und versuchte die zwei Schüsseln Salat nicht fallen zu lassen, die er trug. Tonks quietsche vor Vergnügen auf und schrie beinahe. „Und dann trinken sie auch noch Butterbier in deiner Nähe!“

So schnell wie möglich stellte Harry die beiden großen Salatschüsseln ab, Blattsalat mit Tomaten, Mais und Paprika, sowie ein Nudelsalat mit Fleischwurst. Tränen stiegen ihm in die Augen, die er wegzublinzeln versuchte. „Mum, sie sind gewarnt worden! Er hat sie wirklich gewarnt! Mehr als einmal!“ Meinte der Schüler und stützte sich auf den Tisch, während er sich mit der linken Hand die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. „Es gibt ja auch so wenig Zaubersprüche um zu prüfen, ob das Butterbier vergiftet wurde.“ Meinte Remus so ruhig er konnte, er hatte das nämlich vorsichtshalber gemacht. Wieder lachte Tonks auf, sie hatte das Spektakel ja erwartet. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis James und Sirius wieder ausfallend Severus gegenüber wurden. „Es ist jedes Mal das selbe mit euch!“ Beschwerte sich Lily tadelnd und konnte doch ein Lachen nicht verhindern. Gespielt aufgebracht stellte sie das zweite Tablett auf den Tisch und sah von Remus, zu ihrem Sohn und dann zu ihrem besten Freund. „Die beiden haben wirklich ihr Butterbier nicht überprüft? Du hast es ihnen doch auch noch eingeschenkt!“ Meinte sie kopfschüttelnd und grinste, während ihre wunderschönen, grünen Augen leuchteten.

Lass dich nicht belügen!

Kapitel 9

Lass dich nicht belügen!
 

Der kühle Wind strich über seine Wangen, die Dunkelheit hatte das gesamte Gelände des Schlosses eingenommen und müde ließ Harry seinen Blick über den dunklen Bereich fallen, in dem die Sterne schwach spiegelnd auf dem See reflektierten. Sie wirkten am dunklen Himmel wie verglühende, schwache Lichter, die jeden Moment zu erlöschen schienen. Er hatte sich aus dem großen Gemeinschaftsraum gestohlen und sich dann auf den hohen Astronomieturm verzogen. Auch wenn Hermine und Ron sicher auf ihn warten würden, aber heute konnte er nicht wieder zurück in den Gemeinschaftraum der Gryffindors und schon gar nicht in den Schlafsaal seiner Freunde. Mit einem Seufzen stellte er sich die Frage, wann er wieder zurück gehen würde, denn irgendwann sollte er auch schlafen. Hier oben war es nicht wirklich gemütlich und ausruhen konnte er sich auch nicht. Wieder seufzte er, die Arme hatte er auf die eisernen Stangen des Geländers gelegt und noch immer schwirrten ihm so viele Gedanken durch den Kopf. Er versuchte zu verstehen, was diese neuen Informationen für ihn bedeuteten. Spätestens Morgen musste er sich seinen Freunden und den anderen stellen. Wie würde es nun weiter gehen, niemand konnte etwas von dem zurück nehmen, was er gesagt hatte.
 

Der Tagtraum war schön gewesen, doch nun schämte er sich heimlich ein wenig dafür. Das war auf jeden Fall etwas, von dem er niemandem erzählen würde. Müde wischte er den Gedanken fort und konnte doch nicht verhindern, dass dieses warme Gefühl in seiner Brust blieb. Eine eigene Familie zu haben, eine Mutter, mit der er über all die Probleme sprechen konnte, das wäre wirklich schön. Ja, vielleicht hätte sie ihm jetzt einen Rat geben können, ihm sagen, dass alles einen Sinn machte und wie er jetzt am besten weiter machen konnte. Unter all den aufgewühlten Gefühlen kam diese Sehnsucht hervor, dieses unbeschreibliche Gefühl von einer Mutter in den Arm genommen zu werden, ihre Wärme zu spüren und ihre sanfte Stimme zu hören. Zumindest war es die Vorstellung, wie es sich anfühlen müsste. Vielleicht könnte er mit ihr auch über die Problematik mit Draco sprechen. Unsicherheit ergriff ihn und ließ das starke Herz in seiner Brust schneller schlagen. Irgendwie glaubte er nicht, dass er mit James hätte darüber sprechen können. Wäre Draco ein Mädchen, dann hätte ihm sein Vater sicher mit größter Freude zur Seite gestanden.
 

Müde richtete er sich auf, streckte seinen Rücken etwas durch, als er die Tür unter sich hörte. Jemand hatte den Turm betreten und schritt nun mit ruhigen, aber kraftvollen Schritten hinauf zur Plattform. „Wie geht es dir, Blaise?“ Fragte Harry ohne sich umzudrehen. Der Angesprochene hielt inne, er war gerade oben auf der Plattform angekommen und musterte aus seinen braunen Augen den Gryffindor. „Und wenn ich ein Lehrer gewesen wäre?“

Mit einem frechen Lächeln drehte sich Harry zu Blaise um, so versuchte er all die Zweifel und Fragen in seinem Kopf zu verbergen. Kurz musste er blinzeln, denn die vielen, kleinen Lichtquellen im Innenraum des Turmes, die ein schummriges Licht erzeugten, blendeten ihn nach der langen Dunkelheit etwas, in die er gestarrte hatte. „Dann wäre ich jetzt definitiv im Boden versunken oder hätte mich von dieser Brüstung gestürzt.“ Scherzte er nun und Blaise schüttelte den Kopf. „Welch ungünstige Ideen.“ Meinte er gelassen, jedoch mit einem gewissen Schmunzeln in der Stimme. Offenbar hatte sich der Slytherin auch noch nicht für die Nacht umgezogen. Während der dunkelhäutige Schüler näher kam, drehte sich Harry wieder zur Brüstung um. Seine müden Arme kamen erneut zum Ruhen auf der eisernen Stange und sein Blick schweifte hinaus zu den sanft glimmenden Sternen. Der kühle Wind strich über sein Gesicht und er hörte, wie er ein leises Geräusch in den vielen Winkeln des Daches und des offenen Turmes erzeugte.
 

Blaise stellte sich neben ihn und lehnte ebenso seine Arme auf das eiserne Geländer. „Woher wusstest du, dass ich es war?“ Fragte er nun direkt und Harry grinste breit, ohne seinen Freund anzusehen. „Einfaches Auswahlverfahren. Ron wüsste nicht, dass er mich hier suchen muss. Hermine hingegen würde nicht alleine her kommen, aber es hat nur einer den Raum betreten. Außerdem willst du jetzt sicher nicht in einem Schlafsaal mit deinen anderen Mitschülern sein oder?“ Vielleicht war es wie ein kleiner Wink des Schicksals, er wusste, dass er mit Blaise über vieles sprechen konnte, das ihm bei Hermine und Ron niemals über die Lippen kam. Vielleicht hatte seine Sehnsucht nach jemandem, der ihn verstand, nun eine Antwort erhalten.

„Das war eine gute Kombination, allerdings wüsste ich persönlich gerne, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Fehleinschätzung deinerseits gewesen wäre.“ Schmunzelte Blaise und blickte kurz in das sonnengebräunte Gesicht, welches im schummrigen Licht erstaunlich hell wirkte. „Um deine Frage nun endlich zu beantworten, es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ich bin immer noch aufgeregt, immerhin wird sich viel verändern. Die Slytherin meiden mich noch, als wäre ich vergiftet und allein eine Berührung mit mir tödlich. Dafür habe ich jetzt Viktoria kennen gelernt. Sie war die 19 Jährige Ravenclaw, der als erstes der Kragen geplatzt ist. Ich bin unglaublich beeindruckt von ihr, sie scheint extrem intelligent zu sein und wir haben offensichtlich einen passenden Humor.“
 

Das Grinsen wurde zu einem zufriedenen Lächeln und Harry nickte, als er dies hörte. „Sie meinte noch scherzhaft, dass wir im schlimmsten Fall einfach heiraten. Dann hat unser Haus zwei Schlafzimmer und jeder geht dem nach, was ihm gefällt. Nur Kinder wird es dann höchstens adoptiert geben.“ Lachte er und nun blickte der Gryffindor seinen Freund doch an. „Das war ihr Vorschlag?“ Auf das folgende Nicken meinte er nur Kopfschüttelnd. „Ihr habt wirklich einen passenden Humor.“

Nun blickten ihn die braunen Augen wissend an und der Schwarzhaarige wusste, welche Fragen ihn gleich ereilen würden. „Ist alles ok bei dir? Das du deine Zeit brauchst, habe ich ja erwartet, aber wir haben es mittlerweile weit nach Mitternacht.“

Kurz schluckte Harry und stellte sich die Frage, ob er seinem Freund gegenüber nicht einfach ehrlich sein konnte. Was sollte schon geschehen? Der aufkommende Kampf in seinem Herzen brachte irrsinnige Argumente vor, die er schlussendlich mit einer energischen, imaginären Handbewegung zur Seite schob und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht genau. Das Gespräch mit Snape war seltsam und ich habe nicht einmal Punkte abgezogen bekommen. Es ist nur so…“ Harry wusste nicht, wie er sein grundlegendes Problem erklären sollte. Wieder krochen diese dummen, wirren Ideen aus seinem Hinterkopf heraus und wollten ihm einen dicken Knoten in den Hals legen.
 

Einer inneren Rüge folgend sprach er einfach aus, was ihm als erstes durch den Kopf ging. „Ich habe das heute nicht getan, weil ich dir helfen wollte. Es ging mir nur darum Pansy…“ Er schluckte und starrte nun intensiver auf den dunklen Fleck, der den See darstellte. „… endlich die Klappe zu stopfen.“ Irgendwie schämte er sich für diese Formulierung, die ihm schon die ganze Zeit durch den Kopf ging. „So langsam verstehe ich, warum du mir immer sagst, dass ich ein guter Slytherin geworden wäre.“ Dass sein Schlucken nicht gehört wurde, war unmöglich. Das plötzliche, unwohle Gefühl in seiner Bauchgegend steigerte sich nun zu einem dumpfen Schmerz, der seinen Magen leicht zusammenzog. Natürlich wusste Blaise, dass er kein Heiliger war, aber die Sorge vor seiner Reaktion war dennoch deutlich.

„So.“ Dieses Wort… oder war es eher ein Ton? … kam so unerwartet, dass Harry den Blick wieder in das dunkle Gesicht richtete und seine grünen Augen trafen direkt die braunen Blaise. Der dunkelhäutige Schüler lächelte, etwas stand in seinem Blick, dass der Gryffindor nicht deuten konnte. „Das denkst du also über dich?“ Fragte Blaise endlich und bemerkte, wie der 18 Jährige ihn erstaunt und verwirrt anblickte. „Was meinst du damit?“ Fragte er direkt und richtete sich aufmerksam auf.
 

„Der Impuls, aus dem wir etwas beginnen, ist nicht immer der alleinige Grund, weswegen wir etwas durchführen, etwas zu Ende bringen.“ Begann Blaise ruhig und nachdem er noch einen Moment das Gesicht seines Freundes beobachtet hatte, richtete er den Blick wieder hinaus auf die Ländereien Hogwarts. „Was weißt du über Helden, Harry?“ Fragte der Slytherin plötzlich und als er keine Antwort bekam, warf er einen musternden Seitenblick zu dem 18 Jährigen. Mit einem Lächeln überging er die fehlende Äußerung und meinte dann schmunzelnd. „Es gibt Helden, die als Helden geboren werden. Sie entsprechen jedem Klischee, sind nett, hilfsbereit, liebevoll und glauben, dass sie die Welt vor allem beschützen können, wenn sie nur stark genug daran glauben und hoffungsvoll dafür kämpfen.“ Am Ende gab er ein Geräusch von sich, welches seinen offensichtlichen Ekel ausdrücken sollte. „Helden, die vom Leben geschaffen werden, zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie viel Leid ertragen können, viel Leid selbst erfahren haben und außer einem gewaltigen Dickkopf ein starkes, sanftes Herz besitzen. Sie versuchen ihr Möglichstes zu geben um zu überleben und diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Solche Helden sind nicht rein und gut, sie sind nicht sanftmütig und zurückhaltend, verblendet und naiv. Sie sind vielleicht sogar etwas direkter, schonungsloser und grausamer, weil sie die schlechten Seiten des Lebens kennen.“
 

Schweigend lauschte Harry dieser Erklärung und verstand sofort, worauf Blaise hinaus wollte. „Ich bin aber kein Held.“ Brummte er leise und wusste, dass er diese Streitfrage niemals klären konnte. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen wäre, wenn er für Toms Tod verantwortlich wäre! Wahrscheinlich würde man ihn vergöttern und auf ein Podest stellen, an dem man ihn schlussendlich festkettete, weil er immer davon zu fliehen versuchte. „Klar, du hast ja auch nur dein eigenes Leben verteidigt und nebenher das Schicksal der ganzen Welt.“ Fragend zog Harry die Stirn in Falten und blickte Blaise musternd an. Ihm fehlte die Ironie in der Stimme des jungen Mannes und dieser lächelte ihn wissend an. Offensichtlich war da kein Schalk und kein verborgener Spott. Er hatte es wirklich so schlicht gemeint.

„Du bist ein ganz normaler Mensch, Harry, vielleicht etwas taffer und etwas gebeutelter als wir anderen. Uns wollte man ja nicht in den letzten Schuljahren jedes Jahr aufs Neue umbringen. Nur weil du Pansy endlich „die Klappe stopfen“ wolltest, hättest du ihr nicht sagen müssen, dass wir miteinander schlafen. Oder?“
 

Eine leichte Wärme legte sich auf die sonnengebräunten Wangen und der Gryffindor blickte wieder hinaus auf den See, der für ihn plötzlich wie ein kleiner Anker in der Nacht wirkte. Es war eine gute Entscheidung gewesen mit Blaise über seine Gedanken zu sprechen, entschied Harry unerwartet. „Du meinst, dass es einfach menschlich ist?“ Fragte er direkt und hörte, wie der Slytherin neben ihm leise schmunzelte. „Was spricht denn dagegen? Auch wenn du es leugnen willst, du hast einen Heldenkomplex und der mischt sich immer wieder ein. Bevor du jetzt etwas erwidern willst, es hätte dir erstens egal sein können, welche Probleme ich mit meinen Eltern habe und trotzdem hast du versucht mir zu helfen, hast mir zugehört, mir so gut es ging beigestanden und zweitens würdest du dir jetzt keine Gedanken darüber machen, was die Dunkelheit bedeutet, die immer wieder dein Handeln in ein anderes Licht stellt.“

Lange schwieg Harry und dann kam von ihm nur ein leises „Hm.“ Wie gefesselt von dem dunklen Fleck dort weit unten in den sanften Hügeln der Ländereien sah er nicht von diesem ab. Keine Regung ging durch den trainierten Körper und irgendwann war es wieder der Slytherin, der zu sprechen begann. „Du bist eben nur ein Held, Harry, zerbrich dir darüber nicht so sehr den Kopf. Es ist ein Teil deiner Persönlichkeit, vielleicht hast du ihn bisher nur nie bemerkt. Vielleicht war er nie so ausgeprägt, wie er nun ist.“
 

Plötzlich legte der Schwarzhaarige den Kopf in den Nacken und griff mit seinen Händen danach. Er fuhr massierend über die verspannten Muskeln seines Halses und richtete sich wieder zu voller Größe auf. „Vielleicht hast du Recht und ich mache mir einfach nur zu viele Gedanken. Immerhin hast du Recht, das mit uns habe ich ihr wirklich nur gesagt, damit sie nicht nur auf dir herumhacken. Ich bin allerdings auch ziemlich erleichtert, dass wir nicht die einzigen sind.“ Meinte er unerwartet und ein freundliches Lächeln spielte um seine Lippen. „Oh ja, da bist du nicht der einzige!“ Erwiderte Blaise und es entstand ein heiteres Grinsen in seinem Gesicht.

Dann jedoch wurde er ernst und der Ausdruck in den braunen Augen ließ Harrys Anspannung wie eine gewaltige Welle erneut zuschlagen. Jeder seiner steifen, schweren Muskeln spannte sich an und dieses Gefühl von „Gefahr“ trat wieder in sein Bewusstsein. „Was ist los, Blaise?“ Fragte er direkt und hoffte, dass seine Stimme nicht so kühl klang, wie er sie in seinen eigenen Ohren hörte.
 

„Du kennst mich mittlerweile sehr gut. Du weißt genau, dass ich ungerne um etwas herumrede, wenn es nicht zwingend ist. Anscheinend haben Ronald und Hermine es nicht geschafft, dich auf das aufmerksam zu machen, was uns allen bitter aufstößt.“ Seine Stimme wahrte noch immer diesen ruhigen Klang. Er war ernst, aber nicht so steif oder bedrohlich, wie der Schwarzhaarige erwartet hatte. Dennoch spürte er instinktiv, dass er verschwinden wollte. Jetzt musste er laufen, jetzt drohte Gefahr! „Ich bin heute Abend hier, um mit dir über das Thema zu reden, über das du seit Monaten schweigst!“

Der Slytherin konnte beobachten, wie sich die vollen Lippen eisern aufeinander pressten und die Arme langsam herab sanken. Eine offensichtliche Kälte schlich sich in die grünen Augen und die Hände ballten sich zu leichten Fäusten. Harry schien zu wissen, auf welches Thema sein Freund zu sprechen kommen wollte. „Deiner Reaktion entnehme ich, dass du bis heute immer noch nicht weißt, was du Draco gegenüber empfindest! Oder weißt du es und dir gefällt die Antwort nicht?“ Die braunen Augen ließen ihn nicht los und der Gryffindor spürte die hungrige Leere, die sich mit einer gewissen Hilflosigkeit mischte. Sie breitete sich in seiner Brust aus und verschlang all die Freude, die er eben empfunden hatte. Jedoch raubte sie auch die Dunkelheit, die sich für einen kurzen Moment in ihm aufbaute, gegen diese Worte zu behaupten versuchte und dann in diese schrecklich kalte Leere stürzte, um spurlos zu verschwinden.
 

Endlich gewann er diesen Kampf, mit aller Macht drehte er den Kopf zur Seite, griff mit beiden Händen fest nach dem eisernen Geländer und starrte auf den dunklen Fleck des Sees, den er in dieser Nacht schon so oft fixiert hatte. „Draco…“ Knurrte er leise und nun schlug sein Herz schneller, kräftiger, wilder. Etwas zog sich in ihm zusammen, Blaise hatte Recht und seine Reaktion würde wahrscheinlich direkt von dem Slytherin durchschaut. Natürlich wusste er bis heute nicht, was er für diesen… diesen… doch er fand kein Wort dafür und seine Gedanken verliefen in seiner Verlegenheit, die sich mit einer unerschöpflichen Beklemmung in seine Seele stahl.

„Ich kann dich verstehen oder zumindest dein Verhalten.“ Begann Blaise, der noch immer an der Brüstung lehnte und dessen Blick Harry musterte. „Du bist ohne deine Eltern bei wahrhaft abscheulichen Verwandten aufgewachsen und als du mit 11 Jahren erfährst, wer du wirklich bist, wird deine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Deine Eltern sind ermordet worden, du bist berühmt, es gibt eine Welt, in der alles anders ist, in der du gefeiert und verehrt wirst. Da ist plötzlich die Hoffnung auf ein neues Leben.“ Beinahe schmerzhaft verkrampfte sich der Griff der kräftigen Hände. Dieser Kerl verwendete doch wirklich all die kleinen Geheimnisse gegen ihn, die er offenbar unbedacht weiter erzählt hatte. All die Geheimnisse, all die Gefühle, die nur Blaise kannte!
 

„Aber kaum hast du begriffen, in welcher Welt du dich befindest, trachtet man dir nach dem Leben, die Ansprüche, die an dich gesetzt werden, sind auf der einen Seite berauschend groß und auf der anderen niederschmetternd gering. Nachdem du endlich dabei bist zu verstehen, wer du bist, landest du wieder bei deinen hassenswerten Verwandten, nur damit sich dieses Spiel die nächsten Jahre in absoluter Regelmäßigkeit wiederholt. Immer und immer wieder, jedes Schuljahr aufs Neue!“ Wut brannte in seinen Adern, jede Faser seines Körpers war bis zum Zerreißen gespannt und die Kiefer pressten sich so hart aufeinander, dass sie schmerzten.

„Doch wieder darfst du einen Hauch von Hoffnung spüren, endlich jemand, der dich aus diesem Teufelskreis befreien kann. Wieder stirb jemand, den du nicht beschützen kannst, wieder empfindest du es als deine Schuld. Wieder landest du bei deinen Verwandten.“ Sag es nicht! Dachte Harry nur und etwas brach in die Wut hinein, zerriss sie von innen heraus und er spürte diese überwältigende Verzweiflung, die in seiner Brust deutlich wurde. Noch war sie klein, aber gleich… gleich wenn er weiter sprach, wenn er das sagte, dann würde sie über ihn herfallen, wie eine gewaltige Sturmeswelle über ein kleines Schiff. „Hast du je die Chance gehabt, um deinen Patenonkel zu trauern?“
 

Scharf zog Harry die Luft ein, nein, er wollte das nicht zulassen! Er wusste genau, dass Blaise ihn manipulierte, all das, was er sagte, hatte er sich vorher genau zurechtgelegt! Er kannte diesen Mann, er wusste, dass er… Für einen Moment war es die Resignation, die sein Herz gefangen hielt. Die Welle, die ihn erfasste, war nicht die Verzweiflung, auf die er gewartet hatte. Es war die Resignation. Sie erfüllte ihn, ließ alle Kraft aus seinem Körper schwinden und der Griff seiner Hände um die Stange wurde schwächer. Er spürte nicht den aufkommenden, kalten Wind, der über sein Gesicht strich. Auch die Eule, welche ihre Kreise über den Wald zog und das erste lebende Tier zu sein schien, wurde von den grünen Augen nicht wahrgenommen. Wenn er nicht ging, konnte er dem hier eh Nichts entgegensetzten. Dieser Slytherin verwendete all das, was er ihm heimlich verraten hatte, gegen ihn! Wie ein grausamer Verrat kam ihm dieses plötzlich vor.

Tief in seinem Hinterkopf wagte eine Stimme anzudeuten, dass gerade das Beobachten die größte Stärke des Slytherin war, doch das hörte er nicht. Blut schien aus seinem verletzen, von Verrat angegriffenen Herzen zu quellen. Was sollte er tun? Er konnte nicht gehen… schwach und müde begann sein Kopf zu dröhnen.
 

Offensichtlich wollte der dunkelhäutige Mann nicht weiter warten, er hatte seinen Blick noch immer nicht von dem Gesicht gelöst, welches so starke Gefühle zeigte. „In all diesem Chaos tauchte plötzlich Draco auf und gab dir etwas, welches du bis heute nicht vergessen kannst. Was auch immer es war, aber es hat dich so tief bewegt, dass sein Verschwinden einem Verrat glich. Dabei auch noch die verführerische Aussicht auf deinen Tod und du darfst auf alles warten, wie ein Lamm auf der Schlachtbank. Ich empfinde es nur als selbstverständlich, dass du jeden Gedanken aus deinem Kopf haben wolltest. Du hast jede Sekunde deines Tages gefüllt, damit du nicht denken musstest.“ Zum ersten Mal ging ein Ruck durch den Gryffindor und er blinzelte. Hatte er das gerade richtig gehört? Er selbst war nie auf diesen Gedanken gekommen, aber er war so logisch. Er hatte nicht denken wollen, ja, er hatte sich vorbereiten wollen, nicht wieder der Unterlegene sein wollen. Plötzlich hörte er sich schlucken. Aus der Resignation stieg ein weiteres Gefühl auf. Wie giftige Nebelschwaden war es zuerst nicht erkennbar, dennoch reagierte sein Körper darauf. Das Herz schlug schmerzhaft stark gegen seinen Brustkorb und seine Atmung beschleunigte sich. Panik!

Blaise war dabei jede seiner Mauern niederzureißen und ihn zu durchschauen. Wenn er weiter sprach, würde er alle Geheimnisse ans Licht zerren, selbst jene, die Harry nicht kannte. Er wurde bloßgestellt! Er wurde vor sich selbst bloßgestellt! Die grünen Augen weiteten sich, der Griff um die Stange wurde wieder fester.
 

„Genau das hast du weiter gemacht, als du wieder hier warst. Nicht denken, nicht verstehen, nur leben! Jede Sekunde empfinden, atmen, spüren und dabei keinen klaren Gedanken zulassen. Du hast dir dein Leben so eingerichtet, dass du dieser einen Frage aus dem Weg gehen konntest. Nur einmal, jeden Tag, jeden Morgen, lässt du die Zweifel zu, die Angst, die deine Seele umklammert, dein Herz regelrecht zerquetscht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis du als Ablenkung das erste Mal auf die Angebote eingehen würdest, die dir gemacht wurden. Was gibt es schöneres, als zwischen den anmutigen Schenkeln einer liebestrunkenen Frau zu versinken, nicht wahr?“ Noch immer konnte Harry nicht zu ihm sehen, nur noch ein Wort und er würde sich vergessen. Aus seiner Panik wurde wieder brodelnde, kochende Wut. Wenn er sich zu ihm drehte, dann würde er explodieren! Nur noch ein Wort und er wüsste nicht, was er dann machen würde! „Ich sage es sehr ehrlich, Harry, wärest du eine Frau, würde ich dich ein billiges Flittchen schimpfen!“
 

Das war zu viel! Mit einer einzigen, kräftigen Bewegung fuhr er herum und packte den dunkelhäutigen Slystherin mit beiden Händen fest am weißen Hemd und zog ihn nahe an sich heran. „Halt endlich deine verdammte Klappe!“ Donnerte die aufgebrachte, von Wut entstellte Stimme und die grünen Augen funkelten wild. Blaise hingegen hob nur die Hände als Zeichen seiner ausgelassenen Gegenwehr. „Du weißt, dass ich nicht mutig bin. Ich bin ein Feigling, Harry, das war ich schon immer. Nur in einer einzigen Sache bin ich unglaublich gut. Was glaubst du, warum ich dich zu Weihnachten angesprochen habe? Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass ich davon ausgegangen bin, dass du leicht zu haben wärest?“

Diese Aussage war so unerwartet, dass der Angesprochene wirklich den Griff etwas lockerte. In seinem Gehirn hallte diese Aussage dutzendfach wider. Blaise hatte erwartet, dass er ihn leicht herum bekäme? Dieser Kerl war davon ausgegangen, dass er leicht zu haben war? Die vollen Lippen standen einen Spalt breit offen und leicht lachte der Slytherin. „Keine Sorge, mich hat es nicht gestört. Mich stört es auch nicht, dass du etwas mit Rhabarber-Maria hast, wie sie Ronald so herablassend nennt. Ich habe auch mit einem Schmunzeln über die Tatsache hinweggesehen, dass du diesen kleinen, schnuckligen 6. Klässler ins Bett bekommen hast.“ Das Erstaunen stand in den grünen Augen, Harry hatte immer tunlichst verhinder, mit Blaise über andere „Bettgeschichten“ zu sprechen.

„Dachtest du wirklich, dass ich nicht weiß, warum du so gerne „die drei Besen“ aufsuchst? Hätte ich den Mut dazu, hätte ich mich schon lange an diesen heißen Kellner geschmissen.“ Nun war er ganz verwirrt, verblüfft und ließ den Slytherin los. „Du… du weißt davon?“
 

Doch der Dunkelhäutige zuckte nur mit den Schultern. „Von ihnen. Von Fiona, von Mariella, von all den Damen, die dafür sorgen, dass ich dich gut und gerne als Schlampe bezeichnen könnte!“ Er zwinkerte frech und schaffte es mit seiner unglaublich direkten Ehrlichkeit den Schwarzhaarigen erneut vor den Kopf zu stoßen und ihm jede Gegenwehr zu rauben. Erstaunt fuhr er sich plötzlich mit beiden Händen durch die wilden Haare und schluckte dann laut.

Nun war Harry endlich bereit mit ihm zu sprechen. Ein wenig stach das schlechte Gewissen, dass er so schmerzhaft vorgehen musste, aber der Kerl weigerte sich seit Monaten gegen jedes Gespräch zu diesem Thema. „Hey, Harry, sieh mich an.“ Forderte er den 18 Jährigen nun auf und die grünen Augen blickten direkt in die braunen. „Ich kann es nachvollziehen, ich würde sogar sagen, dass es ein ganz normales Verhalten ist. Spätestens nach deiner Rückkehr war alles anders, Dinge sind geschehen, von denen ich mir nicht einmal Ansatzhalber anmaße sie nachempfinden zu können. Aber das ist nichts weiter als eine Übergangsphase. Du musst endlich deinen Kopf… nein, dein Herz befreien und verstehen, was du willst. Du kannst nicht weiter davor davon laufen, dass du etwas für Draco empfindest.“
 

Noch einmal fuhr sich Harry mit beiden Händen durch die struppigen Haare und wand sich ab. Mit beiden Handinnenflächen schlug er auf die oberste Brüstungsstange, nur um sie dann wieder gegeneinander zu pressen. Es arbeitete so deutlich in dem schwarzhaarigen Gryffindor, dass Blaise das Herz schwer wurde. Für den Bruchteil eines Augenblicks wollte er ihn in den Arm nehmen und sagen, dass er alles vergessen sollte, ihn beschwören, dass er nichts gesagt hätte.

„Das da etwas ist, das weiß ich doch schon so lange! Aber ich weiß nicht, was es ist!“ Gab er plötzlich von sich und nur einen Moment später setzte er sich in Bewegung. Der Slytherin konnte beobachten, wie sein Freund vor ihm auf und ab ging, vom Geländer weg zu dem Astronomie-Modell in der Mitte und wieder zurück zum Geländer. „Das war ja auch der Grund, warum ich mich auf dich eingelassen habe.“ Warf er plötzlich in die Richtung seines Gesprächspartners und kurz schnappte Blaise nach Luft. Oh, damit hatte er jetzt nicht gerechnet.

„War es nur der Sex, der mir so gefallen hat, waren es die Nachwirkungen, weil Draco mir diesen Zaubertrank verpasst hatte? Oder war es eher so, dass er so unglaublich ehrlich war, als würde mich endlich jemand nicht belügen? Als wäre da endlich einmal jemand in meinem Leben, der mir die Wahrheit sagt und keine Geheimnisse vor mir hat. Jemand, der nicht aus Rücksicht oder Verantwortungsbewusstsein schonungsvoll mit mir umgeht und mich in Watte packen will. Oder war es eher die Tatsache, dass ICH endlich jemandem die Wahrheit sagen konnte…?“ Kurz blieb er stehen, seine Schritte hatten Harry in die Mitte seines Weges geführt. Seine grünen Augen fixierten Blaise und er fügte mit einer ausfallenden Handbewegung hinzu. „Das habe ich irgendwann ausgeschlossen. Immerhin habe ich dir gegenüber, wie ich nun bedauere, auch keine Geheimnisse gehabt. Aber wie kann ich auch so dumm sein und glauben, dass mich ein Slytherin nicht verrät!“
 

Bevor dieser soeben angeklagte Slytherin sich verteidigen konnte, nahm Harry seinen Weg wieder auf, schritt bis zu den Astronomie Ringen und blieb kurz davor stehen, die eisernen Reihen musternd. „Das wieder bringt mich zu dem nächsten Problem, was bitte empfindet er für mich? Soll ich aus diesen lächerlichen, dahingeworfenen Worten glauben, dass es eine malfoysche Liebeserklärung ist? Das würde zwar einiges erklären, aber seit dem ist ein Jahr vergangen, woher soll ich also wissen, ob er mich immer noch liebt? Davon einmal abgesehen, dass ich nicht weiß, ob das, was ich ihm gegenüber empfinde, eventuell Liebe sein könnte! Es war eine einzige Nacht! Und was bitte hätte er getan, wenn er nicht abgehauen wäre?“

Mittlerweile hatte der Gryffindor, der nun sehr aufgebracht und in seinen Redefluss vertieft war, den Raum ein weiteres Mal durchquert und warf nun anklagend die Hände in die Höhe, während er kurz etwas weit außerhalb der Brüstung tief in den Ländereien ruhendes fixierte. „Wäre er dann zu mir gekommen? Hätte ich zu ihm kommen sollen? Hätte er so getan, als wäre nichts gewesen? Nein, wahrscheinlich wäre vorher rein gar nichts passiert, weil er das auch nur mit dem Wissen konnte, mir nie wieder in die Augen sehen zu müssen! Davon einmal abgesehen, glaubt er ernsthaft da draußen sicherer zu sein, als in Hogwarts?“ Anklagend starrte er Blaise an, der gerade den Mund öffnete, als der Gryffindor seinen energischen Gang wieder aufnahm und weiter sprach.
 

Innerlich war Blaise erstaunt. Offensichtlich war nicht das Wort, welches er wählen wollte, doch „offensichtlich“ hatte Harry einen sehr, sehr großen Redebedarf über dieses Thema. Er sprudelte nur so vor sich hin, schien jeden Gedankenfetzen filterlos an seinen Zuhörer weiterzugehen, dessen Kommentar dabei nicht gewünscht wurde. Hätte er das gewusst, hätte er diese Methode schon früher angewandt. Nun ja, vielleicht funktionierte es auch nur, weil es dieser Abend war. Nachdem er sich vor der Schule nicht mehr verstecken musste… vielleicht hatte das auch diesen Knoten endlich gelöst.

„Gerade ich weiß ja, dass Hogwarts nicht uneingeschränkt sicher ist, wie oft wollte man mich schon hier umbringen? Wie oft wäre es ihnen beinahe gelungen? Aber es ist der sicherste Ort der Welt, selbst Gringotts ist nicht uneingeschränkt sicher. Das weiß ich am besten, da ich da eingebrochen bin!“ Wütend funkelte er Blaise an, die Hände waren zu Fäusten geballt.

Dann entspannte er sich wieder, atmete tief ein und aus. „Gut, wir hatten Hilfe, aber von Dumbledore und der würde ja auch hier sein. Ich meine, er ist hier! Was erwartet Draco denn bitte? Dass ich ihm nachlaufe und ihn finde? Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht die ganze Zeit nach ihm Ausschau gehalten! Aber ich kann hier nicht weg! Davon einmal abgesehen, dass da draußen duzende Todesser warten, die meinen Kopf als Rache noch immer abgeschlagen auf dem Eingangstor aufspießen wollen.
 

Schweigend lauschte Blaise all den wirren Gedanken, die Harry von sich gab. Es waren Empfindungen, Fragen, Hilflosigkeit und viel Verwirrung. Irgendwann kam der Moment, an dem er resignierte, offenkundig alles gesagt hatte, was er sagen konnte. Abgekämpft und erschöpft wirkte der 18 Jährige und ließ sich plump auf die unterste Sitzreihe der Rundbank fallen, die sich um die Astronomie Ringe schmiegte, die in der Mitte der Plattform standen. „Ich weiß einfach nicht, was ich da empfinde und ich denke, dass ich es auch nicht klären kann!“ Brummte er nun und ließ den Kopf und die Schultern hängen, während er die Ellbogen auf die Knie stellte.

„Dann triff eine Entscheidung. Wenn du nicht weißt, was du ihm gegenüber empfindest, dann triff eine Entscheidung.“ Meinte Blaise ruhig und trat näher. Sein Herz klopfte wild, er hoffte nur, dass er um ein eigenes Geheimnis herum kommen konnte. Doch die grünen Augen sahen ihn so fragend an, dass er sich vorsichtig an das Problem heranwagte. Der Gryffindor wirkte so abgekämpft, dass er ihm leid tat.

„Du kannst dich dafür entscheiden, dass du ihn liebst und wartest, bis du ihn wieder siehst oder du entscheidest dich dafür, dass du ihn nicht liebst und nimmst dein Leben wieder in die eigene Hand.“ Seine Kehle war trocken, wie deutlich sah er die nächste Frage vor Augen. Es hatte große Nachteile, wenn man einen so genialen Verstand besaß. Harry lachte kurz auf und meinte dann Kopfschüttelnd. „Verarsch mich nicht. Als wäre es so einfach. Ich entscheide mich dazu ihn nicht zu lieben und dann bin ich dieses Dilemma los?“ Der Sarkasmus triefte aus seiner Stimme und die grünen Augen schlossen sich erschöpft.
 

„Ja und nein. Das Prinzip ist so einfach, aber die Umsetzung ist verdammt schwer. Dir dürfte es leichter fallen, weil du denjenigen nicht jeden Tag siehst, den du… eventuell… liebst.“ Blaise gab sich alle Mühe seine Stimme ruhig und besonnen klingen zu lassen. Innerlich hoffte er, die Angst seines Herzens aus seinem Blick verbannen zu können. Harry jedoch wurde wütend und schien nichts dergleichen zu bemerke.

„Hast du noch ein paar so geniale Ratschläge?“ Fragte er angegriffen und erhob sich mit wildem Blick wieder von der Bank. Er verschränkte die Arme vor der Brust und stierte den Slytherin wütend an. „Oder kommt jetzt von dir der Teil, an dem du mir erzählst, dass du das schon getan hast?“ Kurz floh ein boshaftes Lächeln über die vollen Lippen und doch blieb die Erschöpfung in dem kantigen Gesicht zu erkennen. „Den kann ich dann wohl auslassen!“ Gab Blaise mit einem kühlen Lächeln von sich.

„Klar, und gleich erzählst du mir auch noch, dass du in mich verliebt gewesen bist, was?“ Wütend schüttelte Harry den Kopf und löste die Verschränkung seiner Arme. Mit kräftigen Schritten eilte er an dem Dunkelhäutigen vorbei und steuerte wieder die Brüstung an. „Dann hast du ja verstanden, was ich dir sagen will. Ich „war“ in dich verliebt!“
 

Nun schlug sein Herz bis zum Halse, Angst und Anspannung ergriffen jeden Teil seines Körpers und Blaise musste sich zum Atmen zwingen. Er lächelte, zumindest glaubte er das. Er konnte gut spielen, das hatte er von klein auf gelernt. Immer eine Maske tragen, niemals zeigen, was man dahinter empfand. Wie in Zeitlupe drehte sich der Schwarzhaarige um, eine Hand noch auf dem Geländer ruhend, der Blick der grünen Augen war entsetzt und ungläubig. „Du verarscht mich! Das… das hätte ich doch… das war, bevor wir uns…“ Doch er brachte den Satz nicht zu ende. Da war dieses selbstsichere Lächeln auf den breiten Lippen und dieses Funkeln in den braunen Augen.

„Bei Merlin!“ Stieß er hervor, ließ sich in die Hocke sinken und presste beide Hände gegen den Mund. So verharrte er eine Weile, bis er die Arme sinken ließ, den Kopf in den Nacken legte und nach einem tiefen Ein- und Ausatmen wieder hinüber zu Blaise blickte. „Ach du scheiße! Und ich Vollidiot habe absolut nichts mitbekommen! Warum hast du nie etwas gesagt?“
 

Nun setzt sich der Slytherin auf die Bank, da war wieder dieser ernste, kühle Ausdruck in seinem Gesicht. „Ich entschuldige mich jetzt schon für meine Ehrlichkeit, aber ich vermag es nicht anders auszudrücken. Als ich dich zu Weihnachten ansprach, warst du nur jemand, der leicht zu haben war. Eine einfache, unkomplizierte Lösung. Über die Ferien lernten wir uns kennen und wurden Freunde.“ Kurz hielt er inne, senkte unerwartet den Blick.

Harrys Herz setzte aus. Wann senkte denn bitte Blaise Zabini den Blick? Was kam jetzt, dass er sich entschuldigte? „Du hast dich für mich interessiert… und mit all deinen anderen überragenden Qualitäten war es schwer, mich nicht in dich zu verlieben. Es war im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis es passieren würde und dann begriff ich, dass es längst zu spät war. Ich hatte mich bereits in dich verliebt.“ Im Gegensatz zu Harrys Ausbruch wirkte der Slytherin ernst, ruhig und vielleicht ein wenig angespannt. Was er dachte, konnte der Gryffindor nicht erahnen. Es war perfekt hinter einer Maske aus Wissen versteckt. „Du bist ein wunderbarer Freund, Harry, ich bin sehr froh, dass mein Plan zu Weihnachten erfolgreich war. Du bist ein perfekter Liebhaber, ohne Zweifel!“ Er hielt noch einmal inne und der 18 Jährige wusste, dass nun das Aber kam. „Aber du bist ein grauenhafter Partner. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis du mir das Herz brichst und es mir in Splittern zu Füßen legst. Selbst unter der irrsinnigen Annahme, du würdest glauben, dass du Gefühle für mich hättest, du liebst längst einen anderen und bist nicht bereit, dich auf irgendjemanden einzulassen.“
 

Ok, das Aber war hart. Vielleicht auch berechtigt, dass vermochte er in diesem Augenblick nicht sagen. Müde ließ er sich auf seinen Hintern fallen, zog die Beine an und lehnte sich gegen das eiserne Geländer der Brüstung. Für einen langen Moment musterte Harry das dunkle Gesicht seines Freundes und erst jetzt fiel ihm auf, dass überall im Turm kleine Lichter brannten, die das Innere erhellten. Erschöpft schloss er die Augen und versuchte zu verstehen, in welcher Situation er nun war und was das für sie beide hieß.

Nach einer schieren Unendlichkeit brach er das Schweigen leise. Seine Stimme klang brüchig, kraftlos und resigniert. „Und was mache ich nun? Ich weiß nicht einmal, ob ich Draco je wieder sehe. Ist die Entscheidung dann nicht schon klar?“ Er hatte die Augen erst wieder geöffnet, als er das Rascheln des Stoffes hörte. Der Slytherin hatte sich erhoben, kam langsam zu ihm hinüber. Auch er war von diesem Gespräch gezeichnet, wirkte plötzlich müde und abgekämpft. Dennoch lag da ein leichtes Lächeln auf den breiten, dunklen Lippen.

Blaise ließ sich vor ihm in die Hocke sinken, eine Hand griff hinter Harrys Kopf, umfasste die eiserne Stange, um sich an ihr abzustützen. Bedächtig, kontrolliert kam sein Gesicht dem sonnengebräunten näher und obwohl Harry es erwartet hatte, prickelte der Kuss, den er nun bekam. Er war so schüchtern, zart und… schmerzvoll.
 

„Dann ist es einfach, du musst dir nur eine einzige Frage stellen.“ Flüsterte Blaise gegen die vollen Lippen des Mannes, der seine funkelnden, grünen Augen geschlossen hatte. Es wirkte beinahe so, als hätte dieser Angst vor dem, was er nun in den braunen Augen erkennen könnte. „Dann frag dich, ob das, was du für Draco empfindest, stark genug ist, um zu warten bis du ihn wieder siehst. Vielleicht wird das nie geschehen. Vielleicht geschieht es und du erkennst, dass du vergeblich gewartet hast, denn du liebst ihn nicht. Vielleicht aber geschieht es auch und du weißt genau, was es ist, dass dich so um ihn fürchten lässt.“
 


 

Erst, als er die Tür tief unter ihnen ins Schloss fallen hörte, wagte er es die Augen zu öffnen. Blaise war gegangen und Harry wusste warum. Schuld ergriff ihn und Trauer. Mit diesem Gespräch wurde etwas beendet, das heute erst die ganze Schule erfahren hatte. Langsam, aber deutlich setzten sich die einzelnen Stücke zu einem ganzen Bild zusammen und der Gryffindor wusste, dass es nichts anderes als ein Abschiedskuss gewesen war. So sehr die Sturheit in ihm auch aufbrach, so sehr der Egoismus auch schrie, aber Blaise hatte Recht. Da war dieser schreckliche, immer beschützende Heldenkomplex, der es ihm unmöglich machte, noch einmal mit Blaise das Bett zu teilen. Nicht so… nie wieder…

Blaise hatte ihn geliebt! Wie blind musste er gewesen sein, um nichts davon zu bemerken? Ebenso blind, wie bei Draco? Was hatte er an sich, dass… seine Gedanken brachen ab, denn er wollte diese beiden Männer nicht miteinander vergleichen. Aber es blieb ihm dennoch auf der Zunge. Er konnte es nicht los werden, nicht herunterschlucken.
 

Was war Liebe? Wenn er es richtig verstanden hatte, gab er Blaise eben das, was er brauchte. Aufmerksamkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Er hatte sich wirklich für ihn interessiert…

Niedergeschlagen ließ er die Schultern hängen. Hermine hatte ihm im Frühling etwas erzählt, dass ihm nun wieder in den Sinn kam. Vielleicht war auch dieses ein Anstoß gewesen, um über ihn und Draco nachzudenken. Sie meinte, dass Liebe darin bestand, den anderen zu vervollständigen. …

Hatte Draco das getan? Hatte der Slytherin ihn vervollständigt? Ihm gegeben, wonach es ihn verlangte? Ihm gegeben, was er brauchte? Aber was brauchte er? Und woher hatte Draco es gewusst? Und hatte er ihm auch gegen können, was der Blonde benötigte?
 

Verwirrt zog er die Beine an, schlang die Arme darum und schloss die Augen wieder. Jetzt wollte er nicht darüber nachdenken! Jetzt wollte er nur, dass dieser Dummkopf hier war, ihn in den Arm nahm und in seiner typischen, eingebildeten Art meinte: „Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich werde dir die Wahrheit sowieso niemals verraten. Ich werde dich für den Rest deines Lebens damit ärgern!“ Ja, genau das wollte er. Er wollte diesen sanften Ton unter dem Stolz hören, der deutlich machte, dass seine Worte nur rein formal waren. Er wollte die Wärme dieses Körpers spüren und das Gefühl von… Geborgenheit!
 


 

Ja, er hatte sich noch nie so sicher und geborgen gefühlt, wie in dem Moment, in dem er sich auf diesen teuflischen Slytherin eingelassen hatte…

Lass dich nicht entführen!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lass dich nicht töten!

Kapitel 11

Lass dich nicht töten!
 

Er lebte! Diese Tatsache konnte sein betäubter Verstand noch immer nicht glauben und ein überschwängliches Gefühl der Euphorie ergriff ihn. Er lebte! Zwar konnte er seinen gesamten Körper kaum spüren, in Anbetracht des desolaten Zustandes wahrscheinlich erheblich besser, aber dieser Gedanke überlebt zu haben machte seinen Verstand trunken vor Glück.

Draco erkannte fleckenweise den blauen Himmel über sich, die grünen, sich bewegenden und glitzernden Flächen mussten Baumkronen sein. Wäre da ein anderer Gedanke gewesen, als die ihn erfüllende Euphorie, er hätte einen Wald erkannt, auf dessen trockenem Boden er nun regungslos lag.
 

Wie viele Stunden ihn Bellatrix gefoltert hatte, mochte er sich gar nicht überlegen. Er kam sich so dumm vor, dass er sich von ihr hatte erwischen lassen. Ein Jahr war er ihr mitterlweile bestimmt entkommen, Zeit und Datum waren verschwommen, aber dann hatte sie ihn gefunden. Das Pochen auf der linken Seite seiner Stirn stammte noch von dem harten Schlag, den sie ihm verpasst hatte um ihn niederzuschlagen.

Sie hatte ihn in eine kleine, modrige Grotte verschleppt und seinen linken Arm an einen steinernen Opferblock gekettet. Kniend in einem magischen Kreis, der seine Zauber wirkungslos machte, war er nur ein Stück von seinem Zauberstarb entfernt.

Zuerst ließ sie sich an seinem Rücken aus, wobei ihr anscheinend nicht daran gelegen war, irgendwelche Antworten zu finden. Es war ihr egal, wie er sie dazu gebracht hatte, all die kleinen, verräterischen Informationen preis zu geben, die er gegen den Dunklen Lord genutzt hatte. Sie wollte ihn lediglich leiden sehen. Eine Tatsache, die jetzt nur bedächtig in seinen Verstand sickerte.

Erschöpft zwang er sich dazu den schweren Kopf zur Seite zu drehen und starrte auf seinen gebrochenen Arm. Sie hatte ihm das dunkle Mal aus der Haut geschnitten… mit einer glühenden Klinge. Übelkeit wollte in ihm aufsteigen, doch dazu fehlte seinem Körper die Kraft. Damals war es eher ein Spaß für sie gewesen, doch offensichtlich hatte Bellatrix dieses Versprechen unter allen Umständen halten wollten. Wenn er den Dunklen Lord verriet, würde sie ihm sein Zeichen aus dem Arm schneiden.
 

Müde schloss er die grauen Augen, der weiße Knochen stach unnatürlich aus dem verbrannten Fleisch. Weg! War der tragende Gedanke beim Apperieren gewesen und ohne Ziel hatte es ihn beim Eintritt in den Raum ohne Zeit und Ort zerrissen. Langsam ebbte die überschwängliche Freude über sein Entkommen ab. Der Auror, der durch Zufall Rudolphus gefolgt war und ihn so in das Versteck der modrigen Grotte führte, war sicher tot.

Bei näherer Betrachtung sah seine eigene Situation nicht besser aus. Er konnte sich nicht rühren, wahrscheinlich glich es schon einem Wunder, dass er überhaupt noch denken konnte. Warum fiel er nicht endlich in diese angenehme, schmerzlose Ohnmacht? Ob diese Wahnsinnige ihm einen Zauber auf den Hals gehetzt hatte, der dies verhinderte?

Langsam begriff Draco, dass seine Gedanken immer zäher und länger wurden. Selbst zum Denken fehlte ihm die Kraft. Vielleicht sollte er einfach etwas schlafen. Was sprach schon gegen diese Idee? Oder anders, was konnte er denn sonst verrichten?
 

Noch am Nachhall dieser Frage hängend, berührte etwas sein Gesicht. Müde öffneten sich die grauen Augen erneut und etwas Weißes, seltsam Felliges hatte sein Sichtfeld eingenommen. Es war der warme Atem dieses Tieres, welcher seine Haut strich und dann die Feuchtigkeit einer warmen Zunge, die über seine Wange leckte. Als sich der große Kopf wieder zurückbewegte, blieben die Gedanken des jungen Magiers stehen. Ein Hirsch? Ein weißer Hirsch mit goldenem Geweih? Dabei hatte er die tiefgrünen „Potteraugen“ noch gar nicht gesehen.

Das Tier schnaubte und bevor Draco noch verstehen konnte, was hier geschah, trat das riesenhafte Wesen neben ihn und ließ sich bedächtig nieder. Er spürte die Wärme des fremden Körpers und beobachtete eine wahre Unendlichkeit das goldene Glitzern vor dem blaugrün geflecktem Dach. Jede Bewegung des Hirsches ließ einen neuen Zauber an funkelnden Punkten entstehen, die seinen trüben Verstand faszinierte.
 

Ob er Stunden oder nur Sekunden neben diesem seltsamen Tier gelegen hatte, wusste er nicht zu sagen. Eine raue, fremde Stimme, die in grober Sprache wie ein Donnern erschien, holte ihn aus dieser Faszination zurück. Er versuchte den Kopf erneut zu drehen, doch langsam war er sich nicht einmal sicher, ob er überhaupt noch einen Kopf besaß. Oder einen Hals mit Muskeln. Oder einen Körper. Warte, wer war er eigentlich?

Da der Hirsch neben ihm ruhig liegen blieb, … ob er auch ein Hirsch war? ... konnte die Stimme ja keine Gefahr bedeuten… oder? Ein neues Gesicht schob sich in sein Sichtfeld und Draco blinzelte. Falten! Eine gewaltige, kantige Nase! Größer als die von S… Sn… Sna… wem auch immer!

Weiße, struppige, wirre Haare, die von einem um den Kopf geschlungenen Tuch gehalten wurden. Dieses glitzerte… oh ja, es glitzerte genauso schön golden wie das Geweih des Hirsches! Ob sie ein weiblicher Hirsch war und deswegen so wenig Geweih besaß?
 

„Du bist die Baba Jaga!“ Stellte er nach einer Unendlichkeit fest ohne bemerkt zu haben, dass sie seinen Oberarm abgebunden hatte, um die Blutung zu stillen. Ja, er war sich sicher! Sie war kein Hirsch! Wie sollte sie auch! Dann müsste sie ja eine Kuh sein, also eine Hirschkuh! Außerdem waren Hirsche weiß! Oder etwa nicht?

Das faltige Gesicht zog sich zu beiden Seiten in die Länge… sie lächelte! Verstand dann auch endlich der halb Ohnmächtige. Ein seltsames Geräusch gab die Alte von sich, doch Draco konnte es nicht einordnen. „Ei, ei, ei, du bist ja noch da! So lädiert, wie du ausschaust, solltest du längst ohnmächtig sein!“ Englisch mit einem heftigen Akzent. Sprach die Baba Jaga Englisch? Na ja, sie war ja eine Hirschkuh… also, konnte sie auch Englisch sprechen.

Ihre kleinen, dunklen Augen wurden groß, als der Magier sich auf die linke Seite stützte und den rechten Arm hob, damit er sich ihr zuwenden konnte. „Ich bin ja auch ein H… Hirsch!“ Begann er und seine Augen fielen ihm zu. „So… so wie er…“ Draco deutete auf das weiße Tier neben sich, welches erstaunt den Kopf zur Seite gelegt hatte, und nickte dann entschieden! Er war ein Hirsch!
 

Da war kein Hirsch und als er sich zur Seite drehte, schob sie ihren Oberkörper weiter nach vorne, um einen Blick auf seinen Rücken zu erhaschen. Immerhin hatte er das halbe Blätterwerk des Bodens mitgenommen. Schnell stellte die alte Hexe zwei Dinge fest. Der junge Magier war nicht nur stark zugerichtet, offensichtlich hatte ihm auch jemand einen Zauber auferlegt, der seinen Verstand zwangsweise bewusst hielt.

Wer auch immer ihn gefoltert hatte verstand sein Handwerk! Sie schnalzte mit der Zunge und meinte dann beruhigend. „Du bist ein Hirsch… wenn du das sagst, bin ich die Baba Jage!“ Sie griff mit ihren rauen, faltigen Händen nach seiner rechten Schulter und drückte sie langsam wieder auf den Boden. Dass er sich bewegen konnte, lag sicher nur an dem beginnenden Wahnsinn, der sich langsam in ihm ausbreitete. In diesem Wald war der Wahnsinn jedoch niemals weit und was auch immer er für einen Hirschen sah, für ihn existierte er. Für ihn ließ dieser Wald ihn existieren.
 

Sanft legte sie ihre Hand auf seine glühende Stirn, er hatte bereits zu fiebern begonnen. Da war er, sie konnte den Zauber spüren, der ihn in dieser grausamen Starre gefangen hielt. Leise flüsterte sie die Worte in einer fremden, schweren Sprache und beobachtete, wie sich die grauen Augen schlossen. Es war höchste Zeit, dass ihm geholfen wurde. Sein Verstand hatte jetzt schon zu viel ertragen und der Blutverlust war hoch. Ob er dieses Erlebnis ohne Folgen überstehen würde, bezweifelte sie stark. Die Wunde an seinem Arm war nicht nur durch den Bruch entstanden. Jemand hatte ihn niedergeschlagen, ihm die Haut verbrannt und seinen Rücken… zerfleischt? Wäre sie so zimperlich wie die meisten anderen Heiler, sie hätte es gar nicht wissen wollen.
 

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Der Geruch von schweren Kräutern weckte ihn. Dass es nicht das erste Mal war, hatte sein Verstand vergessen. Das Fieber war abgeklungen und dennoch hatte Draco das Gefühl, sein Körper wäre unter dutzenden, wärmenden Decken im Sommer gefangen. Schweiß lief über seine Stirn und er hatte kaum Kraft in seinen Gliedern. Es fühlte sich an, als wäre er in ein Meer aus Watte abgetaucht. Müde drehte er den Kopf zur Seite, wo war sein linker Arm?

Lange starrte er auf den weißen Verband, bis ihm dessen Bedeutung bewusst wurde. Beide Arme lagen auf der braunen Leinendecke, zu jeder Seite seines Körpers. Der linke war von der Schulter aus bis hin zum Handgelenk verbunden. Er war also noch da. Leicht versuchte er seine Finger zu bewegen und zumindest spürte er sie. Wahrscheinlich hatten sie sich auch bewegt, Millimeterweise. Dabei entstand jedoch ein taubes Grollen in seinem gesamten Arm, eine Welle unterdrückten Schmerzes wallte von vorne immer weiter auf ihn zu, über die Schulter bis sie schließlich in seinem Rücken brandete.
 

Es dauerte eine gesamte Stunde, bis Draco die nächsten Empfindungen und Erkenntnisse in seinem überforderten Bewusstsein verarbeitet hatte. Er lebte. Man hatte ihn verbunden, seine Wunden versorgt und er lag in einem Bett. Die kleine Hütte, in der er sich befand, war aus Holz gezimmert und er lag in einer kleinen Nische. Ein Vorhang aus grobem, graugrünem Stoff war beinahe ganz vor das Bett gezogen worden, nur ein knapper Meter Abstand befand sich zwischen dem Bettgestell und dem Stoff. Neben ihm stand ein kleiner Nachttisch, auf ihm brannte in einer Schale etwas, das er nicht identifizieren konnte. Es wirkte wie eine kleine, runde Pyramide, ein Kegel, zusammengepresst aus Kräutern? Seine Spitze glomm und von ihm schien der starke Geruch zu kommen.

Der Tisch stand auf der rechten Seite, links in der Wand war ein rundes Fenster eingelassen, vor dem grüne Baumwipfel im Winde wehten. Es war noch immer Sommer. Dass er sich jedoch in einer gewissen Höhe befinden musste, um nur die Baumkronen zu erkennen, begriff er nicht. Dafür erkannte er den Esstisch, von welchem er nur noch einen kleinen Teil hinter dem Vorhang hervorgucken sehen konnte. Die kleine Nische war zum Rest der Hütte mit einem Leinenvorhang abgetrennt, der nicht wieder ganz zurück geschoben worden war.
 

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Ein Geräusch weckte ihn erneut und mit einem Blinzeln versuchte Draco ein klareres Bild zu bekommen. Sein Kopf schmerzte, seine Kehle brannte und noch immer empfand er seinen Körper als so schwer, dass er ihn nicht bewegen konnte. Der Vorhang war zur Seite geschoben und schemenhaft erkannte der junge Mann den kleinen Raum. Mehrere Türen befanden sich an den Wänden, dies schien nur die Küche zu sein. Ein schwarzer, zerzauster und abgemagerter Kater saß auf dem Tisch und mauzte, als ginge es um sein Leben. Dann zuckten die Ohren auffällig und das Tier drehte den kleinen Kopf in Dracos Richtung.

Wieder ein klägliches Geräusch und nun schien auch die alte Frau das Erwachen ihres Gastes zu erkennen. Sie stand an der Kochstelle, dort wo ein Feuer brannte und ein schmiedeeiserner Kesser darüber hing. Sie ließ den Kochlöffel los und gackerte lachend. Mit einem Grinsen, dass ihre schiefen Zähne zu sehen waren, griff sie nach der Schürzte um ihre Hüften und wischte sich die Hände daran ab. „Da ist unser kleines Dornröschen ja wieder wach geworden.“ Kommentierte sie feixend mit heftigem Akzent und kam immer näher hinüber zu der Nische. Kurz hielt sie am Tisch an, strich dem Kater über seinen Kopf, der ein kurzes Schnurren von sich gab.
 

Dracos Herz begann zu schlagen, wild zu pochen. Gleich wäre sie bei ihm. Das war nicht Bellatrix und sie schien ihn versorgt zu haben, dennoch breitete sich die Angst in seiner Brust aus. Sie wirkte wie eine Hexe aus alten Märchen, um genau zu sein, wie die Baba Jaga in ihrem Haus auf Hühnerbeinen. Bucklig, alt und klein, mit vielen Falten, schiefen Zähnen und einer Nase, als wäre sie mehrfach gebrochen. Allerdings kannte er keine Geschichte, in der solche Hexen als hilfsbereit und freundlich beschrieben wurden. Einige aßen sogar Kinder!

Da war wieder dieses seltsame Geräusch, welches ihm in den tiefen seines Bewusstseins vertraut erschien. Doch er konnte es nicht einordnen. „Beruhige dich, Bürschchen! Ich habe nicht vor, dir etwas zu tun. Sonst hätte ich dich ja auch gleich im Wald liegen lassen können oder?“ Schlug sie vor und gackerte wieder auf diese beängstigende Weise.

Nun stand sie neben dem Bett und streckte ungefragt ihre knochige Hand nach ihm aus. In seiner Angst kniff er die Augen zu, am liebsten hätte er sich zur Seite gerollt, doch dazu fühlte er sich nicht in der Lage. Ihre Finger berührten seine Stirn, wo sie einen Moment zur Ruhe kamen. „Dein Fieber scheint endlich verschwunden zu sein. Langsam solltest du dich auch an deine wachen Momente erinnern.“
 

Erst als sie die Hand wieder zurück gezogen hatte, wagte er es den Blick auf sie zu richten. Die grauen Augen trugen noch immer die Angst in sich und mit einem Gackern schüttelte sie den Kopf. „Du bist wirklich zäh, Bürschchen. Dich wieder zusammenzuflicken hat mich ganz schön Mühe gekostet, also komm nicht auf die Idee aus Angst zu sterben!“ Sie hatte ja Recht, wenn sie ihn wirklich töten wollte, hätte sie ihn dort liegen lassen. Außerdem wirkte sie nicht so, als ob sie ihn erst „zusammenflickte“, um ihn dann wieder Stück für Stück auseinander zu nehmen.

Doch bevor er diese Frage erörtern konnte, verschwamm das Bild vor seinen Augen erneut. Die Müdigkeit holte ihn ein und ließ ihn langsam dahin dämmern. Krampfhaft versuchte er die Augen offen zu halten, doch das schaffte er nicht.
 

oooOOOooo
 

Wie lange starrte er nun schon auf die halb leere Seite dieses Buches? Vielleicht sollte er sich doch einer anderen Aufgabe zuwenden. Es machte ja schließlich keinen Sinn die Feder immer wieder in die Tinte zu tauchen und dabei achtsam die Tropfen wieder in das Glas fallen zu lassen, weil er sie nicht endlich ansetzte. Aber er wusste auch nicht wie. Noch einmal überflogen seine grauen Augen die Zeilen und konzentriert ließ er die Federspitze von ihrer Position über dem kleinen Glas hinüber auf das weiße Papier wandern und senkte sie langsam in die nächste, leere Zeile. ~Dies bedingt den direkten Zusammenhang…~ Nein, das klang nicht gut! ~Der Zusammenhang beruht auf…~ Bei Merlin, das konnte er auch nicht schreiben!

Frustriert ließ er die Feder wieder zurück wandern, versenkte sie nun ganz im Tintenfass. Er gab auf! Heute würde er keine Zeile weiter schreiben und mit einer wütenden Bewegung griff er mit der rechten Hand über das große Buch um es zuzuschlagen. Sein linker Arm war noch immer verbunden, der Bruch machte ihm weiterhin zu schaffen und so nutze er ausschließlich seine rechte Hand.
 

Mit einem leichten Knurren fixierte er das schwarze Buch, welches nur eines von fünfen darstellte. Draco saß an dem kleinen Küchentisch, der vollständig mit verschiedenen Büchern beladen war. Sie stapelten sich auf ihm und neben dem kleinen Tintenfass lag ein deutlich schmaleres Buch mit nur grob gekritzelten Notizen. Sie waren mit Grafitstift geschrieben und nicht im Ansatz so sauber, wie die ausführlichen Ausarbeitungen, die der ehemalige Slytherin in das große Buch übertrug. Vielleicht sollte er sich lieber wieder an die Übersetzung machen. Da war er hoffentlich erfolgreicher als bei der Überarbeitung und Übertragung seiner Erkenntnisse.
 

Erschrocken fuhr er zusammen, als er von draußen ein Geräusch hörte und zwang sich zur Ruhe. Die Panik war sofort in jede Faser seines Körpers geschossen und der erste Gedanke suchte seinen Zauberstarb. Nein, er wusste, wer da draußen war und ihr Gackern verriet sie direkt. Sie sprach mit der Katze auf Russisch, welche auf der „Veranda“ saß. Mittlerweile zwang er sich ja schon dazu mit dem Rücken zur Tür zu sitzen. Es hatte zwar einige Tage gedauert, aber dann konnte er sich nach und nach wieder konzentrieren. Vor wenigen Wochen hätte allein der Gedanke den Eingang nicht sehen zu können eine gewaltige Panik in ihm ausgelöst.

Heute hatte er weniger Glück, die Angst wallte wieder auf und obwohl ihm bewusst war, wer sich draußen befand, blieb diese unerträgliche Unruhe in jeder Faser seines geschundenen Körpers. Wahrscheinlich bedurfte es noch vieler Monate, vielleicht würde sich dieser Zustand niemals ändern. Hier fühlte er sich sicher, die meiste Zeit zumindest.
 

„Ei, ei, ei, was hast du denn mit meinem Tisch angestellt?“ Fragte sie belustigt und der Kater huschte durch die offene Tür hinein. Wieder zwang sich Draco dazu sitzen zu bleiben. Alles in ihm wollte aufspringen, sich umdrehen und sicher gehen, dass sie alleine war. „Nichts, ich habe mich nur etwas ausgebreitet. Ich bin aber eh fertig.“ Brummte er und griff nach dem schmalen, schwarzen Buch mit den Notizen, welches er nun schloss.

Die alte Hexe kam näher, er nahm ihren starken Geruch war, Kräuter aller Art, heute mischte sich neben Lavendel und sommerlichen Kräutern auch etwas Bitteres mit hinein. Sie trug einen Weidenkorb bei sich, der mit all den Bündeln gesammelter Pflanzen gefüllt war. Leicht vornübergebeugt umrundete sie den Tisch, sie trug ein braunes Leinenkleid, welches mit einer dunkelroten, leicht braunen Schürze ab der Hüfte verdeckt wurde. Dazu trug sei einen breiten Gurt, an dem allerlei Kleinkram befestigt war. Eine kleine Sichel, Bänder, kleine Beutelchen, heute konnte er sich nicht auf die Einzelheiten konzentrieren. Die weißen Haare wirkten wie immer wild und ungebändigt und waren nur teils unter dem bunten Tuch verborgen, welches um ihren Kopf geschlungen war. Wie bei den Zigeunern war eine goldene Kette mit vielen kleinen, runden Anhängern in das Tuch eingearbeitet und auch um ihren Hals und die Handgelenke befanden sich viele Ketten, Armreifen und andere Schmuckstücke. Die faltige, mit Altersflecken übersäte Haut war dunkel von der Sonne gebrannt.
 

Mit einem Gackern begann sie, als spottete sie über seine Worte. „Als ob ich das nicht sehe. Meine Augen sind deutlich schärfer als deine, Bürschchen!“ Stichelte sie ihn und Draco lächelte nur flüchtig. Sie hatte eine grobe, rüde Art an sich, hinter der er zumindest manchmal eine sanfte, mütterliche Seite vermutete. Ihren Namen kannte er bis heute nicht, sie war bei seiner Bezeichnung „Baba Jaga“ geblieben und der junge Magier hatte den Satz „Wenn du das glaubst, dann ist es so.“ zu hassen gelernt.

Ihre scharfen Augen, die einen unbestimmten grauen bis braunen Farbton besaßen, wanderten langsam über die Bücherstapel und verengten sich misstrauisch. „So langsam solltest du dein Schweigen brechen oder habe ich den falschen Todesser zusammengeflickt?“ Fragte sie plötzlich und beobachtete, wie sich der junge Magier versteifte. Seine rechte Hand fuhr reflexartig zu seinem linken Arm, den er schützend an seinen Körper zog.
 

„Woher… woher weißt du es?“ Fragte er nach einer schieren Unendlichkeit und seine Stimme bebte. Er konnte sie nicht ansehen, ein gewisses Zittern hatte ihn ergriffen. Angst, vielleicht sogar eine Art Panik beherrschte seine Gedanken, dem war sie sich sicher. „Ich bin nicht dumm, Bürschchen! Dein kleines Ärmch ist nicht nur gebrochen. Da kam jemand auf die Idee, dir die Haut vom Fleisch zu brennen. Interessante Stelle oder?“ Meinte sie gackernd und nun war keine euphorische Freude in ihrer sonst herablassend warmen Stimme.

Mit einem Schnipsen der Finger sprang der Kochtopf vom Harken und wackelte auf seinen drei kurzen Beinen hinüber zur Wasserpumpe. Draco kannte ihre Magie, die ihn immer wieder faszinierte. Der Kochtopf sprang auf den kleinen Hocker und dann hinein in den großen Wassertrog, während die Pumpe ihren grünen Arm in die Höhe streckte. Gurgelnd ergoss sich der erste Schwall Wasser in den Topf und die grauen Augen beobachteten das Geschehen.
 

Erschrocken zuckte er unter dem Knall zusammen, starrte sie nun direkt an. Die alte Hexe hatte nach einem Buch gegriffen und es vor ihm auf den Tisch geschlagen. Weit und rund starrten sie nun die voll Panik glänzenden Augen an und ein grausames Gackern entkam ihr. „Dir geht es gut genug, damit ich dich raus schmeißen kann, Bürschchen.“ Begann sie erneut und funkelte ihn an. „Entweder wollte dich deine liebe Mami beschützen und hat es deswegen aus deinem Arm gebrannt oder da war jemand der Meinung, dass du ein kleiner Verräter bist! Ich bin nicht so dumm wie die üblichen Heiler in dieser Gegend, ich bin eine Kräuterhexe vom alten Schlag! Ich erkenne jemanden, den man gefoltert hat!“

Allein unter diesen Worten zuckte er zusammen und seine grauen Augen starrten auf das Buch, welches sie vor ihm auf den Tisch geschlagen hat. „Fangen wir langsam und in Ruhe an.“ Nun klang sie deutlich sanfter und mit einem Schlucken versuchte der junge Magier sich zu beruhigen. „Wie heißt du, Bürschchen?“
 

„Draco Malfoy, der Sohn von Lucius und Narzissa Malfoy.“ Flüsterte er beinahe und konnte noch immer nicht zu ihr aufblicken. Das schrammende Geräusch im Hintergrund verriet ihm, dass der volle Wasserkessel nun mit einem Satz hinauf an den Harken zurück gesprungen war und ein Rauschen verkündete das aufbrennende Feuer. Sie schnalzte mit der Zunge, erst in diesem verängstigten Moment wurde Draco bewusst, dass es dieses seltsame Geräusch war, welches ihm schon damals bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war. „Ein Malfoy also.“ Gab sie von sich und schien etwas aus einem der Regale zu holen.

„Todesser ja oder nein?“ Fragte sie nun und der junge Magier musste sich zu einer Antwort zwingen. „Ja…“ Flüsterte er mit trockener Kehle und ahnte schon, dass seine Antwort nicht angekommen war. „Ja, mein Vater wurde am Ende des fünften Schuljahres in Hogwarts verhaftet und so berief mich der Dunkle Lord in seinen Dienst. Meine Mutter hat noch versucht dieses zu verhindern, aber erfolglos.“
 

Kurz wurde es sehr still in der kleinen Hütte mit den vielen Türen. Noch immer sah er nicht zu ihr auf und konzentrierte sich auf die Finger seiner rechten Hand, die auf dem weißen Verband lagen. „Hat er dir einen Auftrag gegeben?“ Das diese Frage kam, war abzusehen.

Schwer tat er sich mit einer Antwort, wie viel Zeit vergangen war, konnte er nicht sagen. Erstaunt blickte er auf, als sich unerwartet ein schwarzer Becher in sein Sichtfeld schob und der sanfte Geruch von heißer Schokolade in seine Nase stieg. Erst nach einem Räuspern gelang ihm das krächzende „Danke.“.

Die alte Hexe stellte den Weidenkorb auf den Boden und setzte sich auf den kleinen Hocker, der sich zur passenden Größe streckte. Sie schien ihm alle Zeit der Welt zu lassen und nachdem er einen Schluck genommen hatte, breitete sich die Wärme in seiner Brust aus. „Es gibt Nichts auf der Welt, was Herz und Seele so erwärmt wie Schokolade.“ Flüsterte sie belustigt und zum ersten Mal blickte Draco zu ihr auf. Noch einmal trank er und mit einem ernsten Lächeln fasste er den letzten Mut, den er in seiner Seele zu finden vermochte. „Ja, ich sollte das Verschwindekabinett im Raum der Wünsche in unserer Schule reparieren und ich sollte unseren Schulleiter Albus Dumbledore umbringen.“
 

Es dauerte bis zum zweiten Becher heißer Schokolade, bis er zumindest ein wenig Farbe auf den Wangen hatte und endlich weiter sprechen mochte. „Ich wusste nicht, dass meine Mutter mit Severus Snape einen unbrechbaren Schwur eingegangen war, das erfuhr ich erst im Laufe der Ferien. Ich war verzweifelt, voller Angst und Panik, ich hatte keine Wahl, wenn ich den Schulleiter nicht umbringen würde, müsste es Snape tun. Es gab also keine Chance, dass jemand nicht dabei zu Tode kam.“ Seine Hände zitterten und er musste sich erneut sammeln. „Ich habe Stundenlang in unserer Bibliothek verbracht und hoffte dort auf eine Lösung zu stoßen. Ich konnte niemanden töten, was war mir von Anfang an bewusst. Ich bin zu feige, zu schwach dafür.“

Kurz hielt er inne und etwas in seinen Augen funkelte wild auf. „Außerdem bin ich ein Malfoy, warum soll ich für andere die Drecksarbeit erledigen? Warum soll ich mich einem anderen zu Füßen werfen und auf seinen Befehl handeln?“ Ihr erfreutes Gackern ließ ihn jedoch schnell wieder in sich zusammen sinken und er schluckte. Ein zittriges Lächeln floh über seine Lippen und dann blickte er wieder in seinen Becher, der zur Hälfte geleert war.
 

„Auf der Suche verletzte ich mich an einem der Regale, wahrscheinlich war das kein Zufall. Ein alter Zauber verbarg seit einigen Generationen gerade diese Bücher, die du hier siehst. Zumindest viele von ihnen. Soweit ich das verstanden habe, hat mein Urgroßvater die Bibliothek unseres Hauses eingerichtet und dabei ein Regal erschaffen, welches nur mit dem Blut eines Malfoys geöffnet werden kann. Wie genau das funktioniert und was unter dem Blut eines Malfoys zu verstehen ist, weiß ich nicht. Ich vermute nur, dass es sich auf die direkte Blutlinie bezieht und meine Mutter als gebürtige Black den Zauber nicht aktivieren könnte.“ Kurz sahen die grauen Augen zu ihr, den strengen Blick spürte er regelrecht brennend auf der Haut. Leise schluckte er und trank noch einmal von der nun lauwarmen Schokolade, um sich etwas mehr Zeit zu verschaffen. Dabei konnte er das Zittern seiner Hände nicht verbergen.

„Ich fand diese Bücher, suchte in ihnen und begriff schnell, dass es sich um tiefschwarze Magie handelt. Sie war düsterer und grausamer, als ich je erwartet hatte. Dank meiner Herkunft wurde ich als Kind dazu gezwungen Sprachen wie Latein und das alte Englisch zu lernen. Jetzt bin ich dankbar dafür, denn es hat beim Übersetzen geholfen. Nicht alles konnte ich verstehen, oft reichte der Anfang um zu begreifen, dass ich damit nichts anfangen konnte.“
 

Er machte eine Pause und etwas in seinem Blick wurde plötzlich anders. Als hätte sich eine unendliche Trauer in die grauen Augen gestohlen, ein Schmerz aus uralten Zeiten, der diese junge Seele heimzusuchen gedachte. Unerwartet ließ er seinen Becher los und griff nach einem der Bücher. Zuerst musste er drei andere zur Seite legen, dann hielt er ein schwarzes, abgegriffenes Stück in Händen. Die Seiten waren mit Goldfarbe verziert, die an vielen Stellen verblasst war. Auf dem Deckel waren verschlungene, alte Buchstaben eingeprägt, mit Gold ausgemalt. Schweigend blätterte er die alten Seiten um, bis er die passende Stelle gefunden hatte.

Ihr neugieriger Blick wanderte über die uralten Seiten und schnell wurde ihr bewusst, um was es bei diesem Zauber ging. Die Zeichnungen, die in bildgewaltigen Darstellungen den Zauber unterstützten, erzählten vom Zerreißen einer Seele und der Unsterblichkeit, die man dadurch erlangte. Draco erzählte vom Horkrux Zauber, der all das verständlich machte, was in den letzten Jahrzehnten geschehen war, der all die Dinge erklärte, die Harry in seiner Zeit widerfahren waren.
 

Schweigend nahm sie das Buch in die Hände, fuhr mit ihrem knochigen Finger die Zeilen nach und ihre alten, spröden Lippen bewegten sich leise, als würde sie all dies problemlos lesen können. Innerlich aufgeregt und auch ein wenig verwirrt, wartete Draco auf eine Reaktion, doch schlussendlich legte sie das Buch nur aufgeschlagen vor sich auf den Tisch und sah ihn fordernd aus ihren kühlen Augen an. „Weiter hinten stieß ich auf einen anderen Zauber, der aber zu der gleichen Art gehört. Er beschreibt, wie man ein lebendes Doppel erschafft, welches wie ein Double fungieren kann. Dabei wird aus dem Blut, dem Fleisch und einem Stück der Seele ein zweites Ich geformt. Wenn dieses stirbt, lebt der ursprüngliche Körper weiter. Umgekehrt stirbt das Double mit. Wenn es einen Weg gab, um meinen Lehrer zu retten, dann war es dieser.“

Kurz hielt er inne, starrte in seinen Becher und überlegte, wie viel sich wohl noch darin befand. „Dennoch klang es so verlockend, wenn meine Vermutung stimmte, dann wäre dies die Lösung für ein anderes, gewaltiges Problem. Wenn ich als Verräter entlarvt worden wäre, konnte ich mit dem Tod rechnen. Einem grausamen, schmerzhaften Tod. Aber wenn der Dunkle Lord besiegt würde, dann wären wir frei. So dachte ich damals zumindest.“ Sprach er so plötzlich weiter, dass es unwirklich schien.
 

„Nur konnte ich schlecht zu ihm gehen und ihn danach fragen. Ich brauchte einen Plan, wie ich all diese Informationen bestätigt bekommen konnte. Wer also konnte wissen, warum der Dunkle Lord nicht starb?“ Er hob den Kopf und als er ihren Blick sah, breitete sich ein kaltes Lächeln auf seinen Lippen aus. „Du weißt, wen ich befragt habe.“ Gab er nun gefühllos von sich und die alte Hexe bemerkte, wie er eine Mauer um jede Regung seines Herzens baute. Er zog seine Gefühle zurück, verschanzte sich, bevor die Angst zu überwältigend wurde.

„Ich bin ein Malfoy, etwas, auf das ich ein Leben lang stolz war. Wir sind heimtückisch, hintertrieben und finden immer einen Weg zu überleben. Das haben wir Jahrhunderte geschafft. Wie viele Geheimnisse diese Familie hat, will ich gar nicht wissen. Dass sie bei einem Verrat nicht besonders zimperlich mit ihren eigenen Mitgliedern umgehen, ist mir jedoch durchaus bekannt. Der größte Betrug dem Dunklen Lord gegenüber hat mein Vater darin begangen, dass er ein kleines Rezept für sich behielt. Ein kleiner Wahrheitstrunk, ohne Geschmack, ohne Farbe und die Wirkung bleibt verborgen, wenn man die richtigen Fragen stellt.“ Kurz lachte er grausam auf, als er ihren verwunderten Blick erkannte.

„Was denkst du, wie oft mein Vater ihn gegen mich angewandt hat? In all der Zeit habe ich eins, ein einziges Geheimnis für mich behalten können! Ich habe hunderte Male gesehen, wie mein Vater indirekte Fragen stellte, sich an das richtige Thema heranarbeitete und die Leute dann ganz leicht kitzelte, um an die passenden Antworten zu kommen.“
 

Etwas glomm in seinen Augen auf, dass sie an den tiefen Schmerz eines enttäuschten Kindes erinnerte. Doch es war so schnell wieder verschwunden, wie es auftauchte. So gab sie ihm mit einem Nicken nur zu verstehen, dass er weiter sprechen sollte. „Zum Glück hatte das Haus, in dem sich der Dunkle Lord zu dieser Zeit befand, eine ausladend große Bibliothek und so kochte ich mir einen Tee, gab den Zaubertrank hinein und wanderte die Regale entlang, bis sie mich fand. Ein Blick reichte, die Angst in meinen Augen musste ich ihr nicht vorspielen, sie war da. Ohne Zögern fiel sie über mich her, machte mir klar, dass ich nicht versagen sollte und dass sie nicht verstünde, wie man einen Nichtsnutz, einen Feigling wie mich mit so einer wichtigen Aufgabe betrauen konnte. Natürlich fragte sie mich auch, was ich hier täte und so antwortete ich ihr, dass ich auf der Suche nach einem bestimmten Buch über Verschwindekabinette wäre. Mit einer einfachen Bemerkung über den Tee brachte ich sie dazu, ihn mir weg zu nehmen und ihn zu trinken. Ich warf ihr leicht schnippisch vor, dass sie so einen guten Tee niemals in ihrem Leben zuvor getrunken hätte und sicher auch niemals trinken würde.“ Sein herablassendes Lachen konnte die Angst in seinen Augen nicht verbergen. Im kühlen Grau flackerte die aufsteigende Panik und trotz aller Mauern, die er zu errichten versuchte, konnte er dieses Gefühl nicht unterdrücken.
 

„Der Zaubertrank wirkt sofort und nach meiner schnippischen Antwort war sie ganz versessen darauf, mich an meinen Platz in der Rangfolge zu erinnern.“ Kurz lachte er bitter auf. „Den verängstigten Schüler musste ich ihr sicher nicht vorspielen, ich bin innerlich gestorben vor Angst. Bis jetzt weiß ich nicht, woher ich den Mut hatte, ihr all die Fragen zu stellen, die sie mir mit einem freudigen Wahnsinn beantwortete. Sie nutze jede Chance, um mir noch mehr Angst einzujagen und von der Unsterblichkeit eines so grausamen Mannes zu erzählen, war beängstigend. Davon abgesehen, dass sie mir auch noch von den Morden berichtete, die zum Teilen seiner Seele führten.“ Ein Schauer lief bei dieser Erinnerung über seinen Rücken, den er nicht zu verbergen verstand. Immer deutlicher wurde die Angst in seinen Augen und langsam begannen seine Hände sichtbar zu zittern. Er klammerte sich um den Becher, versuchte sich zu beherrschen.

„Bellatrix Lestrange ist wahnsinnig! Sie ist verrückt und als sie meinte, mir genug Angst eingejagt zu haben, griff sie nach meiner Hand, schob meinen Ärmel nach oben und fuhr mit ihren scharfen Fingernägeln um das dunkle Mal auf meinem Arm. Mit einem grausamen Kichern erklärte sie mir, dass ich nicht würdig wäre, es zu tragen und sollte ich ihn je verraten, würde sie es mir aus dem Arm schneiden.“
 

Nun war die Panik in seinen Augen so groß, dass seine Stimme abbrach und die alte Hexe wusste, dass er nicht weiter erzählen würde. Schweigend saß sie eine Weile dort. Schließlich stand sie auf und mit einem Wink ihrer knochigen Hand brannte das Feuer wieder lodernd auf. „Räum endlich den Tisch leer, damit ich meine Bündel zum Trockenen anfertigen kann.“ Gab sie grob von sich und Draco zuckte in sich zusammen.

Er starrte sie einen langen Moment schweigend an und nickte schließlich noch immer leicht zitternd. Mit den Händen stützte er sich auf der Tischkannte ab und drückte sich in die Höhe, als hätte er allein keine Kraft zum Aufstehen. Langsam begann er die einzelnen Bücherstapel zusammen zu schieben und ließ sie schlussendlich in der kleinen, schwarzen Tasche verschwinden, die all seinen Besitzt fasste. Sie war mit dem gleichen Zauber belegt, wie ihn ebenso Hermine auf ihrer Reise mit Harry, Ron und Dumbledore genutzt hatte.
 

„Morgen erzählst du mir dann endlich, warum du dieses ganze Theater gemacht hast. Es ging dir dabei sicher nicht nur um deinen eigenen Hintern.“ Mitten in der Bewegung hielt er inne, Draco erstarrte regelrecht und klammerte sich an das Buch, welches er gerade in Händen hielt. Tief atmete er ein und aus, hörbar und dann hob er konzentriert den Blick.

„Ich sage es dir immer wieder, Bürschchen. Ich bin nicht so dumm und einfältig, wie du denkst. Du hättest das Buch auch einfach mit einer Notiz versehen können und deinem Schulleiter zukommen lassen. Damit wäre für dich die Sache erledigt gewesen. Aber einen Plan auszuhecken, Bellatrix zu befragen, dich in eine solche idiotische Gefahr zu begeben, so etwas tut man nur aus einem einzigen Grund!“ Sie lachte, als sie die Panik erneut in seinen Augen aufflackern sah und mit einem beinahe bösen Ton hauchte sie frohlockend. „Die Liebe!“

Er antwortete ihr nicht, begann die restlichen Bücher in seine Tasche zu stopfen, als sie wieder ansetzte. „Weiß sie es? Weiß sie, was du für sie geopfert hast?“ Die Alte verzog ihr faltiges Gesicht und mit einem Gackern erkannte sie die Antwort in dem seinen. „Du bist dir nicht sicher, ob sie weiß, dass du sie liebst!“
 

Niemand hatte gesagt, dass es in einem kleinen Hexenhaus mitten in einem verfluchten Wald leicht war, mit einer verschrobenen, wettergegerbten Hexe zu leben, die weder ihren Namen noch ihr Alter preisgab. Sie kannte mehr Zaubertricks und Kniffe, als er zu zählen fähig war und ihr auf vier lange, dicken Baumstämmen stehendes Haus hatte Türen, die zu immer anderen Räumen zu führen vermochten. Manchmal fühlte er sich wirklich wie im Märchen bei der Baba Jage und sie durchschaute ihn immer wieder bis auf den Grund seines Herzens.

„Ich weiß es nicht. Ich gebe zu, mein Geständnis war nicht sehr… offenkundig.“ Flüsterte er leise und sie stellte den großen Weidenkorb mit Schwung auf den Tisch. „Wirst du sie wieder sehen oder bist du einer dieser tragischen Helden, der seine Prinzessin niemals in den Armen halten wird?“ Erneut schluckte er und doch blieb da ein Schmunzeln auf seinen Lippen. Er konnte einfach nicht anders und das Bild von Harry in einem weißen Spitzenkleid mit einer Krone in den wilden Harren ließ die Angst in seinem Herzen kleiner werden und ein warmes, starkes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus.
 

„Was es mit den Büchern und deinen Kritzeleien auf sich hat, kannst du mir das nächste Mal erzählen. Also, wie ist sie so? Wie ist dein kleines Prinzesschen? Gehört sie zu der Sorte, die man vor jeder Mücke retten muss?“ Ohne es verhindern zu können, wurde Draco tief rot auf den Wangen. Als wäre Harry „sein Prinzesschen“ und dann auch noch so ängstlich? Er sah wieder das Bild vor Augen und plötzlich musste er prusten vor Lachen. Die Vorstellung, dass sich Harry in einem weißen Kleid hinter ihm versteckte und ängstlich flehte „Oh, Draco, rette mich, da ist eine Spinne!“, vertrieb einfach jede Erinnerung an Bellatrix. Schnell räumte er die letzten Bücher weg und griff dann nach seinem Becher nun kalter Schokolade.

„Nein, nein, so ist „sie“ auf keinen Fall. Sie gehört eher zu den Prinzessinnen, die den Drachen selbst erlegen. Oder das Schwert schwingen, um den Ritter in die Flucht zu schlagen, der ihnen nicht passt. Ich glaube, dass man sie gut als dickköpfig, stur, draufgängerisch und auf jeden Fall als zickig beschreiben kann! Sie stürzt sich ständig in irgendwelche Gefahren und kommt mit ihren beiden besten Freunden auch ziemlich gut da wieder raus.“ Er schmunzelte und beobachtete, wie die alten, knochigen Hände geschickt die kleinen, weichen Blütenstängel auseinander zupften und auf dem Tisch ausbreiteten.
 

„Oh ha, also ein Weib mit Feuer im Herzen!“ Kommentierte sie gackernd und blickte nur kurz grinsend auf. „Ja, und sie kann mich auf den Tod nicht ausstehen. Seit unserer ersten Begegnung liegen wir uns nur in den Haaren und jeder versucht den anderen zu ärgern, wo er nur kann.“ Dass seine grauen Augen bei der Erinnerung an den schwarzhaarigen Zauberer warm zu funkeln begonnen hatten, wusste er nicht.

„Bei einem Frauenzimmer ist das doch ein gutes Zeichen!“ Setzte sie an und hatte die ersten, dünnen Bündel zusammen gelegt, die sie zum Trockenen aufhängen wollte. „Oder hast du dich ihr gegenüber wie ein egoistischer, selbstverliebter Arsch verhalten?“ Wieder wurde Draco rot und räusperte sich verlegen. „Das haben wir beide… na ja, nein, in erster Linie ich. Aber ich bin ein Malfoy!“ Bei ihrem strengen Blick schüttelte er gleich den Kopf und hob abwehrend die Hände. "Nein, es liegt nicht daran, dass „sie“ nicht reinblütig ist.“

Unter dem plötzlich mütterlichen Blick gab er verlegen von sich. „Ich liebe „sie“ einfach und ich würde gerne sehr vieles anders machen. Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn es den Dunklen Lord nicht gegeben hätte.“

Laut schnalzte sie mit der Zunge und ihre Antwort war direkt, wenn auch erstaunlich. „Bürschchen, dann wäre sie nicht deine Prinzessin und du nicht ihr Prinz. Dann wäret ihr beide nicht die, die ihr seid. Wenn sie bereit ist, dich trotz allem zu lieben, dann wird sie das für den Rest ihres Lebens tun!“

Lass dich nicht angreifen!

Kapitel 12

Lass dich nicht angreifen!
 

Mit besorgtem Blick seufzte Hermine ein weiteres Mal. „Und du weißt wirklich Nichts, Ron?“ Fragte sie erneut und der rothaarige Gryffindor raufte sich die wilden Haare. „Nein, ich weiß wirklich Nichts!“ Fuhr er sie nun schon gereizt an und sah hilfesuchend zu dem Slytherin an seiner Seite. „Ich habe ihn gestern auf dem Astronomie Turm zurückgelassen. Er kann da ja schlecht die ganze Nacht verbracht haben oder?“ Meinte Blaise zögerlich und versuchte die Blicke zu ignorieren, die ihm zugeworfen wurden. Schon beim Frühstück hatte er sich äußerst unwohl gefühlt und viele waren ihm aus dem Weg gegangen. Am Esstisch waren sogar einige aufgestanden, als er sich setzten wollte, und hatten sich demonstrativ andere Plätzte gesucht. Dafür hatte sich Viktoria zu ihnen gesellt und selbst Ginny hatte sich nicht geziert. „Ich hasse dich noch immer!“ Stellte sie gereizt fest, doch weiter schien sie ihn nicht angreifen zu wollen.

„Selbst wenn er dort ist, Mine, wir können da jetzt eh nicht mehr hin!“ Brummte Ron und bemerkte, wie sich die hintere Tür öffnete. Sie hatten in den ersten Stunden Zaubertrank Unterricht und außer Harry waren wirklich alle da. Hermine, Ron und Blaise waren gezwungenermaßen in die erste Reihe ausgewichen und mit einem Knurren hatte die brünette Hexe die dummen Kommentare zu überhören versucht.
 

„Ich bin da!“ Diese Stimme klang hektisch aus dem hinteren Teil des Klassenraumes und kurz darauf wurde die Tür zugeschlagen. Erschrocken fuhren die Schüler herum und mit großen Schritten rannte der schwarzhaarige Gryffindor die Reihen an Schulbänken entlang. Der Kerker war mit Kerzen erhellt, hier unten war es unerwartet kühl, beinahe kalt im Vergleich zu den warmen Sommertemperaturen dieses Morgens. Die vielen Ecktische waren verschwunden, dafür reihten sich nun einfache Schulbänke aneinander. Die Regale jedoch waren noch immer mit Flaschen, Dosen und Kisten versehen. „Es tut mir wirklich leid, Professor.“ Warf er nach Luft ringend dem Mann zu, der mit erstauntem Gesicht die Szenerie musterte.

„Was denn, hat dich Zabini heute nicht geweckt?“ Stichelte Pansy aus ihrer Reihe hinüber, die Slytherin saßen auf der einen Seite des Klassenraumes, die Gryffindors ihnen gegenüber auf der anderen. Nur einer hatte sich eher zwangsweise nicht an diese Ordnung gehalten. „Nein, sonst wären wir uns heute früh wahrscheinlich begegnet. Das wäre dann der wahrgewordene Albtraum. Dich schon vor dem Frühstück ertragen zu müssen…“ Gab Harry genervt von sich und setzte ein leicht würgendes Geräusch dahinter. Sein schwarzer Umhang war offen, die dunklen Haare noch feucht vom Duschen und einen Kamm hatten sie sicher auch nicht gesehen.

„Noch immer so eine große Klappe, Potter? Ich dachte schon, du hättest dich ängstlich in das Loch verkrochen, aus dem du gekrabbelt bist. Ach nein, warte, das war ja ein Verschlag bei deinen Muggel Verwandten!“ Nicht nur die Slytherin begannen zu lachen, auch einige Mitschüler aus seinem eigenen Haus prusteten hinter vorgehaltener Hand.
 

Ein Räuspern unterbrach die begonnene Stichelei und erschrocken begriff Harry, bei wem er sich da eben noch entschuldigt hatte, nur um dann ein solches Verhalten an den Tag zu legen. Die schwarzen Augen des Lehrers wirkten kühl, noch immer war da ein gewisses Entsetzen über ein solches Benehmen in seinem Klassenraum, welches sich auf dem blassen Gesicht spiegelte. „Nun, wie ich siehe, scheinen sie mehr Interesse an ihren Streitigkeiten zu haben, als an diesem Unterricht. Mich soll es nicht stören, immerhin halte ich es für absolut unangebracht mit ihnen noch einmal den bisherigen Lernstoff zu wiederholen. Diese Gunst haben sie allein Professor Dumbledore zu verdanken.“ Seine Stimme klang unterkühlt und schneidend. Es war unzweifelhaft, dass Snape dieser Bitte nur mit äußerstem Ekel nach kam.

„Ich denke jedoch, dass wir diese Situation zu meinem Vorteil nutzen können.“ Das Lächeln, welches nun über die schmalen Lippen schlich, jagte selbst den Schülern aus dem Hause Slytherin einen Schauer über den Rücken. „Sie glauben ernsthaft, dass sie in meinem Unterricht ungestraft ihren belanglosen Auseinandersetzungen weiter nachjagen können?“ Fragte er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Gang zwischen den Häusern entlang schreitend. „Sie glauben wirklich, meine Nerven während einer solch grauenhaft schlechten Laune strapazieren zu wollen?“ Das Schweigen in dem tiefen Kerker wurde klirrend. „Nun, dann werde ich ihnen wohl deutlich zeigen müssen, was ich ihnen zu Beginn dieser 7 Jahre verdeutlichen wollte!“
 

Snape stand nun im hinteren Teil des Raumes und sein Blick sprach von einer dunklen Gier. Sein Zorn schien nicht nur den Gryffindors gegenüber aufzuflammen. „Wie sie ja bereits bemerkt haben, fehlen die sonstigen Arbeitstische. Es wird heute keinen praktischen Unterricht geben. Wenn sie sich jedoch lieber zerfleischen wollen, will ich ihrer Sehnsucht heute Gehör schenken.“ Er klatschte kurz in die Hände und über dem Lehrerpult erschienen in Blutrot und in Giftgrün die Punktestände der beiden Häuser. Eine silberne Sanduhr erschien, schlicht, einfach, der Sand in ihr glitzerte grün. „Potter, da sie ausschlaggebend für diese Unruhe sind, geht die erste Frage an sie! Was habe ich ihnen zuerst beigebracht?“
 

Jetzt war der Augenblick für ein ausfallendes Tuscheln gekommen, doch niemand wagte es auch nur zu atmen. Harry hingegen schluckte, er spürte, wie alle Augen auf ihn gerichtet waren. Hermine hob sofort die Hand und blickte hoffungsvoll zu dem deutlich schlecht gelaunten Lehrer. „Granger, wenn sie auch nur einen Laut von sich geben, ziehe ich ihnen 50 Punkte ab!“ Entsetzt ließ sie ihre Hand sinken, ihre roten Lippen standen weit offen und sie wollte gerade etwas sagen, als Ron ihr den Mund zu hielt. „Keinen Mucks.“ Flüsterte er erschrocken.

Die grünen Augen des Suchers wanderten hinüber zu der silbernen Sanduhr, die sich längst gedreht hatte. Wie lange mochte es dauern, bis der Sand auf der anderen Seite angekommen war? 60 Sekunden? „Sie… Sie haben uns zuerst beigebracht, dass… also… wir…“ Welches war der erste Zaubertrank, den sie gelernt hatten? Fieberhaft suchte er nach der richtigen Antwort. Er hatte miserabel geschlafen und war erst vor kurzem oben steif und erschöpft auf dem Turm wach geworden. Der Traum, der ihn in dieser Nacht heim gesucht hatte, machte die Situation nicht besser. Schlagartig hatte er Draco vor Augen, der auf dem Tisch in der Bibliothek saß und mit einem breiten Grinsen meinte. ‚Das ist doch eine einfache Frage!‘

„Sie sind mit uns zuerst die Grundlagen durchgangen, Professor?“ Entschloss er sich und ein Donnern erfüllte den Raum. Mit einem widerwärtigen Rattern wurde aus der 5 am Ende ihres Punktestandes eine 0 und allen war bewusst, dass diese Antwort falsch war.
 

„Schlecht, Potter!“ Kommentierte Snape und schritt mit einem zufriedenen Lächeln wieder an den Tischreihen entlang nach vorne. „Nun, Miss Parkinson, das ist ihre Chance zur Rache. Sie können nun die verlorenen Punkte für ihr Haus einstreichen. Gleiche Frage!“

Doch die sonst so taffe Hexe wurde bleich. Sie wusste, dass nun ihr alle Blicke galten und mit einem Schlucken starrte sie auf die Sanduhr, die sich drehte und erneut den Sand von einer Seite zur andere laufen ließ. Ein weiteres Schlucken brach die absolute Stille des Raumes und mit trockener Kehle versuchte sie zu antworten. Sie nannte den ersten Zaubertrank, den sie bei Snape gebraut hatten.

Wieder donnerte es und auch bei den Slytherin fehlten nun 5 Punkte. Severus Snape hingegen hatte sich an seinen Schreibtisch gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. „Warum habe ich die letzten 7 Jahre mit ihnen verschwendet?“ Knurrte er leicht gereizt und nicht einmal Hermine wagte es ihre Hand erneut zu heben. „Ich habe ihnen zuerst versucht einzuprügeln, dass dieses Fach in keiner Weise einfach und unkompliziert ist! Ich habe zumindest versucht ihnen die Bedeutung dieses Faches beizubringen. Anscheinend hätte ich es ihnen wirklich einprügeln sollen. Nächste Frage!“
 

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Dass es sogar die Slytherin so hart treffen würde, hätte keiner gedacht. Wenn sie sich endlich sicher waren, die hinter steckten Fragen zu durchschauen, wurden sie einfach und es kam wieder zur falschen Antwort. Hermine und Blaise wurden auf die Ersatzbank verbannt und Harry wurde bewusst, wie genau der Lehrer sie kannte. Jeder bekam die Frage ab, bei der die Wahrscheinlichkeit am geringsten war, sie richtig zu beantworten. Wenigstens hatte sich die Laune des Mannes erheblich gebessert und als ihnen gefühlt über 200 Punkte abgezogen worden waren und sich die herablassenden Antworten wie Peitschenschläge in ihre Köpfe eingebrannt hatten, durften sie endlich gehen.

Niedergeschlagen und schweigsam griffen sie nach ihren Taschen, niemand wollte lange bleiben. Es erinnerte an gestern, ein schneller, niederschmetternder Rückzug. „Das ist alles deine…“ Doch weiter kam Pansy nicht, die wütend auf Harry losgehen wollte. Es war Gregory Goyle, der sie an der Schulter packte und anfuhr. „Halt endlich deine Klappe! Es ist genauso deine schuld!“ Diese Aussage war so unerwartet, dass der Hexe der Mund leicht offen stand und sie den deutlich größeren einfach nur anstarrte. „Jetzt mach dich vom Acker und versprüh dein Gift irgendwo anders.“ Knurrte er und Nott nickte. Dieser hatte sich hinter Gregory gestellt und die Arme verschränkt. „Das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr. Falls es euch nicht aufgefallen ist, wir haben alle die gleichen Punkte abgezogen bekommen.“ Er stieß die Luft aus und nun wurde er angestarrt. „Du mischt dich mal ein?“ Fragte Blaise belustigt und die dunklen Augen blickten ihn finster an.
 

„Falls es euch nicht aufgefallen ist und das scheint ja offenkundig zu sein, äußere ich mich gerne zu der Tatsache, dass ich es langsam satt habe! Diese Häuser streiten sich seit wir hier sind. Niemand hat sich darum geschert, warum das so ist. Keiner hat sich die Mühe gegeben, den anderen auch nur zu verstehen. Ich habe keine Lust mehr darauf! Ich habe genug Tote gesehen! Ich habe genug Hass in meinem Leben gehabt! Wegen genau diesem Scheiß hier sitzt mein Vater in Askaban und wird da niemals wieder lebend raus kommen! Mir ist es also scheißegal, was ihr mit den letzten Wochen hier machen wollt! Aber bei allen verfluchten, verdorbenen und gemetzelten Göttern dieser elenden Welt! Könnt ihr engstirnigen Vollidioten nicht wenigstens die letzten Wochen eurer Schulzeit nicht säbelrasselnd aufeinander los gehen? Wir wären beinahe drauf gegangen! Beinahe abgekratzt! Hätten uns gegenseitig umgebracht! Ist euch das scheißegal?“
 

Theodore Nott schulterte seine Tasche erneut und stürmte mit hochrotem Kopf an ihnen vorbei hinaus zum Ausgang. Sie alle starrten ihm nach und keiner fand seine eigenen Worte wieder. Hatten sie den Kerl je so viel sagen hören? Was er jedoch gesagt hatte, traf sie alle. Nun, alle außer Pansy, die stur und dumm zu sein schien. Sie griff nach ihrer Tasche, zischte eine einfältige Bemerkung und rauschte davon, als wäre sie die Königin dieser Schule.

Mit einem nachdenklichen Blick starrte Gregory den schwarzhaarigen Gryffindor an, schüttelte den Kopf und wollte sich schon abwenden, als dieser ihn ansprach. „Danke!“ Mehr sagte Harry nicht und der um einiges größere Slytherin schnaubte nur kurz. Er schien noch etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber sein.
 

oooOOOooo
 

Mit einem Seufzen starrte Harry in sein Abendessen. Nachdem sie diese qualvolle Stunde bei Snape überstanden hatten, erfuhr Harry noch etwas, das er hätte vorausahnen können. Hermine hatte es ihm so schonend wie möglich beigebrachte, doch nach einer so kurzen, harten Nacht erschien es ihm dennoch wie ein kräftiger Schlag in die Magengrube. Natürlich hatte seine Lieblingsreporterin von seinem Coming Out erfahren und der gewaltige, mehrseitige Bericht führte detailliert auf, welche Affären er schon wo und wann und vor allem mit wem gehabt haben sollte. Nicht alles davon war gelogen, dennoch würden die entsprechenden Damen und auch der ein oder andere Herr ohne Gleichen vor Wut schnauben, immerhin dachte die gesamte Zaubererwelt nun, dass sie nichts weiter als eine einfache Affäre des „Goldjungen“ gewesen wären.

Der restliche Tag verlief von den herabwürdigenden und manchmal sogar totbringenden Blicken abgesehen den Umständen entsprechend ruhig. In den wenigen, entspannenden Minuten, die er alleine verbringen konnte, waren seine Gedanken an die verbleibenden Teilstücke seines Traumes gekreist. An viel erinnerte er sich nicht, er bekam noch zusammen, dass er und Draco in der Bibliothek gewesen waren und selbst jetzt war da dieses Eifersuchtsheischende Gefühl. Wenn er daran dachte, begann sein Herz wild zu klopfen und etwas in seinem Kopf schrie auf. Ohne es verhindern zu können keimte diese Eifersucht sogar Hermine gegenüber auf, obwohl er sich sicher war, dass Draco nie etwas mit ihr hatte. Dieser und Ron hatte er natürlich gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, sie beide konnten nicht glauben, dass Harry die gesamte Nacht oben auf dem Turm verbracht hatte. Um ehrlich zu sein war er von Professor Trelawney geweckt worden, die ihn jedoch nur mit einem wissenden Blick durchbohrte und dann schnell hinunter schickte.
 

Jetzt beim Essen hing jedoch dieses seltsame Gefühl in der Luft, welches Nott mit seinen Worten verbreitete, und auch die anderen Schüler hatten mitbekommen, dass nun die beiden stärksten Häuser weit abgeschlagen von allen anderen waren. Schweigend hatte man erst das Mittagessen verbracht und die entsetzen, vorwurfsvollen Blicke der anderen versuchten die Siebtklässler so gut es ging zu ignorieren.

Doch auch jetzt war es nicht besser. Sie wurden abfällig gemustert und der kleine Trost, dass sie noch immer mit 15 Punkten vor den Slytherin lagen, war zu gering, um wahrgenommen zu werden. „Was ist? Du bist den ganzen Tag über schon so schweigsam.“ Fragte Ron schließlich, bekam aber nur ein erneutes Seufzen. „Ich habe irgendwie keinen Appetit.“ Brummte Harry schließlich, schien sich aber dazu durchringen zu müssen. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Nott mehr gesagt hat, als er wollte.“

Hermine schien sich zu verschlucken und hustete kurz heftig. „Oh, wie kommst du nur darauf?“ Meinte sie sarkastisch und Blaise musste leicht lachen. Ginny sah auf, sie saß neben ihrem Bruder und wusste von diesen Geschehnissen des Morgens noch nichts. „Vielleicht, weil er so schnell abgehauen ist.“ Schlug der Slytherin vor und Ron prustete vor Lachen. „Ich denke, er kam wegen des roten Kopfes auf die Idee.“ Schlussfolgerte der sommersprossige Magier und der schwarzhaarige Gryffindor sah sie missgelaunt an. „Ihr seid mir eine sehr große Hilfe!“ Platze er angefressen heraus und sah dann hinüber zu dem letzten Tisch am anderen Ende der Halle.
 

„Ich denke, er hat Recht.“ Meinte er schließlich und stand auf. Nun wurde er irritiert angestarrt, selbst am Lehrertisch hatte man ihn nicht aus den Augen gelassen. Jedoch hielt ihn niemand auf, als er sich auf den Weg machte. Natürlich zog er alle Aufmerksamkeit auf sich, er konnte seit gestern Abend nirgendwo mehr auftauchen, ohne noch mehr gemustert und angestarrt zu werden, als schon in all den anderen Jahren. Beim Mittagessen waren sogar einige der Gryffindors aufgestanden und hatten sich demonstrativ von ihm weggesetzt. Was hinter seinem Rücken getuschelt wurde, wollte er erst gar nicht erfahren. Auch jetzt brach wieder ein unruhiges Gemurmel in der großen Halle aus.

Tief holte er Luft, als er am Ende ankam, den Tisch der Slytherin erreicht hatte. Mit aller Gewalt ignorierte er die Wortfetzen, die an seine Ohren drangen und die entsetzen, misstrauischen Gesichter, die ihn nun anstarrten. Noch einmal straffte er die Schultern und trat näher. „Nott.“ Begann er und der schüchterne Schwarzhaarige zuckte erschrocken zusammen. Die dunklen Augen sahen Harry beinahe schon panisch an. Der stille Slytherin saß ganz außen und seine schlanken Hände verkrampften sich leicht um das Besteck, welches er hielt.
 

„Ich möchte mich bei dir entschuldigen.“ Begann der Gryffindor so ruhig wie möglich. Er hatte nicht vor den anderen in Angst zu versetzen. Verlegen sah dieser wieder auf seinen Teller, konnte dem Blick der grünen Augen nicht standhalten. Doch noch etwas anderes geschah, mit dem Harry nicht gerechnet hatte. Vincent und Gregory erhoben sich und sie waren nicht die einzigen. Er wurde mit Argusaugen beobachtet und offensichtlich waren einige der Slytherin sogar zu einem Angriff bereit. Wow, seit wann verteidigte man Mitschüler aus diesem Hause? Wie Blaise Freundschaft zu ihm gezeigt hatte, massakrierten sie sich bisher lieber gegenseitig.

So hob Harry abwehrend die Hände. „Ich will mich wirklich nur entschuldigen. Theodore hat schließlich Recht. Ich tue immer so, als wären wir die einzigen, die eine schwere Zeit hinter sich haben. Was ihr hier erlebt habt, kann ich nicht nachvollziehen und ich denke nicht, dass jemand behaupten kann, dass es besser oder schlechter gewesen ist, als dass, was wir durchgestanden haben.“ Er hoffte, dass seine Worte halfen, zumindest schienen sich alle etwas zu entspannen. Selbst der Angesprochene sah kurz zu ihm auf. Er schien nach der Falle zu suchen, die ihm gestellt wurde.
 

„Theodore, es tut mir aufrichtig leid! Ich kann nicht für alle sprechen, aber ich möchte gerne die Feindschaft zwischen den Häusern beenden.“ Schlagartig wurde es totenstill, nur damit daraufhin ein lautes Durcheinander entstand. Selbst bei den Slytherin war man sich unsicher, es wurde getuschelt, Blicke getauscht und dann erhob Pansy die Stimme. „Du sprichst im Namen deines Hauses, ja? Und wer steht alles hinter dir?“ Sie hatte sich erhoben, die Arme verschränkt und starrte ihn herablassend an. Die schwarzen Haare waren zu einer eleganten Frisur geflochten und nach oben gesteckt, die freien Schultern mit einer feinen Strickjacke verdeckt. Die junge Frau trug eine ärmellose Bluse und einen kurzen Faltenrock, beides in schwarz.

„Ich!“ Meinte Hermine direkt, die nun mit ebenso verschränken Armen hinter ihm stand. „Ich finde auch, dass Nott Recht hat. Wir sollten mit dem Kinderkram aufhören!“ Meinte Ron leicht aufgebracht, auch er war da. „Obwohl du einen Tritt in deinen Hintern verdienst hast!“ Knurrte Ginny, die ebenfalls zu ihnen stieß.

„Warum denkst du eigentlich immer, dass du alles alleine machen kannst, Potter?“ Donnerte plötzlich eine Stimme durch die große Halle und Dean und Seamus kamen näher. „Wahrscheinlich sein Heldenkomplex. Hat zumindest den Vorteil, dass ihm zuerst die Augen ausgekratzt werden!“ Stichelte Seamus und grinste den Schwarzhaarigen frech an.

Erstaunt musterte er die beiden, sie sich nun neben ihm aufbauten und nach einer kurzen Weile der Gegenüberstellung gab Dean schließlich von sich. „Ich bin trotzdem dafür. Frieden bis zum Ende dieses Schuljahres und die anderen sollen selbst entscheiden, was sie im nächsten machen!“
 

Immer mehr kamen dazu, an den Tischen waren sie aufgestanden, um einen besseren Blick auf die Szene zu erhaschen. Auch die Slytherin sammelten sich langsam, rückten näher zusammen und plötzlich starrten sie alle Pansy an. Als müssten sie auf ihre Erlaubnis warten.

Doch sie wirkte nur erstaunt und angewidert im gleichen Zuge. Sie war von der Idee in keiner Weise begeistert und plötzlich wurde Nott am Ärmel gezogen. Neben ihm saß ein Erstklässler, der einen sehr ernsten Ausdruck in seinem schlanken Gesicht trug. „Theodore, wenn die Slytherin und Gryffindors sich nicht mehr streiten, darf dann Peter wieder mein bester Freund sein?“ Schweigen herrschte und der Schüler starrte den Jüngeren verwirrt an. „Na ja, Peter ist Gryffindor geworden, aber ich kenne ihn doch schon so lange. Aber alle sagen immer, dass wir jetzt keine besten Freunde mehr sein dürfen.“

Hermine spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Ja, so etwas konnte passieren. Diese Worte rührten sie und mit einem Lächeln half sie dem sprachlosen Slytherin aus. „Ja, wenn es keinen Streit mehr zwischen den Häusern gibt, dann wird keiner mehr etwas dagegen sagen. Aber ihr dürft natürlich auch so weiter beste Freunde sein.“ Die blauen Augen wurden große und das eben noch so ernste Gesicht erstrahlte in einem freudigen Ausdruck. „Dann machen wir das!“ Rief er begeistert und ein offenes Lachen brach aus. Irritiert sah er sich um, warum alle zu lachen begonnen hatte, verstand der junge Schüler noch nicht. Er war einer der jüngsten in seinem Jahrgang.
 

„Also gut, da ich ja nicht alleine entscheiden soll. Wer von den Gryffindors ist dafür, dass es Frieden zwischen den Häusern gibt?“ Er hob seine Hand und neben ihm meldeten sich auf den Schlag mehrere Mitschüler. Nach und nach wurden es zögerlich mehr. Ein 12 Jähriger aus der ersten Klasse hüpfte beinahe, da er neben den anderen sonst sicher untergegangen wäre. „Ich, ich, ich!“ Rief er unentwegt und bahnte sich einen Weg nach vorne. Das war anscheinend Peter. Hermine zog ihren Zauberstarb und mit einem Winken und einem Murmeln wurde mit einem Leuchten in der Luft die volle Anzahl an Stimmen angezeigt. Neville grinste und meinte leise. „Typisch sie wieder. Müssen wir gleich noch einen Vertrag unterschreiben?“ Luna lachte und stieß ihn sanft an. „Sei leise!“ Sie grinste voller Freude und konnte kaum glauben, dass so etwas hier geschah. Begeistert streckte sie ihre schlanke Hand in die Höhe. „Das ist die Mehrheit!“ Stellte Hermine fest und Harry drehte sich um.

„Also, wer von den Slytherin ist dafür?“ Der Erstklässler neben Nott sprang als erstes auf und streckte seinen Arm so weit er konnte in die Luft. Doch er blieb vorerst der einzige. Unter Pansys kaltem Blick wagte es niemand sich so offen zu positionieren. Theodor war nun tief rot angelaufen und mit einem verlegenen Blick straffte er die Schulter. Es wirkte fast, als stürbe er tausende von Toden, als er sich mit beiden Händen vom Tisch abdrückte und aufstand. „I…“ Er holte noch einmal Luft. „Ich bin dafür!“ Krächzte er und seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er blickte nicht auf, dafür hatte er zu viel Angst.
 

Gregory und Vincent sahen sich kurz an und zuckten dann mit den Schultern. „Sind ja nur noch ein paar Wochen.“ Brummten sie und hoben ebenfalls die Hände. Als wäre das ein heimliches Zeichen gewesen, begann es bei den ganz Kleinen. Schüchtern und verlegen streckten sich die Hände der Erst- und Zweitklässler in die Höhe und dann stand eine junge Schülerin aus der vierten auf. „Kommt Leute, Frieden bedeutet ja nicht, dass wir nie wieder ein böses Wort über „DIE DA“ sagen werden! Normalerweise geben Gryffindors einem schon genügend Gründe um sich über sie lustig zu machen.“ Feixte sie und unter ihren „aufmunternden“ Worten kamen auch hier immer mehr Stimmen zusammen. Marc erhob sich und gab ein klägliches Seufzen von sich. Er war ein schlanker 15 jähriger Schüler, reinblütig ohne Frage, mit kurzen, hellbraunen Haaren. „Wenn es denn sein muss. Kann ja nicht schaden oder?“ Fragte er und plötzlich brach Applaus am Nachbartisch aus. „Sei ja vorsichtig, nachher kommen wir noch auf die Idee, dass wir dich mögen!“ Rief der rothaarige Mitschüler aus dem Hause Hufflepuff hinüber und rutschte ein Stück zu Seite. „Wir legen dir sogar ein Kissen auf unsere unbequeme, harte Hufflepuff Bank!“

Die feine Augenbraue zog sich in die Höhe und doch konnte er das winzige Zucken seiner Mundwinkel nicht verhindern. „Ich hoffe, es ist grün!“ Gab er trocken von sich und der blonde Hufflepuff Mitschüler zur linken lachte. „Es ist Gryffindorrot!“ Neckte er zurück und da konnte auch Marc sein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Freundschaften waren selten, aber dennoch entstanden sie zwischen Slytherin und anderen Häusern.
 

Pansy wurde rot vor Wut. Gestern hatte sie dieser Mistkerl vorgeführt und nun kam das. „Seid ihr denn alle wahnsinnig geworden?“ Fuhr sie aus der Haut und Hermine trat näher. „Nein, sie sind eben nicht alle so hohl in ihrem Kopf, wie andere… nicht näher genannte Anwesende.“ Sie musterte die schwarzhaarige Hexe, die nun gänzlich aus der Hut fuhr. „Ihr seid alle abartig!“ Schrie sie außer sich und ergriff die Flucht. Sie war nicht die einzige. Einige erhoben sich ebenso, verschwanden mit ihr aus der großen Halle.

Dennoch blieben die meisten der Slytherins und so meinte Daphne Greengrass schließlich. „Dann würde ich sagen, dass es beschlossene Sache ist. Frieden bis zu den Ferien!“ Sie lächelte und plötzlich brach ein unerwarteter Applaus aus. Nach und nach fielen auch die Gryffindors und die Slytherin mit ein und Alexander sprang auf. Mit einem Freudengeschrei fiel er Peter um den Hals, der seinen etwas kleineren Freund packte und lachend durch die Luft wirbelte, indem er sich um seine eigene Achse drehte. „Endlich hab ich meinen besten Freund wieder!“ Rief der Jüngere lachend und als er wieder abgesetzt wurde, taumelte er schwindlig umher.
 

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen beugte sich der Schulleiter zur Seite und fragte leise. „Severus, was hast du noch gleich heute in deinem Unterricht besprochen? Mir war zu Ohren gekommen, dass du unerwartet eine Wiederholung des Schulstoffes angesetzt hattest!“ Der alte Lehrer strich sich über den grauen Bart und sah über die Brillengläser hinweg. Der Angesprochene knurrte nur und blickte finster auf das, was da geschah. „Ich habe nur meine Unlust an den Schülern ausgelassen. Außerdem war es Ihre Idee, haben Sie das schon vergessen, Professor?“

Die alten Augen funkelten. „Ah… war das meine Idee? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern.“ Meinte er zufrieden und lehnte sich wieder zurück. Er konnte damit leben, dass Severus sein sanftes Herz hinter dieser Lüge verbarg. Offenbar hatte er deutlich mehr erreicht, als nur den Stoff zu wiederholen. Spätestens das kurze, winzige Zucken der Mundwinkel zu einem sanften Lächeln hatte den Lehrer verraten, als Alexander seinem besten Freund um den Hals fiel.
 

„Jetzt reicht es mir!“ Mit diesen Worten lenkte jemand anderes die Aufmerksamkeit auf sich. Mit aufgebrachtem Blick war Padma aufgestanden und hinüber zu ihrer Schwester gegangen. Diese hatte sich zu Harry und den anderen gestellt, um ihre Stimme für den Friedensvertrag abzugeben. Nun griff die indisch stämmige Hexe nach dem Arm ihrer Schwester und packte mit viel Kraft zu. Sie zog an ihr, sodass diese kaum eine Chance hatte und ihr folgen musste. Erstaunt hatte sich die dunkelhäutige Hexe gegen diesen Angriff nicht gewehrt, sie war zu überrascht von dieser Aktion. Ihre Schwester war die ruhige, intelligente von ihnen, nicht die tatkräftige.

Nur wenige Sekunden später hatte Padma ihre Schwester an den Tischen vorbei gezogen und nun wurde auch Parvati bewusst, was geschehen sollte. „Nein!“ Rief sie entsetzt und spannte ihre Muskeln an, um gegen die Kraft ihrer Schwester zu arbeiten. „Vergiss es! Ich gehe da nicht hin!“ Wurde ihre Stimme immer lauter, doch Padma schob sie von hinten ohne Gnade weiter. Dass sie solche Kraft besaß, hätte keine der Schwestern geglaubt. Mit ihrem gesamten Gewicht legte sich Parvati gegen das ihrer Schwester, doch ihre leichten Stoffschuhe rutschten auf dem Steinboden ab und so kam sie dem Unausweichlichen immer näher.
 

Alle Blicke lagen auf ihnen und als sie vor den Moor Zwillingen zum Stehen kamen, war die aufgebrachte Hexe tief rot angelaufen. Trotz ihrer dunklen Hautfarbe war die Rötung gut zu sehen. Thomas und Mattias sahen gespannt auf, keiner wollte etwas sagen und so übernahm es Padma. „Es ist mir egal, ob sie es hören will! Sag es ihr, Thomas!“ Forderte sie direkt und nun wurde auch der Angesprochene rot. „Ich… ich soll…“ Begann er stotternd, denn bisher waren ihnen die beiden Schwestern aus dem Weg gegangen und sie hatten nicht damit gerechnet, je auf eine positive Antwort zu hoffen.

„Nein!“ Fuhr Parvati ihn an und versuchte sich noch immer aus dem harten Griff ihrer Schwester zu befreien. Morgen würde sie wahrscheinlich Blutergüsse an den Oberarmen haben. „Ich will es wirklich nicht hören.“ Sagte sie bestimmt und riss sich endlich los. Wütend fuhr sie zu ihrer Schwester herum und funkelte diese an. Sie fühlte sich verraten, während die Verlegenheit auf ihren Wangen brannte. Alle starrten sie an. Doch sagen konnte sie nichts. So gab sie nur einen unterdrückten Schrei von sich, um an ihr vorbei zu stürmen.
 

Erschrocken hielt sie inne, als sich warme, kräftige Finger um ihr Handgelenk legten und sie zurückhielten. „Bitte warte!“ Ihr Herz setzte aus. Diese tiefe, aufgewühlte Stimme, die jede Empfindung deutlich zeigte. Sie wollte nicht zu ihm sehen, doch er hielt sie fest. Noch immer brannten ihre Wangen, innerlich tobte ein Sturm in ihrer Seele und mit weichen Knien blickte sie zurück. Fest biss sie sich auf die Unterlippe und zuckte leicht zusammen. Er war wirklich vor ihr auf die Knie gesunken!

„Was… was machst du da?“ Flüsterte Parvati, die ihre eigene Stimme nicht hören konnte. Sie spürte, wie ihre Körper von einem leichten Beben ergriffen wurde und diese wunderschönen, braunen Augen sahen sie so voller Liebe und Hoffnung an. Ihr Herz schlug noch immer bis zum Halse und sie wusste, dass sie nichts dagegen tun konnte. Ihr fehlten die Kraft und der Mut um jetzt zu gehen.
 

„Ich liebe dich, Parvati Patil und ich bitte dich mit mir zum Abschlussball zu gehen!“ Mehr sagte er nicht, hielt weiterhin ihr Handgelenk fest, sein Blick hielt den ihren gefangen. Er kniete vor ihr, alle starrten sie an und ob das hier wirklich unter dem Friedensvertrag der zwei größten Häuser untergehen würde, bezweifelte sie. „Steh… steh wieder auf!“ Zischte sie nur und versuchte mit einem Blinzeln das zu verhindern, was sich unaufhaltsam seinen Weg bahnte.

„Erst wenn du ja sagst!“ Antwortete er ohne zu zögern und die dunkelhäutige Hexe schluckte schwer. Winzige Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln und ihr Herz schlug so gewaltig, als spränge es gleich aus ihrer Brust. War es nicht genau das, was sie all die Zeit wollte? War es nicht genau das, was sie zu hören hoffte? Mattias griff nach Padmas Hand und sie beide beobachteten mit angehaltenem Atem, was da geschah.

„Ja… ja, ich gehe mit dir zu diesem verfluchten Ball!“ Rief sie plötzlich und versuchte krampfhaft die Tränen zu unterdrücken, die sich in ihren wunderschönen, dunklen Augen sammelten. Mit einer kräftigen Bewegung erhob sich der Hufflepuff Schüler und ließ ihre Hand los. Im nächsten Herzschlag packte er ihre Hüften, zog sie an sich und dann ein gutes Stück in die Luft.
 

Parvati verlor den Boden unter den Füßen, schrie kurz auf und stützte sich erschrocken mit beiden Händen auf seinen Schultern ab. Tränen aus Verlegenheit und Glück liefen über ihre Wangen, nun konnte sie diese nicht mehr zurückhalten. „Lass mich wieder runter!“ Forderte sie und als sie das Strahlen in seinem Gesicht erkannte, spürte sie die Hitze in ihrer Seele. Ja, sie liebte diesen verrückten Kerl und das hatte sie die ganze Zeit über gewusst. Langsam ließ er sie wieder auf dem Boden aufkommen und beugte sich zu ihr herunter. Ihre Hände wanderten in seinen Nacken und für einen Moment schienen sie ihn zu verbrennen, so heiß empfand er diese Berührung.

Doch dies war nichts gegen das Gefühl, als sich ihre Lippen trafen! Etwas in ihm wollte den Verstand verlieren, sein gesamter Körper wurde von einem Kribbeln ergriffen und ein Prickeln raste unter seiner Haut entlang. Sie schmeckte nach Honig und er konnte den Geruch von Lavendel wahrnehmen.
 

Wie ein eingestimmter Chor raunte das mitfühlende „Oh!“ durch die Reihen und tosender Beifall wurde geklatscht. Es hätte nichts gegeben, was den wilden Abend des gestrigen Tages schöner beenden konnte. Padma lag glücklich in den Armen von Mattias, der sie fest an sich zog. Ob es eine Liebe für immer sein würde, wusste niemand. Aber wer gestand sich schon vor der gesamten Schule dieses unbestimmte Gefühl?

Jedes Mädchen schien plötzlich davon zu träumen und selbst Hermine bekam einen sanften Ausdruck. Ron bemerkte ihn und mit einem Seufzen dachte er an seinen Plan. Ob er das wirklich machen sollte? Anscheinend gefiel ihr ja schon einmal diese romantisch kitschige Stimmung hier. Aber konnte ER das denn überhaupt? Er musste vor so vielen Leuten… tief rot spürte er die Hitze auf seinen Wangen und er schluckte erneut, dieses Mal panisch!

Er würde vor allen seine Liebe gestehen und die Absicht, diese Frau zu heiraten!!! Ok, er würde es nicht! Ok, er würde jetzt gehen und hoffen, dass Hermine seinen entsetzen Gesichtsausdruck nicht mitbekam. Bisher wusste nur Harry etwas von seinem Plan und es gab ja noch gar keinen! Er würde das einfach vergessen und… und… und sich ein kleines, schönes Restaurant suchen… oder einen Berg! Ja, einen Berg, an dem sie ganz alleine waren! Niemand sonst!
 

Erschrocken starrte er Blaise an, als dieser in sanft an den Schultern packte. „Was auch immer los ist, lass uns abhauen.“ Flüsterte er und reagierte auf das Zeichen, welches ihm Harry gegeben hatte. Anscheinend wusste der Gryffinsor, was mit seinem Freund los war. „Ich kann das nicht, Blaise!“ Flüsterte dieser, als er aus der großen Halle geschoben wurde. „Ich kann das einfach nicht! Ich muss… nein… ich… am besten vergesse ich das alles!“ Stotterte er und der Slytherin war extrem verunsichert. Das war offenkundig eine tiefe Panikattacke, aber woher kam sie?

Der Rotschopf schwitze, atmete flach und hektisch, war dunkelrot angelaufen und blanke Panik stand in seinen Augen. „Sie weiß es ja nicht! Sie… sie weiß es ja nicht! Sie muss es ja nie erfahren! Ja?“ Er drehte sich plötzlich um und packte Blaise mit einem Schraubstock artigen Griff an den Armen. „Du sagst ihr nichts! Ja? Du wirst… du wirst ihr das nicht sagen oder? Ich kann das nicht! Nicht vor so vielen Leuten! Das war eine dumme Idee! Du denkst doch genauso oder Blaise? Ich… ich kann ihr keinen Antrag vor all den Leuten machen!“
 

Völlig überfordert stand Blaise da, spürte den kalten Schmerz in seinen Armen und starrte in das von Panik gezeichnete Gesicht des Gryffindors. „Du… willst Hermine einen Antrag machen?“ Fragte er sehr leise, zumindest hatte er den Kerl schon einmal bis weit vor die große Halle geschleift.

„Nein!“ Platze Ron heraus und schüttelte mit unerwarteter Kraft den Slytherin. „Hast du mir nicht zugehört? Ich kann das nicht!“ Brüllte er schon fast und unterdrückt schrie der schwarzhaarige Schüler auf. „Klar, ich sage es ihr nicht! Alles wird gut, Ronald! Sie wird es nie erfahren!“ So versuchte er den aufgewühlten zukünftigen Antragssteller zu beruhigen. In solchen Gesprächen war er grausam schlecht. Er hatte dutzende Male vorher jede mögliche Variante des Gespräches mit Harry durchdiskutiert. Er konnte sich wunderbar auf so etwas vorbereiten, aber spontan? „Es wird alles wieder gut, Ronald! Sie weiß ja noch von nichts!“
 

oooOOOooo
 

Ein wenig schlecht fühlte sich Harry schon. Er hatte Hermine beiläufig auf ihre Frage nach Ron geantwortet. Sie konnte seine Lügen durchschauen, also durfte er sie nicht darauf aufmerksam machen. Nun war sie mit einem Haufen anderer Mädchen bei den Zwillingsschwestern und gratulierte, diskutierte und was auch immer so alles besprochen wurde.

Jetzt hieß es erst einmal Ron finden und ihn beruhigen. So wie er seinen Freund kannte, hatte der sich selbst gesehen. Immerhin stand der Plan bis eben noch, dass er Hermine einen Antrag auf der Abschlussfeier machen wollte. Aber dieser panische Ausdruck in den Augen hieß wohl, dass ihm selbst der Mut dazu fehlte. Den hätte er sicher auch nicht, aber…

Erstaunt blieb Harry stehen. Er hatte sich aus der großen Halle schleichen wollen, in dessen Eingang Ginny stand. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schien auf ihn zu warten. „Wir müssen reden, Harry!“ Sagte sie bestimmt und so wichtig ihm Ron auch war, wenn er diese rothaarige, feurige Hexe noch einmal vor den Kopf stieß, war er erledigt. „Ok… ähm… ja… wo denn?“
 

Er hatte noch nach Blaise und Ron Ausschau gehalten, während er von Ginny aus dem Schloss geführt wurde. Nun musste er dem Slytherin vertrauen. Er würde das mit Ron schon schaffen. Er hatte das ja auch mit ihm geschafft. Eigentlich musste er Blaise noch danken. Das Flittchen saß allerdings wirklich und allein daraus war ein solch großes, schlechtes Gewissen entstanden, welches ihn nun erschlagen könnte. War er wirklich so… flittchenhaft gewesen? Wie kam er eigentlich auf die Idee eifersüchtig zu sein, wenn er selbst so…

„An was denkst du jetzt schon wieder?“ Fuhr ihn eine kühle Stimme an und Harry konnte den gereizten Unterton hören. Seine grünen Augen suchten Ginnys Gesicht und er bemerkte, dass sie draußen im Freien waren. „Blaise hat mir gestern ganz schön den Kopf gewaschen. Daran denke ich.“ Brummte er und spürte regelrecht, wie das Wort Flittchen näher kroch, sich von hinten an ihn anschlich und wie ein kalter Schauer in seinen Nacken stieg.
 

Der Schlag kam so unerwartet, dass er nicht reagieren konnte. Erstaunt und auch entsetzt sah er die rothaarige junge Frau an, die ihm soeben eine Ohrfeige verpasst hatte. „Wow, ich will mit dir über das reden, was gestern los gewesen ist und du denkst an deinen Betthasen?“ Die grünen Augen blinzelten, so hatte er das doch gar nicht gesagt…

Das spielte keine Rolle. Sie war wütend und verletzt und wollte jetzt sicher nichts von einem Kerl hören, mit dem er das Bett geteilt hatte. Ok, vielleicht hatte er die Ohrfeige verdient. So wie er Ginny einschätzte, hätte der Schlag deutlich härter sein können. „Es tut mir leid. Ich bin wirklich schrecklich in …“ Er hielt kurz inne und zuckte hilfesuchend mit den Schultern. „… in was auch immer das hier ist. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich eher davor Angst hatte, dass du zu weinen beginnst oder mich verprügeln willst.“

Anscheinend sah er so verzweifelt aus, dass sich auf den roten Lippen ein winziges Zucken zu einem Schmunzeln andeutete. „Wie lange weißt du es schon?“ Fragte sie nun etwas ruhiger, doch das hatte sich gleich sicher erledigt. Verlegen und kleinlaut trat Harry einen Schritt zurück ließ seinen Blick über die Pfeiler des Innenhofes gleiten. „Länger…“ Versuchte er sich herauszureden und dann tauchte Ginny wieder in seinem Blickfeld auf. Sie war vor ihn getreten.
 

„Hast du geglaubt, dass ich es nicht mitbekomme? Hast du deswegen nicht aufgegeben?“ Wollte nun er wissen und Rons kleine Schwester wirkte zum ersten Mal verlegen. „Ja, ich dachte eine ganze Weile, dass du es nur nicht schnallst. Als es dann hieß, dass du mit der und mit der im Bett warst, konnte ich mir ja denken, dass es an mir lag. Aber…“ Sie brach ab und nun lächelte Harry leicht. „… aber so einfach gibt man eben nicht auf oder?“ Sie konnte ihn nicht ansehen, doch auch sie schmunzelte, bevor sie tief rot im Gesicht anlief.

„Ja, ich gebe zu, irgendwie habe ich mir ausgemalt, dass ich die eine wäre, eben nicht die erste, aber dafür die letzte.“ Nur kurz sah sie zu ihm und spürte die Hitze in ihren Wangen. „Außerdem dachte ich mir, dass es vielleicht an Ron liegt. Wenn ich dir also nur deutlich genug zeigte, dass ich es ernst meine…“ Nun ließ sie erneut den Satz offen und Harry stieß mit einem leisen „Oh nein…“ die Luft aus.

„Nein, an Ron liegt es wirklich nicht. Ich bin immer noch schockiert, dass er anscheinend nichts von deiner „Zuneigung“ mitbekommen hat, aber dann hätte ich mit ihm darüber gesprochen. Ron hätte mir schon klar gesagt, was er von der Sache hält.“ Antwortete er ihr ehrlich und spürte die Erleichterung in seinem Herzen auftreten. Das Gespräch war doch angenehmer, als er erwartet hatte.

„Sei ehrlich, warum dann nicht?“ Wollte Ginny nun wissen und Harry wich ihrem Blick aus. Er musterte die langsam länger werdenden Schatten auf der Erde und sah einigen Vögeln nach, die über sie hinweg flogen. Noch immer war es erstaunlich warm und die Nacht versprach kaum Linerung.
 

Auch er war nun tief rot im Gesicht und ihrem Blick würde er nicht standhalten können. „Ich liebe schon jemand anderes und du bist eine wundervolle, einzigartige, junge Frau. Du bist mutig, talentiert, eigensinnig und auf deine Art einfach unglaublich wunderbar.“ Seine grünen Augen sahen mit einem schüchternen Lächeln zu ihr. „Du bist eine Frau fürs Leben, Ginny! Nicht nur für eine Nacht.“

Wie konnte ein solcher Trottel wie er das nur so charmant und herzergreifend sagen? Eine Frau fürs Leben? Sie drehte sich schweigend um und ihr Herz klopfte wild. „Jetzt will ich dir gerne welche rein hauen, Potter!“ Fuhr sie ihn gedämpft an und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Sie war so sauer auf ihn gewesen, so wütend auf sich selbst. Sie kam sie wie ein dummes, kleines Kind vor und nun sagte er so etwas!

„Nicht weinen, Ginny…“ Begann der 18 Jährige und machte es damit nur noch schlimmer. Sie drehte sich wütend um und schlug ihm mit der flachen Hand gehen die Schulter. Nun kullerten die Tränen dick über die roten Wangen. „Danke! Es gab wirklich nichts Unpassenderes!“ Fuhr sie ihn an und ihre Stimme zitterte. „Ich hasse dich!“ Schniefte sie noch immer aufgewühlt und unterdrückte dann das nächste Schluchzen.
 

Sanft zog er sie in seine Arme und schwieg, während sie die Tränen nicht mehr halten konnte. Wie lange er dort stand und Ginny einfach nur in seinen beschützenden Armen hielt, wusste er nicht. Seine Gedanken waren zum Stillstand gekommen. Jetzt wollte er sie einfach nur trösten.

Lass dich nicht verheiraten!

Kapitel 13

Lass dich nicht verheiraten!
 

Aufgeregt stand er vor der Tür und wusste noch immer nicht, ob er das wirklich tun sollte. Doch! Ja! Er hatte so viel überstanden, er hatte mit Drachen gekämpft, dann konnte er auch das!

„Was?“ Flüsterte er verwirrt, als eine tiefe, leicht genervte Stimme „Herein!“ rief und er mühevoll begriff, dass er soeben angeklopft hatte. Jetzt blieb keine Wahl mehr. Davonlaufen würde nur böse enden. Konnte es schlimmer sein, als dieses Verlies zu betreten? Harry straffte seine Schultern und versuchte seine Gedanken zu ordnen, als er die Tür endlich öffnete.

Seine grünen Augen flohen durch den Raum und stießen auf den schlanken Mann, der dort an seinem Schreibtisch saß. Mit einem leisen Schlucken schloss er die Tür hinter sich und trat langsam näher. Bei Merlin, was tat er hier? War er sich sicher, dass er nicht einfach kopflos wieder hinaus rennen wollte?
 

Noch immer hatte Snape nichts gesagt, seine dunklen Augen musterten den Schüler, der in zwei Tagen für immer diese Gemäuer verlassen würde. „Guten Abend, Professor.“ Begann er nervös und versuchte sich an einem Lächeln. Noch immer wusste er nicht, wie er eigentlich mit ihm umgehen sollte. Die Tatsache, dass dieser Mann ihn nie gehasst hatte, riss alle bisherigen Verhaltensweisen heraus, ließ ihn stehen mit nichts in der Hand außer Unsicherheiten und verlegener Peinlichkeiten.

„Ich wollte mich bei Ihnen bedanken!“ Begann er schließlich und beobachtete, wie der Hauslehrer der Slytherin die Augenbraue in die Höhe zog und die Feder zur Seite legte, mit der er eben noch geschrieben hatte. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst.“ Entgegnete dieser nur, Harry glückte ein kurzes Schmunzeln.

„Das hier dürfte das erste Jahr Ihrer Lehrzeit sein, in dem kein einziger Schüler Ihren Kurs vergeigt hat… also, keiner ist durchgefallen.“ Begann er vorsichtig und fuhr sich dann doch verlegen mit der Hand über den Nacken. „Und es kamen erstaunlich viele Fragen dran, die wir in der… ähm… Wiederholungsstunde hatten und deren Antworten sich… na ja, sagen wir mal, regelrecht in unseren Verstand gebrannt haben.“
 

Nun schien auch Snape zu begreifen, was der junge Mann ihm sagen wollte. Sein Blick wirkte noch immer kühl, obwohl kurz ein Funkeln in seine Augen trat. „Es wurde auch beinahe der gesamte Stoff wiederholt, natürlich kamen auch diese Fragen an die Reihe.“ Meint er ruhig, in seiner Stimme ließ sich keine Regung erkennen. Harry nickte nur, er trug schon den schwarzen Anzug für die große Feier, die oben sicher gerade mit der traditionellen Rede des Schulleiters begonnen wurde. „Es ging mir lediglich darum, ihnen wenigstens das notwendigste Wissen mitzugeben, welches ihnen vielleicht einmal das Leben retten wird. Auch wenn die Künste des Zaubertrankbrauens oft nicht die verdiente Anerkennung finden, wenn ihnen die Luft ausgeht, weil sie dumm genug waren einen vergifteten Becher zu leeren, werden sie meinem Fach hoffentlich den notwenigen Respekt erweisen.“

Ja, so kannte er Snape und irgendwie war es erfreulich und erleichternd, dass seine Art noch immer die gleiche war. Verlegen grinste der 18 Jährige und meinte mit einem Anflug der Belustigung. „Dann hoffe ich einmal ganz stark, dass ich vorher schon mitbekomme, dass jemand meinen Becher vergiftet hat.“ Scherzte er und ganz kurz, nur so flüchtig, dass er sich diesem nicht sicher war, zuckten die Mundwinkel des Lehrers.
 

„Gibt es sonst noch einen Grund für ihre Störung? Immerhin finden über uns die bedauerlichen Feierlichkeiten zu Ihrer aller Entlassung statt.“ Erinnerte der schlanke, hakennasige Mann ruhig und Harry konnte sich nun ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Bedauerlich? Sollen wir lieber noch ein Jahr bleiben?“ Fragte nun der schwarzhaarige Schüler, der ab Mitternacht keiner mehr sein würde.

„Ich erkenne keine zu beglückwünschenden Talente, keine herausragenden Ereignisse, keine zu lobenden Erfolge, die eine solch ausführliche Feierlichkeit bedingen würden. Sie sind genügend für die Welt gerüstet, um im besten Fall ein durchschnittliches Leben zu führen.“ Die kühle Stimme hatte einen Ton, von dem Harry nicht wusste, ob eine Spur Sarkasmus darin verborgen war. Er mochte die Ernsthaftigkeit dieser Worte nicht einschätzen, bezog der Mann diese nur auf den Schulunterricht oder hatte er vergessen, dass sie zwischenzeitlich einen Krieg geführt hatten?

Dieses führte ihn zurück zu einer anderen Überlegung, einer, die ihn immer wieder heimlich besuchte und sich zu einer Frage zu formulieren versuchte. Doch bisher hatte er keine passenden Worte gefunden und allein die Vorstellung, sie auch aussprechen zu müssen, brachte jede Umsetzung zum absoluten Scheitern. Kurz blickte er auf, sah in die kühlen, dunklen Augen, die ihn zu durchdringen versuchten. Mit einem Schlucke schüttelte er den Kopf und straffte seine Schultern. „Nein, nichts weiter. Ich wollte mich nur bedanken.“ Meinte er plötzlich und hörte den kratzenden Ton in seiner Stimme. Hastig drehte er sich um und eilte durch den Raum. Plötzlich kam ihm dieses kleine Kellergewölbe so gewaltig vor, die dunklen Regale, angefüllt mit seltsam beschrifteten Flaschen, kleinen Dosen und hin und wieder einem eingelegten Tier, bauten sich bedrohlich an den Wänden auf und schienen in jedem Moment auf ihn einstürzen zu wollen.
 

„Er ist tot!“ Diese Worte ließen ihn innehalten, bevor er sie noch richtig verstanden hatte. Er war tot? Wer war tot? Doch Harry wagte ein Umdrehen nicht, er konnte jetzt nicht in das blasse, kantige Gesicht sehen. „Draco Malfoy ist tot! Seit zwei Tagen. Das Ministerium hat Dumbledor diesbezüglich informiert, aber anscheinend hat ihnen dieser noch keine Auskunft darüber gegeben.“ Die Stimme war kalt, ohne Rührung. Das konnte nicht angehen! Das war eine Lüge!

Da waren sie, die gewaltigen Regale, sie beugten sich zu ihm hinüber, Schwindel und Übelkeit ergriffen den jungen Magier und er begann zu taumeln. Der Boden hatte sich unter ihm geöffnet und er stürzte. Er fiel, sein Herz gefror und seine Welt brach in Stücke. Nein! Nein! Nein!!!!

Da war kein klarer Gedanke mehr, da war nur Panik, da war nur Kälte, da war nur… nichts! Ein Donnern erfüllte seine Ohren und seine grünen Augen starrten in die sich auflösende Welt. Er kannte dieses Gefühl, nein, diesen Zustand! Als Sirius starb, da war seine Welt in Stücke gesprungen, er hatte geschrien, nicht verstanden, was geschah.
 

Doch jetzt… jetzt brach die Stille ein, das Donnern war verstummt, die Welt blieb mit einem gewaltigen Ruck stehen und alles hielt inne. Es gab kein Heute, kein Gestern und schon gar kein Morgen! Alles verschwamm vor seinen Augen in einem zähen Strom aus Ungewissheit. Verzweiflung kroch in sein Herz, wollte ihn in die Knie zwingen, doch er hatte keine Kraft. Da war nichts, es war anders, es war gänzlich anders als damals. Ebenso unerwartet, ebenso tiefgreifend… aber damals war es laut, aufbrausend, schmerzhaft, jetzt blieb nichts…

Harry hatte das Gefühl zu sterben. Da war kein Gedanke mehr, kein Gefühl und kein Glaube. Alles hatte sich aufgelöst und verlor sich in diesem seltsamen Gefühl der Unexistenz. Jedes körperliche Bedürfnis verlor sich in dem Zustand dämmriger Gedankenlosigkeit.
 

„Es scheint mir wie eine Krankheit, ein Übel, welches über die männliche Blutlinie der Potters weiter gegeben wird.“ Drang von weit her eine Stimme in diesen leeren Raum. Sie tropfte langsam, zäh und giftig in seinen Verstand, ohne wirklich von Bedeutung zu sein.

„Ihr müsst immer erst glauben für immer verloren zu haben, was ihr begehrt, damit ihr euch eurer Gefühle sicher sein könnt. Es ist der selbe Blick, mit dem „er“ Lily damals anstarrte, in der Hoffnung, die Erkenntnis erschlage ihn wie ein Blitz, der in einen Baum fährt. Das hier sollte dir zur Genüge als Antwort auf deine unausgesprochene Frage reichen!“ Langsam, bedächtig und nur Buchstückweise wurden die einzelnen Worte verarbeitet und dann zuckte er leicht zusammen. ~Er musste erst glauben, dass er verloren hatte?~

Die grünen Augen starrten in die dunklen. Doch Harry war zu keiner Regung fähig. „Es gab keinen Brief, keine Benachrichtigung. Es gibt keine Gewissheit!“ Raunte die tiefe Stimme, die ihn endlich zu einem Schlucken brachte. Er lebte! Er lebte noch immer!
 

Wie lange er für diese Erkenntnis gebraucht hatte, spielte keine Rolle. Das Snape so nahe bei ihm stand, begriff er nicht. Er sah nicht die Hand, die schützend erhoben war, falls die zitternden Knie nachgeben würden. Harry hatte es gesagt. Er hatte es ihm schon einmal gesagt. Severus Snape tat nichts Gutes, er tat nur etwas Böses, um etwas Grausames zu verhindern… oder etwas Gutes zu provozieren! Es war genau das Gleiche, was der Lehrer in der letzten Stunde vor den Prüfungen getan hatte. Würde es sich auch so anfühlen, wenn er Ron oder Hermine verlor? Eine leise Stimme sagte nein!

„Da wartet noch eine Feier auf dich, Harry.“ Der Magier blinzelte und begriff den weichen, fast sanften Ton in der rauen Stimme nicht. Er hörte nicht den Namen, mit dem er angesprochen wurde und nickte. „Danke…“ Flüsterte er nur und versuchte sich benommen auf den Weg zur Tür zu machen. Als hätte er Kilometer zurück gelegt, taten ihm Beine und Füße weh, sein Kopf schwirrte und als er den kühlen Türgriff unter seinen Fingern spürte, drehte er sich noch einmal um. Da stand er mitten im Raum, die dunklen Augen musterten ihn und plötzlich hörte Harry seine eigene Stimme. „Danke! Wahrscheinlich weiß ich gar nicht, wie oft ich mich bedanken muss.“
 

oooOOOooo
 

Er hatte natürlich den Anfang verpasst, denn nach dem Schließen der Tür waren lange, zähle Minuten verstrichen, in denen sich der Schüler zu sammeln versuchte. Er hatte eine Antwort auf seine Frage bekommen, eine Antwort, die schmerzte und gleichzeitig von solcher Deutlichkeit war, dass er ihr eine unendliche Erleichterung zu verdanken hatte. Für seine Verspätung wurde er mit so manchem neidischen Blick beschenkt. Anscheinend war die Rede des Schulleiters wie zu jedem neuen Jahr und zu jedem Ende von einfühlsamem Gleichklang geprägt gewesen. Die große Halle war nur für den Abschlussjahrgang geschmückt und in allen vier Hausfarben war heute der große, runde Tisch dekoriert, der als einziger in der Mitte der Halle stand.

Das Essen war wie immer hervorragend gewesen, vielleicht sogar noch ein wenig besser als sonst. Nachdem mit einem Lichterspektakel das Mahl beendet wurde, hob sich die Dekoration auf dem Tisch und verwandelte sich in lodernden Flammen in wunderschöne Feuervögel, die nun unter der Decke der großen Halle ihre Kreise zogen. Die bunte, mehrfarbige Leinendecke blies sich auf und in einem unglaublichen Schauspiel verwandelte sie sich in einen gewaltigen Kronleuchter, der sanft zur Decke schwebte und den Feuervögeln einen neuen Spielplatz bot. Durch seine dutzenden Lichter, die in den Hausfarben leuchteten, wurde der Raum mit unzählbaren kleinen Lichtpunkten versehen, die durch das Drehen des Leuchters über den Boden und die Wände huschten. Das Licht der Feuervögel hingegen wirkte wie ein heller Schleier, der sich leicht golden rötlich über den Boden zog.

Der Tisch selbst war verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Eine kleine Bühne war an der Stelle des Lehrertisches aufgebaut und die Musik spielte auf. Die Instrumente schienen in der Luft zu schweben und als die Lichter erloschen, wurden die schimmernden Umrisse der Musikanten sichtbar.
 

Es wurde ausgiebig getanzt und der Frieden zwischen den Häusern hatte zu neuen Bündnissen geführt. Erstaunlicherweise waren es die zwei Zwillingspaare, die die Tanzfläche zuerst eroberten. Thomas und sein Bruder schwebten regelrecht mit den beiden indisch stämmigen Hexen über den Boden und ihre bunten, wundervollen Gewänder glitzerten und zeichneten verzückende Linien in die Luft. Sie hinterließen bei jeder Drehung feinen Feenstaub, der alles in ein atemberaubendes Licht tauchte.

Blaise war, und das erstaunte wirklich alle, mit Ginny zum Ball erschienen. Die rothaarige Hexe trug die feinen Haare offen, nur einige Strähnen waren wundervoll geflochten. Ihr weißes, mit goldenen Akzenten versehenes Kleid wirbelte auf, als sie von ihrem „Partner“ in die Drehung geführt wurde. Ihre weißen, feinen Stoffschuhe kamen zum Vorschein, die eleganten, starken Knöchel und dann ließ sie sich zurückfallen, direkt in seine Arme.
 

„Wow, ich wusste nicht, dass Ginny so gut tanzen kann.“ Kommentierte Harry und seine beste Freundin feixte. „Ich glaube, sie will dir leicht auf der Nase herum tanzen. Kein Gefühl der Reue, wenn du sie so siehst?“ Fragte Hermine und der angesprochene Gryffindor wurde rot. „Nein, keines. Ich beglückwünsche den Mann wirklich, der sie einmal heiraten darf.“ Meinte er mit einem glücklichen Strahlen und musste sich eingestehen, dass er an Draco dachte. Er konnte nicht verhindern, dass sein Herz schmerzhaft zu schlagen begann und er unsicher zur Tanzfläche sah. Er war heute ohne Begleitung hier, dabei hatte er eine große Auswahl gehabt.

Mit einem angespannten Seufzen sah er zu den kleinen Stehtischen am Rand, an dem sich endlich auch die Slytherin in Gespräche mit anderen Häusern vertieften. Pansy war die einzige, die nicht gekommen war. Sie hatte die Schule direkt nach ihrem Bestehen verlassen und bekam nichts von dem tadligen Verhalten ihrer Klassenkammerraden mit. Was Draco wohl heute gemacht hätte? Ob er ihn vor allen zum Tanz aufgefordert hätte? Irgendwie konnte er sich das gut bei dem Blonden vorstellen. Elegant von ihm über die Fläche geführt zu werden und in seinen Armen zu liegen, ja, das war eine Vorstellung, die ihm gefiel. Besonders nach dem Schrecken, den er Snape zu verdanken hatte.
 

Jedoch konnte er nicht lange diesem Tagtraum nachhängen, immerhin ging es heute um etwas anderes. Um Draco konnte er sich Morgen noch Gedanken machen. Heute gab es etwas Wichtigeres und so grausam und kalt die Erinnerung an Severus Worte auch waren, sie hatten ihn direkt ins Herz getroffen. Ja, Draco zu verlieren wäre unerträglich. Aber bevor er darüber nachdenken konnte, musste er jemanden anderes retten. Nur noch eine Stunde. Dann wäre es soweit.
 

Die Zeit verstrich… das Fest wurde berauschend. Sie tranken, sie lachten, die tanzten.
 

Doch die Stunde kam und ging. Wo war Ron?
 

Er hatte ihn schon den ganzen Abend gesucht. Er konnte doch nicht jetzt gehen. Er konnte es doch nicht jetzt versauen! Immerhin hatte Harry sich die Panik der letzten zwei Wochen angetan und er wusste nicht, wie oft er Hermine in den letzten Tagen belogen hatte. Absichtlich!
 

„Wir haben ein Problem!“ Rief Blaise und das Licht glitzerte in grünen und goldenen Farben, kleine Punkte, die durch den ganzen Raum schwirrten. Er hatte nach Harrys Arm gegriffen und hielt den Gryffindor fest. Die Musik spielte noch immer und die angeregten Gespräche der anderen machten es beinahe schwer seinen Freund zu verstehen. „Wo ist Ron?“ Fragte Harry so direkt und Blaise schüttelte den Kopf. „Darum geht es nicht. Ron geht es gut, der ist nur etwas aufgeregt. Das Problem ist ein anderes!“ Rief er laut und dann sahen die grünen Augen das Desaster über Blaise Schulter auf sich zukommen.

„Ok, es ist dein Problem!“ Rief der Slytherin und war im nächsten Moment verschwunden. Erschrocken zuckte Harry zusammen, als ihm dieses bewusst wurde und die Katastrophe näherte sich. Hermine!
 

„Harry Potter!“ Rief sie mit aufgebrachter Stimme und ihr wunderschönes, rotgoldenes Kleid wallte auf, als sie mit schnellen Schritten auf ihn zu eilte. Ihre Wangen glühten, die braunen Haare waren elegant nach oben gesteckt. „Wo ist er?“ Rief sie und ihre hysterische Stimme brach sogar die Lautstärke der Musik. Hatte sie getrunken? Es schien beinahe so. Vielleicht etwas Rotwein? Den liebte sie, aber sie vertrug ihn nicht. Normalerweise trank sie gar nichts, aber heute… heute glühten ihre Wangen und ihre Augen funkelten voller Wut, beinahe einer Rachegöttin gleich! „Wen meinst du denn?“ Fragte er so unschuldig, wie er im Stande war. Das Fest war seit beinahe vier Stunden im Gange und direkt nach dem Essen war Ron verschwunden. Natürlich suchte sie ihn!

„Den elenden Dreckskerl, der mich seit drei Wochen belügt!“ Schrie sie ihm entgegen und mit einer aufwallenden Panik trat Harry zurück. Ok, sie war leicht angetrunken, aber das machte ihm weniger Sorgen. Sie war sauer! Es gab nichts Schlimmeres auf dieser Welt, als eine wütende Frau! Das hatte er heute Abend von Ginny mehrfach zu spüren bekommen. Sie mochte ihm vergeben haben, aber für eine Frau bedeutete das nicht, dass sie sich nicht an ihm rächen konnte.
 

„Wie bitte?“ Fragte er erstaunt und war einen solchen Ausdruck nicht von ihr gewohnt. Sanft griff er nach ihr, als sie leicht ins Wanken kam. Entkommen konnte er ihr eh nicht, also musste er sich dieser Furie stellen. Außerdem hatte er es Ron versprochen. Nur ein wenig mehr Zeit schinden, dann würde sich alles aufklären. „Du weißt genau, wen ich meine! Du belügst mich genauso wie er!“ Schniefte sie plötzlich unerwartet und hielt sich an ihm fest. Ok, wann hatte sie sich bitte so betrunken? Wollte Neville nicht genau darauf achten? Hatte Luna ihm nicht hoch und heilig versprochen, dass Hermine heute keinen Tropfen Alkohol anrühren würde?

Genau die beiden tauchten nun in der Menge hinter der Brünetten auf. Erschrocken wirkten sie, sahen sich nach ihr um und dann entdeckten sie die junge Frau in Harrys Armen. Mit einem kurzen, fragenden Blick sah er zu den beiden, die überfordert mit den Schultern zuckten. Verflucht, eine betrunkene, wütende Hermine… er war erledigt!
 

„Ich weiß genau, dass du mich belügst. Seit drei Wochen verarscht ihr mich und ich weiß nicht warum! Du, Ronald, Blaise steckt wahrscheinlich auch mit da drin. Er lügt nur besser!“ Gab sie mit neuem Feuer in der Stimme von sich und hob ihren Kopf. Da funkelte etwas in ihren braunen Augen, welches ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Jede Farbe wich aus seinem Gesicht, als sie ihren Zauberstarb in Händen hielt. „Hermine, ich glaube, das ist keine gute Idee!“ Versuchte er sie zu beruhigen, umsonst!

„SCHNAUZE!“ Schrie sie mit voller Stimme und selbst die Umstehenden hatten es verstanden. Die Musik verstummte und alle wichen zurück. Funken sprühten aus ihrem Zauberstarb und Harry wich zurück. Ok, jetzt war sie wütend! Konnte da bitte ein Drache stehen? Ja, ein großer, feuerspuckender Drache war ihm jetzt lieber!
 

„Oh, für wie dumm haltet ihr mich, Harry!“ Zischte sie und kam näher. Sie hatte ihren Zauberstarb erhoben und nun waren alle Augen auf die beiden gerichtet. Harry wich weiter zurück, das Licht flimmerte immer noch, die grünen und goldenen Lichtpunkte flohen über die nun freie Fläche der großen Halle. „Ich weiß, dass ihr mich belügt. Ihr seid so erbärmlich schlecht darin. Dass Ron nur wegen den Prüfungen so aufgeregt war, konnte ich ja noch glauben. Aber die beiden Wochen danach? Er ist mir aus dem Weg gegangen, du bist mir aus dem Weg gegangen, ihr habt getuschelt, verstummt, wenn ich aufgetaucht bin! Ron ist zu unerklärlichen Zeiten verschwunden und erstaunlicherweise hat er sich mit mehr Frauen getroffen, als in den letzten sieben Jahren!“ Wut brannte in ihren Augen und dem Sucher war bewusst, dass ein wütender Drache eine leichte Herausforderung wäre. Ok, er brauchte eine Ausrede! Sie würde nicht ohne Erklärung Ruhe geben.

„Ich… es ist so… also…“ Doch da zuckte er unter der folgenden Explosion zusammen. „Lüg mich nicht an!“ Schrie sie hysterisch und Tränen liefen über ihre Wangen. „Ich kenne Ron, ich kenne ihn schon so lange! Er würde mich nie… er…“ Ihre Stimme ging in einem Schluchzen unter. Vorsichtig wagte es der schwarzhaarige Schüler und ging einen Schritt auf sie zu. Er hatte den Todesfluch überlebt, er hatte Pansy überlebt, da würde er doch eine aufgewühlte Hermine beruhigen können!
 

„Was denkst du denn? Er würde dich nie be…“ Wieder knallte es, dieses Mal direkt neben ihm. Sie hatte den Zauberstarb wieder erhoben und mit einem Schlucken wanderte sein Blick zu der verkohlten Stelle nur einen halben Meter neben sich. Ok, sie war wütend, betrunken, aufgebracht und glaubte, dass der Mann, den sie liebte, fremdging? 10 Drachen! Er wollte 10 Drachen!

„Warum bitte trifft er sich dann mit diesem elenden Flittchen? Was bitte hat Maria dann mit ihm in abgelegenen Klassenräumen zu suchen? Warum trifft er sich mit Cho und Viktoria und belügt mich dann, wenn ich ihn danach frage?“ Ihre Stimme hatte einen schmerzhaften Ton angenommen. „Ich habe Stundenlang darüber nachgedacht und es gibt einfach keine vernünftige Erklärung! Warum solltest du mich belügen?“ Sie begann zu zittern, sie war aufgewühlt und kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

„Ok, ich gebe es zu! Es ist meine Schuld!“ Alle Augen richteten sich auf ihn. Offenbar konnte er von Luna und Neville keine Hilfe erwarten, die bei den Explosionen ängstlich zurückgewichen waren. Mittweile stand er nur noch wenige Meter von der Bühne entfernt und auch Blaise wirkte völlig überfordert. Gut, es hatte aber auch keiner mit so einem Ausbruch gerechnet!
 

„Ich habe ihn gebeten mit ihnen zu sprechen. Sie alle wollten mit mir heute zum Ball gehen ich konnte ihnen nicht immer absagen. Außer... außerdem wollte Maria nicht einsehen, dass nichts mehr zwischen uns läuft! Darum… darum hat er sich mit ihr getroffen!“ Eine leise Stimme erzählte ihm, dass selbst eine unter Drogen stehende Hermine diese dumme Lüge durchschauen würde.

„Glaub ihm kein Wort, Hermine! Er würde Ron immer decken!“ Kam nun von der Seite und Harry wusste, wem diese Stimme gehörte! Entsetzt starrte er die Rothaarige an, die ebenso aufgewühlt wie Hermine wirkte. Ihre Wangen glühten und die Augen wirkten groß und glasig! Leicht wankend kam sie näher, offensichtlich hatte sie ebenso viel getrunken, wie seine beste Freundin. So langsam wurde dem 18 Jährigen klar, wieso die zukünftige Verlobte so viel Alkohol zu sich genommen hatte. Zwei wütende, verschmäte Frauen allein unter sich? Wahrscheinlich hatte Ginny ihnen die Getränke geholt und Luna und Neville war der Inhalt nicht auffällig erschienen!

„Immerhin ist er sein bester Freund! Männer halten doch immer zusammen!“ Hermine streckte ihre Hand aus und wütend schluchzend harkte sich die junge Frau bei ihr unter. Nun stand er zwei Furien gegenüber. „Ich weiß!“ Knurrte die Brünette beinahe grollend und funkelte nun wieder ihren ehemals besten Freund an.
 

Langsam kamen die beiden Frauen näher, Hermine den Zauberstarb erhoben und in ihren Augen stand eine Mordslust, die ihm jeden Gedanken raubte. „Habe ich dir nicht eben gesagt, dass du mich nicht anlügen sollst? Du posaunst deine Affäre mit Zabini heraus und kannst nicht mit einem einfachen Miststück Schluss machen? Ich liebe Ron, aber dafür hat er nicht den Mut! Du würdest ihn niemals für so einen Mist ausnutzen!“ Zischte sie und Harry schluckte, als er die Spitzte ihres Zauberstabes an seiner Kehle spürte. Er hatte die Hände erhoben, hoffte sich so ein wenig Gnade von ihr. So sah also eine betrunkene, eifersüchtige Hermine aus?

Ganz langsam ließ er seine Hände sinken, innerlich starb er gerade den tausensten Tod. „Ich weiß, das war eine Lüge. Aber ich kann dir… ich kann euch die Wahrheit nicht sagen. Hermine, Ron liebt dich und er würde nie etwas Dummes tun. Glaub mir! Es wird alles wieder gut! Das verspreche ich dir!“ Langsam griff er mit der linken nach ihrem Zauberstarb und drückte die Hand nach unten. Sie sah ihn aus ihren großen, weiten Augen an und dann konnte sie nicht mehr. Tränen rannen über ihre glühenden Wangen und Harry zog sie einfach in seine Arme.
 

ER LEBTE! Dieser Gedanke durchfloss ihn wie heiße Lava. Er lebte! Hermine schluchzte bitterlich und Ginny starrte ihn verwirrt an. Sie war völlig aufgelöst, betrunken und schien nicht entscheiden zu können, ob sie seinen Worten glaubte oder sich auf ihn stürzen wollte. Alle starrten die drei an und Harry bezweifelte wirklich, wie das noch zu dem schönsten Tag ihres Lebens werden konnte.

Zum Glück gab es die Zwillinge! Die einzigen, wahren Zwillinge!

„Hermine!“ Raunte eine Stimme an ihrem Ohr und als sie ihren Kopf hob, kam von der anderen Seite. „Du solltest noch einen Schluck trinken. Du bist ja völlig durcheinander!“ Fred grinste sie an und hielt ihr einen grünen Becher aus Glas entgegen. „Ja, vertrau uns, danach wird es dir besser gehen und dann klärt sich auch alles auf.“ Meinte George und sah Harry vielversprechend an. „Ron wollte eben schon zu dir rennen, aber wir haben ihn aufgehalten.“ Erklärte er weiter und sein Bruder fiel ein. „Wir wussten, dass Harry mit dir fertig wird. Auch wenn er wahrscheinlich lieber einem wütenden Drachen gegenüber gestanden hätte!“ Lachte Fred nun wieder und Hermine war einfach nur verwirrt.
 

Überfordert griff sie mit der rechten nach dem Glas, während sie sich noch immer an Harry festhielt. „Vielleicht haben wir ein Bisschen zu lange gebracht, das geben wir zu.“ Meinte George nun und lachte dann. „Aber wer hätte schon ahnen können, dass ihr beide euch gleich betrinkt?“ Fragte er in die Runde und reichte seiner kleinen Schwester ebenso ein Glas. Die anderen Schüler beobachteten diese seltsame Szene. Da standen die Weasleyzwillinge! Mit einem Zug leerte Hermine den gläsernen Becher und reichte ihn wieder zurück. Ihr Kopf schirrte, ihr war übel und langsam begriff sie, was sie getan hatte.

„Das ist der Hangover-Zaubertrank der Weasleys. Gibt es auch bei uns im Laden zu kaufen. Wirkt in wenigen Sekunden, löscht aber leider keine Erinnerungen aus.“ Meinte Fred grinsend, der seine kleine Schwester sanft in den Arm zog, und nahm den Becher wieder an sich. „Oh nein, was habe ich nur gemacht?“ Flüsterte Hermine plötzlich und ließ ihren Kopf gegen Harrys Brust sinken. „Bitte, bring mich um! Ich kann Ron nie wieder unter die Augen treten!“ Schluchzte sie beinahe und Mitleid erfüllte den Sucher.
 

„Komm, sie mich an, Schätzchen.“ Meldete sich nun eine andere Stimme und da stand sie. Fleur griff nach der starken Schulter, drehte Hermine zu sich. „Manchmal müssen wir den Männern einfach vertrauen. Auch wenn wir das für Wahnsinn halten. Liebe ist Wahnsinn!“ Meinte sie und legte ihre warmen Hände auf Hermines Wangen. Sanft strich sie die verlaufene Schminke herunter, wahrscheinlich nutzte sie einen lautlosen Zauber. „Du siehst wunderschön aus, Cherie!“ Sie musterte die junge Frau noch einmal und nickte dann zufrieden. Fleur selbst trug ein elegantes, blaues Kleid und warf einen kurzen, mütterlichen Blick zu Ginny, die über das Auftauchen ihrer Brüder sehr verwirrt war. „Da ist er auch endlich! Glaubst du wirklich, dass er dich nicht über alles liebt?“ Fragte sie einfühlsam und Hermine folgte ihrem Fingerzeig.
 

Das Licht dämpfte sich, die Musik spielte leise und ruhig im Hintergrund. Die Dekorationen im gesamten Raum verwandelte sich in duzende, kleiner grüner Feen, die in einen wunderbaren, rhythmischen Tanz die Feuervögel am Himmel ablösten und aus dem großen Kronleuchter einen sanften Lichtkegel zauberten, der direkt auf Hermine gerichtet war. Fleur und die beiden Brüder waren zur Seite getreten und dann roch es Hermine. Pfefferminz! Das war ihr Lieblingsgeruch!

Einige der kleinen Feen ließen sich sinken, umtanzten Hermine und überzogen sie mit glitzerndem Staub. Ihr Kleid begann zu funkeln und als ihre Hände nach oben griffen, spürte sie etwas in ihren Haaren, was bisher nicht dort gewesen war. „Was… was hat das zu bedeuten?“ Fragte sie und mit einem Kichern der Feen fiel ein silberner Vorhang vor ihr herab. Wie ein Spiegel reflektierte er ihr Bild und erstaunt starrte sie die wunderschöne, junge Frau an, die ihr gegenüber stand.

Fred und George klatschten sich ab, ihre Schwester schützend zwischen sich. So perfekt hatten sie es sich nicht vorgestellt! Hermines Kleid glitzerte und nun trug sie ein goldenes, wunderschönes Diadem auf dem Kopf.
 

„Du wolltest immer heimlich eine Prinzessin sein!“ Erklang plötzlich Rons Stimme und als der Vorhang sich auflöste, sah sie ihn auf der Bühne stehen. Er trug einen schwarzen Anzug, schlicht, aber sehr elegant. Das leicht runde Gesicht wirkte angespannt und in seinen zitternden Händen hielt er einige weiße Karten, die in der der Mitte das ausgeprägte Symbol einer Krone trugen. Was auf der anderen Seite aufgedruckt war, konnte sie nur erahnen. Ein wildes Gefecht unterschiedlicher Stimmen begann in ihrem Kopf zu toben und voller Frustration schrie die lauteste von ihnen, dass Ron niemals den Mut dazu hätte, etwas solches vor all den Anwesenden zu sagen. Eine andere beschwichtigte und erklärte so all die Unstimmigkeiten, die offenkundigen Lügen und Harrys seltsames Verhalten. Natürlich hatte ihr bester Freund geholfen und ja, er würde sich für „so etwas“ sogar ihr, wütend, betrunken und eifersüchtig, in den Weg stellen.

Verlegen lächelt Ron und die Nervosität klang in seinen nächsten Worten wieder. „Es tut mir wirklich leid, als ich dich eben so sah, wollte ich nur noch zu dir, all die Lügen aufdecken und dir alles erklären. Ich muss mich nachher noch bei Bill entschuldigen, er hat ganz schön was abgekommen, als er mich festgehalten hat.“ Fred und George grinsten breit, sie waren ja fein raus. Nachdem ihnen Hermines Zustand aufgefallen war, hatten sie den aufgebrachten und stürmischen jungen Magier an ihren großen Bruder abgeschoben. Wer professioneller Fluchbrecher war, kam auch mit einem Ronald Weasley zurecht.
 

Kurz warf Hermine einen Blick zu Fleur, die leicht entsetzt wirkte. Doch dann sprach Ron weiter und ihre schon tränenfeuchten Augen wanderten zur Bühne zurück. „Wenn ich dich jetzt so sehe, dann will ich dich vor der ganzen Welt beschützen.“ Mit einem flüchtig sehr breiten Grinsen sah er zu Harry. „Allerdings hatte ich nie den Eindruck, dass du sonderlich beschützt werden musst. Ich an Harrys Stelle hätte schon nach dem Feuer alles ausgeplaudert. Spätestens die erste Explosion hätte mich wie ein Wasserfall quatschen lassen. Du kannst wirklich beängstigend sein.“

Sie stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen hysterischem Lachen und verlegenem Schluchzen lag. Tränen rannen über ihre roten Wangen und das gereichte Taschentuch wurde einfach mit beiden Händen gegen Mund und Nase gedrückt. „Ok, das war jetzt nicht das, was ich hätte sagen sollen.“ Beeilte sich der Rothaarige anzufügen und ein leises, sehr feines Tuscheln ging durch die Reihen. Hermine stand noch immer in der Mitte vor der großen Bühne, ihr bester Freund trat schweigend zu ihr, legte seine Hände Halt bieten auf ihre Schultern.
 

Verlegen, die Wangen glühend und nun deutlich vor Aufregung zittern, starrte Ron auf seine Karten. Lange. Dann hob sich der Blick der blauen Augen wieder und einen vergleichbar zähen Moment starrte er die weinende junge Frau vor sich an. Plötzlich wirkte er resigniert, mit einer einzigen Bewegung griff er die Karten um und riss sie einmal in der Mitte durch. Der eben zum Erliegen gekommene Tumult begann von vorne.

„Er versaut es!“ Meinte Fred mit einem Mal und sein Bruder seufzt. „Ja, er versaut es!“ Murmelt dieser und war dabei so laut, dass es alle hören konnten. Ron sah zu ihnen und nickte kurz die Lippen fest aufeinander gepresst. „Danke! Das ist sehr hilfreich von euch!“ Setzte er wieder an und wendete sich Hermine erneut zu. „Aber sie haben Recht! Seit drei Wochen versuche ich das hier alles zu schaffen, frag Harry, der bringt mich wahrscheinlich um, weil er die Rede mittlerweile selbst im Schlaf herunter rattern kann und jetzt versage ich auf voller Linie. Dabei hatte ich mehr als genug Hilfe. Du hattest Recht, Blaise hat mir auch geholfen, Neville und Luna sind mit eingespannt worden, Fred und George und weil ich von dem ganzen Prinzessinnen Zeug keine Ahnung habe, mussten mir sogar Cho und Maria helfen. Viktoria ist die Betonung, den Text und den ganzen Kram von wegen „wo gehören die Hände hin“, „wie stehe ich hier“ und was weiß ich noch alles mit mir durchgegangen.“
 

Verlegen rieb er sich mit der freien Hand über den Nacken, trat von einem Fuß auf den anderen. „Irgendwann war ich so verzweifelt, dass ich Fleur um Hilfe gebeten habe. Um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl hier am wenigsten getan zu haben und jetzt schaffe ich es nicht einmal, dass hier vor zu lesen.“ Verlegen lachend hob er die zerrissenen Karten und atmete tief ein und aus. „Ich bin ein absoluter Trottel ohne dich. Ich bin verloren, ein Versager und ich kann bis heute nicht glauben, dass du ausgerechnet mich liebst!“

Nun war er Hermine, die ein Lachen von sich gab, noch immer rannen Tränen über ihre Wangen. „Das sollte der vorerst schönste Tag deines Lebens werden und er wurde zu einem kompletten Desaster. Andere in meiner Situation wären wahrscheinlich davon gelaufen, wenn die Frau ihres Lebens so eifersüchtig beinahe ihren besten Freund in die Luft jagt.“
 

Mit einem „Oh nein…“ vergrub Hermine ihr Gesicht gänzlich in dem Taschentuch und wollte vor Verlegenheit im Boden versinken. „Du kannst echt beängstigend sein. Ich hätte lieber eine Nacht mit einer Spinne gekuschelt, als an Harrys Stellen zu sein. Du bist rechthaberisch, eingebildet, besserwisserisch und zickig. Fleur bringt mich wahrscheinlich um, weil ich dir das alles sage. Aber ich weiß das! Ich kenne dich! All deine beängstigenden und nervenden Seiten und ich liebe dich! Ich liebe dich trotz allem! Ja, ich bin vielleicht ein Trottel, dass ich nicht die Frucht ergreife, aber ich liebe dich! Ich kenne deine guten Seiten, deine wundervollen und stehe jeden Tag wieder vor dir mit der Frage, wie eine so wunderschöne, intelligente, wissende, mutige, starke, unerschrockene Frau wie du, der kein Problem dieser Welt zu groß erscheint, die immer eine Lösung findet, so einen Chaoten wie mich lieben kann!“

Sanft schob Harry sie voran, näher zur Bühne hin. „Hermine, eine ganze Armee an Helfern hätte den heutigen Abend nicht retten können!“ Ron machte eine kurze Pause und sah in die großen, braunen Augen. „Weil einfach keine Hermine dabei ist! Niemand kann dich in meinem Leben ersetzen. Ohne dich bin ich nichts weiter als ein dummer Trottel! Du bist der fehlende Teil in meinem Leben! Du bist die Frau, die aus mir einen ganzen Menschen macht!“

Es war ein Wink von Fleurs Zauberstab, der eine kleine, wundervoll verzierte Treppe entstehen ließ. Silberne Ranken brachen lautlos aus dem Holz der Bühne aus und Stufe für Stufe entstand. Sanft gab Harry Hermine noch einen Schubs, damit sie allein hinauf zu Ron trat. Dieser hatte die zerrissenen Karten fallen lassen, griff nach ihrer Hand und als sie vor ihm stand, ging er ruhig in die Knie.
 

Plötzlich war da keine Aufregung mehr, keine Verlegenheit. Der rothaarige Gryffindor zog ein samtenes, kleines Kästchen aus seiner Jackett Jacke und verzweifelt versuchte Hermine nicht noch mehr zu weinen. Sie sah wundervoll aus, ihr Kleid glitzerte und mühevoll wischt sie sich die Tränen von den Wangen.

„Ich liebe dich, Hermine Granger, und ich werde es für den Rest meines Lebens tun! Willst du meine Frau werden?“ Fest und voller Liebe klang seine Stimme. Fleur griff nach der Hand ihres Mannes, der mittlerweile bei ihr war. Tränen der Rührung liefen über ihre Wange und Bill zog sie in seine Arme. Die Zwillinge waren sprachlos, anscheinend hatte ihr jüngster Bruder es doch nicht verstaut! Er hatte noch nie in seinem Leben so selbstsicher und so bewusst geklungen, wie in diesem Moment! Nichts schien ihn von diesem Gedanken abbringen zu können, keine Zweifel waren geblieben.
 

„JA!“ Schluchzte sie und bevor noch jemand reagieren konnte, breitete sie die Arme aus und stürzte sich auf den jungen Mann. Sie fiel ihm um den Hals und riss ihn dabei mit zu Boden. Eine Mischung aus Applaus und Gelächter erfüllte die Luft, denn es sah schon sehr erheiternd aus, wie Ron seine Verlobte mit dem einen Arm fest an sich drückte und den anderen mit dem kleinen Ring weit von sich streckte, damit dieser nicht herunter fiel.

Harrys Blick galt jedoch nur kurz den beiden, er hatte ein anderes Desaster erwartet und es kam natürlich. Ginny, die nun dank dem kleinen Getränk ihrer großen Brüder wieder bei klaren Gedanken war, begriff die Tragödie, die sie unbedacht beinahe ausgelöst hätte. Tränen rannen über ihre Wangen und während Fred und George noch applaudierten, wollte sie schluchzend davon stürmen.
 

„Es ist nicht deine schuld!“ Meinte er, als er sie in seine Arme zog und sie ihn erschrocken anstarrte. Er hatte sich einfach in ihren Weg gestellt und sie wortwörtlich „eingefangen“. „Ich…“ Schniefte sie und ihre Stimme zitterte. Dass sich Ginny für das Geschehene die Schuld gab, konnte sie nicht leugnen. „Schenkst du mir den ersten Tanz dieses Morgens?“ Fragte er plötzlich, als die Musik wieder aufspielte und nun war die heranwachsende Frau gänzlich verwirrt. „Es ist nach Mitternacht.“ Erklärte er mit einem Schmunzeln und Hermine und Ron waren das erste Paar auf der Tanzfläche. Sanft drehte Harry die junge Frau in seinen Armen um und deutete auf das glückliche Paar.

„Sieh sie dir an. Du hast nichts versaut. Du hast Ron die Möglichkeit gegeben frei aus seinem Herzen zu sprechen und ihr genau das zu sagen, was sie zu hören verdient. Die Wahrheit! Sie gehören zusammen und niemand kann daran etwas ändern! Nicht einmal du!“ Flüsterte er ihr nun zu und Ginny spürte eine seltsam Wärme in ihrer Brust. Ron hatte einen unendlich glücklichen Ausdruck in den Augen, zum ersten Mal schien er nur der Musik zu folgen, kein Schritt war falsch, er sah nur noch Hermine und schwebte auf dieser Wolke voller Glückseligkeit förmlich über die Tanzfläche.
 

„Nein, ich… ich denke, ich will jetzt nicht tanzen…“ Nuschelte die Rothaarige und wurde verlegen. Sie hatte mit Hermine so über die „Männer“ gelästert und sie beide waren sich einig, dass Harry ein ganz besonders dummer Hammel wäre und jetzt war er so lieb zu ihr.

Doch sie hatte nicht die Gelegenheit, sich in ihrem Trübsal zu verlieren. „Willst du etwa meine Dame entführen?“ Fragte Blaise mit einem Lächeln und der dunkelhäutige Schüler zwinkerte frech. „Eine so begnadete Tänzerin findet man nicht häufig.“
 


 

Der Abend wurde wunderbar und Hermine erinnerte sich sehr gerne an ihn. Blaise und Harry hatten Ginny einfach mit auf die Tanzfläche gezogen und mit einem Lachen hatte sie erst mit dem Slytherin und dann mit dem Gryffindor getanzt, während sie manchmal einfach aus der Drehung von dem anderen abgefangen wurde. Die Tränen waren vergessen und der wilde Rhythmus der Musik nahm sie alle gefangen. Die Lichter flohen durch den Raum und erst um 5 Uhr früh verklang die Musik.
 

Sie hatten noch lange zusammen gesessen, hatten den Fußboden der großen Halle zum Picknickplatz erklärt. Fred und George hatten die Küche nach alter Manier geplündert und niemand wusste, dass diese Szene, der damaligen so ähnlich war. Auch James und seine Freunde hatten bis in den frühen Morgen dort gesessen und sich an dem gestohlenen Diebesgut gütlich getan. Selbst Lily hatte dieses eine Mal nichts gesagt und sich nur lachend bedient.
 


 

Harry trug Ginny in seinen Armen, sie war mit dem Kopf auf seinem Schoß eingeschlafen. Während er sie aus der Halle trug und mit ihm die anderen abzogen, richtete er eine Frage an Blaise. „Sag mal, was machst du jetzt eigentlich? Zu deinen Eltern kannst du ja nicht mehr zurück.“ Der dunkelhäutige Schüler stieß unerwartet auf, sie hatten eine ganze Menge getrunken. „Keineeee Ahnun...“ Meinte er nur und stellte fest, dass er zu sehr wankte, wenn er sprach. Mit einem Schmunzeln meinte der Gryffindor plötzlich. „Ich hätte da ein Haus, das allein ganz schön leer ist.“

Die dunklen Augen wirkten glasig, als Blaise ihn zu fixieren versuchte. „Du willst mit mir… zusammen… ist das eine gute Idee?“ Er stieß erneut auf und hielt sich an der Wand fest. „Jaaaaahhhahhhaa….“ Lallte er plötzlich und fügte ein „erne!“ an.

Plötzlich packten ihn zwei kräftige Hände und zogen ihn in die Höhe, damit er wieder richtig stand. „Bring du mal das schlafende Prinzesschen weg und wir verfrachten den hier ins Bett.“ Brummte Vincent und Harry grinste. Ron und Hermine waren schon kichernd verschwunden und sie würden heute sicher nicht im Turm der Gryffindors zu finden sein. „Danke!“ Meinte er ehrlich und konnte noch immer nicht glauben, dass der Abend so wunderbar gelaufen war. Gregory zeigte seine Zähne bei seinem Grinsen. „Lass sie ja nicht fallen. Die ist wie Granger! Die bringt dich Morgen um!“

Lass dich finden!

Kapitel 14

Lass dich finden!
 

Die Schneeflocken fielen dicht und hatten ihn schon längst in einen weißen Schleier eingehüllt. Ob es Tag oder Nacht war, konnte er nicht mehr sagen. Die Kraft war aus seinem gesamten Körper gewichen und in dem Zauber dieses Waldes schien die Magie, die er nutze, keine Wirkung zu zeigen. Dafür aber kroch jedes verdammte Monster seiner Vergangenheit aus den Schatten dieses eisigen Grabes und versuchte ihn in den Wahnsinn zu treiben.

Schwach atmete Harry ein, er lehnte an einem alten, knochigen Baum und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was ihn zum Lächeln brachte. Er durfte nur an die guten Erinnerungen denken, soviel hatte er schon verstanden. Dieser Wald ernährte sich regelrecht von seinen negativen Gefühlen und ließ daraus grausame Halluzinationen entstehen.

Teddy! Er war der erste, an den Harry denken musste. Tonks hatte ihr erstes Kind bei der Schlacht um Hogwarts verloren, jedoch wurde sie nur ein halbes Jahr später erneut schwanger. Harry durfte der Patenonkel sein, eine Rolle, die er sehr gerne und voller Hingabe erfüllte. Wenn er bei dem Kleinen war, vergaß er schnell alle Sorgen, all die Zweifel, die ihn quälten.
 

Der „Kleine“ war mittlerweile aber gar nicht mehr so klein und schon jetzt war zu erahnen, dass er die Größe seines Vaters geerbt hatte. Dafür orientierte er sich magisch eher an seiner Mutter und wenn sich der 5 Jährige mit ihr stritt, konnten Zuschauer meist ihr Lachen kaum bändigen, denn beide wechselten die Haarfarbe, wie es ihnen passte. Meistens in roten und orangen Tönen, es kam aber auch Violett, Blau und im Ernstfall ein Schwarz mit Silberstreifen vor. Dieses setzte besonders bei Tonks ein und dann bemerkte auch ihr Sohn langsam, dass er sein Glück weit überstrapaziert hatte. Remus versuchte sich zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr einzumischen, denn auch das Temperament hatte sein Sohn von ihr.
 

Jedoch war sein Patenkind nicht der einzige Nachwuchs, der sich ankündigte. Luna hatte zwar nicht geplant, dass sie nun schon so schnell Mutter werden würde, immerhin war sie ja auch erst Mitte der 20er Jahre, doch ihr dicker Bauch verbarg ihr Glück nicht. Kurz gestattete sich Harry den Gedanken, dass diese Schwangerschaft sicher auch ihre Beziehung zu Neville gerettet hatte. Sie waren in den vergangenen Jahren weiterhin zusammen geblieben. Luna hatte sich sowohl dem Erforschen magischer Wesen, wie auch dem Schreiben von Büchern verschrieben, während sich Neville seinen Freunden angeschlossen hatte und Auror wurde. Sie hatten nicht einmal das erste Jahr nach der Ausbildung überstanden, als der pfiffige junge Mann einen Plan ausheckte, um Bellatrix in eine Falle zu locken. Ein Plan, der wunderbar aufging.

Sie hatten Unterstützung von Tonks und Remus, selbst die Zwillinge waren dabei, doch keiner hatte mit dem Wahnsinn gerechnet, dem diese Hexe mittlerweile verfallen war. Schlussendlich schaffte es Neville, indem er ihr vorschwärmte, wie schön es doch sein müsste, wenn sie den letzten der Longbottoms mit eigenen Händen töten könnte. Das war eine Versuchung, der sie nicht wiederstehen konnte.
 

„Nein!“ Rief Harry und versuchte das Bild wieder zu verdrängen, doch es war zu spät. Er konnte das Blut riechen, er konnte es sehen, wie es sich auf dem ganzen Schnee verteilte und ihr schwarzes Kleid, ihre schwarzen Haare hoben sich selbst unter den Schneeflocken so scharf ab. Er sah den jungen Mann neben ihr, der das Messer in Händen hielt. Er selbst war mit Blut beschmiert. Immer hatte er sich an Harrys Rat gehalten und trug versteckt ein Messer bei sich. Der Auror meinte vor Jahren zu seinem Freund, dass niemand bei dessen Verletzungen mit einem direkten Angriff rechnen würde.

Bellatrix tat es nicht!

„Nein!“ Flüsterte Harry und hörte die kraftlose Stimme Nevilles, dem Tränen über die Wangen liefen. Nie hatte er jemanden so getötet und schon gar nicht mit bloßen Händen. Anstatt der gewünschten, erfüllenden Rache, blieb nichts als grausamer Schmerz und kaltes Entsetzen zurück. Sie hatte gelacht und nun klang dieser Laut stumm in der Luft wider.
 

Als sie starb, nahm sie den letzten der Longbottoms mit sich. Zumindest eine ganze Weile lang. Es gab immer öfter Streit zwischen Luna und ihm, etwas Ungewöhnliches für die sonst so ausgeglichene Frau. Doch als sie ihm von der Schwangerschaft erzählte, schien sein Leben wieder einen Sinn gefunden zu haben. Neville war wie ausgewechselt und er brachte seine nun auch endlich angetraute Frau jeden Tag zum Lachen. Sie hatten gleich darauf geheiratet, eine Feier unter freiem Himmel, wie sie keiner zuvor erlebt hatte. Ja, daran wollte Harry nun denken!

Da waren so viele Dinge gewesen, alles wirkte so magisch und Luna war an diesem Tag die Königin der Blumen gewesen. Ihr Kleid war mit echten Blüten bestickt und leuchtete in einem zarten Grün. Es Glitzerte und am zweit schönsten war Rons betrunkener, zweiter Antrag. Sie alle hatten laut gelacht und als er endlich vor Hermine auf die Knie fiel, meinte diese nur mit einem Grinsen. „Wir sind schon verheiratet!“
 

Nun stand wohl auch bei ihr die nächste Veränderung an. Bevor er sich auf den Weg gemacht hatte, gestand sie ihm ihre Befürchtungen. Wahrscheinlich war auch Hermine schwanger. Noch war es zu früh, um etwas Genaues zu sagen, aber sie hoffte auf jeden Fall, dass es kein Junge würde. Sie hatte jetzt schon den Namen für eine Tochter. „Rose“!

Nach einem Namen suchte Blaise auch gerade für sein Kind. Allerdings war sein Baby ein Restaurant und bisher gefiel ihm die Idee „One piece oft the whole World“ ganz gut, denn man könnte es kurz „one“ nennen, wenn man darüber sprach. Er war nach der Schule ein halbes Jahr seiner Ausbildung im Ministerium nachgegangen, bis er mit seinem ersten, festen Freund in einen gewaltigen Streit geriet. Dieser hatte ihn betrogen und Blaise packte seine Sachen und verschwand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er mit Harry in dem alten Haus der Familie Black gelebt, mit seinen Eltern herrschte noch immer kein Kontakt. In den nächsten Jahren folgten Eulen aus den unterschiedlichsten Städten der Welt und was niemand dem sonst so arroganten, selbstverliebten Slytherin zugetraut hätte… er lernte kochen! Nicht einfach nur so, nein, er lernte es auf der ganzen Welt und er war gut darin. Seine Leidenschaft galt dabei jedoch Schokolade! Harry würde sterben für seine kleinen Schokoladensünden, die mit so vielen unterschiedlichen Geschmäckern himmlisch gute Kombinationen ergaben.
 

Ja, der Schwarzhaarige hatte viele Seiten und gerne dachte er daran, wie Ginny, Blaise und er zusammen getanzt hatten. Der Abend in Hogwarts war herrlich gewesen, eine wunderbare Abschiedsfeier. Bis heute machte sich Ginny Vorwürfe, dass sie beinahe den Heiratsantrag ihres Bruders ruiniert hätte. Hermine nahm es ihr nicht direkt übel, aber noch immer wurde sie etwas giftig, wenn man sie an den Abend „vor“ dem Antrag erinnerte. Ihr war es bis heute unendlich peinlich.

Dafür hatte dieser Abend auch eine schöne Folge für die rothaarige Hexe, denn sie hatte sich lange mit Dean unterhalten. Es dauerte dennoch ein weiteres Jahr, bis die zwei wieder zueinander fanden und bis heute war nicht sicher, ob sie nun fest miteinander gingen. Zumindest zusammengezogen waren sie seit einem dreiviertel Jahr und Molly war außer sich, denn nun waren wirklich alle Kinder aus dem Haus. Wenigstens hatte sie dank Bill endlich die ersten Enkelkinder und wenn sie von Hermines Schwangerschaft erfuhr, würde sie vor Glück platzen.
 

Fred und George, die Ginny und Hermine bis heute dankbar für die Aktion waren, weil sie damit eine weiter Umsatzsteigerung erzielten, die bis heute hielt, wohnten in einer kleinen Wohnung über dem Laden und bisher hatte sich keine Frau gefunden, die es länger als wenige Monate mit ihnen aus hielt.

Percy erging es nicht besser, die Narben, die sein schönes Antlitz zierten, nahmen ihm sein selbstverliebtes Verhalten und sorgten dafür, dass er nun noch verbissener daran arbeitete in seinem Bereich der Beste zu werden. Da blieb keine Zeit für Frauen. Die Zwillinge tuschelten schon, dass ihr großer Bruder wahrscheinlich gar nicht wusste, ob er auf Frauen oder Männer stand.

Für die Grangers war das alles eine seltsame, irritierende Welt und als sie bei der Hochzeit den Fuchsbau das erste Mal sahen, waren sie sprachlos. Sie nahmen so gut es ging an dem Leben ihrer Tochter teil, auch wenn dies immer schwieriger wurde. Von seinen eigenen Muggel Verwandten hatte Harry schon lange nichts mehr gehört und das war etwas, dass ihn sehr freute. Obwohl ihn bis heute die Frage reizte, wie sich Dudley weiter entwickelt hatte oder ob überhaupt.
 

Seine Gedanken kreisten weiter und fanden schließlich eine Person, die er bis heute nicht richtig einzuschätzen wusste. Severus Snape tauchte in seinen Gedanken auf und mit ihm die quälenden Worte der Wahrheit. Sie hatten nicht viel Kontakt, doch immer wieder fanden ehrliche Briefe den anderen. Über die letzten Jahre war Severus zu einer unglaublichen Stütze geworden, seine Worte hatten immer den richtigen Ton, gaben ihm Mut und Kraft, ließen ihn aber auch die Wirklichkeit erkennen. Der letzte war am Härtesten. Der ehemalige Lehrer hatte ihm geschrieben, dass er endlich einen Schlussstrich ziehen musste. Wenn Draco noch immer nicht aufgetaucht war, wollte er nicht gefunden werden!

Das war eine Lektion, die er noch nicht zu lernen bereit war. Eine, auf die er jedoch schon sehr lange wartete. Mit bangem Herzen hatte er den Brief gelesen, geahnt, dass diese Worte kommen würden. Auch Hermine hatte ihn sanft darauf hingewiesen, dass Draco langsam von seiner Suche Wind bekommen haben musste. Es war beinahe unmöglich, dass er nicht wusste, wer ihn so unerbittlich suchte. Doch lange Zeit hatte er nicht auf sie hören wollen und als der Brief seines ehemaligen Lehrers kam, wollte er nur noch dieses eine Mal sein Glück versuchen. Nur noch diesem einen Hinweis wollte er nachgehen.
 

„Warum habe ich all die Jahre mit dir verschwendet?“ Drang die kalte Stimme durch den Nebel aus Schnee und Harry schloss die Augen. Er wollte ihn nicht sehen, er wusste, dass er dort stand. „Du bist eine wahre Schande für deine Mutter und ich war wirklich so dumm und sah ein wenig Hoffnung in dir! All die Jahre habe ich dich gelehrt, dich beschützt und nun stirbst du so elendig wie ein Straßenköter?“

Nein, das würde er nicht sagen! Gleichsam kroch die Angst in seinen Verstand, dass Severus mit etwas anderem Recht hatte. Er würde hier sterben! Er war erschöpft, er konnte nicht weiter, er konnte nicht apperieren, er war gefangen in diesem Wald, der nun alle Ängste aus seiner Seele hervor zerrte.

Was auch immer geschah, aber dieser Wald ließ seine Panik Wirklichkeit werden und erschöpft öffneten sich die grünen Augen, um auf das zu starren, was nun nur noch zwei oder drei Meter von ihm entfernt war.

„Du bist ein erbärmlicher Verlierer, dass warst du schon immer! Eingebildet und dumm! Du gleichst deinem Vater einfach zu sehr, gehst drauf, chancenlos und elendig! Ich habe dir gesagt, dass du bleiben sollst, du bist gegangen! Warum solltest du auch auf mich hören? Ich bin ja ein Niemand in deinen Augen!“ Die blauen Lippen öffneten sich und er starrte regungslos in die dunklen Augen von Severus Snape. Ja, genau so sah er aus, genau so klang seine Stimme, jedes Detail stimmte. Mit einer kraftlosen Geste wollte er die Hand heben, doch nach wenigen Zentimetern fiel sie zurück auf den tauben Oberschenkel.

Wüsste er es nicht besser, er würde glauben, dass der Mann wirklich vor ihm stände. So perfekt war der Zauber, als hätte sich ein Irrwicht in diesem Wald versteckt und spielte seine Streiche mit ihm. „Ich weiß, dass du nicht Severus Snape bist!“ Entgegnete er leise, ermattet von der zermürbenden Erkenntnis, dass seine Chancen bei null lagen. Er würde hier nicht weg kommen, er konnte diesem bitteren Schauspiel nicht entkommen und schlussendlich wäre es sein Tod!
 

„Was denn, Sev?“ Klang nun eine andere Stimme in der bitterkalten Luft wider, die er nicht hören wollte. Sie war tot und das wusste er mit Sicherheit. Er hatte sie sterben sehen. Er hatte gesehen, wie das Licht in ihren Augen erlosch und doch leuchteten diese nun wie die funkelnden Sterne weit über ihm hinter den dicken Wolken. Er spürte den harten Baum nicht mehr, an den er sich lehnte. Allein die Kälte, die all seine Glieder hatte steif werden lassen, ein taubes Gefühl durch seinen gesamten Körper jagte, blieb ihm erhalten.

„Sieh dir diesen erbärmlichen Nichtsnutz doch an. Da opfert man all die Jahre seinen Zeit, seinen Geduld und was macht er?“ Als würde Severus jemals so etwas sagen! Dennoch schlich sich das leise Stimmchen in seinen Hinterkopf, welches ihm einen Zweifel zuflüsterte. War er sich da sicher? War er sich da sicher, dass der schlanke Mann nicht heimlich eben dieses dachte?

„Ich weiß, was du meinst! Aber das habe ich dir von Anfang an gesagt! Er ist es nicht wert! Er hat nicht ihr Potenzial! Er ist eben ein Potter! Er starb so schnell, als hätte der Meister nur eine Fliege davon gewischt!“ Bellatrix hatte die Arme vor der Brust verschränkt und nickte bei ihren Worten, dicht neben dem Zaubertranklehrer stehend. „Ja, ich weiß, was du meinst. Er war keine Herausforderung für ihn!“ Stimmte der Schwarzhaarige ein und der Frau an seiner Seite entkam ein grelles Kichern. „Gib doch zu, Sev, du hast es geliebt!“ Kreischte sie vor Begeisterung und blickte in die kalten Augen.
 

Harry wollte sich dieses Spektakel nicht ansehen, er wollte sich die Ohren zuhalten, aber dafür fehlte ihm die Kraft. Obwohl er sie nicht sah, nur ihre lauten Stimmen überdeutlich in seinem Verstand widerhallten, war er sich jeder Bewegung der beiden bewusst. Zwei Menschen, die nicht hier sein sollten, nicht hier sein konnten und die nur seinem Verstand entsprungen waren.

„Du meinst den Teil, als er pathetisch schrie, dass er seine Familie bis zum Schluss verteidigen würde? Oder den Moment, in dem ihm sein Tod bewusst wurde?“ Seine Stimme hatte einen unerwartet belustigen Ton. Harry konnte nicht verhindern, dass diese Worte Bilder in seinem Bewusstsein entstehen ließen, grausame Bilder vom Tod seines Vaters!

„Ach komm, ich meine alles. So viel Zeit zum Sterben hatte diese widerwärtige Made ja nicht!“ Frohlockte sie hysterisch und nun war auch ein verhaltenes Lachen des Lehrers in der Luft zu vernehmen. „Er hat eine ganze Menge ertragen. Durch den Schlag an die Wand wurde seine Schulter gebrochen, er wurde mit dem Crucio Fluch gefoltert und das eine ganze Weile lang. Er hat den Gedanken erdulden müssen, dass seine Frau und sein Sohn gleich den selben Tod sterben würden und dann wurde er erst erlöst.“ Meinte Severus und zählte an seinen Fingern die einzelnen Etappen auf.
 

„Ach komm, sooo lange war das nun auch nicht!“ Beschwerte sich Bellatrix und Harry spürte, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. Sein Magen rebellierte und die gallenbittere Flüssigkeit wurde die Speiseröhre in die Höhe gedrückt. „Ich meine, im Vergleich zu anderen hat Potter echt nicht lange leiden müssen. Lass es 10 oder 15 Minuten gewesen sein, die er den Crucio Fluch ertragen hat.“ Ihrer Stimme konnte man anhören, dass sie leicht genervt war. „Nein, solange war das nicht. Das waren doch höchstens 5 Minuten, gut, maximal 7!“ Gab nun der schlaksige Man von sich und verschränkte bissig die Arme vor der Brust. Offenbar verstimmte ihn etwas an diesem Gespräch.

„Meinetwegen, ich will mich deswegen nicht mit dir streiten. Ich habe da noch etwas für unseren kleinen Harry mitgebracht!“ Warf sie ihm aufgebracht hin und bevor der schwarzhaarige Auror noch etwas erwidern konnte, ihr entgegen setzten, dass sie endlich ihr Maul halten sollte, immerhin sprach sie von seinem Vater, wurde er unsanft an seinen Haaren gepackt und der Kopf nach hinten gezogen. „Sieh mich an, kleiner Potter!“ Verlangte sie mit einer beinahe erotisch gehauchten Stimme.

So sehr er sich auch zu wehren versuchte, etwas in ihm zwang ihn regelrecht dazu die Augen zu öffnen.

Einen langen Moment benötigte er, bis ihm die Tragweite seines eigenen Wahnsinnes bewusst wurde. Bellatrix stand vor ihm, war in die Knie gegangen und neben ihr stand ein großer Leinensack gefüllt mit seltsamen, großen runden Gegenständen. Zuerst musste Harry an Hagrids Kürbisse denken, die er auch hin und wieder kurzweilig in Leinensäcken transportierte, aber die in offenen Kisten mit Stroh deutlich besser gelagert werden konnten.
 

Das war jedoch nicht das Besondere an ihr, welches ihm seinen eigenen Irrsinn deutlich machte. Sein Verstand begann in die Tiefen des Wahnsinns zu stürzten. Offensichtlich! Sie trug noch immer ihre schwarzen Schnürstiefel, die bis zu den Knien reichten. Die schwarzen Haare waren ordentlich zu einem lockeren Zopf geflochten, der über ihre rechte Schulter hing… und sie trug ein rotes Kleid mit weißem, weichem Saum, so wie eine Weihnachtsmütze mit weißem Bommel!

Das Kleid reichte ihr bis zu den Stiefeln, die Ärmel bis zu den Ellenbogen, von dort fielen sie weit ab, waren offen und gaben den Blick auf weiße Handschuhe frei, die bis unter die Ärmel wanderten. Um die Taille trug sie einen breiten Gürtel mit silberner Schnalle, so wie kleine, silberne Ohrringe, die die Form von Christbaumkugeln besaßen. Wenn er sich wirklich Bellatix Lestrange im weihnachtlichen Kostüm vorstellte, musste er wahnsinnig sein!!!

„Ich habe dir da etwas Schönes mitgebracht! Im November kann man ja schon mit dem Schmücken beginnen!“ Jubilierte sie erfreut und ließ ihn los, um sich dem Sack an ihrer Seite zuzuwenden. Für einen kurzen Moment hatte er wirklich geglaubt, der Zauber des Waldes würde ihn ein wenig schonen. Ihr Anblick war nun im Kotext ihres Wesens beängstigend. Aber das wahre Grauen befand sich in ihrem „Weihnachtssack“!
 

„Ist er nicht schön geworden?“ Ihre lachende Stimme hallte durch den weißen Wald und nun stieß die Gallsäure bis in den Rachen des jungen Mannes vor. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und mit letzter Kraft drehte er sich zur Seite. Er spuckte aus, was seine Gedärme noch herzugeben vermochten. Dass es schon seit Snapes Auftauchen nicht mehr schneite, hatte er nicht bemerkt.

Sie hatte aus dem Sack einen Kopf gezogen, in dessen eingedrückte Augenhöhlen rote, kleine Glitzerkugeln für einen Weihnachtsbaum gepresst worden waren. Die Lippen hatte sie mit einem goldenen Band zusammengenäht! „Ich finde, dass James einen verdammt guten Baumschmuck abgibt!“ Kreischte sie voller Freude und ließ den abgeschlagenen Kopf leicht in der Luft baumeln.

„SEV!“ Rief sie flötend und streckte sich neben dem am Boden liegenden zu den Ästen hinauf. „Bitte hilf mir doch!“ Ihre Stimme hatte etwas so Frohlockendes, dass Harry erneut zu würgen begann. „Magst du mir den nächsten geben?“ Zitternd schloss der 25 Jährige die Augen und spuckte erneut die flüssigen Reste aus, die sein Magen herauswürgte. „Welchen?“ Kam genervt die Stimme des Lehrers, der anscheinend einen Blick in den „Geschenkesack“ geworfen hatte. „Einer der Weasleys oder Granger?“
 

Krampfhaft versuchte er nicht zuzuhören! Das alles war nur reine Einbildung, dass wusste er! Aber eine wahre Linderung brachte ihm diese Erkenntnis nicht. Er presste die Hände auf seine Ohren, spürte den Schnee unter sich, auf dem er nun gekrümmt lag. Dennoch hörte er die Stimmen… besonders die neue, die unerwartet das Gespräch der beiden anderen unterbrach. „Jeder gute Baum benötigt noch eine festliche Spitze!“

Harry sah nicht, was Tom da in Händen hielt! Er wollte es nicht wissen! Er schrie! Er schrie mit der letzten Kraft, die er in seinem Körper finden konnte. Angst, Panik, Wahnsinn hielten ihn gefangen, brachen seinen Willen, seinen Verstand und sein tiefstes Unterbewusstsein begriff, dass der Zauber dieses Waldes nun zu seinem letzten Schlag ausholen wollte. Es blieb nur eine logische Folge, nur ein einziger Mensch, der nun noch zum Opferblock geführt werden sollte. … oder war?

Wenn er die Augen öffnete, wenn er das Bild zuließ, welches den kraftlosen Mann mit aller Grausamkeit zerschmettern wollte, dann würde er alles verlieren! Dann verlöre er seinen Verstand, dann war der Tod nur noch eine Messers Breite von ihm entfernt!
 


 

Jemand packte ihn an den Schultern, sprach mit ihm, doch er konnte die Worte nicht verstehen. Ob er noch immer schrie, wusste er nicht. Seine Sinne waren taub, kein Gedanke konnte sich manifestieren und die Panik erfüllte seine gesamten Empfindungen.

Jemand riss schmerzhaft die Hand von seinem Ohr, presste etwas in seine Handinnenfläche und ballte seine Finger darum. Es dauerte, erst als die Wärme seinen Körper langsam zu entspannen begann und die ersten Kräfte zu spüren waren, wurden die Worte klarer, die noch immer zu ihm gesprochen wurden. Eine weitere Ewigkeit schien zu vergehen, bis er ihre Bedeutung begriff, bis er die Wärme in seinem Verstand registrierte und nach und nach alle Körperteile erneut zu spüren begann.

„Es ist vorbei! Es wird alles wieder gut! Du bist in Sicherheit!“ Er kannte diese Stimme, zumindest glaubte er das. Sie war rau, hatte einen leichten Akzent, als wäre es lange her, dass der Mann Englisch sprach. „Du kannst die Augen wieder öffnen.“ Vorsichtig atmete Harry ein und der kalte Schnee an seiner Wange war zu einer harten Mulde geworden. Vorsichtig blinzelte er, es war dunkel, dämmrig. Er lag noch immer auf dem Boden auf der rechten Seite, seine linke Hand wurde von einer anderen umschlossen. „Lass die Kette nicht los, wenn du sie nicht noch einmal sehen willst.“ Meinte der fremde Helfer und löste vorsichtig seinen Griff.
 

Wieder verging die Zeit, der Fremde, von dem Harry noch immer nicht viel mehr gesehen hatte, denn die dunkle Gestalt hatte eine große Kapuze weit über den Kopf gezogen, half ihm sich aufzusetzen. Langsam hatte die Wärme des Zaubers seine tauben Muskeln wieder erwärmt und nach einem guten Schluck heißen Tees schien auch neue Kraft in seinen Körper zu strömen.

Die „Kette“ war ein geflochtenes Armband aus Leder, in welches bunte Steine eingearbeitet waren. Der Fremde erklärte ihm, dass sie einen Schutzzauber in sich trugen, der ihn vor dem Angriff des Waldes schützte. „Kannst du aufstehen?“ Fragte er plötzlich, während er die Flasche Tee wieder in seiner eigenen Tasche verstaute. Mit einem Nicken streifte Harry das bunte Schmuckstück über das Handgelenk. Hilfsbereit stützte der Mann ihn und als der Auror endlich auf seinen eigenen Beinen stand, wurde ihm bewusst, dass er noch immer sehr schwach war. Ohne Hilfe würde er nicht weit kommen. Wäre dieser Fremde nicht vorbeigekommen, er wäre ohne Zweifel in der Kälte der Nacht gestorben.

Doch zu sehr steckte der Schock in seinen Knochen, zu tief hatten sich die Bilder in seinen Verstand gebrannt, die der Wald ihm eben aufgezwungen hatte, um sich dieser Gegebenheit bewusst zu werden.. Bellatrix war tot! Das war eine Tatsache! Er hatte es selbst gesehen! Er war sich so sicher, dass er keinen Vergleich dafür finden konnte. „Was ist das für ein Zauber?“ Fragte er leise, während er langsam durch den Schnee schlurfte.
 

Der fremde Magier hatte Harrys rechten Arm über seine Schulter gelegt und stüzte ihn so gut er konnte. Viel hatte er nicht gesagt, hielt sich schweigsam. „Dieser Wald ist verflucht. Jeder, der sich darin verirrt, wird wahnsinnig. Er dringt tief in die Gedankenwelt seines Opfers ein und baut aus den Ängsten, Zweifeln und Sorgen des Menschen Halluzinationen, die ihm wie wirklich erscheinen.“ Kurz und knapp kam die Antwort und Harry versuchte die Vertrautheit in der Stimme zu ergründen. Woher kannte er sie?

„Wie heißt du? Ich bin Harry.“ Vorsichtig versuchte er einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen, doch noch immer lag dieses tief im Schatten der großen Kapuze. „Gregory.“ Kam nur wieder kurz angebunden und dann, als hätte er einen Moment darüber nachdenken müssen, fügte er an. „Harry Potter, ich weiß. Jeder kennt dich.“

Da er nicht viel mehr von dem Fremden erwartete, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Feuerkugel, die vor ihnen in der dunklen, kalten Luft schwebte und ihnen Licht spendete. „Du bist auch ein Zauberer oder?“ Diese Frage schien überflüssig und so wurde sie auch nicht beantwortet. Der schwarzhaarige Auror wartete noch einen Moment und als noch immer keine Reaktion kam, stellte er eine neue Frage. „Lebst du hier in diesem Wald? Du scheinst dich gut darin auszukennen.“
 

Mit einem Seufzen stieß der Unbekannte die Luft aus und schien langsam genervt von all der Neugierde. „Tut mir leid. Ich sollte dich nicht so ausfragen. Ich versuche nur die Bilder zu verdrängen, die ich eben gesehen habe. Ich hätte nie erwartet, dass…“ Er schluckte und brach ab. Da war wieder diese seltsame Kombination. „Sev“ und „Bella“, die in irrwitziger Freundschaftlichkeit im November im Wald einen Baum mit Köpfen schmücken wollten. Bellatrix in einem roten Weihnachtskleid…

„Schon gut, ich will gar nicht wissen, was dir so alles durch den Kopf gegangen ist. Du kannst mir aber gerne erklären, was jemand wie du mitten in einem solchen Wald zur Winterzeit in Russland treibt! Sicher keinen Tannenbaum schlagen.“ Kam nun zum ersten Mal mit einem warmen Hauch in der Stimme eine Aufforderung von dem fremden Mann.

Ein Schmunzeln schlich sich auf die Lippen des Schwarzhaarigen und seine Gedanken schweiften zurück zu Draco. „Ich suche jemanden, der mir sehr wichtig ist. Ich habe ihn jetzt sicher 7 Jahre lang nicht mehr gesehen.“ Kurz hielt er inne, überlegte. „Er hat mir damals sehr geholfen und viel für mich aufgegeben. Auf gewisse Weise ist es meine Schuld, dass er gegangen ist. Nein, nicht meine Schuld, ich bin nur der Auslöser. Ich denke nicht, dass ich hätte etwas ändern können. Ich hätte nichts tun können, um ihn von seinem Gehen abzuhalten.“
 

Nach einer Weile des Schweigens sagte der Helfer plötzlich. „Und warum ist er gegangen?“ Harry stieß einen kurzen, kräftigen Seufzer aus und musste erst vernünftig durchatmen. Noch immer war sein Körper schwach, aber das Gespräch lenkte ihn zumindest von seinen seelischen Schmerzen ab.

„Tja, sicher bin ich mir nicht. Ich denke, er ist damals gegangen um zu überleben. Er stand im Dienst von Voldemort und verriet ihn. Als dieser besiegt wurde, schwor Bellatrix Lestrange ihn zu jagen und zu töten. Doch sie ist tot und dennoch ist er nicht wieder zurückgekommen.“ Sein Blick wurde belegt und als spüre der Fremde die niederdrückenden Gefühle, ließ er jede Antwort aus. Eine ganze Weile zumindest.

„Dann gibt es nur drei Möglichkeiten. Entweder ist er schon tot, er lebt irgendwo so tief und abgeschieden versteckt, dass er nichts von all dem mitbekommen hat oder…“ Doch den Rest sprach er nicht aus. „Oder er will nicht, dass ich ihn finde. Ich weiß!“ Brummte Harry und blieb unerwartet stehen. „Ist es noch weit?“ Fragte er nun und spürte, wie ihm jede Kraft schwand. Die Dunkelheit umgab sie völlig und nur die kleine Lichtkugel spendete etwas Helligkeit. Selbst die Bäume tauchten nur schattenhaft auf, wenn sie diese passierten.
 

„Nein, nur noch ein Stück, wir sind gleich da.“ Kam unter der Kapuze hervor und dann bemerkte Harry die helle Haut der linken Wange. Der Stoff war zurück gerutscht und gab nun den unteren Teil des Gesichtes freit. Dunkle Flecken zogen sich über die linke Gesichtshälfte und Harry erkannte sie sofort. Es waren Brandnarben. Sie waren Tropfenartig, beinahe so, als hätte jemand eine kochende Flüssigkeit verschüttet und den Fremden dabei getroffen.

Als dieser den Blick des ehemaligen Gryffindors bemerkte, zog er mit der rechten Hand schnell den Stoff zurück und setzte sich direkt wieder in Bewegung, wobei er Harry mit sich zog. „Ich kann deinen Freund sehr gut verstehen. Das hier ist eine Erinnerung, damit ich ja nicht vergesse, wo mein Platz ist. Todesser sind nicht sehr zimperlich mit Leuten, die nicht ihre Meinung vertreten.“ Brummte der Fremde während des Laufens.
 

Müde, wenn auch sehr interessiert versuchte Harry noch einen Blick auf die Wunden zu erhaschen, schaffte dieses aber nicht. „Das sieht sehr schmerzhaft aus.“ Murmelte er und musste sich auf den schnellen Schritt des anderen einstellen. Doch dieser schwieg wieder, erst als sich im Dunkeln der Umriss von etwas Großem abzeichnete, setzte er zu einer Antwort an. „Kommt immer darauf an. Meinen Rücken haben sie schlimmer zugerichtet. Dagegen war das kochende Öl keine große Strafe mehr.“ Nun klang in der Stimme eine gewisse Kälte mit, die Harry gut verstehen konnte. Er würde auch nicht gerne über so etwas sprechen.

„Darum lebst du wohl auch hier, was? In einem solchen Wald ist die Chance auf ungebetene Gäste zu stoßen nicht sehr groß.“ Seine eigenen Worte wurden immer leiser, der Atem gefror vor ihm kaum noch in der Luft. Wäre er nun aufmerksamer gewesen, hätte er einen Blick in die Augen des Fremden werfen können, der nun aber wieder sehr darauf bedacht war, dass er sein Gesicht verbarg. „Ja, hier habe ich nicht sehr viele Nachbarn. Dich habe ich auch nur gefunden, weil du so laut geschrien hast. Hätte ich dich nicht als Harry Potter erkannt, hätte ich dich da draußen sterben lassen!“ Seltsamerweise blieb ein Schmunzeln als feiner Ton zurück und irritierte den Schwarzhaarigen.
 

Es irritierte ihn so sehr, dass er den magischen Kreis nicht bemerkte, in den sie nun traten und das Licht wurde kleiner. Noch immer hatte der Fremde einen schnelleren Schritt angelegt und so musste sich Harry eher auf das Laufen konzentrieren. Am Rande bekam er mit, dass sie eine Art Vorgarten passierten und der flüchtige Gedanke kam auf, wie unpassend so etwas in einem Wald wie diesem war. Der Schnee hatte viel verdeckt, nur der Gartenzaun starrte aus dem dämmrigen Dunkel hervor, welches den Rand des Lichtes bildete. Der Weg war mit Platten versehen, jemand hatte vor nicht allzu langer Zeit diese von der weißen Flockenpracht befreit. Warte, war der Schnee nicht noch vor Severus Auftauchen wild vom Himmel gefallen?

Die große Tür war aus dunklem Holz und wirkte schon sehr alt. Sie machte ihm den Eindruck, als schützte die dieses Haus schon seit einigen Jahrhunderten und auch die eingravierten Zeichen sprachen dafür. Der Hausflur erschien hoch, die Lichtkugel war nun auf die Größe einer Kerze geschrumpft, nun schien der fremde Retter kein Licht mehr zu benötigen. Alles hier schien gewaltig, verlor sich in den dunklen Schatten, jedoch war sich Harry sicher, eine Treppe hinauf erkannt zu haben.
 

Die Türen waren alle geschlossen, bis hinunter ans Ende des Flures wurde er geführt und dann leicht in einen Raum geschoben. Die Kugel huschte ihnen nach, sauste über ihre Köpfe hinweg vor und raste über einen großen Kerzenleuchter unter der Decke, entzündete die duzenden Kerzen und flog dann mit einem freudigen Zischen in die Feuerstelle, die sie zum Lodern brachte.

„Was ist das für ein Zauber?“ Fragte Harry, der die Küche sofort erkannte. Ein großer Tisch fand sich in der Mitte, um ihn standen einige Stühle, von denen er auf einen etwas unsanft verfrachtet wurde. Der Fremde hatte sich von ihm abgewandt und holte einen kleinen Kessel heraus, den er mit Wasser füllte. „Ein alter Zauber aus vergangenen Zeiten, ich habe ihn von meiner Lehrmeisterin.“ Der Auror konnte einen gewissen Stolz in der Stimme hören und dann schnipste der fremde Magier, der sich leicht zu Harry gedreht hatte. Selbst im Schatten der Kapuze konnte der Schwarzhaarige noch das überhebliche Grinsen erkennen und einen Augenblick später entkam dem Auror ein „WAS?“.

Der kleine Kessel reckte sich, streckte sich im Waschbecken und hüpfte dann plötzlich von ganz alleine hinaus. Er landete etwas unsanft auf dem Boden, verschüttete etwas Wasser und wackelte dann auf seinen kurzen drei Beinen hinüber zum Kamin, der offenbar in erster Linie nur zum Erwärmen des Raumes gedacht war.
 

Mit großen Augen beobachtete er, wie der kleine Kessel über den Boden wackelte, der metallene Henkel klappte nach oben und dann ging er „tief“ in die „Knie“. Er schrammte über den Fußboden und drückte sich mit seinen drei kleinen Beinen kraftvoll ab. Mit einem einzigen Sprung landete er zielsicher auf dem kleinen Harken über dem Feuer und schaukelte noch einen Moment hin und her.

„Kleiner Trick, nichts Besonderes.“ Meinte der Fremde plötzlich und griff nach dem Riemen seiner dunklen Umhängetasche. Sie war aus festem Leinenstoff und mit Fell benäht. Er zog den Riemen über den Kopf und legte die gesamte Tasche auf der Arbeitsfläche neben dem Herd ab. Nur langsam konnte Harry all die kleinen Details erkennen, die diese Küche zu bieten hatte. Drei große Fenster mit vielen, kleinen Zwischenstreben verteilten sich über zwei Wände. Das einzelne Fenster war zur Ecke hin gerückt, einige Meter neben ihm, war eine weitere Tür, die teils mit Glas verziert war.

Der Raum war breit und länglich, die zwei Fenster an der langen Seite thronten über einer großen Arbeitsfläche, die einige Schränke und Schubladen unter sich verbarg. Neben der Spüle würde die wunderschöne, dunkle Platte nur noch vom Herd unterbrochen, der wie ein alter Gasherd wirkte.
 

Zwischen den Fenstern befanden sich viele, kleine Regale, die sich spielerisch in Höhe und Lage abwechselten und mit duzenden kleiner Gläschen, Dosen und Kästchen versehen waren. Langsam ließ Harry seinen Blick über die Vielzahl unterschiedlicher Gefäße wandern und als er auf der dunklen Arbeitsfläche angekommen war, bemerkte er die großen Gläser, die sich an der Wand aufreihten. Alles war mit feinen, säuberlichen Buchstarben beschriftet, die etwas unglaublich Geschwungenes hatten. Sie wirkten beinahe wie eine Art der westlichen Kalligraphie.

„Du kannst bis Morgen bleiben, dann verschwindest du wieder. Nur weil ich dich gerettet habe, heißt das noch lange nicht, dass du dich hier einquartieren kannst, Potter!“ Diese Stimme, diese verdammt herablassende Art seinen Nachnamen auszusprechen… nein, das durfte nicht wahr sein.

Die grünen Augen hefteten sich an die schlanke Gestalt, die ihm noch immer den Rücken zugewandt hatte. Der fremde Magier räumte seine Umhängetasche aus, stellte die Flasche neben sich, aus der er vorhin Harry etwas von dem noch heißen Tee gegeben hatte. „Klar, kein Ding. Wenn du mir den Weg aus diesem Wald zeigst, dann falle ich dir auch nicht weiter zur Last.“ Seine eigene Stimme hörte sich seltsam blechern an und innerlich verstummte sein Herzschlag. Selbst Gregory schien dieses bemerkt zu haben, er hatte noch immer die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, nur die Handschuhe lagen auf dem dunklen Stein der Platte.
 

Der Magier hatte in seiner Bewegung inne gehalten und seine schlanken, hellen Finger umfassten einen kleinen Tiegel, den er soeben abstellen wollte. „Ja, das mache ich.“ Kam sehr kurz von ihm und Harry sah, wie angespannt der Fremde nun war, der ihm noch immer den Rücken zuwandte.

Langsam stand der schwarzhaarige Auror auf, er musste sich mit beiden Händen auf dem Tisch abstützen. Diese Schrift, diese helle Haut, diese Stimme… warum hatte er diese Stimme nicht gleich erkannt? Vielleicht weil es so schien, dass er lange kein Englisch mehr gesprochen hatte.
 

Wie lange hatte er sich diesen Moment ausgemalt. Bildete er sich das alles nur ein? Konnte es wirklich angehen, dass er ausgerechnet von dem Mann gefunden wurde, den er so lange gesucht hatte? Aber warum spielte er dieses Versteckspiel mit ihm? Angst brannte auf und alles, was so nah schien, rückte in eine unendliche Ferne. All die Träume, die Hoffnungen, die heimlichen Vorstellungen, wie dieser Augenblick sein würde brachen in tausende schmerzende Splitter und bohrten sich gewaltsam in sein Herz und seine Seele. Sollten sie alle Recht mit ihren Worten haben? Wäre das Erreichen seines Zieles, das Finden des Mannes, den er mehr begehrte, als er in Worte zu fassen verstand, nichts weiter als der innere Tod? Wäre es in Wirklichkeit nur die ernüchternde, schmerzhafte Wahrheit darüber, dass er nicht nur verlassen, sondern auch verschmäht worden war?

Gregory rührte sich nicht. Er stellte nur den kleinen Tiegel ab, hielt ihn aber noch immer umklammert. Jeder Muskel war angespannt, das spürte Harry regelrecht, auch wenn er es unter dem schwarzen Umhang nicht erkannte, der die Gestalt umhüllte. War er wirklich nur wenige Schritte von der Wahrheit entfernt, die ihm jetzt wie ein unendlicher Abgrund anstarrte? Wenn er diese Kapuze zurück zog, würde er dann stürzen?
 

Eben so fühlte es sich an. Er stand auf einer dünnen Schicht Eis, die sich über den Abgrund spannte. Alles in ihm bebte, zitterte und er wagte nicht zu atmen. Immer näher führten ihn seine Schritte an den fremden Magier, nein, das durfte nicht sein! Innerlich schrie er! Das durfte er nicht sein! Denn wenn er das war, dann… dann hätte er wieder gehen sollen, ohne es je zu erfahren! Gab es eine deutlichere Abfuhr, eine stärkere Distanzierung als diese?

Seine Hand zitterte, als er sie erhob. Noch nie hatte er etwas in seinem Leben so herbei gesehnt und gleichzeitig so stark vermeiden wollen! Noch nie hatte ihn etwas so in Angst versetzt. Plötzlich wünschte er sich an den Augenblick zurück, an dem er den Brief fand. Er wollte noch einmal den Schmerz durchleben, als die Erkenntnis ihn in die Knie zwang, ihn schreien ließ und beinahe zerbrechen. Er wollte noch einmal die 7 Jahre Qual durchleiden, nur das hier, oh ihr verfluchten Götter dieser Welt, sollte ihm erspart bleiben.
 

Seine Lippen waren einen Spalt geöffnet, innerlich flehend, dass er sich irrte. Es konnte nicht so sein, wie er dachte! Nur kurz zuckte er zusammen, als Gregory sich umdrehte, sein Handgelenk umgriff und ihn festhielt. „Nicht! Eine Nacht, dann gehst du wieder!“ Die Stimme hatte eine verzweifelte Kälte, die alle aufschäumenden Gefühle zu unterdrücken versuchte. Doch beide Magier hatten mit der rechten Hand zugegriffen und in einer einzigen Bewegung riss Harry den Stoff mit der linken herunter, die ungehindert an Gregorys rechter Seite vorbei kam.

Blonde Haare kamen unter der Kapuze zum Vorschein und der Auror spürte, wie das Eis unter seinen Füßen brach; er stürzte. Bitter legte sich der Geschmack der Erkenntnis erneut in seinen Mund und alles Flehen war vergebens gewesen. Er starrte in die Stahlgrauen Augen, die ihn direkt anblickten. Das war er!
 

Noch immer hatte er diese helle, malfoysche Blässe. Selbst die Brandnarben, die sich über die linke Wange zogen, konnten diesem Gesicht nicht die Vertrautheit nehmen. Auch nach 7 Jahren erkannte es Harry sofort. Seine Hände zitterten, dennoch konnte er den Stoff der Mütze nicht los lassen. Die blonden Haare waren lang, mit einem Band im Nacken zusammen genommen. Aber er war es!

Verzweifelt versuchte er nach einer Erklärung zu suchen, verzweifelt versuchte er die Worte zu ignorieren, die noch immer in der Luft hallten. Eine Nacht, dann sollte er gehen! Aber warum? Warum? Er wusste doch, wer er war! Er hatte ihn doch als den Mann erkannt, mit dem er vor so langer Zeit ein Bett geteilt hatte.
 

Wut brannte in ihm auf, mischte sich mit dem verzweifelten Schmerz, der ihn gänzlich erfüllte. Als wären seine Träume zu einer Masse aus Splittern geworden, die seine gesamte Seele bestückten und bei jeder Bewegung, bei jedem Zucken und jedem Zittern blutig tief in sein Fleisch schnitten.

„Блин!“ Fluchte die tiefe Stimme und Harry verstand weder das Wort, noch erkannte er die Sprache. „Warum musst du immer so verdammt neugierig sein, Potter?“ Entsetzt starrten ihn die grünen Augen an, unfähig zu einer Reaktion. War das wirklich die Antwort, die er nach 7 Jahren von ihm erhielt? Wütend und verletzt verzog sich das sonnengebräunte Gesicht und mit aufgewühlter, zitternder Stimme knurrte der Schwarzhaarige. „Musst du immer noch so feige sein, Malfoy?“

Lass dich beschützen!

Kapitel 15.

Lass dich beschützen!
 

Die Wut brannte noch immer in seinem Herzen und mit einem Knurren ließ er endlich den Stoff los, den er mit seinen linken Fingern umklammert hielt. So lange hatte er gesucht und nun brach all die Hoffnung ein, die er in diesen Moment gesetzt hatte. Das Draco ihn nicht sehen wollte, dass er sich vor ihm versteckte, hätte er ja noch ertragen, aber dass er ein solches Spiel mit ihm spielte!

In all der zornigen Verzweiflung spürte er jedoch auch etwas anderes, neben all dem Schmerz und der Bitterkeit tauchte auch der Wunsch nach einer Erklärung auf. Es war wie ein letzter Funken, der ihn nun aufrecht hielt. „Hast du etwas zu trinken?“ Fragte er mit kalter Stimme, die unterdrückte Wut ließ diese beben. Harry hatte sich von ihm abgewandt und war auf den Tisch zugetreten. Mit beiden Armen stützte er sich auf die Lehne des Stuhles, der ihm am nächsten war.

Das Geräusch von Stoff verdeutlichte ihm, dass der Blonde nun endlich seinen Umhang gelöst hatte und im Augenwinkel bemerkte er die Bewegung, in der der schwarze Stoff über die nebenstehende Stuhllehne gehängt wurde. „Ich denke, dass das keine gute Idee ist. Nicht in deinem Zust…“
 

Weiter kam er nicht Harry drehte sich mit funkelnden Augen zu ihm um und schrie beinahe. „Was du denkst, ist mir scheiß egal!“ Nun war der Zorn so heißt aufgebrannt, dass eine gewisse Art des Erstaunens in das helle Gesicht des ehemaligen Slytherin trat. „Ich bin da draußen beinahe abgekratzt, während ich mit ansehen durfte, wie das irre Gespann Bella und Sev erst über den Tod meines Vaters lästerten und dann abgeschlagene Köpfe als Weihnachtsdekoration benutzt haben! Nur damit ich jetzt hier lande und der Kerl, den ich sieben, sieben beschissene Jahre gesucht habe, mich Morgen wieder raus schmeißen will, damit ich weiter suchen kann!“

Mit hochgezogenen Augenbrauen hob Draco die Hände und meinte ruhig. „Die Argumentation kann ich verstehen. Ich kann aber nur Whisky anbieten; ohne Eiswürfel!“ Dabei legte sich dieser boshafte Zug in seine Stimme, der die Wut in jeder Faser des geschundenen Körpers noch anschwellen ließ. Mit einem Schlucken zwang sich Harry zur Ruhe. „Ist kalt genug draußen. Geht auch ohne!“
 

Noch nie in seinem Leben hatte er sich so fehl am Platz gefühlt und noch nie hatte er so dringend das Bedürfnis verspürt, all sein Wissen in einem betrunkenen Rausch ertrinken zu lassen. „Drüben im Schrank, zweite Tür von links.“ Gab Draco an und warf dann einen nachdenklichen Blick auf den Rücken des Mannes, der sich nun wieder auf dem Stuhl abstützte. „Ich hole ihn.“ Brummte er dann und umrundete den Tisch.

Auf der der Küchenzeile gegenüberliegenden Seite waren einige hohe Holzschränke aufgestellt, zu denen Harry vorhin mit dem Rücken gesessen hatte. Zwei Gläser und die Falsche stellte er auf den Tisch und öffnete diese dann. Ohne aufzublicken schenkte er ein und schob eines der beiden Gefäße hinüber zu Harry. Seine Gedanken schweiften zu der einen Nacht zurück, als ein diesem gar nicht so unähnliches Glas auf dem gut gebräunten Bauch gestanden hatte und der Schwarzhaarige mit aller Macht sein lüsternes Stöhnen zu unterdrücken versuchte. Jetzt standen sie hier, Jahre lagen zwischen ihnen und wieder glitzerte der Whisky in den Trinkgefäßen.

Müde, wenn auch noch immer aufgewühlt, wollte Harry nach dem Glas greifen, zog seinen linken Arm aber wieder mit einem Ausdruck des Schmerzes zurück. Dann streckte er den rechten aus und nur einen Moment später hatte er den gesamten Inhalt geleert. Erstaunt hatten die grauen Augen dieses Verhalten gemustert und besorgt neugierig fragte er. „Was ist mit deinem Arm? Schmerzt er?“
 

Kurz sahen die grünen Augen funkelnd zu ihm hinüber, bis er knurrte. „Was geht es dich an?“ Aufgebracht zog er den Stuhl nach hinten, setzte sich und griff nach der Flasche, um sich noch einmal einzuschenken. Wieder bemerkte Draco, dass der Schwarzhaarige umgreifen musste, weil er keine Kraft aus dem linken Arm nutzen konnte. Auch dieses Mal wurde der Inhalt schneller geleert, als es dem Blonden lieb war. Harry war unterkühlt und niemand wusste, wie lange er da draußen gewesen war. „Gut, ich mache dir einen Vorschlag, wenn du mich nach deinem Arm sehen lässt, werde ich dir jede Frage offen und ehrlich beantworten, die du an mich stellst.“

Schweigend starrten ihn diese wunderschönen grünen Augen an und dann wandte sich der Blick ab. „Was soll ich schon fragen? Offenbar war für dich diese Nacht in keiner Weise besonders.“ Draco spürte, wie sein Herz wild zu klopfen begann, er hatte geahnt, dass so etwas kommen würde.
 

„Ich bin nur nicht mehr der, der dich damals verlassen hat. Aber ich sagte dir die Wahrheit, ich habe keine Sekunde davon vergessen. Keine einzige.“ Noch einmal hob sich der Blick, doch Harry wollte ihn nicht länger ansehen. Etwas in ihm hatte aufgegeben. Vielleicht lag es an dem Alkohol, aber er fühlte sich leer, ausgebrannt, eben so, wie damals in Severus Büro. Alles war zum Stillstand gekommen, es gab kein Heute, kein Gestern und schon gar kein Morgen. Er schien unglaublich erschöpft und etwas in ihm wollte einfach aufgeben, sich fallen lassen, alles konnte ihm egal sein.

Ein anderer jedoch ahnte, dass er nur diese Chance haben würde und mit einem schweren Ausatmen nickte er schließlich. „Gut…“ Brummte er leise und ließ das Glas los.
 

Langsam knöpfte er seinen Mantel auf und achtete nicht auf den anderen. Nur bedächtig bekam er seine Gedanken wieder voran und mit einem Seufzen schob er langsam den Mantel über die linke Schulter. Offensichtlich war etwas mit seinem Arm nicht in Ordnung und dieses musste er sich nun selbst eingestehen. Doch wenn er nicht endlich eine Frage stellte, würde das Angebot sicher verfallen. „Was ist das für ein Wald? Ich meine, wie ist er auf diese üble Weise verflucht worden?“ Vorsichtig griff er nach seinem Pullover und versuchte ihn nach oben zu ziehen.

Innerlich spürte er die Erleichterung, als die erste Frage so harmlos war. Mit einem möglichst sanften Blick begann er leise. „Darf ich?“ Und auf das zurückhaltende Nicken griff er nach dem weichen Wollstoff und zog behutsam diesen über den Kopf des anderen. „Keiner weiß genau, wie lange es her ist, zweihundert, vielleicht vierhundert Jahre, als die Zaubererwelt auf die der Muggel traf und die Angst um sich griff. Die Muggle hassten uns und hatten Angst vor der Macht, die den Zauberern und Hexen inne wohnte. So wurden diese zusammengetrieben und kaltblütig umgebracht, einige von ihnen erhängt, verbrannt oder einfach niedergeschlagen.“ Sehr behutsam zog er den Ärmel über den linken Arm und eine Handbreit unter der Schulter kam der klebrige Eiter zum Vorschein. Der Stoff war eingerissen und das graue Longsleeve klebte auf der Haut. Harry schluckte als er die breite Fläche Stoff sah, die offenbar feucht klebrig von der Wunde durchnässt wurde.
 

„Einige der Zauberer versuchten sich hier in die Wälder zu retten, sich hier zu verstecken und diesem Massaker zu entkommen. Dabei waren es längst nicht nur magisch Begabte, auch Ehemänner, die sich von ihren Frauen betrogen sahen, behaupteten sie nachts im Mondschein Kräuter sammeln gesehen zu haben, oder Frauen, die von ihren Männern geschlagen wurden, bezichtigten diese der Unzucht mit dem Vieh.“ Vorsichtig rollte Draco den Stoff gänzlich vom Arm herunter und legte den schwarzen Pullover auf den Tisch. „Willst du das Hemd noch behalten?“ Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf und bemerkte, dass der ehemalige Slytherin zu seinem rechten Bein griff. Erst jetzt sah er die zwei Riemen, die sich um den Oberschenkel zogen und die Scheide eines Dolches hielten. Es war die gleiche Stelle, an der er seinen trug.

Aufmerksam beobachtete er die feinen Bewegungen, mit denen Draco zielsicher die Klinge durch den Stoff führte und er begriff, wie scharf diese sein musste. Nach und nach schlitze er den Ärmel auf, um nur diesen herunter zu ziehen. „In diesem Wald soll zu der Zeit ein sehr mächtiger Zauberer gelebt haben, der jedoch weder Tier, noch Mensch etwas zuleide tun konnte. Als die Menschen in diesen Wald flüchteten und von ihren Verfolgern auf grausame Weise niedergemetzt wurden, soll er seinen Verstand verloren haben. Das Blut tränkte den Waldboden und in seinem Wahnsinn schrie er: Nie wieder soll ein Mensch ungestraft diesen Wald betreten. Allesamt soll er mit Angst euch jagen und den schlimmsten Albtraum zur Wirklichkeit kredenzen! Vergesst die Wahrheit, die euer Leben durchdringt, und all die Wünsche, die Hoffnungen, die ihr für eine Zukunft hegt, zermahlen und verdrehen soll euch der Wahnsinn, bis ihr zu den Wurzeln alter Bäume zu Erde werdet und eins mit dieser Welt, die ihr richtet.“
 

Mit einem Schlucken versuchte Harry die Bilder zu verdrängen, die sich wieder einschlichen. Ja, er wäre dort gestorben, es war noch immer ein seltsames Gefühl. So nah war er dem Tod und nun saß er hier, so fern von „seinen Wünschen für die Zukunft“. Schweigend folgten die grünen Augen der Bewegung, mit der Draco den Dolch auf den Tisch legte und sich dann wieder dem abgetrennten Ärmel zuwendete. Sehr behutsam griff er nach dem Stoff, den er noch immer mit einer Hand fest hielt. Langsam zog er daran und rollte so die klebrige Masse aus Eiter und Wolle von der Wunde herunter. Der süßlich bittere Geruch einer Entzündung breitete sich mit einem weiteren Schwall aus und wieder schluckte der Schwarzhaarige. Es war anscheinend ein langer, wenn auch nicht sehr tiefer Schnitt, der einst einmal einem Kratzer glich, bis die Infektion sich wuchernd in ihm ausgebreitet hatte. „Wie alt ist die Wunde?“ Fragte Draco plötzlich und der Angesprochene zuckte leicht zusammen. „Ähm, ich muss sie mir heute Morgen zugezogen haben. Warum?“

Doch Anstelle einer Antwort zog der Blonde nur die feine Augenbraue in die Höhe und Falten legten sich auf seine Stirn. „Das kommt nicht von heute Morgen!“ Meinte er direkt und griff nach dem Handgelenk des 25 Jährigen. Kaum hatte er den Stoff über dieses gezogen, ließ er den Fetzen zu Boden fallen. Da die grünen Augen ihn vorwurfsvoll anstarrten und sich die vollen Lippen, die er einst einmal begierig geküsst hatte, zu einem Protest öffneten, fragte er ein weiteres Mal. „Wann war heute Morgen? Welches Datum hatte heute Morgen?“
 

Verwirrt blickte ihn der junge Mann an und meinte dann zögerlich. „Heute ist der 23. November, ein Mittwoch, warum?“ Kurz blinzelte der blonde Heilkundige und widerholte das Datum. Harry nickte und plötzlich stieg eine unerwartete Angst in ihm auf, die er nicht beschreiben konnte. Was war an dem Datum denn bitte so verwirrend oder so entsetzlich, denn dieses Wort passte eher zu dem Gesichtsausdruck.

„Harry, heute ist Freitag der 25. November 2005! Wir haben nicht Mittwoch, es ist Freitag. Die Nacht auf den 26. November! Dir fehlen 2 ½ Tage!“ Was auch immer in den grauen Augen stand, der Schwarzhaarige konnte es nicht erkennen. Seine eigenen Gedanken setzten aus und nach einer schieren Unendlichkeit schluckte er endlich. Dieses Geräusch dröhnte in seinen Ohren wider, dass nichts darüber hinweg tönen konnte. Entsetzen schlich sich ein, Angst und eine aufkommende Übelkeit. Er war da draußen über zwei Tage gewesen? Wann? Wie war das möglich? Es gab keinen Tag, keine Nacht, er hätte es doch bemerken müssen! Es hätte zwei Mal dunkel werden müssen! Da war keine Nacht! Ganz sicher!
 

Mit zitternder Hand griff er nach der Flasche Whisky und wollte diese näher an sich heran ziehen. Er brauchte jetzt auf jeden Fall noch einen Schluck. „Nichts da!“ Dröhnte die Stimme des Blonden in seinen Ohren und ein kleiner Teil in ihm hätte geschworen Besorgnis und Angst vernommen zu haben. Die Hand des anderen lag auf seiner, er hielt die Flasche fest und seinem Griff war zu entnehmen, dass er sie nicht loslassen würde. „Du bist verletzt, dehydriert, unterkühlt und keiner von uns weiß, wann du das letzte Mal etwas gegessen hast! Ich lasse dich sicher nicht noch mehr Alkohol trinken!“

Irritiert starrte er in die grauen Augen und wieder verstrich die Zeit so langsam, dass sein Gehirn einen Aussetzer zu haben schien. Kurz öffneten sich die Lippen, doch kein Ton kam über sie. Mit einem schweigenden Nicken signalisierte er dem anderen, dass er seine Hand wieder zurück ziehen konnte. Langsam schob er die Flasche wieder von sich fort und versuchte zu verarbeiten, was hier geschehen war.

„Das ist der Fluch des Waldes. Er kann dir alles vorspielen. Er lässt dich glauben, dass du gegessen oder geschlafen hast und in Wirklichkeit verhungerst du bei wachem Verstand. Er beeinflusst deine Sinne und deine Wahrnehmung. Wenn du da draußen so lange warst, verstehe ich auch die Irrwitzigkeit, von der du vorhin erzählt hast.“ Draco hatte sein Hand wieder zurück gezogen, wandte sich gänzlich von ihm ab. Er ging hinüber zur Arbeitsplatte und holte seine große Tasche.
 

Noch immer wollte sein Verstand nicht ganz arbeiten, so tief saß der Schock. Schweigend folgten seine Augen den schlanken Händen, die zuerst ein kleines Holzkästen aus der Tasche holten. Dann folgten kleine Glasgefäße und ein weiteres kleines Kästchen.

„Was hast du gesehen?“ Fragte er unerwartet, seine Stimme hallte beinahe blechern von den Wänden der Küche wieder. Kurz hatte der Blonde aufgesehen, sich dann aber dem Waschbecken gewidmet. Er wusch seine Hände. Nachdem das Wasserrauschen verstummt war, antwortete er. „Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, es war ein Hirsch mit goldenem Geweih. Aber sicher bin ich mir nicht.“

Das diese Antwort nicht ausreichte, sah er dem nun blassen Gesicht mit den vom Alkohol geröteten Wangen an. So konzentrierte er sich darauf, die Wunde zu reinigen und ihm nicht wieder in die Augen zu sehen. „Ich war damals schwer verletzt und fieberte. Ich war Bellatrix entkommen und tauchte in diesem Wald wieder auf. Es muss ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als ihr euren Abschluss gemacht habt.“
 

Kurz biss Harry die Zähne zusammen und zog hörbar die Luft ein. Ein Brennen breitete sich in seinem Oberarm aus, als Draco die Wunde zu säubern begann. „Ich bin apperiert und dachte einfach nur „weg“. Ich wollte so dringend weg von ihr, dass ich kein Ziel kannte. Hier wurde ich durch Zufall von einer alten Hexe gefunden, die meine Wunden versorgte und mich bei sich aufnahm. Von ihr weiß ich auch so viel über die Behandlung von Verletzungen.“ Mit diesen Worten griff er nach einem kleinen Tiegel auf dem Tisch und öffnete diesen. Er hatte noch immer nicht zu ihm aufgesehen, meinte nur schlicht. „Das wird wahrscheinlich gleich brennen.“

Nur einen Moment später unterdrückte Harry einen Schrei und biss die Zähne zusammen. Es brannte nicht nur, es tat höllisch weh! Selbst sein noch immer betäubter Verstand registrierte diesen Schmerz so deutlich, dass er es kaum beschreiben konnte. Tief atmete er ein, versuchte die Tränen in seinen Augenwinkeln fortzublinzeln. Noch einmal ein und ausatmen, um dann wieder zu ihm zu blicken. Erstaunt stellte Harry fest, dass Draco schon etwas Mull auf die Wunde gedrückt hatte und diese nun sanft verband. Er hatte es nicht gespürt.

Wie hypnotiesiert beobachtete er das kleine Knäul weißen Verbandsstoffes, welches von einer Hand unter seinem Arm hindurch gereicht und in die andere Hand gegeben wurde, nur um dann auf der vorderen Seite wieder in die erste Handfläche zu wechseln. Dies geschah immer und immer wieder, ein unendlicher Kreislauf. Mit einem Blinzeln begriff er plötzlich, wie Draco das Ende des weißen Stoffes abschnitt und sanft verband.
 

„Danke…“ Nuschtelte er leise und dann legten sich die Hände auf die verbundene Stelle. Die raue Stimme des Mannes flüsterte in dieser fremden, groben Sprache Worte, die wie ein Zauber klangen. Nur einen Moment später spürte er eine angenehme Wärme, die den Schmerz gänzlich vertrieb.

Verwundert blickte er auf den Arm und dann zu dem Blonden auf, der ihn mittlerweile losgelassen hatte. „Was war das?“ Fragte er direkt und nun schien er deutlich aufmerksamer zu sein. „Nur eine Zauber, der die Heilung anregt. Um genauer zu sein, dieser Zauber beschleunigt die Zellteilung, damit die Entzündung schneller abgebaut werden kann und die Wunde sich leichter schließt. Wenn alles gut geht, ist es morgen nur noch ein Kratzer.“

Nun hatte er für noch mehr Verwirrung gesorgt und mit einem Schmunzeln beobachtete er, wie sich die grünen Augen verengten. „Und WIE hast du diesen Zauber anwenden können?“ Stellte er nun die nächste Frage und Draco ließ ihn absichtlich etwas zappeln. Erst nach dem die Spannung in dem vom Alkohol geröteten Gesicht kaum noch zu halten schien, griff er nach seinem eigenen Hemd.
 

Erst jetzt bemerkte er die feinen Tätowierungen, die sich beinahe wie Traibals über sein rechtes Handgelenk und den Unterarm zogen. Einige der feinen Linien waren sogar neckisch bis auf die Oberseite der Hand gezogen. Es gab bunte Linien, sie funkelten leicht, wenn der Mann den Arm bewegte. Jede von ihnen hatte seine eigene Farbe, grün, rot, ein violett und ein gelb. Braun fand sich genauso wie blau und zwischen all dem zogen sich deutlich breitere, irgendwie anders geformte, schwarze Linien. „Was ist das?“ Wollte der Auror nun wissen und ahnte doch irgendwie die Antwort.

„Die schwarzen Linien sind die Manifestierung des Schutzzaubers, der auch auf den Steinen deines Armbandes liegt. Es hat eine Weile gedauert, bis er eine Form hatte, die die Wirkung noch verstärkt und nicht aufhebt. Wenn du einen Zauber in eine Form gibst, ist die Chance gering, dass du ihn damit verbesserst, dafür aber gewaltig groß, dass du ihn versaust.“ Er dreht den Arm leicht und lächelte dann irgendwie zufrieden. „Weißt du, was es vor den Zauberstäben gab?“
 

Dieser Frage war Harry nie in seinem Leben nachgegangen. Sie führte zu der Frage, was überhaupt „davor“ war. Gab es diese magischen Helfer seit es Magie gab? Oder gab es für die Zaubererwelt Magie erst, seit sie die Zauberstäbe hatten? Und woher stammt die Magie? War sie schon immer da oder wurde sie von jemandem erschaffen? Nachdenklich und in seinem jetzigen Zustand völlig überfordert schüttelte er den Kopf.

„Die Magie befindet sich in dieser gesamten Welt. Sie umgibt uns und sie durchströmt uns. Magier und Hexen haben die Fähigkeit, diese Magie in sich zu konzentrieren und sie so zu nutzen. Um dieses zu können, benötigen wir jedoch ein Hilfsmittel, unseren Zauberstarb. Es gab aber auch Kulturen, die auf andere Weise die in ihnen befindliche Magie konzentriert haben. Die Maya nutzen solche Armbänder, wie du eines hast. Sie wählten bestimmte Steine aus, die in ihrer Art Magie bündeln können. Diese richtig kombiniert mit viel, sehr viel Übung bringt ein ähnliches Resultat, wie unsere Zauberstäbe. Die Inka hingegen haben mit Tätowierungen gearbeitet und die Ägypter wahrscheinlich auch. Bis heute weiß niemand, was für eine Tinte diese Kulturen genommen haben und das hier ist mein Experiment dazu.“

Er hob die Hand so, dass die Innenfläche nach oben zeigte und flüsterte. „Lumos.“ Gebannt hingen die grünen Augen an dem, was nun geschah. Die feinen, bunten Linien begannen leicht zu leuchten und dann spürte er ein feines Prickeln. Als wäre die Luft über der Handfläche plötzlich deutlich heißer, begann sie zu wabern und in nur zwei Herzschlägen bildete sich eine kleine Lichtkugel. Sie sah absolut identisch mit der aus, die sich oben auf der Spitze seines Zauberstabes befand, wenn er diesen Zauber nutzte.
 

Völlig irritiert starrte er auf das Licht, das klein und leise über der Handfläche leuchtete. „Ich habe die Steine, die die Maya nutzten, zu feinem Staub zermahlen und als Tinte verwendet. Es hat ganz schön gedauert, bis ich jemanden gefunden habe, der bei dieser Idee mitgeholfen hat und es hat verdammt weh getan! Vier Tage konnte ich den Arm kaum bewegen, so stark war die magische Verwirbelung in meinem Körper.“

Mit einem Räuspern blinzelte Harry und setzte sich wieder gänzlich auf. „Du bist bescheuert!“ Meinte er nur knapp und musste doch ein leises Lachen ausstoßen. „Ich weiß. Vor allem bedarf es viel, sehr viel und noch viel, viel mehr Übung. Ich kann Licht und Feuer entstehen lassen, sonst kann ich mit der Magie nur auf kleine Bereiche des Körpers eingehen.“ Kurz schien er zu überlegen und die Kugel aus Licht verschwand. Vorsichtig ließ er seine Hand über den abgerissenen Ärmel wandern und konzentrierte sich. Er flüsterte wieder etwas in dieser fremden Sprache und Harry wusste eines, wenn er und Draco jemals eine gemeinsame Zukunft haben würden, dann musste er Russisch lernen!
 

Mit einem erstaunten Ausruf kommentierte er, wie die kleinen, weißen Fäden sich bewegten, länger wurden und sich zu einem neuen Stück Stoff verflochten. „Erstaunlicherweise ist hier die emotionale Lage deutlich wichtiger, eigentlich das Wichtigste, im Gegensatz zu unserer Art zu Zaubern. Je weniger Gefühle du hast und je klarer du sprichst und je sauberer die Bewegung ausgeführt ist, desto besser ist der Zauber. Hier musst du die Magie fühlen. Du konzentrierst sie auf einen Punkt, entweder an die Stelle, an der das Licht entstehen soll, oder so wie hier die Spitze der einzelnen Fäden. Wenn du sie einmal gefunden hast, kannst du sie beinahe von alleine fließen lassen.“ Die grauen Augen glänzten und für einen Moment glaubte Harry den Mann wieder vor sich zu sehen, dem er damals im Gang begegnet war. Dieser Mann, der anscheinend alles unter Kontrolle hatte.

„Und was ist das mit dem Kessel? Hast du das auch so gemacht?“ Doch er bekam nur ein Kopfschütteln und als Draco seine Hand zurück zog, franste der Saum des Ärmels aus. „Frag mich etwas Leichteres. Das ist so eine verrückte Sache, die ich bis heute nicht verstanden habe. Sie fällt in die Kategorie meiner Lehrmeisterin, die ich als „Du kannst es oder du wirst es nie lernen!“ beschreibe. Das ist so ein Ding mit der Magie, die sich in uns und allem befindet und so auch in dem Kessel. Gleichzeitig musst du mit einbeziehen, dass dieser Topf eine eigenständige, selbst entscheidende Person ist, die in Bezug auf ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten in Verbindung mit dem Universum steht. Das ist wie bei ihren Türen, die überall hin führen können!“
 

Er zuckte mit den Schultern und setzte sich nun halb auf die Ecke des Tisches. „Habe ich erwähnt, dass ich von einer verrückten, alten und sehr, wirklich sehr verschrobenen Hexe gefunden wurde, die ich nur als die Baba Jage kenne?“ Ungläubig hoben sich die schwarzen Augenbrauen und Harry schüttelte den Kopf. Nicht ohne dabei die Augen schließen zu müssen und mit einem Brummen inne zu halten.

„Du solltest schlafen gehen, Harry. Wie gesagt, du bist ziemlich erschöpft und dein Körper benötigt dringend Ruhe.“ Nur mürrisch verzog er sein Gesicht und meinte dann mit einem ungnädigen Ton. „Mag sein, aber ich will nicht. Wenn ich jetzt schlafen gehe, bist du morgen wieder weg!“

Mit einem Seufzen schüttelte Draco den Kopf und zog seinen Ärmel wieder zurück. „Hör zu, ich habe jetzt wirklich keine Lust darauf, dass du dich wie ein bockiges Kind verhältst! Ich werde morgen nicht weg sein, das verspreche ich dir!“ In der Stimme des Blonden lag eine gewisse Frustration und er war offenkundig genervt.
 

Misstrauisch sahen ihn die grünen Augen nun an, musterten das helle Gesicht und blieben dann nachdenklich an den Narben hängen, die sich deutlich auf der linken Wange abzeichneten. Draco hatte Recht, er benötigte Ruhe und der Alkohol, den er eben getrunken hatte, machte sich nun deutlich bemerkbar. Sein Kopf begann zu pochen, es war ein unangenehmes Dröhnen und so brummte er leise. „Du bist morgen wirklich noch da?“ Ein Nicken. Er war noch immer nicht schlauer, er wusste noch immer nicht, wie sie zueinander standen. Aber er wusste zumindest, dass Draco lebte und es schien ihm soweit gut zu gehen. Oh, und er hatte versprochen nicht wieder weg zu laufen. War das nicht mehr, als er erwarten konnte?

Schwer stützte er sich mit den Armen ab, um sich in die Höhe zu drücken. Mittlerweile war ihm sein eigener Zustand selbst bewusst und mit geschlossenen Augen verharrte er einen Moment. Draco wusste nicht, ob er helfen sollte und so schwieg er lieber. Diese Situation war aberwitzig und sie war etwas, dass er verhindern wollte. Nun war es zu spät.
 

Er konnte nicht leugnen, dass er auf fremde Hilfe angewiesen war und dennoch blieben sein Stolz und sein verletztes Herz so eigensinnig, dass er mit einem Ruck den Kopf hob. „Ok, dann lass uns gehen.“ So viel Selbstbewusstsein, wie er finden konnte, legte er in diese Worte und bemerkte, dass Draco in der verstrichenen Zeit aufgeräumt hatte. Die kleinen Tiegel und Kästchen standen nun ordentlich zusammen auf der äußersten Stelle der Arbeitsfläche hinter ihm. Dort fand er sie, als er den Stuhl wieder an den Tisch schob. „Beantwortest du mir morgen meine Fragen?“ Mit einem Nicken stahl sich ein flüchtiges Lächeln auf die Lippen des Blonden und er griff nach seinem eigenen Mantel und dem von Harry.

Es war irgendwie eine beruhigende Geste, als der ehemalige Slytherin beide Kleidungsstücke an die Harken auf der Innenseite der Küchentür hängte und dort auf den Schwarzhaarigen wartete. Noch immer war da die Frage, ob es eine gemeinsame Zukunft gab und warum sich der andere so dagegen sträubte.
 

„Kannst du mir jetzt und hier sagen, dass du mich liebst?“ Sarkasmus triefte aus der Stimme, Harry hatte den Weg bis zur Tür überwunden, Draco stand schon im Flur. Das Licht der Küche erhellte nur einen kleinen Ausschnitt und der blonde Zauberer stand im Schatten. „Wie bitte?“ Diese Worte kamen schneller, als er denken konnte. „Sei ehrlich zu dir, Harry, du hast mich all die Zeit gesucht, jetzt hast du mich gefunden! Sag mir ins Gesicht, dass du mich liebst! Oder kennst du mich überhaupt? Weißt du, wer ich bin?“

Mit der rechten Hand stützte sich der Schwarzhaarige im Türrahmen ab und keiner von ihnen sprach in den folgenden Minuten. Sie beide wussten, dass der Sarkasmus berechtigt war, denn genau das traf zu. Draco hatte sich verändert, etwas, dass er eben eindrucksvoll bewiesen hatte. Um ehrlich zu sein, wusste Harry nicht, wer da vor ihm stand. Er konnte seine Beweggründe, seine Entscheidungen nicht nachvollziehen und was er in den letzten Jahren erlebt hatte, blieb weiter ein Geheimnis. Dieser verdammte Scheißkerl hatte Recht!

Bitter verzog er den Mund und meinte schließlich. „Wo lang?“ Mit einem Finger deutete der andere nach oben und antwortete. „Die Treppe hinauf.“ Nur kurz darauf fügte er in einem sanfteren Ton die Nachfrage an. „Schaffst du das?“ Offenbar hatte er dem anderen angesehen, wie tief diesen seine Worte verletzen.
 

Wie er den Weg nach oben geschafft hatte, konnte er im Nachhinein nicht sagen. Er wusste nur, dass er sich strickt weigerte Hilfe von IHM anzunehmen. Wie er schließlich in dem großen Bett landete, war eine schleierhafte Angelegenheit. Dass der Kampf mit seinem Hemd nicht so schlimm war wie gedacht, blieb ihm stark in Erinnerung. Bei seinen Stiefeln musste er kapitulieren.

Sein Verstand setzte erst wieder wirklich ein, als er in den weichen Kissen versank und der Blonde sich umdrehte. Ein tiefes Gefühl erfüllte ihn, eine Mischung aus dem bestehenden Rausch, Angst und einer ungestillten Sehnsucht. Seine kräftigen Finger schlossen sich um das schlanke Handgelenk und er hielt ihn fest. „Bleib… bitte…“ Flüsterte er, die Augen halb geschlossen.

Schweigen trat ein und erst nach einer unzähligen Anzahl verklungener Herzschläge bekam er eine Antwort. „Willst du das wirklich?“ Die grauen Augen musterten das rote Gesicht, doch die Antwort kam schnell. „Ja…“ Noch immer blieb der Griff fest um das Handgelenk und ohne die passende Zusage schien der Schwarzhaarige auch nicht los zu lassen. „Na gut, aber nur heute Nacht und nur dann, wenn du mir versprichst endlich Ruhe zu geben!“ Der Auror lächelte und nickte. „Versprochen!“
 

Mit einem Kopfschütteln begann der Blonde sich zu entkleiden, von den schimmernden Narben auf dem schlanken Rücken bekam Harry nichts mit. Auch die großflächige Tätowierung auf dem linken Unterarm, dort wo Bellatrix ihm das dunkle Mal herausgeschnitten hatte, entkam dem verschleierten Blick des 25 Jährigen. Er dämmerte schon halb schlafend vor sich hin, nur sein Verstand kämpfte noch immer darum wach zu bleiben.

Plötzlich raschelte es neben ihm und sein Blick wanderte träge zur Seite. Es war ein seliges Lächeln auf den vollen Lippen und leise meinte er. „Du hast dein Wort gehalten.“ Vielleicht war es die Unterkühlung, vielleicht der Alkohol, doch ohne noch einmal zu zögern rutschte er näher und im nächsten Augenblick schlangen sich die kräftigen Arme um Dracos Oberkörper. Der trainierte, mit vielen, kleinen Narben versehene Körper war kühl, kühler, als er sein sollte.

Die Unsicherheit in den grauen Augen blieb vor Harrys Blick verborgen und leise fragte er nun. „Magst du mich denn wenigstens noch ein Bisschen?“ Er schmiegte sich wie eine gewaltige Katze an den Blonden, der ihn bei diesen Worten fest an sich zog. Ein leises Beben ergriff ihn, seine Stimme kämpfte gegen die Gewalt der Gefühle an, die sich in ihm anstauten. „Sicher, Harry, du bist mir immer noch unglaublich wichtig. Ich hätte dich da draußen niemals zurück lassen können!“
 

Kurz bewegte sich der Kopf und die grünen Augen leuchteten matt. Der Auror grinste und musterte das blasse Gesicht. Draco lag auf der linken Seite und so wurden seine Narben verdeckt. Der schlanke Körper schien förmlich zu glühen und sein eigenes Herz schlug wild und kräftig. „Dann hoffe ich, dass diese aberwitzige Situation nicht nur ein Teil dieses verdammten Fluches ist. Ich meine, eben war Bellatrix noch damit beschäftigt den Kopf meines Vaters an einem Baum aufzuhängen und im nächsten Moment liege ich hier neben dir. Dazu kommt auch noch, dass du ganz offensichtlich wusstest, dass ich dich suche. Ich weiß nicht, ob das nicht irrwitziger ist, als das, was ich dort draußen gesehen habe.“ Er schloss die Augen wieder und schien nicht abwarten zu wollen, was der andere dazu zu sagen hatte. Noch immer so dicht an ihn geschmiegt, schlief er ein.
 

Noch lange lag Draco wach, nicht begreifend, was hier geschah. Harry hatte Recht, es war eine seltsame, verwirrende Situation und sie wurde mit jedem Moment verworrener. Jetzt konnte er ihn nicht mehr einfach gehen lassen. Sein Herz klopfte wild, seine Hände zitterten. Er wollte ihn auch nicht wieder gehen lassen!

„Wenn du nur wüsstest, wie sehr ich dich noch immer mag…“ Flüsterte der ehemalige Slytherin und fühlte den Kampf zwischen völliger Überforderung und der aufkommenden, sehnsuchtsvollen Glückseligkeit, die ihn nun zu durchströmen begann.

Lass dich leiten!

16. Kapitel

Lass dich leiten!
 

Es waren die gewaltigen Kopfschmerzen, die ihn am nächsten Tag weckten. Sein Verstand war betäubt und ein gewaltiges Dröhnen überdeckte die Schmerzen seiner steifen Muskeln. Jede Faser seines Körpers schien zu schmerzen und so kniff Harry die Augen fest zusammen. Er wollte, dass dieses Gefühl aufhörte, dass er denken konnte, dass er verstehen konnte, wo er war. Zitternd zog er die Beine näher an sich heran, presste die Hände auf die Ohren und versuchte durchzuatmen.

Ganz langsam wurde ihm klar, wo er sich befand. Er hatte sich auf den Weg nach Russland gemacht, um dort einer letzten Spur nachzugehen. Es hieß, dass dort in einem Wald ein Mann lebte, der Draco Malfoy sein könnte. Niemand hatte ihn vor den Schrecken dieses Ortes gewarnt und schon nach kurzer Zeit begegnete er dem ersten, verwirrenden Anzeichnen des Zaubers, den er nun besser verstand. Er hatte Teddy die Märchen der Gebrüder Grimm erzählt und unter ihnen war auch Rotkäppchen. Es war Tonks, die lachte und meinte, dass ihr die Geschichte anders besser gefiele und sie berichtete, wie das kleine Mädchen dem bösen Wolf den Kopf abschlug und ihr weißer Umhang mit rotem Blut bespritzt wurde. Diesen Kopf zog sie nun mit sich, um jedem lüsterhaft sündigem Jäger klar zu machen, dass er die Finger von ihr lassen sollte.

Remus und Harry hatten sich schweigend angesehen und beide waren froh, dass Teddy diese Variante der Geschichte nicht gehört hatte. Eben diesem Mädchen begegnete er nun und mit großen Augen starrte er das 12 jährige Kind an, welches eine mit getrocknetem Blut überzogene Kapuze trug. Hinter sich zog sie den verwesenden Kopf eines Wolfes her. Es war der abgeschlagene Kopf des Wehrwolfes Remus Lupin!
 

Doch sie war nicht die einzig Figur aus den Märchen, der er begegnete. Ein Rumpelstilzchen lief ihm über den Weg, ein kleiner, drei jähriger Junge tanzte und hüpfte an seiner Hand und sang. „Heute back ich, morgen brau ich und übermorgen hole ich der Königin ihr Kind! Heute back ich, morgen brau ich und übermorgen hole ich der Königin ihr Kind!“ Entsetzt begriff er, wer dieses Kind war. Teddy lachte, sah zu ihm auf und schien ihn nicht zu erkennen. „Heute back ich…“ Sang er weiter und hüpfte auf einem Bein.

Doch den Zauber verstand er erst, als er an einen großen Trum gelangte und eine Frau oben im Fenster um Hilfe rief. Sie hatte graue Augen und wunderschöne, geflochtene blonde Haare. Im ersten Moment hatte er an den Mann denken müssen, den er so verzweifelt suchte. Sie sah ihm so ähnlich, nur die weichen Brüste, die sich unter dem Stoff des Kleides hervor drückten, zeugten von der „Wahrheit“!
 

Aber was war schon die Wahrheit an solch einem Ort? Bevor er noch dem Hilferuf antworten konnte, hörte er ein Geräusch hinter sich. Eine kalte Klinge legte sich nun auf seine Haut und schnitt leicht in seine Kehle. „Denk ja nicht, dass du ihn bekommst! Denk ja nicht, dass ich dir je vergeben habe! Wenn ich dich nicht haben soll, wird dich keiner haben!“

Angst stieg in ihm auf, mischte sich mit der puren Verwirrung. Das war die Stimme von Ginny! Er war sich sicher! Das war sie!
 

Reflexartig stieß er den Ellenbogen gegen ihr Brustbein und als sie keuchend aufschrie, wand er sich aus ihrem Griff. Schnell drehte er sich um, starrte in das alte, faltige Gesicht der Hexe und war sich sicher. Es war Ginny! Sicher hundert Jahre älter! „BLAISE! SCHNAPP IHN DIR!“

Für seine Taten von all denen verstoßen zu werden, die er als seine Freunde bezeichnete, war eine uralte Angst in seinem Herzen. Als sich nun der große, dunkelbraune Drache hinter dem Turm erhob, nahm sie auf grausamste Weise Gestalt an. Er kannte diese Augen, diese wunderschönen Augen, die er so oft betrachtet hatte. „Nein, bitte nicht!“ Doch der gewaltige Kopf des Drachen kam näher, die Zähne reihten sich messerscharf in dem leicht geöffneten Maul und dann entkam der mächtigen Kehle ein donnerndes Brüllen.

Harry rannte, in seinen Ohren klang die keifende Stimme Ginnys, der Drache wälzte die Bäume hinter ihm um, als wären es Streichhölzer. Angst trieb den Auror an, er rannte, rannte so schnell er konnte. „Hier rein!“ Riefen zwei Kinder und ohne zu zögern verschwand er in dem Höhleneingang, in dem sie standen. Es waren Hänsel und Gretel, ihre Gesichter jedoch gehörten zu Luna und Neville.
 

Es war nur ein leichter Schnitt an seiner Kehle und außer einem dünnen Film aus Blut blieb nichts. Dafür spürte er kurz einen Schmerz durch seinen Arm jagen, anscheinend war er mit dem linken irgendwo hängen geblieben, hatte sich leicht verletzt.
 

Erst nach und nach begriff er, wie der Zauber funktionierte. Anstelle des Hexenhauses landete er unten im Ministerium. In dem Gitterkäfig in der Mitte stand Draco, Fuge schwang den kleinen Gerichtshammer und ereiferte sich über die maßlosen Verbrechen, die der Mann begangen hatte. Ihm wurde vorgeworfen, die Weltherrschaft an sich zu reißen und für den Tod hunderter verantwortlich zu sein. Auch an dem Tod Harry Potters!

„Nein! Ich lebe! Ich bin hier!“ Mit aller Macht versuchte er den Minister vom Gegenteil zu überzeugen und erstarrte, als er die Antwort erhielt. „Nun beruhigen sie sich doch, Mr. Riddel! Sehen sie denn nicht, dass wir gerade den Prozess gegen den sogenannten Dunklen Lord führen?“

Während des nun folgenden Vortrages begriff Harry, dass nicht Draco, sondern er dort stehen müsste. Alles verlor sich und von Panik und Verwirrung, von Schuld und Selbstmitleid getrieben, rannte er davon.
 

Es wurde immer schwerer die guten Gedanken zu fokussieren und einen Weg durch diesen Wald zu finden. Langsam erkannte er die Ängste, die hinter diesen seltsamen Szenen steckten und durchschaute den Zauber. Es waren seine tiefsten Ängste, die ihn heimsuchten und in immer klarerer Form vor ihn traten, als wollten sie ihn in den Wahnsinn treiben!

Irgendwann musste er den Kampf aufgeben, sein Körper war zu schwach und dann fanden ihn Bella und Sev. Die Bilder dieser Szenen hatten ihn am meisten mitgenommen, diese Angst ohnmächtig dem Wahnsinn der anderen ausgeliefert zu sein und seine eigenen Freunde, seine „Familie“ nicht beschützen zu können, erschien ihm wie die schlimmste Qual. Ob es wirklich so gewesen sein könnte? Er wusste mittlerweile, dass sein Vater zuerst gestorben war, um ihn und seine Mutter zu beschützen. Ob sie ihn wirklich gefoltert hatten? Ob sie ihn einfach nur töteten? War Tom damals alleine gewesen? Genau wusste er es nicht, aber diese Vorstellung raubte ihm den Atem. Tränen liefen über seine geröteten Wangen und sein schmerzender Kopf dröhnte nun im Rhythmus seiner Herzschläge. In den letzten Atemzügen zu wissen, dass die eigene Familie nur einen Raum weiter dem Tode ausgeliefert war, zu wissen, dass sie keine Chance haben würden…
 


 

Wütend griff er nach der Decke, die er mit aller Kraft zur Seite riss. Er konnte jetzt nicht in diesen Fragen versinken. Das war es doch, was dieser Wald von ihm wollte! Er sollte sich in diesen Gedanken verlieren und irgendwann wahnsinnig werden! Harry hatte sich aufgesetzt und wischte sich mit beiden Händen die Tränen von den Wangen. Klasse, er benahm sich wie ein 12 Jähriger!

Tief atmete er noch einmal ein und aus, sah sich dann so gut es ging um. Das Bett neben ihm war leer und schwer zügelte er seine aufsteigende Panik, seine umschweifenden Gedanken und sagte sich selbst, dass ein „nicht hier sein“ kein „weg sein“ bedeutete! Wenn Draco vor ihm wach geworden war, wäre er sicher aufgestanden. Es war ziemlich dunkel und durch den Vorhang am Fenster fiel nur ein schummriges Licht. Vielleicht war es schon ein fortgeschrittener Morgen und niemand wollte lange wach im Bett liegen. Genau, Draco wollte ihn nicht wecken und ihn einfach weiter schlafen lassen.

Mit einem kräftigen Nicken suchte er den Nachttisch und fand ihn auf seiner Seite. Mit zusammen gekniffenen Augen erkannte er mehrere Gegenstände, die darauf standen. Seine Brille, sein Zauberstarb, wahrscheinlich zumindest seiner, erkennen konnte er es nicht, ein aufgerolltes Pergament und eine… eine ihm sehr bekannte kleine Phiole!
 

„Trink mich, wenn du Kopfschmerzen hast!“ Es war eine kleine, bauchige Flasche in Grün, die schon einmal auf einem Nachttisch gestanden hatte und diese Schrift war absolut identisch! Bevor er nach seiner Brille griff, schlossen sich die Finger um die kleine Flasche und er zog sie an sich. Nach dem Öffnen entstieg ihr der bekannte Geruch nach Sandelholz. Ohne noch einmal zu zögern leerte Harry den gesamten Inhalt und einen Moment später breitete sich die erfrischende Kraft in ihm auf. Das Pochen in seinem Kopf ließ nach und verstummte schließlich gänzlich. Doch sein Unterbewusstsein gab keine Ruhe, innerlich war er noch immer aufgewühlt und als er die Flasche abstellte, setzte er endlich seine Brille auf, nur damit sein Blick auf das Pergament fallen konnte, welches von dem Ring einer silbernen Schlange umgeben war. NEIN!!!

Erschrocken griff Harry um seinen Hals, suchte seine Kette, doch die war verschwunden. Bis gestern Abend hatte er eben diese Schlange als Anhänger getragen. Nein, das hatte er nicht getan! Mit einer schrecklichen Vorahnung starrte er die kleine, silberne Schlange an und hörte plötzlich seine eigene Stimme. #Öffne dich!#
 

Voller Angst erkannte er das grüne Leuchten in den kleinen Augen und beobachtete, wie sich der schlanke Körper der Schlange langsam und elegant von der Rolle löste und sich dann auf dem Holz des Tisches wieder in die bekannte Form des Anhängers brachte. Nein, das war ein Scherz, das war nur ein dummer Scherz! Nicht noch einmal! Er hatte es ihm versprochen! Angst ließ sein Herz schneller schlagen, kräftiger, mit zitternden Fingern griff er nach dem Papier und riss es zu sich herüber. Es war nicht so lang, wie das letzte Mal.
 

Ich bin ein Lügner und doch auch wieder nicht.
 

Déjà-vu?
 

Die grünen Augen starrten auf das Stück Pergament in seinen bebenden Händen und er wusste nicht, was er davon halten sollte. Genau so hatte der Brief damals angefangen. Er konnte sich an jedes, an wirklich jedes verfluchte Wort erinnern.
 

Nun hasse mich dafür, dass ich dich verrate!
 

Nun hasse mich dafür, dass ich dich zurücklasse!
 

Es wird keine zweite Nacht geben! Es wird kein Wiedersehen geben!
 

Ich gehe und komme nie wieder zurück!
 

Genau das hatte er ihm damals geschrieben und nun begann er mit dem gleichen Anfang und setzte nur ein Déjà-vu? darunter?

Nein! Nein, das musste nur ein dummer Slytherin Scherz sein! Das würde dieser Mistkerl kein zweites Mal abziehen! Wütend warf er den Brief wieder auf den kleinen Nachttisch und riss die Decke gänzlich zurück. Er sprang auf und hörte noch, wie etwas zu Boden fiel. Dass er diesem Geräusch keine Beachtung schenkte, würde er nur wenige Minuten später bereuen. Doch so griff er nach den Sachen, die fein säuberlich gefaltet auf einem Stuhl direkt in seinem Weg lagen. Harry sprang beinahe in seine Jeans und stutzte nur kurz, denn das war weder sein Hemd, noch sein Pullover. Flüchtig stieg die Frage in seine Erinnerungen, ob er das Longsleeve noch behalten wollte. Dann war dieses wohl eines von Draco. Oh, wie gnädig von dem Arsch! Mit einem Kopfschütteln zog er das schwarze Kleidungsstück über und auch den dunkelgrünen Pullover, der zum Glück doch angenehm groß ausfiel.

Seine Stiefel standen leider nicht unter dem Bett, sonst wäre ihm der Verlust etwas sehr Wichtigem aufgefallen. So angelte er sie unter dem Stuhl hervor und kaum hatte er sie zugeschnürt, benötigte er nur noch seinen Dolch. Auch diesen brachte er wie schon hunderte Male zuvor an seinem Oberschenkel an und stopfte den Anhänger mit der Schlange und das Pergament in seine Hosentaschen.

Mit einem Griff nach seinem Zauberstarb war er auch schon auf dem Weg zur Tür. Na warte, wenn er diesen blonden Mistkerl erwischte, dann wäre das sein Ende! Dieses Mal brächte er ihn gleich um!
 

Oder auch nicht!
 

Als die Tür hinter ihm zu fiel, starrte er in das rundliche Gesicht seines Cousins. „Was… was machst du hier?“ Stotterte er und musterte die seltsame Kleidung des jungen Mannes. Dudley war noch immer dick, wenn auch groß und kräftig. Er hatte einen langen, schwarzen Ledermantel an, welcher mit vielen, wirklich vielen Schnallen versehen war. Die Stiefel wirkten nicht besser. „Oh, ich helfe dir nur, wenn du das Tutoriell vor Beginn des Spieles durcharbeiten willst.“ Meinte er gehässig und irritiert sah sich Harry im Flur um. Es war dunkel, nur das kleine Licht in der Luft neben seinem verhassten Cousin erhellte wenige Quadratmeter.

„Wenn ich was?“ Fragte er nun und hob leicht seinen Zauberstarb. „Gut, also nicht, dann beginnen wir gleich.“ Schallte nun erfreut böse die widerwärtige Stimme des jungen Mannes durch den Gang und Harry starrte auf die in Silber leuchtenden Worte „Start Game“.

„Jetzt musst du dich nur entscheiden. Slytherin oder Gryffindor. Welche Seite wählst du?“ Fragte Dudley und grinste mit seinem rundlichen Gesicht und die kleinen Schweineäuglein funkelten grausam. Erschrocken wich Harry zur Wand zurück, als vor ihm die linke Wand in Grün aufleuchtete und die rechte in rot. Auf beiden erschien je der Schriftzug der beiden Häuser und das Symbol ihres Wappens. „Ich… ich wähle gar nicht!“ Gab er halblaut von sich und sein Verstand versuchte eine Erklärung für all das hier zu finden.
 

„Na dann… der Bösewicht verliert zum Schluss zwar immer, aber der Held muss mehr leiden! Daher… du hast ja schon Erfahrung mit dem Held sein, Harry! Du bist der Gryffindor!“ Gackerte sein verhasster Verwandter und mit großen Augen starrte Harry auf seine Hände. Lederhandschuhe zogen sich über seine Haut und seine Kleidung veränderte sich. Schwer legte sich die Rüstung eines Ritters auf seine Schultern und das Gewicht des Schwertes an seiner Seite zog ihn leicht herunter.

„Nun, Ritter Harry, da sie die Prinzessin Darcy suchen, werden sie sich mit all dem auseinander setzen müssen, was Rittern so im Weg steht!“ Mit diesen Worten verschwand Dudley und nur sein Lachen blieb zurück. Es war ein kaltes, grausames Lachen. Dafür war es nun so dunkel, dass Harry nichts mehr sehen konnte. Das Armband!!!
 

„Scheiße!“ Knurrte Harry und fuhr mit den Finger über das linke Handgelenk. Es war weg! Es musste ihm eben entweder beim Umziehen herunter gefallen sein oder er hatte es schon in der Nacht verloren! Er war wieder mitten in diesen wahnsinnigen Angstvorstellungen, die ihn umbringen wollten. „Ok, das schaffe ich schon. Ich bin also ein Ritter, Draco ist die Prinzessin und die wird meistens von einem Drachen bewacht. Normalerweise wäre die Prinzessin oben im Turm, aber dieses Haus hat keinen. Davon abgesehen, dass Draco sicher unten in der Küche ist… oder der Bibliothek, wenn es eine gibt.“ Kurz drehte er sich um und fuhr mit den Händen über die Wand. Die Tür schien verschwunden. Wäre jetzt auch zu einfach, wenn er zurück gekonnt hätte und das Armband holen könnte. Gut, an was erinnerte er sich noch? Er war oben, hier musste es eine Treppe geben und beinahe der Treppe gegenüber war die Küche, also kein langer Weg.

„Sicher?“ Fragte eine Stimme und ein violettes Licht breitete sich im Gang aus. „Ja, sicher!“ Antwortete der Auror und erstarrte, als er sah, wen dieser Wald geschickt hatte. „Was denn, Ritter Harry, noch nie der Grinsekatze begegnet?“ Meinte die lilafarbene Figur der schwebenden Katze, die ihren Kopf wie eine Eule drehte. Ein Auge war in einem hellen, leuchtenden Blau, während das andere Gelb erstrahlte. Ihr Fell war gestreift, ein grelles Violett färbte die Zwischenbereiche, während die Streifen in einem krassen Blau glühten. Messerscharfe Zähne reihten sich in ihrem übergroßen Maul und sie zog die Lefzen frech in die Höhe, während sie durch die Luft schwebte.
 

„Es gibt zwei Menschen, für die du bedingungslos sterben würdest, nicht wahr? Dabei hat der eine dich doch so grausam verraten. Aber vielleicht hättest du dem anderen nicht so viele Märchen vorlesen sollen! Dumm nur, dass dein Kopf voll davon ist und du jetzt hier mit der Realität anfangen willst!“ Der Kater lachte und schweigend starrte Harry das seltsame Wesen an. Gut, es existierte nicht! Es konnte gar nicht existieren! Das war nur sein Verstand, nur ein Trugbild! Er musste die Treppe finden!

„Und wo willst du suchen? Dir ist schon bewusst, dass du sie einfach so herunter fällst und dir das Genick brechen kannst?“ Gab nun die grinsende Katze an und ihr buschiger Schwanz zuckte zufrieden. „Ich entstamme dir, natürlich kenne ich deine Gedanken. Du kannst sie auch aussprechen!“

Mit einem Seufzen entschied Harry, dass er schon deutlich schlimmere Vorstellungen hatte und solange nicht die typischen Prinzessinnen Rettungsaktionen kamen, konnte er sich auch mit dem Vieh da unterhalten. „Danke auch! Aber was meinst du mit den „typischen Prinzessinnen Rettungsaktionen“?“ Fragte die Katze nun frech und ihr Schwanz kringelte sich in der Luft.
 

„Was schon? Hecken, die man erklimmen muss, Hexen, die man austricksen muss oder Drachen, gegen die man kämpfen muss! So was in der Art!“ Kommentierte Harry knurrend und dann bereute er seine eigenen Worte. „Ah! Drachen!“ Wiederholte die violett blaue Katze und der unfreiwillige Ritter schloss die Augen. „Nein, bitte nicht!“ Er hörte das Knurren schon, bevor die roten Augen im Dunklen zu erkennen waren. DRACHE! Innerlich Schrie der Schwarzhaarige auf! Ok, es war nur eine Einbildung, aber selbst Bellatrix Griff hatte geschmerzt, also wollte er gar nicht wissen, wie…

In diesen Gedanken platze die große Feuersäule und brachte ihn zum Schweigen. Heiß schlug ihm die Luft entgegen und vor ihm brannte es. Der Drache brüllte laut auf und Harry drückte sich an die Wand, als ein neuer Schwall an Feuer über den Flur raste. „Scheiße!“ Fluchte er und drückte sich nur einen Moment später ab, um zu rennen.

Doch weit kam er nicht. Er hörte das große Tier hinter sich, die Schuppen schrappten über die Wände und das gesamte Haus erbebte unter jedem Schritt. Ein Licht hatte sich vor ihm aufgetan, er wollte schon darauf zu, als ihm bewusst wurde, was es war. Eine Luke im Boden, die direkt in einen Lavastrom führte. Erschrocken hielt er sich an dem Geländer fest, welches daneben aus dem Boden ragte. „Lava?“ Was hatte Lava in einem Märchen zu suchen? „Abenteuerspiel von Dudley!“ Kommentierte die Katze, die nun neben ihm auf dem Geländer saß und noch breiter zu grinsen schien. „Meistens haben die eine Falltür, um den Drachen aufzuhalten.“ Schlug der Kater vor und bei seinen Worten entzündete sich nur wenige Meter neben ihm eine Kerze in der Wand.
 

Mit der schweren Rüstung erschien jede Bewegung langsamer und behäbiger. Gerade im letzten Moment griff er nach dem Kerzenhalter und drückte hin herunter. Der Kopf des Drachen war ihm nahe gekommen, zu nahe, bevor das Gitter von oben herunter fiel. Entsetzt starrte er auf das im Schatten verborgene Tier, welches voller Wut gegen die Gitterstäbe stieß und brüllte.

Noch entsetzter begriff er, dass die Wucht dieses Monsters ausreichen würde, um die dürftige Sicherheit zu brechen und ihn dann endgültig zu töten. Sein Blick fiel zurück auf die Falltür, die Luke im Boden, die direkt in den Strom aus Lava führte. Er sollte seinen Tod wählen? Drache oder Lava? Was für ein beschissenes Spiel war das denn?

Ok, logisch denken! Das musste die Treppe sein, also konnte er springen und hoffen, dass er so das „nächste Level“ erreichen würde. Dabei konnte er sich aber das Genick brechen. Der Drache hinter ihm existierte nicht, konnte ihm also theoretisch auch nichts anhaben. Allerdings reichte der Gedanke an die heiße Feuersäule aus, die der Drache durch den Gang gejagt hatte. Wäre er jetzt nicht mit dem Kauen der Eisenstäbe beschäftigt, würde er sicher noch einen Feuerstoß gegen den „Ritter“ schicken.
 

In diesem Moment lernte Harry etwas über seinen Verstand, über sein Unterbewusstsein, das ihm bisher nicht einmal ansatzweise in den Sinn gekommen wäre. Dieses konnte eine eigene Entscheidung mit den vermischten Fakten aus seiner Einbildung und der Wirklichkeit treffen. Die Frage blieb, vor was hatte er mehr Angst? Der feuerspuckende Drache, der nicht existierte, oder die Treppe, die er nicht sehen konnte. Die Treppe war es nicht.

Bevor er diese Entscheidung begreifen konnte, hatte sein Unterbewusstsein den Sprung schon angeordnet und seine Muskeln spannten sich an. Er ging in die Knie und sprang! Er sprang mitten hinein in den Strom aus Lava und versuchte den Gedanken zu verdrängen, wie unglaublich grausam die Schmerzen sein müssten, wenn er auf die heiße Lava traf.
 

Doch er spürte nicht die Hitze, er spürte den harten Schmerz der Kante aus Holz, die seine Schulter erwischte und jede weitere Treppenstufe auch. Offenbar war seine Logik so weit gekommen, dass er die Treppe gefunden hatte. Müde blieb er liegen, blinzelte, als er mit dem Hintern unten auf dem Boden landete. Erschöpft und erleichtert lehnte er nun an den drückenden Stufen und atmete mit geschlossenen Augen durch. Verdammte Scheiße, was bitte sollte das werden? Wenn dahinter eine Angst stand, welche sollte das sein? Von einem Drachen gefressen zu werden war zu geringfügig um noch auf dem Plan zu stehen. Da hatte dieser Wald schon andere Kaliber aufgefahren.

„Du hast schlicht Angst davor, nur eine kleine Marionette zu sein, keine Wahl zu haben und dein gesamtes Leben von den Schnüren nicht frei zu kommen, die dich zwingen.“ Bevor er die Augen öffnete, wusste er, wem diese Stimme gehörte. Warum tauchte sie immer wieder auf? Hatte er nicht langsam genug von dieser Frau? „Hast du das? Genug von mir? Dabei bin ich so gnädig und verrate dir, dass du nur noch ein paar Meter von der Küche entfernt bist. Vorausgesetzt natürlich, dass du ihn dort findest!“ Bellatrix wilde Haare wirkten weicher, gepflegter als je zuvor. Verwundert blickte er in das beinahe sanfte Gesicht dieser Frau, deren dunkel geschminkte Augen ihr noch immer einen wahnsinnigen Ausdruck im Spiel mit den blutroten Lippen schenkten. Sie trug ein schwarzes Kleid, welches in dem gleichen dunklen Rot eine elegante Kreuzschnürung auf der Brust trug. Auch an den Ärmeln funkelte dieser Akzent verführerisch auf dem Stoff. Alles an ihr wirkte absurd real und gleichsam schien sie die perfekte Gradwanderung zwischen Wahnsinn und Normalität zu schaffen.
 

„Du denkst, dass du nur bis in die Küche kommen musst, mein kleiner Schatz! Aber was machst du, wenn er nicht dort ist? Wo suchst du dann? In der Bibliothek? Im Keller? Im Wald?“ Sie kam näher, der Gang schien lang und dunkel hinter ihr, nur kleine, rote Lichter erhellten sie. In einem langsamen Spiel umtanzten diese die seltsame Frau, die nun ihre Hand nach Harrys Kinn ausstreckte. „Was ist, wenn du ihn nicht finden kannst? Wie lange wirst du meine Gesellschaft noch ertragen? Was machst du, wenn ich dir wieder meinen Wahnsinn zeige?“

Zum ersten Mal sprach sie aus, was der Auror bisher verdrängt hatte. Wenn er nicht bald Hilfe bekam, wenn er Draco nicht bald finden würde, dann wäre es die gleiche Situation wie gestern Abend. Dann wäre er genauso verloren wie zuvor! Doch zurück konnte er nicht. Er war gefangen in diesem Spiel und verbittert biss er sich auf die Unterlippe. „Ach mein kleiner Schatz, ich lasse dich nicht allein! Keine Sorge, ich werde bleiben! Immerhin bist du an meinem Tod beteiligt gewesen. Ich werde dein Geist, ich werde dein steter Begleiter werden.“
 

Sanft strichen ihre Finger über Harrys Wange und Panik stand in seinen Augen. „Lass mich dir die Zeit noch etwas vergnügsamer machen.“ Meinte sie nun und richtete sich wieder auf. Der Schwarzhaarige saß noch immer auf dem harten Boden aus Holz, doch die Treppe konnte er nicht mehr spüren. Wahrscheinlich konnte er sie nicht einmal sehen, wenn er sich wieder zu ihr umdrehte.

Nun jedoch räusperte sich Bellatrix, zog aus den Taschen ihres Kleides ein Pergament hervor und begann mit einem boshaften Lächeln zu lesen.
 

„Ich habe es dir gesagt in dem Wissen, dass du den feinen Ton darin nicht hörst. Ich werde in deinen Träumen sein, du wirst mich in den Schatten suchen und wenn du meinen Namen hörst, wird die Angst in deinen Augen stehen, dass es mein Tod gewesen ist.

Ich sagte dir bereits, dass ich ein Schatten werde, der allein in deinen Gedanken kreist. Ich bin ein Slytherin, du hast mir vertraut! Wie herrlich war dieses Gefühl, wie sehr habe ich es genossen und nein, ich bereue Nichts! Nur eines rührt mein kaltes Herz zu einem Bedauern. Den Ausdruck auf deinem Gesicht nicht sehen zu können, wenn die Bedeutung meiner Worte in deinen Verstand sickert und du spürst, wie sich der Boden unter deinen Füßen öffnet.“
 

Ein Lachen entkam ihr und sie ließ den Text sinken. Ihre dunklen Augen funkelten, das rote Licht auf ihrem Gesicht ließ sie plötzlich gefährlicher wirken denn je. „Du hast diesen Brief wie oft gelesen, Harry? Er ist verbrannt, er existiert nicht mehr, weil Ronald ihn dir aus den Händen riss. Aber es war längst zu spät. Jedes dieser Worte hat sich in deinen Verstand eingebrannt! Du hast einem Slytherin vertraut! Wie konntest du nur!“ Sie lachte erneut, räusperte sich, nur um noch einmal voll Grausamkeit zu lachen. Harry schloss die Augen, versuchte den aufkommenden Schmerz zu verdrängen, der bei jedem weiteren Wort kalt in ihm aufstieg.
 

„Du wolltest nicht gehen! Ich war bereit dazu! In dem Moment, in dem du mir deine Sehnsüchte zeigtest, mir die Wahrheit deiner Gefühle gestandst, begriff ich ihre Bedeutung. Dich gehen zu lassen hätte dich befreit. Es wäre nur eine Nacht gewesen, eine, in der du mich weiter hättest hassen können. Eine Nacht, die dir die Reinheit bewahrt und meine Seele mit Grausamkeit gestraft hätte. Du aber wolltest nicht gehen und nun leide!

Ich habe es dir gesagt! Ich habe dir meine Gefühle so deutlich offenbart, doch du hast es nicht gehört! Ich wollte dich gehen lassen, um dich zu beschützen!“
 

Kurz blickte sie ihn an, als wäre sie eine liebevolle Mutter, die besorgt und wissend auf ihren fehlerhaften Schützling herab sah. Doch als sich die blutroten Lippen erneut bewegten, triefte ihre Stimme vor Hohn und Gift. „Es ist deine eigene Schuld und du hast dein Herz 7 Jahre lang von ihm verwirren lassen, um jetzt mit was dar zustehen? Mit NICHTS! Harry, du hast geglaubt, dass er dich lieben würde! Wann denkst du, hat er dir das gesagt? Was denkst du, warst du für ihn? Nichts weiter als eine Eroberung und du dummer Idiot denkst, dass er dich lieben würde!“ Verzweifelt versuchte Harry nicht zu schreien, er musste weg hier, er musste aufstehen. Der Sturz hatte ihm viel Kraft geraubt und ihre Worte schienen wie Gift in seinen Verstand einzudringen, brachen seine Gegenwehr und mit ihr die verbleibenden Kraftreserven, die er zu haben glaubte. Mit seinem letzten verzweifelten Willen versuchte er sich zu erheben, sich vom Boden abzudrücken. „Halt einfach deine Klappe, Bellatrix! Sei einfach leise!“ Seine Unterlippe zitterte, er wusste, dass der Schmerz in seiner Brust Tränen in seine Augen trieb. Er wollte nicht, er musste stark bleiben!

„Oh, was denn? Nur weil ich dir sage, was du gestern in Alkohol ertränken wolltest? Er ist nicht der Mann, in den du dich verliebt hast, er ist nicht der Junge, der damals von dir ging! Er verachtet dich für deine Schwächen, für deine Dummheit und deine Naivität! Was hast du erwartet? Das du ihn rettest, er dich sieht und dir um den Hals fällt um zu sagen ‚Oh, Harry, ich liebe nur dich, lass uns heiraten und für immer und ewig glücklich sein!‘. War es so etwas? Hast du dir so etwas gewünscht? Schwächling!“ Sie lachte, zerriss den Brief und damit auch das Herz, welches ihre kalten Finger in Händen hielten.
 

„Nein! VERSCHWINDE!“ Seine Brust schmerzte, als hätte sie sein Herz in Splitter zerschlagen, die nun grausam von innen in sein Fleisch schnitten. Sie alle wollten in verletzten, ihn von innen her töten und jeder Atemzug war eine brutale Qual. Bellatrix war wie der Endgener, den man nicht besiegen konnte. Sie war wie die Hexe im Märchen, nur dass sie zum Schluss siegte!

Verzweifelt wehrte er sich gegen die roten Bänder aus Samt, die sich um seine Handgelenke zu schlingen versuchten. Sie hatten sich aus dem Boden gelöst, wanden sich wie Schlangen und wickelten sich um seine Handgelenke. „Du kommst hier nicht weg!“ Keifte sie und die Wände tränkten sich mit dem roten Saft, der in Strömen herab lief und den Boden bedeckte. Er konnte das seltsame rauschende Geräusch hören, ein leicht plätscherndes, mit dem die Flüsse aus rotem Blut die Wände herunter strömten und sich in die langsam steigende Flut ergossen. „NEIN! LASS MICH!“ Schrie er und versuchte stärker gegen die Fessel anzukämpfen, die ihn zu Boden drücken wollten.
 

Ganz langsam trat in dem Chaos dieser Szene etwas in den Vordergrund. Eine Stimme durchdrang den Vorhang ihres schrillen Lachens und seiner verzweifelten Rufe. Zuerst hatte er es nicht bemerkt, die Panik erfasste sein zerschlagenes, von Zweifel zerfressenes Herz und so auch seinen Verstand. Doch dann hielt er instinktiv inne, lauschte, versuchte zu begreifen, wer da zu ihm sprach. Es war eine Stimme, die ihn selbst in diesem Chaos erreichte, selbst in dieser Angst bis zu ihm hindurch drang. Ein Kribbeln ergriff seinen Körper und heiß brannte es durch seine Adern. Als ihn etwas zurück zum Boden zog, konnte er sich nicht mehr wehren.
 

„Ich lasse dich nicht allein! Ich bin hier!“ Jemand hielt ihn fest, drückte ihn an sich und ohne zu begreifen, um wen es sich handelte, vergruben sich seine kräftigen Finger im Stoff des fremden Pullovers. Er schloss die Augen, wollte nicht sehen, wollte nicht hören und wollte nicht denken!

Zitternd sog er die Luft ein und ein Beben ergriff seinen gesamten Körper. „Harry, ich bin es, Draco.“ Diese Worte waren wie Balsam für die geschundene Seele und doch war er unfähig zu reagieren. Seine Gedanken waren aufgelöst in Nebel und sein Herz raste. Noch immer spürte er den Schmerz, die Angst, die Bellatrix in ihm ausgelöst hatte. Die schlanken Arme hatten ihn umschlungen, hielten ihn fest und Harry begriff langsam, dass er auf dem Boden kniete. Das sie beide auf dem Boden knieten. Sanft fuhren die schlanken Finger durch seine Haare und wieder war die Stimme an seinem Ohr. „Sie wird nicht wieder kommen, niemals!“ Es war ein Versprechen, an das er sich so gerne klammern wollte, er wollte es glauben!

Noch einen Moment wollte er so verharren, den Kopf gegen die Schulter des ehemaligen Slytherin gelehnt, in seiner Umarmung geborgen. Verdammt, warum musste dieser Idiot auch so einen beschissenen Zettel hinterlassen? Wut keimte für einen kurzen, flüchtigen Moment in ihm auf, doch für mehr reichte seine Kraft nicht aus.
 

Nun etwas neckender meinte der Blonde, der seine Hand sinken ließ und nicht mehr durch die schwarzen Haare fuhr. „Ich frage jetzt nicht, ob es dir gut geht, ja?“

Tief atmete er ein und öffnete die Augen, um sich leicht zu lösen. Immerhin konnte er ja nicht den gesamten Tag hier sitzen. Den Kopf drehte er zur Seite, um möglichst unauffällig über seine Wangen zu wischen. „Ja, das ist eine gute Idee. Eine sehr gute! Sonst bringe ich dich noch wegen dieser beschissenen Nachricht um!“ Obwohl er zuerst zögerte, konnte er doch bei dem kurzen Lachen nicht anders und blickte in das helle Gesicht mit den auffälligen Narben auf der linken Seite. „Als ich meine kleine Nachricht hinterließ, habe ich extra noch einen Blick darauf geworfen. Wenn du das Armband verlierst, kann ich ja nichts dafür.“ Draco grinste und in den grauen Augen funkelte es selbstüberzeugt, wenn auch nicht so stark wie früher immer. „Slytherin.“ Brummte Harry und mit einem kräftigen Ausatmen erhob er sich.

„Ok, lassen wir das Thema, was hältst du von einem heißen Tee?“ Fragte der Blonde nun und stand ebenfalls auf. Er fuhr sich mit den Händen über die Knie, als wollte er Staub von ihnen abklopfen. „Danke, ja…“ Brummte Harry nur und wusste noch nicht, wie er reagieren sollte. Noch immer stach der Schmerz in seiner Brust und es erschien ihm beinahe so, als wäre sein Herz wirklich in Splitter zerschlagen worden. Bellatrix Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Klar, er hatte nicht erwartet, dass Draco ihm um den Hals fiel, als wäre dies hier ein Märchen. Aber dass der Blonde ihn rein gar nicht sehen wollte, hatte er nicht geglaubt.
 

Nachdenklich folgte er Draco, eine Tür zu seiner rechten war offen und einem flüchtigen Blick nach schien es eine Art Empfangszimmer zu sein, ein Salon. Die Küche hatte sich nicht verändert, es waren nur deutlich weniger Lichter entzündet. Die großen Fenster boten etwas Licht, obwohl vor ihnen ein weißer Schneeschleier lag. Nachdenklich setzte er sich wieder auf den Stuhl, der ihm gestern schon zugewiesen wurde, mit dem Rücken zu der langen Schrankwand.

Hatte sie Recht mit ihren Worten? Bellatrix wollte ihn quälen, aber waren es nur seine Ängste oder auch der Versuch diese weiter zu schüren? Gestern hatte er sich keinerlei Gedanken gemacht, er war einfach zu müde gewesen. Um alleine nach oben zu kommen, hatte er seine gesamte Konzentration gebraucht. Schlagartig fielen ihm wieder die Worte ein, die Frage, die Draco an ihn gestellt hatte. Konnte er ihm hier und jetzt sagen, dass er ihn liebte? Nein, das konnte er nicht. Er hatte das Gefühl, dass der Mann ihm fremd war, der nun zwei schwarze Becher vom Rand eines der kleinen Regale über der Arbeitsfläche nahm und dann mit erhobenem Zeigefinger an den kleinen Dosen und Gläsern vorbei fuhr. Schließlich fand er, wonach er suchte und griff nach einer kleinen, dunklen Glasdose.
 

Trotz dieser ganzen Katastrophen war er dennoch auf eine Art mit diesem Mann im Bett gelandet. Dabei gab es nichts Sexuelles, aber dennoch blieb die Frage, was das alles sollte. Warum stieß Draco ihn erst von sich, wenn er dann so auf ihn einging? Und was bei allen Teufeln dieser Welt, hatte er auf seine Frage geantwortet? Dummerweise waren seine Erinnerungen von dem Augenblick an geschwärzt, in dem er die Frage gestellt hatte, ob Draco ihn wenigstens noch ein bisschen mochte.

Zwar glaubte er, dass es eine gute Antwort war, zumindest hatte er ein angenehmes Gefühl dabei, aber mehr konnte er nicht sagen. Ob er noch einmal fragen durfte?

Mit einem müden Blick sah er auf, als der Becher Tee in sein Sichtfeld geschoben wurde. „Tut mir leid, ich bin kein guter Gesprächspartner. Irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass eine so kurze Unterhaltung mit Bellatrix so Kraftraubend ist. Als wäre sie ein Vampir, der einem die Energie absaugt.“ Gab Harry kläglich schmunzelnd von sich und die schmalen Lippen seines Gegenübers zogen sich leicht in die Höhe.

Draco setzte sich auf den Platz ihm gegenüber, den eigenen Becher in Händen. „Schon ok, ich bin der lebendigen Variante begegnet und es war nicht besser.“ Gab er so locker von sich, wie es ging. Er hatte gehört, wie Harry die Treppe herunter fiel und als er einen Moment dort saß, verstand er nicht, warum der Auror nicht antwortete. Erst bei seinem angstvollen Aufschrei begriff er die Situation. „Sie kommt nicht wieder.“ Meinte er so überzeugt, dass Harry diesem Versprechen noch immer glauben wollte.
 

Knapp nickte er und blickte in seinen Tee, der leicht im Becher schwappte. Erst nach und nach stellte er sich die Frage, warum sich Draco diesem so sicher war. Plötzlich erinnerte er sich an die samtenen Bänder, der Mann musste ihn fest gehalten haben und der Fluch erschuf die Fesseln dazu. Mit zusammengezogenen Augenbrauen ließ er den Becher los und schob seinen rechten Ärmel nach oben.

Darunter kamen die schwarzen Linien zum Vorschein, die schon den Arm des Blonden zierten. Den ersten Gedanken verdrängend, unterdrückte er ein Schmunzeln. Jetzt hatten sie ein und die selbe Tätowierung auf dem Arm. Wie das wohl für andere aussehen würde? „Danke.“ Bemühte er sich möglichst ruhig zu sagen und musterte eingehender die Linien, als er wollte. Aber aufsehen und in diese grauen Augen blicken konnte er auch nicht.

„Gerne.“ Draco nahm einen Schluck seines Tees, als nun doch die grünen Augen zu ihm fanden. „Sag mal,…“ Begann Harry und wusste nicht, wie er es beschreiben sollte. Wie drückte er die Frage aus, die ihm nun auf der Zunge lag? „Ich meine, wie… also… wie stehen wir beide jetzt eigentlich zueinander?“
 

Bevor er die Reaktion in dem hellen Gesicht erkennen konnte, unterbrach sie ein donnerndes Geräusch. Jemand klopfte zwei Mal kurz und nach einer Pause ein weiteres Mal lang an die hintere Tür. Erschrocken war er zusammengefahren, doch Draco blickte nur mit einem angespannten Ausatmen hinüber. Wusste der Blonde, wer da geklopft hatte?

Nur einen Moment später wurde der Schatten sichtbar, der hinter dem Glas erschien. Eine kleine, gebeugte Gestalt schloss hinter sich die Tür und klopfte den Schnee von ihrem Umhang. Es dauerte noch einen weiteren, qualvoll langen Moment, bis sich die gläserne Tür öffnete und eine alte Frau mit einem großen Weidenkorb an ihrem linken Arm hinein kam. In der selben Hand hielt sie einen langen, hölzernen Gehstock, der filigran in sich selbst geschlungen war und sie überragte. „мальчуган!“ Was sie sagte, konnte er nicht verstehen, grimmig und äußerst ungehalten begann sie in der groben, fremden Sprache zu poltern und noch immer verdeckte die dunkle Kapuze den Großteil ihres faltigen Gesichtes.
 

Mit einem breiten Grinsen schob Draco seinen Becher zur Seite, nur einen Augenblick später landete der Korb knapp vor ihm auf dem Tisch. Seine Stimme klang besänftigend, als er ihr antwortete und doch brummte sie nur grimmig weiter. Mit einer knappen Geste stellte sie den Stab zur Seite, der einfach so mitten im Raum stehen blieb.

Erstaunt sah Harry dem Treiben zu und vermutete, dass diese „Dame“ die Lehrmeisterin war, von der Draco gestern gesprochen hatte. Mürrisch schlug sie die Kapuze herunter und jetzt konnte der Auror den Namen Baba Jage verstehen. Sie hatte weiße, struppige Haare, eine große, kantige Hexennase, wie sie in jedem Märchen beschrieben wurde, Falten zierten ihr altes Gesicht und ein dunkles Tuch mit goldenen Ketten war um ihren Kopf geschlungen. „Ой! принцесса!“ Gab sie in Harrys Richtung von sich und nun breitete sich auf dem alten Gesicht eine unerwartete, leicht beängstigende Freude aus. Offenbar würde er auf eine Antwort noch warten müssen.

Draco hingegen prustete leicht vor Lachen bei den Worten, die Harry nicht verstehen konnte und versuchte so unschuldig wie möglich auszusehen. Er hob beruhigend die Hand und schien ihr etwas zu antworten, was ebenso fremd und unverständlich war, wie alles an diesem Gespräch.

Lass dich verstehen!

17. Kapitel

Lass dich verstehen!
 

„Ach, kann ich etwas dafür?“ Gackerte die Alte nun in einem Englisch, dessen Akzent beinahe die Aussprache überlagerte. Die grünen Augen blinzelten und noch wusste er nicht, dass er keine weitere Gelegenheit finden würde, um über irgendwelche Fragen bezüglich ihrer Beziehung mit Draco in Ruhe zu sprechen. „Um was geht es denn?“ Fragte der Auror vorsichtig, ahnte schon instinktiv, dass er die schlechtesten Karten am Tisch hatte. „Rutsch rüber, Prinzesschen. Das ist mein Platz!“ Entgegnete sie ihm nur und zog den schweren, noch immer mit etwas Schnee bedeckten Umhang von ihren alten Schultern. Darunter kam eine graue Strickjacke mit zwei kleinen Taschen zum Vorschein und ein wollenes Stofftuch, welches sie fest um den Hals geschlungen hatte.

Fragend warf Harry einen Blick über den Tisch mit den sechs Stühlen, von denen lediglich zwei besetzt waren. Wieder sahen die grünen Augen zu ihr, da waren vier Plätze frei und sie bestand auf den hier? Ein Blick in Dracos Gesicht verriet ihm, dass er lieber weichen sollte. Kurz öffneten sich die vollen Lippen, schlossen sich aber lautlos wieder. So griff er nach dem Becher Tee und schob den Stuhl zurück. Sein Instinkt war der Meinung, dass eine Frage jetzt fehl am Platz wäre.
 

Verwundert bemerkte er, wie sie ihren großen Mantel über den Holzstarb warf, der noch immer mitten im Raum stand. Auch jetzt bewegte er sich nicht, diente regungslos als Halter für den Umhang. Kleine Schneeflocken rieselten nun langsam vom Stoff herunter auf den Boden. Dracos Beschreibung war passend, es handelte sich bei ihr wirklich um eine sehr eigene, verschrobene und vor allem vom Wetter gegerbte Hexe. Mit einem leichten Kopfschütteln setzt er sich einen Platz weiter und bemerkte ihren Blick, der ihn regelrecht durchbohrte. „Anscheinend muss ich dir auch noch Manieren beibringen, Prinzesschen!“ Knurrte sie in einer Art, die ihm einen Schauer über den Rücken laufen ließ. „Wenn ich schon extra für dich durch dieses Schneegestöber stapfen muss, kannst du mir wenigstens einen Tee anbieten!“ Forderte sie nun wieder an den Blonden gewandt und dieser lächelte entspannt.

Zu entspannt, fiel Harry auf. Eben hatte er noch so besorgt und ernst zur Tür gesehen und jetzt war er so beruhigt? Vielleicht galt diese Anspannung eher seiner Frage, als dem Klopfen an der Tür? Mit einem lautlosen Seufzen verbat er sich die Frage, wieso er eigentlich die ganze Zeit als „Prinzesschen“ bezeichnet wurde. Immerhin hatte er bisher keine weibischen Akzente an sich bemerkt. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, dass der beste Künstler ohne Magie eine halbwegs ansehnliche Frau aus ihm machen konnte.
 

„Natürlich gerne, ich habe heute aber nur 147 Teesorten zur Auswahl. Leider sind mir letzte Woche drei schlecht geworden und ich muss 9 wieder auffüllen. Zu meiner eigenen Trauer kam ich bisher nicht dazu.“ Antwortete Draco nun und die grauen Augen leuchteten, funkelten beinahe wie Sterne am Himmel. Mit einem zufriedenen Schmunzeln beobachtete Harry diesen Zug, offenbar mochte Draco Tee. „Nur 147 Sorten? Meine Güte, welch schrecklicher Gastgeber. Kannst du sie mir auch aufzä…“ Doch weiter kam Harry nicht. Eine Faust schlug vor ihm auf den Tisch und er zuckte erschrocken zusammen.

Entsetzt starrte er die Alte neben sich an, die ihn nun beinahe totbringend anfunkelte. „Halt dein elendes Mundwerk oder ich werde es dir stopfen! Meine Laune liegt heute unter dem Gefrierpunkt und wenn du diesen Dummkopf weiterhin auf solch grausame Ideen bringst, werde ich keine Rücksicht darauf nehmen, wer du bist!“ Sie knurrte, ihre Stimme hatte diesen gefährlichen Ton, der selbst Harry deutlich machte, dass sie jedes ihrer Worte ernst meinte. Noch immer erstaunt starrten die grünen Augen sie an und er war zu keiner Reaktion fähig. Diese alte Hexe erschien ihm auf beängstigende Weise irgendwie wahnsinnig zu sein. „Als würde er das tun!“ Entgegnete er nun, zwang sich zu einer gewissen Ruhe. Er kannte sie nicht und er wollte sie nicht provozieren, auch wenn es eine patzige Antwort war.
 

„Ich muss dich enttäuschen, ich hätte es getan. Ich kenne jede meiner Teesorten und kann dir genauestens alles über sie sagen. Irgendein Hobby benötigt man ja hier in diesem Wald.“ Meinte der ehemalige Slytherin, der noch immer nicht von ihrer Art überrascht wirkte. Mit einem Schmunzeln auf seinen schmalen Lippen erhob er sich und ging hinüber zur Küchenzeile. „Ich schlage dir einen Rooibos-Tee mit frischer Vanille vor.“ Fügte er nun noch an und griff nach einer der Dosen im Regal. Kurz warf er einen Blick über die Schulter und deutete auf eine Tür hinter dem Schwarzhaarigen. „Harry, kannst du mir bitte noch einen Teebecher geben?“

Mit einem Seitenblick zu der Alten tat er, wie ihm geheißen und stellte fest, dass der blonde Flüchtling eine sehr ordentliche Küche besaß. Selbst in den Schränken war alles penibel sauber und alles präzise nebeneinander aufgereiht. Es war nicht gerade viel, auf das geachtet werden musste. Beim Überfliegen schätzte Harry, dass es von allem höchstens 6 Exemplare gab, meistens aber nur drei. Offenbar rechnete der Einsiedler wirklich nicht mit Besuch. Er griff nach einem der beiden schwarzen Becher, die im oberen Teil des Schrankes standen und schloss die Tür wieder sorgsam.

Irgendwie fühlte er sich noch immer fehl am Platz und jetzt hatte er erst Recht keine Ahnung mehr, wie er sich verhalten sollte. Resigniert schritt er um den Tisch herum und stellte den Becher neben Draco ab. Nachdenklich lehnte er sich mit dem Rücken an die Arbeitsfläche und beobachtete die schlanken Hände, die gerade das kleine Messer zur Seite gelegt hatten und nun die kleinen Stücke der geschnittenen Vanilleschote vom Holzbrett in den Mörser schoben. Erstaunt und fasziniert bemerkte er die Ruhe, diese unerschöpfliche Gelassenheit, gemischt mit einer erstaunlichen Menge Zufriedenheit, die bei jeder Bewegung von dem ehemaligen Slytherin ausgestrahlt wurde. Er hielt den Mamormörser mit der linken Hand fest und beinahe liebevoll drückte er den Stößel gegen die kleinen Vanille Stücke. Als wüsste er genau, wie viel Kraft er benötigte, um die Schote zu zerdrücken und um sie nicht zu zermahlen.
 

Sein Blick hing wie gebannt an jeder Bewegung, er beobachtete genau, wie Draco mit einem kleinen Löffel die Teeblätter und die zerriebene Vanille in ein kleines rundes Sieb gab, und dieses dann in den Becher legte. Schweigend trat der verlorene Engländer hinüber zur Feuerstelle und nahm den kleinen Kessel herunter, in dem das Wasser wieder kochte. Leise plätscherte es, als er das Wasser in den Becher goss und nur nebenher registrierte sein Verstand, dass der Topf doch glühend heiß sein musste, den Draco da mit bloßen Händen hielt.

„Vielleicht kann das deine Laune etwas erheitern und deine Missstimmung beruhigen.“ Mit einem Lächeln stellte er den Becher vor ihr auf den Tisch und ihre weißen, buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. Ihr breiter Mund wirkte zwischen den Falten noch verstimmter und sie stieß kräftig die Luft aus. „Es wäre wünschenswert, vielleicht kannst du dann ja auch eine winzige Menge an Höflichkeit entbehren und das Schlagen mit der Faust auf meinen Tisch unterlassen.“ All das sagte er mit einem Lächeln, welches Harry noch nie zuvor auf dem blassen Gesicht gesehen hatte. Es war eine Mischung aus kalter Berechnung und zufriedener Freundlichkeit.

„Und warum sollte ich das? Du kennst mich nicht anders!“ Es war reine Provokation und mit dieser sah sie ihren Schüler an. „Etwa wegen dem da?“ Fragte sie nun stichelnd und ein böser Zug war in ihre alten Augen getreten, die noch immer so gefährlich funkelten. „Ja, er ist mein Gast!“ Antwortete Draco, der sich mit beiden Händen auf dem Tisch abstützte und ihrem Blick ohne Scheu standhielt.
 

Ob er bei der Bezeichnung „Gast“ freudig begeistert sein sollte, denn immerhin klang es so, als wollte Draco ihn hier haben, oder ob er eher bestürzt traurig vorzöge, denn mehr schien er auch nicht zu sein, konnte er nicht sagen. Sein Herz hielt inmitten eines kleinen Freudensprunges inne und eine unangenehme Kälte breitete sich darin aus. Er war also „nur“ eine „Gast“!

„Ja, mehr ist er offensichtlich nicht!“ Gackerte die Alte nun und riss den Auror so aus seinen Gedanken. Sie grinste nun breit, dass all ihre Falten verschoben wurden und dann hallte ihre Stimme gehässig von den Wänden der Küche wider. „So, wie ihr beide hier umeinander herumschwänzelt und nicht miteinander umzugehen wisst, ist gestern das um den Halsfallen ausgeblieben und es gab keine heißen Liebeschwüre für den Rest eures Lebens und alle Ewigkeit, die dann mit leidenschaftlichem Sex besiegelt wurden!“

Kaum, dass er diese Worte gehört hatte, schoss ihm die Röte ins Gesicht. Sie wusste also, wer er war? Selbst diese verdammte, alte Hexe wusste, dass er eigentlich nicht sein „Gast“ sein sollte, sondern eher so etwas wie ein „Geliebter“? Ok, Geliebter klang nicht wirklich besser als Gast! Allerdings bedingte dies überhaupt eine Beziehung, die er mit dem Blonden hätte. „Freund“ wäre das Wort, das er sich wünschte, am besten mit dem Ausdruck „fest“ davor!

Doch auch Draco war von diesen Worten aus dem Konzept gebracht worden und seine helle Haut wurde schlagartig dunkel. Während sich Harry in einer Art aufgebrachte Wut steigerte, schien die Fassade des ehemaligen Slytherin völlig zu brechen. Mit einem verlegenen Blick wendete er sich von der alten Frau ab, zog die Arme zurück und schluckte hörbar. „Nein, dazu kam es nicht!“ Gab Harry nun verstimmt an und verschränkte die Arme, er lehnte noch immer an der Arbeitsfläche, seine Wangen glühten.
 

Ihre graubraunen Augen sahen nun zu ihm und sie schien ihn regelrecht zu durchbohren mit ihrem Blick. „Oh, da ist jemand sauer. Und was verhinderte diese tiefgehende Liebesbekundung?“ Ihre Stimme triefte beinahe vor Schadenfreude, als wüsste sie genau, wie dieses Spektakel weiter gehen würde. Doch trotz all den Warnungen, die er von der kleinen Stimme in seinem Hinterkopf bekam, konnte er diesem Moment nicht wiederstehen. Sie spielte ihm so passend zu und nach all den Schrecken des gestrigen Abends und des heutigen Morgens konnte er seine Wut nicht mehr unterdrücken.

„Lass mich kurz überlegen, ich glaube, es war der Moment, an dem ich feststellte, das der Kerl nicht Gregory, sondern Draco heißt!“ Er bemerkte das leichte Zucken des schlanken Mannes, der verbissen seine Lippen aufeinander presste und noch immer zwischen ihnen stand. „Oder nein, warte, ich glaube, es war der Moment, in dem er mich dazu aufforderte, ihm hier und jetzt ins Gesicht zu sagen, dass ich ihn liebe, nachdem er mir kleinlich genau erklärte, dass wir einander nicht einmal mehr kennen!“
 

Es war ungerecht, irgendwo wusste er das und als er den Schmerz in den grauen Augen sah, spürte er den Stich in seinem eigenen Herzen. Der Blonde hatte sich zu ihm umgedreht und starrte ihn direkt an. Nur einen Moment konnte er den Schmerz darin erkennen, dann überrollte ihn eine Kälte, die jeden Muskel in dem athletischen Körper anspannte. „Du kannst gerne jederzeit gehen. Ich habe dich nicht eingeladen, dich nicht gebeten mich zu suchen. Du wolltest dich vor meiner Haustür umbringen und offensichtlich liebst du es zu leiden oder warum hast du nicht auf das Armband geachtet? Was hat sie dir vorgeworfen? Was hat Bellatrix dir erzählt, Harry?“

Damit hatte der Schwarzhaarige nicht gerechnet und sah sich nun mit einem Angriff konfrontiert, der augenblicklich die grausamen Bilder zurückholte, die er zu verdrängen versuchte. Ihre herablassende, höhnische Stimme hallte in seinen Ohren wider und sie flüsterte ihm nun zu, dass sie mit allem Recht hatte. Ja, Draco hatte ihn nicht gebeten zu bleiben, er war mittlerweile „wenigstens“ ein Gast! Aber Gäste konnten auch nur für eine Nacht bleiben und wurden dann wieder vor die Tür gesetzte. Wollte Draco das? Ihn einfach wieder los werden?

Seine Wut verrauchte in dem Schmerz, der sich nun in seiner Brust wie eine kalte, widerwärtige Flüssigkeit ausbreitete und einen dicken, festen Strick um seinen Hals legte, damit dieser ihm die Luft zum Atmen nahm. Was machte er hier eigentlich? Sie hatten sich in all den Jahren einfach zu weit voneinander entfernt und offenbar schien Bellatrix wirklich zu einem Geist geworden zu sein, der all die Zweifel brühwarm aufkochte und ihm boshaft zuflüsterte. Selbst wenn er keine „Eroberung“ gewesen war, er lief doch nichts weiter als einem Tagtraum hinterher!
 

Ein gackerndes Lachen unterbrach seine Gedanken und die Alte schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ihr faltiges Gesicht hatte sich verzogen und laut schallte ihre Stimme von den Wänden der Küche wider. Sie lachte so sehr, dass sie nach Luft schnappen musste und kleine Tränen in ihren Augenwinkeln entstanden. Sie zog tief die Luft ein, nur um dann doch wieder haltlos zu lachen. Mit einer zitternden Hand wischte sie sich über die Augenwinkel und ihr ganzer Körper bebte unter der Anstrengung ihres Gelächters. „невероятно!“ Gluckste sie und dann sog sie tief die Luft ein, um sich wenigstens etwas zu beruhigen.

Breit grinsend hob sie den Zeigefinger und deutete auf die beiden Männer im Raum. „Wie gut, dass das hier kein Märchen ist.“ Gackerte sie mit ihrem akzentartigen Englisch und griff mit der linken nach ihrem Tee. „Wenn das hier ein Märchen wäre, würden 12 gute Feen nicht ausreichen um daraus ein Happy End zu machen! Wie blind seid ihr beide eigentlich?“ Fragte sie nun grinsend und bemerkte, wie überfordert die beiden waren. Sie blickte in zwei von Schmerz und Überraschung gezeichnete Gesichter.

„Oh bitte, du liebst ihn, Prinzesschen, sonst wärest du niemals so sauer auf ihn. Aber du begehst den einzigen Fehler, den du begehen kannst, um das hier zum Scheitern zu verurteilen!“ Sie gluckste noch ein Mal und in den grünen Augen hinter den runden Brillengläsern war die Verwirrung deutlich zu sehen. „Du lässt deinen Kopf entscheiden und hörst nicht auf das, was dein Herz sagt. Du lässt dich von dem da wirklich in die Irre führen wie ein dummer Junge?“ Sie kicherte böse und ihr herausfordernder Blick traf Draco, der nicht besser davon kam. „Und du stellst dich genauso dumm an! Wenn er dir nichts mehr wert wäre, hättest du ihn auch da draußen liegen lassen können! Dann hättest du ihm diesem Wald auch zum Fraße vor werfen können und jetzt versteckst du dich hinter deiner Angst und nutzt seine Schwachstellen eiskalt aus.“
 

Noch immer hallten diese Worte in seinen Ohren wider, was bitte war das für eine Frau, die in ihm las, als wäre er ein offenes Buch? Doch sie ging noch weiter und plötzlich erhob sich die Alte zu ihrer vollen Größe und mit einem kalten Blick in den Augen zog sie ein Messer hervor. Sie hatte den Teebecher stehen lassen und starret in die grauen Augen, die sie voller Entsetzen betrachteten. „Ich kann das Problem auch auf einfache, schnelle Weise lösen! Dann sollte hier endlich wieder Ruhe in meinen Wald einkehren!“ Ihre mit Altersflecken versehenen Finger legten sich fest um den Griff des Messers ihre Stimme machte deutlich, dass sie ihren Worten ohne Zögern Taten folgen lassen würde. Mit einem Schlucken versuchte Harry auch nur ansatzweise zu begreifen, was hier gerade geschah. Eben war er noch von Wut aufgewühlt gewesen und nun wollte ihn diese alte Hexe umbringen? Hatte er das so richtig verstanden?

Offensichtlich, denn auch Draco interpretierte diese Aussage auf die gleiche Weise, nur dass er nicht entsetzt, sondern angriffslustig und voller Zorn war. Mit kaltem Blick trat er vor Harry und kleine Funken Feuer zischten um die geballte rechte Hand. „Wage es ja nicht!“
 

Beschütze ihn der Kerl gerade? Irgendwie ging hier alles drunter und drüber und er hatte das Gefühl, noch immer in diesen verrückten Szenen zu stecken, als würde sich dieser Wald darin gefallen ihm erst Hoffnung zu schenken, um dann doch hinterhältig klar zu machen, dass er Draco niemals begegnet war.

Ihr herabwürdigendes Lachen schallte durch die Luft und plötzlich folgte Harry einfach einer Regung, einem Gefühl, welches er selbst nicht so richtig einzuordnen wusste. Er legte seine Hand sanft auf den leicht erhobenen Oberarm Dracos und meinte beruhigend. „Lass sie.“ Durch die Berührung konnte er spüren, wie sich der schlanke Körper erst deutlich stärker anspannt, um dann doch auszuatmen. Ganz langsam löste sich die Anspannung und ein weiteres, tiefes Ein- und Ausatmen wurde von einem Nicken begleitet. „Trotzdem Danke! Langsam frage ich mich, ob du nicht derjenige mit dem Heldenkomplex von uns beiden bist.“ Seine Stimme hatte etwas Neckendes und als sich das helle Gesicht zu ihm umdrehte, sah er die Verlegenheit deutlich in einer leichten Röte auf den Wangen des ehemaligen Slytherin.

Dieser räusperte sich und meinte dann nur schlicht. „Sicher nicht! Ich wäre nicht so wahnsinnig und würde mich für die gesamte Welt opfern! Ich…“ Doch er sprach den Satz nicht zu Ende, blickte zur Seite und räusperte sich noch einmal. Eigentlich lag Harry etwas auf der Zunge, doch die Stimmung war noch immer sehr gedrückt, zum Zerreißen gespannt passte zwar nicht mehr, aber locker war sie sicher nicht.
 

Dennoch waren sie kein Stück weitergekommen, obwohl Harry langsam das Gefühl gewann, dass sie wieder ehrlicher zueinander wurden. Noch immer war der junge Mann mit den Narben auf der linken Seite ein Buch mit sieben Siegeln, aber langsam schien er zumindest anhand des Einbandes und des Titels die ersten kleinen Geheimnisse zu verstehen.

„Gibt es heute noch etwas zu essen oder bleibt es bei Tee?“ Erklang plötzlich so unerwartet, dass sie beide erstaunt zu der alten Hexe sahen. Sie hatte sich wieder gesetzt und die kleinen, goldenen Plättchen, die in ihr dunkles Kopftuch eingeflochten waren, glänzten im einfallenden Licht der Kerzen. Das Messer war verschwunden und sie hielt den Becher mit beiden Händen fest, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt.

„Ähm… ja… also…“ Begann Draco verwirrt und nickte dann langsam. „Ich wollte eigentlich vorhin etwas machen. So langsam habe ich auch Hunger.“ Entgegnete er und Harry fühlte sich völlig überfordert. War diese Frau immer so… so wechsellaunig? Wie konnte man es mit ihr zusammen aushalten? Und ergab das, was sie tat, wirklich einen Sinn? Er schluckte und verdrängte diese Gedanken, er würde einfach auf der Hut vor ihr bleiben.
 

„Zu zweit geht es sicher schneller. Also, hopp, an die Arbeit!“ Krächzte sie nun und grinste dabei über ihr gesamtes Gesicht. Mit einem Blinzeln versuchte der schwarzhaarige Auror die Verwirrung los zu werden, antwortete so maßlos überfordert nur plump. „Es geht zu zweit immer schneller!“ Er sah leicht verstört zu Draco, der sich jedoch wieder gefangen hatte. Seine schmalen Lippen zogen sich nur zu einem entschuldigenden Lächeln. „Nein, sie ist immer so. Versuch erst gar nicht, sie zu verstehen. Akzeptiere einfach die Tatsache, dass sie immer Recht hat.“

Harrys dunkle Augenbrauen zogen sich in die Höhe und er warf noch einen Blick zu der gackernden Frau, die ihr Grinsen hinter ihrem Becher versteckte. „Ok, ich versuche es. Ich glaube, ich mache mir einfach über die Sinnhaftigkeit dieser gesamten Situation keine Gedanken.“ Meinte er mit einem zögerlichen Nicken und hob dann abwehrend die Hände. „Ich hoffe einfach inständig, dass das hier wirklich passiert und… obwohl, nein… ich glaube nicht, dass ich hoffe, dass es wirklich passiert. Das ist definitiv nicht besser, als dass hier nur zu träumen oder sich einzubilden!“ Er verzog sein Gesicht und ein Schauer ergriff ihn. Dann jedoch fing er sich und meinte mit einem hoffungsvollen Ton. „Wer weiß, vielleicht liege ich ja noch im Bett und werde gleich mit einer schönen Tasse heißer Schokolade geweckt!“

Mit einem Grinsen schüttelte der blonde Mann den Kopf und trat an die Spüle heran, um sich die Hände zu waschen. „Klar, und wer bringt dir die heiße Schokolade?“ Die grünen Augen funkelten und auch wenn ihm ein leises Stimmchen zuflüsterte, dass dies absolut die falsche Situation war, jedoch wurde mit dem Einstellen der Suche nach irgendeiner Logik einiges einfacher, folgte er seiner ersten Intuitin. Warum also nicht schlicht sagen, was er dachte? „Du? Am besten Splitterfaser nackt und mit diesem lasziv angehauchtem Blick?“
 

Diese Vorstellung vertiefte die Röte auf den hellen Wangen und Draco deutete nur zu den Regalen, die bisher von Harry keine Beachtung geschenkt bekommen hatten. Sie teilten sich die Wand mit der Tür zum Flur hin. „Hol lieber die Kartoffeln! Du kannst sie waschen und schälen! Vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken!“ Der Schwarzhaarige verzog leicht das Gesicht und schlug den gezeigten Weg ein. Flüchtig fuhr sein Blick über die vielen Gegenstände, die sich dort sammelten. Unten auf der rechten Seite befand sich eine große Holzkiste mit zwei eisernen Henkeln, auf die filigran das englische Wort „Kartoffeln“ eingebrannt war. „Und wenn ich gar nicht auf andere Gedanken kommen will?“ Rief er über die Schulter und ignorierte die Anwesenheit der alten Hexe so gut es ging. Sich über sie Gedanken zu machen, würde ihn allerhöchstens noch schneller dem Wahnsinn näher bringen. „Ich meine, vielleicht gefällt mir die Vorstellung ja!“ Neckte er nun und ging in die Knie, um die Kiste nach vorne zu ziehen.

Erst als er mitsamt dem schweren Holzkasten zurück zur Küchenzeile ging, sah er den leicht provozierenden Blick des Blonden. „Wie kann man in solch einer Situation eigentlich auf so ein Thema kommen?“ Das war eine berechtigte Frage und nachdem Harry die Kiste auf der Arbeitsfläche neben der Spüle abgestellt hatte, meinte er mit einem Schulterzucken. „Was schlägst du vor? Soll ich mir weiterhin anhören, wie Bellatrix den netten Brief vorliest, den du mir damals hinterlassen hast, und ihn mit ihren Kommentaren schmückt? Soll ich weiterhin darüber nachdenken, warum du mir offenkundig aus dem Weg gegangen bist oder besser noch, ich zerbreche mir weiterhin den Kopf darüber, was genau du mit deiner Antwort gemeint hast, als ich dich vor dem Raum der Wünsche fragte, ob du mich wirklich so hasst!“
 

Mittlerweile hatte er sich mit beiden Armen auf der Kartoffelkiste abgestützte und sah den Blonden provozierend an, der verlegen zur Seite Blicke und den Kohlkopf sehr eingehend musterte, der vor ihm lag. „Hör zu, Draco, ich weiß wirklich nichts über dein Leben, ich weiß nichts über dich! Um ehrlich zu sein, habe ich nie irgendetwas über dich gewusst. Gestern bin ich fast in den Wahnsinn getrieben worden, bin über dich gestolpert und hatte die Wahl an einer Infektion, an purem Wahnsinn oder an einer Alkoholvergiftung zu sterben! Dann versprichst du mir, dass du bleibst und am nächsten Tag bist du weg, da liegt ein Brief mit der Frage Déjà-vu und nur einen Moment später stolpere ich in ein Abenteuerspiel, begegne meinem Cousin Dundley, um dann ein Gespräch mit der Grinsekatze aus Alice im Wunderland zu halten. Danach werde ich von einem Drachen beinahe gegrillt, darf die Treppe herunterspringen, die eigentlich ein Lavastrom ist und führe noch eine Herz zermarternde Unterhaltung mit unserer lieben Freundin Bella, die mich zum Idioten erklärt, weil ich mir eingebildet habe, dass du mich liebst und dir insgesamt 7 Jahre hinterher gelaufen bin.“

Bei seinen Worten sah Draco nicht auf, er umklammerte mittlerweile das Messer, welches auf dem Brett vor ihm lag. „Und gerade, als ich glaube, dass alles etwas ruhiger werden könnte und ich durchatmen kann, taucht dieses verschrobene Weib auf und will mich umbringen, während ich von ihr zum Prinzesschen deklariert werde! Dafür schuldest du mir übrigens auch noch eine Erklärung!“ Er deutete auf die alte Hexe, ohne sie anzusehen.
 

Mit einem Schlucken versuchte Draco seine Stimme wieder zu finden, doch Harry ließ ihm keine Zeit. „Ich habe keine Ahnung, was du für mich empfindest und ob es jemals ein „wir“ in der Zukunft geben wird. Aber bitte, bei dem ganzen Scheiß, der heute passiert ist und ich vermute, der heute noch geschehen wird, weigere ich mich mit Händen und Füßen dagegen irgendetwas Sinnvolles, Logisches oder Normales zu sagen, zu tun oder zu erwarten!“ Er holte kurz Luft, richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn ich also die Wahl habe, stelle ich mir auch gerne in solch einer Situation wie dieser hier vor noch gemütlich im Bett zu liegen und mit einem Becher heißer Schokolade geweckt zu werden!“ Das mit dem „von dir“ und „Splitterfaser nackt“ ließ er nun doch weg. Er atmete tief ein und aus und hatte plötzlich das Gefühl von einer gewissen Erleichterung ergriffen zu werden. Es tat gut, all diese Gedanken los zu werden und dann sah er es.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über die Schmalen Lippen und die grauen Augen blickten funkelnd zu ihm hinüber. „Kannst du dir das auch vorstellen, während du die Kartoffeln wäscht?“
 

Mit solch einer Antwort hatte er nicht gerechnet. Eben hatte der Blonde noch beinahe verschämt gewirkt und nun nahm er ihm mit nur einem Satz den Wind aus den Segel!

Die grünen Augen verengten sich und mit einem unwirschen „Ja!“ wendete er sich der Kiste zu. Der Kerl konnte ihm auch jeden Spaß verderben. Mit einem flüchtigen Blick zur Seite bemerkte er, wie sich Darco mit einem Schmunzeln an seine eigene Arbeit machte. Mürrisch klappte er den Deckel der Kiste auf und begann einige der Kartoffeln in das Waschbecken zu legen. Kurz stieß er die Luft aus und warf noch einen Blick auf die Menge der Erdäpfel, die nun im Becken lagen. „Reicht das?“ Fragte er und sein Ton verriet, dass er noch immer nicht glücklich war.

„Ja, das reicht.“ Kam mit einem Schmunzeln von Draco und als die grünen Augen das helle Gesicht suchten, blieben Harrys Gedanken einen Moment stehen. Er mochte dieses Lächeln! Er mochte es auf jeden Fall! Der Magier sah zufrieden aus, es war keine Bosheit darin und wieder strahlte er eine gewisse Ruhe aus. Irgendwie konnte er nicht anders und bevor er sich versah zogen sich die eigenen Mundwinkel in die Höhe. Mit diesem Grinsen ließ er die Truhe wieder zuklappen und griff nach den Henkeln, um sie zurück hinüber ins Regal zu stellen.
 

Schweigend arbeiteten sie einen Moment nebeneinander her, nachdem die Kartoffeln gewaschen waren, begann Harry sie mit einem Messer zu schälen. In Gedanken schweifte er zu seiner „Familie“ ab und dachte an die vielen Stunden, die er in der Küche unter den strengen Augen von Petunia verbracht hatte. Irgendwie war nichts einfach, nichts unkompliziert und schon gar nicht ruhig, seit er hier war. An diesem Ort schienen ganz andere Regeln zu gelten und er kannte keine einzige von ihnen. Mit einem leisen Schlucken verbat er sich einen Blick über die Schulter zu der alten Frau zu werfen, die sie Zweifels ohne beobachtete.

„Danke!“ Meinte er plötzlich und bemerkte im Augenwinkel, wie Draco innehielt und zu ihm aufblickte. „Du hast mich zwei Mal gerettet. Zumindest seit ich hier bin. Das, was du damals noch in dem Brief geschrieben hast,… na ja… ich glaube, dass es auch so einigen das Leben gerettet hat.“ Langsam trat in die grauen Augen die Verständnis und ein Nicken war die schweigende Antwort. „Du wärest wirklich nie zurück gekommen oder?“ Fragte er nun und bemerkte die Verlegenheit, mit der sich der Blonde nun wieder dem Schneiden eines weiteren, kleinen Kohlkopfes zuwendete. „Ich weiß es nicht. Ich… ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass du jemals etwas für mich empfinden würdest. Selbst wenn, dann hättest du es sicher geleugnet. Davon einmal abgesehen…“ Der ehemalige Slytherin schwieg den Rest aus.

„Was?“ Fragte Harry direkt nach und ahnte schon, was als nächstes kommen sollte. „Du meinst, dass mein Verhalten nicht sonderlich von Liebe sprach? Ich bilde mir nicht ein, nicht mehr ein, dass du nichts davon mitbekommen hast.“ Brummte er nun und starrte auf die Kartoffel, die er in der Hand hielt. Sie war schon zur Hälfte von ihrer Schale befreit und so rief sich der Auror zur Ordnung und setzte das Messer neu an.
 

„Ja, das habe ich mitbekommen und ja, ich möchte dir gerne einiges dafür an den Kopf werfen! Selbst wenn ich davon ausgehe, dass deine Lieblingsreporterin die Hälfte von dem erfunden hat, was sie in die 4 seitige Sonderausgabe gesteckt hat, war das eine verdammte… war das verdammt unsittlich! Trotzdem beschränkte ich mich auf ein Danke!“ Das war so unerwartet, dass Harry beinahe das Messer aus der Hand gerutscht wäre. Er starrte das Gesicht an, welches er nur zum Teil sehen konnte. „Du bedankst dich bei mir?“ Fragte er und begriff, dass sie das erste Mal in Ruhe miteinander sprachen. Mit einem Seufzen ließ Draco seines sinken und sah in das von Erstaunen gezeichnete Gesicht des Aurors. „Ja, danke dafür, dass du mich aus der ganzen Sache raus gehalten hast. Falls du selbst den Artikel nicht gelesen hast, was ich für dich hoffe, die erste Seite bezog sich nur auf deine Lüge über unsere Begegnung in dieser Nacht. Auch wenn ich es sehr ironisch finde, dass du mir ausgerechnet ein Wahrheitsserum angedichtet hast, welches ich dir untergejubelt habe.“

Im ersten Augenblick hatte er eine sarkastische Antwort erwartet, verstand dann aber die Ernsthaftigkeit dieser Aussage. „Na ja, deine Mutter hatte mich darum gebeten. Außerdem…“ Doch weiter kam er nicht. Von hinten hörte er einen Laut, der irgendwo zwischen Lachen und einem entsetzen Ausruf lag und auch Draco hatte den Arm erhoben. Seine linke Hand legte sich auf Harrys Oberarm und er packte hart zu. „Was hat meine Mutter mit der Sache zu tun?“

Jetzt war er sich sicher, dass er einen Fehler begangen hatte und starrte in die fragenden, dennoch zornig funkelnden Augen. Offenbar war seine Mutter eine Art wunder Punkt. Jetzt konnte er die damaligen Geschehnisse verleugnen, sie schöner beschreiben, als sie waren, oder schlicht die Wahrheit sagen und hoffen, dass er das alles überlebte.
 

Einen Moment überlegte er, doch dann entschied er sich für die vielleicht dümmste der drei Möglichkeiten. Er sagte die Wahrheit und versuchte es mit Ehrlichkeit. Dennoch schoss ihm die Röte ins Gesicht und er bemühte sich um Sicherheit in seiner Stimme. „Deiner Aussage vorhin entnehme ich, dass du weißt, dass ich beinahe gestorben wäre. Nachdem mich der Todesfluch getroffen hatte, sollte deine Mutter überprüfen, ob ich noch lebe. Sie schlug mir den Deal vor, dass sie für mich lügt, wenn ich ihr verspreche, alles über diese Nacht zu erzählen. Das war nicht wirklich eine Wahl und ich habe gehofft, dass sie ihr Versprechen vergessen würde. Hat sie leider nicht.“ In die grauen Augen trat Entsetzen, ebenso wie Unglaube.

„Sie bestand auf die Wahrheit und Narzissa Malfoy ist niemand, den man anlügt. Ich mache das zumindest nicht. Also habe ich ihr erzählt, was in dieser Nacht geschehen ist und von dem Brief, den du zurück gelassen hast.“ Hörbar schluckte Harry und spürte, wie die Hitze seiner Wangen noch stärker wurde, als der Blonde beinahe blechern fragte. „Alles?“ Mehr als ein Nicken bekam er nicht heraus und dann lösten sich die Finger aus dem festen Griff, mit dem der ehemalige Slytherin seinen Oberarm umklammert hielt. Er wirkte vollends entsetzt und packte nun mit dem Rücken gegen die Arbeitsfläche gelehnt dessen Kannte wie ein Haltsuchender. „Auch mein Vater?“ Fragte er mit bebender Stimme und Harry wollte gar nicht wissen, was in dessen Kopf vor sich ging.

Wieder schluckte er, räusperte sich, denn er hatte das Gefühl, dass sein Rachen trocken wäre, als hätte er einen Marsch durch die Wüste hinter sich gebracht. Sie schmerzte regelrecht. „Nein, wir… wir waren der Meinung, dass es besser wäre, wenn er nichts davon wüsste und du die Chance hast, es ihm zu sagen. Darum… also,… sie bat mich, mit niemandem darüber zu sprechen. Also, niemandem, der es weitersagen würde.“ Bei diesem Satz spürte er, wie der eben noch von Entsetzen gepackte Körper des schlanken Mannes von einer Welle der Hellhörigkeit angespannt wurde und etwas Lauerndes trat in die grauen Augen, die ihn nun wieder fixierten. „Wer weiß noch davon?“
 

Nun schien der schwarzhaarige Auror in sich zusammen zu sinken und mit einem zerknirschten Blick biss er sich auf die Unterlippe. „Wem hast du noch davon erzählt?“ Fragte Draco mit fester Stimme nach, die keine Wiederrede zuließ. „Ähm…“ Begann der Verlegene und schluckte noch einmal, leckte sich über die Lippen, um weitere Zeit zu gewinnen. „Ron und Hermine hätten es so oder so erfahren. Ich kann sie ja schlecht anlügen.“ Er hörte, wie der Blonde scharf die Luft einzog, doch weiter nichts sagte. So suchte er seinen verbleibenden Mut zusammen und setzte weiter an. „Ich habe wirklich lange gewartet, bis ich den beiden etwas davon erzählt habe und sie wissen auch wirklich nur das Gröbste.“

Er hatte alles zur Seite gelegt und rieb nun seine flachen Hände gegeneinander, die noch immer feucht waren. „Na ja, Blaise weiß ein wenig mehr. Er… er schien jedoch vorher schon mehr zu wissen, als mir lieb war.“ Er schluckte noch ein Mal, war unglaublich peinlich berührt und wusste nicht so recht, wie er weiter sprechen sollte. Doch darüber musste er sich keine Gedanken machen. Es war Draco, der ihm dieses abnahm.

„Zabini? Blaise Zabini?“ Fuhr er ihn an und war kurz davor ihn wieder zu packen. Seine filigranen Hände krallten sich regelrecht in die Kannte und der Schwarzhaarige wäre am liebsten ein Stück zur Seite gewichen. „Ja…“ Antwortete er so kurz und mit so fester Stimme, wie ihm möglich war. Dieses konnte jedoch nicht viel sein. Nun wurde aus dem Entsetzen eine Art Wut, die sich zuerst in den grauen Augen widerspiegelte. Dann schwappte sie über auf die feinen Gesichtszüge und als die Stimme von den Wänden widerklang, war sie kalt aufbrausend. „Hast du ihm davon erzählt, bevor oder nachdem du ihn gevögelt hast?“
 

Wie konnte er auch nur einen Moment glauben, dass diese Geschichte nicht aufgewärmt würde? Wie hatte er auch nur hoffen können, dass er für all die vielen Verfehlungen, die theoretisch ja keine waren, ohne Beziehung konnte man nicht fremdgehen, nicht bestraft werden würde? Dennoch keimte auch in ihm der Zorn auf, der Zorn eines Verletzten, eines Verstoßenen, ja eines regelrecht Verschmähten! Seine eben noch fahrig gegeneinander geriebenen Hände ballten sich zusammen und er ließ die Fäuste sinken. In dem tiefen Grün funkelten die Gefühle wie das Feuer, welches nun seine Seele ergriff. „Oh, keine Sorge, erst danach! Du warst ja nicht da, um seinen Platz zu übernehmen!“ Entgegnete er nun aufgebracht und bemerkte nicht, wie sie beide in ein stetiges Wechselbad der Gefühle gerieten. Von der ersten, leichten Vertrautheit hinein in wütende Vorwürfe!

„Oh, und weil ich nicht da war, fiel dir nichts besseres ein, als dir gleich den nächsten Slytherin zu greifen?“ Dass es der Schmerz war, der aus einer zerrissenen Seele sprach, konnte er in diesem Moment nicht verstehen. Von diesen Worten nur noch weiter aufgeheizt trat er näher auf den Blonden zu. „Nein, er war es, der sich mir an den Hals schmiss! Anscheinend habt ihr Slytherin ja eine Vorliebe für mich!“ Konterte er und übersah die Unsicherheit, die Angst und die Verletzung unter all dem aufgestauten Zorn des anderen. „Keine Sorge, so groß ist die Liebe nicht, sonst wäre ja in all den Jahren einer bei dir geblieben!“
 

Diese Worte saßen und nun zuckte Harry leicht zusammen. Er trat zurück, blickte zur Seite, um die Wunde nicht preis zu geben, die der Blonde gerade geschlagen hatte. Dieser wusste nichts von dem Gespräch oben auf dem Turm, weit nach Mitternacht. Er wusste nichts von der Liebe, gegen die sich Blaise entschieden hatte und von der Ehrlichkeit, mit der er Harry gestand, dass dieser ihm das Herz aus der Brust gerissen hätte.

Schweigen! Es breitete sich wie eine zähe, kalte Masse an Grausamkeit im Raum aus und verschlang sie nach und nach. Draco hatte sich dem Kohlkopf zugewendet, spürte selbst, wie dumm seine Worte gewesen waren. Sie hatten Erfolg, leider… zu viel Erfolg. Warum blieben sie in ihren alten Mustern? Warum konnten sie nicht wenigstens ein Mal miteinander sprechen, ehrlich zu einander sein; ohne dass sein Zaubertrank sie beeinflusste? Wieder gerieten sie aneinander, versuchten den anderen zu verletzten und es gelang. Darin waren sie so gut. Sie waren Perfektionisten in diesem Bereich, den sie zur Vollkommenheit ausfüllten.

In diesem grausamen Schweigen verbleibend griff Harry erneut nach dem Messer und begann die ausstehenden Kartoffeln zu schälen. So arbeiteten sie lautlos nebeneinander her. Jeder von ihnen bereute seine Tat, jeder von ihnen wollte sich entschuldigen, doch keiner fand das Wort, keiner fand den Anfang, keiner konnte seinen Stolz besiegen.
 

Mit einem breiten Grinsen nahm sie noch einen Schluck aus ihrem Becher und wusste, dass sie ihrem Ziel immer näher kam. Sie würden viel Leid ertragen müssen, mehr, als eine Seele fähig zu sein schien, doch wenn sie dies überlebten, würde ihre Liebe für immer bestehen. Sie beobachtete die beiden Streithähne genau und mit einem Lächeln fiel ihr noch eine wichtige Kleinigkeit auf. Sie verstanden sich ohne Worte!

Obwohl sie einander mieden, obwohl sie den Blick des anderen wie ein brennendes Feuer auf der Haut spüren mussten, war doch jede ihre Tätigkeiten auf den anderen abgestimmt. Während Harry die letzte Kartoffel schälte, holte Draco den passenden Topf heraus. Dann stellte er ihm den steinernen Salztopf daneben und als dieses erledigt war, griff Harry nach der Pfanne, die er nun für den Blonden auf dem Herd platzierte. So aufmerksam war dieser also gewesen, dass er durch die Handgriffe des anderen den Ort der Pfannen gefunden hatte. Noch eine Weile ging dieses Spiel weiter, bis der Tisch gedeckt war, das Essen auf dem Herd brodelte und sie alles benutzte abgewaschen hatten. Auch hier ergänzten sie sich perfekt, Harry spülte, Draco trocknete ab, räumte gleich fort, was nicht mehr gebraucht wurde.
 

Als sie nun an dem Punkt angekommen waren, an dem es nichts mehr zu erledigen gab, hoben sie die Blicke, verschämt, entschuldigend. Sie wussten, dass sie beide im Unrecht waren und gleich auch wieder nicht. Gerade setzten sie an, beide öffneten die Lippen, als ein schabendes, kratzendes Geräusch sie unterbrach. Bevor jedoch jemand von ihnen reagieren konnte, hatte sich die Alte schon erhoben und auf den Weg zur Hintertür gemacht. Sie trug dicke, wollene Stulpen über ihren Schuhen, die wahrscheinlich Stiefel waren. Das breite Tuch hatte sie abgenommen und auf den Tisch gelegt. Zu dem Kratzen gesellte sich nun ein Winseln, ein Fiepen, bis hin zu einem Jaulen. Dieses gipfelte plötzlich in einem wolfsähnlichen Heulen und erschrocken starrte Harry auf die halbgläserne Tür, hinter der die Alte verschwunden war. Kaum sah er den Schatten der sich öffnenden Ausgangstür, als sich etwas Großes, Mächtiges hinein drängte und mit unglaublicher Geschwindigkeit um die Ecke jagte.

Es erschien zuerst wie ein Hund, hell und wie von Watte überzogen. Das Tier schoss hinein, schlitterte auf seinen vier Beinen über den Boden, weil es vor dem kleinen Kamin zum Stehen kommen wollte. Die Vorderpfoten fanden halt, der hintere Teil jedoch brach aus, die Krallen gaben ein schreckliches Geräusch ab, als sie über die Fliesen schrappten. Der wuschige Schwanz wurde in die Höhe gestreckt, ein klägliches Japsen entkam dem Wesen, als sein Hinterteil am Kamin entlang floh und so auch seinen gesamten Oberkörper mit sich zog. Die krummen Beine konnten das verdoppelte Gewicht nicht halten, welches durch die natürlichen Kräfte dieser Bewegung angehäuft wurde und knickten ein. So saß die weiße, mit Schnee überzogene Gestalt mit den spitzen Ohren und der langen Schnauze ein Stück weit von der Feuerstelle entfernt und landete nicht weit von Draco.
 

Kurz schien das Tier die Situation begreifen zu müssen, sprang dann jedoch auf und schüttelte sich, dass die Flocken nur so in alle Richtungen stoben. Unter der Schneepracht kam ein schwarzes Fell zum Vorschein und dann erkannte Harry die Rasse, es war ein Wolf!

Dieser, nur schwer sein Gleichgewicht haltend, sprang nun herum, rutschte dabei wieder hinterrücks fort und schnappte mit dem Maul nach dem Hosenbein des ehemaligen Slytherin. Während der Auror von einem Anfall aufbrausender Angst gepackt wurde, breitete sich ein erheiterndes Grinsen auf den schmalen Lippen seines Gegegnübers aus. „Du bist aber spät, meine Liebe!“ Neckte er den Wolf und dieser begann freudig zu heulen. Er kam nur schwer mit mehreren Versuchen wieder auf alle Viere, die beiden Hinteren rutschen immer wieder weg. Dann schmiegte er seinen großen Kopf an die Brust des Mannes, denn Draco war in die Knie gegangen.

Erstaunt beobachteten die grünen Augen die beiden, die so vertraut miteinander wirkten. Die Freude, die über das Wiedersehen der beiden den Raum erfüllte, ergriff nun auch ihn. Mit einem Lächeln kommentierte er den mageren Versuch des Blonden, sich vor der feuchten Zunge des Wolfes zu retten und wurde regelrecht abgeschleckt.
 

Erst als dieses Ritual beendet war und sie ein großes Stück Speck von der alten Hexe als Bestechung bekommen hatte, kam Harry zum Nachfragen. Es war seltsam, als hätte diese Dame, es handelte sich um eine Wölfin, die gesamte Stimmung in der Küche geändert, klangen mit warmer Stimme die Worte der Alten wider. „Sie ist das Findelkind dieses Bürschchens. Sie hat schrecklich krumme Hinterbeine und wurde so von ihrer Familie verstoßen. Vor zwei Jahren kam der Kerl da mit diesem winzigen, schwarzen Wollknäul an, dass fiepte und wimmerte, dass es ihm das Herz erweichte.“ Sie gackerte auf ihre bekannte Art, als der Blonde rot wurde bis unter die Haarwurzeln. „Was hätte ich denn machen sollen? Hätte ich Noir da draußen sterben lassen sollen?“ Verteidigte er sich und bei der Erwähnung des Namens wurde er erneut in Angriff genommen.

Nur wenige Minuten später saß Draco auf dem Boden an die Küchenzeile gelehnt, die Wölfin lag auf ihm und ließ sich genüsslich von ihm ihr dickes, wenn auch noch nasses Fell kraulen. Harry saß nicht unweit im Schneidersitzt auf den Fliesen, die erstaunlich warm waren. Vielleicht ein Zauber? Ein heiteres Gespräch war entstanden und als das Essen begann, erzählte Harry von seinem Patensohn. Spöttisch hatte Draco noch gefragt, wer denn so verrückt wäre und sein Kind in die Obhut eines solchen Chaoten gab. „Na wer wohl, Tonks und Remus Lupin.“ Entgegnete er und bekam eine Antwort, die entsetztes Lachen beinhaltete. „Die beiden sind zusammen? Die Welt ist verloren!“ Stichelte der Blonde nun.
 

Es waren Belanglosigkeiten, über die sie sich unterhielten. Mit einem Kopfschütteln hatte Harry beobachtete, wie die Wölfin hinüber zum Regal gelaufen war und eine Decke mit dem Maul heraus zog, die neben der Kartoffelkiste lag. Sie schleifte sie bis hinüber zum Kamin, einmal durch den Raum und trampelte so lange auf ihr herum, bis sie einigermaßen ordentlich dort lag, nur um sich dann platt drauf fallen zu lassen.

Wie selbstverständlich griff Harry nach dem Teller der alten Hexe, die sich nun von ihrer guten Seite gezeigt hatte. Offenbar war ihre schlechte Laune vergangen. Ohne ein Wort der Absprache machte er sich an den Abwasch, während Draco die verbleibenden Essensreste ordentlich verpackte. Es schien beinahe so, als wohnten sie schon seit Jahren zusammen. Dass diese Gelassenheit nicht lange halten würde, ahnte er nicht, als der Blonde nach dem Küchenlappen griff, um den Tisch abzuwaschen. Gedankenlos, von der angenehmen Stimmung ergriffen, fragte Harry. „Sag mal, du hast dich mir gestern als der Heiler Gregory vorgestellt. Was ist davon jetzt eigentlich wahr? Ich meine, bist du wirklich ein Heiler?“

Er stellte den Teller auf die saubere Fläche neben der Spüle, den er eben abgetrocknet hatte. Der schlanke Rücken des ehemaligen Slytherin war ihm zugewandt und so konnte er die aufflackernde Panik nicht in den grauen Augen erkennen. Neugierig griff er nach dem nächsten und wartete, während der Blonde lautlos ausatmete und sich zu sammeln versuchte. „Nein, kein Heiler, eher ein Kräuterkundiger mit viel Zusatzwissen.“ Antwortete er nun und unterdrückte das Beben seiner Hand, fuhr energischer mit dem Lappen über das Holz.

Lass dich retten!

18. Kapitel

Lass dich retten!
 

Die Wölfin Noir hob den Kopf, sie hatte ruhig auf ihrem Platz gelegen, doch nun spürte sie die Anspannung in ihrem Freund. „Wie darf ich das verstehen?“ Fragte er unwissend und bemerkte noch immer nicht die Spannung, die in dem nun halb russischen Magier herrschte. „Heiler werden in Hospizen ausgebildet und unterliegen einer strickten Lehre. Ihr Wissen entspricht der magischen Heilung von Wunden, sie müssen sich aber auch mit magischen Unfällen, Zaubertränken, Kräutern und dunkler Magie auskennen.“ Begann er und gewann seine Fassade wieder. Langsam drehte er sich um, sah in das offene Gesicht des sonnengebräunten Aurors. „Ein Heiler ist ein „guter Mensch“, der gewissen Gesetzen unterliegt. Ein Kräuterkundiger ist frei darin sein Wissen zu nutzen und zu helfen. Wenn er will, kann er es auch lassen. Madam Pomfrey ist eine Heilerin.“ Er schwieg kurz und versuchte ein Beispiel zu finden. „Wenn du es am gröbsten Beschreiben wolltest, Madam Pomfrey würde ihre Fähigkeiten niemals freiwillig einsetzen um einem Menschen Schmerzen zuzufügen, auch wenn es notwendig wäre um zum Beispiel an Informationen zu kommen.“

Nun wirkte der Schwarzhaarige angespannter, er ließ den letzten Teller sinken, den er gerade abtrocknete. „Und du würdest es tun?“ Wieder flackerte die Unsicherheit in den grauen Augen auf und kurz leckte sich Draco über die schmalen Lippen. „Wenn es sein müsste.“ Begann er und setzet dann ein perfektes, unschuldiges Lächeln auf. „Keine Sorge, ich habe bisher eher geholfen, als geschadet. Diese Welt hat schon genug Leid, es muss nicht noch verschlimmert werden.“ Kurz schmunzelte Harry und nickte. Er stellte den Teller auf die beiden anderen neben sich und griff nach dem Besteckt. Er lehnte leicht an der Spüle und fragte dann. „Wie kamst du dazu?“
 

Noir richtete aufmerksam die Ohren dem Gespräch zu und langsam wurde deutlich, dass sie unter der Schnauze und dem Bauch heller war. Ihre gelbbraunen Augen fixierten den ehemaligen Slytherin, der seine Maske nun perfektioniert hatte. „Ist das nicht offensichtlich? Bedank dich bei der alten Hexe hier. Sie fand mich damals und flickte mich wieder zusammen. Irgendwas musste ich ja machen und so habe ich von ihr gelernt, was ich lernen konnte. Irgendwann stieß ich im Wald auf einen kleinen Jungen, vielleicht 10 Jahre alt. Die Menschen, die in den angrenzenden Dörfern leben, wissen von ihr. Das hier ist das Ende der Welt, hier gibt es nichts und schon gar keine medizinische Versorgung. Wer wirklich Hilfe braucht, versucht sie zu finden. Die meisten sterben auf dem Weg dahin.“

Bei Harrys Entsetzen konnte er nur flüchtig schmunzeln, doch er ging nicht weiter darauf ein und führte seine Erzählungen weiter. Nun lehnte er am Tisch, verdeckte damit jedoch auch die Hexe, die sich als Baba Jaga bezeichnete. „Seine Schwester war schwanger und fieberte. Ich stellte mich ihm als Gregory vor und er fragte mich, ob ich den Wald kennen würde, ob ich ihn zu ihr bringen könnte.“ Kurz hielt der Blonde inne, hatte die Arme nun vor der Brust verschränkt und warf einen Blick über die Schulter. „Grins nicht so, du hättest sie sterben lassen. Beide! Den Jungen und seine Schwester, also, warum hätte ich ihn zu dir bringen sollen?“ Kurz hörte Harry ein kaltes Lachen und dann blickten ihn die grauen Augen wieder an.

„Sie hatte sich am Oberschenkel verletzt, ähnlich wie du, und die Infektion klang nicht ab, weil sie unter der Haut weiter wucherte. Sie war durch die Schwangerschaft zu geschwächt um sich gegen die Infektion zu wehren. Ich habe erst die Wunde versorgt, ihre Abwehrkräfte aufgebaut und dann sank auch das Fieber. Leider spricht sich so etwas herum, so war ich als der Kräuterkundige Gregory bekannt und ich darf helfen, wenn sie mit ihren eigenen Mitteln nicht weiter kommen.“ Aus dem ersten Entsetzen war ein ungläubiges Staunen geworden und dann schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. Er schien diese Geschichte kaum glauben zu können. „Ein Slytherin, ein Malfoy als Wohltäter und Helfer? Jetzt fehlt nur noch, dass du auch noch ihr Kind auf die Welt gebracht hast!“
 

Sein Lachen verklang, als Harry den ernsten Blick in den grauen Augen erkannte und das kühle Schmunzeln. „Es gibt Dinge, die sich nicht beeinflussen lassen. Ich kann mir ihrer ewigen Dankbarkeit sicher sein.“ Nun entglitten dem Auror wirklich die Gesichtszüge und er legte das Geschirrtuch zur Seite. „Du willst mir erzählen, dass du… dass du wirklich…“ Doch er konnte den Satz nicht zu Ende bringen.

Hinter der kalten Fassade aus Überheblichkeit brach die Unsicherheit mit einer Mischung aus Panik die innere Stärke in kleine Splitter auf. Weder im Blick noch in jeder Regung des ehemaligen Suchers konnte man diese Angst erkennen, doch sie brodelte wie Gift tief in seiner Seele. „Ja, ich erzähle dir wirklich, dass ich in den letzten drei Jahren fünf gesunde Kinder auf die Welt gebracht habe und das auch noch ausschließlich von Muggelfrauen!“ In seiner Stimme war die innere Zerrissenheit nicht zu hören und nun stand Harry der Mund offen. Er hob die rechte Hand, öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, schwieg dann aber wieder.

„Puh… ok… und ich dachte, es wird nicht schlimmer!“ Gab er zuerst von sich, fuhr dann mit beiden Händen durch seine schwarzen, wilden Haare. „Dafür musst du mir eine Weile geben. Ich meine, also… nicht dass… es ist nur so… irgendwie warte ich noch auf den Moment, an dem du mir erzählst, dass das ein ebenso dummer Scherz ist, wie mit dem Brief heute Morgen.“ Stammelte er verwirrt und stieß noch einmal die Luft aus, während er die Hände im Nacken verschränkte. „Das ist kein Scherz oder?“ Sah er noch einmal bedeutend zu dem Blonden.
 

„Nein, das ist keiner.“ Die Kälte konnte er immer schwerer nach außen hin verbergen, die sich als schützende Schicht aus Eis über seine Seele legte. Er selbst kam mit der Reaktion nicht zurecht, die ihm nun entgegen getragen wurde. Kurz leckte er sich über die Lippen, sein Kopf schien leer. „Wäre es dir lieber, wenn ich weniger Leben retten würde und sie eher umbringen?“ Fragte er nun provokant und die aufgewühlten Gefühle entzogen sich dem Ton. Selbst Harry bemerkte jedoch nun die verletzte Distanz in diesen Worten. „Nein, nein! Auf keinen Fall! Ich finde es gut! Ich meine, wenn es etwas ist, das dir Freude bereitet, dann ist das gut! Ich… ich kann es mir nur wirklich nicht vorstellen.“ Kurz holte der sonnengebräunte Auror Luft und fügte noch an. „Wir haben uns das letzte Mal zu Schulzeiten gesehen und da warst du der arrogante, reinblütige Mistkerl, der schon mit „Schlammblütern“ nicht zu Recht kam und jetzt rettest du das Leben von Muggeln! Das ist ein…“ Er holte Luft, gestikulierte mit den Händen, als könnte er mit den Fingern die richtigen Worte aus dem Raum fischen. „… es ist ein großer Unterschied und ich versuche schlicht zu begreifen, dass ich wirklich nichts über dich weiß.“

Sein Lächeln blieb ein kläglicher Versuch und verlegen rieb er sich mit der rechten über den Nacken. „Ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen, es ist nur…“ Er wich dem Blick des anderen aus, der so bohrend und kalt wirkte. „… gerade von dir hätte ich das nicht erwartet. Aber so, wie du gestern meinen Arm verbunden hast, sollte mich das gar nicht so überraschen.“ Ein sanfter Ausdruck trat plötzlich in sein Gesicht und dann fand er den Mut und sah wieder hinüber zu dem Mann, in den er sich trotz all der damaligen Bosheiten verliebt hatte.
 

Eine andere Stimme unterbrach ihn und Harry blinzelte verwirrt. „Nun ist aber gut. Lassen wir mal den ganzen Tratsch. Ich hatte nicht vor ewig zu bleiben und du hast da noch etwas von mir, Prinzesschen!“ Trotz ihrer Art hatte diese Stimme etwas Anziehendes und ohne es verhindern zu können trat der Schwarzhaarige näher an den Tisch, seitlich zu Draco. „Ich?“ Fragte er irritiert, an die weibliche Bezeichnung hatte er sich schon gewöhnt. Die graubraunen Augen funkelten und ihr altes, faltiges Gesicht verzog sich, dass die Vertiefungen im Kerzenlicht zu feinen, pechschwarze Schatten wurden. „Ja, du musst noch meine Kette haben, mein Armband.“

„Oh…“ Kam von ihm und mit dieser Erinnerung stießen die Worte Bellatrix wieder in ihm auf. Doch dieses Mal flüsterte sie ihm zu, wie er nur glauben könnte, dass sie noch irgendetwas gemeinsam hatten. Er war Auror, er war der Tod im Auftrag des Ministeriums, denn mehr war dieser Beruf in diesen Jahren nicht. Draco hingegen rettete Leben, tötete sie nicht, so wie er. Dummer Junge! Flüstere sie ihm zu und ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. Dennoch entgegnete er selbstsicher. „Sie müsste noch oben im Zimmer liegen. Ich hatte sie ja verloren.“

Die Aufgabe folgte direkt und sie hob ihre mit Flecken übersäte Hand, die vielen Armbänder klirrten leise. „Na, dann auf, auf und hol sie mir!“ Die alten Augen funkelten und sie trugen eine seltsame Art Schalk in sich. „Ähm… ja, klar, kann ich machen.“ Gab er nur verwirrt und leicht überfordert von sich. Noch immer hatte ihn das Geständnis des anderen so aus der Bahn geworfen, dass er keinen Widerstand dagegen aufbaute.
 

Mit einem Nicken ging er zur Tür und als er sich noch einmal flüchtig umdrehte, fraß sich die Intuition wie ein lechzendes Feuer in die aufgewühlte Leere seiner Gefühle und brannte sich in seinen Verstand. Nachdenklich griff er nach der Klinke, warf noch einen Blick über seinen Mantel, der neben dem schwarzen Umhang hing. Dieser schien feucht und kurz fragte er sich, wann Draco draußen gewesen war. Anscheinend hatte er sich an diesem Morgen noch einmal auf den Weg gemacht, an einen Ort, der ebenso ein Geheimnis blieb, wie die vielen unbekannten Stücke seines Lebens.

Schweigend zog er die Tür hinter sich zu und wartete. Das war nicht fair. Er wollte das nicht. Aber eine seiner großen Gaben, seine größte Fähigkeit war immer seine Intuition gewesen. Sie machte ihn zu einem so guten Auror. Mit zitternder Hand griff er nach seinem Zauberstab und mit bebenden Lippen sprach er lautlos den Zauber. Er drehte sich nicht um, er konnte nicht. Die Tür hinter ihm war durch keine magischen Vorkehrungen geschützt und so legte sich der Lauschzauber auf das Holz.
 

„Ich frage jetzt nicht, wie es dir geht. Sag mir einfach, wie beschissen es ist.“ Es war die Alte, sie schien den Geräuschen nach aufzustehen. Das Schaben der Holzfüße über den Boden erklang. Einen Moment herrschte Schweigen, nur ihre schweren Schritte waren zu hören und dann sprang der Wolf auf. Er gab ein Winseln von sich und schien kurz darauf seinen Kopf an den Stoff von Dracos Kleidung zu schmiegen.

„Irgendwo zwischen „Bring mich auf der Stelle um“ und „Ich will schreiend davon rennen“!“ Antwortete der Blonde nun und das Zittern seiner Stimme war so deutlich. Angst klang in seinen Worten mit, Angst, die Harry nicht verstand. „Warum?“ Schwer sog Draco bei seiner eigenen Frage die Luft ein und dem schluchzenden Geräusch nach zu urteilen mussten ihm Tränen über die Wangen laufen. „Ich wollte nicht, dass er hier ist. Ich… ich weiß ja nicht einmal… ich meine… ich… ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll!“ Brachte er regelrecht gequält von sich und innerlich erschüttert presste Harry die Hand auf seinen Mund. Was bitte geschah da auf der anderen Seite der Tür?

„Ich bin so wütend, ich bin so unglaublich wütend! Ich will ihn verletzen, ich will ihn für all das bestrafen, was er getan hat! Ich will ihn dafür leiden sehen, dass er mich nie hat gehen lassen! Ich will ihn dafür leiden lassen, dass er einfach so hier aufgetaucht ist. Aber… er… ich… ich liebe diesen verfluchten Kerl noch immer!“
 

Jetzt war sich Harry sicher, dass der Blonde weinte und schwer schnappte dieser nach Luft. Er war aufgewühlt, völlig überfordert mit der Situation und in seiner Stimme klang all dieses mit. „Ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe! Ich kann nicht eifersüchtig sein! Wie denn? Ich bin gegangen! Ich bin gegangen und habe gesagt, dass ich nie wieder komme! Ich hatte nicht einmal den Mut ihm offen meine Liebe zu gestehen! Und jetzt kann ich es auch nicht! Stattdessen werfe ich ihm Dinge vor, für die er nichts kann, versuche ihn von mir zu stoßen und belüge ihn.“ Bebend ließ Harry den Zauberstab sinken, drehte sich langsam zum Holz der Tür um. Das dämmrige Licht fiel aus einem Fenster über der Haustür in den Flur und aus dem angrenzenden Salon, welcher unverändert offen stand.

„Sch… das weiß ich doch alles. Atme tief durch, beruhige dich. Jetzt kannst du eh nichts mehr ändern. Er ist hier. Er weiß von dir.“ Sie sprach sanft und mit mütterlicher Stimme, als beruhigte sie einen kleinen Jungen. Wütend biss sich Harry auf die Unterlippe und legte seine linke Hand auf das Holz. Nie hatte er sich so weit von ihm entfernt gefühlt. Diese Grenze zwischen ihnen, dieses einfache Portal aus Brettern wirkte wie eine Dimension, wie eine gesamte Welt, die sich zwischen sie geschoben hatte.

„Ja, er ist hier und ich habe das Gefühl ihn jeden Augenblick mehr zu verlieren! Du hast gesehen, wie er reagiert hat und dabei weiß er nur das Gute über mich. An meinen Händen klebt mehr Blut, als ich jemals abwaschen kann. Ich bin kein guter Mensch! Ich…“ Doch ihre Stimme unterbrach ihn bestimmt. „Nein, du fängst nicht auf diese Weise damit an! Er ist Auror, glaubst du wirklich, dass er keine Leichen im Keller hat? Er ist mit für den Tod von Bellatrix verantwortlich!“
 

Immer weniger verstand der Schwarzhaarige und doch wünschte er sich nichts sehnlicher als das. Zitternd verstaute er seinen Zauberstab, lehnte sich mit der Stirn an das Holz und schloss die Augen. Warum war er so weit von ihm entfernt? Warum konnte er ihm nicht helfen? Warum konnte er ihn nicht beschützen? Warum war er in diesem Märchen nichts weiter als die dumme Prinzessin, der man offenbar nichts zutraute, der man nichts erzählte, die einfach nur gut aussehen durfte und dann abgeschoben wurde?

„Und was bin ich?“ Donnerte nun die völlig aufgewühlte Stimme auf der anderen Seite und die Wolfsdamme stieß ein bellendes Heulen aus. „Sag mir, was ich bin! Wenn du dir so sicher bist, dass ich im Unrecht bin, dann sag es mir! Dann sag mir, was ich bin!“ Verwirrt hob Harry den Kopf. Die Art, wie Draco diesen Satz wiederholte, schreckte etwas in ihm auf. Da war ein Unterton, eine Verzweiflung, die mehr zu sein schien. Gleichzeitig wurde ihm die Fragestellung bewusst, nicht „wer“ ich bin, sondern „was“ ich bin!

„Du bist kein schlechter Mensch! Du bist ein Kräuterkundiger, du bist Draco Malfoy!“ Entgegnete sie ihm mit fester Stimme und ließ sich nicht einschüchtern. „NEIN!“ Wut, Verzweiflung und eine Art der Abscheu klangen in diesem geschrienen Wort mit. Harry wich von der Tür zurück, sein Instinkt hatte ihn gewarnt ohne zu sehen, was dort geschah. Ein lautes Geräusch hatte selbst die Wölfin aufgeschreckt, als wäre der Tisch über den Boden geschlittert und Stühle umgefallen. „Das bin ich nicht! Das weißt du genau!“ Doch seine Gegenwehr wurde bedächtig geringer. Nun schien er seine Kraft in diesem Poltern erschöpft zu haben und doch war er immer noch aufgewühlt. „Du bist ein guter Mensch, Draco Malfoy! Das werde ich dir so lange sagen, bis du es mir glaubst. Du kennst mich, du weißt, was ich getan habe. Also, sag mir, kannst du es mit meinen Taten aufnehmen?“ Nun war es ein provokanter Zug, der in ihrer Stimme lag.
 

„Nein, мастер! Das kann ich nicht.“ Die Resignation war deutlich zu hören, als wäre ein Teil in dem Blonden gebrochen, als wäre er aller Kraft beraubt. Nun war es wieder der mütterliche Ton, der ihn aufzubauen versuchte. „Beruhige dich, atme tief ein und aus. Du kannst nichts an der Situation ändern. Gib ihm die Chance selbst zu entscheiden. Zeige ihm, wer du bist und warte ab, ob er geht oder bleibt!“ Was auch immer sie damit meinte, es war ein zerfressendes Gefühl, die Unwissenheit, die Verständnislosigkeit, die er nun empfand, zerrissen seine Seele beinahe. Welches Geheimnis trug der Mann in sich, dass er es ihm verschweigen „musste“? Was bewegte ihn so sehr, dass er sich dafür schämte, dass er Angst hatte, dass der Mann wieder gehen würde, der ihn so viele Jahre gesucht hatte? Von all diesen Zweifeln, Fragen und Ängsten beseelt umklammerte er den Türgriff und konnte sich nur schwer zurückhalten. Er wollte dahin, er wusste wissen, was da drüben geschah!
 

Schließlich fasste er einen Entschluss. Er musste wissen, was da drinnen geschah! Er musste wissen, wie es Draco ging! Mit einem Ruck drückte er die Tür auf und trat so ruhig wie möglich ein. Der Tisch war bis vor den Schrank gerückt, aus dem er vorhin Teller und gestern den Whisky geholt hatte. Die meisten Stühle waren umgefallen und der Wolf lag auf dem Boden vor Dracos Füßen. Als sich die Tür öffnete, hob sie gleich den Kopf und gab ein kehliges Knurren von sich. Draco stand mit dem Rücken zu ihm und mit nur mäßig fester Stimme fragte der 25 Jährige. „Was willst du mir nicht sagen?“

Ein Zucken ging durch den schlanken Körper, kurz schien er zu erstarren und die kalten Augen der alten Hexe fixierten Harry, der noch am Eingang stand. Jedoch würde ihm Draco auch dieses Mal wieder nicht antworten, denn ohne ein weiteres Wort löste sich der Blonde einfach auf und verschwand. „Nein!“ Rief er noch, doch da war der Mann disapperiert. Verschwunden! Einfach so! Wieder! Entsetzt starrte Harry auf die Stelle, an der noch eben der Mann gestanden hatte, nach dem er sich all die Jahre sehnte.

Nun starrte der Auror in das verstimmte Gesicht der alten Frau, die kräftig die Luft ausstieß. Sie wirkte aufgebracht und wütend, griff mit ihren Händen nach dem Stuhl, der als einziges noch stand. Als sie sich setzte, schien all diese Anspannung zu fallen und ein müder Ausdruck breitete sich in ihrem Gesicht aus. Die Wölfin hatte sich erhoben, schwer, ihr linkes Hinterbein rutschte auf den Fliesen immer wieder fort und dann setzte sie sich auf den Boden neben den Stuhl, legte den Kopf auf den Schoß der alten Frau.
 

„Hohl den Whisky und stell die Stühle wieder ordentlich hin, Prinzesschen…“ Brummte sie zu Harry hinüber, der noch immer zu keiner weiteren Reaktion fähig war. Blinzelnd warf er noch einmal einen Blick über die verschobenen Möbel und schweigend trat der Schwarzhaarige ein. Ein Schauer lief über die Arme des jungen Mannes, als er nach dem Tisch griff. Es war nicht einfach dieses wuchtige Stück wieder an seinen angestammten Platz zu schieben und innerlich war er zu erschüttert um wirklich zu begreifen, was hier geschehen war. Noch immer hörte er die fordernde Stimme des ehemaligen Slytherin, der unentwegt verlangte: „Sag mir, was ich bin!“

Es gab mehr Fragen, als er in diesem Moment erfassen konnte und mit einem Schlucken griff er nach dem nächsten Stuhl. Wo war der Kerl jetzt schon wieder hin und käme er wieder?
 

Wie lange er brauchte, wusste er nicht. Mürrisch stellte er zwei Gläser auf den Tisch und füllte sie. Eines schob er zu ihr hinüber und mit einem Nicken bedankte sie sich. Sie griff nach ihrem und leerte es beinahe mit einem Schluck ganz. Der Auror hingegen hielt sich eher an seinem fest, betrachtete die goldene Flüssigkeit darin, in der sich das Licht der Kerzen brach.

Eine ganze Weile verging, doch die Alte schwieg. Schließlich hob er den Blick um ihr mit Falten überzogenes, bleiches Gesicht zu mustern. „Was hat er damit gemeint? Was wollte er… was konnte er mir nicht sagen?“ Fragte er unsicher und sie griff nach der Flasche. Unter dem wollenen Ärmel der Stickjacke kamen wieder ihre vielen Armbänder zum Vorschein. „Oh, das ist schwer in nur einem Satz zu sagen.“ Brummte sie und zog den Korken heraus. Sie schenkte sich noch einmal ein, die goldbraune Flüssigkeit stürzte gluckernd in das kleine Glas und fasziniert beobachtete Harry, wie der stete Strom schwappte und immer weiter an der Gefäßwand empor stieg.

„Lass mich darum etwas weiter ausholen.“ Müde stützte sie sich mit beiden Ellenbogen auf den Tisch und die Wölfin legte sich mit gespitzten Ohren neben sie auf den Boden. Der Auror hatte noch nichts von seinem Glas angerührt. „Als ich Draco fand, war er mehr tot als lebendig! Bellatrix hatte ihn niedergeschlagen, gefoltert, den Rücken zerfetzt und ihm das Dunkle Mal aus dem Arm gebrannt. All das sind Dinge, die ich heilen kann! Sehr gut sogar!“ Sie schwenkte die Flüssigkeit in ihrem Glas und ein Glitzern breitete sich auf dem Tisch aus. Die kleinen Lichtfunken kreisten tanzend auf dem Holz und Harrys Blick wurde von ihnen gefangen.
 

„Aber sie hat ihm etwas genommen, das ich als Glauben an sich selbst bezeichne. Es ist mehr als Selbstvertrauen, mehr als ein Selbstwertgefühl. Es ist das eine, das was uns bestimmt, das Tiefste, das Reinste, der Grundstein unserer selbst.“ Sie hielt kurz inne und erkannte in dem Blick der grünen Augen, dass er nicht verstand. „Dieses Weib muss erfahren haben, dass er in dich verliebt ist. Sie hat es wahrscheinlich in den Stunden trauter Zweisamkeit aus ihm heraus geprügelt. Wirf dieser Frau viel vor, aber niemals, dass sie dumm ist! Ihr war bewusst, dass sie euch beide damit erwischen kann. Wenn sie Draco ermordet und seinen Kopf vor eure Füße legt, hat sie dich und deinen Lehrer gleich mit. Das Severus Snape es war, der den Dunklen Lord umbrachte, weiß sogar hier jeder.“ Sie gackerte kurz, als sie das Missverstehen in seinen Augen aufblitzen sah.

„Draco entkam ihr, weil ein anderer Auror Bellatrix entdeckt hatte. Anscheinend war dieser ihrem Partner Rudolphus gefolgt. Eine Frau wie sie unterscheidet ab einem gewissen Punkt nicht mehr, ob sie tötet oder nicht. Wenn sie weiß, dass der Schaden groß genug ist und sie schon ausreichend gequält hat, überlässt sie das auch jemand anderem. Sie ließ das Gerücht verbreiten, dass sie einen großen Schatz versteckt hätte und dieser auf den Kopf deines Freundes ausgesetzt wäre. Wenn man ihn umbrächte, würde man alles erfahren, um an diesen Berg aus Gold zu kommen. Gold ist das Mittel, mit dem man als Verfolgter am meisten anfangen kann. Genügend Gold öffnet dir Tür und Tor.“ Sie setzte ihr Glas noch einmal an und nachdenklich schloss Harry die Augen. Er hatte nie etwas davon gehört. Er hatte nie etwas der Gleichen erfahren.
 

„Niemand würde dir das sagen, Prinzesschen, nicht solange der Kerl noch lebt!“ Sie gackerte so kalt, dass dem Auror ein Schauer über den Rücken jagte. Er blickte sie an und wieder war da diese seltsame Mischung aus grausamer Frau und liebevoller „Großmutter“? Schweigend schob er sein noch immer volles Glas ein Stück auf den Tisch stieß langsam die Luft aus.

„Sie kamen und ich tat etwas, dass vielleicht falsch gewesen ist. Das Bürschchen hatte Angst! Schreckliche Angst und doch kämpfte er dagegen. Er zwang sie zurück, stellte sich ihr. Zu Anfang konnte er nicht einmal mit dem Rücken zur Tür stehen. Wer weiß schon, wer alles überraschend den Raum betritt. Er umklammerte seinen Zauberstarb, wenn er schlafen ging.“ Die alte Stimme hatte einen belegten Klang angenommen und ihre graubraunen Augen wirkten plötzlich matt. „Ich lehrte ihn alles, was ich ihn lehren konnte und er sog das Wissen beinahe wie ein Schwamm auf. Ich lehrte ihn Wunden zu heilen, zu versorgen, Brüche zu richten, Knochen wachsen zu lassen, Fieber zu senken… und ich lehrte ihn zu kämpfen. Ich lehrte ihn sich zu verteidigen! Und er lernte zu töten!“

Erstaunt hob Harry den Blick und fragte beinahe reflexartig. „Wie bitte?“ Sie grinste und ihre schiefen Zähne kamen zwischen den schmalen, trockenen Lippen zum Vorschein. Das Funkeln in ihren Augen hatte etwas Spöttisches. „Ja, du hast richtig gehört. Zu Beginn versuchte er seine Verfolger, und es waren viele, abzuschütteln, er versteckte sich, floh vor ihnen und versuchte alles, um sie von seiner Spur abzubringen. Nachdem er ungefähr ein Jahr bei mir war muss er zu dem Entschluss gekommen sein, dass sie immer wieder kommen werden. Es gibt nur eine Alternative.“
 

Jetzt griff Harry doch nach seinem Glas und setzte es an. Er nahm einen kräftigen Schluck und der warme Whisky brannte in seinem Rache, sickerte feurig hinab in seinen Magen und er verzog das Gesicht. Kalt schmeckte er besser. „Er hat sie alle umgebracht!“ Ein Kratzen in seiner Kehle breitete sich aus, wurde zu einem Husten bei ihren Worten und dann klang das herablassende Lachen in seinen Ohren.

„Der Junge, der dich zurückließ, ging damals um Leben zu beschützen! Jetzt tötet er sie! Menschen sind nicht dafür geschaffen! Es zerreißt ihre Seele und besonders eine so empfindsame wie die Dracos!“ Ungläubig starren die grünen Augen sie an, doch er wollte sie nicht unterbrechen. „Verstehst du das immer noch nicht? Seine Seele ist in zwei Stücke zerrissen, eine gute und eine schlechte! Draco ist als Malfoy geboren und als Slytherin aufgewachsen. Wie soll ein solcher Mensch akzeptieren, dass er nun Heiler ist, dass er Menschen, dass er Muggel rettet, sich um sie sorgt, sich um sie kümmert, ja, dass er ihnen hilft ihre Kinder auf die Welt zu bringen? Er verabscheut sich dafür, er hasst sich dafür! Wie aber soll ein sanftmütiger Kräuterkundiger, ein Heiler verstehen, dass an seinen Händen Blut klebt? Er bringt Menschen um, er schneidet ihnen hinterrücks die Kehle auf und in seinen Augen ist kein Gefühl, wenn sie röchelnd vor ihm in die Knie gehen. Als wäre er ein gänzlich anderer Mensch!“
 

Noch immer konnte er nicht verstehen, was sie ihm da sagte. Sein Verstand begriff es, doch er wollte es nicht akzeptieren. „Der Glauben an uns selbst sorgt dafür, dass wir unser Handeln in einen Einklang bringen. Man kann Auror sein und für den Tod von Menschen die Verantwortung tragen, aber dennoch ein liebevoller Familienvater sein. Dieser Glauben an uns selbst lässt das zu. Es erklärt unsere Handlungen und macht uns klar, dass die Toten ein Übel sind, dass nicht verhindert werden kann.“ Sie grinste, doch ihre Augen waren von einem Schleier aus Trauer überzogen. Harry schluckte.

„Draco kann das nicht. Er kann nicht verstehen, wie er Menschen rettet und gleichzeitig tötet. Diesen Zwiespalt versucht er mit sich zu vereinen, indem er aus seinem notwendigen Decknamen eine eigene Person geschaffen hat. Draco Malfoy repräsentiert all das Böse, das Grausame. Gregory hingegen darf Schwäche zeigen, Mitgefühl empfinden und ihm können die Unterschiede zwischen Magiern und Muggeln egal sein.“

Während sie erneut nach der Flasche griff, starrte der Schwarzhaarige in sein noch immer nicht leeres Glas. „Er weiß nicht, wer er ist. Es ist manchmal beängstigend. In einem Augenblick schneidet er einem Mann gefühllos die Kehle durch und wenige Momente später wird ihm übel und er muss sich übergeben, weil ich einem Hasen das Genick breche, um ihm das Fell über die Ohren zu ziehen. Er kann nicht einmal Speck essen!“ Wieder lachte sie und kurz sah Harry zu ihr auf. „Dann… dann war es Draco, der mir den Brief heute Morgen hinterlassen hatte und Gregory, der eben… der eben davon gelaufen ist?“
 

Kurz hielt sie inne, ihre krummen Finger drehten den Korken bevor sie ihn wieder auf den Hals der Flasche steckte. „Ja, so kann man das ausdrücken. Dieser Dummkopf weiß schlicht nicht, wie er sich dir gegenüber verhalten soll. Bei mir ist es egal, er weiß genau, dass ich ihn nehme, wie er ist und dass ich ihn schon auf die passende Größe stutze, wenn er es übertreibt. Aber bei dir hat er keine Ahnung. Er konnte nicht zu dir zurück, weil er nicht weiß, wer dir gegenüber stehen würde.“

Verwirrt setzte sich der Schwarzhaarige auf. „Das ist doch aber völliger Schwachsinn!“ Protestierte er und die weißen Augenbrauen hoben sich. „Sag das nicht mir! Ich weiß das! Draco weiß es auch! Aber seine eine Seite kann die andere nicht akzeptieren und umgekehrt! Ich habe versucht, was ich konnte, aber nichts hat geklappt. Er ist sich dessen bewusst, dass Draco und Gregory ein und die selbe Person sind. Es gibt keine zwei Persönlichkeiten. Es ist eine Schutzmechanismus, den unser Gehirn nutzt, wenn es mit etwas wirklich Traumatisierendem nicht zurechtkommt. Dann schafft der Verstand eine Persönlichkeit, die stärker, erwachsener ist, um die Situation zu verarbeiten. Das ist etwas, dass nie wieder rückgängig gemacht werden kann. Es ist das gleiche Prinzip, aber es ist keine so endgültige Trennung. Ich kann ihm nur nicht weiter helfen.“

„Das ist nicht alles oder?“ Fragte Harry plötzlich, dessen Intuition wieder wie ein Feuer in ihm aufbrannte. Eine unangenehme Hitze kroch seinen Rücken mit einem grausamer Schauer der Vorahnung empor und als er ihr Nicken sah, ergriff ihn ein flüchtiges Beben. „Was denkst du, sieht Draco Malfoy ohne seinen Schutzzauber? Was zeigt ihm dieser Wald? Was ist seine größte Angst?“
 

Die Kälte hatte ihn längt ergriffen, die Flocken aus Schnee bildeten einen leichten Nebel, der die Sicht erschwerte. Die kahlen Bäume waren nur noch Schatten, sie ragten mit ihren langen, dürren Ästen wie Skelette aus dem schummrigen Licht. Er stand wieder hier, hier an dem Ort, an dem er zum ersten Mal diesen Wald betreten hatte. In den letzten Jahren war er kein einziges Mal zurück gekehrt. Er mied diesen Platz, wie der Teufel das Weihwasser! Schon jetzt waren seine Lippen leicht bläulich, in Russland fielen die Temperaturen im Winter grausam tief. Er trug nur einen Pullover, seine Stiefel boten ihm wenigstens ausreichend Schutz. Seine Wangen brannten unter der Kälte, die Tränen waren erfroren. Er wusste, dass er da war. Er war immer da! Er hatte ihn nie verlassen… er war immer geblieben.

Der Atem gefror in der Luft, wurde zu kleinen, weißen Wolken. Mit zitternder Hand schob er den Stoff seines Ärmels in die Höhe und die bunten Linien kamen zum Vorschein. Er legte seine Linke auf die schwarze Tätowierung und die Angst stach aus den grauen Augen hervor. Tief sog er die Luft ein, spürte den stechenden Schmerz in seinen Lungen. Sie war zu kalt. Lautlos sprach er die Worte, die den Zauber wieder lösten und die Linien verblassten. Nur die farbigen blieben zurück. Er konnte ihn spüren, er konnte seinen Atmen hören.

Lautlos bewegte sich das Tier durch den Schnee und das Gold seines Geweihes glitzerte. Langsam kam er näher, der Hirsch setzte majestätisch einen Schritt vor den anderen, den Kopf erhoben. Sein weißes Fell ging in den Flocken beinahe unter, doch die grünen Augen starrten ihn an. Es waren die gleichen Augen, die ihn noch vor kurzem so voller Wut, Angst und auch voller Sanftmut angesehen hatten. Voller Dankbarkeit, voller Freude und voller Schmerz. „Nein…“ Flüsterte er und Tränen stiegen in die von Panik glänzenden Augen. „Nein….“
 

„Er ist nicht wie du. Du musst immer kämpfen. Selbst deine größten Ängste bieten dir die Möglichkeit auf einen Kampf. Du hast vor so vielem Angst, du siehst so viel und der Wald weiß gar nicht, was er dir alles zeigen soll, weil er so viele Möglichkeiten hat. Draco hingegen… er hat nur eine Angst. Er sieht nur eines immer und immer wieder.“

Erstaunt blinzelte Harry und die Antwort kam so schnell, dass er von sich selbst überrascht war. „Der Hirsch mit dem goldenen Geweih!“ Die Alte nickte und doch verstand der Auror den Zusammenhang nicht. „Was macht dieser Hirsch, dass Draco solch eine Angst vor ihm hat?“ Doch ihrem Blick folgte ein kalter Schauer der Vorahnung und Harry schluckte. „Wer ist dieser Hirsch?“

Ihr Lachen erfüllte die Luft. „Musst du das wirklich fragen, Harry Potter?“ Sie griff nach ihrem Glas und lehnte sich zurück. Von ihrem Platz funkelte sie ihn aus ihren alten Augen wissend an. „Wer hat als Patronus einen Hirsch? Ein Tier, welches als der König der europäischen Wälder angesehen wird, mächtig, stark, anmutig. Lange Jahre hin ohne einen Gegner und selbst die Wölfe, die ihm zur Gefahr werden könnten, scheuen sein mächtiges Geweih, seine harten Tritte, denn er kann sie töten. Doch sein Wesen ist ruhig, stolz und gelassen, freundlich und sanftmütig. Und ein Hirsch wie dieser mit goldenem Geweih, als wäre es die Krone der Welt, mit weißem Fell, als wäre seine Seele so rein wie der Schnee, so unschuldig wie die eines neugeborenen Kindes…“
 

Mit festen Schritten kam das Tier näher. Die grünen Augen musterten den Mann, dem die Tränen über die Wangen liefen. Der große Kopf beugte sich vor, die warme Zunge leckte über die kalte Haut. Er war nie gegangen, er hatte ihn immer begleitet, auch wenn der Blonde ihn nicht sah. Er war immer da!

Aufmunternd stieß die Schnauze des Tieres gegen die Brust des Mannes, der völlig unfähig zu einer Reaktion war. „Nein….“ Schluchzte er und dann knickten seine Knie ein. Er fiel in den Schnee und seine Stimme brach sich schreiend in der Luft. Lautlos fiel der Schnee zu Boden und die grünen Augen musterten ihn sanft. Die zitternden Hände verbargen das blasse Gesicht und alle Kraft wich aus dem bebenden Körper. Draco war am Ende, er konnte nicht fliehen, er konnte nicht glauben, er konnte nicht hoffen. Er würde es niemals schaffen. Er würde niemals stark genug sein! Niemals!

Fell zog sich über die immer kleiner werdende Gestalt, die sich nun unter Schmerzen zusammenkauerte. Seine Stimme war erstickt, die Tränen versiegt, weißes Fell überzog den kleinen Nager. Mit solch einer unerschütterlichen Wärme sah der Hirsch auf das kleine, weiße Frettchen herunter, welches sich bebend und zitternd zusammen rollte. Langsam ging das majestätische Tier zu Boden und legte sich neben den kleinen Fellball. Der Hirsch bettete seinen Kopf dicht neben den Nager, zog ihn so näher an sich, um ihn zu wärmen.
 

„Aber… was… wenn ich dieser Hirsch sein soll und wenn ich nichts tue, dass ihm weh tut, wovor hat er dann Angst?“ Etwas schnürte Harry die Brust zu, ließ ihn ahnen, dass die Antwort schrecklich sein musste. Warte, hatte Draco vorhin nicht gesagt, dass er ihn leiden sehen wollte, weil er ihn nie frei gelassen hatte? Meinte er das damit?

„Dieser Hirsch ist immer da, will ihm immer helfen, ihn immer beschützen und sieht in ihm einen Partner, einen Freund, einen Gleichgesinnten. Das Grausame an dieser Angst ist nicht der Hirsch, es ist seine Existenz und es ist das, was Draco noch sieht.“ Langsam wurde Harry unruhig, was bitte sollte das sein? Was verschwieg sie ihm? Aufgebracht stieß er den Stuhl zurück und schlug mit beiden flachen Händen auf den Tisch. „Was ist es? Wovor hat er solche Angst?“

Ihr Lachen war so unpassend und doch war ihm klar, dass sie sich über ihn lustig machte. Er verstand nicht und sie glaubte, dass es offensichtlich war. „Es gibt keine Welt, es gibt keine Zeit und es gibt kein Universum, in dem ein Hirsch wie dieser, ein solche mächtiges, wunderbares Tier auf der gleichen Ebene steht wie ein winziges, erbärmliches Frettchen, ein Räuber, ein Fleischfresser, der die Nester kleiner Tiere plündert und ihre Kinder frisst. Ein kleiner Aasfresser, der nur Gnadenhalber als „Raubtier“ gilt, der in der Dämmerung herumschleicht und den man wegen seines Fells im Winter erschlägt und im Sommer einfach so, weil man Freude daran hat. Er glaubt, dass er es niemals wert sein wird von dir geliebt zu werden. Seine Angst beruht auf dem Hass, den er sich selbst gegenüber hegt, den er aus seiner Zerrissenheit nicht überwinden kann und mit deinem unerschütterlichen Glauben an eure Liebe nährst du seine Angst jeden weiteren Herzschlag.“
 

Ihre Worte verklangen in der Luft und die grünen Augen starren sie an. Eine Weile schwieg er, als müsste er erst verstehen, was genau sie ihm da sagte. Draco hasste sich und war der Meinung, dass er so wertlos war, dass er seine Liebe nicht verdient hatte? Doch bevor all dieses tief in seinen Verstand gesickert war, sprach sie weiter. „Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder bringe ich dich um und warte darauf, dass seine Wunden wieder heilen werden oder ich vertraue darauf, dass du das Unmögliche wahr machst und ihn liebst, mehr als ein Mensch zu lieben fähig ist. Dass du ihm mehr Geduld schenkst, als ein Mensch aufzubringen in der Lage ist und dass du ihm mehr vergibst, als ein Mensch zu vergeben fähig ist. Wenn du dich für ihn entscheidest, werden die schwarzen Tage kommen. Es werden kleine dunklen sein, sie werden schwärzer sein, als du sie dir vorzustellen vermagst. Er wird dich hassen, er wird dich verletzen, er wird dich verstoßen und ich kann dir nicht versprechen, dass diese Tage jemals enden werden.“

Schwer sog er die Luft ein und Dracos Worte klangen in seinen Ohren wider. Er musste akzeptieren, dass die Baba Jaga immer Recht hatte! Sie würden kommen, diese schwarzen Tage und er konnte sich nicht einmal vorstellen, wie sie sein würden! Angst ergriff sein Herz und alles schrie in ihn auf, dass sie log! Doch etwas wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Bellatrix hatte diesen Mann zerrissen und er konnte nicht einmal sagen, ob er ihn noch… nein, warte…

Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er seinen Kopf entscheiden ließ. Aber sein Herz… sein Herz liebte ihn noch immer! Sein Herz fürchtete sich nicht vor den schwarzen Tagen, sein Herz fürchtete sich davor ihn zu verlieren! Er kannte diesen Mann nicht, aber er WUSSTE, dass sein Herz noch immer das selbe war! „Wo ist er?“
 

Die alte Hexe zuckte mit den Achseln und deutete zum Fenster hinaus. „Irgendwo da draußen.“ Antwortete sie ihm und nur einen Augenblick später hatte er den Stuhl umgeworfen und umrundete den Tisch. Schnell griff er nach seinem Mantel, der an der Innenseite der Küchentür hing. Er warf ihn förmlich über, zerrte den Schal aus der Tasche heraus und wickelte ihn nur flüchtig um seinen Hals. Dann packte er schon den Umhang des anderen, um den Schritt zur hinteren Tür zu leiten.

„Noir! Such ihn!“ Die Wölfin riss den Kopf in die Höhe und ohne noch einmal zu zögern oder zu der alten Hexe aufzusehen, die diesen Befehl erteilt hatte, schlitterte die Wölfin über den Boden. Ihre Hinterbeine kamen nicht mit, so zog sie ihren gesamten Körper über die Fliesen. Harry hatte die Tür schon geöffnet und dort fanden ihre Krallen an der Bodenschwelle endlich Halt. Kaum hatte der Schwarzhaarige die Außentür geöffnet, als die Wölfin hinaus jagte. Im Schnee schien sie eine andere zu sein. Der schwarze Wolf raste, jagte wie ein Räuber über die Decke aus Flocken und nur schwer kam der Auror hinter her. „Lumos!“ Rief er und die Kugel aus Licht entstand am Ende seines gezogenen Zauberstabes. Er würde ihn nicht verlieren! Nicht noch einmal!
 

Mit klopfendem Herzen und unglaublicher Angst presste er den Umhang an sich, rannte durch den hohen Schnee immer dem schwarzen Fleck hinter her. Manchmal blieb die Wölfin stehen, legte den Kopf in den Nacken und heulte, als wollte sie den Mann noch weiter antreiben. Sie schien zu wissen, wo er war. Sein heißer Atem gefror in der Luft und teilweise konnte er kaum etwas sehen. Dennoch, er würde ihn nicht verlieren! Es war ganz gleich, was sein würde, was käme, wenn er ihn jetzt verlöre, wäre es für immer vorbei!

Die kahlen Bäume rissen mit ihren trockenen Ästen an seinem Mantel, immer wieder gab der Boden unter seinen Stiefeln nach, denn er war zu Eis gefroren. Die Schneeflocken fielen noch immer, wenn auch weniger als bei seinem Erwachen an diesem „Morgen“. Keuchend schnappte er nach Luft, die sich schmerzend in seinen Lungen ausbreitete. Er musste weiter!
 


 

Zwischen einigen Bäumen türmte sich ein kleiner Hügel aus Schneeflocken. Noir war zu ihm gerannt und ihr Kopf schmiegte sich an diesen. Sie gab ein bellendes Knurren von sich, scharrte mit ihren Pfoten den Schnee herab. Wie lange sie bis hier her gebraucht hatten, konnte Harry nicht sagen. Zu lang, war sein einziger Gedanke. Der Schmerz in seinen Knien verblasste sofort, als er sich neben das zusammengekauerte Bündel Menschlein fallen ließ und Draco an sich zog. Der Körper des ehemaligen Slytherin war kalt, die Lippen blau gefroren und der schwache Atem war kaum noch zu erkennen.

Wimmernd sprang die Wölfin von einer Seite zur anderen, wollte helfen und wusste doch nicht wie. Sie winselte und kauerte sich dann auf den Boden vor den beiden, ihre gelben Augen wanderten immer wieder von dem blassen, weißen Gesicht zu Harry hinauf und wieder zurück. „Komm her, Noir.“ Meinte er so ruhig er konnte, streckte seine Hand nach dem Wolf aus und sah noch einmal zu dem Mann, den er so gut es ging in seinen Umhang gewickelt hatte. „Vergiss es Draco, ich lasse nicht zu, dass du hier draußen stirbst!“ Kaum war die Wölfin nahe genug und schmiegte sich an ihn, als die drei im Nichts verschwanden.

Lass dich lieben!

19. Kapitel

Lass dich lieben!
 

Nur langsam dämmerte sein Bewusstsein auf, denn das erste Empfinden wurde von Schmerz geprägt. Jede Faser seines Körpers schien taub und doch war sie mit diesem dumpfen Druck, diesem erwachendem Schmerz erfüllt. Je mehr er von seiner Umgebung wahrzunehmen begann, desto weiter wurden diese Gefühle in den Hintergrund gedrängt. Dafür ergriff ihn ein Schwall wilder Panik, der sein Denken kurzzeitig aussetzen ließ. Wo war er?

Das letzte, an das sich der Blonde erinnern konnte, war der kalte Schnee und eine unbesiegbare Angst, die ihn voller Gier gepackt hatte. Sie würde ihn nicht los lassen, sie hielt ihn fest und breitete sich erneut in seiner Brust aus. Das Herz schlug immer schneller, stellte sich auf einen anstrengenden, quälenden Rhythmus ein. Sehr flach sog er die Luft ein, versuchte keine Geräusche von sich zu geben, falls er nicht alleine war.

Schwer kämpfte sein Verstand diese Flut an Hilflosigkeit zurück und versuchte mit Logik an die Sache heran zu gehen. Der Ort, an dem er sich befand, war ruhig. Es war warm und weich und es roch unangenehm. Nun, die Hauptnote war dieser aufdringliche, unangenehme Geruch nach nassem Hund. Darunter befand sich etwas Vertrautes, etwas Bekanntes.
 

Es war der Geruch seiner eigenen Bettwäsche! Beinahe erleichtert begriff er dieses, denn damit waren die Möglichkeiten deutlich begrenzter, wie er hier her kam. Dann war das andere auch nicht der „Duft“ eines nassen Hundes, sondern eines nassen Wolfes! Es gab auch nicht all zu viele Wölfe, die hier sein könnten.

Jemand schlug die Seite eines Buches um und damit konnte es nicht die Baba Jaga sein. Dann konnte es nur ER sein! Innerlich kroch die Panik wieder in ihm hoch. Wie sollte er sich denn bitte jetzt verhalten? Er war mal wieder davon gelaufen! Er hatte ihn mal wieder ohne Antworten zurückgelassen und dann hatte dieser Kerl ihn auch noch retten müssen. Konnte er sterben? Hier und jetzt? Bitte!

Doch viel Zeit hatte er nicht um sich in diesen Gedanken zu verlieren. Jemand hatte den wechselnden Herzschlag mitbekommen, die sich ändernde Atmung und instinktiv hatte sie erkannt, dass er wach war. Nur einen Moment später stieß Draco ein überfordertes und leicht scherzverzerrtes „Uff…“ aus, als sich der große Körper der jungen Wölfin über die Decke schob und sich platt auf ihn fallen ließ. Er riss die Augen auf und sah schon die feuchte Zunge, die ihm gefährlich nah kam. Bevor er noch seine linke Hand heben konnte, der gesamte rechte Arm war unter Noir begraben, schleckte die Zunge über sein Gesicht.
 

„Nein! Lass das!“ Versuchte er sich zu wehren und kämpfte seine linke aus dem Stoff der Bettdecke frei. Wenigstens war sie nicht mehr nass, anscheinend war nur der Geruch in der Luft geblieben. Schwach drückte er gegen die Brust des Tieres, welches freudig winselnd immer näher kroch. Die Zunge schleckte unaufhörlich über die Wangen, die Nase, die zur Sicherheit geschlossenen Augen. Ob sie Ohr oder Lippen erwischte, war ihr egal. Einfach weiter begrüßen und in jeder Form ihre Freude kund tun!

„Aus!“ Doch auch dies half nicht. Erst nachdem die schwarze Wölfin der Meinung war, ihrem Freund ausreichend von ihrer Begeisterung überzeugt zu haben, ließ sie von ihm ab und stieß ein lautes Heulen aus. Verzweifelt versuchte Draco mit dem Handrücken den Speichel aus seinem Gesicht zu wischen, während seine Ohren von ihrem Geheul klingelten.

„Du bist ein Vollidiot!“ Erklang plötzlich eine ihm sehr bekannte Stimme und ein heißer Schauer peinlicher Verlegenheit rannte über seinen Rücken und färbte seine Wangen tief rot. „Und das Schlimmste daran ist auch noch, dass du ein Schnulzen lesender Vollidiot bist!“ Mit diesen Worten konnte Draco reichlich wenig anfangen und so warf er einen Blick an der noch immer begeisterten Wölfin vorbei und sah in das leicht belustigte und doch auch irgendwie verstimmte Gesicht des schwarzhaarigen Aurors.
 

Dieser saß am Bettende, hatte ein Kissen gegen die feste Holzstützte gestopft und hielt ein Buch mit rotem Einband in Händen. Es war dieses helle, irgendwie seltsam eklige Rot, welches beinahe einen Hauch von Rosa und Orange in sich führte. „Ein Sommer zu zweit?“ Erklang höhnisch die feste Stimme und eine weitere Welle feuriger Hitze flammte über die bis eben noch blassen Wangen. „Nein! Es ist wirklich nicht so, wie es aussieht! Woher hast du dieses verfluchte Buch?“ Versuchte er sich zu verteidigen und die große Wölfin rutschte etwas zurück, um sich dann breit über seine Beine zu legen. Ihre Ohren standen aufmerksam und wendeten sich immer gerade dem Sprechenden zu.

„Lag unten im Salon neben dem Sofa auf dem großen Tisch!“ Meinte Harry noch immer mit diesem provokanten Ton in der Stimme. Er schien in keiner Weise von der Unschuldsbekundung angetan und so schlug er das Buch an der Stelle auf, in der noch immer sein Finger steckte. Mit herablassend überzogener Stimme begann er vorzulesen. „Sie sah tief in seine von Angst geprägten Augen und ein Schauer aus Zufriedenheit und Scham lief über ihren Rücken. Sie hatte ihn einmal mehr in eine Situation gebracht, in der er sich für sie Entschuldigen musste. Wie dumm sie doch war! Jedes Mal wieder…“

„Es reicht! Ich hasse diese Frau! Wie kann man nur so dumm sein wie sie? Kaum hat er sie aus der einen Katastrophe befreit, die sie provoziert hat, stolpert dieses dumme Weibsbild wieder in die nächste!“ Empörte sich der ehemalige Slytherin, dessen Ohren mittlerweile ebenso glühten. Mit einem Räuspern versuchte er sich zu zügeln, doch nun war er aufgebracht und wütend. „Diese Rebecca ist wirklich das dümmste Weibsbild, über das je geschrieben wurde.“ Fauchte er beinahe und Harry schlug das Buch wieder zu.
 

„Dann hast du noch nicht „Biss zum Morgengrauen“ gelesen! Die Hauptdarstellerin ist genauso dumm wie diese Rebecca hier. Isabella oder auch Bella genannt verliebt sich in einen Vampir und baut nur noch Mist, muss ständig von ihm gerettet werden, nur um rein gar nichts daraus zu lernen!“ Ein Schauer lief dem Auror über den Rücken und nun hob sich die rechte, blonde Augenbraue fragend. „Woher kennst du so ein Buch?“

Harry warf das Werk der Schande neben sich auf das Bett, dort wo eine zusätzliche Decke für Noir lag. Diese war jetzt schon mit einigen, schwarzen Wolfshaaren verziert, weitere verteilte sie gerade jetzt im restlichen Bett. „Hermine hat es gelesen und sich in einem Fort darüber aufgeregt. Aber sie konnte weder aufhören zu meckern, noch das Buch aus der Hand legen, bevor es zu Ende war. Ron ist beinahe durchgedreht und ich habe versucht meine Besuche möglichst kurz zu halten. Angeblich soll es noch eine Fortsetzung geben.“ Stieß der Schwarzhaarige nun resigniert mit einer Mischung aus Frustration aus.

„Und wie heißt die dann? Biss zur Mittagsstunde? Und dann kommt noch ein dritter Teil Biss zum Abendbrot?“ Draco lachte laut und Harry stimmte mit ein. „Nein, nicht Abendbrot. Das wäre nicht romantisch genug. Aber Abendrot klingt gut!“ Griff er den Faden auf und schüttelte dann den Kopf. „Oh, das Schlimmste weißt du ja noch gar nicht. Edward Cullen, unser vampirischer Vollidiot, seines Zeichens bedauernswerter Trottel, glitzert im Sonnenschein!“
 

Die grauen Augen blinzelten und Draco wirkte verwundert. Mittlerweile hatte er begonnen Noir zu kraulen und sah verwirrt zu dem Auror hinüber. „Er ist ein Vampir?“ Fragte er nach und bekam ein Nicken als Bestätigung. „Und glitzert in der Sonne?“ Wieder ein Nicken und dann stieß der Blonde die Luft aus. „Bram, es tut mir wirklich leid! Ich weiß, du musst dich in deinem Grabe umgedreht haben, als dieses Schandwerk erschienen ist. Manchmal bin ich wirklich dafür, dass wir die Bücherverbrennung wieder einführen!“ Gab er leidlich von sich und der Schwarzhaarige benötigte einen Moment, bis er die Anspielung zu Bram Stoker verstand.

„Wie geht es dir?“ Fragte der Auror mit einem Mal unerwartet und die Verlegenheit glänzte in den grauen Augen erneut auf. Für eine kurze Weile musste sich der Blonde sammeln und zuerst über diese Frage nachdenken. Er war verlegen, sehr verlegen und er wusste noch immer nicht, wie er sich Harry gegenüber verhalten sollte. Der lockere Auftakt ihrer Unterhaltung hatte ihm gut getan, ihn etwas entspannen lassen, auch wenn seine Wangen noch immer brannten.

Dafür spürte er in seinem Körper nur noch einen tauben, dumpfen Schmerz, der wahrscheinlich eine Nachwirkung der Unterkühlung war. Sein Magen und seine Gedärme verkündeten einen leicht bitteren Hunger, waren allerdings mit etwas zu essen überfordert. Seine Gedanken kreisten über die Szene in der Küche und so lenkte er sich von seinem körperlichen Befinden ab. Tränen waren über seine Wangen gelaufen, er hatte sich benommen wie ein dummes, kleines Kind!
 

Mit einem Schlucken versuchte er zu verdrängen, was er gesagt hatte und damit auch die Frage, was der Schwarzhaarige gehört hatte. Offenkundig den Schluss und vielleicht noch mehr. War er überhaupt gegangen oder hatte er die gesamte Zeit hinter der Tür gestanden?

„Ich entnehme deinem entsetzen Gesichtsausdruck einmal, dass es dir zwar gut geht, aber du gedanklich bei unserer letzten „Begegnung“ festhängst. Wenn man deine Flucht denn so nennen kann.“ Wieder schoss die Röte in die ohnehin schon dunklen Wangen und die rechte Hand verkrampfte sich fest im Stoff der Bettdecke, die linke versuchte weiter durch das schwarze Fell zu streichen. Harry war diese Reaktion aufgefallen und mit einem Seufzen sprach er weiter. „Bevor du dir jetzt überlegst, was ich weiß und was nicht, sage ich es lieber gleich. Von eurem Gespräch habe ich alles gehört, ich hatte irgendwie so eine Vorahnung, dass ich nur mit einem Vorwand weggeschickt wurde. Danach habe ich mit deiner Lehrmeisterin gesprochen und sie hat mir denke ich alles erzählt, was du mir ganz sicher nicht sagen wolltest.“

Schlagartig verkrampfte sich auch die linke Hand, hatte sich zuvor aber aus dem rauen Fell gezogen, um der Wölfin keinen Schmerz zuzufügen. Ein leichtes Beben ergriff den Blonden und flach sog er die Luft ein. Würden die grauen Augen jetzt zu ihm aufsehen, hätte Harry sicher die schiere Angst in ihnen erkennen können.
 

„Ich gebe zu, dass ich das alles nur teilweise verstehe.“ Setzte er erneut an und Noir hob ihren Kopf. Wieder war ihr Freund so angespannt und wieder schien dieser Kerl dafür verantwortlich zu sein. Dieses Mal fletschte sie leise die Zähne und starrte aus ihren gelben Augen hinüber zu dem angeblichen Feind.

„Aber ich bin noch da und ich habe nicht vor wieder zu gehen.“ Nun klang seine Stimme selbst unsicher, er wusste nicht, wie er am besten vorgehen sollte. Er wusste ja nicht einmal, was er genau sagen wollte. „Du hast Recht, ich kenne dich nicht und du kennst mich nicht. Keiner von uns beiden kann behaupten, dass er den anderen so liebt, wie er ist. Hat dich das damals aufgehalten? Hast du wirklich gewusst, wer ich bin? Hast du dir vorgestellt, dass ich jemals aus freien Stücken mit dir schlafen würde?“

Nun schluckte der Blonde und versuchte den Blick zu heben. Der erste Anlauf wirkte schwächlich, doch dann blickten ihn die grauen Augen direkt an. „Nein, das habe ich nicht erwartet. Aber wirkte der Zaubertrank nicht noch?“ Der provokante Scherz hatte weniger Kraft, als je ein Angriff zuvor. Aber da war wieder dieses Funkeln, dieser leichte Zug in dem von Verlegenheit gerötetem Gesicht, der auf die Gefahr hinwies, die der Blonde in sich barg.
 

Harry hob die Augenbrauen und grinste dreist bis über beide Ohren. „Ach komm, als hättest du mir das geglaubt. Natürlich hat die Wirkung zu dem Zeitpunkt schon lange genug nachgelassen, damit ich einfach hätte gehen können. Ich hatte nur nicht den Mut dazu die Wahrheit zu sagen.“ Seine Worte ließen ein Erstaunen in dem vernarbten Gesicht aufflackern und dann schüttelte er leicht den Kopf.

„Wie können zwei Menschen eigentlich so feige und so mutig zu gleich sein? Als wäre ich mutig genug gewesen, dir die Wahrheit über meine Gefühle zu gestehen.“ Nun setzte sich der Schwarzhaarige um, zog die Beine an und überkreuzte sie. „Jetzt wird es spannend!“ Kommentierte er die beginnende Ehrlichkeit und dann erklang ein herablassendes, wenn auch schwaches Lachen in seinen Ohren. „Hast du dir wirklich die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen? Ist das jetzt niedlich oder erschreckend?“

Mit dieser Provokation brachte er die ausgeprägten Gesichtszüge zu einem verstimmten Ausdruck und mit einem leichten Lächeln sprach er weiter. „Ob ich dich wirklich so sehr hasse? Nein, im Gegenteil! Zu diesem Zeitpunkt kreisten all meine Gedanken nur um dich, du hast mich in deinen Bann gezogen und nicht wieder losgelassen. Sehnsuchtsvoll habe ich von dir geträumt und meine Phantasien spielten mir zu gerne einen Streich, wenn ich ein flüchtiges Lächeln auf deinen Lippen sah, welches vielleicht mir gegolten haben könnte. Also nein, im Gegenteil, ich habe dich geliebt! Mehr geliebt, als mein Leben!“
 

Die grünen Augen blinzelten, Draco hatte sich leicht vorgebeugt und dann schluckte Harry. Nur einen Moment später schoss das Blut in seine Wangen und die Hitze kroch bis unter die Haarwurzeln. „Ähm…“ Begann er stotternd, doch auch ein weiteres Blinzeln ließ ihn nicht die gewünschte Kontrolle über seine Gedanken zurückgewinnen. „Ich…“ Der Auror schluckte und sein Herz entschied mit einem Mal über all die aufbrausenden Gefühle, die sich nun in seiner Brust breitmachen wollten.

Plötzlich war da nur diese Wärme, diese angenehme, herrliche Wärme, die einem den Kopf verdrehte und alles auf dieser Welt mit einem Hauch Güte und Liebe versah. Verlegen rieb er sich mit der rechten Hand über den Nacken und räusperte sich. „Ähm… ja, also, ich habe mir wirklich den Kopf darüber zerbrochen. Ich dachte mir schon so etwas, aber… ich meine,… es war ja nur diese eine Nacht und dann warst du weg. Es gab ja nie etwas, dass mich hätte verdächtig werden lassen… ich meine… nicht… also…“ Doch er brach ab und als er mit wild klopfendem Herzen aufsah, erblickte er nicht das spöttische, herablassende Gesicht, welches er erwartet hatte.

Da war ein warmer, sanfter Zug in den grauen Augen, den er nie zuvor gesehen hatte. Ein schüchternes Lächeln lag auf den schmalen Lippen und eine unbeschreibliche Erleichterung breitete sich in seinem Herzen aus. Er ließ seine Hand noch immer im Nacken ruhen und starrte nun mit einem ebenso schüchternen Lächeln auf die andere, die auf seinen gekreuzten Knöcheln lag.
 

So schön der Moment auch war, keiner von ihnen schien nun den Faden wieder aufnehmen zu können, dafür stand zu viel zwischen ihnen. Sie mieden den Blick des anderen und mit einem Räuspern legte Harry nun seine rechte Hand auf das passende linke Gegenstück.

Dann war es Draco, der ein kurzes Stöhnen von sich gab und die Augen zusammen kniff. Sein Kopf begann zu schmerzen, als hätte jemand eine Nadel von hinten hinein gestoßen. Anscheinend war sein Körper zu sehr mit der Unterkühlung beschäftigt, die er ohne Zweifel haben musste. Er presste die rechte Hand auf seinen Hinterkopf und hielt die Augen weiterhin geschlossen. Natürlich stellte Harry die unpassendste Frage des Abends. „Ist alles in Ordnung?“

Nachdem er tief ein und aus geatmet hatte, der Schmerz in seinem Hinterkopf langsam nach ließ, öffnete er eines der grauen Augen und meinte mit leicht angeschlagener Stimme. „Ist das dein Ernst?“ Er war zu lange mit einer grobschlächtigen Hexe unter einem Dach gefangen, als dass er auf solche Umgangsformen achtete. Dass es ihm beschießen ging, musste sogar der medizinisch unfähige Kerl erkennen. „Natürlich ist nicht alles in Ordnung. Mein Kopf rächt sich jetzt für die…“ Doch weiter kam er nicht, ein weiterer Stich brach sich kalt von hinten durch seine Schädeldecke.
 

Mit einem leicht verärgerten, wenn auch verständlichen Ausstoßen der Luft deutete der Schwarzhaarige auf den kleinen Nachttisch und schwieg. Es dauerte, bis der ehemalige Slytherin diese Bewegung erkannte und folgte dem ausgestreckten Finger. Mit einem Blinzeln versuchte er zu verstehen, was dort auf dem Tisch stand.

„Trink mich, wenn du Kopfschmerzen hast!“ Durfte er sich jetzt verarscht fühlen? Es war die gleiche Flasche, der exakt gleiche Flakon, den er am Morgen dort platziert hatte und der nun anscheinend wieder gefüllt worden war. „Keine Sorge, es war nur mein Plan und ihre Umsetzung. Ich habe immer noch keine große Ahnung von Zaubertränken und das wird sich wohl auch niemals ändern.“ Der schwarzhaarige Auror grinste frech und Draco lehnte sich zurück. Er griff nach der Flasche und öffnete sie skeptisch. Er roch kurz an ihr und der vertraute Duft von Sandelholz entstieg dem Flaschenhals.

Noch immer nicht ganz überzeugt, wollte er die Flasche anheben, als ein neuer stichartiger Schmerz durch seinen Kopf jagte. Ok, es konnte ja nicht noch schlimmer werden! Mit diesem Gedanken setzte er den Flakon an und leerte ihn in einem einzigen Zug. Wie auch die Male zuvor bei seinem Freund breitete sich die Flüssigkeit mit einer angenehmen Entspannung in ihm aus und milderte nach und nach all die tauben Schmerzen in seinen Gliedern. Schließlich drang die Wirkung auch bis in seinen Kopf vor und sorgte dafür, dass der Druck abgebaut wurde.
 

Ein erleichtertes Seufzen entkam ihm, als der kleine Trank seinen Zweck in ganzer Fülle erledigt hatte. „Ich hätte da so einen Vorschlag für den weiteren Ablauf des Abends.“ Meinte der Auror plötzlich und musterte das langsam wieder heller werdende Gesicht, aus dem die verlegene Röte schwand. „Ich kümmere mich um etwas zu essen und du ziehst dich um, machst dich fertig und schickst deiner Mutter noch eine Eule. Ich habe ihr versprochen, dass ich ihr Bescheid gebe, wenn ich dich gefunden habe, aber sie würde sich sicher viel mehr über einen Brief von dir freuen.“ Eine gewisse Unsicherheit klang in seiner Stimme mit und Draco fragte sich, woher sie kam. „Ich denke nicht, dass sie sich über einen Brief von mir freuen würde.“ Brummte der Blonde so und allein der Gedanke, diese Idee umzusetzen, ließ sein Herz höher schlagen. Er hatte sich sieben Jahre nicht bei ihr gemeldet und nun wusste sie auch noch, dass er mit… dass er mit Potter geschlafen hatte!

„Das wird sie! Als ich ihr das alles erzählt hatte, meinte sie mit fester Stimme, dass ich dir auf jeden Fall ausrichten soll, dass sie dich immer noch liebt und du jeder Zeit zu ihr kommen kannst! Sie erinnert mich übrigens jedes Jahr am gleichen Tag mit einer schneeweißen Eule daran, dass ich ja nicht auf die Idee komme, es zu vergessen. In ihrem letzten Brief hat sie mir dezent gedroht, dass sie mich in ihrem Kerker einsperren und langsam zu Tode quälen wird, wenn ich sie belügen würde. Sie kann sich, glaube ich, nicht vorstellen, dass ich dich bisher immer noch nicht gefunden habe. Aber sie ist ziemlich stolz darauf, dass du mich wie einen völligen Idioten dastehen lässt.“
 

Nun war da ein flüchtiges Lächeln auf den schmalen Lippen und doch konnte er den Mann nicht überzeugen. So seufzte Harry und suchte nach den passenden Worten. „Ich habe ja nie einer Mutter einen Brief geschrieben, aber du kannst ihn ja kurz halten und ihr sagen, dass es dir gut geht, dass ich dich gefunden habe und du mich stellvertretend für sie noch ein wenig folterst, weil ich ihr so schonungslos die Wahrheit gesagt habe. Ich glaube nicht, dass da sonderlich mehr rein müsste.“

Die grauen Augen musterten ihn genau, als versuche er die wahren Gedanken hinter der sonnengebräunten Stirn zu erfassen und die Falle zu erkennen, die ihm hier vielleicht gestellt wurde. Dennoch ergriff auch ein uneingeschränktes Gefühl unerwarteter Hoffnung sein Herz. Sie war seine Mutter und er sehnte sich so lange schon nach ihr. Aus einer Art Verzweiflung hatte er sie und seinen Vater aus seinen Gedanken verdrängt, kaum eine Erinnerung an die beiden zugelassen. Nun schienen sie plötzlich wieder so nah und wenn es wirklich keine Lüge darstellte, wenn sie ihn wirklich noch liebte… dann musste er ihr schreiben!

„Gut…“ Begann er langsam und nickte dabei leicht. „Gut, dann setzten wir diesen Plan um.“ Entschied er noch immer unsicher und fragte dann. „Du kommst in meiner Küche zurecht?“ Die grünen Augen sahen ihn leicht spöttisch an und ein herausforderndes Lächeln lag auf seinen Lippen.
 

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Langsam begannen seine Gedanken Ideen zu produzieren, die ihm nicht gefielen. Er hatte die Küche mittlerweile wieder aufgeräumt, alles gesäubert und den Tisch gedeckt. Auf dem Herd stand eine einfache Kartoffelsuppe, die vor sich hin köchelte und in vielleicht 10 Minuten fertig wäre. Wie lange war er nun schon hier? Er hatte bestimmt zwei Mal die Standuhr drüben im Salon zur halben Stunde schlagen hören und dazwischen hatte sie verkündet, dass es 18 Uhr wäre. Wie lange konnte man zum Umziehen und Schreiben eines Briefes benötigen? Vielleicht war er aber auch duschen und selbst er genehmigte sich im Winter manchmal eine längere Dusche. Es war legitim 15 Minuten zu duschen.

Die grünen Augen starrten zur Küchentür. Harry stand mit verschränkten Armen gegen die Küchenzeile gelehnt. Gut, Draco war unterkühlt, vielleicht duschte er ja länger. Konnte ja nicht jeder in 5 Minuten fertig sein und langes Duschen zwischen 8 und 10 Minuten ein kategorisieren! Manchmal fragte sich Harry, wie viele Angewohnheiten er nach Hogwarts wieder aus seinem „Elternhaus“ übernommen hatte. Obwohl er schon zu Schulzeiten nicht gerade lange duschte. Ron hingegen liebte es. Er konnte problemlos 20 Minuten unter dem warmen Wasser verbringen, sich dann in seinen Bademantel einmummeln und voller Freude behaupten. „Es ist so herrlich, wenn beim Duschen nicht drei Mal an die Tür geklopft wird und laut gebrüllt, dass man sich beeilen soll!“
 

Mittlerweile hatten sie eine Wohung mit Badewanne, denn Hermine hielt ihm regelmäßig Vorträge, dass er nicht so viel Wasser verschwenden sollte. Ihr zukünftiges Haus würde jedoch noch ein zweites Badezimmer besitzen müssen, hatte die brünette Hexe gesagt. Jetzt verstand Harry auch das gesteigerte Interesse an einem Hauskauf besonders in der Nähe ihrer Eltern. Wenn Hermines Vermutung richtig war und sie wirklich schwanger wäre, käme nur ein Haus in der Nähe ihrer Eltern in Frage, sonst würden die Grangers nie etwas von ihren Enkeln sehen.

So in Gedanken versunken schreckte er auf, als im Flur ein lautes Poltern zu hören war. Krallen schrammten über Holz und das unkontrolliert und schnell. Dabei schien ein schweres Gewicht von Treppenstufe zu Treppenstufe zu rutschen. Am liebsten wäre er sofort zu Noir hinaus gelaufen, denn wenn sie kam, kam sicher auch Draco. Angestrengt lauschend konzentrierte er sich auf die Schritte, die nun unten am Ende angekommen waren und beinahe panisch stolperte er selbst zum Tisch hinüber und griff nach einem der Teller.

Zuerst kam der schwarze Wolf hinein gerannt, rutschte wie immer über den Boden und wirkte dabei aufgedreht fröhlich. Kurz flohen seine Gedanken zu Hermine, die sicher einen guten Antirutschzauber kannte, damit die arme Noir nicht immer Schwierigkeiten mit ihren Hinterbeinen hatte. Als dann endlich der Blonde in der Küchentür stand, stellte er den Teller, der schon die ganze Zeit dort verbracht hatte, wieder auf seinen Platz zurück und lächelte.
 

„Hast du lange warten müssen?“ Fragte Draco und sein Blick wurde von der Bewegung eingefangen. „Nein, nein, bin gerade erst fertig geworden.“ Log der Schwarzhaarige und schien ihm ersten Moment überzeugend zu sein. Doch seine Nervosität schien ihn zu verraten. Als die grauen Augen sein Gesicht fanden, musterten sie es misstrauisch und dann trat ein breites Grinsen auf die schmalen Lippen. „Ok, wie lange hat der Teller da schon gestanden?“

Schlagartig wurde der sonnengebräunte Auror rot auf den Wangen, die Hitze zog sich bis zu den Ohren hin. Mit einem Räuspern versuchte er die Verlegenheit zu unterdrücken, doch dieses gelang ihm nur schwer. „Vielleicht habe ich schon einen Moment darüber nachgedacht, warum du solange brauchst.“ Gestand er nun und erkannte das leichte Kopfschütteln des anderen. Die blonden Haare waren nun offen, noch immer leicht feucht und bildeten so kleine, dicke Strähnen.

Es dauerte nicht lange und sie saßen sich gegenüber am Tisch, die schwarze Wölfin zwischen ihnen. Ihr zweiter Lieblingsplatz, er kam gleich nach dem vor dem Kamin, war der unter dem Tisch, wobei Füße eine angenehme Schlafmöglichkeit boten. Ob es die betreffenden Besitzer dieser Körperteile interessierte oder nicht, war ihr dabei egal. Voller Freude nahm sie beinahe den gesamten Platz unter dem Tisch ein und Harry war erstaunt, wie ein auf den ersten Blick so kleines Tier so viel Raum einnehmen konnte.
 

Vorsichtig versuchte er seine Füße nicht zu bewegen und fragte nach dem Brief, der hoffentlich geschrieben wurde. Verlegen ließ Draco seinen Löffel sinken, starrte in die einfache Suppe und schluckte noch einmal. „Ja,… ja, ich habe ihr geschrieben. Ich weiß gar nicht mehr genau was eigentlich. Ich war so aufgeregt und nachdem ich die ersten fünf Briefe nach ‚Liebe Mutter‘ und drei weiteren Worten zerknüllt habe, habe ich einfach aufgeschrieben, was mir durch den Kopf ging. Ich glaube, es war so in etwa das, was du mir vorgeschlagen hast. Ich habe ihr erzählt, dass ich einen Ort gefunden habe, an dem ich mich sicher fühle und von Noir. Ich habe von der Baba Jage berichtet, dass sie mir sehr geholfen hat, nachdem ich auf Bellatrix gestoßen bin. Na ja, und dass du mir gesagt hast, dass ich mich bei ihr melden soll.“

Dass es ihn in Verlegenheit brachte und offenbar sehr beschäftigte, konnte Harry sehen. Wahrscheinlich schwang auch die Angst einer Reaktion, einer negativen Antwort ihrerseits mit in diesen Gefühlen. „Ich habe ihr auch gesagt, dass sie die Eule behalten soll, sie könne mich auf diese Weise immer erreichen.“ Mit einem aufmunternden Lächeln meinte der Schwarzhaarige, dass er dann vielleicht schon bald eine Antwort bekäme und sie sicher nicht schlecht ausfallen würde.
 

Wie sehr er von Petunia beeinflusst worden war, bemerkte er nicht. Zuerst hatte er die leeren Teller in die Spüle stellen wollen, doch kaum hatte er sich von dieser abgewandt, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Zum Glück war auch der blonde Zauberer der Meinung, dass dreckiges Geschirr sofort gesäubert gehört und so blieb dem Auror der wahre Grund seines Unwohlseins verborgen. Der Zwang selbst hatte sich über all die Zeit gut verstecken können.

Obwohl Harry auch gehofft hatte, dass er mehr über dieses Haus erfahren würde, zogen sich die beiden mit einem Becher Tee in der Hand zurück in den Salon. Es war ein ansehnlich großer Raum, der im hinteren Teil ein Esszimmer beherbergte. Er war mit dunklen Möbeln ausgestattet, der runde Tisch, dessen Fläche mit alten Kratzern übersät war, stand nackt mit seinen sechs gepolsterten Stühlen vor den Fenstern mit ausfallenden Vorhängen. Draco erklärte ihm, dass beinahe alles hier in diesem Haus schon vorhanden gewesen war. Es stand leer, schien auf jemanden zu warten, der diesem Gebäude wieder neues Leben einhauchte. Der ehemalige Slytherin vermutete, dass es das Haus des Magiers gewesen war, welcher damals den Wald verflucht hatte. Besonders hier im Salon waren die Möbel alle fein ausgearbeitet und mit geschwungenen Elementen versehen. Auch die beiden, mit grünem Stoff überzogenen Sofas, die mit drei weiteren Sesseln ergänzt wurden, wirkten wie Stücke aus einem vergangenen Jahrhundert. Dort, wo keine Fenster waren und keine hohen Schränke die Wand bestimmten, fanden sich Gemälde von Landschaften und Tieren wieder.
 

Das Bild eines Waldes mit einer Gruppe Rehe, die hin und wieder die Köpfe hoben und zu dem kleinen Fluss liefen, der sich durch die Bäume schlängelte, wirkte wie ein Fenster in diesen verfluchten Wald hinein.

Am besten gefiel Harry aber ein Gemälde, welches mit der Jahreszeit ging. Jetzt war der Hügel, welcher die rechte Seite bestimmte und sich dann in einem Wald verlor, von Schnee bedeckt und die kargen Äste der Bäume ragten in den Himmel. Der Mond blickte immer wieder zwischen den dicken Wolken hervor und erhellte die dunkle Szenerie. „Wie die Decke der großen Halle.“ Meinte er nachdenklich und beobachtete einen Fuchs, der seinen Kopf hinter einem Baum hervor steckte und dann einmal quer über das gesamte Bild lief. Da blieben sogar Fußspuren im Schnee zurück!
 

Eine ganze Weile unterhielten sie sich über eine Mischung aus Nebensächlichkeiten und vergangenen Geschehnissen. Noch immer wussten sie nicht richtig miteinander umzugehen, doch das Gespräch wurde immer offener und Harry spürte, wie es ihnen dabei immer leichter fiel. Gerne erzählte er von Blaise, der ein halbes Jahr bei ihm gewohnt hatte und dann in der Geschichte der Welt unterging. Dafür erfuhr er von Dracos Hang zu nicht so kitschigen Liebesromanen, der die Vorstellung einfach genoss, dass Nichts auf dieser Welt so bedeutend war wie die wahre, reine Liebe.

Mitten in den Erzählungen über die Lehrstunden der Baba Jaga, begann der Schwarzhaarige zu gähnen und es fiel ihm Zusehens schwerer den Worten zu folgen. Plötzlich zuckte er zusammen und begriff, dass er mitten im Gespräch eingeschlafen war, wenn auch nur für wenige Sekunden. „Du solltest schlafen gehen, es war ein anstrengender Tag.“ Klang die ruhige, viel zu freundliche Stimme des Blonden in seinen Ohren und müde rieb sich Harry über die Augen. „Nein, ich…“ Doch der Rest des Satzes wurde von einem Gähnen überlagert. „Willst du schon schlafen gehen?“ Fragte der Auror so provokant, wie es ihm in diesem Zustand möglich war und erkannte das Kopfschütteln. „Dann bleib ich auch noch wach!“ Bestimmte er wie ein trotziges Kind und wurde doch sofort durchschaut.
 

„Na gut, wenn du so viel Angst davor hast, alleine ins Bett zu gehen, kannst du ja noch einen Moment hier auf dem Sofa schlafen.“ Misstrauisch sahen ihn die grünen Augen an, doch allein der Gedanke an eine warme Decke, die körperliche Erleichterung, wenn die Müdigkeit seine Muskeln zur Entspannung zwang, ließen ihn erneut gähnen. „Ich….“ Begann er noch mit einem Protest, doch Draco deutete nur rüber zur Decke, die hinter ihm ordentlich gefaltet über der Sofalehne hing. „Ich hatte vor noch etwas zu lesen, das ich übersetzen will. Das kann ich aber auch hier machen.“ Schlug Draco nun erneut vor und bemerkte, wie der Widerstand seines Gegners immer geringer wurde. „Du bist gleich wieder da?“ Fragte Harry noch einmal und rieb sich über die Augen, die zu brennen begonnen hatten, wobei er die Brille leicht nach oben schob. Nur einen Moment schlafen, ein Wenig, nicht mehr.

„Ja, ich bin gleich wieder da! Versprochen!“ Als die Stimme in seinen Ohren widerhallte, griff er schon nach der Decke hinter sich, die Augen geschlossen. Seine Finger fuhren über den alten Stoff und tasteten nach der weichen Wolle. Als er sie endlich zu fassen bekam, zog er kräftig an der Decke, die schwer über die Lehne rutschte. Dass der Blonde sich noch erhob, bekam er mit, denn dieser zog ihm sanft die Brille von der Nase. Eines der grünen Augen öffnete sich halb, die vollen Lippen zogen sich zu einem vergnügten Lächeln in die Höhe, als er den Kuss auf seiner Stirn spürte. Erschöpft ließ er sich einfach zur Seite fallen, breitete die Decke so gut es ging aus, doch im Grunde war ihm das egal.
 


 

Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er mit den beiden Büchern im Arm wieder zurück kehrte. Harry hatte den Zipfel der Decke mit beiden Armen umklammert, den Kopf darauf gebettet und sein rechtes, oben liegendes Bein hing vom Sofa herunter. Obwohl er wirklich nur kurz gegangen war, schlief der Auror schon tief und fest.

Es war seltsam plötzlich nicht mehr alleine zu sein. Mit diesem Gedanken breitete er die Decke gänzlich über dem Schwarzhaarigen aus und schob das rechte Bein vorsichtig wieder zurück. Das alte Buch und das kleine Notizheft hatte er auf den Tisch gelegt. Mit einer kleinen Handbewegung ließ er 8 der 12 Kerzen des großen Kronleuchters über ihm erlöschen und umrundete dann das Sofa um die Vorhänge zu schließen. Draußen hatte der Schnee gänzlich aufgehört zu fallen und eine dicke Schicht bedeckte den gesamten Wald, als wolle sie alles darunter begraben. Sehen konnte er kaum etwas, nur gelegentlich kam der Mond hinter den Wolken hervor, sonst war es stockduster. Zufrieden zog er die schweren Vorhänge zu und setzte sich neben den Schlafenden. Seine Gedanken waren aufgewühlt, sie hatten nicht wieder über das gesprochen, was die alte Hexe Harry erzählt hatte und nun, da seine Gedanken wieder freien Lauf hatten, krochen die alten Ängste hervor.
 

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Sein Rücken schmerzte und sein linker Arm fühlte sich taub an. Diese Empfindungen wurden irgendwann so deutlich, dass sie ihn aus seinem Schlaf rissen. Vielleicht hatte auch die Uhr ihren Anteil daran, denn sie schlug mittlerweile wieder zur halben Stunde, nur war es dieses Mal 23:30 Uhr. Wie konnte man eine große Pendeluhr haben, die wirklich alle halbe Stunde ihre unverfrorene Meinung in die Welt posaunen musste? Ein Schlag für jede halbe und die passende Anzahl für jede ganze Stunde. Wenigstens schlug sie um 23 Uhr nur 11 Mal und nicht 23 Mal!!!

Müde richtete sich der Schwarzhaarige auf, streckte sich langsam und brachte die verspannten Muskeln im Rücken vorsichtig in Bewegung. Dann fuhr er sich massierend mit beiden Händen über den Nacken und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er war bei Draco! Sie hatten sich lange unterhalten und dann war er eingeschlafen! Und offenbar nicht nur er!

Mit einem frechen Grinsen öffnete er die Augen und blickte zur Seite. Seinem verschwommenen Blick konnte er entnehmen, dass auch der ehemalige Slytherin den Verlockungen der Müdigkeit nicht widerstehen konnte. Er saß neben ihm auf dem Sofa, den Kopf auf die Brust gesunken und kein Buch mehr in Händen haltend. Von dieser spitzbübischen Freude beflügelt, griff er leise nach seiner Brille, die er auf dem niedrigen Tisch vor dem Sofa ausgemacht hatte. Nun wurde die Welt wieder schärfer und ein Blick auf die Standuhr verriet ihm, zu welcher Stunde es halb geschlagen hatte. Meine Güte, war es schon spät! Obwohl… sie waren, nun, er war, ja auch erst gegen Mittag aufgestanden und Draco hatte zwischendurch auch drei Stunden geschlafen. Tee! Tee war ein guter Gedanke!
 

So schob er die Decke leicht zur Seite, hob das Buch auf und schlich auf seinen dicken Socken hinaus. Welcher Zauber das auch immer war, aber er liebte diesen warmen Fußboden. Selbst die Fliesen in der Küche waren nicht kalt. Im Gegensatz zu Draco musste er den Kessel selbst befüllen und zu seiner Freude brannte noch immer ein angenehmes Feuer im Kamin.

Harry beeilte sich und versuchte dabei so leise wie möglich zu sein. Er wollte den Schlafenden nicht wecken und als ein herrlicher Rooibos-Chai Tee in den schwarzen Bechern duftete, schlich er sich auf Zehenspitzen wieder zurück ins „Wohnzimmer“.

Im Türrahmen blieb er stehen und als sein Blick auf den blonden Mann fiel, hielt er inne. Eigentlich wollte er nur kurz anhalten, um sich den besten Weg zu überlegen die Tür zu schließen. Doch eine unerwartete Antwort sprang ihn dabei so offensiv an, dass sein Herz wild zu klopfen begann. Als seine grünen Augen über die in sich zusammengesunkene Gestalt wanderten, die feinen, schlanken Finger, aus denen das Buch zu Boden gerutscht war, verstand er die Worte Hermines, die sie ihm vor so langer Zeit gesagt hatte. Es ging nicht um seinen Verstand, damit hatte die Alte Recht. Es ging um sein Herz. Und sein Herz hatte Hermines Worte verstanden. Sie ergänzten sich perfekt! Sie vervollständigten einander!
 

Leise schluckte er und spürte dieses aufwühlende Gefühl in seiner Brust. Es war ein angenehmer Druck, der sich immer weiter ausbreitete und dann einen schweren Klos in seinem Hals bildete. Obwohl er gestern sauer auf Draco gewesen war, hatte er diesem vertraut. Er vertraute ihm jetzt und wenn er über all das nachdachte, was sie in diesen vielleicht 24 Stunden gemeinsam getan hatten, ergänzten sie sich in allem.

Seit seinem Sieg über den Dunklen Lord, seit seinem überstandenen Todesfluch hatte er sich nicht so geborgen gefühlt, nicht so sicher, nicht so… zu Hause! Ja, genau das war es, trotz all der Zweifel, der Ängste, der Fragen, er hatte sich von Anfang an zu Hause gefühlt. Genau wie in dieser einen Nacht. Als der Zaubertrank nachgelassen hatte, als er sich auf all das eingelassen hatte, war da dieses eine Gefühl, welches er seit Jahren suchte. Seine Gedanken schweiften zu der Unterhaltung zurück, die er mit Blaise geführt hatte. Es war nicht die Ehrlichkeit, nicht der Sex… er konnte damals nicht bestimmen, nach was er sich genau sehnte. Was hatte ihm dieser junge Mann gegeben, das ihn bis heute mit einer unerfüllten Sehnsucht quälte?

Mit einem Blinzeln versuchet er die aufkommenden Tränen zu verdrängen. Bei allen verfluchten Göttern dieser Welt, was war denn jetzt bitte los? Aber dieses Gefühl, diese tiefe Erkenntnis berührte ihn so stark, dass es ihm schwer fiel die Tränen zurückzuhalten. Er atmete flach ein und aus, versuchte sich zu beruhigen. ~Warum ich sie so liebe? Es fühlt sich einfach an, als ist es das Normalste der Welt!~ Nevilles Worte kamen ihm in den Sinn und er musste ihm zustimmen. Ja, genau so fühlte es sich an hier zu sein! Trotz all der Zweifel und Ängste, trotz all der ungeklärten Fragen und dem ständigen Gedanken, diesen Mann gar nicht zu kennen. Es fühlte sich an, als wäre es das Normalste der Welt!
 

„Wie lange willst du da noch stehen?“ Platze plötzlich die müde Stimme in dieses Gefühlschaos und Harry zuckte zusammen. Die grauen Augen hatten sich nicht geöffnet, waren eher zusammengekniffen und Draco versuchte langsam wach zu werden. Er zog die Schultern an, ballte die wohl kühlen Finger zusammen, um sie danach gegeneinander zu reiben. „Oh, ich…“ Kurz überlegte Harry und dann grinste er bis über beide Ohren. „Ich war nur am Überlegen, wie ich dich am Besten wecken kann. Ich habe mich dazu entschieden einfach zu warten, bis du den Tee riechst!“ Stichelte er nun und kam näher, das gewaltige Grinsen konnte er nicht unterdrücken. Wann hatte er sich in den letzten Jahren so glücklich gefühlt?

„Rooibos-Chai?“ Fragte Draco erstaunt und blickte aus verschlafenen Augen zu dem Auror auf. Dankbar lächelte er und griff mit beiden Händen nach dem Becher, der ihm gereicht wurde. „Woher wusstest du das?“ Noch immer breit grinsend setzte sich Harry neben ihn und meinte herausfordernd. „Was? Dass es dein Lieblingstee ist?“ Er bekam nichts weiter als ein Nicken, denn noch immer schien Draco mit der Müdigkeit zu kämpfen. Meine Güte, wie konnte man so „süß“ aussehen? Allerdings war sich Harry auch im Klaren darüber, dass er diesen Gedanken niemals aussprechen sollte. Die blonden Haare hingen etwas wild um die Schultern, die Augen waren halb geschlossen und alles an dem Mann wirkte selig zufrieden mit dem Tee in den Händen. „Es war die Dose, die direkt neben den Bechern stand, noch vor der Dose mit der Vanille und sie war am meisten abgegriffen.“
 

„Gut kombiniert, aber was ist dir passiert, dass du strahlst wie ein Honigkuchenpferd?“ Neckte nun Draco ihn und nahm genießend einen Schluck Tee, schloss die Augen und lauschte dem Atem des anderen. „Ich habe endlich ein Geheimnis gelüftet!“ Begann der Schwarzhaarige vielsagend und als die grauen Augen ihn wieder über den Teebecher hinweg anblickten, wurde sein Grinsen noch breiter. Mit einem Funkeln stellte er seinen Teebecher ab und griff nach dem anderen. Beide landeten auf dem kleinen Tisch neben den Büchern und nur einen Moment später saß Harry breitbeinig auf dem Schoß des Blonden. Er legte seine Arme über dessen Schultern und beugte sich langsam vor.

Die Röte stieg sofort in die blassen Wangen und sanft trafen sich ihre Lippen. Dracos Hände spürte er warm auf seinem Rücken, als dieser ihn noch näher an sich zog. Harrys Herz klopfte wild und der Kuss schmeckte süß nach Tee. Noch wagte er nicht diesen zu vertiefen. Kurz löste er ihn, sah in die glänzenden grauen Augen, in denen nun keine Müdigkeit mehr zu erkennen war. Die Hitze brannte nicht nur auf seinen Wangen, auch in seinen Lenden spürte er das erste Pochen. Er wollte diesen Mann! Er begehrte ihn und als sich ihre Lippen erneut trafen, war der Kuss begierig und voller Sehnsucht. Er spürte deutlich, wo sich das Blut in seinem Körper hinbewegte, die Gier zu einer Lust wurde und …
 

… sein Kopf aussetzte. Es war nicht dieses angenehme, berauschende Aussetzen, über welches man sich freute. Es war dieses schreckliche, schwindelerregende Gefühl, dass einem die Beine wegzog und Übelkeit aus dem Bauch aufsteigen ließ. Mit einem Stöhnen löste er den Kuss und kniff die Augen zusammen. Warum jetzt?

„Dir ist schwindlig oder?“ Fragte Draco mit einem belustigten Klang in der Stimme und der Auror gab nur ein ungnädiges Knurren von sich. Der ehemalige Slytherin räusperte sich und meinte dann offen. „Nach all dem, was gestern und heute passiert ist, kommt dein Körper nicht so gut mit der Umlagerung einer solchen Menge Blut zurecht.“ Eines der grünen Augen öffnete sich und sein Herz begann noch schneller zu schlagen. Er schluckte und mit einem Grinsen meinte Draco. „Ja, ich weiß, wo sich gerade dein Blut gesammelt hat!“

Mit einem peinlich verlegenen Ausruf ließ er den Kopf sinken und drückte seine Stirn gegen die rechte Schulter des blonden Mannes. Die warmen Hände lagen noch immer auf seinem unteren Rücken und dann spürte er die schmalen Lippen an seinem Hals. Draco küsste ihn sanft, ließ sich dabei ausreichend Zeit und flüsterte dann gegen das vor Scham erhitze Ohr. „Vielleicht stimmt es dich freudiger, wenn ich dich heute Nacht nicht ins Gästezimmer verbanne und du noch einmal die Gelegenheit bekommst, mir meine Bettdecke streitig zu machen…“
 

Nun pochte sein Herz so laut, dass er jeden Schlag in seinen Schläfen spüren konnte. „Ja… ja… doch… das würde mich freudiger stimmen.“ Meinte er leise, ein Krächzen hatte sich in seinen Rachen geschlichen und als er den Kopf leicht zurück zog, um in die grauen Augen zu blicken, fragte sich die leise Stimme in seinem Hinterkopf, wo da der Haken war.

Es gab keinen, ganz gleich, wie sehr seine misstrauische Stimme sich auch Mühe gab. Harry rutschte aus der angenehmen Sitzhaltung wieder zurück auf das Sofa und sie tranken ihren Tee noch aus. Es war ein angenehm prickelndes Gefühl, denn sie saßen Schulter an Schulter gelehnt dicht nebeneinander. Noir verabschiedete sich für die Nacht und verschwand im Dunkel, nur ein Heulen erfüllte noch die kalte Luft. Harry stand schon auf der Treppe und lachte provokant, während er sich am Treppengeländer festhielt. „Pass bloß auf, nachher bringt sie dir noch einen gejagten Hasen mit nach Hause.“ Stichelte er und die Hitze stieg in die blassen Wangen des ehemaligen Slytherin. Im Bad versuchte er möglichst nicht an die Bilder zu denken, die er der Wölfin schon zu verdanken hatte.

„Hör b'oß auf! Dat hat sie schon alles gemacht!“ Beschwerte er sich, während er versuchte nichts von der Zahnpasta zu verlieren. Grinsend lehnte Harry an der Wand, schwieg lieber und konzentrierte sich auf das Zähneputzen, bevor er noch eine Katastrophe in Weiß durch ein ausfallendes Lachen fabrizierte. Es war seltsam ungewohnt hier neben ihm in diesem kleinen Badezimmer zu stehen und doch wollte er jetzt nirgendwo anders lieber sein.
 

An diesem Abend war ihm vieles egal. Draco hatte noch einen Blick auf die Wunde an seinem Arm werfen wollen und stellte fest, dass sie wie zu erwarten verheilt war. Zwar konnte man die Stelle noch gut sehen, sie war rosa und deutlich empfindsamer, aber das würde sich in den nächsten Tagen legen. Die Infektion war ausgeklungen, das war das Wichtige. Zum Glück hatte der dezent Sauberkeitsfanatische das Bett schon frisch überzogen und sie mussten nicht mit einer Unmenge an Wolfshaaren kuscheln.

„Warum bin ich gestern eigentlich nicht im Gästezimmer gelandet?“ Fragte er neugierig, spürte jedoch schon die Müdigkeit erneut Anlauf nehmen. Sie kroch regelrecht rasend auf ihn zu und wollte ihn packen. „Ich war zu faul das Gästezimmer erst herzurichten.“ Brummte Draco verlegen und mit einem Gähnen begann der Auror zu grinsen. „Wehe, da liegt morgen wieder so ein dummer Brief von dir!“ Stichelte er als Dank und rutschte etwas näher. Es war warm unter der Decke und dieses Bett war unglaublich weich. Es war eines dieser Sorte, aus dem man gar nicht mehr heraus wollte. Es schien einen wahrhaftig gefangen zu nehmen und wiegte einen unglaublich schnell in den Schlaf. Als läge ein Zauber auf ihm.

„Komm her!“ Hörte er plötzlich die belustigte Stimme und nur einen Moment später spürte er die schlanken, straken Arme, die nach ihm griffen. Wer hätte das gedacht? Er lag schon wieder hier! So nah bei ihm! Und sie hatten sich geküsst! Dieser Gedanke jagte ein breites Grinsen über seine vollen Lippen. So schnell würde er diesen Kerl nicht wieder gehen lassen! Möge da kommen, was wolle!

„Gute Nacht, Harry!“ Waren die letzten Worte, die er noch hörte und sein Verstand begriff, dass sich die warmen Lippen zu einem sanften Kuss auf seine Stirn gelegt hatten.

Lass dich verführen!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Lass dich verwöhnen!

21. Kapitel

Lass dich verwöhnen!
 

Sein Hunger weckte ihn und müde blinzelte er in das trübe Licht des Tages. Er wusste nicht, wie spät es war und bevor er sich darüber Gedanken machen konnte, fing ein Gewicht auf seiner Brust die Aufmerksamkeit ein, die er für die nächsten Gedanken nutzen wollte. Sein Blick wanderte zur Seite und bemerkte die blonde Haarpracht, die sich auf der breiten Brust verteilte. Das feingeschnittene Gesicht wirkte sanft, entspannter als je zuvor und besitzergreifend hatte der ehemalige Slytherin seinen Arm über ihn gelegt. Mit einem zufriedenen Lächeln betrachtete er den entspannten Ausdruck und mit einem frechen Zug hob er den freien Arm. Sanft stieß er die fremde Nase an und beobachtete, wie die Augen fest zusammen gekniffen wurden und der Blonde zu gähnen begann. „Oh, Merlin! Bin ich eingeschlafen?“ Murmelte er verwirrt und versuchte mit einem Blinzeln seine Umgebung zu erkennen.

Harry grinste spitzbübisch vergnügt und meinte nur ehrlich. „Wir beide sind eingeschlafen!“ Noch immer müde zog Draco seinen Arm wieder zu sich heran und rieb sich über die Augen. „Das war nicht der Plan….“ Brummte er verlegen und sah bei dem folgenden Lachen auf. Seine grauen Augen wirkten leicht verschwommen, doch sie klärten sich mit jedem weiteren Herzschlag. „Ach, du hattest einen Plan? Sah irgendwie nicht danach aus, als wir zwei vorhin erschöpft, aufgewühlt und noch immer ziemlich erregt auf dem Bett zusammengebrochen sind.“
 

Nun wurden die blassen Wangen wieder von dieser Schamesröte überzogen und Draco räusperte sich. „Wir beide waren ja nicht gerade zurückhaltend.“ Kommentierte er die letzten Worte und ließ von dem Schwarzhaarigen ab, um sich auf den Rücken rollen zu können. Noch immer trugen sie keinen Fetzten Stoff am Leib, das Bett war durchwühlt und nur halbherzig hatte einer von ihnen die Decke über sie gezogen, damit sie nicht froren.

Mürrisch verzog sich das feine Gesicht und Draco wusste, dass er einen Fehler begangen hatte. Er war zu voreilig gewesen und dafür zahlte er nun seinen Preis. Der Muskelkater, der sich durch seinen Unterleib zog, die Schmerzen, die ihn nun quälten, schienen den Spaß unter der Dusche nicht zu rechtfertigen. „Alles ok?“ Hörte er plötzlich die Stimme, die nicht den gewünschten Ton Besorgnis in sich trug, sondern eher einen überschwänglichen Schalk.

„Nein!“ Fauchte Draco leicht und durfte sich dann auch noch die nächste Frechheit anhören. „Ich kann mich nicht beklagen.“ Säuselte er ihm zu und die grauen Augen öffneten sich. Er musterte das strahlende Gesicht, welches noch immer ohne Makel war und schnaubte dann. „Ich habe ja auch ausreichend Erfahrung, damit du dich nicht beschweren musst!“ Konterte er leicht beleidigt und war dennoch nicht gewillt sich zu erheben.

Harry hatte sich auf den linken Arm gestützt und beugte sich über den Mann, der neben ihm lag. Sanft stahl er einen Kuss von den schmalen Lippen und raunte. „Was hältst du von einer heißen Dusche und einem Frühstück?“ Er konnte sehen, wie Draco bei der Idee seine Freude unterdrücken musste und so nur brummend von sich gab. „Hast du das Wasser eigentlich ausgestellt?“
 

Das folgende „Oh!“ verriet mehr, als der ehemalige Slytherin wissen wollte und so stieß er vorwurfsvoll die Luft aus. „War ja klar!“ Kurz blickte er in die grünen Augen, die ihn mit einem funkelnden Leuchten musterten und ein breites Grinsen lag auf den vollen Lippen. „Griesgram! Ich war mehr als nur abgelenkt und ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir soooo lange weg sein würden!“ Die frohlockende Freude war in seiner Stimme deutlich zu hören und nun konnte Draco seine schlechte Laune nicht mehr vorgaukeln. Er räusperte sich erneut und drückte sich mit den Ellenbogen vom Bett ab. Dabei grinste er deutlich und ein Blick in die grauen Augen verriet die gleiche Freude, die schon den Auror ergriffen hatte. „Wie bist du nur auf solch eine Idee gekommen?“ Warf ihm der Blonde vor, doch an seiner Stimme konnte man den ebenso aufgetretenen Schalk hören. „Na komm, lass uns duschen gehen. Immerhin sollte das Wasser nicht noch länger laufen!“

Dieser Argumentation folgte Harry mit einem grinsenden Kopfschütteln, rollte über die andere Seite des Bettes und schwang freudig die Beine über die Kante. In diesem Moment musste er jedoch begreifen, das auch sein Körper erschöpft und vor allem hungrig war. So sammelte er sich kurz und erhob sich dann. Draco stand schon an der Tür und hob die rechte Augenbraue fragend. „Was?“ Kam nur provozierend von dem Auror und er trat langsam auf den blonden Gespielen zu. Sanft griffen seine Hände nach den Hüften des Mannes und er zog ihn dicht an sich, um ihn liebevoll zu küssen.
 

Nur kurz wurde dieser Kuss erwidert, dann drückten die schlanken Hände gegen seine nackte Brust und er wurde ein Stück fort geschoben. „Mir ist kalt.“ Brummte Draco und mit einem Lachen ließ der Schwarzhaarige ihn frei. Nachdenklich folgte er dem anderen, der schon die Hände auf den Oberarmen liegend ins Bad gehuscht war. Es gab noch sehr viel, dass sie miteinander klären mussten. Vielleicht hatte der Sex es einfacher gemacht. In all dem, was sie an diesem „Morgen“ gemeinsam getan hatten, lag diese Sehnsucht nacheinander und die Bestätigung, wie sehr sie einander brauchten. Dennoch hatte es in all den Jahren nie ein miteinander gegeben und die alte Hexe hatte schon Recht. Sie mussten erst lernen miteinander zu leben und es gab keine Garantie, dass ihre Liebe das ertragen würde. Wie viele Paare zogen zusammen und trennten sich nach wenigen Jahren wieder, weil sie der Wahrheit ins Auge sehen mussten: Sie konnten nicht miteinander leben!

Diese Gedanken ließen ein ernüchterndes Gefühl in ihm entstehen und mit verschränkten Armen lehnte er im Türrahmen des Duschraumes. Draco stand schon unter dem warmen Strom der Dusche und hatte den Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken gelegt. Er genoss, wie das Wasser auf sein Gesicht fiel und die Wärme seinen gesamten Körper umhüllte. Der gekachelte Raum war angefüllt mit dem trüben Nebel aus Wasserdampf und ein gutes Drittel des Bodens hatte sich in einen See verwandelt. Ein Gryffindor und ein Slytherin. Ob das gut gehen konnte? Und wäre Draco bereit diese Welt hier zu verlassen? Würde er irgendwann dazu bereit sein, wieder als Draco Malfoy in Erscheinung zu treten?

Mit einem Lächeln dachte er an diesen verrückten Tagtraum, den er vor so vielen Jahren hatte. Es war der erste von vielen, die ihn einfach nicht los ließen. Wie es wohl gewesen wäre, wenn er damals mit der blonden Schlange zusammen gekommen wäre? Wenn diese Nacht in einer anderen Zeit geschehen wäre und Draco am nächsten Tag blieb? Wenn sie wirklich ein Paar geworden wären?
 

Seine Phantasie malte ihm ein herrliches Bild und mit einem überheblichen Grinsen lehnte sich der Blonde auf die große Rückenlehne des leeren Stuhles, auf dem Harry vorhin noch gesessen hatte. „Ich glaube, denen ist die Lust am Essen vergangen!“ Höhnte der Slytherin und Lily schüttelte ihren Kopf. „Sev, bitte, du hast doch sicher ein Gegenmittel dabei!“ Meinte sie zu ihrem Freund, der ihr einen langen Blick zuwarf. Dann wanderten seine Augen zu der Tür, in die James und Sirius gerade gestürmt waren und hob eine seiner schwarzen Augenbrauen. „Warum sollte ich? Das geht von alleine vorbei… so in zwei oder drei Tagen!“

Dracos Lachen erfüllte die Luft und auch Tonks gluckste vor Freude. Nachdem er noch einen Blick über den Tisch geworfen hatte, überbrückte Harry die letzten Schritte zu dem jungen Mann, dessen graue Augen wild funkelten. Sanft schlangen sich seine Arme um die athletische Brust und er schmiegte sich an den 17 Jährigen.

„Was ist Harry? Nein, ich werde sicher nicht helfen! Jeder der hier Anwesenden hat genauso wie ich in Hogwarts Unterricht in Zaubertränke gehabt und nur weil ihr alle nichts vom Gebrauch von Schleien, Quitte und einer Prise Wolfswurz wist, kann ich ja nichts dafür. Haben wir am Anfang der 5. Klasse gehabt. Ungefähr dritte oder vierte Woche!“ Das schelmische Grinsen auf Harry Gesicht wurde breiter und er meinte. „Das ist doch wenigstens ein Anhaltspunkt!“

Remus sog scharf die Luft ein und zog die Stirn in Falten. „Das ist doch das Gegenmittel zum Jagus… Jagara… Trank? Ach verdammt, ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern!“ Auch Lily begann angestrengt nachzudenken, während sich Severus wieder gemütlich setzte. „Draco, erinnere mich daran mir noch einen Grund auszudenken, warum ich dir im nächsten Jahr 15 Punkte für Slytherin geben kann. Welch brillante Antwort, vielsagend und doch für die Anwesenden nutzlos. Darum bist du mein Lieblingsschüler!“
 

„Was ist? Willst du da Wurzeln schlagen?“ Hörte er plötzlich die Stimme des ehemaligen Slytherin, die jedoch nicht zu einem 17 Jährigen passte. Mit einem Blinzeln kam er zurück in die Realität und musterte das fragende Gesicht, welches ihm zugewandt war. „Oh, ich war nur in Gedanken versunken.“ Meinte er breit grinsend und löste sich vom Rahmen, in dem er lehnte und schloss die Tür.

„Na, an was hast du gedacht?“ Neckte ihn der Slytherin und beobachtete, wie der 25 Jährige näher kam. Sanft und doch auch besitzergreifend trat Harry an ihn heran und zog ihn in seine Arme. Der Strahl des warmen Wassers traf ihn und erst jetzt bemerkte er, dass er noch immer die Brille auf der Nase trug. Die Tropfen rannen über das Glas und so beugt er sich vor, um sie aus dem direkten Wasser zu holen. Sanft strichen seine Hände über den irgendwie noch immer fremden Körper. „Ich stellte mir nur vor, wie mein Leben gewesen wäre, wenn meine Eltern noch leben würden. Irgendwie glaube ich, dass sie im Sommer gerne gefeiert hätten und dabei all ihre Freunde eingeladen.“

Die grauen Augen musterten die kräftigen Finger und mit einem fragenden Ton kam beinahe zurückhaltend. „Kam ich auch in diesem Gedanken vor?“ Offensichtlich glaubte er nicht daran, denn beinahe stoisch starrte er auf seine eigenen Hände, ließ sich nicht einmal von den sanften Berührungen der fremden Finger ablenken. Mit einem warmen Schmunzeln und einem liebevollen Blick in den grüne Augen meinte er. „Ja, du kamst auch in diesem kleinen Tagtraum vor.“ Er fuhr mit der linken über den Unterarm des Blonden und fügte noch an. „Ich glaube allerdings nicht, dass James damit gut zurecht gekommen wäre. Ich glaube, er hätte dich nicht ausstehen können.“
 

Nun konnte er Draco schmunzeln hören und dieser entgegnete. „Was denkst du, wie es meinem Vater ginge? Stell dir mal vor, wie es wäre, wenn wir in der siebten Klasse wirklich zusammen gekommen wären! Ich meine, mal ehrlich, ich, als Malfoy, lasse mich ausgerechnet auf einen Potter ein! Allein die Tatsache wäre schon demütigend genug für ihn und dann auch noch einen Sohn!“ Nun musste auch Harry leicht lachen und ließ seinen Blick über die Tätowierung am Unterarm streichen.

„Oh ja, ich könnte mir gut vorstellen, wie die beiden sich gegenüberstehen und sich laut anbrüllen, welcher Sohn welchen verführt hat. Ob wir dabei vor Peinlichkeit im Boden versinken, wäre den beiden doch egal!“ Diese Vorstellung war eine, die er nicht unbedingt haben musste. Trotz ihrer humorvollen Szene bedeutete sie doch auch die Aberkennung seiner familiären Zugehörigkeit. Manchmal fiel es ihm schwer James als liebevollen, akzeptierenden Vater eines bisexuellen Sohnes zu sehen. Irgendwie hatte sich diese Angst in sein Herz gefressen und er wurde sie einfach nicht grundsätzlich wieder los.

„Ja, das kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Die zwei würden sich sicher nicht verstehen.“ An seiner Stimme konnte Harry die wieder aufkommende Freude hören. Offenbar hatte sich der Blonde entspannt. Ein Umstand, den der Auror gleich wieder ändern würde, obwohl er hoffte, dass er damit eine Fehleinschätzung beginn.
 

Sanft fuhren die Finger seiner linken Hand über die großflächige Tätowierung an Dracos Unterarm und er fragte offen. „Hat sie eine Bedeutung?“ Was genau dieses Bild darstellen sollte, konnte er nicht sagen. Es war eine Schlange mit weißen Flügen, die Harry stark an die christlicher Engel erinnerte. Sie wand sich um einen Stab, der mit seiner dreieckigen Spitze wie ein Speer wirkte. Das Bild, welches mit einem grünen, flammenartigen Hintergrund versehen war, zog sich über seinen gesamten Unterarm.

Mit einem Räuspern drehte Draco seinen Arm aus dem sanften Griff und meinte offensichtlich verlegen. „Das erzähle ich dir später… vielleicht…“ Er drückte den Arm leicht an seinen Bauch und mit einer fahrigen Geste fuhr er sich mit der anderen Hand durch die nassen Haare. „Ist da jemand schüchtern?“ Fragte er mit einem breiten Grinsen und zog den blonden Zauberer näher an ich heran. Dabei knabberte er kurz frech an dem rechten Ohr, an dem sich seine Lippen befanden. Den Schauer, der dem schlanken Mann über den Rücken lief, spürte Harry deutlich und zufrieden hörte er die bissig verlegene Anfuhr. „Halt die Klappe, Potter!“

„Ach, komm, so peinlich kann es ja gar nicht sein? Außerdem sieht sie besser aus, als deine alte Tätowierung! Es ist eine deutliche Verbesserung!“ Neckte er ihn nun frech und mit einem Funkeln in den Augen biss er leicht in die rechte Schulter. „Lass das! Du hast keine Ahnung, Potter! Also hör auf damit!“ Beschwerte Draco sich nun und obwohl der Angesprochene nur einen Teil des Gesichtes sehen konnte, war die Röte deutlich.
 

Noch immer umhüllte sie das Wasser und Harry war erstaunt, wie wenig er doch den schlanken Körper und seine Narben kannte. Sie hatten sich so von ihren tiefen Trieben treiben lassen, dass sie angefüllt von diesem lustgierigen Gefühl waren, aber ihre Augen, ihre Finger nur die groben Umrisse des anderen kannten, die Hitze, die ihre glühenden Körper von sich gaben.

„Ich hätte aber gerne Ahnung! Ahnung von dir!“ Kam nun offensichtlich ernster von ihm und mit einem Seufzen löste sich der Blonde von ihm. Seine schlanken Hände schoben die fremden von sich und dann wandte sich der gezeichnete Leib ihm zu. Noch für einen kurzen Moment konnte der Auror einen Blick in die grauen, wundervollen Augen werfen, als die wohlgeformten Finger nach seiner Brille griffen und diese von seiner Nase zogen. Das Bild wurde schlechter, so schlecht, dass er jeden Zentimeter Nähe zwischen ihnen schätzte. „Halt einfach die Klappe, ja? Ich will es dir jetzt einfach nicht sagen!“

Mit einem frechen Lächeln beugte sich Harry vor und stahl einen flüchtigen Kuss von den schmalen Lippen. „Ich werde wieder fragen. Ich will alles von dir wissen, dich ganz und gar kennenlernen.“ Flüsterte er rau und erkannte den Schalk in den Sturmdiamanten. „Versuch es, aber ich verrate dir nicht all meine Geheimnisse!“
 

Erstaunt musste sich der schwarzhaarige Auror einem ganz neuen Angriff geschlagen geben. Sanft begannen diese sehnigen Finger den Schaum in seinen widerspenstigen Haaren zu verteilen und er schloss genießend die Augen.

Jeder weitere Gedanke war vergessen und das Aufkommen eines auch nur geringen Widerstandes wurde unter den sanften Berührungen erstickt. Dass diese zärtlichen Finger anderen den Tod gebracht hatten, verlor sich eben so in dem gedanklichen Nichts. Das warme Wasser schuf eine verbindende Atmosphäre, die sie in eine tiefe Trance band. Ihre Hände fuhren erkundend über den anderen Körper, verteilten streichelnd Seife und ihre Augen suchten zurückhaltend gierig jedes Details. In diesem berauschenden Augenblick vergaßen sie alles andere und gaben sich dieser Zärtlichkeit hin.
 

Beinahe gewohnt deckte Harry den Tisch und legte je ein Messer neben die Brettchen. Marmelade, Butter und Käse standen schon dort und auch Honig hatte er gefunden. Wurst oder ähnliches war wie zu erwarten nicht vorhanden. Mit einem Schmunzeln hob er den Blick und sah aus den großen Fenstern hinaus in den hellen Tag. Er konnte den in seinen schwarzen Umhang eingewickelten Mann draußen erkennen, der nach seiner Freundin sah. Die kahlen Bäume ragten wie gewaltige Wächter mit ihren schneebeladenen Ästen um das Haus in die Höhe. Die schwarze Wölfin hatte mit ihrem Geheul auf sich aufmerksam gemacht und wirbelte freudig den Schnee auf, während sie näher kam.

Jedoch schien der Blonde gerade keine Aufmerksamkeit für sie erübrigen zu können. Sein Blick hing in der Luft an einer kleinen Eule, die näher kam. Verwundert trat Harry an die Arbeitsplatte heran und beobachtete nun genauer, wie Noir um den ehemaligen Slytherin herum jagte, heulte und sein Augenmerk einforderte. Doch noch immer ignoriert er sie und hob nur den Arm damit die Eule landen konnte. Harry kniff die grünen Augen zusammen und versuchte den Absender des Briefes zu erkennen, den der Vogel mit sich trug. „From N to M.“

Selbst auf die wenigen Meter konnte er die Kringel und Schnörkel zuordnen, mit denen diese wenigen Buchstaben verziert waren. Er kannte sie nur zu gut und jedes Jahr, wenn die anderen den Sieg der Schlacht um Hogwarts feierten, bekam er eine schneeweiße Eule. Sie trug einen Brief bei sich, der ihn eindringlich an sein Versprechen erinnerte und ihm verdeutlichte, warum er „sie“ nicht belügen sollte.
 

Nun verstand er auch, warum Draco keine Aufmerksamkeit entbehren konnte und als die Eule auf seinem Arm landete, beeilte sich der Auror zur Hintertür zu kommen, um diese zu öffnen. Nur kurz bemerkte er im Augenwinkel, dass die zweite Tür der Küche, die nach hinten hinaus ging, ein gesamtes Gewächshaus verbarg, und doch ließ er sich nicht die Zeit, dieses genauer zu betrachten. Er griff nach der Klinke und nur einen Moment später strömte die Kälte in den Raum. Sein Blick war auf den Rücken des blonden Mannes gerichtet. „Noir!“ Rief er und die Wölfin hob den Kopf. Sie drehte sich zu ihm und bevor er noch etwas sagen konnte, bewegte sich der Wolf auf ihn zu. Nur wenige Meter, dann blieb sie wieder stehen und ihr großer Kopf wandte sich ihrem besten Freund zu.

Das wiederholte sich noch zwei Mal, bis die Wölfin endlich bei ihm angekommen war. Sie sah aus ihren gelben Augen zu ihm auf und vorsichtig streckte Harry ihr die Hand entgegen. Sie schien ihm nicht zu vertrauen und da es eine wacklige Bindung zu dem ehemaligen Slytherin war, wusste er nicht, was sie von ihm hielt. Einer wilden Wölfin gegenüber zu stehen, die einen eventuell als Bedrohung ansah, konnte gefährlich werden. Besonders wenn er im schlimmsten aller schlimmsten Fälle nicht einmal wusste, wie weit er sich verteidigen durfte. Draco hatte sicher etwas dagegen, wenn er den Wolf verletzte. Die großen Augen musterten ihn und so selbstsicher wie möglich blieb Harry ihr gegenüber stehen.

Die feuchte Schnauze kam immer näher, sie schob sich langsam zu ihm und dann schleckte die raue Zunge über seine ausgestreckte Handinnenfläche. Noir setzte ihre Pfoten wieder in Bewegung und während sie an ihm vorbei in das Innere des Hauses ging, schmiegte sie sich kurz an seine Seite, nur um ihn dann zu ignorieren.
 

„Sie scheint dich zu mögen.“ Hörte er plötzlich eine bekannte Stimme, die jedoch keinen Schalk in sich barg. Sie war angespannt und Harry ahnte weshalb. Er hatte nicht bemerkt, wie der Blonde näher gekommen war. Der Waldkauz saß auf seiner Schulter, sein graubraunes Gefieder war aufgeplustert gegen die Kälte, als wollte er so schnell nicht wieder fliegen.

Die grauen Augen des ehemaligen Slytherin hingegen wirkten ernst, beinahe gefühllos, als wollte er sich gegen alles wappnen, was in diesem Brief stehen könnte. Harry schenkte ihm ein Lächeln und meinte dann ehrlich. „Wenn sie dir so schnell antwortet, wird es nichts Schlechtes sein!“ Doch damit biss er auf Granit, die Sturmdiamanten sahen ihn beinahe herablassend an und Draco ging ungerührt an ihm vorbei.

Mit einem Seufzen schloss der Auror die Tür und schüttelte innerlich den Kopf. Draco stand unter Druck, er sollte ihm das nicht übel nehmen. Er selbst konnte sich von einem leicht aggressiven, Nerv tötenden Verhalten nicht frei sprechen, mit dem er sogar Ron schon zur Weißglut gebracht hatte. So warf er noch einen Blick durch den hellen Raum, in dem er nun stand. Es war angenehm warm, die Außenwände bestanden aus Glas wie bei Professor Sprout. Lange Reihen mit unterschiedlichen Gewächsen zogen sich durch den Raum und Harry erkannte rote Tomaten, große Kürbisse, Zucchini. Nun, auch im Winter musste der Kerl etwas essen, wenn er auf Fleisch verzichtete. Nachdenklich fragte er sich, ob er das ebenso konnte und vor allem, ob der Blonde es fordern würde. Sein Leben lang auf Wurst und Fleisch verzichten? Allein bei dem Gedanken an Blaise Gulaschsuppe oder die herrlichen Fleischeintöpfe von Molly lief ihm das Wasser im Munde zusammen.
 

Erstaunt stellte Harry fest, dass Draco den Brief auf den Tisch gelegt hatte und nun mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsfläche lehnte. Er starrte nur auf das noch immer nicht geöffnete Papier und Harry hob verwundert die Augenbrauen. Mit der rechten zog er die zweite Tür hinter sich zu. Noir war noch dabei ihre Decke vor dem Kamin auszulegen, schob mit den Pfoten den Stoff über den Boden und hielt nur kurz inne, als der Schwarzhaarige den Raum betrat.

„Willst du ihn nicht lesen?“ Fragte Harry direkt und bemerkte, dass die kleine Eule auf der Lehne eines der leeren Stühle saß und neben ihr über die nächste der schwarze Mantel geworfen war. Die grauen Augen fanden zu ihm und nach einer schieren Unendlichkeit löste sich die Verschränkung der Arme. Draco seufzte und fuhr sich dann mit beiden Händen durch die noch offenen blonden Haare. „Nein, ich will ihn lesen!“ Begann er vorsichtig und doch bebte seine Stimme leicht. Die Anspannung hatte ihn zur Gänze im Griff.

Kurz überflog er die nächsten Gedanken, dann entschied sich der Auror für einen Vorschlag. „Soll ich den Brief für dich öffnen?“ Grün traf Grau und in einem lautlosen Wettstreit balgten sie sich um die Kraft den eigenen Stolz zu überwinden. Harrys Angebot anzunehmen hieß für den Blonden seine eigene Schwäche einzugestehen. In diesem intimen Moment des inneren Zwiespaltes hob sogar die Wölfin neugierig ihren Kopf und musterte die beiden. Sie hatte ihre Decke nun zur Zufriedenheit auseinandergezogen und wollte sich schon setzten, als sie die Stille im Raum bemerkte.
 

„Ja, lies diesen verdammten Brief!“ Fuhr ihn der ehemalige Slytherin gereizt an und stieß sich kraftvoll von der Arbeitsfläche der Küche ab. Seine Schritte führten ihn am Tisch vorbei in den vorderen Bereich dieses Raum, damit er vor dem letzten Regal auf und ab tigern konnte.

Bei diesem unruhigen Gang, bei dem sich der Blonde unablässig die Hände rieb oder sie ineinander verschränkte, nur um sie wieder auseinander zu ziehen, fiel Harry das Fehlen eines Gegenstandes auf. Draco trug nicht das Messer, welches er sonst immer am Oberschenkel befestigte. Er selbst hatte darauf verzichtet. Irgendwie freute ihn das. Ein warmer Schwall Glück erfüllte seine Brust und sein Lächeln wurde eine Spur sanfter. Begannen sie einander wieder zu vertrauen? Neckisch wanderte sein Blick über die schlanke Gestalt, die er nun deutlich besser kannte. Sie verbarg sich und ihre athletischen Züge unter einem großen, schwarzen Strickpullover, dessen Kragen mit einem Reißverschluss geschlossen werden konnte. Nun war er halb geöffnet und verwehrte doch den Blick auf den hellen Hals. Die graue Hose aus festem Stoff hatte am linken Hosenbein eine zusätzliche Tasche, deren Knopf offen war. Rechts trug er immer die Befestigung für seinen Dolch und bei genauem Hinsehen konnte er den Abrieb dort erkennen.

„Willst du nun lesen oder nicht?“ Fuhr ihn plötzlich die aufgekratzte Stimme an und das sonst so blasse Gesicht war gerötet. Wahrscheinlich stammte ein Hauch davon auch von der Kälte draußen, doch die Anspannung in den Zügen hatte ebenso das Blut in die Wangen gejagt. „Oh ja, warte…“ Begann Harry und fischte nach dem Brief, den er jedoch deutlich vorsichtiger öffnete. Er schlug das Pergament auf und seine tiefe Stimme erhob sich über die angestaute Spannung des Raumes.
 

„Mein geliebter Sohn!“ Kurz sahen die Augen auf und er suchte den Blick des anderen. Eigentlich hatte er beruhigend sagen wollen, dass dieses ein guter Anfang war, doch bei dem Anblick las er lieber weiter. Draco war wie eine Feder gespannt, die jeden Moment unter dem Druck nachgeben konnte. Er klammerte sich nun an die Lehne, auf der es sich der Waldkauz gemütlich gemacht hatte. Seine Hände lagen links und rechts neben dem Tier, welches sich nur weiter aufplusterte.
 

„Mein geliebter Sohn!
 

Wie lange ich auf diese Worte gewartet habe, gleicht einer Unendlichkeit. Welche Freude und welch inneres Glück sie mir bescherten, kann ich nicht beschreiben. Dich in Sicherheit zu wissen, dein Glück so nah bei dir und mit einem Ziel im Blick lässt mein Herz vor Glück überschäumen. Sicher bist du eine solche Ausdrucksweise nicht von mir gewohnt, doch sieben lange Jahre habe ich nicht sagen können, ob du lebst. Wie gerne würde ich dir so vieles berichten, so vieles erzählen, doch dazu bin ich heute nicht im Stande. Zu viele Briefe habe ich begonnen, doch die Freude ließ meine Hände zittern. Wenn sich mein bebendes Herz beruhigt, werde ich dir noch einmal ausführlich antworten. Doch nun wisse, mein geliebter Sohn, dass dein Vater und ich sehr stolz auf dich sind! Wir lieben dich und mir ist es gleich, wem du dein Herz schenkst! Lebe! Liebe! Sei glücklich! Mehr kann sich eine Mutter nicht wünschen!
 

In ewiger Liebe

Deine Mutter!“
 

Langsam ließ er den Brief sinken und linste hinüber zu dem geröteten Gesicht. Draco hatte die Augen geschlossen, die Lippen fest aufeinander gepresst. Die Anspannung war nicht von ihm gewichen, im Gegenteil nun schien sie noch deutlicher zu sein. Verwundert faltete er den Bogen, sollte er etwas sagen? Dieser Brief entsprach doch all den positiven Erwartungen, die Draco an ihn haben konnte. Warum also schien er nicht glücklich? Leise atmete er durch und trat näher an den blonden Mann heran. Was konnte er jetzt sagen? Er verstand ja nicht einmal die Situation. Ob er vielleicht schweigend helfen konnte?

Sanft berührte er den Oberarm Dracos und dieser zuckte zusammen. Er drehte den geröteten Kopf ruckartig zu ihm und ein Blick in die grauen Augen klärte alle offenen Fragen auf. Sie glänzten wässrig und beinahe verzweifelt versuchte der stolze Slytherin die Tränen zurückzuhalten. Bei Merlins zerschlissenem Mantel, das konnte doch nicht angehen! Sein Grinsen war leicht schief und mit einer bestimmenden Geste hob er die Arme. „Komm her du Idiot!“

Seine Unterlippe begann zu beben, immer schwerer fiel es ihm. Mit einem leichten, kaum merklichen Kopfschütteln versuchte er einen Schritt zurückzuweichen, die Hände hob er als Abwehr. Eine kraftlos ausgeführte Geste und bevor er sich versah, hatte Harry die geringe Distanz überbrückt und zog ihn mit einem Grinsen fest an sich.
 

Einen Moment versteifte sich der ehemalige Slytherin noch. Wie konnte ein Malfoy hemmungslos weinen? Nein, das war nicht möglich!!!

Doch dieser Gedanke verklang ohne Nachhall in der überschäumenden Freude, die sein Herz erfüllte. Seine Hände vergruben sich in dem dunklen Pullover, den er dem Auror geliehen hatte. Tränen rannen haltlos über die geröteten Wangen und mit einem Schluchzen wurde sein gesamter Körper von einem Beben ergriffen. All die Angst, die er vor dieser Antwort geschürt hatte, war nun in einem Sturm aus Glück ertränkt worden. Sieben lange Jahre hatte er nicht mit ihr gesprochen, sie nicht gesehen und sich sehnsuchtsvoll nach ihren Umarmungen verzehrt. Sie war seine Mutter! Von ihr verstoßen zu werden hätte ihm alles genommen, was ihm nun noch gehörte. Sie hätte mit einem Wort seine Welt aus allen Angeln gehoben und mit einer sagenhaften Leichtigkeit zerschmettert.

„Ich habe dir doch gesagt, dass sie dich liebt!“ Meinte Harry noch immer mit diesem schalkhaften Grinsen. Als Antwort bekam er nur ein weiteres Schluchzen und insgeheim fragte sich der Auror, ob Draco jemals hatte so vorurteilsfrei weinen dürfen.
 

Lange standen sie dort, die Zeit verstrich und irgendwann hörte Harry das Schlagen der Uhr im Salon. Nun löste sich auch der Blonde und wischte sich mit dem Ärmel über die Wangen, den Kopf von seinem Freund abgewandt. Wahrscheinlich waren Draco die Tränen verdammt peinlich, die so hemmungslos über seine roten Wangen gelaufen waren. So traf Harry noch eine Entscheidung, immerhin hatte er dank Teddy viel über solche Situationen gelernt. „Bitte rette mich, ich habe langsam wirklich Hunger und ich habe keine Ahnung, wo du dein Brot versteckt hast.“

Noch einmal atmete der ehemalige Slytherin durch und blickte dann mit einem leicht herablassenden Zug in den Augen zurück zu dem Schwarzhaarigen. Das war wahrscheinlich die schlechteste Überleitung der Welt, so miserabel, dass sie nicht einmal in die Kategorie der Überleitungen zählen durfte! Trotzdem war er ihm dankbar dafür und mit einer leichten Geste zum Tisch hindeutend meinte er. „Setz dich, ich kümmere mich um den Rest.“

Dieses Angebot dankend annehmend sah er noch einmal nach Noir, die vor dem Kamin lag. Ihre gelben Augen musterten ihn eingehend, sie wirkte angespannt und ihre Ohren waren ihm zugewandt. Oh, oh, irgendwann würde sie ihn noch anspringen, weil sie ihn für eine Gefahr hielt. Wenn Draco ständig in seiner Nähe aufgelöst oder angespannt war…
 

Von seinem Platz aus konnte er sie beobachten, die Wölfin ihn leider auch. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ließ sie ihren Kopf auf die Pfoten sinken und musterte ihn nun von dort aus misstrauisch. Mit einem Seufzen sah er auf, als sich ein heißer Becher neben seinem Brettchen einfand und kurz überlegte er, ob Draco den Kessel aufgesetzt hatte. Er konnte sich nicht daran erinnern. Allerdings war Wasser zum Kochen zu bringen wohl auch nicht besonders schwer für den Zauberer.

Kaum saß der Gastgeber und Harry hatte nach einer Scheibe dieses wirklich gut aussehenden Brotes gegriffen, als er ungeniert fragte. „Schreibst du ihr gleich zurück?“ Wieder trafen die grauen Augen ihn, noch immer waren die Tränenspuren in ihnen zu erkennen. Kurz schien er zu überlegen, dann nickte er schweigend. Noch immer so direkt meinte Harry dann. „Ok, wenn du darüber nicht sprechen willst, kommen wir zu einem anderen Thema, das mich persönlich sehr interessiert.“

Draco hatte den Blick schon wieder gesenkt, hatte seine Scheibe Brot mit Butter und Honig bestrichen. Es handelte sich um ein aus groben Schrot gebackenes Dinkelroggenbrot mit goldbrauner Rinde, welches schon zur Hälfte aufgebraucht war. Der Kräuterkundige hatte es selbst gebacken. Nun blickte er in die grünen Augen, versuchte zu erahnen, um was es gehen sollte. „Mal angenommen, dass mit uns wird etwas, dann muss ich aber nicht für den Rest meines Lebens auf Fleisch verzichten oder?“
 

Ein kurzes Lachen erfüllte die fragende Stille, die Harrys Worte hinterlassen hatte. Offenbar rechnete der Blonde mit solch einem Thema wirklich nicht. Dann jedoch zog er pikiert eine Augenbraue in die Höhe und meinte spitz. „Ich werde jetzt großzügiger Weise den Beginn deiner Frage übergehen, immerhin hatte ich den Eindruck, dass du ein ernstes Interesse an einer solchen „Übereinkunft“ hegst. Um deine Frage nachhaltig zu beantworten: Nein, du kannst kochen, was auch immer dir zusagt, solange ich jedoch für das Essen zuständig bin, wirst du sogar auf Eier verzichten müssen!“

Die Antwort, die ihm nun herausrutschte, war nicht geplant. „Warte, wie backst du dann? Kuchen ohne Ei?“ Diese ungestüme Art entlockte seinem Gegenüber noch ein Lachen, dieses Mal etwas herzlicher. „Ja, es gibt auch Rezepte ohne Ei, aber ich backe auch nicht. Daher hat sich deine Frage erledigt oder?“ Noch immer entsetzt, nun aber eher um den anderen zu ärgern, verzog er das Gesicht und legte theatralisch die linke Hand auf die Brust, die rechte streckte er abwehrend Draco entgegen. „Unter diesen Umständen kann ich unmöglich mit dir zusammen sein. Es war ja schon schwer zu ertragen, dass du trotz all der Umstände einen Sinn in deinem Leben gefunden hast, bei dem du schonungslos als Malfoy allen Menschen das Leben rettest, aber das! Selbst über das Umbringen von Todessern hätte ich noch hinwegsehen können, aber das du dich weigerst zu backen! Nein, Draco, so macht das mit uns beiden wirklich keinen Sinn!“
 

Im ersten Moment hatte der ehemalige Slytherin die Worte ernst genommen. Zu entsetzt klang die tiefe Stimme, die jedoch mit jedem Wort mehr vom Schalk durchzogen war. Nach der Hälfte seines Schauspieles fiel es sogar Harry schwer nicht zu lachen. Leise glucksend biss Draco in sein Brot und breit grinsend zog Harry die Butter an sich heran. „Wie? Glaubst du mir das jetzt nicht?“ Frotzelte er und nachdem der Blonde geschluckt hatte, antwortete er frech. „Doch! Doch! Auf jeden Fall! Das ist extrem erleichternd für mich, dann muss ich dir nicht erklären, dass ich niemals mit jemandem zusammen sein kann, der Patenonkel von Tonks Sohn ist, dessen Vater nicht nur ein Werwolf, sondern ausgerechnet Remus Lupin ist!“

Nun musste Harry prusten und versuchte sich nicht zu verschlucken. „Außerdem kann ich dir nicht verzeihen, dass du einem meiner besten Freunde beigestanden hast, als Pansy ihn zerfleischen wollte. Dein Heldenkomplex ist einfach zu groß! Nachher kommst du noch auf die Idee mich so zu akzeptieren, wie ich bin!“ Mit einem belustigten Funkeln in den Augen blickte der Auror seinen Partner an und ja, ganz langsam entstand das Gefühl einer Partnerschaft. „Oh… ja, das ist natürlich hart. Mein Heldenkomplex… hm, den werde ich wohl nie in den Griff bekommen. Ich denke, wir haben einfach keine Chance!“

Mit einem Lächeln schüttelte Draco den Kopf und konzentrierte sich nun wieder auf sein Essen. Der Hunger brannte sich langsam in seinen Magen und er wollte nicht noch länger auf die Linderung selbigen warten.
 

Sehr viel Zeit ließen sie sich nicht mit dem Essen und blieben dabei meist schweigend. Auch das Aufräumen des Tisches bedurfte nicht viel Zeit und nach einer kurzen Absprache knirschte Harry mit den Zähnen. Der jüngste der Malfoys wollte seiner Mutter antworten und danach noch einige Kräutermischungen vorbereiten und Salben ansetzen. Bei der Äußerung dieses Planes, dessen Umsetzung einiges an Zeit in Anspruch nehmen würde, erinnerte sich der Auror, dass er selbst noch eine Menge zu erledigen hatte. Verlegen fragte er nach Feder und Tinte, die ihm nach einem misstrauischen Blick zugesprochen wurden.

Beide machten es sich in der Küche gemütlich, schrieben schweigend, obwohl die grünen Augen immer wieder zu seinem Freund fanden. Offenbar hatte Draco sich wieder gänzlich gefasst und mit einer unglaublichen Eleganz glitt die Feder in wunderschönen Bögen über das Papier. Der Waldkauz genoss die Stille, er saß noch immer auf seiner Lehne und hatte die Augen geschlossen. Ob er wirklich schlief, bezweifelte Harry, aber die vielen Eulenkekse hatten ihn sicher träge werden lassen. Er selbst war es und sein Gehirn weigerte sich aufmerksam und konzentriert zu arbeiten. Er hatte noch einige Berichte über Festnahmen, Funde oder andere Aufträge des Ministeriums niederzuschreiben.

Erleichtert freute er sich darüber, dass der Blonde nicht weiter nachgefragt hatte und erstaunt begriff er mit einem Mal, dass die grauen Augen ihn anblickten. „Oh…“ Entkam es ihm und die feine Augenbraue wanderte in die Höhe. „Ich dachte, du wärest auch beschäftigt?“ Fragte er nach und die Hitze schoss sogleich in die sonnengebräunten Wangen. „Ja, bin ich auch.“ Murmelte er und starrte wieder auf das Dokument vor ihm, welches nur kläglich wenig Zeilen besaß.
 

Mit einem Seufzen ließ er sich gerne wieder von Draco ablenken, der den Bogen faltete und in den Briefumschlag schob. Dabei bemerkte Harry erneut, wie schlank und zart diese Finger waren. Ein sanftes Lächeln huschte über seine vollen Lippen und neugierig beobachtete er, wie das rote Siegelwachs ohne Feuer zu schmelzen begann und in dicken Tropfen auf das Papier fiel. Die bunten Linien am rechten Handgelenk glühten leicht und die Spitze des länglichen roten Wachses löste sich auf. Erstaunt musterte er das Siegel, welches der Blonde nun auf den weichen, roten Fleck drückte, der die Lasche des Briefes verschloss. Es war eine Schlange mit Flügeln. Eben die gleiche, die er schon auf der Tätowierung gesehen hatte. War dort nicht auch der Speer? Oder was auch immer das war? Er würde ihn darauf noch einmal ansprechen müssen.

Er war so in Gedanken versunken, dass er den schnellen Handgriff nicht bemerkte, mit dem der andere nach seinem Pergament griff. Die grauen Augen flogen über die Zeilen und nun schoben sich sogar beide Augenbrauen in die Höhe. Offenbar war er von dem, was er las, zutiefst entsetzt. Ohne einen weiteren Kommentar zerriss er den oberen Teil des Bogens und ließ den Rest der Pergamentrolle wieder zurück auf den Tisch gleiten. „Wie kann man nur so grauenhaft schlecht sein? Hast du dich wenigstens ein Bisschen konzentriert?“ Verlegen fuhr sich der Schwarzhaarige mit der linken Hand durch die Haare. „JA!“ Gab er leicht angegriffen von sich. „Dann mach es besser! So schlecht kannst nicht einmal du sein.“ Mit diesen Worten griff er nach dem Beutel mit den Eulenkeksen und fischte noch einen heraus. Der Kauz hatte sogleich die Augen geöffnet und schlug leicht die Flügel auf. Freudig verspeiste er den gereichten Keks und mit einem leisen Schrei, den er noch einmal ausstieß, hüpfte er auf den gereichten Arm.
 

„Und was bekomme ich dafür?“ Fragte Harry nun provozierend und seine Verlegenheit hatte sich in eine gewisse Empörung verwandelt. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? Warum interessierte er sich für seine Arbeit und mit welchem Recht kritisierte er sie auch noch?

„Für jeden fertigen, einwandfreien Bericht bekommst du einen Kuss!“ Erklang nun die ruhige Stimme und mit dem Brief in der Hand und dem Vogel auf dem Arm wendete er sich zur Tür. „Mehr nicht?“ Gab er spöttisch provokativ von sich und bemerkte, wie der Blonde an der Tür zum Gewächshaus stehen blieb. „Du bist doch kreativ genug oder?“

Für einen Moment setzte sein Gehirn einfach aus und er versank in dem sturmgleichen Grau, welches so herrlich provokant funkelte. Oh ja, da machte es ihm garantiert Spaß kreativ zu sein! Allein schon bei diesem Gedanken spürte er ein leichtes Pochen in der unteren Region seines Körpers. Meine Güte, wie sollte er sich denn jetzt konzentrieren?

Lass dich aufklären!

22. Kapitel

Lass dich aufklären!
 

Sehr viel hatte er in Anbetracht der zu erledigenden Arbeit nicht geschafft. Der Berg an nachzuholenden Berichten war erdrückend. Ron schrieb seine immer Zuhause, er hatte eine ihn liebende Frau, die gerne ein Auge auf diese Arbeit hatte. Heute verstand er endlich den Vorteil an dieser Übereinkunft, mit der Ron meist alles gleich erledigt hatte und so nie in die prekäre Lage kam, in der sich Harry nun befand. Doch sein aufschiebendes, schlechtes Verhalten hatte auch einen Vorteil. Mit jedem weiteren Bericht würde er einen weiteren Kuss bekommen und das war definitiv ein Ansporn.

Müde massierte er sich die rechte Hand und beobachtete neugierig, wie Draco einige Kräuter abwog. Leider konnte er nicht viel davon sehen, denn das Meiste erledigte der ehemalige Slytherin drüben auf der Arbeitsfläche, sodass er die einzelnen Hangriffe mit dem eigenen Rücken verdeckte. Auf dem Tisch waren unterschiedliche Pflanzen ausgebreitet, einige von ihnen getrocknet, andere noch frisch. In der Küche hatte sich ein angenehmer Geruch ausgebreitet und die verschiedenen Kräuter mischten sich zu einem betäubenden Duft.

Mit einem Lächeln lehnte sich Harry zurück und ließ seine Gedanken schweifen. Er wusste noch nicht, wie es zwischen ihnen weiter gehen würde und Bilder aus vergangenen Träumen tauchten neckisch vor seinem inneren Auge auf. Gedankenspiele, die er in langen Nächten erschaffen hatte und bei allem war er sich sicher, dass es niemals so sein würde. Draco jetzt hier zu sehen, langsam mehr über ihn und seine Vergangenheit zu erfahren, ließ alle kindischen, sehnsuchtsvollen Ideen verblassen, es raubte ihnen den Bezug zur Realität.
 

„Schon fertig?“ Fragte die langsam vertraute Stimme und ein breites Grinsen lag auf den vollen Lippen des Aurors. „Nein, ich hätte da noch einiges, aber ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr. Außerdem tut mir meine Hand schon vom vielen Schreiben weh!“ Beschwerte er sich leicht und schob den Stuhl zurück um aufzustehen. Draco hatte sich zu ihm gedreht und war an den Tisch getreten. Seine schlanken Hände griffen nach einer der trockenen Pflanzen, eine langstielige, die mit duzenden kleiner Blätter bestückt war. Lange Zweige zogen sich vom Mittelstiel ab, an ihnen reihten sich die kleinen, beinahe runden, nur mit einer kleinen Spitze versehenen Blätter auf. „Oh, das tut mir aber leid!“ Frotzelte der Blonde und grinste frech. Er drehte sich um und schien sich wieder auf seine Arbeit konzentrieren zu wollen.

So schnell ließ sich der schwarzhaarige Auror jedoch nicht abschütteln und schob den Stuhl wieder an den Tisch heran. „Ich weiß, du leidest regelrecht mit, nicht wahr?“ Konterte er und umrundete den großen Eichentisch, um seinem Freund näher zu kommen. Dieser bemerkte ihn und antwortete keck. „Ja, siehst du nicht den Gram, der mich umtreibt?“ Lächelnd blieb Harry hinter dem ehemaligen Slytherin stehen und schlang sanft seine Arme um dessen Bauch, damit er über seine rechte Schulter blicken konnte. „Klar, darum muss ich dich ja festhalten. Nicht, dass du mir noch umkippst vor Schmerzen!“
 

Das liebevolle Schmunzeln versetzte seinem Herzen einen freudigen Stoß. Noch immer kam ihm ihr Miteinander wie ein Drahtseilakt vor, unter ihnen nur ein gewaltiger, dunkler Abgrund, der sie verschlingen würde, wenn sie fielen. Neugierig beobachtete er nun genauer, wie Draco die kleinen Blätter einzeln abzupfte und in einer Schale sammelte. „Da wir jetzt später haben, kannst du mir ja endlich erzählen, was es mit der Tätowierung auf deinem Arm auf sich hat!“ Forderte Harry nun, der gleich die Verspannung seines Freundes bemerkte. Irgendwie mochte er seine Art nicht. Jedes Mal, wenn er sich über eine Reaktion des Blonden freute, kam er mit einem unangenehmen Thema an. Vielleicht sollte er damit aufhören… obwohl er dadurch auch immer erfolgreich war.

Ein Räuspern. Offenbar war er wieder verlegen. Was hatte es mit diesem Bild nur auf sich? Fahrig zupfte Draco an einem der trockenen Blätter und zerriss es dabei. „Ok, ich erzähle es dir, aber… wehe wenn du lachst! Ich vergifte dich und setzt dich mitten im Wald aus! Im Dunkeln!“ Gab er aufgebracht von sich und fügte seiner Drohung noch ein gemurmeltes „Ich werf dich Bellatrix zum Fraß vor.“ an.

Verwundert zog Harry die Augenbrauen in die Höhe, ließ den Blonden jedoch nicht los. Er bemühte sich seiner Stimme einen sanften, beruhigenden Ton zu geben. „Ich werde mich sicher nicht darüber lustig machen. Ich habe nicht den Eindruck, dass du dir dieses Bild einfach so zum Spaß ausgesucht hast.“ Seine Worte schienen zu helfen und die Anspannung in dem schlanken Körper ließ leicht nach. Mit einem erneuten Räuspern begann Draco endlich zu erzählen.
 

„Einer Legende nach versammelten sich alle Götter der Welt auf einer magischen Insel. Nun stritten sie darüber, wer unter ihnen der Gott wäre, der am Stärksten und am Mächtigsten sei. Sie stritten Tage lang, bis das Meer um sie herum wild und wüst wurde, dass es die Ufer aller Länder erklomm und sie ertränkte. Dabei tobte der Wind und trieb Wolken und Sturm über den Rest der Erde und aus der Macht der Götter wurde ein Fluch für die Menschen.

Als sie in ihrem Rausch wilder Wut gefangen nichts von all dem bemerkten, trat plötzlich jemand unter sie, der viele Namen in der Welt hat. Einige bezeichnen ihn als das Leben, andere als die uneingeschränkte, allanwesende Zeit. Ich sage dazu Schicksal.

Mit klarem Blick und tiefer Weisheit trat das Schicksal unter sie und allein die Anwesenheit einer solch erhabenen Macht beruhigte die Götter. „Ihr seid es, die im Konflikt miteinander den Mächtigsten unter euch zu suchen gedenkt. Ich will euch helfen.“ Sprach das Schicksal und hielt in seinen Händen einen Speer. Unbeschreiblich schön, mehr Zeremoniell als Waffe, mit Bändern und Gold geschmückt, erstrahlte er in einer beinahe reinen Göttlichkeit. Nun sprach das Schicksal weiter. „Ich gebe euch diesen Speer. Ihm ruht die Kraft der allwissenden Zeit inne. Derjenige, der unter euch der eine ist, der wird die Macht des Speeres spüren und eins mit ihm sein.“
 

Diesen Worten folgend griff nun der erste der Götter nach ihm und spürte, wie ihn ein Schwall unendlicher Macht erfüllte. „Ja, ich spüre es. Ich bin es!“ Rief er vor wilder Freude aus, doch da wurde ihm der Speer aus den Händen gerissen und ein anderer Gott zog ihn an sich. „Nein, ich bin es!“ Verkündete er nun, denn ein ebenso mächtiger Schwall Macht durchströmte ihn. Doch es blieb nicht dabei. Gott um Gott griff nun nach der Waffe und jeder verkündete, dass er es wäre.

Schlussendlich blieben nur zwei Götter übrig und als Buddha auf das verzierte Stück blickte, meinte er nachdenklich. „Sind wir alle die Auserwählten?“ Und ja, er spürte die Macht ebenso wie all die Götter vor ihm. Doch er bemerkte auch das Wissen, welches er in diesem Moment erhielt. So blieb nur eine Göttin übrig und als sie von Buddha den Speer überreicht bekam, antwortete sie ihm. „Wir werden es gleich erfahren.“ Sie gilt als die Älteste unter ihnen, ohne Namen, wird sie von vielen nur die Mutter genannt. Sie soll die Natur und ihre Stärken, ihre Macht repräsentieren. Auch sie verspürte nun die Macht, von der all die anderen Götter sprachen und das Wissen, welches Buddha wahrgenommen hatte.

Es war das Schicksal, welches nun aussprach, was so vielen unter ihnen entgangen war. „Jeder von euch ist wichtig für diese Welt. Jeder von euch hat Menschen, die an ihn glauben. Für sie seid ihr die einen, die wahren Götter und neben euch haben sie niemanden. Ihr seid die Welt für diejenigen, die euch ehren und sie zu beschützen ist eure Pflicht, nein, es ist euer Privileg! Wie könnt ihr euch in diesem Streit verlieren, während die Welt, der ihr euch bemächtigen wollt, untergeht?“ Anklagend deutete das Schicksal auf die Länder, die von Wasser und Wind zerstört und von Hungersnöten und Plagen heimgesucht wurden.

Erst nach und nach begriffen die Götter, welchen Fehler sie begangen hatten und in ihrer Schuld flohen sie still und leise von der Insel, um dort zu helfen, wo ihre Macht Leben nahm und Verwüstung brachte.“
 

Schweigend zog Harry die Augenbrauen zusammen, als der ehemalige Slytherin die Stimme senkte, als wäre nun die Geschichte erzählt. „Und weiter?“ Fragte er, denn ihm fehlte das Ende. „Nichts und weiter! Das war es! Die Götter sind auseinander gegangen, sie haben nie wieder gestritten, wer unter ihnen der Mächtigste ist und haben sich um die Menschen gekümmert, die an sie glaubten. Fertig. Ende. Aus.“ Noch immer schien der Auror nicht ganz den Sinn dahinter zu verstehen, denn er bekam die Geschichte nicht mit dem Bild auf dem vernarbten Unterarm überein. Sollte die Schlange für einen Gott stehen? War es eine Huldigung dieser Geschichte? Und warum hatte die Schlange Flügel? Kannte er einen Gott, der in Schlangengestallt mit Flügeln erschien? Die Schlange war das Wappentier des Hauses Slytherin. Ob es damit zu tun hatte? Oder sollte diese Schlange etwa Draco darstellen? Sie hatte eine entfernte Ähnlichkeit zu dem Drachen, den er auf seiner Schulter trug.

„Will ich wissen, was du jetzt denkst?“ In diesen Worten konnte Harry deutlich eine angespannte Distanz hören, die auch etwas Angriffslustiges hatte. Langsam löste er sich von dem schlanken Körper, trat neben ihn und lehnte sich locker an die Arbeitsfläche der Küchenzeile. „Eigentlich denke ich jetzt nur, dass ich völlig verwirrt bin und keine Ahnung habe, was du mir eigentlich sagen willst. Gibt es von dem…“ Er deutete mit beiden Händen eine unbestimmte Masse in der Luft an. „… eine kurze Variante?“

Noch immer brannten die blassen Wangen dunkel vor Verlegenheit, doch in die grauen Augen stahl sich ein sanfter Ausdruck. „Also eine Erklärung für begriffsstutzige Potters?“ Neckte ihn der ehemalige Slytherin und Harry verzog das Gesicht. „JA!“ Gab er leicht patzig von sich. Klasse, jetzt fühlte er sich wie der Dumme!
 

Der Kräuterkundige drehte sich ebenfalls um, lehnte sich mit dem Rücken an die Küchenzeile und zog die Nase verlegen kraus. Seine Stimme klang peinlich berührt und sein Blick wanderte unsicher über den großen Schrank, der hinter dem Tisch die Wand zierte. „Der Speer soll den Speer in der Legende darstellen und die Schlange bin ich. Es ist die dämliche Idee, dass ich auch einen Platz in dieser Welt habe und eines Tages nicht mehr von dem Gefühl gejagt werde, dass ich in dieser Welt ungewollt bin. Es spiegelt die Hoffnung wider, dass ich irgendwann kein Außenseiter mehr bin. Die Flügel sollen dabei eine Art…“ Er musste sich nun wirklich zusammenreißen, offenbar wollte er dies nun Folgende nicht aussprechen. Ein zeitschindendes Räuspern folgte und Draco setzte wieder an. „Ich weiß, dass es wirklich dumm ist, ich meine, ich kann die Zeit nicht umdrehen. Ich kann meine Entscheidungen nicht rückgängig machen. Ich denke auch nicht, dass ich es wirklich bereue. Diese Menschen hätten mich eiskalt umgebracht und ich will nicht wissen, was sie dieser Welt schon alles angetan haben. Aber dennoch bin ich für ihren Tod verantwortlich. Manchmal wünsche ich mir einfach wieder der feige, egoistische Junge zu sein, der dir die Schulzeit zur Hölle gemacht hat. Ich war zu feige, um meine Hände mit Blut zu besudeln.“
 

Diese Worte verhallten kommentarlos in der Küche und nur das Schnaufen der Wölfin war zu hören. Es dauerte, bis da ein Lächeln auf den vollen Lippen des Aurors erschien. „Also, die Flügel stehen für deine verlorene Unschuld?“ Nur kurz sahen die grauen Augen in das kantige Gesicht und flohen gleich wieder. Da es keine Antwort gab, sprach Harry weiter. „Wir haben unsere Unschuld schon vor vielen Jahren verloren. Ich glaube, wir waren nie unschuldig. An unseren Händen klebte Blut, bevor wir laufen konnten. Es war egal, welche Entscheidungen wir getroffen hätten. Selbst, wenn ich damals deine Freundschaft angenommen hätte, wenn ich Slytherin geworden wäre, wir sind mit der Schuld unseres Schicksals geboren.“ Er musterte das ovale Gesicht, dessen Brandnarben er nun sehen konnte, da er zu Dracos linker Seite stand.

„Dass wir hier sind, dass wir unser Leben so frei leben können, wie wir es jetzt tun, ist vielleicht mehr, als uns zustehen sollte. Ich bin Auror, Draco. All die Todesser, die ich jetzt noch jage, gehören entweder zu der wirklich üblen Sorte, diejenigen, die sich niemals fangen lassen und deren einziger Wunsch darin besteht, dass sie mit ihrem Tod möglichst viel Schaden anrichten. Oder die Sorte, die wir nie finden werden, weil sie nur das Siegel tragen und niemals in Erscheinung getreten sind. Die Todesser, deren Schuld allein in ihrem Denken und nicht in ihrem Handeln liegt. Solche Menschen sterben lieber, als sich den Rest ihres Lebens in Askaban einsperren zu lassen.“
 

Der Auror bemerkte, wie die blonden Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen wurden. „In diesen Jahren bedeutet mein Beruf beinahe der Tod zu sein. Wenn ich nicht hinter irgendwelchen schwarzmagischen Gegenständen herjagen muss, endet der Auftrag beinahe immer damit, dass ich jemanden umbringe. Als du mir gestern erzählt hast, dass du ein Kräuterkundiger bist, war ich unglaublich erstaunt. Ich wusste nicht, wie das gut gehen sollte. Du bist jemand, der Menschen rettet, der ihnen hilf, der ihnen Hoffnung gibt, ich hingegen bin wie ein Monster, das unter dem Deckmantel eines Auftrages in Blut badet!“

Nun fanden die grauen Augen doch wieder zu ihm und ein skeptischer Zug lag in ihnen. „Jetzt übertreibst du aber. Ich bin kein Heiliger und du kein Monster! Wir sind normale Menschen, die vielleicht ein wenig von Schicksal gebeutelt wurden!“ Gab er provozierend von sich und die vollen Lippen des Schwarzhaarigen zogen sich zu einem breiten Lächeln. „Genau darum geht es mir. Danke, dass du von alleine darauf gekommen bist!“

Erstaunt und wiedersprechend wollte er etwas entgegnen, schloss seinen Mund aber wieder kommentarlos. Dann verdrehte er die Augen und fuhr Harry nur genervt an. „Halt die Klappe, Potter!“ Ein leises Lachen war die Antwort und der Auror meinte noch dazu. „Ich mag dein Tattoo!“
 

Mit einem Kopfschütteln machte sich Draco wieder an die Arbeit und zupfte die Blätter weiter von den dünnen Zweigen ab. Harry blieb weiter an die Arbeitsfläche gelehnt und verschränkte locker die Arme vor der Brust. Mit einem Lächeln beobachtete er weiter die Handgriffe des Blonden.

Es dauerte einen Moment, bis wieder eine angenehme Stimmung zwischen ihnen entstand und kurz sahen die Sturmdiamanten zu ihm auf. Die schmalen Lippen hatten sich zu einem Schmunzeln in die Höhe gezogen und ein leicht sanfter Ausdruck umspielte das Gesicht. „Du bist ein Idiot!“ Schimpfte er und seine Stimme klang belustigt zufrieden. Noch bevor er es verhindern konnte, beugte sich der Auror vor und stahl ihm einen flüchtigen Kuss. „Aber ich bin dein Idiot!“ Scherzte er und mit einem Kopfschütteln wendete sich der Blonde wieder seiner Wage zu. Doch offenbar hatten diese Worte aus seinem Schmunzeln ein breites Lächeln gezaubert.

Bevor Harry jedoch auf weitere dumme Ideen kommen konnte, wurden sie von einem unerwarteten Gast unterbrochen. Eine kleine Eule flatterte vor dem Fenster auf und ab und pickte immer wieder gegen das Fenster. Erschrocken war Harry zusammengezuckt und auch Draco hatte sich so erschrocken, dass er die kleine Schale umstieß und ihren Inhalt auf dem Marmor verteilte.
 

„Das ist aber nicht die, die du deiner Mutter geschickt hast oder?“ Fragte Harry nun, denn er hatte in Erinnerung, dass dieses Tier mehr graue Federn hatte, als dieser Waldkauz. Außerdem wirkte das Tier deutlich kleiner. Die Reaktion, die sein Freund darauf zeigte, gefiel ihm jedoch nicht. Draco wurde schlagartig angespannt, wirkte sehr ernst und auf gewisse Weise auch besorgt. „Nein, diese Eule ist nicht von meiner Mutter!“ Gab er von sich und langte über die Arbeitsfläche zum Fenster, um dieses zu öffnen. Erstaunt bemerkte Harry erst jetzt den kleinen Griff, der durch ein Drehen einen kleinen Teil des Fensters frei gab, damit man ihn öffnen konnte. Es war ein schlichtes Verfahren und wirkte ebenso alt, wie dieses Haus.

Der Kauz sprang hinein und flatterte wild mit den Flügeln, sodass Draco große Schwierigkeiten hatte, dass kleine Briefröllchen an seinem Bein zu lösen. Fluchend fuhr er den kleinen, braun gefiederten Postboten an. Was genau er sagte, verstand Harry nicht. Er war reflexartig in die russische Sprache verfallen, doch die Wut konnte der Auror selbst in der Stimme deutlich erkennen. Was auch immer er gesagt hatte, aber der kleine Kauz erstarrte sofort und seine runden Augen blickten panisch zu dem Blonden auf. Schnell zogen die schlanken Finger an der Schleife, die das Röllchen an dem kleinen Bein befestigte.

Vorsichtig versuchte Harry einen Blick auf das Schriftstück zu werfen. Leicht frustriert erkannte er, dass die Buchstaben ebenso unleserlich waren, wie die fremde Sprache. Kaum hatte der geflüchtete Engländer die wenigen Worte gelesen, als er das Papier auch schon wieder zusammenknüllte. „Блин!“ Fluchte der Blonde und langsam hatte Harry das Gefühl, dass es ein Schimpfwort war. Immerhin hatte er es nun schon ein paar Mal von Draco gehört.
 

„Was ist denn los?“ Erkundigte er sich und war froh, dass er die Frage, ob alles ok wäre, gerade noch unterdrücken konnte. Er beobachtete, wie der ehemalige Slytherin seinen Blick konzentriert über die vielen Gegenstände wandern ließ, die er in der Küche ausgebreitet hatte. „Ich muss noch einmal los.“ Gab er wie nebenher von sich und dann setzet er sich auch schon in Bewegung. Irritiert und nicht wirklich schlauer blieb Harry in der Küche zurück. Er hörte, wie Draco die Treppe hinauf eilte, zwei Stufen gleichzeitig nahm und dann fiel eine Tür hinter ihm zu. „Ok… gut, danke, dass du mich aufgeklärt hast.“ Murmelte er leicht frustriert und warf einen Blick zu Noir, die ihn aus ihren gelben Augen ebenso verwirrt betrachtete. „Nein, ich habe keine Ahnung, um was es geht.“ Meinte Harry nur und die Ohren der Wölfin richteten sich ihm zu. Klasse, jetzt unterhielt er sich schon mit einem Wolf!

Noch einmal stieß er die Luft aus, wirkte frustriert und machte sich dann doch auf den Weg dem Blonden nach. Was auch immer Draco gebissen hatte, er konnte ihm wenigstens kurz erklären, was geschehen war. Langsam schritt er die Treppe hinauf, überlegend, wie er seine Forderung am besten in eine höfliche Bitte verpacken konnte. „Draco?“ Rief er diesen erst einmal und hörte dann ein Geräusch aus dem Schlafzimmer.
 

„Was ist denn los?“ Das war nicht die galante Lösung, die sich der Schwarzhaarige vorgestellt hatte, doch mehr fiel ihm nicht ein. Draco saß auf dem Bett, zog gerade die Schnürsenkel seiner Stiefel an. Den Dolch trug er schon wieder am Oberschenkel, die Tasche lag neben ihm auf der Decke, anscheinend gepackt. „Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, dir dass zu erklären.“ Brummte Draco noch und konzentrierte sich auf das Binden einer Schleife.

„Dann nimm mich mit und erklär es mir unterwegs!“ Wie er auf diese Idee gekommen war, konnte er nicht sagen, doch wieder einmal sprach er schneller, als er dachte. Die grauen Augen hoben sich, der Kräuterkundige hielt mitten in der Bewegung inne und nun wirkte es so, als schien er den Sinn dieser Worte erst verstehen zu müssen. Kurz hatte Harry das Gefühl, dass er für absolut verrückt erklärt wurde, der Blick dieser grauen Diamanten schien auf einem Geist oder einem Wahnsinnigen zu ruhen.

„Dann beeil dich!“ Kam so unerwartet, dass Harry zuerst gar nicht reagierte. Mit einem Blinzeln kehrte das Leben in ihn zurück und seine Füße setzten sich von allein in Bewegung. Seine Hände griffen nach dem Dolch, den er wie in Trance hunderte Male zuvor schon angebracht hatte. Er schlüpfte in seine Stiefel und band sie nur mit halber Sorgfalt zu. Draco war schon wieder mit der Tasche aus dem Zimmer geeilt, während Harry noch leicht verzweifelt mit seinen Schnürsenkeln kämpfte. Was bei allen verbotenen Flüchen war denn in den gefahren?
 

Kaum war Harry aufgesprungen, hörte er Draco schon wieder auf der Treppe nach oben kommen. „Ok, daran musst du noch arbeiten! Dein „Beeil dich“ ist verdammt langsam!“ Mit diesen Worten bekam er seinen Mantel in die Arme gedrückt und begriff gerade noch das Grinsen des blonden Zauberers. War das ein Scherz? Jetzt? Echt?

Doch da begann sich die Welt um ihn schon zu drehen und einen Moment später spürte er den Boden unter den Füßen. Mit einem gewaltigen Ruck kamen die fliehenden Farben wieder zum Stehen und der Druck in seinen Ohren machte ihm klar, was eben geschehen war. Obwohl die Welt um ihn herum wieder stand, drehte sich sein Verstand noch immer und ein unangenehmer Schwindel erfasste ihn. Nur langsam begriff er, dass sie wieder im Wald standen. Es war noch nicht dunkel, der Schnee fiel nicht und die kahlen Bäume ragten um ihn herum in den grauen Himmel. „Wo…“ Doch weiter kam er nicht, ein bitterer Geschmack auf seiner Zunge ließ ihn innehalten. Oh nein, ganz ruhig! Ermahnte er sich selbst, sein Essen wollte er gerne behalten.

„Kommst du jetzt?“ Dracos Aufforderung holte ihn in die Wirklichkeit zurück und mit einem zerknirschten Gesicht versuchet er das Gleichgewicht wieder zu finden. Mürrisch breitete er den Mantel im Gehen aus und warf ihn sich über. Der Kerl war anscheinend von einer Tarantel gestochen worden! „Ja, ja, ich komm ja schon. Als ginge es um Leben und Tod!“ Beschwerte er sich und hörte das Knirschen des Schnees unter jedem Schritt.
 

Unerwartet blieb der Kräuterkundige stehen, er hatte seinen Umhang schon sicher über den Schultern liegen und die Tasche umgelegt. „Potter, es geht um Leben und Tod! Um genau zu sein, geht es um das Leben eines fiebernden, sechs Jahre alten Jungen, der die Nacht nicht überlebt, wenn wir seine Temperatur nicht runter bekommen. Also, wenn ich sage, beweg deinen Arsch, dann meine ich das auch so!“

Die grünen Augen wurden hinter der runden Brille groß und Harry entkam ein „Oh!“. Kaum hatte er sich wieder gefasst, beeilte er sich und setzte größere Schritte, um hinter Draco zu bleiben. „Sag das doch gleich!“ Beschwerte er sich und versuchte die Knöpfe seines Mantels zu schließen. „Das stand also auf dem Zettel?“ Fragte er und bemerkte gerade noch den Baum, der vor ihm aufgetaucht war.

Mit einem Schritt zur Seite wich er dem dunklen Holz aus und geriet ins Stolpern. Er spürte den weichen Schnee unter sich und wären da nicht die kräftigen Hände, die ihn packten, wäre er sicher unsanft auf dem Boden gelandet. „Ok, knöpf erst deinen Mantel zu, sonst muss ich dich noch versorgen, bevor wir ankommen.“
 

Leicht beleidigt blickte Harry auf, da war doch wirklich ein Lachen in der vertrauten Stimme. Irgendwie kam er sich noch immer wie ein Trottel vor. Die Regeln dieses Waldes, dieser eigenen, kleinen Welt kannte er noch immer nicht und offensichtlich rannte er dabei immer gegen die falschen Wände oder anders gesagt, er nahm jedes Fettnäpfchen mit, dass auf seinem Weg zu finden war.

Schnell fanden seine Finger die letzten Knöpfe und er drückte sie durch die passenden Öffnungen im Stoff. Kaum hatte er sie alle geschlossen, als sein Blick die Straße bemerkte, an der sie standen. Nun, Straße war vielleicht nicht das richtige Wort, eher Weg. Nein, selbst das traf es nicht ganz. Da waren zwei tiefe Spuren im Schnee, als wäre ein Karren von einem Pferd hier entlang gezogen worden. Die tiefen Abdrücke des Tieres waren zwischen denen der Räder zu erkennen. „Pferd und Wagen?“ Fragte er und folgte dem Mann, der sich nun wieder in Bewegung gesetzt hatte.

„Was hast du erwartet? Eine ausgebaute Straße mit Fußweg und Beleuchtung?“ Fragte Draco belustigt und wirkte nun deutlich entspannter. Noch immer war in seinem Gesicht eine Dringlichkeit zu erkennen, die Harry antrieb, aber er war offenkundig lockerer. „Na ja, das nicht, aber… doch… vielleicht schon.“ Gab er nachdenklich von sich und während der Blonde den Pfad auf der einen Seite nahm, nutze er den plattgewalzten Schnee des anderen Rades.
 

„Ok, dann kläre mich doch einmal von Anfang an auf. Nicht, dass ich mich gleich wieder wie ein Trottel benehme.“ Forderte er nun ein und hoffte, dass die Worte von eben nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Doch gleich war die Besorgnis wieder in den grauen Augen zu sehen und Harry wurde eines besseren belehrt. „Als ich dich fand, war ich auf dem Heimweg von besagtem Jungen. Gestern wollte ich noch einmal nach ihm sehen und jetzt hat mir Jelena geschrieben, dass sein Fieber wieder stark gestiegen ist. Soweit ich das einschätzen kann, hat er sich irgendwo angesteckt, er fiebert jetzt schon seit Tagen, immer wieder von Schüttelfrost Anfällen unterbrochen. Ich kann nicht genau bestimmen, was für eine Krankheit er hat, darum kann ich ihm auch nur bedingt helfen. Ich hatte die Baba Jaga extra um einige Kräuter gebeten, von denen ich hoffe, dass sie ihm helfen können.“

Nachdenklich erinnerte sich der Auror daran, dass die alte Frau etwas dergleichen gesagt hatte. Immerhin war ihr Korb kaum nach ihrer Ankunft vor ihm auf dem Tisch gelandet. Aber ja, darin befanden sich einige Kräuter, Kräuter, die er eben auch auf dem Tisch gesehen zu haben glaubte.
 

Schweigen trat ein und nur ihr Atmen und das Knirschen des Schnees waren zu hören. „Ist es eigentlich ok, wenn ich dabei bin? Ich meine, die kennen mich doch alle gar nicht.“ Fragte er plötzlich und warf einen Blick hinüber zu dem Mann, der seine Kapuze wieder über den Kopf gezogen hatte. Der Wald wirkte plötzlich so ruhig, mehr als diesen kleinen Pfad schien es nicht zwischen den Bäumen zu geben. Er konnte hin und wieder Vögel hören, Flügelschläge am Himmel. Spuren in der weißen Decke verrieten, dass einige auf Beutezug über diesen Weg gelaufen waren. „Sie werden nicht begeistert sein, aber das ist das geringste Problem.“ Brummte Draco als Antwort und zog die Kapuze noch tiefer ins Gesicht.

„Gregory!“ Klang plötzlich die Stimme eines Kindes. Erstaunt sah er nach vorne und erblickte einen vielleicht 13 oder 14 Jahre alten Jungen, der begeistert strahlte, als er sie erkannte. Er hatte beide Arme in die Luft gehoben und rief noch einmal seinen Namen. „Gregory!“ Ach ja, da war ja etwas. Er konnte ja nicht mehr Draco zu ihm sagen. Er musste ja nun den anderen Namen nutzen. Warte, war das ein Lächeln?

Nur kurz hatte er es auf den Lippen seines Begleiters gesehen, dann schob sich der Stoff der Mütze wieder davor. So richtete er sein Augenmerk auf den Jungen, der ihnen nun entgegen lief. Er war dick angezogen, trug feste Stiefel und eine wollende Mütze, die mit zwei Ohren an den Seiten eines schlanken Gesichtes herunter hing. Schwarze Haare stachen unter der Wolle der Innenseite hervor und umrahmten sein freudiges Gesicht. Er trug Handschuhe, die ihm zu groß wirkten und um seine Jacke war ein alter Gürtel geschlungen, um sie zusammen zu halten.
 

Der Junge begrüßte ihn schon im Laufen. „Наконец-то!“ Was auch immer Draco antwortete, seine Stimme hatte wieder einen seltsam sanften Ton. „Как поживаешь?“ Fragte nun der Junge und griff unerwartet nach der Hand, die sich ihm entgegenstreckte. Leider konnte Harry das Gesicht des ehemaligen Slytherin nicht erkennen, er konnte die Antwort nicht übersetzen und so blieb ihm nur der Klang der Stimme. Aufgeregt schien der fremde Junge wieder eine Frage zu stellen. „Кто это?“ Er warf einen Blick aus seinen dunklen Augen an dem Kräuterkundigen vorbei und musterte den Auror neugierig. Mit einem Lachen sah der blonde Mann auf und für einen Moment glaubte Harry, einen anderen Menschen zu sehen. Draco wirkte so anders, so entspannt und ausgeglichen. Zuerst antwortete er auf Russisch und als dann das Gesicht des Jungen voller Begeisterung und Erstaunen runde Augen bekam und ihm der Mund ein Stück aufstand, meinte er zu Harry.

„Er wollte wissen, wer du bist. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich ziemlich lange kenne und du ein mächtiger Mann bist, der böse Geister bekämpft und Verbrecher jagt.“ Erklärte der Zauberer nun und Harry schob beide Augenbrauen in die Höhe. Nun fragte der Junge wieder aufgeregt und sah ihn aus seinen großen, dunklen Augen an. Nun musste Draco erneut lachen und schüttelte den Kopf. Noch immer gingen sie die Straße entlang, der Kleine musste sich beeilen, um mit den großen Schritten der beiden Männer mitzuhalten.
 

„Er will wissen, ob du die Geister im Wald bekämpfen kannst und ob es dann wieder ungefährlich ist.“ Diese Erklärung ließ Harry verwundert schnauben und er schüttelte den Kopf. „Der Wald ist verflucht. Da kann niemand etwas ändern.“ Brummte er und schüttelte leicht den Kopf. Als Draco diese Antwort übersetzte, stieß der russische Junge einen entsetzten Schrei aus. Er klammerte sich nun regelrecht an den blonden Zauberer und nun war es dieser, der den Kopf schüttelte. Er antwortete dem Jungen und dieser schien sich wieder zu entspannen.

„Ok, ich denke, ich werde dir niemals meine Kinder anvertrauen!“ Kommentierte Harry diese Aktion und nun fand er sich mit den grauen Augen konfrontiert, die ihn fragend provozierend anblickten. „Ach, welche Kinder? Solange du noch keine hast, solltest du auch keine bekommen. Ich wüsste zumindest nicht, wie das mit mir gehen sollte!“ Seine Stimme hatte dabei einen gefährlichen Ton und ein Funkeln lag in den Augen.

Nun schoss das Blut in seine Wangen und Harry räusperte sich. „Davon abgesehen, dass ich der Patenonkel von Teddy bin, war das nur ein Sprichwort, mehr nicht! Oder bist du eifersüchtig?“ Dabei klang er nicht so sicher, wie er gerne wollte. Es reichte jedoch, um den Mann an seiner Seite wieder sanfter zu stimmen. „Schon gut, ich muss das mit diesem Teddy noch immer verarbeiten. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass diese zwei Chaoten zusammen gekommen sind und dann auch noch ein Kind bekommen haben.“
 

Mit einem Schmunzeln richtete Harry seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg. Der Wald lichtete sich und es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie dort ankommen würden, wo sie hinwollten. Nachdenklich ließ ihn jedoch ein Gedanke nicht los. Wollte er Kinder? Er hatte sich niemals darüber Gedanken gemacht, immerhin hatte er sich für Draco entschieden. „Sag mal, wolltest du Kinder?“ Fragte er plötzlich so unerwartet, dass sowohl Draco wie auch der Junge zu ihm sahen. „Ist die Frage ernst gemeint?“ Kam nun zurück und bei dem „Ja!“ schüttelte er nur den Kopf. „Lass uns nachher darüber reden.“

Obwohl er sich damit abgespeist fühlte, folgte er seinem Instinkt und stolperte beinahe über das Dorf, welches nun vor ihnen erschien. Es waren noch sicher 500 Meter bis zu der Mauer, die die wenigen Häuser umgab. Sie war nicht sehr hoch, aber ausreichend um kleinere Tiere abzuhalten. Er versuchte zu schätzen, wie viele Häuser dort standen, doch das war schwer. Ihre mit einfachen Schindeln belegten Giebel ragten in die kalte Luft und aus den schiefen Schornsteinen stieg der Rauch auf.

Am offenen Tor stand ein breitschultriger Mann, seine Kleidung war aus rauem Stoff und Fell. Er hatte aus grober Wolle einen gestrickten Schal um seinen Hals geschlungen und trug schwarze Stiefel aus Wildleder. Der Junge riss sich von Dracos Hand los und rannte den Weg voran. Er lief dem fremden Mann entgegen und schien aufgeregt mit ihm zu sprechen.
 

Neugierig beobachtet er alles, was er zu sehen bekam. Es dauerte nicht sehr lange, bis sie das Tor erreichten und kurz begrüßte Draco den Mann. Sie wechselten wenige Worte miteinander und mit einem kurzen Nicken schien er auch Harry zu grüßen. Schweigend folgte der Auror, als sich der Kräuterkundige wieder in Bewegung setzte.

„Cестра! Сестра!“ Rief der kleine Junge und winkte wild mit den Armen. Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen des ehemaligen Slytherin und er meinte leise zu Harry. „Jelena ist seine große Schwester. Seit dem Tod ihrer Eltern kümmert sie sich um ihn. Er heißt übrigens Jakow.“ Die grünen Augen musterten die junge Frau, die nun aus einem der kleinen Häuser trat. Sie trug ein einfaches, braunes Kleid, ebenfalls weiche Stiefel. Ein weiches Wolltuch war um ihren Hals geschlungen und sie trug ein großes über die Schultern. Auf dem Arm hatte sie einen kleinen Jungen, der wenige Jahre alt war. Sie hatte ihn mit in das Tuch gewickelt und er quietschte vor Freude, als er seinen Cousin sah.

Erstaunt stellte Harry fest, dass der Junge auf ihrem Arm blonde Haare hatte, sie waren kurz, das kleine Gesicht leicht kantig. Seine Mutter hingegen hatte ebenso schwarze Haare wie ihr Bruder. Eine leise Stimme flüsterte Harry Worte zu, die er nicht hören wollte.
 

Ein Blick zu dem Blonden zeigte, wie dieser vorsichtig die Kapuze zurück schob, ihr ein sanftes, freudiges Lächeln schenkte. Gut, die beiden schienen sich deutlich besser zu kennen. Innerlich zog die zweifelnde Wut in ihm auf, warum er jetzt so viel Zeit hatte. Vorhin war er von Draco regelrecht angefahren worden, dass er sich beeilen sollte und nun wanderte dieser Kerl langsam auf Jelena zu? Hieß sie so? War das die gute Freundin, die ihm den Brief geschrieben hatte?

Innerlich zog sich etwas zusammen, als er beobachtete, wie Draco an sie heran trat. Sie sprachen miteinander, er breitete die Arme aus und zog sie und das Kind an sich. Hatte der Kleine graue Augen? Nein, oder? Oder doch? Panik brach in seiner Brust aus und schnürte ihm die Luft ab. War das sein Kind? Sie lachte, ihre Stimme klang sanft, zufrieden und auch seine Worte hatten so etwas Vertrautes.

Harry schluckte und versuchte sich auf die Details zu konzentrieren, die ihn umgaben. Er musterte die Straße, die mit Kopfsteinpflastern belegt war. Die Häuser waren leicht schief, sie schienen alle mit einfachen Mitteln gebaut worden zu sein. Er bemerkte den Schnee, den sie zusammen geschoben hatten, die kleinen Figuren, die Kinder aus den Bergen bauten.
 

Die Fenster waren mit kleinen Holzfiguren geschmückt, Papierblumen oder Männchen aus Kastanien. Aus Holz hatten sie einfache Fensterläden gemacht, von denen einige geschlossen waren. Viel war nicht zu sehen, die Häuser schienen einer bestimmten Anordnung nach aufgebaut zu sein, wenn man der Straße folgte, schien man in die Dorfmitte zu kommen. Mit möglichst viel Konzentration versuchte er den Brunnen zu erkennen oder das, was sich dort am Ende des Weges fand.

„Kommst du Harry?“ Klang plötzlich Dracos Stimme in seinen Ohren wider. Mit einem Knurren drehte sich der Auror zu ihm um und nickte dann grimmig. „Alles ok bei dir?“ Fragte der Blonde plötzlich und mit einem leicht überzogenen Lächeln antwortete er nur knapp. „Ja. Ist nur kalt.“

Zumindest vorrübergehend ließ Draco diese Aussage durchgehen, obwohl ein Blick in die grauen Augen verdeutlichte, dass er im nicht glaubte. Kurz warf er einen Blick zu der Frau, die allem Anschein nach auch noch folgen würde. Jakow lachte, lief vor ihnen durch den Schnee und Sprang in einen niedrigen Haufen, der am Rand der Straße lag. Als Flocken in alle Richtungen aufstoben, quietschte der Kleine auf Jelenas Arm. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten. Die kleinen Finger umklammerten ihn und die leuchtenden Augen waren ganz eindeutig grau. Gut, er sah Draco in keiner Weise ähnlich, aber er hatte nicht den Eindruck, dass graue Augen und blonde Haare besonders in Russland verbreitet waren.
 

Schweigend folgte er den beiden, beobachtete wie vertraut Draco mit dieser Frau war und wie sehr er nun ignoriert wurde. Anscheinend hätte er auch bleiben können, wo er war. Dieser verdammte Mistkerl hatte nur noch Augen für sie und ob er da war, schien ihn nicht zu interessieren. Mit einem Seufzen stieß er die Luft aus und entschied sich dazu, dass es ihm egal sein konnte. Hier war nicht der Ort und nicht die Zeit, um sich über das Gedanken zu machen. Allerdings… wann war sie besser? Er konnte ja eh nichts tun!

Lange mussten sie nicht gehen, sein Blick schweifte über die kleinen Häuserfronten und mit einem Schlucken spürte er den kalten Schmerz, der sich langsam in seiner Brust ausbreitete. Ihre Stimmen klangen gedämpft in seinen Ohren, er verstand die Sprache eh nicht, in der sie sich unterhielten.

Abrupt blieb er stehen, sie waren anscheinend angekommen. Neugierig warf er einen Blick auf das Haus, welches jedoch nicht anders wirkte, als die anderen. Draco klopfte an die Tür und nur einen Moment später wurde sie aufgerissen. Ein bärtiger Mann trat wütend heraus und seine tiefe Stimme hallte über den Platz. Erschrocken zuckte Harry zusammen, als der Kerl, der doppelt so breit wie Draco war und einen Kopf größer, ohne Vorwarnung auf den Blonden los ging.

Bevor der Auror auch nur eine Chance zur Reaktion hatte, war Draco dem Angriff ausgewichen, hatte seinen Dolch gezogen und mit einem gezielten Gegenangriff den Mann gegen die Wand neben der Tür gedrückt. Erschrocken starrte Harry den ehemaligen Slytherin an, dessen Dolch an der Kehle seines Angreifers lag.
 

In diesem Moment begriff Harry die Worte der Baba Jaga. Das war also die andere Seite, die grausame, die ohne zu zögern tötete. Doch der Dolch lag so ruhig an der Kehle des Mannes, dass es schon beinahe unglaublich wirkte. Jeder Muskel des blonden Mannes war angespannt und selbst der Mann, der sicher Mitte vierzig war, rührte sich nicht. Er starrte Draco nur mit großen Augen an, Wut brannte in ihnen, aber auch Angst.

Jelena rief ihren Bruder zu sich und kaum war dieser bei ihr, drückte sie ihm den kleinen Jungen in den Arm. Sie wirkte angespannt und bevor Harry verstand, um was es ging, schob sie ihren Arm zwischen die Brust der beiden Männer und sprach direkt und eindringlich auf Draco ein. Sie griff mit der freien Hand nach seiner Schulter und schob ihn dann Stück für Stück von dem fremden Mann fort.

Kannte sie ihn etwa auch so? Nun war Harry gänzlich verwirrt, starrte auf das seltsame Spektakel und die fremde Frau, die so vertraut und so… so… ihm fehlten die Worte. Sie hatte ihre Hände auf seine Schultern gelegt, sprach eindringlich auf ihn ein und offenbar schien es den Blonden zu beruhigen. Plötzlich erinnerte er sich an die Szene vor der Tür. Dieses Gefühl, nichts über Draco zu wissen und Welten von ihm entfernt zu sein. Diese Jelena war ihm so nah, sie stand an seiner Seite, schien ihn zu kennen und es wirkte beinahe so als… als… ja, es war genau das gleiche Bild. Langsam senkte Draco den Dolch, den Blick hatte er nicht von dem fremden Mann genommen. Ja, es war diese gleiche Vertrautheit, diese gleiche Art, mit der Hermine mit Ron sprach. War sie… war es bei ihnen genauso? Stimmte es etwa und dieser kleine Junge war sein Sohn? Hätte Draco ihm nicht davon berichtet? Hätte die Baba Jaga nicht etwas gesagt?
 

Er müsste mehr verzeihen, als ein Mensch zu verzeihen im Stande war? Das hatte sie ihm gesagt… Aber was hatte sie damit gemeint? Draco ließ den Dolch wieder in die Vorrichtung an seinem Oberschenkel gleiten.

Wer war diese Frau?

Lass dich beruhigen!

23. Kapitel

Lass dich beruhigen!
 

Der fremde Mann mit seinen dunklen Augen knurrte. Er schien zwischen seinen rauen Lippen einen Fluch zu unterdrücken, doch die Worte, die gepresst zu hören waren, ließen die Anspannung wieder in den Blonden fahren. Seine Hand glitt erneut hinab, wollte sich um den Griff des Dolches legen. Jelena drehte sich um, das graue Tuch rutschte zum Teil von ihrer rechten Schulter und sie schien aufgebracht. Kaum erklang ihre Stimme laut in der Luft, eilte jemand zur Tür und trat aus dem Schatten des Gebäudes. Es war eine Frau, die vom Alter her sicher dem Mann glich, sie hatte braune Haare, die sie auf eine unbestimmte Weise nach hinten gebunden hatte. Erste Falten durchzogen ihr Gesicht, fein und doch sichtbar spielten sie um ihre Augen und die Mundwinkel. Wütend hob sie den Arm und keifte regelrecht. Sie ging den Fremden an, der plötzlich den Kopf einzog.

Ob sie verheiratet waren? Nur kurz richteten sich die dunklen Augen auf die Dame, die noch immer mit glühenden Wangen und roten Augen in der Tür stand. Anscheinend hatte sie geweint, die Spuren davon waren noch zu erkennen. Mit einem weiteren Knurren antwortete der angriffslustige Mann ihr und nach dem sie ihm noch einmal in dieser rauen Sprache etwas aufgebracht vorwarf, hob er nur abwehrend die Hände. Wütend, wenn auch von einer gewissen Resignation gezeichnet, löste er sich von der Wand und trat an Jelena und Draco vorbei, nicht ohne den blonden Kräuterkundigen noch einmal wütend anzufunkeln.
 

Erstaunt und überfordert sah er sich nun selbst mit dem breitschultrigen Mann konfrontiert, der direkt auf ihn zu kam. Die dunklen Augen stachen voller Hass aus dem vom Wetter gegerbten Gesicht, welches ein schwarzer, gekrauster Vollbart umgab. Er trug nur einen großen Pullover, Stiefel und schien nicht für einen langen Aufenthalt im Freien gekleidet. Noch überlegend, wie er reagier sollte, wurde Harry diese Entscheidung abgenommen. Der Fremde zog einen Bogen vor ihm, als hätte er nur möglichst weit um die beiden anderen herum gewollt und machte sich auf den Weg, den der Auror als Straße zur Dorfmitte vermutete.

Erleichtert atmete er aus und fand die grauen Augen des ehemaligen Slytherin. Sie waren so kalt, so gefühllos, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. Bei diesem Blick stiegen Bilder von rotem Blut in ihm auf, das sich auf dem weißen Schnee verteilte. Er hörte das leise Röcheln, welches den nahenden, unausweichlichen Tod eines Gegners verkündete. Diese Sturmdiamanten wirkten nicht regungslos, aufmerksam musterten sie jede der feinen Bewegungen in Harrys kantigem Gesicht. Dessen Gedanken drängten die aufsteigenden Bilder fort, doch eines blieb, die schlanke Hand dieser Frau lag noch immer auf der linken Schulter Dracos. Es schien ein Zeichen unendlicher Vertrautheit, selbst in dem Moment, in dem der Kräuterkundige den Blick eines Mörders trug, wagte sie seine Nähe zu suchen. Wie eine Geste des Haltgebens, der gemeinsamen Verbundenheit schien diese Berührung und Draco schien nichts dagegen unternehmen zu wollen. Nun war es die Dame, die in der Tür stand, und die Aufmerksamkeit seines Begleiters auf sich zog. Sie sprach zu ihm, ihr Ton klang entschuldigend und auch die Stimme des Blonden wirkte wieder sanfter.

Ok, anscheinend konnte er hier eh nichts machen. Er verstand keines der gesprochenen Worte und seine Anwesenheit wurde nicht einmal wahrgenommen. Warum war er auch auf die Idee gekommen, dass er hier irgendwie etwas zu suchen hatte? Ohne noch ein weiteres Wort drehte sich nun auch Harry um und eilte mit großen Schritten dem Tor zu, welches die einzig einsichtige Passage in der Mauer zu sein schien. Erstaunt bemerkte der Wächter sein Kommen und seine tiefe Stimme fragte, doch was, wusste Harry nicht. Es war ihm auch egal. Er wollte gehen. Er wollte weg!
 

Wohin genau, war ihm nicht klar. Er schlug den Weg ein, der am Wald entlang führte. Seinen Schritten nach schien hier das Kopfsteinpflaster weiter geführt worden zu sein. Warum also nicht dieser Straße folgen?

„Weil weglaufen seine Sache ist und nicht deine!“ Abrupt blieb der Schwarzhaarige stehen und ein kalter Schauer lief erneut über seinen Rücken. „Was? Soll ich dich etwa belügen und dir sagen, dass alles ok ist?“ Einen Moment brauchte Harry, bis ihm bewusst wurde, was hier geschah. Er drehte sich um, doch sehen konnte er nichts. Nein, Bellatrix war nicht hier! Sie würde nie wieder da sein… nur in seinen eigenen Gedanken.

War er wahnsinnig? Er versuchte die Stimme zu ignorieren, die gleich mit einem euphorischen ‚ja‘ antwortete. Seine Augen suchten die Mauern des Dorfes, so weit war er noch nicht weg. „Was denn, Harry? Ich habe dich im Wald genügend gequält, warum soll es also nicht passend sein, wenn ich den bösen Teil deiner Überlegungen ausspreche?“ Mit einem Seufzen wendete er sich dem Weg wieder zu und dachte konzentriert. ~Weil ich nicht wahnsinnig bin und ich garantiert keine eingebildete Unterhaltung mit dir führen werde, Bellatrix!~

Ok, ihr aber zu antworten war nicht besser. Er konnte regelrecht ihr Gesicht vor sich sehen, wie sie breit grinste, den Kopf leicht zur Seite legte und ihm dann höhnisch sagte: ~Machst du aber schon!~ Klasse, jetzt jagte ihn diese Frau auch schon durch seine eigenen Gedanken. So beschleunigte er seinen Schritt noch. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln. Garantiert würde sie ihm all die kleinen Details aufzählen: „Du meinst diese kleinen verräterischen Zeichen, dass er sie nicht erwähnt hat, dass er hier her kam, als du deinen Abschluss hattest, also vor fünf Jahren und angeblich ein Jahr später auf Jakow gestoßen ist? Ich meine ja nur, wenn der Junge 3 Jahre alt ist, passt das doch wunderbar. Könnte zeitlich also hinkommen. Oder diese Ähnlichkeit!“
 

Wütend blieb Harry stehen, atmete tief ein und aus. Toll, er ließ sich von seiner eigenen Phantasie verarschen! „Nein, Bella, sie sind sich nicht ähnlich!“ Stieß er nun laut hervor und kam sich selbst unglaublich dumm vor. Mit seinen eigenen Gedanken diskutieren… obwohl es schon einen angenehmen Zug hatte, sich kurzfristig einzubilden, dass das nicht seine Gedanken waren, sondern nur Bellatrix hetzerisches Gerede. „Ok, sie sehen sich nicht ähnlich, aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie nicht miteinander geschlafen haben! Bei solch einer vertrauten Stimmung müssen sie gevögelt haben!“

„Halt endlich die Klappe!“ Wütend fuhr er herum, der Schnee wirbelte auf und da stand sie! Seine grünen Augen starrten in das kantige Gesicht und das Blut schoss ihm in die Wangen. Das hatte er jetzt laut gesagt oder? Jelenas Blick sagte das zumindest. Panisch schnell schlug sein Herz und die Hitze überflutete regelrecht seinen Verstand. Warte, sie konnte ihn ja gar nicht verstehen! Oder?

„Ich dich nur gerufen! Warum du gegangen?“ Eine weitere Welle heißer Verlegenheit brannte über seinen Rücken, schwappte über seine Wangen und er schnappte nach Luft. Ok, sie verstand ihn doch! Ihr Englisch klang grauenhaft und er war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte, denn sie sprach mit einem ebenso heftigen Akzent, wie die Baba Jaga.

„Schon… schon ok, du warst nicht gemeint…“ Stammelte Harry mit hochrotem Kopf und kam sich nun wirklich, wirklich dumm vor. Die Russin hingegen wirkte verwirrt, zog das einfache, große Tuch enger um ihre Schultern und meinte dann. „Hier der Zauber des Waldes nicht geht. Du das weißt?“
 

Kurz öffnete er die Lippen und fragte sich, ob er noch dunkler im Gesicht werden konnte. Er wich ihrem Blick aus, fuhr sich mit der rechten Hand über den Nacken und starrte die kargen Schneelandschaften genau an, die sich neben dem Wald erstreckten und ihm noch gar nicht aufgefallen waren. Wald zur einen, … Nichts zur anderen? Vielleicht Wiesen?

„Ja… ja, das ist mir bewusst.“ Meinte er schließlich und nickte, die Hand noch immer im Nacken. „Warum du gegangen? Du eifersüchtig?“ Er war so erschrocken über diese Ehrlichkeit, dass er nicht anders konnte. Seine grünen Augen fixierten groß ihr Gesicht und sie verschränkte die Arme unter der Brust. „Ich sehe Eifersucht, wenn ich sie sehe!“ Für einen Moment musste er diesen Satz verklingen lassen und begriff dann erst, dass ihr erstes ‚sehen‘ ein ‚erkennen‘ war.

„Ich wüsste nicht, dass dich das etwas angeht!“ Erwiderte er nun von einem Sturm der Gefühle ergriffen. Wer war sie eigentlich, dass sie ihn so direkt danach fragte? Offenbar hatte sie doch genug zu tun, zwei Kinder, um die sie sich kümmern musste. Was machte sie hier?

„Дурак!“ Gab sie plötzlich von sich und was auch immer es bedeutete, es klang wie eine Beleidigung. Idiot, Trottel, Dummkopf, wahrscheinlich etwas in diese Richtung. Seine dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen und sie legte den Kopf leicht zur Seite. „Du bist Potter, nicht wahr?“ Fragte sie plötzlich unerwartet und Harry sah sie erstaunt an. „Ähm… ja.“ Kam von ihm, bevor er sich zurückhalten konnte.
 

Ihr Blick wurde plötzlich sanfter und ein provozierendes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Du denken, Jaroslaw sein sein Sohn?“ Ihr zufriedener Ausdruck machte Harry klar, dass sein Gesicht zu ertappt gewirkt haben musste. Offenbar hatte sie ihn durchschaut. Sie hob die Augenbrauen und grinste dabei frech. „Du dummer Trottel! Ja, ich mag Gregory, ja, ich mit ihm geteilt Bett, aber nein, ich nicht seine Frau und Jaroslaw nicht sein Sohn!“

Eine neue Welle heißer Verlegenheit schoss ihm in die Wangen. Hatte sie ihm das eben einfach so gesagt? Ok, sie hatte auf jeden Fall ein gewaltiges Rückgrat, einen verdammt unbändigen Willen. „Du mir sagen, dass du letzten Jahre nur allein im Bett?“ Kurz öffnete Harry den Mund, wollte etwas sagen, doch er kam nicht dazu. Seine Lippen schloss sich wieder ohne einen Ton von sich gegeben zu haben. „Als… als würde dich das… ich meine, was… woher…“ Stammelte er überfordert und Jelena lachte kurz auf.

Sie schüttelte den Kopf und meinte dann, nachdem sie ihr Tuch noch einmal fester gezogen hatte. „Er mir erzählt. Er mir erzählt von dir. Von Mann, den er liebt!“ Wieder blinzelte Harry und langsam verstand er, was Draco an ihr so mochte. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und tat das, was am besten war. Die Wahrheit aussprechen um Missverständnisse von Vorne herein auszuschließen. Das „Oh!“, welches ihm entfuhr, ließ sie sanfter lächeln.
 

„Komm, mir ist kalt! Du das klären mit ihm. Nicht mit mir. Wegrennen wie kleines Kind!“ Sie drehte sich einfach um und ließ ihn beinahe stehen. War sie wirklich so verrückt? Sie kam ihm nach und schlug ihm ohne Vorwarnung um die Ohren, in welchem Verhältnis sie zu Draco stand. Sie wusste, welche Rolle er im Leben des Blonden spielte. War diese Frau verrückt oder nur er? Nein, eigentlich war sie jemand, den man einfach gern haben musste. Und ja, sie hatte Recht, er war auch kein Heiliger in der Zeit gewesen. Fünf Jahre waren lang und trotz der gewünschten Enthaltsamkeit hatte er sich nicht immer gegen die natürlichen Triebe wehren können, die ihn forderten. Roten, wilden Haaren und einem feurigen Blick konnte er wenn nur schwer widerstehen.

Mit einem leichten, ersten Lächeln knüpfte er seinen Mantel auf und zog ihn von den Schultern, während er ihr nach ging. „Sonst hat er das immer gemacht. Ich wollte das Weglaufen ja nur mal ausprobieren!“ Neckte er sie nun und legte den Mantel über ihre Schultern, als er neben ihr angekommen war. Ihre wunderschönen Augen fanden zu ihm und sie wirkte erstaunt. „Und?“ Fragte sie nun mit einem Schmunzeln und Harry, der schon jetzt die kalten Temperaturen spürte, meinte mit dem Verziehen seines Gesichtes. „Ist echt dumm! Ich glaube, ich treibe es ihm aus.“

Als sie lachte, spürte er dennoch den Zweifel in sich. Es war schon irgendwie seltsam, diese Frau hatte mit Draco geschlafen. Irgendwie wollte die Eifersucht nicht gehen. Aber zumindest war sie nur noch ein unangenehmes Drücken und kein überfallendes Monster mehr. Ob es dem Slytherin so gehen würde, wenn sie Blaise begegneten?

„Oh, was war eigentlich mit dem Mann, der Dra… Gregory angefallen hat?“ Fragte er nun und biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, das war knapp. Oder schon zu spät? Sie sah wieder vom Weg auf und musterte sein Gesicht. „Ich wissen, wer er ist. Ich seinen Namen kenne.“ Plötzlich hielt sie an, sah flüchtig nach vorne und senkte dann die Stimme. Sie waren dem Dorf deutlich näher gekommen. „Ich auch weiß, was du und er sein. Aber das Geheimnis, viele hier…“ Sie hielt inne. „Ich nicht kenne das richtige Wort. Viele meinen, Magie schlecht. Böse, wie Geister. Sie nur kennen Zauber des Waldes. Alexej ebenso glauben, Magie böse. Er glauben, Draco ist böse, Teil des Waldes. Wenn er hilft seinem Sohn, sein Sohn böse, wie der Wald. Er verflucht! Darum er greift Draco an, er nicht will, dass er hilft Sohn. Er meinen, Natur das regelt. Wenn Sohn soll leben, er überlebt. Wenn nicht, dann Schicksal!“
 

Diese Worte mussten erst einmal sacken. Er ließ seinen eigenen Sohn sterben, weil er abergläubisch war? Müsste man als Vater nicht alles tun, um das Leben seines Kindes zu retten? Er jedenfalls täte alles für Teddy! Entsetzt schluckte er und Jelena meint, dass dieses eine andere Welt sei. Anscheinend hatte sie seinen Gesichtsausdruck deuten können. „Ja, dass ist es wirklich.“ Brummte er und setzte sich wieder in Bewegung. Langsam wurde ihm kalt.

Was sollte er von all dem halten? Er konnte am Knirschen des Schnees hören, dass auch Jelena wieder weiter ging und sein verwirrter Blick lag auf dem Mann, der sie verwundert am Tor erwartete. Sehr viel war in kurzer Zeit geschehen, am prägendsten erwischten ihn momentan zwei Sachen: Dieser seltsame Aberglaube, der noch immer diesen Teil des Landes in seinen Klauen hielt und die Tatsache, dass die Frau an seiner Seite mit Draco geschlafen hatte.

Wie sollte er damit umgehen? Sicher würde der Blonde nicht sagen, dass er gleich Morgen hier seine Zelte abbrach, wieder ein Teil der Welt da draußen wurde und selbst wenn ja, würde er den Kontakt bestimmt nicht gänzlich zu ihnen abbrechen, zu ihr! Draco schien ein wichtiger Teil dieser Gemeinde zu sein, er war Retter, Helfer, Heiler... konnte er überhaupt gehen?

Aber wenn er blieb, konnte Harry ihm vertrauen? Konnte er das überhaupt fordern? Ja, beim Essen hatte er ihre Zukunft sehr offen umschrieben, weil er nicht wusste, ob es je ein „wir“ geben würde. War sich Draco da sicherer als er? Sah er eine Chance für sie? Es waren noch so viele Fragen offen. Über vieles hatten sie noch gar nicht gesprochen. Was wäre, wenn Draco auf Blaise träfe? Lange waren sie gut befreundet, hatten irgendwann das Bett miteinander geteilt. Hielt diese Freundschaft? Wäre er eifersüchtig? Kurz war sie da gewesen, diese Eifersucht. Ja, der ehemalige Slytherin hatte es ihm deutlich gesagt, ihm deutlich sein Fehlverhalten vorgeworfen. Blieb es dabei? Blieb es bei der Eifersucht?
 

Erst bei dieser sanften Berührung am Arm zuckte er zusammen. Harry war gänzlich in seinen Gedanken versunken und nun blickte er die Frau an seiner Seite irritiert an. Er blinzelte und musste erst die Umgebung flüchtig wahrnehmen. Sie standen wieder vor dem Haus, vor dem er den Blonden zurückgelassen hatte. „Wir können auch zu mir, wenn du nicht ihn sehen willst.“ Langsam schüttelte Harry den Kopf. Er versuchte sich an einem Lächeln, welches jedoch sehr kläglich ausfiel. So beobachtete er, wie Jelena die Tür vorsichtig öffnete, ihre Stimme klang sanft und fragend wider, bevor sie eine Antwort bekam. So schob sie die Eingangstür weiter auf und trat in die kleine Hütte.

Mit einem Winken signalisierte sie ihm, dass er ihr folgen sollte und so trat er in den Raum, der von einem Feuer erwärmt wurde. Noch immer in diesem Gefühl der Gedankenlosigkeit gefangen, musterte er den großen Raum, der mit wenigen Gegenständen bestückt war. Es gab einen Esstisch, an dem zwei lange Bänke standen. Eine einfache Küchenzeile, eine Feuerstelle und ein Waschbecken. An der Wand befand sich eine einfache Leiter, ein Blick hinauf genügte und er konnte einen offenen Zwischenboden erkennen. Ein paar Schränke standen verteilt und zur Seite hin gab es noch zwei Türen, die hintere davon stand offen. Durch die Fenster fiel Licht in den Raum, doch auch das konnte die gedrückte Stimmung nicht heben.

Ein Mädchen, vielleicht 10 Jahre alt, saß am Tisch und spielte mit einer alten Puppe. Ihr gegenüber schälte eine alte Frau Kartoffeln, die grauen Augen sahen aus dem faltigen Gesicht misstrauisch zu ihm herüber. Sie musterte den Fremden, behielt ihn im Blick und ließ das Messer sinken, als deutliches Zeichen, dass nun ihre gesamte Aufmerksamkeit ihm gelten würde.
 

Jelena bemerkte dieses, ihre versöhnlichen Worte schienen nicht zu helfen und die keifende, alte Stimme verriet Harry auch ohne Übersetzung, was das Großmütterchen über ihn dachte. Schweigend trat er von der längst geschlossenen Haustür fort, folgte den gedämpften Stimmen, die er aus dem hinteren Raum hörte. Dass es Draco war, konnte er nicht genau sagen, jedoch lag es nah. Was würde er sehen? Sein Herz begann schneller zu schlagen und nur flach wagte er zu atmen. Wie würde der Mann auf ihn reagieren?

Seine grünen Augen fuhren über das große Bett, in dem ein kleiner Junge lag. Sein schmales Gesicht war gerötet, sein Körper von Schweiß bedeckt. Die runden Kinderaugen waren beinahe geschlossen, doch ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Seine dunkelblonden, fast braunen Haare klebten an seinem Kopf, den er zur Seite gedreht hatte. Mit schwacher Stimme sprach er und die Antwort, die er bekam, klang mit einfühlsamer, sanfter Stimme im Raum wider.

Ein Schlucken. Das hatte er nicht erwartet. Ob er noch daran zweifelte, dass Draco die Wahrheit gesagt hatte? Nein! Auf den hellen Zügen lag ein Ausdruck, in den er sich auf Anhieb neu verlieben konnte. Die schmalen Lippen waren zu einem Lächeln gezogen, welches er noch nie zuvor gesehen hatte. Liebevolle legte der ehemalige Slytherin das feuchte Tuch erneut auf die erhitzte Stirn, hatte sich dabei vor das Bett gekniet. Alles an dem Mann wirkte so anders, als wäre er ein anderer Mensch. Das war also seine gute Seite?
 

Plötzlich bemerkte der Flüchtling ihn und als die grauen Augen die Harrys fanden, blieb sein Herz stehen. Seine Mundwinkel zogen sich in die Höhe und das Blut schoss ihm in die Wangen. Dieser Mann war einfach zum Verlieben!

Nun war auch die Aufmerksamkeit der Mutter auf ihn gerichtet, es war die gleiche Frau, die vorhin in der Eingangstür so gezetert hatte. Erstaunt blickte sie ihn an und doch bemerkte er nichts davon. Er hörte ihre Stimme nicht, all sein Interesse, all seine Wahrnehmungen wurden von diesem unglaublichen Anblick gefangen genommen, regelrecht gefesselt. Oh ja, es würde nicht leicht werden, es würde hart werden. Aber es würde sich lohnen!

„Harry?“ Mit einem Blinzeln kam ein reflexartiges „Ja?“ Von ihm und der ehemalige Slytherin schmunzelte. „Ah, du hörst also noch. Beim vierten Rufen hätte ich mir dann doch Sorgen gemacht.“ Neckte er ihn und der Auror grinste verlegen, aber angriffslustig. „War nur völlig überfordert, dass du nett sein kannst. Ich dachte wirklich, dass du mich nur verarschen willst.“ Eine der schlanken Augenbrauen wanderte in die Höhe und der kleine Junge musterte aus seinen matten Augen den fremden Mann. Er schien etwas zu fragen, die kleine Hand kam unter der Bettdecke hervor und versuchte nach Dracos zu greifen. Dieser bemerkte es und nun war der spöttische Anblick wieder einem sanften Ausdruck gewichen. Seine filigranen Finger legten sich um diese kleinen, kurzen Glieder und es erschien wie ein Zauber, der in der Luft flirrte. Eine gewisse Entspannung breitete sich in dem Kindergesicht aus und die einfühlsame Stimme ließ sogar die rauen Worte der russischen Sprache wohler klingen.
 

Plötzlich versuchte der kleine den Kopf noch etwas weiter zu beugen, näher an das ovale, helle Gesicht zu schieben und seine spröden Lippen bewegten sich so leicht, dass Harry nicht einmal den Klang seiner Stimme hören konnte. Draco war dem Kind entgegen gekommen, lauschte und dann lachte er kurz, aber gedämpft auf. Seine Lippen waren nah an dem Kinderohr und als er flüsterte, um sich dann wieder etwas zurückzuziehen, blitzte ein gewisser Schalk in den sonst matten Augen auf. Dann wandten sie sich beide Harry zu, der keine Ahnung hatte, um was es ging. „Na, was lästert ihr zwei wieder?“ Fragte er nur provokant und die grauen Augen funkelten, als wären es Sterne. Doch eine Antwort bekam er nicht, nur diesen zufriedenen Ausdruck, diese unendliche Gelassenheit, die sich in jede Faser dieses schlanken Körpers ergossen hatte.
 

oooOOOooo
 

Die Kälte umfing ihn grausam und selbst das gute Essen in seinem Magen konnte nicht ausreichend Wärme spenden damit seine Füße im Schnee nicht gleich von diesem folternden Gefühl gepackt wurden. Träge schwamm sein Bewusstsein dahin und war nicht gewillt für große Sprünge. Beinahe müde zog er den Schal enger und ein niederschmetternder Gedanke ließ ihn das Gesicht verziehen. Der Weg nach Hause war noch so lang! Jakov hingegen schien das nicht zu stören, er war an ihnen vorbei gelaufen, die Füße blank und nackt, sprang in den nächsten Haufen Schnee, ohne Handschuhe und Jacke. Er lachte, rief in dieser fremden, rauen Sprache etwas und Draco erwiderte die kindliche Freude. Dieser war soeben aus der Tür getreten, in der nun Jelena lehnte. Sie rief ihrem Bruder etwas zu, nur damit dieser sich mit ausgebreiteten Armen rücklings in den Schnee fallen ließ. Jelena schüttelte den Kopf.

„Mir ist schon beim Zusehen so kalt geworden, dass ich auf der Stelle zu erfrieren scheine!“ Brummte Harry belustigt und die russische Frau lachte auf. „Das sein Kind! Er niemals wird erwachsen und niemals wird krank, obwohl er tobt wie ein Wildochse!“ Die grünen Augen fanden zu ihr, das kantige Gesicht mit den roten Wangen und dem wunderschönen, wenn auch ausgefransten Zopf. Doch noch immer fühlte er sich zu träge, um diese Worte wirklich zu verstehen. Draco hingegen lachte und schüttelte den Kopf. „Du meinst wahrscheinlich ein Wildschwein! Keinen WildOCHSEN, ein WildSCHWEIN!“

Ihr Lachen war schön, stellte Harry nun zum wiederholten Male fest. Sie war eine robuste, kräftige Frau mit ausgeprägtem Charakter, klaren Gedanken und einer eigenen, unumstößlichen Meinung. Bei der Verbesserung zog sie das große Wolltuch um ihre Schultern enger und beugte sich zu dem ehemaligen Slytherin vor. „Es auch gibt wilde Ochsen! Ich heute hab zwei gefüttert!“ Dabei grinste sie so unverschämt, dass selbst Harry diese Frechheit verstand. Dreiste Frau! Dachte er und schloss leicht die Augen, die Kälte kroch noch immer zwischen die Stoffe, die ihn verzweifelt zu wärmen versuchten. Das Licht war schon verschwunden, die Dunkelheit hatte sich über das Dorf erstreckt, welche nur von den spärlichen Lichtstreifen aus den schief gebretterten Fensterläden ein wenig unterbrochen wurde.
 

Erst, als sich zwei Hände auf seine Schultern legten und eine gewisse Kraft ihn von hinten zu schieben begann, öffnete er die Augen. „Gehen wir jetzt endlich nach Hause?“ Fragte er und wurde auch schon wieder los gelassen. Ein weicher Lichtkegel bedeckte das Kopfsteinpflaster der Straße, welches zum großen Teil freigeschaufelt wurde. Jelena hatte ihnen eine einfache Öllampe mitgegeben, obwohl sie beide keine benötigten. Doch der Schein musste ja gewahrt werden. „Oh, hat es dir etwa so wenig gefallen?“ Fragte der Blonde nun frech und träge konzentrierte Harry sich auf jeden Schritt. „Du meinst von der Tatsache abgesehen, dass diese Frau deine Geliebte ist?“ Nun lag doch ein freches Funkeln in seinen grünen Augen und mit einem Grinsen musterte er die blassen Wangen, die sich in der Kälte der Nacht noch rot färben würden.

Eigentlich erwartete er keine Antwort darauf, vielleicht auch, weil das gute Essen einfach jede Energie zum Verdauen einforderte. Es war schon anstrengend genug auf dem steinigen Untergrund der Straße zu laufen und den Weg im Dunklen zwischen den aufragenden, schattenhaften Gebäuden zu finden. Im Wald würde es noch schwerer werden. „Ja, von der Tatsache einmal abgesehen.“ Meinte Draco direkt und hielt die Lampe in die Höhe, damit sie etwas sehen konnten. Jelenas Häuschen stand nahe der Mauer, deren Tor verschlossen war. Allerdings schien man sie schon zu bemerken und mit einem Knarren wurde eine Seite aufgestoßen. Es war nun ein anderer Mann, der dort stand. „Добрый вечер!“ Begrüßte ihn Draco oder verabschiedete eher. In seinem trüben Verstand glaubte er zu wissen, dass diese beiden Worte für „Guten Abend!“ standen, jedenfalls würde es passen. Der Mann nickte nur knapp und schien froh zu sein, als beide endlich auf der anderen Seite des Tores waren. Theoretisch konnte Harry jetzt ‚Guten Tag‘, ‚Guten Abend‘, ‚ja‘ und ‚nein‘ sagen. Er kannte das Wort für Trottel und ein oder zwei Flüche. Allerdings hatte er das alles wahrscheinlich bis morgen wieder vergessen.

Es war ein angenehmer Abend gewesen, Jelena hatte sie noch zum Essen eingeladen, eine Kartoffelsuppe mit Speck und Harry hatte sich gerne für letzteren geopfert, damit der Blonde nicht leiden musste. Seltsam, irgendwie mochte er diese Frau, auch wenn er jetzt eh zu satt und zu müde war, um über Eifersucht nachzudenken. So stapfte er hinter Draco her ohne zu bemerken, dass ihn dessen graue Augen fragend musterten. „Was ist los? Keine weitere Antwort?“ Fragte die aufdringliche Stimme und mit einem Grinsen entgegnete er nur. „Mir ist kalt!“
 

oooOOOooo
 

Er liebte dieses Sofa! Er liebte diese Decke! Oh, wie herrlich es doch war, dass sie endlich wieder Zuhause waren. Die Kälte schien in jede Faser seines Körpers eingedrungen zu sein und als er den herrlichen Duft wahrnahm, der nun die Luft tränkte, schlug sein Herz voller Begeisterung. Die grünen Augen fuhren direkt zur Tür und ein Lächeln lag auf seinen Lippen. „Danke!“ Kam Umstandslos und mit einem Leuchten griff er nach dem gereichten Becher. „Jetzt sollte es gleich besser sein, du kleine Forstbeule!“

Dankend nahm Harry den Becher heißer Schokolade in die Hände. „Oh ja, wie konnte ich nur den Wärmezauber vergessen. Damit habe ich damals Blaise so geärgert.“ Begann er und warf einen kurzen Blick in das helle Gesicht. Doch Draco schien der Geschichte nicht abgeneigt und so sprach er weiter. „Ron und Hermine waren das Weihnachten nach deinem Verschwinden bei ihren Eltern, erst bei Molly und Arthur und dann bei Hermines. Das waren auch die Ferien, in denen Blaise und ich uns… näher gekommen sind?“ Er warf einen zögerlich, fragenden Blick zu seinem Freund, der seinen Teebecher ebenso umklammerte. Draco hatte sich mit dem Rücken zur Armlehne gedreht und die Füße mit unter die warme Decke geschoben. „Ich weiß schon, was du meinst.“ Kam nur mit einem leichten Schmunzeln und kurz dachte der flüchtige Engländer an Jelena, der er ja auch ‚näher gekommen‘ war.

„Auf jeden Fall habe ich mich so gefreut… also, über die Rückkehr der beiden, dass ich sie vom Bahnhof in Hogsmede abholen wollte. Blaise hatte angeboten mitzukommen und hat dabei den halben Weg gejammert, wie kalt ihm doch wäre. Am Bahnsteig wurde es nicht besser und als Hagrid kam, um die Erstklässler abzuholen, fragte er mich dann, warum ich Blaise nichts von dem Wärmezauber erzählt hätte. Du hättest sein Gesicht sehen müssen, es war einfach nur herrlich!“
 

Mit einem Kopfschütteln grinste Draco. „Ja, in so etwas war er noch nie gut!“ Bestätigte er und dann trat eine seltsame Stille ein. Sie umschlang sie beinahe peinlich berührt und brach den Blickkontakt zwischen ihnen ab. Sie wussten noch immer nicht, wie sie zueinander standen und nun sprachen sie über die, die sie in ihre Betten gelassen hatten.

„Du hast noch immer Kontakt zu ihm oder?“ Fragte Draco nach einer unendlichen Weile, die sie beide unangenehm anspannte. „Ja.“ Antwortete nun der Angesprochene, der noch immer die zerlaufene Sahne auf seinem Kakao musterte. Wieder brach sich die Stille wie eine gewaltige Welle über ihnen und verdonnerte sie zum Schweigen. Das Ticken der großen Standuhr blieb das einzige Geräusch und nicht einmal aus ihren Bechern mochten sie trinken. „Ich…“ Begann plötzlich der Schwarzhaarige und hob flüchtig den Blick. Verlegen senkte er ihn gleich wieder, der Kloß in seinem Hals unterdrückte jedes weitere Wort. „Ja?“ Fragte Draco hoffungsvoll, doch wieder tickte die Uhr, verstrich die Zeit und dann donnerten ihre Schläge beinahe zertrümmernd durch die Luft. Es war jetzt 21 Uhr!

„Ok, jetzt reicht es mir!“ Platzte es plötzlich aus dem ehemaligen Gryffindor heraus, der seinen berühmten Mut gefunden zu haben schien. „Ich halte das einfach nicht aus. Ich verstehe ja, dass ich keine Ahnung habe, wie es zwischen uns weiter gehen soll, wird… was auch immer. Ich weiß, dass ich auf der einen Seite Scheiße gebaut habe, aber auf der anderen fühle ich mich zu Unrecht angeklagt. Genau so geht es mir mit dir. Ich habe nicht erwartet, dass du ein enthaltsames, sittsames…“ Und dann sprach er aus, was er dachte. „… Sex loses Leben führen wirst. Jelena ist nett, ich mag sie irgendwo, aber ich kenne dich nicht, ich weiß nicht, ob das zwischen euch weiter laufen wird, ob es noch läuft, ob ich dir dafür einen Vorwurf machen kann, darf, sollte…“ Er hielt inne, atmete tief ein und starrte dabei in das angespannte Gesicht des anderen. „Ich weiß, dass du dir hier dein Leben aufgebaut hast, dass du nicht gleich deine Sachen packst und gehst, das will ich auch gar nicht verlangen, aber… aber was ist, wenn… ich meine, ich habe einfach keine Ahnung, woran ich eigentlich bin!“
 

Das war viel und die Anspannung hatte sich nur minimal erleichtert. Sie beide waren in einer äußerst unangenehmen Situation. Es war der Blonde, der plötzlich ernst das Wort ergriff. „Was ist mit mir? Denkst du etwa, dass ich mich nicht frage, was du tun wirst, wenn du wieder gehst? Du bist Harry Potter, hunderte junger Frauen würden ihre Seele verkaufen, um mit dir zu schlafen! Du hast noch immer Kontakt zu Blaise… ich…“ Doch weiter kam er nicht, er brach den Kontakt ab und starrte in seinen Teebecher. „Du fragst dich, ob ich mich wieder auf ihn einließe?“

Ein stummes Nicken und die verlegen Stille schien beinahe euphorisch wieder aufzubrechen. Als wollte sie ihnen sagen, dass sie dieses Schweigen niemals los werden würden. Erschöpft lehnt sich Harry zurück, der die Beine unter der Decke angezogen hatte. „Warum sollte ich das? Es gäbe nur einen Grund für mich wieder etwas mit ihm anzufangen.“ Nun blickten ihn die grauen Sturmdiamanten direkt an und mit einem kläglichen Schmunzeln meinte er. „Wenn es keinen Grund für mich gäbe wieder her zu kommen. Wieder zurück zu dir zu kommen.“

Ein leichtes Funkeln trat auf, ein flüchtiges Lächeln war auf den schmalen Lippen zu sehen und Draco nahm einen Schluck Tee. „Wenn also…“ doch er sprach nicht weiter, sah wieder auf und musterte das Gesicht des Aurors. Einen Moment sagte niemand etwas und dann kamen die Worte unerwartet direkt. „Ich liebe dich, Harry!“

Ein Blinzeln. Es war so irritierend und dabei so überwältigend, dass sich der Angesprochene, an den sich diese Worte richteten, zu keiner Reaktion durchringen konnte. Wie bei einem Schlag mit einer Schaufel oder einem Sparten setzte sein Gehirn aus und die grünen Augen starrten in das ovale Gesicht. Bilderlos hallten die Worte in ihm wider, die der Baba Jaga galten. Draco hatte nicht den Mut, ihm seine Liebe zu gestehen.
 

Aus der Direktheit wurde ein zufriedenes Schmunzeln. „Freut mich, dass ich dich immer noch so sprachlos mache. Noch immer so begriffsstuzig, Potter?“ Bei diesen neckenden Worten kehrte auch der Auror wieder in das Hier und Jetzt zurück. Er fing sich schnell und die vollen Lippen wurden von einem Grinsen in die Breite gezogen. „Dein unerwarteter Mut hat mir wirklich die Sprache verschlagen. Meine Güte, Gregory, werde hier nicht zu emotional. Ich könnte auf die Idee kommen, dass du bereit bist, eine Beziehung mit mir einzugehen.“ Das freudige, wenn auch gefährliche Funkeln zierte die grünen Augen.

„Doch ja, an so etwas Verrücktes dachte ich! Immerhin wäre die Frage mit dem leidigen Fremdgehen geklärt und ich käme auf die Idee, das mit dem idiotischen Vertrauen zu versuchen.“ Gab er in einem beinahe dreisten Ton von sich und mit einem Lachen schloss Harry die Augen. Für diesen einen winzigen Moment wollte er die Ernsthaftigkeit dieser Worte übergehen. „Ich kann Hermines Stimme regelrecht hören. Eine Beziehung muss auf Liebe und Vertrauen aufgebaut sein, sonst hat sie keine Chance. Wenn wir also nur versuchen einander zu vertrauen, sollten wir es gleich lassen.“

Die feine Augenbraue zog sich elegant in die Höhe und dann klang die melodische Stimme. „Denkst du denn, dass du mein Vertrauen verdient hast?“ Es war nicht so provokant, wie zu erwarten, jedoch auch nicht frei dieser Herausforderung. Kurz schien Harry die Antwort abzuwägen und gab dann gerade heraus. „Hast du denn mein Vertrauen verdient?“

Die grauen Augen funkelten und er lächelte. „Das ist der Knackpunkt, nicht wahr?“ Seine Stimme hatte etwas, dass Harry nicht genau deuten konnte. Vielleicht war es eine gewisse Resignation. Harry schloss kurz die Augen und nahm noch einen Schluck von seiner langsam kühler werdenden Schokolade.
 

Mit einem Seufzen öffnete er die Augen erneut und lächelte leicht. „Das wird ein ziemlich langer Weg oder?“ Begann er und blickte in die tiefen Sturmdiamanten. „Vertrauen ist etwas, dass man sich erarbeiten muss, es ist nicht einfach so da. Wenn wir uns…“ Doch irgendwie brach sein souveräner Beginn abrupt ab und mit einem Schlucken senkte er den Blick. Nun war es Draco, der mit einem leichten Lächeln den Faden wieder aufnahm. „Wenn wir uns aufeinander einlassen, dann wird es schwer werden. Wir können ja kaum vernünftig über wichtige Themen sprechen. Entweder stottern wir uns einen ab oder wir provozieren uns gegenseitig. Wir können uns nur über Lappalien vernünftig unterhalten. Willst du es dennoch?“

Die grünen Augen blickten ihn an. Schweigen. Kurz leckte sich Harry über die Lippen, die Worte der Baba Jaga kehrten zurück. Es würden schwarze Tage kommen, Tage, so dunkel, dass sie nur als schwarz bezeichnet werden konnten. Aber das wusste er. Das wäre ihm auch ohne die Worte der alten Hexe klar. Erstaunt hob sich die feine blonde Augenbraue, als er das Grinsen des Schwarzhaarigen sah. „Keine Ahnung, dass kann ich dir nicht sagen. Ich will dich und ich weiß, dass es verdammt schwer wird. Also denke ich, dass sich die Dinge bedingen oder nicht?“ Er schmunzelte und Draco schüttelte leicht den Kopf. „Wir sind schon zwei Verrückte, was? Kannst du nicht einfach ja oder nein sagen?“ Fragte er unvermittelt..
 

„Kannst du es?“ Entgegnete nun Harry und daraufhin schoben sich beide Augenbrauen in die Höhe. „Ich…“ Doch auch er kam nicht weiter, verdrehte dann verlegen die Augen. Mit einem aufsteigenden roten Schimmer auf den Wangen zog er die Luft ein und stieß sie dann wieder langsam aus. „Ok, nein, irgendwie auch nicht. Aber…“ Er hob wieder den Blick und dann war da dieser ernste Ausdruck. „Ich sehe die Sache genauso wie du. Ich will dich und ich habe kein Interesse daran, mir wegen irgendwelcher Bettgeschichten zusätzlichen Stress zu machen. Auf beiden Seiten!“

War es lächerlich sich so über diese Sachen zu unterhalten? Vielleicht war es das. Mit einem Seufzen stellte er den Becher ab und bemerkte, wie auch Draco dieses nun tat. Langsam zog Harry die Decke zurück und rutschte auf dem Sofa näher. Nur einen Moment spürte er die schlanken Arme, die ihn sanft an sich zogen und mit einem Schmunzeln schloss er die Augen. „Ich liebe dich und ich will bei dir sein. Keine Ahnung, ob wir das alles überstehen, vielleicht sind wir ja so wie alle anderen. Aber mal ehrlich, ich bin dir so lange nachgelaufen, da werde ich jetzt sicher nicht aufhören.“ Liebevoll zog der ehemalige Slytherin die Wolldecke über den jungen Mann, der sich an seine Brust kuschelte.

„Dann ist es jetzt also offiziell ein Fremdgehen, wenn ich mich noch einmal von Jelenas schönen Augen verrühren lasse?“ Kurz hob der Auror den Kopf und als ihn die grünen Augen anblickten, kannte er die Antwort. Zärtlich raubten die schlanken Finger die runde Brille von Harrys Nase. „Dann halte ich mich von rothaarigen Schönheiten fern. Weit fern! Irgendwie finde ich, dass Frauen mit roten Haaren eine regelrecht magische Anziehungskraft haben.“ Meinte er, während er seinen Kopf wieder auf die schmale Brust bettete.

„Ich kann dich sehr gut verstehen. Aber sag mal, machen wir eigentlich irgendetwas wie normale Paare?“ Fragte nun Draco und mit einem Schmunzeln schlug der Auror vor. „Wir sind wie normale Paare eifersüchtig?“ Nachdenklich lehnte der Blonde seinen Kopf an die Rückenlehne des Sofas, während er das Gewicht auf seinem Körper spürte, die Wärme, die ihn durchdrang. „Ich wollte Blaise schon irgendwie gerne wieder sehen. Er war einmal ein wirklich guter Freund, um nicht zu sagen einer meiner besten. Und du schienst Jelena nun auch nicht gerade zu hassen.“ Kurz herrschte Schweigen. „Ok, nein, ich glaube nicht, wir machen nichts wie normale Paare. Aber mal ehrlich, ich bin ein Gryffindor und Auror und ein Slytherin und Todesser. Wie soll da irgendetwas normal sein?“
 


 

Mein geliebter Sohn!
 

Dass meine Freude überschwänglich ist, kann ich nicht behaupten. Ich bin deine Mutter, natürlich mache ich mir Sorgen. Dein Glück soll beständig und grundlegend sein, eine Liebe, auf der du ein Leben aufbauen kannst. Ob dieses mit einem Mann wie ihm möglich ist, da berufe ich mich auf meine mütterlichen Instinkte, bezweifle ich zumindest im Ansatz. Natürlich schließe ich es nicht aus, er hat auf seine eigene Art seine hartnäckige Liebe bewiesen und sich trotz aller Widrigkeiten nicht von seinem Ziel abbringen lassen. Das ist wohl mehr, als ich von jeder Frau erwarten kann, deren Hand ich dir empfehlen könnte. Jedoch frage ich mich, und hier darf ich wieder ganz meine mütterliche Natur deutlich machen, wie ein Leben an seiner Seite aussehen soll. Wie soll sein Leben an deiner Seite aussehen?

Noch immer weiß dein Vater nichts davon und eventuell solltest du ihm langsam bewusst machen, dass er keine Enkelkinder von dir erwarten kann. Er ist zwar stolz auf dein Überleben, doch er erwartet deine Rückkehr nach Malfoy Manor und eine baldige Aufnahme deiner familiären Pflichten. Trotz meiner uneingeschränkten Liebe zu dir muss ich dennoch darauf bestehen, dass du endlich auch deinem Vater erklärst, wie es um dein Herz bestellt ist.

In freudiger Erwartung bereite ich Tee für Sonntag um 16 Uhr vor. Meiner Empfehlung nach solltest du jedoch deinen gewählten Partner zu diesem Treffen noch nicht mit nehmen.
 

Ach, ich bin so stolz auf dich, mein Sohn! Ich kann es kaum erwarten dich endlich wieder in meine Arme zu schließen und dir unverhüllt meine Liebe zu zeigen, derer du nun so lange entsagen müsstest.
 

In innigster Liebe

Deine dich liebende Mutter

Lass dich begrüßen!

24. Kapitel

Lass dich begrüßen!
 

„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Brummte der Rothaarige und zog die Nase kraus. „Es ist Harry, er ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen.“ Mit dieser Aussage löste er etwas aus, dass dem Auror nicht angenehm war. Die braunen Augen blickten ihn streng an und die Augenbrauen zogen sich verdächtig nah zusammen. Alles an dem Gesicht der Frau, die an seiner Seite im Fahrstuhl stand, zeigte nun diese typischen Signale, die nur auf eines hindeuteten. Jetzt war ihm bewusst, dass er einen Fehler begangen hatte. „Ausgerechnet du willst mir sagen, dass Harry allein zurecht kommt?“ In diesen Worten klang so viel aufgebrachte Strenge mit, dass Ron den Kampf gleich aufgab, bevor er ihn begann. Hermine hatte wie immer Recht und er musste nur an die Sache mit Robert Peterson denken. Der Kerl hatte Harry in eine Falle gelockt und ihm dann seinen Dolch in die Seite gerammt. Harry wäre verblutet, im besten Fall, wenn Peterson ihn nicht langsam zu Tode gequält hätte. Wäre Ron nicht rechtzeitig dort gewesen, trüge Harry nicht nur diese Narbe an der Seite davon. „Ok, ich gebe zu, dass meine Einschätzung falsch war. Aber Harry ist 25 Jahre alt. Wir können ihn nicht wie ein kleines Kind bemuttern!“ Stellte er nun fest und wappnete sich innerlich auf die nächste Tirade, die ihm kleinlich genau vorhalten würde, warum seine flapsige Einstellung einfach nicht geduldet werden konnte.

Kurz schloss Ron die Augen, als er dieses typische, tiefe Einatmen hörte, welches immer der erste Vorbote seiner unabwendbaren Niederlange darstellte. Auch die weibliche Stimme, die in angenehmen Ton verkündete, dass sie nun in der großen Eingangshalle angekommen waren, würde Hermine nicht aufhalten. Mit einem leisen Pling öffneten sich die Türen des Fahrstuhles und schnell trat der Rothaarige heraus. Flucht war zwar zwecklos, aber so konnte er vielleicht noch ein paar Sekunden gewinnen und die Schaar an Mitarbeitern, die mit ihnen aus dem Fahrstuhl traten, trennten sie kurz voneinander. Der Mittagstrubel in der gewaltigen Eingangshalle konnte ihm ebenso behilflich sein und wenn er sich nur beeilte und so tat, als bemerkte er ihr Fernbleiben nicht, konnte er vielleicht sogar noch ein paar Minuten herausschinden. Eventuell würde sie ihm dann auch nur wütend aufgebracht erklären, dass er als Ehemann noch immer genau so trottelig war, wie damals zu ihren Schulzeiten. Damit konnte er leben.
 

„Ron!“ Als die kleinen Papierflieger, die Memos im Ministerium über seinen Kopf hinweg flogen, gab der rothaarige Auror auf. „Ja?“ Fragte er und versuchte dabei unschuldig zu klingen, während er sich zu seiner geliebten Frau umdrehte. Hermine eilte ihm nach, ihre langen, wunderschönen Haare hatte sie zu einem einfachen Zopf zusammen genommen, der dennoch aufgeplustert wirkte und ihr eine gewisse Wildheit gab. Sie trug einen weinroten Pullover mit tiefem Ausschnitt und darunter eine weiße Bluse. Die dunkle Stoffhose ließ ihre Erscheinung elegant wirken, der dezente Schmuck angenehm weiblich. Wenn er sich nicht immer wieder neu in diese verrückte Frau verliebte, würde er sie wohl hassen!

„Tut mir leid, ich weiß, Flucht ist zwecklos! Deinem Vortrag entkomme ich eh nicht!“ Dabei setzte er ein schiefes Lächeln auf und blickte offen in das nun plötzlich erstaunte Gesicht. Die braunen Augen musterten ihn und dann schüttelte Hermine den Kopf. „Ach Ron, du Dummkopf!“ Sagte sie mit einem schmunzelnden Ton in der jetzt sanften Stimme und ließ sich von ihrem Ehemann an sich ziehen. Mitten in der Menge der hungrigen Mitarbeiter, der Besucher und staunenden Gäste umarmte Ron die Frau, die er nicht nur unendlich liebte, sondern jeden Tag aufs Neu zu schätzen lernte. „Ich halt ja schon meinen Mund! Wahrscheinlich weißt du eh schon alles, was ich dir jetzt um die Ohren hauen könnte.“ Kicherte sie und die warme, raue Hand des rothaarigen Aurors legte sich auf ihre Wange. „Oh, ich wüsste da eine ganz wunderbare Möglichkeit, wie ich dich zum Schweigen bringe.“ Antwortete er freudig und das Funkeln in den blauen Augen des sommersprossigen Gesichtes war so ansteckend, dass sich Hermine voller Begierde zu einem Kuss vorbeugte.
 

„Wie schön, dass hier noch immer alles beim Alten ist!“ Klang eine vertraute Stimme durch den Trubel der Masse und Hermine hob den Kopf, den sie auf Rons Schulter abgelegt hatte. Ihre braunen Augen suchten den Sprecher und mit einem freudigen Aufschrei erkannte sie das Gesicht, der kurzzeitig verloren geglaubten Person. Seine schwarzen Haare standen noch immer so wild zu allen Seiten ab und die runde Brille stach als deutliches Erkennungsmerkmal hervor. Seinen schwarzen Mantel hatte er offen und die Hände locker in den Taschen seiner Hose vergraben. Der grüne Schal hing leger über seine Schultern und auf seinen Lippen lag ein breites Grinsen. Die sonnengebräunten Wangen glühten noch von der Kälte des Winters und die grünen Augen funkelten. Alles an dem 25 Jährigen strahlte eine innere Zufriedenheit aus, die regelrecht ansteckend war.

„Oh Harry!“ Stieß die brünette Hexe aus und löste sich von ihrem Mann, um ihrem besten Freund um den Hals zu fallen. Mit einem freudigen Lachen zog er seine rauen Hände aus den Taschen und umarmte die heranstürmende Frau, die ihn so herzte. Kurz drückte sie ihn an sich, nur um dann erstaunt die Nase kraus zu ziehen. Sie hob den Kopf und blickte Harry verwirrt und fragend an. „Du riechst nach Rauch?“ Warf sie ihm beinahe anklagend vor und musterte das erstaunte Gesicht.
 

Bevor der Verdächtige sich jedoch verteidigen konnte, erklang eine weitere Stimme. Rons grinsender Ausdruck erstarrte und er bekam große Augen. „Mr. Potter, was für ein Zufall.“ Der triefende Spott, der überschwemmende Hohn in diesen Worten war kaum zu übertreffen. Das faltige, bleiche Gesicht eines ihnen sehr bekannten Mannes schob sich in ihr Sichtfeld und die schlichte, schwarze Robe kam zum Vorschein. Der Mann drückte sich durch die Masse an Magiern immer näher auf sie zu und Ron spürte, wie ihm die Galle empor stieg. Das war niemand anders als Paxton Cooper, Leiter der Aurorenzentrale. Seine kleinen, dunklen Augen starrten hinterhältig den Schwarzhaarigen an, der leicht zusammengezuckt war. Mit einem unverfrorenen Grinsen im Gesicht trat er an die drei heran, hinter ihm ein sehr bekannter Mann.

„Harry, wie schön, dass du endlich wieder zurück bist.“ Meinte Kingsley Shacklebolt, der seit dem Sturz Lord Voldemorts erst kommissarisch und nun seit einigen Jahren fest im Amt als Zauberminister war. Der schwarzhäutige Mann trug wie immer die bunte, seiner Kultur entsprechend traditionelle Kleidung. Der aparte Hut bedeckte seinen unbehaarten Kopf und ein sanftes Lächeln lag auf den breiten Lippen. Erleichtert atmete Harry aus und nickte dankend. Im Gegensatz zu Cooper mochte er Kingsley, der ihn und die beiden anderen damals auch ins Ministerium berufen hatte. Ron entspannte sich ebenso leicht, Hermine begann zu lächeln, wenn auch die Anwesenheit des klein gewachsenen Abteilungsleiters drückend war.
 

„Danke, ja, ich bin seit gestern wieder hier. Ich denke, dass ich meinen Urlaub so langsam gänzlich ausgenutzt habe.“ In seiner Stimme klang eine gewisse Freude mit, seine linke Hand lag noch immer auf Hermines Rücken, die neben ihm stand. „Außerdem weiß ich ja, dass sich hier jemand immer wieder viel zu viele Sorgen um mich macht. Da kann ich ja nicht so lange fort bleiben.“ Mit einem Räuspern spürte die brünette Hexe, wie ihr die Röte auf die Wangen stieg, so senkte sie verlegen den Blick.

Ein ebenso mitfühlender, wie sanfter Ausdruck lag in den dunklen Augen des Zauberministers, der nun neben Cooper stand. „Gute Freunde sind etwas sehr wichtiges und soweit ich weiß, bist du dir diesem voll und ganz bewusst.“ Kurz schenkte Kingsley Ron ein Nicken, der sofort wusste, worauf der Dunkelhäutige anspielte. Auch Harry bestätigte dies und meinte direkt. „Oh ja, ich bin sehr dankbar dafür!“ Seine grünen Augen hefteten sich an das freundliche Gesicht des Zauberministers, damit er Cooper ignorieren konnte. Doch dieser gab nicht auf. Seine hinterhältige und grausame Seite war einfach nicht aus dem Konzept zu bringen.

„Nun, soweit ich weiß, sind sie nicht seit gestern wieder hier, Mr. Potter!“ Keifte er mit hysterischer Stimme, wenn auch so zurückhaltend wie möglich. Innerlich zog sich alles zusammen und der schwarzhaarige Auror versuchte ruhig zu bleiben. Wie er diesen Mann hasste. Doch da war noch etwas in dem Rausch der aufsteigenden Ekelgefühle. Da war eine gewisse Ruhe, die er bisher nicht kannte. Sein Blick wanderte zu dem klein gewachsenen Mann und trotz des bitteren Geschmacks auf der Zunge zwang er sich zu einem leichten Lächeln.
 

„Nun, in der Tat bin ich auf Mr. Coopers Bitte hier. Ich würde gerne mit dir unter vier Augen sprechen.“ Begann nun Kingsley sehr beschwichtigend, denn er spürte die offenkundige Feindseligkeit, die hier zwischen den Parteien bestand. Kurz hatte Harry den Eindruck, dass ihm dieses Gespräch äußerst unangenehm wäre, doch der erfahrene Mann verstand es derlei Empfindungen aus seinen Gesichtszügen zu verbannen. So blickten den Auror nur zwei ruhige, dunkle Augen an, in denen keine bestimmten Gedanken nachzuvollziehen waren.

„Geht es um mein Fehlen gestern Morgen oder eher um die angeblich noch offenen Berichte?“ Mit dieser Direktheit hatte der Minister nicht gerechnet und der Leiter der Aurorenzentrale ebenso wenig. Doch auf dem kleinen, faltigen Gesicht breitete sich ein boshafter Ausdruck aus und er rieb sich siegessicher die Hände. „Oh ja, genau darum geht es!“ Erklang die hohe, widerwärtige Stimme Coopers und Ron musste einen herablassenden Kommentar herunter schlucken. Auch Hermine zog die Nase kraus, doch ihr tadelnder Blick glitt zu dem Mann an ihrer Seite, ihrem besten Freund und Trauzeugen.

„Dann haben wir ja nichts weiter zu besprechen.“ Antwortete Harry und nun trat ein offenes Lächeln an die Stelle des gezwungenen. Nicht nur Kingsley war überrascht, auch Hermine zog die Augenbrauen fragend zusammen, während Ron eher die Arme verschränkte und Cooper feindselig anfunkelte. „Ah, sie wissen es noch gar nicht?“ Fragte der bebrillte Auror und nun wurde das gefährliche Funkeln in seinen Augen deutlich. Hermines Alarmglocken begannen wild zu läuten und sie legte ihre Hand mahnend auf Harrys Oberarm.
 

„Nein, was soll ich noch nicht wissen?“ Fragte der Minister und nun wurde sein weiches Herz deutlich. Er ließ sich einfach so überrumpeln und erklärte sich mit dem fragenden Blick zu Cooper, der neben ihm stand, bereit die Diskussion hier zu führen. „Mir wurde nur berichtet, dass du offenbar weder für deinen Vorgesetzten gestern zu erreichen warst, ebenso wie mir das Fehlen mehrerer noch ausstehender Berichte zugetragen wurde.“ Verwunderung hatte sich auf der dunklen Haut ausgebreitet, dort wo andere nun Wut gezeigt hätten.

Beschützend zog Harry die eventuell schwangere Frau an sich und meinte mit einem noch immer ehrlichen Lächeln. „Es stimmt, dass ich gestern um 8 Uhr hier hätte aufschlagen sollen. Auf dem Rückweg nach England traf ich in Moskau auf Smith und Miller, die seit Tagen mit ihrem Auftrag nicht weiter kamen. Ich bot ihnen meine Hilfe an und schickte eine Eule an Mr. Cooper, in der ich ihm eben das gesagt habe. Als ich dann gestern gegen 15 Uhr hier ankam, war sein Büro leer und ich habe noch ein nettes Gespräch mit seiner Sekretärin Miss Potts gehalten. Vielleicht haben wir uns 5 oder 10 Minuten unterhalten, kurz nach drei bin ich dann in sein Büro und habe da alle fehlenden Berichte auf seinen Tisch gelegt. Ich glaube, da lag auch noch der Brief, den ich ihm am Morgen geschickt habe.“
 

Schweigen brach aus und der strenger Blick Kingsleys richtete sich auf den um einige Köpfe kleineren Mann. „Da ich dann heute Morgen auch nichts gehört habe, hab ich dann eben David Clark geholfen. Wir sind eben wieder zurück, sollten ein Buch über schwarze Magie und verbotene Zauber einsammeln.“ Der Blick des Ministers wurde immer kälter und mit einem Achselzucken schloss Harry ab, versetzte Cooper den Todesstoß. „Na ja, ist ja jetzt nichts Ungewöhnliches. Aber wer nicht vor 11 Uhr kommt und schon um 15 Uhr wieder geht, bekommt eben nicht so viel mit.“

Schwer atmete der Minister ein, er schien sich offenbar zu seiner Ruhe zu zwingen. Die tiefe, sonst immer beruhigende Stimme hatte einen sehr angespannten Ton. „Wie bitte?“ Fragte er direkt und Cooper schien in sich zusammenzusinken. Harry hingegen spürte diese boshafte Freude, die er mittlerweile als einen Teil seines Charakters akzeptiert hatte und sie hin und wieder zu schätzen wusste. Ach ja, es ging doch nichts darüber jemanden in seine eigene Grube zu schubsen!
 

Mit wenigen Worten verabschiedete sich der Minister Kingsley und nahm sich nun Cooper vor. Wenn sie Glück hatten, würden sie den nie wieder sehen! Noch immer standen die drei am Rande des großen Brunnens, die Heerschar an Hungrigen flaute langsam ab und so wurde auf das umgebende Gemurmel, Getuschel und Getratsche leiser.

„Echt jetzt?“ Fragte Ron und seine blauen Augen strahlten von purer Freude erfüllt. „Du hast es dieser kleinen Ratte aber echt gezeigt!“ Er hob die Hand und mit einem breiten Grinsen schlug Harry ein. „Echt klasse!“ Bis zu den Ohren reichte der Ausdruck tiefster Schadenfreude und der Angesprochene meinte dankend. „Welch wunderbare Worte, von denen höre ich gerne mehr!“ Hermine jedoch reagierte anders, sie schob Harry ein Stück von sich und verschränkte nun ihrerseits die Arme. Aufgebracht entfuhr ihr. „Was hast du dir nur dabei gedacht? Er ist dein Vorgesetzter, er ist derjenige der die Aurorenzentrale leitet! Er wird euch das Leben zur Hölle machen!“ Schimpfte sie nun und Ron verdrehte die Augen. Er wusste, dass er später dafür leiden würde, aber das war ihm egal. So überging er einfach ihren Ausbruch und meinte direkt. „Also, raus mit der Sprache. Ich weiß, dass du in Russland eine Spur verfolgt hast und ich kenne dich lang genug, dass ich genau weißt, dass du niemals 15 Berichte schreiben würdest, während du auf der Suche nach „dem Verlorenen“ bist!“
 

Erstaunen prägte nun das weiche Gesicht Hermines und sie lockerte die Verschränkung ihrer Arme. „Du meinst… hast du ihn wirklich gefunden?“ Fragte sie nun unverblümt und das Funkeln in den grünen Augen war mehr als auskunftsfreudig. Ron schlug die Hände gegeneinander und ließ dann die Daumen in seinen Hosentaschen verschwinden, um den Saum zu umgreifen. „Und? Habe ich Recht gehabt?“ Löcherte er seinen besten Freund und Harry wagte nur eine Bewegung mit dem Kopf, um in die Richtung des Ausgangs zu deuten. „Ich erzähle euch alles bei einem Essen. Ich habe Hunger!“
 

Kaum begann er auch nur eine Drehung anzudeuten, als Ron und Hermine gleichzeitig in Bewegung kamen. Nur einen Herzschlag später umklammerte jeder von ihnen einen Arm von Harry, bevor er auch nur an Flucht denken konnte. Lachend musterte er die aufgeregten Gesichter der beiden Menschen, die mehr mit ihm durchgestanden hatten, als sonst jemand auf dieser Welt. „Gib es schon zu! Ich hatte Recht!“ Wiederholte Ron und während sie Harry durch den abklingenden Storm an Hexen und Zauberern schoben. „Ok, Ok! Ich gebe es zu! Das Treffen war eine absolute Katastrophe! Ich wäre in Russland beinahe drauf gegangen und Draco wollte mich nur wieder zusammenflicken und am nächsten Tag wieder raus werfen. Er hätte mir nicht einmal gesagt, dass er es gewesen wäre.“

„WAS?“ Gab Hermine beinahe hysterisch von sich und starrte dann finster zu ihrem Ehemann. „Was habe ich dir gesagt, Ron? Er kann nicht alleine auf sich auf passen!“ Keifte sie und mit einer wegwischenden Handbewegung überging der Rothaarige diese Aussage. „Also schuldest du mir jetzt 50 Goldstücke! Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass der Kerl dich sitzen gelassen hat!“ Der schwarzhaarige Auror lachte, er steckte noch immer zwischen den beiden fest, die ihn zu den Kaminen schoben. Bevor die brünette Hexe noch widersprechen konnte, brummte Ron begeistert. „So, und jetzt raus mit den Details! Aber nur die, die ich auch hören will! Deine Bettgeschichten kannst du für dich behalten!“

Das böse Funkeln in den braunen Augen ignorierten beide Männer und mit einem hinterhältigen Grinsen meinte Harry. „Keine Sorge, wir haben unter der Dusche begonnen!“ Sofort stieg die Röte in die sommersprossigen Wangen und Ron ließ ihn los. „Bei Merlin, das will ich gar nicht wissen!“ Rief er, während er sich die Ohren mit beiden Händen zuhielt.
 

oooOOOooo
 

Mit einem Lächeln lehnte Harry im Türrahmen und beobachtete schweigend den blonden Mann, der vor einem der Bücherregale stand. Die Bibliothek war gewaltig, sie war ebenso groß wie der Salon, der eine Etage unter ihnen mit dem Esszimmer verbunden war und beinahe die gesamte Länge des Hauses vereinnahmte. Drei Wochen waren mittlerweile vergangen und von den wenigen Treffen mit seinen Freunden in England verbrachte er jede freie Minute hier. Nun, zumindest hier in diesem Haus, nicht in diesem Raum. Noch immer war er davon begeistert, wie viele Bücher in den vielzähligen Regalen ruhten und nicht einmal Ansatzweise hatte er verstanden, wie sie sich sortierten und was es alles gab.

„Ich habe Hunger.“ Meinte er schließlich unverhohlen und bemerkte, wie sein Freund erstaunt zusammenfuhr. Die blonden Haare waren nun kürzer, hinten wieder in der bekannten Länge und nur die vorderen Strähnen zogen sich an den Wangen herunter. Besonders die linke Seite war großzügig behandelt worden und entkam weit ausschweifend den Kürzungen. Die Narben wurden dennoch nicht von ihnen versteckt, dafür strich Draco die störenden Strähnen einfach zu oft hinter das Ohr.

Eine Geste, die er nun wiederholte und die grauen Augen suchten anklagend, wenn auch mit einem belustigten Schein den Schwarzhaarigen. „Du schleichst durch dieses Haus, als wärest du ein Geist. Wunder dich ja nicht, wenn ich dir wieder mal an die Gurgel gehe.“ Mit diesen Worten griff er nach einem der drei Bücher, die er im Arm hielt und wendete sich wieder der freien Stelle im Regal zu. „Oh, keine Sorge, machst du ja nachts eh schon immer.“
 

Die verlegene Röte zeichnete sich nicht nur auf den Wangen des ehemaligen Slytherin ab, auch der dumpfe Aufschlag des Buches machte die Peinlichkeit dieser Worte deutlich. Mit zu viel Kraft hatte Draco das kleine Exemplar von Fidels vergessener Kräuterkunde zwischen die anderen geschoben und so knallte es gegen die Rückwand aus Holz. Ein Räuspern, doch sonst schwieg er und absichtlich vermied er einen Blick in das grinsende Gesicht des Aurors.

Bevor Harry noch etwas sagen konnte, war sein Freund schon zwischen den nächsten Regalen verschwunden und abwartend blieb er im Türrahmen stehen. Draco würde schon wieder kommen. Sehr lange musste er nicht warten und mit einem Schmunzeln bemerkte er die zurückgekehrte Gefasstheit, die in einer lockeren Äußerung gipfelte. „Du weißt, wo die Küche ist und du kannst kochen!“

So elegant wie sein Gegenüber konnte er nicht nur eine Augenbraue in die Höhe ziehen, um seine Zweifel an dieser Aussage zu verdeutlichen. Doch auch auf etwas gröbere Weise wurde Draco beim Anheben beider die Bedeutung klar. „Ich dachte eher an etwas anderes.“ Mit einem kurzen Lachen schüttelte er den Kopf. Der leicht begierige, wenn auch überraschte Blick des anderen hatte viel verraten. „Nein, es sollte schon etwas zu essen sein. Jedoch dachte ich an „ausgehen“. Ich habe heute wirklich keine Lust zu kochen und irgendwie kommt normalerweise erst ein Date und dann beschließt man eine Partnerschaft.“
 

Die Anspannung in dem schlanken Körper war sofort zu erkennen. Doch noch gab sich der ehemalige Slytherin Mühe die Fassung zu bewahren und mit einem leichten Lächeln antwortete er zurückhaltend. „Ja, da hast du Recht. Dachtest du an etwas Bestimmtes?“ Dass er nicht raus wollte, nicht raus in die Welt, zu der er selbst kaum noch eine Verbundenheit spürte, wusste der Schwarzhaarige. Er war schon unendlich froh über die sonntäglichen Teeverabredungen mit Narzissa, die ihn jedoch ausschlossen. Obwohl er selbst auch keinerlei Ambitionen hegte an solch einem Treffen teilzunehmen. Er hatte nicht viel von ihr erwartet und war über den Brief überwältigt erstaunt, den sie ihrem Sohn zu ihrem ersten Treffen für ihn überreichte. In diesen Zeilen äußerte sie sich angenehm positiv und bedankte sich ausführlich für sein Durchhaltevermögen und die Tatsache, dass er sein Versprechen gehalten hatte.

So löste er die Verschränkung seiner Arme und trat in den Raum hinein, auf seinen Freund zu. Draco trug wieder einen schwarzen Pullover, irgendwie hatte seine Anwesenheit hier in Russland seine Garderobe schrumpfen lassen und sie beinahe ausschließlich schwarz gefärbt. Sie bestand annähernd nur aus Pullovern, dicken Hosen und Longsleeves und einer Unzahl an Schals und Mützen. Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Sanft griff er nach den Händen des anderen und zog ihn ein wenig näher an sich heran. „Es gibt in London ein ganz wunderbares Restaurant. Ruhig gelegen, mit sehr wenig Gästen, aber einem wunderbaren Essen. Dazu kommt ein überschaubarer Raum.“ Den letzten Teil fügte er noch an, da er die Sorgen des 25 Jährigen kannte.
 

„London?“ Kam direkt, der Zweifel stand deutlich in den grauen Augen. „Ja, aber es ist wirklich sehr überschaubar und du wolltest schließlich wieder ein Teil der Welt da draußen werden. Oder habe ich die Bedeutung deiner Tätowierung falsch verstanden?“ Oh, damit hatte er ihn und das erkannte er sofort. Das helle Gesicht verzog sich leicht und mit einem Brummen gab Draco nur knirschend von sich. „Nein, aber kann das nicht ein ander Mal sein… später?“

Nun leicht beschützend zog er den schlanken Mann so nah an sich, dass sie sich berührten. Er schob seine Hände unter dessen Armen hindurch und legte sie auf seinen Rücken, damit es ja kein Entkommen für ihn gab. „Gut, wenn du mir erklärst, wo der Unterschied zu jetzt liegt, dann nicht heute, sondern später.“ Nun erhob sich eine der feinen Augenbrauen und dieser typische Ausdruck trat in das bekannte Gesicht, welches von dunklen Narben gezeichnet war. Harry spürte die raue Wolle des Strickpullovers unter seinen Fingern und konzentrierte sich allein auf die folgende Argumentation. „Bist du in 10 Wochen besser vorbereitet, als jetzt? Kannst du dich besser verteidigen, kennst dich besser mit Flüchen und Zaubersprüchen aus? Oder hast du dann einen besseren Blick für keine Räume, erkennst Gegner besser? Was genau verändert sich zu heute im Vergleich zu in… was weiß ich wann?“
 

Wie fieberhaft der Blonde nach einer Antwort suchte, konnte er genau erkennen. Die Stirn lag in Falten und immer wieder öffneten sich die Lippen leicht, als wollte er etwas entgegnen. Jedes Mal schlossen sie sich ohne einen Ton über sich streichen zu lassen. Hin und her gerissen und in keiner Weise begeistert schloss er nun die Augen und seufzte.

„Das verstehe ich als ein „Es ändert sich nichts.“ richtig oder kommt da doch noch ein Einwand?“ Das Grau dieser Sturmdiamanten schien plötzlich matt, ein nur zaghaftes Lächeln war die Antwort und kurz musste sich Harry daran erinnern, dass es die richtige Entscheidung war. Sie würden da heute hin gehen und es war gut, es wäre gut und es würde ihnen beiden Spaß machen!

„Na gut… ja… du hast ja Recht! Ich… ich kann mir das einfach nur nicht vorstellen. Ich meine, du und ich… irgendwo essen gehen?“ Er seufzte und blickte nun zur Seite. Offenbar gab es tiefsitzende Zweifel, die mit keiner logischen Erklärung zufrieden zu stellen waren. „Sieh mich an.“ Forderte er nun und kaum fanden diese wunderschönen Augen seinen Blick erneut, konnte er das Verlangen nicht mehr zügeln. Liebevoll und angefüllt mit Vertrauen legten sich seine Lippen auf die verführerisch schmalen. Er versank in diesem Kuss, diesem Moment, in dem sie sich so nahe waren. Er liebte jeden Augenblick ihres Beisammenseins und in der kurzen Zeit wurde dieser Ort für ihn zu einer kleinen Insel, mitten in einem verwunschenen Wald, auf der ihn niemand finden konnte. Doch er würde nicht zulassen, dass sie hier strandeten und die Welt da draußen sie für immer verlor.
 

Nur unwillig ließ der Blonde ihn wieder weichen, ein wissendes Funkeln war in seine Augen getreten und noch immer lag der sanfte Geschmack des Tees auf Harrys Zunge. Beinahe immer schmeckte der ehemalige Slytherin nach diesen süßen Getränken, die oft einen würzigen Nachgeschmack hatten. „Soll ich mich noch umziehen oder kann ich auch so mit? Ich bin mir nicht sicher, ob mein Kleiderschrank noch viel besseres hergibt.“ Meinte Draco nun und etwas Versöhnliches klang in seiner Stimme mit.

Ein Kopfschütteln kam zuerst als Antwort, dann fügte Harry noch an. „Nein, Schuhe und ein Mantel reichen. So kalt ist es in London nicht und es werden sicher keine Gäste anwesend sein, die sich über deinen Kleidungsstil Gedanken machen.“ Das er mit all diesen Aussagen die Wahrheit nur beschönigte, aber nicht log, machte es ihm deutlich leichter. Sonst erkannte sein Freund meistens, wenn er flunkerte.

Mit einem Seufzen klang nun die ruhige Stimme in der Luft. „Dann mal los zu unserem ersten Date?“ Ein freudiges Strahlen trat in die grünen Augen und Draco lachte leicht. Nur einen Moment später hatte es sich über das gesamte Gesicht ausgebreitet und zog diese wundervollen Lippen zu einem breiten Grinsen. „Oh ja, unser allererstes Date!“
 

oooOOOooo
 

Die Anspannung in ihm war so stark, dass er Harrys Hände schmerzhaft fest umfasste. Doch der Schwarzhaarige schwieg und ertrug diese Pein mit stoischer Gelassenheit. Er hatte ihn bis hier her bekommen, Draco hatte ihm vertraut und sich von ihm an einen Ort führen lassen, den er nicht kannte. Nun wanderten die grauen Augen suchend durch den Gastraum, in dem nur ein schummriges Licht das Mobiliar erhellte. Draußen war es dunkel, vor die großen Fenster hatte jemand halbherzig Vorhänge gezogen, von denen er sich anscheinend nicht sicher war, ob sie bleiben sollten. Die Schatten, die dort draußen entlangwanderten, und der Blick hinaus zwischen den Stoffen ließ den Ort erahnen, an den Harry ihn gebracht hatte. Mit einem Seufzen fragte sich der blonde Kräuterkundige, ob er wirklich einen ruhigen, abgeschiedenen Raum in der Winkelgasse finden konnte. Obwohl in diesem Fall schien es mehr als abgeschieden zu sein, eher geschlossen!

Nun ließ er die rauen Hände des Auroren los und wendete sich dem Gastraum zu. Dieser war auf mehrere Ebenen verteilt, die je mit zwei Stufen voneinander getrennt waren. Unten bei der Eingangstür begann die erste, dort waren Tische und Stühle aus dunklem Holz aufgestellt. Sie erinnerten an die englischen, alten Häuser. Sie waren Draco gut vertraut, eben solche würde man auch bei seinen Eltern finden. Die nächste Ebene brach sich hart, Bambustische umgeben von aus geflochtenen Fasern bestehenden Korbstühle, welche nur flüchtig und teils nicht passend an die Esstische geschoben worden waren. An einigen waren zu viele, an anderen zu wenig. Die nächste Eben war noch robuster, lange Bänke an groben, wuchtigen Tischen, die beinahe an Wikingerzeiten erinnerten, jagten dem Blonden einen Schauer über den Rücken.
 

„Also, das ist… bist du dir sicher, dass wir richtig sind?“ Fragte er nun und seine grauen Augen wanderten wieder zurück. Davon einmal abgesehen, dass er nicht wusste, was das hier für ein Restaurant sein sollte, es wirkte nicht direkt zusammengewürfelt, aber alles machte einen bizarren Eindruck. Es schien so, als hätte jemand nicht gewusst, auf welchen Stil er sich einlassen sollte und hatte so mehrere Räume zu einem zusammen geschoben. Dabei entdeckte Draco sicher fünf verschiedene Ebenen, die sich schlussendlich zu einer großen, feuerroten Tür aufstauten. Diese wurde von zwei Säulen umfasst, welche wiederum von unterschiedlichsten Figuren geschmückt waren. Auf Anhieb hätte der Mann einen Drachen erkannt, aber bis dahin reichte das schummrige Licht der wenigen Kerzen nicht, die anscheinend eher aus Mitleid angezündet wurden. An einigen Stellen waren sogar die Stühle umgekehrt auf die Tische gestellt, als wäre noch nicht einmal geöffnet worden.

„Ja, ich bin mir sehr sicher. Hier sind wir richtig!“ Das Grinsen, welches sich über das sonnengebräunte Gesicht Harrys zog, war nur als eine einzige provokante Frechheit zu deuten. „Sieh dich hier doch mal um. Es ist geschlossen! Zu!“ Verwirrung fraß die Angst, die eben noch in seinem Herzen gehaust hatte. Was sollten sie an einem Ort wie diesem? Warum hatte der Kerl ihn hier her gebracht? „So würde ich das jetzt nicht sagen. Es ist nicht richtig geschlossen. Es ist eher… na ja…“
 

Dieses unsagbare Grinsen raubte Draco jeden logischen Gedanken und doch kam da ein Lichtblick in die markerschütternd verworrene Situation. Der Kerl musste etwas wissen, dass er nicht wusste. Etwas fehlte ihm. Nun verschränkte er die Arme vor der Brust und musterte seinen Freund abwartend misstrauisch. „Ok, was wird hier gespielt? Was soll das alles?“ Doch weiter kam er nicht, denn von weitem erklangen gedämpfte Schritte. Panisch floh der Blick der grauen Sturmdiamanten hinüber zu der großen Tür, hinter der anscheinend der Unbekannte näher kam.

„Wie oft muss ich es noch sagen! Ich habe noch nicht geöffnet!“ Donnerte plötzlich eine Stimme im Raum wider, die beiden Männern wohl bekannt war. Nur der ehemalige Slytherin benötigte etwas mehr Zeit, um sie einzuordnen. Licht flutete den Gastraum, als eine der beiden Flügeltüren aufgerissen wurde und so blieb die Gestalt nur ein schwarzer Schatten. „Harry?“ Kam plötzlich unerwartet von dort und nun durchfuhr es den Blonden beinahe wie der Blitzschlag einen Baum. Oh ja, er wusste, wer dort stand und doch konnte er es nicht glauben.

„‘N Abend! Ich wollte mich nur vergewissern, ob deine Kochkünste noch immer so gut sind. Also, dürfen wir probieren?“ Rief der Schwarzhaarige nun und machte sich ohne einen weiteren Blick zu seinem Freund auf den Weg. Lachend nahm er die zwei Stufen, als der Schatten seinen Kopf schüttelte und meinte, dass er endlich lernen sollte anzuklopfen. „Na, dann sorge endlich dafür, dass man nicht so einfach hier apparieren kann. Mach es wie Albus, kannst ihn ja fragen.“ Neckte er zurück und wie in Trance setzte sich nun auch der flüchtige Engländer in Bewegung. Er war innerlich noch immer erstarrt, duzende Fragen rauschten durch seinen Kopf und alte Erinnerungen wurden von unangenehmen Träumen überlagert.
 

Er musste sich genau auf seine Schritte konzentrieren, doch sein Kopf gab keine Ruhe. In seiner Phantasie wälzten sich zwei Körper durch seidene Bettwäsche, beide davon waren ihm so bekannt. Einer von ihnen so muskulös, trainiert, sehnig und kräftig, dabei wie grob behauen, von der Sonne gebräunt. Der andere makellos, fein und biegsam, so geschmeidig und die Haut weich wie Seide, während sie eine Farbe wie dunkler Kakao besaß. Er dachte an den Traum, den er erst vor wenigen Nächten gehabt hatte, einen, der ihn nun wie ein kalter Schwall Wasser begrüßte. Nein, das war nichts weiter als eine ausschweifende Phantasie, seine ausschweifende Phantasie, geprägt von bindungsfreien Beziehungen, Verlust und Misstrauen. Wie sollte da nicht so etwas entstehen?

Wie schön und bedacht das Mobiliar ausgesucht worden war, bemerkte er nicht. Er hörte nicht die Unterhaltung, die die beiden führten. Sein Blick war nur auf die schattenhafte Gestalt gerichtet, deren Stimme dumpf in seinem Verstand widerhallte. Er sah, wie sie sich umarmten und mit einem Schlucken musste er sich zu dem Gedanken zwingen, dass die beiden eben immer noch Kontakt zueinander hatten.

Noch kälter erwischte ihn eine weitere Erkenntnis. Er selbst hatte mit diesem Mann geschlafen! Er hatte mit ihm geschlafen, ebenso wie mit Harry. Im Grunde hatte in dieser Runde jeder mit jedem geschlafen! Kalt kroch ein Schauer über seinen Rücken und er fühlte die Schwäche in seinen Knien. Wie sollte er nun reagieren? Wie würde ER auf ihn reagieren? Wusste er, dass er nun hier dabei…
 

Seine Gedanken platzen in wilder Panik auf, als sich Arme um ihn schlossen. Sein Instinkt wollte ihn zum Rennen antreiben, ihn flüchten lassen, doch die warmen Hände legten sich liebevoll auf seinen Rücken. „Bei allen gesegneten Göttern dieser Welt! Du bist es wirklich!“ Dröhnte die Stimme in seinen Ohren nach und nur schwer begriff er, was hier gerade geschah!

Er wurde umarmt!

Er wurde wirklich von ihm umarmt?

Nein, war das möglich?

Kein Schmerz im Rücken, kein Dolch, den er spürte. Dafür hörte er ein fröhliches Lachen, eines, das er noch nie zuvor vernommen hatte. Warte? Freute sich der Kerl wirklich? Freute er sich wirklich ihn zu sehen? Völlig überfordert löste sich die Starre seiner Arme und er bemerkte, wie sich seine Hände zögerlich auf den Rücken des anderen legten. Erinnerungen spritzten wie Wassertropfen gegen ein Dachfenster und in wenigen Momenten setzen sich all die Informationen zusammen. Der Geruch hatte sich verändert, früher hatte ihn immer etwas Liebliches begleitet, nun war nur noch eine feine Note davon übrig geblieben. Orangen, Butter und ja, sogar Zwiebeln nahm er nun war. Ob diese schokobraune Haut noch immer so makellos war?
 

„Was?“ Aus all diesen chaotischen Fetzen wurde er gerissen, als seine Augen das Gesicht des anderen so nahe vor dem seinen begriffen. Er blickte direkt in dieses markante Gesicht, das er nie vergessen hatte. Die schwarzen Haare waren noch immer extrem kurz, nur dass sie nun unter einem weißen Tuch verborgen waren. „Alles ok bei dir?“

Was sollte er auf diese Frage antworten? Draco blinzelte und schluckte leider hörbar. „Ich denke ja. Irgendwie… ja… doch…“ Murmelte er und nun zog sich die Stirn in strenge Falten. „Ich hab dich echt vermisst!“ Tönte die vertraute Stimme, die jedoch ein wenig dumpfer, fester, ja, regelrecht männlicher klang. „Ach wirklich? Anscheinend hast du verdammt schnell einen Ersatz gefunden!“

Hatte er das jetzt wirklich gesagt? Das erstaunte Gesicht und Harrys „Was bitte?“ bestätigten diese Befürchtung. Wieder setzte der Fluchtinstinkt ein, doch sein Herz brannte vor Schmerz. Das war sein bester Freund! Das war einst einmal sein allerbester Freund! Es gab nur zwei einzige Sache, die er ihm nie erzählt hatte. Sonst kannte ihn dieser Mann besser, als sonst jemand auf der Welt.

Anscheinend noch immer, denn er ließ ihn nicht los, seine Hände blieben auf den schlanken Schultern ruhen und die dunklen Augen musterten ihn einen Moment schweigend. „Harry, kannst du noch mal rüber zu Miss Peers gehen? Ich bräuchte da noch ein paar Kräuter.“ Nun erst drehte er sich um, ließ Draco los und blickte den Auror an.
 

„Ähm… echt jetzt Blaise?“ Fragte er verwirrt und der dunkelhäutige Koch zog einen Zettel aus der Brusttasche heraus und einen Stift aus der hinteren seiner Hose. Kurz beugte er sich über den Tisch, der ihnen am nächsten war, und kritzelte ein paar Worte darauf. Dann reichte er dem Verblüfften das Stück Papier und meinte nur. „Geld bekommst du später.“

Doch noch bewegte sich Harry keinen Millimeter, er starrte nur auf das kleine, weiße Ding in seiner Hand und dann wieder zu dem Mann, der dafür verantwortlich war. „Ich kann auch sagen, dass du gerade unpassend bist und ich und Draco offenbar noch einiges zu klären haben. Also schwirr ab und komm erst wieder, wenn wir fertig sind. Ich wollte dir aber wenigstens eine Aufgabe geben, damit du dir nicht ganz so dumm vorkommst!“

Seit er ihn kannte, war seine Zunge spitz und seine Worte treffsicher. Doch früher hatte er dafür immer alles planen müssen. Heute haute er es einem einfach um die Ohren und man musste sehen, wie man mit der Wahrheit zurechtkam. Feingefühl war etwas, dass Blaise Zabini hinter sich gelassen hatte. „Ok, ich seh schon, ich bin überflüssig hier.“ Brummte der Auror und vergrub seine Hände tief in den Manteltaschen. Ohne noch ein Wort zu sagen, machte er einen großen Bogen um beide und huschte durch das schummrige Licht durch den Gastraum immer weiter hinab.
 

Wie kam er hier her? Wieso hielt er einen Becher Glühwein in der Hand und warum duftete dieser nach Zimt, Orangen und etwas, das er nicht einordnen konnte? Irgendwie hatte ihn Blaise in die große, wirklich große Küche bekommen und nun saß er hier auf einem hohen Hocker, an einem langen Tresen und hielt diesen wärmenden Becher in der Hand.

„Na los, sag es! Was liegt dir noch auf der Zunge? Kann ja nicht das einzige sein oder?“ Blaise saß ihm gegenüber, hier war es deutlich heller, die Lichter wirkten beinahe grell, wurden nur von dem weichen Holz gemindert, aus dem die gesamte Kücheneinrichtung war. Noch einmal blinzelte Draco, sein Mantel lag neben ihm über einem der weiteren Hocker. „Was mir noch auf der Zunge liegt?“ Wiederholte er monoton und dann spürte er es. Da war dieses Gefühl brandender Wut, sie kochte in seinen Adern und dann starrten die grauen Augen voller Zorn zu dem dunkelhäutigen Koch. „Oh, da liegt mir viel auf der Zunge. Wie lange hat es gedauert, bis du dich an ihn ran geschmissen hast?“
 

Hörte er da ein Lachen? Er war extra drei Runden durch die Winkelgasse gezogen, hatte bei Fred und George vorbei geschaut und nun war ihm kalt, er hatte noch immer Hunger und seine Laune war am Boden. Doch dieses Geräusch gefiel ihm. „Doch wirklich. Mach dir echt keinen Kopf darüber, jeder ist so und ja, die Geschichte mit Hermine ist wahr. Frag Harry, den hätte sie auf der Abschlussfeier beinahe in die Luft gejagt. Aber frag „sie“ niemals danach, beglückwünsche sie nur zu diesen rührenden Worten ihres jetzigen Ehemannes!“ Diese freudige Stimme gehörte Blaise und die leise Antwort wurde von einem erneuten Lachen übertüncht. „Du hättest die beiden neulich mal sehen sollen. Hermine und Luna saßen hier, beide schwanger und unsere ach so rationale Intelligenzbestie heult wie ein Wasserfall, als ich ihr erzählte, wie in Indien ein Babyelefant in das Loch einer alten Ruine gefallen ist. Irgendwann hab ich die Geschichte gekürzt, damit ich das gute Ende erzählen konnte. Sie wird uns alle hassen, weil wir das wissen! Wenn sie wieder rationaler wird, haben wir ein schweres, sehr schweres Leben vor uns!“

Harry konnte nur ahnen, dass Draco seinen besten Freund in das Geheimnis eingeweiht hatte, dass er ihm selbst so lange nicht verraten wollte. „Darf ich rein kommen?“ Fragte er nun und blieb in der Tür stehen. Ja, offenbar schienen die beiden sich ausgesprochen zu haben. „Oh ja, du hast die erste Vorspeise verpasst! Beschwer dich bei deinem Schatz hier, der konnte den Datteln mit Marzipan nicht widerstehen!“ Rief ihm Blaise nun zu und griff nach einem dritten Becher, den er mit einer Schöpfkelle aus einem Topf füllte. Das war Blaise berühmter Glühwein!
 

Ich hatte nicht erwartet, dass der Abend so gut ausgehen würde. Wir haben viel gelacht, viel zu viel getrunken und haben uns dabei die Bäuche mit all den kleinen Leckereien vollgeschlagen, die Blaise zu zaubern wusste. Irgendwann, nachdem selbst Blaise keine Lust mehr zum Kochen hatte, machte er einen Abend verändernden Vorschlag. Er habe Zuhause noch einen unglaublich guten Kaffeelikör und den müssten wir probieren. Also machten wir uns auf den Weg.

Seine Wohnung war nur ein einziges Zimmer, dazu kam ein kleines Badezimmer und ein winziger, quadratischer Bereich vor der Eingangstür stellte so etwas wie einen Flur dar. Dieses eine Zimmer bestand zu ungefähr 80% nur aus der Küche, sonst gab es einen Schrank, der gerade neben das ausgezogene Sofa passte. Mehr nicht! Nun, ich kann noch anmerken, dass der Esstisch mit den vier Stühlen mit zur Küche zählte, denn auf ihm wurde alles Mögliche gebunkert. Über Töpfe, Kochbücher, Pfannen, Vorratsdosen und Löffel, Schieber und anderen Kochutensilien fanden sich dort sogar Backschüsseln, Bleche und Plätzchenstecher. Zum Essen war er nicht gedacht.
 

Am nächsten Morgen schmerzte mein Kopf so sehr, dass ich dem Sonntag dankte, wie nichts anderem auf der Welt! Ich hatte heute frei und so den gesamten Tag um wieder nüchtern zu werden. Irgendwann mussten wir auf dem großen Sofa eingeschlafen sein und mit einem Schmunzeln bemerkte ich, dass Draco noch immer seine Arme um mich geschlungen hatte. Er und Blaise schliefen noch fest und so dämmerte ich wieder in einen unruhigen Schlaf. Zu viel Alkohol eben!

Aber der Abend war es wert gewesen, ich hatte ihn genossen und es folgten noch viele andere, wenn auch nicht so feuchtfröhliche darauf. Man wurde ja auch irgendwann erwachsener. Blaise war es auch, der Draco immer wieder dazu brachte neue Grenzen zu überschreiten und sich nach und nach wieder zu einem Teil dieser Gesellschaft zu mausern. Der Skandal blieb natürlich nicht aus. Endlich war der verlorene Sohn der Malfoys wieder da und dann als fester Freund Harry Potters. Manche Artikel hätte ich wirklich nicht lesen sollen!

Selbst mit Ron fand er einen Weg und ein gemeinsames, gegenseitiges Herausfordern begleitete jede Begegnung der beiden. Erstaunlich gut schlug sich Ron, der offenbar von seiner Frau viel gelernt hatte.

Alles in allem entwickelte sich alles prächtig. Wie zu erwarten war Blaise Küche so überragend, dass sein Restaurant in kürzester Zeit zum Besten in London gekürt wurde.
 

Eben alles war gut. Und wir haben selbst die Geburt des neusten Zuwachseses bei Ron und Hermine überstanden, oder besser die Rückkehr zu Hermines rationalem Denken!
 

Es gibt also keinen Grund zur Klage. Endlich darf ich einfach nur genießen. Endlich habe ich das Gefühl frei zu sein!

Lass dich versöhnen!

25. Kapitel

Lass dich versöhnen!
 

Die Baba Jaga hat immer Recht! Diese Lektion hatte ich nie wirklich gelernt! Ich hatte sie akzeptiert, aber nie bis in die Tiefen meines Herzens vordringen lassen. Warum auch? Viel Kontakt hatte ich nicht zu ihr und was sie mir Wichtiges zu sagen hatte, glaubte ich schon zu wissen. Doch aus Fehlern lernt man bekanntlich.

Nun, solange man Fehler wiederholen oder umgehen kann. Ich habe diese Chance wohl nicht. War ich einfach nicht stark genug? War ich nicht gut genug? Hatte ich nicht lange genug gelitten, um nun doch endlich glücklich sein zu dürfen? Oder war einfach nur niemals für mich ein glückliches Happy End vorgesehen?

Müde lehne ich an der Wand und schließe meine Augen. Meine Beine fühlen sich schwer an, ich würde sie gerne an mich heranziehen, doch dazu fehlt mir einfach die Kraft. Wie lange habe ich ihn schon nicht mehr gesehen? Ich weiß, dass es nur Tage sind, aber jeder einzelne kommt mir wie ein ganzes Leben vor! Ich will nicht sehen, was ich noch alles erledigen muss, dieses Haus habe ich so weit wieder aufgebaut, doch nun scheint es mir eine hungrige Bestie zu sein, die mich Stück für Stück zerfleischen möchte, bis nichts mehr von mir übrig ist.
 

Meine trüben Gedanken schweifen an den Moment zurück, als ich das erste Mal mit ihm über diese Idee gesprochen habe. Ich wollte das Haus meiner Eltern wieder aufbauen. Klar, es erschien mir damals nur wie ein netter Tagtraum. Draco war es, der heimlich nachforschte und herausfand, dass ich ein Anrecht auf das Grundstück und das Haus besaß. Natürlich mussten unendlich viele Anträge bewilligt werden und selbst dann dauerte es ewig. Davon abgesehen, dass die schwarzen Flüche, die hier auf dem Grundstück ruhten, ein Wohnen und Leben unmöglich machten.

Nun, wofür war man mit einem Mann zusammen, der als der Experte im Bereich schwarze Magie galt? Ja, Draco hatte sich einen Ruf erarbeitet, der ihn ziemlich wohlhabend werden ließ. Er arbeite als freier Berater des Ministeriums und da es sonst außer Severus niemanden gibt, der sich so verdammt gut mit schwarzen Flüchen und unheilvoller Magie auskennt, kann der Mistkerl ein Schweinegeld dafür verlangen. Die Nachfrage war da und sonst gab es kein Angebot.

Offenbar fanden die Malfoys immer einen Weg zu überleben und das sogar verdammt gut. Auch Lucius hatte sich wieder einen Ruf aufgebaut, nur eben ohne seinen Sohn. Es bestand keinerlei Kontakt von Vater zu Sohn, obwohl eben der Sohn dabei nicht das Problem war. Bis heute traf er sich jeden verfluchten Sonntag um 16 Uhr mit seiner Mutter zum Tee und hin und wieder auch so. Sie gingen in die Oper, einkaufen, trafen sich in Galerien oder Museen… was Mütter mit Söhnen eben so taten!
 

Müde drehen sich meine Gedanken um dieses Wort. Mütter! Ich hatte keine und ich würde in meiner Familie nicht der einzige sein. Übelkeit steigt langsam aus meinem Magen auf und ich spüre den bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Alles hat mit Draco in meinem Leben mehr oder weniger funktioniert. Natürlich gab es keine Regenbögen und keinen rosaroten Glitzerregen für uns beide. Wir haben uns gestritten, es blieb eben das fehlende Vertrauen und wir beide hatten zu viel gelitten, um einfach so einen normalen Alltag zu leben. Wir beide spürten die Dämonen, die uns immer wieder quälten. Hoffungsvoll klammerten wir uns an das Gefühl der Liebe und nutzten irgendwann dieses Haus hier als eine Quelle der Gemeinsamkeiten. Ich erinnere mich noch immer so gut daran, wie endlich das Schloss in die Tür eingebaut wurde. Draco und ich waren so stolz! So begeistert! Wir hatten den Tiefpunkt hinter uns gelassen! Die Mauern dieses Hauses standen, wir hatten das Dach repariert und konnten mit dem Renovieren innen beginnen. Die kleine Mauer um das Grundstück herum war notdürftig geflickt und ich konnte nicht glauben, dass wir es so weit geschafft hatten.

Ja, der Tiefpunkt war hinter uns geblieben! Ein kaltes Gefühl packt mich, wenn ich an diesen Abend denke. Angst, Zweifel und fehlendes Vertrauen ließen unsere Dämonen einen wilden Tanz mit unseren Gefühlen treiben und ein Wort folgte dem nächsten. Schreie hallten durch das alte Haus in Russland und noch heute höre ich, wie das Porzellan springt. Der Teller, den Draco nach mir geworfen hat. Zu Recht, meine Worte waren grausam! Nur kurz darauf flog ich aus dem Haus und dann der Ring, den er für uns ausgesucht hatte.

Was hatte ich damals erwartet? Was erwartete er? Wir beide waren weit über die Grenze unserer Kraft gerannt, hatten uns stets gegen die eigenen Dämonen gestellt und uns nie eine Pause gegönnt. Vielleicht war es genau das. Die Streitereien hätten uns warnen sollen, doch wir bemerkten nichts. Wir verloren uns nur in den Kräfte zehren Auseinandersetzungen, bis alles explodierte.
 

Ich nahm damals diesen Ring, wütend, aufgebracht und unendlich verletzt. Dass ich an diesem Abend jedes meiner Versprechen brechen würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Verbittert zog ich mich in einen alten, winzigen Pub in Irland zurück, um mich zu betrinken.

Ich gehörte nicht zu den Menschen, die viel Alkohol vertragen, aber an einem Abend wie diesem war mir das egal. Ich wollte ja schließlich alles vergessen. Wut brannte noch immer in meinem Bauch und mein Herz blutete stärker denn je zuvor. Hatte ich erwartet, den Schmerz dieser Nacht nicht noch gewaltiger spüren zu können, den ich bei unserem Wiedersehen damals in Russland empfand, so hatte ich mich geirrt. So viel hatte ich in diese Beziehung investiert. Zeit, Geduld, Liebe, Gnade, ich hatte mich für ihn verbogen, ihn aufgebaut, ihn gestützt, ihm vergeben, so viele Fehler vergeben. Ich konnte sie nicht zählen und nun war ich zu enttäuscht, um mich an all die Unmengen zu erinnern. Müde blickte ich in mein Glas, hasste mich für meine eigene Schwäche und wollte nicht begreifen, warum alles so gekommen war, wie ich es nun vorfand.

Es war einer dieser Abende, an denen ich mein erstes Versprechen hätte halten sollen. Ich blieb jedoch neben ihr sitzen, dieser wunderschönen Irin, deren helle Haut beinahe die Farbe von Schnee besaß und ihre feuerroten Locken offen und wild um die Schultern trug. Ihr Lächeln war atemberaubend und als sie ihren Drink hob und mir zuprostete, war es längst zu spät. Ich war gefangen in diesen grünen Augen, die so lebendig funkelten. Die Armlänge zwischen uns war schnell von beiden Seiten auf ein Minimum reduziert und wir besiegelten unser Schicksal.

Eines kam zum Anderen, die angeregte Unterhaltung verführte uns in unserem gegenseitigen Ärger zu einem leidenschaftlichen Kuss. Wir beide waren angefüllt von Sehnsucht und Schmerz, einer gnadenlosen Verbindung innerer Gefühle, die durch den Genuss des Alkoholes einen hemmungslosen Rausch auslöste. Wir gaben uns diesem Spiel hin, heißer als in jener Nacht unseres Lebens bislang. Verbotener, denn jeder kannte die Geheimnisse des anderen. Wie ein Hohn trug sie noch immer den silbernen Verlobungsring, den ich spöttisch küsste und ihre Finger strichen neckende über die Kette an meinem Hals, an der nun beide Ringe hingen. Sie hatte mir ihre alte Kette geschenkt.
 

Wild und ungezügelt ließen wir unseren Frust den Tanz aus Gier bestimmen und verschlangen einander, bis auch die letzte Kraft aus unseren erhitzten Körpern getrieben war. Erschöpft und in tiefer Zufriedenheit gebettet, schmiegt sie sich an mich. Niemand sprach, als wären keine Worte von Nöten. Wir verstanden einander und die Bedürfnisse des anderen blind, obgleich wir uns nicht kannten.

Als hätte es jemand in meinen Verstand gebrannt, sehe ich noch immer den harten Kontrast ihrer feuerroten Locken auf dem weißen Lacken, als ich am nächsten Tag erwachte. Bildschön, unbeschreiblich und als diese grünen Augen mich begierig anfunkelten, als wäre sie eine hungrige Raubkatze, erklang ihre raue, rauchige Stimme. „Bereust du es?“

„Was denn? Diese Nacht? Weswegen?“ Ihr Lachen erfüllte die Luft und wir schienen den Alkohol besser vertragen zu haben, als mir lieb war. Mit einer unbändigen Eleganz erhob sie sich und ich begriff, dass ich dieser Frau ganz verfallen war. Sie hatte etwas in mir erweckt, das ich längst vergessen glaubte. Vertrauen. Ich hatte ihr ohne zu Zögern vertraut. Einfach so. Ich gab mich ihr hin, ebenso wie sie sich mir. Wir waren gleich, frei, ungebunden unserer Ängste.
 

Als wir die Tür des Hotelzimmers schlossen, wurde mir die Tragik dieser Begegnung bewusst. Sie hatte mir gezeigt, wer sie war. Nun kehrte sie zurück in das Leben einer Reinblütigen, die von ihren Eltern an einen Mann verlobt worden war, den sie nicht liebte. All die Leidenschaft würde sie weitere Jahre tief in ihr Herz schließen, sie wahrscheinlich niemals mehr befreien und irgendwann vergessen. Ihr Vater hatte sie zu einer anständigen Tochter erzogen, die niemals Widerworte gab. Das Feuer in ihrem Herzen war nur für diese eine Nacht frei, nun würde sie voller Demut in eine Ehe gehen, die sie niemals wollte.

All das, was ich in dieser Nacht gesehen hatte, all das, was nun wieder verschwinden würde, liebte ich an ihr. Ich begriff, dass unser Schicksal zu einer fernen Zeit miteinander verknüpft gewesen war und ein anderer Weg uns vielleicht die Freiheit geschenkt hätte, die wir beide brauchten. Sie wäre es, sie wäre die Frau, mit der ich hätte glücklich sein können. Für den Rest meines Lebens.

Mit einem frechen Lächeln auf ihren zartrosa Lippen küsste sie mich und meinte dreist. „Ich weiß, dass du mich niemals vergessen wirst.“ Noch immer sehe ich den Schwung ihres Kleides, sehe die roten, wallenden Locken wippen und dann war er da. Der gesamte Schmerz, der sich in all den Jahren aufgebaut hatte. Seit meiner Geburt.

Ich ließ sie gehen, weil unser Weg nun nur noch diese Berührung kannte, nur für diese eine Nacht war unser Schicksal nun noch miteinander verwoben, auf dass wir einander niemals vergaßen. Ich schenkte ihr all die Leidenschaft, all die Gier, die sie niemals wieder spüren würde und sie schenkte mir das Vertrauen, nach dem ich so sehr verlangte.
 

Ob ich es bereute? Nein! Aber nun stand ich dort, vor der Tür, allein und sie ließ mich zurück mit all den Gefühlen, die sich wie ein Sturm über mich legten. Meine Erinnerungen explodierten, ließen mich in einen Strudel vergangener Emotionen stürzen und all die Verluste, all die Trauer, all die Wut kehrten zurück, überkamen mich und zornig ballte ich die Hände. Während ich wie innerlich erschüttert selbige tief in den Taschen meines Mantels vergraben wollte, riss mich eine Berührung aus dieser Gefangenschaft. Wann hatte sie mir diesen Zettel zugesteckt?

Verwirrt und überfordert griffen meine rauen Finger danach, zogen ihn hervor und entfalteten das wunderschöne, weiße Stück Briefpapier. Es war nicht sehr groß, die Worte unendlich schön und berauschend geschrieben.
 

„Was auch immer uns diese Nacht schenkte, nutze es! So sehr dein Verstand es auch zu leugnen versuchte, dein Herz liebt ihn! Du liebst ihn! Du brauchst ihn! Geh zurück zu ihm! Trage diese Nacht wie ein Geheimnis in dir und schenke ihm das Vertrauen, welches meine Seele berührte. Liebe ihn, denn du brauchst ihn mehr, als du begreifen kannst!

In ewiger Liebe

S“
 

Bis heute halte ich ihn versteckt. Diesen einen, kleinen Zettel, den sie mir schenkte. Sie hatte Recht und nur wenige Stunden später fand ich ihn. Alle Orte hatte ich abgesucht, an denen wir uns sonst trafen. Ein Blick in seine grauen Augen ließ all das wieder aufschwemmen, was ich in der Nacht zuvor empfunden hatte. Liebe, Hass, Gier, Sehnsucht!

Ich verstand ihre Worte und als sich unsere Fingerspitzen berührten, als ich seine Nähe spürte, begriff ich meinen größten Fehler. Ich hatte ihn immer als etwas Kaputtes gesehen. Ich hatte mich von seinen dummen Ausreden, seinen Ängsten verwirren lassen und ihn als beschädigt erkannt. Doch das war eine Lüge. Ganz gleich, was er glaubte zu sein, er war perfekt! Ebenso wie sie! Das war es, was sie mir in dieser Nacht schenkte. Die Erkenntnis, dass der Mann, den ich liebte, absolut perfekt war. Mit all seinen Macken, mit all seinen Launen, mit all seinen unterschiedlichen Seiten. Ich kannte sie alle, ich wusste, wann ich ihm genervt entgegentreten musste, wann ich ihm verzeihen sollte und wann meine Küsse ihn am Besten einfach nur zum Schweigen brachten. Warum hatte ich diese Perfektion nicht vorher schon gesehen?
 

Dass eine so einfache Erkenntnis so viel verändern konnte, hatte ich nicht erwartet. Eine gewaltige Last war von mir gefallen und ich gab den irrwitzigen Versuch auf ihn zu retten. 9 Monate lang beobachtete ich, wie er sich veränderte. Wie er vergaß, dass er von Bellatrix „zerstört“ worden war. Wie er den „Bruch seiner Seele“ einfach im Nichts der Vergangenheit auslöschte. So viel hatten wir nie gelacht und manchmal waren wir wie kleine Kinder. Wir dachten uns Streiche aus, um Fred und George zu ärgern und sie waren so gut!

9 Monate lebte ich ein Leben, das kein Traum mir hätte schöner ausmalen können. Doch anscheinend habe ich das Glück nicht verdient. Offenbar ist mein Schicksal darauf beschränkt für jedes Glück teuer zu bezahlen. Immer dann, wenn ich einen Moment zu hoffen wage, zu lieben, einfach nur glücklich zu sein, holt mich die Wahrheit aus diesen Träumen und zerschmettert mich auf dem Boden der Realität.

Innerlich unendlich erschöpft blicke ich zu ihr hinüber. Meine Augenlieder fühlen sich so schwer an, meine Kehle ist so trocken. Doch sie liegt dort, so liebevoll und unschuldig. Die Augen geschlossen, die kleine Brust hebt und senkt sich deutlich. 9 Monate habe ich gelebt, doch dann veränderte ein Klingeln an der Tür alles. Noch jetzt spüre ich das Gefühl, wie mir der Boden unter den Füßen fort gerissen wird. Draco starrte auf das, was dort auf der Türschwelle lag. Er hielt den Brief in Händen, dessen feine Handschrift ich auf den ersten Blick erkannte. In den Rand des weichen Weidenkorbes war ein rosa Band eingeflochten, welches vorne zu einer Schleife gebunden war. Die andere Seite war hochgezogen, wie bei einer Wiege bildete das Geflecht einen Schutz, in den ein Griff eingearbeitet war.
 

Sie schlief. Tief und fest. Nicht wissend, wer sie war und nicht wissend, wo sie angekommen war. Überfordert versuchte ich zu erklären, was ich all die Monate verschwiegen hatte, stotterte, verhaspelte mich und dann drehte er sich einfach um und ging!

Ich stand dort, ein erst wenige Tage altes Kind bei mir, den Gedanken nicht einmal ansatzweise begreifend, dass ich plötzlich Vater sein sollte. Alles in mir zerbrach, unfähig zu verstehen, zu verarbeiten, was das zu bedeuten hatte.

Noch immer hat sie keinen Namen, ich weiß nicht, was ich ihr gegenüber empfinden soll. Ein roter Flausch Haare überzieht ihren runden Kopf, die Augen sind so lebendig und tief Grün. Fünf Tage ist es nun her, ich habe ihn noch immer nicht gesehen. Hermine versucht mir mehr zu helfen, als sie kann. Rons Rat klingt noch in meinen Ohren, er wird zurückkommen, wenn er bereit dazu ist. Auch Lunas kleine Geschenke, die sie mir jeden Tag macht, helfen nicht. Alles in mir ist gelähmt, unfähig zu verstehen.

Müde schweift mein Blick durch das Wohnzimmer, an dessen Wand ich sitze. Alles muss tapeziert werden, gestrichen und in der Küche müssen die Schränke angebracht werden. Nichts habe ich geschafft. Seit Stunden scheine ich hier zu sitzen und bin der Kleinen so dankbar, dass sie noch immer schläft. Ich wüsste nicht, was ich täte, wenn sie erwacht. Woher soll ich wissen, was sie von mir will, was sie benötigt? Hätte sie Hunger?
 

Ein Geräusch lässt mich aus meinen verschwommenen, wilden Gedanken aufschauen und ich bin mir nicht sicher, was ich jetzt empfinden soll. Jemand schließt die Tür auf und meinem Instinkt folgend kann es nur eine Person sein, die um diese Uhrzeit hier in mein Haus hineinschneit ohne eingeladen zu sein. Aber auf eine Predigt von Hermine habe ich keine Lust, ich habe keine Kraft mir ihr hochtrabendes, wenn auch gut gemeintes Gerede von Verantwortung und Selbstdisziplin anzuhören. Ich bin jetzt nicht mehr allein für mich verantwortlich und ich kann mich nicht so gehen lassen! Bla, bla, bla!

Müde schließe ich meine Augen wieder, ich will sie nicht sehen und trotz all dem Wissen versuche ich mir einzubilden, dass ich sie nur gut genug ignorieren muss, damit sie wieder geht. Das ist dumm, das ist mir bewusst, aber was soll ich machen? Ich weiß ja selbst, dass sie Recht mit ihren Worten hat und ich jetzt Vater bin… was auch immer das heißen mag!

Die Schritte kommen näher, ich höre sie im Flur, die Tür ist wieder geschlossen. Etwas stört mich an ihnen, sie sind schwerer als erwartet, vorsichtiger, zurückhaltender. Hermine wäre gleich in den Raum gestürmt, hätte mich gerufen, wenn auch leise. Immerhin ist sie als Mutter der Tatsache bewusst, dass lautes Rufen schlafende Kinder weckt.

Doch wenn nicht sie es ist, wer dann? Wer würde jetzt hier auftauchen und mich stören? Luna kann es nicht sein, sie hat einen leichten, federnden Gang. Ron vielleicht oder Neville? Angespannt spüre ich das Pochen hinter meinen Schläfen und hoffe, dass der Schmerz noch eine Weile auf sich warten lässt. Gleich ist er da. Ich höre die Schritte an der Tür verweilen, nur wenige Meter neben mir. Dann geht er weiter, mein Instinkt sagt mir, dass es ein Mann sein muss.
 

„Es tut mir leid!“
 

Hätte jemand eine Schaufel genommen und sie mir von hinten über den Schädel gezogen, wäre ich nicht erstaunter gewesen. Sofort erkenne ich diese Stimme, doch alles in mir weigert sich diese Worte als etwas anderes als eine grausame Einbildung meiner verkümmerten geistigen Zurechnungsfähigkeit anzuerkennen. Da ist er, der bohrende, quälende Schmerz bei jedem Pochen in meinen Schläfen.
 

„Ich weiß, dass ich jetzt sicher der letzte bin, den du sehen willst, aber es tut mir ehrlich und aufrichtig leid!“
 

Unruhig beginne ich auf meiner Zunge zu kauen, die Augen noch immer geschlossen. Nein, soll ich das jetzt wirklich glauben? Soll ich jetzt davon ausgehen, dass ausgerechnet er da steht und sich bei mir entschuldigt? Das ist… das wäre wie bei Alice im Wunderland! Nein, schlimmer, auf solch eine Logik käme nicht einmal die Herzkönigin! Das kann einfach nicht real sein! Vielleicht schlafe ich auch. Ja, ich träume das alles nur!
 

„Harry?“
 

Kannst du bitte endlich schweigen? Ich will dich nicht sehen! Ich will nicht hoffen, dass du wirklich hier bist, zu mir zurück willst und ich dann doch aus diesem Traum heraus falle. Warum bitte solltest du hier her kommen und mir sagen, dass es dir leid tut? Was? Dass ich dich betrogen habe? Dass ich dich belogen habe? Dass ich jetzt Vater eines unehelichen Kindes bin?
 

„Ich liebe dich! Und es tut mir leid, dass ich dich im Stich gelassen habe, als du mich am meisten gebraucht hättest!“
 

Etwas liegt in diesen Worten, das mich fasst, mir einschärfen will, dass ich endlich die Augen öffnen soll und zu ihm blicken. Er ist hier, so sicher, wie dieses Kind, das da noch immer friedlich schläft. Ich höre das Rascheln von Stoffen, anscheinend kniet er sich hin und dann zögerlich berühren seine warmen Finger meine Hände.

Nun endlich gestatte ich es mir, zweifelnd dem Hoffungsschimmer nachzugeben. Er wird vor mir stehen, vor mir knien, gleich, ob dieses ein Traum ist oder nicht. Müde und innerlich so erschöpft, noch immer von den pochenden Schmerzen in den Schläfen gequält, öffne ich die Augen und begreife, dass dieses hier kein Traum sein kann.

Er lächelt doch die beinahe schwarzen Augenringe lassen mich schaudern. Seine Wangen sind fast eingefallen, die Haut so bleich, dass sie weiß wirkt. „Du siehst echt scheiße aus.“
 

Da ist es wieder. Dieses schreckliche Schmunzeln bei dem er die Augenbraue in die Höhe schiebt und mich so zweifelnd mustert. Ich mag diesen Ausdruck gerne und jedes Mal bringt er mich ein wenig zum Lächeln. „Danke. Dieses Kompliment kann ich nur zurück geben. Selbst halb tot im Schnee wirktest du lebendiger!“ Antwortet er nun neckend und irgendwie ist uns beiden eines klar. Ich fühle mich plötzlich so dumm, so unendlich dumm für all das, was ich dachte, was ich fürchtete und in seinen grauen Augen erkenne ich die gleichen Empfindungen. Wir sehen uns und finden einander wieder.

„Hast du das eben wirklich ernst gemeint?“ Frage ich nun und spüre noch immer seine warmen Finger, bemerke, wie sich meine Hände drehen, um ihn ebenso berühren zu können. Ja, es fühlte sich wirklich an als wären es Jahrhunderte, die ich ohne ihn verbracht habe!
 

„Ja, das habe ich ernst gemeint. Ich weiß, ich kenne dich gut genug. Du fragst dich, warum ausgerechnet ich mich entschuldige, obwohl du mich betrogen hast, belogen und jetzt Vater dieses wundervollen kleinen Wesens bist!“ Ich will etwas entgegnen, doch sein Blick bringt mich zum Schweigen. Er trägt sie wieder, diese alten Kleider. Der ausgewetzte Strickpullover, die Hose, an deren rechtem Bein immer noch der Dolch befestigt ist. Er hatte sie längst abgelegt, zu einem anderen Leben gezählt und verbannt. Mittlerweile trug er eher Stoffe, von denen eine Elle eine gesamte Familie hätte ernähren können.

„Und ja, sie ist wundervoll! Sie ist einfach perfekt! Merk dir das, Harry Potter! Sonst muss ich es dir in deinen verdammten Schädel hämmern! Sei froh drüber, dass du eine so wundervolle, so über alles geliebte Tochter hast! Sie wird mehr geliebt, als du glaubst.“
 

Müde sehe ich ihn an und verziehe kurz das Gesicht. „Klar, ich habe ihr nicht einmal einen Namen gegeben und ihre Mutter schiebt sie ab. Sie wird über alles geliebt!“ Bei meinen eigenen Worten wird mir schlecht. Die Galle steigt mir auf, das ist meine Tochter und ich spreche so über sie? Wie kann ich nur? Mir gegenüber abwertend schweift mein Blick zu ihr, nicht einmal einen Namen hat sie. Hermine nennt sie Angle.

Erstaunt blicke ich auf, als seine Hände die meinen fester greifen, noch immer bestimmt sehen mich diese grauen Augen an und er lächelt erneut. „Sie lebt und sie ist jetzt hier bei dir, allein das zeugt schon von der großen Liebe ihrer Mutter für sie.“ Bei diesen Worten steigt ein komisches Gefühl in mir auf. Instinktiv drehen sich meine Gedanken um den Anfang seines Satzes. ~Sie lebt…~

Anscheinend bin ich für ihn wieder einmal so durchschaubar wie ein aufgeschlagenes Buch. Mit einem ernsten Lächeln schließt er kurz die Augen und setzt dann mit ruhiger, wenn auch leicht angespannter Stimme fort. „Es war nicht sonderlich schwer Sophia zu finden. Du hast mir alles gesagt, was ich wissen musste. Es gibt nicht sehr viele reinblütige, rothaarige Irinnen die sich an besagtem Datum verlobt haben und jetzt nach ca. 9 Monaten unerwartet spontan ihre Heirat ankündigen.“
 

Leicht muss mir der Mund offen gestanden haben, denn ich bemerke, wie ich selbigen wieder schließe. Ob ich eher erstaunt oder entsetzt sein soll, weiß ich nicht so recht. Immerhin habe ich beinahe jeden Gedanken an diese Frau in den letzten Monaten verdrängt. Vielleicht zu Unrecht, aber ich wollte mich nicht schuldig fühlen. Wahrscheinlich bin ich deswegen nie auf die Idee gekommen diese Frau ausfindig zu machen. Was hätten wir auch voneinander gewollt?

„Soll ich weiter sprechen?“ Fragt er plötzlich und unentschlossen nicke ich schweigend. Doch bevor er auch nur ein Wort aussprechen kann, platz doch ein Gedanke aus mir heraus und ich höre meine eigene Stimme. „Du warst also bei ihr?“

Die feinen Augenbrauen ziehen sich in die Höhe und nach einem prüfenden Blick meint er ruhig zu mir. „Ja, ich dachte, dass ich direkt mit ihr spreche. Aus deinem Gestotter war ja nicht all zu viel zu verstehen und da ich von dir deine Variante früher oder später zu hören bekäme, wollte ich ihre kennen lernen. Ich verstehe zwar noch immer deine Schwäche für Rothaarige im Allgemeinen nicht, dafür aber sehr gut deine im Speziellen für sie!“
 

Für einen Moment blicke ich ihn an und überlege, ob ich auf diese Aussage noch eingehen sollte und bei dem ernsten Blick und dem offenen Lächeln wird mir bewusst, dass Draco seine Worte genau so meinte. Noch immer ist das alles zu viel für mich, ich versuche weiterhin zu begreifen, dass dieser Mann wirklich anwesend ist.

Meine Unfähigkeit begreifend nimmt Draco das Wort wieder auf und erzählt weiter. „Ich habe sie aufgesucht und ein sehr interessantes Gespräch mit ihr geführt, welches mich mit Blaise Ratschlägen oder sagen wir eher Tritten zu einem simplen Schluss führte. Aber fangen wir an einem anderen Punkt an. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich dir eines nichts erklärt habe und zwar die Anwesenheit deiner Tochter hier. Nur nebenher, ich finde Blaise Gedanken sehr passend, er meinte, dass sie deine Augen und die roten Haare ihrer Großmutter hat. Also wäre vielleicht Lily Potter ein passender Name für sie.“

Kurz blinzle ich und versuchte die Einfachheit dieser Offenkundigkeit zu verstehen. Ja, sie hat zwar auch die roten Haare ihrer Mutter, die ebenso grünen Augen wie wir beide, aber auch meine eigene Mutter konnte sich von ihrer Haarfarbe nicht freisprechen. Lily Potter. Warum nicht? Erstaunt blicke ich zu dem kleinen Wesen hinüber, welches sich nun müde schmatzend bewegt, die kleinen Beinchen ein, zwei Mal leicht streckt, die kleinen Finger ballt und dann blitzt kurz das Grün ihrer Augen auf. Doch mehr kommt nicht. Sie verfällt gleich wieder in diesen ruhigen, tiefen Schlaf. Ja, Lily Potter!
 

„Darum ging es mir jedoch nicht! Sophia ist eine reinblütige Hexe und so wie ich hat auch sie nicht die Wahl, wen sie später heiraten wird. Als Zauberer kann man sich zwischen zwei oder drei Hexen eine aussuchen, aber von der großen, wahren Liebe ist dabei keine Spur. Sie wurde von ihrem Vater so erzogen eine anständige und unterwürfige Ehefrau zu werden und es gibt dabei ein paar Dinge, die sie dafür zu erfüllen hat. Es ist beinahe wie im Mittelalter, als wären wir noch in der Zeit von Burgen und Rittern. Leider glauben viele, dass auch die Jungfräulichkeit der Braut zu diesen notwendigen Eigenschaften gehört. Das ist absoluter Schwachsinn und heute kaum noch einzuhalten. Normalerweise wird nur so getan, um die Fassade aufrecht zu erhalten, aber manchmal gibt es Ausnahmen. Ein Kind zum Beispiel ist der unwiderlegbare Beweis, dass sie nicht mehr jungfräulich ist. Normalerweise wird so etwas immer auf die gleiche Weise gehandhabt. Zuerst wird versucht, das ungeborene Kind abzutreiben, dass ist am einfachsten. Wenn das nicht funktioniert, wird das Kind kurz nach der Geburt…“ Unerwartet schweigt er und ich kann seinem Gesicht ansehen, dass er nicht genau weiß, wie er es ausdrücken soll.

„Sie bringen die Kinder um.“ Sage ich schlicht und spüre einen Kloß in meinem Hals wachsen. Das wäre also das Schicksal der Kleinen gewesen. Das wäre also… Lilys Schicksal gewesen. Vorsichtig probiere ich diesen Namen aus und trotz einem Hauch Freude spüre ich dieses böse Gefühl in meiner Brust, dieses Drücken, dieser bittere Geschmack auf meiner Zunge. „Ja, genau, sie bringen die Kinder um. Meistens versuchen die Mütter die Säuglinge an ihre vertraute Dienerin, die Hebamme oder sonst eine gute Freundin abzugeben, damit diese die Kinder in Sicherheit bringen kann. Da das Kind aber immer ein Zeichen dieser damaligen Tat sein wird, versuchen die Eltern ihrerseits die Kinder zu finden und… ihr Schicksal nachzuholen.“
 

Plötzlich lässt er meine Hände los und erhebt sich leicht, nur um dann neben mir an der Wand Platz zu nehmen. Mit einem Seufzen spricht er weiter. „Sophia hat ihrem Vater versprochen die Heirat einzugehen und ihre Tochter nie wieder zu sehen, wenn das Kind nur leben darf. Darum hat sie es zu dir bringen lassen. Wenn der große Harry Potter eine Tochter hat, wird niemand so einfach auf die Idee kommen und dem Kind etwas zu leide tun. Und einen Namen gab sie ihr nur nicht, weil sie nicht das Recht dazu zu haben glaubte. Sie wird das Kind nicht aufziehen, es nie in den Arm nehmen und ihm niemals sagen können, wie sehr sie die Kleine liebt. Sie wollte es dir überlassen, immerhin bist du ihr Vater.“

Nur langsam dämmert die Bedeutung dieser Sätze in meinen Verstand und ich begreife, was genau aus der Frau geworden war, von der ich mich damals an der Hoteltür verabschiedet hatte. Schon dort war mir der Gedanken nachgezogen, dass sie all dem, was sie mir in dieser Nacht gezeigt hatte, nie wieder treu sein würde. Es war wie ein Traum für sie, den sie nur in diesen wenigen Stunden leben durfte.

Dabei erschließt sich meinem Bewusstsein noch eine Aussage, die zu dem bitteren Geschmack auf meiner Zunge und dem Kloß in meinem Hals einen unangenehmen Druck in meiner Brust hinzufügt. Sie wird niemals Kontakt zu ihrer Tochter haben? Mein Entsetzen scheint offensichtlich zu sein, denn als ich seinen Blick finde, greift er nach meiner Hand. „Sie liebt ihre Tochter wirklich oder?“
 


 

Eine ganze Weile saßen die beiden schweigend nebeneinander und Harry versuchte noch immer all das zu verstehen. Draco hatte ihm erzählt, dass er bei Blaise untergekommen war und dieser auf die gleiche charmante Weise ihm den Kopf wieder grade rückte, wie der Slytherin es damals bei Harry getan hatte. Daraufhin kam das Gespräch zustande, in dem Sophia dem blonden Zauberer ein Versprechen abgerungen hatte. Sie wollte hin und wieder „über den Zustand gewisser Personen“ unterrichtet werden, ohne dass ihr Vater oder ihr zukünftiger Mann davon erfahren konnten. Auch auf Dracos Einlenken, dass es ja nicht seine Entscheidung wäre, bekam er nur zu hören: „Du bist sein Liebhaber. Wenn du ihn nicht von der Richtigkeit dieses Unterfangens überzeugen kannst, machst du etwas falsch!“

Zum ersten Mal hatte Draco ihn lächeln sehen und Harry bat um eine spätere Entscheidung. Er hatte dafür nun wirklich keinen Kopf. Müde rieb er sich über die Augen und seufzte. „Und wie geht es nun mit uns beiden weiter?“ Rang sich der Auror plötzlich zu einer weiteren Aufnahme des Gespräches durch und blickte zur Seite, um das blasse Gesicht zu mustern.

Erst nach dem Verstreichen einiger Atemzüge schien der Angesprochene für eine Antwort bereit. „Ich habe beinahe jedes Versprechen gebrochen, dass ich dir mit dem Ring gab. Auch kann ich nur hoffen, dass du bereit wärest, mir meine Dummheit zu verzeihen…“ Eine kurze Pause trat ein und die grünen Augen waren neugierig und doch auch angespannt auf ihn gerichtet. „Ich weiß mittlerweile, dass ich mir stets eine gewisse Hintertür offen gelassen habe. Mir war es nie bewusst, aber im schlimmsten Fall kämest du immer allein zurecht. Aber diese Hintertür gibt es nicht mehr, wenn du mich wirklich wieder haben willst, dann gibt es kein Zurück. Jetzt geht es nicht nur um dich, jetzt liegt die Verantwortung mit über einem kleinen Kind, einem süßen Mädchen, das nicht einfach mal so alleine bleiben kann. Egal wann, niemals wird der Zeitpunkt kommen, an dem ein „vielleicht“ genügend sein wird.“

Wieder schwieg er kurz und fügte nun hinzu. „Wenn ich mich für dich entscheide, dann auch für sie!“ Meinte Draco plötzlich mit bedeutender Stimme.
 

„Lily!“ Unterbrach ihn Harry sanft mit einem Ausdruck zufriedener Zärtlichkeit. „Lily Sophia Potter.“ Allein der Klang dieses Namens ließ sein Herz höher schlagen und ein warmes Gefühl inniger Liebe breitete sich in seiner Brust aus. Vielleicht war es dieses kleine Stück, dieses Puzzleteil, das er gebraucht hatte, um sich der Bedeutung dieser Situation bewusst zu werden. Er war Vater! Er trug die Verantwortung für dieses kleine Wesen, für seine Tochter! Sie brauchte ihn! Sie war seine Tochter „Lily Sophia Potter!“ wiederholte nun der Kräuterkundige und Harry hörte die Zuneigung, die aus tiefstem Herzen kam deutlich in der Stimme.

„Also, wenn du bereit bist, mich noch einmal zu nehmen, dann verspreche ich dir dich zu lieben, zu ehren und dafür zu sorgen, dass wir nur noch die guten und keine schlechten Zeiten überstehen müssen. Von ersten Zähnen, beschmierten Wänden und Schulbriefen, so wie ersten männlichen Freunden im Jugendalter abgesehen!“ Obwohl er den Ernst der Situation verstand, musste er doch bei diesem Anhang kurz lachen. „Allerdings garantiere ich nicht, dass ich diese eine, wunderschöne Frau an deiner Seite nicht vielleicht ein wenig mehr liebe als dich!“
 

Er wollte es, er wollte wirklich ernst bleiben! Er gab sich so viel Mühe, verdrängte all die Gedanken an diesen Kommentar, doch dann geschah es. Bevor er es verhindern konnte, öffneten sich seine vollen Lippen und er gab mit einer von Protest getränkten Stimme von sich. „Was? Du wirfst mir vor, dass ich fremdgehe und dann liebst du eine andere Frau mehr als mich?“

Offenbar hatte Draco ihm den Schalk schon angesehen, denn er hob theatralisch die Hände, faltete sie über der Brust und meinte dann dramatisch. „Es tut mir so unendlich leid, aber ich kann ihrem Cham einfach nicht wiederstehen! Sie ist zu bezaubernd, zu berauschend… das muss Magie sein!“ Nun konnte sich Harry nicht mehr zügeln und ein Prusten entkam seinen zusammengepressten Lippen, welches schnell zu einem Lachen anschwoll und dann bemerkte er, dass auch Draco dieser Schwäche zum Opfer gefallen war.

„Ok,… ok… wir müssen unbedingt lernen ernster über… über solche Sachen zu sprechen!“ Gab der Auror nach Luft ringend von sich und der Blonde schüttelte nur den Kopf. „Bei Merlin nein! Gerade das hat doch die letzten neun Monate so herrlich gemacht!“ Entgegnete er nun und spürte selbst, wie ihn eine unendliche Erleichterung packte, um die Last von seinen Schultern zu fegen. „Ich bin jetzt Vater, ich muss ernster sein!“ Protestierte Harry noch und beugte sich zu dem Blonden vor.
 

Seine Antwort war ein inniger, verlockender Kuss, auf den Draco freudig einging. Die schlanken Hände griffen nach Harrys Hüften, zogen ihn näher an sich und nur einen Moment später lag der Blonde auf dem Boden, den Auror fest an sich drückend. „Das erkenne ich als ein „Ja, ich will!“ an!“ Meinte er noch breit grinsend, das Glück in jeder Faser spürend. „Ja, ich…“ Weiter kam Harry nicht, denn jetzt reichte es jemand anderem.

Müde, hungrig und mit der Grundsituation nicht einverstanden begann Lily Sophia Potter ihre Unzufriedenheit in aller Deutlichkeit in den Raum zu schreien und brüllte, als hätte man ihr ein Leid getan. Erschrocken starrten die beiden sich an, eine gewisse Resignation trat ein und Harry brummte. „In guten wie in schlechten Zeiten!“ Nur damit dann auch noch die Türklingel neue Gäste ankündigte.

Mühselig rappelten sich beide auf und Draco meinte frech provozierend. „Sind turbulente oder chaotische Zeiten schlecht oder gut?“ Während er sich noch den Staub von der dunklen Hose klopfte, der Pullover war eh zum Waschen verdonnert, kniete sich der schwarzhaarige Auror über die geflochtene Wiege. „Kommt auf das Ergebnis an oder?“ Neckte er zurück.
 

Während er noch immer leicht den Kopf schüttelte, machte sich Draco auf den Weg zu Tür um diese zu öffnen. Harry hingegen unterhielt sich mit seiner kleinen Tochter, die er vorsichtig auf den Arm nahm. „Was möchtest du von mir? Hast du Hunger? Müde kannst du ja nicht sein oder? Ah, wie kann Hermine solch ein Gebrüll eigentlich unterscheiden?“

Mit einem breiten Grinsen griff der Blonde nach dem Türgriff und tippte stark auf Hunger. Die Kleine hatte lang geschlafen und in dem Alter wollten sie noch alle Stunde etwas essen. Doch bevor er diesem Gedanken nachhängen konnte, starrte er in ein gut gefärbtes, mit Sommersprossen übersätes Gesicht mit roten Haaren. Blaue Augen funkelten ihn an und beiden entkam beinahe gleichzeitig „Was machst du denn hier?“

Erstaunt sah sich der Kräuterkundige um und erkannte die Überflut an unerwarteten Gästen. Hinter Ronald blitzen die roten Haare seiner großen Brüder Fred und George auf, Blaise breites Grinsen war zu erkennen und neben den Zwillingen ragte die Gestalt von Remus in die Höhe. Neville verdeckte Tonks, die in quakendem Ton von sich gab, ob das wirklich dieses verwöhnte Muttersöhnchen wäre und Luna blinzelte erstaunt, während Hermine einen herablassenden Ausdruck hatte.
 

„Also, was machst du hier?“ Drängelte der Rotschopf gleich fordernd und nur schwer löste Draco den Blick von den ganzen Eimern, Pinseln, der Leiter und den sonstigen Utensilien, die alle bei sich trugen. „Was?“ Entkam ihm und Blaise frohlockte weiter hinten leise. „Oh, ich weiß es sehr genau!“ Auch Hermines Ausdruck wurde noch etwas überheblicher und sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Komm, sei ein Mann und sag es Ron! Wir wissen es doch alle eh schon!“

Luna stieß einen erschrockenen Schrei aus, als Tonks sie an den Schultern packte und aufgebracht fauchte. „Was bitte?“ Auch Remus wirkte erstaunt, wobei die Zwillinge fies grinsten. „Ja, Draco, sag es ihnen!“ Jauchzten sie beide mit einem wahrhaft teuflischen Blick und der Blonde wurde innerlich immer kleiner. Klasse, was wollten die denn alle hier?

Die Meute rückte einen Schritt vor und Draco einen zurück. Er schluckte und starrte in das sommersprossige Gesicht des Mannes, den er am wenigsten von allen mochte. „Ich… ich habe mich nur bei ihm entschuldigt.“ Brummte er schlussendlich und bemerkte, wie die blauen Augen rund vor Erstaunen wurden. „Du hast dich entschuldigt? Wofür?“ Platzte es aus Ron heraus, der von dieser Unterhaltung überfahren wirkte. „Ähm…“ Setzte der Blonde an und ballte die freie Hand leicht, um sich selbst zu fassen.

„Weil er es versaut hat, Ron!“ Kommentierten die Zwillinge im Chor von hinten und verdrehten die Augen. „Er ist der Böse, nicht Harry! Nur weil alle Welt glaubt, dass Harry Potter der Betrüger, der Fremdgänger ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er auch Schuld ist, nicht wahr, Malfoy?“ Setzten sie nun einen drauf und Hermine bemerkte das Weinen aus dem Haus.
 

„Wie?“ Fragte Ron nun und drehte sich verwirrt zu seinen Brüdern um. Blaise stellte die Leiter ab und meinte überschwänglich provokant. „Um Fremdzugehen musst du in einer Beziehung sein, Ron! Unser Herzchen da hat Harry aber raus geschmissen und ihm gesagt, dass er ihn „nie wieder sehen will“. Also, alles, was in dieser Nacht passiert ist, befindet sich in einer moralfreien Zone!“

Ron klappte der Unterkiefer herunter und dann drehte er sich langsam wieder um. Sein Blick veränderte sich und als die Lippen erneut geschlossen wurden, war sein Erstaunen einer gewissen Wut gewichen. „Und alle Welt hält Harry für den Fremdgänger, obwohl du WAS GETAN HAST?“
 

Alleine kam er aus der Situation nicht wieder heraus und schon gar nicht unbeschadet. Es war Harry oder besser gesagt Lily, die ihn rettete. Auch Hermine unterstützte dies, denn sie gab klar an, dass man Draco dafür auch noch später zerfleischen konnte! Immerhin waren sie aus einem anderen Grund hier und sicher wartete noch genügend Arbeit auf sie. Außerdem wollte sie Harry zur Hilfe eilen, der leicht überfordert mit seiner weinenden Tochter wirkte.

Wie sich herausstellte hatte die Meute geahnt, dass Harry keinen Handschlag weiter gekommen war und nachdem Blaise ein ordentliches Essen aufgetischt hatte, immerhin war er wie immer bestens vorbereitet, machten sie sich ans Tapezieren, Schränke aufhängen und zumindest die Küche wieder einräumen. Natürlich durfte sich Draco einiges anhören und trotz der vehementen Verteidigung Harrys bekam er sein Fett weg.

Mit all den helfenden Händen dauerten die Arbeiten nicht lange und bald stand die Küche komplett. Mit etwas Magie war die Fabre sofort trocken und wenigstens ein Raum des Hauses war fertig. Am Abend ließ sich die einstige Ruine von innen sehen. Alle Wände waren mit Tapeten und Farbe versehen, was an Möbeln vorhanden war, stand schon an der richtigen Stelle und auf dem Kamin im Wohnzimmer hatte Hermine lauter kleine Photos von ihnen verteilt. Auch eines von Lily war dabei und Harry fragte sich, wann sie das gemacht hatte.
 

Selbstverständlich saßen sie noch eine Weile zusammen, tranken Blaise heiße Schokolade, wobei sich Tonks und Remus schon verabschiedet hatten. Sie feierten mit gegrillten Marshmallows, die sie im Kamin erhitzten, den Namen des kleinen Familienzuwachses. Auch ihr Zimmer war von Luna und Hermine im oberen Stockwerk schon liebevoll eingerichtet und die Decke war mit Sternen verziert.

Müde warf Harry seine Freunde aus dem Haus, dieser Tag und die letzten hatten ihn viel Kraft gekostet und die Erleichterung, dass nun so viel erledigt war, ließ die Erschöpfung noch gewaltiger werden. Er wusste noch immer nicht, wie die beiden Frauen die Möbel organisiert hatten, die nun in Lilys Zimmer standen. Mit einem Lächeln schloss er die Tür, er hörte Draco die Treppe hinauf kommen. Verdammt, sie hatten über die heutige Nacht noch immer nicht gesprochen, fuhr dem Schwarzhaarigen durch den Kopf.

„Schläft sie?“ Fragte Draco und mit einem ertappten Lächeln nickte Harry. „Ja, doch, sie schläft wieder. Sie scheint die Spieluhr zu mögen, die Luna ihr geschenkt hat.“ Unschlüssig kaute er auf der Unterlippe herum und wusste, dass Draco seine Unruhe bemerkt hatte. „Also, ich bin jetzt wirklich müde und diese Nacht wird garantiert oft unterbrochen, was hältst du davon, wenn wir auch endlich schlafen gehen?“
 

Nun war der Moment gekommen, der dem Auror einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er hatte mit Absicht verschwiegen, ja, auf Nachfrage sogar geflunkert, dass sein Schlafzimmer schon fertig wäre. Es war ihm unglaublich peinlich, dass er eigentlich nichts weiter als einen Stuhl und eine Matratze dort hatte und das ausgerechnet Draco zu erklären…

Er schluckte auffällig und wären sie nicht so erschöpft, hätte der Blonde seinen Freund sicher länger zappeln lassen. „Denkst du wirklich, dass wir es nicht herausgefunden haben?“ Mit einem Lächeln beobachtete er die erstaunte Verwirrung, die zu einer peinlichen Verlegenheit wurde. „Mach die Tür auf und lass mich bitte, bitte endlich schlafen. Ich habe schon Tagelang nicht mehr vernünftig geschlafen!“ Bettelte nun ernsthaft der Blonde und Harry klappte der Unterkiefer herunter. „Ähm…“ Kam nur noch von ihm, bei einem erneuten „Bitte!“ nickte er und drehte sich um. Die wenigen Schritte hinüber zum Schlafzimmer überbrückte er mit einem schwirrenden Kopf, ebenso wie mit zitternder Hand und mit einem klopfendem Herzen griff er nach dem Türknauf.
 

Kerzenlicht erhellte den Raum sanft und zum wiederholtesten Male war der 28 Jährige heute sprachlos. Er starrte in das in grünen, sanften Farben gehaltene Zimmer mit dem großen Bett und den erstaunlich unauffälligen rotengoldenen Vorhängen. Ein großer Schrank verdeckte teils die Bordüre, die sich oben an der Wand entlang zog. Es war das Bild eines Löwen und einer Schlange.

„Wow!“ Das war das einzige, zu dem er fähig war und blinzelte dann die aufsteigenden Gefühle fort, die ihn in seiner Erschöpfung packten. Sanft griffen die schlanken Arme nach ihm und zogen ihn stützend an sich. „Ich weiß, dass willst du jetzt nicht hören, aber bitte lass uns jetzt einfach nur schnell duschen und dann ab ins Bett ja?“ Er hatte die Augen schon leicht geschlossen und den Kopf auf die rechte Schulter seines Freundes gelegt.

„Oh…“ Kam von Harry und erstaunt schien er zu überlegen. „Duschen?“ Fragte er verwirrt und mit einem Brummen kam von dem Blonden. „Ja, du hast weiße Haare und auf der linken Seite rote Sprenkel, genauso wie braune und ein paar gelbe.“ Müde, aber unglaublich erleichtert nickte der Auror. Wenn er so viel Farbe trug, dann sollten sie duschen gehen.
 

Nur das Nötigste an Wasser und Seife hatten sie gesehen und müde schmiegten sich die beiden unter der warmen Decke aneinander. Lily hatte noch etwas zu essen gewollt, doch nun, da sie zufrieden war, spürten sie den Schlaf so nahe, dass sie sich kaum zu wehren vermochten. „Danke! Danke dafür, dass du mir all meine dummen Fehler und Ängste vergibst.“ Nuschelte Draco in das Ohr seines Geliebten und mit einem erschöpften Lächeln antwortete dieser nur. „Danke, dass du mich immer noch liebst, obwohl ich ständig so dumme Fehler begehe.“ Ein mattes Lachen entkam ihnen und der Kräuterkundige fügte noch an. „Gerne, du musst dir auch wegen des Schlafzimmers keine Gedanken machen. Hermine und ich konnten nicht glauben, dass dein Zimmer vor dem deiner Tochter fertig sein sollte und als wir die „Einrichtung“ fanden, ist mir rausgerutscht, dass ich es hier immer noch gemütlicher finde, als meine Nacht im Schweinestall. Ich habe mich damals vor Rudolphus dort versteckt und glaub mir, sie hat es Ron erzählt.“ Mehr musste er nicht sagen, Harry grinste leise vor sich hin. Wenn Ron diese Geschichte kannte, dann würde er das sicher an alle anderen weiter erzählen. Wahrscheinlich würde von seiner „spärlichen Einrichtung“ niemand etwas erfahren.
 

Die Baba Jaga hatte immer Recht. Sie wusste, dass Draco nur eine Verantwortung finden musste, die über all seinen Ängsten lag. Lily Potter war eine solche. Doch Harry hatte sie nur von den schwarzen Tagen erzählt, die kommen würden. Tage, die nun hinter ihnen lagen und sich in ein herzliches Chaos zwischen Kinderlachen und zu kurzen Nächten verwandelt hatten.

Endlich waren sie fort, all die alten Dämonen!

Lass dich aufnehmen!

26. Kapitel

Lass dich aufnehmen!
 

„Sie sind verzweifelt!“ War der einfache und klare Kommentar und die grauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er konnte immer noch nicht glauben, was er eben gehört hatte. „Nein!“ Kam als ebenso klare Antwort zurück und die alten, von Falten umringten Augen der Hexe ihm gegenüber verengten sich ebenso wie die seinen. „Ich habe Katastrophen erlebt, die mich nicht verzweifeln ließen! Ich habe den Untergang der Monarchie miterlebt und zwei Mal den Aufstieg des dunklen Lords. All dies brachte mich nicht einmal ansatzweise zu der Regung eines verzweifelten Gefühls!“ Das „Aber“ war so deutlich in ihrer Stimme zu hören, dass Draco die Beine übereinander schlug und die Arme vor der Brust verschränkte. Er saß auf einem alten, wahrscheinlich geschichtsträchtigen Stuhl, der seine besten Zeiten lange hinter sich hatte. Dennoch war er neu aufgepolstert und der Stoff getauscht worden.

„Ich bin zu tiefst verzweifelt!“ Das war unerwartet! Das war so unerwartet, dass die angespannten Muskeln in seinem Gesicht einen erstaunten Ausdruck formten, während sich die kleine Frau hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch erhob. „Oh ja, sie müssen zu tiefst verzweifelt sein!“ Unterbrach der Kräuterkundige ihren offenkundig beginnenden Vortrag. Er löste die Verschränkung seiner Arme und packte beinahe wütend nach den Armlehnen neben sich.

„Ich werde noch einmal kurz zusammen fassen, um was sie mich bitten!“ Knurrte er leicht aufgebracht und noch immer innerlich so erschüttert, dass sein Verstand selbst diese Zusammenfassung benötigte. „Sie verlangen von mir, einem nicht verheirateten, fast 30 Jahre alten Mann, der sich in einer Beziehung mit einem anderen befindet, keinen festen Wohnsitz in England besitzt und ebenso keine Vertraglich geregelte Arbeit, einen ihm unbekannten Jungen zu adoptieren, obwohl ich erst vor einem guten halben Jahr die uneheliche Tochter meines Lebensgefährten akzeptieren musste?“
 

„JA!“ Donnerte sie mit so unverwüstlicher Stimme, dass der ehemalige Slytherin beinahe einen Schauer über seinen Rücken laufen spürte. Die kleine Hexe, die sicher mehr Jahrzehnte zählte, als sie jemals verriet, schien wirklich mit allen Wassern gewaschen, von keiner Einschüchterung in Verlegenheit gebracht zu werden. Sie trug eine Brille auf der Nase, die ihre kleinen Augen groß und scharf wirken ließen. Das dunkle Brillengestell hatte eine klare, zu den Seiten spitz zulaufende Form und war mit einer Perlenkette sicher um ihren Hals befestigt. Die grauen Haare trug sie zu einem ordentlichen, ja, regelrecht penibel gebundenen Knoten und ihr Kleid war von cremefarbenen Tönen bestimmt und mit Spitze besetzt. Sie hätte sicher auch problemlos vor zweihundert oder dreihundert Jahren umherlaufen können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Die Perlenohringe hatten die gleiche Farbe wie die Kette der Brille.

„Hören Sie, Mr. Malfoy!“ Begann sie nun versöhnlicher und entspannte sich leicht wieder. „Ich sehe ein, dass sie in keiner Weise ein geeigneter Kandidat für diese Aufgabe sind. Gäbe es einen passenderen, wäre ich die erste, die jenen um diesen Gefallen bitten würde. Aber es gibt keinen anderen. Es gibt um ehrlich zu sein nicht einmal einen schlechteren. Es gibt nur noch Sie!“ Ihre Stimme hatte diesen einfühlsamen, aber bedeuteten Ton, mit dem man jedes Kind überzeugen konnte.

„Es geht nicht einfach um einen unbekannten Jungen. Er ist starrsinnig, willensstark und sehr zielgerichtet. Seine Talente setzt er schonungslos ein und die Blutsverwandtschaft kann einfach nicht geleugnet werden. Dennoch wird genau dieses gerade jetzt getan!“ Müde schloss sie die Augen, faltete die Hände vor ihrem Bauch und schwieg einen kurzen Moment. „Seine leiblichen Eltern leugnen, dass er jemals ihr Sohn gewesen wäre und fordern einen Beweis. Die kanadischen Behörden werden sich hüten gegen die malfoysche Linie anzutreten und auf meine Anfrage wird in einigen Wochen, vielleicht Monaten ein Schreiben folgen, welches keine genaue Klärung der Situation anbieten kann. Passende Unterlagen wird es nicht geben, entweder legen sie mir einen Grund vor, einen Einbruch vor Jahren, eine Wetterkatastrophe, geplatzte Wasserrohre im Winter… oder sie werden einfach behaupten, dass keine Unterlagen vorhanden sind und nicht bestimmt werden kann, ob es sie jemals gab.“
 

Schweigend hörte Draco zu. Er wusste, wie solche Dinge gehandhabt wurden. Er entstammte dieser Familie und wie die Behörden, besonders die regionalen, in solchen Fällen handelten, musste ihm nicht erklärt werden. „Natürlich wären ihre Eltern die nächsten Verwandten.“ Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und meinte mit abschätziger Stimme. „Formell habe ich sie darüber in Kenntnis gesetzt, aber wer schon den eigenen Sohn verstößt, nimmt kein anderes verstoßenes Kind bei sich auf.“ Mehr musste sie nicht sagen, auch wenn sich Draco wunderte, warum seine Mutter ihn nicht darüber informiert hatte. Sie musste es doch wissen oder?

„Sehen Sie, Mr. Malfoy, ich habe hier einen 13 Jahre alten Jungen, der talentiert und wissbegierig ist, der offensichtlich die Willensstärke besitzt allein im Alter von 12 Jahren aus seiner Familie auszubrechen und sich auf den weiten Weg von Kanada bis nach England macht, nur um vorher noch einmal Europa zu durchqueren. Dabei ist er ein Jahr lang von keiner Behörde bemerkt worden, obwohl er noch immer die Spur auf sich trägt. Wir haben solch eine Kombination schon einmal ignoriert und ich weiß, dass in diesem Kind mehr Gefühle, mehr Sehnsüchte und mehr Liebe stecken, als er verraten möchte. Was aber aus ihm wird, wenn er nichts weiter als das verstoßene Kind bleibt, kann ich nicht sagen!“

„Übertreiben sie jetzt nicht ein klein wenig?“ Wagte der Kräuterkundige anzumerken und die herablassende Kälte in ihren Auen ließ ihn seine eigenen Augenbrauen fragend in die Höhe ziehen. „Sie wissen, wie sich solch ein Verrat anfühlt. Sie sind der Außenseiter, der gegen alle Regeln verstoßen hat und doch seinen Platz in dieser Welt fand. Es gibt keine formelle Bedingung, die Sie erfüllen. Jede mir auferlegte Regel verbietet ein solches Angebot, aber wenn jemand auf dieser Welt diesen Jungen verstehen kann, dann sind Sie das!“
 

Nun spielte sie aber hoch auf. Mit einem Seufzen blickte Draco zur Seite. Er war zu einem elenden Schwächling geworden! Ja! Natürlich würde er diesen Knirps verstehen! Er war das Übel, das schwarze Schaf in der Familie, der schwule Sohn, der in aller Öffentlichkeit seiner Liebe frönte! Dass er nun gerade das zweite Gewitter an Schandpropaganda überstanden hatte, spielte dabei wohl keine Rolle! Es war ja schon hart sein eigenes Gesicht unter der Überschirift „Der Untergang des Adels“ zu finden oder mit Artikeln über ein Verbot von homosexuellen Mitarbeitern im Ministerium konfrontiert zu werden. Dann aber noch die Wochenlangen Diskussionen über eventuelle Mütter und seine angeblich gekränkten Gefühle wegen eines Betruges lesen zu dürfen, hatte ihn wirklich mehr Geduld gekostet, als er besaß. Hätte Harry ihn nicht aufgehalten, wäre er mehr als einmal dieser Rita Kimmkorn beinahe an die Kehle gegangen!

Was würde dort jetzt stehen? Kleinfamilie bekommt Zuwachs? Was wird nur aus Lily Potter, als einzige Frau im Hause? Wenn dieses elende Miststück noch einmal seine Gefühlswelt im Tagespropheten ausdiskutieren würde, brächte er sie um! Er würde sie vergiften, grausam und schmerzhaft! Er würde ihr mit größter Freude all die lieben Aufwartungen machen, die er von Bellatrix gelernt hatte!

„Sehen Sie sich den Jungen wenigstens einmal an! Dann können Sie mich immer noch belügen und behaupten, dass Sie ihm niemals helfen könnten!“ Gekonnt hob sich die rechte Augenbraue von Draco und er sah sie vorwurfsvoll zweifelnd an. Er hatte sie längst durschaut und sie ihn. Aber er konnte das nicht! Was dachte sie sich? Was sollte er diesem Knirps denn sagen? ~Hallo, ich bin Draco Malfoy und muss dich adoptieren, weil ich der einzige in unserer beschissenen Familie bin, der sich wenigstens ein wenig um deine Existenz schert!~
 

Kurz schlossen sich die grauen Augen und mit einem missmutigen Gefühl atmete er konzentriert ein. Er sollte das alles mit Harry besprechen! Er konnte doch nicht hingehen und diesen Jungen adop... Nein, was er nicht konnte war jetzt einfach zu gehen und diesen Jungen allein zurücklassen. Wahrscheinlich war auch nur dieser verschrobenen Hexe zu verdanken, dass der Kleine sich nicht mit seinem Gesicht über einem Artikel von Rita wiedergefunden hatte. Er war trotz allem Kräuterkuniger, obwohl er diese Seite in der Öffentlichkeit verbarg und besonders für sein Wissen in den dunklen Künsten, der schwarzen Magie geschätzt wurde. Sein weiches, mitfühlendes Herz jedoch schlug nun aufgebracht wild und sorgenvoll. Den Tag würde er nie vergessen, an dem er seinem Vater die Wahrheit über seine Sexualität und seine Liebe gestand. Lucius hatte zuerst nichts von alle dem glauben wollen, verfiel dann in ein herzloses Toben und als ihm bewusst wurde, dass sein eigener Sohn von diesem Weg nicht abrücken würde, drehte er sich um und ging.

Im Nachhinein ein Verhalten, das Draco mehrfach ebenfalls genutzt hatte; zuletzt bei Lilys Ankunft. Dennoch spürte er noch heute diesen Schmerz tief in seiner Seele schwelen, wenn er an seinen Vater dachte. Bis heute hatte Lucius kein Wort mehr mit ihm gesprochen und war meistens aus dem Haus, wenn sein Sohn angekündigt war. Nur selten trafen sie sich, dann war in den kalten Augen kein väterliches Gefühl zu erkennen. Trotz aller Einwände und Argumente konnte Narzissa ihren Mann nicht umstimmen.
 

Wie also sollte er den Kleinen nicht verstehen? Wie sollte er nicht seine Sorgen und Ängste kennen? Mit diesen Gedanken beschäftigt löste er die Überkreuzung seiner Beine und platzierte die glänzenden, schwarzen Schuhe elegant neben einander. Wenn er sich den Jungen „nur“ ansah, einen flüchtigen Blick auf ihn warf, würde sein Herz zerspringen, wenn er danach einfach ginge.

Er war so weich geworden! Wenn er an seine Schulzeit dachte… wenn er sich an all die Grausamkeiten erinnerte… und nun war er zu einem verweichlichten Kräuterkundigen geworden, der sich von einer alten Frau manipulieren ließ.

Trotz all dem aufgebrachten Widerwillen konnte er nicht diese bange Sorge in ihm verdrängen. Er musste diesen Jungen sehen und erfahren, wie es ihm ging. Seine eigene Mutter stand gleich dem Trotz ihres Mannes hinter Draco, gleich aller Fehler liebte ihn Harry fortbestehend, war es also nicht an der Zeit, diese Liebe weiter zu geben? Und wenn nur als Halt und Stütze für einen Familienlosen? War es nicht sogar eine Art Pflicht, ihm nun zu helfen? War es nicht sogar ein Privileg?
 

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Seine Gefühle waren wechsellaunig, sie gaben sich einem seltsamen Tanz aus Unlust, gepaart mit einer gewissen Frustration und einer sorgenvollen Sanftmut hin. Wie lange er hier schon stand, wie lange er hier schon in der Tür lehnte, konnte er nicht bestimmen. Der Regen draußen stürzte rauschend vom Himmel und vor dem alten Strebenfenster auf der breiten Fensterbank saß der 13 Jährige. Draco hielt seinen Mantel fest, er hatte ihn über den linken Arm geworfen, nun waren sie mit dem Stoff zusammen vor seiner Brust verschränkt. Dass der Junge ihn gesehen hatte, stand außer Zweifel. Kaum war er an das Zimmer getreten, die Tür war nicht offen, als ein kleines Mädchen mit einem schmutzig grauen Blond in den zwei geflochtenen Zöpfen den Gang entlang stürmte und vor ihm die Klinke der Tür herunterdrückte. Sie war vielleicht vier Jahre alt und unter ihrem Knielangen, leicht ausgefransten roten Kleid mit weißen Blümchen schaute eine Strickstrumpfhose hervor. Sie hatte geweint, ihre Wangen glühten und noch immer waren Tränen in den großen Augen, die nicht über ihr Gesicht rollen wollten. In der freien Hand hielt sie eine kleine Puppe, der offenbar der Kopf fehlte. Diesen hielt sie ebenfalls fest an sich gedrückt und schluchzend rannte sie in das Zimmer.

Es war schlicht, dennoch auf gewisse Weise luxuriös. Es besaß nur zwei Betten und dahinter je einen kleinen Schreibtisch mit Stuhl. Alles war aus Holz gefertigt, über den Betten hing noch ein Regal für die eigenen, wichtigen Dinge und an der Wand je neben dem Fenster standen zwei kleine Schränke, in denen die Bewohner dieses Zimmers ihre Kleider ordnen konnten. Es gab wenig Persönliches in diesem Raum, beide Betten waren ordentlich gemacht und mit einer grauen Tagesdecke bezogen. Auf dem einen saß ein großer, alter Bär, der nur noch ein Auge besaß, dass andere hatte man mit einem Knopf ersetzt. An der Wand war ein Poster der englischen Fußballmannschaft aufgehängt und auch auf dem Schreibtisch waren die wenigen Sachen ordentlich drapiert. Dort hing über dem Stuhl noch ein Schal in den englischen Farben.
 

Das andere Bett war leer, es gab nichts weiter zu sehen und auch der Schreibtisch war nur mit einer einfachen, schwarzen Rolle für Stifte und einem zugeschlagenen Block bestückt. Anscheinend hatte der zweite Besitzer keine persönlichen Dinge, die er aus seinem früheren Leben mitgebracht hatte. Als verstoßener Sohn der malfoyschen Familie war klar, welches sein Bett darstellte.

Mit einem Lächeln und einigen tröstenden Worten nahm der Blonde die Puppe entgegen und setzet ihr geschickt den Kopf wieder auf. „Siehst du, Emma, es ist alles wieder in Ordnung. Jetzt geht es Dolly wieder gut.“ Beruhigte er sie und reichte der Kleinen die geliebte Puppe zurück. Erstaunt beobachtete Draco diese Szene und bemerkte auch den Ausdruck, der nur flüchtig über das blasse Gesicht huschte. Kaum war das geliebte Spielzeug wieder gerettet, machte sich die bezopfte Kleine wieder quietschend auf den Rückweg und mit einem sanftmütigen, ja, beinahe brüderlichen Blick sah der 13 Jährige ihr nach. Als sie an Draco vorbeistürmte, wechselte dieser Ausdruck in etwas, dass der ehemalige Slytherin nicht genau beurteilen konnte. Es wirkte wie ein Erkennen, gefolgt von einer gewissen Wut, einer Frustration und dann wendete er sich von dem fremden Mann einfach ab. Der Blick der jungen, grauen Augen floh nach draußen und dort blieb er auch. Seit diesem Moment würdigte er den Eindringling keines Blickes mehr und strafte ihn mit der gekonnten, malfoyschen Ignoranz, die Lucius alle Ehre gemacht hätte.
 

So kamen sie nicht weiter! Seit der Junge wieder aus dem Fenster sah, hatte er sich nicht gerührt. Wenn Draco heute noch nach Hause kommen wollte, musste er die Initiative ergreifen. Mit diesem Gedanken stieß er sich vom Türrahmen ab und betrat den schlicht eingerichteten Raum. Viele Waisenhäuser mussten vier bis sechs Kinder in einem Raum dieser Größe unterbringen, ob der Kleine von seinem Namen profitierte oder die alte Hexe hier grundsätzlich mehr Platz hatte, weigerte er sich zu bestimmen. Er selbst wollte sich nicht vorstellen, wie eine solche Situation sein würde, wenn man von den Eltern getrennt, verstoßen oder diese für immer verloren in einem Zimmer mit 5 anderen landete, deren Geschichten nicht minder herzerweichend waren.

„Dieses Fenster muss die beste Aussicht bieten, die ich je gesehen habe!“ Das kaum merkliche Zucken, welches durch den jungen Körper fuhr, machte die Anspannung des Kindes deutlich. Er hatte nicht mit einer Reaktion des Blonden gerechnet und nun kam dieser näher, sprach ihn an. „Ist auf jeden Fall deutlich besser als der gesamte Rest des Zimmers!“ Die Betonung, die Art, wie der 13 Jährige diese Worte aussprach machte deutlich, dass er etwas Bestimmtes in diesem Raum meinte, um genau zu sein: Draco!

Doch dieser war nicht in der Stimmung für einfühlsames Geplänkel, selbst bei einer möglichst neutralen Betrachtung hatte ihn dieser Bengel sicher 10 bis 20 Minuten ignoriert. Gefühlt war diese Spanne so unendlich lang, dass jeder Geduldsfaden zerreißen musste. Eine gewisse Verstimmung legte sich über die bestehende Sorge. „Dann macht es dir also nichts aus, dir dieses Fenster noch die nächsten 5 Jahre anzusehen?“ Mit diesen Worten warf er seinen teuren, maßgeschneiderten Mantel mit samt Seidenschal über den noch freien Teil der Fensterbank und lehnte sich nun gegen die Wand, um ebenfalls hinaus zu sehen.
 

Draußen lag der Innenhof umgeben von alten Wirtschaftsgebäuden, die damals zum Waschen und zur Tierzucht genutzt wurden. Heute war nur noch im hinteren Teil des Grundstückes ein kleiner Hühnerstall zu sehen, der an den typischen Leitern und der Umzäunung seinen Nutzen preis gab. „Immerhin wird außer mir niemand hier her kommen und sich von dir 20 Minuten ignorieren lassen, nur um dir doch noch eine Chance zu geben! Bis zu deiner Volljährigkeit ist es eine lange Zeit um dieses Fenster und seinen Ausblick zu genießen.“

Draußen tobten drei Jungen zwischen 15 und 17 Jahren im Regen, sie spielten Fußball und trugen außer ihren Hosen nichts mehr am Leib. Von Schlamm waren sie über und über bedeckt, dass man weder die Haarfarbe bestimmen konnte, noch die Gesichter genau erkennen. Anscheinend hatten sie ihren Spaß dort draußen, lachten, fluchten und nutzten auf der einen Seite ihres Spielfeldes die Pfosten der Wäscheleine als Tor und auf der anderen hatten sie zwei Eimer aufgestellt, die sie als Begrenzung verwendeten. Schweigend musterte der 13 jährige Blondschopf die Spieler draußen und ließ wieder eine gewisse Zeit verstreichen. „Wie hat sie dich hier her bekommen?“

Eine seltsame Frage, die Draco nur kurz zu dem noch immer abgewandten Gesicht blicken ließ. „Sie meinte, dass es wichtig wäre und ich heute um 15 Uhr hier sein müsste. Dann erzählte sie mir von dir und meinte, dass es meine Angelegenheit wäre, weil du sonst Tom Riddel als zweiten Dunklen Lord vertreten würdest!“
 

Eine richtige Antwort kam nicht, die grauen Augen starrten ihn nun an und die feinen Lippen standen ein wenig offen, das Erstaunen paarte sich mit einem gewissen Entsetzen. „Jetzt übertreibt sie aber!“ Kommentierte er plötzlich erbost und zog die akkuraten Augenbrauen zusammen. Draco war erstaunt, denn nicht nur die grauen Augen und die blonden Haare ließen den Eindruck einer familiären Ähnlichkeit entstehen, auch die Gesichtszüge waren markant erkennbar malfoyisch! Der Kleine hätte ohne Schwierigkeiten sein jüngerer Bruder sein können.

„Ich weiß, du bist weggelaufen, nicht verstoßen worden. Also wäre dein Hass auf Muggelgeborene nicht ersichtlich. Du müsstest das Spiel schon umdrehen und die Weltherrschaft anstreben, indem du den Adel ausrottest!“ Gab Draco von sich und blickte mit einem spöttischen Lächeln wieder aus dem Fenster. Einer der Jungen hatte den Ball freigespielt und rannte nun gefolgt von den beiden anderen auf die Wäscheleinen zu.

„Klar, als geborener Malfoy die Schlammblüter unterstützen und den Adel stürzen. Von dem Wahnsinn mal abgesehen, wäre das nicht mega verrückt, weil ich reinblütig bin?“ Fragte er nun in diesem typisch angefressenen, hochnäsigen Ton, den man förmlich in die Wiege gelegt bekam, wenn man in diese Familie geboren wurde. „Toms Vater war ein Muggel, darum hat er sie so gehasst.“ Schlug Draco vor und die grauen Kinderaugen fanden wieder zu ihm zurück. In dem leicht ovalen, wenn auch fein geschnittenen Gesicht stand die pure Skepsis gepaart mit überheblichen Spott. „Verarschen kann ich mich alleine!“
 

Offenbar hatte er sich auf seinem Weg nach England einige Manieren abgewöhnt und dabei auch eine angemessene Ausdrucksweise verloren. Nun war es an dem 28 Jährigen auf diese typische Weise die Augenbraue in die Höhe zu ziehen und mit verschränkten Armen vor der Brust den Jungen vor sich zu mustern. Doch er sagte nichts, nachdem er eine ausreichende Zeit das Unbehagen in dem Jüngeren in die Höhe getrieben hatte, blickte er wieder aus dem Fenster und sah zu den Jungen hinaus. Es sollte Frühling werden, doch noch waren die Bäume kahl und die dunklen Wolken, aus denen sich ein wilder Regen ergoss, ließen eher einen Herbsttag erscheinen. Der Winter, der sich über die Jahre 2008 und 2009 gezogen hatte, war nicht sonderlich schwer gewesen, hatte nur hin und wieder Schnee verteilt und einige Wochen mit nasser Kälte gespielt. In London gab es einige Rutschpartien, die zum Schmunzeln einluden. Doch so feucht und grau der Winter in diesem Jahresumbruch auch war, so unwillig schien er den Frühling kommen zu lassen.

Draco schnalzte mit der Zunge und stieß sich dann von der Wand ab. „Na, dann habe ich wohl keinen Grund mehr zu bleiben.“ Gab er lapidar von sich und griff nach dem Mantel, den er über die Fensterbank geworfen hatte. Die schlanken Finger legten sich geschmeidig um den weichen Stoff und als er sich aufrichtete, huschte sein Blick hinüber zu dem 13 Jährigen. Draco konnte es sehen; für einen unglaublich kurzen Moment stand das pure Entsetzen in den grauen Augen. Davon ließ er sich nicht weiter beirren und den Mantel über den Arm werfend drehte er sich um.

„Warum hast du ihm vergeben?“ Die kindliche Stimme zitterte und Draco wusste, dass er nun den Punkt erreicht hatte, an dem der Kleine am Empfindlichsten war. Nun wurde sein kleines Herz von Angst und Panik ergriffen, einer schieren Verzweiflung, die alles tun würde, um ihn ja nicht gehen zu lassen.
 

„Wen?“ Fragte er ohne zurückzublicken.
 

„Potter.“ Kam die noch immer wacklige Antwort.
 

„Was soll ich ihm denn vergeben?“ Forderte nun der ehemalige Slytherin ein und wartete.
 

Doch es kam nichts weiter. Schweigen erfüllte den Raum und trotz der langen Zeit, die Draco ihm gab, konnte sich der Kleine zu keinem weiteren Wort durchringen. Wieder setzte sich Draco in Bewegung und hatte schon die Mitte der Betten erreicht, als er die Antwort bekam.
 

„Den Betrug.“ Es platze beinahe aus dem 13 Jährigen heraus, als wäre er wie eine Feder gespannt, die nun endlich nachgeben konnte. Dennoch fing er sich gleich wieder und mit nun deutlich zitternder Stimme flüsterte er beinahe. „Er… er hat dich immerhin betrogen… oder?“
 

Nun war es der Kräuterkundige der eine Weile schwieg. Langsam drehte er sich um, blickte zurück auf den Jungen, dessen Brust sich flach und hektisch hob und senkte, dessen graue Augen von wilder, blanker Panik gezeichnet waren und dessen Gefühle ihn innerlich zu zerreißen schienen. Nun war sie gebrochen, diese kalte, distanzierte Fassade, hinter der sich all die Emotionen verbargen, all die Ängste und Sorgen, all die Zweifel und Fragen, die er tief in seinem Herzen verschlossen hatte.

„Hat er das?“ Fragte nun Draco und kam langsam wieder zurück, er hielt den Blick des Kleinen gefangen, ließ ihn nicht weichen und als er direkt vor ihm stand, beugte er sich leicht zu ihm herunter. Voller Anstrengung war jeder Muskel gespannt und dann hielt der 13 Jährige die Luft an. Einige der blonden Strähnen fielen in die Stirn, doch er regte sich nicht. „Gerade du solltest doch wissen, dass nichts so ist, wie es scheint. Du bist zu intelligent, um so eine dumme Frage zu stellen.“

Ein Schlucken. Nun ergriff den schlanken Körper ein unkontrolliertes, wenn auch nur sehr leichtes Beben, wieder schluckte der Kleine, unfähig zu einer bewussten Reaktion. Noch immer starrte er ihn an, die Kinderaugen so groß und rund als wären sie Münzen.
 

„Wir haben uns an diesem Abend gestritten und ich warf ihn aus meinem Haus. Er solle nie wieder kommen und ich wolle ihn nie wieder sehen, dass waren meine Worte an ihn, bevor ich die Tür vor ihm zuknallte. Sag mir, was wiegt schwerer? Dass ich ihn an diesem Abend verstoßen habe oder dass er sich daraufhin betrank und dem Charme einer Frau nicht widerstehen konnte?“ Die schmalen Lippen öffneten sich, der Kleine versuchte etwas zu sagen, doch ohne einen Ton von sich zu geben, schloss er den Mund wieder. Ohne Gnade wurde der Blick seiner Augen weiterhin von Draco gefangen gehalten.

„Soll ich wirklich glauben, dass es Zufall war, dass du hier her gekommen bist?“ Nun fuhr der blonde Junge in sich zusammen, zog den Kopf zwischen die Schultern und wirkte ertappt. Das Beben, welches eben nur leicht zu erkennen war, weitete sich zu einem Zittern aus, dass den gesamten Körper ergriff. Verlegen senkte er den Blick, starrte auf seine Hände, die sich krampfhaft in den Stoff seiner schwarzen Hose klammerten.

„Du bist zu intelligent, um einfach so davon zu laufen. Dein Ziel war immer schon England, weil hier der einzige, weitere Teil der Familie Malfoy lebt. Dass meine Eltern keinerlei Interesse an dir hegen, ist uns doch beiden klar!“ Wieder ein Schlucken, das abgewandte Gesicht verzog sich, verzweifelt biss er sich auf die Unterlippe.
 

„Du wirst keinen weiteren Tag mehr in der Schule fehlen und alles, was du an Lernstoff verpasst hast, wirst du aufholen.“ Noch immer völlig angespannt nickte er, konnte nicht aufsehen, unfähig zu sprechen. Alles in ihm drehte sich, sein Magen schlug Kapriolen und bitter stieß die Gallflüssigkeit in seinen Rachen auf. „Dein Benehmen wird tadellos sein und deine verlorenen Manieren wirst du wiederfinden.“ Die bleichen Wangen wirkten nun noch heller, noch blasser und der Junge schien immer weiter in sich zusammenzusinken. Er versuchte sich an einem Nicken, noch immer nicht verstehend, auf was dieses Gespräch eigentlich hinauslaufen würde.

„Ich werde dir nie ein Vater sein und ich habe auch nicht vor ihn dir Ansatzweise zu ersetzen. Aber du kannst mit allem zu mir kommen. Du kannst mich jederzeit um Rat und Hilfe bitten und ich werde mein Bestes geben, um auf dich aufzupassen.“ Ein Blinzeln folgte, ein Moment, in dem alles in dem Jungen inne hielt. Er schien nicht zu begreifen, nicht zu verstehen und dann hob sich das Gesicht wieder zu Draco auf. Er starrte ihn an, die von Tränen gefüllten Augen waren wieder große und rund. Die schmalen Lippen standen offen, doch noch immer klangen die Worte in ihm wider.

„Dir ist schon bewusst, auf was du dich da einlässt oder Scorpius?“ Fragte der ehemalige Slytherin nun und schmunzelte bei dem Anblick. „Godric's Hollow ist wirklich sterbenslangweilig und die Nachbarin ist das personifizierte Grauen. Sie glaubt immer noch, dass wir irgendwann wegen unseres Lebensstils im Fegefeuer landen.“ Jetzt endlich fiel auch bei ihm der Groschen und die Erkenntnis trat mit solch einer Wucht ein, dass nun keine Fassade mehr hielt. Tränen rannen hemmungslos über die Wangen, welche sich in wenigen Herzschlägen dunkel färbten.
 

Bevor Draco noch etwas tun konnte, war der 13 Jährige aufgesprungen und fiel ihm um den Hals. Er schluchzte, als brach nun die Last der letzten Monate in gewaltigen Felsbrocken von seiner Seele. Sein gesamter Körper zitterte und zurückhaltend legte Draco seine Hände auf den schlanken Rücken. Klasse, er war so ein Weichei geworden! War doch klar, dass er den Kleinen nicht hier lassen konnte. Und was erzählte er nun Zuhause? ~Hey Harry, wir sind Quitt?~
 

oooOOOooo
 

Leise schloss er die Tür auf und betrat den Flur. Die Treppe führte von hier direkt nach oben in das erste Stockwerk, in dem sich auch das alte Kinderzimmer befand. Nach so vielen Jahren diente es wieder diesem Zweck, nur beherbergte es nun ein kleines Mädchen und keinen Jungen. Schweigend lauschte er, doch alles schien still. So schloss er die Haustür lautlos hinter sich, trat an die Garderobe heran, an dessen Harken sein Schal und der Mantel einen Platz fanden. Kurz ließ er seinen Blick über den edlen, schwarzen Stoff gleiten, der ihn vor der noch immer bestehenden Kälte draußen schützte. Hier in Godric's Hollow regnete es nicht und mit einem tiefen Einatmen wendete er sich dem Gang zu, hinüber zum Wohnzimmer. Er vermutete Harry dort, immerhin hing sein Schlüssel noch immer an dem lächerlichen Brett, welches der schwarzhaarige Auror von seinem besten Freund bekommen hatte. Es war ein schlichtes Stück mit vier silbernen Haken, über denen der einfältige Spruch hing: Wenn ich hier bin und du draußen, sollte die Tür offen stehen.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrat er das große Wohnzimmer, welches einen Durchbruch zur Küche besaß. Noch immer leise warf er einen Blick hinein, doch niemand war zu sehen. Ob Lily oben schlief und Harry im Arbeitszimmer war? Von hier aus konnte er das meiste der Küche einsehen, es reichte um die Vermutung zu hegen, dass der Auror sich dort nicht befand. Gerade wollte er sich umdrehen, denn draußen im Garten war ebenso niemand, die langen Vorhänge waren wie immer offen und gaben den Blick unbeschränkt durch die großen Glastüren hinaus frei, als ihn ein Geräusch inne halten ließ.
 

Was war das? Verwundert verengte er die Augen und lauschte in den Raum hinein. War das ein Brabbeln? Ja, oder? Es klang wie eine kleine Stimme, die leise vor sich hin schmatzte. Ein richtiges Brabbeln konnte man nicht sagen. Neugierig überbrückte er lautlos den Weg zum Sofa und lehnte sich leicht mit beiden Händen auf die große Lehne. Ok, er hatte sie beide gefunden!

Mit einem warmen Schmunzeln betrachtete er die zwei Schlafenden noch einen Moment, bevor er sich umdrehte und auf den Weg in die Küche machte. Harry lag auf der Seite der Lehne zugewandt und neben ihm auf dem zum Glück breiten Sofa schlief das kleine, süße Ding namens Lily Sophia Potter. Sie hatte mit ihren 6 Monaten rotbraune Haare, die sich als kurze, wilde Mähne über ihren Kopf zogen. Die Züge waren noch immer rundlich und sie sah Harry sehr ähnlich. Manchmal musste er an die Worte der Baba Jaga denken, die ihm immer gerne Dinge erzählt hatte, die er gar nicht wissen wollte. So sollten Kinder angeblich die ersten Wochen, ja, teils sogar Monate dem Vater sehr ähnlich sehen, damit er das Kind als das seine anerkennt. Vorsorge der Natur nannte sie es. Ob das wirklich stimmte, bezweifelte Draco etwas.

Kurz hielt er inne, überlegte, doch der Kerl schlief. Mit einem breiten Grinsen knöpfte er die Ärmel seines weißen Hemdes auf und krempelte diese vorsichtig hoch. Harry war so altmodisch und erledigte am liebsten alles selbst und mit eigenen Händen. Zumindest letzteres konnte Draco nicht ausschlagen, auch wenn es nicht das war, was der Auror meinte. Grinsend konzentrierte er sich und hob die rechte Hand. Die Tätowierung an seinem Arm begann zu leuchten und die Schranktür über der Spüle öffnete sich. Zwei Becher schwebten auf einen einfachen Wink des Blonden heraus und ein Topf erhob sich aus der Schublade unter dem Herd.
 

Er war um so vieles besser geworden, doch leider kam er viel zu selten dazu diese Fähigkeiten zu nutzen. Sie beide machten ein Geheimnis daraus, wer wusste schon, was das Ministerium dazu sagen würde. Ein Zauberer, der ohne Zauberstarb zaubern konnte… lieber nicht!

Auch die Situationen, in denen er voller Begeisterung dieses Können nutzen wollte, wurden regelmäßig von der einzigen Dame hier im Haus vernichtet, zerstört, ja, regelrecht zerschmettert! Es machte ihm einfach unbeschreiblich viel Spaß Harry seiner Kleider zu entledigen, ohne dass dieser etwas dagegen tun konnte. Wehleidig warf Draco einen Blick zu dem massiven Eichentisch, der hier in der Küche stand und nur mit einer Schüssel Äpfel bestückt war. Er bot so viel Platz… so viele Möglichkeiten… und Lily hatte sie alle ruiniert!

Ein Geheimnis teilte er sich jedoch mit der kleinen Maus, für das der Auror ihn garantiert umbringen würde. Lily liebte es, wenn sie Zentimeter für Zentimeter höher schwebte und quietschte stets vergnügt, wenn sie auf der gleichen Höhe mit dem Baldachin ihrer Wiege war. Schweben war für sie das ein und alles, eben so, wie gerade die Becher aus dem Schrank geflogen waren. Harry war nur etwas empfindsam, wenn es um das Wohl seiner Tochter ging und obgleich sie eine begnadete Gleiterin war, mit Dracos Hilfe versteht sich, stürbe er sicher an einem Herzinfarkt, wenn er das je erfahren würde. Seine Lily, schwebend über der Wiege? Ohne Zauber? Also, nicht ohne Zauber, nur eben nicht auf traditionelle Weise!
 

Es dauerte nicht lange und ein Tee verbreitete seinen lieblichen Duft im Raum, der jedoch von einer anderen, schwereren Note übertüncht wurde. Mit einem zweiten Becher, welcher mit heißer Schokolade gefüllt war, machte sich Draco auf den Weg zurück ins Wohnzimmer. Der große Raum hatte zum Garten hin eine Fensterfront, vor der sich eine Terrasse befand. Der Kamin befand sich an der Außenwand des Hauses und auf der linken Seite des Zimmers, wenn man aus dem Flur hinein trat. Auf der rechten ging es hinüber in die ebenso große Küche. Der Boden war mit einem hellen Teppich belegt und die Wände zierten Photos und Bücherregale. Für letztere war Draco verantwortlich. Über dem Kamin hing ein großes Bild, welches in der Küche im „One“ entstanden war. Es war eher ein Schnappschuss, der in der ersten Reihe Harry, Ron und Lily zeigte. Beide zuckten zusammen, denn die kleine Maus stimmte gerade ein gewaltiges Geschrei an, ihr Gesicht war jedoch nicht zu sehen, da sie an der Schulter ihres Vaters lag. Hermine beugte sich von hinten grinsend zu ihnen, sie hatte einen Kochlöffel in der Hand und ihre Haare waren nach oben gesteckt, damit sie eine Kochmütze tragen konnte. Ihre Schürze war grün rot kariert.

Blaise lachte, er stand im Hintergrund und versuchte gerade einen großen Teller mit Schokolade vor Neville zu verteidigen, sie balgten sich im hinteren Teil der Küche. Luna unterhielt sich mit der großen Ratte, die ein rosa Herz auf der Seite trug und mittlerweile in der Küche des One heimisch war. Das sonst weiße Tier, welches schon einige Berühmtheit erlangt hatte, saß auf einer der Arbeitsflächen, hatte sich auf die Hinterbeine gestellt und wackelte mit den Ohren. Lunas Schürzte war hellblau mit Rüschen bestückt.

Nur einer schien in dem ganzen Chaos unbeeindruckt zu sein. Draco saß im Hintergrund links im Bild auf einem Stuhl, hielt einen Becher Tee in der Hand und hatte die Augen geschlossen. Mit beinahe göttlicher Ruhe ignorierte er den Lärm um sich herum und genoss die köstliche Freude seines chinesischen Neujahrestees, den er erst vor kurzem ergattert hatte.
 

Das Bild war durch einen Freund von Blaise entstanden, der es auf nicht magische Weise entwickelt hatte. Er war der Meinung, dass dieser herrliche Augenblick für die Nachwelt festgehalten werden musste und auf keinen Fall „davon laufen durfte“!

Mit einem Lächeln warf Draco noch einen flüchtigen Blick danach, bevor er die beiden Becher auf den niedrigen Wohnzimmertisch stellte. Es war ein robuster, schlichter Holztisch, dem die Eleganz fehlte, so dachte zumindest der ehemalige Slytherin über ihn. Allerdings erfüllte er seinen Zweck, hatte schon den Kerzenbrant an Weihnachten und einige verschüttete Becher überlebt. Dabei trotzte er sowohl kalten Getränken, wie heißen bis kochenden Flüssigkeiten.

Außer den Bildern gab es keine Dekorationen, keine Tischdeckchen oder kleine Figürchen in den Regalen. Alles war schlicht „männlich“ eingerichtet worden und auch der Schrank neben der Küche und das lange Sideboard auf der anderen Seite waren ebenso robust wie der Tisch. Auf dem langen Schrank befanden sich eine Keksdose, eine Ablage für all den Kram, der dort nicht liegen sollte, von dem keiner wusste, wo er eigentlich hingehörte oder der darauf wartete, dass man sich dazu entschied ihn zu entsorgen oder zu verwenden. Und… sonst nichts weiter. Es war eben eine praktisch eingerichtete Männerwohnung.

Allein das Baby Bett am Fenster und die große Kiste mit Spielsachen war verwunderlich, doch bei einem kleinen Kind zu erwarten. Mit ihren 6 Monaten saß Lily schon alleine und versuchte immer wieder zu krabbeln, doch noch ließ sie sich dabei stets über ihr eines Bein fallen und kam dann nicht weiter. Sie saß darauf und wusste nicht, wie sie es unter sich hervor ziehen sollte. Was sie jedoch haben wollte, machte sie deutlich. In ihren kleinen Fingern war viel Kraft und wenn sie etwas in ihrem Griff hatte, gab sie es erst wieder her, wenn sie keine Lust mehr hatte.
 

Der ehemalige Slytherin hatte vergessen, warum er Harry wecken wollte, der Anblick der beiden war einfach zu herrlich, zu herzerwärmend. Der Kräuterkundige war in die Knie gegangen, beugte sich über seinen Freund und sanft platzierte er einen Kuss auf dem Ohr des Schwarzhaarigen. Ein Brummen war die Antwort und Harry zog die Nase kraus. „Hier wartet eine heiße Schokolade auf dich!“ Flüsterte er nun, das friedliche Gesicht beobachtend. Wieder regte sich der Auror, verzog die Muskeln so, dass Stirn und Nase krause Falten besaßen. „Was?“ Murmelte er noch immer müde und frech küsste Draco seine Wange.

„Heiße Schokolade! Nur für dich!“ Flüsterte er nun mit diesem anrüchig verheißenden Ton und ein Lächeln schlich sich auf die vollen Lippen des Aurors. „Mhmmm…“ Gab er nun von sich und schlug die Augen auf. Dabei drehte er sich leicht nach hinten, wollte sich Draco zuwenden und erst zu spät bemerkte er die Kante, auf der er lag.

Mit einem unterdrückten Schrei rutschte sein Hintern vom Sofa herunter, die Füße folgten, der Oberkörper nicht, denn dieser stieß gegen Draco, der vor dem Möbelstück kniete. „Huch, ich wusste doch, dass du auf mich fliegst!“ Lachte der Blonde und schlang die Arme sanft um seinen Freund, der ihn entsetzt und verlegen anblickte. Eine leichte Röte schlich sich auf seine sonnengebräunten Wangen und vorsichtig versuchte er sein Gewicht so zu verlagern, dass er aufstehen konnte.
 

Da Lily noch immer schlief, schlichen die beiden in die Küche. Eine unüberwindbare Barriere aus Kissen verhinderte, dass die Kleine sich selbstständig machen konnte. Harrys Haare standen nun noch wilder ab, er trug ein schwarzes Longsleeve, an dessen linker Schulter helle Flecken zu sehen waren. Draco ahnte schon, dass Lily ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgegangen war: Papa an sabbern!

„Meine Güte, ist wirklich schon wieder Montag?“ Brummte der Auror, der gewisse zeitliche Schwierigkeiten hatte. Es war anstrengend vormittags Auror zu sein und nachmittags Vater. Davon abgesehen, dass man nie so richtig sagen konnte, dass man um 17 Uhr Feierabend hatte. Müde rieb sich der Schwarzhaarige den Nacken mit der freien Hand, in der linken hielt er den Becher. „Wie spät ist es eigentlich?“ Fragte er, nachdem er sich auf einen der Stühle gesetzt hatte, die Augen kurz geschlossen. „Fast 18 Uhr.“ Antwortete ihm Draco, der sich schlagartig daran erinnerte, warum er seinen Lebensgefährten geweckt hatte.

„Wir müssen reden!“ Begann er leise und die grünen Augen wanderten sofort zu ihm hinüber. Der blonde Zauberer saß seinem Freund gegenüber am Tisch. „Was hast du angestellt?“ War die erste Reaktion und mit einem misstrauischen Blick musterte er den Becher Schokolade. „Hätt ich mir ja denken können, mit sanften Küssen und heißer Schokolade geweckt zu werden war einfach zu traumhaft!“ Brummte er und die grauen Augen blickten ihn verzeihend an.

„Ich habe nichts getan, was du nicht auch tun würdest. Wir sind… ähm… sozusagen Quitt?“ Versuchte er es und Harry stellte den Becher auf den Tisch um die Arme vor der Brust zu verschränken. Er lehnte sich zurück und leckte sich noch einmal über die Lippen. „Das hießt?“

Unsicher wanderte der Blick der grauen Augen in den Teebecher und noch einmal musste er ein und aus atmen. „Na ja, das ist nicht so einfach zu erklären. Ähm… sagen wir mal so, ich gebe dieser verfluchten Schlampe wieder einen Grund mein privates Leben durch den Tagespropheten zu jagen.“
 

Erstaunt weiteten sich die grünen Augen und Harry räusperte sich. „Ok, fangen wir anders an, wo warst du heute?“
 

„In einem Waisenhaus drüben in Wytham. Das ist in der Nähe von Oxford, ein sehr kleines Dorf.“
 

„Und du warst da, weil?“
 

„Jemand aus der Familie Malfoy obdachlos geworden ist?“
 

„Da gibt es doch nur noch deine Eltern!“
 

„Nein, nicht ganz. Der Bruder meines Urururgroßvaters ist nach Kanada ausgewandert und daher gibt es in Kanada einen blühenden und gedeihenden Zweig der Familie Malfoy.“
 

„Ich entsinne mich, du erzähltest mal von einer Art Onkel, der dir die Schauermärchen über die Baba Jaga erzählte.“
 

„Ja, und der hat einen Enkel… oder jetzt offiziell nicht mehr.“
 

„Das heißt?“
 

Draco räusperte sich und nahm noch einen Schluck Tee. „Du kennst meinen Vater?“
 

„Ja!“
 

„Sein Vater ist genauso!“
 

„Und?“
 

„Darum ist sein Sohn weggelaufen. Er war nicht malfoyisch genug für die Familie. Jetzt leugnet der Vater, das er einen Sohn hat.“
 

„Was?“ Harry konnte nicht glauben, was er da hörte. Er wäre beinahe aufgesprungen und starrte nun seinen Freund mit großen Augen an.
 

„Der Junge ist in England vom Ministerium gefunden worden und die Behörden haben sich an die Familie gewandt, die wiederum antwortete, dass sie doch beweisen sollen, dass es ihr Sohn ist!“
 

Sprachlos starrte Harry ihn weiterhin an.
 

„Na ja, die kanadischen Behörden werden den Teufel tun und es sich mit den Malfoys dort verderben. Trotzt deiner partiell auftretenden Begriffsstutzigkeit kannst du dir ja denken, wie das ausgeht.“
 

Schweigend nickte der Angesprochene und wirkte noch immer bestürzt.
 

„Über meine Eltern müssen wir ja nicht sprechen oder?“ Kurz wartete Draco noch eine Reaktion ab und sprach dann weiter. „Also habe ich getan, was du auch getan hättest!“
 

Mit einem Seufzen griff Harry nach dem Becher und nahm einen kräftigen Schluck. „Du hast natürlich entschieden, dass du ohne mit mir darüber zu sprechen keine Entscheidung treffen kannst und du ruhig und bedacht diese Situation angehen willst.“
 

„Auf jeden Fall!“
 

„Und dann hast du ihm gegenüber gestanden und deinen tollen Plan über Bord geworfen, weil du dich von seinem Anblick hast erweichen lassen?“
 

„Ohne Zweifel richtig!“
 

„Und jetzt bist du sein Vormund? Sein… was auch immer?“
 

„Vormund! Es müssen allerdings noch ein paar Unterlagen unterzeichnet werden. Etwas dauert es noch.“
 

Mit einem weiteren Seufzen blickte Harry seinen Freund lange an. Er sagte nichts, nahm dann einen Schluck Schokolade, die langsam kühler wurde, und schüttelte den Kopf. „Also hast du genau das gemacht, was ich machen würde.“
 

„Ja, ich weiß. Aber du darfst das! Ich bin ein Malfoy! Ein ehemaliger Slytherin! Wobei ehemalig es am besten trifft, jetzt lasse ich mich von der Tatsache manipulieren und erweichen, dass er sonst niemanden auf der Welt hat.“ Der Auror lachte, als er Draco so niedergeschlagen sah und schüttelte den Kopf ein weiteres Mal.

„Ach was, du hast Gefühle, Draco Malfoy! Mitgefühl nennt man so etwas! Du Kräuterkundiger!“
 

„Ah, sag doch so etwas nicht! Das ist ja… eklig! Also ist das doch ansteckend!“
 

Nein, sie hatten es noch immer nicht geschafft. Über ernste Themen konnten sie einfach nicht ernst sprechen, auch wenn sie sich wirklich Mühe gaben. „Du Heiler, du!“ Warf Harry nun über den Tisch und der Blonde zog die geballten Hände vor die Brust und schien zu zittern. „BAH!“ Kommentierte er mit gespieltem Ekel.
 

Doch wieder trat eine Weile des Schweigens ein und als der Becher des Auroren leer war, stellte er ihn geräuschvoll auf den Tisch. „Ok, ich bin damit einverstanden, aber nur unter einer Bedingung.“ Seine Stimme hatte einen unerwartet festen Klang, so ruhig und gefasst, so ernst. Verwundert blickte ihn der ehemalige Slytherin an und wartete voller Anspannung auf die folgenden Worte.

„Erinnerst du dich noch an unser Gespräch bezüglich der Hintertür, die du dir offen gelassen hast?“ Ein schweigendes Nicken und dann sagte Harry direkt. „Du lässt sie immer noch offen!“

Erstaunt starrte ihn Draco an, offensichtlich verstand er nicht ganz, was sein Freund von ihm wollte. „Irgendwo in einem russischen, verwunschenen Wald ist keine anzumeldende Andresse! Die Cervine-Street 4 in Godric's Hollow hingegen schon!“
 

Nun konnte Draco den Groschen hören, der eben bei ihm fiel. Er verzog das Gesicht und verspürte dieses Gefühl der Schuld in sich aufstoßen, wie diese bittere Gallflüssigkeit. „Also erpresst du mich?“ Fragte er zögerlich nach, nicht direkt sicher, wie er damit umgehen sollte.

„Lass mich nachdenken! Du schläfst hier, du isst hier, du arbeitest hier, du hast beinahe all deine Klamotten hier, deine halbe Bibliothek und alle gehen davon aus, dass das hier deine offizielle Wohnanschrift ist. Deine Post kommt hier her!“ Harry hatte die Arme wieder verschränkt und beobachtete, wie sein Gesprächspartner die Augen verdrehte. „Selbst ohne die Eulen, dass kannst du als „hier wohnen“ bezeichnen und das tust du seit dem 29. Oktober 2008, wir haben jetzt den 30 März 2009!“
 

Sein Erstaunen wurde größer als die Verstimmung. „Lily ist am Samstag den 18.10.2008 geboren worden und du hast am darauffolgend zweiten Mittwoch die allerletzte Kiste ausgepackt!“ Draco öffnete seinen Mund, doch auf diese Aussage fiel ihm einfach nichts ein. Lautlos schloss er seine Lippen wieder und seufzte dann. „Ok, du hast Recht! Ja, ok, ich ädere es!“

Kaum hatte er das ausgesprochen, stand Harry auch schon auf. „Na, dann jetzt aber zu! Beweg dich!“ Er schob den Stuhl wieder an den Tisch und griff nach beiden Bechern, wobei er sich leicht über den Tisch beugen musste. Er zog den zweiten einfach aus den Händen des ehemaligen Slytherin. „Was?“ Völlig irritiert starrte er seinen Freund an, unfähig seinen Rest an Tee zu verteidigen, der kurz darauf im Abguss landete. Draco beobachtete ein noch viel verstörenderes Verhalten seines Angebeteten, er stellte die Becher ungewaschen in die Spüle und drehte sich um. Was bitte war so wichtig, dass Harry, der sonst immer jeden kleinen Scheiß abwaschen musste, die benutzten Becher einfach zurück ließ?

Dieser blieb in der Küchentür stehen. „Das Rathaus hat heute bis 19 Uhr geöffnet und du wirst das noch heute erledigen!“ Für einen Moment war er überwältigt, überwältigt von einer unerwarteten Freude, dass diese kleine Geste Harry wirklich so viel bedeutete, überwältigt aber auch von einer Sorge, dann war es wirklich offiziell!

Na ja, was machte es schon für einen Unterschied oder? Alle glaubten, dass er hier wohnte, er wohnte hier, eigentlich war es nur ein kleiner Vermerk in einer Akte hier in Godric's Hollow, sonst würde sich ja nichts ändern! Mit einem Lächeln erhob sich nun auch endlich Draco und als er aus der Küche trat, hatte Harry seine kleine Tochter schon im Arm. Langsam wurde Lily wach und zufrieden fragte der ehemalige Slytherin. „Ihr kommt also mit?“
 

„Ja, natürlich! Nicht, dass du nachher nur behauptest, dass du es getan hast!“ Warf ihm Harry vor und sah ihn mit einem Funkeln in den Augen an. „Das würde ich niemals tun!“ Entgegnete der Blonde vehement und musste schmunzeln, als der Auror auf so grobschlächtige Weise beide Augenbrauen zu einem zweifelnden Ausdruck in die Höhe zog. „Klar, du hast mich wegen meines Weihnachtsgeschenkes eiskalt angelogen! Ich habe dich zwei Mal danach gefragt und du hast nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als du es leugnetest!“ Protestierte Harry nun und Lily hob ruckartig ihren Kopf, um zu ihrem Vater aufzusehen. Sie war ein rundes, glückliches Baby, dem es weder an Liebe noch an Essen fehlte.

„Ich kann nichts dafür, dass du so leicht zu beschwindeln bist! Es war dein Weihnachtsgeschenk. Ich musste bei meinem unglaublich überrascht tun, obwohl ich es schon Wochen vorher wusste!“ Verteidigte sich nun der Kräuterkundige und erntete dafür einen vielsagenden, vorwurfsvollen Blick. „Ich bin übrigens fertig, ich muss nur noch meinen Mantel anziehen!“ Setzte Draco nun noch drauf und begann seine Hemdsärmel wieder nach unten auszufalten.

Kaum hatte er mit dieser Arbeit begonnen, als er auch schon die Rache für seine frechen Worte bekam. „Dann kannst du sie ja fertig machen!“ Damit hatte er nur einen Moment später dieses niedliche, süße Wesen auf dem Arm, das ihn aus ihren tiefgrünen Augen anstrahlte und ihren Mund zu einem Lachen verzog, welches leicht glucksend ertönte. „Lily, du wirst ein kleiner Pummelengel! Du wirst immer schwerer. Dein Papa sollte dich nicht so lieb haben!“ Neckte er die Kleine, die daraufhin noch breiter lachte.
 

Als Draco die Tür hinter sich schloss, erfüllte ihn ein seltsames Gefühl der inneren Ruhe. Sie vertrauten einander mittlerweile sehr und wenn sie doch nicht ernst miteinander sprachen, dann doch sehr offen. Harry hatte den großen „Korb“ abgestellt, in dem Lily gut eingepackt vor sich hin brabbelte, und wickelte nun den Schal enger um seinen Hals. Schnell rieb der Auror noch die Hände gegeneinander und zog dann die Handschuhe heraus. „Warum ist es auf dieser verdammten Insel Ende März noch so kalt?“ Brummte er leise und griff dann wieder nach dem modernen Babytragekorb, den Hermine ausgesucht hatte.

„Wie geht es deinem Findelkind denn? Und vor allem, wie heißt er? Sie?“ Wendete sich der Auror nun wieder an seinen Freund, ohne eine Antwort auf seine vorherige Aussage zu erwarten. Dieser steckte gerade den Schlüssel in die Manteltasche und hob die rechte Augenbraue auf seine typische Art. „Kommt das nicht etwas spät?“ Entgegnete der Blonde leicht spöttisch und trat von der schlicht gehaltenen Haustür fort, Harry stand schon an der kleinen Gartenpforte. „Was denn? In 25 Minuten schließt das Rathaus. Außerdem hätte ich dich eh nicht umstimmen können. Also vertraue ich dir, dass er anständig ist und ich mir keine Sorgen machen muss. Davon abgesehen hätte ich mehr Angst vor dir als vor mir, wenn Lily etwas passieren würde. Während ich nur schnell und effektiv umbringe, würdest du grausam, langsam und sehr qualvoll zu Tode foltern.“

Mit einem Schmunzeln und einem leicht ertappten Ausdruck in den Zügen antwortete Draco. „Keine Sorge, der würde nicht sterben... nicht in den nächsten Jahren!“ Der Blick, den er nun bekam, sagte mehr als tausend Worte. „Es ist ein Junge, 13 Jahre und unerwartet der Tradition meiner Muttet folgend mit dem Namen Scorpius Malfoy versehen. Um deine Frage nach seinem Wohlbefinden zu beantworten, es geht im sehr bescheiden. Er ist aufgewühlt, verunsichert und hat meiner Meinung nach sehr viel Angst. Allerdings verbirgt er alles so gut wie möglich hinter einer Fassade aus distanzierter Kälte, um so zu tun als würde ihn das alles in keinster Weise berühren.“
 

Langsam gingen die beiden die Straße Richtung Dorfplatz entlang, in Godric's Hollow war das Rathaus ganz in der Nähe der Kirche und da es ein sehr kleines Dorf war, fand sich wirklich alles in diesem Gebäude wieder. Jeder Antrag, ob es nun eine Heirat, eine Scheidung, eine Baugenehmigung oder Vergleichbares war, jede Geburtsurkunde und jeder Totenschein wurde hier ausgestellt. Selbst der winzige Gerichtssaal war dort unter gebracht und der Bürgermeister war der Richter. Genutzt wurde der Raum so gut wie nie, meistens endeten Auseinandersetzungen damit, dass der Bürgermeister genervt und wütend vor Ort auftauchte, ihm der Kragen platze und er voller Wut schimpfte, dass endlich Ruhe einkehren sollte. Der Richter und Bürgermeister war ein großgewachsener, schottisch stämmiger Mann, der mit leicht rötlichen Haaren und Vollbart beängstigend wirkte.

„Das kommt mir sehr bekannt vor, ich kenne da noch so einen Malfoy, der das richtig gut gemacht hat.“ Neckte ihn nun Harry und verwundert blickten die grauen Augen ihn an. Als keine Erkenntnis folgte, fügte der schwarzhaarige Auror noch hinzu. „Du hast bei unserer ersten Begegnung in Russland auch all deine Gefühle hinter einer Fassade versteckt und hast tunlichst dafür gesorgt, dass ich nichts von all dem mitbekomme. Dabei wärest du beinahe drauf gegangen, nur damit ich es nicht weiß! Nichts von deiner Angst, deinen Sorgen, deiner Liebe…“

Er wollte noch etwas sagen, doch da spürte er die Finger, die leicht nach seinen griffen und sanft verschränkte er sie mit denen von Draco. Ein verlegener Schimmer lag auf den noch immer blassen Wangen des 28 Jährigen. „So sind wir eben…“ Murmelte er peinlich berührt und blickte starr den Weg an den Gartenzäunen entlang, während der Himmel sich verdunkelte.
 

„Ich weiß und trotzdem liebe ich dich!“ Erstaunt blieb Draco stehen, als er den Ruck an seinem Arm spürte. Reflexartig blickte er zu Harry, der dafür verantwortlich sein musste und da legten sich die vollen Lippen schon auf die seinen. Der Auror küsste ihn so sanft, so liebevoll, dass sein Herz wild zu pochen begann. Blut schoss in die schon leicht geröteten Wangen und voller Zärtlichkeit legte sich die freie behandschuhte Hand Dracos in den Nacken des Mannes, den er über alles liebte. Er würde nie wieder davon laufen, ganz gleich, was auch immer kam. Ganz gleich, was diese Reporterin auch immer in den kommenden Tagen schreiben würde, er ertrüge es mit stoischer, malfoyscher Gelassenheit und wenn er das nächste Mal ein mordlüsterndes Verlangen spürte, würde er einfach noch einen dieser Küsse rauben. Sie ließen ihn alles vergessen, ihn spüren, dass nichts auf dieser Welt noch zwischen sie treten konnte und mit klopfendem Herzen hörte er das leise Brabbeln von Lily Sophia Potter. Sie war der Grund für all das hier! Sie war der Grund für dieses unbeschreibliche Gefühl, dieses Leben, dieses unendliche Glück. Wie sollte er sie jemals hassen können, wenn sie es doch war, die alle grauenhaften Abgründe mit ihrem zuckersüßen Lachen schloss, wenn sie es doch war, die alle Unterschiede mit ihrem fordernden Schreien auflöste und sie zum Brücken bauen zwang? Wie sollte er sie hassen, wenn sie es doch war, die ihnen beiden zeigte, wie man ohne Vorurteile liebte?

Als sich ihr Kuss wieder löste, konnte Draco den Blick nicht von diesen wunderschönen, tiefgrünen Augen lösen. Wann war er ihm so sehr verfallen? Wann hatte er diesen widerspenstigen Gryffindor so sehr zu lieben begonnen? Trotz all der Jahre, die zwischen ihnen lagen, trotz all der Fehler, die sie begangen hatten, so sehr liebte er ihn! Zu wissen, dass dieser Mann ebenso für ihn empfand, war nicht zu beschreiben. Es gab keine Worte auf dieser Welt, die seine Gefühle ausdrücken konnten.

„Es ist gelogen. Es stimmt nicht.“ Meinte er leise und beugte sich vor, dass die schmalen Lippen dicht an Harrys Ohr wanderten. „Ich habe diese Tür in dem Moment geschlossen, in dem ich die erste Kiste öffnete. Für mich ist es nur gleich… du bist mein Zuhause, du bist meine Heimat. Du bist mein Herz und meine Seele. Wo auch immer du bist, da wird meine Liebe sein!“

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich! Teil 1

27. Kapitel

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich!
 

Die Sonnenstrahlen kitzelten ihn schon lange, daher hatte er sich vor einer Weile auf die andere Seite gedreht und die Decke teils über den Kopf gezogen. Noch war Lily nicht wach, er wollte jede Minute auskosten, die zwischen diesem Gedanken und dem Hereinstürmen dieses kleinen Engels lag. Mit ihren drei ein Halb Jahren fand sie immer einen Weg aus ihrem Bett und seit sie laufen konnte, bekam sie die Tür geöffnet. Offensichtlich hatte Dracos Art zu Zaubern eine sehr negative Folge… Lily schien sie intuitiv zu verstehen. Zumindest vermuteten das die beiden, immerhin bekam die Kleine schon lange jede Tür auf.

Warte, warum hörte er seinen Freund nicht? Es war unglaublich still im Raum und außer seinem Atem nahm er auch nichts weiter wahr. Wie spät war es? Wie von einem Blitzschlag getroffen brannte die Panik in jeder Zelle seines Körpers auf und er riss die Decke zurück. Er lag schon eine ganze Weile hier und döste entspannt vor sich hin. Zu lange, als dass es noch früh am Morgen sein konnte!

Mit diesem Gedanken starrte er auf die Uhr und nun packte ihn die geballte Angst! Es war schon 7:42 Uhr!!! Das war viel zu spät! Lily kam immer zwischen 5 und 6 Uhr morgens in ihr Zimmer und weckte sie unendlich regelmäßig. Sie war also beinahe 2 Stunden überfällig! Tief atmete er ein, versuchte sich zu beruhigen und erinnerte sich an Dracos Fehlen. Sein Blick über die Schulter machte deutlich, dass er nicht hier war. Vielleicht hatte er sich um Lily gekümmert, damit… scheiße! Er war ja gar nicht da! Draco war diese Nacht ja gar nicht hier! Er hatte doch die Nacht in Russland verbracht, weil es dort gerade auffällig vielen Erkrankungen in dem kleinen Dorf bei Jelena gab.
 

Nun war er gänzlich von diesem erschütternden Gefühl ergriffen. Wo war seine Tochter? Mit diesem Gedanken sprang er aus dem Bett, griff nach der Hose, die er gestern ausgezogen hatte. Er hatte sie gerade erst angezogen, als er schon in sein T-Shirt geschlüpft war. Was auch immer geschehen sein musste, er hatte es verschlafen! Zu der ihn erfüllenden Panik kam nun eine gewaltige Portion Schuld, die ihn beinahe zu ersticken versuchte.

Ein Schrei! Die grünen Augen weiteten sich und ruckartig drehte sich Harry dem Fenster zu, welches hinter den roten Vorhängen verborgen lag. Die Sommersonne schien hinter den Stoffen und erhellte den Raum deutlich. Einen Moment lang hörte sein Herz auf zu schlagen und sein Verstand begriff, um welche Stimme es sich handelte.

Gerade noch konnte er seinen Reflexen widerstehen und drehte sich zum Nachttisch um, auf dem sich noch immer seine Brille befand. Mit zusammengekniffenen Augen beugte er sich vor, suchte das gestern nur unachtsam zur Seite gelegte Stück. Kaum hatte er die schwimmenden Umrisse entdeckt, griff er auch schon danach. Er musste sich beeilen! Seine kräftigen Finger umgriffen den Zauberstab und mit noch immer vor Angst klopfendem Herzen rannte er zur Tür.

Ein Lachen? Irritiert hielt er inne, die Türklinke schon umgriffen. „Nicht so laut, Lily!“ Mahnte eine ihm sehr bekannte Stimme, die nicht minder geräuschvoll war. Ein erneutes, quietschendes Lachen war die Antwort und nur bruchstückweise begriff Harry die Bedeutung dieser Worte. Wie in einer Trance gefangen wendete er sich von der Tür ab und bewegte sich starr auf das Fenster zu.
 

Es wirkte beinahe so, als betrachtete er sein eigenes Handeln nur aus der Perspektive des Zuschauers, als träfe er selbst keine eigenen Entscheidungen und mit zitternder Hand legten sich seine Finger um den Stoff des Vorhangs. Langsam, beinahe behäbig zog er an dem Stoff und blinzelte, als das helle Sonnenlicht sein Gesicht traf. Es dauerte, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. In der Zeit ertönte noch einmal die vertraute, junge Stimme im Garten. „Lily, bitte, sei nicht so laut. Du weckst deinen Vater noch auf!“ Nun war eine gewisse Verzweiflung zu hören und die kleine Hexe kicherte nur noch halblaut vor sich hin.

Blinzelnd wurde langsam das Bild des blauen Himmels und der dunklen Hecke im hinteren Teil des Gartens sichtbar. Sie verteidigte das Grundstück gegen die Nachbarn der parallel verlaufenden Straße. An diesem Punkt trafen die Grundstücke der Cervine-Street und der Windhover-Street aufeinander, ein an sich nicht weiter tragischer, nicht zu erwähnender Tatbestand, außer bei näher Betrachtung des dahinter liegenderen Gartens. Mrs. Mary Clark war der Drache der Nachbarschaft, der von allen belächelt und gefürchtet wurde. Sie hasste die beiden Männer, die in solch unsittlicher Beziehung zueinander standen und dann auch noch ein kleines Kind aufzogen. Er konnte hören, wie sie wütend die Terrassentür zu schlug und wahrscheinlich ihrem Mann zorngerötet vorhielt, dass aus diesem Kind nie etwas werden würde. Sie regte sich sicher über die Lautstärke auf, mit der Lily im Garten tobte.
 

Tief atmete er ein, sah den kleinen Gartenteich, der von einer großen Rabatte umgeben war. In ihm schwammen drei Goldfische, tummelten sich mit einem kleinen Frosch, der gerne auf den Seerosenblättern saß. In der Nähe standen zwei alte, kräftige Bäume, die noch immer stark genug waren um eine Hängematte zu tragen. Es war ein grober, dennoch weicher Stoff, der in heller Farbe zwischen zwei festen Holzstäben gespannt war, sodass die Liegefläche breiter wurde.

Lily stand hinter einem der Bäume, grinste breit über ihr noch immer rundes Gesicht und kaum war ihr Verfolger dem Baum näher gekommen, zu nahe, rannte sie aufrecht unter der Hängematte hindurch. Sie war nicht besorgt, nicht in Gefahr, nicht verängstigt, sie spielte! Sie war gesund, glücklich und wohl auf. Vielleicht zu wohl auf, denn als der 16 Jährige leise fluchend um die beiden Bäume rannte, schrie sie vergnügt auf und rannte auf ihren kurzen Beinen so schnell zur Terrasse zurück, dass Harry lächeln musste. Es ging ihr gut! Erleichtert kam dieser Gedanke endlich in seinem Verstand an und löste die Anspannung seines Körpers. Es ging ihr gut!
 

„Hier draußen seid ihr also. Na, spielst du wieder „Wie ärgere ich am besten Scorpius?“ oder soll das doch eher Fangen sein?“ Neckte eine tiefe Stimme die kleine, rothaarige Hexe, die nun voller Begeisterung rief. „Daco! Daco! Du bist wieda da!“ Harry trat näher an das Fenster heran und beobachtete, wie erleichtert der Blonde stehen blieb. Der Slytherin atmete tief ein und aus, fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare. „Ich glaube, dass es ihr Lieblingsspiel ist. Sie hat es vermisst mich zu ärgern. Wenn Harry jetzt nicht wach ist, dann wäre das wirklich ein Wunder.“ Brummte Scorpius noch immer so laut, dass es Harry hören konnte. Er hatte das Fenster leise geöffnet und sich auf die Fensterbank gesetzt.

„Warum? Wolltest du ihm heute etwas mehr Schlaf gönnen?“ Klang wieder die tiefe Stimme, die Harrys Herz sanft berührte und ein warmes Kribbeln in seinem Bauch auslöste. Es war schön zu bemerken, dass dieses nach den chaotischen Jahren, die sie miteinander verbracht hatten, noch immer der Fall war.

„Ja, heute ist doch wieder der erste Samstag in den großen Ferien. Du kennst ihn doch, heute rennt er wieder wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend!“ Scorpius war nun auch unter das große Sonnensegel getreten, welches die Terrasse überspannte. Harry zog beide Augenbrauen in die Höhe, als er Draco lachen hörte. „Oh ja, da hast du Recht!“ Antwortete dieser und leicht beleidigt schloss Harry die Augen, um ihnen weiterhin zu lauschen.
 

„Dann bin ich ja gespannt, wann er aufgedreht hier unten ankommt und sich beschwert, dass wir ihn an einem so wichtigen Tag so lange haben schlafen lassen! Oder er kommt hier unten mit gezücktem Zauberstarb angerannt und erwartet, dass Lily etwas zugestoßen ist, weil sie ihn heute nicht geweckt hat!“ Stichelte nun der Kräuterkundige.
 

„Bei Merlin, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht. Aber ja, das sähe ihm ähnlich. Ich will ihn mir gar nicht vorstellen, wenn seine kleine Prinzessin mal einen Freund hat, wenn sie sich das erste Mal verliebt! Eine Glucke ist nichts dagegen!“ Antwortete Scorpius, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Es klang in seiner Stimme mit.
 

„Oh ja, ich bedauere den Jungen jetzt schon, der ihr das erste Mal das Herz bricht.“
 

„Kann man ein Herz bechen?“ Fragte nun Lily und klang dabei erstaunt und verwirrt zugleich. Mit einem Seufzen bemerkte Harry doch auch die Verlegenheit, die nun auf seinen Wangen brannte. Ja, doch, er war vielleicht etwas zu… engagiert? Er versuchte sich ja immer zurückzuhalten und Lily ihre eigenen Erfahrungen machen zu lassen. Aber sie war nicht einmal vier Jahre alt!
 

„Wenn ein Herz bricht, dann verletzt man nicht den Körper, sondern die Gefühle. Erinnerst du dich noch daran, dass du vor ein paar Tagen unbedingt Schokolade wolltest und dein Papa ja sagte und dann keine mehr da war? Das war so richtig enttäuschend oder?“

Nun konnte er regelrecht vor seinem geistigen Auge sehen, wie sich das rosige Gesicht verspannte, die kleinen Ärmchen voller Enttäuschung vor der winzigen Brust verschränkt wurden und sie schließlich empört rief. „Oh ja! Das war gans, gans gemein!“ Das folgende Prusten musste von Scorpius kommen.
 

„Das, nur noch viel, viel schlimmer, so ist es, wenn einem das Herz gebrochen wird.“ Erklärte nun Draco und der schwarzhaarige Auror verkniff sich den Gedanken, er wäre genauso unsensibel und hätte es ihr erklärt. Dreijährige kleine Mädchen mussten nicht wissen, was ein gebrochenes Herz war.
 

„Heilt das wieda?“ Fragte die kleine Stimme nun nach, doch bevor es zu einer Antwort kam, kreischte sie voller Freude auf. „Noi! Noi! Noi!“ War nun ein verständlicher Teil des Kreischens und er hörte das Heulen eines Wolfes. Harrys Blick fiel wieder in den Garten und nachdem sich die Kinderstimme wieder auf einem normaleren, verträglicheren Ton eingestellt hatte, kam das Gespann zum Vorschein. Lily rannte lachend auf den Rasen, gefolgt von einer schwarzen Wölfin, deren Fell immer grauer geworden war. Das Alter hatte sie gezeichnet und trotz der Tatsache, dass sie eine halbwilde Wölfin war, zog es sie immer stärker in die Ruhe dieser Kleingärten. Das einst einmal wilde, stolze Tier, welches zwischen diesen mächtigen Kiefern Hasen zerriss und dessen scharfe Zähne sich selbst bis in das Fleisch unter das Fell eines fetten Rehes gebohrt hatten, humpelte nun mit erhobenen Ohren dem kleinen Menschen hinterher und liebte es sie vom Wasser fortzuscheuchen, ihr das Gesicht abzulecken, wenn sie weinte, in der Sonne mit ihr zu dösen und sich um den kleinen Körper zu rollen. Noir hatte ihr kleines Rudel, welches einst nur aus Draco und der Baba Jaga bestand, auf viele weitere Personen erweitert.

Lily hingegen war mehr für sie. Einmal hatte sie sogar Draco angeknurrt, als die Kleine weinte und der Kräuterkundige offensichtlich angespannt und genervt, versucht war sich im Ton zu vergreifen. Ihr Knurren, das Fletschen ihrer Zähne hatte deutlich gemacht, dass sie Lily sogar gegen ihn verteidigen würde.
 

Nachdenklich beobachtete Harry die beiden. Sie spielten im Garten und nun rannte seine Tochter hinter der Wölfin her, hielt sich an den langen, schwarzen Haaren ihres Schwanzes fest und wieder einmal wurde ihm diese unglaubliche Geduld bewusst, die Noir Lily gegenüber hegte. Hermine war damals skeptisch gewesen, ein wilder Wolf in einem Garten in Godric's Hollow?

Doch der Wölfin war es so schlecht gegangen, dass Draco sie nicht alleine lassen wollte. Sie hatte aufgehört zu fressen, schlief nur noch und war nicht bereit aufzustehen. Der Glanz war in den gelben Augen verschwunden. Auch hier in der Ceverin-Street lag sie nur unwillig vor dem Kamin und döste die meiste Zeit. Bis Lily Sophia Potter in einem Alter, so zart, dass sie gerade ihren eigenen Kopf halten konnte, in einer kleinen Wiege auf dem Boden liegend, zu schreien begonnen hatte. Sie schrie, als ginge die Welt unter und noch in der Tür zum Wohnzimmer stehend, erkannte Harry den schwarzen Schatten, der aufgesprungen war.

Draco und er schienen das gleiche gedacht zu haben, mit einem Satz waren sie losgestürmt, auf den Wolf zu, der wie von der Tarantel gestochen auf die Wiege zu hechtete. Das große Maul öffnete sich und… noch bevor Harry seinen Zauberstab ziehen konnte… wurde es still.
 

Die warme, feuchte Zunge leckte über das kleine Gesicht und Lily war so erschrocken, dass sie schwieg. Der große Kopf senkte sich, legte sich vorsichtig zwischen die Beine der Kleinen und sanft auf ihren Bauch. Die grünen Augen blinzelten und dann griffen die winzigen Finger zu. Die Herzen der beiden Männer, die das Schlagen vor Sekunden eingestellt hatten, lösten nun einen Schmerz in ihrer Brust aus. Spätestens jetzt musste alles vorbei sein!

Die kleinen Finger, die erstaunlich kräftig waren, erwischten die Lefzen der Wölfin und zogen an diesen.

Doch nichts geschah! Noir lag unbeschreiblich ruhig da, musterte aus ihren gelben Augen das kleine Wesen und zuckte nicht einmal mit einem der Ohren. Erst als ein weiterer Ausstoß schriller Töne, die ein Lachen darstellen sollten, die Luft erfüllte, atmeten die beiden Männer wieder. Jeder von ihnen hörte Hermines Stimme, die ihnen einen Vortrag über vorhersehbare Gefahren hielt. Wolf am Kamin plus Baby in der Wiege auf dem Boden gleich ganz und auf jeden Fall GEFAHR!

Anscheinend teilte Noir diese Meinung nicht. Sie schnaubte und das Quietschen darauf schmerzte beinahe in den Ohren. Für das große Tier müsste es beinahe unerträglich sein. Dennoch bewegte sie sich nicht, holte nur leicht Luft und schnaubte erneut. Seit diesem schrecklichen Lachen hatte Noir die kleine Lily Potter als ihre eigene Tochter adoptiert und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen.
 

„Nein, ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Ich wollte ihnen eigentlich nicht mehr schreiben. Irgendwie ja schon ja, ich meine, spätestens am Sonntag werde ich wieder viel zu erzählen haben, aber wenn du nicht einmal weißt, ob deine Briefe gelesen werden… irgendwie ist das jetzt nicht so… aufbauend?“ Mit einem Blinzeln lauschte er wieder Scorpius Worten. Anscheinend war ihm ein Teil des Gespräches entglitten, immerhin gehörte es sich auch nicht andere zu belauschen! Dennoch, es war doch irgendwie verlockend!
 

„Was soll ich dir sagen? Mein Vater spricht seit sechs Jahren nicht mit mir. Er hat es wirklich in den letzten sechs Jahren geschafft kein einziges Wort mit mir zu reden.“
 

„Ja, aber du triffst dich ständig mit deiner Mutter! Bei dir ist wenigstens ein Elternteil auf deiner Seite. Wahrscheinlich bereuen sie es nicht einmal, dass sie mich verleugnet haben.“ Wut und Enttäuschung schwangen in der jungen Stimme mit.
 

„Du meinst, weil du als einer der Besten Hogwarts verlasen wirst? Weil du es warst, der Rita Kimmkorn vor aller Augen im letzten Herbst gesagt hast: „Ich bin ein Malfoy, natürlich interessiert sich auch so ein stupider Tölpel für mich! Kann ich etwas dafür, dass mein außergewöhnliches, wenn auch noch kurzes Leben um so vieles bemerkenswerter ist als die 100 Jahre, die sie jetzt auf dem Buckel haben?“ Nein, deine Eltern sind bestimmt nicht stolz darauf.“
 

Eine Pause trat ein und als Draco weiter sprach, konnte Harry das Lachen in der Stimme seines Partners hören. „Selbst Lucius soll von dieser Antwort begeistert gewesen sein. Meine Mutter meinte, dass er dieses fiese, herablassende Lächeln hatte, während er abschätzig den Tagespropheten auf den Esstisch warf und meinte sowas wie: „Selbst mir wäre eine bessere Antwort schwer gefallen!“ Oh ja, sieh mich nicht so an, das soll er gesagt haben.“
 

Offenbar war Scorpius erstaunt. „Warum hast du das nie erzählt?“
 

„Ich habe es auch erst letzten Sonntag erfahren. Meine Mutter hat es verheimlicht.“ Verteidigte sich nun der Kräuterkundige und der 16 jährige Slytherin lachte erleichtert.
 

„Ich würde ihnen weiterhin schreiben. Wer weiß, vielleicht sammelt deine Mutter ja jeden deiner Briefe heimlich in ihrer schönsten Hutschachtel und manchmal geht sie heimlich hin und nimmt sie heraus. Sie alle sind nach Jahren sortiert, mit einem wunderschönen Schleifenband zusammengehalten und dann sitzt sie auf dem Bettende und ließ jeden deiner Briefe noch einmal durch.“
 

Ein spöttisches Auflachen kam von dem Jungen.
 

„Und jeden neuen Brief legt sie wie ausversehen deinem Vater auf den Esstisch, den Schreibtisch oder in die Bibliothek, damit er ihn auch lesen kann und dann so tut, als ob er da gar nichts zu suchen hätte und ihn deiner Mutter wiederbringt.“
 

„Echt jetzt?“
 

„Scorp, wir sprechen hier von unserer Familie! Wir sprechen hier von reinem Malfoy Blut! Mein Vater würde sich die Zunge abbeißen, bevor er auch nur ein Wort mit mir spricht, aber jeden verdammten Sonntag verlässt er entweder gerade so passend das Haus, dass wir uns 30 Sekunden lang begegnen. Ich komme seit 6 Jahren jeden Sonntag um Punkt 16 Uhr zu meiner Mutter und ich war noch nie in meinem Leben so lange so pünktlich. Genau wie Lucius! Jeden Sonntag verlässt er entweder um eine Minute nach 16 Uhr das Haus oder ist kurz vor 18 Uhr wieder da, damit er mich noch einmal ganz kurz sehen kann.“
 

Schweigen herrschte und Harry konnte sich vorstellen, wie sich Scorpius fühlte. Und Draco!
 

„Wenn ich mit meiner Mutter irgendwo bin, ist er jedes Mal an diesem Tag zum Abendessen da, um kommentarlos den Erzählungen meiner Mutter zu lauschen, damit er ihr zum Schluss einen abschätzigen Blick zuwerfen kann. Wir haben einen Opernbesuch extra auf einen Tag gelegt, an dem seit Wochen ein Ministeriumstreffen angesetzt war. Das fiel unerwartet aus… Magenverstimmung bei den anderen Teilnehmern. Ich war sehr erstaunt, als mein Vater uns die Tür öffnete.“
 

„Aber er spricht nicht mit dir?“
 

Ein Räuspern. „Ja, er ist jedes Mal da, er liest jeden meiner Briefe, den meine Mutter immer auf seinen Schreibtisch legt, um ihn dann mit angewidertem Blick zurückzugeben und zu sagen, dass solch ein Unsinn nicht in sein Arbeitszimmer gehört. Er hat sie noch kein einziges Mal unterbrochen, wenn sie von unseren Treffen erzählt, aber er sieht mich eiskalt an und geht ohne ein Wort zu sagen an mir vorbei.“
 

Wieder schwiegen sie und Harry spürte, wie sein Herz wild und drückend pochte. Zu gut konnte er sich an Dracos Schmerz erinnern, er hatte lange nicht verstanden, nein, er verstand immer noch nicht, wie ein Vater so etwas tun konnte. Schon gar nicht, seit er selbst einer war.
 

„Ich erkläre es mir mit dem Starrsinn, der gewissen Dingen gegenüber in unserem Blut liegt. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder eine annähernd vergleichbare Beziehung haben werde, wie damals, aber ich will daran glauben, dass all die kleinen Gesten Zeichen seiner Zuneigung sind. Deine Eltern haben keinen einzigen Brief zurückgeschickt. Vielleicht ist das ihre Art zu sagen, dass du weiter schreiben sollst.“
 

Ein Seufzen war zu hören und Scorpius setzte sich auf seinem Stuhl um. „Ja, vielleicht hast du Recht. Aber es wäre schon schön, wenn ich wenigstens wüsste, dass sie die Briefe auch lesen. Nur glauben, nur hoffen, ist manchmal wirklich schwer.“
 

Was der 16 Jährige meinte, verstand Harry sofort. Doch bevor er sich in diesen Gedanken verlieren konnte, hörte er einen ihm sehr bekannten Ruf, der ihn schon viele Male aus seinen Gedankengängen gerissen hatte. „Papaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!“ Erschrocken blickte er wieder hinunter in den Garten und begriff, dass er entdeckt worden war. „Guten Morgen, Lily!“ Rief Harry zu der Kleinen herunter, die wild mit den Armen fuchtelte und mit einem Lachen auf und ab sprang.

„Oh, er ist also wach!“ Kam nun unter dem Sonnensegel hervor und nur einen Herzschlag später tauchten beide blonden Haarschöpfe auf. Scorpius grinste, blickte kurz zu ihm hinauf und beugte sich dann zu dem kleinen, hüpfenden Mädchen hinunter, um sie auf den Arm zu nehmen. „Hm, was meinst du, siehst er so aus, als wäre er eben panisch aufgewacht?“ Scherzte Draco und bekam dafür einen vielsagenden Blick. „Hm, ein Bisschen blass ist er schon. Vielleicht sitzt er da ja schon eine Weile.“ Unterstützte ihn der junge Slytherin und wurde von Lily mit ihren kurzen Armen umarmt.
 

oooOOOooo
 

Ruhig blickte er in seine Zeitung und überflog den Text, der unter dem Titel „Die Erneuerung der Friedhofsmauer“ zusammengefasst war. Es war Samstag, dieser wunderbare Samstag, an dem nicht nur die Daily Times kam, sondern auch noch die Weekly Hollow. So verbrachte er nach dem Frühstück eine gesamte Stunde mit dem ausführlichen Lesen beider Zeitungen und genoss den Frieden, den er in diesem Hause fand. Doch im Sommer waren diese Samstage nicht immer so friedlich.

Er wusste, dass er seine Frau liebte, er liebte sie aufrichtig und ehrlich. Aber er wusste auch, dass er ein Esel war. Trotz der Ausmaße, die ihn in jeder Hinsicht zu einem Gleichnis Vernon Dursleys machten, war er deutlich intelligenter, als sein nicht bekanntes Gegenstück. Er war sich selbst darüber bewusst, dass das Verhalten seiner Frau in der Nachbarschaft immer wieder Anstoß nahm und sie sich besonders den beiden Männern gegenüber unverträglich verhielt, deren Grundstück an das ihre grenzte. Er wusste, dass sie sich nicht beherrschen konnte und er nichts dagegen tat. Dennoch liebte er sie.

Nun war heute wieder so einer diese Samstage, an denen er nicht wie gewohnt seine Ruhe hatte. Die Terrassentür wurde laut geschlossen und nur einen Moment später stand seine Frau wieder in der Küche. Er hörte ihre Stimme, bemerkte, über was sie sich beschwerte und ignorierte es. Sein Verhalten war wie immer gleich, er vertiefte sich noch etwas tiefer in seine Zeitung und sie empörte sich lautstark über das, was sie in den letzten drei Jahren störte, wobei sie exakt die gleichen Worte nutzte.
 

Nachdenklich starrte er auf die Seite, die er nun erreicht hatte und überlegte sich, wie sein Name wohl in einer Todesanzeige aussehen würde. Er war nicht der Jüngste, noch zwei Jahre und dann würde er in Rente gehen. Noch zwei Jahre und er musste jeden einzelnen Tag hier verbringen und er würde mit seiner Frau viele dieser Situationen erleben. Vielleicht sollte er… nur so unter Umständen…

„Mary, warum fragst du nicht Elizabeth, ob sie und ihr Mann morgen zum Essen vorbei kommen wollen und machst uns dann diese wunderbaren kleinen Schaumtörtchen zum Nachtisch? Du weißt schon, diese kleinen Sünden, die ich so gerne habe.“ Henry hatte seine Zeitung aufgeschlagen auf dem Tisch ausgebreitet und lächelte seine Frau an. Sie hatte ihre blonden Haare locker hochgesteckt und ihre Wangen waren von diesem roten Schimmer der Erregung gefärbt. Kleine Falten tummelten sich um ihre Augen und um die Mundwinkel, sie trug ein biederes Sommerkleid mit einer Schleife auf dem Rücken.

„Liza?“ Fragte sie nun verwundert und blickte ihren Mann zuerst empört an. Doch gleichzeitig konnte Henry sehen, wie der Gedanke in seiner Frau Gestalt annahm und sie immer mehr Gefallen an ihm fand. „Du hast Recht, ich habe sie schon so lange nicht mehr gesehen. Oh, dann muss ich aber noch viel vorbereiten. Und wenn ich die Sorbet Törtchen machen soll, muss ich auf jeden Fall noch einkaufen.“ Mary Clark war eine kleine, schlanke Frau, die ihr Alter nicht leugnen konnte. Sie arbeitete schon seit Jahren nicht mehr, war dafür in der Gemeinde um so tätiger. Nicht jeder hier in Godric’s Hollow war darüber erfreut.
 

„Nun, dann ruf sie doch direkt an und frage sie, damit du noch genügend Zeit hast.“ Schlug er vor und nun kam das erste, flüchtige Lächeln auf den schmalen Lippen zum Vorschein. „Das ist eine gute Idee, mein Schatz. Das werde ich machen!“ Mit diesen Worten, welche ihr leicht flötend mit solch Freude entkamen, verließ sie die Küche und nur wenige Minuten später konnte er sie aufgeregt mit ihrer besten Freundin schnattern hören.

Beruhigt, diese Katastrophe wenigstens eine Zeit lang verschoben zu haben, nahm er die Zeitung wieder auf und vertiefte sich in die Todesanzeigen. Manche kannte er, doch die meisten gehörten zu den umliegenden Dörfern und so war wenn nur der Familienname bekannt. Mary würde nun erst eine Stunde mit der Planung, diesem hinreißenden Telephonat verbringen und dann Stunden mit dem Einkaufen, der Vorbereitung und dem Putzen des Hauses zubringen. Also eine lange Zeit, die sie sich nicht über Mr. Potter und Mr. Malfoy aufregen würde.

Nachdem er auch die Weekly Hollow gelesen hatte, seine Frau aus dem Haus war, erledigte Henry Clark noch ein paar Dinge, die schon länger auf der Liste standen. Das Mittagessen fiel sehr karg aus, es war ein flüchtig zusammengestellter Salat mit Schafskäse und etwas Hähnchen. Für einen Moment bereute er seine Tat und nachdem er eine dreiviertel Stunde gedöst hatte, trat er hinaus in den Garten.
 

Es war ihm eigentlich zu heiß, sein Umfang brachte ihm nicht nur einen geringeren Bewegungsspielraum ein, sondern auch noch eine Empfindlichkeit extremen Temperaturen gegenüber. Für ihn waren diese sommerlichen 27 Grad Celsius zu viel, doch hier im Schatten war es zu ertragen. Wenigstens kurz.

Nachdenklich hörte er das Lachen auf der anderen Seite der Hecke, offenbar war der Besuch angekommen. Kinderstimmen erfüllten die Luft und mit einem leichten Schmunzeln versuchte er sie einzuordnen. Er kannte kaum Gesichter, teilweise Namen. Lorcan und Lysander waren Zwillinge, die gerne zu Besuch kamen. Sie waren neben dem Jungen… Scorpius… die ältesten. Sie mussten um die sieben Jahre alt sein. Dann hörte er eine andere Stimme laut Tor schreien und mit einer leichten Bestürzung erinnerte er sich an den Patensohn. „Teddy“, wahrscheinlich Ted, musste nun ungefähr 12 Jahre alt sein, ihn hatte er vergessen.

„Nein, Lily, geh da weg!“ Rief nun einer der Zwillinge und dann erkannte Henry Clark die unverkennbare Stimme von Rose Granger-Weasley. „Jungs, müsst ihr immer so unvorsichtig sein? Könnt ihr nicht einmal besser aufpassen?“ Irgendwie mochte er die Kleine, die er immer älter als die Zwillinge eingeschätzt hatte. Im letzten Herbst hatte Lysander sie jedoch deutlich darauf hingewiesen, dass sie jünger war als die beiden. Ihr Bruder war einer derjenigen, von denen er den Namen nicht kannte. Rose musste ihn schon mehrfach genannt haben, aber irgendwie konnte sich Mr. Clark diesen Namen nicht merken.
 

Sieben Kinder spielten ausgelassen und wild in diesem unbekannten Garten hinter der Hecke. Traurig dachte Henry an seine eigenen Kinder, zwei Stück waren es. Mathew und Abigail waren nun auch schon lange aus dem Haus und sein Sohn war seit einem Jahr Vater. Henry Clark war nicht stolz auf das, was sie aus ihren Kindern gemacht hatten. Ihre Erziehung war deutlich zu einseitig und aus den süßen, niedlichen Babys waren nun zu oft weltfremde, selbstverliebte Menschen geworden, die ihr Gedankengut weiter in der Welt verbreiteten. Vielleicht hätte er das alles früher absehen können. Aber wie auch mit seiner geliebten Frau blieb er nur untätig daneben sitzen und beschwerte sich über den Salat, der seiner Figur sicher half.

Ob es jetzt zu spät war an seinen Fehlern zu arbeiten? Ob er nun noch eine Chance hatte die brachialen Vergehen, die er ungestraft zugelassen hatte zu verkleinern? Ihre Ausmaße zu verringern? Ausmerzen könnte er sie auf keinen Fall. Nachdenklich ließ er den Blick über den wohl gepflegten Garten schweifen und wartete auf eine geistige Eingebung. Oder eine göttliche?

Wer auch immer ihn erhörte, aber er bekam sie. Nicht ganz so, wie er sie erwartete. Doch war es im Leben mit den wahrhaft tiefen Erkenntnissen nicht immer so? Ein Schrei ließ ihn zusammenfahren und dann hörte er das Geräusch eines Gegenstandes, der mit voller Wucht die Hecke streifte. Sein Blick floh reflexartig hinüber zu der grünen Gartengrenze und da sah er den Ball, der über die hohe Kante flog.
 

„Scheiße!“ Rief Teddy laut und die Zwillinge kommentierten gleichzeitig mit einem "Oh nein!“ Rose zischte wütend, dass sie sich besser benehmen sollten und keine Schimpfwörter verwenden. „Ball weg.“ Meinte Lily traurig in halblautem Ton und dann fragte jemand, was sie jetzt machen sollten.

„Was ist denn passiert?“ Mit einem Schmunzeln konnte Henry diese Stimme ganz klar Mr. Harry Potter zuordnen, der von seinem Patensohn erfuhr. „Ich hab mit zu viel Kraft geschlossen und dabei ist der Ball über die Hecke geflogen.“ Die Nachfrage kam direkt. „Zu den Clarks?“ Darauf folgte wohl ein Nicken, denn es kam keine weitere Antwort. Nur ein „Scheiß... Scheibenkleister!“

Frustriert gab einer der Zwillinge von sich. „Den sehen wir nie wieder.“ Nachdenklich blickte Henry Clark den Fußball an, der in der Sonne auf dem Rasen lag. Drüben wurde gerade erörtert wie tot sie alle waren, und wie grausam ihr Ende wäre, wenn es die Blumen erwischt hatte. Sonderlich überrascht war Henry nicht über diese Gedanken, sein Blick wanderte zum Haus. Seine Frau dürfte noch nicht da sein.

„Man, sind wir erbärmlich!“ Stellte Scorpius plötzlich fest und dann erklang eine weitere Stimme. „Was ist denn hier los?“ Fragte Mr. Ronald Weasley, der Vater von Rose und bester Freund Mr. Potters. „Der Ball ist rüber zu den Clarks geflogen und wir fragen uns, wann und wie wir sterben werden.“ Antwortete Teddy auf seine typische Art und der älteste Sohn des Hauses kommentierte dazu noch einmal resigniert. „Und wir haben festgestellt, dass keiner von uns den Mut hat hinüber zu gehen und den Ball wieder zu hohlen. Wer weiß, vielleicht verwandelt sich die Furie da drüben ja in einen Drachen!“
 

Ein kurzes, entmutigtes Lachen kam von allen, bevor Mr. Weasley die Stimme wieder erhob. „Ich würde ja jetzt sagen, wie erbärmlich ihr seid, aber ich ändere das auf ein „wir“ um! Mich kriegen da auch keine 10 Drachen rüber!“ Ein ausführliches Seufzen folgte und mit einem verzweifelten Lachen meinte Mr. Potter. „Vielleicht ist sie ja eine Cousine von Dolores Umbridge!“ Nur einer schien in der Runde diesen Scherz verstanden zu haben und bei einer kurzen Nachfrage kam nur von Ronald als Entgegnung. „Eine alte Schreckschraube, die wahrscheinlich wahnsinnig gewesen ist. Wenn du die Wahl hast, eine Woche mit ihr oder einem Troll zu leben, nimm den Troll!“

Schmunzelnd setzte sich Henry in Bewegung und überlegte, ob das Schicksal ihm endlich einen Stoß verpassen wollte. Doch ob er damit richtig lag oder nicht, nun stand er vor einer großen Herausforderung. Langsam beugte er sich herab, ging leicht in die Knie und erkannte, dass er unumstößlich jeden Alkohol unter der Woche streichen musste, um weniger Kalorien zu sich zu nehmen. Auch der Nachtisch würde mit samt Kuchen zum Nachmittagstee gestrichen. Mit seinen fetten Fingern griff er nach dem Ball und schob seine Lagen überquellenden Fettes wieder in die richtige Position. Er war zu dick!

Die Vorstellung, dass er mit seiner kleinen Enkeltochter unterwegs wäre und ihr nicht einmal auf die Beine helfen konnte, ließ einen kalten Schauer panischer Angst in ihm aufsteigen. Er würde augenblicklich etwas an seinem Leben ändern! Er liebte die Kleine und so war er nicht in der Lage auch nur ansatzweise die Rolle zu übernehmen, die er als Großvater zu führen hatte!

Mit diesen Gedanken starrte er auf die Hecke, über die er den Ball nun befördern musste. Langsam hob er die Arme, schob sie mit dem Geschoss bis über seinen Kopf und schleuderte ihn dann so weit, wie er nur konnte. Die weißschwarze Kugel bekam gerade so viel Schwung, dass sie an ausreichender Höhe gewann und mit einem schrappenden Geräusch wieder über die Hecke flog. Erschöpft atmete der beleibte Mann aus und begriff, dass ein weiter, sehr weiter Weg vor ihm lag.
 

„Uhaaahhh!“ Kam erstaunt auf der anderen Seite der Gartentrennung hervor und dann herrschte Schweigen. „Das ist keine Falle oder?“ Fragte Scorpius und Teddy fügte an. „Der explodiert jetzt nicht gleich oder?“ Mit einem Schmunzeln sah Henry zufrieden zur Hecke hinüber und dann kam der zögerliche Ruf von Mr. Potter. „D… Danke!“

„Gerne! Das war übrigens ein guter Treffer, direkt in die Mitte des Rasens, weit von allen Blumen entfernt.“ Antwortete Henry nun mit einem wohligen Gefühl in der Brust, einem unbeschreiblichen Ausmaß an Glückseligkeit. „Mr. Clark?“ Kam von Scorpius, der anscheinend noch immer erstaunt und völlig fassungslos klang. „Schon ok, ich weiß von nichts. Schönen Tag wünsche ich euch noch!“

Ein einheitliches „Danke!“ kam von allen wie aus einem Munde und dann standen sie noch einen Moment dort, Harry hielt den Ball in beiden Händen, er war direkt auf ihn zugeflogen. Die Terrassentür wurde nicht laut, aber hörbar geschlossen und alle blickten sich reihum an. „Das ist jetzt wirklich passiert oder?“ Fragte Ron und bekam keine weitere Antwort. Mr. Clark, Ehemann der schrecklichsten Frau in diesem winzigen Dorf, der unter ihrer Fuchtel stehend nie ein Wort mit irgendjemandem gesprochen hatte, war nett, hilfreich und ein guter Nachbar? War Mary Clark gestorben? Hatte sie sich in Luft aufgelöst?
 

oooOOOooo
 

„Mum, wenn ich es dir doch sage!“ Protestierte Teddy und ließ seine Gabel wieder sinken. „Er hat uns wirklich den Ball wieder zurück geworfen! Einfach so!“ Erklärte er und griff dann doch mit der rechten Hand nach seinem Glas, um einen Schluck zu trinken. In der Zeit war es Scorpius, der den Faden wieder aufnahm und weiter erzählte. „Er hat uns sogar einen schönen Tag gewünscht. Wir alle waren uns schon unsicher, ob er nicht einen Sonnenstich hat.“

Der große Tisch, der sonst vor der Glasfront des Wohnzimmers stand, war magisch verlängert worden und wurde im rechten Winkel zum Haus platziert, damit alle an ihm unterkommen konnten. Die Paare saßen alle wohl geordnet nebeneinander. Tonks und Remus, Hermine und Ron, Luna und Neville und als letztes Harry und Draco. Selbst Blaise hatte einen Freund mitgebracht. Die Kinder wollten sich nach Lust und Laune dazwischen verteilen, ballten sich dann aber doch irgenwie alle um eine Tischkannte. Während die Zwillinge Rose und Hugo zwischen sich und ihre Eltern gesetzt hatten, wurden sie auf der anderen Seite von Scorpius flankiert, Teddy saß neben seinem besten Freund und zwischen ihm und Hermine kam Lily. Tonks trug ihre bunten Harre wie immer kurz und warf einen vielsagenden Blick zu ihrem Sohn.

„Aber er hat Recht, der Ball kam wirklich wieder…“, begann Lysander und sein Bruder setzte für ihn fort. „…zurück und wir haben auch nichts gemacht.“ Er spielte darauf an, dass sie schon einmal den Plan umsetzen wollten, eine Nachbarin mit einem Zaubertrank zu vergiften. Dabei sollte aus ihr eine alte Kröte werden.
 

„Stimmt wirklich, Harry und ich wollten es auch nicht glauben. Aber uns ist auch nicht bekannt, dass er verhext wurde oder verflucht.“ Meinte Ron mit halbvollem Mund und schluckte dann erst. Nachdem Hermine ihrem Ehemann einen tadelnden Blick zugeworfen hatte, wendete sie sich an die gesamte Tischrunde. „Nun, vielleicht IST Henry Clark einfach ein netter Mensch! Seine Frau ist es doch, die immer all das Chaos verbreitet und gegen euch wettert.“

Anstelle einer gepflegten Diskussion kam im Chor von Draco, Ron, Harry, Teddy und Scorpius in unterschiedlichen Varianten, dass dieses auf keinen Fall sein könnte. „Aber hat er euch konkret schon etwas getan? Hat er gegen euch etwas gesagt oder seid ihr ihm überhaupt schon einmal begegnet?“ Damit hatte die brünette Hexe und Mutter von zwei Kindern eine unerwartete Stille verursacht. Nach einer Weile, einem Schmunzeln von Remus und einem unterdrückten Grinsen von Neville kam zögerlich von Scorpius. „Teddy und ich sind ihm schon mal beim Einkaufen begegnet. Er ist unglaublich dick und…“ Der Slytherin brach ab und sah zu seinem Freund, der auch nur mit den Schultern zuckte. „Na ja, er sieht ein wenig aus, wie ein aufgedunsenes Schwein.“ Kommentierte der Hufflepuff Schüler und zuckte noch einmal mit den Schultern.

„Also wirklich, Edward Lupin, so etwas sagt man nicht über andere Menschen!“ Fuhr ihn nun sein Vater an und dann musste Harry lachen. „Aber er hat ja Recht, Remus. Henry Clark sieht aus wie ein dickes Schweinchen. Er erinnert mich immer an meinen Onkel Vernon! Und meistens steht er auch nur da und starrt einen schweigend an, während seine Frau wie eine Furie in sich hinein poltert und so tut, als würde sie mit ihm sprechen.“
 

Der 12 Jährige blickte seinen Vater vielsagend an und wiederholte die Worte. „Er ist ein dickes Schwein!“ Danach stach er seine Gabel tief in den Fleischsalat und stopfte diesen in seinen Mund. Scorpius kicherte und bevor Remus noch etwas zu seinem Sohn sagen konnte, fiel der Slytherin ein. „Wer ist dein Onkel? Du hast nie von ihm erzählt!“

Bevor Harry zu dieser Aussage etwas beginnen konnte, lief ein Schauer über den Rücken seines besten Freundes und Ron posaunte hinaus. „Danke, ich hatte es beinahe vergessen!“ Er schüttelte sich und mit einem Grinsen kommentierte er diesen Tadel. „Stimmt, du bist ihm ja begegnet.“ Die blauen Augen starten zu Harry und der Rothaarige verzog den Mund. „Im zweiten Schuljahr haben mich Ron und die Zwillinge gerettet und haben das fliegende Auto ihres Vaters gestohlen, um mich bei meinen Verwandten heimlich nachts abzuholen.“ Nun kam doch wieder ein Zug euphorischer Freude in den Vater und schnell nahm er noch einen großen Schluck aus seinem mit Butterbier gefüllten Krug. „Das müsst ihr euch mal vorstellen, die haben wirklich ein Gitter vor sein Fenster gehängt und unser alter Ford musste richtig arbeiten, damit wir es aus der Wand reißen konnten.“ Mit einem breiten Grinsen warf der schwarzhaarige Auror einen Blick auf seinen Teller und schnitt sich ein Stück von seinem gegrillten Hähnchen ab, für welches Blaise eine fruchtig scharfe Marinade ausgesucht hatte. Ron erzählte voller Leidenschaft von dieser Nacht und seine Beschreibung von Vernon traf die Wirklichkeit mit erstaunlicher Präzision.

Er enthielt sich jeden weiteren Kommentars und lauschte beim Essen nur den entstehenden Diskussionen. Hermine empörte sich wie schon vor so vielen Jahren, ja, beinahe zwei Jahrzehnten, über diese Zustände und trotz der Nachfragen aus den jungen Reihen schafften es Luna, Hermine und Dylan, von dem vermutet wurde, dass er seit einigen Monaten der feste Partner Blaise war, über die Unmöglichkeit des in der magischen Welt vorkommenden Verhaltens magischen Wesen gegenüber zu diskutieren. Noch immer gab es Situationen, die alle drei als äußerst anstößig empfanden und trotz Hermines vehementer Arbeit im Ministerium nicht oder der Hoffnung nach nur noch nicht verändert wurden.
 

Mit einem Seufzen bat Tonks um den Brotteller und kaum hatte Harry diesen weiter gereicht, kam der Fleischteller von Remus über Draco in die andere Richtung zurück. Dem ehemaligen Slytherin sah man es nicht an, aber Harry hatte die kleine Reaktion bemerkt, die sich nur in einer leichten Anspannung zeigte. Als Vegetarierin schien Luna jedoch ihren Leidensgenossen intuitiv zu verstehen und gab ohne Aufforderung die Schale mit den Qinoa Bällchen auf die Reise zu Draco hinüber. Mit einem wissenden Lächeln nickte er ihr kurz zu und bediente sich an ihren kleinen Köstlichkeiten.

Das sommerliche Ferienauftakts-Grillen war eine vor drei Jahren eingeführte Tradition, in der sie sich alle in Godric’s Hollow einfanden. Jeder brachte etwas mit, Blaise als Koch meistens den größten Teil des Essens, doch bisher hatte sich immer alles ausgeglichen. Die Kinder spielten meist vergnügt miteinander und zwischen Teddy und Scorpius war eine gute Freundschaft gewachsen. Dieses war besonders durch die gemeinsame Schulzeit verstärkt worden. Erst durch diese Kombination wurden Harry und seinen alten Freunden bewusst, wie sehr sie damals alles verändert hatten. Teddy als Hufflepuff konnte mit einem Slytherin befreundet sein, ohne dass gleich ein Skandal die Schule erschütterte. Für die Lehrer war es nicht leichter geworden, denn nun arbeiteten die Schüler deutlich öfter zusammen, allerdings waren die Streiche zwischen den Häusern auch zu einer Tradition geworden. Selbst die alten Rezepte hingen noch im großen Gemeinschaftsraum und wurden stetig erweitert. Der damals installierte Zauber funktionierte noch immer, der alle gleichen Schriftstücke aussortierte.

Ob sein Leben nun ruhiger war? Nein, auf keinen Fall! Es war noch immer turbulent, hin und wieder gefährlich, auf jeden Fall chaotisch und uneingeschränkt unberechenbar. Er liebte es und so kompliziert es auch als Auror und Vater war, er wollte es nicht ändern. Es war auf seine Weise perfekt! Mit diesem Gedanken wollte er sich entspannt zurücklehnen, als ihn die nächste Katastrophe erreichte.

„Ach, Luna, ich würden übrigens gerne auf dein Angebot zurückkommen. Du bist doch in diesem Sommer in Brasilien.“ Das hinter dieser Frage nichts Gutes stehen konnte, war Harry gleich bewusst. „Das freut mich. Klar, die Zwillinge kommen auch mit. Das wird lustig werden.“ War die lockere Antwort der blonden Hexe. Selbst Neville zuckte zusammen, anscheinend wusste er noch nichts davon. Lorcan und Lysander grinsten breit und schlugen erfreut einander ein. „Cool! Jetzt wird es echt klasse!“

So langsam dämmerte Harry, um was es ging. Wollte Scorp wirklich mit nach Brasilien und Luna auf ihren Expeditionen begleiten? „Ich komme mit!“ Quietschte nun Lily und da war sie, diese unerwartete Katastrophe, die Luna mit einem seligen, unschuldigen Lächeln heraufbeschwor. „Ich will auch!“ Bekräftigte die 3 Jährige und bevor noch jemand etwas sagen konnte, griff Teddy ein. „Dann muss ich aber auch mit. Jemand muss doch auf dich aufpassen. Die Zwillinge setzen dir sonst nur Unfug in den Kopf!“ Remus und Tonks wirkten entsetzt, ihr 12 Jähriger wollte was? „Oh nein, wenn hier jemand auf Lily aufpasst, dann bin ich das!“ Rief Rose mit ihren 6 Jahren und Hermine verschluckte sich an ihrem Essen. „Klar, Rose, ohne dich fahren wir nicht. Du musst auf uns alle aufpassen!“
 


 

Und schon steckten wir mitten in einer Katastrophe, denn Luna schien die Besorgnis der anderen nicht zuteilen. „Oh, das wird so wundervoll. Wir werden auf jeden Fall mindestens zwei Wochen den Regenwald erkunden. Der brasilianische Dschungel ist atemberaubend.“
 

Bevor einer von uns etwas sagen konnte, schlug das unberechenbare Chaos wieder zu. „Oh, ihr seid am Essen? Dann sollten wir wohl lieber wieder gehen.“ Mein Blick fiel auf die 16 Jährige, die mit ihrer kleinen Schwester im Arm an der Hausecke stand. Ihren 5 Jährigen Bruder an der Hand haltend.

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich! Teil 2

28. Kapitel

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich! Teil 2
 

Vor wenigen Jahren war dieser Ort eine Erinnerung an die Grausamkeit eines einzigen Mannes, der Herrscharen an Zauberern und Hexen faszinierte und manipulierte, um sie zu Dingen anzutreiben, die nur als unmenschlich zu bezeichnen sind. Dieser Ort diente als Mahnmal, hielt die Erinnerungen aufrecht, damit niemals die Trauer und die Tragik vergessen wurden, die diese Zeit prägten.

Doch nun stand die Ceverin Street 4 für etwas anderes. Die dunklen Flüche waren gebrochen, die brachialen Risse im Haus geheilt und der verwilderte Garten ein sommerliches Idyll. Nun war dieser Ort einer der Hoffnung gab. Hier finden immer wieder jene Zuflucht, die sich sonst nicht zu helfen wussten.

Kathi war eine von ihnen. Ihre braunen Haare waren lang, reichten ihr bis zur Hüfte. Nun waren sie mit einem einfachen Gummiband nach hinten genommen worden, ihre blauen Augen waren etwas getrübt. Mit ihren 16 Jahren war sie schlank, viel zu schlank für ihre Größe und auf ihren schmalen Schultern trug sie mehr Verantwortung, als sie tragen sollte. Maggy, ihre zwei Jahre alte Schwester blinzelte mit ihren auffallend braunen Augen und den roten Pausbäckchen. Sie wirkte leicht überfordert mit der Unmenge an anwesenden Besuchern, ihr drei Jahre älterer Bruder entdeckte gleich die Zwillinge und grinste. Auch Hugo, neben Lily der Jüngste in der Runde erwachte zu neuem Leben und kletterte gleich von seinem Stuhl.

Nun war es Luna, die sich sofort erhob und von einem Strahlen erfüllt meinte. „Meine Güte, Maggy, du bist ja groß geworden. Wie lange haben wir euch denn nicht mehr gesehen?“ Damit war die Entscheidung gefallen, alle drei würden bleiben! Es war gleich, ob ich vielleicht noch Einspruch erheben wollte oder nicht, meine Stimme als Hausherr war ausgeschlagen worden. Auf der anderen Seite hatte ich nicht das Bedürfnis mich gegen ihre Anwesenheit zu wehren. Jeder hier im Dorf wusste, dass der Fortgang von Kathis Vater vor 10 Jahren ihre Mutter in einen Abgrund gestürzt hatte, aus dem sie nicht breit war zu kriechen. Vorwiegend Alkohol war das Mittel ihrer Wahl, um Verstand und Empfinden zu betäuben und dem Chaos und dem Schmerz ihrer Welt zu entkommen. Immer wieder ließ sie sich auf flüchtige Liebeleien ein und das Resultat waren zwei Kinder, Leonard, fünf Jahre alt, und Maggy mit ihren zweien.
 

Ich versuchte die Trauer zu verdrängen, den Trübsinn dieser Situation auszulassen, denn auf Kathis schmalen Schultern lag die Erziehung ihrer beiden Geschwister. Wenn sie sich nicht um die beiden kümmerte, tat es niemand und wenn die drei hier aufkreuzten, bedeutete das meist nichts Gutes. In den vergangenen Jahren hatte sich herausgestellt, dass es am besten war, sie einfach nicht nach den Gründen zu fragen, dafür zu sorgen, dass sie alle etwas Warmes in den Bauch bekamen und ihnen ein wenig Sorglosigkeit zu gönnen. Dabei war Lily ganz fasziniert davon, das etwas kleiner war als sie und doch irgendwie nach ihr aussah.

Kurz sah ich zu Draco hinüber, den ich schwermütig seufzten gehört hatte. Da war wieder der sanfte Kräuterkundige in ihm, der jedoch genauso unerfolgreich gewesen war, wie die Anstrengungen Hermines aus dem Ministerium heraus. So gaben wir uns in dieses Schicksal und halfen, wo wir konnten. Wie viele Nächte hatten sich meine Tochter und Maggy schon ein Bett geteilt?

„Oh, danke Luna, ja, sie ist ziemlich gewachsen.“ Mit einem Lächeln nahm die junge Mutter die Kleine auf den Arm und nachdem sich Maggy von dem Schock erholt hatte, entkam ihrem kleinen Gesicht ein breites Strahlen! Mit einem Brabbeln begann die Kleine freudig zu Blubbern und Leonard ließ die Hand seiner Schwester los. Er stürmte auf Hugo zu, der ein Jahr jünger war als er und wurde gleichzeitig von den beiden Zwillingen begrüßt, die den fünf Jährigen ebenso mochten, wie er sie.

Mein Blick fiel jedoch auf jemand bestimmten, der bei ihrem Anblick leicht rot wurde und mit einem Räuspern in die Höhe sprang. Scorp brummte noch etwas von wegen: Ist kein Ding, esst ruhig mit. Sofort war er losgelaufen und suchte einen passenden Stuhl für sie, die beiden Kinder waren ja schon versorgt. Lysander und Lorcan schoben ihre Stühle einfach zusammen und nahmen den Jüngeren in ihre Mitte, Maggy fand in Lunas Armen Platz und ich fragte mich leise, wann und wie mir die zuvor unterbrochene Diskussion das Genick brechen würde. Lily konnte ich das ganze Desaster ja noch verbieten und Rose würde ebenso keine Chance haben, sie war erst sechs Jahre alt. Aber einem 12 Jährigen, sturen Draufgänger wie Teddy, dessen bester Freund eine Reise in den Dschungel plante, konnte man so eine Idee nicht ausreden. Das würde uns noch viel Blut kosten!
 

Nachdenklich betrachtete ich diese Gesellschaft und meine Gedanken flogen zu dem Tag zurück, an dem ich das erste Mal mit Draco über diese Idee gesprochen hatte. Damals war es ein dummer Tagtraum und ich hatte nicht erwartet, dass ich ihn je umsetzen würde. Tagträume… mit einem leisen Schmunzeln kehrt die Vorstellung zurück, die mich damals im großen Gemeinschaftsraum eingeholt hatte. Mein verträumter Blick schweifte über den Garten und in meiner Erinnerung hörte ich die Stimme meiner Mutter, die mit Severus darüber diskutierte, ob er James und Sirius half.

Trotz all dem Chaos hatte sich mein Leben gewandelt, mir mehr Glück beschert, als ich erwartet hatte. Lächelnd setzte sich Kathi auf den ihr angebotenen Stuhl und kaum später bekam sie schon einen Teller gereicht. Blaise war außer sich vor Freude und kaum hatte ich mich versehen standen noch zwei Schüssel auf dem ohnehin schon vollen Tisch. Aus einem uns nicht bekannten Grund schien dieser Mann in stetiger Panik zu sein, dass auch nur eine Kleinigkeit beim Grillen oder jedem anderen Essen fehlte und am Ende blieb für alle noch so viel übrig, dass wir ein zweites oder drittes Mal hätten essen können.

Der Sonntag wurde so traditionell zum Resteessenstag in allen Haushalten, obwohl Kathi und ihre Geschwister meist genügend mit bekamen, dass sie es kaum tragen konnten. Die Massen an Süßem zum Nachtisch hatten wir noch nicht gesehen, aber sicher gab es sie. Es gab sie immer!
 

Lächelnd lauschte ich den Gesprächen, die wie ein sanftes Summen um mich herum geführt wurden. Teller und Schüsseln wurden quer über den Tisch gereicht oder der Reihe nach weiter gegeben. Es war ein herrliches Durcheinander, so wie ich es liebte. Der Duft von frischem Brot und heiß gegrilltem Fleisch mischte sich zu etwas Vertrautem und ich hörte das leise Ploppen der gläsernen Salatsoßenflaschen. Sie verteilten sich zwischen den kleinen Schüsseln mit selbstgemachten, vegetarischen Aufstrichen, kleinen Fleischbällchen, Gewürzgurken, geschnittener Paprika und sonstigem gegrilltem und rohem Gemüse. Wenn noch mehr auf diesen Tisch gestellt werden sollte, würde er sicher nachgeben und brechen. Zwei große Fleischteller auf jeder Seite flankierten den Salat und in der Mitte fand sich auch eine Schüssel mit gegrillten Gemüsespießen. Die mit Käse gefüllten Champignons waren am beliebtesten.

Heimlich fragte ich mich, ob zwischen Kathy und Scorpius je etwas Ernstes entstehen würde. Sie sahen sich selten und doch knisterte es immer wieder zwischen ihnen. Da war jedoch etwas, dass mich von diesem Gedanken fernhielt. Eine kleine Stimme, eine Intuition, die mir sagte, dass es kein Bund für die Ewigkeit war. Allerdings waren die beiden auch noch sehr jung!

Leicht verlegen lief mir ein Schauer über den Rücken. Mit Cho hatte ich nur kurz etwas, dann kamen einige leichte, seltene und sehr peinliche Begegnungen mit dem anderen Geschlecht, in denen ich meine ersten Erfahrungen sammelte, doch mein Herz verlor ich ebenso jung wie der blonde Slytherin, der so unverhofft Teil dieser zusammengewürfelten Familie wurde. Klar, wir hatten keine Beziehung miteinander, Affären oder sagen wir eher wilde Unzucht bestimmte mein Leben nach unserem ersten Mal und dann fand ich ihn wieder. Mein Blick wanderte zu Draco, der in eine Grundlegende Diskussion mit Ron vertieft war, in der es offenbar um gewisse Züge im Schach ging. Das war schon immer ein wunder Punkt zwischen den beiden, denn Schach war einer der wenigen Bereiche, in dem Ron klar im Vorteil war. Er konnte spielen, wie kein zweiter. Die wenigsten Partien gewann Draco gegen ihn, ich hatte es schon lange aufgegeben. Ich spielte nur zum Zeitvertreib oder um zu sehen, wie viele Züge ich noch gegen ihn bestehen konnte, bevor mein König fiel.
 

Plötzlich hörte ich ein Lachen. Es war dieses unterdrückte Prusten, das gleich in lautes Gelächter anstimmen würde. Irritiert blinzelte ich, sah mich um und versuchte zu verstehen, was geschehen war. Mein Blick schweifte rüber zu Remus, der sich auf die Unterlippe biss und mich mit einem vielsagendem Ausdruck angrinste. Selbst Ron presste die Rückseite seiner rechten Hand gegen seinen Mund, in dieser hielt er noch immer die Gabel. Kathy kicherte wie eine kleines Mädchen und die Zwillinge lachten laut, schlugen beide euphorisch beflügelt in die je erhobene Hand des anderen, gekonnt über Leos Kopf, der in der Mitte saß. Luna grinste breit und Neville direkt neben mir gluckste vor Freude.

„Ok, was hab ich verpasst?“ Fragte ich nun völlig verwirrt, denn offenbar war ich der Grund dieser unerwarteten Freude. Doch die Antwort blieb aus, dafür brach nun Tonks in ein schallendes Gelächter aus und rückte auf der Bank etwas zurück, um nichts auf dem Tisch umzuwerfen. Ihre Haare wurden zu einem grellen Gelb und dann zu einem krassen Pink. Selbst Draco neben mir konnte ich lachen hören und so suchte ich verlegen nach dem Grund. Was hatte ich verpasst? Was hatten sie angestellt, während ich in Gedanken versunken war?

Nachdem mein Blick an mir herunter gewandert war, um den Auslöser zu finden, bemerkte ich den Grund. Meine Augen blieben an der großen, leeren Fläche direkt vor mir hängen. Da war kein Essen mehr. Da war kein Teller mehr. Da war nichts! Nicht einmal ein Glas hatten sie mir gelassen! Wo war mein herrliches Stück Fleisch? Ich war doch noch gar nicht fertig gewesen!

Meine Reaktion war anscheinend wie erwartet, sorgte dennoch für einen Ausbruch grölenden Gelächters. Selbst Scorpius und Teddy konnten sich kaum beherrschen und mit einem gespielt genervten Seufzen verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Sehr, sehr lustig! Wo bitte ist mein Essen?“ Das daraufhin noch lautere Lachen machte mir klar, dass es verloren sein musste.
 

Ein Blick zu meinem besten Freund und der verlegene Ausdruck in seinem Gesicht gestand, dass er mein wunderbares Stück Rinderfilet gegessen hatte. „Wenn es dich beruhigt, es hat wirklich gut geschmeckt, auch wenn es fast kalt war.“ Klasse, ich war also wirklich so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nichts mitbekommen hatte? Aber waren die beiden, Ron und Draco nicht eben noch in ein Gespräch vertieft gewesen?

„Und wo ist mein Teller?“ Fragte ich nun leicht resigniert, immerhin hatten sie mich wirklich um alles erleichtert. Doch eine Antwort bekam ich nicht, die gespannten Gesichter musterten mich nur auffällig und ich erkannte die Lage, in der ich mich befand. Wenn ich meine Sachen wieder haben wollte, musste ich um sie kämpfen!

Gut, diese Herausforderung nahm ich an und gleich flammte wieder dieser hungrige Jagdinstinkt in mir auf. Meine grünen Augen richteten sich weiter auf Ron, wenn er mein Fleisch gegessen hatte, musste er auch meinen Teller haben oder? Ich konnte ihm nicht ansehen, ob er aus Scharm verlegen war oder weil er ein Geheimnis zu wahren versuchte. „Ron, gib mir meinen Teller zurück!“ Forderte ich ihn nun auf, nicht ohne dabei einen Applaus zu kassieren. Doch nicht nur diesen, als der rothaarige Auror seinen eigenen Teller anhob und die Serviette darunter zum Vorschein kam, war ich kurz sprachlos. Warum bitte versuchte ich seine Verlegenheit zu deuten, wenn der Teller so offensichtlich platziert war? Unter dem Papiertuch kam mein Geschirrstück zum Vorschein und es war so blank und sauber, als hätte ich es eben aus dem Schrank genommen.
 

Von meinem Erstaunen ließ ich mich nicht aufhalten. Mir fehlten noch immer einige Gegenstände und so musterte ich Draco, der mich mit einem unschuldigen Lächeln und einem verführerischen Blick betrachtete. Es wäre wirklich zu leicht, wenn er sich an diesem Diebstahl beteiligen würde, aber als Mittäter wäre er perfekt. Ebenso Neville auf der anderen Seite. Er käme nicht allein auf diese Idee, aber er würde sofort mitmachen. Luna hingegen hatte Maggy auf dem Schoß, sie würde höchstens alles weiter reichen. Rose und Hugo, die der Tischreihe nach folgten, würden auch nur Mitverschwörer sein. Rose war zu anständig und Hugo würde sich mit einem kindischen Kichern verraten, das tat der vier Jährige immer. Darum würde ihm niemand etwas anvertrauen. Die drei Jungs danach waren ein anderes Kaliber. Lysander und Lorcan besaßen alles, was man ihren Eltern nicht nachsagte. Scharfsinn, ungebremste Tatkraft und vor allem eine unglaubliche Hinterlist! Ihr momentaner Wunsch war es das Geschäft der Weasley Brüder zu übernehmen.

Scorpius hatte sich gemütlich zurückgelehnt und lächelte ebenso unschuldig wie ein Kind. Der 17 Jährige verstand es undurchschaubar zu sein. Kathy war außen vor, sie kicherte noch immer und versuchte sich zu beruhigen. Teddy neben ihr hatte sich vorgebeugt und meine Augen verengten sich. Sein Kinn war locker auf die rechte Hand gestützt, den Ellenbogen hatte er auf den Tisch gestellt. „Du hast mein Messer!“

Davon war ich überzeugt, zumindest bis zu dem Moment, in dem er die Augen schloss und sich mit einem seligen Grinsen leicht zu Kathy hinüber beugte. „Scorp, bekomme ich meine Goldmünze heute noch oder erst morgen?“ Mit einem Murren griff der blonde Slytherin in seine Hosentasche und als er die Hand zurück zog, wirkte er unzufrieden. Seine Nase wurde kraus gezogen und er meinte leicht beleidigt. „Nachher. Ich habe keine bei mir. Obwohl ich verstehe, warum er das Messer bei dir vermutet!“ Brummte der junge Schüler und nun öffneten sich Teddys leuchtende Augen. Nun waren sie strahlend blau. „Oh ja, ich weiß. Ich habe eben eine Vorliebe für Messer, Dolche und aller Art von Klingen.“
 

Nun war ich unzufrieden! Ein Versuch war futsch. Also musste ich mich entscheiden, auf was ich verzichten wollte. Wenn aber Teddy mein Messer nicht hatte, wer dann? Nachdenklich blickte ich zu Remus, der sich wieder gefangen hatte, er wirkte gefasster. Tonks giggelte noch immer leise vor sich hin und ich entschied mich gegen sie. Nein, er würde nicht mit machen. Blaise unbekannter Freund spielte nicht mit. Entweder hatte Teddy doch etwas, also das Glas oder die Gabel, oder aber es war bei Scorpius. Was würde ich am wenigsten bei dem Slytherin erwarten?

„Du hast das Glas, Scorp.“ Sagte ich nun und blickte ihn direkt an. Wieder ein Applaus und der 17 Jährige lächelte anerkennend. „Na, doch nicht so schlecht, wie ich dachte. Ich bin davon ausgegangen, dass du außer deinem Teller nichts wieder siehst.“ Neckte er mich nun und beugte sich an seinem Stuhl herunter, um nach dem Glas zu fischen, welches er auf die Erde gestellt hatte.

Wenigstens etwas. Also nur noch mein Besteck. Einer Frage folgend lehnte nun ich mich vor, neben Draco auf meiner linken kamen Blaise und dann Dylan. Mein Blick fing den der braunen Augen ein. Der unbekannte Neuling in der Runde hatte ein kantiges Gesicht, seine schwarzen Haare hatten etwas Wildes und er war offensichtlich nicht so zurückhaltend, wie er hier vorzugeben versuchte. Eben hatte ich ihn ausgeschlossen, aber wie groß war der Einfluss des Mannes, in den er sich verliebt hatte? Aber würde er sich für ihn gleich in die Verschwörung mit eingliedern? Neben ihm kamen Tonks und Remus am Kopf des Tisches und danach Ron und Hermine, die neben meiner Tochter saß. Teddy reichte ihr gerade eine Scheibe trockenen Brotes, denn er saß auf der anderen Seite bei Lily.
 

Nein, Dylan war nicht mit eingespannt worden, es war Blaise! „Gib mir meine Gabel wieder!“ Forderte ich und Tonks trat lachend mit dem Fuß auf. „Verloren!“ Gackerte sie und auch Ron konnte sich nicht halten. Lorcan und Lysander sprangen von den Stühlen und jaulten vor Vergnügen. Da erkannte ich meinen Fehler. Sie hielten triumphierend meine Gabel in der Hand und ich schimpfte mich selbst einen Dummkopf. Wie konnten die beiden auch einem solchen Streich nicht wiederstehen!

Resigniert seufzte ich und Neville klopfte mir auf die Schulter. „Ach komm, du kannst wenigstens noch trockenes Brot essen. Dazu brauchst du kein Besteck. Oh, und wir haben noch Gemüsespieße!“ Obwohl er mit einer Vegetarierin verheiratet war, konnte er diese abfälligen Bemerkungen nicht lassen. So griff er über den Tisch und ließ kurz darauf einen an sich wirklich lecker aussehenden Spieß mit Pilzen, Paprika und Tofu auf meinem Teller landen.

„Ha, ha, danke!“ Brummte ich und musste doch schmunzeln. „Das Tofu kannst du aber behalten.“ Gab ich nun zurück und hörte von der anderen Seite nur ein abschätziges. „DER! Es heißt Der Tofu! Also, „Den Tofu kannst du behalten!“ Aber wenn du ihn so wenig magst…“ Bevor ich noch reagieren konnte, hatte Draco mir den Spieß wieder geklaut und ich sah den ersten Pilz hinter seinen schmalen Lippen verschwinden. An dieser Stelle konnte ich natürlich protestieren, aber da ich mit einem Vegetarier zusammen lebte und glücklich sein konnte, dass wir trotz dieser Konstellation ein „Sommeranfangs-GRILLEN“ mit FLEISCH hatten, hielt ich einfach die Klappe!

„Ok, und wo ist mein Messer?“ Fragte ich lieber ablenkend und starrte erstaunt in das freundliche Gesicht von Luna, die mir meines reichte. „Bei so viel Verachtung diesem wirklich köstlichen Räuchertofu gegenüber hast du es gar nicht verdient!“ Wie konnte man so lieb lächeln und so einen kalten, herabwürdigenden Ton in der Stimme haben? Ein Schauer lief meinen Rücken herunter und ich nahm das Besteckstück kleinlaut entgegen.
 

„Na kommt, Kinder, lasst uns abräumen und den Nachtisch holen!“ Rief nun plötzlich Blaise und alle waren dafür. Ein euphorischer Freudenruf erfüllte die Terrasse unter dem Sonnensegel und Bewegung kam in alle. „Halt, wartet, aber ich habe doch noch gar nicht zu Ende gegessen!“ Beschwerte ich mich vergebens, denn die ersten Schüsseln wurden schon vom Tisch geräumt. Ron hingegen stieß die Luft aus. „Puh, auch noch Nachtisch!“ Er schien satt zu sein und mich ignorierten sie alle. Klasse, da ging der Hausherr wirklich hungrig vom Tisch?

Plötzlich sah ich eine Bewegung im Augenwinkel und als ich auf meinen Teller blickte, lagen dort zwei Scheiben frischen Brotes, eine mit einer hellgrünen Avocadocreme und die andere mit einem vegetarischen Aufstrich aus Paprika, Zwiebeln und Roter Beete. Irgendwie gerührt und dennoch nicht wirklich zufrieden sah ich Draco an, der nur kurz lachte. „So schlecht schmeckt es wirklich nicht. Aber du kannst auch gerne weiter hungern.“ Damit beugte er sich vor, umgriff sanft mein Kinn und gab mir einen zärtlichen Kuss.
 

Was soll ich sagen? Er weiß eben ganz genau, wie er mich um den Finger wickeln kann. Ich liebe diesen Mann und daran wird sich nichts ändern!
 

Meine Aufmerksamkeit wurde von Neville geweckt und da der Kuss nur ein flüchtiger, wenn auch sehr zärtlicher war, löste er sich schnell wieder. „Das ist jetzt nicht euer ernst, Lorcan! Lysander!“ Rief der Familienvater neben mir und ich suchte die beiden Zwillinge. Ein unterdrücktes Prusten konnte ich nicht verhindern. Da setzte der eine doch dem anderen eine der großen Schüsseln auf den Kopf und mit erstaunten Gesichtern sahen sie zu ihren Eltern. „Aber Papa, wir haben doch nur zwei Hände und so können wir viel mehr rein tragen.“ Erklärten sie beide in ernstem Ton und fügten dann noch hinzu. „In Afrika machen sie das auch so!“

Ich war froh, dass ich mich in diese Unterhaltung nicht einmischen musste. Ich würde immerhin noch meiner drei Jahre alten Tochter erklären müssen, dass sie nicht mit nach Brasilien in den Urwald konnte. Neville sah zu seiner Frau, die mit einem stolzen Lächeln meinte: „Ja, da habt ihr sehr gut aufgepasst!“ Damit zog sie ihren Zauberstarb und nach einer melodischen Formel und einem eleganten Schwung entstand unter der Schüssel ein weicher Ring, der breit genug war um fest auf dem Kopf zu sitzen und gleichzeitig die Schüssel zu halten. „So dürfte es besser gehen.“

Das Strahlen in diesen Kinderaugen war kaum zu übersehen. Ein wenig besorgt sah ich den beiden nach, als sie nur kurze Zeit später mit einer großen Schüssel auf dem Kopf und je zwei Tellern in den Händen zur Terrassentür wackelten. Es wirkte zwar sicher, stabil, aber es waren meine Schüsseln! Auch Neville wirkte nicht sonderlich glücklich, obwohl ich einen gewissen Stolz in seinen Augen erkannte. Warum die beiden Zwillinge so anders waren als ihre Eltern, erklärte sich deutlich an Lunas Verhalten. Sie förderte auf ihre naiv, aber selbstsichere Weise die ausgeprägten Charakterzüge ihrer Söhne.
 

Aus der Küche kam nur wenig später Rose zarte Stimme, die sich beinahe hysterisch überschlug. Wie immer spielte sie sich als fürsorgliche „große Schwester“ auf und erklärte den beiden, wie unverantwortlich sie sich verhielten. Ich rückte mit meinem Stuhl näher an Draco heran, der beinahe reflexartig den Arm hob und mich an sich zog. Vielleicht war es pathetisch oder eher übertrieben, aber aus dem Verlust meiner eigenen Familie hatte ich nun eine sehr, sehr große neue geschaffen. Ja, ich gestehe, es ist sehr selbstüberzeugt, aber das hier war meine Schuld. Ich war der Initiator dieser Grillfeiern, der Winterfeste und all der anderen Gründe, aus denen wir uns trafen. Heimlich war ich gespannt, wie unsere Kinder sich in Hogwarts machten. Außer Scorpius und Teddy gingen bisher keine auf die Schule. Allerdings würden nach den Zwillingen ein ganzer Schwung fest zusammen gewachsener Chaoten mit ganz eigenen Charakterzügen das Internat für Hexerei und Zauberei besuchen.

Ich beobachtete mit einem zufriedenen Lächeln, wie Teddy Lily aus dem Stuhl half und sie und Leon je eine gläserne, fast leere Salatsoßenflasche bekamen. „Seid langsam und vorsichtig. Wenn die Flaschen fallen, gehen sie kaputt.“ Ermahnt Scorpius die beiden, während er selbst einige Teller übereinander stapelte. Mit plötzlich erwachter Achtsamkeit wackelten die beiden um den großen Tisch und machten einen großen Schritt über die Türschwelle zum Wohnzimmer hinein.
 

Es war schön zu sehen, wie sie alle aufeinander achteten und aufpassten. Teddy grinsten, als Kathy die restlichen Teller nahm und dem blonden Slytherin schnellst möglichst folgte. „Ich seh schon, heute Abend krieg ich höchstens die Hängematte im Garten.“ Kommentierte er und Tonks stellte klar. „Heute Nacht hast du dein eigenes Bett Zuhause.“ Ihr Sohn sah sie nur kurz vielsagend an und verschwand dann auch im Haus. Der 12 Jährige ließ sich ungern etwas sagen und erstaunlicher Weise eher von seinem Vater als von seiner Mutter. Vielleicht war es der Wehrwolfanteil in Remus, der ihm zu mehr Respekt verhalf.

„So, so, mit euch ist das also etwas Festes?“ Kam plötzlich unerwartet von Hermine und auch Luna beugte sich vor. „Oh ja, ich will auch endlich mal Genaueres hören!“ Rief sie neugierig und Maggy blubberte vor sich hin. Ein erstauntes „Was?“ war die Antwort von Dylan, der so unverhofft angesprochen wurde. „Nein, nicht… ich meine, nun ja,… was versteht ihr unter „etwas Festes“?“ Erkundigte er sich zögerlich und der gut gebräunt Restaurant Kritiker wurde bis unter seinen schwarzen Haarschopf rot. „Normalerweise sprechen die Damen von diesem komischen, bei ihnen sehr beliebten Ding namens Beziehung, die normalerweise in einem glücklichen Moment den Status „verheiratet“ erlangt.“ Half Remus aus und nun wurde der arme Fremdling, der bisher nur flüchtig zu anderen Anlässen vorgestellt wurde, noch verlegener. Seine schönen, braunen Augen wurden groß, eine leichte Panik trat in die kantigen Gesichtszüge und er zog flach die Luft ein. „Ähm...“ Kam nur von ihm und Hermine ergriff wieder das Wort. „Du bist der erste „Freund“, den er je mit zu einem unserer „Familientreffen“ mitgebracht hat.“
 

Ihre Art das Wort Freund zu betonen ließe den großgewachsenen Mann noch mehr in sich zusammensinken und er schluckt laut. Offensichtlich war ihm das nicht bewusst gewesen. „Stimmt aber auffällig, du bist der erste.“ Gab nun auch Tonks von sich und blickte den Mann zu ihrer rechten interessiert an. „Das… das hat Blaise leicht anders ausgedrückt.“ Murmelte Dylan leise und Draco schmunzelt still vor sich hin. „Wie hat er es denn ausgedrückt?“ Half ich dem Verlegenen so gut ich konnte, bisher hatte er einen vernünftigen Eindruck auf mich gemacht.

„Oh, nun…“ Ein Räuspern folgte. „… er meinte, dass es nur ein ungezwungenes Essen wäre und es ganz normal wäre, dass hin und wieder neuen Gesichter dazu stießen.“ Offenbar war das der Moment, an dem die anwesenden Damen inklusive Draco scharf die Luft einsogen und ein leises Gemurmel anstimmten. Ron, Neville und Remus waren ebenso verwirrt wie Dylan und ich. „Offensichtlich wollte er dir keine Angst einjagen, indem er dir nicht gleich den vollen Umfang deiner Anwesenheit hier verdeutlicht.“ Begann Draco wie immer diplomatisch und bei dem nun besorgten Blick war es Tonks, die auf ihre ewig charmante Weise dazwischen grätschte. „Wenn er dich hier mit her nimmt, bedeutest du ihm verdammt viel und er kann sich vorstellen, den Rest seines Lebens mit dir zu verbringen. Sieh es als Probe an, ob du mit diesem verrückten Haufen zurechtkommst. Das hier ist seine Familie, wenn du es mit uns nicht aushältst, dann hat er ein ziemliches Problem. Im schlimmsten Fall müsste er sich zwischen uns und dir entscheiden.“ Diese Aussage saß erschreckend und in diesen wundervollen Augen brach aus der bisher gezügelten Besorgnis und der aufschäumenden Verlegenheit die pure, blanke Angst heraus.

Natürlich war das übertrieben. Blaise war uns allen wichtig, wichtig genug, um viele Kompromisse für sein Glück einzugehen. Dylan musste aber keiner von ihnen sein. Er war der erste Freund, den Blaise uns vorstellte, also vertraute er ihm so sehr, dass er ihn zu einem Teil dieser chaotischen Bande machen wollte.
 

Anscheinend waren die bisherigen Erfahrungen, zu denen ich mich selbst mitzählen durfte, nicht gerade berauschend und vertrauensförderlich gewesen. Blaise hatte in den letzten Jahren niemandem mehr wirklich sein Herz geöffnet, Anwesende ausgelassen, dafür hin und wieder die Tür und das Bett. Florian hatte er uns zumindest vorgestellt, bevor er ihn halb aus dem Restaurant warf, weil wir kamen. Ich erinnerte mich aber nicht, ihn je wieder gesehen zu haben.

„Lass dir nichts einreden, Tonks übertreibt mal wieder maßlos.“ Meinte Ron mit seiner freundlichen Art und verzog das Gesicht, als die angesprochene die Augen verengte und die Farbe ihrer Haare einen dunklen Ton annahmen. „Nun, grundsätzlich hat sie damit ja nicht Unrecht.“ Begann Draco an meiner Seite, der sich entspannt zurück gelehnt hatte. „Die Frage nach der Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall die wichtige. Du machst bisher einen vernünftigen Eindruck und keiner hier würde sich bewusst zwischen Blaise und sein Glück stellen. Anders ausgedrückt, solange du ihn glücklich machst, musst du uns nicht unbedingt gefallen.“

Noch immer wirkte der an sich groß gewachsene Dylan verschüchtert, eine gewisse Spur des Entsetzens zeichnete sein kantiges Gesicht. Auch hatte er sich leicht in seinen Stuhl gekauert, obwohl er mit aller Willensstärke Haltung zu bewahren versuchte. „Ok, offenbar bin ich der einzige, der ein einfaches Essen erwartet hat!“ Gab er nun abwehrend von sich und hob die Hände. „Vielleicht sollte ich…“ Doch weiter kam er nicht, es waren Scorpius und Teddy, die an der Tür lauschend den Satz unterbrachen. „Vergiss es!“ Kommentierte der Slytherin und nur kurz darauf landete ein ganzer Stapel an Tellern vor ihm und der schlanke 17 Jährige wirkte herablassend verstimmt.
 

„Lass dich von Tonks einschüchtern und ich filetiere dich, um dich dann Häppchenweise an Teddys Ratte zu verfüttern!“ Erstaunt sahen die braunen Augen nun zu dem Schüler auf, der offensichtlich alles mit angehört hatte. „Was erwartest du in dieser Runde? Was erwartest du bei einem Mann wie Blaise? Dass wir alle liebevoll und zurückhaltend sind? Dass wir dich pudern und wickeln wie einen Säugling? Reiß dich gefälligst zusammen und klär das mit deinem Schnuckelchen später. Aber ich trage hier doch sicher nicht alles raus, nur damit du jetzt auf und davon bist!“

Oh, da war er wieder! Obwohl Scorpius nicht einmal seinen Schulabschluss besaß, verstand er es auf eindrucksvolle Weise einzuschüchtern, wobei er diesen bekannten, vertrauten malfoyschen Ton hatte, der einem unter die Haut ging. „Zur Strafe darfst du die Teller verteilen!“ Damit drehte er sich um und ging an einem breit grinsenden Teddy vorbei zurück ins Haus. Der 12 Jährige konnte sich das Feixen kaum verkneifen und mit einem vielsagenden Blick packte er auch noch einen Haufen Teelöffel und Kuchengabeln auf den Stapel oben drauf. „Sei froh, dass er nicht sauer auf dich ist!“ Meinte er mit einem Zwinkern und drehte sich dann wieder um. Kathy stand verwirrt mit einigen großen Löffeln und Kuchenschiebern in der Hand in der Tür und wurde sanft von Teddy zur Seite geschoben.
 

„Was habe ich jetzt schon wieder verpasst?“ Fragte sie verwirrt und wich den Zwillingen aus, die mit großen Tellern durch die Tür wollten. Wunderbarste Kuchenstücke, jedes einzelne eine Augenweide, tummelten sich auf den runden Platten. Sie waren mit Obst und feinen Streifen schwarzer und weißer Schokolade verziert und besaßen unterschiedliche Schichten kleiner Sünden. Einige von ihnen waren sogar mit einem kleinen Hauch Sahne versehen, wenige von ihnen wurden mit kleinen Waffelstückchen geziert. „Nur eine kleine Verstimmung.“ Grinste Teddy und folgte seinem besten Freund. „Oh...“ Gab Sie von sich und betrachtete fragend den Stapel Geschirr vor Dylan. Mit einem Schulterzucken packte sie auch noch ihres dazu und drehte sich verwundert um auf der Suche nach Antworten.

Während sie das Haus wieder betrat, kam das Gewusel erst richtig in Schwung. Dylan saß noch immer mit hochrotem Kopf auf seinem Platz und wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Rose war die erste, die mit einer Schüssel Tiramisu zum Tisch kam, ihr folgte wie eine Entenschar erst ihr jüngerer Bruder Hugo und dann Lily. Mit einem Lächeln beugte ich mich zu meiner kleinen Tochter herunter und wollte ihr die gläserne Flasche mit Vanillesoße, von der auch Hugo eine trug, abnehmen. Ihr kindliches Strahlen war über das gesamte, runde Gesicht verbreitet und ich war mir sicher, dass sie ein glückliches Kind war. Manchmal machte ich mir schon sorgen, ob ich alles tat, ob ich wirklich ein guter Vater war, aber ein Blick in ihre wunderschönen grünen Augen und das ewige Lachen rückten mir oft den Kopf wieder zurecht.
 

Ein Klirren aus der Küche ließ uns alle zusammenfahren und dann ertönte eine Stimme aus dem Haus. „DU HAST WAS GETAN?“ Erstaunt drehte sich wirklich jeder am Tisch zur Tür hin, als sich Blaise Stimme beinahe überschlug.

„Hätte ich den Kerl gehen lassen sollen? Außerdem habe ich nicht damit angefangen!“ Konterte Scorpius deutlich zu verstehen und dann erst schien auch Kathy, die ebenfalls bei den Jungen war, zu begreifen. „Warte, Dylan und du seid ein Paar?“

Es war erschreckend, wie wenig Teddy manchmal an einen 12 Jährigen erinnerte und mit einem beinahe unverschämten Ton in der Stimme meinte er dreist. „Na ja, die Kiste teilen sie sich miteinander und da er der erste ist, von dem Namen und Gesicht bekannt sind…“ Sein bester Freund ergänzte den nicht zu Ende gesprochenen Satz und fügte hämisch Blaise gegenüber hinzu. „… und du ihn nicht nur flach gelegt hast und er dann in der Versenkung verschwand…“ Doch auch er ließ seinen Satz unvollendet.

„Bei Merlins verrottenden Kochen! Das ist jetzt nicht euer ernst!“ In Blaise Stimme klang ein Unterton mit, der eine gute Portion Mitleid in mir wachrüttelte. Mein Blick fiel zu Dylan, der nun gar nicht mehr wusste, was er tun sollte. Wie ein unerwarteter Ruck verkrampften sich seine Finger um die Stuhllehne und er wollte offenbar aufstehen. „Sitzen bleiben! Weglaufen ist nicht!“ Knurrte plötzlich Tonks und ihr Blick sagte mehr als jedes weitere Wort hätte ausdrücken können.

„Was denn? Geh raus und klär das mit ihm! Können wir ja nicht wissen, dass du ihn belügst!“ Meinte Teddy mit einem Zug in der Stimme, der mein Mitleid für Blaise noch weiter stärkte. „Ich denke nicht, dass er das tun wird! Mal ehrlich, dafür fehlen ihm die Stunden Vorbereitung und der Mut!“ Kommentierte nun der blonde Slytherin und kurz darauf erklang ein Geräusch, dass ich nicht einordnen konnte.

„UND WAS SOLL ICH IHM BITTE SAGEN?“ Fuhr ihn nun Blaise an, der sichtlich mit seinen Nerven am Ende war. „Wie wäre es mit der Wahrheit? Nur mal so als Idee!“ Kam nun doch angefahren von Scorpius zurück, der offenbar kein Blatt vor den Mund nahm. „Du hattest Schiss ihm zu sagen, dass du eine ziemlich chaotische, verrückte und meistens unausstehliche Familie hast, die rücksichtslos und grausam sein kann?“
 

Ein Schweigen trat ein und ich hatte Lily mittlerweile auf meinen Arm genommen. Hugo sah seinen Vater fragend an, in dessen Armen er kuschelte. Keiner am Tisch sagte etwas, doch jedem konnte man seine Gedanken klar ansehen. Es war Draco, der sich gerade erheben wollte, irgendjemand musste die Situation ja klären. Allerdings machte Scorpius seinem Namen in jeder Hinsicht Ehre. Er war ebenso angriffslustig und Umsetzungsstrak wie sein Vorname und ebenso durchtrieben und rücksichtslos wie sein Familienname es als Tradition bevorzugte.

„Bei allen verdorbenen Tränken dieser Welt, das kann ich mir wirklich nicht länger mit ansehen!“ Knurrte er plötzlich und wir hörten seine Schritte näher kommen. „Hilfst du mir?“ Fragte er noch und Teddy gab ein knappes „Jupp.“ von sich. Erstaunt blickten wir die beiden an und mit verschränkten Armen baute sich der blonde Slytherin vor Dylan auf. Er wirkte nicht verspannt, eher wie ein angriffslustiger Skorpion, der seinen giftigen Stachel bereit hielt, um ihn im Falle eines Ungehorsams einzusetzen. Teddy flankierte auf der Position zwischen seiner Mutter und dem Kritiker den hinteren Teil und somit den Fluchtweg. Der 12 Jährige hatte eine schlanke, nicht sonderlich muskulöse Figur, die jedoch eine gewisse Größe beinhaltete. Seine Haare hatten nun einen dunklen, schwarzen Ton angenommen, die Augen leuchteten gefährlich rot.

„Ich nehme meine Worte teilweise zurück. Kläre es JETZT!“ Gab Scorpius von sich und hatte dabei den malfoyschen Ton bis zur Perfektion getrieben. Es war dieser Zusatz, der einem direkt unter die Haut ging. „Sofort!“

Doch da eilte Blaise ihnen schon nach und ein leises Kichern folgte ihm. Offenbar hatten die Zwillinge die Küchentür zum Lauschen genutzt. „Was bitte soll das werden, Scorpius?“ Fragte der Koch aufgebracht, dem die rote Färbung seiner Wangen trotz der dunklen Hautfarbe anzusehen war. Ein Blick zu dem Mann, der noch immer unschlüssig und verlegen war, nahm ihm jedoch diese aufbrausende Art wieder.
 

Der 17 Jährige verschränkte nur erneut elegant die Arme vor der Brust und meinte süffisant. „Hm, such es dir aus. Entweder bügel ich deine Fehler und Lügen aus oder ich quäle dich nur ein Bisschen. Was dir lieber ist.“ Nun kam sogar in Dylan ein Sturm an Leben zurück, ein Ruck ging durch seinen Körper und mit einem einzigen, kraftvollen Schwung erhob er sich, um sich vor dem jungen Slytherin aufzubauen. „Du nimmst deinen Mund ganz schön voll!“

Die Reaktionen am Tisch waren gänzlich unterschiedlicher Natur. Während Ron anscheinend Mitleid mit Blaise hatte und sich über die nun bestehende Bedrohung des deutlich vorlauten Slytherin freute, wirkte Hermine besorgt und aufgebracht. Draco hingegen schien mit aller Fassung seinen Stolz verbergen zu wollen, der dieser forschen Art gegenüber in ihm aufschwemmte. Ich hingegen dachte direkt an den Vorfall im Ministerium, der selbst mir das Blut in den Adern hatte gefrieren lassen. Manchmal vergaß ich, dass Draco zwar „wieder ganz“ war, aber noch immer zwischen den Extremen seiner Persönlichkeit wankte. Ein gutes, halbes Jahr hatte er sich von seinem „Erzfeind“ im Ministerium bloß stellen lassen und dann hatte er ihn eiskalt abserviert, ihm auf so hinterhältige, absolut malfoysche Art alles genommen, was dieser Mann als sein Eigen bezeichnete. Mitten in der großen Empfangshallte hatte er den Abteilungsleiter wie eine kleine Made unter seinem Schuh zertreten und mir wurde klar, dass Draco Malfoy der einzige Mensch auf der Welt war, der ernsthaft an einem solchen Ort aussprechen konnte, dass er über die Vor- und Nachteile des zugefügten Todes durch DEN verbotenen Todesfluch nachgedacht hätte.

Nachdem er all seine Trümpfe ausgespielt und den Mann vorgeführt hatte, meinte er mit diesem engelsgleichen Unschuldslächeln. „So, nun muss ich aber los. Ich lasse sicher keine Dame warten wie Natalie Dessay, die in wenigen Stunden ihre hinreißende Stimme in den Räumen des Royal Opera House erklingen lassen wird. Außerdem will ich ungern wirklich wichtige Personen wie meine Mutter wegen solch Nichtigkeiten unnütz an meiner Pünktlichkeit zweifeln lassen.“ Mit „Nichtigkeit“ war ohne Zweifel der Mann gemeint, der nun alles verloren hatte, was ihm je als das Eigen erschien. Arbeit, Familie, Ruf… und seine Zukunft.
 

„Dann klären wir das sicher nicht hier!“ Erstaunt blinzelte ich, waren meine Gedanken so weit abgeschweift? Was war heute nur mit mir los, dass ich immer wieder in Träumen und Erinnerungen versank?

„Wir haben eine große Küche, in der sowieso aufgeräumt werden muss.“ Innerlich fragte ich mich, ob Scorpius wirklich keine Angst hatte. Nach außen hin zeigte er nur seine hochnäsig Art, ließ sich nicht einschüchtern. Situationen wie heute Morgen waren selten, er öffnete sich kaum jemandem gegenüber und Draco und Teddy wussten am ehesten, wie es um sein Herz stand. Ich konnte nur vermuten, dass er innerlich doch eine gewisse Sorge hatte, da Dylan einen guten Kopf größer war.

Der Blick, den der blonde Slytherin von dem Kritiker bekam, war vernichtend. Doch wie immer wirkte der 17 Jährige gelassen. Schweigend griff Dylan nach der Hand seines Partners, der zerknirscht und verlegen wirkte. Ohne den anderen noch einen Blick zuzuwerfen, schob der großgewachsene Mann den Koch vor sich her durch die Tür ins Wohnzimmer.
 

„Ist das dein Ernst?“ Kam nun beinahe synchron von Ron, Remus und Neville. „Blaise ist noch immer unser Freund!“ Fuhr Hermine ihn an und dann zog Scorpius auf diese typische Weise die Augenbraue in die Höhe. „Denkst du, dass er mir weniger wert ist? Oder hast du die Tatsache außer Acht gelassen, dass ihre Beziehung deswegen so gut funktioniert, weil Dylan ihn beschützt und Blaise sich von ihm beschützen lässt?“

Das Hermine und auch Tonks protestieren wollten, sah man beiden an, doch mit einem ungnädigen Ausdruck schwiegen sie. Wie immer hatte der junge Slyterin präzise erkannt, wo das Problem oder hier eher die Stärke lag. Offensichtlich ließ Blaise sich von ihm beschützen. „Ich für meinen Teil will wissen, wie es da weiter geht.“ Kam nun von Neville und er hob seinen Zauberstarb. Nach einem interessanten Zauber und einer wenig eleganten Bewegung hörten wir vorerst nichts. Angespannt lauschten wir, obwohl besonders Hermine nicht damit glücklich war. Tonks hingegen war ihre Neugierde anzusehen. Da aber nichts zu hören war, dem wir verbotener Weise lauschen konnten, dachte der Zauberer schon, einen Fehler gemacht zu haben. Bis wir Blaise Räuspern hörten.
 

„Wie lange willst du mich denn noch fest halten?“ Kam seine zögerliche Frage und mit einem unerwarteten Schmunzeln in der Stimme antwortete der Kritiker. „Bis du aufhörst zu zittern?“
 

„Dann kannst du wohl noch lange warten.“ In diesen Worten klang eine Mischung aus Resignation und Wut mit, die wir so alle noch nicht bei ihm gehört hatten.

„Oh, ich bin da sehr optimistisch eingestellt. Außerdem denke ich nicht, dass wir uns beeilen müssen. Die gefräßige Bande da draußen hat ihren Nachtisch schon!“
 

Ein Schmunzeln.
 

„Wollen wir einfach ganz langsam und in Ruhe anfangen?“
 

Wir hörten außer der Frage keine Reaktion von Blaise, doch dann sprach Dylan weiter. Wahrscheinlich hatte der ehemalige Slytherin genickt.
 

„Du hast keinem von denen da draußen erzählt, dass wir seit vier Monaten ein Paar sind oder?“
 

Wieder mussten wir uns die Reaktion nur denken, aber diese Antwort kannten wir schon.
 

„Das klang eben so, als hättest du ihnen noch keinen einzigen Freund vorgestellt.“
 

Langsam wurde die Anspannung bei uns am Tisch spürbar. Wieder verständigte sich der Dunkelhäutige Koch nonverbal.
 

„Gab es denn schon einen vor mir, denn du ihnen hättest vorstellen können?“
 

„Definierst du da einen Zeitraum?“
 

„Ähm… ok… wie darf ich das jetzt verstehen?“
 

Wieder dauerte es lange, bis das Gespräch weiter ging.
 

„Ich hatte während dem Anfang meiner Ausbildung einen Freund, der mich jedoch betrogen hat und danach bin ich abgehauen. Alle anderen Beziehungsversuche haben sich eher als… sagen wir mal, dass ich mir häufig die Finger verbrannt habe. Als ich wieder zurück kam, habe ich mich deswegen auf niemanden eingelassen. … Na ja, außer auf dich natürlich!“
 

Das Schmunzeln klang mit und gab mir und offensichtlich auch den anderen ein erleichtertes Gefühl.
 

„Ok, das kann ich gut verstehen. Da wäre ich auch vorsichtig. Was ich gerade nicht verstehe, du meintest „während der Ausbildung“, aber ich dachte, dass du deine Kochausbildung auf Reisen absolviert hättest.“
 

„Na ja, das war ja nach der Sache mit Harry. Ich…“ Doch weiter kam er nicht. Das folgende Schweigen ließ uns alle nichts Gutes ahnen. Nach einer unerträglichen Zeit, in der ich Lily noch einen der Kekse gab, die in zwei großen Schalen auf den Tisch standen, nahm Blaise das Gespräch wieder auf.
 

„Ähm… ja… ich… ich hatte in der Schulzeit etwas mit Draco am Laufen und als er damals verschwand… na ja,… da haben… da hat sich dann mit Harry etwas ergeben.“
 

Dylan sog so scharf die Luft ein, dass uns allen das Blut in den Andern gefror.

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich! Teil 3

29. Kapitel

Lass dich… ach verdammt, sei einfach glücklich! Teil 3
 

Lange herrschte Schweigen zwischen den beiden. Es kam erst wieder eine Art Leben in ihr Gespräch, als Dylan die rechte Hand hob, um sich am Hinterkopf zu kratzen. „Tee?“ War seine einzige Frage und mit einem erstaunten Blick sahen die braunen Augen des dunkelhäutigen Koches zu ihm hinüber. Blaise lehnte an der Arbeitsplatte der Tür gegenüber, von der nicht weit entfernt Dylan stand. „Ähm… ja…“ Kam nun von dem Sprachlosen und erstaunt beobachtete er den Mann, den er liebte, dabei, wie dieser nach dem kleinen Kochtopf griff, der noch auf dem Herd stand und mit einer dünnen Schicht Wasser gefüllt war. Er spülte ihn aus und füllte ihn neu, um ihn dann auf die gleiche Stelle zurück zu setzen.

Noch immer herrschte eine Stille in der Küche, welche zwar nicht unordentlich, aber voll belegt wirkte. Dutzende von nun leeren Platten, ihre Abdeckungen, Dosen und Behältnisse tummelten sich auf den freien Plätzen und auf dem Tisch sammelten sich die benutzten Teller und Schalen, die eben hinein getragen wurden.

Nicht lange und Dylan hatte auch zwei Becher herausgenommen, anscheinend hatte sein Helfen vorhin in der Küche den neugierigen Kritiker in die einfachen Geheimnisse dieser Küche eingeweiht. Es war Blaise, der aus seiner Starre erwachte, den Tee aus einem der Schränke nahm. Sie waren alle ordentlich eingeräumt und sauber. Anscheinend gab sich jemand viel Mühe, um diese Ordnung aufrecht zu erhalten.
 

„Ist das wirklich dein Ernst?“ Fragte Blaise leise, als er die gefüllten Beutel in die Becher fallen ließ. Doch die Reaktion blieb zuerst aus. Das kantige Gesicht wendete sich nur stumm seinem Partner zu und die mit unzähligen Gefühlen gefüllten Augen fixierten ihn. „Ja. Alles andere kommt mir noch dümmer vor.“ Antwortete der Kritiker mit ruhiger, gedämpfter Stimme.

Wieder breitete sich die Lautlosigkeit aus, während sie angespannt auf den Tee warteten. Das stetige Ticken der Küchenuhr erzeugte dabei eine unangenehme, kalte Atmosphäre. Es lag etwas Lauerndes in der Luft. Nun begann der lieblich herbe Duft aus dem dampfenden Wasser aufzusteigen und sorgte für eine minimale Entspannung. „Irgendwie ist es immer Tee.“ Meinte der Koch leise, seine braunen Augen beobachteten die durchsichtigen Wölkchen, welche aus dem Becher stiegen. Irgendwie griffen sie alle immer zu einer guten Tasse Tee, wenn Ärger in der Luft lag und sie sich aussprechen wollten. Jeder zog an seinem Teebeutel und nachdem die Flüssigkeit zur Genüge wieder aus den losen Blättern hinter dem leichten Papier geflossen war, ließen sie beide die kleinen Pakete in die Spüle fallen.

„Setzten wir uns hin, wenn wir noch einen halbwegs freien Platz finden.“ Meinte der großgewachsene Mann und griff nach seiner blauen Tasse. Die andere hatte ironischer Weise einen roten Farbton und trug das Wappen der Gryffindors. Es war Harrys Tasse, die er sich allein nur zum Ärgern für Draco gekauft hatte und immer so stellte, dass dieser das schöne Zeichen des Hauses erblicken konnte. Draco hatte vehement behauptet, dass er sich auf keinen Fall auf diesen dummen Streich einlassen würde und weigerte sich eine passende grüne Tasse zu kaufen.
 

Die hintere Ecke des Esstisches war noch frei und so setzten sie sich so, dass sie einander in die Augen sehen konnten. Noch einmal tief durchatmend begann Dylan wieder zu spreche. „Ich weiß, dass du in solchen Gesprächen grauenhaft bist, wenn du nicht vorher alles bis ins kleinste Detail nachgestellt hast. Normalerweise würde ich dir auch all die Zeit geben, die du brauchst, aber in absehbarer Zeit werde ich da wieder raus gehen müssen und den beiden ins Gesicht sehen. Also wüsste ich schon ganz gerne, was da nun genau war oder was auch nicht.“

Zerknirscht nickte der Dunkelhäutige, obwohl er den sanften Ton in der Stimme deutlich gehört hatte. „Ja, das verstehe ich gut.“ Murmelte er noch immer verlegen und verwirrt, nicht in der Lage seine Gedanken zu ordnen. „Hilft es dir, wenn wir ganz vorne anfangen?“ Fragte Dylan vorsichtig nach und als die braunen Augen zu ihm aufsahen, musste er einfach schmunzeln. „Ganz vorne, am Anfang, ganz am Anfang.“ Neckte er ihn und mit einem tiefen Einatmen durch den Mund, breitete sich doch ein leichtes Lächeln auf den Lippen des ehemaligen Slytherins aus.

„Vielleicht, ja, vielleicht hilft das. Du weißt ja, dass Draco und ich uns seit Kindertagen kennen und als wir nach Hogwarts kamen, schon lange befreundet waren. Wir landeten wie zu erwarten im gleichen Haus, in Slytherin, während Harry ein Gryffindor wurde. Zwischen ihm und Draco entstand bald eine Feindschaft, die mir mehr oder weniger egal war. Ich mochte es jedoch gerne, ihn ebenfalls etwas zu triezen und zu ärgern. Na ja, auf jeden Fall kamen wir irgendwann an den Punkt, an dem wir Interesse für Frauen entwickelten oder sagen wir eher, für die Leidenschaft.“ Dylan nahm einen Schluck von seinem Tee und stieß ein unterdrücktes Lachen aus, welches sich in einem kräftigen Ausatmen durch die Nase manifestierte. Schmunzelnd versank sein Blick in dem Becher und nachdem die heiße Flüssigkeit seinen Rachen hinunter gelaufen war, setzte er den Becher wieder ab, hielt ihn aber weiterhin in Händen.
 

„Es war nicht leicht für uns, keiner wollte sich bei seinem ersten Kuss blamieren. Also musste ein Weg her, wie wir ohne Angst üben konnten. Klar, dass da bald der einzige Weg gefunden wurde, denn wir hatten und so begannen die ersten Versuche zwischen uns.“ Selbst durch die dunkle Hautfarbe konnte man Blaise die rote Verlegenheit auf den Wangen ansehen. Er schämte sich für damals. „Tja, du kannst dir sicher vorstellen, wie das weiter ging.“ Seine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, nur flüchtig wagte er einen Blick in Dylans Gesicht.

Wieder trat eine unangenehme Stille ein, die keiner zu brechen wagte. Erst nach dem dritten Schlucken sprach der Koch weiter. „Während sich Draco auf das Liebesfeld der Frauen begab, Begriff ich so langsam, dass ich da sehr unaufgeschlossen bin. Ich empfand nichts Berauschendes, keine Freude, keine Hinzuziehen zu ihnen. Draco hingegen machte mich wahnsinnig. Allein ein Gedanke an die gemeinsamen Nächte brachte mich um den Verstand. Es dauerte dennoch eine Weile, bis mir die Bedeutung dieser Situation bewusst wurde. Ich, als Slytherin, als reinblütiger Zauberer sollte mich dem gleichen Geschlecht hingezogen fühlen?“ Wieder brach er ab, schwieg einen Moment. „Dazu kam auch noch der Fakt, dass ich mich in meinen besten Freund verliebt hatte.“
 

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Erstaunt blinzelte der blonde Zauberer, der plötzlich ein Detail erfuhr, welches ihm bis dato völlig unbekannt war. Draco war bewusst, dass nun alle Augen auf ihn gerichtet waren. Erstaunt blickte er auf und sah die tiefgrünen Augen des Mannes, den er liebte. „Nein, ich habe wirklich keine Ahnung davon gehabt!“ Gab er selbst mit einem seicht klingenden Ton der Überraschung von sich.

Mit einem leichten Grinsen beugte sich Harry zu seinem Mann hinüber und stahl ihm einen flüchtigen Kuss. „Glaub mir, ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlst!“ Meinte er leise und wurde von Lily unterbrochen, die vor Freude quietschte. Sie mochte es immer, wenn sich die beiden Männer küssten. Es schien beinahe so, als könnte sie das dadurch entstehende Glück spüren.

Teddy hingegen wurde das alles zu bunt. Er stand mit einer hektischen Bewegung auf, seine sonnengebräunten Wangen glühten leicht und er sprach die Zwillinge an. „Kommt, wir spielen noch eine Runde Fußball, die Erwachsenen werden schon den Nachtisch nicht aufessen.“ Meinte er und sah auch den kleinen Hugo an, der vor Begeisterung strahlte. „Ja!!!“ Kam wie im Chor von den dreien und auch Rose sprang sofort auf. „Ihr braucht auf jeden Fall einen Schiedsrichter!“ Bestimmte sie und war ebenso froh den Tisch verlassen zu können.
 

Erst jetzt wurde Hermine bewusst, dass dieses Gespräch vielleicht nicht für Kinderohren bestimmt war. Verlegen nickte sie und Ron machte ein leicht dümmliches Gesicht, als müsste er die Situation erst verstehen. Offenbar war es keine so gute Idee die beiden Männer in der Küche zu belauschen. Tonks sah das wie immer gelassen, sie setzte nur ein vielsagendes Grinsen auf, als ihr Sohn die Flucht ergriff, während ihr Mann leicht verlegen wirkte.

„Ich komme mit.“ Entschied Kathy und erhob sich ebenso vom Tisch. Nur Scorpius meinte kurz, dass er sich das nicht entgehen lassen würde und griff nach einigen Keksen, bevor er sich auf Dylans leeren Platz setzte. Mit spitzen Ohren lauschte er weiter und die übermäßige Freude konnte er nicht verbergen.

„Wie meinst du das?“ Wollte Draco wissen, doch Harry hatte sich schon seiner Tochter zugewendet. Diese hatte den großen Kopf in den Nacken gelegt und versuchte mit den grünen Augen zu ihrem Vater aufzublicken. Dieser beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, woraufhin die Kleine die Augen zusammen kniff und einen lauten, freudigen Schrei ausstieß.

„Wenn ich nicht aufpasse, wirst du noch rund wie ein Schneemann!“ Murmelte er ihr lieb zu und Lily antwortete voller Glück. „Wie ein Schneeeeeeeeeeemann!“ Niemand bezweifelte, dass die Kleine nicht ausreichend geliebt wurde oder ihr eine Gefahr bei den beiden Männern drohte. Nun, Hermine schmunzelte, noch immer wegen ihrer letzten Erkenntnis leicht errötet, denn die größte Gefahr, in der Lily Sophia Potter schwebte, war ihr Gewicht! „Wie ein Schneemann!“ Rief die Dreijährige noch einmal und gänzlich unerwartet blubberte nun auch Maggy. „Scheeeeemaaaaaa.“ Anscheinend bestand eine seltsame Verbindung zwischen der zweijährigen und Harrys Tochter Lily. Hugo kletterte mit der Hilfe seines Vaters von dessen Schoß und Ron lächelte zufrieden, als er seinen Sohn den anderen hinterher rennen sah.
 

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„Ich verkürze die Geschichte einmal etwas und lasse den unsittlichen Teil und die Selbstfindung heraus. Sicher kannst du dir gut genug vorstellen, wie das alles war. Zumindest kam es zwischen mir und Draco zu einigen intimen Momenten. Ich bin immer davon ausgegangen, dass dies unser Geheimnis wäre und er später eine Frau heiraten würde. Darum habe ich ihm niemals etwas von meinen Gefühlen erzählt und das werde ich auch sicher nicht freiwillig tun!“ Sprach nun Blaise weiter und langsam wirkte er lockerer.

„Du hast deinem besten Freund nie erzählt, dass du in ihn verliebt warst? Ist das dein Ernst?“ Fragte Dylan erstaunt und schüttelte den Kopf. Er nahm noch einen Schluck seines Tees und sah seinen Freund ungläubig an. „Nein, es hätte die Situation nie zum Besseren verändert und es gab keinen Grund, warum ich ihn mit meinen Sorgen hätte belasten sollen. Zumindest begann Dracos Interesse an Harry zu wachsen und zu der Zeit empfand ich keinerlei Liebesgefühle für ihn.“ Offenbar wollte Blaise dieses Thema überspringen und der Kritiker ließ es zu. Diese Situation war für den Koch schon schwierig genug. Er wusste genau, dass Diskussionen mit Blaise nur dann Früchte trugen, wenn er seine Vorbereitungszeit hatte. Diese Fehlte ihm heute.

„Der in dieser Geschichte wichtige Punkt ist nur, dass Draco plötzlich verschwand und nach ihm alles chaotisch wurde. Unser Direktor wurde angeblich getötet, Snape übernahm die Leitung unserer Schule und dann brach ein Kampf mitten auf dem Schulhof aus. Nach dem Untergang der dunklen Legion erwartete ich Dracos Rückkehr, doch er kam nie. Mit ihm ebenso ein großer Anteil der Slytherin und ich war unerwartet allein.“ Die Röte schoss erneut in die Wangen des Mannes und er räusperte sich, bevor er einen Schluck Tee nahm. „Allein im Bett…“ Murmelte er leise und machte damit deutlich, dass es ihm ganz besonders um eine Gestaltungsart seiner Freizeit ging.
 

„Da meine Möglichkeiten begrenz waren, versuchte ich herauszufinden, wie Harry zu der Geschichte stand. Ich ging nicht davon aus, dass Draco ihn nicht ins Bett bekommen hatte. Sagen wir mal so, dieser Mann weiß, wie er dich bekommt. Ich gestehe, dass im Nachhinein betrachtet, seine Methode wirklich fies war.“ Blaise blickte weiter in seinen Tee und erinnerte sich an das Gespräch mit Harry, in dem ihm der Schwarzhaarige erzählt hatte, wie er und der Slytherin die erste Nacht miteinander verbrachten. „Jetzt hast du mich neugierig gemacht.“ Gestand Dylan, doch der Koch schüttelte nur seinen Kopf. „Es brennt mir zwar auf der Zunge, aber das musst du ihn selbst fragen. Oder eher sie. Die beiden sind meine besten Freunde, dieses Geheimnis müssen sie dir erzählen, wenn es ihnen passt. Mir wäre es unendlich peinlich irgendjemandem davon zu erzählen.“

Missgelaunt leckte sich Dylan über seine breiten Lippen und lehnte sich etwas zurück. „Jetzt bin ich wirklich neugierig! Ich wüsste sehr gerne, was da geschehen ist. Ich meine, was kann denn da schon so schlimmes passiert sein? Haben sie sich betrunken wegen einer dummen Wette aufeinander eingelassen?“ Doch die dunklen Augen sahen ihn nur tadelnd an. „Das wäre ja wenigstens witzig!“ Kommentierte Blaise und der Kritiker verengte die Augenbrauen. „Hat Draco Harry verzaubert, dass es ihnen so peinlich ist?“
 

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Nun wurde Scorpius wirklich aufmerksam und mit einem vielsagenden Blick fixierte er die beiden, mit denen er nun seit einigen Jahren sein Leben teilte. Harry wurde so dunkel auf den Wangen, dass ihm die Luft wegblieb und er konnte nur hoffen, dass Blaise die Klappe hielt. Auch Draco wirkte verlegen, mittlerweile war ihm die Sache von damals doch recht unangenehm. Wer gestand schon, dass er seinen Partner unter Einfluss eines Zaubertrankes willig gemacht hatte?

„Er ist verdammt treffsicher.“ Brummte Ron und Harry sah erschrocken zu ihm auf. Lily saß noch immer auf seinem Schoß und knabberte an einem Keks, während der Schwarzhaarige bis unter seinen Ansatz dunkel anlief. Sein Herz sprang ihm beinahe aus der Brust, als er seinen besten Freund entsetzt anstarrte. Ron erwiderte den Blick verlegen und rechtfertigte sich sofort. „Was denn? Neville und Luna wissen es schon und Tonks auch.“

„WAS?“ Entkam es sowohl dem ehemaligen Slytherin, wie auch dem Auror direkt daneben. Der Familienvater auf der rechten Seite neben Harry wurde verlegen und meinte leise. „Nun, vielleicht hat Ron da mal etwas fallen lassen.“ Luna hingegen wirkte deutlich gelassener, als sie sich vorbeugte und Harry ins Gesicht sagte. „Was erwartest du? Ihr hab ja nie etwas erzählt, also haben wir Hermine so lange bestochen, bis sie mit der Wahrheit raus gerückt ist.“ Gestand sie nun und wurde dabei nicht einmal rot.
 

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„Ok, wie schlimm ist es auf einer Skala von 1 bis 5?“ Fragte Dylan nun nach, da sein Freund keine Antwort gab. „Fünf!“ Kam direkt von Blaise und wieder schien der Kritiker zu überlegen. „Er hat ihn nicht verzaubert?“ Das Drucksen des anderen ließ ihn ahnen, dass er auf der richtigen Fährte war. „Also war es ein Zaubertrank!“ Kam nun der nächste Vorschlag und das bedrückte, ertappte Gesicht machte deutlich, dass er die Antwort gefunden hatte.

„Draco hat Harry damals mit einem Zaubertrank verführt, der wirklich übel ist?“ Bohrte er nach und dann erhob sich Blaise plötzlich. „Ich habe dir gesagt, dass du sie selbst fragen musst. Ich werde es dir nicht verraten!“ Dylan grinste nun breit und trank den Rest in seinem Becher. „Tust du ja auch nicht. Ich kenne dich nun schon seit über einem Jahr und wenn du verlegen bist, kannst du nicht lügen! Nicht, dass du nicht in der Lage wärest, mich von vorne bis hinten zu betrügen, aber unvorbereitet bist du in so etwas einfach eine liebenswerte Niete.“

Angefressen und peinlich berührt biss sich Blaise auf die Unterlippe und stand mit dem Rücken zu seinem Freund. „Was war es für ein Zaubertrank? Einer aus der Kategorie Liebeszauber?“ Nun wollte es der großgewachsene Zauberer wissen. „Er.. er war nicht ganz legal…“ Brummte der dunkelhäutige Koch leise und mit einem Schlucken drehte er sich wieder um. Dylan saß noch immer auf dem Stuhl und stellte nun seinen Becher auf dem wenigen freien Platz auf dem Tisch ab. „Der Slytherin hat sich verbotener Magie bemächtigt?“ Fragte er gespielt spitzt nach und sah dann wieder wissbegierig zu Blaise hinüber. „Wie verboten?“
 

„Sehr verboten!“ Er schluckte erneut und meinte dann sehr leise. „Zu verboten für jemanden in seinem Alter!“ Offenkundig gefiel es ihm nicht, seine Verschwiegenheit zu brechen, doch der andere las seine Gesichtsausdrücke wie die Zeilen in einen aufgeschlagenen Buch. „Ist ein Liebeszauber nicht grundsätzlich verboten? Immerhin beeinflusst er das Denken und Handeln?“ Sinnierte der Kritiker und wirkte seltsam zufrieden. Seine braunen Augen musterten den angespannten Koch, welcher wieder neben dem Kühlschrank an der Arbeitsplatte lehnte. „Wenn es nach dieser Definition geht, fällt der Trank wirklich unter die Liebeszauber.“ Meinte Blaise spitz und nahm einen Schluck aus seinem abkühlenden Tee. Darum ging er solche Gespräche immer im Vorhinein durch. Wie sollte er jetzt noch Dylan die Wahrheit verschweigen?

Nachdenklich und verlegen blickte er seinen Freund an, dessen Gesichtsausdruck sich in diesem Moment zu einer Maske des Entsetzens formte. Die braunen Augen wurden groß, der Mund verzog sich weit geöffnet und die kantigen Umrisse wirkten verzerrt. „Das hat er nicht getan!“ Stieß er nun hervor und Blaise war verwirrt. „Draco Malfoy war wie alt? 17 oder 18 Jahre? Da kennt man so einen Zauber noch gar nicht!“ Seine Fassung war dahin, offenbar hatte Dylan die Unannehmlichkeit der damaligen Geschehnisse verstanden. „Niemand kommt in diesem Alter auf die Idee einen Nefastus libido Trank zu brauen! Niemand!“ Stieß er noch immer entsetzt aus, bis er die neu aufgeflammte Verlegenheit auf Blaise Wagen erkannte.

„Das ist jetzt nicht wirklich dein Ernst?“ Entkam ihm noch einmal und dann schluckte der Kritiker mit seinem kantigen Gesicht. „Ich dachte, dass er in Harry verliebt wäre.“ Kam nun etwas leiser, leicht nach Atem ringend. Nun seufzte Blaise und kam erneut zurück, ließ sich schweigend auf den freien Stuhl sinken, der noch ein Stück vom Tisch abgerückt stand. „Was hatte er denn zu verlieren? Im Gegensatz zu mir konnte er ja nur gewinnen und Harry hasste ihn ja eh schon. Im schlimmsten Fall hätte er ihn noch mehr gehasst, wobei jede Beziehung ebenso aussichtslos wäre, wie vor seiner Entscheidung zu gehen. Das kam ja auch noch dazu, Draco hatte längst geplant in dieser Nacht zu verschwinden.“
 

„Ok, jetzt brauche ich etwas Stärkeres als einen Tee!“ Brummte Dylan, der sich mit dem linken Arm auf die Tischplatte stützte und sich mit der rechten durch die Haare fuhr. Schweigend beobachtete er, wie der Koch seinen Zauberstarb zog und nur wenig später eine Flasche Whisky vom obersten Schrank schwebte. Ohne noch nach Gläsern zu fragen, griff der großgewachsene Zauberer nach ihr, zog den Korken heraus und schenkte sich in seinen Teebecher einen guten Schuss ein. Mit einem Blick zu Blaise hin reichte ihm dieser seinen Becher ebenfalls entgegen.

Wieder war da so etwas Unheilvolles in der Luft und Dylan hatte ihnen noch einmal nachgeschenkt. „Harry weiß aber davon oder?“ Fragte er noch immer verwirrt und bekam zuerst nur ein Nicken. Mit einem kräftigen Einatmen straffte der Koch seine Schultern, strich seine rote Schürze noch erneut glatt, die von seiner Hüfte aus abwärts ging. „Ja, Draco hat es ihm gleich zu Beginn erzählt.“ Gestand er und nun war ihm das Thema wirklich unangenehm.

Selbst sein Freund konnte nicht umhin dies zu bemerken und mit einem eigenen Nicken fasste er sich erneut. „Gut, dann… dann lassen wir das einfach so stehen. Offenbar haben die beiden einen Weg gefunden sich zu lieben und ich denke, alles andere will ich gar nicht wissen.“ Entschied nun der Mann, in den Blaise seit Längerem verliebt war. Die Erleichterung, die dieser empfand, konnte er nicht in Worte fasse und mit einem Lächeln hörte er der noch immer von Gefühlen aufgewühlten Stimme zu. „Also, ich weiß jetzt, dass du nach dem Verschwinden von Draco etwas mit Harry angefangen hast und ich weiß, dass er dich beschützt hat, als deine Mitschülerin dich so übel vorgeführt hat.“ Setzte der Zauberer an und nahm kurz noch einen weiteren Schluck aus seinem Teebecher, der nun eine goldgelbe Flüssigkeit beherbergte, welche deutlich mehr Prozente enthielt.

„Wie schon in Dracos Fall beging ich ein und den selben Fehler. Ich verliebte mich in diesen Kerl.“
 

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Erstaunt sahen die grauen Sturmdiamanten zu seinem Lebensgefährten und Harry wirkte verlegen. „Ich sage ja, dass ich dich gut verstehen kann.“ Brummte er leise und Ron prustete sein Honigbier beinahe über den Tisch. „Warte! Davon hast du nie etwas erzählt!!!“ Entkam es ihm prompt und unerwarteter Weise war es Neville, der sich dem Schwarzhaarigen zuwandte. „Noch irgendwelche wichtigen Details, die du vielleicht ausgelassen hast?“

Jetzt wäre Harry am liebsten im Boden versunken, er spürte die Hitze auf seinen Wangen und hoffte, dass Lily nichts von dem verstand. Sie blubberte freudig vor sich hin, noch immer mit ihrem letzten Keks beschäftigt. Sein Herz raste und nun war es Scorpius, der auf seine charmante Art das Wort ergriff. „Also hat Blaise sich erst in Draco verliebt und keinem was erzählt und dann in Harry, der davon im Nachhinein erfuhr und dann auch keinem etwas erzählt hat, sehe ich das richtig?“
 

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Unwissend, dass man sie belauschte, fasste Blaise die wichtigsten Ereignisse zusammen, einiges davon kannte Dylan schon. Es waren eher die Feinheiten, die besonders im Bezug auf die beiden anderen bisher ausgespart worden waren.

„Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.“ Gab der Kritiker schließlich von sich und atmete tief aus. Er spürte die Wirkung des Alkohols langsam, es war heiß draußen und sein Magen voll. Die besonderen Vorkommnisse dieses Konsums machten sich bemerkbar und auch seinem Gegenüber sah man es an. Dieser hatte seinen Teebecher auf den Tisch gestellt und wirkte erschöpft.

„Ihr kamt nie auf die Idee… ich meine… na ja…“ Irgendwie wollte Dylan seinen Gedanken nicht aussprechen und so zog der ehemalige Slytherin die Augenbrauen in die Höhe. „Was?“ Fuhr er ihn leicht gereizt an und schloss dann leicht beleidigt. „Die alten Geschichten fortzuführen? Das Bett zu dritt zu teilen?“ Blut schoss in die dunklen Wangen des Kritikers und er fuhr sich sehr verlegen mit beiden Händen durch die Haare. „Ähm, ja, genau das...“ Murmelte er leise und nun stand Blaise wütend auf. Er griff nach einer Schublade, zog sie auf, um einen Löffel aus ihr zu nehmen und dann eines der kleinen Schokoladencreme Gläschen von der Anrichte zu klauen. „Wie einfühlsam von dir!“

„Ok! Ok!“ Begann er abwehrend. „Das war eine dumme Frage von mir! Ich war nur noch nie in solch einer Situation und ich weiß nicht, wie man sich richtig in ihr verhält. Da draußen wartet gleich ein 17 Jähriger, der mich am liebsten durch den Fleischwolf drehen würde, eine wahnsinnige Hexe, die mich bei lebendigem Leib grillen würde, zwei Ex-Lover von dir und eine Schar überneugieriger Freunde deinerseits, die mich am liebsten ausquetschen würden. Davon abgesehen, dass dieser Teddy auch kein kleines Kaliber ist. Ich… ach, vergiss es einfach! Ich bin ein Idiot, dich so etwas zu fragen!“
 

Die warmen, braunen Augen, leicht vom Alkohol geweitet, sahen milde zu Dylan hinüber. Nach einer schweigenden Pause seufzte Blaise, starrte kurz in das leere Gläschen, es war sein zweites. „Du hast ja Recht. Ich würde es auch wissen wollen. Aber nein, wir haben zwar in einer sehr seltsamen Nacht darüber diskutiert, aber alle Ideen diesbezüglich wurden abgelehnt und beerdigt.“

Der Kritiker spürte die Erleichterung, gleichzeitig aber auch die Neugierde. Sein Partner erkannte den Blick und mit einem kurzen Schmunzeln fasste er sich erneut. „Wir wollten eigentlich nur einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Jim Bean Whisky Sorten machen und herausfinden, ob sie mit oder ohne Cola besser schmecken würden. An dem Abend haben wir zu dritt so ungefähr vier Flaschen geleert, nach der ersten meinte Harry irgendwo zwischen einem angeheiterten und völlig betrunkenen Zustand, dass wir beinahe jede mögliche Kombination in dieser Runde schon gehabt hätten. Nur eben eine nicht. Daraus resultierte ein über Stunden andauerndes Gespräch über Moral, Vorlieben, Erfahrungen und den Auswirkungen irgendwelcher Umsetzungen. An das meiste erinnere ich mich nicht mehr und ich glaube, die beiden anderen auch nicht. Wir kamen zumindest zu dem Schluss, dass wir nicht bestimmen können, was danach geschehen würde. Bei der Abwägung, ob uns der Spaß oder die Freundschaft wichtiger wäre, war die Entscheidung recht klar!“

Nachdenklich versuchte sich Dylan die drei betrunken mit drei Flaschen Jim Bean Whisky vorzustellen, wie sie… er schüttelte den Kopf und ließ es lieber bleiben. „Hör zu, zwischen mir und den beiden läuft seit der Schulzeit nichts mehr und wird es auch nicht. Ich persönlich bin zu oft betrogen worden, um den gleichen Fehler zu begehen und weder Draco würde es Harry noch Harry Draco verzeihen, egal, mit wem es wäre.“ Kurz hielt Blaise inne und meinte dann mit einem Schmunzeln. „Davon abgesehen, dass bei mir nicht mit so einer tollen Entschuldigung zu rechnen ist, der man nach 9 Monaten einen Namen geben kann und für immer liebt!“
 

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Es war nicht immer ratsam zu lauschen, das wussten nun alle. Aber warum sich deswegen in Verlegenheit bringen lassen oder eher, die in Verlegenheit gebrachten nicht noch mehr ärgern? „So, so, ihr habt also betrunken über einen Dreier diskutiert?“ Fragte ausgerechnet Luna ohne den Anflug einer peinlichen Berührung. Auch Tonks grinste bis über beide Ohren und nun schluckten beiden Herren hörbar. Bevor sie noch antworten konnten, beugte sich der blonde Slytherin vor und fragte seinen „Adoptivvater“ mit einem unverhohlenen Ausdruck in den grauen Augen. „War das vor oder nachdem ich Teil dieser verrückten Familie wurde?“
 

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„Na gut, lass uns gehen. Ich glaube nicht, dass es noch besser wird. Außerdem werde ich mich so oder so den gehässigen Fragen dieses kleinen Gauners stellen müssen! Hat der Kerl wirklich keine Angst?“ Fragte Dylan leidlich und schob den Stuhl wieder an den Tisch. Er griff nach seinem leeren Teebescher und drehte sich zur Spüle um, damit er diesen kurz auswaschen konnte.

„Klasse, ich habe wirklich kein Interesse da raus zu gehen. Ich bin nur sehr froh, dass keiner von denen da draußen etwas gehört hat. Ich kann darauf verzichten, dass Harry und Draco erfahren, dass ich dir von ihrem ersten Mal erzählt habe. Ich weiß ganz ehrlich nicht, was ich täte, wenn sie es erführen.“ Seufzte der Koch und strich noch ein weiteres Mal die Schürzte glatt, um dann seinen Becher an Dylan weiter zu reichen. „Na ja, sie werden uns doch nicht belauscht haben oder? Das wäre wirklich mies von ihnen!“

Lange sahen die braunen Augen die so geliebten an und Blaise zog die Stirn kraus. „Ich gehe jetzt Mal nicht davon aus, aber darüber nachgedacht habe ich auch noch nicht.“ Mit einem grimmigen Gesicht griff der Kritiker nach dem Becher und spülte ihn auch kurz aus. „Na klasse, wenn sie also gleich alle lachen, dann haben sie gelauscht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht doch noch ein Glas trinke!“ Brummte er und richtete sich wieder auf, das Wasser schüttelte er von seinen Händen ab. Nachdenklich nahm er das Handtuch entgegen, welches ihm gereicht wurde. „Ich glaube, es gibt nicht genug Alkohol, um das zu überstehen.“ Lachte Blaise plötzlich und bevor er sich versah, wurde er von seinem Freund umarmt.

„Komm her und lass dich küssen!“ Meinte Dylan frech und mit einem Grinsen stahl er einen Kuss von den breiten Lippen des ehemaligen Slytherin. Es war ein wohliges Gefühl, welches sich nun in der Brust des dunkelhäutigen Mannes ausbreitete und genießend schloss er die Augen. Er wusste nicht, ob wirklich alles in Ordnung war, aber es reichte so weit, dass sie einander nahe blieben. Für einen Moment wollte er diese Nähe spüren, seine Hände wanderten sanft um die Hüften seines Partners und er ließ den Abstand zwischen ihn gänzlich verschwinden. Zärtlich erwiderte er den Kuss und für einen Moment war ihm die Welt außerhalb der Küche egal. Seine Gedanken standen, kreisten nicht weiter um die Sorgen, Probleme und Änderungen in seinem Leben. Jetzt spürte er nur die weichen Lippen und war versucht nie wieder einen Fuß aus diesem Raum zu setzen.
 

In diesem Gefühl der Ewigkeit gefangen war es Dylan, der den Kuss löste und einen Blick auf den jungen Mann warf. „Lass uns raus gehen, damit wir uns dieser Meute stellen können.“ Schlug er nun vor und mit einem Lächeln seufzte Blaise. Er wollte nicht, immerhin wusste er noch nicht, was er Scorpius sagen sollte. Der Kleine war wieder einmal zu frech gewesen und eigentlich müsste er ihm den Kopf waschen. Andererseits hatte der kleine Mistkäfer auch Recht, wäre er nicht so direkt gewesen, wer wusste schon, wie lange Blaise um dieses Thema gestrichen wäre wie die Katze um den heißen Brei?

Mit diesem Gedanken zog Dylan seine Aufmerksamkeit auf sich, der großgewachsene Mann hatte ihn sanft am Arm berührt und in die Richtung der Schokocreme Gläschen gezeigt. Nun war er es auch, der ihm ein Tablett beladen mit diesen vielen kleinen Gläschen in die Hände drückte. Mit einem prüfenden Blick verengten sich die braunen Augen des Kritikers und dann fischte er sicher eines der leeren heraus, die Blaise unbedacht wieder zurück gestellt hatte. „Oh!“ Gab dieser leicht verlegen von sich und der großgewachsene Mann schmunzelte schief.

Er selbst griff nach dem zweiten Tablett, welches neben der Spüle stand und mit Vanillecreme Gläschen versehen war. Sie alle trugen kleine Sahnehäubchen mit Schokoladenpulver und einer Frucht versehen. In jeder dieser kleinen Versuchungen steckte eine winzige, selbstgebackene Waffelrolle und allein der Anblick ließ Dylan erneut Hunger bekommen.

„Du wagst dich freiwillig da raus?“ Mit einem Grinsen balancierte der Koch das Tablett auf der linken Hand und wollte gerade den Türgriff berühren, als der Kritiker hoffnungsvoll meinte. „Na ja, sie haben uns sicher nicht belauscht.“ In diesem Moment hielt Blaise inne und drehte sich um. Er hielt noch immer das Tablett in der linken Hand und seine braunen Augen fixierten den anderen Mann. „Du wirkst jetzt nicht überzeugt.“ Brummte Dylan erstaunt, denn der Gesichtsausdruck seines Freundes zeugte von unglaublichem Entsetzen. „Ich… ich weiß es nicht…“ Stotterte der Schwarzhäutige und war mit einem Mal unglaublich verunsichert.
 

Dieser Gedanke pflanzte sich wie ein kleiner Wurm in seinen Verstand und bei der Neugierde, die besonders in Harry kochte, von der sich Draco immer wieder anstecken ließ und der Wissbegierde Nevilles war alles zu erwarten. Mit klopfendem Herzen trat er aus der Küche und warf einen Blick um die Ecke, hinaus zur Terrasse. „Und? Wie wirkt es?“ Wollte Dylan hinter ihm wissen und machte ebenso einen leichten Schritt aus der Tür. „Frag bloß nicht!“ Kam plötzlich mit zitternder Stimme von dem Koch, der nun bis unter die Haarspitzen so rot anlief, dass es bei seiner Hautfarbe auffiel.

Mit einem unverschämten Grinsen saß Scorpius auf Dylans Platz, hatte sich verkehrtherum breit gemacht und sie Arme auf die Lehne gelegt. Als er Blaise erkannte, hob er eine Hand und schenke ihm ein Winken. „Sie wissen es!“ Brummte der Dunkelhäutige leise und nun lief sogar der Kritiker tief rot an. „Nicht dein Ernst! Nicht IHR Ernst!“ Kam entsetzt von ihm und nun musste er schlucken.

Tief einatmen und noch einmal seine Schultern straffend machte sich Blaise auf den Weg. Er war so oder so verloren. Immerhin hatte er die Sache mit Draco und Harry ausgeplaudert, hatte Dylan erzählt, dass er in beide verliebt gewesen war, was der ehemalige Slytherin bis heute nicht wusste und sicher fiel ihm jetzt der Rest seiner Peinlichkeiten nicht mehr ein. „Ich sehe, ihr bringt uns einen Tribut mit!“ Kam ungeniert von Scorpius, der offensichtlich nicht einmal vorgaukeln wollte, dass er unwissend war.
 

„Ist das jetzt DEIN Ernst?“ Fuhr ihn plötzlich Blaise an, dessen Herz so wild und schmerzhaft pochte, als würde es seine Rippen zerschmettern wollen. „Kannst du nicht wenigstens ein Mal in deinem Leben so etwas wie Feingefühl an den Tag legen?“ Donnerte nun die aufgeheizte Stimme des Dunkelhäutigen durch den Garten, dass selbst Hugo und die Zwillinge hinten in ihrem Ballspiel innehielten. Teddy sah auf und erkannte gleich, dass sein bester Freund wahrscheinlich den Mund wieder zu voll nahm. Auch Kathy stand hinter ihm, linste an ihm vorbei rüber zum Tisch.

Doch Anstelle irgendeines Schamgefühls, einer Verlegenheit oder eines Umdenkens lehnte sich der blonde 17 Jährige nur zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und meinte beinahe selbstgefällig. „Hallo? Ich bin ein Malfoy! Ich habe immer genau so viel Feingefühlt, wie ich benötige um meine Ziele zu erreichen!“

Bei diesen Worten verschluckte sich Draco neben ihm und musste kurz husten. Er hatte noch schnell einen Schluck aus seinem Weißweinglas nehmen wollen, als die feste, wenn auch leicht kindlich klingende Stimme die Luft erfüllte. Manchmal fragte er sich wirklich, woher dieser Kerl nur so viel Selbstbewusstsein nahm und warum er den eingebildeten Großkotz immer mit solch einer Leidenschaft raushängen lassen musste. Dass dem heranwachsenden jungen Mann dabei hin und wieder die Angst im Nacken saß, konnte er nur vermuten. Seinen eigenen Erfahrungen nach versuchte Scorpius mit seinen ewig radikalen Wegen die eigene Unsicherheit im Inneren zu übertönen und sich eine selbstbestimmte Wichtigkeit zu geben.
 

Schweigend starrten die braunen Augen in die grauen des Schülers und für einen Moment wusste Blaise nicht, was er antworten sollte. Selbst Dylan, der sich schon gedanklich gewappnet hatte, konnte dieser dreisten Argumentation nichts entgegen bringen. Keiner schien bereit oder fähig die Peinlichkeit dieser Situation aufzuheben, verletzt, aufgewühlt und verlegen starrte Blaise den um so vieles Jüngeren an.

„Ich mag ihn!“ Diese Worte kamen so unerwartet, dass niemand sie zuerst einordnen konnte. Hermine, die sich mehrfach geräuspert hatte, sah den blonden Slytherin verwundert an. Luna lächelte leicht und strich Maggy durch die Haare, wobei die Kleine wieder zu blubbern begann. Harrys Augenbrauen zogen sich in die Höhe und er war erstaunt, denn diese Worte mussten von Scorpius gekommen sein.

Regelrecht gelassen erhob sich dieser nun, gab den Stuhl wieder frei und setzte dieses grauenhafte Unschuldslächeln auf, welches einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Jeder hatte die Dreistigkeit und die rücksichtslose Art des 17 Jährigen mitbekommen, der nun dieses zuckersüße Lächeln trug. „Ich mag dich, Dylan, du hast Charakter.“ Mit diesen Worten griff der blonde Slytherin nach einem Gläschen Shokoladencreme und zwei mit Vanille von Dylans Teller. Er fischte sich beinahe im Vorbeigehen drei Löffel vom Tisch und schenkte seinem besten Freund ein breites Grinsen. Er schritt einfach schweigend an den Anwesenden vorbei, während ein Blick auf Teddy und Kathy gerichtet war. „Einmal Vanille für dich.“ Sagte er und reichte dem Huffelpuff Schüler ein Glas. „Lieber Schoko oder Vanille?“ Richtete er die unschuldige Frage nun an Kathy, die mit einem Kopfschütteln Schokolade wählte.
 

Zurück blieben ein sehr verblüffter Blaise und ein noch verwirrterer Dylan. Nachdenklich beugte sich Darco vor, warf einen Blick hinter dem jungen Mann her und meinte amüsiert. „Gut, dass es nicht mein Sohn ist, sonst müsste ich mich dafür noch verantwortlich fühlen.“ Kommentiert er dieses Verhalten und begann damit eine angeregte Diskussion, die zwischen Hermine, Luna und Tonks geführt wurde, in die Remus und Draco nur hin und wieder etwas einwarfen und bei der sich Ron, Neville und Harry die Schokolade teilten.

Zum ersten Mal an diesem Tag hatte Dylan seinen Freund ganz offen an sich gezogen und hielt ihn fest. Sie saßen am Tisch ohne ihre Gefühle für einander zu verbergen und jeder der beiden wusste, dass es noch ein Nachspiel geben würde. Draco fand seinen Weg, um den Koch zur Rede zu stellen, aber jetzt war die Demütigung schon ausreichen groß, um erst einmal dieses „Küchen-Thema“ zu vermeiden.

„Also wirklich, wenn du ihnen das durchgehen lässt, wird die nächste Aktion nur noch gefährlicher!“ Protestierte Hermine nun vehement und wirkte aufgebracht. Tonks hingegen schnaubte. „Du willst die Zwillinge doch nicht verweichlichen! Ich persönlich finde diese Reaktion völlig in Ordnung!“ Mischte sie sich nun in Lunas Erziehung ein und bekam von der Brünetten Hexe gleich die Breitseite dafür. „Oh, dann willst du Teddy also mit nach Brasilien schicken?“ Fragte sie empört und nun musste Tonks husten, denn sie hatte sich glatt verschluckt. „Das… das ist noch nicht sicher!“ Und bei all ihrem aufgebrachten Gehabe sah man ihr das Unwohlsein doch an.
 

Bei diesen wilden Diskussionen wechselten Ron und Draco nur einen kurzen Blick und schienen sich auf unerwartete Weise sofort zu verstehen. Beide erhoben sich gleichzeitig, während Neville gerade in die Zange genommen wurde, da er die Erziehungsmethoden von Luna nicht in Frage stellte. Kaum waren die zwei Männer ins Wohnzimmer gehuscht, gab der Rothaarige ein aufgebrachtes Seufzen von sich. „Bei allen verwunschenen Brunnen…“ Begann er und der ehemalige Slytherin schüttelte nur den Kopf. „Bei Merlins verrottendem Fleisch trifft es wohl eher!“ Regelrecht erleichtet retteten sie sich in die Küche und kaum war die Tür hinter ihnen zu, lehnte sich Ron mit geschlossenen Augen an diese. Er trug ein einfaches, hellblaues T-Shirt und eine kurze, braune Hose. „Ganz ehrlich, ich frage mich, was aus Hugo werden soll. Wenn ihm nicht Hermine erzählt, was er nicht machen soll, dann tut es Rose! Der Junge wird niemals erfahren, was Flausen überhaupt sind!“ Beschwerte sich der Mann und öffnete langsam seine Augen wieder.

Mit einem Nicken öffnete Draco den Kühlschrank. „Ja, da hast du Recht. Er kann gerne etwas von Scorps Frechheit haben! Ich weiß manchmal wirklich nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ich weiß sehr genau, dass er sich benehmen kann und sehr wohl viel Feingefühl hat, aber bei solchen Aktionen wie eben…“ Er ließ den Satz offen. Mit einem Seufzen nahm der Blonde zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und griff dankend nach dem Flaschenöffner, den Ron ihm reichte. Als Gegenzug bekam er dafür das gekühlte Bier nur wenige Sekunden später. Das Klirren ihrer Flaschen erfüllte die Luft der Küche und beide genossen für einen Moment die Stille, während sie tranken.

„Wirst du noch mal mit Blaise über das ganze sprechen?“ Fragte Ron nun, lehnte sich dabei gemütlich an die Arbeitsfläche neben der Spüle. „Ich meine, das mit dem Verliebt sein und der Tatsache, dass er Dylan das alles erzählt hat.“ Nachdenklich warf der Angesprochene einen Blick auf seine Bierflasche, das Glas glänzte grün im Licht der einfallenden Sonne. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich wird sich das ergeben, wir werden schon darüber sprechen, aber planen werde ich da nichts.“ Mit einem Nicken schien der Rothaarige zu verstehen und deutete dann mit der freien Hand auf den Kühlschrank. „Na komm, du Lustmolch, dann lass uns mal die anderen retten und das Bier und den Kürbissaft raus bringen!“ Der Seitenblick des ehemaligen Slytherin wirkte provokant und doch gab der Vater von zwei Kindern nur grinsend von sich. „Ich weiß mehr über deine „Frechheiten“, als mir lieb ist!“ Kurz nach seinen Worten fiel der Blick der blauen Augen vielsagend auf den Küchentisch und Draco konnte sich ein dreistes Grinsen nicht verkneifen.
 

Die Sonne hatte sich langsam gesenkt, sie würde noch ihre Zeit benötigen, aber bedächtig leitete sie den Abend ein. Ein olivgrüner Wagen fuhr vor die Ceverin Street Nummer 4 und jeder im Dorf kannte ihn. Der aus den 60iger Jahren stammende Austin 1800 war nicht einmal annähernd so alt, wie der Mann, der ihn fuhr. Der Lack war an vielen Stellen schon abgeschabt, Dellen verzierten ihn überall und dazu kam der grell mintgrüne Ton am Kotflügel, der so gar nicht zum Rest des Wagens passen wollte. In weißen Buchstaben war das Wort „Police“ auf die Seiten des Wagens gemalt und auf dem Dach befand sich ein schäbiges Licht, dessen Verankerung auf dem Dach rostig und das Plastik des Lichtes angekratzt war. An der Beifahrerseite stieg ein junger, schlaksiger Mann aus, er war gerade über 20 Jahre alt.

Mit einem prüfenden Blick richtete er seine geschlissene Mütze und zog noch einmal an seinen leicht zu kurzen Ärmeln, um das Beste aus seinem Anblick zu machen. Offenkundig war die Uniform nicht ausreichend groß und man hatte den Saum verlängert, damit es nicht zu schlimm wirkte. Seine kühlen, blaugrauen Augen musterten die Straße, fanden sofort die Hausnummer 4 und elegant zog er seinen kleinen Notizblock hervor, um die notierten Informationen noch einmal zu überprüfen.

Hier waren sie richtig! Mit einem kurzen, schweigenden Nicken bestätigte er dieses noch einmal für sich und richtete prüfend den Schlagstock an seiner Seite. Im Kopf ging er alle notwendigen Vorschriften durch, er hatte sie erst vor wenigen Monaten in der schriftlichen Prüfung bewiesen und nun war er sich sicher keine Fehler begehen zu können. Mit festem Schritt überwand er den Weg zum kleinen Gartentor und wartete dort leicht ungeduldig auf seinen Vorgesetzten.
 

William seufzte. Er würde mit diesem Kerl noch sehr viel Mühe haben und sehr, sehr viel Arbeit! Behäbig schob er sich aus der geöffneten Tür aus dem viel zu kleinen Fahrzeug. Sein Umfang war hart antrainiert und wurde von unzähligen Besuchen im Wirtshaus geformt. Da seine Frau zu früh gestorben war und sie zu seinem Leidwesen nie Kinder gehabt hatten, ließ er sich gerne bekochen. Müde zog er seine Mütze vom Armaturenbrett herunter, dabei musste er sich etwas strecken. Der Mann war dick, sein Alter war nicht zu beschönigen und die mittlerweile über 70 Jahre hatten ihn beinahe kahl und sehr faltig werden lassen. Offensichtlich wartete sein neuer Kollege voller Tatendrang auf sein Erscheinen und kaum schlug er die Tür der alten Rosalia zu, so hatte seine Frau damals das Auto getauft, war der junge Polizist auch schon an der Tür und wollte die Klingel drücken.

„Aber nein… nicht doch Jasper…“ Kam die ruhige, leicht empörte Stimme des alten Mannes in Klang und er schnaufte, denn die Unruhe des jungen Mitstreiters ließ ihn ebenfalls aufbrausen. William war nicht in der Lage einem Verbrecher hinterher zu laufen, ihn über die Felder zu jagen oder athletisch über Zäune und Hecken zu hechten. Dass musste er aber auch nicht! Der alte Polizist war seit mehr als 50 Jahren in Gringods Hollow beschäftigt. Er kannte hier jeden, wusste das Geburtsdatum der Hälfte aller Bewohner dieses kleinen Dörfchens, denn er hatte diese Tage miterlebt, hatte meist geholfen. Entweder hatte er die Hebamme aus dem Nachbardorf mit Blaulicht hier her gefahren oder die werdenden Mütter schreiend auf dem Rücksitzt zum nächsten Krankenhaus gebracht, während er die Väter zu beruhigen versuchte. Niemand konnte diesem Mann etwas klauen, ohne dass er den Dieb nicht bereits kannte.

„Willst du sie denn wirklich vorwarnen?“ Fragte er mit einem nun entsetzten Blick und hatte sich vorgenommen, dem jungen Hengst eine Lektion zu erteilen. Dieser rückte nun seine Mütze erneut zurecht und wirkte verstimmt. „Hinten rum, sie kampieren immer im Garten. Diese Bande an rücksichtslosen Randalierern kannst du doch nicht entkommen lassen. Am besten schreist du auch noch: „Aufmachen, Polizei!“ Bist du denn des Wahnsinns?“
 

Schnaufend gab sich Jasper in sein Schicksal und zog bei der Beschreibung der hier wohnenden Verbrecher seinen Schlagstock. William, der schon den Weg um das Haus angetreten hatte, sah skeptisch auf das Stück Holz. „Das würde ich lieber lassen, Junge! Das ist nichts weiter als ein Kauhölzchen für Noir! Die reißt dir das Stück aus den Händen und spuckt es in Einzelteilen wieder aus. Den siehst du nie wieder!“ Erstaunt weiteten sich die blaugrauen Augen und nun wurde der junge Polizist nervös, seine Phantasie malte sich ein grauenhaftes Bild aus, in dem ein gewaltiger Hund das Grundstück bewachte. Seine Gedanken streiften Baskerville und Angst wurde in Sekunden zu Panik. „Das ist eine Meute schrecklicher, gnadenloser Menschen! Sie sind einfach nicht normal, keiner von ihnen!“ Die dunkle Stimme hatte sich gesenkt und war zu einem vielbedeutenden Flüstern geworden. „Das sind Verbrecher der schlimmsten Art! Das sag ich dir!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, dass ihr jetzt nicht alle entsetzt seid!
Ja, Harry und Blaise haben etwas miteinander und das wird im nächsten Kapitel noch einmal ganz schön für Aufregung sorgen.

Ich kann euch aber beruhigen, nein, die beiden haben nur eine „Freundschaft plus“ und aus denen wird kein Paar!
Und ich kann euch beruhigen, dass die Geschichte deutlich länger als 5 Kapitel wird. Nachdem wir bei vier als Ziel angefangen haben, sind wir jetzt bei „weniger als 10“ angekommen.
Antworten auf eventuell aufgetretene Fragen bezüglich „Was wird aus Draco?“ und „Was macht Bellatrix“ werden sicher nicht vor dem übernächsten Kapitel geklärt. Da ich allerdings die kommenden Stücke nicht wie im 4 Kapitel zusammenfassen wollte, dürft ihr nun etwas mehr genießen.

Vorsichtshalber habe ich hier jetzt einmal genauere Beschreibungen zwischen Blaise und Harry gelassen. Außer natürlich ihr habt nichts dagegen etwas „Untreue“ in detaillierter Form zu lesen. :D

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

ich bin leider zu langatmig und so müsst ihr dir nächsten drei Kapitel tapfer sein. Die Geschichte mit der Marmelade kam unerwartet, bot mir aber die Möglichkeit einen besseren Schauplatz für das nun kommende und schon begonnene zu schaffen.
Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber mir fehlte in Hogwarts immer ein Ort, an dem man hausübergreifend die Zeit im Winter genießen konnte.

Beginne ich mit den guten Nachrichten: Das nächste Kapitel ist beinahe fertig, es fehlen nur noch wenige Zeilen!
Vom Inhalt sollte es mit diesem zusammengehören, aber da es so lang wurde, habe ich sie geteilt. Nun müsst ihr also noch Harrys überhebliche Arroganz überstehen (Kapitel 8), dann seine Selbstfindungsphase Kapitel 9) und DANN bekommt ihr ein EXTRA Draco und Harry Spezial!

Ich bin gerade sehr verzweifelt, was das Ende betrifft. Ich habe jetzt duzende Varianten, die mir erst gefallen und die dann doch verworfen werden. Ich weiß noch nicht, ob mein Original Ende wirklich noch zur Entwicklung der Geschichte passt. Sie ist jetzt deutlich anders geworden, als zuvor. Nach dem Draco Spezial soll es dann auch endlich ein paar Antworten geben und ich weiß jetzt schon, dass ihr mich für den Draco Teil nach dem Spezial nicht gern haben werdet… o.o

So, nun das letzte Gute, spätestens Montag gibt es das nächste Kapitel!

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser.


da ich die Kapitel nicht mehr so lang gestalten möchte, habe ich es doch noch einmal geteilt. T.T

Die einzige Freude bleibt dieser schöne Schluss, der nicht geplant und ganz spontan war.

Bis zum nächsten Kapitel!

Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Lerserinnen und Leser,

nun sind wir auch mit diesem Kapitel zu ende. Ich hoffe, dass Blaise Geständnis wenigstens etwas überraschend war. Für das Ende dürft ihr euch bei einem kleinen Kommentar bedanken. Dieser brachte mich auf die Idee, dass sich Blaise in Harry hätte verliebt haben können.
Aber bevor ihr jetzt anfangt zu schimpfen!!! Die Sache ist für Blaise schon lange erledigt, Harry ist nur noch ein guter Freund, auch wenn es vielleicht anders wirkte. (Blaise ist nun einmal eine heimliche Mimose…) Und keine Sorge, es geht ihm gut!
Freut euch darüber, dass er so Harry und Draco nicht im Weg stehen kann! :D

Ich hoffe, dass ihr viel Spaß beim Lesen hattet!

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Mal hat es sehr lange gedauert, weil ich das gesamte Kapitel noch einmal neu geschrieben habe. Zuerst wurde der Teil zwischen Bellatrix und Draco doch sehr, sehr lang und ziemlich ausführlich. Sollte also jemand „Lust“ dazu haben, stelle ich den Text gerne zu Verfügung, aber ich möchte euch ja nicht zu sehr quälen. Immerhin müsst ihr ja noch durch zwei Kapitel durch, bevor wir das Finale erreichen. Und keine Sorge, Draco ist in Sicherheit! Vielleicht beruhigt das ja.

Kommen wir zur guten Nachricht. Sehr guten! Ich wurde beim Arbeiten an diesem Kapitel so frustriert, dass ich die nächsten beiden fast komplett fertig gestellt habe. Ich werde sie noch einmal überarbeiten und möglichst alle Fehler raussuchen (ja, ihr dürft lachen) und sie dann je sonntags online stellen.
Kapitel 12 gibt es also am 07.08. und Kapitel 13 am 14.08.!

Wie lange dann die gemeinsame Zeit der Beiden wird, weiß ich jedoch nicht. Ich denke, dass wir da sicher noch drei oder vier Kapitel zusammen bekommen. Immerhin habt ihr ja auch sehr lange auf die Zusammenführung der beiden warten müssen!

Ich hoffe, euch gefällt das Ende und ich konnte einige Fragen klären. Mir geht das Bild mit Harry im Brautkleid nicht aus dem Kopf! XD

Wer nicht so lange warten möchte, kann gerne einen Blick in meine OS Sammlung von Harry und Draco werfen. Da sind nämlich zum Ausgleich für dieses Kapitel auch zwei neue entstanden.

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

das war nun das vorletzte Kapitel, welches ihr in Enthaltsamkeit verbringen müsst. Ich verrate auch gerne, dass die beiden sich wie geplant im 14. Kapitel wiedersehen. Ich bin schon fleißig am Tippen und ja, sie „halten“ sich sogar schon in den Armen. *hust* *hust*
Den „Witz“ werdet ihr erst im entsprechenden Kapitel verstehen. Tut mir leid!

Von Ginny werden wir auch noch einmal im nächsten Kapitel hören und unser lieber Severus sieht sich ungeahnter Freundlichkeit gegenüber. Ich hoffe, dass es auch bisher gefallen hat. :D

Nur noch ein Kapitel! Dann sind sie wieder vereint!

Liebe Grüße
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Nachwort zu diesem Kapitel:
ENDE!

Das war es! Jetzt ist das siebte Schuljahr um!

Ihr habt es also wirklich bis hier her geschafft! Ihr habt tapfer ausgehalten und jetzt ist das „Schlimmste“ überstanden!

An alle Ginny-Hasser; eigentlich hätte sie Hermine heimlich Alkohol in ihre Getränke gemischt und sie dann gegen Harry aufgestachelt, ihr erzählt, dass er genau wüsste, was mit Ron los ist und es ihr nur nicht erzählen will.
Aber ich habe mich überreden lassen und sogar MITLEID mit ihr bekommen! Daher ist sie genauso betrunken wie Hermine und nur teilweise Schuld an dem Desaster. Sie hat die Gute trotzdem abgefüllt, vielleicht beruhigt euch das etwas. XD

Ich hoffe, dass euch die betrunkene, eifersüchtige Hermine nicht zu sehr schockiert hat. Es war doch sehr aufwühlend und einzigartig. Ich wollte es Ron eben wirklich schwer machen und ich fand die Idee so herrlich, wie Harry vor dieser ausgebrachten Frau steht, die mit Explosionen um sich wirft!!!
Ich weiß, ich bin böse!

Zur reinen Info, da ich nicht weiß, wie das mit dem Abschluss in Hogwarts aussieht, stelle ich es mir so vor, dass sie nach der Prüfungswoche noch 14 Tage dort verbringen. Nach einer Woche sind alle Ergebnisse da und dann kann man noch eine Woche entspannen, Pläne machen und „Bewerbungen“ schreiben.
Am vorletzten Tag darf dann der Abschlussjahrgang ohne Lehrer in der großen Halle feiern und den Rausch am nächsten Tag ausschlafen. Nach der Feier sind sie offiziell keine Schüler mehr und am darauffolgenden Morgen fährt der Zug nach Hause mit allen Schülern zusammen ab. Eben ein Bisschen wie in einem Internat.

Ja, dann will ich mal nicht mehr viel von mir geben, wir lesen uns ja in einer Woche wieder. Nächsten Sonntag dürfen die beiden sich endlich wieder sehen! Ich hoffe, dass ihr mich nicht hasst! ~.~°

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Lerser!

Bitte bringt mich nicht um! Ja, ich weiß, ich habe euch gesagt, dass sie sich wieder finden und das ist sicher nicht ganz eure Vorstellung davon gewesen.

Glaubt mir, auch im Original wäre es nicht einfach für die beiden geworden. Das war aber nur 4 Kapitel lang, also wäre der Teil mit „wir streiten uns“, „wir vertragen uns“ und „wir landen in der Kiste“ in einem einzigen Kapitel abgearbeitet worden.
Ich hoffe, ich hinterlasse keinen zu bitteren Beigeschmack und nicht allzu viele Fragen.
Darum will ich hier ein paar wenige beantworten.

Zwischen Dracos Verschwinden und dem Zusammentreffen jetzt liegen ca. 7 Jahre. Beide sind jetzt 25 Jahre alt.
Harry hat nach dem Abschluss in Hogwarts seine dreijährige Ausbildung als Auror mit Ron und Neville absolviert und bestanden. Die drei sind über ein Jahr gemeinsam unterwegs gewesen, bis Neville einen Plan ausheckte, wie sie Belletrix fangen könnten. Bei der Umsetzung dieser Falle starb Bella und Neville gab seinen Posten als Auror auf. Seit dem ist ein gutes Jahr vergangen, in dem Harry auf Dracos Rückkehr gewartet hat.
Seit dem Abschluss in Hogwarts sucht Harry Draco, was dank seiner Lieblingsreporterin mittlerweile die gesamte Zaubererwelt weiß.

So gab es auch immer wieder Hinweise, dass der Slytherin irgendwo aufgetaucht wäre, und der letzte führte ihn nach Russland. Es ist mittlerweile November.

Tja, ich hoffe, ihr seid jetzt nicht allzu geschockt und hasst mich nicht, weil es doch noch ein langer Weg zum gemeinsamen Glück ist.

Weiter geht es nächste Woche!

Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Ich hab zwei schlechte Nachrichten für euch!

1. Ich weiß nicht, was ich von diesem Kapitel halten soll, weil ich es leider zwischen Tür und Angel fertigstellen musste und nicht mit allem zufrieden bin. Fehler wird es sicher auch geben, die ich jetzt nicht mehr finde.

2. Ich werde den Rhythmus auf zwei Wochen erweitern müssen, weil ich momentan sehr viel Arbeite und das Kapitel nur mit Ach und Krach und nicht zu meiner vollen Zufriedenheit fertigstellen konnte.


Eigentlich sollte der Schluss deutlich ausgefeilter und schöner beschrieben sein, aber dafür fehlte die Zeit und das Können. Ich habe mir heute mit dem Brotmesser eines Freundes den Zeigefingernagel in zwei Teile geschnitten und kann nur begrenzt tippen.

Also, zum Kapitel sage ich einfach gar nichts und zum kommenden noch weniger. T.T

Liebe, leicht verzweifelte Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Zwar habe ich gesagt, dass das nächste Kapitel erst in einer Woche kommen wird, aber da ich vorgestern und gestern so viel Zeit hatte, habe ich es nun schon fertig gestellt.
In diesem Kapitel kam meine Leidenschaft für das Makabere und auch mein ausgeprägter Sadismus zum Vorschein, was euch wiederum ein weiteres Kapitel beschert hat. Als ich am Ende dieser mehrseitigen Abhandlung angekommen war, stelle ich fest, dass ich weniger Inhalt zusammen bekommen hatte, als ich wollte. Dafür hatte Harry die Gelegenheit, noch einmal Schutzsuchend in den beschützenden Armen seines hoffentlich zukünftigen Freundes zu liegen.
Das ihr leider um die Antwort betrogen werdet, deren Frage Harry so sehr auf dem Herzen liegt, ist gemein vor mir. Dessen bin ich mir bewusst. Leider wird unser guter Held wenig Zeit zum nachdenken haben, dafür darf er sich im nächsten Kapitel mit den unangenehmen Fragen, dem durchdringenden Blick einer Frau auseinander setzten, die ihr danach vielleicht noch ein wenig lieber habt.

Meinem Zeigefinger geht es übrigens wieder ganz gut, wie man an dem ausschweifenden Text bemerkt haben könnte. :D

Es bleibt allerdings bei meiner Ankündigung. Das nächste Kapitel gibt es erst am 18.09. Wenn es vorher online ist, habt ihr Glück gehabt!

Liebe Grüße
Eure Traumfänger


мальчуган = Bürschchen

Ой! принцесса = O! Prinsesschen! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Langsam sollte ich es aufgeben! Ich sage euch, dass ich alle zwei Wochen hoch lade und nun ist doch das nächste Kapitel online!

Genießt den Augenblick freudiger Versöhnung, fragender Verwirrung und grausamer Streitigkeiten! Er wird bald zu Ende sein!

Ich habe jetzt drei Gläser Rotwein hinter mir, der nicht einmal besonders gut schmeckt, und steuere gerade auf die fiese Überraschung des nächsten Kapitels zu, die ihr schon als Ende in diesem Kapitel haben solltet. Aber jetzt sind wir bei über 7.000 Worten und damit bei 1.000 mehr, als ich wollte.

Damit muss wieder ein wenig umstrukturiert werden und ich bin gespannt, wie lange es noch dauert, bis wir es zu dem erlösenden, befreienden Moment geschafft haben, an dem die Klippen und Riffe umschifft wurden.
Ja, ich bin gemein und ich lebe meine Boshaftigkeit gerade im nächsten Kapitel aus. Aber es gibt ein Licht am schwarzen Nachthimmel! Versprochen!

Was kann ich noch zu diesem Kapitel sagen? Ich persönlich bin ein großer Freund von Noir! Ich mag Wölfe sowieso sehr gerne.
So, gut dass ich das Ende noch einmal nachgelesen habe. Ich dachte, wir wären schon weiter. Also keine Kommentare meinerseits zu Dracos Entwicklung. Meine Güte, das nächste Kapitel umfasst schon beinahe 3.000 Worte!

So, meine liebe Lamia, ich hoffe, diese Eifersucht reicht dir. Da kommt noch was! ^.~

Ja, dann schreibe ich mal weiter. So früh an einem Sonntag habe ich das Kapitel auch noch nicht hoch geladen. Ö.ö

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Dieses ist ein kleines… oder eher großes Geburtstagsgeschenk für unsere little_butterfly!

Hm, sind jetzt auch über 6.000 Worte geworden. Q.Q

Zwei ganz wichtige Dinge für euch!

1. Draco hat sich nur unterkühlt und es geht ihm den Umständen entsprechend gut!

2. Es kommt jetzt ganz viel Glückseligkeit und wir erinnern uns, oder eher ich, wieder den Anfang der Geschichte. Die war ja mal als Lemon begonnen. ^.~

Also, ich hoffe, ich hattet nicht so viel Herzklopfen und es war verständlich, von welchem Zwiespalt unser guter Draco gefangen gehalten wird.

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Heute gibt es ein neues Kapitel und ich denke, dass es euch gefallen haben könnte. Leider ist es länger geworden, als ich vorhatte und dabei gebe ich mir schon solche Mühe. Allerdings gab es auch nichts zu kürzen und ich wollte gerne den Abend erreichen, denn ich weiß, wie es im nächsten Kapitel weiter geht. *bedeutsames Autorengrinsen*

Was soll ich sonst noch sagen? Den beiden geht es gut und ich denke, ihr könnt euch vorstellen, wie es zwischen ihnen weiter geht. Immerhin habe ich euch ja an diesem Ebend nur mit einem Kuss beglückt und da dieses noch immer ein Lemon ist, werdet ich euch damit sicher nicht zufrieden geben! ^.~

Allerdings kommen wir dem Ende auch immer näher. Sehr viele Kapitel wird es wohl nicht mehr geben. Ist schon komisch, dem Ende immer näher zu kommen.

Konzentrieren wir uns aber erst einmal auf das, was jetzt noch kommt! immerhin habe ich ja auch und ihr habt die "schreckliche" Angewohnheit, mit euren Kommentaren für neue Ideen zu sorgen! XD

Liebe Grüße
Eure Traumfänger

Nachtrag:

Ich bin gerade über eine Geschichte gestolpert, die einfach nur genial geschrieben ist! Da ziehe sogar ich meinen Hut!

Satus Quo - von xCxJx

https://ssl.animexx.de/fanfiction/serie/1087/368457/ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Es tut mir leid!

Ich wollte schon vor einer Woche das nächste Kapitel hochladen, aber dann kam der unerbittlichste aller Feinde: Das REAL LIFE!

Daher nun mit einer Woche Verspätung das nächste Kapitel. Ich hoffe, dass es nicht allzu schlimm gewesen ist. Da ich noch meine Uni Hausarbeit fertig machen muss, werde ich das nächste Kapitel erst für zwei Wochen planen.

Sehr viel kann ich zu diesem Kapitel eigentlich nicht sagen. Sie näher sich weiter an. ^^

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

heute bin ich sehr, sehr spät und Morgen werde ich noch einmal Korrektur lesen.

Zu dem heutigen Kapitel: Seid nicht sauer auf unsere liebe Leserin, deren Namen ich nicht nennen will. Es gab auch noch andere Stimmen, die offenbar gerne weitere Herausforderungen lesen wollten.

Ihr werdet euch leider noch zwei Wochen gedulden müssen, bis es mit den beiden weiter geht.

Kommentare werden in den nächsten Tagen beantwortet und ich hoffe, dass ihr mir nicht allzu böse seid, weil jetzt wohl wieder sehr, sehr viel Chaos herrscht. Wir klären es dann im nächsten Kapitel auf. Versprochen!

Und ja, ganz am Ende gibt es noch ein Happy End!

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, habe ich noch immer keine Kommentare beantwortet. Bitte glaubt nicht, dass ich euch vergessen habe, aber das Leben hier draußen fordert mich voll und ganz. Ich habe kaum das Kapitel fertig geschrieben und bin mir noch nicht sicher, wie weit ich mit dem nächsten komme.
Der Rhythmus wird weiter bei zwei Wochen bleiben, immer am Sonntag.

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem vorläufigen Ende versöhnlich stellenkonnte und leite damit die Phase vor dem Finale ein. Jetzt geht es raus aus Russland, raus aus dem Wald und zurück nach England. Wenn alles passt, habt ihr noch drei Kapitel und dann kommt das Finale!
Wie ich mich kenne, wird es ein Doppelkapitel werden, in einem bekomme ich eh nicht alles unter. Also könnt ihr euch auf noch 5 Kapitel freuen!

Ich antworte euch so bald es geht!

Ganz liebe, winterliche Grüße
Eure Traumfänger

PS: Nur so, falls es nicht klar war. Harry und Draco sind ab jetzt offiziell ein Paar! XD *Ponpons schwenk* Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ihr Lieben!

Das war es noch nicht mit der Geschichte, jetzt kommt mein Lieblingskapitel!

Da ich wieder kaum Zeit habe, gibt es weiteres im nächsten Kapitel.

Kommentare werden alle Morgen beantwortet! :D

Ich hab euch alle ganz doll lieb!


Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Heute kommt mein Kapitel wieder sehr spät und ich habe gerade noch 10 Minuten Zeit, bevor der Sonntag zu Ende ist. Ich bin gerade erst fertig geworden und stell es euch natürlich direkt online!

Hoffentlich war der Schock nicht so groß. Erst gab es einen weiteren Zeitsprung und dann kommt da auch noch eine Affäre dazwischen, die mit einem Kind gekrönt wird. Lange habe ich überlegt, wie ich die kleine Lily mit in die Geschichte bekomme ohne eine Frau…
Ich versteht das Problem? Ich glaube, dass euch die Alternative mit zu viel Alkohol und einem Dreier für euch nicht prickelnd gewesen wäre. Also wurde es eben das. Seid ihr mir sehr böse? Q.Q
Lily ist wirklich süß und ich wollte sie soooo gerne in der Geschichte haben!

Jetzt kommt aber wirklich nichts Böses mehr. Ok, ein ganz winziges Bisschen unerwartetes Entsetzen, ist aber wirklich nicht schlimm! Fast alles ist schön, und lustig und es wird noch viel, viel lustiger und schöner, wenn wir uns danach dem Finale zuwenden!
Und keine Sorge, ich habe noch viele Ideen für lustige Extras, also wird die Geschichte mit dem Finale nicht ganz zu Ende sein.

Ich hoffe, dass euch dieses Kapitel dennoch gefallen hat und die Handlungen der beiden doch irgendwie zu verstehen sind. Übrigends, Blaise hat Draco auch noch einmal ganz klipp und klar gesagt, dass Harry ihn nicht betrogen haben kann, wenn er ihn rauswirft und sich von ihm trennt. Er war mal wieder sehr „einfühlsam“! XD
Ich habe ürbigens einiges weggelassen, weil es sonst noch länger geworden wäre.

Ganz liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Dieses ist ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für euch!

Ich war noch am überlegen, ob ich es erst am Sonntag hochlade, da es auch jetzt erst fertig geworden ist, aber ich entschied mich dagegen.

Ja, es ist Scorpius, den ich noch unbedingt in der Geschichte haben wollte und ich hoffe, dass es für euch in Ordnung geht. ´Sein Auftritt war ja nun nicht so bewegend und doch habe ich die ganze Zeit dieses Bild vor Augen, wie dieser 13 Jährige all diese Angst in sich hineinfrisst.
Er hat nämlich eine sehr weiche und sanfte Seite, keine Schwierigkeiten mit Muggelstämmigen und er würde am liebsten Lehrer werden. Das ist keine gute Voraussetzung für einen Malfoy und daher nahm er reis aus.

Ich hoffe, dass auch dieses Ende gefallen hat, denn nun kommt nur noch das Finale. Wir haben wirklich alles hinter uns gebracht und nun kommt das Happy End!
Ich kann es noch gar nicht fassen, wir sind wirklich kurz vor dem Ende!
Noch zwei Kapitel und es ist um!

Konzentrieren wir uns auf das Schöne! Kommentare wurden alle heiß und glücklich von mir gelesen (mehrfach) und werden morgen Abend beantwortet.
Und es gibt das Happy End!!!! XD

Liebe Grüße
Eure aufgeregte Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser,

natürlich sind wir erst beim ersten Teil des Finales, also noch keine Panik. Noch seid ihr die Bande nicht los. =)

Viel kann ich zu diesem Kapitel nicht sagen. Ich versuche die Charaktere zu nutzen, die unsere gute Schöpferin angedacht hat, wenn sie hier auch zeitlich etwas anders aufgestellt sind.

In zwei Wochen geht es weiter mit dem Chaos. ^^

Liebe Grüße
Traumfänger Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leserinnen und Leser!

Wie ihr zweifelsohne bemerkt habt, bin ich in den letzten Wochen nicht sehr aktiv gewesen. Ein unerwarteter Umzug, meine Arbeit und meine Universität haben mich sehr eingespannt.

Ich kann noch nicht sagen, wann das nächste Kapitel online geht, aber frühestens am übernächsten Sonntag. Es bleibt bei dem Tag, nur wann, kann ich euch noch nicht sagen.

Ein Kapitel und der Abschluss werden auf jeden Fall noch kommen. Mal sehen, ob ich in dem alles schaffe, was ich so im Kopf habe.

Liebe Grüße
Eure Traumfänger Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (89)
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Von:  MikaChan88
2017-11-13T21:14:14+00:00 13.11.2017 22:14
Die ff ist der absolute Wahnsinn
mach weiter so ^-^

cu,
MikaChan
Von:  little_butterfly
2017-06-06T06:54:35+00:00 06.06.2017 08:54
Also wirklich! Sie hätte Blaise wirklich in Ruhe mit Dylan reden lassen sollen! Lauschen war nicht nett... ;)
Allerdings Frage ich mich, was für ein Problem die Polizisten nun mit unserer Herzallerliebsten Chaosfamilie haben... :/
Ich freue mich sehr über dieses Kapitel. Es ist wie immer klasse!
Von:  little_butterfly
2017-03-12T18:18:27+00:00 12.03.2017 19:18
Die Bande ist wirklich gemein! 😀
Der arme Dylan.. . Jetzt kommt was raus, das Dylan gar nicht gefällt. Verständlich irgendwie...

Ich warte wieder geduldig auf das nächste Kapitel. Lass dir die Zeit, die du brauchst! 😊
Antwort von:  Traumfaengero_-
14.03.2017 10:11
Liebe Butterfly,

du hast es sehr gut ausgedrückt, die Bande ist sehr gemein! Dabei hat sich Dylan so viel Mühe gegeben um ein anständiges Bild von sich zu präsentieren. Tja, und dabei wird er dennoch von Tonks und Scorp in die Zange genommen.
Ja, mal eben so in der Küche nach dieser Aktion so etwas zu erfahren ist echt hart. Mal sehen, wann du weiter lesen kannst.

Liebe Grüße
Traumfänger
Von:  little_butterfly
2017-01-16T08:57:47+00:00 16.01.2017 09:57
Oh was für ein wundervolles Kapitel! Sie sind so glücklich alle miteinander! ❤ ich freue mich schon sehr darauf, was nun im nächsten Kapitel noch passiert und was mit Henry clark wird... Er sollte seine Frau echt abschießen... Alte Furie...
Antwort von:  Traumfaengero_-
16.01.2017 13:21
Liebe Butterfly,

es freut mich, dass du immer so regelmäßig meine Kapitel kommentierst!
Danke für deine lieben Worte!

Ja, genau darum ging es, sie sollten solle glücklich sein. Natürlich nicht ohne Chaos, nicht ohne kleine bis mittlere Katastrophen. ^.~
Lass dich überraschen, in 14 Tagen geht es weiter!

Tja, Henry Clark ist eben nicht gerade der tatkräftigste und er liebt seine Frau! Liebe ist etwas… Heimtückisches. Manche rennen deswegen 7 Jahre einem anderen hinterher ohne zu wissen, ob sich der auch verliebt hat. =)
Mal sehen, ob Henry noch einmal einen Auftritt bekommt. In der Geschichte hier war es nicht gedacht, aber in den Extras werdet ihr ihn noch einmal sehen… oder eher lesen.

Außerdem… was ist so ein happy End schon ohne eine Furie als Nachbarin?

Liebe Grüße
Traumfänger
Von:  yamo-chan
2017-01-11T20:21:17+00:00 11.01.2017 21:21
Hallo,
ich hinterlasse dir jetzt auch mal ein Kommentar:
Das ist eine äußerst lesenswerte Geschichte!
In verschiedenen Kapiteln hast du sehr unterschiedliche Stimmungen erzeugt, und natürlich mitreißende Emotionen!
Ich habe gelacht und geweint, war wütend und verzaubert.

Ich bedanke mich für die bisherigen Kapitel und freue mich schon auf das nächste.

Liebe Grüße
Nina
Antwort von:  Traumfaengero_-
13.01.2017 11:03
Liebe Nina,

herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar!

Es freut mich sehr, dass du so mit den Figuren mit gefiebert, mitgelitten und dich mit ihnen gefreut hast. Manchmal bin ich erstaunt, was aus dieser Geschichte geworden ist, wenn ich in eines der vorigen Kapitel hinein lese. Es ist immer wieder faszinierend, was unsere Liebenden alles für Leid ertragen mussten, um dann doch wieder voller Hoffnung ihr Glück zu genießen.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Ende auch einen guten Schluss für diese Geschichte erreiche und du auch dann noch so verzauberst von ihr bist.

Mit ganz lieben Grüßen
Traumfänger
Von:  little_butterfly
2016-12-29T20:40:22+00:00 29.12.2016 21:40
Ahhh draco kann so romantisch sein! Das Ende des Kapitels war ja wohl mal ne Liebeserklärung vom feinsten! <3

Und NATÜRLICH konnte er den armen scorpius nicht zurück lassen! Und Harry hätte mit Sicherheit nicht anders reagiert... Ich finde es schön, dass scorpius auftaucht! Ich mag ihn sehr gerne... Die kleine Zimtrolle... x3
Antwort von:  Traumfaengero_-
01.01.2017 17:14
Liebe Butterfly,

ja! Ich fand schon immer, dass Draco der romantischere von beiden ist und das musste ich ja wohl auch mal umsetzen. Ich finde dieses Bild immer noch unglaublich schön, wie die beiden da stehen, sich tief in die Augen sehen und dann beginnt Draco seine Stimme zu einem sanften Flüstern zu senken, beugt sich vor… *träum*

Oh nein, Harry wäre noch weicher gewesen. Der hätte ihn gleich mitgenommen und ihn nicht erst noch geärgert. Das war es auch, was Harry mit seinem einen Satz meinte.
Harry: „Und dann hast du ihm gegenüber gestanden und deinen tollen Plan über Bord geworfen, weil du dich von seinem Anblick hast erweichen lassen?“

Draco: „Ohne Zweifel richtig!“

Ich mag ihn auch unglaublich gerne… zumindest die Vorstellung, die ich von ihm habe. Ich kenne ihn ja nur aus den Steckbriefen auf den Harry Potter Wikis, daher kann er doch anders sein, als die Vorstellung, die du von ihm hast. Aber Zimtrolle passt sehr schön für das Scorpius!

Dann wünsche ich dir ein noch einen guten Start ins neue Jahr!

Deine Traumfänger
Von:  Roxi_13
2016-12-20T20:34:32+00:00 20.12.2016 21:34
WOW!! Kommt es mir nur so vor oder ist es hier so was von HEIß!! So Geilo muss ich schon sagen. ^/////////^
Antwort von:  Traumfaengero_-
01.01.2017 16:53
Ja, hier ist es heiß! Sehr heiß!!!

Ich bin mir immer nur ein wenig unsicher… die Geschichte nimmt einen sehr eigenen Verlauf. *zum Ende lins*
Ich bin gespannt, was du zum Verlauf der Geschichte sagst.

Liebe Grüße
Deine Traumfänger
Von:  Florentina
2016-12-19T14:15:14+00:00 19.12.2016 15:15
WoW !
mehr kann man nicht dazu sagen. Immer wenn man glaubt es geht nicht besser kommst du mit so einem Kapitel hinterm Weihnachtsbaum hervor o.o
ich bin wirklich begeistert von der Ff und bin etwas wehmütig das es wohl bald zünde sein wird.
Ehrlich gesagt ist deine Ff schon teil meines Lebens geworden und ich freue mich jedesmal über ein neues Kapitel XD
auch wenn ich mir nicht vorstellen kann was da NOCH alles kommen soll.....
bin ich gespannt denn du schaft es jedesmal ein tolles, spannendes, intersanntes und unglaublich einfuhlsames Kapitel zu schreiben <3

LG Flora
Antwort von:  Traumfaengero_-
01.01.2017 16:37
Liebe Florentina,

ah, ich bekomme langen schmerzenden Muskeln in den Wangen, weil ich so grinsen muss! So ein Kompliment geht natürlich wirklich gut runter! Ach,… wie herrlich!

Danke!!!

Ja, so ganz ehrlich… so sehr lange geht es nicht mehr weiter. Aber es gibt noch einige Extras, die mir durch den Kopf schweben und noch einiges zu lachen. Vielleicht kann dich das etwas aufmuntern.
Na, wenn du das nächste Kapitel schon gelesen hast, weißt du ja, was mir noch so an komischen Ideen durch den Kopf geht. XD

Ich wünsche dir noch viel Spaß mit den kommenden Kapitel und ein frohes, neues Jahr!

Liebe Grüße
Deine Traumfänger
Von:  little_butterfly
2016-12-19T09:00:15+00:00 19.12.2016 10:00
Himmel du hast mich geschockt! :D
Ich dachte erst mal "nein! Das ist jetzt ja wohl nicht das letzte Kapitel, das Salon handelt, wie die beiden sich wieder trennen?!" Dx
Zum Glück war das nicht so! Die beiden werden mit Sicherheit tolle Eltern, wenn sie sich endlich mal zusammen raufen! ^^ ich freue mich auf die nächsten Kapitel und die extras
Antwort von:  Traumfaengero_-
01.01.2017 16:18
Liebe Butterfly,

es tut mir ja ein klein wenig leid! Ich habe immerhin gehofft, dass ihr diesen Gedanken hegt und glaubt, dass die beiden nicht mehr zusammen sind. Aber nein, so etwas fieses würde ich euch nicht antun! Ein Bisschen ängstigen vielleicht, aber sicher nicht in dieser Weise schocken. Also, nein, die beiden bleiben zusammen und so wird es dann auch enden! ^^

Irgendwie finde ich es immer irritierend, wenn Harry und Draco als „Eltern“ bezeichnet werden, aber das ist das Wort, welches an diese Stelle gehört. Da muss ich wohl mit den Konsequenzen meiner Geschichte leben. XD

Denn setzte ich mich mal ans Schreiben, damit ihr nicht zu lange warten müsst!

Herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar!

Liebe Grüße
Deine Traumfänger
Von:  little_butterfly
2016-12-04T19:05:18+00:00 04.12.2016 20:05
Ein schönes Kapitel! Auch wenn ich zu Anfang etwas verwirrt war... Ich dachte glatt ich hätte was verpasst! :D

Ich finde es schön, dass draco noch immer dieses wahnsinns vertrauen in blaise hat! ^^

Ich freue mich wieder auf den nächsten teil, auch wenn es so aussieht, als wäre der ganze zauber bald vorbei! :'(
Antwort von:  Traumfaengero_-
13.12.2016 21:50
Liebe Butterfly,

nein, ich springe nur immer mal wieder gerne und nun eben mal rüber zu Ron und Hermine. Fu hast nichts verpasst!

Die beiden sind eben beste Freunde gewesen und das sind sie nun noch immer. Ok, es ist irritierend, dass sie beide mit Harry geschlafen haben aber „so what?“ Ich liebe immer noch die Vorstellung eines aufgedrehten Blaise, der durch die Küche flitzt und zwischen Schokolade und Schlagsahne hantiert.

Ja, so ganz lange dauert es nicht, aber es gibt noch ganz andere zauberhafte Geschichten und dir wird die nächste Geschichte sicher gefallen. Vor allem wird es lustiger, nicht so tragisch und Lily und James gibt es auch. Vielleicht hat Harry sogar einen kleinen Bruder. Mal sehen, auf jeden Fall wird es eine lutig schöne Geschichte mit viel Herz.

Liebe Grüße
Deine Traumfänger


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