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Der Bodyguard, den ich liebte

von

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Kapitel 1

Kapitel 1

 

Die Stoppuhr klingelte und tanzte dabei wild auf dem Lehrerpult herum.

„Jetzt wird abgegeben!“ Stühle wurden gerückt, Mäppchen zugezogen, Blätter abgegeben.

Nachdem auch ich meine Prüfung auf den großen Stapel vorne auf dem Pult gelegt hatte, sah ich nach hinten zu meiner Besten Freundin. Celina schrieb noch schnell einen halben Roman auf ihren Klausurbogen.

„Miss Monro, jetzt wird abgegeben“, meinte Mrs. Smith energischer und ging auf Celina zu.

„Bitte, ich muss nur noch ...“, fing sie an zu diskutieren, aber Mrs. Smith nahm ihr einfach die Prüfung und den Klausurbogen ab.

„Ende heißt Ende, Miss Monro.“

„Verdammt!“ Celina packte ihre Sachen und kam zu mir. „Jetzt wird es doch nur noch eine zwei“, jammerte sie. Ich lachte nur und schüttelte den Kopf.

„Es kann eben nicht immer alles nach deiner Nase laufen“, meinte ich, als wir den Prüfungssaal verließen. Sie streckte mir die Zunge raus und warf ihr Blondes Haar über die Schulter.

„Nur noch Deutsch steht an. Ich würde sagen, wir gehen das heute Abend feiern.“

„Wir müssen Deutsch doch noch schreiben.“ Sie zuckte die Schultern.

„Das ist Deutsch, Charlie, das schaffst du doch mit zuen Augen.“

„Hey Charlie, Hey Celina.“ Celina hob eine Hand, um eine Gruppe Mädchen zu begrüßen, die an uns vorbei liefen.

„Kommt ihr heute Abend auch?“, fragte eine von ihnen.

„Ich versuche Charlie gerade zu überreden“, grinste Celina.

„Dann sehen wir euch heute Abend.“

„Guck, wir müssen heute Abend ausgehen“, argumentierte sie weiter. „Abgesehen das es Freitag ist. Seth schmeißt ne Party und da müssen wir hin. Er steht vollkommen auf dich, ist unser Quaterback und sieht heiß aus. Außerdem brauchst du noch ein Date für den Abschlussball.“ Ich seufzte.

„Der Abschlussball wird überbewertet.“ Sie boxte mich gegen den Arm. „Au, was soll das?“

„Der Abschlussball ist sehr wichtig und vor allem ist es wichtig mit wem du hingehst. Vielleicht heiraten du und Seth.“ Sie faltete die Hände und sah schwärmend zur Decke. „Dann kauft ihr ein hübsches Häuschen und bekommt kleine süße Babys.“

„Kleine süße Babys?“, fragte eine dunkle Stimme und im nächsten Moment stand Seth zwischen Celina und mir. Er war zwar nicht größer als wir, aber muskulöser. Seine Schultern waren breit und seine Beine stark ausgeprägt. Als Quaterback musste er schnell sein und seine Beine trainieren. Und er sah gut aus, sehr sogar. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab und seine strahlenden blauen Augen lachten einen immer so an. Aber am süßesten fand ich seine Grübchen, die sich immer zeigten, wenn er mich anlächelte. Genauso wie jetzt. Er legte einen Arm um meine Schulter.

„Bekommst du ein Kind?“ Celina lachte los

„Nein, ich versuche Charlie dazu zu bringen, heute Abend auf deine Party zu kommen“, meinte sie.

„Mit Babys?“

„Frauensache“, grinste sie und tätschelte seine Schulter. Seth zuckte diese und lächelte mich wieder an.

„Ich würde mich freuen, wenn du kommst.“

„Seth, kommst du mit ins Studio?“, rief einer unseres Footballteams. James.

„Ich komme jetzt“, rief Seth, ließ mich los und stellte sich vor uns hin.

„Hey Charlie, Hey Celina“, rief das ganze Team im Chor. Wir hoben die Hand und winkten ihnen.

„Seth flirten kannst du auch noch heute Abend“, rief James und grinste.

„Ihr kommt, ich bestehe darauf.“ Er lächelte mich noch mal total süß an. „Wenn nicht, komme ich dich holen, Charlie.“

„Ja okay, überredet“, lächelte ich. Er riss die Faust hoch.

„Yes!“ Dann drehte er sich um und lief durch den Gang zum Team.

„Sein Po ist so knackig“, schwärmte Celina. Oh man!

Zusammen verließen wir das Schulgebäude und steuerten auf den Parkplatz zu. Nicht viele Schüler waren zu sehen, da diese noch Unterricht hatten und nicht so wie wir nur Prüfungen.

Wir gingen jetzt zu meinem eigentlichen Baby. Und das war ein babyblaues Cabrio. Ich hatte es heute morgen recht weit hinten geparkt, sodass wir jetzt über den ganzen Parkplatz laufen mussten.

Das Cabrio hatte ich zu meinem 18 Geburtstag von meinen Eltern geschenkt bekommen und seitdem achtete ich sehr darauf, besser als auf meinen Augapfel. Schon mit zwölf hatte ich gewusst, was für ein Auto ich früher mal fahren wollte. Und dann stand da plötzlich ein babyblaues Cabrio vor unserer Haustür. Ich hatte mich so sehr gefreut, dass ich erstmal geschrien hatte und dann wie ne Verrückte um das Auto gehüpft war. Meine Mutter hatte sich mit mir gefreut und war sogar mit gehüpft. Hmm, da hab ich es wohl her. Ihr strahlendes Gesicht sah ich immer noch vor mir, als sei es erst gestern gewesen.

„Charlie, Erde an Charlie“, drang Celinas Stimme an mein Ohr. Ich blinzelte und sah sie über das Dach meines Babys an. „Aufschließen?“

„Was? Ja, klar.“ Schnell machte ich das Auto auf und setzte mich auf die Fahrerseite.

„Hast du wieder an dein Auto gedacht?“

„Was soll ich machen? Ich liebe dieses Auto“, grinste ich und ließ den Motor an.

„Ich weiß noch, wie deine Mom mit dir um das Auto gehüpft ist“, lachte Celina und sah mich an. Ich lächelte traurig und sah in den Rückspiegel, wo ich das Strahlende Gesicht meiner Mutter sah. „Oh verdammt, sorry.“ Ich schüttelte den Kopf und manövrierte mein Baby aus der Parklücke. Dabei blieb Celina ruhig, aber sobald wir das Schulgelände verlassen hatten, plapperte sie auch schon wieder drauf los. Sie machte sich erst wegen einem Outfit Gedanken, aber dann kam sie auf mich zu sprechen. Eigentlich brauchte sie sich überhaupt keine Gedanken um sich machen. Celina war das beliebteste Mädchen der Schule und auch noch wunderschön. Ihre blonden Haare waren ein Traum und auch ihre hellblauen Augen waren unglaublich. Zudem kam noch, dass sie sich nicht so auftackelte, wie manch andere Leute. Klar benutzte sie Make-up, aber nur, wenn ein hässlicher Pickel aufgetaucht war, den sie unbedingt verstecken musste. Und sonst war sie auch einfach nur schön. Ihre Nase war nicht krumm oder schief, ihre Lippen waren voll und sinnlich und ihre Figur war nicht zu dünn aber auch nicht dick.

„Hast du schon eine Idee, was du heute Abend anziehen willst?“, fragte sie mich. Ich wollte gerade antworten, dass ich noch nicht darüber nachgedacht hatte, wie auch in den letzten fünf Minuten?, aber da sprach sie auch schon weiter. „Ich komme nachher einfach vorbei, dann machen wir uns zusammen fertig.“ Wäre das dann auch geklärt.

Celina überlegte noch die ganze Fahrt über, worauf wir bei mir setzten sollten. Auf meine Hüfte oder meine Brüste, damit sie noch ein bisschen größer wirkten oder auf mein Dekolleté oder meinen langen Beine oder oder oder. Ich ließ sie allerdings weiter reden, ohne etwas zu sagen. Wenn Celina sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann würde sie das auch durchsetzten. Und auch wenn es um mich geht, ich hatte kein Mitspracherecht … so war das nunmal bei Celina.

Zwanzig Minuten später parkte ich vor Celinas Haus. Es war ein kleines schnuckeliges Einfamilienhaus in dem sie und ihre Eltern wohnten. Im Gegensatz zu meiner zwei-Zimmer-Wohnung.

„Ich komme um sechs vorbei“, meinte Celina und machte die Türe auf. Ich nickte und als die Tür wieder zu war, fuhr ich weiter. Jetzt war es im Auto wieder ruhig … wie auch gleich in meiner Wohnung.Seufzend schaltete ich und konzentrierte mich nur auf die Straße.Zuhause fand ich einen Parkplatz um die Ecke.

Meine Wohnung war im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses, ohne Aufzug. Meine Nachbarn kannte ich zwar vom sehen, aber persönlich hatte ich nichts mit ihnen zutun.

„Hallo Charlie, schon Schule aus?“ Im ersten Stock kam Mrs. Siel aus ihrer Wohnung. Sie war eine ältere Dame, die sehr nett zu allen Bewohnern war und manchmal brachte ich ihr auch Einkäufe oder Brötchen vom Bäcker mit. Das war allerdings das einzige.

„Ich habe eine Prüfung geschrieben, Mrs. Siel.“ Sie nickte und lächelte.

„Du bist bald fertig, oder?“

„Ja, nächste Woche.“

„Das ist gut, das ist gut.“ Damit ging sie wieder in ihre Wohnung, aus der es immer so lecker nach Plätzchen roch.

Schnell lief ich weiter hoch und schloss meine Wohnung auf.

Die Stille schlug mir richtig ins Gesicht. Erst wollte ich gar nicht rein gehen … das hatte ich immer, wenn ich nach Hause kam. Es war nicht so, dass meine Wohnung hässlich war. Sie war klein, ja. Ein Bad, ein Schlafzimmer und eine große Wohnküche. Ich hatte mir eine kleine Leseecke gemacht, direkt mir gegenüber stand meine Couch und der Fernseher. Rechts herum stand meine Küchenzeile mit einer kleinen Insel mit Barhockern. Auf der linken Seite waren das Bad und mein Schlafzimmer. Klein aber fein. Das was mich störte war einfach die Stille. Ich war allein.

Seufzend trat ich über die Schwelle und dann war es wieder normal. Es war fast so als wäre es eine andere Wirklichkeit, die ich da betrat … in der ich auch anders war. Draußen war ich eines der beliebtesten Mädchen der Schule, aber zuhause war ich alleine.

Meine Tasche warf ich neben das Sofa und ging dann zum Kühlschrank … leer. Zwar hatte ich noch etwas Aufschnitt und was zutrinken, aber für ein Mittagessen reichte es nicht. Dann gibt es heute wohl Pizza. Morgen musste ich eh arbeiten, danach konnte ich einkaufen gehen.

 

 

Punkt sechs Uhr ging die Schelle und Celina kam summend die Treppe hoch.

„Ich bin nur froh, dass du nicht im fünften Stock wohnst. Drei gehen noch“, beschwerte sie sich, wie fast jedes Mal, und umarmte mich.

„Ist ein gutes Training“, grinste ich sie an und Celina streckte mir die Zunge raus. Die Türe kickte ich einfach zu und folgte Celina sofort in mein Schlafzimmer. Sie steuerte sofort auf meinen Kleiderschrank zu und riss ihn auf.

„Ich hab zwar ein ultra geiles Kleid dabei, aber vielleicht hast du ja auch etwas schönes zum anziehen.“

„Hey, ich hab Sachen zum anziehen“, beschwerte ich mich.

„Ja schon, aber du musst Seth vom Hocker hauen.“ Sie drehte sich um und zog ein Kleid aus ihrer Tasche. Es war ein Hauch von nichts, hauteng und reichte mir sicher nur gerade so über den Po.

„Auf keinen Fall“, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, du brauchst erst gar nicht zu diskutieren.“ Sie machte einen Schmollmund, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich zieh das nicht an.“ Da konnte sie jetzt so viel quengeln wie sie wollte. Ich ging an Celina vorbei zu meinem Schrank und holte ein beiges Kleid heraus. Es war aus glattem Stoff und hatte Achselshirtarme. Zudem ging es mir bis zum Oberschenkel und hatte einen goldenen Gürtel um der Taille, der aber eher wie eine Kette aussah. Meine beste Freundin beäugte das Kleid und biss sich dabei auf die Lippe.

„Einverstanden, wenn hohe Schuhe im Spiel sind.“ Ich verdrehte die Augen und stimmte zu … obwohl chucks genauso gut passten. Aber damit Celina glücklich war und vor allem damit sie endlich den Mund hielt, tat ich einfach was sie wollte.

„Und was zeihst du an?“, fragte ich und sah dann zu, wie sie wie eine Irre zu ihrer Tasche rannte. Der Inhalt wurde einfach auf meinem Bett ausgekippt … ein Kleid, schmuck, Schuhe und Schminke.

„Ich kann die Sachen ja hier lassen“, grinste sie und hielt sich ihr Kleid vor den Körper. Es war trägerlos und rot. Einfach und schlicht, allerdings war es recht kurz, sodass es sehr sexy wirkte. Ich nickte und dann konnten wir uns auch fertig machen.

Celina erzählte mir beim umziehen u schminken alles mögliche über die neusten Trends und sowas. Aber dann kam sie auf die Schule zu sprechen und erzählte mir, dass Saskia und Mark – mit zwei der beliebtesten Kids der Schule, sie war Cheerleaderin und er Kapitän des Basketballteams – sich getrennt hatten. Aber das war nicht so wirklich was neues.

„Vielleicht brauchen sie beiden ja diese Streitigkeiten“, meinte ich. Celina sah mich komisch an.

„Charlie, einmal im Monat heißt es sie sind auseinander, aber zwei Tage später gehen sie wieder miteinander … ich fände das voll stressig.“

„Wenn sie es mögen“, zuckte ich mit den Schultern.

„Sie soll ihn endlich frei geben, dann kann ich mich an Mark ran machen.“

„Das wäre es, dann wärst du ja endlich mit deinem Kindheitsschwarm zusammen“, kicherte ich, bekam dafür aber einen Klapps auf den Hinterkopf. Damit zerstörte sie mir meine Hochsteckfrisur, die in sich zusammen fiel. Ich funkelte Celina an und zog alle Klammern und Gummis aus meinen Haaren. Dann lass ich sie eben offen.

„Das hätte ich dir aber vorher schon sagen können, dass du die Haare offen lassen sollst“, meinte Celina und machte die letzte Klammer in ihrem Haar fest. Ihre langen Blonden Haare hatte sie sich auf eine Seite gekemmt und sie dort festgesteckt, damit sie auch dort blieben. Jetzt kam etwas Haarspray dran und schon war sie fertig. „Wenn du die Haare zu machst, sieht man die rote Strähne doch gar nicht mehr. Ich liebe diese Strähne.“ Ich sah seufzend in den Spiegel und nahm die einzelne Strähne zwischen die Finger. Diese eine rote Strähne auf meiner rechten Seite hatte ich schon immer. Sie war ein kleiner Gendefekt, den ich hatte und hebte sich von meinen braunen Haaren ab. Manchmal mochte ich diese Strähne überhaupt nicht und deswegen versteckte ich sie immer zwischen meinen Haaren. „Fertig?“, fragte Celina und grinste in den Spiegel. Ich nickte und klemmte mir die rote Strähne hinters Ohr. „Dann lass uns Seth mal den Kopf verdrehen.“ 

Kapitel 2

Kapitel 2

 

Die Party war schon voll im Gang, als Celina und ich bei Seth eintrafen. Wir waren zufuß gegangen, weil wir auch etwas trinken wollten. Und erst, als wir schon fast bei Seth angekommen waren, war Celina eingefallen, dass wir die Wodkaflasche vergessen hatte, die wir ihm mitbringen wollten, so als Geschenk. Also hatten wir noch einmal in die Stadt laufen müssen, um eine neue zukaufen. Und deswegen waren wir erst um halb neun bei Seth angekommen.

„Da seid ihr ja endlich, ich wollte schon nach euch suchen lassen“, lächelte Seth uns an.

„Wir haben dir was mitgebracht“, winkte Celina nur ab und drückte mich auf Seth zu, da ich die Flasche in der Hand hielt. Sie hatte beschlossen, dass ich Seth unser Mitbringsel geben sollte, damit ich sofort gut bei ihm dastand … obwohl ich das ja eh schon tat.

„Cool, danke.“ Er nahm die Flasche an und zusammen gingen wir zu einer Bar, die er aufgestellt hatte.

Das Haus von Seth war riesig. Kein Wunder. Seine Eltern waren reich und konnten sich einfach alles leisen, deswegen war es auch kein Problem eine Party zu veranstalten. Eigentlich machten wir die meisten Partys Bei Seth, weil das Haus einfach dazu gemacht war.

„Ich hatte echt Angst, das du nicht kommst“, meinte Seth und stupste mich leicht an.

„Quatsch, nachdem du mitbekommen hast, wie Celina und ich über Babys gesprochen haben, konnte ich doch nicht mehr nein sagen. Wer weiß, wem du alles davon erzählt hättest“, grinste ich.

„Niemandem, ich schwöre.“ Er grinste auch und drehte sich dann zu der Bar um. „Willst du was trinken?“ Ich nickte und schon mixte er mir etwas leckeres. Celina machte er das gleiche und dann gesellten wir uns auch schon zu den anderen, die um Celina herum standen. Zum einen waren es James, Ian, Juan und Kyle. Alles Jungs aus unserem Footballteam. Und dann waren noch Lia, Mandy und Kathi da. Unsere Cheerleader, wo dann auch geklärt wäre zu welcher Art Mädchen ich gehörte. Die aufgetackelten, zickigen Cheerleader. Was eigentlich gar nicht auf mich zutraf.

„Wann treffen wir uns am Samstag?“, fragte Kathi und machte dann eine kleine Kaugummiblase, die aber sofort platzte. Am Samstag hatten die Jungs ihr letztes Footballspiel für dieses Jahr und wir waren natürlich auch dabei. Anfeuern, war doch klar.

„Ich würde sagen, wir treffen uns schon Mittags, dann können wir noch etwas Proben“, schlug Celina vor und alle waren einverstanden.

Im nächsten Moment ging wieder die Türe auf und Saskia und Mark kamen Händchen haltend zu uns. „Oh Gott, die Kriese wieder überstanden?“, grinste Celina die beiden an. Saskia streckte ihr nur die Zunge raus und Mark schlug bei den Jungs ein.

„Es ist eine Hass-Liebe, das weißt du doch, Celina“, meinte Saskia. Ich konnte dazu nur den Kopf schütteln. Es stimmte schon, dass Celina auf Mark stand und das schon seit der Grundschule, aber das war noch lange kein Grund ihn Saskia weg zuschnappen, so war Celina nunmal nicht. Außerdem machten die beiden sich einen Spaß daraus, sich so zu kabbeln, irgendwie stand das immer auf der Tagesordnung.

„Könnt ihr aber diesmal die ganz kurzen Röckchen anziehen?“, fragte Ian und grinste dabei frech. Mandy verpasste ihm ein Klapps auf den Hinterkopf. „Also ich meine natürlich nur dich, Schatz“, redete er sich schnell heraus und gab Mandy einen Kuss auf die Wange. Sie sah ihn noch ein paar Sekunden böse an, aber dann lächelte sie wieder.

„Zur Strafe zeiht keiner die extra kurzen Röcke an“, sagte sie immer noch lächelnd. Ian grinste breit und immer breiter, aber dann stockte er und sah Mandy an.

„Wie? Gar keiner?“, grinsend nickte sie und wir konnten uns an dem verblüffenden Gesicht von Ian amüsieren. „Aber Mandy … Schatz.“

„Nein, auf keinen Fall.“ Sie drehte sich um und ging in Richtung Bar. Um Ian noch ein bisschen zu ärgern, wackelte sie übertrieben mit ihrem Po. Ian lief ihr natürlich hinterher.

„Mandy, Schatz, so war das doch nicht gemeint“, hörten wir Ian noch sagen, aber dann verstanden wir auch nichts mehr. Dafür war die Musik zu laut.

„Dieser Idiot“, schüttelte Celina den Kopf.

„Na ja, wir freuen uns alle, wenn ihr kurze Röckchen tragt“, zuckte Juan die Schultern.

„Stimmt, mein Po sieht in dem Rock eh am Besten aus.“

„Gut das du das gesagt hast, sonst hätte ich einen drauf bekommen.“ Sie lächelte und trank einen Schluck von ihrem Cocktail. Sie stöhnte auf und sah Seth an.

„Der ist super lecker. Was ist das?“

„Meine eigene Kreation“, strahlte Seth stolz und reckte die Brust heraus.

„Und was ist drin?“ Er fuhr sich über die Lippen, als wenn er seinen Mund mit einem Reißverschluss zuziehen würde.

„Ich sag nichts. Mein Geheimnis.“ Celina drückte mich näher zu Seth.

„Komm, flirte ein bisschen und hol uns das Geheimnis“, spornte Celina mich an, drückte mich noch mal, sodass ich gegen Seths Schulter stieß. Dabei verschüttete ich meinen Cocktail. Zum Glück verschüttete ich den Cocktail nicht über Seths Kleider … allerdings tropfte er auf seine Chucks.

„Verdammt, sorry“, fing ich an und wollte mich auch schon bücken, um seine Schuhe sauber zu machen, aber Seth hielt mich am Arm fest.

„Nicht so schlimm.“ Celina hob die Hand und flitzte sofort los, um Taschentücher oder sonst irgendwas zu holen.

„Es tut mir so leid, Seth“, plapperte ich weiter.

„Charlie, ist gut. Ist doch nichts passiert“, meinte er und nahm das Handtuch von Celina an, die heran gestürmt kam. In der einen Hand hielt sie das Handtuch, in der anderen Zewa. Das Handtuch gab Seth mir, damit ich mir die Hände abputzen konnte. Mit dem Zewa wischte er den Boden und seine Chucks ab, doch die waren total durchnässt. „Ich geh mir oben mal neue Schuhe holen.“ Mit einem Lächeln war er auch schon weg und lief die Treppe nach oben.

Sofort drehte ich mich zu Celina um.

„Spinnst du?“, motze ich sie an und knuffte sie in den Arm.

„Man, es tut mir leid. Ich wollte doch nur, dass du endlich anfängst zu flirten.“ Ich schüttelte den Kopf und sah dann zu der Treppe, die Seth eben hoch gelaufen war. Aber er kam schon wieder herunter, mit neuen Chucks an den Füßen. Er sah mich sofort an und lächelte. Das war wirklich unglaublich. Er war echt nicht sauer oder so, ihm war es sogar egal. Ich lächelte Seth auch an. Allerdings kam er nicht zu uns, sondern ging zur Bar. Wahrscheinlich um mir einen neuen Cocktail zu machen. Und so war es auch. Keine Minute später kam Seth wieder und drückte mir ein neues Glas in die Hand.

„Aber diesmal nicht verschütten“, zwinkerte er mir zu. Ich lächelte verlegen und nahm sofort einen Schluck, damit ich nicht irgendwas dummes sagte. Weil ich Celina wirklich gehör ich die Meinung sagen wollte.

Celina drehte sich schnell weg, schnappte sich Juans Hand und zog ihn mit auf die provisorische Tanzfläche mitten im Raum.

„Sei nicht so böse auf sie“, meinte Seth und legte einen Arm um meine Schulter. „Lass uns lieber was tanzen.“ Sanft nahm er mir mein Glas aus der Hand, stellte es auf einen kleinen Tisch und zog mich dann mit. Seth umfasste meine Hand und wirbelte mich herum. Dadurch musste ich lachen. Er zog mich wieder zu sich, sodass ich gegen seine Brust stieß. Ich legte meine Hand auf seine Brust und sah in Seths blaue Augen.

Er war ja schon süß und bei jeder Gelegenheit flirtete er mit mir und jetzt mal ehrlich, wer will schon nicht mit dem Quarterback zusammen sein?

 

 

„Mussten wir wirklich schon gehen, Charlie?“, jammerte Celina und torckelte vor mir her. Sie war leicht angetrunken, aber damit konnte ich noch leben. Sie war ja noch ansprechbar und konnte – zwar in Schlangenlinien – alleine gehen.

„Ja, mussten wir. Sonst hätte ich dich nicht mehr nachhause bekommen.“

Inzwischen hatten wir schon halb vier und ich finde das war ne super zeit um nach Hause zu gehen. Nicht das ich keinen Spaß gehabt hatte oder unbedingt in meine leere Wohnung wollte, aber wären wir noch länger geblieben hätte Celina einfach weiter getrunken.

Diese taumelte auch gerade vorwärts. Schnell lief ich an ihre Seite und legte mir ihren Arm um den Hals.

„Komm ich kenne ne Abkürzung“, meinte Celina, befreite sich von meinem Griff und lief in eine Straße.

„Ich weiß nicht, Celina“, meinte ich, aber da war sie auch schon in der Straße verschwunden. „Verdammt.“ Ich lief ihr schnell hinterher in eine Seitenstraße, die noch beleuchtet war … das aber auch nicht mehr lange.

„Wir sollten auf den Hauptstraßen bleiben“, meinte ich, aber Celina hörte nicht auf mich.

Wir liefen durch etliche kleine Straßen, die immer weniger beleuchtet wurden. Ab und zu raschelte es neben uns und eine streunende Katzen oder Tauben kamen aus der Dunkelheit. Ich erschreckte mich dann immer, Celina allerdings lief einfach weiter.

„Komm schon“, rief sie und lief um eine Ecke. Ich lief ihr schnell hinterher und knallte dann gegen sie.

„Celina, was ...“, fing ich an, kam aber nicht dazu. Im nächsten Moment ertönte ein lauter Knall und dann einen schmerzhafter Schrei. Es war ein Pistolenschuss gewesen und die Szene vor uns, war einfach nur erschreckend.

Keine 30 Meter von uns entfernt standen drei Männer, die in einem Halbkreis vor einem weiteren Mann standen, der allerdings lag vor deren Füßen. Er krümmte sich vor Schmerzen und stöhnte qualvoll auf.

„Warum tut ihr das?“, rief der Mann plötzlich. „Ich hab doch getan, was ihr wolltet.“

Der rechte zuckte die Schultern und hob eine Pistole. „Kommt schon. Ich hab alles gemacht.“

„Ja, aber leider hast du auch unsere Gesichter gesehen und weißt auch, was wir vorhaben“, meinte der in der Mitte.

„Jungs, kommt schon. Ich sage nichts, ich verpfeife euch nicht.“

„Wir haben unsere Befehle.“ Ich schluckte und zog an Celinas Arm. Wir mussten hier weg. Wenn die Typen uns sahen, dann waren wir dran. Der Typ da auf dem Boden kannte die Schläger und deswegen hatten sie ihn auch angeschossen und dem Gespräch zu urteilen, wollten sie ihn sogar umbringen. Deswegen würde ich wohl eher sagen, dass wir es erst gar nicht darauf ankommen lassen sollten.

„Celina, wir müssen hier weg“, flüsterte ich und zog weiter an ihrem Arm. Wir mussten hier weg verdammt. Ich hatte schon viele von diesen Krimiserien gesehen und wenn wir in den nächsten Sekunden nicht verschwanden, waren wir dran. „Komm schon.“ Aber Celina bewegte sich kein Stück.

Und genau in dem Moment ertönte ein weiterer Schuss und der Mann auf dem Boden bewegte sich nicht mehr. Als nächstes hallte ein lauter Schrei in der Gasse wieder.

Erst fragte ich mich, woher der Schrei gekommen war, aber dann drehten die Typen sich um und hatten uns sofort im Blick.

„Scheiße“, rief der Rechte und hob die Pistole.

„Celina!“, schrie ich und riss sie zur Seite. Ich wusste nicht woher dieser Drang auf einmal kam, aber ich wusste, dass ich die einzige war, die jetzt einen kühlen Kopf behalten musste … Celina war schon neben der Spur. Wahrscheinlich war es auch so, weil ich von meinen Eltern nichts anderes gewohnt war. Kühler Kopf und bloß keine Panik.

„Schnappt sie euch!“, rief einer der drei und schon kamen sie auf uns zu. Ich packte Celinas Arm fester und zog sie mit. Sie war total erstarrt, deswegen drückte ich sie vor mir her.

Plötzlich schossen die Typen auf uns. Ich schrie erschrocken auf und drückte Celina schneller voran.

„Trefft sie endlich! Der Boss tötet uns.“

„Celina, verdammt beweg dich“, schrie ich und irgendwie brachte dieser Schrei sie dazu selber zu laufen … selber und vor allem schneller.

Auf einmal war sie nämlich nicht mehr vor mir und ich stolperte vorwärts. Dabei rutschte mir meine Tasche von der Schulter und fiel zu Boden. Allerdings hatte ich keine Zeit sie aufzuheben, weil die Typen einfach unkontrolliert herum schossen. Ich biss die Zähne zusammen und lief einfach weiter.

Von hinten hörte ich wie einer der drei fluchte und dann wurden die Magazine gewechselt. Das war unsere Chance.

„Lauf!“, schrie ich Celina an und diese gab noch mal Gas. Doch dann geschah es. Ein Schuss ertönte, obwohl die gar nicht so schnell das Magazin wechseln konnten, aber das war egal, weil die Kugel mich wieder gestriffen hatte. Ich schrie auf und taumelte.

„Charlie“, rief Celina und blieb stehen. Jetzt hatten die Typen aber wieder nachgeladen und schossen auch schon wieder drauf los. Die Kugel hatte mich nur am Arm gestriffen, also lief ich schnell weiter. Das Blut quoll zwar schnell aus der Wunde, aber darum machte ich mir gerade keine Sorgen. Wir mussten hier weg, sonst floss mehr als nur das Blut aus meinem Arm.

Zwei weitere Kugeln rasten an mir vorbei. Die Dritte traf meine Schulter. Ich biss meine Zähne noch fester zusammen und versuchte den Schmerz zu unterdrücken. Wir mussten hier weg. Sofort. Da hatte ich keine Zeit stehen zu bleiben und herum zujammern.

„Schnell“, spornte Celina mich an. Sie drehte sich zu mir um und wollte mich packen, aber eine Kugel schnellte an mir vorbei und streifte ihren Handrücken.

„Lauf“, schrie ich nur, als sie verdattert stehen blieb. Schnell schubste ich sie weiter. Die Typen hatten aufgehört zu schießen und liefen uns hinterher. „Schneller!“ Die Geräusche hinter uns ließen darauf schließen das sie ziemlich schnell waren. Kein Wunder, sie trugen ja auch keine Highheels.

Ich sah über meine Schulter zu den Typen, um zu sehen wie weit sie noch weg waren … nur da war nicht mehr viel aufzuholen. Verdammt.

Celina kam auch auf die Idee mal nach hinten zu gucken, allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass die Typen so nah bei uns waren und erschreckte sich. Sie knickte um und verlor ihre Schuhe. Ich reagierte schnell, bevor Celina überhaupt auf die Idee kam, stehen zu bleiben, um ihre Schuhe wieder einzusammeln. Ich kickte meine eigenen Schuhe weg, lief an Celinas Seite und packte mir ihren Arm.

„Nicht stehen bleiben“, rief ich und zog sie mit.

„Meine ...“

„Unwichtig.“ Sie wollte schon weiter protestieren,. Aber da kam sie nicht zu, da die Typen wieder anfingen zu schießen.

Zum Glück kam eine Ecke, um die wir liefen.

„Schneller!“, rief ich mal wieder und zog Celina weiter. Ohne die Highheels waren wir definitiv etwas schneller. Aber wo blieb diese blöde Hauptstraße? Verdammt, waren wir denn wirklich schon so lange in diesen dunklen Seitenstraßen unterwegs gewesen? Wir brauchten Leute, Autos … Polizei! Verdammt, hörte denn keiner die Schüsse? Das konnte doch nicht sein. Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, kamen die drei Männer auch schon um die Ecke und zielten wieder auf uns. Celina setzte noch einen Zahn zu und ließ mich etwas zurück fallen. Durch die Verletzung an der Schulter konnte ich nicht so schnell laufen, aber ich musste es einfach versuchen. Ich duckte mich, um den nächsten Kugeln auszuweichen und kam leicht ins Schwanken.

„Erschießt sie endlich“, rief einer der Drei. Ich versuchte wieder schneller zu werden, aber so langsam wurde mir schwindelig.

„Charlie!“, rief Celina von vorne, aber ich hörte sie nicht mehr richtig. Nach und nach vernebelte mir der Schmerz in der Schulter die Sinne und ich torkelte nur noch hin und her.

Plötzlich packte mich etwas und zog mich mit, schleifte mich mit. Das nächste was ich hörte war, wie jemand um Hilfe schrie und dann … war alles schwarz. 

Kapitel 3

Kapitel 3

 

„Charlie? Charlie wach auf“, drang eine sanfte Stimme an mein Ohr, aber ich wollte noch nicht aufstehen. Ich war so müde und mein Arm tat mir weh. „Charlie komm schon.“ Nein, noch nicht.

„Meinst du nicht, wir sollten sie lieber ins Krankenhaus bringen? Und vor allem zur Polizei bringen?“, ertönte eine weitere Stimme, die ich sofort als Celina erkannte. Allerdings bekam sie noch keine Antwort. „Verdammt, ich hätte sofort zur Polizei gehen sollen“, verzweifelte Celina. Ich hörte, wie sie hin und her lief. „Aber ich hatte so Panik und wusste nicht, was ich machen sollte. Diese Typen … sie waren hinter uns her und ich … ich … da war so viel Blut an ihrer Schulter und ich … ich ...“

„Celina, beruhig dich“, ertönte eine weitere Stimme und das getrampel von Celina hörte auf. Was war hier los? Typen? Blut? Ich wusste erst nicht, was Celina da erzählte, aber dann traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht. Der Mord, den wir beobachtet hatten.

Langsam machte ich meine Augen auf und kniff sie sofort wieder zusammen. Das helle Licht der Deckenlampe stach mir sofort in die Augen.

„Dämmt das Licht mal etwas“, befahl der, der eben auch versucht hatte, mich aufzuwecken und jetzt erkannte ich seine Stimme erst … es war Seth gewesen. Als meine Augen dann offen waren, sah ich sofort in seine blaue, besorgten Augen. „Alles okay?“, fragte er. Ich nickte bloß und wollte meinen Arm heben, aber sofort schoss ein Schmerz durch meinen Arm. Stöhnend hielt ich mir die Schulter und sah zu ihr. Sie war provisorisch verbunden. Die Streifschüsse … war ich nicht im Krankenhaus? Schnell sah ich mich um. Nein, wir waren wieder bei Seth … wie konnte das sein?

„Charlie“, rief Celina und war bei mir. „Geht es dir gut?“

„Ja“, murmelte ich. „Bis auf die Schmerzen in der Schulter.“ Langsam hob ich meinen unverletzten Arm und hielt mir den Kopf. „Was … was ist passiert?“ Celina biss sich auf die Lippe und fing wieder an, herum zulaufen.

„Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Du bist fast umgekippt, da hab ich dich einfach gepackt und mitgeschliffen. Die Typen waren knapp hinter uns, aber dann bin ich auf die Hauptstraße abgebogen … ich wusste nicht wohin … also bin ich einfach zurück hier her“, redete sie einfach drauf los. Ohne Punkt und Komma und vor allem in einem Affen Tempo. Ich schloss die Augen und versuchte mich daran zu erinnern, aber da war wie eine große Lücke. Ich erinnerte mich nur noch an den Schmerz … mehr war da nicht mehr.

„Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen und vor allem müssen wir das der Polizei melden“, meinte Ian und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ian hat Recht“, meinte Seth. „Ihr müsst das melden.“ Ich sah von meinen Freunden zu Celina, die kreidebleich geworden war.

„Unsere Taschen“, murmelte sie. Ich nickte. Das war mir auch gerade in den Sinn gekommen. Da waren all unsere Personalien drin und den Typen war es sehr wichtig gewesen, dass wir nicht lebend aus der ganzen Sache heraus kamen. Zur Polizei mussten wir auf jeden Fall.

Seth stand auf und tippte etwas in sein Handy ein. Ein paar Worte später hatte er ein Taxi für uns bestellt.

 

Eine halbe Stunde später lag ich in der Notaufnahme und wurde von einer Krankenschwester verarztet. Sie machte den notdürftigen Verband ab und reinigte die beiden Streifschüsse. Sie war die ganze Zeit still, bis sie mir den Verband gemacht hatte.

„Das sind Streifschüsse“, sagte sie und sah mich an.

„Das wissen wir“, meldete sich Seth. „Wir wollten nur das die Wunden ordentlich versorgt werden. Sie war bewusstlos geworden.“

„Ja, verständlich nach so einem hohen Blutverlust. Woher haben Sie diese Verletzungen, Miss O´Niel?“

„Wir sind verfolgt worden“, sagte Celina sofort und ließ mich erst gar nicht anfangen, zu reden. „Aber ich denke, dass wir eher mit einem Polizisten reden sollten.“ Die Krankenschwester nickte und stand auf.

„Warten Sie bitte hier. Ich werde die Polizei benachrichtigen.“ Damit drehte sie sich um und verschwand.

Kaum war sie weg, kam Seth zu mir und nahm meine Hand.

„Es kommt alles in Ordnung, wenn wir der Polizei erklären, was passiert ist, dann schnappen die die Typen und ihr seid sicher“, meinte er und drückte meine Hand. Ich nickte nur und beobachtete die Leute um mich herum.

Es war nicht viel los. Ohne uns, waren nur noch fünf weitere Leute in der Notaufnahme. Ein älteres Paar, wo der Mann auf einem der Krankenbetten lag und an Maschinen angeschlossen war. Und dann waren da noch eine kleine Familie. Mutter, Vater und ein kleiner Sohn, der auf einem Krankenbett saß. Die drei waren eben erst in die Notaufnahme gekommen und warteten auf eine Schwester. Was der kleine aber hatte, konnte ich nicht sagen. Er quengelte und weinte, deswegen vermutete ich, das es ihm doch nicht so gut ging.

„Ich sage den anderen mal Bescheid“, meinte Ian und drückte Celinas Schulter. Er war der einzige der von den anderen mitgekommen war, ausgenommen von Seth, der würde nämlich nicht mehr von meiner Seite weichen … hatte ich das Gefühl.

Kaum war Ian auch schon draußen, kam die Krankenschwester auch schon zurück.

„Die Polizei schickt einen Streifenwagen, der euch abholt“, meinte sie und stellte sich vor mein Krankenbett. Ich nickte zwar, wie auch Seth und Celina … aber irgendwie war das so unwirklich. Eben waren Celina und ich noch vor Killern weggelaufen, die uns töten wollten, weil wir Zeugen eines Mords geworden waren und jetzt saßen wir gemütlich im Krankenhaus. Also in Filmen war es wesentlich spannender, mit dunkler Musik im Hintergrund und dunklem Licht, aber hier war alles hell erleuchtet und ich weiß auch nicht … es ging so schnell. Krankenhaus, Polizei, Aussage und dann? Ließen die uns dann nach Hause oder wie läuft das hier?

Plötzlich nahm Celina meine Hand und drückte sie fest. Ich sah sie an und bekam einen kleinen Schock. Sie war blass und ihr rann Schweiß über die Schläfen. Sie hatte Angst, höllische Angst. Die ich auch hatte, aber ich musste für sie stark sein … denn erst jetzt merkte ich wirklich, dass ich schon die ganze Zeit ruhig war. Zwar hämmerte mein Herz gegen meine Brust, aber auch in der Gasse hatte ich die Ruhe bewahrt.

Du darfst niemals in Panik geraten, wenn dir jemand mit einer Pistole droht. Bleib ruhig, kontrolliere deine Atmung und schalt deinen Kopf ein, hallte eine sanfte Stimme in meinem Kopf wieder. Mom. Sie hatte mir schon früh beigebracht, dass ich ruhig sein sollte, wenn etwas schlimmes passieren sollte. Als Tochter zweier Polizisten war das ja auch nützlich. Wer wusste schon, wenn irgendein Verbrecher seine Strafe abgesessen hatte und dann wieder frei herumlaufen konnte, ob er sich an meinen Eltern rächen wollte. Um mich darauf vorzubereiten hatten meine Eltern mir immer eingetrichtert, dass ich bloß nicht die Kontrolle über mich selber verlieren sollte. Ruhe war das Schlüsselwort. Vor allem, weil die Leute in meinem Umfeld vielleicht panisch wurden. Aber wenn ich ruhig blieb, dann könnte sich das auch auf meine Umgebung übertragen. Und im Endeffekt hatte es Celina und mir ja auch ein wenig geholfen. Wäre ich genauso wie sie starr vor Angst gewesen, wären wir jetzt wahrscheinlich tot.

Ich drückte Celinas Hand fester, sodass sie mich ansah. Ihre Augen waren geweitet und ihr stand die Panik ins Gesicht geschrieben.

„Ich kann alles erzählen, okay?“, sagte ich ihr. „Du musst dich nicht noch weiter daran erinnern. Ich weiß, es hört sich leichter an, als es wirklich ist, aber uns wird schon nichts passieren. Emanuel wird sofort nach diesen Leuten fahnden. Versprochen.“ Sie schluckte und nickte mechanisch. Verdammt, ich wusste nicht, was ich noch sagen könnte, um ihr ein bisschen die Angst zu nehmen. Vor allem hatten diese Typen vielleicht unsere Taschen … mit Führerschein, Personalausweis und somit auch Adressen. Bei mir würden sie nichts finden, aber bei Celina waren noch ihre Eltern. Klar, dass sie sich noch mehr Sorgen machte.

Sanft zog ich an ihrem Arm und zog sie somit mit auf das Krankenbett. Ich musste jetzt für sie da sein … und der Nebeneffekt war, dass ich so auch jemanden hatte, der für mich da war. Celina kam sofort neben mich und schlang die Arme um mich. Ich nahm sie auch in den Arm und drückte mich an sie. So blieben wir, bis der Streifenwagen uns abholen kam.

Die Fahrt aufs Polizeipräsidium verlief ohne Komplikationen, aber auch ruhig. Seth war nicht mit uns gefahren. Jetzt waren wir in sicheren Händen, also hatte der Officer ihn nach hause geschickt.

 

 

Wir saßen in einem Verhörraum. Celina hatte ihren Stuhl ganz nah an meinen gezogen und umklammerte meinen Arm.

„Ihr braucht keine Angst haben“, sagte Officer Lane, der uns gegenüber saß. Er hatte uns an der Rezeption abgeholt und uns dann hier her gebracht.

Officer Lane war noch sehr jung und dementsprechend nett. Er hatte nicht so hochtrabend gewirkt und hatte uns auch als allererstes etwas zu trinken angeboten, um die Stimmung ein bisschen zu lockern. Doch Celina hatte sich einfach an mich geklammert.

„Officer Smith kommt sofort, aber euch wird hier nichts passieren. Wir werden euch beschützen.“ Er lächelte freundlich und seinen Gesichtszügen zu urteilen, versuchte er wirklich uns irgendwie aufzumuntern und vor allem Celina die Angst zu nehmen.

„Danke Officer Lane. Celina ist nur ein bisschen geschockt“, meinte ich. Doch da ging auch schon die Türe auf und ein kleiner Mann betrat den Raum. Ich kannte Officer Smith schon von früher. Sein blondes Haar stand schon immer in alle Richtungen ab, was nicht gerade vorteilhaft aussah, und seine blauen Augen waren trüb, von der ganzen Arbeit. In seiner Uniform wirkte er noch kleiner, als er eigentlich schon war.

„Hallo ihr zwei“, begrüßte er uns. „Ich habe schon gehört, was passiert ist, aber ich muss euch bitten alles zu erzählen, was ihr gesehen habt.“ Celinas Blick wurde glasig und sofort wusste ich, dass sie an eben dachte. Ich nahm sie bei den Schultern und zwang sie mich anzusehen.

„Ruhig ein und aus atmen. Ich mache das schon“, meinte ich und sie nickte bloß. Ich drehte mich wieder zu den beiden Officers um und fing an zu erzählen. Ich erzählte wie Celina und ich von der Party kamen, eine Abkürzung nahmen und dann auf diese Typen trafen. Wie diese einen Mann einfach so mit zwei Schüssen töteten und uns dann entdeckten. Ich sagte Officer Smith auch, dass sie uns nicht nur nach gelaufen waren, sondern dass sie auch auf uns geschossen hatten und vor allem, dass sie gesagt hatten, dass sie uns töten müssten, sonst würde ihr Boss sie töten.

„Das muss schrecklich gewesen sein“, murmelte Officer Lane. Smith räusperte sich und sofort saß Lane gerade auf dem Stuhl. Jegliches Mitgefühl war verschwunden. Ob man als Polizist wirklich so kalt sein sollte?

„Miss O´Niel, haben Sie gehört, was die drei Männer zu dem anderen gesagt haben?“, fragte Smith mich weiter aus.

„Als wir in die Straßen gebogen sind, lag der Mann schon mit einer Beinwunde am Boden“, fing ich an und da sagte Celina plötzlich etwas.

„Er hat sie angefleht gehen zu dürfen, weil er alles getan hatte, was sie von ihm verlangt hatten“, sagte sie wie in Trance. „Er hat immer und immer wieder gesagt, dass er alles getan hat, aber die Typen sagten das er zu viel wüsste.“ Smith sah mich an und ich nickte nur zur Bestätigung. „Und das gleiche wird auch mit uns passieren. Wir haben die Gesichter von den Typen gesehen, die haben auf uns geschossen und suchen bestimmt schon nach uns“, redete sie einfach weiter. „Meine Tasche liegt da noch. Die haben jetzt meinen Führerschein, meinen Personalausweis. Meine Eltern sind in Gefahr.“ Sie wurde immer hysterischer und zitterte schon wieder. Sofort packte ich sie an den Schultern und drehte sie zu mir.

„Atem. Ein und aus atmen. Wir bekommen hier gerade Hilfe, okay? Uns und auch deinen Eltern wird nichts passieren.“ Langsam nickte Celina und ich ließ sie wieder los.

Ich hatte geglaubt, stark zu sein, aber Celina jetzt zu sehen, wie sie restlos den Verstand verlor machte mir auch etwas Angst … aber ihr Verhalten zeigte mir auch, das ich stark sein musste. Für sie, sonst würde sie einen Nervenzusammenbruch erleiden …

Officer Smith seufzte und sah mich an.

„Könnten Sie mir die Straße sagen, damit wir uns da mal umgucken können?“, fragte er und holte einen kleinen Notizblock aus seiner Jacke. Ich sagte ihm den genauen Standpunkt, da ich nicht wirklich auf die Straßennamen geachtet hatte. Smith gab den Block Officer Lane und dieser verschwand sofort. Das war schon mal gut. Sie würde bestimmt nichts finden, aber sie würden Celinas Eltern schützen. Das war das wichtigste.

 

Kapitel 4

Kapitel 4

 

„Verdammt, was machen wir denn jetzt? Der Chef bringt uns um“, regte sich einer meiner Männer auf. Was regte mich dieser Typ auf.

Langsam ging ich die Gasse zurück. Die zwei Mädchen hatten es tatsächlich geschafft bis auf die Hauptstraße zu kommen und diese zwei Idioten hatten eine nur an der Schulter getroffen. Das konnte doch echt nicht wahr sein.

Ich trat einen der Pumps von den Mädchen weg und kümmerte mich nicht weiter um die Schuhe, allerdings sah ich etwas anderes, was meine Laune ein bisschen anhebte. Die zwei Handtaschen.

Hmm, danke für das Geschenk.

„Was machen wir jetzt?“, fragte der eine wieder. Ich hob beide Taschen auf und warf eine zu den beiden. Sofort durchsuchten sie diese, genauso wie ich. Es dauerte nicht lange, da fand ich auch schon das Portmonee … und den Personalausweis. Ein hübsches Gesicht sah mir da entgegen, ein Gesicht was ich eben erst gar nicht richtig wahrgenommen hatte.

Die leichten Sommersprossen auf ihren Wangen, diese Stupsnase, ihre haselnussbraunen Augen und dann noch das auffälligste Merkmal: ihr braunes Haar mit der roten Strähne. Akara Charlie O´Niel.

Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Sie war wirklich hübsch geworden und ähnelte ihrer Mutter noch mehr, als schon vor Jahren.

Das wird meinen Boss aber freuen.

„Nimm die Sachen und die Leiche mit“, meinte ich nur und schlenderte weiter durch die dunklen Straßen. Zum Glück hatten wir sie noch nicht getötet. 

Kapitel 5

Kapitel 5

 

„Wie lange brauchen die denn?“, regte Celina sich auf und lief im Zimmer auf und ab.

Officer Smith hatte unsere Befragung beendet und hatte dann gesagt, dass wir warten sollten. Was wir natürlich jetzt schon eine halbe Stunde taten. In der Zeit hatten wir sogar schon Phantombilder erstellt. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Celina aufgedreht war. Sie hatte einfach zu viel Angst, als hier still herum zu sitzen.

Plötzlich ging die Türe auf und eine mir wohlbekannte Person kam herein.

„Alles okay bei euch?“, fragte Emanuel und gab uns jedem eine kleine Flasche Wasser. Celina trank sofort los, wobei ich erst einmal mit dem Verschluss spielte.

Emanuel kannte ich schon mein ganzes Leben. Er hatte zusammen mit meinen Eltern gearbeitet und deswegen konnte ich ihm mehr vertrauen, als Officer Smith. Er war schon alt und deswegen auch nicht mehr so oft bei Außeneinsätzen dabei, aber als Betreuer und vor allem als Zuhörer war er immer noch der Beste.

„Habt ihr schon etwas heraus gefunden?“, fragte ich ihn, aber es fühlte sich irgendwie komisch an. Celina und ich hatten kaum Beweise und wenn ich die Typen richtig einschätzte, dann war der Mord kein zufälliger gewesen. Außerdem hatten sie jetzt genug Zeit, um die Leiche und alle anderen Spuren zu beseitigen. Letzten Endes kann es sein, dass wir noch nicht mal ernst genommen werden. Wir hatten zwar schon die Phantombilder machen können, aber ob das hilft? Ich habe keine Ahnung. Ich hoffte es aber.

„Smith und Lane sind eben an dem Ort angekommen. Wenn es etwas gibt, dann melden sie es sofort“, nickte Emanuel und lächelte aufmunternd. Er würde mir die Wahrheit sagen, davon war ich überzeugt.

Im nächsten Moment rauschte Emanuels Walky Talky, dass an seinem Gürtel hing. Ich sah ihn sofort an und wartete was als nächstes kam. Es knisterte wieder und dann ertönte Officer Smiths Stimme.

„Sind am Tatort, aber haben nichts gefunden. Keine Schuhe, keine Taschen und auch keine Leiche.“ Celina drehte sich sofort zu Emanuel um und riss die Augen auf.

„Was? Aber ich schwöre, die haben den Mann umgebracht!“, regte sie sich auf und drückte die Flasche zusammen. „Das kann nicht sein.“

„Celina“, versuchte ich sie zu beruhigen und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Hör mir zu. Das war doch klar. Wir sind diesen Typen entkommen also war es klar das wir die Polizei einschalten. Sie haben alles verschwinden lassen.“ Sie fing an hektisch zu atmen.

„Aber Sie glauben uns doch, oder?“, fragte sie Emanuel. Dieser sah mich an und ich sah in seinen Augen, dass er nichts gutes zu sagen hatte.

„Sag mir nur, dass du glaubst, was wir sagen“, meinte ich.

„Ich wüsste nicht, warum du lügen solltest, Akara“, meinte er. Ich nickte. Das reichte mir … fürs Erste.

Das Walky Talky rauschte wieder.

„Schick die beiden nach Hause. Es besteht keine gefahr mehr“, meinte Smiths Stimme.

„Wird gemacht“, antwortete Emanuel und das gab Celina den Rest.

„Was? Das können Sie nicht machen! Ich weiß doch, was ich gesehen habe. Und Charlie ist angeschossen worden. Reicht das nicht, um weiter zu ermitteln?“ Emanuel sah auf den Boden und schüttelte den Kopf. Ich ballte mein Hände zur Faust und allmählich lagen auch bei mir die Nerven blank. Das war nicht gut … aber ich hatte ein komisches Gefühl. Ich machte mir noch nicht mal richtige Sorgen um mich, sondern um Celina und ihre Familie. Bei mir zuhause war keiner, bei mir gab es nichts zu holen.

„Ich lasse euch nach hause fahren“, meinte Emanuel und machte dir Türe auf. Celina verstand gar nichts mehr, sodass ich sie am Arm packte und mit zog. Emanuel sprach in sein Walky Talky und bestellte einen Streifenwagen für uns.

Als wir dann draußen waren, wartete schon ein Wagen auf uns, in den ich Celina drückte und auch selber einsteigen wollte, aber Emanuel packte mich noch am Handgelenk und zog mich zu sich.

„Hör mir zu, sei wachsam und pass auf dich auf. Wenn du etwas merkwürdiges findest, dann ruf mich an“, flüsterte er mir ins Ohr und steckte mir etwas in die Tasche. „Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache.“ Ich nickte und stieg dann in den Wagen ein. Also stand Emanuel trotzdem hinter uns. Das beruhigte mich ein bisschen.

 

 

 

„Sind am Tatort angekommen, haben aber nichts gefunden. Keine Schuhe, keine Taschen und auch keine Leiche“, sprach ich ins Walky Talky. Lane stand neben mir und sah auf die roten Blutflecken vor unseren Füßen.

„Das ist nicht richtig“, murmelte er.

„Halt die Klappe, du tust was ich sage!“ Er ballte die Hände und sagte kein Wort mehr. „Schick die beiden nach hause. Es besteht keine Gefahr mehr“, sagte ich dann wieder ins Walky Talky und nachdem Emanuel bestätigt hatte, hängte ich es wieder an meinen Gürtel.

„Ich wusste, ich kann auf dich zählen“, ertönte eine Stimme hinter uns. Lane drehte sich sofort um und zog seine Waffe. Ich legte ihm meine Hand auf den Arm und drückte diesen runter.

„Tu die Waffe runter, Trottel.“ Lane sah erst mal zwischen mir und unserem Gast hin und her.

„Aber Jeff ...“, sagte er, aber ich hob nur die Hand und stoppte ihn so.

„Chris ist ein alter Freund von mir, also halt die Klappe.“ Ich ließ Lane stehen und reichte Chris die Hand. „Ich werde mich um die beiden Zeugen kümmern“, meinte ich. Chris ließ meine Hand los und steckte seine in die Hosentaschen.

„Das eine Mädchen interessiert mich nicht. Die Blonde ist unwichtig.“ Ich blinzelte.

„Was willst du von Charlie?“ Ich kannte sie schon, da war sie noch ein Kind, was könnte so interessant an ihr sein, dass Chris und seine Organisation einen Nutzen aus ihr ziehen konnte?

Chris lachte auf und ging an mir vorbei. Zwar hatte ich nicht vor ihn zu verhaften, denn es war wirklich keiner von den netten. Ich kannte seine Organisation, aber sie waren nicht mehr so aktiv gewesen die letzten Jahre, da ihr Boss ins Gefängnis gewandert war … aber wer das zustande gebracht hatte, keine Ahnung.

„Das ist egal. Ich will alles wissen, was du über sie weißt.“ Er klopfte mir auf die Schulter und ging. „Ruf mich an, Jeff.“

Stille.

Es dauerte eine Weile, bis Lane seine Stimmer wieder gefunden hatte.

„Du wirst doch nicht mit den Typen zusammen arbeiten, oder?“, fragte er langsam.

„Du fährst zurück und bekommst raus, was Charlie in ihrer Freizeit macht und auf welche Schule sie geht. Wenn du irgendjemandem hier von erzählst, werde ich dir das Leben zur Hölle machen, haben wir uns verstanden?“ Lane schluckte und nickte.

 

 

 

 

„Morgen, Charlie!“

„Charlie!“

„Charlie!“

Kaum betrat ich die Wiese des Sportplatzes, schon wurde ich von meinen Kleinen fast umgerannt. Am Wochenende trainierte ich eine kleine Gruppe von Kindern. Cheerleadertraining. Unter der Woche allerdings gab ich Nachhilfe Unterricht, in Englisch und Deutsch. Das machte ich, weil mich meine Kids mal danach gefragt hatten. Und zudem brauchte ich das Geld ja auch.

Nach dem Tod meiner Eltern war ich nunmal auf mich alleine gestellt. Sie hatten mir zwar Geld hinterlassen, aber ich konnte mich nicht einfach darauf ausruhen. Ich musste selber dafür sorgen, dass meine Miete bezahlt wird und auch, dass ich von dem Geld leben konnte. Deswegen trainierte ich die Kids, gab Nachhilfe und jobbte auch gelegentlich in einem Café, dass sich abends in eine Bar verwandelte.

"Guten Morgen, Charlie", begrüßte mich Mrs. Clarks mit einem freundlichen Lächeln. Ihre kleine Tochter, Bianca, hatte sich schon ihre Pompoms genommen und lief auf den Platz zu den anderen.

„Morgen alle zusammen“, begrüßte ich alle und bekam noch mal ein lautes Morgen zurück.

Die letzte Nacht war nicht so erholsam gewesen, wie ich gerne gehabt hätte. Celina hatte mich sofort angerufen und hatte verlangt, die restliche Nacht am Handy zu bleiben. Sie hatte einfach zu viel Angst, als das sie hätte schlafen können. War ja auch verständlich und ich war ehrlich, ich hätte auch ohne Celina kein Auge zubekommen. Mir schwirrten einfach zu viele Fragen im Kopf herum, vor allem die Fragen, wann es wohl so sein würde, dass die Typen uns töteten.

„Charlie, machen wir heute eine Pyramide?“, riss mich eine Kinderstimme aus den Gedanken. Ich sah herunter zu Bianca, die mich strahlend aus ihren braunen Augen ansah.

„Dafür seid ihr noch viel zu klein. Ich denke wir üben heute noch weiter Radschläge und vor allem unsren Schlachtruf, was haltet ihr davon?“ Bianca legte den Kopf schief, aber dann lächelte sie und nickte.

„Rad schlagen macht auch Spaß.“

„Gut, dann laufen wir erst mal zwei Runden um den Platz, machen uns etwas warm und dann wird trainiert“, beschloss ich und die Kids liefen sofort los. Ich stellte meine Tasche an die Seite und lief dann mit. Ich war nicht sojemand, der einfach am Rand stand und die Kids auspowerte. Wenn sie laufen mussten, dann lief ich mit. Ganz einfach. Und außerdem lenkte mich das Training von meinen Gedanken ab. Ich brauchte jetzt für ein paar Stunden meine Ruhe, meinen Kopf für mich alleine. Und wenn ich mich um die Kids kümmerte, konnte ich abschalten.

Nach den zwei Runden trafen wir uns in der Mitte des Feldes und stellten uns in einen kleinen Kreis.

In meiner kleinen Gruppe waren acht Mädels und vier Jungs, was gar nicht mal so untypisch war. Ich fand es immer gut, wenn sich auch Männer für Cheerleading interessierten … Männer oder Jungs die nicht Schwul waren. Denn das heißt es nicht zwingend.

„So, wer will denn eine Übung vorschlagen?“, fragte ich in die Runde und sofort meldeten sich alle.

„Auf einen Bein balancieren.“

„Nach hinten strecken.“

„Zehenspitzen berühren.“

„Zur Seite beugen.“

Jeder machte die Übungen mit und hatte auch Spaß dabei.

Nach der letzten Übung lief Bianca in die Mitte und machte ein Rad. Als sie dann wieder auf beiden Füßen stand, grinste sie über beide Ohren. Dieses Mädchen. Sie war wirklich immer total aufgeweckt.

Und wenn eine damit anfing, dann machten alle mit. Innerhalb ein paar Minuten hatte ich 12 Kids, die Räder schlugen. Eigentlich sah es ja ganz witzig aus, weil sie alle durcheinander liefen und einfach ein Rad nach dem anderen schlugen.

Ich ließ die Kids noch ein paar Räder schlagen, rief sie aber dann zu mir. Sie stellten sich sofort auf ihre Positionen, sodass sie ein Dreieck bildeten … so wie wir es geübt hatten.

Ich hatte einen kleinen CD-Player dabei, den ich anstellte. Die Kids waren sofort dabei und tanzten unsere eingeübte Choreo. Ich tanzte vorne immer mit, damit sie sich nicht zu unsicher fühlten und auch immer wussten, was als nächstes kam … allerdings brauchten sie das nicht wirklich. Das war der Vorteil, wenn man eine Gruppe hatte, die das wirklich machen wollte. Wenn aber dahinter eine ehrgeizige Mutter steckte, die ihre Tochter zum Cheerleadern zwang, brachte es nicht wirklich etwas.

Meine Truppe war schon etwas besonderes. 

Kapitel 6

Kapitel 6

 

 

 

Meine Schicht fing gerade an. Ich begrüßte Samantha, die an der Rezeption saß, und stempelte mich ein.

„Und schon was passiert?“, fragte ich sie und lehnte mich an die Rezeption.

„Außer einem Spaßanruf noch nichts wirkliches. Ohne Arbeit fühlst du dich nutzlos, kann das sein, Emanuel?“, lächelte sie. Ich zuckte die Schultern und sah sie entschuldigend an.

„Ich bin nicht mehr der jüngste. Außer der Arbeit hier habe ich nichts was mich bei Laune hält.“

„Dir würde ich zutrauen, auch noch mit 80 zu arbeiten und auf Streife zu gehen“, lachte sie. Ich lächelte und ging nach hinten in mein Büro. Das wollte ich zumindest. Doch aus Smiths Büro hörte ich plötzlich Lärm. Ich ging zu der angelehnten Tür seines Büros, wollte gerade aufmachen, als Smith sprach.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du einfach machen sollst, was ich dir sage und keine dummen Fragen stellen sollst?“ Er klang gereizt und wütend.

„Ich kann das nicht, Jeff. Das sind zwei arme Mädchen. Celina und Charlie haben nichts falsch gemacht und außerdem sind wir Polizisten. Wir helfen nicht den Bösen“, hörte ich Lane sagen. Was? Was ging hier vor?

„Hast du gefunden, wonach du suchen solltest?“

„Ja, hab ich, aber ich finde, das wir das nicht tun sollten.“ Smith streckte seine Hand aus, aber Lane sträubte sich noch.

„Verdammt!“, schrie Smith und riss ihm einen Umschlag aus der Hand.

„Sie haben heute ein Spiel“, murmelte Lane.

„Wo?“

„Im Lanxstadion. Sie sind beide Cheerleader und heute ist das letzte Spiel der Meisterschaft an dem das Footballteam ihrer Schule teilnimmt.“

„Was hast du noch?“ Smith holte eine Mappe aus dem Umschlag und blätterte sie durch.

„Charlie hat viele kleine Jobs. Neben dem Cheerleardern gibt sie noch jüngeren Kindern Nachhilfe und trainiert auch Kinder im Cheerleaden. Dann hat sie noch einen Job in einem Café, dass sich abends in eine Bar verwandelt. Es heißt „Switch“.“ Lane macht eine kleine Pause. „Nach der Schule geht sie auf ein Colleg.“ Smith nickte und klappte die Mappe zu. Was sollte das alles? Diese ganzen Infos über Charlie? Was wollte Jeff mit diesen Informationen?

„Hast du auch etwas über ihre Eltern heraus bekommen?“ Lane sah zu Boden.

„Du hast doch mit ihnen zusammen gearbeitet, weißt du nichts über sie? Du musst doch besser über ihren letzten Auftrag Bescheid wissen. Ich weiß nur, dass Tom und Éllena eine geheime Mission hatten.“ Lane sah seinen Vorgesetzten an. „Und jetzt sind sie seit drei Jahren tot.“ Smith nickte und ging hinter seinen Schreibtisch.

„Ich weiß auch nicht mehr. Das nennt man geheim. Sie sind kurz nachdem sie die Mission abgeschlossen hatten gestorben. Ich hatte gehofft, du hättest etwas darüber heraus gefunden.“ Er setzte sich auf seinen Sessel und faltete die Hände zusammen. „Geh jetzt. Ich brauche mehr Infos über Tom und Éllena. Gibt mir alles was du findest.“

„Aber Jeff ...“ Lane wurde sofort still, als Smith ihn ansah.

„Verschwinde, ich muss Chris anrufen und ihm die Infos über Charlie geben.“ Mit einer Handbewegung entließ er Lane und ich musste mich schnell aus dem Staub machen. Ich lief den Gang entlang und verschwand im Männerklo.

Verdammt, ich musste Charlie warnen. Sie durfte auf keinen Fall raus gehen.

 

 

 

Mist! Mist! Verdammt!

Ich kam zu spät. Viel zu spät. Das kann doch einfach nicht wahr sein. Ich war pünktlich vom Training mit den Kids, hatte genügend Zeit zum Einkaufen und auch zum Kochen gehabt, war auch rechtzeitig zum Training gekommen und hatte selbst, später wieder zuhause, zeit gehabt Celina davon zu überzeugen, heute Abend zum Spiel zu kommen. Ich hatte ihr versprochen, dass ich sie nachhause fahren würde und das diese Typen sicher nicht kommen würden. Welcher Idiot würde schon zu einem Ausverkauften Footballspiel kommen, um zwei Schüler zu töten. Das war viel zu auffällig. Allerdings hatte mich das Gespräch mit Celina so aufgewühlt, dass ich geschafft auf mein Sofa gefallen war … und eingeschlafen war. Und genau deswegen war ich jetzt auch spät dran.

Meine Uniform hatte ich schon zuhause angezogen, damit ich schneller war. Sonst hätte ich mich ja auch noch in der Umkleide umziehen müssen.

Die Uniform bestand aus einem kurzen, engen Rock und einem Oberteil ohne Arm, allerdings war es lang, nicht so wie die meisten Cheerleaderoutfits Bauchfrei, nein lang. Außerdem war sie in den Farben unserer Schule. Rot blau.

Meine Tasche schulterte ich schnell und lief über den Parkplatz. Das ich überhaupt noch einen Parkplatz gefunden hatte grenzte an eine Wunder. Denn es liefen schon überall Zuschauer herum, suchten ihren Platz, gingen noch mal auf die Toilette oder kauften sich was zutrinken oder was zuknabbern. Ich lief einfach an allen vorbei nach hinten zu dem Spielereingang.

Gerade als ich um die Ecke lief knallte ich mit etwas hartem zusammen und viel zu Boden.

„Seit wann steht denn hier eine Säule?“, murmelte ich und rieb mir den Hinterkopf.

„Entschuldige, aber ich bin keine Säule“, ertönte eine dunkle Stimme. Ich riss meine Augen auf und sah in das Gesicht eines Mannes.

„Ich … ähm ..“, stotterte ich und konnte den großen Mann vor mir nur anstarren. Seine grauen Augen reflektierten das Licht von den Scheinwerfern und hypnotisierte mich fast. Er war wunderschön. Sein hartes und kantiges Gesicht und sein kantiges Kinn, dass von einem Dreitagebart bewachsen war, zog mich einfach in seinen Bann. Von seinen dunklen Haaren sah ich nur den Pony, der von seiner Stirn abstand, da er eine Mütze trug. Sie waren gerade gestylet, sodass man seine normal große Stirn sehen konnte. An seinem rechten Ohr blitze ein kleiner silberner Ohrring auf.

„Willst du noch länger auf dem Boden sitzen bleiben?“, fragte er mit einer sanften Stimme und hielt mir seine Hand hin.

„Ich … nein“, stammelte ich immer noch, nahm seine Hand aber an und ließ mir hoch helfen.

„Alles in Ordnung?“ Ich blinzelte und sah ihn noch mal genauer an. Er trug eine beige Jeans, ein schwarzes langärmeliges Shirt und eine schwarze Weste. Seine Füße steckten in schwarzen Stiefeln, die Hosenbeine hatte er in diese gesteckt. „Hast du dir was getan?“ Schnell wischte ich mir den Dreck vom Po, zog den Rock wieder runter und kicherte leicht hysterisch. Wie peinlich.

„Nein, nein. Nichts passiert“, lächelte ich. Was, wenn er meine Unterwäsche gesehen hat?

Trottel, du hast doch noch das Höschen von der Uniform an, dir kann keiner auf deine Unterwäsche starren.

Oh ja … stimmt.

„Tut mir leid, ich war nur spät dran“, entschuldigte ich mich.

„Bist du immer noch.“ Diese Aussage traf mich wie ein Schlag

„Scheiße!“ Schnell packte ich meine Tasche und warf sie mir über die Schulter. Ich lief an dem Unbekannten vorbei. „Tut mir leid“, rief ich noch und verschwand im Spielereingang. Dort riss ich die Türe zur Umkleide auf, schmiss meine Tasche einfach auf die Bank und raste aufs Feld.

„Wo warst du?“, regte Celina sich auf und stemmte die Hände in die Hüften. Ihr Blick war böse, anklagend. Ich faltete die Hände und sah sie entschuldigend an.

„Ich bin eingeschlafen. Tut mir furchtbar leid und dann bin ich gerade auch noch mit nem Typen zusammen gestoßen.“ Bei dem Wort „Typen“ horchten alle Mädels auf.

„Was für ein Typ?“, fragte Kathi.

„Egal, wir sollten uns aufwärmen“, wollte ich das Thema wechseln, aber Kathi stellte sich vor mich.

„Sah er gut aus?“ Ich wollte schon ja sagen, aber ich hielt mich zurück.

„Kathi, ich habe keinen Namen, keine Nummer, wie soll ich oder du den Typen also finden?“

„Also sah er gut aus?“ Sie grinste siegessicher. Ich verdrehte die Augen und lief an ihr vorbei. Das es echt immer um Jungs gehen musste. Außerdem dachte ich, wollten sie mich mit Seth verkuppeln. Na ja, ich mochte Seth ja, aber trotzdem. Darf ich nicht selber entscheiden, wen ich Daten möchte oder mit wem ich zusammen sein wollte?

Seufzend lief ich ein paar Mal hin und her, dann blieb ich stehen und machte ein paar Dehnübungen.

„Wollen wir zusammen den Spagat machen?“, fragte Celina mich. Sie war ein bisschen blass um die Nase, dass sie allerdings mit Rouch vertuschen wollte. Aber mir konnte sie nichts vormachen. Ich wusste, dass sie Angst hatte.

„Klar“, nickte ich und stellte mich neben sie. Ich musste lächeln und sie ein bisschen ablenken, wenn ich gelassen war, vielleicht färbte das ja ein bisschen auf Celina ab.

Auf ein Zeichen von mir sprangen mir hoch und landeten dann im Spagat. Als wir dann wieder standen, gingen wir Stück für Stück in den Spagat runter.

Wir wärmten uns noch etwas weiter auf und diesmal machten auch die anderen mit. Allerdings sah Celina sich immer um.

Ich stellte mich neben sie und stieß sie mit der Hüfte an.

„Versuch mal zu lächeln. Die Jungs brauchen uns jetzt“, lächelte ich sie an.

„Ich versuche es“, sagte sie … und lächelte gezwungen. Aber besser als gar nichts. Weiter konnte ich mich aber nicht darum kümmern, weil wir anfangen mussten.

Ich klatschte in die Hände, dann stemmte ich die Hand in die Hüfte und die andere streckte ich gen Himmel. Das Publikum wusste sofort das es los ging und hoben die Fäuste. Wir stellten uns auf und fingen mit unserem Schlachtruf an, den alle natürlich mit schreien konnten. Alle Blicke waren auf uns gerichtet, was nichts besonderes war, weil wir es ja gewohnt waren, aber plötzlich spürte ich einen Blick auf mir. Es war ein komisches Gefühl … aber ich musste es ausblenden. Hier würden wir sicher sein. Die Männer von gestern würden nicht an so einem Ort eine Schießerei anfangen. Später allerdings schon.

Als wir fertig waren kamen auch schon unsere Jungs aus ihren Kabinen und wurden lautstark begrüßt. Wir Cheerleader schwangen unsere Pompoms, hoben die Beine und schrieen Anfeuerungen.

Seth kam als letztes raus, winkte und sah dann zu mir. Sofort lächelte er noch breiter und winkte mir. Ich winkte ihm mit dem Pompom zurück, das ihn noch mehr lächeln ließ.

„Er ist verrückt nach dir“, grinste Lia und spielte mit ihren Augenbrauen. Ja, das war wohl offensichtlich.

Wir feuerten die Jungs an und plötzlich spürte ich wieder diesen Blick auf mir. Ich drehte mich sofort um und sah mich zwischen den Gängen um. Irgendwie war das Gefühl zwar aufdringlich und komisch, aber ich hatte das Gefühl, dass ich diesen Blick kannte … nur woher?

 

 

Aus meiner Hosentasche holte ich mein Handy und wählte Akaras Nummer. Geh ran!

Tuuut

Tuuut

Tuuut

„Hey, hier ist nur meine Mailbox, bin also gerade nicht erreichbar. Lass mir eine Nachricht nach dem Piep da. Bis später“, ertönte Akaras Stimme und dann kam auch schon der nervtötende Piep. Mist!

„Akara, nimm ab. Du darfst heute nicht raus gehen und vor allem darfst du nicht zum Spiel gehen. Hier braut sich etwas zusammen. Verdammt, du hörst es bestimmt eh erst ab, wenn es zu spät ist. Pass auf dich auf, mach bitte nichts unüberlegtes.“ Ich musste zu ihr, ich musste … ich konnte nichts machen. Verdammt, ich bin 69 Jahre alt. Ich könnte sie nie beschützen, dafür war ich zu alt. Ja, ich ging noch auf Streife und wenn mal etwas passierte, war ich auch am Tatort, aber ich war nie bei einer Collone dabei oder einem Sicherheitsjob. Dafür war ich einfach zu alt.

Ich fuhr mir durchs Gesicht und durch die Haare.

Jack!

Ich musste Jack anrufen. Smith hatte Dreck am stecken, das war nicht zu übersehen. Ich hatte wirklich gedacht, ich würde ihn kennen, aber anscheinend ist er doch nicht so koscher, wie er immer tut. Und das schlimme ist einfach, dass er Lane da mit hinein zog. Gegen die beiden konnte ich etwas tun und für Akraras Sicherheit konnte ich auch etwas tun. Jack war der perfekte Mann dafür.

Wie von selbst wählte ich die geheime Nummer und wartete bestimmt zwei Minuten bis sich eine dunkle Männerstimme meldete.

„Jack, ich bin es Emanuel. Ich hab einen Auftrag für dich.“

„Dann lass hören.“

 

 

Ein lauter Pfiff ertönte und hallte im ganzen Stadion wieder. Sofort standen alle von ihren Plätzen auf … was nur noch wenige waren, da das Spiel einfach zu spannend war, als das man sitzen bleiben können. Das Spiel war vorbei, allerdings hatten unsere Jungs in der letzten Minute noch Punkte gemacht. Das Publikum rastete aus, jubelten und nahmen sich in den Arm. Wir hüpften auch auf und ab und riefen Glückwünsche. Es war ja nicht nur ein normaler Sieg, es war der Sieg der gesamten Meisterschaft.

Lächelnd sah ich auf das Spielfeld. Seth lief auf die Jungs zu, mit dem Ball in der Hand. Er hatte den letzten Punkt gemacht. Jetzt wurden erst einmal die Jungs gedrückt. Juan sprang auf James Rücken und zusammen schlugen sie bei Seth ein. Dieser grinste und sah mich dann an. Sofort wurde sein grinsen zu einem Strahlen und er kam auf mich zugelaufen. Dabei zog er seinen Helm aus und hielt ihn noch in der Hand. Ich lächelte und winkte ihm mit einem Pompom entgegen. Aber dann ließ Seth seinen Helm einfach los und kam schneller auf mich zu. Ich war total perplex, als er mich plötzlich an den Hüften packte und hoch hob. Aus Reflex stützte ich mich auf seine Schultern, dadurch schlang er aber seine Arme um mich. Seth strahlte zu mir hoch, seine hellen Augen funkelten richtig.

Und dann … ließ er mich etwas runter und küsste mich. Ich riss die Augen auf und war total überrumpelt. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, ob ich den Kuss erwidern sollte. Aber als Seth mich drängender küsste, ging ich einfach darauf ein. Doch da spürte ich wieder diesen Blick und drückte mich von Seth weg. Er ließ mich wieder auf den Boden und sah mich überrascht an. Verdammt! Ich musste ihm das erklären.

„Versteh das bitte nicht falsch“, flüsterte ich. „Es ist nur so, dass die Polizei die Typen von gestern noch nicht haben und ich will dich nicht mit hinein ziehen. Verstehst du? Wenn die mich mit dir sehen, könntest du auch in Gefahr sein … und das will ich nicht.“ … Mist, hätte ich ihm das wirklich sagen sollen? Jetzt konnte ich es eh nicht mehr Rückgängig machen. Aber das brauchte ich auch nicht. Seth sah nicht mehr so traurig aus und legte mir eine Hand auf die Wange.

„Charlie, ich will für dich da sein. Ich kann mich verteidigen und ich kann dich auch beschützen.“

„Das ist süß, danke. Aber ich möchte nicht, dass du da mit reingezogen wirst.“ Er wollte gerade etwas sagen, als plötzlich James auf seinen Rücken sprang und ihm die Haare zerzauste.

„Hey Casanova, du kannst unsere Cheerleader doch nicht einfach abknutschen“, grinste James und Seth lächelte nur.

„Was soll ich sagen? Ich hab Charlie gesehen und musste sie einfach küssen.“

„Jaja, nur weil wir gewonnen haben. Die arme Charlie.“ Seth streckte ihm die Zunge raus, lächelte dann aber wieder

„Kommt ihr mit den Sieg feiern?“, fragte Kyle und legte auch einen Arm um Seth, allerdings hatte er mit mir, beziehungsweise mit uns Mädels geredet. Ich sah zu Celina, die nicht so begeistert von der Idee war.

„Ich denke Celina und ich passen“, meinte ich und lächelte entschuldigend.

Zusammen gingen wir zurück zu den Umkleiden. Dadurch das ich verschlafen hatte, hatte ich auch keine Wechselklamotten dabei. Nur ein Handtuch und eine Flasche Wasser, die ich jetzt austrank. Die anderen zogen sich um. Wir Mädels redeten eigentlich immer beim Umziehen. Zwar nur über belangloses Zeug, wobei wir allerdings immer vergaßen uns weiter anzuziehen. Wir redeten über Jungs, bewunderten den Körper der anderen, staunten über neue Klamotten oder wollten wissen, woher die neu erworbene Unterwäsche stammte. Allerdings war es heute nicht so schlimm. Doch was drüben bei den Jungs abging …? Die waren immer total laut, vor allem nach einem Sieg. Und heute waren sie doppelt so aufgedreht. Nicht nur, dass es der Sieg der Meisterschaft war, es war nämlich auch ihr letztes Spiel zusammen und da musste man einfach die Sau raus lassen.

Sie machten voll das Chaos. Man hörte, wie sie auf den Bänken herum tanzten, wie sie ihre Brustpanzer durch die Kabine warfen und einfach nur laut waren.

„Was hat dich da eben geritten, Mann?“ hörten wir einen der Jungs.

„Ich dachte, du wolltest es langsam angehen, Casanova.“

„Hört auf mit dem Mist“, ertönte Seths Stimme. „Ihr wisst, wie gerne ich sie habe.“

„Er ist vollkommen verknallt in dich, Charlie“, kicherte Kathi und grinste mich an.

„Hör auf damit“, murmelte ich und wurde ein bisschen rot um die Nase. Kathi lachte.

„Psst, seid leise“, meinte Mandy und legte ihr Ohr an die Wand.

„Wie gern ich sie habe“, machte einer der Jungs Seth nach. „Trottel, du bist voll verschossen in Charlie.“

„Lasst den armen Mann in Ruhe. Charlie ist doch wohl eine scharfe Braut“, mischte James sich ein. „Ich muss echt sagen, dass ich sie auch echt süß finde. Vor allem wenn sie mit ihren Pompoms herum wedelt.“ Wir hörten ein einstimmiges Gemurmel.

„Hört auf“, rief Seth dazwischen.

„Du musst sie zum Essen einladen. Führ sie endlich aus und nutz deine Chance. Lange hast du nicht mehr, wenn du aufs Colleg gehst, wirst du keine Zeit mehr haben.“

„Ich will sie nicht ins Bett kriegen, Jungs.“

„Das meine ich auch nicht, aber du solltest dir noch einen schönen Sommer mit ihr machen.“

„Bin ich auch für“, nickte Kathi.

„Hört auf jetzt“, regte ich mich auf, nahm meine Tasche und ging schon raus. Das sich immer alles um Seth drehen muss. Ja, er war süß und ich fand ihn toll, aber … ja, aber was? Ich wusste nicht, ob ich ihn liebte. Ob ich mit ihm zusammen sein wollte, vor allem jetzt nach dem ganzen Drama …

Es dauerte nicht lange bis Celina aus der Umkleide kam und wir gehen konnten.

„Nimm das doch nicht so ernst“, meinte sie und lächelte. Das erste richtige Lächeln für heute. „Ihr zwei wärd nur voll das süße Paar.“

„Kann gut sein. Ihr sollt mich nur nicht so drängen.“

„Du musst aber auch mal einen Schritt auf ihn zugehen, du hast ihn eben auch weggestoßen.“

„Ja, ich habe ihn weggestoßen, weil wir doch gerade ein anderes Problem haben oder nicht?“ Celina bekam große Augen. Daran hatte sie wohl nicht mehr gedacht, was mich eigentlich ein bisschen glücklich machte. Das sie die Typen vergessen hatte, bedeutete, dass sie die letzten Stunden etwas Ablenkung gehabt hatte. Das war gut.

Ich seufzte und nickte zum Ausgang. In dem Moment kamen auch die Jungs aus der Kabine.

„Da ist sie! Frag sie, Quaterback“, rief einer der Jungs und schubste Seth zu uns.

„Ähm … also ...“, fing Seth an, kam aber nicht zum Punkt.

„Kommt doch mit, wir wollen ein bisschen feiern und Seth würde sich total freuen“, grinste James mich an.

„Das geht wirklich nicht“, meinte ich und zuckte die Schultern. „Ich muss morgen früh arbeiten.“

„Komm schon, Char, wir haben gewonnen und bald ist die Schule vorbei. Wir alle gehen aufs Colleg und haben kaum noch zeit für einander. Vor allem Seth wird wegen seinem Sportstipendium kaum Zeit haben.“ Er zeigte auf Seth und lächelte lieb. Als ob mich das umstimmen würde.

„James, hör auf. Sie kann nicht also. Hör auf sie so zu drängen“, mischte sich nun auch Seth ein. Ich lächelte ihn dankend an und zusammen gingen wir raus. In dem Moment kamen auch die anderen aus der Kabine und Celina wartete auf Kathi, sodass Seth und ich neben einander gingen.

Plötzlich nahm Seth meine Hand und zog mich etwas näher an sich.

„Würdest du denn morgen mit mir essen gehen? Nur du und ich?“, flüsterte er mir ins Ohr.

„Seth, ich ...“, fing ich an. Verdammt! Wie schüttelte ich ihn denn jetzt nett ab? Ich konnte mich nicht mit ihm treffen … er war mir einfach zu wichtig, als das ich mich mit ihm in der Öffentlichkeit zeigen wollte, solange noch nicht klar war, was da gestern Abend passiert war.

„Sag nicht nein, bitte, Char.“

„Ich kann nicht, Seth.“ Celina lief an mir vorbei und drehte sich dann zu uns um.

„Komm schon, Charlie“, spornte sie mich an. Seufzend stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsste Seths Wange.

„Sei nicht böse, aber das hat überhaupt nichts mit dir zutun.“

„Ich akzeptiere kein Nein, Char. Ich hole dich morgen um sechs ab. Sei fertig“, drohte er mir lächelnd und bevor ich noch etwas sagen konnte, zog Celina mich mit. Ich stolperte vorwärts und lief dann neben ihr weiter.

„Wo steht das Auto?“, fragte Celina und hielt schon Ausschau.

„Ganz hinten“, murmelte ich, kramte mein Handy aus der Tasche und sah das Emanuel mir auf die Mailbox gesprochen hatte. Was wollte er denn von mir? 

Kapitel 7

Kapitel 7

 

„Akara, nimm ab. Du darfst heute nicht raus gehen und vor allem darfst du nicht zum Spiel gehen. Hier braut sich etwas zusammen. Verdammt, du hörst es bestimmt eh erst ab, wenn es zu spät ist. Pass auf dich auf, mach bitte nichts unüberlegtes.“ Sofort blieb ich stocksteif stehen. Ich bekam eine Ganz-Körper-Gänsehaut und bekam kein Wort heraus.

Celina ging einfach weiter auf mein Auto zu und erzählte irgendetwas vor sich her. Aber mir wurde erst richtig bewusst, dass wir wirklich in Schwierigkeiten steckten. Diese Blicke, die ich gespürt hatte … also hatten sie uns gefunden und hatten auch wirklich vor uns hier abzufangen? Ich musste Celina warnen. Sofort … aber meine Beine bewegten sich kein bisschen. Ich weiß, dass ich einen kühlen Kopf bewahren musste, aber diese Blicke, sie waren so einschüchternd gewesen und noch mal das ganze von gestern? Noch mal vor diesen Typen davon laufen und vielleicht wieder verletzt werden? Oder diesmal getötet werden?

Verdammt, reiß dich zusammen, Charlie!

Ich zwickte mich in den Arm und schüttelte den Kopf. Kühler Kopf und Verstand einschalten. Ich wusste jetzt, wonach ich Ausschau halten sollte. Wir mussten einfach schnell ins Auto und dann weg hier. Wenn wir schnell genug von hier weg waren, konnten wir sie vielleicht abschütteln. Ich würde uns zu Emanuel fahren, das war jetzt das Beste was wir tun konnten.

Celina drehte sich zu mir um und blieb auch stehen.

„Charlie? Was ist los?“, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und ging schnell weiter.

„Nichts, nichts. Ich war nur am Überlegen, ob ich morgen wirklich mit Seth Essen gehen sollte.“ Sie grinste und nickte heftig.

„Doch solltest du. Du findest ihn doch toll, Charlie, ein bisschen solltest du schon auf ihn zugehen.“ Ich nickte und ging an ihr vorbei. Mein Blick glitt über die ganzen Autos, mit dem Ziel mein eigenes zu finden. „Ich finde euch zwei ja so süß. Vor allem wie Seth immer in deiner Nähe ist. Er ist eben nicht der Typ, der ein Mädchen ins Bett bekommen will. Er ist echt in dich verliebt und das ist total toll.“ Ich nickte nur und versuchte Celina zuzuhören, aber meine Gedanken kreisten sich um die Nachricht, die Emanuel mir hinterlassen hatte.

Und dann sah ich mein Babyblaues Cabrio … an dem zwei Männer lehnten. Celina hatte es noch nicht mitbekommen, da sie immer noch von Seth und mir als Paar schwärmte. Aber meine Sinne waren jetzt in Alarmbereitschaft. Plötzlich tauchten hinter uns noch zwei weitere Männer auf. Jetzt sah Celina auch auf und blieb stehen. Ich packte sie schnell am Arm und zog sie mit mir.

„Charlie ...“, fing sie an, aber ich schüttelte den Kopf.

„Hör mir zu. Wir gehen jetzt vom Parkplatz und dann müssen wir rennen.“ Ihre Augen wurden groß, aber sie nickte. Wir hatten keine andere Wahl. Ich hackte mich bei Celina ein und dann liefen wir nach links zum Ausgang des Parkplatzes.

Die beiden Männer hinter uns folgten uns und auch die zwei an meinem Auto stießen sich von diesem ab. Sie kamen uns auch hinterher. Ob das gut ging?

Bis zum Ausgang liefen sie einfach hinter uns her, damit wir bloß nicht auffielen. Sie hielten auch einen gewissen Abstand.

Celina klammerte sich an meine Hand und versuchte nicht nach hinten zu sehen. Ich kniff sie leicht in den Arm und nickte zu einer Seitenstraße.

„Wir sollten hier bleiben“, murmelte sie. „Auf der Hauptstraße.“

„Das ist egal wo wir sind, Celina. Die werden uns folgen und im Moment sind hier auch keine Taxen, wir kommen hier nicht weg. Wir haben ein bisschen Vorsprung, wenn wir direkt los laufen, dann können wir sie vielleicht abhängen.“

„Vielleicht?“, fragte sie und ihre Stimme ging ein paar Oktave höher. „Wir können drauf gehen, Char. Wir sollten hier auf der Hauptstraße bleiben, bis ein Taxi kommt.“

„Das Spiel ist gerade vorbei, hier werden keine freien Taxen herum fahren.“ Sie schluckte und sah zu der Seitenstraße, die immer näher kam. „Vertrau mir.“ Sie seufzte und nickte.

„Ich mach dich fertig, wenn wir das hier nicht schaffen.“ Ja, dem war ich mir bewusst, aber wir mussten etwas tun. Vielleicht konnte ich die Typen auch überrumpeln. … Vielleicht war gut. Ich musste sie überrumpeln, sonst war ich tot. Und Celina erst recht, sie würde sich keinen Meter ohne mich bewegen können. Sie brauchte mich … mich und meine Zuversicht.

Ich ging ein bisschen schneller, damit wir noch einen größeren Abstand aufbauen konnten. Zum Glück waren diese Typen so sehr von sich überzeugt, dass sie selber nicht schneller wurden. Sie dachte bestimmt, dass wir nur zwei Schulmädchen waren, die gar nicht wussten, was hier gerade passierte. Ich hoffe zumindest, dass sie das dachten, weil dann hatten wir eine kleine Chance.

Ganz plötzlich bogen wir in die Seitengasse ein und fingen sofort an zu rennen. Ich packte Celinas Hand und zog sie hinter mir her. Vor uns lagen ein paar kleine Abzweigungen, aber weiter hinten konnte man sich für links oder rechts entscheiden. Diese Abzweigung mussten wir schnell erreichen, bevor diese Männer in die Gasse bogen.

Wir rannten gerade an der dritten kleinen Abzweigung vorbei, als mich plötzlich jemand packte und in die Gasse zerrte. Celina wurde mit gezogen, da ich sie immer noch fest hielt. Ich wollte schreien, aber da legte sich schon eine Hand auf meinen Mund. Aus Reflex ließ ich Celina los, um den Angreifer los zu werden und uns zu retten, aber er war stark. Ich schlug um mich und versuchte irgendwie von dem Angreifer weg zu kommen. Celina schrie, aber auch ihr hatte unser geheimnisvolle Angreifer eine Hand auf den Mund gelegt.

„Seid still und hört auf euch zu bewegen“, hauchte eine dunkle Stimme in mein Ohr. Ich blieb sofort stehen, hörte auf um mich zu schlagen und erstarrte. Diese Stimme, ich kannte diese Stimme … aber nur woher?

Celina versuchte immer noch, weg zu kommen, aber der Unbekannte hielt sie augenblicklich fest, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte.

„Ihr habt keine andere Wahl als mir jetzt zu vertrauen. Seid leise und bleibt hier“, sagte die Stimme und sie erlaubte keine Wiederworte.

In der Gasse hallten im nächsten Moment auch schon Schritte wieder.

„Wo sind sie hin? So schnell können die zwei nicht gewesen sein“, hörten wir einen sagen. Und dann trat der Unbekannte zwischen uns hindurch in die Gasse. Mir blieb der Atem stehen und ich konnte den Mann nur anstarren, der da zum Vorschein gekommen war. Diese schwarzen Stiefel, die beige Hose, die schwarze Weste und die Mütze. Er war es! Der Typ in den ich vor dem Spiel gerannt war … die Säule.

„Oh, hallo“, sagte er und drehte sich zu den Männern, die uns verfolgt hatten. „Ich suche den Ausgang, hab mich ein bisschen verlaufen. Wisst ihr, wie ich zum Stadion komme?“ Er kratzte sich am Nacken und lächelte entschuldigend. „Wisst ihr, so ne Süße hat mich hier her geschleppt, wisst ja wie sowas abläuft.“

„Weiter gerade aus“, antwortete ihm einer gereizt. „Hast du zwei Mädchen hier lang laufen sehen?“

„Meinen sie zwei Schulmädchen? Die eine trug eine Cheerleaderuniform, oder?“

„Ja, genau die zwei.“ Die Säule zeigte über seine Schulter nach hinten.

„Die sind wie so zwei Verrückte an mir vorbei.“ Celina klammerte sich an meinen Arm und presste die Lippen aneinander, um bloß keinen Mucks zu machen.

„Du solltest jetzt verschwinden.“ Die Säule hob beide Hände.

„Bloß keinen Stress.“ Er ging auf die Typen zu und aus meinem Sichtfeld.

Plötzlich hörte ich, wie eine Waffe geladen wurde und kurz darauf viel ein Schuss. Genauso schnell fiel etwas zu Boden, dann hörte man das jemand herumlief.

Ein Schlag.

Ein Schuss.

Ein Schlag.

Zwei Schüsse.

Ein Stöhnen.

Ein Schuss.

Ein Stöhnen.

Stille.

Celina hatte die Augen zusammengekniffen und krallte sich richtig in meinen Arm. Ich hielt es allerdings nicht mehr aus und ging zurück in die Gasse.

Vor mir lagen die vier Männer auf dem Boden, unter allen vieren breitete sich eine Blutlache aus. Sie waren tot. Und die Säule stand einfach da, entsicherte die Waffe und steckte sie sich hinten in den Hosenbund.

Celina wurde kreidebleich und machte den Mund auf. Ich reagierte schnell und hielt ihr den Mund zu, dann schrie sie.

„Wir müssen hier weg, es wird nicht lange dauern und die schicken Verstärkung“, meinte die Säule und zeigte hinter uns. „Da lang.“ Damit setzte er sich in Bewegung und ging an uns vorbei.

„Stopp“, hauchte Celina. „Sie haben gerade diese vier Männer umgebracht und jetzt sollen wir Ihnen einfach folgen? Meinen Sie wir sind lebensmüde?“ Die Säule seufzte und drehte sich wieder zu uns.

„Ja, ich hab die Typen getötet, aber hätte ich das nicht getan, hätten sie euch getötet, denn deswegen sind sie hier.“ Celina wollte ihm widersprechen, aber er hob die Hand, um sie zu stoppen. „Wenn ich sie nur Bewusstlos geschlagen hätte, würden sie mich aufspüren, dann seid ihr nicht mehr sicher.“

„Und woher wissen wir, dass du sicher bist?“, fragte ich und sah ihn genau an.

„Reicht dir der Name: Emanuel Grey?“ Ich machte große Augen.

„Du kennst Emanuel?“

„Er hat mich heute Mittag angerufen.“

„Deswegen warst du heute beim Stadion.“ Er nickte.

„Genug gefragt, wir müssen hier weg. Mein Auto steht drei Straßen weiter.“ Er wartete nicht auf eine Zustimmung, er ging einfach weiter.

„Char, ich weiß nicht“, murmelte Celina mir zu. Und konnte ihr Misstrauen verstehen, aber wenn er Emanuel kannte, dann … ich weiß auch nicht, wie ich das beschreiben sollte, aber wenn Emanuel ihn geschickt hatte, dann konnten wir ihm vertrauen.

„Wir haben keine andere Wahl.“ Ich nahm Celinas Hand und zog sie mit, hinter der Säule her.

Keine zehn Minuten später standen wir vor einem schwarzen Chevrolet Camaro. Die Säule stieg sofort ein, Celina und ich stockten ersteinmal. Aber als er den Motor anließ, machte ich die Türe auf und drückte Celina rein. Ich stieg vorne auf dem Beifahrersitz ein.

„Zwei Regeln. Erstens: Im Auto anschnallen. Zweitens: Wenn ich was sage, wird es auch gemacht, keine Widerworte. Wenn ihr das nicht hinbekommt, steigt aus“, meinte er und sah mich an. Ich sah ihm einen Moment in die grauen Augen, aber dann schnallte ich mich ohne ein weiteres Wort an. Mit einem Seitenblick in den Spiegel, schnallte auch Celina sich an. Kaum hörten wir das klicken, schon raste die Säule los.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich, als wir endlich auf die Hauptstraße bogen.

„Jack.“

„Jack und weiter?“, fragte Celina.

„Nur Jack.“ Wir fuhren nur kurz über die Hauptstraße, aber dann bog Jack in eine Seitenstraße ein. „Ich bringe euch in eine kleine Wohnung. Dort könnt ihr eure Eltern benachrichtigen. Später stößt Emanuel zu uns.“

„Warte, stopp“, meinte Celina. „Wie unsere Eltern benachrichtigen? Komme ich nicht mehr nach hause?“

„Fürs erste nicht.“ Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Finger in den Haaren.

„Wer bist du, dass du sowas entscheiden kannst?“ Jack seufzte.

„Ich bin Bodyguard, ich weiß, was zutun ist.“ Celina machte wieder den Mund auf, um weiter zu diskutieren, aber ich drehte mich schnell zu ihr um.

„Bitte, lass ihn uns erst einmal hier weg bringen und dann können wir weiter darüber nachdenken, ob wir ihm weiter vertrauen können oder nicht“, meinte ich und sah sie bittend an. Ich wusste, das das hier alles zu schnell kam, zu viel war, aber Jack war im Moment der Einzige, der uns wirklich beschützen konnte. Sie nickte und verhielt sich ruhig.

Zwanzig Minuten später waren wir im hintersten Teil der Stadt angekommen. In einem heruntergekommenem Viertel und hielten vor einem alten Drei-Familienhaus. Leise folgten wir Jack in das Haus und hoch in den dritten Stock. Es war ein runter gekommende Wohnung, nur zwei Zimmer. Ein großes Wohnzimmer, mit einer Küchenzeile, ein Schlafzimmer und ein Bad. Alle Möbel in der Wohnung waren schon total ausgelutscht und sahen nicht gerade neu aus.

Vorsichtig setzte Celina sich auf das Sofa und sah sich um.

„Wie alt ist das Haus?“, fragte sie und bekam ein abfälligen Gesichtsausdruck.

„Tut mir leid, dass es kein zehn Sterne Hotel ist“, meinte Jack und zog die Vorhänge an den vier Fenstern in dem Raum zu. Dann drehte er sich zu ihr um und warf ihr ein Handy auf den Schoß. Es war kein Smartphone, sondern ein altes Nokia. Etwas, was man schnell entsorgen konnte.

Die Waffe, die Jack eben mitgehen lassen hatte, legte er auf die Küchenzeile und lehnte sich dann an diese. Ich stand noch immer mitten im Raum und sah von Jack zu Celina, die jetzt endlich die Nummer ihrer Eltern eintippte und sich leicht von uns weg drehte.

„Was ist hier überhaupt los?“, fragte ich, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Jack an.

„Mehr, als dass ich auf euch aufpassen sollte, hat Emanuel mir nicht gesagt. Er sagte, dass es wichtig sei, dass ich keine Fragen stellen solle und so schnell es ging zum Stadion gehen sollte. Dein Bild hat er mir gemailt.“ Ich nickte. Dann musste Emanuel etwas in Erfahrung gebracht haben, wenn er schon einen Bodyguard beauftragte, der auf uns aufpassen sollte.

„Also standest du deswegen so nah am Spielereingang?“

„Emanuel sagte, du seist ein Cheerleader.“ Seine Augen musterten mich und erst jetzt bemerkte ich, dass ich immer noch die kurze Uniform an hatte. Schnell zog ich den Rock ein bisschen weiter nach unten. „Aber das mit der Säule war dann doch etwas, was ich nicht beabsichtigt hatte.“

„Und die Typen?“

„Im Stadion habe ich keinen Ausfindig machen können. Erst als ihr euch von den anderen getrennt habt, habe ich gemerkt, dass zwei Männer auf euch gewartet haben.“ In meinem Kopf ratterte es. Aber ich hatte doch diese Blicke auf mir ge …

„Du hast mich beobachtet!“, rief ich aus. Jack verschränkte auch die Arme vor seiner breiten Brust und hob eine seiner Augenbrauen.

„Natürlich hab ich dich beobachtet, um dich im Auge zu behalten.“ Blödmann!

Ich drehte mich wieder zu Celina, die leise in das Handy sprach. Als sie dann endlich aufgelegt hatte, setzte ich mich neben sie. Sie knetete das Handy in ihren Fingern und starrte nur auf einen Fleck. Angst stand in ihren Augen, was ich nur zu gut nachvollziehen konnte.

Jack stellte zwei kleine Wasserflaschen auf den kleinen Wohnzimmertisch vor uns.

„Ihr solltet was trinken“, meinte er, ging zurück, bis er sich an die Wand lehnen konnte. Ich angelte nach den zwei Flaschen, machte eine auf und gab sie Celina. Diese nahm zitternd einen Schluck und hielt die Flasche dann nur noch in den Händen; das Handy lag jetzt in ihrem Schoß.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich und legte eine Hand auf Celinas Rücken, um sie ein bisschen zu beruhigen, um ihr zu zeigen, dass ich für sie da war, dass sie nicht alleine war.

„Ich sollte heute Abend auf euch aufpassen, weiter weiß ich noch nicht. Emanuel hat die Details“, antwortete Jack mir. Ich nickte, aber da klopfte es schon vier Mal an der Tür.

„Jack, ich bins. Emanuel“, ertönte Emanuel sanfte Stimme. Jack stieß sich von der Wand ab und ging zur Türe. Dort sah er aber auch erst einmal durch den Spion. Dann machte er die Tür auf und ließ einen schnell atmenden Emanuel in die Wohnung. Ich stand sofort auf und musterte ihn. Keine Wunden, keine Verletzungen, also war er nur schnell gerannt. Zum Glück. „Akara!“ Emanuel kam sofort zu mir und drückte mich. „Alles okay bei euch beiden?“ Jetzt sah er zu Celina und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Jack hat uns gerettet. Uns geht es gut“, beruhigte ich ihn und drückte ihn aufs Sofa. Emanuel nickte und sah Jack an.

„Danke, dass du es einrichten konntest. Ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte.“ Jack stellte sich wieder an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust, sodass sich seine Arme anspannten und man deutlich ein paar Muskeln erahnen konnte.

„Ich war dir was schuldig, kein Problem“, meinte Jack monoton. „Aber mit diesen Typen ist nicht zu Spaßen. Ich kenne die Organisation in denen sie drin waren. Zwar waren das neue Rekruten von ihm, aber sie waren nicht schlecht.“ Emanuel nickte und sah zu Boden.

„Was schlägst du vor zu tun?“ Jetzt sah Emanuel wieder auf und Jack in die Augen. „Ich kann sie keinem Polizisten überlassen, Jack, und ich kann dich auch nicht über die Polizei anheuern.“

„Was? Warum das nicht?“, hörte Celina plötzlich zu und stand auf. „Sie wollen doch nicht sagen, dass die Polizei korrupt ist, oder?“

„Celina!“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Sag soetwas nicht. Wir brauchen jetzt jede Hilfe die wir bekommen können.“ Sie setzte sich wieder und sah betroffen zu Boden.

„Wir sollten alleine weiter reden“, meinte Emanuel und stand auf. „Ich will euch beide nicht beunruhigen und je weniger ihr wisst, desto besser.“ Ich nickte und setzte mich neben Celina, um ihr wieder beruhigend über den Rücken zu streicheln.

„Es wird alles gut“, meinte ich, als die zwei ins Schlafzimmer gegangen waren.

„Meinst du wirklich?“ Ich nickte und lehnte meine Stirn an ihre Schläfe.

„Guck mal, Jack hat diese vier Typen im Handumdrehen fertig gemacht. Wenn er uns weiter beschützt kann uns nichts passieren, da bin ich mir sicher.“

„Wie kannst du ihm so vertrauen?“

„Weil Emanuel es tut. Ich weiß, es ist bescheuert, aber ich kenne Emanuel schon mein ganzes Leben und ihm vertraue ich blind und wenn er Jack vertraut, dann können wir das auch.“ Sie nickte und nahm meine Hand.

„Okay, ich vertraue dir.“

„Aber, Celina, wir müssen das machen, was er sagt, hörst du? Wir müssen uns auf ihn verlassen und wir dürfen auch keine hohen Ansprüche stellen. Wenn es wirklich so ist und die Polizei korrupt ist, dann werden wir öfter in so heruntergekommenen Wohnungen leben.“ Sie ließ ihre Schultern sinken und stützte sich auf ihre Knie. „Das ist wichtig, Celina.“

„Ja, ich weiß, aber ich verstehe einfach nicht, wie du das alles so hinnehmen kannst. Hast du keine Angst?“ Ob ich Angst hatte? Hatte ich wirklich Angst? Ja, hatte ich, aber ich überspielte diese Angst mit anderen Gefühlen. Ich versuchte, mich nicht zu sehr auf diese Typen zu konzentrieren oder auf das was jetzt bald geschehen könnte. Ich wollte definitiv nicht in dieser Situation stecken, aber wir waren nun mal hier … mit Emanuel und Jack an unserer Seite. Eben in der Seitenstraße hatte ich Angst gehabt, ich hatte wirklich gedacht, dass wir es nicht schaffen konnten … aber Jack … wie er einfach so heraus spaziert war, so getan hatte, als wenn er sich verlaufen hatte … ihm musste klar gewesen sein, dass die Typen ihn nicht gehen lassen würden, weil er ihre Gesichter gesehen hatte und vor allem, weil er uns gesehen haben könnte, aber er war ruhig geblieben, hatte ihnen etwas vorgespielt und sie dann erledigt. Er war Profi und erst jetzt wurde mir klar, dass ich in meinem Unterbewusstsein keine Angst mehr hatte, weil er jetzt da war. Ich konnte das nicht erklären, ich meine, ich kannte diesen Mann nicht, aber er würde nicht zulassen, dass uns etwas passierte. Dessen war ich mir bewusste und genau dieses Gefühl war es, was mich ruhig werden ließ … ganz unterbewusst.

„Ich weiß nicht, aber ich fühle mich hier sicher.“ Ich sah Celina an und drückte ihre Hand. „Jack hat vier Typen ausgeschaltet und hat keinen Kratzer davon getragen … in seiner Nähe fühle ich mich sicher.“

„Wir kennen ihn doch gar nicht. Er könnte ein Doppelagent sein oder so.“ Ich zuckte die Schultern.

„Ich weiß, aber wir haben keine andere Wahl.“ Damit stand ich auf und wollte zur Küche gehen, allerdings blieb ich vor der Schlafzimmertür stehen, die nur angelehnt war.

„Char, tu das nicht“, meinte Celina, als ich weiter zu der Tür ging. Ich drehte mich zu ihr um und hielt mir einen Finger an die Lippen.

„Er ist wieder draußen und wenn sie wirklich die Taschen der Mädels haben, dann sind sie in ihren Häusern nicht mehr sicher“, hörte ich Emanuel sagen.

„Ich weiß“, meinte Jack immer noch mit kühler Stimme. „Aber du sagtest, dass sie nur Infos über Akara rausgesucht haben, was ist mit Celina?“

„Ich weiß nicht, ihr Name ist überhaupt nicht gefallen. Was meinst du dazu?“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sie einfach so laufen lassen. Sie könnte immer noch die Männer identifizieren.“

„Als sie direkt nach dem Überfall zu uns ins Präsidium kamen, haben wir Phantombilder zeichnen lassen, aber als ich eben nach ihnen gesucht habe, waren sie nicht mehr da. Wir haben korrupte Polizisten, die alles verschwinden haben lassen, was gestern Nacht geschehen ist. Sie haben kein Interesse an Celina, nur an Akara.“

„Das muss etwas mit Tom und Èllena zutun haben.“ Emanuel machte ein zustimmendes Geräusch.

„Du musst sie beschützen, Luca, ich kann das nicht mehr. Das einzige, was ich tun kann ist, dir Informationen zuzuspielen.“ Ich hörte ein Geräusch, dass sich anhörte, als würde jemand Rauch auspusten.

„Ich werde sie beide hier behalten, nur du weißt, dass es schwer werden wird, für beide. Und wenn beide nicht bereit sind mir zu vertrauen und das zutun, was ich sage, kann ich für nichts garantieren, Emanuel. Ich kann nur arbeiten, wenn sie wirklich bereit dazu sind.“

„Du bist der Beste für den Job und ich bin mir sicher, dass du soviel Druck ausüben kannst, um beide davon zu überzeugen, Luca. Wenn Akara dir vertraut, dann wird sie es auch schaffen, dass Celina auf das hört, was du zusagen hast.“

„Gut, ich machs. Auch wenn ich jetzt auf mich gestellt bin.“ Wieder ein langes auspsuten. „Ich werde mich bei dir melden. Du musst dir ein sicheres Handy zulegen, damit wir untereinander sicher reden können. Ich werde mit den beiden laufend die Wohnung wechseln und am besten aus der Stadt fahren.“ Was? Aus der Stadt? Was war mit Celinas Eltern? Wir konnten sie doch nicht zurück lassen. „Ich hab noch was gut bei einem Kollegen, der wird sich um Celinas Familie kümmern. Du musst die Kommunikation herstellen. Sag ihrer Familie, dass sie sich normal verhalten sollen, dass sie arbeiten gehen sollen oder sonst etwas. Celina ist bei mir und sie werden beschützt, mehr brauchst du ihnen nicht sagen. Mein Kollege wird aus dem Hintergrund handeln, das heißt, dass sie im Schatten bleiben. Das macht es einfacher.“ Sofort fiel mir ein Stein vom Herzen. Für einen Moment hatte ich wirklich Panik bekommen. Kurz hatte ich wirklich gedacht, er würde Celinas Eltern ohne Schutz lassen.

„Es tut mir leid, dass ich dich da mit rein ziehe. Ich weiß, dass du viel zutun hast. Und vor allem das du das ohne Sicherheiten machst.“ Ohne Sicherheit? Meinte er damit ohne Polizei? … Das konnte Emanuel nur meinen, denn wenn die Polizei korrupt war, dann konnten wir auf keine Hilfe hoffen, sondern nur auf Widerstand. Das er uns trotz dieser ganzen Komplikationen half … sprach für ihn.

Als beide sich bewegten, lief ich schnell zu Celina aufs Sofa zurück.

„Was hast du gehört?“, flüsterte sie, aber ich schüttelte nur den Kopf. Sie musste nur das wissen, was Luca … nein Jack ihr, beziehungsweise uns, anvertrauen wollte. Das wäre das beste für Celina.

Verdammt! Warum dachte ich Luca? Er hieß doch Jack, aber warum hatte Emanuel ihn dann Luca genannt? War das etwa nur ein Deckname? Jack, nichts weiter. Das musste sein Deckname sein … und Luca war sein wirklicher Name. Er war viel schöner, wie Jack, aber darum ging es jetzt nicht.

„Ich hab kein Wort verstanden“, sagte ich ihr und sah dann zu Emanuel und Luca … nein Jack. Und da sah ich die Ursache, des komischen Geräusches. Es war eine Zigarette gewesen, die Lu … Jack in den Fingern hielt. Allerdings war jetzt nicht mehr viel von dieser übrig. Emanuel kam zu uns, Luca schmiss den Zigarettenstummel weg.

„Jack wird bei euch bleiben und euch beschützen. Ich werde versuchen Informationen zu besorgen, aber ihr müsst bei Jack bleiben und auf das hören, was er sagt“, meinte Emanuel und sah mich an. „Ich weiß, dass ihr Angst habt und das ihr endlich wissen wollt, was hier vor sich geht, aber es ist besser wenn ihr nichts genaueres wisst.“

„Was ist mit meinen Eltern?“, fragte Celina und fing wieder an, ihre Finger zu kneten.

„Ich werde ein paar Kollegen damit beauftragen sie im Auge zu behalten. Ich weiß, dass sie sich Sorgen um dich machen, aber Emanuel wird ihnen sagen, dass du bei mir in Sicherheit bist“, erklärte Luca und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich vertraue diesen Leuten, also kannst du davon ausgehen, dass deinen Eltern nichts passiert.“

„Kann ich sie anrufen? Später?“ Luca schüttelte den Kopf.

„Wir müssen uns abschotten, es kann sein, dass es etwas dauert, bis du deine Familie wieder anrufen kannst.“ Celina vergrub ihr Gesicht in den Händen.

„Und wie lange, bis ich sie wiedersehen kann?“, hauchte sie kaum hörbar.

„Ich werde und kann nichts versprechen. Wie gesagt, ich habe zwei Regeln. Die werden eingehalten, wenn nicht kann ich nichts für euch tun. Ihr seid auf mich angewiesen.“ Ich legte eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie.

„Wir machen alles was du sagst, versprochen“, gab ich Luca mein Wort. Er sah mir in die Augen, ich sah zurück. In seine grauen Augen. Sie waren wunderschön … aber man sah nichts in ihnen. Keine Emotionen, nichts ließ daraus schließen, was er dachte oder wie er fühlte. Sie waren ausdruckslos.

„Ich werde mich um deine Eltern kümmern, damit sie wissen, dass es dir gut geht, Celina“, meinte Emanuel und stand auf. „Ich muss jetzt gehen, aber ihr seid bei Jack gut aufgehoben. Tut nichts unüberlegtes.“ Wir nickten und Emanuel ging zur Tür. Luca folgte ihm. „Pass gut auf sie auf.“

„Mache ich und du suchst nach Informationen.“ Damit schloss Luca die Türe und verriegelte sie in einem. Er kam zu uns und streckte beide Hände aus. „Ich brauche eure Handys.“

„Was?“, rief Celina aus und sprang auf. „Auf keinen Fall, wenn meine Eltern anrufen ...“

„Durch eure Handys können sie uns orten, also her mit den Handys“, sagte Luca sauer und sein Ton duldete keine weiteren Widersprüche.

Schnell ging ich zu meiner Tasche, die auf dem Boden stand und holte mein Handy raus. Ich legte es in Lucas dargebotene Hand und setzte mich wieder. Er umfasste mein Handy und sah dann Celina an.

„Verdammt!“, fluchte sie, holte ihr Handy aus ihrer Hosentasche und gab es Luca. Wütend ging sie an ihm vorbei ins Schlafzimmer. Mit einem Knall ging dann auch die Türe zu. Ich zuckte kurz zusammen, Luca scherte das allerdings sehr wenig. Er machte beide Handys aus, machte die Hülle ab, holte die Simkarten raus und zerbrach sie. Auch die Handys machte er kaputt und packte sie dann in eine Plastiktüte. Diese schmiss er auf die Küchenanrichte, holte etwas aus seiner Gesäßtasche … und zündete sich eine neue Zigarette an.

„Ihr solltet schlafen gehen“, sagte er und stieß eine Rauchwolke aus. „Morgen werden wir früh hier abhauen, Proviant besorgen und ...“ Sein Blick glitt über meinen Körper und stieß wieder eine Rauchwolke aus. „Und euch neue Klamotten besorgen.“ Automatisch packte ich meinen kurzen Rock und zog ihn so weit herunter, wie es nur ging.

„Entschuldige, aber ich konnte mir nicht aussuchen, wann diese Typen uns angreifen würden“, motzte ich ihn an. Luca hob beiden Hände und lächelte leicht.

„Ich hab nicht gesagt, dass es mir nicht gefällt.“ Damit nahm er sich die Plastiktüte und ging vor die Türe. Mich ließ er total perplex zurück. Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt. Das konnte nicht sein.

Blödmann!

Kapitel 8

Kapitel 8

 

 

„Scheiße! Das kann doch nicht wahr sein!“ Ein Mülleimer wurde weggetreten und mein Begleiter schrie noch weiter.

„Halt die Klappe und sei leise oder willst du das Leute hier her kommen und dieses Massaker sehen?“, schnauzte ich ihn an, packte ihn am Kragen und schubste ihn dann wieder weg, sodass er stolperte und auf den Boden knallte. Idiot! Wie kann man seine Emotionen nur so freien Lauf lassen? Und wie um Himmelswillen war ich nur an so einen Idioten geraten? Als er sich vorgestellt hatte, sah er nicht so inkompetent aus … genauso wie die vier, die jetzt zu meinem Füßen lagen. Ich würde nur zugerne wissen, was hier passiert war.

Mein Kollege brummte weiter auf dem Boden herum, in der Zeit lief ich auf und ab und sah mir die vier Leichen vor meinen Füßen an.

„Chef“, murmelte plötzlich jemand und ging auf die Knie.

„Was hast du für mich?“

„Ich sah, wie die beiden Mädchen in ein Auto stiegen.“ Das machte mich hellhörig und ich drehte mich zu meinem Untergebenen.

„Wessen Auto?“ Er sah zu mir hoch und sah nicht so begeistert aus, wie ich es war.

„Jacks.“ Ich blieb stocksteif stehen.

„Sag das noch mal!“, knurrte ich. Mein Untergebener schluckte.

„Sie sind in Jacks Auto gestiegen, Chef.“ Mit voller Wucht trat ich gegen die Mülltonne.

„Das kann nicht wahr sein!“ Wenn sie bei Jack waren, dann wird das ganze hier noch komplizierter, als ich gedacht hatte.

Ich ballte meine Hand zur Faust und biss die Zähne zusammen.

Ich bekomme dich, Luca, das was du meinem Boss angetan hast, werde ich nicht vergessen. 

Kapitel 9

Kapitel 9

 

 

Ich weiß nicht, wie lange ich schon wach war … oder ob ich überhaupt geschlafen hatte.

Celina aber hatte die Nacht durch geschlafen und schnarchte mir jetzt leise ins Ohr. Keine Ahnung, wie sie schlafen konnte, aber vielleicht war das auch gut so. Vielleicht konnte sie mit dem Schlaf an Vernunft gewinnen und nicht immer ausflippen, wenn irgendetwas neues auf uns zu kam. Hatte sie wirklich geglaubt, dass wir hier mit Handy, Leptop und was weiß ich herum laufen konnten? Am besten wäre ja noch, wenn sie posten würde, wo wir hin gingen. Ja, okay, die Situation war jetzt nicht die beste, aber ein bisschen Verstand musste man doch auch haben. Wir waren auf der Flucht … na ja eigentlich war nur ich auf der Flucht. Wenn das stimmte, was Emanuel gesagt hatte, dann hatten diese Typen kein Interesse an Celina und ihrer Familie, sondern nur an mir … nur was war so interessant an mir?

Verdammt! Ich kann nicht schlafen.

Leise stand ich auf, drehte mich noch mal zu Celina um, aber sie drehte sich nur zur Seite und schlief weiter. Kaum merklich machte ich die Türe auf und trat hinaus.

Es war noch nicht komplett hell, dafür war es noch zufrüh, aber das machte nichts. In diesem Licht hatte ich eine perfekte Sicht auf Luca. Er stand mit dem Rücken zu mir am Fenster. Sein rechter Arm lehnte über seinem Kopf am Fensterrahmen und dadurch spannten sich seine Rückenmuskeln an … warum ich das wusste? Weil er echt ohne Shirt da stand. Er trug nur eine Jeans und seine schwarzen Stiefel. Und ich musste sagen, dass mir seine Rückenansicht sehr gefiel.

Was? Seine was? Was denke ich hier bitte?

Aber irgendwie musste ich ihn mir noch etwas ansehen. Er war Bodyguard oder Sicherheits-was-weiß-ich, aber sein Rücken hatte keine Narben oder so etwas in der Art. Auf seiner rechten Schulter blitze etwas, was sich auch um seinen Oberarm schlängelt … der nicht ohne war. Ich erkannte nicht, was es war.

„Findest du keinen Schlaf?“ Ich schreckte zusammen und machte einen Schritt zurück. Hatte er mich wirklich so schnell bemerkt?

„Kann gut sein“, murmelte ich und sah zu Boden.

„Das trifft sich gut. Kannst du Celina aufwecken?“ Ich sah auf und in Lucas graue Augen. Wie gestern Abend wurde das Licht von seinen Augen eingefangen und jetzt leuchteten sie und doch … hatten sie keinerlei Ausdruck. Seine Augen wanderten wieder an meinem Körper herunter, ich folgte seinen Augen und bekam kurz danach einen Schock. Ich hatte zum Schlafen den Rock ausgezogen … also stand ich gerade hier nur mit meiner Unterhose, einer schwarzen Panty.

„Wage es dich, etwas zu sagen“, motzte ich sofort und hob einen Finger, mit dem ich ihm drohen wollte. Wieder hob er beide Hände, um weitere Beschuldigungen abzuwehren, und ging an mir vorbei zur Küchenzeile. Dadurch konnte ich ihn mir etwas besser ansehen. Und seine Vorderansicht war der Hammer. Er bestand nur so aus Muskeln, dicke Muskelstränge verliefen über seine Arme, ein sixpack prägte seinen Bauch und auf seiner rechten Brust hatte er einen Drachenkopf. Das Tattoo war kein richtiges Bild eines Drachen, er war lediglich aus Tribals. Sein Kopf war auf Lucas Brust, der Körper schlängelte sich bis hoch zu seiner Schulter und der Schwanz ging einmal um seinen breiten Oberarm. Das war es, was ich eben gesehen hatte.

Für einen kurzen Moment blieb ich reglos an Ort und Stelle stehen. Wie konnte man nur so gut aussehen?

Warte? Ging mir das gerade wirklich durch den Kopf? Das kann einfach nicht wahr sein!

Schnell ging ich wieder zu Celina ins Zimmer, aber bevor ich sie weckte zog ich mir schnell meinen Rock an. Ich musste jetzt wirklich darauf achten, wie ich herum lief, damit Mr. Eiskalt nichts mehr zu gucken hatte.

„Celina, aufstehen“, flüsterte ich leise und rüttelte sie etwas an der Schulter. Sie stöhnte, drehte sich um und zog die Decke über ihren Kopf. „Komm schon, wir müssen weiter.“

„Noch fünf Minuten“, murmelte sie.

„Nein, keine fünf Minuten.“ Schnell nahm ich mir die Decke und zog sie weg. Sie brummte und rappelte sich langsam auf. Sie zeigte mit dem Finger auf mich.

„Du bist gemein.“ Ich lächelte nur, nahm ihre Hand und zog sie auf die Beine. Und dann war alles wieder okay. Sie machte die Augen auf und war hell wach … so war das eigentlich immer bei ihr. Erst sträubte sie sich, dann musste ich ihr die Decke weg nehmen, dann beleidigte sie mich, ich zog sie einfach auf die Beine und schon war sie wach. Da gab es dann kein Gebrumme mehr oder so, nein, sie ging sich fertig machen und dann war sie wach und vor allem gut gelaunt.

Zusammen gingen wir aus dem Schlafzimmer und wurden sofort von zwei Zahnbürsten, einer Zahnpaster und einem kleinen Handtuch begrüßt. Luca stand vor uns und hielt uns die Sachen vor die Nase, diesmal angezogen.

„Was? Nur ein Handtuch? Und wie sollen wir duschen?“, fragte Celina und nahm alles an sich.

„Wir fahren in fünf Minuten“, meinte Luca nur, drehte sich um und ging zur Küchenzeile. Celina brummte und ging in das kleine und heruntergekommene Bad. Es stand nur eine Toilette und ein Waschbecken drin … das dann zum Thema duschen.

„Der kann doch nicht von uns erwarten, dass wir jetzt die ganze zeit nicht duschen gehen“, regte Celina sich auf. „Man, wir müssen mit einem Mann unterm Dach zusammen leben und dann kann man sich noch nicht mal sauber machen“, murmelte sie vor sich hin. Ich sah sie an und blinzelte. Was hatte sie da gesagt? „Hier.“ Sie hielt mir eine der Zahnbürsten hin und fing dann selber an, sich die Zähne zu putzen.

Fünf Minuten später saßen wir wirklich im Auto und verließen auch die heruntergekommende Gegend, was Celina sehr angenehm fand. Luca fuhr uns wieder in die Stadt und hielt dann vor einem Bäcker.

„Oh ja, essen“, meinte Celina und wollte schon aussteigen, aber Luca machte die Kindersicherung rein, sodass sie nicht aussteigen konnte.

„Ihr bleibt im Wagen, ich gehe was holen“, meinte er und sah durch den Rückspiegel Celina an. „Also, was will die Prinzessin gerne essen?“ Ich hielt mir die Hand auf den Mund, damit ich nicht lachte. Damit hatte er wohl perfekt Celina beschrieben. Sie schnappte nach Luft und wurde immer roter im Gesicht.

„Einen fettarmen Jogurt. Brötchen sind schlecht für meinen Körper“, konterte sie aber sofort und sah keck zur Seite.

„Ist die immer so?“, fragte Luca mich und ich schüttelte lächelnd den Kopf. Er tat es mir gleich und sah wieder durch den Rückspiegel. „Kaffee?“

„Ja, mit Milch, sehr viel Milch“, meinte Celina. „Und ein Brötchen mit Käse“, murmelte sie ganz leise. Luca nickte und sah mich an.

„Kaffee wäre echt super. Mit Milch und Zucker … und auch ein Brötchen mit Käse.“

„Bleibt im Wagen“, sagte Luca noch mal und stieg dann aus.

Sofort drehte ich mich zu Celina um und funkelte sie an.

„Was sollte das? Hatten wir nicht gestern darüber geredet?“, motzte ich sie an.

„Du hast nicht gesagt, dass ich nett zu ihm sein soll.“ Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust … und wurde rot. Was war denn jetzt los? „Man, bist du blind, Charlie?“ Ich blinzelte.

„Nein, ich sehe alles ganz gut.“ Sie stöhnte und klatschte sich ihre Hand auf die Stirn.

„Bist du zu blöd oder bist du zu sehr von Seth geblendet? Jack sieht doch wohl mega scharf aus.“

„Ich ...“ Klar sah er gut aus und wie er das tat, vor allem ohne Hemd … was stopp! Das darf ich nicht denken.

Celina wurde wieder rot und spielte mit ihren Fingern.

„Verstehst du nicht? Ich bin so blöd zu ihm, weil mich das ablenkt ihn zu umschwärmen. Wir hatten echt Glück mit so einem gutaussehenden Typen. Stell dir vor, wir hätten so ne alte Tante bekommen.“

„Ich verstehe trotzdem nicht, wie du dann so blöd zu ihm bist.“ Sie kicherte und sah mich grinsend an.

„Damit ich nicht hier sitze und ihn anstarre, wie so eine Bekloppte.“

„Ja, stattdessen benimmst du dich wie eine und er findet dich nervig.“ Sie streckte mir die Zunge raus und lehnte sich zurück.

„Trotzdem ist er echt scharf.“ Ich schüttelte nur den Kopf und lächelte. Sie hatte ja Recht, aber wir waren nicht hier, um eine Romanze anzufangen.

Aber er war wirklich scharf.

Was? Das war doch nicht das einzige an einem Mann. Er musste nett, lieb, süß und witzig sein. Er musste mich so nehmen wie ich bin und Luca war nichts davon … weil ich ihn noch nicht kannte, weil er Celina und mir nur seine kalte Schulter zeigte. Und das musste er ja auch. In seinem Job ging es nicht um Liebe, sondern um Abstand. Er musste seine Klienten beschützen und dafür brauchte er Abstand zu denjenigen, das war mir klar und doch … wollte ich hinter diese ausdruckslosen Augen sehen.

Plötzlich wurde die Kindersicherung heraus gemacht und Luca öffnete die Autotüre. Er reichte mir die drei Kaffeebecher durch und stieg ein. Auf einem der Becher stand ein großes M, diesen reichte ich Celina. Auch Luca reichte ihr eine Tüte mit dem gewünschten Brötchen. Sofort haute sie rein und stöhnte genussvoll.

„Doch besser als ein fettarmer Jogurt?“, lächelte Luca und startete den Motor. Celina streckte ihm die Zunge raus und aß genüsslich weiter. Ich lächelte und trank einen Schluck von dem Kaffee. Die beiden anderen Tüten legte Luca mir auf den Schoß und fuhr dann los.

„Wo fahren wir jetzt hin?“, fragte Celina, leicht schmatzend. „Wieder in so eine Bruchbude?“

„Wir werden euch erst einmal neue Klamotten holen gehen und Proviant mitnehmen. Dort könnt ihr auch duschen und euch frisch machen“, ging er nicht auf die „Bruchbude“ ein.

„Jaa, duschen!“, rief sie erfreut und nahm dann einen Schluck ihres Kaffees.

Wir fuhren eine ganze halbe Stunde durch die Stadt und je weiter wir kamen, desto mehr veränderten sich die Häuser. Sie wurden größer, pompöser, schöner, luxuriöser.

„Wir sind in dem Milliardärs-Viertel“, bemerkte Celina und das sehr erfreut. „Fahren wir in eine Villa? Oh Jack, bitte sag das wir in eine Villa fahren.“ Sie hüpfte auf ihrem Sitz herum und freute sich wie ein Honigkuchenpferd.

„Nicht für lange, aber ja.“ Das reichte Celina, sie klatschte in die Hände und grinste breit.

Wir fuhren an etlichen Häusern vorbei, bis Luca in eine Auffahrt bog und vor einem riesigen Tor hielt. Eine Schaltfläche kam am Tor heraus und Luca stieg aus. Celina sah aus dem Fenster und betrachtete mit großen Augen die riesige Villa vor uns.

Sie war echt groß und sah einfach aus, wie man sich eine Luxusvilla vorstellte. Mit Vorgarten, einer Auffahrt mit einem Springbrunnen in der Mitte, einer großen Treppe, großen Flügeltüren.

Mit einem Piepen setzte sich das Tor in Bewegung und machte uns Platz. Luca kam wieder ins Auto und fuhr vor.

Kaum standen wir, schon riss Celina die Autotür auf und lief die sechs Treppenstufen zur Haustüre hinaus.

„Das ist wunderbar“, rief sie.

„Sie ist bescheuert“, murmelte ich und schüttelte den Kopf. Zusammen mit Luca stieg ich aus und folgte Celina die Treppen hoch.

„Wie kommst du an so ein Haus?“, fragte diese sofort. „Und vor allem, wieso können wir nicht hier bleiben?“

„Das ist nicht mein Haus“, sagte Luca kurz und knapp. Dann holte er einen Schlüssel heraus und schloss auf.

„Deswegen hast du auch einen Schlüssel.“

„Celina! Das ist doch ganz egal. Musst du immer alles hinterfragen?“, fragte ich, nahm ihren Arm und zog sie dann hinter Luca her.

Jetzt standen wir in einer großen Empfangshalle, die nur so leuchtete, da der Boden aus weißem Marmor bestand. An der Decke hängte ein wunderschöner Kronleuchter und vor uns erstreckte sich eine riesige Treppe in den ersten Stock. Luca zeigte nach links den Gang entlang zu einem Bogen, der in ein großes Zimmer führte.

„Da ist die Küche“, meinte er und dann zeigte er nach oben. „Oben die erste Türe im linken Gang ist ein Kleiderschrank, da sucht ihr euch Anziehsachen heraus. Daneben der Raum ist eine Dusche, eine weitere ist die dritte Türe im rechten Gang. Ich möchte mich nicht länger wie zwei Stunden hier aufhalten. Geht das?“ Damit sah er Celina an, die aber nur Augen für das wunderschöne Haus hatte.

„Ich werde sie zur Eile zwingen“, antwortete ich Luca und drückte Celina die Treppe hinauf.

„Nehmt nur die wichtigsten Sachen mit, ein paar Outfits zum wechseln...“ Ich sah über meine Schulter zu Luca, weil es sich so angehört hatte, als wenn er noch etwas sagen wollte. „Und was zum Schlafen“, murmelte er und verschwand dann in der Küche. Sofort wurde ich leicht rot und drückte Celina schneller die Treppe hoch. Ach du scheiße. Ich hoffe, er hatte das nicht gesehen. Bitte lass ihn nicht gesehen haben, dass ich rot geworden bin.

Schnell zog ich Celina mit in den linken Gang und dann in das besagte erste Zimmer. Hinter uns schloss ich die Türe und drehte mich um.

„Oh mein Gott, Char, wo sind wir hier gelandet?“, hauchte Celina, ließ den Mund offen stehen und sah mit strahlenden Augen herum. Vor uns erstreckte sich ein riesiges Zimmer voller Kleider. In der Mitte war ein Podest mit einem Spiegel und an den Wänden waren rundherum Stangen angebracht an denen Kleider, Shirts, Tops, Röcken, Hosen, Blusen und noch allem anderen möglichen Kram. Hinter dem Podest ging ein schmaler Gang weiter, der mit tausenden Taschen geschmückt war und am Ende kam noch ein weiterer Raum … voll mit Schuhen.

„Das ist der Wahnsinn“, hauchte Celina und drehte sich. Sie lachte und hatte dann auch schon etwas entdeckt. Sie raste auf die Sachen zu, sah sie sich an und hielt sie sich vor den Körper. Ich sah mich einfach nur um, versuchte nichts anzufassen.

„Meinst du nicht, dass ist ein bisschen … ich weiß nicht, wir sollen uns hier einfach was raus nehmen? Einfach so?“

„Jack hat gesagt, dass wir uns Outfits holen sollen. Komm schon, wann hast du die Gelegenheit in so einem Schrank dir einfach zu nehmen, was du willst?“ Sie hielt sich ein wunderschönes rotes Kleid vor den Körper.

„Celina, wir müssen nützliche Sachen mitnehmen, keine Kleider und hohe Schuhe, wenn wir mal laufen müssen, dann sollten wir schnell sein.“ Traurig und mit hängenden Schultern hängte sie das Kleid wieder zurück.

„Ja, hast ja Recht.“ Damit suchte sie weiter. „Hier sind Hosen“, meinte sie dann und ich ging zu ihr. Meine Tasche stellte ich auf den Boden und machte sie auf, damit wir alle Sachen dort verstauen konnten. „Wow, dass ist sogar unsere Größe.“ Sie nahm sich eine blaue Röhrenjeans und legte sie auf den Boden, dann nahm sie sich noch eine hellere und legte sie daneben.

„Was machst du?“, fragte ich sie, als sie durch den Raum lief.

„Ich stelle mir Outfits zusammen, so kann ich gucken, ob die Sachen zusammen passen.“ Sie flitzte durch den ganzen Raum, nahm sich da was, holte auf der anderen Seite Klamotten, lief zu den Schuhen und kam wieder zu mir. Alles was sie geholt hatte legte sie auf den Boden und flitze dann wieder los. Einen kurzen Moment sah ich ihr zu, aber dann sah ich mich auch um. Als erstes nahm ich mir zwei Röhrenjeans, eine blaue, eine schwarze. Dann ging ich zu den Tops, packte mir vier verschiedene, dann nahm ich mir noch vier verschiedene T-Shirts und Shirts. Als nächstes sah ich eine Jeansjacke und eine Lederjacke. Beide legte ich auf meine Tasche, zu den anderen Sachen. Als nächstes ging ich weiter zu den Schuhen. Und da staunte ich auch erst einmal. Ich meine, Leute, ich bin eine Frau. Klar finde ich das hier alles hammer und eigentlich kann ich mich auch nicht entscheiden, aber hier ging es nicht darum, was das schönste, sondern was am praktischsten war. Also nahm ich mir schwarze Chucks. Als ich mich umdrehte sah ich allerdings wunderschöne braune Stiefel. Zu meinem Glück waren sie flach. Ich sah sie mir an und hatte mich sofort in diese Schuhe verliebt. Es waren Overkneestiefel und waren total schlich, zudem konnte man den Oberenteil einfach umklappen und man hatte normale Stiefel. Bevor Celina sie sah, schnappte ich mir die Stiefel und ging wieder zurück zu meiner Tasche.

Dort packte Celina schon alles in meine Tasche. Sie grinste mich an und hob eine Hotpan hoch.

„Davon hab ich auch welche eingepackt und guck mal, das ist perfekt für dich“, meinte sie und zeigte mir ein Oberteil das aus zwei Teilen bestand. Es war ein enges Top mit einem kurzen T-Shirt drüber. Celina machte beides auseinander und grinste noch breiter. „Das wird Jack bestimmt gefallen.“ Ich nahm ihr beides aus der Hand und warf es einfach in die Tasche. „Sei doch keine Spielverderberin.“ Ich streckte ihr die Zunge raus und drehte mich dann um. „Unterwäsche habe ich uns schon eingepackt und keine Angst, sind ganz normale Sachen dabei. Außerdem habe ich für uns Schlafanzughosen und dazu Tops eingepackt, zum schlafen. Und jetzt sag Ja, dass ich dir ein Outfit für jetzt rausssuchen darf. Bitte bitte bitte.“

„Du würdest eh kein Nein gelten lassen“, seufzte ich.

„Genau, braves Mädchen.“ Sie klopfte mir auf die Schulter und lief an mir vorbei. „Geh schon mal duschen, ich bring dir die Sachen dann.“

„Ich geh in die im rechten Gang.“ Sie nickte bloß und suchte schon los, wie so ein Trüffelschwein, dass Trüffel suchte. Kopfschüttelnd ging ich aus dem Kleiderschrank und dann in das Bad.

Und wie alles in diesem wundervollen Haus, war auch das Bad der Wahnsinn. Es war aus weißem Marmor, hatte drei Waschbecken mit einem riesigen Spiegel. Die Dusche war groß genug für vier Personen und die Badewanne stand frei in der Mitte des Raumes, es war eine alte, mit Füßen. Am liebsten hätte ich mich in diese gemütlich aussehende Badewanne gelegt, aber wir waren nicht hier, um auszuspannen, sondern nur, weil wir neue Sachen brauchten und es einfach zu gefährlich war in einen Laden zu gehen.

Unter den Waschbecken, in einem Schränkchen, fand ich Handtücher, die ich mir bereit legte. Dann zog ich mich aus und ging in die Dusche. Alles hier war mit goldenen Schnörkeln verziert auch die Schiebetüren hatten goldene Verzierungen. Richtig schön.

Nachdem ich mir die Haare mit dem Shampoo, was auf einer Vorrichtung stand, gewaschen hatte, gönnte ich mir zehn Minuten einfach nur unter dem heißen Wasserstrahl.

Mein Rücken war etwas verspannt, aber durch das heiße Wasser, löste sich die Verspannung ein bisschen.

Nachdem ich mich dann auch gewaschen hatte, stieg ich aus der Dusche und trocknete mich ab. Neben dem Waschbecken fand ich eine Tube mit Feuchtigkeitscreme, mit der ich mich eincremte, bevor ich mir die Sachen anzog, die Celina mir vor ein paar Minuten ins Bad gebracht hatte.

Es war eine hellblaue Röhrenjeans, ein weißes T-Shirt, ein Jeanshemd, braune Stiefel und einen braunen Gürtel. Oh Celina. Ich wusste, dass sie es nur gut meinte und ich wusste auch, dass sie ein Modefreak war.

Ihr zuliebe zog ich das Outfit an, so wie sie es wollte. Ich zog alles an und zum Schluss band ich mir den Gürtel um die Hüfte.

Plötzlich ging die Türe auf und ein großer und halbnackter Mann kam herein … und dieser Mann war kein geringerer als Luca. Ein halbnackter Luca. 

Kapitel 10

Kapitel 10

 

 

Was machte er hier? Und vor allem, was machte er ohne Shirt hier?

Ich meine, so schlimm war es nicht, aber jetzt war ich mir seiner Gegenwart noch mehr bewusst, als heute Morgen. Hier war es hell und wir waren uns viel näher. Wir standen ja fast Körper an Körper. Und dadurch nahm ich auch leicht einen Geruch wahr. Es war ein angenehmer Duft, der meine Nase umspielte. Aber ich konnte noch nicht wirklich sagen woher es kam.

„Was machst du hier?“, fragte Luca plötzlich und ich sah ihm in die Augen. Was? Das hatte er gerade doch nicht wirklich gefragt. Er hatte mich doch hier her geschickt.

„Geduscht? So wie du es gesagt hast“, gab ich die patzige Antwort. Luca schüttelte den Kopf und fuhr sich durch die Haare.

„Das meinte ich nicht. Ich habe Celina reden hören ...“

„Und dachtest, sie würde mit mir reden? Nur so zur Info, Celina redet oft mit sich, vor allem wenn es um Klamotten geht“, motzte ich und ging schnell an ihm vorbei. Ein paar Minuten länger und ich hätte bestimmt über seine harten Muskeln gestreichelt.

In Windeseile lief ich zurück zu dem großen Kleiderschrank und fand Celina mitten auf dem Boden wieder, umgeben von Ballkleidern.

„Guck mal was ich gefunden habe“, rief Celina mit strahlenden Augen. „Die sind wunderschön, ich wünschte, ich könnte eins davon tragen.“ Sachte strich sie über ein dunkelblaues Kleid. „Meine Mutter und ich wollten nächste Woche in die Stadt fahren, in den Kleiderladen von Frau Niels. Sie hat die schönsten Kleider überhaupt. Ich wollte dich mitnehmen, damit du dir ein Kleid für den Abschlussball aussuchst.“ Traurig lächelte sie. „Nur das wird wohl jetzt nichts mehr. Übermorgen ist die letzte Prüfung, Char, und ich glaube nicht, das dieser Schrecken bis dahin vorbei ist.“ Ich ballte meine Hand zur Faust. Ich wusste, wie sehr Celina sich auf den Ball gefreut hatte und jetzt stand sogar unser Abschluss auf dem Spiel. Mir bedeutete das alles nichts, also nicht wirklich, aber Celina hing daran.

Ich setzte mich neben sie und legte meine Hand auf ihre Schulter.

„Wir schaffen das. Du bekommst deinen Abschlussball“, meinte ich und lächelte.

„Wir bekommen ihn.“ Ich nickte, nur damit sie glücklich war. Das war im Moment das wichtigste. „Du siehst immer das Gute. Ich bin froh, dass du in der Gasse einen kühlen Kopf bewahrt hast und auch gestern.“ Sie seufzte und legte ein Hand auf meine. „Ich weiß echt nicht, wie ich reagiert hätte, wenn ich alleine gewesen wäre … ich wäre ihnen mit größter Sicherheit schon längst in die Hände gefallen.“

„Dafür hast du mich doch und jetzt haben wir auch noch Lu … Jack. Er wird uns hier heil rausholen.“ Verdammt, ich hätte wirklich beinahe seinen richtigen Namen gesagt … und darüber wollte ich echt nicht reden. Es war ja schon schlimm genug, dass ich seinen Namen dachte. Ich konnte mich einfach nicht damit zufrieden geben ihn auch in meinen Gedanken Jack zu nennen, wenn er so eigentlich gar nicht hieß. Ja, ich weiß das Jack zu seiner Sicherheit diente, aber … ja aber was? Ich wusste es nicht und es war mir auch egal, in meinen Gedanken bleibt er Luca.

„Du hast Recht.“ Jetzt lächelte sie wieder und betrachtete die Kleider. „Aber ich bin erst zufrieden, wenn du mir sagst, dass du Jack scharf findest.“ Ich starrte meine Beste Freundin sofort an.

„Wie kommst du auf so einen Mist?“

„Du bist rot um die Nase, ihr seid euch gerade begegnet?“ Sie grinste breit und sah mich an.

„Du weißt, dass er ohne Shirt ins Bad kam?“ Kichernd rieb sie sich die Hände. Ich schlug sie gegen die Schulter und sah sie empört an. „Wie konntest du?“ Aber sie zuckte nur die Schultern.

„Ich hab gehört, wie er hoch kam und dann hab ich einfach drauflos geredet und geguckt, was er tut. Zu meinem Glück ging er zu dem anderen Bad und zog sogar sein Shirt vorher aus. Diese Muskeln sind ein Traum, Char, aber die hast du ja auch sehen können.“ Wieder kicherte sie. „Das hier wird sehr langweilig werden und warum uns nicht ein bisschen an diesem scharfen Typen satt sehen, wenn wir schon so einen hübschen Bodyguard haben.“

„Du, Männer und Klamotten, das ist echt keine gute Kombi.“

„Das ist die perfekte Kombi!“, protestierte sie.

„Komm, lass uns aufräumen und dann runter gehen. Jack wird nicht lange brauchen und so lange wollte er sich auch nicht hier aufhalten.“ Brummend stimmte sie zu und stand auf. Zusammen räumten wir dann die ganzen Kleider weg und gingen dann auch nach unten.

Ich blieb in der großen Eingangshalle stehen und kam wirklich nicht mehr aus dem Staunen heraus. Daran würde ich mich nie gewöhnen, wenn ich hier leben würde. Das alles hier war einfach zu pompös, zu schön. Aber anderer Seits war das alles ja auch gewollt, wenn ich so ein Haus kaufte oder bauen ließ, wer weiß, dann wollte ich es ja genauso haben. Und das hieß, dass diese Person unmengen von Geld hatte. Unglaublich das Luca sojemanden kannte.

Celina entfernte sich langsam von mir und sah sich alle Zimmer an.

„Seid ihr fertig?“, ertönte plötzlich Lucas dunkle Stimme. Ich drehte mich zu ihm um und sah, wie er schnell die Treppe herunter kam. Seine Haare waren noch leicht nass und nicht gemacht, sie wippten hin und her und sahen einfach nur unordentlich aus … aber gut unordentlich. Er trug einen beigen Pulli, wo er die Arme hochgekrempelt hatte, eine dunkelblaue Jeans und wieder seine schwarzen Stiefel, die Hose war wieder in diese gestopft. In der Hand hielt er eine Lederjacke. Verdammt, er sah wirklich gut aus.

Plötzlich tauchte Celina neben mir auf und stupste mich an.

„Ja, wir sind Startklar“, grinste sie und beäugte Luca. Dieser holte etwas aus seiner Hosentasche und warf es mir zu.

„Geht schon mal ins Auto. Ich gehe die Tasche holen und komme dann auch.“ Ich nickte, drehte mich zur Türe um und wollte gehen, aber Celina blieb an Ort und Stelle stehen.

„Oh was für ein Hintern“, murmelte sie und legte den Kopf schief. Ich sah Luca auch nach und sah automatisch auf seinen Po. Und da musste ich Celina wirklich recht geben. Es war ein richtig knackiger … was? Nein, diesen Gedanke denke ich nicht zuende.

„Jetzt komm.“ Ich packte sie am Arm und zog sie mit raus zum Auto.

Nachdem ich unsere Tasche in den Kofferraum getan hatte, stieg ich auf der Beifahrerseite ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss.

Und dann passierten zwei Sachen gleichzeitig. Hinter uns hielt ein roter Ferrari und Luca kam aus dem Haus heraus. Aber meine Aufmerksamkeit galt der Frau, die gerade aus dem Ferrari stieg. Sie trug, passend zu ihrem roten Auto, ein rotes Kostüm, wobei ihre Beine, die eh schon lang genug waren, noch länger wirkten. Ihre langen schwarzen Haare wehten kurz im Wind und dann entdeckte sie Luca.

„Was, du hier? Lange das du mich mit deiner Anwesenheit beehrst“, sagte sie mit einer lieblichen, weichen Stimme und lächelte freundlich. „Hast du dich wieder an meinem Kühlschrank und meinem Kleiderschrank bedient?“

„Dafür hast du mir doch den Schlüssel gegeben, oder etwa nicht?“, fragte Luca und kam die Treppen herunter. Die Frau stand jetzt auch neben unserem Auto und sah mich an.

„Wollt ihr nicht noch etwas bleiben?“

„Wir müssen weiter, Beth. Aber danke für die Einladung.“ Sie zuckte die Schultern und ging an Luca vorbei zu ihrer Haustüre.

„Besuch mich mal wieder, Lu … Jack.“ Mit einem Augenzwinkern verschwand sie in ihrem Haus und Luca stieg ein. Ich allerdings sah weiter auf die geschlossene Türe. Sie hatte ihn gerade Luca nennen wollen. Also stand sie ihm nahe. So wie ich Luca einschätzte, wussten nicht viele Leute seinen richtigen Namen. Wobei ich nicht wirklich wusste, woher Emanuel ihn kannte … vielleicht, weil sie schon oft zusammen gearbeitet hatten. Das musste es sein und wenn diese Beth eine Komplizen von Luca war, dann kannte sie seinen Namen ja auch. Ich meine, sie hatte extra einen riesigen Schrank in ihrem Haus, an dem man sich bedienen konnte. Und so wie Luca aussah, hatte sie sicher in dem rechten Gang ein Ankleidezimmer für Männer.

„War sie die Besitzerin dieser Villa?“, fragte Celina sofort als wir das Grundstück verließen. Sie beugte sich vor, damit sie Luca ansehen konnte.

„Ja“, antwortete Luca kurz und knapp.

„Ist sie eine Freundin von dir?“

„Ja.“

„Und auch deine Komplizin?“

„Sie stellt Klamotten und Essen, mehr auch nicht.“

„Sie war echt hübsch“, murmelte sie und lehnte sich zurück in den Sitz. „Hattest du mal etwas mit ihr?“

„Celina!“, rief ich aus und funkelte sie böse an. „Sowas fragt man nicht.“Sie hob die Hände und lächelte unschuldig.

„Sorry, aber das wäre doch mal interessant.“ Seufzend schüttelte ich den Kopf. Wie kam sie nur immer auf so dumme Ideen? Erst schaffte sie es Luca ins Bad zu locken und jetzt fragte sie ihn nach seinen Beziehungen aus. Sowas ging uns gar nichts an. Obwohl ich das auch selber gerne gefragt hätte.

 

 

Luca brachte uns wieder etwas weiter aus der Stadt raus. Es war diesmal nicht so sehr herunter gekommen, wie gestern. Aber das Haus stand mitten in einer Straße mit tausenden Häusern. Eine kleine Gasse verlief neben dem Haus, wo Luca eine Wohnung hatte. Sie war sehr schmal, aber dort konnte man sich sicher gut verstecken.

Die Wohnung war allerdings ganz anders, wie die Bruchbude wie gestern. Es waren zwar nur zwei Schlafzimmer, eine Wohnküche und ein Bad, aber das hatte wenigstens eine Dusche. Und auch die Möbel waren ein bisschen schöner und nicht schon halb kaputt. Und, was Celina als erstes erblickt hatte, hier im Wohnzimmer stand sogar ein Fernseher. Sie hatte sich sofort auf das Sofa gesetzt und den Fernseher angemacht. Ich hatte mich neben sie gesetzt, was hätte ich auch anderes tun sollen?

Den ganzen Tag beschäftigten wir uns irgendwie. Erst sahen wir Fern, dann unterhielten Celina und ich uns, dann wieder Fernsehen, dann wieder unterhalten. Luca stand immer in der Küche, rauchte und beobachtete uns einfach. Und das würde jetzt so weiter gehen? Und wie lange? Ich meine, Luca war nur da, um uns vor dieser Bande zu schützen, aber wenn es wirklich korrupte Polizisten gibt, die mit dieser Bande zusammen arbeiteten, wie würden wir diese dann los werden? Oder mussten wir jetzt immer so leben? Immer eingeschlossen, wir konnten nicht raus gehen, nichts. Das durfte einfach nicht so weiter gehen … aber was konnte ich schon dagegen machen? Das einzige war wirklich zu warten.

Seufzend suchte ich in der Tasche nach unseren Schlafsachen. Es wurde langsam dunkel und um ehrlich zu sein, auf Fernsehen hatte ich keine Lust mehr.

Celina kam auch in unser Schlafzimmer und warf sich aufs Bett.

„Ist das langweilig hier“, seufzte sie und streckte sich. Wo sie Recht hatte …

Plötzlich hörte ich ein Geräusch, es war ein vibrieren.

„Oh“, machte Celina und was sie da unter dem Kissen hervorholte … das konnte doch nicht wahr sein. Es war ein Handy.

„Celina, woher hast du das?“, fragte ich sie und ging auf sie zu.

„Psst, sei doch leise“, meinte sie und tippte etwas auf dem Smartphone herum. „Ich hatte zwei, also hab ich Jack nur eins gegeben.“

„Bist du verrückt? Was denkst du dir dabei?“ Sie zuckte die Schultern und tippte wieder etwas ins Handy. Das war nicht gut …

Als nächstes hörte ich ein weiteres Geräusch. Ein lautes Knallen.

„Von wo kommt das Signal?“, fragte eine Männerstimme. Schnell lief ich zum Fenster, dass wir etwas geöffnet hatten, und sah kurz heraus. Ich hatte keinen sehr guten Blick auf die Straße, denn unser Zimmer ging zu der kleinen Gasse heraus. Aber ich sah ein fremdes Auto, dass mitten auf der Hauptstraße geparkt hatte. Verdammt.

Ich ging zur Türe, wollte sie gerade öffnen, als Luca sie auch schon aufriss, erst mich und dann Celina mit den Handy sah. Sein Gesichtsausdruck wurde härter und kälter. Dann ging er an mir vorbei, nahm sich unsere Tasche und warf sie aus dem Fenster.

„Hey!“, rief Celina und sprang vom Bett auf. Luca würdigte sie keines Blickes, streckte nur die Hand aus.

„Das Handy, sofort“, sagte er monoton. Celina schluckte und gab es ihm. Als nächstes flog das Handy aus dem Fenster. Es knallte gegen das gegenüberliegende Haus und zersprang in sämtliche Einzelteile. „Aus dem Fenster raus“, war sein nächster Befehl.

„Wir brechen uns alle Knochen“, protestierte Celina.

„Aus dem Fenster raus“, sagte er noch mal und ging dann zur Zimmertüre. Aber im nächsten Moment klopfte schon jemand an die Tür.

„Ist jemand zuhause?“, fragte eine Männerstimme und man hörte total das grinsen aus seiner Stimme heraus.

„Jetzt!“, schnauzte Luca und ging aus dem Zimmer. Kurz vorher holte er seine Pistole aus dem Hosenbund, entsicherte sie und schloss dann die Türe. Für einen kurzen Moment starrte ich noch die Türe an, aber dann lief ich zum Fenster und sah noch mal hinaus, aber diesmal schaute ich nach unten und fand ein Vordach.

„Komm jetzt“, meinte ich zu Celina und streckte eine Hand nach ihr aus. „Hier ist ein Vordach, das dürfte uns zwei gerade so auffangen.“ Sie kam zu mir und ich half ihr, aus dem Fenster zu klettern. Sie sprang und das Blech gab ein hohles Geräusch von sich. Ich setzte mich auf das Fenster, sodass meine Beine heraus baumelten, aber bevor ich sprang, sah ich noch mal zu der Zimmertüre.

Plötzlich wurde es laut, ich hörte wie die Türe aufgebrochen wurde und dann ertönten auch schon Schüsse. Ich zuckte zusammen und wollte schon wieder ins Zimmer klettern. Etwas fiel zu Boden und dann fielen noch mehr Schüsse.

„Charlie!“, rief Celina und ich sprang. Mit einem Krachen kam ich auf dem Vordach auf und rappelte mich sofort auf. Die Tasche hatte Celina schon aufgehoben und jetzt liefen wir das Dach entlang, aber nicht auf die Straße zu, sondern weiter die Gasse entlang.

Im nächsten Moment wurde es lauter und eine Kugel zischte an meinem Ohr vorbei. Aus Schreck stolperte ich und fiel. Celina lief weiter, stoppte aber dann und drehte sich zu mir um. Aber anstatt mich anzusehen, sah sie zurück zu der Wohnung. Ihre Augen weiteten sich und ihr Mund öffnete sich. Schnell kam ich wieder auf die Beine, packte sie und zog sie mit weiter. Ein Schuss ertönte und ich zog Celina nach unten, aber an uns schoss keine Kugel vorbei. Stattdessen knallte etwas auf das Vordach, sodass Celina und ich stehen blieben und zurück sahen. Einer der Typen lag jetzt tot unter dem Fenster, aus dem wir eben gesprungen waren … und Luca stand oben, die Pistole in der Hand. Er sah kurz nach hinten und dann kletterte er hinaus und sprang. Aber in dem Moment ertönte wieder ein Schuss. Luca krümmte sich im Fall und kam hart auf dem Dach auf.

„Jack!“, schrie Celina. Mir kam gar nichts über die Lippen, ich war zu geschockt.

„Lauft“, rief er und rappelte sich auf. Sofort zeigte sein Lauf wieder auf das Fenster. Das war ein Befehl gewesen, also packte ich mir wieder Celinas Hand und lief weiter. Wir mussten nicht mehr lange laufen, bis das Ende des Vordaches kam.

Dort sprangen wir herunter, liefen aber nicht weiter. Die Gasse ging noch weiter, aber drei Männer versperrten uns den Weg.Zwei von ihnen hielten eine Pistole in der Hand, der dritte spielte mit einem Messer herum.

„Wo wollt ihr zwei denn hin?“, fragte der mit dem Messer. Celina krallte sich in meine Hand und sah sich panisch um.

„Keine Angst, es wird auch nicht zu sehr wehtun“, meinte einer mit der Pistole und zielte auf Celinas Kopf. Ich wollte sie schon weg schubsen, als sich plötzlich ein donnerndes Geräusch näherte. Erst wusste ich nicht, woher das Geräusch kam, aber als ein Schatten vom Dach sprang, ein Schuss ertönte und der zweite Typ mit der Pistole zu Boden sackte, wusste ich, dass es Luca war. Der mit der anderen Pistole, zielte aber immer noch auf Celina. Und als er seinen Finger krümmte, um abzudrücken, schubste ich Celina weg. Der Schuss ging ins Leere, Celina stolperte beiseite und ich wollte auf den Mann los gehen, aber da wurde ich an den Haaren zurück gezogen und plötzlich hatte ich etwas kaltes an der Kehle. In dem Moment, als ich Celina weg geschubst hatte, hatte auch Luca angegriffen. Er hatte dem Mann mit dem Messer, dieses mit der Pistole aus der Hand geschlagen und wollte jetzt abdrücken.

„Jack, ich an deiner Stelle würde nicht abdrücken“, sagte der Mann, der mich festhielt. Mit einer Hand hielt er mir das Messer an die Kehle und mit der anderen zog er weiter an meinen Haaren, sodass meine Kehle vollkommen frei lag. Luca drehte sich zu uns um und hob sofort die Hände.

„Lass sie los!“, rief Celina und wollte schon los laufen.

„Bleib stehen, verdammt“, meinte Luca und zum Glück tat sie es auch. Ich spürte, wie der Mann hinter mir anfing zu grinsen und dann zog er noch ein bisschen fester an meinen Haaren.

„Kluge Entscheidung, Süße.“ Verdammt, das war nicht gut. Ich sah mich um, aber ich sah nichts, was ich benutzen könnte, um den Typen los zu werden. Er hatte mich zwar, aber meine Hände waren frei. Ich könnte ihm auch einfach meinen Ellbogen in den Bauch rammen, nur war die Gefahr zu groß, dass er mir dann das Messer über die Kehle zog. Ich sah zu Luca und bekam erst mal einen kleinen Schock. Für einen kurzen Moment hatte ich ganz vergessen, dass er eben angeschossen worden war. Aber jetzt sah ich, wie sich an seinem linken Arm der Pullover rot färbte und das nicht gerade wenig. „Es war sehr nett, dass du dein Handy noch bei dir hattest, das hat uns geholfen euch zu finden. Denn ich muss zugeben, dass Jack nicht leicht zu finden ist.“ Der Typ zog wieder an meinen Haaren und ich ging einen Schritt zurück, genau wie er. „Wir gehen dann mal.“ Er zog weiter und wir machten einen Schritt nach dem anderen.

„Nein!“ Celina hatte ihren Kopf ausgeschaltet. Sie sah nur noch, dass ich in Gefahr war und lief los. Der Mann mit dem Messer sprintete auf sie zu.

Luca reagierte sofort, er drehte sich um und schoss auf den letzten Typen mit Pistole und dann lief er zwischen Celina und dem mit dem Messer. Der letztere grinste und lief jetzt auf Luca zu. Luca schubste Celina beiseite, sodass sie über ihre eigenen Füße stolperte und hinfiel. Mit aufgerissenen Augen musste ich zusehen, wie sich der Mann auf Luca stürzte, ihm die Pistole aus der Hand Schlug und dann auf ihn einstoch. Luca wich den Hieben aus, boxte dem Typen in den Bauch und verschaffte sich so einen Vorteil. Aber nicht für lange.

„Ruf ihn“, hauchte mir plötzlich die Stimme von meinem Peiniger ins Ohr. Ich hielt die Luft an, machte aber nicht was er sagte. Stattdessen drückte er die Messerspitze in meine Schulter, sodass ich aufschrie. Sofort erstarrte die Szene vor uns, aber nur für kurz. Der Mann holte sofort aus und wollte Luca das Messer in den Magen rammen.

„Jack“, schrie ich. Bitte, bitte nicht.

Er reagierte sofort, konnte aber nicht verhindern, dass er verletzt wurde. Anstatt seinen Bauch erwischte das Messer seine Seite. Luca zischte auf, packte den Typen aber dann und schleuderte ihn über seine Schulter auf den Boden und rammte ihm so das Messer in die Brust. Dann hob er schnell seine Pistole auf und zielte auf den Mann hinter mir.

„Lass sie sofort los“, sagte Luca kalt und sein Blick ließ auch keine Wiederworte zu.

„Wer ist wohl schneller? Du mit deiner Kugel oder ich mit dem Messer?“, meinte der Fremde und drückte das Messer noch was mehr an meine Kehle. Ich sah Luca an und hoffte so sehr, dass er eine Idee hatte. An seiner Stirn sammelte sich Schweiß und auch die Wunde an seiner Seite blutete stark.

„Willst du es testen?“

„Was? Nein!“, rief Celina und rappelte sich auf. „Jack, das kannst du nicht machen, was wenn du Charlie triffst?“

„Die kleine hat Recht, Jack“, meinte der Typ, aber ich sah Luca tief in die Augen. Ich wollte ihm irgendwie zeigen, dass ich ihm vertraute, dass er schnell schießen sollte. Der Typ würde nie damit rechnen, dass er schießen würde. Nur wie konnte ich ihm das zeigen? Wie konnte ich ihm klar machen, dass ich ihm vertraute … außer mit Augenkontakt.

Es dauerte noch einen Moment, der mir vorkam wie eine halbe Ewigkeit, aber da senkte Luca die Waffe. Nein! Nein! Ich schloss die Augen und nahm das Schlimmste an, aber da hatte ich ohne Luca gerechnet. Denn plötzlich ertönte ein Schuss … der Griff an meinen Haaren ließ locker, das Messer an meiner Kehle fiel zu Boden und der Mann fiel rückwärts zu Boden. Aber meine Augen machte ich noch nicht auf, erst als ich fast umgeworfen worden wäre. Celina hatte mich in den Arm genommen und drückte mich feste an sich.

„Ich hatte so Angst um dich“, schluchzte sie in mein Ohr. Ich schlang die Arme um sie und sah über ihre Schulter zu Luca. Er ballte seine freie Hand zu einer Faust und sah uns an. Mein Blick wanderte über seinen Körper, erst zu der Wunde an seiner Schulter und dann zu der an seiner Seite.

„Wir müssen hier weg“, sagte er, drehte sich um und sammelte die Waffen von den Männern auf. Ich löste mich von Celina, nahm aber ihre Hand und ging Luca hinterher.

„Du musst in ein Krankenhaus“, meinte ich.

„Das geht schon.“

„Verdammt! Was geht hier eigentlich ab? Warum hast du überhaupt geschossen?“, platzte es aus Celina heraus. „Du hättest sie treffen können.“ Luca drehte sich sofort zu uns um und sah Celina böse an.

„Hättest du von Anfang an dieses Scheiß Handy weggeschmissen wären wir erst gar nicht in dieser Lage“, schnauzte er sie an und ging dann die Gasse weiter entlang.

„Aber ...“, fing sie wieder an, aber ich schüttelte den Kopf. Mir ging es gut, Luca hatte mich nicht getroffen und jetzt wusste ich auch wieso. Ich hatte nicht direkt vor dem Typen gestanden und dadurch hatte er ihn am Bauch treffen können. Und so zu tun, als wenn er sich ergeben würde, hatte unseren Feind nur in Sicherheit gewiegt. Es war brillant gewesen.

 

Kapitel 11

Kapitel 11

 

Es dauerte nicht lange, bis wir aus der Gasse heraus waren und wieder auf der Straße waren, die gleiche Straße, wo auch unsere Wohnung war. Allerdings standen wir jetzt am Anfang der langen Straße.

„Ihr wartet hier“, meinte Luca und sah Celina an. „Verstanden?“ Sie sah zu Boden und nickte. Auch Luca nickte und ging los, zurück zum Haus.

„Char, es tut mir leid“, murmelte Celina. „Wirklich, ich wollte nicht, dass das passiert.“

„Celina, ich weiß gar nicht mehr, ob du den Ernst unserer Lage verstehst. Das hier ist Ernst, diese Typen wollen unseren Tod oder zumindest meinen Tod oder was auch immer. Ich kann das hier nicht auf die leichte Schulter nehmen“, seufzte ich und schüttelte den Kopf. „Du bist meine Beste Freundin, aber ich weiß echt nicht, was in dir vorgeht, wie kannst du das tun, was du getan hast?“ Sie sah einfach nur zu Boden und rang mit ihren Fingern.

„Ich weiß es auch nicht.“

„Er ist verletzt, Celina, und wir können noch nicht mal in ein Krankenhaus.“ Ich sah die Straße herunter, konnte Luca aber nicht mehr sehen. Ich hatte echt Angst, dass ihm noch was schlimmeres passierte, als das hier. Was wenn die Wunden sich entzündeten?

Im nächsten Moment kam ein Auto die Straße entlang. Ich zog Celina schnell wieder in die Gasse hinein, aber das war total unnötig, da es nur Luca in seinem schwarzen Camaro war. Wir stiegen ein und ich warf unsere Tasche nach hinten zu Celina. Sie machte sich ganz klein auf dem Sitz und sagte die ganze Fahrt nichts mehr.

„Können wir nicht zurück zu Beth fahren?“, fragte ich Luca und sah zu seiner verletzten Schulter. „Sie könnte mehr als nur einen Erste-Hilfe-Koffer haben und sie könnte dir sogar einen Arzt besorgen.“

„Nein, wenn sie einen Arzt holt, muss ich ins Krankenhaus. Wir können nirgendwohin“, presste Luca durch zusammengebissenen Zähnen heraus. „Ihr habt nur mich, kein anderer würde sich gegen die Polizei stellen, Akara.“

„Aber wir können doch zu Beth fahren. Sie wird uns helfen. Du brauchst jetzt Ruhe, da wird uns keiner finden.“ Irgendwie wusste ich, dass es keinen Sinn machte mit Luca zu diskutieren, aber er musste verarztet werden … richtig verarztet werden. „Bitte Jack. So kannst du auch nicht fahren, ich sehe doch, dass es dir wehtut, lass mich fahren. Ich weiß, wo Beths Haus ist.“

„Nein, das ist meine Aufgabe ...“

„Verdammt, warum musst du so stur sein? Es ist ja nicht so, dass ich das Auto kaputt fahre. Fahr ran und lass mich fahren.“ Luca sah von der Straße auf und zu mir. „Bitte.“ Er fluchte, setzte den Blinker und fuhr rechts ran.

Schnell stieg ich aus und lief um den Wagen, um Luca raus zuhelfen, aber er war einfach zu stolz. Er lehnte meine Hand ab und ging ohne Hilfe um den Wagen. Aber das musste ich ihm lassen, er ging gerade, schleifte die Füße nicht hinterher oder soetwas. Man merkte eigentlich gar nicht, dass es ihm nicht gut ging, doch wenn man ihm dann ins Gesicht sah, bekam man einen Schock. Es war kalkweiß und er schwitzte sehr stark, seine Atmung ging auch ein bisschen stockend. Kein gutes Zeichen. Ich zog schnell meine Bluse aus und gab sie Luca. Er sah mich nur an, knuddelte sie aber dann zusammen und presste sie sich an die Seite.

Dann beeilte ich mich schnell und stellte mir alle Spiegel und auch den Sitz richtig ein. Dann setzte ich den Blinker und reihte mich wieder in den Verkehr ein. Okay, wo waren wir? Wo musste ich hin?

„Die Straße weiter, dann links und dann die zweite rechts, dann sind wir wieder auf der Hauptstraße“, murmelte Luca und lehnte sich zurück. Er entspannte sich ein wenig und hielt sich mit der Hand die Wunde an seiner Seite, dadurch quoll das Blut zwischen seinen Fingern heraus. Ich nickte und fuhr genauso, wie er es gesagt hatte.

Sobald ich dann auf der Hauptstraße war, wusste ich, wie ich zu der wunderschönen Villa zurück kam. Hoffentlich war Beth zuhause und hoffentlich konnte sie Luca verarzten.

Ich drückte extra ein bisschen mehr aufs Gas und dadurch waren wir innerhalb von zwanzig Minuten bei der großen Villa angekommen. Luca hatte mir den Code für das Tor gegeben und jetzt standen wir wieder vor den Treppen zur Haustüre.

Ich lief schnell um die Motorhaube und machte Luca die Türe auf. Celina lief wie der Wind die Treppen hoch und klopfte an.

„Was ist denn hier los?“ Ich sah über meine Schulter zur Türe und sah, dass Beth geöffnet hatte … aber sie war irgendwie unpassend gekleidet. Sie hatte ein wunderschönes Ballkleid an. „Lu …Jack!“ Sie hob ihren Rock an und kam die Treppe herunter gelaufen. „Oh mein Gott, was ist passiert?“ Sie sah von seinen Verletzungen auf zu mir.

„Wir sind überfallen worden“, meinte ich nur schnell.

„Kommt rein.“ Ich sah sie dankend an und wollte Luca schon helfen, aber wieder schlug er meine Hand aus, aber zu meiner Erleichterung nahm er auch nicht Beths dargebotene Hand an.

Als wir dann in der Eingangshalle standen, führte Beth uns in den Rechten Gang und ins Wohnzimmer. Dieses war riesig und einfach nur wunderschön. Es war in Rottönen gehalten und war zudem auch noch in zwei Teile unterteilt. In der Mitte standen zwei Couchgarnituren, die eine zeigte zu uns, die andere zu einer Fensterfront. Die zur Fensterfront zeigte, war wohl einfach nur eine Ecke wo man sich hinsetzten konnte und sich unterhalten konnte. Die, die zu uns zeigte war fürs Fernsehen, denn neben der Tür hing ein riesiger Flachbildfernseher.

Luca ging einfach auf die Couch zu und setzte sich auf eine Decke, die schon ausgebreitet dalag, damit er das Sofa nicht zu sehr dreckig machte.

„Hast du einen Erste-Hilfe-Koffer?“, fragte ich Beth und sah zu, wie Celina sich auf einen der beiden Sessel setzten wollte. „Kannst du mit Beth gehen? Wir brauchen auch eine Schüssel mit warmen Wasser, einem Tuch und Handtücher“, fragte ich Celina, die sich dann auch sofort umdrehte und mit Beth ging. „Geht es?“ Ich ging auf Luca zu und sah mir sein blasses Gesicht an.

„Ja, alles okay“, meinte er. Jetzt schluckte ich und ballte meine Hände zu Fäusten. Er musste den Pulli ausziehen, sonst konnten wir die Wunden nicht verarzten. Aber irgendwie traute ich mich nicht, ihn zu fragen, ob er den Pulli ausziehen könnte. Verdammt, er war an der Schulter verletzt, das heißt, ich würde ihm helfen müssen. Ich müsste Luca ausziehen …

„Ähm, würdest du den Pulli ausziehen?“, fragte ich leise und sah auf meine Finger herunter.

Er gab mir keine Antwort, aber als ich ihn leicht keuchen hörte, wusste ich, dass er dabei war, sich den Pulli auszuziehen … das aber bestimmt nicht so gut klappte. Ich sah auf und hatte recht. Mit dem unverletzten Arm war er schon aus dem Pulli, aber der Rest stellte sich als schwierig heraus.

„Warte, ich helfe dir“, meinte ich schnell, war bei ihm und packte den Pulli am Saum. Allerdings musste ich an seiner Seite aufpassen. Durch das Blut klebte der Pulli an der Wunde. Vorsichtig löste ich den Stoff, wobei Luca leicht zusammen zuckte. „Tut mir leid“, murmelte ich und zog ihm dann den Pulli ganz aus. An seiner Schulterwunde musste ich wieder aufpassen. Was mich aber erleichterte war, dass seine Schulterwunde nicht so schlimm war, wie angenommen. Die Kugel hatte ihn zwar getroffen, aber auch nur gestriffen, sodass es nur eine Fleischwunde war … nur ist gut.

Den Pullover legte ich auf den Boden und sah mir dann noch mal Lucas Schulter an. Die Wunde war nicht tief, aber durch das Rennen und Kämpfen ist sie aufgerissen.

„Hier ist das Wasser“, meinte Celina plötzlich und stellte eine Schüssel auf den Wohnzimmertisch, daneben legte sie ein Tuch und Handtücher. Kurz nach ihr kam auch Beth wieder und legte den Erste-Hilfe-Koffer aufs Sofa.

„Kommt ihr klar? Ich muss zu einer Gala, aber ihr könnt hier bleiben, solange Jack wieder gesund ist. Der Kühlschrank ist voll“, sagte sie und sah uns entschuldigend an. „Wäre das eine normale Gala, Jack, dann würde ...“

„Geh“, sagte er. „Danke, dass wir hier bleiben dürfen.“ Sie nickte.

„Natürlich.“ Beth sah Luca noch mal an, aber er schloss nur die Augen und lehnte sich zurück.

Nachdem sie dann das Haus verlassen hatte, machte ich den Erste-Hilfe-Koffer auf und suchte mir alles zusammen, was ich brauchte.

„Celina, kannst du eine Suppe kochen?“, fragte ich sie und drehte mich zu ihr um.

„Was für eine?“ Ich zuckte die Schultern.

„Guck, was du findest.“ Ohne ein weiteres Wort ging sie aus dem Zimmer und machte, was ich sagte … oder versuchte es zumindest. Ich hatte keine Ahnung, ob Celina jemals gekocht hatte. Hoffentlich fackelte sie die Küche nicht ab. Egal, ich musste jetzt erst einmal gucken, dass ich Luca verarztet bekomme. Erste-Hilfe-Kurs hin oder her, es ist schon etwas länger her, seit ich den Führerschein gemacht hab.

Ich nahm mir das Tuch und tunkte es erstmal ins Wasser. Als erstes die Wunden säubern, danach desinfizieren, das wusste ich noch. Ich drehte mich wieder zu Luca und beugte mich über ihn. Okay, du verarztest ihn nur, da ist kein Hintergedanke bei. Genau, das ist okay. Also stellte ich mich zwischen Lucas Beine, damit ich besser an seine Schulter kam und tupfte dann das Blut um seine Wunde ab.

„Weißt du, was du da tust?“, fragte er plötzlich und ich stockte kurz.

„Ja, natürlich weiß ich das“, motzte ich ihn an und tupfte weiter.

„Ich kann das auch selber machen.“

„Und wie, Schlaumeier? Du hast es ja noch nicht mal geschafft, dir den Pulli auszuziehen.“ Darauf antwortete er nicht.

Als das Blut um die Wunde weg war, nahm ich mir Wattepats und Desinfektionsmittel und träufelte ein bisschen davon auf die Wattepats. Damit reinigt ich dann Lucas Wunde. Er zuckte kurz zusammen und ich entschuldigte mich sofort. Sanft tupfte ich und versuchte dabei Luca nicht anzufassen. Dann nahm ich mir ein großes Wattepat, legte es auf die Wunde und verband sie dann. Dafür musste Luca den Arm ausstrecken, damit ich den Verband unter diesen führen konnte. Dabei berührte ich ihn immer wieder. Seine Haut war wirklich warm. Und er roch gut. Nicht nach Parfüm oder Rasierwasser, mal davon abgesehen, dass er nach letzterem gar nicht riechen, denn sein Dreitagebart war immer noch da und damit sah er wirklich noch besser aus. Aber sein Geruch war unbeschreiblich. Er roch irgendwie würzig, wie nach einem exotischem Gewürz, das ich aber nicht benennen konnte. Was auch immer es war, es roch fantastisch. Er roch fantastisch, dass mich echt anstrengen musste, um meine Nase nicht einfach an seine warme Haut zu drücken und einfach einzuatmen.

Ich riss mich zusammen, riss zwei Streifen von dem Fixierband ab und klebte sie auf den Verband, damit er nicht wieder auf ging.

„Danke“, flüsterte Luca, dadurch musste ich ihn einfach ansehen. Seine Atmung war immer noch unregelmäßig und er hatte auch seine Augen geschlossen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Stirn, die andere legte ich mir auf die Stirn. Er glühte richtig.

„Jack? Jack, sieh mich an.“ Verwirrt machte er die Augen wieder auf und sah mich mit diesen grauen Augen an. „Du hast Fieber. Wo bekomme ich denn jetzt Fiebersaft her“, murmelte ich und strich ihm die Haare von der Stirn. Dann nahm ich mir eins der Handtücher, machte es nass und tupfte erstmal den Schweiß von Lucas Stirn. Verdammt. Das Fieber musste weg. So langsam wurde ich verrückt.

„Akara.“ Ich musste jetzt erstmal ein Fiebersenkendesmittel suchen. „Akara!“ Wo Beth wohl ihre Medikamente aufbewahrte. „Charlie!“ Ich stockte und sah Luca in die Augen. „Beruhige dich. Das ist nur Fieber, was mir gerade Sorgen bereitet ist die Stichwunde an meiner Seite. Meinst du, du bekommst das hin?“

„J … Ja, denke schon.“ Er nickte und legte seine Hände auf seine Oberschenkel.

„Ist Nähzeug in dem Kasten?“

„Nähzeug?“

„Du musst die Wunde nähen, sie ist zu tief.“ Ich sah ihn mit aufgerissenen Augen an.

„Ich habe kein Betäubungsmittel, Jack.“

„Nicht schlimm. Ist welches drin?“ Ich nahm mir den Erste-Hilfe-Kasten und fand sogar Nadel und Faden.

„Ja, ist drin.“

„Okay, du musst die Wunde jetzt säubern, wie eben und dann versuch sie mit so wenigen Stichen wie möglich zusammen zu nähen.“ Ich schluckte und säuberte erst einmal die Wunde. Und Luca hatte Recht, sie war wirklich tief und aufgehört zu bluten hatte sie auch noch nicht.

Als ich mit dem Desinfektionsmittel auf die Stichwunde tupfte verkrampfte Luca sich und krallte sich in einen Oberschenkel. Ich machte schneller und als ich dann fertig war, nahm ich mir Nadel und Faden, die ich vorher auch desinfiziert hatte. Ich konnte das nicht tun. Ich tat ihm doch noch mehr weh, wenn ich das tat.

„Gib her“, meinte er plötzlich, nahm mir die Nadel aus der Hand und fing dann an. Ich kniff die Augen zusammen und biss mir auf die Lippe. Luca keuchte auf und dann hörte ich, wie er sich wieder zurück lehnte. Schnell sah ich zu seiner Wunde. Sie war nicht perfekt zusammengenäht, aber es hielt. Drei Stiche.

Ich machte noch einen Knoten rein und schnitt den Faden dann ab. Als nächstes kam wieder ein großes Wattepatt und der Verband. Der musste diesmal ganz um Luca herum, sodass er sich wieder nach vorne lehnen musste. Ich griff um ihn herum und kam ihm dabei wieder sehr nahe. Fünfmal band ich den Verband um ihn und jedes Mal musste ich mich zusammenreißen nicht einfach an ihm hängen zu bleiben. Dann noch zwei Streifen Fixierband und fertig. Aber jetzt hatte ich noch das Problem Fieber.

„Danke.“ Luca lehnte sich wieder zurück und schloss geschafft die Augen.

„Du solltest dich hinlegen und etwas schlafen. Ich werde mich auf die Suche nach Fiebersaft machen und wenn ich keinen finde, werd ich schnell welchen kaufen gehen.“

„Du wirst nicht ohne mich raus gehen.“

„Das ist mir gerade sehr egal, Jack. Du hast Fieber und du brauchst was dagegen.“

„Ich brauche nur etwas Schlaf, mehr nicht, aber wenn ich weiß, dass sobald ich eingeschlafen bin, du dir das Auto nimmst, kann ich nicht schlafen.“ Verdammt, er hatte Recht,aber ich konnte ihn nicht ohne Medizin lassen.

Seufzend nahm ich mir das Handtuch von eben, machte es noch mal nass und strich wieder über seine Stirn. Luca sah mich wieder an, beobachtete, wie ich sanft über seine Stirn, seine Schläfe strich.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, meinte er.

„Mache ich aber. Das ist unsere Schuld, das du jetzt verletzt worden bist. Das hätte nicht passieren dürfen, dabei hatte ich vorher mit Celina geredet. Ich hätte echt nicht gedacht, dass sie so dumm sein würde.“

„Das ist eine neue Situation für euch. Ihr fühlt euch nicht wohl, ich weiß, deswegen kann ich es gut verstehen, dass man einem fremden Mann nicht vertrauen will oder kann.“

„Das ist doch egal. Wir waren in Lebensgefahr, wie kann man da nur so egoistisch sein?“

„Celina hatte eben keine Polizisten als Eltern.“ Ich hielt kurz inne und sah Luca in die Augen.

„Du kanntest meine Eltern?“

„Ja, so in etwa. Ich hab viel mit der Polizei zutun.“ Ich nickte und tupfte weiter über seine Stirn.

„Es sind jetzt drei Jahre.“ Sanft nahm Luca meine freie Hand in seine.

„Es tut mir leid.“ Ich lächelte ihn an.

„Vielleicht sollte ich dir wirklich keine Medizin holen, ohne bist du viel netter.“

„Das meinst du nur“, lächelte auch er.

Plötzlich wurde es lauter und Luca und ich sahen zur Türe. Oh mist, Celina.

Schnell legte ich das Handtuch weg und wollte schon aus dem Wohnzimmer laufen, als Celina mit einem Tablett herein kam. Sie stellte es auf den Tisch und machte eine Pose.

„Tada!“, sagte sie und grinste. Ich sah auf den Teller, den sie angerichtet hatte und musste schlucken. Eine ganze, ungeschälte Möhre schwamm in dampfendem Wasser. Neben ihr lag ein Radieschen, mit Strunk und Blättern. Außerdem schwammen noch etliche Blätter in der Brühe herum. Wahrscheinlich irgendwelche Kräuter, die sie gefunden hatte. „Nicht gut?“, fragte sie und machte ein zerknirschtes Gesicht. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte und deswegen konnte ich nicht anders, als zu lachen. Ich lachte einfach drauf los. 

Kapitel 12

Kapitel 12

 

Sie lachte. Einfach so. Einfach so fing sie an zu lachen. Sie beugte sich leicht nach vorne und hielt sich den Bauch.

„Wie hast du das denn hinbekommen?“, lachte sie und sah Celina an.

„Ich hab einfach die Sachen genommen, die ich gesehen habe. Außerdem hatte Beth so ein kleines Beet, wo Kräuter wuchsen, also hab ich einfach ein paar davon mit in den Topf geschmissen.“ Das brachte Akara noch mehr zum Lachen. „Charlie, hör auf zu lachen. Man ich hab mir wirklich Mühe gegeben“, quengelte Celina, aber ich konnte nur Akara ansehen. Ihr Lachen war wunderschön. Sie fing immer erst an, leise zu kichern und dann lachte sie lauter. Es war komisch, aber ich weiß auch nicht. Wenn man sie so sah, musste man einfach mit lachen oder wenigstens lächeln.

Und so ging es nicht nur mir. Celina war zwar beleidigt, aber das hielt sie nicht lange aus. Jetzt lächelte sie auch und boxte Akara leicht gegen den Oberarm.

„Du bist gemein, Char, du weißt genau, dass ich noch nicht so viel gekocht habe und trotzdem hab ich mir Mühe gegeben“, regte sie sich auf, lächelte aber. Das hier war neu für mich. Sehr neu sogar. Diese zwei waren anders als alle anderen Leute, die ich beschützt habe. Klar gab es immer Leute, die nicht akzeptieren wollten, dass sie im Moment von allem abgeschnitten sind, was sie liebten. Aber noch nie bin ich dabei so weit gegangen, wie heute. Es gab Verfolgungsjagten, mein Auto wurde dadurch demoliert und ja ich hab mich auch schon oft mit Auftragsmördern oder Kriminellen geprügelt, um das Opfer – meinen Klienten – zu beschützen. Aber es war nie so Ernst gewesen wie dieses mal. Diese Typen, die hinter Akara her waren, waren keine Kleinkriminelle. Sie gehörten zu einer Organisation, die viel weiter verstrickt war. Aber nicht nur das war anders. Akara war anders. Weil sie Toms und Éllenas Tochter war? Im Unterbewusst sein, wusste sie genau was sie zu tun hatte. Sie blieb in brenzligen Situationen ruhig, suchte einen Ausweg, um anderen nicht weh zutun.

Diese letzten Minuten in der Gasse. Ich hatte nicht gewusst, was ich tun sollte. Es hatte gar keinen Ausweg gegeben, aber ich hatte in Akaras Augen gesehen, dass sie mir vertraute. Sie hatte mir sagen wollen, dass ich einfach schießen sollte. Kein anderer hätte so ruhig reagiert, wie sie es getan hatte. Ich hatte die Erkenntnis in ihren Augen gesehen, dass sie sich selbst nicht befreien konnte. Sie wusste, dass es schlecht für sie stand, wenn sie ihrem Angreifer einfach den Ellbogen in den Bauch gerammt hätte. Er hätte ihr einfach das Messer über die Kehle gezogen und dann wäre es vorbei gewesen. Und dann hatte sie etwas getan. Sie hatte, unbewusst, dass war nicht mit Absicht geschehen, ihren Oberkörper zur Seite geschoben. Ihr war das bestimmt nicht bewusst gewesen, aber damit hatte sie mir freies Schussfeld gegeben. Und mit der Finte, die ich ihrem Angreifer gegeben hatte, hatte auch ihr nichts passieren können. Denn mit meiner vorgetäuschten Kapitulation, hatte er sich in Sicherheit gewiegt und das Messer nicht mehr stur festgehalten. Sie war anders.

Mal davon abgesehen, wie sie mich gestern umgerannt hatte und dann einfach angenommen hatte, dass ich eine Säule wäre … Auch ihre Fürsorge, ihre weiche und sanfte Stimme, ihr Mädchenhaftes Gesicht, ihre kleine Stupsnase, ihre haselnussbraunen Augen und dieses lachen … Moment mal, was?

„Du bist wirklich gemein, ich habe mir wirklich Mühe gegeben“, quengelte Celina weiter, streckte Akara die Zunge raus und drehte sich beleidigt um.

„Ich weiß, ich weiß. Das sieht man, dass du dir Mühe gegeben hast, das musst du nicht immer sagen“, lachte Akrara immer noch, beruhigte sich aber langsam wieder. Sie ging auf ihre Freundin zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich gehe Jack dann mal eine genießbare Suppe kochen.“

„Du bist blöd.“ Grinsend verließ Akara das Zimmer und ließ Celina und mich alleine.

Mein Körper meldete sich wieder und eine Welle von unerträglichem Schmerz ließ mich aufstöhnen. Leicht ließ ich mich noch ein bisschen ins Sofa sinken und schloss dabei die Augen. Ich spürte, wie der Schmerz mich lähmte, mich müde machte.

„Es tut mir wirklich leid“, hörte ich das Gemurmel von Celina. „Ich wollte nicht, dass du oder wir in Gefahr geraten.“ Ich öffnete meine Augen wieder und sah zu ihr. Sie hatte sich in einen der beiden Sessel gesetzt, der am weitesten von mir entfernt war. „Es war falsch von mir, dir mein zweites Handy nicht zu geben, damit habe ich uns in Gefahr gebracht ...“ Sie redete einfach weiter und weiter und weiter.

„Celina!“ Sie sah mich geschockt an und hielt endlich den Mund. „Hör zu“, meinte ich, setzte mich ein bisschen gerader hin und legte eine Hand auf meine Wunde an der Seite. „Es war ein Fehler, ja. Aber wir können nichts daran ändern, es ist passiert. Ende.“

„Aber ...“

„Kein aber. Ich möchte dazu nichts mehr hören, okay?“ Sie nickte und sah auf ihre Hände herunter.

„Sie haben es auf Charlie abgesehen oder?“ Ich sah sie genauer an. Sie spielte mit ihren Händen, vermied es mich anzusehen, aber ihre Schultern waren nicht angespannt. Sie wusste, was sie da sagte.

„Wie kommst du darauf?“

„Der Mann, der Charlie das Messer an die Kehle gehalten hat, er hat in meine Richtung nichts unternommen. Er hatte Charlie gewollt, was mit mir war, war ihm egal.“

„Ja, sie wollen Charlie. Ich weiß nicht warum, aber sie wollen sie lebend.“ Aber ich konnte mir gut vorstellen, warum sie sie brauchten.

„Wäre es dann nicht besser, wenn du dich nur auf sie konzentrierst?“ Wenn ich das tue, kommt bestimmt nichts gutes dabei raus … das Fieber spricht aus mir. Ja, das muss es ein, das Fieber. Ich bin Bodyguard. Kalt und distanziert den Klienten gegenüber. „Es würde doch auch reichen, wenn ich bei meiner Familie bin, oder? Deine Kollegen passen doch auf sie auf, dann kann ich zuhause sein und würde euch auch keine Probleme machen.“

„Celina, wir wissen nicht genau, was sie vorhaben.“

„Ich weiß, aber ich habe echt Mist gebaut ...“ Meine Augen fielen von selber zu. Ich wollte mich anstrengen und ihr weiter zuhören, aber es ging nicht. Die Schmerzen machten mich fertig. Und dann wurde alles schwarz.

 

Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. Oh Celina. Aber irgendwie süß von ihr. Sie hatte sich wirklich Mühe gegeben, um ihren Fehler wieder gut zu machen.

Als ich ihr Schlachtfeld aufgeräumt hatte, machte ich mich daran eine Brühe aufzukochen. Nebenbei schälte ich ein paar Möhren, schälte ein paar Kartoffeln und würfelte sie, fand ein bisschen Suppengrün und schnitt ein bisschen Petersilie, aus Beths kleinem Beet, ab.

Summend rührte ich in der Suppe herum. Und was mache ich mit Luca? Vielleicht fand ich ja doch Medikamente im Bad und zusätzlich könnte man ja auch noch Wadenwickel machen.

„Jack!“, hörte ich plötzlich Celina aufschreien. Aus Schreck ließ ich einfach den Kochlöffel los, der somit in die Suppe fiel, und lief ins Wohnzimmer zurück.

Celina stand vor dem Sofa und sah hilflos auf den Körper herunter, der zur Seite gekippt war. Luca. Ich lief schnell zu ihr und sah ihn mir an. Sein Atem ging zwar schneller, aber leicht regelmäßig. Das hieß, er schlief.

„Keine Sorge, er schläft“, beruhigte ich Celina und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie seufzte und ließ die Schultern hängen.

„Wir hatten geredet und plötzlich war er umgekippt.“ Ich drückte ihre Schulter und lächelte.

„Seine Wunden waren tief, Celina. Er schläft jetzt den Schlaf, den er braucht, danach wird er wieder der Alte sein.“ Sie sah Luca noch mal an und setzte sich wieder auf den Sessel, diesmal in den, der etwas näher am Sofa stand, damit sie schneller bei Luca war. Ich legte Luca ein bisschen mehr aufs Sofa und deckte ihn mit einer Decke, die ich unter ihm herholte, zu. Das Handtuch, was auf seiner Stirn gelegen hatte, machte ich noch mal nass und legte es ihm wieder auf die Stirn. Mit einem Nicken zu Celina ging ich zurück zur Suppe. Die rührte ich noch ein paar mal herum und stellte den Herd dann auf die kleinste Stufe. Wenn Luca schlief, musste die Suppe auch nicht schnell warm werden, was sie so oder so nicht sollte, aber so hatte ich noch mehr Zeit. Zeit, um ins Bad zu gehen und vielleicht Medizin zu finden.

Im Erdgeschoss fand ich ein kleines Bad mit einem großen Schrank und sogar einer ganzen Schublade voller Medikamente … und sogar noch ein bisschen Fiebersaft. Hoffentlich reichte es, um das Fieber ein bisschen zu senken.

Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, saß Celina mit angezogenen Beinen auf dem Sessel, mit starrem Blick auf Luca. Der schlief aber seelenruhig.

„Möchtest du was Suppe haben?“, fragte ich Celina und stellte den Saft auf den Tisch.

„Ja, gerne, wenn sie schon fertig ist.“

„Ja, müsste sie eigentlich.“

Es dauerte nicht lange, da hatte ich uns beiden einen Teller Suppe geholt und auch ein Glas und Wasser für Luca mitgebracht.

Celina fing sofort an, zu essen und dementsprechend redete sie wenig. Das Einzige, was man hörte waren die Schlürfgeräusche.

„Ich habe mich eben bei ihm entschuldigt“, murmelte sie plötzlich. „Ich habe vorgeschlagen, dass ich zu meinen Eltern gehe.“ Sofort sah ich sie an und riss die Augen auf.

„Was? Wir sind in Gefahr ...“

„Jacks Kollegen beschützen meine Familie doch.“

„Ja, aber ...“

„Sie wollen mich nicht, Char, das muss dir doch aufgefallen sein.“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, sowas war mir nicht aufgefallen. Ich hatte eben nur daran gedacht, dass wir heil aus dieser Situation heraus kommen sollen. Das war das einzige, was für mich gezählt hatte. „Ich bringe euch noch mehr in Gefahr. Es wäre doch besser, wenn Jack sich nur auf dich konzentriert.“ Immer noch Kopf schüttelnd sah ich herunter in meine Suppe.

„Ist das wirklich dein Ernst?“

„Ja, ich will nicht, dass du oder er wegen mir getötet wird. Ich bin eine Last, nur wegen mir ist Jack verletzt.“

„Und ich kann dich nicht umstimmen?“

„Nein.“ Dann war es auch zwecklos. Wenn Celina sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war das so. „Das ist das, was ich will.“ Ich nickte.

Klar war ich enttäuscht und traurig, dass sie das wollte, aber ich verstand ihren Standpunkt. Zumal sie hier nicht glücklich war. Sie konnte einfach nicht nur tun und tun und tun. Sie brauchte Antworten, musste alles auf die leichte Schulter nehmen … so war sie nun mal.

Nachdem wir gegessen hatten, war es noch ein bisschen still zwischen uns geblieben, aber dann hatte ich einfach über etwas belangloses angefangen zu reden. Es nützte nichts auf Celina sauer zu sein. Nicht, wenn sie bald gehen würde und ich alleine mit Luca war.

Stöhnend bewegte Luca sich und machte langsam die Augen auf. Ich stand auf und kniete mich neben das Sofa. Das Handtuch war wieder von seiner Stirn gerutscht. Leicht strich ich über sie und fühlte noch mal, ob er immer noch Fieber hatte … und ja hatte er. Er war immer noch heiß, vielleicht nicht mehr so heiß wie vor ein paar Stunden, aber es war immer noch schlimm.

„Hey, gut geschlafen?“, fragte ich ihn leise und tupfte ihm etwas Schweiß von der Schläfe. „Ich habe Medizin für dich.“ Sofort rappelte Luca sich auf und sah panisch hin und her.

„Ich hab dir doch gesagt ...“, fing er an, brach aber ab, weil er vor Schmerz zusammen zuckte.

„Ich war nicht draußen, ich hab es hier gefunden“, beruhigte ich ihn sofort und zeigte ihm die fast aufgebrauchte Flasche. Erleichtert sank er wieder zurück, zuckte aber wieder zusammen. Schnell machte ich den Fiebersaft auf, füllte die dickflüssige Flüssigkeit in den Deckel und gab ihn Luca. „Bitte einmal runter schlucken.“ Als er das tat, machte ich ihm ein Glas Wasser fertig, dass ich ihm dann auch gab.

Zwei Gläser kippte er herunter, danach legte er sich wieder hin.

„Danke“, flüsterte er. Ich erwiderte darauf nichts. Es war nicht nötig. Stattdessen legte ich ihm das Handtuch wieder auf die Stirn.

„Möchtest du etwas essen?“ Aber Luca schüttelte nur den Kopf und schloss die Augen.

Er war immer noch blass, was mich sehr beunruhigte.

 

Irgendwann merkte ich, wie mir jemand eine Decke über die Schultern legte. Erst dann merkte ich, dass ich eingeschlafen war. Und das auf dem Boden und mit meinen Armen auf dem Sofa gestützt.

Luca saß aufrecht auf dem Sofa und er war auch derjenige gewesen, der mir die Decke über die Schultern gelegt hatte.

„Du solltest in ein Bett gehen und nicht hier auf dem Boden schlafen“, meinte er und ich stand auf.

„Nein, nein, schon gut.“ Ich sah mir Luca an und war ein bisschen beruhigter. Er war nicht mehr so blass. Das hatte mir echt Sorgen bereitet. Leicht legte ich ihm meine Hand auf die Stirn … und heiß war er auch nicht mehr, ein bisschen warm, aber das würde in den nächsten Stunden bestimmt auch weg gehen. „Wie fühlst du dich?“, fragte ich ihn und faltete die Decke.

„Besser, danke.“

„Willst du jetzt was essen? Ich kann die Suppe schnell noch mal warm machen, wenn du möchtest. Nein, du isst jetzt etwas, das ist ein Befehl.“ Damit legte ich die Decke neben ihn und lief schnell in die Küche. Zu meinem Glück war die Suppe noch leicht warm, das hieß, dass ich vielleicht nur ne Stunde oder so geschlafen hatte. Es dauerte nicht lange, bis die Suppe warm war, sodass man sie schön genießen konnte. Also nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt.

Ich nahm mir einen Teller, tat etwas Suppe hinein und brachte diesen dann zu Luca, natürlich nahm ich auch einen Löffel mit.

„Brav auf essen“, meinte ich, als ich Luca den Teller gab. Er sah mich an und es stahl sich sogar ein kleines Lächeln auf seine Lippen.

„Also sie sieht schon mal appetitlicher aus.“

„Celina hat es nur gut gemeint.“ Ich nahm mir die Decke und breitete sie dann über Celina aus, die in dem Sessel schlief. Sie murmelte etwas und bewegte sich dann, schlief aber seelenruhig weiter.

„Die ist lecker“, murmelte Luca und nahm sofort noch einen Löffel.

„Man eignet sich so einiges an, wenn man alleine wohnt“, lächelte ich und ließ Luca alleine. Ich musste die Küche noch ein bisschen aufräumen und Celinas und meinen Teller in die Spülmaschine tun. Leise summend machte ich das dann auch und war in Windeseile auch damit fertig.

Als ich dann wieder im Wohnzimmer war, hatte Luca aufgegessen und stellte den Teller auf den Tisch vor ihm. Er bewegte sich noch schwerfällig, wohl weil er noch Schmerzen hatte, aber das war ja auch verständlich.

„Soll ich noch mal nach den Wunden sehen?“, fragte ich und sah zu seiner Schulter. Der Verband hatte sich leicht rot gefärbt. Luca nickte nur und ich stellte mich wieder zwischen seine Beine, nachdem ich den Erste-Hilfe-Kasten neben ihn aufs Sofa gestellt hatte.

Sanft und vorsichtig löste ich erst den Verband und dann das Wattepatt, was durch sein Blut leicht an seiner Schulter klebte. Beides knuddelte ich zusammen und legte sie auf den Boden. Dann strich ich leicht mit dem Zeigefinger über seine Haut, um ein paar Flusel ab zumachen.

„Es sieht gar nicht mehr so schlimm aus“, meinte ich, drehte mich um und desinfizierte die Wunde noch mal. „Ich bin froh, dass Beth uns nicht weggeschickt hat.“

„Ich wäre an den Verletzungen nicht gestorben, Akara.“

„Das ist doch egal, du warst und bist immer noch schwer verletzt. Was, wenn die Typen uns gefolgt wären?“ Ich schüttelte den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. Irgendwie machte ich mich dafür verantwortlich. Verdammt, ich hätte mit Celina nicht diese Abkürzung nehmen sollen. Wir hätten weiter auf der Hauptstraße weiter gehen sollen, dann … plötzlich spürte ich etwas warmes an meiner Wange. Ich riss die Augen auf. Die letzten Tage waren schwer gewesen, aber ich hatte immer einen kühlen Kopf bewahrt, aber jetzt? Jetzt weinte ich! Dabei hatte ich mir geschworen das nie mehr zu tun, nicht mehr seit dem Tod meiner Eltern. Ich schluchzte auf und wischte mir die Tränen weg, aber sie hörten einfach nicht auf.

„Akara“, flüsterte Luca. Er beugte sich zu mir nach vorne und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ich schluckte und sah ihm in die Augen. „Alles okay.“ Sanft strich er mit seinen Daumen meine Tränen weg. „Wir sind hier in Sicherheit, okay? Mir geht es gut, dank dir, weil du dich so gut um mich gekümmert hast.“ Ich schluchzt wieder auf und versuchte meine Tränen zu unterdrücken. Ich wollte nicht vor ihm weinen. Verdammt, ich wollte ihm ebenbürtig sein, wollte ihm keine Schwächen zeigen. „Es ist okay“, flüsterte er und wischte immer und immer wieder meine Tränen weg. Und damit gab er mir das Okay zu weinen. Sagte mir so, dass zu weinen, keine Schwäche sei. Ich sah in diese graue Augen und ließ den Tränen einfach freien Lauf. Luca zog mich näher zu sich und umarmte mich, sodass ich meinen Kopf auf seine unverletzte Schulter legen konnte. Dadurch roch ich wieder seinen würzigen Geruch und schloss die Augen. Es tat gut so von ihm gehalten zu werden.

Fünf Minuten später hatte ich mich dann ausgeweint und trennte mich von Luca. Er strich wieder mir die letzten Tränen von den Wangen und lächelte leicht.

„Alles okay?“ Ich nickte. Ja, dank ihm. „Gut.“ Und was als nächstes passierte, war einfach der Wahnsinn. Denn Luca kam immer näher und dann küsste er mich. Ich riss erst die Augen auf, aber dann war der Schock auch schon verschwunden. Ich schloss wieder die Augen und erwiderte seinen Kuss. Eine seiner Hände fuhr zu meinem Nacken und die andere legte sich auf meine Hüfte, damit er mich noch näher an sich ziehen konnte. Ich hielt mich an seiner Schulter fest und legte eine Hand auf seine nackte Brust. Der Kuss war erst sehr sanft, aber je länger er ging, desto wilder wurde er. Ich krallte mich in Lucas Schulter und er packte meine Hüfte fester, zog mich weiter zu sich, auf seinen Schoß. Ich wollte gerade auf seinen Schoß klettern, als plötzlich die Türe aufgerissen wurde und sich Stöckelschuhe näherten.

„Jack!“, rief Beth und Luca und ich trennten uns ruckartig.

„Was ist denn hier los?“, murmelte Celina, die durch den Krach wach wurde. Aber ich realisierte das ganze nicht wirklich, weil ich im Moment nur Luca anstarren konnte. Allerdings starrte er mich auch an. Aber dann schluckte er und stand schnell auf. Ich ging ihm aus dem Weg und fasste mich an die Lippen. Das war doch nicht wirklich gerade passiert, oder? 

Kapitel 13

Kapitel 13

 

Das war gerade wirklich passiert. Er hatte mich wirklich geküsst und das nicht ohne. Wäre Beth nicht zurück nach hause gekommen, weiß ich nicht, wo das noch hingeführt hätte … vor allem Celina war auch noch im Raum gewesen, was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich hätte ihn wegschubsen sollen … den Kuss erst gar nicht erwidern sollen. Und doch hatte ich es.

Ich biss mir auf die Lippe und strich weiter federleicht mit dem Zeigefinger über meine Oberlippe. Er hatte noch nach der Suppe geschmeckt, aber das war es nicht, was mich nicht hat aufhören lassen.

„Was ist denn los?“, holte Celina mich aus meinen Gedanken. Ich schüttelte den Kopf und sah sie an.

„Beth ist wieder da“, murmelte ich. Luca war nicht mehr im Zimmer, er war einfach raus gelaufen.

„Was tust du? Haben die Mädels dich noch nicht verarztet?“, hörte ich Beth und schnell lief ich in die Eingangshalle.

„Doch“, meinte ich schnell und blieb neben Luca stehen. „Ich wollte gerade die Verbände erneuern, als du wie so eine Verrückte hereingekommen bist.“ Und unseren Kuss gestört hast.

„Oh, achso.“ Sie lächelte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ich hab mir nur Sorgen gemacht, also hab ich mich beeilt.“

„Alles okay, er hat schon geschlafen und gegessen auch schon … schon fast wie neu.“ Dabei sah ich Luca kurz an, aber als er meinen Blick nicht erwiderte, sah ich zu Boden.

„Trotzdem solltest du hier nicht so herum laufen“, tadelte Beth ihn und wedelte mit ihrem Zeigefinger herum.

„Wie soll ich bitte still auf dem Sofa liegen bleiben, wenn du wie so eine Irre hier herum schreist“, murmelte Luca, drehte sich um und wollte wieder ins Wohnzimmer gehen, aber da streiften sich unsere Blicke und er hielt kurz inne. Allerdings hatte er sich schnell wieder gefasst, drehte schnell den Kopf weg und ging schnurstracks ins Wohnzimmer.

„Hat er sich benommen?“, erschreckte Beth mich und ich zuckte leicht zusammen.

„Ja, ja.“

„Ihr seid hier sicher, du brauchst keine Angst haben.“

„Du hast uns nur etwas erschreckt“, redete ich mich schnell heraus und ging zusammen mit ihr zu den anderen.

Celina hatte sich wieder auf ihren Sessel gesetzte, die Beine angezogen und sich mit der Decke zugedeckt. Luca saß wieder auf dem Sofa und suchte ein großes Wattepatt und Verband zusammen.

„Sturkopf, lass dir doch helfen“, meinte Beth und schüttelte den Kopf. „Machst du das? Ich kann eigentlich nicht so viel Blut sehen und außerdem muss ich die Alarmanlage noch anschalten.“ Damit drehte sie sich schon um. Ich machte den Mund auf und wollte widersprechen. Ja genau, sag, dass du Luca nicht mehr verarzten kannst, weil es gerade echt unangenehm zwischen euch ist. Warum? Ach keine Ahnung, vielleicht weil wir uns gerade geküsst hatten und ich fast davor war noch weiter zu gehen? Ich kann mich aber auch nur irren. Verdammt!

Luca hantierte mit den Mullbinden und dem Wattepatt herunter, aber sobald er das Wattepatt auf seiner Schulter platziert hatte und dann nach dem Verband griff, viel das Patt herunter.

„Lass dir doch helfen“, meinte ich, nahm das Patt wieder in die Hand und nahm mir auch den Verband. Innerhalb von ein paar Minuten war die Wunde verbunden. Dann löste ich den Verband von der Wunde an seiner Seite. Die sah ein bisschen schlimmer aus, vor allem, weil Luca sie nur notdürftig zugenäht hatte.

Ich desinfizierte auch die Wunde und verband sie dann wieder. Dabei war ich Luca allerdings wieder so nah. Manchmal streifte ich seine Haut, aber darauf ging ich gar nicht ein. Einfach weiter machen. Als der Verband dann zuende war, versuchte ich nach dem Fixierband zu angeln, aber ich kam nicht dran.

„Kannst du kurz festhalten?“, fragte ich Luca. Er nickte und drückte seine Finger auf meine, die im Moment noch den Verband an der richtigen Stelle hielten. Ich sah zu ihm auf. Ungünstige Pose. Ich hockte auf dem Boden, nah an seinem Körper und jetzt, da er den Verband auch festhielt, war er etwas vorgebeugt und unsere Gesichter waren nicht mehr weit voneinander entfernt.

Für einen kurzen Moment blieben wir so, ich konnte nur in dieses endlose grau sehen.

„Alles okay bei euch?“ Ich schreckte hoch und nahm mir schnell das Fixierband. Beth stand im Türrahmen und sah mich an, außerdem hatte sie ein Shirt in der Hand. Wahrscheinlich war es für Luca.

„Ich bin nur in Gedanken“, meinte ich und steckte den Verband dann fest.

„Ihr solltet hoch gehen und etwas schlafen“, meinte sie und nickte nach oben. „Ihr könnt das dritte Zimmer im rechten Gang nehmen.“

„Oh ja, Bett. Ich hab von dem Sessel einen steifen Nacken“, meinte Celina und stand auf. Sie faltete die Decke ordentlich zusammen und legte sie zurück auf den Sessel. Ja, Schlaf würde mir bestimmt gut tun.

Celina nahm meine Hand und zog mich mit nach draußen. Hinter mir schloss ich die Türe, blieb aber stehen. Celina lief einfach weiter und suchte unser Zimmer.

„Was war das gerade, Luca?“, hörte ich Beth.

„Gib mir einfach das Shirt und lass es für heute. Ich habe wirklich keine Lust mit dir zu diskutieren“, stöhnte Luca. Ich schluckte und sofort fasste ich mir wieder an die Lippen.

„Oh nein mein Freund. Ihr habt euch ja regelrecht angestarrt.“

„Hast du ne Zigarette für mich?“

„Lenk nicht vom Thema ab. Ich bin ne Frau, mir kannst du nichts vor machen, Luca.“ Etwas raschelte, wahrscheinlich zog Luca sich das Shirt an.

„Da war nichts.“

„Ach nein, deswegen bist du auch wie ein Irrer in die Halle gekommen und hast es vermieden sie anzusehen. Luca mach keinen Fehler, bitte. Du hast doch sonst immer den Abstand eingehalten. Dieser Blick eben, den kannte ich gar nicht von dir.“

„Hör auf irgendetwas in Blicke hinein zu interpretieren.“ Es ertönte ein komisches Geräusch und dann stieß Luca die Luft aus. Eine Zigarette.

„Ich bin gut darin.“

„Bist du nicht.“

„Oh doch. Da ist etwas, Luca. Ist es, weil sie Èllenas und Toms Tochter ist?“ Meine Eltern? Was hatten sie damit zutun?

„Nein, es hat nichts mit Tom und Éllena zutun.“ Wieder stieß er den Rauch aus. „Jetzt lass mich in Ruhe.“ Als nächstes hörte ich es wieder rascheln und dann war da das nächste Geräusch, ein Geräusch, dass man nicht unterscheiden konnte. Es war ein Kuss …

„Lass dich bitte nicht auf sie ein. Du bist schon in einer Zwickmühle, ohne die Rückendeckung der Polizei. Lass sie sich nicht in dich verlieben.“ Als wieder ein Kussgeräusch ertönte, lief ich so schnell ich konnte die Treppe hinauf und in das Zimmer, was Beth gesagt hatte. Mehr wollte ich nicht hören … denn es war zu spät.

 

 

„Wow, voll das Festessen“, staunte Celina und setzte sich an den vollen Tisch. Beth machte gerade den Ofen zu und stellte frisch aufgebackene Brötchen auf den Tisch.

„Ich dachte, ihr habt Hunger“, lächelte Beth und setzte sich zu uns.

„Wo ist denn Jack?“, sprach Celina meine Gedanken laut aus und nahm sich ein Brötchen.

„Der kommt gleich, ist noch im Bad.“ Sie nahm sich auch ein Brötchen und hielt mir dann das Körbchen hin. Ich nahm mir eins heraus und schnitt es dann vorsichtig auf.

„Morgen“, ertönte dann auch schon Lucas dunkle Stimme. Celina und Beth sahen auf, nur ich konzentrierte mich einfach auf mein Brötchen. Ich weiß, das war kindisch, aber ich wollte ihn jetzt nicht ansehen. Der Kuss gestern war nichts gewesen, er hatte mich bestimmt nur aus Mitleid geküsst, weil ich diesen Zusammenbruch hatte. Ja genau, nur Mitleid.

„Wie geht’s den Wunden?“, fragte Celina leise, aber dann doch laut genug, damit Luca es hörte.

„Es geht.“ Sie nickte und biss von ihrem Brötchen ab. Ich schmierte mir Frischkäse auf mein Brötchen, klappte es zusammen und biss dann auch rein.

„Also wegen der Sache von gestern...“, fing Celina wieder an.

„Lass es doch einfach“, sprach ich dazwischen.

„Nein, ich meine, dass ich nach Hause gehen möchte.“ Jetzt sah ich auf und in Lucas Augen. „Es ist besser so, oder? Ihr zwei müsst aus der Stadt raus und nur bei dem Gedanken, bekomm ich schon die Krise.“ Verdammt, daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht. Wenn sie wirklich zu ihren Eltern ging, dann war ich mit Luca alleine. Das würde nicht gut gehen … aber Celina hatte schon eine Entscheidung getroffen. Und das würden wir jetzt nicht mehr aus ihrem Kopf bekommen.

„Das ist dein völliger Ernst?“, fragte Luca noch mal nach. Celina nickte heftig.

„Ich bin euch nur ein Klotz am Bein. Ihr zwei kommt eh am Besten miteinander aus, ihr denkt irgendwie gleich, das liegt wohl daran, dass Chars Eltern sie anders erzogen haben“, plapperte Celina einfach drauf los. Beth ließ ihr Brötchen fallen und starrte ins Nichts. „Deswegen bin ich zuhause am Besten aufgehoben.“ Luca sah kurz zu Beth, seufzte kurz auf und schloss für einen Moment die Augen. Dann aber sah er Celina an.

„Ich kann dich eh nicht mehr umstimmen.“

„So ist es wohl.“ Er nickte und widmete sich wieder seinem Brötchen.

„Dann bringen wir dich gleich zu deinen Eltern.“

„Warte, stopp mal, Lu … Jack“, meinte Beth und sah Luca sofort an. „Du kannst noch nicht weiter ziehen, deine Wunden sind noch nicht richtig verheilt. Du solltest dich noch etwas erholen.“

„Wir können nicht noch länger hier bleiben, Beth“, meinte Luca nur.

„Hier sind Alarmanlagen und keiner würde euch hier vermuten.“

„Wir sind schon viel zu lange hier und das weißt du auch. Ich war damit einverstanden, dass du mir hilfst mit Klamotten und essen, aber ich will dich nicht noch weiter mit in diese Sache ziehen. Hier ist etwas im Gange und da brauche ich nicht noch mehr Leute, die darin verstrickt sind.“ Beth machte den Mund auf, weil sie ihm weiter widersprechen wollte, ließ es aber dann. Es hatte wohl genauso wenig Sinn, wie bei Celina.

Nach dem Frühstück räumten wir alle noch zusammen auf, damit Beth nicht alles alleine machen musste. Aber dann wollte Luca auch so schnell es ging aufbrechen. Celina brachte unsere Tasche ins Auto. Ich folgte ihr und blieb mitten auf der Treppe, draußen vorm Haus, stehen.

„Nimm den auch mit“, meinte Beth und stellte sich neben mich. Sie hielt den Erste-Hilfe-Kasten in der Hand. „Ich hab auch ein paar Medikamente hinein getan, man weiß ja nie.“ Ich bedankte mich bei ihr und nahm den Kasten an mich. „Bitte passt auf euch auf, okay? Das wird nicht einfach werden, Charlie.“ Ich sah sie an.

„Ich weiß.“

„Nein, ich glaube nicht, dass du das weißt. Diese Typen sind nicht ungefährlich. Jack wird alles daran tun, dass dir nichts passiert, aber dafür musst du mit ihm zusammen arbeiten und vor allem musst du deine Gefühle aus dem Spiel lassen.“ Was? Ich wollte schon etwas sagen, aber sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, wie das ist. Ich war auch einmal in deiner Situation. Ich weiß, wie schnell man sich in den Mann verliebt, der sein Leben für einen geben würde, aber so scheint es nur.“ Sie fasste sich in den Nacken und sah gen Himmel. „Das ist sein Job, da gibt es nichts persönliches oder anreizendes an dir, was ihn dazu treibt, dich zu beschützen.“ Jetzt seufzte sie und lächelte traurig. „Vor allem bei Jack wird da nie etwas kommen, also halte dich nicht an diesem einen Kuss fest. Mehr wird er dir nicht geben, so war er schon immer.“ Jetzt sah sie mich an. „Das ist das beste für dich, sonst wirst du noch verletzt und dafür bist du noch zu jung“, lächelte sie.

„Lass sie mit deinen Weisheiten bloß in Ruhe“, meinte Luca und ging an uns vorbei.

„Ich will ihr nur ein paar Tipps geben, wie sie mit dir umzugehen hat. Du bist ein ziemlicher Stinkstiefel.“

„Bin ich nicht, das meint sie nur immer.“

„Dann bist du ein Eisklotz. Und das ist noch untertrieben.“

„Tschüss Beth.“ Er ging um seinen Camaro und stieg ein. „Kommst du, Charlie?“ Ich nickte und lief die Treppen runter.

„Denk an das, was ich dir gesagt habe, Charlie“, rief Beth mir noch nach. Ich schloss die Autotüre und Luca fuhr los.

Das Eingangstor war schon offen und nachdem wir durchgefahren waren, schloss es sich automatisch.

„Ich wohne ...“, fing Celina an, aber Luca nickte schon mit dem Kopf.

„Ich weiß, wo du wohnst.“

„Woher das denn?“

„Emanuel hat mir ein paar Daten über euch gegeben, bevor ich zum Stadion gekommen bin, hab ich sie mir durchgelesen.“ Jetzt klappte Celina der Unterkiefer herunter. „Keine Angst, ich weiß nur, wer deine Eltern sind, wo du wohnst und wo du zur Schule gehst. Mehr nicht. Ich weiß nicht, wie viele Freunde du hattest, mit wem du zerstritten bist oder sonst was, aber mit einem Blick auf deine Facebookseite, wüsste ich diese Sachen bestimmt.“ Celina legte den Kopf schief.

„Ja, dabei könntest du noch Recht haben.“ Ja, sogar sehr Recht, denn Celina war eine der Sorte: „Ich poste alles, was gerade so passiert.“. Ich war nur froh, dass sie nicht postete, wann sie auf Toilette ging. „Kommt ihr gleich noch mit rein? Meine Eltern ...“

„Sei mir nicht böse, aber wir sollten so schnell es geht weiter. Außerdem werden wir dich nicht bis nach Hause fahren, das wäre viel zu gefährlich“, unterbracht Luca sie, aber Celina nickte.

„Verstehe ich voll und ganz, aber du musst mir was versprechen, Jack.“ Luca sah durch den Rückspiegel zu Celina. „Pass bitte gut auf Charlie auf. Sie ist meine Beste Freundin und ich will sie nicht verlieren.“ Ich sah sofort zu Luca, der immer noch Celina ansah.

„Ich hatte nicht vor, dass ihr etwas passiert.“ Sie nickte, sah ihn aber immer noch an, als wenn sie etwas bestimmtes aus seinem Mund hören wollte. „Ich werd sie mit meinem Leben beschützen.“ Wieder ein nicken, aber diesmal ein zufriedeneres. Was? Das warf mich jetzt aus der Bahn. Ich wusste ja, dass Celina sich Sorgen um mich machte, aber das sie Luca dazu brachte zu sagen, er würde mich mit seinem Leben beschützen. Und er hatte noch nicht mal lange gebraucht, um zu wissen, was sie wollte, aber andererseits war das sein Job, vielleicht sagte er das andauernd, damit sich seine Klienten sicher fühlten.

Zwanzig Minuten später bogen wir in eine Straße ein und hielten recht in der Mitte an.

„Das ist wirklich unheimlich“, meinte sie und sah aus dem Fenster.

„Ich hab eben meinen Kollegen angerufen, der wird dich zu deinen Eltern bringen“, meinte Jack. Celina nickte und stieg aus. Ich sah erst zu Luca, aber als er sich abschnallte, tat ich es auch und stieg aus. Luca lehnte sich ans Auto und zündete sich eine Zigarette an. Das war seine Geste, um uns ein bisschen Zeit zum reden zu geben.

Celina blieb allerdings vor dem Auto stehen und sah einfach nur gerade aus.

„Was ist los?“, fragte ich.

„Ich möchte schon nach Hause, aber dann lasse ich dich ja mit ihm alleine.“

„Es ist besser für dich, wenn du zuhause bist, das habe ich eingesehen.“ Sie nickte und drehte sich zu mir. „Bitte pass auf dich auf.“

„Mach ich, aber ich bin froh, dass ich euch nicht mehr so im Weg stehe.“ Seufzend nahm ich sie in den Arm. Dabei sah ich über ihre Schulter und sah, wie ein Mann aus einem weiter entfernten Auto ausstieg und auf uns zu kam. Aber als Luca auf ihn aufmerksam wurde, kümmerte ich mich nicht mehr um den Fremden.

„Blöde Kuh, mit wem rede ich denn jetzt? Jack wird mich bestimmt nur angucken und so kurze Antworten geben, wie: Ja. Nein. Vielleicht.“ Celina kicherte.

„Das glaube ich nicht, du wirst ihn schon dazu bringen, mit dir zu reden“, flüsterte sie mir ins Ohr und löste sich dann von mir. „Ruf mich so oft an, wie du kannst … wie oft der Stinkstiefel dich lässt“, grinste sie. Ich drückte sie noch mal feste und ließ sie dann gehen.

Der Fremde nickte zu dem Auto und als auch Luca nickte, ging Celina auf dieses zu.

Sie hatte zwar gesagt, dass sie mich doch nicht alleine lassen wollte, aber als sie immer schneller auf das Auto zuging, wusste ich, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Sie war einfach für sowas viel zu feinfühlig.

Sie kam an dem fremden Auto an, stieg ein und dann wurde auch schon der Motor angemacht. Erst jetzt sah ich, dass dort noch ein weiterer Mann hinterm Steuer saß. Er parkte aus der Parklücke aus und fuhr dann an uns vorbei. Celina winkte mir noch mal und war dann weg. Es war gut so für sie, das wusste ich.

Als ich mich dann umdrehte, redete Luca mit dem Fremden. Schnell ging ich ums Auto, sah mir dabei aber den Mann an, der da neben Luca stand. Er trug Jeans, ein Shirt und darüber einen Trenchcoat. Seine langen blonden Haare waren hinten in seinem Nacken zu einem Zopf zusammen gebunden und seine blauen Augen beobachteten, wie Luca seine Zigarette an den Mund hob und fest daran zog.

„Ich werde einen meiner Jungs an ihre Fersen heften“, meinte der Fremde, als ich bei ihnen ankam.

„Jason, dass ist Akara Charlie O´Niel“, stellte Luca mich sofort vor. „Akara, das ist Jason, ein Kollege. Ihn habe ich gebeten auf Celinas Familie aufzupassen.“ Ich nickte Jason zu und bekam ein freundliches Lächeln als Antwort.

„Hey, freut mich. Da hast du aber diesmal eine Süße abbekommen.“ Ich blinzelte und sah Jason verwirrt an. Er zwinkerte mir zu. „Hör mal, ich hätte nichts dagegen, wenn wir tauschen. Du bleibst hier auf der Lauer und ich verschwinde mit der Kleinen.“ Sofort wurde ich rot. Hallo, ich stehe neben dir, Trottel.

„Das ist kein Job für dich, Jas, du bekommst keine Bezahlung“, meinte Luca locker und stieß etwas Rauch aus.

„Du bezahlst mir ja auch nichts.“

„Weil ich was bei dir gut hab.“ Jason hob einen Finger, machte den Mund auf, um zu protestieren, aber anscheinend gab es da nichts.

„Ja, stimmt, hast recht.“ Das war ja ein komisches Duo. Wo sie sich wohl kennen gelernt hatten? Und was hatte Luca getan, wofür er so einen Gefallen äußern konnte? „Na ja, hör zu. Ein Ernsteres Thema. Eigentlich ganz gut, dass du hier aufgetaucht bist. Ich hab meine Jungs ein bisschen Suchen geschickt und was sie raus gefunden haben, ist nicht gut.“

„Sag es einfach, ich hab keine richtige Zeit, ich muss Akara von hier weg bringen“, sagte Luca jetzt mit Nachdruck und zog wieder an seiner Zigarette. Jason kramte in seiner Jackentasche und holte zwei Sachen heraus. Einmal ein Bündel Geld und einen Schlüssel.

„Nimm das und gib mir deinen Autoschlüssel.“ Luca zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und schmiss sie dann auf den Boden. „Die Polizei hat eine Fahndung nach dir raus gegeben. Du solltest dich mit Charlie in ein Hotel begeben, deine Falschen Namen benutzen und gucken, dass ihr alle zwei Tage das Hotel oder Motel wechselt. Irgendjemand hat da seine Finger bei der Polizei drin.“ Je mehr Jason redete, desto größer wurden meine Augen. Das konnte doch nicht sein. Die Polizei suchte nach Luca? „Ich schätze dich so ein, dass du nicht all deine Personalien an die Polizei gegeben hast, als du mit denen gearbeitet hast, aber die wissen, wo die meisten deiner Verstecke sind und die haben auch deine Konten und vor allem dein Auto.“ Luca stieß sich von dem Camaro ab und fuhr sich durch die Haare, bis zum Nacken.

„Nein, hab ich nicht, aber ich hab ein anderes Problem dadurch“, murmelte er.

„Pass auf, weder ich noch meine Jungs werden dich verpfeifen und ich werde mich auch an Beth wenden, damit ihr nichts passiert. Aber du solltest mir jetzt alles geben, was du bei dir hast, was auf dich schließen könnte. Ich hab zwei Blocks weiter ein Auto stehen, da sind zwei Waffen drin und ein sicheres Handy.“

„Jetzt bin ich dir was schuldig.“ Damit gab Luca ihm alles was er bei sich trug. Auch die Pistole in seinem Hosenbund. Nachdem er dann das Geld und auch den neuen Autoschlüssel eingesteckt hatte, hielt Jason ihm die Hand hin. Sie schlugen ein und Jason lächelte nur.

„Sowas tut man doch für Freunde.“ Luca lächelte und holte noch unsere Taschen und den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Kofferraum.

„Dann musst du mich auch aus dem Knast holen, als Freund.“

„Immer doch. Aber solange du drin bist, pass auf, dass du die Seife nicht fallen lässt. Du bist ein hübscher ich glaube, die Jungs da würden dich gerne als Nachtisch verspeisen.“ Luca schüttelte den Kopf. Zusammen gingen wir dann die Straße weiter. „Pass auf euch auf, hörst du? Ich will dich nicht von der Straße aufkratzen müssen.“ Luca hob nur die Hand und lief weiter. „Achso der Schlüssel passt zu einem schwarzen Chevrole Tahoe.“

„Werd ihn schon finden.“

„Bezahl nur in Bar, hörst du?“

„Ich bin kein Anfänger, Jason.“

„Meld dich bei Beth, wenn ihr im Motel seid.“

„Jaha.“

„Lass die Finger von der Kleinen.“ Ich blieb sofort stehen und hörte dann Jasons Lachen.

„Akara komm.“, drängte Luca mich.

„Charlie, lass dich von ihm nicht einwickeln. Er sieht zwar gut aus, aber innendrin ist er ein Stinkstiefel.“

„Hör nicht auf den Idioten.“ Schnell lief ich Luca hinterher, sah aber noch mal über meine Schulter zu Jason. Er winkte mir zu, stieg aber dann in den Camaro und drehte. „Mach dir um ihn keine Sorgen.“

„Mache ich nicht“, meinte ich und holte ihn auf. „Ich mache mir Sorgen um uns. Wir wussten ja, dass die Polizei korrupt ist, aber das sie eine Fahndung nach dir ausstellen hätte ich nicht gedacht.“

„Das alles wird jetzt etwas komplizierter, aber das hab ich von Anfang an gewusst. Das einzige was jetzt zählt ist, dass du das tust, was ich dir sage, wenn das nicht klappt, dann werden sie uns finden.“ Ich nickte. Das war von Anfang an klar gewesen, dass ich machen musste, was er sagte. Ich meine, er kannte sich in diesen Situationen am Besten aus. Ich sah zu Luca und musterte ihn von oben bis unten. Er trug eine braune Jeans, ein graues normales Shirt und natürlich seine Stiefel. Sein Gesicht war nach vorne gerichtet, aber sein Profil war auch nett anzusehen. Seine schwarzen, kurzen und wuschelig aussehenden Haare standen in alle Richtungen ab, seine recht kleine aber normale Nase, sein mit Bart bewachsenes Kinn, der kleine silberne Ring an seinem Ohr, der immer hin und her wippte, seine starken Oberarme, um die das Shirt gespannt war, seine recht großen Hände, die so warm waren, als sie mein Gesicht umfasst hatten und meine Tränen weggewischt hatten, sein flacher Bauch, wo ich genau wusste, dass sich da ein gut durchtrainiertes Sixpack befand und dann noch seine starken muskulösen Beine. Dazu kam noch seine dunkle, männliche Stimme und dieser exotische Geruch, den er verströmte. Auch wenn er immer auf distanziert tat, wusste ich doch, dass er auch andere Seiten hatte. Wie zum Beispiel eben mit Jason, das war ein Gespräch unter Freunden gewesen … und auch unser Kuss gestern war anders gewesen. Er hatte mich getröstet, war sanft gewesen … und in meinem innersten wusste ich, dass ich gerne mehr von dieser Seite sehen würde, dass ich gerne diejenige sein wollte, zu der er kam, wenn es ihm nicht gut ging, die er sanft im Arm hielt und das nur, weil er das auch wollte, nicht weil er sich verpflichtet fühlte, weil es sein Job war. Ich wollte, dass er sich in mich … verliebte. 

Kapitel 14

Kapitel 14

 

 

Den Wagen hatte Luca mit nur einem Blick über die parkenden Autos gefunden. Ich bin ehrlich, ich hätte vielleicht sagen können, dass in den beiden Reihen ein Samt stand und einen Ford Ka konnte ich auch noch benennen, aber alle anderes? Klar, kannte ich die Marken, aber wie das Modell hieß? Ich wusste noch nicht mal, was ein Chevrolet Tahoe war. Luca zum Glück schon. Ich glaube, alle Männer wussten sowas, das lag ihnen irgendwie im Blut. Aber jetzt wusste ich zumindest schon mal, wie ein Tahoe aussah. Er war fast so wie ein Geländewagen, nur ein bisschen kleiner und für die Stadt gemacht.

Luca fuhr erst einmal eine halbe Stunde durch die Stadt. Er sagte die ganze Fahrt nichts. Ich konnte nur spekulieren, warum wir einfach nur herum fuhren. Entweder er suchte ein Hotel oder Motel, was sehr unwahrscheinlich war, weil ich mir sicher war, dass Luca die Stadt kannte. Oder er guckte, ob wir verfolgt wurden. Was eher der Fall sein konnte.

Nach dieser halben Stunde lenkte er das Auto Richtung Autobahn.

„Wo wollen wir hin?“, fragte ich jetzt doch. Ich hatte mir erst gesagt, dass es vielleicht besser sei, ihn nicht anzusprechen. Vor allem, weil es irgendwie komisch war mit ihm alleine zu sein … nach diesem Kuss.

„In die nächste Stadt. Uns folgt niemand, also sollten wir jetzt schleunigst verschwinden.“ Damit gab er Gas und düste auf die Autobahn. Und das hieß weiteres Schweigen. Ich meine, ich wusste ja auch gar nicht über was ich mit Luca reden konnte. Ich könnte ihm zwar Fragen stellen, Fragen die ich so gerne beantwortet haben wollte. Wie alt er war. Was seine Hobbys sind. Ob er Familie hatte. Ob er schon immer als Bodyguard gearbeitet hatte. Wenn nicht, was er früher gemacht hatte. Ich wollte wissen, was er als Kind gemacht hatte. Wollte ihn über seine Eltern ausfragen. Würde gerne Kinderfotos von ihm sehen. Würde gerne wissen, was Beth im bedeutete … ob er mit ihr zusammen war … ob er sie liebte …

Ich wusste, dass diese Fragen wehtun würden, vor allem, wenn Beth wirklich seine Geliebte war. Aber was machte ich mir hier vor? Er würde keine dieser Fragen beantworten, selbst wenn ich ihn fragen würde. Ich war seine Klientin, das hieß für ihn Abstand zu mir halten. Keine Fragen, keine Antworten. Keine weiteren Küsse.

Ich wusste nicht wie lange wir schon gefahren waren, bis Luca eine Ausfahrt nahm. Aber es wurde schon dunkel. Die ganze Zeit, kein Wort, kein Mucks. Ich hatte Glück, dass er wenigstens das Radio angemacht hatte.

In der kleinen Stadt fanden wir schnell ein Motel. Luca parkte allerdings nicht auf dem großen Parkplatz vor dem Motel, sondern fuhr um das Motel herum und parkte hinten. Ich wollte gerade aussteigen, als Luca die Verriegelung betätigte.

„Drei Worte. Bleib bei mir.“

„Was anderes hatte ich nicht vor.“ Er sah mich an, sah mir in die Augen.

„Ich will nur sagen, dass du bei mir bleiben sollst. Dieses Motel ist nicht gerade eins der netten Sorte.“

„Ich werde schon an deiner Seite bleiben.“ Er sah mich noch mal an und entriegelte dann das Auto. Ihm zuliebe blieb ich solange im Auto sitzen, bis Luca unsere Taschen aus dem Kofferraum geholt hatte und zu mir gekommen war. Er schloss das Auto ab und ich blieb, wie versprochen, an seiner Seite.

Zusammen gingen wir auf einen Eingang zu, der nur leicht beleuchtet war. Erst als wir näher an den Eingang kamen, sah ich, dass dort ein Mann stand. Er hatte eine Flasche Bier in der Hand und sah uns an. Luca ging einfach an ihm vorbei und ich wollte ihm nach, aber plötzlich packte mich jemand und zog mich zurück.

„Hey Süße.“ Ich wurde gegen die Wand gedrückt und ein ekelhafter Alkoholgeruch kam mir entgegen. „Lust auf etwas Spaß?“

„Lassen Sie mich los“, rief ich und drückte gegen die Brust des Typen. Er packte meine Hände und drückte fest zu. Ich schrie auf,wollte mein Bein hoch ziehen und es ihm zwischen die Beine rammen, aber er schob mir schon sein Bein zwischen meine.

„Ich hab Lust auf ein bisschen Spaß“, hauchte er mir ins Ohr. Ich schloss die Augen, versuchte mich zu wehren. Aber dann war es plötzlich vorbei. Ich machte meine Augen auf und sah, wie Luca vor mir stand , schnaufend und die Faust geballt.

„Fass sie noch einmal an und ich schwöre dir, danach tut dir nicht nur der Kiefer weh“, schnauzte er den Mann an, der jetzt vor uns auf dem Boden lag und sich leicht krümmte. Ich konnte Luca nur anstarren. „Sie gehört zu mir, verstanden? Das kannst du auch all deinen Notgeilen Kumpel hier sagen.“ Damit packte er mich am Handgelenk und zog mich mit ins Motel. Ich war sprachlos und konnte einfach nur hinter ihm her stolpern.

Er zog mich weiter bis zur Rezeption, ließ mich aber nicht los. Unbewusst ließ ich meine Hand in seine gleiten und hielt ihn dann auch fest. Luca drückte meine Hand und bezahlte dann unser Zimmer, erstmal für zwei Nächte. Der Mann an der Rezeption fragte nicht nach oder schaute komisch, warum wir bar bezahlten oder sonst etwas, das war hier üblich.

Es dauerte auch nicht lange, bis wir unser Zimmer fanden. Es war nicht groß, aber für uns würde es reichen. Es hatte ein großes Bett, ein Sofa, einen Fernseher und einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Das reichte definitiv. Ich meine, wir wollten hier ja nicht einziehen oder sowas. Luca schmiss unsere Taschen in eine Ecke und checkte sofort das Fenster. Ich verschloss die Türe dreifach. Als er das Fenster inspiziert hatte, drehte er sich zu mir um und musterte mich von oben bis unten. Und dann sagte er etwas, was ich nicht erwartet hatte.

„Geht es dir gut?“ Ich blinzelte.

„Ja“, nickte ich. „Er … er hat mich nur festgehalten, du kamst, bevor er mir was tun konnte.“

„Gut.“

 

Die Nacht verbrachten wir dann wieder stumm. Auch den Tag verbrachten wir auf dem Zimmer. Die Nacht über hatte ich alleine in dem großen Bett geschlafen, was Luca in der Zeit gemacht hatte, wusste ich nicht. Wir sprachen wie gesagt nicht viel. Außer wenn es ums Essen ging. Luca vermied es mich anzusehen, mit mir zu sprechen oder generell zu nah bei mir zu sein. Er war immer weit von mir entfernt, aber am meisten stand er einfach nur am Fenster, rauchte und schaute hinaus.

Auch im Fernseher lief nichts gutes. Klar liefen Serien, die lustig waren, Filme, die mich für einen Moment unterhielten, aber eigentlich war das doch sehr langweilig und vor allem deprimierend. Entweder liefen Komödien, die einfach nur absurd waren, Horrorfilme oder eben Liebesfilme. Und die waren einfach am Schlimmsten. Zu sehen, wie die zwei Protagonisten sich stritten, am Ende aber dann doch ihr Happy End bekamen. Und ich saß hier mit einem Mann fest, von dem ich nichts wusste, aber gerne mehr erfahren würde und klammerte mich an kleine Fetzen. An diesen Kuss und an Worte die er gesagt hatte.

Ich werde sie mit meinem Leben beschützen.

Sie gehört zu mir.

Fass sie nicht an.

Es waren bedeutungslose Floskeln, aber sie bedeuteten mir etwas. Was eigentlich lächerlich war. Was kannte ich schon von Luca? Ich wusste nichts über ihn und doch war es so, dass ich mich bei ihm sicher fühlte, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte … was wohl mit seinem Aussehen zutun hatte. Aber ich wollte ihn doch kennenlernen, ich wollte das alles so gerne.

Ich zappte weiter durch die ganzen Fernsehersender und blieb einfach an irgendeinem stehen, wo gerade irgendein Film lief.

Im nächsten Moment ging die Türe auf und Luca kam mit unserem Essen rein. Er gab mir die Tüte und ich packte schnell das duftende Essen aus. Gebratene Nudeln. Lecker. Luca setzte sich neben mich und nahm seine Portion an.

„Und jetzt die Nachrichten“, sagte ein Sprecher im Fernseher und die typische Musik erklang. Es wurden Nachrichten herunter gerattert, denen ich allerdings nicht wirklich zu hörte. Doch dann blendeten sie ein Bild ein und ich verschluckte mich fast an meinen Nudeln. Luca schnappte sich die Fernbedienung und machte etwas lauter. „Die Polizei sucht seit einigen Tagen den Schwerverbrecher, den Sie hier auf dem Fahndungsfoto sehen.“ Und das war kein geringeres als ein Foto von Luca. „Er soll die 19 Jahre junge Akara Charlie O´Niel entführt haben“ Sie zeigten nun ein Bild von mir. „... und sei jetzt auf der Flucht, also bitten ...“ Sofort nahm ich mir die Fernbedienung und schaltete den Mist aus.

„Was fällt denen ein? Das kann doch nicht sein“, regte ich mich auf und lief vor dem Fernseher auf und ab. „Wer segnet so einen Mist ab? Du arbeitest doch oft mit der Polizei zusammen, wie können die denn einfach so behaupten, du hättest mich entführt?“

„Wir müssen hier weg“, meinte Luca und stand auf. Ich sah ihn einfach an. Ich wusste, dass es sein Job war, ruhig zu bleiben, aber wie konnte er einfach so reagieren? Machte ihm das nichts aus? „Akara!“ Ich blinzelte, nickte aber.

Schnell packten wir alles zusammen und verließen das Zimmer.

„Da sind sie“, hörte ich jemanden. Der Mann von der Rezeption stand im Gang und zeigte auf uns … neben ihm: zwei Männer, gekleidet in schwarz.

„Scheiße“, fluchte Luca, packte mich an der Hand und zog mich mit. Die Typen luden ihre Waffen und schossen. Die ersten Kugeln verfehlten uns, aber dann ging alles so schnell. Luca stolperte, ließ mich los und fiel zu Boden.

„Luca!“, schrie ich, drehte mich um und sah nur noch Blut. Es floss nur so aus ihm. Nein, nein, das konnte nicht sein. Ein weiterer Schuss ertönte und dann war alles um mich herum Schwarz.

„NEIN!“, schrie ich und saß schweißnass auf dem Sofa. Panisch sah ich mich um, keuchte und merkte jetzt erst, dass ich mich ins Sofa krallte.

„Hey, alles okay?“ Luca kam zu mir, setzte sich aufs Sofa und fasste mich an den Schultern an.

„Du lebst“, hauchte ich, löste mich von dem Sofa und legte meine Hände an seine Wangen. Er war warm und lebte. Da war kein Blut, keine Kugeln.

„Es war nur ein Traum, alles ist gut.“ Sanft strich er mir über die Wange. „Beruhig dich, es ist alles gut.“ Ich nickte und lehnte mich an seine Schulter. Ein Traum, ein blöder Traum. Luca umarmte mich und drückte mich fest an sich. „Ich geh dir was zu trinken holen.“ sanft löste er sich von mir und holte die Wasserflasche vom Tisch, dann holte er mir einen Lappen und wischte den Schweiß von meiner Stirn.

Nachdem ich etwas getrunken hatte, stand ich auf und lief ein paar Runden im Zimmer herum. Sowas wollte ich nicht noch einmal träumen. Es hatte sich so real angefühlt, es hatte so perfekt gepasst und es war einfach meine größte Angst. Ich wollte einfach nicht, dass Luca starb. Das durfte ich nicht zulassen.

Aber danach ging es mir schon etwas besser. Ich hatte mich beruhigt, mein Atem ging wieder normal und ich war mir wieder bewusst, dass es nur ein makaberer Traum gewesen war.

„Hast du Hunger? Soll ich was holen gehen?“, fragte er und sah mich an. Ich nickte nur und sah aus dem Fenster. Es war schon dunkel. „Ich werde nur schnell um die Ecke, was holen gehen, okay?“ Wieder nickte ich und ließ ihn gehen. Aber ich musste mir etwas überlegen. Wenn er gleich wieder da war, musste ich ihn zum Reden bringen. Ich konnte nicht noch länger hier sitzen und nichts sagen. Verdammt, dieser Traum hatte mir gezeigt, dass ich ihn verlieren konnte … ihn auf so grausame Weise verlieren konnte. Das wollte ich nicht … noch nicht. Also lief ich wieder im Zimmer herum und sah mich um. Ohne einen Grund sah ich in den kleinen Schrank, auf dem der Fernseher stand … und fand ein Kartenspiel. Oh ja, das war es, was ich jetzt brauchte. Etwas zu Essen und ein Kartenspiel. Das war perfekt.

Es dauerte nicht lange, da war Luca wieder da. Aber er hatte keine Nudeln dabei, wie in meinem Traum, nein, er hatte Pommes und Gyros dabei und sogar eine Tüte Chips und … Eis!

„Ich dachte, das könntest du gebrauchen“, meinte er und stellte alles auf den Tisch.

„Oh ja“, lächelte ich und setzte mich.

„Was ist das denn?“ Er zeigte auf das Kartenspiel und nahm sich seine Portion.

„Ein Spiel das wir gleich spielen werden.“ Luca zog eine Augenbraue hoch und sah mich skeptisch an.

Und so kam es dann auch. Ich packte die Verpackung von dem Essen weg, natürlich nachdem wir aufgegessen hatten, und mischte die Karten.

„Und was für ein Spiel spielen wir?“, fragte Luca.

„Ein Frage-Antwort-Spiel.“ Ich teilte die Karten auf und legte die Stapel vor uns, einen vor Luca, einen vor mich. „Wer die höchste Zahl hat, darf eine Frage stellen.“

„Fragen?“

„Ja, wenn ich dich was frage, dann musst du antworten, einverstanden?“ Er sah mich erst an, sagte nichts. „Komm schon.“

„Ja, okay.“ Ich lächelte und legte meine Hand auf meinen Stapel. Luca tat es mir nach und zusammen drehten wir um. Er hatte einen Buben und ich ein Ass.

„Das Ass ist höher“, grinste ich.

„Frag deine Frage.“

„Wie alt bist du?“

„Wirklich?“

„Ich stelle die Frage“, meinte ich und hob einen Zeigefinger. „Also, wie alt?“

„29.“ Wir drehten die nächsten Karten um. Wieder hatte ich die höhere Zahl.

„Hast du Familie?“

„Die hat doch jeder.“

„Ich meine, ob sie noch am leben sind. Außerdem kann man doch auch eine Weise sein.“

„Ja.“ Ich funkelte Luca an, aber vielleicht brauchte er noch etwas zeit, um richtig warm zu werden. Die nächste Runde gewann er. „Was soll das ganze?“

„An so Fragen hatte ich jetzt nicht gedacht.“

„Akara, bitte. Was soll das?“ Ich zuckte die Schultern. Ich will dich kennenlernen, verdammt.

„Mir ist langweilig.“

„Was bist du, ein Kind?“ wieder hob ich den Finger.

„Nur eine Frage“, lächelte ich und legte wieder meine Hand auf meinen Stapel. Luca sah zu meiner Hand und dann in mein Gesicht … und da war es. Ein Lächeln. Er lächelte wirklich.

„Du bist bescheuert.“

„Ja, ich weiß. Los umdrehen!“ Ich gewann.

„Hast du Geschwister?“

„Ja.“ Ich verzog mürrisch das Gesicht, was Luca zum lachen brachte. Er wusste genau, dass er mich mit so kurzen Antworten ärgerte.

Und so ging es immer weiter. Ich konnte meine ganzen Fragen stellen und Luca beantwortete sie auch. Und ich musste sagen, es war sehr lustig. Ich fand heraus, dass sein Vater Elektriker und seine Mutter Schneiderin gewesen war, fand heraus, dass er früher Fußball und Tennis gespielt hatte, dass er seine aller erste Freundin im Kindergarten gehabt hatte, dass er auf der Weiterführenden Schule der Kapitän der Fußballmannschaft gewesen war.

Luca hatte am Anfang nur so kleine Fragen gestellt, die ich nur mit Ja oder Nein beantworten konnte, wie: Magst du Eis, Magst du Bücher, ließt du viel. Er fragte mich, nach meinen Hobbys, fragte mich nach meinem Cheerleaden, nach meinen Jobs. Ich wusste, dass er nicht so wirklich wusste, was er hier tat, aber allein die Tatsache, dass er das alles hier zu ließ, machte mich mehr als glücklich.

„Warst du schon immer ein Bodyguard?“, fragte ich und löffelte etwas Eis aus der Schale. Luca antwortete erst nicht.

„Nein.“

„Warum?“

„Das ist egal.“

„Was hast du denn davor gemacht?“ Wieder brauchte er eine Zeit, bis er antwortete. Die Karten brauchten wir jetzt nicht mehr.

„Ich war Polizist.“ Ich legte das Eis beiseite und sah auf den Tisch. Mir kam sofort die Szene von gestern in den Sinn, als wir Jason getroffen hatten. Luca hatte etwas merkwürdiges gesagt, etwas wegen seiner Identität. Wenn er bei der Polizei gewesen war, dann wussten sie alles über ihn.

„Warum bist du keiner mehr?“

„Das ist egal.“

„Glaube ich nicht, wenn du damit abgeschlossen hättest, wärst du der Polizei fern geblieben, aber du arbeitest immer noch mit ihnen zusammen.“

„Schluss mit den Fragen.“ Er stand auf und drehte mir den Rücken zu. Sofort stand ich auch auf und nahm seine Hand in meine.

„Hast du jemanden verloren?“, platzte es aus mir heraus. „War es deine Schuld?“

„Ich will keine Fragen mehr beantworten.“

„Aber da gibt es etwas, was passiert ist, denn sonst würdest du nicht so sein. Ich kann einfach nicht verstehen, warum du so bist.“ Er drehte sich zu mir um.

„Wie ich wie bin?“

„So kalt und unnahbar. Klar, sollst du keine Bindung zu deinen Klienten aufbauen, aber verdammt, Jack, gar nicht mit ihnen zu reden ist auch keine Lösung. Du bist für meine Sicherheit zuständig, aber das heißt doch nicht, dass du mich hier anschweigen sollst. Wie soll ich mich denn beruhigen, wenn selbst der Mann, der mich beschützen soll, nicht mit mir redet. Wie soll ich denn da vertrauen aufbauen, wenn ich den Mann gar nicht kenne?“ Luca entriss mir seine Hand und drückte mich plötzlich nach hinten, bis an die Wand.

„Ich soll dich beschützen, mehr muss ich nicht tun, verstanden? Wenn es hierbei darum geht eine Beziehung aufzubauen, hast du keine Ahnung, was dieser Job bedeutet. Ich bin nicht dafür da, um Händchen zu halten und allen zu sagen, dass alles in Ordnung ist. Ich bin dafür da, Killer oder Verbrecher auf zuhalten oder sie notfalls zu töten“, sagte er mit kalter Stimme und stemmte seine Hände neben meinen Kopf. Aber wenn er meinte, ich habe jetzt Angst vor ihm, hatte er sich geschnitten.

„Du bist aber auch nicht glücklich damit“, motzte ich ihn jetzt sauer an. „Du bist doch auch alleine, was soll das denn? Tut ein bisschen Reden so weh? Oder könnte es deinem Image als knallharten Mann ruinieren, wenn du nur ein bisschen nett bist?“ Wir starrten uns an, beide sauer, beide in Rage geredet. Nur nebenbei spürte ich seinen Atem auf meiner Haut, die Wärme, die er ausstrahlte, seinen exotischen Duft, denn eigentlich war ich gerade sauer auf ihn. Und er war es ja auch auf mich, ich löcherte ihn mit Fragen, obwohl es von Anfang an klar war, dass er keine Bindung einging. Und dann warf ich ihm auch noch vor kalt und unnahbar zusein, obwohl er mich gestern vor diesem Mann vor dem Motel gerettet hatte. „Es würde dich nicht umbringen“, murmelte ich.

„Doch, das würde es“, hauchte er und dann geschah es. Er küsste mich wieder, aber diesmal war es nicht so ein Schock, diesmal erwiderte ich ihn sofort. Ich krallte mich in seine unverletzte Schulter und fuhr mit einer Hand in seine Haare. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher, wilder. Luca trat näher an mich ran, löste jetzt endlich seine Hände von der Wand und zog mich näher an sich. Eine Hand verschwand unter meinem Shirt und legte sich auf mein Steißbein. Unsere Zungen fochten einen Kampf aus, meine Hände machten sich selbstständig und fuhren zu dem Saum von Lucas Shirt. Er war allerdings schneller, packte den Saum meines T-Shirts und zog es mir schnell über den Kopf. Ich tat es ihm nach und warf das blöde Shirt einfach auf den Boden. Sofort küssten wir uns wieder und ich drückte Luca zurück in Richtung Bett. Mein Verstand war abgeschaltet, das einzige was mir durch den Kopf ging, war Luca. Er ließ zu, dass ich ihn weiter drückte und blieb kurz vor dem Bett stehen. Er packte meine Hüfte und küsste mich wilder. Ich ging natürlich darauf ein und ließ meine Hände über seine Brust wandern. Seine Haut war so unglaublich warm und er roch so unglaublich gut und diese Küsse erst. Wieder lösten wir uns und für einen kurzen Augenblick sahen wir uns in die Augen. Ich musste jetzt fragen, ich musste fragen, bevor das hier jetzt passierte.

„Bist du mit Beth zusammen?“, hauchte ich und sah in das helle grau seiner Augen.

„Was?“ Ich wollte noch mal nachfragen, es irgendwie anders formulieren, aber da brach die Hölle los.

Draußen ertönten Schreie und vor allem Schüsse.

„Bitte, hören Sie auf. Sie sind in Zimmer 39“, hörten wir einen Mann schreien. Das war die Stimme des Mannes an der Rezeption. Und war 39 nicht unser Zimmer?

Luca schnappte sich mein Shirt und gab es mir.

„Zieh dich an und pack die Sachen zusammen“, befahl er und holte aus seinem Hosenbund seine Pistole. Mit gezielten Schritten ging er auf die Türe zu und öffnete sie langsam. „Akara!“ Ich schreckte zusammen und zog schnell mein Shirt an, dann sammelte ich ein paar Sachen zusammen und packte alles in die Tasche. „Steig aus dem Fenster und lauf zum Auto“, meinte Luca und warf mir kurzerhand den Autoschlüssel zu. „Wenn ich in fünf Minuten nicht da bin, fährst du alleine. Fahr einfach rum, bleib nicht stehen.“

„Aber ...“

„Kein Aber. Los!“ Damit verschwand er aus dem Zimmer und schon hörte ich Schüsse.

„Luca!“ Zwei Schritte machte ich auf die Türe zu, aber dann hallte wieder sein Befehl in meinen Ohren wieder. Ich musste das tun, was er gesagt hatte.

Mit schnellen Griffen hatte ich meine Chucks an und schulterte unsere Taschen. Das Fenster war auch schnell offen und daraus zu klettern war ein Klacks, da wir im Erdgeschoss waren. Ohne einen Blick zurück lief ich um das Gebäude nach hinten, wo das Auto stand. Ich sah mich die ganze Zeit um, aber hier war niemand. Das war wohl Lucas Werk, er hatte jetzt jede Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, damit ich verschwinden konnte. Nur das dumme war, dass ich ihn bei mir haben wollte … ich wollte nicht alleine verschwinden.

Plötzlich ertönte ein Schuss und ich stolperte nach vorne. Die Taschen fielen zu Boden und ich konnte mich gerade noch so auf den Beinen halten. Der Schuss hätte mich beinahe getroffen, allerdings hatten mich die Riemen der Taschen gerettet, doch jetzt waren diese kaputt. Mit einem kurzen Schulterblick sah ich, wie ein großgewachsener Mann auf mich zu kam, den Lauf der Pistole auf mich gerichtet. Schnell schnappte ich mir die Taschen und lief los.

„Wegrennen ist zwecklos. Ein Schuss ins Bein und du kannst nicht mehr laufen“, verspottete er mich.

„Dafür musst du erst einmal treffen“, rief ich. Was wohl nicht mein klügster Schachzug gewesen war, denn jetzt war er wirklich sauer. Denn er schoss jetzt einfach drauf los. Die Kugeln schossen an mir vorbei, versenkten sich im Boden, da wo gerade noch mein Fuß gewesen war. Aber zum Glück traf er mich nicht. Doch die nächste Kugel raste nur so an meinem Arm vorbei und verpasste mir einen Streifschuss. Der Schmerz kam sofort, aber ich biss die Zähne zusammen und lief weiter. Ich konnte schon das Auto sehen, aber mit dem Typen im Nacken würde ich es wohl nicht so leicht schaffen.

Der Mann schoss einfach weiter, lief mir dabei aber nach. Und genau das rettete mir das leben. denn dadurch konnte er die Pistole nicht gerade halten, geschweige denn richtig zielen. Deshalb verfehlten die Kugeln mich, aber je länger er einfach wild herum schoss, kamen die Kugeln immer näher. Er hatte mich jetzt auch noch am Oberschenkel getroffen. Aber ich hatte noch mehr Glück, denn das Magazin war leer. Kurz sah ich über die Schulter und sah, wie er das leere Magazin einfach nur weg warf und das nächste einspannte. Er fackelte auch nicht lange und schoss auch schon los. Schnell drehte ich mich um, die Kugel raste an meinem Gesicht vorbei und dann kam der Schmerz. Ich taumelte und bleib stehen.

„Steig ins Auto!" Sofort sah ich wieder auf. Luca stand hinter mir, die Pistole auf den Mann gerichtet.

„ Ich lass sie nicht hier weg, mein Boss will sie haben", meinte der Typ und schoss. Aber leider an Luca vorbei.

"Tja dann hat dein Boss die Rechnung ohne mich gemacht, denn ich werde dafür sorgen das du sie mit deinen dreckigen Fingern nie anfassen wirst." Der Typ grinste.

„Dann wird es mir eine ehre sein den großen Jack zu töten."

"Geh", sagte Luca wieder zu mir und verlangte von mir zu gehorchen. Ich konnte nichts andres tun als die Taschen zu nehmen und weiter zum Auto zu laufen. Ich hörte weitere Schüsse, blendete sie aber aus machte das Auto auf und kletterte hinters Steuer. Der Motor heulte auf, aber ich stockte für einen Moment. Ich konnte ihn nicht alleine lassen. Und doch musste ich. Ich legte den Gang ein drückte aufs Gas und dann sah ich es durch den Rückspiegel. Luca schoss, aber keine Kugel kam. Mit Schreck wurde mir bewusst, das die neuen Magazine hier im Auto waren. Luca schmiss die Pistole auf den Typen und lief dann auf ihn zu. Mehr bekam ich nicht mehr mit, da ich schon auf die Straße rollte. Ich wollte eigentlich wieder umdrehen und Luca helfen, aber das war nicht sein Befehl gewesen. Ich sollte fahren und nicht stehen bleiben. Immer in Bewegung.

Also fuhr ich zur Autobahn und trat dann aufs Gas. Bitte, bitte lasst ihn das überstehen und zu mir zurück kommen.

Meine Hände zitterten leicht, ich hob sie an meine Lippen und strich darüber. Ich musste ihn wiedersehen. 

Kapitel 15

Kapitel 15

 

Es ging die ganze Zeit nur gerade aus. Autos überholten mich, ich überholte andere Autos. Und doch achtete ich nicht wirklich auf die Straße. Meine Gedanken waren bei Luca. Wie zum Teufel sollte ich ihn denn wieder finden? Und wie konnte ich wissen, dass es ihm gut ging? Wie kam er da weg? Oder hatten diese Typen ihn jetzt? Würden sie ihn foltern, um Informationen zu bekommen? Oder würden sie ihn sofort töten? Wie würde er mich finden?

Das alles schwirrte mir im Kopf herum und ich fand einfach zu keiner Frage eine Antwort. Ich muss zurück, ich musste ihm helfen. Nur war es zu spät. Ich wusste ja selber nicht wie lange ich schon auf der Autobahn war. Es könnten schon Stunden vergangen sein.

Neben mir fuhr ein Auto vorbei, aber irgendwie beschleunigte es nicht. Es blieb konstant auf meiner Höhe. Als jemand dann plötzlich hupte, sah ich endlich auf. Hinter dem Steuer des Autos saß ein blonder Mann … Jason. Er zeigte erst auf mich, dann auf sich. Ich sollte ihm folgen. Schnell nickte ich, damit er vor fahren konnte und nicht den Verkehr aufhielt.

Jason führte mich zu einem Rastplatz, wo wir auf dem Parkplatz ausstiegen. Erst da sah ich, dass noch ein weiterer Mann mit ihm im Auto saß. Wohl einer seiner Jungs.

„Geht es dir gut?“, fragte Jason mich, nahm mein Kinn sanft in die Hand und drehte meinen Kopf, um die Wunde an meiner Wange zu begutachten. Sie war schon nicht mehr am bluten und weh tat sie auch nicht mehr, deswegen hatte ich die und auch auch die beiden Wunden an meinem Oberschenkel und Oberarm vergessen.

„Ja, es sind nur Streifschüsse gewesen, nichts ernstes“, meinte ich und zog meinen Kopf zurück. „Aber was machst du hier?“

„Jack hat mich angerufen. Er sagte, dass er dich weg schicken würde und das ich dich holen sollte.“

„Wo ist er jetzt?“ Doch Jason zuckte nur die Schultern.

„Ich hab jetzt seit drei Stunden nichts mehr von ihm gehört. Was ist passiert?“ Ich lehnte mich ans Auto und fuhr mit einer Hand durch mein Haar.

„Wir waren irgendwo in einem Motel und irgendwann brach dann die Hölle los. Die Gäste schrien, Schüsse fielen. Jack meinte zu mir, dass ich das Auto nehmen soll und einfach fahren soll, dann ist er aus dem Zimmer. Ich hab gemacht, was er gesagt hat, aber draußen war so ein Typ, der mich mitnehmen wollte. Jack hat ihn aufgehalten, damit ich verschwinden konnte, aber er hatte keine Munition mehr … ihm darf nichts passieren, Jason. Du musst zu ihm und ihm helfen.“

„Keine Sorge.“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter. „Jack schafft das schon. Ich hab einen meiner Jungs zu ihm geschickt.“ Ich nickte und fasste mir wieder an die Lippen. Warte, wenn er seine Jungs schickt, was war dann mit Celina.

„Wie viele Leute hast du?“

„Genug, keine Angst, deine Freundin und ihre Familie sind in Sicherheit.“ Ich sah Jason prüfend an. Ich kannte diesen Mann nicht, aber Luca vertraute ihm. Sonst würde er sich nicht auf ihn verlassen oder ihn um Hilfe bitten. „Wir sollten jetzt auch weiter.“ Er drehte sich zu seinem Auto um und nickte dem Mann im Auto zu, dann stieg er einfach auf der Fahrerseite meines Autos ein.

„Warte mal, wo wollen wir denn hin?“

„Steig einfach ein. Ich hab Jack versprochen, auf dich aufzupassen und dich zu beschützen.“ Widerwillig tat ich, was er sagte und stieg neben ihm ein.

„Und wohin geht’s?“ Er lächelte mich an und parkte aus.

„Wo will die Dame denn hin?“ Wo ich hin wollte? War das sein Ernst? Natürlich wollte ich zu Luca, aber das konnte ich nicht laut äußern, das würde nur Fragen aufwerfen. Auch würde ich gerne zu Celina, um ihr von dem Chaos zu erzählen und vor allem, ihr von den Küssen zwischen mir uns Luca zu erzählen. Vor allem von den letzten Küssen. Verdammt, wir waren kurz davor gewesen es zu tun und ich hatte mich noch nicht mal gewehrt. Wie konnte das überhaupt passieren? Wir hatten uns doch vorher angemotzt, ich hatte ihm Vorwürfe gemacht und dann … ja dann war es einfach passiert.

Als nächstes kam mir ein Ort in den Sinn, der wohl der gefährlichste von allen war. … Meine Wohnung. Und doch wollte ich hin. Ich meine, da waren meine Erinnerungen und wenn ich die alle verlor … was hatte ich dann noch? Und was noch wichtiger war, dass ich gar nicht wusste, was diese Typen von mir wollten. Vielleicht war die Antwort ja in den Sachen meiner Eltern und wenn die wussten, wo ich wohnte, dann würden sie auch dort nach Antworten suchen und dann würden sie vielleicht etwas finden, was nicht für sie bestimmt war. Denn etwas war hier los und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es etwas mit dem Mord zutun hatte, den Celina und ich mit angesehen hatten. Emanuel hatte von deinem Mann gesprochen, der wieder frei war. Und er würde soetwas nicht behaupten, wenn es nicht etwas mit meiner Situation zutun gehabt hätte. Außerdem war es noch komisch, dass diese Männer nur hinter mir her waren, nicht hinter Celina, obwohl sie sie eigentlich verpfeifen könnte. Was allerdings noch komisch war, war dass sie doch ihre Finger schon bei der Polizei drine hatten, was für Informationen oder was suchten sie, was sie nicht auch durch die Polizei heraus finden konnten?

„Ich muss nach Hause“, sagte ich zu Jason und sah ihn an.

„Jack hat mir erzählt, dass sie deine Adresse kenne, das wird keine gute Idee sein.“

„Aber sie wissen auch, dass ich mit Jack unterwegs bin und so dumm können sie nicht sein und dann annehmen, dass ich nachhause gehen würde.“

„Du bist jetzt nicht mehr bei Jack, meinst du nicht, dass sie jetzt erst Recht annehmen werden, dass du nach hause gehst?“

„Du hast mich gefragt, wo ich hin will.“

„Ich hatte gedacht, dass du ein bisschen Köpfchen zeigen würdest und sagen würdest, dass du in Sicherheit gebracht werden willst. Das war keine wirkliche Frage, die du entscheiden könntest.“

„Ich muss nach Hause, Jason. Ich muss etwas suchen, etwas was diese Typen wollen, wenn sie es zuerst finden, dann ist das hier alles umsonst.“

Das hier ist nicht umsonst. Das hier ist für dich, damit du in Sicherheit bist.“

„Aber ich muss das tun, Jason. Bitte. Ich weiß, dass es das dümmste ist, was wir jetzt tun können, aber ich hab es irgendwie im Gefühl. Ich muss nach Hause.“ Er sah mich kurz an und fluchte dann.

„Er wird so dermaßen sauer sein.“

„Danke.“

 

In meiner Straße war alles ruhig, wohl weil es mitten in der Nacht war und alle Einwohner noch schliefen. Jason parkte das Auto auf der anderen Straßenseite und erst nachdem er sich umgesehen hatte, durfte ich aussteigen.

Als wir die Treppen zu meiner Wohnung hoch gingen merkte ich schon, dass hier etwas nicht stimmte … sie hatten meine Wohnungstüre aufgebrochen. Zwar war sie jetzt zu, aber man konnte gut erkennen, dass man am Schloss und auch an der Türe herumgetüftelt hatte. Mit einem Schubs ging die Türe auf und ein Riesen großes Chaos kam zum Vorschein. Sie hatten wirklich alles aus den Regalen gerissen, hatten das Sofa aufgeschlitzt, den Fernseher umgekippt. Das ganze Essen lag in der Küche verstreut, Besteck lag auf dem Boden und auch Teller lagen zerbrochen überall. In meinem Zimmer sah es nicht anders aus. Meine Klamotten lagen überall, selbst Unterwäsche und Socken. Die Bilder waren von den Wänden herunter gerissen worden und auch mein Schmuckkästchen lag kaputt auf dem Boden.

Ich stand im Türrahmen meines Zimmers und sah mir meine zerbrochenen Erinnerungen an, sah mir den Ort an, an dem ich mich immer sicher gefühlt hatte.

Eine große, schwere Hand legte sich auf meine Schulter.

„Wir sollten nicht länger hier bleiben, als nötig. Nach was suchen wir?“, fragte Jason. Wenn ich das wüsste. „Ich gucke mal im Wohnzimmer, aber beeil dich bitte.“ Ich nickte und trat dann in mein Zimmer. Vor mir lagen meine ganzen Ketten, Ringe und Ohrringe. Ich hockte mich hin und nahm eine alte Kette in die Hand. Sie war golden und hatte einen goldenen Herzanhänger. Sie hatte meiner Mutter gehört und seit ihrem Tot hatte ich sie eigentlich jeden Tag an, nur zum Training zog ich sie aus, weil ich Angst hatte, sie zu verlieren. Seufzend zog ich sie wieder an und versteckte sie unter meinem Shirt. Dann ging ich weiter durch mein Zimmer zu meinem Schrank. Er stand offen und auch die Kisten, die ich auf den Boden gestellt hatte, lagen ausgekippt vor ihm. Es waren alles Fotos meiner Eltern, als sie noch jung waren oder Fotos mit mir als Baby. Außerdem waren in den Kisten noch ihre alten Polizeiuniformen, die ich aufgehoben hatte. Aber nichts half mir weiter oder sah so aus, als wäre es wichtig.

Plötzlich kam Jason ins Zimmer.

„Wir bekommen Besuch, wir sollten verschwinden.“ Ich sah zu den Sachen zu meinen Füßen. „Charlie, sofort.“ Er streckte die Hand nach mir aus. Ich schloss die Augen und stand dann auf. Er hatte ja Recht, wir mussten hier weg und zwar sofort und doch konnte ich jetzt nicht los lassen. Jason packte mich und zog mich hinter sich her. Doch es war zu spät. Im Eingang standen schon zwei Männer. Wie viele Leute waren denn in dieser Organisation? Und vor allem, wo waren die alle? Luca und ich waren doch so weit weggefahren wie nur irgend möglich und doch hatten sie uns gefunden … Polizei. Natürlich.

Jason holte eine Pistole aus seinem Hosenbund und gab sie mir.

„Weißt du, wie man damit umgeht?“, fragte er und holte dann eine weitere aus seinem Trenchcoat.

„Ja, mein Vater hat es mir gezeigt.“ Ihm war es wichtig, dass ich mich verteidigen konnte. Zumal mit meinen Fäusten, als auch verbal oder eben mit einer Pistole. Schnell entsicherte ich sie und zielte auf einen der Männer.

„Ach, die kleine will aufmucken“, grinste einer der beiden.

„Ich würde auch gerne mit spielen“, lächelte Jason und schoss auch schon los. Er schoss dem einen in den Oberschenkel, sodass er zusammen brach und auf dem Boden liegen blieb. Der andere kam angelaufen, aber ich schoss ihm schnell in die Schulter. Er taumelte zurück und Jason und ich konnten einfach an ihnen vorbei laufen. Jason ließ mich vor, allerdings griff der am Boden nach ihm. Ich blieb stehen, aber Jason schüttelte den Kopf.

„Lauf weiter!“, rief er und ich tat es. In Windeseile lief ich die Treppen herunter und raus auf die Straße. Sofort surrte eine Kugel an mir vorbei und ich sah in die Richtung aus der sie kam. Meine Augen weiteten sich. Das war der Typ aus der Gasse.

„So sieht man sich wieder, Charlie“, lächelte er mich an und zielte mit seiner Pistole auf mich. Ich wollte auch meine heben, aber er schüttelte den Kopf. „Das würde ich lassen, ich bin schneller. Leg sie auf den Boden und kick sie zu mir rüber.“ In meinem Kopf überlegte ich mir tausend Situationen, wie ich ihn austricksen konnte. „Sei ein braves Mädchen, mach schon.“ Aber keine davon würde nützen. Also legte ich die Waffe auf den Boden und kickte sie zu ihm herüber. „Braves Mädchen.“ Ich hob meine Hände und sah mir den Mann genauer an. Er hatte braunes kurzes Haar und die dazu passenden braunen Augen, allerdings prangte eine übel aussehende Narbe unter seinem linken Auge. Er trug nur schwarz, wohl um in der Dunkelheit nicht zu sehr aufzufallen. Als Verbrecher war das wohl die beliebteste Farbe. „So und jetzt komm her, ich will dich meinem Boss vorstellen.“ Er streckte eine Hand nach mir aus, aber ich machte keine Anstalten mich zu bewegen. Kurzerhand schoss er einfach vor meine Füße. „Beweg dich, ich hab nicht ewig zeit. Vor allem, weil meine idiotischen Untertanen so dumm waren und dafür gesorgt haben, dass ihr schießen musstet.“ Um uns herum wachten nämlich so langsam die Bewohner auf. Wohl verständlich, wenn ich Schüsse hören würde, würde ich auch nicht ruhig weiter schlafen. Ich konnte jetzt warten, das hier ein bisschen in die Länge ziehen, damit die Leute uns bemerkten, allerdings wusste ich nicht, was dieser Mann da vor mir bereit war zu tun. Wenn ich wartete, könnten Unschuldige verletzt werden.

Im nächsten Moment stolperte Jason aus dem Haus. Seine Hände waren ihm hinter dem Rücken gefesselt worden. Kurz nach ihm kam einer der Männer raus, der dem ich in die Schulter geschossen hatte und hielt Jason jetzt die Pistole an die Schläfe. Das sah nicht gut aus.

„Wenigstens das hast du richtig gemacht, bring ihn ins Auto“, befahl der braunhaarige und kam auch auf uns zu. Der andere schubste Jason vor sich her die Straße entlang. Ich ballte meine Hand zur Faust und beobachtete, wie der braunhaarige auf mich zu kam. Jason und der andere waren schon um die nächste Ecke gegangen, als er bei mir ankam. Er packte mein Kinn und drückte mir die Mündung an die Schulter. „Ich würde sagen, du gehst selber, ich will dir nicht wehtun, denn wir brauchen dich noch.“

Plötzlich hörten wir ein Stöhnen. Der Mann vor mir sah über meine Schulter, hielt mich aber immer noch fest. Ich traute mich allerdings nicht, jetzt weg zulaufen, weil er immer noch die Pistole auf mich richtete.

„Mark? Alles okay?“ Er bekam von seinem Untergebenen, wie er eben so schön gesagt hatte, keine Antwort. Stattdessen bekam er eine andere Antwort, von einer dunklen Stimme, die sich sehr sauer anhörte.

„Wenn du deine Flossen nicht endlich von ihr lässt, Chris, dann muss ich dir wohl oder übel noch ein Andenken verpassen.“ Der braunhaarige lachte und packte mein Kinn fester.

„Du warst aber schnell hier, Luca. Oder soll ich dich lieber Jack nennen?“ Mit einem Stoß drehte dieser Chris mich um und hielt mir die Mündung seiner Waffe an die Schläfe. „Also muss ich davon ausgehen, dass meine Leute tot sind? Sie waren wohl nur ein kleiner Zeitvertreib für dich.“

Luca stand an der Ecke, an der Jason und der andere Typ verschwunden waren, aber seine Atmung ging etwas schneller und an seiner Seite sog sich sein Shirt mit Blut voll. Seine Wunde war wohl wieder aufgegangen. Er brauchte unbedingt einen Arzt.

„Du siehst mitgenommen aus, mein Freund“, verspottete Chris ihn.

„Das ist nett, vielleicht kommst du mir dann etwas entgegen und lässt Akara einfach gehen?“

„Das wäre doch langweilig.“

„Es ist doch auch langweilig gegen einen angeschlagenen Mann zu kämpfen oder willst du dich damit prahlen, dass du mich besiegt hast, obwohl ich verletzt war?“ Was taten sie hier? Das war doch einfach nur absurd. Sie standen hier wirklich und diskutierten, aber irgendwie … irgendwoher kannten sie sich, sonst würden sie nicht so miteinander reden. Vor allem, weil er Lucas richtigen Namen kannte.

„Weißt du, Luca, da hast du schon Recht, aber ich finde, dass du mir was für die Narbe schuldig bist.“ Die Narbe? Die unter seinem Auge? „Ich nehme Charlie dann mit.“ Chris packte mich an der Schulter und zog mich mit nach hinten.

„Sie wird dir nur nichts nützen.“ Wir blieben stehen.

„Was meinst du damit?“

„Das was ihr sucht, ist nicht bei ihr, sondern bei mir.“ Luca griff in seinen Ausschnitt und fischte eine Kette heraus, die einen länglichen Anhänger hatte. „Die Infos, die dein Chef haben will sind hier drauf.“ Nein, nein, das konnte er doch nicht tun. Ich wusste genau, was er vor hatte. Aber das würde ich nicht zulassen. Ich wollte nicht, dass sie jetzt noch mehr hinter ihm her waren. Chris grinste. Und dann passierte es.

Hinter Luca tauchte jemand auf, ein schwarz gekleideter Mann, mit Pistole.

„Luca!“, schrie ich, aber da knallte es schon. Die Kugel ging glatt durch Lucas Schulter hindurch. Er taumelte vor, drohte zu fallen; der Mann zielte jetzt wieder auf ihn, aber plötzlich wurde ihm etwas über den Schädel gezogen. Jason stand schnaufend da und sah zu, wie der Mann bewusstlos zu Boden ging. An seiner Schläfe lief etwas Blut herunter, wohl weil er zuvor selber eine übergebraten bekommen hatte.

„Nur von Idioten umgeben“, murmelte Chris, packte mich fester und zog mich mit.

„Nein, lass mich los!“, rief ich und wehrte mich, allerdings drückte er mir die Pistole fester an die Schläfe. Luca kniete auf dem Boden und sah zu mir, sah mir in die Augen. Ihm lief Schweiß über die Stirn und die Schläfen und aus der frischen Schulterwunde lief Unmengen an Blut. „Luca“, hauchte ich. Er sah mir fest in die Augen und nickte. Ich wusste sofort, was er von mir wollte. Er wollte, dass ich mich befreite, er wollte, dass ich rannte … aber die Pistole an meinem Kopf. Doch er sah mich weiter eindringlich an. Okay, dann vertrauen wir ihm mal. Ich schluckte, schloss die Augen und tat dann das, was Luca wollte. Für Chris unerwartet hob ich den Arm und rammte ihm meinen Ellbogen in den Magen. Er keuchte, ließ dadurch lockerer und ich lief einfach los. Ein Schuss ertönte und dann stöhnte jemand. Mit zuen Augen lief ich einfach weiter, bis ich gegen etwas lief. Dieses Etwas nahm meine Hand und zog mich mit.

„Luca!“, schrie Chris, aber er folgte uns nicht. Ich öffnete die Augen und sah, wie Luca mich hinter sich her zog. Er keuchte, atmete schwer. Jason machte die Türen eines Autos auf, lief um den Wagen und stieg hinter das Steuer. Luca drückte mich in diesen, nach hinten, und stieg auch ein. Die Türe war noch nicht zu, da fuhr Jason schon los. Durch den Ruck fiel die Türe zu und Jason gab Gas. Luca hielt immer noch meine Hand fest und drückte zu.

„Was um Himmels Willen habt ihr hier gemacht?“, motzte Luca und sah Jason durch den Rückspiegel an. Dieser biss sich auf die Lippe und konzentrierte sich eher auf die Straße. „Ich hab dir gesagt, dass du sie in Sicherheit bringen sollst und sie nicht noch weiter in die Scheiße reiten sollst.“ Er beugte sich wütend nach vorne, aber dann zuckte er zusammen und lehnte sich wieder zurück. Ich drückte Lucas Hand, um noch mal sicher zu sein, dass ich auch nicht träumte. Aber er war es wirklich. „Verdammt.“

„Ich hab ihn darum gebeten“, verteidigte ich Jason.

„Er hätte dich trotzdem nicht her bringen sollen!“, regte Luca sich weiter auf. Ich verschränkte unsere Finger miteinander und war einfach nur froh, dass er wieder bei mir war. „Das war unverantwortlich, was wenn Chris sie mitgenommen hätte, Jason? Verdammt!“

„Bitte beruhige dich“, bat ich ihn und drückte noch mal seine Hand. Diesmal drehte er seinen Kopf und sah mich an. „Sei nicht sauer.“ Sanft strich ich über seine Schläfe. „Ich hatte nur gedacht, dass wenn ich etwas finde, wir ein bisschen weiter kommen. Sie suchen doch Informationen oder nicht? Und ich hatte gedacht, dass es etwas mit meinen Eltern zutun haben könnte.“ Luca sah mich an, wollte etwas sagen, aber da zuckte er zusammen, ließ meine Hand los und hielt sich die Schulter. „Jason, wir müssen in ein Krankenhaus“, rief ich und beugte mich weiter vor.

„Nein, schon gut“, hauchte Luca, nur dumm, dass ich ihm das nicht glaubte. „Es … geht.“ Aber dann sank er zur Seite und verlor das Bewusst sein. „Luca! Luca!“

Kapitel 16

Kapitel 16

 

Mir war heiß und meine Schulter brannte, tat so entsetzlich weh. Etwas strich mir über die Stirn. Es war kalt und einfach wunderbar.

„Wird er wieder gesund?“, ertönte eine weiche Stimme. Eine Frauenstimme, ihre Stimme. Ich wusste nicht nur durch ihre sanfte und weiche Stimme, dass es sie war, sondern auch an diesem wunderbaren Geruch, den sie ausstrahlte. Sie roch süß, angenehm. „Wir müssen ihn in ein Krankenhaus schaffen, Jason“, sagte sie jetzt vorwurfsvoller. „Er glüht richtig, seine Wunde ist wieder offen und auch seine Schulter sieht nicht gut aus.“ Und jetzt schwang Sorge mit in ihrer Stimme. Immer machte sie sich Sorgen um mich. Dummes Mädchen. Sie war es, die in Gefahr war. Hatte sie denn nicht mitbekommen, was Chris sagte? Hatte sie denn nur einen kleinen Schimmer davon, was hier ablief?

Nein, wie denn auch, wenn keiner ihr genau sagte, was hier ablief? Ich hätte ihr von Anfang an sagen sollen, worum es ging. Ich hätte ihr von Anfang an sagen sollen, dass das gar nichts mit ihr zutun hatte, dass Chris und seine Leute einzig allein hinter ihr her waren, nur um die Liste zu bekommen, die ihre Eltern besorgt hatten.

Stöhnend versuchte ich meine Augen zu öffnen, was auch ganz gut klappte, allerdings schloss ich sie sofort wieder, weil das helle Licht in meinen Augen brannte.

„Luca?“, fragte Akara flüsternd und legte ihre warme Hand an meine Wange. Luca? Woher … das war egal. „Luca?“ Mir gefiel es, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte, hatte sie mich auch so genannt. Langsam öffnete ich meine Augen und sah sofort in sanfte haselnussbraune Augen. Sie sah mich besorgt an, strich aber weiter über meine Wange. „Hey“, lächelte sie und sah ein bisschen erleichtert aus.

„Hey“, hauchte ich, zuckte aber im nächsten Moment zusammen. Dieser Schmerz, der sich durch meinen ganzen Körper zog, wurde mit jeder Bewegung nur noch schlimmer.

„Wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen, sofort.“ Sie wandte sich von mir ab und wollte aufstehen, aber ich packte ihr Handgelenk, nahm dafür zwar den Schmerz in kauf. Sie sah mich sofort an und verschränkte unsere Finger miteinander. „Dir geht es nicht gut, Luca. Du musst unbedingt behandelt werden.“

„Ich brauche … nur etwas Schlaf.“

„Willst du mich verarschen?“, regte sie sich auf und eine kleine Träne glitzerte in ihrem Auge. „Schlaf bringt dir gar nichts.“ Gott, sie war so süß.

„Ich werde sie jetzt anrufen, Luca“, meinte Jason und kam in mein Sichtfeld. „Charlie hat Recht, aber du weißt genau, dass wir dich nicht in ein Krankenhaus bringen können.“ Ich schloss die Augen und schüttelte leicht den Kopf.

„Du weißt nicht“, fing ich an, aber Jason unterbrach mich einfach.

„Das ist egal, ich werde sie her holen.“ damit war er verschwunden und ließ Akara und mich alleine. Sie ließ meine Hand nicht los und strich wieder mit einem kühlen Lappen über meine Stirn.

„Egal wen Jason holt, bitte lass dich behandeln“, meinte sie und die kleine Träne rann ihr jetzt über die Wange. „Du hast starkes Fieber und deine Wunde ist wieder aufgegangen.“ Ja, das wusste ich. Dieser verdammte Typ, der schuld war, dass Akara jetzt einen Schnitt im Gesicht hatte, war echt zäh gewesen. Ich hatte ihn zwar besiegt und mir auch seine Waffe schnappen können, aber erst nachdem wir ein bisschen gekämpft hatten. „Ich hatte Angst um dich“, flüsterte sie und strich jetzt mit dem Tuch über meine Schläfe. „Als du keine Munition mehr hattest … ich … ich wollte erst zurück kommen. ...“

„Zum Glück hast du es nicht getan“, hauchte ich und drückte ihre Hand, auch wenn es wehtat. Ich musste ihr zeigen, dass es okay gewesen war, dass es richtig gewesen war.

„Du bist so ein Idiot, wie kannst du mein Leben nur über deines stellen?“ Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ja, warum tat ich das?

„Weil es mein Job ist.“ Und, verdammt noch mal, sie mir etwas bedeutete. Sie war so eigen und doch so normal. Sie bewies Stärke, war aber gleichzeitig so süß, wenn sie sich Sorgen machte. Verdammt!

„Soll ich Beth für dich anrufen?“, holte sie mich aus meinen Gedanken. „Ich hatte Jason eben schon danach gefragt, aber er wusste nicht, ob er sie her bringen sollte. Ich fand ja, dass wir dich zu ihr bringen sollten … ich weiß, wir wären ihr nur auf den Geist gegangen, aber bei ihr ist es immer noch am sichersten … und … also.“ Sie druckste herum und sah auf unsere verschränkten Finger herunter.

Bist du mit Beth zusammen?, hallte ihre Stimme in meinem Kopf wieder. Gott, wie hatte sie an Beth denken können, obwohl wir uns vorher so geküsst hatten? Wieso kam sie überhaupt auf so Ideen?

„Also … sie macht sich bestimmt auch Sorgen um dich, weißt du. Sie liebt dich wirklich und ich weiß auch, dass sie sich wirklich Sorgen macht ...“

„Wie kommst du auf so einen Mist?“, fragte ich und zuckte mal wieder zusammen. Sie sah mir in die Augen.

„Ich … ich habe gelauscht, als wir bei Beth waren. Ich … ich habe gehört, wie ihr euch geküsst habt.“ Wie wir uns geküsst …? Ich musste lachen. Es hörte sich wie ein alter Motor an und es tat auch verdammt weh, aber ich konnte nicht anders. Verdammt, kleiner Dummkopf.

Mit viel Mühe hob ich meine Hand und legte sie auf ihre verletzte Wange, strich sanft über sie.

„Dummkopf, sie ist meine Schwester.“

 

 

Seine … seine … Schwester? Ich war auf seine Schwester eifersüchtig? Das konnte ja auch nur mir passieren.

Stöhnend ließ Luca seine Hand wieder sinken und schloss gequält die Augen. Ich wusch den Lappen, mit dem ich ihm schon die ganze Zeit über die Stirn strich, aus und legte ihn dann wieder auf Lucas Stirn.

„Du könntest Krankenschwester werden“, flüsterte er ganz leise. Ich lächelte leicht und fuhr mit meinen Fingern in sein schwarzes Haar, dass schon fahrig war, durch den ganzen Schweiß.

„Ich ziehe kein kleines Kleidchen für dich an.“

„Hmm schade“, hauchte er und schlief dann ein. Das war gut. Schlaf war zwar kein Heilmittel gegen die beiden Wunden, aber es half ein bisschen.

Keinen Moment später kam Jason wieder und sah zu Luca.

Nachdem Luca im Auto bewusstlos geworden war, hatte Jason noch mehr aufs Gas gedrückt, um ihn sicher in sein Versteck zu bringen. Und zwar ein altes Lagerhaus mitten im Industriegebiet. Was früher ein kleines Büro gewesen war, war jetzt ein kleines Zimmer mit einem Bett und einem Tisch.

„Vielleicht zwanzig Minuten, dann ist sie da“, meinte er und sah auch ein bisschen erleichtert aus.

„Wer ist sie?“, fragte ich, sah Luca wieder an und strich weiter durch sein Haar.

„Nora. Sie ist Sanitäterin ...“ Jason stoppte, aber irgendwie glaubte ich, dass er noch etwas sagen wollte.

„Und weiter?“ Er biss sich auf die Lippe.

„Und Lucas Ex“, spuckte er es endlich aus. Na super. „Aber keine Sorge, es ist schon lange aus zwischen den beiden. Er war mit ihr zusammen, als er noch bei der Polizei arbeitete. Es gab da dann nur so ne Sache, mit der sie nicht so einverstanden gewesen war und joa, dann war es auch vorbei.“ Irgendwie hatte ich das nicht hören wollen, aber ich hatte ja nachfragen müssen.

Nach genau zwanzig Minuten klingelte Jasons Handy und er lief nach draußen, um unseren Gast zu holen. Innerlich bereitete ich mich darauf vor, die Ex von Luca zu treffen. Irgendwie stellte ich sie mir normal vor, aber was da durch die Tür trat, war ein Model.

Sie war für eine Frau echt groß und sah verdammt noch mal wunderschön aus. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Bobschnitt schneiden lassen, ihre Haut war ohne Makel und Make-up konnte ich an ihr auch nicht sehen. Ihre dunkelgrünen Augen sahen weise aus und sie strahlten eine Erfahrung aus, ihr ganzes Auftreten sagte das aus. Sie trug allerdings keine Uniform, was wohl hieß, dass sie privat hier war. In ihrer enganliegenden Jeans und dem leicht Bauchfreien Shirt sah sie zudem auch noch richtig sexy aus.

„Es war riskant von dir mich anzurufen, Jas“, meinte sie mit einer ruhigen Stimme und trat neben mich. Ich machte ihr platz und stellte mich ans Bettende. „Sie suchen alle nach ihm, selbst wir wurden angehalten darauf zu achten, ob wir ihn vielleicht in den Krankenhäusern finden. Sie sagen, er sei ein Flüchtling, ein Entführer ...“ Dabei sah sie zu mir. „Du bist die Kleine, die er beschützt?“ Ich verkrampfte mich und ballte die Hände zu Fäusten.

„Ja.“ Ihre Augen musterten mich, aber dann wandte sie sich von mir ab, das hieß aber nicht, dass sie nicht mehr mit mir redete.

„Du solltest verschwinden“, sagte sie jetzt mit harter und gleichgültiger Stimme. „Das alles ist deine Schuld. Du bist Schuld, dass er als Verbrecher gesucht wird.“ Meine Finger fingen an zu zittern und ich spürte, wie sich ein dicker fetter Kloß in meinem Hals bildete.

„Du weißt genau, dass das nicht stimmt“, hauchte Lucas brüchige Stimme und langsam machte er seine Augen auf. Nora ballte ihre Hand zur Faust. „Sie hat nichts damit zu tun und das weißt du genau, Nora.“

„Ja stimmt, du bist derjenige, der Schuld ist. Ich habe dir gesagt, dass du dich da raus halten sollst.“ Er seufzte und schloss erschöpft die Augen.

„Es war mein Job.“

„Oh nein, du hättest ablehnen können und das wusstest du. Tom und Èllena hätten schon einen anderen gefunden, aber nein, du musstest ja gehen.“

„Ich hab dir gesagt, dass du sie nicht anrufen sollst“, redete Luca jetzt mit Jason.

„Ignorier mich nicht, Luca McDamion!“

„Kannst du mich nicht einfach zusammen flicken und dir deinen Vortrag sparen?“ Sie seufzte und machte ihren Koffer auf, den sie mitgebracht hatte.

Nora holte eine Schere aus dem Koffer und schnitt erstmal Lucas Shirt auf. Vorsichtig zog sie den Stoff von seiner Wunde an der Seite und dann von seiner Schulter.

„Oh Luca“, murmelte sie und strich über seine Seite. „Du weißt doch selber, dass das nie lange gehalten hätte.“

„Es war provisorisch, okay?“

„Nachdem ich es dir beigebracht hatte, hättest du es eigentlich besser machen müssen … was ist das überhaupt für ein Faden?“ Luca schloss einfach die Augen und sagte nichts mehr. Es war einfach zu anstrengend für ihn. Nora seufzte, holte ein kleines Fläschchen und eine Spritze raus. Wohl Schmerzmittel? Ich wusste es nicht, es war mich auch egal, solange sie Luca half.

Nachdem sie angefangen hatte ihn zu verarzten konnte ich nur fünf Minuten zu gucken. Denn das war einfach zu viel. Sie hatte zwar nur Vorwürfe geäußert, seit sie hier war, aber wie sie ihn jetzt anfasste, war einfach zu viel für mich. Sie war vorsichtig, sanft. Als sie die Wunde säuberte strich sie ihm sanft über die Schläfe, fuhr in sein Haar … das war einfach zu vertraut … zu viel für mich.

Ich hatte mich abgewandt und einfach nur gewartet. Jason hatte mir etwas zutrinken geholt und um mir die Zeit zu vertreiben, hatte ich sie ganz ausgetrunken.

Zudem dachte ich über das eben Gesagte nach. Sie hatte meine Eltern erwähnt. Hatte Luca etwa mit ihnen gearbeitet? Sowas hatte sie zumindest gesagt. Wohl einen Auftrag, der wohl nicht so ungefährlich war, sodass sie ihn gebeten hatte ihn nicht anzunehmen. Und das war dann wohl auch der Grund gewesen, warum sie sich getrennt hatten.

Als es Raschelte und dann das Klicken des Koffers kam, drehte ich mich wieder um. Nora hatte den Koffer geschlossen, war aber nicht im Begriff aufzustehen. Sie strich mit dem kalten Lappen über Lucas Stirn und sah ihn besorgt an.

„Ich hab dir ein Schmerzmittel gegeben und auch etwas gegen das Fieber“, sagte sie und der ganze Ärger von eben war vergessen.

„Danke“, murmelte Luca und nahm ihre Hand, die jetzt durch sein Haar strich, in seine. Es war eine sanfte Geste. „Könntest du nach Akara sehen? Es sind nur Streifschüsse ...“

„Ja, mache ich“, unterbrach sie ihn sanft. „Versuch du noch etwas zu schlafen.“ Durch die Schmerzmittel wurde Luca schnell schläfrig und war dann im Land der Träume. Nora küsste sanft seinen Handrücken und stand dann auf. Sie nickte auf den Stuhl hinter mir und stellte ihren Koffer auf den Tisch.

„Das ist echt nichts wildes“, meinte ich und hob meine Hände.

„Wenn sich die Wunden entzünden, eitern sie leicht und das ist nicht witzig. Lass mich mal gucken.“ Damit nahm sie sich einen Stuhl und setzte sich vor den anderen. Seufzend setzte ich mich ihr entgegen.

Zuerst sah sie sich meine Wange an, packte mein Kinn und drehte meinen Kopf. Zwar machte sie es nicht ruppig, aber auch nicht so sanft wie eben bei Luca. Mit schnellen Handgriffen hatte sie das Desinfektionsmittel heraus geholt, tat es auf einen großen Kutip und behandelte damit die Wunde.

„Könntest du den Ärmel weiter hoch machen?“, bat sie mich und ich rollte meine T-Shirtärmel über meine Schulter, damit sie an die nächste Wunde dran kam. Diese war ein bisschen rot und als Nora sie säuberte, tat es ein bisschen weh. „Sie ist ein bisschen entzündet, aber mit ner Salbe wird das wieder.“ Ich nickte und sah weiter zu, wie sie die besagte Salbe heraus nahm, die Wunde damit beschmierte und mir dann ein großes Pflaster drauf klebte. „Hast du dich um seine Wunden gekümmert?“

„Es tut mir leid, wenn ich etwas falsch gemacht habe“, sagte ich sofort.

„Nein, hast du nicht. Seine Schulter sah gut aus. Ein tiefer Streifschuss oder?“ Ich nickte. „Sie verheilt gut, ich habe nur den Verband noch mal neu gemacht. Die Stichwunde an seiner Seite hat er genäht, oder?“ Versuchte sie ein Gespräch mit mir aufzubauen? Obwohl sie mich eben so blöd angemacht hatte?

„Ich hatte mich nicht getraut.“

„Das war auch besser so. Könntest du die Hose ausziehen? Jason verschwinde nach draußen.“ Dieser hob die Hände, drehte sich um und verschwand aus dem kleinen Zimmer. „Blöde Kuh“ war er aber noch los geworden.

Nachdem ich dann die Hose ausgezogen hatte verfuhr Nora wie bei meinem Gesicht.

„Du solltest dir etwas frisches anziehen, solange Jason draußen ist“, meinte sie, als sie die ganzen Sachen zusammen packte.

„Suchen sie wirklich so sehr nach ihm?“, fragte ich und ging zu meiner Tasche.

„Ja, es gibt zwar keine Durchsagen im Fernseher oder Radio, das würde die „Verbrecher“ wie sie es nennen, nur warnen. Aber über Funk warnen sie, dass wir die Augen aufhalten sollen.“ Ich holte ein Top, eine Jeansbluse und Jeans-Hot-Pants aus der Tasche. „Ich wusste sofort, dass da etwas nicht stimmte.“ Schnell zog ich mich um, drehte dazu Nora den Rücken zu. „Wie alt bist du?“

„19“, meinte ich und drehte mich wieder zu ihr um.

„Es wäre besser für dich, wenn du mit Jason weiter ziehst. Luca ist schwer verletzt und braucht eher Ruhe, als noch mehr Aufregungen.“ Sie drehte sich jetzt auch zu mir um und musterte mich von oben bis unten. „Und du bist nichts für ihn. Auch wenn du süß bist und ihn ein bisschen mit deinen Reizen verführst, ist er ein Mann, der eher alleine bleibt.“ Eine Hand ballte ich zur Faust und sah Nora fest in die Augen.

„Er ist nur mein Bodyguard, wenn du das meinst.“ Sie lächelte.

„Ich kenne diesen sorgenvollen Blick, der eben in deinen Augen lag. Den kenne ich nur zu gut. Jedes Mal, wenn er das Haus verließ, um auf Streife zu gehen. Jedes verdammte Mal an seinem Krankenbett, wenn eine Schießerei schiefgegangen war. Zu oft war er mein Begleiter. Glaub mir, dass schaffst du nicht, denn er würde diesen Job nicht aufgeben. Das tat er nicht für mich und wird es auch nicht für dich tun.“ Seufzend stellte sie ein Fläschchen, eine Spritze und eine Salbe auf den Tisch. „Wenn er noch schmerzen hat, gib ihm etwas davon. Und die Salbe ist für deinen Arm.“ Ich nickte und sah zu, wie sie zur Türe ging. „Verschwinde mit Jason und streiche Luca aus deinem Leben, das ist das Beste.“ Ich sah ihr nach und ihr Gesagtes hatte einen komischen Nachgeschmack. Wie sollte ich ihn aus meinem Leben verbannen, wenn sie es auch nicht geschafft hatte?

 

 

Kapitel 17

Kapitel 17

 

Luca schlief drei Stunden, bis er wieder stöhnend aufwachte. Er sah sich im Zimmer um, soweit er eben im Liegen konnte und rappelte sich dann langsam auf.

„Alter, Luca, bleib liegen“, meinte Jason und eilte zu ihm. Luca stöhnte und schaffte es, zwar mit Hilfe von Jason, sich hinzusetzten und sich an die Wand zu lehnen. „Du solltest dich echt nicht so anstrengen. Nora hat gesagt, dass du liegen bleiben sollst, sonst ...“ Luca hob die Hand und brachte Jason so zum Schweigen.

„Ich brauche ne Zigarette.“ Jason seufzte auf, holte aber aus seiner Gesäßtasche eine Packung Zigaretten mit Feuerzeug. „Ist Nora weg?“

„Sie sagte, dass sie morgen vielleicht noch mal nach dir sehen kommt.“

„Warum hast du sie überhaupt angerufen?“

„Weil du mir beinahe hier gestorben wärst.“

„Du hättest jeden anderen rufen können.“ Luca zündete eine Zigarette an und zog fest an ihr.

„Jeder andere hätte dich verpfiffen.“

„Das wäre egal gewesen, verdammt.“ Damit stieß er den Rauch aus. „Dir is schon klar, dass Chris weiß, wer sie ist? Dir ist schon klar, dass die Polizei weiß, wer sie ist? Jetzt hat sie mir geholfen und ist mit drine, verstehst du jetzt warum ich sie nicht hier haben wollte?“

„Sie wird das schon schaffen, Luca. Sie ist ein großes Mädchen, die Typen von der Polizei werden ihr schon nichts tun.“

„Schreib ihr, dass sie nicht wieder kommen braucht. Ich will sie nicht noch mehr in das hier herein ziehen.“ Jeder andere hätte dieses Gespräch lächerlich gefunden, aber ich wusste genau, warum Luca sich so aufregte. Er machte sich Sorgen um Nora, er hatte Angst, dass ihr etwas passierte.

„Du weißt besser als jeder andere, dass sie trotzdem kommen wird.“

„Ja, ich weiß“, murmelte er und zog wieder an der Zigarette. Seine Augen waren geschlossen und mit der freien Hand hielt er sich die Seite. Er sah erschöpft, kaputt und vor allem blass aus.

Jason holte einen Aschenbecher, in den Luca seine Zigarette ausdrückte.

„Ich werde gucken, dass ich etwas zu Essen finde“, meinte Jason und verschwand dann.

„Alles okay?“, fragte Luca sobald Jason außer Hörweite war. Ich nickte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hat Nora ...“

„Alles gut, du brauchst dir um mich keine Sorgen machen“, unterbrach ich ihn, bevor er irgendetwas sagen konnte.

„Akara, hör zu ...“

„Nein, schon gut. Du musst mir nichts erklären oder so.“

„Hör mir doch einfach zu.“ Schnell stand ich auf und lächelte ihn an.

„Schon gut.“

„Akara ...“

„Ich gehe raus ein bisschen Luft schnappen.“ Ich wollte das nicht hören, was er zu sagen hatte. Ich sah einfach immer und immer wieder, wie er sanft ihre Hand genommen hatte, wie er zugelassen hatte, das sie ihn sanft im Haar streichelte … und vor allem, wie er sie gerade in Sicherheit wissen wollte. „Ich will das alles nicht hören“, murmelte ich und hatte schon die Türklinke in der Hand.

„Du willst nicht hören, dass sie mir nichts mehr bedeutet?“ Ich blieb stehen, die Türklinke fest in der Hand. „Sie ist mir egal, okay? Aber das heißt nicht, dass ich sie in diese Sache hier herein ziehen muss. Sie war Jahre lang meine Freundin und das wissen alle auf dem Revier. Wir hatten ein Jahre keinen Kontakt mehr, aber wenn alle nach mir suchen, weil eine Fahndung nach mir rausgegeben wurde, wird sie als erstes kontaktiert, das verstehst du doch oder? Und ich will nicht, dass sie wegen mir lügen muss.“ Er stöhnte auf und ich drehte mich sofort ihm um. Geschafft lehnte er sich zurück, sein Gesicht vor Schmerz verzehrt. „Aber darum geht es nicht. Ich muss dir endlich die Wahrheit erzählen.“

„Nein, musst du nicht. Du solltest dich ausruhen, du bist immer noch blass und ich wette dein Fieber ist auch noch da.“

„Geh nicht raus“, murmelte er und schloss die Augen. „Hier ist keiner der dich beschützen kann, ich möchte nicht, dass du alleine raus gehst.“ Ich nickte und ging aufs Bett zu. Langsam legte Luca sich wieder hin. Ich nahm mir den Lappen, machte ihn wieder nass und setzte mich auf den Boden, neben dem Bett. „Ich habe mit deinen Eltern zusammen gearbeitet“, sagte er, als ich sanft den Schweiß von seiner Stirn tupfte.

„Ja, sowas in der Art sagte Nora auch.“ Er legte seine Hand offen neben sich. Eine kleine Aufforderung. Ich lächelte, legte meine Hand in seine und verschränkte unsere Finger miteinander.

„Früher habe ich mit deinen Eltern in der gleichen Abteilung bei der Polizei gearbeitet, aber ich habe in einem Fall meinen Partner verloren, es war nicht meine Schuld gewesen, wir sind einfach in eine Schießerei gelaufen und er wurde getroffen, danach wollte ich nicht mehr zur Polizei. Nora fand das überhaupt nicht gut. Ich hab dann als Bodyguard angefangen, habe meine Dienste angeboten, wenn jemand dachte, verfolgt zu werden oder sowas. Irgendwann kam dann dein Vater zu mir und meinte, dass er meine Hilfe brauchte.“

„Und dann bist du wieder zur Polizei?“

„Ja, weil ich Erfahrung hatte. Nora wollte nicht mehr, dass ich das mache und deswegen haben wir uns getrennt.“ Ich nickte und strich mit meinem Daumen über seinen Handrücken. „Wir sind in eine Organisation eingeschleust worden“, erzählte er weiter. „Es lief alles gut, ganze zwei Jahre. Wir hatten unseren Stand in der Organisation und auch das Vertrauen der anderen erworben. Ich weiß nicht, was dann falsch lief. Deine Mutter kam ohne weiteres an alle Informationen heran und wir fanden heraus, dass etliche Leute, die einen Rang und Namen hatten, korrupt waren. Das Gelder in die Organisation geflossen waren, die eigentlich zu anderen Zwecken genutzt werden sollten.“

„Was ist passiert?“

„Keine Ahnung. Dein Vater hatte mich angerufen, dass ich abtauchen sollte, dass etwas falsch gelaufen war, aber ich konnte die beiden nicht alleine lassen. Chris hatte mich aufgehalten und wir haben ein bisschen gekämpft. Ich hab ihn mit einem Messer erwischt und konnte dadurch verschwinden. Ich machte das, was dein Vater mir geraten hatte. Ich bin untergetaucht und hab ein halbes Jahr bei Jason verbracht und dann nahm ich einen anderen Namen an.“ Ich hörte ihm gespannt zu und jetzt, wo er geendet hatte, hatte ich nur eine Frage.

„Meine Eltern ...“ Luca nickte.

„Sie konnten den Boss der Organisation hinter Gitter bringen, aber das hatte Chris so sauer gemacht, dass er diesen Unfall plante.“ Ich packte Lucas Hand fester und er erwiderte den Druck. „Deswegen ist Chris hinter dir her. Kurz bevor ihr auf ihn und seine Leute getroffen seid, ist sein Boss aus dem Knast geflohen. Wahrscheinlich haben sie da den Typen umgebracht, der ihnen geholfen hat. Und natürlich wollen sie die Informationen wieder haben, die wir gestohlen haben. Damit könnten wir alle auffliegen lassen.“

„Warum hast du das nicht schon längst getan, wenn du die Informationen doch hast.“ Er lächelte.

„Ich hab sie nicht, ich hatte einfach gehofft, dass er darauf reinfallen und dich los lassen würde. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass er mir glaubte, weil ich auch dabei war. Aber eigentlich hatte deine Mutter die Informationen. Ich hab nie einen Hinweis von den beiden bekommen. Also weiß ich jetzt auch nicht, wo die Liste ist.“

„Als Jason und ich bei mir waren, haben wir auch nichts gefunden.“

„Vielleicht ist es auch gut so, aber es wird schwer Chris davon zu überzeugen, dass wir nichts mehr in der Hand haben.“ Ich sah auf unsere Hände herunter. Also waren meine Eltern ermordet worden. Das war ein ganz anderes Gefühl. Zwar war es die gleiche Traurigkeit, aber es war irgendwie anders. Es gab einen triftigen Grund für diesen Unfall und er wurde einfach so vertuscht.

Luca hob die Hand und strich mir über die Wange. Dadurch sah ich auf und in seine grauen Augen, die müde aussahen.

„Es tut mir leid, ich hätte bei ihnen sein sollen.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Ich bin froh, dass sie dich nicht erwischt haben.“ Vorsichtig stemmte Luca sich auf seinen gesunden Arm, kam näher und küsste mich dann sanft. Ich erwiderte den Kuss und legte eine Hand an seine Wange.

Ich hatte kaum zeit den Kuss zu genießen, denn plötzlich flog die Türe auf und Jason kam keuchend ins Zimmer. Luca und ich trennten uns und sahen ihn an.

„Wir haben ein Problem“, keuchte er und als nächstes hörten wir auch schon Sirenen. „Ein Riesen Problem.“ Meine Augen weiteten sich. Nein!

Luca ließ sich zurück sinken, stand dann aber langsam auf und schwang die Beine aus dem Bett.

„Gib mir das Schmerzmittel“, verlangte Luca und Jason warf ihm das Mittel und die Spritze zu. „Ein T-Shirt.“ Schnell lief ich zu seiner Tasche und gab ihm eins. Luca spritzte sich das Schmerzmittel und stand dann auf.

„Warte, was hast du vor?“, fragte ich ihn.

„Nimm sie mit und verschwindet“, meinte er zu Jason und ignorierte mich voll. Ich packte Lucas Hand und hielt ihn auf.

„Ich gehe nicht ohne dich, Luca.“

„Ich bin zu langsam, um jetzt mit euch zu verschwinden.“ Sanft legte er eine Hand auf meine Wange. „Geh mit Jason und versteckt euch, bitte.“

„Sie werden dich zu Chris bringen, das kann ich nicht zu lassen.“ Die Sirenen wurden immer lauter. Luca beugte sich zu mir und küsste mich ein weiteres Mal, etwas drängender als gerade, sodass mir die Tränen in die Augen schossen. Ich wusste genau, was er mir damit sagen wollte. Das war kein normaler Kuss.

Als wir uns lösten, packte Jason mich und zog mich zu einer Türe, die nach hinten führte. Wir waren gerade durch die Türe, als fünf Polizisten ins Zimmer stürzten. Sie packten Luca unsanft an den Armen, verdrehten sie ihm auf den Rücken. Stöhnend ging er in die Knie.

„Luca McDamion, Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie ab jetzt sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, kann Ihnen einer gestellt werden.“, sagte eine mir bekannte Stimme und dann tauchte Officer Smith auf. Nein, nein, das konnte nicht wahr sein.

Jason zog mich einfach mit, ich taumelte hinter ihm her. Auch als er mich ins Auto drückte, blieb ich still, starrte nur vor mich her.

Ich konnte nur geradeaus sehen, wobei ich dabei noch nicht mal eine Sache wirklich wahr nahm. Das einzige, was ich die ganze zeit vor Augen hatte war wie Luca mit Gewalt zu Boden gedrückt wurde, wie sie ihm einfach die Arme auf den Rücken gedreht hatten, obwohl er verletzt war. Sie waren so grob gewesen obwohl er sich ergeben hatte. Er hatte doch keine Anstalten gemacht zu verschwinden. Und dann Smith ... er steckte mit Chris unter einer decke. Und das hieß das sie Luca auf dem direkten Weg zu Chris bringen würden. Das würde er nicht überleben. Wie hatte ich nur zulassen können, dass wir ihn zurück ließen ... und dieser Kuss ... ihm war das klar gewesen, ihm war klar wo sie ihn hinbringen würden.

„Wir müssen zurück und ihn holen", sagte ich zu Jason. Ich wollte stark klingen, aber meine stimme zitterte überschlug sich.

„Auf keinen Fall, Luca sagte, ich soll dich in Sicherheit bringen und das mache ich jetzt auch, noch mal lasse ich mich nicht auf das ein, was du sagst."

"Sie werden ihn foltern, Jason, sie werden ihn zu Chris bringen und dann ist er verloren und das nur wegen mir!" Die Tränen die sich seit eben aufgestaut hatten liefen jetzt über. Ich konnte ihn nicht gehen lassen, das durfte nicht zuende sein. Ich durfte ihn nicht verlieren nicht jetzt wo ich mir sicher war, dass ich ihn liebte.

"Bitte", hauchte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

„Oh Charlie, hat dir denn keiner gesagt dass du dich nicht in ihn verlieben sollst."

„Doch das haben genug Leute gesagt, aber es hat nicht funktioniert. "

„Es wäre ein Selbstmordkommando wenn ich ihn da raus holen würde. " Ich fasste mir an die Lippen. Dieser Kuss ...dieser Abschiedskuss.

Plötzlich ruckelte der wagen und ich kippte nach vorne.

„ Anschnallen!", rief Jason und ohne weiter zu überlegen tat ich was er sagte. Dann sah ich durch den Seiten Spiegel. Das Auto hinter uns gab wieder Gas und rammte uns. Ich musste mich an der Türe festhalten. Jason griff nach meinem Gurt, zog schnell daran damit er ein rastete und mich in den Sitz drückte. „Festhalten." Ich krallte mich in den Sitz und in die Tür. Jason trat schon aufs Gas, preschte über die Kreuzung obwohl wir rot hatten. Ich presste meine Augen zusammen und hoffte nur, dass uns nichts passierte. Autos hupten, aber Jason raste einfach weiter. Über eine weitere Kreuzung und immer weiter, bis zu der Autobahnauffahrt. Dort drücke noch mal auf die Tube, schaltete schnell hoch und verlangte dem Auto alles ab.

Im Seitenspiegel sah ich, wie zwei Autos hinter uns her jagten. Sie kamen immer näher und teilten sich dann auf. Das eine auf meine Seite und das andere auf Jasons Seite. Sie ließen die Fenster herunter und zielten mit Pistolen auf uns.

„Runter!“, rief Jason, ließ auch die Fenster runter und zielte mit seiner Waffe auf die Typen auf meiner Seite. Ich beugte mich nach unten, nahm den Kopf zwischen die Beine und versuchte mich so klein wie möglich zu machen. Kaum war das Fenster unten, schoss Jason. Er traf den Fahrer, der dadurch die Kontrolle über sein Auto verlor. Sie wurden langsamer und Jason umfasste wieder mit beiden Händen das Lenkrad, denn vor uns tauchten andere Autos auf, die er umgehen musste. Dadurch, dass wir jetzt nicht mehr eingekesselt waren, konnte er auf die rechte Spur wechseln. Er riss das Lenkrad herum und gab noch mal Gas, damit wir etwas schneller wurden. Doch es war zu spät. Die Kugeln unserer Verfolger bohrten sich ins Auto und auch in die Reifen, was uns ein zischendes Geräusch bestätigte. In Sekunden schnelle waren alle Reifen platt und wir schabten nur so über den Asphalt. Es ertönte ein Ohren betäubendes Geräusch, als wir ins Schleudern gerieten und es dauerte nicht lange, bis die Reifen nachgaben und wir mit dem gesamten Auto umkippten. Ich schlug mit dem Kopf irgendwo auf. Für kurze zeit sah ich nichts mehr, hörte nur quietschende Autoreifen und gemurmelt.

Jemand packte mich an den Armen und zog mich aus dem Auto. Mein Kopf dröhnte und ich fühlte etwas warmes an meiner Schläfe. Als ich dann draußen war, wurde ich auf meine Beine gestellt, wobei ich noch ein bisschen taumelte.

„Passt etwas auf, ihr darf nichts schlimmes passieren“, meckerte jemand. Das hieß aber nicht, dass der Mann neben mir, mich sanfter packte und vor sich her schubste. Mit einem weiteren Schubs stolperte ich gegen ein Auto und wurde kurzehand hinein gedrückt. Hinter mir schlug der Mann die Türe zu und ich sah zu unserem Auto. „Bringt den Typen um, den brauchen wir nicht mehr“, meinte ihr Anführer und stieg hinters Lenkrad. Nein!

Ich versuchte die Türe auf zu machen, aber sie hatten schon die Sperre einrasten lassen, sodass ich nur vergeblich an der Tür rütteln konnte.

Der Typ neben mir, packte mich unsanft, drehte mir die Arme auf den Rücken und fesselte mich.

„Benimm dich, sonst kann ich sehr unangenehm werden“, grinste er und schubste mich zurück auf den Sitz, sodass ich mit dem Rücken zur Tür saß. Seine Augen musterten mich und dann blieb er an meinen Beinen hängen, die ja nicht wirklich verdeckt waren, da ich die Hot-Pants an hatte. „Hey, Sam, meinst du, der Boss lässt uns etwas mit ihr spielen? Ich hatte schon lange keine Süße mehr im Bett.“ Der Fahrer lachte und sah mich durch den Rückspiegel an.

„So viel ich weiß, will der Boss sie nur wegen irgendwelchen Infos. Vielleicht lässt er sie uns ja danach noch etwas“, meinte er und lächelte. Der neben mir rückte ein bisschen näher und griff nach mir. Ich drückte mich weiter gegen die Türe, aber es nützte ja eh nichts. Er packte mein Kinn und zog mich näher an sein Gesicht. Ich versuchte, mein Gesicht weh zuziehen, aber er packte einfach fester zu.

„Sie wehrt sich richtig, das wird lustig.“ Mit einem Ruck zog er noch weiter an meinem Gesicht und dann küsste er mich hart. Ich wollte mein Gesicht weg drehen, aber er hielt mich eisern fest. Seine Zunge stieß gewaltsam in meinen Mund, doch ich biss einfach zu und trat ihm in den Magen. Keuchend ließ er von mir ab und hielt sich den Bauch. Was mich aber schockte war, dass er grinste und sich dann über die Lippe leckte. „Ich werde meinen Spaß mit dir haben, das merkte ich schon.“

„Such dir ne andere“, meinte ich und spuckte ihn an. Das machte ihn sauer. Seine Faust ballte sich und ich sah schon, wie er mich schlug.

„Hör auf mit dem Scheiß. Zieh ihr den verdammten Sack über und behalt deine Finger bei dir“, stoppte dieser Sam ihn und als nächstes hatte ich einen Sack über dem Kopf. 

Kapitel 18

Kapitel 18

 

Dieses scheiß Schmerzmittel war einfach umsonst gewesen.

Nachdem mich die Polizei in Gewahrsam genommen hatte und mich unsanft, ohne jede Rücksicht, wie man das für gewöhnlich mit Verbrechern umging, in den Wagen gesteckt hatten, hatten sie mir einen Sack über den Kopf gestülpt. Da bekam der Ausdruck „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ eine ganz andere Bedeutung. Das war nur sehr unwichtig für mich. Ich musste immer zu an diesen Ausdruck in Akaras Augen denken. An diese weit aufgerissenen haselnussbraunen Augen, die sich mit Tränen gefüllt hatten.

Ich gehe nicht ohne dich, Luca.

Wann hatte sie angefangen mich so zu nennen? Und vor allem, wer hatte ihr meinen Namen gesagt? Schon eben war es mir aufgefallen, aber da hatte ich einfach nicht darüber nachdenken wollen. Das dumme an der Sache war, dass es mich eigentlich jetzt auch nicht interessierte. Es machte mir nichts aus, dass sie ihn kannte. Denn es gefiel mir, wenn sie ihn sagte. Selbst als sie mich angemotzt hatte.

Verdammt, ich hoffe nur, dass Jason sie in Sicherheit brachte.

Der Wagen hielt und alle im Auto bewegten sich. Als sich dann die Türen öffneten, wusste ich, dass wir angekommen waren. Eine große Hand packte mich am Arm und zog mich aus dem Polizeiwagen. Ein entsetzlicher Schmerz fuhr durch meinen Körper und mit jedem Schritt wurde es schlimmer. Zum einen, weil sie mir die Arme hinter dem Rücken gefesselt hatten und mir so die Schulter verrenkten, zum anderen, weil es sie einfach gar nicht interessierte, dass ich verletzt war und mich einfach am Arm oder an der verletzten Schulter packten, damit ich weiter lief.

Mit Stößen gegen die Schulter führten sie mich irgendwo hin und drückten mich dann hinunter auf einen Stuhl. Meine Arme wurden für einen kurzen Moment befreit, nur um sie dann um die Stuhllehne zu legen und sie wieder hinter dieser zu verbinden. Und dann wurde auch der müffelnde Sack von meinem Kopf gezogen. Meine Augen kniff ich zusammen und machte sie dann langsam wieder auf.

Der Raum in dem ich saß, war nicht wirklich hell beleuchtet, es war eher so ein schummriges Licht. Perfektes Ambiente zum Foltern. Denn außer dem Stuhl, auf den mich Officer Smith gesetzt hatte, war nichts mehr in dem Raum.

„Na ja, also das mit dem Anwalt war natürlich nur so eine Floskel“, meinte er und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Warst du mit deinem Job nicht zufrieden, Jeff, dass du jetzt die Drecksarbeit für Chris machst?“, fragte ich ihn und lehnte mich zurück, um den Druck auf meine Schulter etwas zu mindern.

„Ich denke nicht, dass du in der Position bist, um soetwas zu äußern, Luca“, lächelte er und verpasste mich dann eine Backpfeife. Mein Kopf riss nach links und für einen Moment hielt ich ihn so. Verdammt, Jeff hatte echt einen harten Schlag drauf. „Na ja, wie dem auch sei. Ich hatte gehofft Charlie bei dir anzutreffen. Nachdem Chris gesagt hatte, dass du es geschafft hattest, sie zu retten.“ Ich lehnte mich wieder zurück, legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke.

„Lass mich raten. Chris sagte dir, dass ich verletzt sei und du wusstest natürlich sofort, wer mir zu Hilfe eilen würde.“

„Nora liebt dich immer noch, Luca. Ich wusste, dass sie mich zu dir führen würde.“

„Du hattest nur ein schlechtes Timing. Vielleicht hättest du Akara dann gehabt.“ Ich sah ihn wieder an.

„Sie war noch in deiner Nähe, als wir kamen.“ Jeff bekam ein selbstgefälliges Grinsen auf die Lippen. „Und so wie ich Chris Leute kenne, haben sie die Kleine schon.“ Ich ballte eine Hand zur Faust. „Es ist süß, wie du versuchst, sie zu beschützen. An was liegt es? Weil sie die Tochter von Tom und Èllena ist? Die Tochter deines Bruders? Ach entschuldige, deines toten Bruders?“ Ich wollte aufspringen, aber die Fesseln und auch meine Schulter hinderten mich daran. Zum ersten hielt mich die Fesseln unten auf dem Stuhl und zweitens schoss ein entsetzlicher Schmerz durch meinen Körper. Jeff lächelte. „Ich fand die Geschichte zu rührend. Die beiden Waisenkinder Tom und Luca. Es tut mir leid, dass deine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, aber zum Glück fand der kleine Zehnjährige Tom dich und brachte dich ins Waisenhaus. Seitdem hast du immer zu ihm aufgesehen. Echt niedlich. Aber noch schöner ist doch, als sie euch getrennt hatten. Du in eine recht Mittelständige Familie, aber dein großer Bruder in die einer recht Wohlhabende Familie.“ Er kam näher, das Grinsen immer noch breit auf seinen Lippen. „Weiß Charlie es? Weiß sie, dass du und ihr Vater sowas wie Brüder seid? Oder fand Tom es nicht so berauschend ihr von dir zu erzählen?“ Mir war klar, dass er mich nur provozieren wollte, aber ich sprang trotzdem darauf an. Ich hatte von ihr gewusst, ich hatte gewusst, dass er eine Tochter hatte, aber mit keinem Wort hatte er angedeutet, dass er wollte, dass ich sie kennenlernte. Er hatte mich nach dem Tod meiner Eltern geholfen, hatte mich wieder auf die Beine gestellt, aber als ich in eine neue Familie kam, hatten wir uns aus den Augen verloren. Waren erwachsen geworden und hatten uns verändert. Aber Jeff hatte Recht. Ich hatte den Auftrag angenommen, weil ich dachte, ich sei Tom etwas schuldig. Zumal ich ihn und Éllena alleine gelassen hatte. Ich wusste auch, dass Tom mich dadurch beschützen wollte, dass er mir gesagt hatte, ich solle untertauchen, aber die Schuldgefühle brachten mich dazu, Akara in Sicherheit zu bringen. Und jetzt? Jetzt wollte ich sie beschützen, weil sie mir ans Herz gewachsen war. Sie hatte mich angeschrien, mich zum lachen gebracht, ich weiß nicht, was genau es war, aber sie hatte mich dazu gebracht, sie in mein Herz zu lassen … sie zu lieben.

Jeff wollte gerade ansetzten, um mich weiter zu provozieren, aber da ging die Türe auf und Chris trat herein. Er bewegte sich ein bisschen schwerfälliger, was mich ein bisschen freudig stimmte. Denn ich hatte ihm diese Wunde verpasst und das noch nicht mal vor zwölf Stunden. Das hieß, er gar genauso angeschlagen wie ich. Zwar nicht so stark wie ich, aber etwas … nur dass ich noch ein Handicap besaß. Er hatte mich, gefesselt und verletzt. Auch wenn er Schmerzen hatte, konnte er mit mir spielen.

„Schön, dass du den Weg hier her gefunden hast, Luca“, meinte er und nickte zur Türe. Das war Jeffs Stichwort, sich zurück zu ziehen.

„Willst du jetzt noch ein Kaffeekränzschen abhalten? Oder willst du Klartext reden?“, fragte ich, denn ich hatte wirklich keine Lust auf ein Spiel.

„Das wäre eine schöne Idee, aber nein.“ Er kam zu mir, packte meine Schulter und drückte seinen Daumen tief in die Wunde. Ich keuchte auf und warf den Kopf in den Nacken. „Ich will die Liste, Luca, wo ist sie?“ Er bohrte noch etwas in der Wunde und holte dann seinen Daumen wieder raus. Keuchend lehnte ich mich nach vorne. Chris sah an meinen Hals und fand die nutzlose Kette, die ich mir um den Hals gelegt hatte. Sie war eine stink normale Kette, damit würde er nichts anfangen können. Sie war nur dazu da gewesen, ihn ein bisschen aus dem Konzept zu bringen. Chris packte sie und riss sie mir dann vom Hals. „Das war ein Trick, nicht?“

„Ich konnte nicht zulassen, dass du Akara etwas tust.“ Seine Faust traf mich mit voller Wucht am Kiefer.

„Was ist nur so besonders an ihr?“ Ich spuckte zur Seite und leckte mir dann über die Lippe, die angefangen hatte zu bluten. Durch den Schlag hatte ich mir auf die Lippe gebissen, was nicht so angenehm gewesen war, mal von dem Schlag abgesehen.

„Nichts, sie ist mein Job.“

„Versuchst du dir das einzureden?“ Chris packte mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen.

„Nein, warum auch?“ Er lächelte.

„Wo ist die Liste, Luca?“

„Ich hab sie nicht, hatte sie nie.“ Und wieder schwang er seine Faust und rammte sie mir in den Magen. Keuchend strömte die Luft in meinen Lungen nach draußen und ich musste husten.

„Als ob Tom sie dir nicht anvertraut hat. Du bist sein ältester Vertrauter, sein Bruder.“ Ich schluckte das hochkommende Blut herunter und sah Chris an.

„Ich weiß nicht, wo er es versteckt hat.“

„Und Charlie hat auch nichts gefunden?“

„Meinst du, das würde ich dir sagen?“ Er ließ mich los und tritt dann gegen den Stuhl, sodass ich mit diesem zu Boden stürzte … auf die verletzte Schulter. Ich stöhnte auf und krümmte mich auf dem Boden.

„Ich weiß, dass du härter bist, als jeder andere und ich sehe in deinen Augen, dass du niemals ein Wort heraus bringen würdest, nicht wenn es Charlie schadet. Mal sehen wie lange Charlie standhält.“ Sofort sah ich ihn an. Das konnte nicht …

„Lass mich los!“, ertönte aber schon ihre sanfte Stimme, die jetzt eher verärgert und angriffslustig klang.

Die Türe ging auf und Akara wurde nach vorne gestoßen. Sie stolperte und fiel auf ihre Knie, die Hände hatten sie ihr hinterm Rücken gefesselt. Sofort drehte sie sich um, um den Typen, der sie her gebracht hatte böse anzufunkeln, aber da bemerkte sie Chris.

„Lass mich gehen!“, sagte sie aber dann bestimmt. „Ihr werdet die Infos nie bekommen, weil meine Eltern sie bestimmt mit ins Grab genommen haben.“ Oh ja, sie war sauer und das machte sie nur unvorsichtiger.

„Sie ist wirklich niedlich, Luca“, lachte Chris und trat neben sie. Akara drehte sich um und sah dann erst, dass ich auch mit im Raum war.

„Luca“, hauchte sie entsetzt. Ihre Augen musterten meinen Körper besorgt.

„Ich fand es schon putzig, wie sie nach dir gerufen hat, als Mark dir in die Schulter geschossen hatte.“ Langsam ging er in die Hocke und packte Akara am Kinn. „Sie hatte so verzweifelt nach dir gerufen“, lächelte er amüsiert und wandte sich dann an Akara. „Aber Süße, hat man dir denn nicht gesagt, dass du dich nicht in ihn verlieben sollst?“ Chris drückte ihre Wangen zusammen, sodass sie einen Fischmund machte. Sie riss sich los und spuckte Chris ins Gesicht.

„Lass deine Finger von mir.“ Nein, warum zum Teufel tat sie das? In Ruhe wischte Chris sich ihre Spucke vom Gesicht und stand dann auf. Kaum stand er, holte er mit dem Fuß aus und trat sie in den Magen. Akara röchelte und beugte sich nach vorne.

„Du solltest ein bisschen Respekt zeigen oder wenigstens ein bisschen Angst. Es würde dir besser gehen, wenn du das tätest.“ Sie hustete und sah dann zu ihm auf. „Und du solltest jetzt antworten, sonst werde ich noch wütender.“ Er streckte die Hand aus und schon legte Jeff ihm eine Pistole in die Hand. Diese wanderte in Chris Händen hin und her, biss er sie in seine rechte Hand nahm und auf meinen Kopf zielte. „Wo ist die Liste, die deine Eltern so sorgsam zusammen getragen haben?“, fragte er Akara und sah sie an. Sie machte den Mund auf, um eine patzige Antwort zu geben, aber Chris redete zuerst. „Überleg dir gut, was du sagst. Ich werde abdrücken und ihn töten.“ Das ließ sie stocken.

„Ist das nicht ein bisschen lächerlich, Chris? Sie ist ein kleines Mädchen, was soll sie schon wissen?“, fragte ich ihn und sah Akara an. Ihre Augen weiteten sich.

„Sie ist die einzige, die weiß, wo sich die Liste befindet.“

„Was wenn Tom und Èllena sie mit ins Grab genommen haben? Wenn sie die Liste bei sich getragen haben, als ihr sie umbrachtet?“ Chris lächelte.

„Du versuchst Zeit zu schinden, Luca.“ Sein Finger krümmte sich und er schoss. Akara schrie auf, aber mich traf keine Kugel. Er hatte ihr Angst machen wollen, das sah ich an seinem Grinsen. „Wollt ihr mir jetzt endlich sagen, wo die Liste ist?“

„Wir haben sie nicht!“, rief Akara und machte sich klein. „Bitte, hör auf auf ihn zu schießen. Ich habe nach etwas gesucht, bei mir zuhause, aber ich hab nichts gefunden. Wir wissen nicht, wo diese Liste ist. Also bitte, bitte tu ihm nicht mehr weh.“ Eben hatte sie so verdammt stark getan, hatte sich mit all diesen bösen Typen angelegt und jetzt? … Jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen und sie bettelte. Erst war es ruhig, man hörte nur Akaras leises aufschluchzen.

Und dann lachte Chris los, lachte so laut, dass es von den Wänden widerhallte.

„Nein, ist das herrlich“, lachte er und wischte sich über die Augen. „Siehst du das, Luca? Sie kauert hier, weint und bettelt und das alles für dich.“ Er lachte weiter. „Sie bettelt darum, dass dir nichts passiert, dass ich dir nicht mehr weh tun soll. Sowas wunderbares habe ich ja noch nie erlebt.“ Die Waffe blieb auf mich gerichtet, aber Chris hockte sich wieder neben Akara und zwang sie ihn anzusehen, ihn mit diesen haselnussbraunen Augen anzusehen, die voller Tränen waren. „Weißt du eigentlich, was du hier gerade tust, Süße? Du gibst mir so wunderbares Futter, Luca zu vernichten. Ist dir das eigentlich klar? Ist dir klar, dass du mit deinen Tränen seinen Tod herbei rufst?“

„Das tue ich nicht.“

„Das tust du nicht?“ Er lächelte, krümmte Stück für Stück seinen Finger.

„Nicht!“, rief Akara und sah ihn flehend an.

„Das ist wunderbar, dieses Gefühl zwei Leben in der Hand zu haben.“

„Bitte, ich tue alles, was du willst.“

„Oh, das wäre zu schön. Denn das was ich will ist, dass du ihm die Pistole ans Herz hältst und abdrückst, das wäre ein wunderschönes Schauspiel, wie deine Tränen über deine Wangen rennen und du genau weißt, dass du deinen Liebsten töten musst.“ Chris lachte und warf den Kopf in den Nacken. „Das wäre wunderbar.“

„Schluss damit.“ Die Türe wurde aufgemacht und ein recht kleiner Mann trat in den Raum. Er brauchte noch nicht einmal ins Licht kommen, damit ich wusste, wer er war. Sein Gang, das leichte nachziehen seines linken Beines. Leon. „Stetz ihn wieder richtig hin“, befahl er mit einer rauchigen und kratzigen Stimme und blieb neben Akara stehen, der Blick aus seinen dunklen Augen auf mich gerichtet.

Chris steckte schnell die Waffe weg, kam zu mir gelaufen und mich mit dem Stuhl wieder auf die Beine, sodass ich wieder ordentlich saß. Er verstärkte noch mal meine Fesseln und blieb dann hinter mir stehen.

„Du siehst nicht gut aus, Luca“, fing Leon einen Plausch an und trat langsam auf mich zu. Leon war kein Mann, der sich prügeln würde oder sich die Hände schmutzig machen würde, genau deswegen war er der Kopf der ganzen Organisation. Er war ein älterer Mann, alt und weise und vor alle skrupellos und brutal. Er hatte zwar seine Leute, die er befehligte, aber die taten alles nur auf Befehl. Klar musste man eine gewisse Gewalt mitbringen, um überhaupt bei ihm aufgenommen zu werden, um hier überhaupt überleben zu können. Denn ihr Geschäft war nun mal Gewalt.

„Dank deinen kompetenten Untergebenen“, meinte ich und sah ihm fest in die Augen. Leons Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.

„Immer noch so frech, wie eh und je. Das habe ich so an dir gemacht, weißt du?“

„Und ich dachte, dir hätte meine Treffgenauigkeit gefallen.“

„Die war auch nicht zu verachten.“ Er kam weiter auf mich zu. „Wie du meine Kniescheibe durchschossen hast, war wirklich unglaublich.“

„Boss, ich könnte ihn dafür bestrafen“, schlug Chris von hinten vor. Ich wusste, dass Chris das in den Fingern juckte, seit er herausgefunden hatte, dass ich Akara beschützte. Denn Chris war Leons Schoßhündchen. Zwar nicht so eins, dass seinem Herrchen überall hin folgt, aber er nahm alles persönlich, was mit Leon passierte.

„Gleich, noch nicht.“

„Nein, bitte nicht!“, hauchte Akara. In ihren Augen konnte ich sehen, dass sie ganz genau wusste, wie sehr Chris mich foltern wollte.

„Ist sie die Kleine von Tom und Èllena?“, fragte Leon mich und drehte sich zu Akara um. Unter seinem Blick wurde sie stocksteif und starrte ihn an. Ich sah, wie sie versuchte, nicht zu sehr zu zeigen, dass sie Angst hatte. Sie wollte stark sein, den Typen zeigen, dass sie eben nicht die Kleine war, dass sie kein kleines Mädchen war, dass sich nicht wehren konnte. Aber diese Typen hier waren etwas ganz anderes, als ein Grabscher oder sonst was. Diese hier würden nicht zögern unfair zu spielen. Ich wollte den Mund auf machen und ihn von ihr weg locken. Nur wie sollte ich das anstellen ohne durchblicken zu lassen, dass ich nicht wollte, dass ihr etwas geschah? Allein dieses Wunschdenken, dass ihr keine einzige Wunde zugefügt wird, war lächerlich. Sie war hier. Wir hatten keine Rückendeckung von der Polizei. Keiner wusste wo wir waren. Sie war tot, seit dem Augenblick als sie Chris in der Gasse gesehen hatte, wie sie einen Mann getötet hatten. Leon würde keinen am leben lassen, der wusste, wer sie waren. Auch Celina hatten sie in Ruhe gelassen, weil sie im Moment nicht das wichtigste Problem war, aber wenn das hier vorbei war, wenn sie die Liste hatten, dann würden sie auch Celina holen kommen.

Leon machte einen Schritt auf Akara zu.

„Du siehst aus wie sie“, murmelte er. Nein, dass war nicht gut, das war alles andere als gut.

„Sie hat die Liste nicht“, meinte ich und brachte Leon damit zum Stehen, mit dem Rücken zu mir.

„Du willst sie beschützen.“ Er hob eine Hand und sofort war Chris zur Stelle. „Bring sie weg, ich muss alleine mit Luca reden.“ Ein gehorsames nicken und schon stand Chris hinter Akara. Unsanft packte er sie an den Fesseln hinter ihrem Rücken und zog sie auf die Beine.

„Luca“, sagte sie und wehrte sich gegen Chris. Ich zog an meinen Fesseln, nahm dafür den Schmerz in Kauf und wollte aufstehen.

„Ihr passiert nichts. Ich werde nicht zulassen, dass jemand sie anfasst“, meinte Leon. Er war einer der bösen, das war mir klar, aber ich konnte auf sein Wort zählen. Und ich war mir dessen sicher, weil er Akara mochte. Ich weiß, das ist nicht zwingend gut, aber seine Aussage, sie sähe wie Éllena aus, machte mich optimistisch, dass er ihr wirklich nichts tat. Denn er hatte an Èllena einen Narren gefressen, nur deswegen hatten wir so leicht an Informationen gekommen.

Akara wehrte sich noch weiter, aber Chris zog sie einfach mit sich und ließ Leon und mich dann alleine. Er stand immer noch mit dem Rücken zu mir, hatte die Arme hinterm Rücken und starrte auf den Fleck, wo Akara gehockt hatte.

„Ich brauche die Liste, damit sich meine Jungs wieder sicher fühlen und vor allem, damit meine Partner nicht mehr so unter Druck stecken, das verstehst du doch, oder Luca?“

„Nein. Du und die ganzen anderen gehören ins Gefängnis, da gehört ihr hin.“

„Dann gehörst du ja auch dazu. Du hast zwar nur so getan, als seist du einer von uns, aber doch warst du mit auf Beutezug.“

„Ich gehe mit euch überall hin, sei es in den Knast oder in die Hölle, Hauptsache Akara ist in Sicherheit.“ Ich musste ihm nichts mehr vorspielen , es würde eh nichts bringen. Er wusste, dass Akara mir etwas bedeutete. Jetzt drehte er sich zu mir um und kam auf mich zu.

„Ich habe dich wirklich gemocht.“

„Wir beide wissen, dass es nicht so war.“

„Chris hasste dich von Anfang an, deswegen kann ich ihm ein bisschen Spaß mit dir nicht verbieten.“ Er lächelte leicht. „Das kannst du doch wohl verstehen.“

„Du brauchst mir nicht vormachen, dass weder ich noch Akara eine Chance haben hier heraus zu kommen. Ich weiß, dass es nicht so ist.“

„Dann ist gut. Und trotzdem frage ich dich zum letzten Mal: Wo habt ihr die Liste versteckt?“

„Die Frage war unnötig, du kennst doch meine Antwort.“

„Willst du sie nicht doch aussprechen? Mit dem Wissen, dass ich Charlie etwas antun würde, wenn du mir nicht sagst, wo die Liste ist.“

„Das würdest du nicht.“

„Was macht dich da so sicher?“

„Weil du es eben selber gesagt hast. Sie sieht Éllena ähnlich.“ Leon lachte und nickte.

„Du wusstest es?“

„Du warst ihr gegenüber sehr nachlässig.“

„Es war eine Schande, sie töten zu müssen.“

„Dann lass Akara gehen, sie hat mit all dem nichts zutun und wem soll sie noch schaden? Tom und Éllena sind tot und mich hast du auch.“

„Meinst du wirklich, dass ich sie einfach so laufen lassen kann?“

„Du hast die Polizei doch eh auf deiner Seite, was könnte sie schon ausrichten?“

„Was, wenn sie die Liste findet?“ Darauf hatte ich keine Antwort. „Und was wird sie wohl tuen, wenn du stirbst? Hast du nicht diesen Blick in ihren Augen gesehen.“ Damit drehte er sich um und ging zur Tür. „Sie würde daran zerbrechen.“ 

Kapitel 19

Kapitel 19

 

Hier lief etwas einfach nur Schief.

Smith hatte einfach so eine Fahndung nach Luca ausgestellt und das nicht nur normal auf Luca McDamion sondern auf Jack alias Luca McDamion. Er hatte seine Identität einfach aufgedeckt. Das schlimme war nur, dass ich ihn nicht erreichte. Ich wusste nicht, ob er Charlie in Sicherheit gebracht hatte oder ob sie in Schwierigkeiten steckten.

„Emanuel? Hast du nicht heute frei?“, begrüßte mich Jessy, die hinter der Rezeption saß.

„Ich hatte etwas vergessen“, log ich sie einfach an und ging nach hinten zu den Büros. Ich musste irgendwie mit ihm in Kontakt treten.

„Los Männer, gleich haben wir ihn“, ertönte eine mir wohl bekannte Stimme.

Ein paar Polizisten liefen an mir vorbei und am Ende der ganzen Truppe stand Smith.

„Was ist denn hier los?“, fragte ich ihn. Eigentlich hatte ich nicht fragen wollen, denn mir war schon klar, was hier gerade abgelaufen war. Sie hatten Luca gefunden.

„Wir haben ihn in die Enge getrieben“, lächelte er triumphierend. „Und jetzt werde ich ihn mir schnappen.“ Beim Vorbeigehen klopfte er mir auf den Rücken und war dann auch weg. Ich musste Luca warnen … nur wie?

Mir den Kopf zerbrechend ging ich in den Aufenthaltsraum und an den Kaffeeautomaten. Zum Glück war ich alleine, da es sonst hier immer sehr laut zuging. Ich musste nachdenken, musste mein altes Hirn anstrengen.

„Ist er weg?“, hörte ich jemanden fragen und drehte mich um. Officer Lane stand im Eingang und kam langsam herein. An ihn hatte ich ja gar nicht mehr gedacht. Der arme, er wurde von Jeff einfach in die ganze Sache mit hinein gezogen, dabei wollte Lane doch nur ein guter Cop sein.

„Meinst du Jeff?“ Er nickte und sah sich um, dann kam er etwas näher zu mir.

„Sie müssen etwas tun. Er dreht durch“, flüsterte er mir zu. Da sagte er was. Aber ich glaubte nicht, dass Smith verrückt war, sondern dass er einfach zu dieser Verbrecherbande gehörte und dementsprechend nur das tat, was sein Chef verlangte … wie es eigentlich alle taten. „Ich kenne Jack zwar nicht persönlich, aber er hat uns in den letzten drei Jahren sehr geholfen, aber Jeff redet nur davon ihn zu fangen. Ich kann da nicht mehr zusehen.“ Ich nickte. Das war gut. Wenn ich mich an das Gespräch erinnerte, dass ich belauscht hatte, hatte Lane nicht wirklich etwas tun können. Aber es sprach für ihn, dass er jetzt versuchte, zu helfen. Er sah sich noch mal um, um sicher zu sein, dass ihn auch wirklich keiner hörte. „Ich weiß, wo sein Versteck ist.“ 

Kapitel 20

Kapitel 20

 

Die Fesseln knacksten und dann war das unangenehme und kalte Metall auch schon weg. Allerdings schubste Chris mich nach vorne und ich stolperte in ein Zimmer. Sofort drehte ich mich um und wollte weg laufen, doch mir wurde die Türe vor der Nase zugeschlagen. Ich knallte voll gegen sie, blieb aber dann auch dort stehen. Meine Stirn gegen die Holztür, meine geballten Fäuste neben meinem Kopf.

Verdammt, ich war so dumm. Einfach nur dumm. Meine Tränen liefen einfach ununterbrochen weiter über meine Wangen. Ich konnte einfach nicht anders. Diese Männer hier, sie versprühten einfach Gewalt und da war es nur klar, dass ich Angst hatte, Angst um Luca. Nur mit diesem Verhalten hatte ich uns noch weiter herein geritten. Aber es war aus mir heraus gekommen. Jedes einzelne Wort, jede einzelne Tat. Verdammt, ich hätte Chris echt nicht anspucken sollen. Nur ich hatte einfach die Nerven verloren. Das, was eigentlich nicht passieren sollte. Das hatten meine Eltern mir nicht beigebracht. Ein kühler Kopf, dass war es gewesen. Kein Kopf, der sich vor Angst in die Hose machte und einfach anfing, die bösen zu reizen. Für einen kurzen Moment hatte ich mir gedacht, dass Luca genauso reagierte. Er hatte auch nur freche Sprüche draufgehabt … nur wurde mir jetzt klar, dass er in einer ganz anderen Situation war. Er wusste, wie er sich zu verhalten hatte, er wusste, dass er gleichgültig viel stärker auftreten konnte. Was ich nun mal nicht konnte.

„Luca“, hauchte ich leise gegen die Tür. Ich hatte es vermasselt und jetzt musste er es ausbügeln.

Leicht taumelte ich zurück, ließ die Hände sinken und starrte zu Boden. Wie konnte das alles nur passieren? Wie konnte meine kleine Welt so schnell auseinander brechen? Wie konnte ich mich so schnell in einen Mann verlieben, den ich noch nicht einmal kannte? Luca war anders, stärker, distanzierter, reifer. Das genaue Gegenteil zu Seth … er war verspielt, kindisch und nahm alles auf die leichte Schulter. Wie sollte er auch mit knapp zwanzig sein? Was hatten wir schon erlebt, was hatten wir schon erreicht. Luca war 29. Er hatte eine abgeschlossene Ausbildung, war Polizist und jetzt Bodyguard. Jobs an denen Menschenleben hängen, auf den man sich verlassen musste. Seth wollte nur in Sport gut sein, das war alles. Und doch wusste ich mehr über Seth als über Luca. Doch wenn ich jetzt über Seth nachdachte, den Jungen der mir noch vor ein paar Tagen durch den Kopf ging, mit dem Celina mich verkuppeln wollte, war es anders, als wenn ich an Luca dachte. An den großen, starken Mann, der mich beschützte, bei dem ich mich sicher und geborgen fühlte. Bei ihm schlug mein Herz schneller, mir wurde warm und ich wollte ihn einfach nur ansehen und berühren. Dieses Gefühl, ihn unbedingt berühren zu müssen ruhte natürlich auch auf sexueller Sicht, aber mir reichte es auch nur durch sein Haar zu streichen, über seine Wange … aber das alles … das war im Moment so unwichtig, weil ich einfach nur noch Angst hatte. Angst ihn zu verlieren, obwohl ich ihn noch nicht wirklich hatte.

Meine Hand wanderte zu meinem Hals und holte die Kette heraus. Der Anhänger war eiskalt und fühlte sich in meiner Hand unecht an. Aber ich umfasste ihn einfach fester und drückte meine Faust ans Herz.

Mom, was soll ich nur tun?

Ich sank zu Boden und machte mich ganz klein. Wie sehr ich mir wünschte Celina bei mir zu haben. Mit ihr hätte ich über Luca reden können, über dieses Gefühl, wenn ich bei ihm war, über die Küsse. Aber hier war auch kein richtiger Ort dafür.

Plötzlich klickte etwas an der Tür und dann wurde sie geöffnet. Ich sprang auf die Füße, drückte meine Faust noch fester an meine Brust und machte zwei Schritte zurück. Der Mann von eben trat langsam ins Zimmer, zog sein linkes Bein aber immer nach. War er verletzt? Er hatte doch eben irgendwas gesagt, dass Luca …

„Es tut nicht mehr weh, wenn du dich das fragst“, meinte er mit seiner rauchigen und kratzigen Stimme. „Luca hat sie mir verpasst. Ich muss sagen, es ist wirklich eine nette Geschichte, willst du sie hören?“ Ich bewegte mich kein Stück und sagen tat ich erst recht nichts. Sonst würde ich wieder irgendetwas falsches sagen. „Er hatte mit Chris gekämpft, ein unschöner Kampf. Viel Blut und vor allem diese Narbe unter Chris Auge. Er hat Luca danach mit voller Wut angegriffen, ihm ein paar Rippen gebrochen, ihm Wunden zugefügt, sodass ich dachte, Luca wäre tot. Aber wie aus dem nichts schoss er an Chris vorbei auf mich und traf genau meine Kniescheibe. Seitdem humple ich. Ich hätte wissen müssen, dass er der einzige sein würde, der mir jemals etwas tun konnte. Seine Treffsicherheit ist der Wahnsinn. Dadurch war er der perfekte Mann für den leisen Mord.“ Meine Augen weiteten sich und ich schüttelte den Kopf. Luca hätte niemals für diese Leute gemordet. Das kann ich nicht glauben. „Das glaubst du mir nicht?“

„Er würde soetwas nicht tun.“ Der Mann lächelte.

„Stimmt, er tat es nicht. Aber er war bei Plünderungen dabei. Ich konnte ihn nicht zwingen, zu töten, denn ich hatte nichts gegen ihn in der Hand … na ja, das glaubte ich.“ Er zuckte die Schultern und sah mich von oben bis unten an. Mir allerdings fiel ein Stein vom Herzen. Ich wusste, dass Luca sowas nicht machen würde, nur im äußersten Notfall. Er machte einen Schritt auf mich zu und ich ging einen weiter von ihm weg. „Ich werde dir nichts tun, habe ich eben doch schon gesagt.“

„Und ich sollte Ihnen vertrauen? Sie haben mich entführen lassen, Ihre Leute wollten mich umbringen. Sie werden Luca foltern lassen.“ Er zuckte mit den Schultern.

„Das lasse ich Luca und Chris alleine ausmachen, damit habe ich nichts zutun. Von dir will ich aber etwas und ich denke, dass ich an deine Gefühle appellieren kann.“

„Sie wollen mich mit Luca erpressen.“

„Oder mit deiner Freundin.“ Meine Augen wurden noch größer. Celina! „Hör mal, wenn du mit mir zusammenarbeitest, dann wird ihr nichts passieren ...“

„Und Luca?“ Er hob eine Hand und wiegte sie hin und her.

„Für ihn kann ich leider nicht sprechen. Du solltest dich eher auf dein Leben und das deiner Freundin konzentrieren.“ Ich schluckte und ballte meine Hand noch fester zu einer Faust. Was für eine Wahl hatte ich denn? Luca war verletzt, somit hatte Chris leichtes Spiel mit ihm. Die Polizei war nicht auf unserer Seite, also war ich die einzige, die wenigstens Celina in Sicherheit bringen konnte.

„Woher weiß ich, dass Sie sie nicht doch umbringen?“ Er lächelte und kam noch einen Schritt auf mich zu, aus Reflex ging ich wieder einen zurück.

„Indem du es selber siehst. Ich werde dich gehen lassen, wenn ich das habe, was ich will.“ Ich wusste nicht mit Sicherheit, dass er die Wahrheit sagte … aber was war besser: jetzt zu sterben oder vielleicht noch ein bisschen mehr zeit zu haben?

Jetzt kam er weiter auf mich zu, bis ich gegen die Wand stieß und keine Möglichkeit mehr hatte auszuweichen. Sein Blick glitt über mich, aber es war anders. Er sah mich einfach nur an, hatte keine bestimmten Absichten.

„Und? Sind wir im Geschäft?“, fragte er und sah dann zu meiner geballten Hand an meiner Brust. Er hob die Hand und nahm meine in seine. Ich wollte sie wegziehen, aber er hielt sie fest. Bestimmt drückte er zu und lockerte meinen Griff, sodass der Anhänger aus meiner Hand rutschte und an meinem Hals baumelte. Seine dunklen Augen hingen sofort an dem Herzanhänger. „Das ist ihre Kette.“ Langsam streckte er die Hand danach aus und nahm das Herz in diese. Und dann, mit einem Ruck, riss er sie mir vom Hals.

„Geben Sie sie mir wieder.“ Er hob aber nur den Finger und starrte weiter auf die Kette.

Plötzlich lachte er auf. Ich zuckte zusammen und drückte mich weiter gegen die Wand.

„Du hattest sie die ganze zeit“, murmelte er dann und fummelte an dem Anhänger herum. Ich verstand allerdings gar nichts. „Er war die ganze Zeit bei dir und keiner hätte es bemerkt, das ist so typisch Éllena." Etwas knackte und dann hatte er den Anhänger in zwei Teile geteilt, denn es war gar kein Anhänger sondern ein Medaillon. Er schüttete den Inhalt in seine Handfläche und lächelte. Es war ein kleiner Mikroship. „Herzlichen dank, miss O'Niel." Ich konnte ihn nur anstarren. Meine Hand fuhr zu meinem Hals und krallte sich in meine Haut. Ich hatte ihn bei mir gehabt, ich hätte ihn vor der Türe einfach Chris geben können und Luca wäre nie so schwer verletzt worden. Wir hätten verschwinden können. Der Mann drehte mir den Rücken zu und ging Richtung Türe. Da erkannte ich, dass er jetzt gehen würde. Ohne ein weiteres Wort.

„Warten Sie!“, rief ich und machte einen Schritt nach vorne. „Sie haben die Liste, was ist mit meiner Freundin?“ Er blieb nicht sofort stehen, erst als er im Türrahmen stand.

„Kannst du sie davon überzeugen, dass sie nicht weiter nach uns sucht?“

„Ja!“, sagte ich sofort. Ich wollte sie doch nur in Sicherheit wissen.

„Dann wird ihr nichts geschehen und du darfst jetzt gehen.“ Damit trat er hinaus und streckte einen Arm aus. „Du hast mir sehr geholfen, Akara.“ Meinen Namen sprach er so genüsslich aus, dass ich eine leichte und vor allem unangenehme Gänsehaut bekam. Ich wollte nicht, dass er ihn aussprach, weder so noch anders.

Die Türe war offen, er hatte mir gesagt, dass ich gehen konnte und doch blieb ich an Ort und Stelle stehen.

„Was ist mit Luca?“, fragte ich leise, aber ich war mir sicher, dass er mich verstanden hatte. Er ließ den Arm sinken und sah mir in die Augen.

„So wie ich Chris kenne, ist er sicherlich schon tot, also vergiss ihn.“ Mein Herz setzte aus und sofort schossen mir Tränen in die Augen. „Er ist kein Mann für dich.“ Ich presste meine Augen zusammen und schüttelte den Kopf.

„Ihr alle wisst doch gar nichts über ihn, wie könnt ihr da sagen, dass er nichts für mich sei?“, schrie ich und krallte mich in mein Shirt.

„Wir kennen ihn nicht?“, fragte er und lachte dann auf, sodass ich ihn ansah. „Was kennst du denn schon von diesem Mann?“ Er kam wieder ins Zimmer zu mir und nahm mein Kinn in seine Hand. „Du kennst seinen echten Namen, das ist aber auch schon alles. Was habt ihr gemeinsam? Habt ihr gleiche Interessen? Er ist ein Krimineller, genauso wie ich.“

„Das ist er nur wegen Ihnen!“ Der Mann zuckte die Schultern.

„Das kann schon sein, aber dein Vater hat ihn zu diesem Job gebracht.l Zu einem Job den er selber nie machen könnte und jetzt verstehe ich auch warum. Weil er dich noch zuhause hatte. Dein Vater hatte sich immer im Hintergrund gehalten, hatte Luca vorgeschickt auch wenn ich bemerkt habe, dass beide nicht gerne töteten. Luca war in Bankräube verstrickt, in Schlägereien und das alles nur, weil dein Vater ihn mit ins Spiel holen wollte.“ Nein, das konnte nicht sein. „Dein Vater und Luca, sie sind Brüder, wusstest du das?“ Was? Nein. Nein, das hätte ich gewusst. „Sie sind keine Biologischen Brüder, sie waren im gleichen Waisenhaus, aber wahrscheinlich wollte dein Vater auch nicht, dass du das erfährst. Aber nur aus diesem einen Grund hatte er Luca gebeten mit auf diese Mission zu gehen.“ Ich riss mein Gesicht los und ging einen Schritt zurück. „Davon mal abgesehen, dass Luca hier nicht mehr lebend herauskommt, solltest du ihn vergessen.“ Damit drehte er sich wieder um und verschwand. Einer seiner Leute blieb aber an der Türe stehen und wartete auf mich. Aber ich konnte nicht gehen, nicht ohne Luca … ich konnte ihn doch nicht hier lassen.

„Das Angebot zu gehen hält nicht ewig“, sagte der Mann und sah mich an, seine Augen waren genauso gierig, wie die von dem im Auto. „Denn dann wirst du zum Freiwild der ganzen Mannschaft.“ Und genau das zwang mich zum Gehen. Ich musste mir einfach sagen, dass Luca das nicht gewollt hätte, dafür hatte er nicht die ganzen letzten Tage sein Leben für mich aufs Spiel gesetzt.

Langsam ging ich los, durch den Türrahmen nach draußen. Dort ging ich neben dem Typen her. Er führte mich den gleichen Weg zurück, wie ich eben auch in das Zimmer gekommen war … und auch an der Tür vorbei, in die sie mich geschubst hatten, wo Luca war. Automatisch blieb ich stehen und starrte auf die verschlossene Türe. Der Typ packte mich unsanft am Arm und zog mich mit. Ich wehrte mich, aber er war viel stärker.

Luca!

Luca!

Lucaaaa!

Ich riss an meinem Arm, bekam mich so frei und drehte mich um. Aber im nächsten Moment ertönte ein Ohren betäubender Knall und von hinten fegte eine Druckwelle durch das ganze Haus. Ich wurde von den Füßen gerissen und fiel zu Boden. Langsam rappelte ich mich wieder auf, aber blieb liegen, denn als nächstes kamen Männer herein gestürmt, alle bewaffnet. Auch die Männer von Chris kamen aus allen Ecken und schon fing ein heftiger Kampf an. Diese Männer, die hier eingebrochen waren, hatten keine Uniformen an, deswegen wusste ich nicht wirklich, was hier los war. Alles was ich machen konnte war, weiter auf dem Boden zu bleiben und einfach nicht auf mich aufmerksam zu machen. Weil wenn das eine andere Bande war, dann konnte ich sicher sein, dass sie mich mitnehmen würden.

Neben mir ging die Türe auf und nachdem ich aufgesehen hatte, sah ich Chris in die braunen Augen. Er achtete allerdings nicht mehr auf mich, nachdem der Boden leicht zitterte. Eine weitere Bombe war gezündet worden. Chris stieg einfach über mich und lief seinen Männern zu Hilfe. Erst sah ich ihm nach, sah mich um und dann fiel mein Blick in den Raum, aus dem er gekommen war … der Raum in dem ich Luca zurücklassen musste. Und was ich da sah, war ein Schock.

Auf dem Boden war überall Blut, der Stuhl auf dem Luca eben noch gesessen hatte lag in der Ecke, allerdings ohne Luca drauf. Dieser lag mitten im Raum auf dem Rücken und blutete aus vielen verschiedenen Wunden. Ich sprang sofort auf, rannte in den Raum und verschloss ihn.

„Luca!“, rief ich, Tränen liefen mir über die Wangen. Er durfte nicht tot sein, bitte, bitte nicht. Bei ihm fiel ich auf die Knie und legte mein Ohr an sein Herz, aber das einzige was ich hörte, war mein eigenes, dass wie wild klopfte. „Luca, Luca bitte.“ Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und strich über seine Wangen. Er war so blass und so kalt. Er musste die Augen auf machen, er durfte nicht tot sein. Seinen Körper wollte ich mir erst gar nicht ansehen, ich wollte nicht sehen, was Chris ihm alles angetan hatte.

Von draußen drangen alle möglichen Geräusche zu uns. Geschrei, Schüsse, Explosionen. Aber das alles war nur zweitrangig. Ich musste Luca irgendwie verarzten und ihn irgendwie dazu bringen mit mir zu reden, denn wenn er wach war, wenn ich ein Lebenszeichen von ihm bekam, dann war das etwas gutes, dann war er noch nicht tot.

Schnell zog ich mein Jeanshemd aus, knüddelte es zusammen und presste es auf die Wunde an seiner Schulter. Chris hatte seine alten Wunden natürlich wieder aufgerissen und ihm auch etliche neue Stichwunden zugefügt. Er hatte ihn nicht schnell sterben lassen wollen, das merkte man an den vielen Wunden. Chris hatte Luca langsam ausbluten lassen wollen.

„Akara ...“ Mein Blick war automatisch über seinen Körper geglitten, weil ich einfach die schlimmsten Wunden ausfindig machen musste, aber jetzt sah ich hoch in sein Gesicht, in seine grauen Augen.

„Luca“, hauchte ich und legte meine Hand wieder an seine Wange. „Hey, du musst wach bleiben, okay?“

„Was ...“ Ich schüttelte den Kopf und schon wieder rannen mir Tränen über die Wangen.

„Sag nichts, dass ist viel zu anstrengend für dich.“

„Du musst hier weg.“

„Das geht nicht. Hier ist die Hölle los, ich weiß nicht was los ist. Plötzlich hatte es eine Explosion gegeben und Männer sind herein gestürmt.“

Wieder ertönten Schüsse und dann wurde plötzlich die Türe aufgerissen. Chris kam herein und schloss sofort die Tür. Erst bemerkte er mich nicht, aber als er sich dann zu uns drehte, lächelte er.

„Was machst du denn hier?“, fragte er. Ich ging nicht darauf ein, kniete mich nur vor Luca und streckte die Arme aus. Ich würde ihn nicht mehr zu Luca lassen, auch wenn mich das mein Leben kostete. „Versuchst du gerade ihn zu schützen?“

„Ich werde nicht zulassen, dass du ihm noch weiter wehtust.“ Chris lachte und kam auf mich zu. Ich machte mich schon auf alles gefasst, außer auf das was dann passierte.

Es knallte, die Tür wurde aus den Angeln gerissen und eine enorme Druckwelle drang ins Zimmer. Chris und ich wurden von den Füßen gerissen. Ich sah nur noch wie ich nach hinten flog und dann die schwarze Wolke, die ins Zimmer drang. Danach spürte ich einen entsetzlichen Schmerz und dann war alles um mich herum schwarz. 

Kapitel 21

Kapitel 21

 

 

Piep.

Piep.

Piep.

So ging das schon die ganze Zeit. Ich wusste nicht, was es war, aber ich konnte auch nichts dagegen tun. Um mich herum war einfach alles schwarz.

Wo war ich überhaupt und vor allem, wo war Luca? Er brauchte Hilfe, ich musste hier weg, musste ihn in Sicherheit bringen, in ein Krankenhaus.

Mein Kopf brummte, aber sonst ging es mir gut. Deswegen verstand ich nicht, warum alles um mich herum schwarz war.

Plötzlich spürte ich etwas an meiner Hand. Ich versuchte etwas zu sehen, aber es blieb um mich herum schwarz.

„Wie geht es ihr?“, fragte eine Frauenstimme. Irgendwoher kannte ich die Stimme … ich konnte nur …

„Sie hat sich den Kopf gestoßen, die Ärzte sagten das sie bald aufwachen würde“, ertönte eine weitere Stimme, diesmal männlich. Ich erkannte diese Stimme sofort. Emanuel. Seine Stimme war näher, als die der Frau, also hielt er meine Hand. „Mach dir keine Sorgen, Celina. Sie hat viel durchgemacht, sie braucht einfach nur Schlaf.“ Celina? Celina war hier? Ihr ging es gut?

Plötzlich tauchte eine Lichtkugel vor mir auf. Sie wurde immer größer, bis sich um mich herum Möbel abzeichneten und dann sah ich auch zwei Menschen. Ein blond haariges Mädchen und ein schwarz haariger, mit ein paar grauen Strähnen, Mann.

„Sie wacht auf, Emanuel, sie wacht auf“, rief Celina plötzlich aus. Ich stöhnte auf. Warum musste sie denn immer so laut sein? „Char, Char, endlich bist du wach. Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, redete sie einfach drauf los.

„Celina, leiser, verdammt. Schrei doch nicht so“, stöhnte ich und hielt mir den Kopf. Unglaublich, hatte sie denn kein Hirn, was sie benutzen konnte? Ich wurde am Kopf verletzt, klar dass ich Kopfschmerzen hatte. Sie grinste entschuldigend und kratzte sich am Hinterkopf.

„Sorry, ich hab mir nur wirklich Sorgen um dich gemacht.“ Ich nickte und versuchte mich aufzusetzen. Emanuel half mir sofort und ich konnte mich an die Bettlehne lehnen. In meinem Handrücken steckte ein Katheter, aber die Flüssigkeit, die bis eben noch in meine Hand geflossen war, war aufgebraucht.

„Ich werde nach der Schwester rufen, damit sie nach dir sieht, okay?“, fragte Emanuel und strich mir leicht über die Wange. Er sah müde aus, müde und erschöpft. Was war bloß los gewesen und vor allem, wie bin ich hier her gekommen? Ich nickte und er stand auf, um einen der vielen Knöpfe zu drücken, die an meinem Bett waren.

„Was ist überhaupt passiert?“, fragte ich und sah mich in dem sterilen Raum um. Das ich im Krankenhaus war, ist ja offensichtlich. Aber wie war ich hier hin gekommen?

„Ich fand dich in einem Versteck“, meinte Emanuel und sah mir in die Augen. „Ich konnte euch nicht erreichen und dann kam noch dazu, dass Smith eine Fahndung nach Luca ausgerufen hatte. Ich hatte im Büro ein bisschen nachforschen wollen, aber Officer Lane hatte mich angesprochen und dementsprechend haben wir einen Trupp zusammen gesucht und euch gesucht.“ Ich hörte Emanuel zu, aber nachdem er Lucas Namen ausgesprochen hatte, hatte ich nur noch an ihn denken können. Und vor allem konnte ich nur daran denken, wie er blutüberströmt vor mir gelegen hatte.

„Wo ist er?“, hauchte ich. Emanuel und Celina sahen sich an, aber dann schauten sie wieder zu mir.

„Lucas Zustand war kritisch, Akara.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Wo ist er?“

„Er liegt im Koma, hier im Krankenhaus.“ Sofort machte ich Anstalten aufzustehen, aber Emanuel packte mich an den Schultern und drückte mich aufs Bett zurück. „Du kannst jetzt nicht zu ihm, Akara. Du musst dich ...“ Nein, nein, ich wollte nicht, dass er mich so nannte, auch wenn er es immer getan hatte.

„Nenn mich nicht so!“, rief ich ihm dazwischen und hielt mir den Kopf.

„Charlie?“, redete Celina sanft auf mich ein, kam auf die andere Seite und nahm meine Hand. „Es ist alles gut, okay? Luca ist hier und du kannst ihn auch besuchen, aber noch nicht jetzt, okay? Du musst dich doch auch erst einmal ausruhen.“ Ich nickte und lehnte mich wieder zurück. Sie hatte Recht, aber ich wollte ihn sehen.

„Wir hören jetzt erst einmal, was die Schwester sagt und dann sehen wir weiter", meinte Celina und ich nickte. Mir war klar dass sie mich hier eh nicht weg lassen würden ... und wenn Luca im Koma lag, dann würde er auch nicht einfach verschwinden.

„Haben sie ihn ins Koma versetzt oder ist er ins Koma gefallen? ", fragte ich leise. Denn das eine war schlimmer, wie das andere. Wenn die Ärzte ihn ins Koma fallen ließen, dann war es kontrolliert, aber wenn er selber ... dann konnte er ....

„Charlie ...", fing Emanuel an, aber mehr brauchte ich nicht. Also war es nicht Absicht gewesen .... ich zog die Beine an und umschlang sie.

Celina und auch Emanuel wollten auf mich einreden, aber da ging schon die Türe auf und eine Krankenschwester kam herein. Sie lächelte mich freundlich an.

„Sie sind ja wach, das ist gut", meinte sie. Emanuel machte für sie platz. Vorsichtig nahm sie den Schlauch für die Lösung aus dem Katheter und verband diesen erst einmal. Dann untersuchte sie mich, um meinen körperlichen Stand zu prüfen.

„Alles okay", nickte sie nach der Untersuchung und wollte schon gehen, aber ich hielt sie auf.

„Wann kann ich aufstehen?"

„Akara!", mahnte Emanuel mich. Ich verkniff es mir etwas zu sagen und sah einfach die Schwester an.

„Sie sollten sich noch etwas ausruhen. Sie haben zwei Tage geschlafen und haben eine leichte Gehirnerschütterung. Sie sollten es langsam angehen."

„Was ist mit Luca McDamion? Wissen Sie, wie es ihm geht?" Ihr Blick huschte zu Emanuel, der aufseufzte.

„Mr McDamion ist noch nicht aufgewacht", sagte sie und sah mich traurig an. Ich nickte bloß und zog wieder die Beine an. Das änderte allerdings nichts daran, dass ich ihn sehen wollte. Zwar wusste ich, das ich ihn so nicht sehen wollte, aber das war wesentlich besser als ihn blutüberströmt vor mir liegen zu sehen.

„Danke, ab hier machen wir weiter“, bedankte Emanuel sich und die Schwester verließ den Raum. „Ich weiß zwar nicht, was los ist, Akara, aber du musst vernünftig denken. Gerade geht deine Gesundheit vor, deswegen habe ich Luca darum gebeten auf dich aufzupassen.“

„Das hat doch damit nichts zutun, Emanuel. Ich begebe mich doch nicht in Gefahr, nur weil ich ihn sehen möchte.“ Ich weiß nicht, ob Emanuel wusste, dass ich etwas für Luca empfand, deswegen sollte ich lieber etwas vorsichtig sein. Ich weiß doch selber, dass das mit Luca nicht gut Enden konnte … aber trotzdem. „Er hat die ganze Zeit mein Leben gerettet, da muss ich einfach sehen, ob es ihm gut geht.“

„Er ist hier in einem Krankenhaus, wenn sie hier nichts für ihn tun können, dann kann das keiner. Hier ist er in den Besten Händen.“

„Ich will ihn trotzdem sehen!“

„Hört auf zu streiten“, bat Celina mit einer etwas lauteren Stimme. Emanuel und ich blieben still. Ich hatte auch wirklich keine Lust mit ihm zu streiten.

„Ich werde uns was zutrinken holen“, meinte er, stand auf und war dann auch schon aus dem Zimmer verschwunden.

„Du solltest dich wirklich ausruhen und dich ein bisschen abreagieren“, meinte Celina und setzte sich zu mir aufs Bett. „Du bist gerade echt aus der Haut gefahren“, kicherte sie.

„Bin ich nicht“, murmelte ich leise und machte mich ein bisschen kleiner.

„Ist da was zwischen dir und Jack vorgefallen?“ Ich sah Celina an, die immer noch breit lächelte. „Ich meine, du hast ihn Luca genannt und uns hat er gesagt, dass er nur Jack heißt.“

„Ich hatte gelauscht.“

„Komm erzähl es mir, bitte bitte bitte. Ich bin doch deine aller aller aller beste Freundin. Du musst mir sagen, wenn du verliebt bist.“ Sofort sah ich ihr in die Augen.

„Muss ich das?“

„Natürlich, du brauchst doch jemanden dem du dein Herz ausschütten kannst.“ Ich krallte mich in meine Beine und sah auf sie herunter.

„Ich weiß doch selber, dass das nichts werden kann. Wir sind einfach zu verschieden und wir haben doch auch andere Ziele.“

„Also hatte ich Recht?“ Celina packte meinen Arm und schüttelte mich hin und her. „Du bist in ihn verliebt oder? Komm, sag schon. Habt ihr euch geküsst?“ Sie schüttelte mich weiter. „Komm sag schon, sag schon, sag schon.“ Zwar wusste ich, dass ich etwas für Luca empfand, aber es laut auszusprechen war doch noch ein bisschen komisch. Also nickte ich nur und das brachte Celina zum aufschreien. „Was? Wann? Wo? Wie?“ Ich zuckte die Schultern. „Wie oft habt ihr euch denn schon geküsst? Und kam es von ihm oder von dir?“ Sie fragte tausend Fragen, hörte einfach nicht auf. Aber bevor ich antworten konnte, ging auch schon die Türe wieder auf und Emanuel kam herein. Er hatte drei Becher in der Hand.

„Celina, hilfst du mir gerade?“ Sie stand sofort auf und nahm ihm einen der Becher ab, der wohl auch für sie bestimmt war.

„Ist da Zucker und Milch drin?“

„Ja, so wie die letzten beiden Tagen.“ Celina nickte und nahm einen Schluck von dem Kaffee. Emanuel reichte mir auch einen Becher. „Milch ist genug drin.“ Ich bedankte mich, hielt den warmen Becher aber nur in den Händen. Er war schön warm. „Ich habe noch einmal mit der Krankenschwester geredet und nach Luca gefragt.“ Ich sah ihm in die Augen. „Wir können gleich zu ihm … wenn du das wirklich willst.“

„Ja, ich möchte ihn sehen.“

 

 

Emanuel hatte mich dazu gebracht noch einmal die Augen zu zumachen und zu versuchen, zu schlafen. Was dann auch eingetroffen war. Ich hatte ganze zwei Stunden geschlafen. In der zeit war Celina wieder nach hause gegangen, Emanuel hatte mir versichert, dass Polizisten auf sie aufpassten.

„Was ist eigentlich passiert?“, fragte ich Emanuel nachdem ich richtig wach geworden war. Jetzt ging es mir ein bisschen besser. Das war einfach viel zu viel für mich gewesen. Celina hatte tausend Fragen gestellt und mich nicht wirklich zur Ruhe kommen lassen und dann war da ja auch noch Luca gewesen. Jetzt wo ich wusste, dass ich ihn sehen durfte, war ich ruhiger. „Ich weiß, dass Leon mich gehen lassen wollte. Aber dann sind Leute in das Versteck gestürmt. War das die Polizei?“

„Ja, ein paar und auch Freunde von Luca.“ Ich sah Emanuel sofort an. Jason? Jason lebte noch? Erst jetzt hatte ich wieder an ihn gedacht, erst jetzt war er mir wieder eingefallen. Wie hatte ich ihn nur vergessen können?

„Jasons Leute?“ Er nickte.

„Ich hab dir ja schon gesagt, dass Officer Lane zu mir gekommen ist. Dann ging eigentlich alles recht schnell. Jason kam schwer verletzt ins Präsidium und wir haben es irgendwie geschafft eine Truppe zusammen zu bekommen, die euch retten könnte. Wir hatten das Überraschungsmoment auf unserer Seite und wir hatten Sprengkörper.“ Er machte eine kleine Pause und nahm meine Hand in seine. „Als ich dich dann in diesem Raum gefunden hatte, umgeben von dem ganzen Blut, mit Luca, der wie tot aussah, habe ich dich nur noch gepackt und raus gebracht. Wir konnten die meisten von Leons Leuten töten oder in Gewahrsam nehmen und auch Leon ist keine Gefahr mehr. In den letzten Tagen sind auch etliche Beamten und Politiker verhaftet worden, die mit Leon zutun haben.“

„Dank der Liste, die Mutter und Vater und Luca von ihm gestohlen haben?“ Emanuel nickte.

„Wir haben sie in Leons Besitz gefunden.“

„Sie war in meiner Kette gewesen. Mom hatte sie in ihre Kette getan, weil sie sich sicher war, dass ich sie immer bei mir tragen würde, wenn ihr etwas geschehen würde, denn ich hatte ihr mal diese Kette geschenkt.“

„Ja, das hätte zu Èllena gepasst.“

„Und was ist mit Jason?“

„Ihm geht’s gut, keine Sorge.“ Das war gut, wenigstens einer um den ich mir keine Sorgen machen musste. Und wenn seine Jungs wieder auf Celina aufpassten, dann brauchte ich mich auch nicht um sie sorgen. „Seine Jungs haben trotzdem ein Auge auf Celina, weil wir nicht wissen, ob es noch weitere Mitglieder gibt, die zu dem Zeitpunkt nicht in dem Versteck waren.“

„Das beruhigt mich etwas“, meinte ich, aber dann viel mir etwas ein. Eher jemand ein, dessen Name Emanuel noch nicht genannt hatte. Chris. Hatte er eben auch von Chris geredet? Aber … kannte Emanuel ihn überhaupt? „Du, Emanuel? Als du mich und Luca gefunden hast, war da noch jemand in dem Raum?“ Er fasste sich ans Kinn und sah zur Decke.

„Nein, ihr ward alleine, als ich euch fand.“ Meine Augen weiteten sich und ich krallte mich in die Matratze.

„Habt ihr dann einen Chris festgenommen?“

„Chris? Ich weiß es nicht, Charlie, wir haben so viele Leute festgenommen. Wahrscheinlich war ein Chris dabei.“ Das half mir aber nicht weiter. Ein wahrscheinlich war genauso schlecht wie ein vielleicht. Da war ein Ja aber auch ein Nein nicht auszuschließen.

Langsam stand ich von dem Krankenbett auf und lief etwas hin und her. Ich musste jetzt überlegen. Und vor allem musste Emanuel für mich heraus finden, ob Chris in Gewahrsam war, denn wenn nicht, hatten wir ein großes Problem. Wenn er entwicht ist, dann würde er sich rächen wollen. Das nahm ich jetzt einfach mal an. Denn Chris kam mir nicht so vor, als würde er sich in Sicherheit bringen wollen und das ganze hier vergessen. Als er mich gehabt hatte, nachdem ich die Kette aus meiner Wohnung geholt hatte, da hatte er zu Luca gesagt, dass er ihm auch eine Narbe zufügen würde. Also war Chris der Nachtagende Typ. Er würde nicht einfach untertauchen und das alles vergessen.

„Du musst für mich nachsehen, ob Chris im Gefängnis ist, Emanuel“, bat ich ihn und sah ihn auch an. Er seufzte, stand auf und hielt mir dann eine Tasche hin.

„Ich werde im Präsidium anrufen und sie bitten nach zusehen und du ziehst dich jetzt an. Das Angebot Luca zu sehen hält ja nicht ewig.“ Ich nickte und entließ ihn somit.

In der Tasche war nichts besonderes. Eine Jeans, ein Shirt, frische Unterwäsche und Chucks.

Als ich mich in der kleinen Toilette ein bisschen frisch gemacht hatte und mich dann angezogen hatte, trat ich nach draußen auf den Flur. Emanuel lief hin und her und hatte das Handy am Ohr. Ich hoffte sehr, dass sie Chris auch eingesperrt hatten … oder sogar vielleicht bei dem Einbruch gestorben war.

„Okay, ich danke dir“, beendete er das Telefonat und kam zu mir. „Also sie werden nach diesem Chris suchen, das kann nur etwas dauern.“ Das war verständlich. Ich selber wusste ja gar nicht, wie viele Leute Leon hatte, aber wenn ich davon ausgehe, wie viele uns ja schon gejagt hatten, mussten es viele sein.

Emanuel führte mich durch die langen Gänge des Krankenhauses bis zu einem Gang, der sehr verlassen aussah. Bis eben waren uns noch Ärzte, Patienten, die einen Rundgang machten, Krankenschwestern und auch Besucher begegnet, aber seit wir in den nächsten Flügel eingebogen waren, waren wir ganz alleine gewesen.

„Sie haben Luca hier hin verlegt, damit er in Ruhe hier liegen kann. Dadurch dass er noch Polizeischutz braucht, war das sicherer“, meinte Emanuel.

„Polizeischutz?“

„Eine Fahndung ist ausgesprochen worden, Akara. Ich weiß, dass er nichts böses getan hat, aber es wurde entschieden, dass es besser sei es so zu belassen, bis er wieder wach ist.“ Ich blieb stocksteif stehen und sah Emanuel nur entgeistert an.

„Aber er hat nichts getan.“

„Das weiß ich auch und auch als Smith verhaftet wurde, wäre das eigentlich Lucas Beweis gewesen, aber es wurde so entschieden. Luca und ich haben so entschieden. Ihm war klar, dass sowas passieren konnte. Er hat euch zwei beschützt ohne jegliche Rückendeckung von der Polizei, weil ich wusste, dass wir korrupte Polizisten haben. Dementsprechend ist er auch ein Verdächtiger.“ Ja, das leuchtete ein. Solange sie ihn nicht ins Gefängnis steckten, sobald er aufwachte. „Aber mach dir keine Sorgen, sobald er wach ist, werde ich dafür sorgen, dass das unter den Tisch gekehrt wird.“ Ich nickte und trottete dann hinter Emanuel her.

Wir bogen noch einmal ab und da sah ich dann schon die zwei Polizisten, die vor Lucas Zimmer postiert waren. An der Tür zeigte Emanuel seinen Ausweis, zur Sicherheit natürlich. Die beiden Polizisten nickten und einer machte die Türe auf.

„Darf ich alleine rein gehen?“, fragte ich und sah von Emanuel zu den beiden Polizisten.

„Das geht nicht“, sagte einer der beiden.

„Doch, lasst sie alleine gehen“, meinte Emanuel und sagte es in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Ich sah ihn dankend an und ging dann an den beiden Polizisten vorbei in das Krankenzimmer. Hinter mir schlossen sie dir Türe, sodass ich wirklich alleine mit Luca war.

Luca lag vor mir in einem Krankenbett, reglos und mit Schläuchen, die ihn am Leben halten sollten. … Und hoffentlich auch taten. In dem Raum roch es steril und das ständige piepen, das eigentlich Lucas Herzschlag bestätigte, war einfach nur schrecklich.

Ich nahm mir einen Stuhl und setzte mich an Lucas Bett. Meine Hand streckte sich nach seiner aus, aber ich stockte. Wollte ich ihn anfassen? War er kalt oder war er warm?

Das war egal, also nahm ich seine Hand in meine und umfasste sie auch noch mit meiner anderen Hand. Sie war kalt, nicht eiskalt, aber kälter als sie sein sollte.

„Du musst schnell gesund werden, Luca“, murmelte ich leise.

 

 

 

Eine Stunde lang saß ich an Lucas Bett, hielt seine Hand und starrte einfach nur auf sein regloses Gesicht. Den Ohrring hatten sie ihm ausgezogen und auch sein Tattoo war von Verbänden verdeckt. Ich hatte ihm ein paar Sachen erzählt, das was Emanuel gesagt hatte und auch meinen Verdacht, dass Chris noch frei herumlief. Auch wenn ich wusste, dass es dumm war, wiederholte ich mich und sagte immer wieder, dass er aufwachen sollte.

„Wie lange bist du schon hier?“, ertönte plötzlich eine Stimme. Ich erschreckte mich, aber nicht so, dass ich aufspringen würde, denn die Stimme kannte ich.

„Eine Stunde.“

„Du solltest jetzt gehen, Charlie.“ Ich drehte mich um und sah in ihre dunkelgrünen Augen. Sie hatte diesmal eine weiße Hose und darüber den üblichen weißen Arztkittel an. An ihrer Brust hing ein Schild: Nora Phillips. „Du solltest gehen und Luca vergessen, so wie ich es dir auch schon in eurem Versteck gesagt habe. Du solltest in dein altes Leben zurückkehren. Er würde für keinen sein Leben als Bodyguard oder Polizist aufgeben.“

„Das würde ich auch nicht von ihm verlangen.“

„Er wäre nie zuhause, du hättest nie Zeit mit ihm. Jetzt sagst du zwar, dass es dir nichts ausmacht, aber nach einiger Zeit wird es das doch. Außerdem ist er viel älter als du, was meinst du, soll aus euch werden? Du gehst zur Uni und er geht arbeiten. Ihr habt einfach unterschiedliche Interessen.“ Ich wusste das alles, das brauchte sie mir nicht auch noch unter die Nase reiben. Aber ich wusste auch, warum sie das so nachdrücklich sagte. Sie liebte Luca immer noch und er war ihr genauso wichtig, wie mir.

Ich drehte mich noch mal zu Luca, drückte seine Hand, aber er drückte nicht zurück, so wie vor ein paar Tagen. Sanft küsste ich seinen Handrücken. Ich wollte ihn los lassen, aber irgendwie konnte ich nicht. Nora hatte ja Recht, aber ich wollte ihm noch sagen, was ich empfand, ich wollte auch hören, was er empfand.

Doch da ging auch schon die Türe auf und eine weitere Person kam ins Zimmer.

„Alles okay hier drin?“, fragte Emanuels dunkle Stimme.

„Ja, Charlie wollte gerade gehen“, meinte Nora. Eigentlich ja nicht, aber was blieb mir auch anderes übrig?

„Das ist gut. Jason wartet vor dem Krankenhaus um dich zu Celina zu bringen.“ Seufzend stand ich auf und legte Lucas Hand wieder aufs Bett.

„Bitte wach schnell auf und werd gesund, das ist das einzige, was ich möchte“, hauchte ich ganz leise, damit auch nur Luca es hören konnte.

Ich verabschiedete mich nur leise von Nora. Wenn er aufwachte, dann würde sie da sein, sie würde für ihn sorgen. Außerdem passten sie einfach zusammen. Er war gut aussehend, sie wunderschön. Sie waren im gleichen Alter und Nora wusste genau, wie man mit ihm und seinem Job umzugehen hatte.

Emanuel sah mich an und als ich mit gesenktem Kopf an ihm vorbei ging, wurde sein Blick traurig.

„Was passiert jetzt?“, fragte ich Emanuel nach einiger Zeit des Schweigens. Wir kamen gerade an der Rezeption vorbei, wo die Schwester hinter den Tresen Emanuel zunickte.

„Jason bringt dich zu Celina. Bei ihr wirst du bleiben, bis ich ne neue Wohnung besorgt habe.“

„Warum kann ich denn nicht nach Hause?“

„Da ist es nicht mehr sicher, ich dachte das wüsstest du, nachdem ihr da angegriffen worden seid.“ Ich seufzte. „Du kannst bei Celina und ihrer Familie bleiben. Und wenn du dich dazu in der Lage siehst, kannst du in zwei Wochen die Deutschprüfung mit Celina wiederholen, um dann doch noch deinen Abschluss zu machen.“ Ich nickte.

„Ich werde es mir überlegen.“

„Ich werde mit ein paar Polizisten deine Sachen aus deiner Wohnung holen, das was man noch retten kann.“ Emanuel hielt mir die Türe auf und da sah ich auch schon Jason.

Er lehnte an einem schwarzen BMW, seine blonde Mähne hatte er wieder zurück gebunden und auch sein schwarzer Trenchcoat fehlte nicht.

„Hey Süße“, grinste Jason mich an. In seinem Gesicht waren etliche kleine Wunden, die allerdings mit Pflastern verdeckt wurden.

„Hey“, lächelte ich ihn leicht an.

„Danke das du mich zurück gelassen hast.“ Er zwinkerte mir zu und bekam noch ein breiteres Grinsen auf die Lippen. Und an diesem Grinsen sah ich, dass er es nicht ernst meinte.

„Hätte ich dich mit schleppen sollen?“

„Ach ne, mir ging es ganz gut eingequetscht in meinem Auto.“ Er machte die Beifahrertüre auf und verbeugte sich. „Braucht die Dame eine Mitfahrgelegenheit?“

„Ja, das wäre super.“ Damit stieg ich ein und hob kurz die Hand zum Abschied. Emanuel hob auch die Hand.

„Nimm es nicht so schwer, hörst du? Ihm wird es wieder besser gehen“, meinte Emanuel und lächelte traurig. Ich nickte.

„Ich will nur das er gesund wird.“

„Ich weiß, ich weiß.“ Jason machte die Türe zu und stieg dann auch ein.

Jason versuchte die ganze Fahrt über mich ein bisschen zum lachen oder wenigstens zum Lächeln zu bringen, aber danach war mir nicht wirklich. Ich konnte nur an Luca denken und daran, dass er vielleicht nicht mehr aufwachte, aber das Schlimmste war einfach, dass ich ihn nicht mehr sehen würde. Ich würde auch bestimmt nicht Bescheid bekommen, wenn er wach war. Das war jetzt vorbei.

Bei Celina stieg ich aus, sobald das Auto stand. Jason kam auch schnell raus, aber ich lief nur schnell durch den keinen Vorgarten und dann auf die Haustüre zu.

„Charlie, hey, jetzt warte doch mal“, rief er mir nach.

„Danke fürs Fahren. Bis irgendwann mal, Jason.“

„Charlie, jetzt warte ...“ Schnell klopfte und klingelte ich. Bitte mach auf, Celina. Bitte. Ich wusste, dass ich gerade etwas überreagierte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass auch er mir einen Vortrag halten würde. Und das konnte ich nicht noch mal. Nora hatte mir zwar Sachen an den Kopf geworfen, die ich gewusst hatte … aber ausgesprochen, war es schon etwas anderes.

Plötzlich wurde ich am Handgelenk gepackt und umgedreht. Im gleichen Moment ging auch die Türe auf.

„Charlie, hör mir doch nur einen kurzen Moment zu“, bat Jason mich. „Ich will dir keine Standpauke halten oder so.“

„Ich will auch keine Predigt hören“, meinte ich und riss mich los. „Es ist okay, ich hab es verstanden.“

„Nein, hast du nicht. Ich wollte dir vorschlagen, dass ich dir Bescheid gebe, wenn Luca über den Berg ist.“ Ich erstarrte und konnte Jason nur ansehen. „Ich weiß, dass alle anderen das für keine gute Idee halten, aber zwischen dir und ihm war was, das hab ich gemerkt und verdammt, ich hab dich irgendwie ins Herz geschlossen, sodass ich nicht mit ansehen kann, wie du mit diesem Gesicht durch die Straßen rennst.“ Er würde mir sagen, wann Luca gesund war? Er würde mich auf dem Laufenden halten? … Aber war das gut? Dann würde ich immer weiter an Luca denken und gar nicht von ihm los kommen. Ich meine, ich würde dann wissen, dass es ihm gut ginge, aber sehen könnte ich ihn trotzdem nicht. Ich könnte keine Beziehung zu ihm aufbauen und doch wäre er immer in meinen Gedanken.

„Das ist nett“, murmelte ich leise und schüttelte dann den Kopf. „Aber die anderen haben wohl Recht. Luca und mich … uns verbindet nichts, also brauche ich auch nicht zu wissen, wie es ihm geht.“

„Charlie ...“ Er streckte die Hand nach mir aus, aber ich ging einen Schritt zurück.

„Danke Jason, für alles was du getan hast und auch, dass du das hier für mich machen wolltest, aber es ist besser … für ihn und auch für mich.“ Von hinten legte sich eine Hand auf meine Schultern und drückten sie. Celina. Sie gab mir den restlichen Mut, Jason ganz abzuwimmeln. „Danke.“ Er nickte, holte etwas aus seiner Tasche und hielt es mir hin.

„Nimm trotzdem meine Nummer, wenn dir irgendetwas passieren sollte, wenn du Hilfe brauchst, ruf mich an.“

„Mache ich“, lächelte ich ihn leicht an und nahm seine Karte an. Damit drehte er sich dann endgültig um, stieg in seinen BMW und fuhr davon.

„Komm rein, meine Mom hat gerade gekocht“, meinte Celina. Ich nickte bloß und folgte ihr ins Haus. 

Kapitel 22

Kapitel 22

 

 

Ganze zwei Wochen sind jetzt vergangen. Ich hatte mich die ganze Zeit nur auf die Deutschprüfung konzentriert. Klar, in meinem Zustand war es ein bisschen absurd und ja, im einen Moment war ich noch auf der Flucht und im nächsten wieder auf der Schule und tat so, als wäre nichts passiert. Aber das konnte ich einfach nicht. Das wäre aber schlecht für meine Zukunft gewesen. Ohne Abschluss kein Collage und was dann? Noch ein Jahr auf die Schule gehen? Wieder bewerben? Das wollte ich nicht, also hatte ich mich mit Celina hingesetzt und gepaukt. Zwar brauchte ich das nicht, Deutsch war eines meiner Lieblingsfächer, aber das war gut zum Ablenken gewesen und vor allem hatte Celina dieses Pauken gebraucht.

Sie hatte mich die ganzen zwei Wochen immer versucht aus dem Haus zu bekommen. Ich war zwar mit ihr draußen gewesen und wir hatten uns auch mit den anderen getroffen, aber es war nicht das gleiche gewesen. Ich war nicht die gleiche gewesen … noch nicht. Seth hatte sich allerdings gefreut mich wieder zu sehen. Bei unserem ersten Treffen hatte er immer und immer wieder gesagt, dass er sich unheimliche Sorgen macht hatte und bla bla bla. Zwar ganz süß von ihm, aber ich hatte keinen Kopf für eine Beziehung … und vor allem war ich mir auch nicht mehr so sicher, ob ich es Ernst mit ihm meinen könnte. Seth war zwar nett zu mir, machte mir Komplimente und er blieb auf Abstand … aber ich war noch nicht bereit dazu.

Der Wecker klingelte und erschreckte mich.

„So Miss O´Niel, Miss Monro. Abgeben, Ihre Zeit ist vorbei.“

„Warten Sie, nur noch ein bisschen“, flehte Celina, was mich mit einem Schlag zurück in die letzte Prüfung zurück warf.

„Nein, Schluss ist Schluss.“ Damit nahm ihr unsere Lehrerin Stift und Papier ab. Celina protestierte und griff nach ihren Sachen, aber es half nichts.

„Komm schon, Celina“, meinte ich. Ich stand schon längst und ging zur Türe.

„Das ist unfair!“, beschwerte sie sich, als wir aus der Schule traten und zu ihrem Wagen gingen. Das tat sie noch die ganze Zeit, bis wir vom Parkplatz fuhren und dann bog sie in die komplett falsche Richtung ein.

„Wo willst du hin?“, fragte ich sie, aber da sah ich schon, wo genau sie hin wollte. In die Stadt, ins Einkaufszentrum.

„Wir gehen jetzt nach Abschlussballkleidern gucken.“

„Du weißt doch gar nicht, ob wir es geschafft haben.“

„Klar haben wir das, du ganz bestimmt. Du hast ja schon zwanzig Minuten lang geträumt.“

„Ich hab echt keine Lust jetzt tausend Kleider an zuziehen. Ich hab noch ein schönes schwarzes Zuhause.“

„Oh nein, auf keinen Fall. Das ist unser Abschluss, da wird ein anständiges Kleid für dich gekauft. Und außerdem brauchen wir jetzt ein bisschen Spaß. Du hast sicherlich keine Lust feiern zu gehen, also gehst du mit mir shoppen.“ Das sah ich ein. Shoppen war definitiv besser, wie feiern.

Also ließ ich mich von Celina in die Stadt bringen und dann mit schleifen, als sie einen Laden nach dem anderen abklapperte. Wir gingen erst in normale Läden, solche, die nicht nur formelle Kleidung sondern auch andere Sachen hatten. Aber diese Kleider waren alle nicht gut genug für Celina. Sie redete davon, dass das Kleid uns widerspiegeln musste, dass einfach perfekt sein musste. Ich fand das bescheuert. Es war nur eine Feier, zwar ein Abschluss, aber das musste ich einfach nicht groß feiern. Mit wem sollte ich es schon teilen? Meine Eltern waren nicht da, ich hatte keinen Freund und dementsprechend waren da nur Celinas Familie und die würde sich nur um sie kümmern. Ich tat dieses Abschluss zwar für mich, aber es war eben nichts besonderes mehr.

Doch Celina empfand nicht so. Sie schleppte mich in einen Desingerladen, der nur Abendkleidung hatte, steckte mich in eine Kabine und gab mir ein Kleid nach dem anderen. Sie waren alle unterschiedlich. Das eine kurz und lila, das andere rot und lang. Wiederum ein anderes ohne Arme, eins mit Spagettiträgern, eins mit Shirtarmen. Dann Ballonkleider. Kleider mit Rüschen. Mal davon abgesehen, dass ich die Kleider alle nicht toll fand, aber wenn sie Celina noch nicht mal im ersten Moment gefielen, war das Kleid auch schon aus dem Rennen. Und das war natürlich auch bei den Kleidern, die mir so ein bisschen gefielen. Aber Celinas Wort war Gesetzt. Ich hatte zwar versucht, Celina irgendwie dazu zubringen mal Pausen zu machen oder das ganze auf ein paar Tage zu verteilen, weil ich mich nicht wirklich wohl fühlte.

Emanuel hatte sich immer noch nicht gemeldet, um wegen Chris Bescheid zu sagen. Ich hatte ihn zwar auch mal angerufen, aber er war nie dran gegangen. Ich wusste, dass er viel zutun hatte, dadurch, dass wir Leons Organisation zerschlagen hatten, aber er musste mir doch sagen, was mit Chris war. Dementsprechend war ich auch ein bisschen hibbelig, wenn Celina und ich draußen waren. Wenn Chris wirklich in dem ganzen Chaos verschwunden war, was ganz gut möglich sein konnte, dann bestand noch Gefahr und das nicht nur für mich, sondern auch für alle Menschen um mich herum. Und dementsprechend schaute ich mich auch überall um und hatte Wahnvorstellungen, dass Chris uns auflauerte. Aber sagen tat ich nichts, ich wollte nicht, dass Celina auch noch Panik bekam.

 

 

Ganze zwei Stunden hatte ich jetzt ein Kleid nach dem anderen angezogen und wieder ausgezogen. Verdammt, das war doch nur ein Kleid für einen Abschluss, warum machte Celina so einen Rummel darum?

„Warum machst du eigentlich so ein Drama darum, es heute zu finden?“, fragte ich Celina geschafft. Ich hatte wirklich keine Lust mehr. „Die Zeremonie ist doch eh erst in zwei Monaten.“

„Das ist das letzte, versprochen“, murmelte sie und gab es mir in die Kabine. Ich achtete schon eine Zeit lang nicht mehr darauf, was sie mir da eigentlich gab. Ich zog nur noch an.

Als ich dann heraus trat, starrte Celina mich mit weit aufgerissenen Augen an, machte Schnappatmungen und zeigte mit ihrem frisch manikürten Zeigefinger auf mich. „DAS ist es“, hauchte sie. Ich kam weiter heraus und stellte mich vor den Spiegel. Das Kleid war cremefarbend oder doch weiß? Auf jeden Fall war es ein Weißton. Es hatte keine Träger und war am Dekolleté gerade geschnitten. Oben am Saum war es durch silberne Perlen verschönert, die auch noch unter der Brust weiter verliefen. Ansonsten floss das Kleid einfach perfekt an meinem Körper herunter bis auf den Boden. „Das musst du unbedingt nehmen, Char. Du siehst wundervoll aus.“ Sanft strich ich über den feinen Stoff und sah mich weiter im Spiegel an. Das Kleid unterstrich meinen leicht gebräunten Teint, den ich mir in den letzten Tagen angeeignet hatte, da die Sonne geschienen hatte. Celina und ich hatten uns dann kurzerhand entschieden uns an den Pool zu legen und ein bisschen Sonne zu tanken. Auch meine schwarzen Haare hoben sich perfekt von dem Kleid ab, erst recht meine rote Strähne. Und ich musste wirklich sagen, es war wunderschön. „Nimmst du es? Och bitte bitte bitte!“

„Ja, denke schon“, lächelte ich und strich noch mal über den Stoff. Celina sprang auf und jubelte.

„Und ich hab auch schon meins in dem ganzen Spektakel gefunden“, grinste sie, verschwand kurz und kam dann mit einem hellblauen Kleid wieder. Sofort verschwand sie in einer Kabine und zog es an. Als sie dann heraus kam, strahlte sie gerade nur so. Das Kleid war so geschnitten, dass es vorne nur bis zu den Oberschenkeln ging und hinten dafür bis auf den Boden reichte. Es hatte einen leichten V-Ausschnitt und ganz dünne Spagettiträger. Außerdem waren am oberen Teil viele kleine Pailletten angebracht. Das war wirklich ein super Kleid für Celina. Ihre blonden Haare passten perfekt zu dem hellen blau.

„Das steht dir wirklich gut“, meinte ich. Sie streckte die Faust in die Luft und grinste.

„Eingekauft!“, rief sie und ich musste einfach lachen. Sie war verrückt.

Den restlichen Tag liefen wir trotzdem noch im Einkaufszentrum herum. Tranken Kaffee, aßen ein Eis, shoppten noch ein bisschen, holten passende Schuhe, Taschen und vor allem passenden Schmuck. Aber erst setzten wir uns in ein Café, ich brauchte jetzt eine kleine Pause nach den ganzen Kleidern. Celina bestellte uns zwei Eiskaffee und sah dem Kellner hinter her. Sie war schon über ihn am tratschen, aber ich hatte nur Augen für den Mann der mit dem Rücken zu uns an einem der näheren Tischen saß. Er hatte sich kurz nach uns hingesetzt, war aber strickt mit dem Rücken zu uns geblieben. Die kurzen braunen Haare passten perfekt, sie sahen genauso aus, wie die von Chris und auch die Statur war die gleiche. Zudem saß der Mann leicht gekrümmt auf dem Stuhl, was vielleicht auf eine Verletzung hindeute, die Verletzung, die Luca ihm beigefügt hatte. Alles passte. Nur wie kamen wir hier weg, ohne das er es bemerkte? Ich musste Celina unauffällig sagen, dass ich keine Lust mehr hatte. Ich musste sie irgendwie davon überzeugen, dass wir nach Hause gehen sollten. Aber es gab eben keinen Grund. Es gab noch kein Essen und auch so hatten wir nichts anderes zu tun. Es war schönes Wetter, warum also nicht in der Stadt bleiben?

Aber in dem Moment kamen auch schon unsere Eiskaffees. Celina flirtete leicht mit dem süßen Kellner und schlürfte dann den Kaffee.

„Weißt du, mir ist nicht so gut“, fing ich an und nahm meine Tasche.

„Quatsch, wir brauchen doch noch Schuhe und Schmuck.“

„Können wir das nicht auf einen anderen Tag legen?“ Nachdem ich Emanuel Bescheid gegeben hatte, dass Chris hinter uns her war?

„Es ist doch schön hier, dann haben wir es hinter uns, ich weiß ja, dass du keine große Lust hast, aber komm schon.“ Verdammt. Der Typ vor uns bewegte sich, griff hinter sich und in seine Jacke. Wir mussten hier weg.

„Celina, wir müssen wirklich weg hier. Chris ...“, fing ich fast hysterisch an, aber da drehte sich der Mann leicht zu uns, bekam ein riesiges Lächeln auf die Lippen und stand auf. Nur um kurz danach eine Frau zu umarmen. Und da sah ich, dass es gar nicht Chris war. Er war irgendein Fremder. Geschafft lehnte ich mich zurück in meinen Stuhl und atmete ein bisschen hektischer.

„Char, was ist denn los mit dir?“ Ich schüttelte nur den Kopf. Das war doch nicht mehr auszuhalten.

Auch im Verlauf des Tages sah ich Gespenster. Jeder Mann mit braunen Haaren war Chris. Warum konnte ich mich nicht auf die Sachen konzentrieren, die hier waren?

 

Rechtzeitig zum Abendessen waren wir wieder zuhause. Celinas Eltern wollten unbedingt, dass wir ihnen die Kleider zeigten, sie hatten sie ja schließlich bezahlt, aber Celina wollte die Spannung aufrecht erhalten und weigerte sich … und wenn Celina sich weigerte, dann musste ich es ihr gleich tun.

Nach einer ordentlichen Dusche lagen Celina und ich dann auch schon, im knappen Schlafanzug, weil es so warm war, in unseren Betten. Celina schlief natürlich in ihrem Bett, mir hatte sie eine Matratze auf den Boden neben ihrem Bett gelegt. Allerdings war diese ziemlich gemütlich.

„Gehst du jetzt mit Seth zum Ball?“, fragte Celina plötzlich und steckte sich ein paar M&M´s in den Mund. Ich schnappte mir die Tüte und nahm mir auch ein paar.

„Er hat mich zwar gefragt, aber ich weiß nicht“, murmelte ich kauend.

„Ihr seid doch als Ballkönig und -königin nominiert, oder nicht?“

„Schon.“

„Du musst mit ihm hin gehen, auch wenn es nur ist, um den Schein zu wahren.“

„Mit wem gehst du denn?“

„Juan hat mich gefragt.“

„Ja, er steht ja auch auf dich. Wirst du mit ihm gehen?“

„Ja, denke schon. Er ist noch der süßeste von allen, die mich gefragt haben.“ Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Hast du vielleicht mal Jason angerufen?“ Das fragte sie so leise, sie nur konnte, allerdings war es still im Zimmer, sodass es lauter war, als es sein sollte.

„Nein.“

„Warum nicht?“ Jetzt drehte sie sich auf die Seite und sah mich an. „Er könnte wissen ...“

„Ich muss mich von ihm fern halten, Celina“, sprach ich ihr dazwischen, weil ich genau wusste, worauf sie hinaus wollte.

„Aber du weißt doch gar nicht, ob er das auch will.“

„Wenn er wach sein sollte, dann weiß er bestimmt wo ich bin. Für ihn wird es ein leichtes sein mich zu finden, aber das wird er nicht tun. Ich bin nicht die Frau, die an seine Seite gehört, dass hat mir Nora nur zu verständlich klar gemacht.“

„Seine Ex?“ Ich nickte nur. „Ja, is ja klar. Sie will ihn ja auch zurück haben. Ich hätte dir, an ihrer Stelle, auch gesagt, dass du die Finger von ihm lassen sollst.“

„Er ist 10 Jahre älter.“ Celina zuckte die Schultern.

„Und? Du bist keine 16. Du wirst bald zwanzig, Char, das ist nicht strafbar, also warum machst du dir so Sorgen?“ Worüber ich mir Sorgen machte? Das war doch eindeutig oder nicht? Ich machte mir deswegen Sorgen, dass er erst gar nichts für mich empfinden könnte. „Seit ich im Krankenhaus gewesen bin, hast du kein Wort mehr über ihn verloren. Dabei wollte ich dich ausfragen, wie die Küsse waren. Ich meine er ist schon scharf. Irgendwie fand ich den Ohrring richtig cool und das Tattoo auf seiner Brust erst. Was war das noch mal?“

„Ein Drache aus Tribals.“ Celina kicherte und ich sah sie an.

„Also denkst du doch noch an ihn?“ Schnell drückte ich mir ein Kissen aufs Gesicht.

„Ich versuche, nicht an ihn zu denken, Celina!“

„Jaja, aber du musst mir trotzdem erzählen, wie es zu den Küssen gekommen ist. Ich will das unbedingt wissen. Bitte, Char, bitte, bitte.“ Ich seufzte und legte das Kissen wieder neben mich.

„Ich weiß doch selber nicht, wie es genau dazu kam, deswegen bin ich mir auch so unsicher, was sie überhaupt aussagen oder ob sie überhaupt eine Bedeutung hatten.“

„Erzähl!“

„Also … der erste Kuss war ...“ Ich wurde leicht rot. Denn Celina war doch dabei gewesen. Verdammt, sie würde mich aufziehen. „Das war nachdem sie uns durch dein Handy gefunden haben, als wir bei Beth waren.“ sie sprang auf und sah mich mit weiten Augen an.

„Wann?“

„Da hast du im Wohnzimmer geschlafen“, murmelte ich leise. „Ich … ich weiß auch nicht. Ich hab seine Wunden noch mal gesäubert und dann hab ich geweint, er hat mich getröstet und dann … dann ist es passiert.“

„Und ich war dabei? Oh mein Gott!“ Sie drehte sich auf den Rücken und zappelte ein bisschen herum, dann drehte sie sich wieder zu mir. „Weiter!“Seufzend drehte ich mich auch auf die Seite und erzählte ihr von den anderen Küssen. Dabei wurde ich immer roter, nicht nur, weil es mir ein bisschen peinlich war, es Celina zu erzählen, sondern auch, weil sie darum so ein Theater machte. Sie sprang immer auf, wedelte mit den Händen und quietschte. Und letztere machte sie bei dem nächsten Kuss am lautesten, da ich ihr auch erzählte, dass wir uns gegenseitig … also … die Shirts ausgezogen hatten. Das fand Celina so aufregend und klatschte sogar in die Hände, damit ich weiter erzählte.

„Also jetzt mal ehrlich, da lief doch was zwischen euch, wie kannst du nicht wissen, wie du diese Küsse deuten sollst?“ Ich hatte ihr alles erzählt, jeden einzelnen Kuss, wie er mich vor diesem Typen in dem Motel gerettet hatte, wie er meine Hand gehalten hatte, dass er ganz bewusst meine Hand halten wollte. „Luca steht auf dich.“

„Ach hör auf, Celina.“ Ich drückte mir wieder das Kissen ins Gesicht.

„Warum? Du solltest mal logisch denken, wenn er dich küsst und dich noch nicht mal wegstößt, dann kann er nur etwas für dich empfinden. Ein Mann mit seinem Job und seinem Verstand wird nicht einfach so eine seiner Klienten küssen, auch wenn er es wirklich nötig hätte.“

„Hör auf!“

„Du solltest Jason anrufen, Char, jetzt mal wirklich.“

„Ich überleg es mir“, murmelte ich, drehte mich mit dem Rücke zu ihr und schloss die Augen.

„Liebst du ihn denn?“ Sie flüsterte jetzt wieder.

„Ja“, hauchte ich leise und drückte das Kissen an mich. Meine Finger legte ich an meine Lippen. „Ich weiß nicht, wann und wie das passiert war … aber ...“ Sofort kam mir ein Bild in den Sinn. Luca wie die großen Scheinwerfer, des Stadions, seine grauen Augen reflektieren ließen, sein harten und kantiges Gesicht auf mich gerichtet, sein Dreitagebart, die Mütze, die nur seinen schwarzen Pony raus ließ, der kleine silberne Ohrring an seinem rechten Ohr, die beige Jeans, wo er die Hosenbeine in seine schwarzen Stiefel gesteckt hatte, das schwarze langärmelige Shirt und die schwarze Weste. Die Säule.

Jetzt wurde mir erst bewusst, dass ich mich mit einem Schlag in ihn verliebt hatte. Und nur weil er auch noch unser Bodyguard wurde, hatte ich zeit ihn mir weiter anzusehen … und mir Sorgen um ihn zu machen.

„Ich wette, es war nur, weil er dich immer beschützt hat“, meinte Celina.

„Nein, nicht nur deswegen.“ Das wurde mir auch jetzt alles erst klar. Er hatte von Anfang an eigentlich immer klare Regeln gesetzt … die er langsam aber sicher immer mehr abgelegt hatte.

„Willst du echt nicht wissen, wie es ihm geht?“

„Doch, das will ich mehr als alles andere“, hauchte ich ganz leise und krallte mich in mein Kissen.

„Es tut mir leid, Char.“

„Mir auch.“ Eine kleine Träne rann mir über die Wange. „Mir auch.“

 

 

 

Die nächsten zwei Monate vergingen auch fast wie im Flug, meinte Celina zumindest. Ich empfand nicht so. Seit dem Gespräch mit Celina musste ich mich zusammenreißen, nicht an Luca zu denken. Die zwei Wochen hatte ich es gut hinbekommen, aber seit Celina wieder damit angefangen hatte, schwirrte er mir im Kopf herum.

Allerdings hatte Celina das auch schnell bemerkt und hatte versucht, mich ab zulenken. Sie schleifte mich mit in die Stadt, zu den anderen entweder zu Filmeabende oder kleinen Partys, ins Stadion, ins Kino oder sonst wohin. Ich ging immer mit, was sollte ich auch anderes machen? Und ich tat so, als hätte ich Spaß. Ich wollte sie nämlich nicht damit belasten, dass ich noch nicht wirklich über Luca hinweg war. Sie gab sich nämlich die Schuld. Und genau deswegen hatte ich mich auch zweimal mit Seth getroffen. Er hatte mich beim ersten Mal zum Essen eingeladen und beim zweiten Mal waren wir im Kino gewesen. Seth hatte natürlich die Gelegenheit genutzt, um seinen Arm um mich zu legen und natürlich hatte er abends dann auch einen Kuss haben wollen, den ich ihm gegeben hatte. Aber als er dann versucht hatte diesen zu vertiefen und auch noch seinen Hand unter mein Shirt schieben wollte, hatte ich mich von ihm getrennt. Das konnte ich eben noch nicht, noch nicht so bald.

Dann hatten Celina und ich auch noch mitgeteilt bekommen, dass wir die Deutschprüfung bestanden hatten und somit hatten wir auch unseren Abschluss in der Tasche. Celina hatte einen Freudentanz gemacht und wild herum geschrien. Sie hatte mich zu einer Party geschleift und mich gezwungen, zu feiern.

„Morgen ist es soweit!“, rief Celina und tanzte auf ihrem Bett herum. Sie schwang ihre Hüften und summte fröhlich vor sich hin. Ich sah sie nur an und schüttelte den Kopf.

Plötzlich packte Celina mich und zog mich zu sich aufs Bett. Dementsprechend musste ich mit tanzen.

„Celina“, quengelte ich. Ich wollte einfach nur ins Bett, schlafen und vor allem das der Tag morgen so schnell vorbei ging, wie nur eben möglich. Gute Laune war im Moment etwas, was ich nicht wirklich hatte und deswegen wollte ich auch den anderen ihren großen Tag einfach nicht versauen, nur weil ich schlecht gelaunt war.

„Komm schon, das wird super. Glaub mir doch.“

„Kann schon sein, aber ich möchte echt keinen Freuden Tanz aufführen. Es ist ein Abschnitt in meinem Leben, der jetzt vorbei ist. Es wird so oder so langsam zeit, dass wir aufs Colleg kommen. Ich liege deinen Eltern schon viel zu lange auf der Tasche.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.

„du weißt doch ganz genau, dass du wie eine Schwester für mich bist und dementsprechend bist du auch ein Kind meiner Eltern. Würde es ihnen etwas aus machen, wenn du hier bist, hätten sie schon längst etwas gesagt, aber das haben sie nicht, also entspann dich.“ Damit ließ sie sich auf ihr Bett fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ich bekomm dich noch dazu, dass du morgen Spaß hast, wart es nur ab.“ Da war ich nicht so überzeugt von. 

Kapitel 23

Kapitel 23

 

„Komm ich schminke dich jetzt etwas, du kannst doch nicht so zur Ballkönigin gekrönt werden!“ Celina stemmte ihre Hände in ihre Hüfte und sah mich böse an. Ich hatte schon das beige Kleid an, was ich vor Monaten mit Celina gekauft hatte, ich hatte auch schon zugelassen, dass Celina etlichen Schmuck an mir ausprobierte, aber auf Schminke hatte ich wirklich keine Lust. Mal davon abgesehen, dass es draußen ziemlich warm war. Die schminke würde mich eher zum Schwitzen bringen, als das sie mich hübsch machen würde.

„Ich will mich nicht schminken, Celina“, jammerte ich und hielt mir die Hände vors Gesicht.

„Auch wenn du ohne Schminke auch wunderschön aussiehst, lass mich dir wenigstens ein bisschen Wimperntusche auflegen und zumindest einen leichten Lippenstift, bitte, Char!“ Ich linste zwischen meinen Fingern hindurch und sah dann in ein flehendes Gesicht.

„Oh mann, ja okay“, seufzte ich und gab mich so geschlagen. Celina klatschte in die Hände und holte aus dem Bad ihren Schminkkasten. „Aber nur Wimperntusche und Lippenstift … einen leichten! Keinen roten!“

„Jaja.“

Und dann war Celina in ihrem Element. Erst machte sie mir schwarze Wimperntusche drauf und das sehr langsam und sorgsam, damit meine Augen noch mehr zur Geltung kamen. Sie redete die ganze Zeit davon, dass ich meine Augen mehr untermalen sollte, da ich doch so wunderschöne haselnussbraune Augen hatte. Jeder Mann würde mir hinterher laufen, wenn ich sie mit diesen nur einmal anklimmper. Danach nahm sie sich einen durchsichtigen Lipgloss und einen leicht roten Lippenstift.

„Ganz ruhig, ich werd deine Lippen nur ein bisschen betonen“, beruhigte sie mich und schmierte ein bisschen von dem Lippenstift auf einen kleinen Pinsel. Mit diesem malte sie dann auf meinen Lippen. Als letztes kam dann noch ein bisschen Lipgloss drauf. Und sie hatte Recht, es sah ein bisschen besser aus. Seufzend bedankte ich mich bei ihr und sah ihr dann zu, wie sie sich fertig machte. Sie schminkte sich etwas mehr, machte sich passend zu ihrem blauen Kleid auch blauen Liedschatten auf die Augen, schwarzen Kajal, schwarze Wimperntusche und Lipgloss drauf. An Schmuck nahm Celina sich nur lange silberne Ohrringe, ich hingegen trug keinen Schmuck. Unsere Haare machten wir uns gleich, bis auf kleine Einzelheiten. Celina machte ihre Blonde Haarpracht etwas voluminöser, sodass ihre Haare ihr Gesicht richtig umschmeichelten. Ich glättete mein braunes Haar nur, ließ es einfach herunter fallen, allerdings nahm ich mir meine rote Strähne, drehte sie ein bisschen und fixierte sie hinten an meinem Kopf, sodass sie einen Kontrast zu meinen braunen Haaren darstellte. Celina gefiel diese Idee total und gab mir ihr Okay, dass ich so raus gehen durfte. Danke auch, als wenn ich ihre Erlaubnis brauchte.

Plötzlich packte Celina mich an meinen Schultern und sah mir fest in die Augen.

„Hör mal, ich will, dass das hier einer der schönsten Tage für dich wird. Nur ich alleine kann da nichts dran ändern. Du musst mir schon was helfen. Möchtest du das?“ Ich sah Celina in ihre hellblauen Augen und wollte etwas sagen, aber ich ließ es. Ich wusste nicht was ich wollte. Das war ja mein Problem. „Willst du Luca hinterher trauern oder dich auf etwas anderes einlassen? Dich auf jemanden einlassen, der wirklich Gefühle für dich hat und der hier ist oder willst du auf einen Mann warten, dessen Job es ist, nicht erkannt zu werden? Lucas Job ist es Menschen zu beschützen und dabei selber in Gefahr zu geraten. Wenn er aus dem Koma erwacht, kannst du dann damit leben, dass er vielleicht Wochen oder sogar Monate nicht bei dir ist? Kannst du damit leben, dass eure Beziehung nie öffentlich gemacht werden kann, weil die Gefahr besteht, dass Rivalen von Luca dich als Drohmittel verwenden können? Oder willst du ein friedliches Leben mit Seth, der immer für dich da sein wird, mit dem du kleine Junior Seths machen kannst, die dann wie ihr Vater Football Profi werden?“ Ich sah zu Boden. Sie hatte ja Recht, diese Disskusion hatte ich doch auch schon mit mir selber. Mal davon abgesehen, dass ich noch nicht mal weiß, ob Luca etwas für mich empfand. Er hatte mit keinem Wort davon gesprochen. Auch wenn er mich geküsst hatte, sagte das noch nichts über seine Gefühle aus … und Tatsache war einfach das Seth hier war und Luca eben nicht. Und Seth bemühte sich ja auch wirklich um mich.

„Du hast ja Recht“, murmelte ich.

„Tanz mit Seth und erwidere den Kuss, wenn er versucht, dich zu küssen. Lass es einfach zu, okay? Ihr werdet zum Ballkönig und Königin, das habe ich einfach im Gefühl, also genieß es.“ Ich nickte und setzte ein Lächeln auf, was auch Celina zum Strahlen brachte. Sie checkte noch mal unser Aussehen und dann durften wir auch runter zu ihren Eltern gehen, die schon mit warteten, um Fotos zu machen. Celina zog mich an ihre Seite und posierte schön für ihre Eltern, ich sollte natürlich mit machen. Ihr zu Liebe tat ich es auch, machte ein paar Posen und zeigte mein bestes Lächeln.

Zum Glück war das auch schnell erledigt und wir konnten zur Kirche fahren. Denn bevor wir überhaupt in die Schule fahren würden, hatten wir erst einmal einen Gottesdienst, der schon vor langem von uns Schülern organisiert worden war. Es war immer ein hin und her zwischen singen und einer kleinen Predigt oder Fürbitten. Die Eltern waren alle total aus dem Häuschen und auch als alle die Kirche verließen, wurde noch über die tolle Messe geredet. Allerdings kamen auch dann die schönen Kleider der Mädchen und die schicken Anzüge der Jungs zur Sprache. Und ich musste sagen, dass die Jungs sich wirklich große Mühe gemacht hatten. Seth hatte mir sofort ein Riesen großes Kompliment wegen des Kleides gemacht und ich hatte es nur zurück geben können. Er trug einen traditionellen schwarzen Anzug mit weißem Hemd, aber es sah einfach nur scharf bei ihm aus. Er sah einfach erwachsener aus.

„Soll ich dich mitnehmen, Char?“, fragte Seth und spielte mit seinen Autoschlüsseln. Neben ihm stand niegelnagel neuer Smart Roadster. Es war ein Zweisitzer, wo die Türen nach oben auf gingen. Davon hatte er mir letztens schon erzählt, dass seine Eltern ihm den Smart zum Abschluss schenkten … ich meine, seine Eltern konnten es sich leisten. Seth war wirklich stolz auf dieses wunderschöne Auto, dass mir klar war, dass er es mir unbedingt zeigen wollte. Ich sah kurz zu Celina, aber die nickte nur heftig und grinste breit. Ich nickte auch Seth zu und prompt machte er mir auch schon die Beifahrertür auf. „Es wird dir gefallen“, grinste er und machte die Türe wieder zu. Dann war er innerhalb ein paar Sekunden auch schon neben mir und ließ den Motor aufheulen. Klar wollte er jetzt vor mir mit seinem Auto angeben.

„Ist echt ein schönes Auto“, meinte ich, damit er sich noch besser fühlte. Und sofort war in riesiges Grinsen auf seinen Lippen, was mich auch leicht ansteckte.

Er drückte extra auf die Tube und zeigte mir, was der neue Wagen alles drauf hatte. Dadurch waren wir mit einer der Ersten an der Schule. Zum Glück war es kein Cabrio gewesen, sonst hätte ich meine Frisur noch mal neu machen können.

„Ich liebe dieses Auto. Hab es erst ein paar Tage, musste aber schon drei Mal tanken“, grinste er und bekam das strahlen nicht mehr aus seinen Augen. Okay, er liebte dieses Auto wirklich. Ich lächelte und ließ mich darauf ein, ließ mich von seiner guten Laune anstecken. Obwohl mein Verstand immer noch an Luca und vor allem an Chris dachte. Ich wollte mich nicht auf Seth einlassen, aber Celinas Bitte erklang wieder in meinen Ohren. Und dazu kam noch, dass ich ihr Versprochen hatte es mit Seth zu versuchen. Ich musste mein Leben wieder auf Vordermann bringen und das ging nicht, solange ich an einen Mann dachte, der eh nie zu mir gehören würde. Zwar war es so, dass ich mir Gedanken über Chris machte, aber da musste ich auch ein bisschen auf Emanuel vertrauen. Und doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas schlimmes passierte.

Als wir an der Stuhle ankamen befahl Seth mir sitzen zu bleiben. Er wollte mir unbedingt die Türe auf machen. Ich ließ ihn einfach. Davon mal abgesehen, dass ich ihn sicherlich nicht vom Gegenteil überzeugen könnte.

Er drückte einen Knopf, sodass seine Türe aufging, meine allerdings ging noch nicht auf. Erst als er einen weiteren Knopf gedrückt hatte, sprang er aus dem Auto, flitze um es herum und wartete dann an meiner Türe darauf, dass diese auf ging. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, weil Seth einfach nur wie ein Irrer ausgesehen hatte. Schnell, bevor Seth etwas merkte, hielt ich mir die Hand vor den Mund, um mein Lächeln zu verstecken. Die andere wurde von Seth eingenommen, als er mir beim Aussteigen half. Er grinste mich an und das zeigte mir, dass er genau wusste, wie bescheuert er ausgesehen hatte. Ohne weiter auf das Auto zu achten, machten wir uns auf den Weg zur Aula. Die Türen schlossen sich schon von selber und Seth brauchte nur noch auf seinen Schlüssel drücken, damit es verriegelt wird. Gerade als das Klick-Geräusch ertönte und Seth meine Hand fester hielt, spürte ich einen unangenehmes Gefühl. Augenblicklich blieb ich stehen und sah über meine Schulter. Mir lief ein Schauer über den Rücken, genauso wie bei unserem letzten Footballspiel. Ein Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Damals war es nur Luca gewesen, aber jetzt hatte ich das dumme Gefühl, dass es diesmal jemand ganz anderes war.

„Char, alles in Ordnung?“, fragte Seth mich und ich musste ihn ansehen. Sagte ich ihm, dass ich kein gutes Gefühl hatte oder tat ich so, als wäre da nichts …. ich wusste ja gar nicht mit Sicherheit, ob da etwas war. Seit diesen ganzen Vorfällen war ich nunmal ein bisschen paranoid … aber das mit Recht.

„Ja, ich wollte nur gucken, wo die anderen bleiben“, meinte ich schnell und drehte mich wieder zu Seth.

„Die kommen schon.“ Er packte meine Hand fester und zog mich an sich. Ich ließ es zu, aber das ungute Gefühl blieb … und auch der Blick verschwand nicht. Auch wenn ich mich auf Seth und die anderen konzentrierte, auf Spaß konzentrierte, blieb der Blick auf mir ruhen.

Es dauerte etwas bis alle Schüler und ihre Familien von der Kirche in der Aula versammelt waren. Erst dann konnte es weiter gehen. Es wurden Reden gehalten, Lieder gesungen, Gedichte vorgetragen und erst dann wurden die Zeugnisse verteilt. Stufe für Stufe, Schüler für Schüler.

„Akara Charlie O´Niel!“, wurde mein Name aufgerufen. Meine Freunde fingen sofort an zu jubeln. Ich wurde leicht rot, aber was hatte ich schon anderes von diesen Chaoten erwartet? Sie waren nun mal eine Sachen für sich.

„Charlie!“, schrie Celina und pfiff so laut sie nur konnte. Sofort drehte ich mich zu ihr um und sah sie böse an. Meine Freunde lachten nur.

Als ich dann endlich auf der Bühne stand, lächelten mich meine Lehrerin und auch der Schulleiter an. Der letztere bekam das Grinsen nicht mehr von seinem Gesicht. Wie auch, bei so einem Aufstand, den meine Freunde veranstaltet hatten.

„Herzlichen Glückwunsch, Charlie“, meinte meine Lehrerin und gab mir mein Zeugnis. Dann ging ich zu unserem Schulleiter, der eine Rose und einen kleinen Umschlag in Händen hielt.

„Auch von mir herzlichen Glückwunsch“, sagte er und gab mir erst einmal die Rose. „Zudem noch Glückwunsch für die Besten Prüfungen der Klasse.“ Prompt wurde es lauter, ausgehend von meinen Freunden, aber nach und nach wurde es immer lauter, weil alle anfingen zu klatschen. Ich wurde immer kleiner, immer roter. Warum war das so peinlich? Eigentlich war das was gutes … aber auch ein bisschen übertrieben.

Aber dieses peinliche Gefühl war schnell verschwunden, denn es wich einem anderen Gefühl … einem unangenehmen und stechendem Gefühl. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter und all meine Haare auf dem Körper stellten sich auf. Mein Puls beschleunigte sich und ich drehte mich zu den anderen herum. Mein Blick allerdings war auf eine Person gerichtet, die hinter der ganzen Menge stand, direkt neben der Türe. Kalte, braune Augen starrten mich an. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.

Wir sahen uns einige Sekunden in die Augen und auf seine Lippen legte sich ein siegessicheres Grinsen.

„Miss O´Niel?“, holte mein Schulleiter mich aus meiner Starre.

„Danke“, murmelte ich, nahm den Umschlag, der wohl ein Gutschein war, entgegen und bedankte mich noch mal. Was mich allerdings dazu brachte auf den drei kleinen Treppenstufen zu stolpern war, da Chris jetzt nicht mehr an der Türe stand. Er war verschwunden. Einfach so von jetzt auf gleich. Weg. Und das war noch schlimmer, als überhaupt zu wissen, dass er hier war.

Mir kamen zwei Jungs zur Seite, als ich die Treppe herunter stolperte.

„Alles okay?“, fragte einer der beiden, aber ich nickte bloß und trockelte an ihnen vorbei zu meinen Freunden. Auch Seth kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu, doch das einzige was ich sah, war Celinas vor Angst geweitete Augen. Sie war kreidebleich und sah mich einfach nur mit großen Augen an. Wobei ich mir sicher war, dass ich genauso aussah. Schnell ging ich an Seth vorbei auf Celina zu.

„Sag mir nicht, dass er hier ist“, hauchte sie. Ihre Stimme zitterte und auch ihre Hände krallten sich in meine Arme. Was tu ich jetzt? Sage ich ihr, dass ich ihn gesehen hatte oder sagte ich ihr, dass ich mich nur verguckt hatte? Doch ich war selber verblüfft, dass sie alleine durch meine Gesten ausgemacht hatte, wen ich gesehen hatte. Ich hatte angenommen, dass sie nicht so sehr darunter gelitten hatte, was uns da schlimmes passiert war, aber so wie es aussah, war dem nicht so. Ich hatte gehofft, dass sie ein bisschen abgeschottet wäre, wenn sie bei ihrer Familie zuhause sei und nicht mit mir und Luca zusammen mitten drin. Nur hatte Celina sich ständig Sorgen um mich gemacht, hatte mit mir gelitten und vor allem hatte sie genauso viel Angst vor Chris und seinen Leuten, wie ich. Und deswegen musste ich sie einfach anlügen, ich musste ihr sagen, dass ich gedacht hatte, ihn gesehen zu haben. Diese Last konnte ich ihr nicht aufbürden, vor allem nicht heute, nicht an unserem Abschluss.

Ich schüttelte den Kopf und löste ihre Hände von meinen Armen. Nahm ihre zitternden Hände in meine und drückte sie.

„Ich hab gedacht ihn gesehen zu haben, aber das war nur ein Vater eines Schülers.“ Ich lächelte traurig und drückte ihre Hände noch etwas fester. „In letzter Zeit sehe ich Geister, ich hab jetzt schon öfter gedacht, dass er in unserer Nähe wäre.“ Sie schluckte und sah mir in die Augen.

„Das tut mir so leid, Charlie.“

„Kein Problem.“ Ich lächelte wieder, damit sie sich beruhigte und das klappte auch. Sie glaubte mir, vertraute mir und auch, wenn ich sie gerade anlog und ihr Vertrauen missbrauchte, war ich überglücklich, dass sie mir so sehr vertraute. Ich musste sie einfach beschützen.

„Das ist der Wahnsinn, da hat die mal eben so vier Einsen geschrieben!“, rief Kyle aus und grinste mich an. Damit wollte er die Stimmung wieder heben und genau das schaffte er auch, weil sich jetzt alle über meine Noten beschwerten. Auch Celina mischte sich da ein, weil sie ihre gewünschten Zweien auch nicht erreicht hatte, bis auf Deutsch. Da hatte sie noch knapp eine zwei bekommen.

 

 

Es dauerte noch eine Weile, bis alle Klassen durch waren. Es entstand ein wildes Treiben. Schüler aus unteren Klassen spielten Kellner, liefen mit Tabletts herum auf denen entweder kleine Häppchen oder etwas zu trinken war. Wir unterhielten uns noch mit unseren Lehrern, bedankten uns für Noten, die wir noch gerade so bekommen hatten oder eben für Noten mit denen wir nicht gerechnet hatten, weil wir auf der Kippe gestanden hatten. Das hier war auch die Chance der Eltern sich noch ein letztes Mal mit den Lehrern zu unterhalten oder diese noch besser kennen zu lernen, weil auch noch ihre anderen Kinder auf die Schule gingen.

Nach einer Stunde löste sich dann alles auf. Wir entschieden uns alle zusammen Essen zu gehen, natürlich mit unseren Eltern … also die anderen mit ihren Eltern ich alleine, aber das machte nichts, da wir alle zusammen blieben. Da viel es nicht wirklich auf, dass ich eben keinen bei mir hatte.

Wie ließen uns das Essen schmecken, hatten Spaß und unterhielten uns angeregt über die Prüfungen – die jetzt eigentlich gar kein Thema mehr sein sollten - und vor allem über die Abschlussfeier. Nach diesem ließen uns die Eltern und Geschwister alleine, denn jetzt kam der Beste Teil des ganzen Abends. Der Abschlussball.

Wir hatten eine riesige Halle gemietet, plus DJ und Bühne, damit A) unsere Schulband auch was Musik machen konnte und B) Verlosungen oder eben der Abschlussballkönig und -königin gewählt werden konnte. Dazu gab es drei Bars, wo wir Alkohol her bekamen oder auch anderes und ein kleines Buffet, wo Bohle und auch kleine Snacks bereit standen. Das Motto des Abschlusses war Las Vegas und dementsprechend hatten wir die Halle geschmückt. Es war alles sehr elegant, man hatte einen alten Pokertisch besorgt, hatte die Sitzmöglichkeiten auch so dekoriert, als seien es Spieltische. Auch alte Spielgeräte standen an den Seiten. Da hatten sich die Verantwortlichen wirklich Gedanken gemacht.

Als wir dann zusammen durch die Türen traten, mussten wir sofort zur Seite gehen, um Fotos zu machen. Einmal eins als Gruppe, dann als Pärchen. Celina wollte allerdings noch ein Foto mit mir alleine und vor allem noch eins mit allen Mädels zusammen.

Neben dem Normalen Fotostand, hatten sie ein Bild gestellt, wo man nur den Kopf durchstrecken musste. Insgesamt standen dort drei verschiedene. Einmal eins wo ein Brautpaar abgezeichnet war, einmal ein Mann und eine Frau, die nur im Bikini beziehungsweise Badehose standen und sich zur Schau stellten und das letzte zeigte ein Paar das Mittelalterliche Kleider trug. Das mussten wir natürlich auch machen. Am Ende hatten wir bestimmt Dutzend Bilder gemacht, die laut Celina auch alle gekauft werden mussten. Keiner Widersprach ihr, da die Fotos echt gut geworden waren.

Die Jungs suchten uns einen guten Platz und dann wurde erst einmal etwas zutrinken geholt. Was wir natürlich auch den Jungs überließen. Wobei wir ihnen auch eine kleine Auswahl ließen, Hauptsache sie brachten einen Cocktail mit. Und so wie ich die Jungs kannte, vor allem ihren Schulischen Status, brachten sie uns Seths berühmten Cocktail mit. Den er natürlich selber gemixt hatte. Was er auch laut verlauten ließ, als sie wieder bei uns waren.

Wir ließen uns erst einmal die Drinks schmecken, erst dann gingen wir Mädels auf die Tanzfläche. Die Jungs konnten wir noch nicht dafür begeistern. War vielleicht auch gut, denn mit den Jungs hätten wir uns nicht über die ganzen Kleider der anderen Mädchen unterhalten können. Nicht, dass wir über sie herzogen, wir unterhielten uns einfach über die Farbe oder die Form und all so Mädchen Kram. Den Jungs wäre das bestimmt zu langweilig gewesen.

Irgendwann gingen unsere Schulsprecher auf die Bühne und hielten eine kleine, lustige Rede. Danach kam die Bekanntgabe des Ballpaares. Celina und die anderen drängelten sich nach vorne und zogen mich natürlich mit.

„Wie jedes Jahr haben sich die Kandidaten für das Ballpaar einen erbittenden Kampf geleistet“, meinte unser Schulsprecher und alle lachten. Denn genau das, war nicht passiert. Man hatte Seth und mich einfach von Anfang an nominiert und dann kamen noch vier weitere dazu, die einfach Spaß daran hatten. Celina hatte Plakate für mich und auch für Seth aufgehangen und damit war es auch schon für uns gewesen. Ich hatte mich nicht wirklich darum bemüht oder irgendwelche Versprechungen gemacht. Seth genauso wenig. „Und dementsprechend ist euch allen doch klar, wer unser Ballkönig und wer unsere Ballkönigin ist.“ Alle jubelten und schon wurden zwei Scheinwerfer angeworfen, die auf mich und Seth zeigten. „Charlie O´Niel und Seth Taylor, kommt hoch. Ihr wisst doch beide, dass Widerstand nicht geduldet wird.“ Celina schrie und fing an zu klatschen. Und schon fielen alle mit ein. Begleitet von Jubel gingen wir auf die Bühne. Unser Schulsprecher setzte mir eine Krone auf und hängte mir einen Umhang um. Das selbe machte auch unsere Schulsprecherin bei Seth, der dazu auch noch ein goldenes Zepter bekam.

„Hat unser Ballkönig noch etwas zu sagen?“, fragte unsere Schulsprecherin und gab Seth das Mikro.

„Ich bedanke mich für Charlie und mich, aber mal ehrlich Leute, es war doch klar, dass wir gewinnen“, grinste er und zwinkerte, sodass fast alle Mädchen weiche Knie bekommen. Dann sah er mich an. „Noch was?“ Ich schüttelte den Kopf und er nickte auch. „Gut, Abschließend will ich nur noch sagen, dass ich jetzt mit meiner Königen tanzen will.“ Alle lachten und Seth nahm meine Hand. Auch ich musste lächeln und ließ mich von ihm mitziehen.

Als wir dann auf der Tanzfläche standen und uns alle Platz gemacht hatte, ging die Musik an und Seth führte mich über die Fläche. Alle sahen uns dabei zu, was mich allerdings nicht so sehr störte, denn mich sah keiner Hasserfüllt an. Auch wenn es viele Mädchen beneideten, dass ich Seths Königin war, aber die Blicke waren nichts im Vergleich zu Chris Blicken … die im Moment aber aus blieben. Seit der Zeugnisvergabe, hatte ich ihn weder gesehen noch gespürt. Was mir sehr viel Angst machte.

„Hab ich dir schon gesagt, dass du heute wunderschön aussiehst?“, flüsterte Seth mir ins Ohr und zog mich näher an sich heran.

„Ja, hast du“, murmelte ich und lächelte ihn an.

„Du lächelst.“ Jetzt sah ich ihn etwas überrascht an. „Tut mir leid, aber ich hatte Angst, dass du den Tag heute nicht genießen könntest, weil deine Gedanken wo anders sind.“ Achso, er hatte sich Sorgen gemacht, wegen dem was passiert war.

„Celina hat mir eine Standpauke gehalten.“

„Gut das sie das gemacht hat, sonst hätte ich das tun müssen.“ Ich lächelte ihn dankend an, dankend dafür, dass er sich solche Sorgen um mich machte und mir so zur Seite stand.

Das Lied war zu ende und sofort wurde noch eins gespielt. Seth und ich tanzten weiter und nach und nach, kamen auch die anderen dazu.

Plötzlich drückte Seth mich ein bisschen weg, aber nur damit er mich ansehen konnte. Er löste seine Hand von meiner Hüfte und strich mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr, aber ich glaube auch nur, damit er meine Wange streicheln konnte.

„Ich … also … ich weiß, es kommt jetzt ein bisschen komisch und ich meine das auch nicht böse oder hab Hintergedanken und du musst auch nicht Ja sagen, nur wenn du möchtest“, redete Seth drauf los und hörte auch nicht mehr auf.

„Seth, stopp. Jetzt warte mal. Frag doch einfach“, stoppte ich ihn. Sein Kiefer stoppte da wo er gerade aufgehört hatte zu reden. Dann schloss er ihn wieder und sah mir fest in die Augen.

„Ich habe ein Hotelzimmer gemietet.“ Okay, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.

„Ähm, also ...“

„Du musst noch nicht antworten, ich wollte es dir nur sagen, damit du es weißt und später nicht überrascht bist.“ Ich nickte bloß und ließ mich dann von Seth weiter hin und her wiegen. 

Kapitel 24

Kapitel 25

 

„Alles okay bei dir?“, fragte Celina mich, als wir uns wieder an unseren Platz setzten. „Ich hab deinen erschrockenen Blick gesehen und dachte mir, was hat Seth jetzt schon wieder gemacht.“

„Er hat ein Hotelzimmer gebucht“, murmelte ich. Sofort quietschten die Mädels um mich herum.

„Dein Ernst?“, fragte Kathi und sah mich ungläubig an.

„Was hast du geantwortet?“, wollte Mandy wissen. Ich sah zu Celina, die mich die ganze Zeit beobachtete. In ihren Augen stand Mitleid. Aber ich wusste nicht, wem es galt. Mir oder eher Seth, wo Celina wusste, dass er keine Chance hatte … gegen Luca hatte er nun mal keine Chance. Aber ich musste mein Leben weiter leben, ich musste ihn vergessen und damit leben, dass unsere Leben einfach nicht zusammen passten.

„Ich weiß nicht, ob ich das machen soll“, meinte ich und sah die anderen wieder an. Der Blick von Celina war einfach unerträglich.

„Du solltest mit ihm gehen“, meinte Lia und nickte heftig. „Seth ist nicht so wie die meisten Jungs. Er wird nichts machen, was du nicht willst. Ihm liegt einfach nur viel an dir.“

„Das denke ich auch“, mischte sich Kathi ein. „Er liebt dich einfach abgöttisch.“ Ich seufzte und nahm einen Schluck von meinem Cocktail.

„Ja, ich weiß und ich mag ihn auch wirklich sehr.“

„Du stehst volle Kanne auf ihn“, stupste Lia mich an und grinste breit. Ich nickte und sah verlegen auf den Boden. Auch wenn es nicht mehr so war, musste es nicht sein, dass sie von Luca wussten. Sie würden über ihn reden wollen und das konnte ich eben nicht. Über ihn nachdenken ging ja gerade noch so, aber wahrhaftig über ihn reden, obwohl ich mir geschworen hatte ihn zu vergessen? Nein, das ging nicht.

„Ja, ich denke schon, dass ich mit ihm gehen werde, aber ich hatte eben nicht damit gerechnet“, meinte ich schnell und dann brach eine heiße Diskussion darüber aus, was Seth noch alles geplant hatte. Ich hörte nur mit halben Ohr zu. Stattdessen sah ich durch den Saal. Warum ich das machte? Mein Unterbewusst sein suchte nach Chris, dessen war ich mir bewusst, aber ausreden tat ich es mir trotzdem.

Die Jungs kamen wieder, alle mit neuem Trinken in der Hand. Ich lächelte sie an, aber da fehlte jemand.

„Wo ist Seth?“, fragte ich die Jungs und suchte wieder nach ihm.

„Hast du schon Sehnsucht nach ihm?“; lachte James und zwinkerte mir zu. Nein, Sehnsucht konnte man das nicht nennen.

„Er wollte noch mal auf Toilette, er kommt gleich“, meinte Ian und lächelte mich an. Ich nickte nur, hielt meine Augen aber immer noch auf den Saal gerichtet.

Zwanzig Minuten später war Seth immer noch nicht wieder da. Und so langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Es war ja nicht so, dass es voll auf der Toilette war oder es ein langer Weg bis zu dieser ist. Auch ist Seth nicht betrunken, sodass es vielleicht etwas länger dauerte.

Ich wollte mich gerade an die Jungs wanden, als mein Handy vibrierte. Schnell hatte ich es in meiner Hand und starrte auf das Symbol auf dem Display. Eine Sms. Von Seth.

Mein Herz klopfte mir fast aus der Brust. Ich hatte eine schlechte Vorahnung. Langsam machte ich die Sms auf.

 

 

Ich warte auf dich. Komm nach hinten, da gibt es einen kleinen Schuppen.

Beeil dich

 

Was? Was sollte das? Er will doch nicht … Nein, so war Seth nicht. Das passte einfach nicht zu ihm.

Und genau das veranlasste mich dazu, sofort los zu laufen. Celina sagte ich nur, dass ich kurz weg war. Sie nickte nur, weil sie schon lange mit Juan am Flirten war. Das war mir nur Recht.

Ich schlüpfte durch die Menge nach draußen und lief dann schnell um das Gebäude herum.

Verdammt Seth, wo bist du?

Ich lief immer weiter, so schnell ich mit meinen hohen Schuhen konnte. Als ich dann endlich um das Gebäude gelaufen war, sah ich auch schon einen kleinen Schuppen … in dem Licht brannte. Automatisch stellten sich meine Haare überall am Körper auf. Ein ungutes Gefühl beschlich mich.

Jetzt ging ich langsam auf den Schuppen zu, blieb sogar vor der Tür noch mal stehen, bevor ich diese auf machte. Und was mich drinnen erwartete, war genau das, was ich von Anfang an vermeiden wollte.

Seth kniete auf dem Boden, sein Kopf wurde nach hinten gedrückt, sodass seine Kehle frei lag. Und genau dort lag eine scharfe Messerklinge.

„Du hast uns aber schnell gefunden, Akara“, grinste mich Seths Entführer an. Und der war kein geringerer als Chris. Er stand mit einem Riesen großen Grinsen hinter Seth, hatte eine Hand in Seths Haar und zog so seinen Kopf herunter. Das Messer hielt er fest in der Hand.

„Was willst du von ihm?“, fragte ich und ließ Chris keinen Moment aus den Augen.

„Was meinst du denn? Ich fand es reizend, wie sehr er sich um dich bemüht. Nur sind doch all seine Bemühungen umsonst, oder etwa nicht? Hast du dem armen Jungen nicht gesagt, dass dein Herz für jemand anderen schlägt?“ Seth weitete die Augen und sah mich ungläubig an. „Also hast du nicht“, lächelte Chris und drückte Seth das Messer etwas mehr an die Kehle.

„Das hat auch gar nichts mit Seth zutun“, meinte ich schnell, damit Chris nicht weiter redete. „Was willst du von mir, Chris?“

„Berechtigte Frage, Akara.“ Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Wie er meinen Namen aussprach war einfach nur schrecklich und vor allem wollte ich gar nicht, dass er mich so nannte. Es gab nur eine Handvoll Menschen die mich so nennen durften. Und diese waren meine Eltern und Emanuel … und Luca. „Ich will Luca, aber dummerweise ist es so, dass er von der Polizei und Jason bewacht wird, also muss ich von hinten angreifen. Mit dir als Druckmittel.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Was soll ich dir schon bringen? Ich war Lucas Klientin mehr auch nicht, jetzt ist der Job vorbei. Er liegt im Koma, meinst du, da würde es ihn interessieren, was ich mache?“ Chris lachte und sah mir dann fest in die Augen.

„Du bedeutest ihm mehr als je eine andere Frau es getan hat, Akara.“ Ich erstarrte und starrte ihn mit großen Augen an. Wie konnte er das wissen? Das konnte er doch gar nicht wissen. „Hast du das nicht gemerkt? Wie er für dich gekämpft hat?“ Würde er das nicht für alle tun? „Luca ist einer der wenigen, die es wirklich verstehen seinen Job zu machen. Was ich von ihm gehört habe, war nur das Beste. Er hat noch nie einen Kratzer ab bekommen und schwups kommst du daher und er schwebt in Lebensgefahr.“ Nein, das konnte nicht sein. Er wollte mich nur weich bekommen, damit ich tat was er wollte. Aber das dumme war, er hatte mich ja auch so in der Hand. Ich sah zu Boden und schloss die Augen.

„Lass Seth gehen, ich werde mich nicht wehren.“

„Das wollte ich hören.“

„Nein, Charlie, der Typ hat sie nicht mehr alle. Du musst hier verschwinden“, versuchte Seth mich umzustimmen, aber das konnte er lange versuchen. Hier ging es um sein Leben, um ein Leben, dass nichts mit der ganzen Sache hier zutun hatte. Ich konnte ihn einfach nicht mit hinein ziehen, das wäre nicht fair.

Chris griff hinter sich und warf mir dann etwas zu … Handschellen.

„Leg sie dir an, jetzt“, befahl er und ich tat es. Aber das gefiel Seth nicht im geringsten. Er nutzte die Chance und riss seinen Kopf nach vorne. Nur hatte er die Rechnung ohne Chris gemacht. Dieser ließ Seth einfach los, sodass er dann nach vorne viel. „Meinst du wirklich ein kleiner Footballspieler könnte es mit mir aufnehmen?“ Chris grinste selbstgefällig, was Seth noch wütender machte. Er rappelte sich auf und stellte sich in Angriffsposition. Ich reagierte allerdings schneller und stellte mich zwischen die beiden; mit dem Gesicht zu Seth.

„Bitte geh. Das hier ist nicht deine Angelegenheit, damit muss ich fertig werden.“ Seth schüttelte den Kopf.

„Und du bist meine Angelegenheit, also werde ich für dich da sein“, meinte er.

„Wie lästig“, murmelte Chris hinter mir und dann passierte es viel zu schnell. Er packte mich feste am Arm, hob seinen eigen und dann hörte ich nur noch einen lauten Knall. Seth stöhnte und sackte in sich zusammen.

„Nein!“, schrie ich und wollte zu ihm laufen, aber Chris hielt mich fest und zerrte mich dann nach draußen. Das ließ ich für einen Moment zu, doch als wir aus dem Schuppen traten, fing ich an mich zu wehren. „Lass mich los!“, schrie ich und entzog Chris meinen Arm. Jetzt standen wir uns gegenüber und ich konnte ihn nur hasserfüllt ansehen. „Was hast du getan? Ich habe doch gemacht ...“

„Er wurde zum Problem“, zuckte er nur die Schultern und kam auf mich zu. Ich wich zurück, bis ich gegen den Schuppen stieß. Chris grinste und stemmte seine Hände neben meinen Kopf, die Pistole immer noch in der Hand. „Jetzt hör mir zu, süße Akara. Du wirst jetzt mit mir kommen und mich ein bisschen unterhalten, bis Luca einen schönen Brief von mir bekommen hat, indem steht, dass ich dich habe.“ Er strich mit seinem Zeigefinger über meine Wange, bis zu meiner Unterlippe. Ich wollte ihm gerade widersprechen, dass das nichts nützte, als ich ein Glitzern in seinen Augen wahrnahm. „Ich weiß, dass du denkst, dass er noch im Koma liegt.“ Sein Lächeln wurde breiter, unheimlicher. „Aber das tut er schon lange nicht mehr.“ Ich erstarrte. Luca war … er war wach? „Zwei Tage nachdem du gegangen bist, ist er aufgewacht. Ich muss sagen, ich hätte ihn am liebsten wieder ins Koma gesetzt, aber einerseits macht es mehr Spaß, wenn er ein richtiger Gegner für mich ist.“ Sein Finger glitt langsam über meine Lippe. Schnell drehte ich meinen Kopf weg, aber das war eine der dümmsten Ideen, die ich in letzter Zeit gehabt hatte. Denn jetzt kam er ungestört an meinen Hals. Chris fackelte auch nicht lange und schon spürte ich seinen Atem ganz nah an meiner Haut, bald darauf folgten seine Lippen. „Ich muss dich warnen, Akara. Ich bin nicht so nett, wie Leon es gewesen ist. Er hatte eine Schwäche für deine Mutter gehabt und ich muss ihm zustimmen, dass du ihr wirklich ähnlich siehst, aber ich werde dich nicht mit Samthandschuhen anfassen.“ Damit küsste er meinen Hals. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. „Und ich verstehe gut, was Luca an dir findet.“ Sein Kopf neigte sich wieder, aber bevor er mich noch mal anfassen konnte, schubste ich ihn einfach weg. Chris taumelte etwas zurück, aber das Grinsen wich nicht von seinen Lippen. „Das wird lustig.“ Damit packte er mich am Arm, drückte mich weiter gegen den Schuppen und holte etwas aus seiner Hosentasche. Erst im letzten Augenblick merkte ich, was es war. Aber da hatte er mir das Tuch schon auf Mund und Nase gepresst. Um mich herum wurde alles schwarz, als letztes sah ich nur noch Chris zufriedenes Gesicht.

 

 

 

 

 

Kapitel 25

Kapitel 25

 

 

Und schon wieder ins Krankenhaus, wie ich das hasste. Ich war gerade erst aus der Reha zurück und doch musste ich zu tausenden Nachuntersuchungen. Sei es Tag oder Nacht.

„Hallo Luca“, lächelte mich eine Schwester an. Ich nickte nur und ging an ihr vorbei. „Nora wird gleich kommen, sie ist noch in einer OP.“

„Kein Problem.“

Den Weg zu Noras Raum kannte ich selber, da musste mich keiner hinbringen. Sie hatte ihren eigenen Untersuchungsraum. Irgendwann hatte sie mal darum gebeten und dadurch, dass sie eine gute Stellung im Krankenhaus hatte, hatte sie diesen auch bekommen. So konnte man in Ruhe reden und hatte auch seine eigene Privatsphäre, was man in der Notaufnahme ja nicht wirklich hatte.

Nachdem ich aufgewacht war hatte Nora es sich zur Aufgabe gemacht, mich wieder auf die Beine zu stellen. Was ich ja eigentlich ganz nett von ihr fand … nur war es so, dass ich ihre Fürsorge nicht brauchte. Sie machte daraus einfach eine zu große Sache. Heute hatte sie Nachtschicht, sodass ich abends aus dem Haus musste. Ich hätte mir ja jemand anderen gesucht, aber Nora war so darauf bedacht, dass sie mich behandelte, dass ich gar keine Chance hatte zu irgendeinem anderen Arzt zu gehen.

Hinter mir schloss ich die Türe wieder und setzte mich brav, wie jeder andere Patient, auf die Liege. Das Zimmer war voll gestellt mit etlichen Schränken, wo Medikamente, Verbandszeug oder Utensilien standen. Neben der Tür hatte sie noch einen Schreibtisch, samt Computer. Und dann war da noch der Kleiderschrank, wo sie Ersatzklamotten verstaut hatte. Seufzend legte ich mich zurück auf die Liege und Verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wie automatisch fielen meine Augen zu, das was eigentlich nicht passieren sollte. Denn ich träumte … von ihr. Jede Nacht eine andere Situation und vor allem ging jeder Traum damit aus, dass sie mich verließ oder sie starb, was ja nicht wirklich die Wahrheit war, aber es war einfach schlimm es Nacht für Nacht zu träumen. Ihr zartes Gesicht mit den leichten Sommersprossen verfolgte mich in jeden Traum. Aber das war nicht das schlimmste, das schlimmste daran war einfach, dass ich nach dem dritten Traum einfach wusste, dass ich sie verlieren würde. Sie würde einfach so aus meinem Leben verschwinden … was im Realenleben ja auch richtig war. Sie war eben nur meine Klientin gewesen, wir konnten nicht zusammen sein.

Auch jetzt sah ich ihr Gesicht vor mir. Ich wusste genau, wo ihre kleinen Sommersprossen waren. Ihre kleine Stupsnase, die kleinen Grübchen, wenn sie Lächelte. Oh ja, ihr Lächeln. Oder ihr melodisches Lachen. Ich sah sie richtig vor mir, wie sie sich vor Lachen den Bauch hielt, als Celina mir diese misslungene Suppe gekocht hatte. Ihr Lachen hatte den ganzen Raum eingenommen und vor allem hatte es mich für einen kurzen Moment die Schmerzen vergessen lassen. Sie war wirklich süß und hübsch. Sofort erinnerte ich mich wieder an unser erstes Treffen. Als sie mich umrannte und vor mir auf dem Boden lag. Verdammt, eigentlich war ich ja nicht einer der Männer, die Frauen anstarrte … aber als sie da mit ihrem kurzen Rock auf dem Boden saß, musste ich einfach gucken. Ihre Beine waren zwar nicht die längsten, aber verdammt gut trainiert … und der knappe Rock hatte es wirklich nicht besser gemacht. Sie sah wirklich gut in Röcken oder in Hot-Pants aus.

Plötzlich spürte ich etwas an meiner Schläfe, ein Streicheln. Vor mir sah ich Akaras Gesicht. Sie lächelte mich fröhlich an, ihr dunkles Haar umrahmte ihr Gesicht und auch diese eine rote Strähne hing ihr ins Gesicht.

„Luca“, hauchte sie, aber irgendwie war es nicht die Stimme, die ich hören wollte. „Luca, Schatz, du musst aufstehen.“ Langsam machte ich die Augen auf und dann verwandelten sich Akaras dunkelbraune Haare in schwarz, selbst die rote Strähne verschwand. Ihre Haare wurden immer kürzer und auch ihre wunderschönen haselnussbraunen Augen wechselten zu dunkelgrün. Schnell blinzelte ich, damit sie nicht verschwand, aber dann machte ich die Augen ganz auf und sah Nora vor mir. Sie war über mich gebeugt und fuhr mir von der Wange bis zu meinem Haaransatz. „Hey“, lächelte sie und fuhr jetzt durch meine Haare.

Sofort setzte ich mich auf und stieß beinahe mit Noras Kopf zusammen. „Alles okay?“ Ich nickte nur und sprang von der Liege.

„Ja, ja mir geht es gut. Bin nur eingeschlafen“, meinte ich schnell und fuhr mir durchs Gesicht.

„Ich bin auch gerade erst aus der OP gekommen.“ Sie ging an mir vorbei zu ihrem Kleiderschrank und fing an, sich auszuziehen. Es war ja nichts neues für mich, ich meine, ich war ja auch mit ihr zusammen … lange zusammen gewesen. Trotzdem drehte ich mich um, damit sie ihre Privatsphäre hatte.

„Du musst aber nicht weg gucken.“

„Trotzdem.“ Doch dann legte sie mir eine Hand auf die Schulter. Wohl als Aufforderung, dass ich mich wieder umdrehen konnte. Und genau das tat ich auch … aber Nora war nicht fertig. Sie stand da in roter Spitzenunterwäsche. Automatisch sah ich sie mir an. Ihre langen schlanken Beine entlang, zu der roten Spitzenpanty, die sich perfekt an ihren Po schmiegte, zu ihrem flachen Bauch und ihren perfekten Brüsten in der roten Spitze, die etwas größer wie meine Hände waren. Dann weiter über ihr Dekolleté, zu ihrem schlanken Hals und dann zu ihrem zarten und hübschen Gesicht, dass von dem schwarzen Bobschnitt umrahmt wurde. Ihre dunkelgrünen Augen musterten mich auch von oben bis unten.

„Ich … ähm“, stotterte ich … ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Ja?“, fragte Nora lächelnd, stemmte eine Hand in die Hüfte und schwang diese kurz. Oh, ich kannte diese Geste. Mal davon abgesehen, dass sie das immer gemacht hatte, wenn wir uns gestritten hatten oder wenn ich sauer von der Arbeit wieder kam. Sie hatte sich immer ausgezogen, um mich dann auf andere Gedanken zu bringen. Früher hatte ich das gemocht, früher hatte ich sie geliebt … nur war das jetzt nicht mehr so.

„Nora, ich ...“ Doch weiter kam ich nicht, da sie schon vor mir stand und mir einen Finger auf die Lippen legte.

„Hör auf zu reden“, damit schlang sie ihre Arme um mich und presste dann ihre Lippen auf meine. Ich war total perplex, wollte den Kuss lösen, aber Nora fuhr mit ihrer Zunge über meine Lippen und versuchte mich mit Verführung dazu zu bringen, mich auf sie einzulassen. Aber das konnte ich nicht. Sanft, aber bestimmt, drückte ich sie von mir.

„Hör auf“, bat ich sie und sah ihr in die Augen. Ihre waren jetzt geweitet.

„Du kannst mir nicht sagen, dass du das hier nicht willst. Wir waren so lange zusammen, Luca...“

„Ja, aber das ist auch schon was länger her.“ Ihre Augen weiteten sich noch ein bisschen mehr und dann sah ich richtigen Schock in ihnen.

„Du hast dich doch nicht ...“

Plötzlich wurde die Türe aufgerissen und eine Krankenschwester sah ins Zimmer. Sie stockte zwar kurz, als sie Nora nur in Unterwäsche sah, aber wohl war das, was sie zu sagen hatte wichtiger, als darüber zu staunen.

„Wir haben einen Notfall, Dr. Phillips“, sagte sie schnell. „Eine Schusswunde.“ Das ließ mich jetzt aufhorchen. Nora nickte sofort und war auch schnell an ihrem Kleiderschrank, um sich anzuziehen.

Ich begleitete sie nach draußen und runter in die Notaufnahme. Gerade als wir unten ankamen, wurde eine Trage hineingefahren und eine mir wohlbekannte Stimme ertönte.

„Seth, Seth, du musst durchhalten, hörst du?“, rief eine Frauenstimme und da sah ich sie. In einem hellblauen Kleid und auf hohen Schuhen. Celina lief neben der Trage her und redete auf den jungen Mann ein, der mir auch nicht unbekannt war. Er war der Footballspieler, der Akara geküsst hatte … im Stadion.

„Celina?“, fragte ich und schon hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Sie blieb angewurzelt stehen und sah mich erschrocken an. Ihr Freund wurde an uns vorbei geschoben, sofort in den OP.

„Luca?“ Was? … Warum? Ach, das war jetzt auch egal. Wahrscheinlich hatte Emanuel es ihr erklärt oder aber Akara. „Du bist wach?“ Ich nickte und trat auf sie zu.

„Was ist passiert?“, fragte ich sofort, weil ich das ganze drum herum beiseite schieben wollte.

„Ich … ich weiß nicht so genau. Wir hatten unseren Abschluss und irgendwann klingelte mein Handy. Seth hatte mich angerufen, mit seinen letzten Kräften und mir gesagt wo er war.“ Sie zitterte leicht und schlang die Arme um sich. Klar, machte ich mir gerade Sorgen um sie und auch um den Jungen, aber die Einzige, von der ich jetzt wissen wollte war …

„Wo ist Akara?“ Ich hatte kein gutes Gefühl und als Celina mit dem Kopf schüttelte, konnte ich nur eine Parallele sehen … ihr war etwas passiert. Das war heute ihr Abschluss gewesen, warum sollte sie abhauen? Wahrscheinlich war sie mit diesem Footballjungen da gewesen und wahrscheinlich hatte er auch ein Hotelzimmer für die beiden gemietet. Das sollte ihr großer Abend werden.

„Sie hatte mir gesagt, dass sie kurz weggehen wollte. Ich hatte gedacht, sie wäre bei Seth.“ Da gingen alle Alarmglocken in mir an. Sie war bei Seth gewesen, dessen war ich mir sicher.

„Hat Seth etwas gesagt, als ihr ihn gefunden habt?“

„Er hat etwas gemurmelt ...“, fing Celina an, aber das war mir zu ungenau. Ich drehte mich sofort um und lief der Trage und vor allem Seth hinterher. „Luca!“

„Nora!“, rief ich und holte sie gerade noch so ein, bevor sie in den OP-Saal fuhren.

„Du darfst nicht mit rein“, sagte sie und wollte mich aufhalten, aber ich ging einfach an ihr vorbei, zu der Trage. Der Junge stöhnte und aus seiner Wunde rann viel Blut. Er musste so schnell es ging operiert werden, das war mir klar, aber das eine musste er mir noch unbedingt sagen.

„Seth?“, sprach ich ihn an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Seine Augen öffneten sich langsam und er sah mich müde an.

„Charlie“, hauchte er so leise, dass ich es kaum verstehen konnte. „Helft … ihr.“ Er verlor das Bewusstsein und ich wurde zur Seite gedrückt. Akara!

 

 

 

Mein Schädel brummte und auch das Atmen fiel mir ein bisschen schwer. Langsam öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Das war das einzige was ich machen konnte. Denn ich war in einem kleinen Käfig. Er war gerade mal so groß, dass ich meine Beine ausstrecken und aufrecht sitzen konnte. Ich versuchte mich hinzuhocken und sah mir dann die Türe des Käfigs an. Aber es war aussichtslos. Chris hatte ein Schloss angebracht, dass ich so nicht knacken konnte. Trotzdem rüttelte ich an den Stangen und versuchte so etwas zu erreichen … was natürlich totaler Schwachsinn war.

„Ach bist du schon wach?“ Ich sah hoch und dann in Chris grinsendes Gesicht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und hielt einen Brief in der Hand. „Du kommst da nicht raus, Süße.“

„Was hast du jetzt mit mir vor?“

„Du bist Lucas Lockvogel … und mein Zeitvertreib.“

„Luca wird da nicht drauf reinfallen. Meinst du, er wird alleine hier auftauchen, wenn du ihm einen Drohbrief schreibst? Jason ist bei ihm und auch Emanuel mit der ganzen Polizei steht hinter ihm. Es ist nicht mehr so, dass Smith die Drecksarbeit für dich macht.“

„Ich brauche Jeff nicht“, grinste er und wedelte mit dem Brief hin und her. „Du wirst schon sehen. Luca wird schneller kommen, als du es dir vorstellen kannst.“ Damit ließ er mich wieder alleine.

Luca, bitte … bitte tu nichts unüberlegtes. 

Kapitel 26

Kapitel 26

 

 

„Du musst Charlie suchen“, sagte Celina und sah mich dabei eindringlich an.

Wir saßen in einem Krankenzimmer, in das Seth gelegt wurde. Nora hatte alles erdenkliche getan, um den Jungen zu retten und zum Glück hatte sie es auch geschafft. Er schlief jetzt seelenruhig in einem der Krankenbetten und Celina saß neben diesem, immer einen besorgten Blick auf ihn.

„Celina, ich kann ...“, fing ich an, aber sie ließ mich erst gar nicht ausreden.

„Du hast doch selber gesagt, dass Seth etwas von Hilfe gesagt hat. Du musst etwas tun!“

„Ich hab nicht gesagt, dass ich nichts unternehmen werde, nur ich kann nicht einfach los laufen. Wo soll ich denn anfangen?“ Sie machte den Mund auf, sagte aber nichts, weil sie genauso wenig wusste, wie ich.

Ich lehnte mich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn Seth nur wach wäre, könnte er mir erzählen, was passiert war. Er musste irgendwas gesehen haben, sonst hätte er nicht gesagt, dass Akara in Gefahr war. Ich ballte meine Hände fest zu Fäusten. Nur bei dem Gedanken, dass ihr was zugestoßen war, könnte ich morden. Ich musste gleich erst einmal mit Emanuel reden. Er musste auch erfahren, dass Akara verschwunden war. Und dann musste ich zu dieser Scheune. Ich musste sehen, was passiert war, mir ein Bild von dem ganzen machen.

Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich schreckte zusammen.

„Entschuldige“, meinte Nora und streichelte meinen Arm. „Ihr solltet nach Hause gehen. Ich habe seine Eltern schon angerufen und sie sind auf dem Weg.“

„Ich gehe nicht weg ...“, fing Celina wieder an zu protestieren, aber ich ließ sie nicht weiter reden.

„Du musst schlafen, Celina. Ich bringe dich nach hause.“ Sie sah zu Seth, dann wieder zu mir und wollte wieder diskutieren. „Lass es. Ich fahre dich, keine Diskussion.“ Sie blies die Wangen auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich nickte zur Türe, eine Aufforderung für Celina. Ich war ja schon froh, dass wir all ihre Freunde nach hause geschickt hatten und das die keine Aufstände gemacht hatten. Seufzend stand sie auf, drückte Seths Hand noch mal und ging dann an mir vorbei. Ich wollte ihr schon hinterher, aber Nora hielt mich fest.

„Du fährst auch nachhause, Luca“, sagte sie, ließ ihre Hand in meine gleiten und verschränkte unsere Finger. „Ich habe gleich Schluss und komme zu dir.“

„Nein, du musst nicht kommen.“

„Doch, muss ich. Du fährst nach Hause, Luca. Wir müssen erst mal gucken, was wir machen können.“ Sie drückte meine Hand, stellte sich dann auf die Zehenspitzen und küsste meinen Mundwinkel. Diesmal ließ ich es zu, allerdings wusste ich ja nicht, dass sie noch mehr wollte. Denn als ich dachte, dass ich mit Celina gehen konnte, packte sie meine Hand fester und zog mich wieder zu sich. Nur um mir wieder ihre Lippen auf meine zu drücken. Ich war so perplex, dass ich einfach nichts machte. Meine Gedanken waren eh bei Akara, dass ich an Nora nicht mehr dachte.

„Können wir jetzt los?“, fragte Celina plötzlich hinter uns und das nicht gerade begeistert. Daraufhin löste Nora sich auch von mir, aber das hieß nicht, dass sie mich schon gehen ließ. Meine Hand ließ sie nicht los, aber dazu kam noch eine Hand an meiner Wange.

„Fahr nach Hause, bitte. Ich komme später vorbei“, sagte sie und dann ließ sie von mir ab.

Celina war schon draußen auf dem Weg zum Ausgang. Ich ging ein bisschen schneller, um sie noch einzuholen. Allerdings schwieg sie mich bis zum Auto an. Selbst als wir in meinem Camaro saßen, blieb sie still. Erst als wir auf der Hauptstraße waren, platzte sie.

„Bist du wieder mit ihr zusammen? Also wenn das so ist, dann brauchst du nicht so zutun, als wenn du dir Sorgen um Charlie machst. Dieses Mitleid brauchst sie nämlich nicht ...“, regte sie sich immer weiter aus.

„Celina!“, versuchte ich gegen sie anzukommen.

„Seth hat um Hilfe gebeten, aber dann nehme ich lieber Emanuels Hilfe, als deiner.“

„Celina!“ Aber sie hörte mir einfach nicht zu, sie regte sich immer weiter auf. Schnell sah ich in den Seitenspiegel, um zu gucken, ob jemand hinter mir war, aber zum Glück war da eine riesige Lücke zwischen mir und dem nächsten Auto … also trat ich hart auf die Bremse, sodass sie nach vorne schoss und endlich den Mund hielt. Geschockt sah sie mich an, als ich weiter fuhr. „Kannst du mir jetzt endlich zuhören?“ Sie nickte bloß. „Ich bin nicht mit ihr zusammen, sie kümmert sich nur um mich, jetzt nach der Reha.“

„Ja, sehr intensiv“, murmelte sie. Ich verdrehte die Augen und seufzte. Das wusste ich selber.

„Was hat Akara dir erzählt?“ Celina sah mich komisch an, sodass ich meinen Blick kurz von der Straße nehmen und sie ansehen musste.

„Du nennst sie Akara?“ Jetzt war ich verwirrt, sah aber wieder auf die Straße.

„So heißt sie doch, oder etwa nicht?“

„Schon, aber es gibt nur drei Leute, die sie so nennen und bei denen sie es mag. Das waren ihre Eltern und Emanuel.“ Ich hatte sie schon die ganze Zeit so genannt. Sie sah auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß verschränkt hatte. „Sie hat mir alles erzählt.“

„Alles?“ Ich zog die Brauen hoch und sah sie noch mal kurz an.

„Von euren Küssen.“ Das ließ mich stocken und für einen kurzen Moment achtete ich auch nicht mehr auf die Straße. Erst als ich Celinas panische Stimme vernahm, war ich wieder konzentriert und dadurch, dass sie so panisch wirkte, musste sie meinen Namen schon ein paar mal gesagt haben. Vor allem hatte sie meinen richtigen Namen benutzt, was ja nur bestätigte, dass Akara mit ihr über mich geredet haben muss. Klar hatte sie das. Celina war ihre beste Freundin, soetwas erzählte man seiner besten Freundin.

„Tut mir leid“, murmelte ich und war wieder voll da.

Nachdem ich Celina sicher nach Hause gefahren hatte, war ich Umwege bis zu mir gefahren. Ich kannte Nora, sie würde zu mir kommen, das war gar keine Frage, allerdings war sie auch so, dass sie auch versuchen wird so schnell es geht frei zu bekommen. Und dadurch, dass sie eigentlich nie Frei macht, für jeden Einsprang, konnte sie schon längst bei mir zuhause sein … zumindest vor der Haustüre stehen. Ich wollte sie nicht sehen, ich wollte auch nicht, dass sie sich so sehr um mich sorgt. Das mit ihr und mir war schon lange aus, aber sie hatte sich Hoffnungen gemacht, als Jason sie angerufen hatte, um mich zu verarzten. Und eigentlich konnte ich ihr nicht wehtun. Sie war mir noch wichtig, das konnte ich nicht bestreiten, aber mit ihr zusammen kommen? Es noch einmal versuchen? Das konnte und wollte ich nicht. Außerdem hatte ich zu dieser Scheune fahren wollen. Ich musste nach Akara suchen … ich musste sie sehen. Aber das konnte ich mir jetzt auch abschminken.

Zuhause angekommen packte ich das Auto vor der Türe und stieg aus. Aber wer da vor der Türe stand, war nicht Nora … sondern meine Schwester. Beth.

„Hast du kein Handy?“, fragte sie mich und stemmte die Hände in die Hüften. Sie trug eines ihrer vielen Kostümen, hohe Schuhe.

„Ich war im Krankenhaus, da nehm ich mein Handy nie mit“, meinte ich nur, ging an ihr vorbei und schloss die Türe auf.

„Was hat Nora gesagt?“

„Nichts.“

„Wie nichts?“ Ich lief die Treppen hoch in die zweite Etage und schloss dort meine Wohnung auf. Beth folgte mir einfach, ging dann an mir vorbei und ins Wohnzimmer, dass an den Flur angrenzte. Ich machte die Türe zu und folgte ihr.

„Wir kamen nicht zu der Untersuchung.“

„Uh, Luca, du frecher Junge“, kicherte sie und setzte sich aufs Sofa. Ich verdrehte die Augen.

„Nein, wir haben nichts gemacht. Es kam ein Notfall rein.“

„Oh, achso.“

„Und was möchtest du hier?“

„Darf ich meinen Bruder nicht besuchen?“ Ich sah sie ungläubig an. „Ich wollte sehen, wie es dir geht, Luca.“

„Mir geht es gut. Ich bin noch nicht ganz fit, aber die Reha hat geholfen.“ Sie nickte

„Und was ist jetzt mit Nora?“ Gut das sie sie ansprach. Da fiel mir doch glatt etwas ein.

„Meinst du, du könntest mir einen Gefallen tun?“ Sie sah mich prüfend an.

„Was?“

„Gleich, wenn es klingelt, könntest du dann gehen und Nora sagen, dass ich schon schlafe?“

„Luca McDamion!“ Ich faltete die Hände und sah sie bittend an. „Willst du es nicht noch mal mit ihr versuchen? Sie war gut zu dir, du warst glücklich mit ihr.“

„Aber sie nicht mit mir, Beth.“ Seufzend nickte sie.

 

Am nächsten Morgen wachte ich auf, weil ich Geräusche aus meiner Küche hörte … was eigentlich nicht sein sollte.

Beth hatte gestern, als Nora geklingelt hatte, das getan, worum ich sie gebeten hatte und war gegangen. Ich hatte meine Ruhe gehabt und war ins Bett gegangen. Zwar hatte ich nicht geschlafen, weil ich nur an Akara hatte denken können. Emanuel hatte ich kurz nachdem Beth gegangen war angerufen, damit er die Augen offen hielt. Ohne Seths Aussage, würden wir eh im dunklen tappen. Wir wussten nicht, was Akara zugestoßen war oder wer sie überhaupt mitgenommen hatte. Ich hatte zwar sofort nach ihr suchen wollen, aber auch Emanuel hatte mich zur Ordnung gerufen. Er und Nora hatten ja Recht gehabt. Ich war zwar aus der Reha raus und mir ging es auch gut … das hieß aber noch lange nicht, dass ich top fit war. Ich musste langsam wieder meine ganzen Muskeln trainieren, musste mich langsam heran tasten, aber wenn Akara in Gefahr war, war mir das egal.

„Guten Morgen“, trällerte eine mir wohlbekannte Stimme entgegen, als ich in die Küche schlurfte. Nora.

„Was tust du hier?“ Sie drehte sich zu mir um, da sie gerade irgendwas am Herd gemacht hatte.

„Ich mache dir Frühstück.“ Das sagte sie so, als sei es selbstverständlich. Selbstverständlich, dass sie in kurzen Shorts und T-Shirt in meiner Küche stand und mir Frühstück machte … so wie früher.

„Woher hast du den Schlüssel?“

„Jetzt sei doch nicht so genervt.“ Sie füllte Rüherei auf einen Teller, kam zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Beth hat ihn mir gestern Abend gegeben. Sie meinte, du seist eingeschlafen, aber ich solle heute mal nach dir sehen.“ Ich werde Beth umbringen, wenn ich sie das nächste Mal sehe.

„Das ist nett von dir, aber ich komme alleine klar“, meinte ich und wollte sie so los werden, aber Nora hatte sich wohl was anderes in den Kopf gesetzt. Hüfteschwingend und summend ging sie zu meinem Toaster und holte zwei getoastete Toasts heraus.

„Ich hab deine Post mit hoch gebracht.“ Sie zeigte auf den Küchentisch und summte dann weiter vor sich hin. Seufzend ließ ich sie einfach weiter machen und sah meine Post durch. Es war nicht viel. Ein Brief von irgendeiner Partei, die Werbung für sich machte, eine Rechnung und Brochüren von Geschäften. Als ich diese durchsah, fiel plötzlich ein weiter Umschlag auf den Boden. Ich wollte ihn gerade aufheben, da bückte Nora sich schon und reichte ihn mir.

„Was ist das denn? Da steht ja gar kein Absender geschweige denn deine Adresse drauf.“ Ich nahm den Brief sofort an mich, riss ihn auf und holte ein Blattpapier heraus.

 

Lieber Luca,

war die Reha erholsam? Konntest du neue Kräfte sammeln? Denn ich denke, diese brauchst du jetzt. Dir wird wohl nicht entgangen sein, dass Akara von ihrem Abschlussball vermisst wird. Sie ist mir in die Arme gelaufen und wie soll ich sagen? Ich konnte einfach nicht die Finger von ihr lassen. Ich dachte mir, dass sie mir ein bisschen Vergnügen bereiten kann, solange ich auf dich warte.

Aber das ist nicht der Punkt. Ich will dich! Und ich denke, dass dir ihr Leben mehr bedeutet als dein eigenes. Deswegen will ich, dass du dich mit mir triffst. Keine Polizei und Jason kannst du auch zuhause lassen.

Eine Sicherheit, dass es Akara gut geht, kann ich dir leider nicht geben. Ich finde es interessanter, wenn du ein bisschen leidest. Sie wird schon lebend aus der Sache heraus kommen, sofern du alleine kommst.

Triff mich Morgen um zehn Uhr.

Chris

 

 

Meine freie Hand ballte sich zu einer Faust, so fest, dass es wehtat. Und dann hörte ich Noras Aufkeuchen. Sie stand hinter mir und starrte auf das Papier.

„Das kann nicht sein“, hauchte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. „Luca, du kannst da nicht hin.“

„Ich muss sie da raus holen.“ Es war mir egal, was Nora noch zu sagen hatte. In meinem Kopf herrschte nur noch ein Gedanke. Akara. 

Kapitel 27

Kapitel 27

 

 

„Jason, rede ihm das aus“, regte Nora sich jetzt schon seit einer Stunde auf. Jason allerdings reagierte nicht. Ich hatte ihn nach meinem Schock sofort angerufen. Mir war klar, dass ich das ohne ihn machen musste, wenn ich Akaras Sicherheit an erste Stelle setzte. Aber das war eine logische Idee gewesen. Wäre Jason mir nicht als erstes eingefallen, hätte ich mich bestimmt nur bekloppt gemacht. Aber Jason war ein guter Anfang gewesen, ob ich Emanuel auch noch anrief, war noch dahin gestellt.

„Ich kann ihm das nicht ausreden, Nora. Wir müssen Charlie retten.“ Ja, und genau deswegen hatte ich ihn auch angerufen. Emanuel würde mir das ausreden, so kannte ich ihn. Er machte sich zwar auch Sorgen um Akara, aber er würde anders an die Sache ran gehen. Er war Polizist, er konnte die Situation nicht so gut einschätzen wie ich. Ich kannte Chris und er würde die Drohung wahr machen und Akara einfach töten, sobald er etwas merkte. Und Jason dachte so wie ich.

„Sie ist ein kleines Mädchen“, fing Nora wieder an und legte ihre Hand auf meinen Oberarm. Ich riss mich aber von ihr los und ging zum Küchenfenster.

„Sie ist kein Mädchen, sie ist eine junge Frau“, widersprach ich.

„Das ist doch jetzt relativ. Sie ist nicht mehr deine Angelegenheit.“ Nicht mehr meine Angelegenheit? War das ihr Ernst? Sauer drehte ich mich zu ihr um.

„Nicht meine Angelegenheit? Hast du einen anderen Brief gelesen, wie ich? Also in meinem stand eindeutig, dass er Akara dafür benutzt, um an mich heran zu kommen. DAS ist wohl meine Angelegenheit“, brauste ich sie an und wurde immer lauter, sodass Nora ein bisschen zusammen zuckte.

„Kann gut sein, aber lass Emanuel doch mit einer riesigen Truppe von Polizisten da auftauchen, dann kann er ihr nichts tun und du wärst aus dem Schneider.“

„Warum ist dir das so wichtig? Warum ist es dir so wichtig, mich von ihr fern zu halten?“ Nora sah zu Boden und rang mit ihren Händen.

„Ist das nicht eindeutig?“ Jetzt sah sie wieder auf und mir in die Augen. Ihre dunkelgrünen glänzten ein wenig und ich konnte in ihnen so perfekt lesen. Sie war wütend aber auch besorgt, eifersüchtig und enttäuscht. „Ich mache mir Sorgen um dich, Luca. Was soll das ganze? Ja, sie war deine Klientin und ja, sie ist jetzt wegen dir in Gefahr, aber du handelst nicht so, wie du es gelernt hast … wie du es sonst getan hast. Du lässt dich von Gefühlen leiten.“ Jetzt war es an mir leicht zu zucken. Verdammt, sie hatte ja Recht. Akara bedeutete mir viel, was eigentlich nicht passieren sollte. Aber dann sagte Nora etwas, was mich wieder wütend machte. „Wenn Tom gewollt hätte, dass du seine Tochter kennenlernst, dann wärst du gar nicht in dieser Lage. Denk doch einfach mal drüber nach, Luca. Er wollte nicht, dass du von ihr wusstest, weil er nicht wollte, dass du etwas mit ihr zutun hast.“ Ich ballte meine Hände zu Fäusten, so fest, dass sich meine Fingernägel in meine Haut bohrten. Ich hatte mich gefragt, warum Tom nie von Akara gesprochen hatte. Klar, dass er sie nicht als Zielscheibe benutzen wollte. Er hatte einen gefährlichen Job und wenn dann heraus gekommen wäre, dass er eine Tochter hat, wäre sie nur in Gefahr gewesen. Aber ich war ja nicht irgendwer gewesen. Ich war sein Bruder … zumindest waren wir das, als wir in dem Waisenhaus waren. Aber als wir dann in verschiedene Familien gekommen waren, war das auch vorbei gewesen. Der Kontakt war einfach abgebrochen, obwohl ich oft nach ihm gesucht hatte. Erst später, als wir uns auf dem Präsidium getroffen hatten, hatte ich erfahren, dass seine Familie weggezogen war. Aber warum er mir gegenüber Akara verheimlichte? Ich wusste es nicht. Und doch machte es mich sauer, dass Nora das jetzt ansprach … vor allem aussprach. „Sie ist zehn Jahre jünger, meinst du nicht, dass das ein bisschen viel ist. Sie hat gerade erst die Schule zuende, geht aufs Kollage. Was habt ihr zwei schon gemeinsam?“ Nora kam einen Schritt auf mich zu, streckte ihre Hand nach mir aus. „Sie ist süß, hat ein paar Reize, ist hübsch und somit ein Erlebnis, aber mehr wird sie nicht sein. Ist sie es wert dich so in Gefahr zu stürzen?“ Das war nicht die Frage. Denn die hatte ich mir schon oft genug gestellt, aber als wir wirklich in Gefahr waren, war es für mich keine Frage mehr gewesen. Ich hätte Akara beschützt … mit meinem Leben. Und ja, ich hatte mich in sie verliebt. In dieses starke Mädchen, dass auch noch auf ihre Freundin aufpasste, das einfach immer versucht hat stark zu sein. Aber sie hatte auch Angst gehabt. Sie war hübsch, keine Frage, und ja, Nora hatte Recht, sie war ein Abenteuer. Sie hatte mich aber nicht nur mit ihrem Äußeren fasziniert, sondern auch mit ihrer Art. Diese angriffslustige Art von ihr, die sie Sachen sagen lässt, die sie eigentlich nicht so meinte. Ihre stichelnde Art und vor allem ihr Lächeln. Und genau deswegen brauchte ich nicht darüber nachzudenken, ob wir etwas gemeinsam hatten oder etwa nicht. Für mich war es das einzig Richtige, sie zu beschützen.

„Ich muss sie retten, danach können wir immer noch diskutieren, ob sie es wert ist oder eben nicht, aber im Moment ist mir ihr Leben wichtig, wichtiger als alles andere.“ Nora ließ die Schultern hängen. Sie würde mich nicht mehr davon abbringen.

„Aber wir sollten Emanuel Bescheid sagen“, meinte Jason jetzt. „Auch wenn Chris gesagt hat, dass du alleine kommen sollst. Ich werde mich bereit halten und das sollte Emanuel auch tun, vor allem mit Krankenwagen. Du solltest ihm die Sicherheit geben, dass du alleine bist, mit ihm kooperieren ...“, fing er an, aber Nora sah ihn nur geschockt an.

„Hast du einen Vollschaden? Chris wird ihn bei der erst besten Gelegenheit erschießen und damit war es das“, regte sie sich auf. Aber Jason schüttelte den Kopf.

„Chris ist alleine, er wird keinen hinter sich haben, das heißt, er muss auf Nummer sicher gehen. Vor allem ist Chris sauer, er wird Luca leiden lassen wollen und das müssen wir uns zu Nutze machen.“ Ja, daran hatte ich auch schon gedacht. Ich musste mich Chris ausliefern, damit er sich in Sicherheit wiegen konnte, erst dann konnte ich Akara retten. Es war keine der Besten Strategien, aber etwas anderes konnten wir nicht tun.

Nora war gar nicht damit einverstanden, aber da musste sie uns mal vertrauen.

 

 

 

Ich wusste nicht, was los war. Chris hatte mich einfach in ein Auto verfrachtet und mir dann die Augen zugebunden. Wohl sollte ich nicht mitbekommen, wo wir hinfuhren … mal davon abgesehen, dass ich noch nicht einmal wusste, wo ich war. Die Augenbinde behielt ich die ganze Zeit an, auch als wir angekommen waren, hatte Chris mich nur unsanft gepackt und dann vor sich her geschoben, bis ich auf den Boden fiel. Dort hatte er mich liegen lassen. Ich hatte mich auch nicht vom Fleck bewegt. Zudem ich ja auch nichts sehen konnte. Ich musste einfach abwarten, was jetzt passierte. Ich musste an Luca glauben. Das er mich retten würde, da war ich mir sicher, ich hatte nur Angst, dass er es im Alleingang tat. Chris hatte in seinem Brief bestimmt geschrieben, dass Luca alleine kommen sollte, aber er war alleine, wie sollte er auch schon herausbekommen, ob Luca die Polizei bei sich hatte oder eben nicht. Ich wusste eh nicht, was er sich hier erhoffte. Alleine würde er nicht weit kommen … oder war er sich so sicher, dass Luca Fehler machte, nur weil es um mich ging? Ich hoffte sehr, dass er keinen Fehler machte.

„So, ich glaube, da kommt er“, ertönte plötzlich Chris Stimme. Er hatte die ganze Zeit, die wir hier gewesen waren kein Wort gesprochen. Er hatte mich auch nicht geschlagen oder sonst etwas. Klar hatte er mich grob behandelt, aber ich hatte ihm auch keine Gelegenheit gegeben mir irgendetwas zu tun. Wenn er mal mit mir geredet hatte, hatte ich immer darauf geachtet, nichts falsches zu sagen oder ihn gar auf die Palme zu bringen. Ich wollte ihm keinerlei Anlass geben, mir irgendwas zu tun.

Chris packte mich fest am Arm und zog mich mit nur einem Ruck auf die Beine. Meine Hände hatte er mir hinter dem Rücken gefesselt. Dann riss er mir die Binde vom Kopf und schubste mich vorwärts. Erst war alles einfach nur hell, aber von Zeit zu zeit konnte ich alles sehen. Chris trieb mich aus einem großen Lagerhaus heraus auf ein verlassenes Grundstück, wo weit und breit nichts war.Er zog mich vor seinen Körper und holte aus seinem Hosenbund eine Pistole.

„Du bleibst schön hier vor mir, verstanden? Wir wollen ja nicht, dass dir etwas passiert“, flüsterte er mir ins Ohr und rieb dann seine Nase an meinem Hals. Ich drehte meinen Kopf etwas weg, aber es half nichts. Chris hatte mich ganz nah an sich gezogen, sodass ich seinen heißen Atmen auf meiner Haut spürte.

Gerade wollte er meinen Hals küssen, als ein Auto auf das Gelände fuhr. Luca! Unauffällig sah ich mich um, aber hier gab es keine Möglichkeit sich zu verstecken. Ich hoffe, er tat das Richtige.

Das Auto hielt ungefähr 100 Meter vor uns. Langsam ging die Türe des schwarzen Camaro auf und Luca stieg aus. Der Knall, als er die Türe zu machte, hallte auf dem ganzen Platz wieder.

„So ich bin hier, lass Akara los“, war Lucas Begrüßung.

„Also erst einmal, will ich, dass du mir deine Pistole gibst. Am Besten holst du sie aus deinem Hosenbund und trittst sie zu mir herüber, dann können wir vielleicht darüber reden, dass ich Akara los lasse.“ Sofort bekam ich eine unangenehme Gänsehaut. Ich wollte nicht, dass er mich so nannte. Luca hob die Hände und signalisierte Chris, dass er kooperierte.

„Ich muss hinter mich greifen“, warnte Luca uns vor. Nein, ich musste irgendwas tun. Sobald Luca die Pistole zu uns herüber geschoben hatte, würde Chris ihn erschießen.

Ich wollte protestieren, aber Chris packte meine Haare, zog meinen Kopf nach hinten und hielt mir die Mündung seiner Pistole an die Schläfe.

„Das würde ich lassen, Akara“, hauchte er mir ins Ohr, ließ dabei Luca nicht aus den Augen.

„Lass sie los Chris“, versuchte Luca es noch mal, aber diesmal sah ich etwas in seinem Blick auflodern. Ihm gefiel es gar nicht, dass Chris mich jetzt so in der Mangel hatte.

„Die Pistole, Luca.“ Ich schluckte und sah zu, wie Luca hinter sich griff, die Pistole hervor holte und sie dann über den Boden zu uns schlittern ließ. „Braver Junge.“ Damit löste er den Lauf von meiner Schläfe und zielte auf Luca. Und dann geschah es. Chris schoss, ich kniff die Augen zusammen und schrie. Allerdings schoss Chris zwei mal und als ich dann die Augen öffnete, sah ich, dass er nur die Reifen des Camaro zerschossen hatte. Er packte mich ein bisschen fester an den Haaren und zog mich enger an sich. Mit der Pistole strich er mir über den Hals und sah dabei Luca herausfordernd an.

„Weißt du, ich war wirklich begeistert davon, wie du einen meiner Jungs getötet hast, obwohl er Akara als Schutzschild benutzt hat.“ Damit zog Chris mich direkt vor seinen Körper. Ich sah Luca in die Augen und versuchte, mit ihm zu kommunizieren … irgendeinen Plan auszutüfteln. Aber im gleichen Moment verstand ich, dass es keinen Plan gab oder geben wird. Wir waren in Chris Falle und keiner würde hier ohne Schaden heraus kommen.

„Ich bin hier, das war dein Kompromiss, damit Akara gehen kann“, meinte Luca und hob seine Hände. „Sie hat nichts damit zutun, rein gar nichts. Ihr habt sie mit herein gezogen.“ Chris nickte und lächelte.

„Ich weiß, aber es ist lustig mit ihr, oder? Ich meine, du machst alles was ich dir sage, nur damit ihr nichts passiert.“

„Lass sie gehen.“ Chris seufzte und ließ meine Haare los.

„Auf die Knie“, befahl er dann und Luca machte es.

„Luca nicht!“, hauchte ich, aber es brachte nichts. Seine Entscheidung stand fest. Er würde sich demütigen lassen und er würde auch sterben, solange es mir gut ging. Sofort bildeten sich Tränen in meinen Augenwinkeln. Ich konnte einfach nicht zu lassen, dass Chris ihm etwas tat, ich konnte nicht zulassen, dass er starb, bevor ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn liebte.

Aber es war zu spät. Sobald Luca auf dem Boden kniete, schubste Chris mich zur Seite und zielte auf Luca. Alles lief für mich nur noch in Zeitlupe ab. Ich stolperte zur Seite, sah wie Chris die Pistole hob und dann den Abzug drückte. Für einen kurzen Moment schaltete sich mein Hirn aus, ich konnte einfach nicht anders. Meine Beine bewegten sich von allein und dann … 

Kapitel 28

Kapitel 28

 

Akara!

Das war der einzige Gedanke, den ich hatte, als sie sich in die Schussbahn warf. Es lief alles so langsam ab, aber ich konnte nichts anderes als zugucken. Meine Beine waren gelähmt und außerdem wäre ich viel zu langsam gewesen.

Plötzlich lief alles wieder schneller. Akara stand zwischen mir und Chris, reglos. Aber dann wurden ihre Beine schlapp und sie kippte. Jetzt stand ich nicht mehr unter Schock. Wie von selbst stand ich wieder auf meinen Beinen und fing Akara auf. Mit ihr in meinem Arm ging ich wieder in die Knie und drückte sie mit einem Arm an mich. Mit dem freien Arm suchte ich die Wunde … die ich auch schnell fand. Chris hatte sie am Bauch getroffen. Die Wunde war nicht groß, aber sie blutete heftig. Also hatte er Organe getroffen und das hieß, wenn ich sie jetzt nicht schleunigst in ein Krankenhaus schaffe, wird sie das nicht überleben. Wir hatten ja jetzt schon schlechte Karten.

„Luca“, hauchte Akara. Bevor ich ihr in die Augen sah, drückte ich schnell meine Hand auf ihre Wunde und versuchte die Blutung etwas zu stoppen.

„Scht, es wird alles gut“, meinte ich nur und sah ihr in die haselnussbraunen Augen, die allerdings langsam nicht mehr so strahlten, wie sie es sonst getan hatten.

„Ich muss ...“, versuchte sie weiter zu sprechen, aber ich schüttelte nur den Kopf. Sie musste verdammt noch mal aufhören sich so anzustrengen.

„Oh, das tut mir aber jetzt leid“, hörte ich Chris schleimige Stimme und sofort war meine Aufmerksamkeit wieder bei ihm. Er hielt die Pistole immer noch erhoben und grinste dabei sehr siegessicher. „Was jetzt, Luca? Sie wird verbluten und in deinen Armen sterben.“ Ich muss sie hier weg bringen, ich musste sie retten, gleich was mit mir war. Aber gleichermaßen, wollte ich Chris so dermaßen vermöbeln und ihn töten, allein für die Sachen, die er Akara angetan hatte.

„Du musst … verschwinden“, hauchte Akara, aber ich starrte immer noch zu Chris.

„Ich werde dich nicht hier lassen“, antwortete ich nur, was Chris zu einem noch breiteren Grinsen veranlasste.

„Dann werde ich euch jetzt zusammen töten, als Liebespaar“, grinste er und zielte auf meinen Kopf. Akara krallte sich in mein Hemd und versuchte wieder etwas zu sagen, aber sie war einfach zu schwach. Chris krümmte seinen Finger, um zu schießen, allerdings kam er erst gar nicht dazu. Ein Schuss ertönte und Chris ließ die Pistole fallen. Blitzschnell stand ich auf, nahm mir die Pistole und hielt sie Chris gegen die Stirn. Zwar machte ich mir Sorgen um Akara, aber als ich Motoren hörte, wusste ich, dass Emanuel und Jason sich jetzt um sie kümmern würden.

„Du wirst uns töten?“, fragte ich sauer und drückte den Lauf noch fester auf seine Stirn. Ich hatte gehofft, dass Chris ein bisschen Angst zeigen würde … aber das tat er nicht. Stattdessen lächelte er. Dann ging es schnell. Plötzlich hatte er ein Messer in der Hand und stach zu. Er erwischte meinen Oberschenkel und ließ das Messer aber nicht los. Von hinten hörte ich, wie Akara aufschrie, aber darauf achtete ich nicht. Ich drückte einfach ab. Einmal in Chris Bauch, einmal in seine Schulter und dann in seinen Kopf.

Das Magazin war leer. Chris kippte leblos nach hinten und zog das Messer weiter über meinen Oberschenkel. Ich ließ die Waffe fallen und sackte zusammen.

„Luca!“, rief eine weibliche Stimme nach mir. Aber es war nicht die von Akara, die Stimme gehörte Nora. Sie ließ sich neben mir fallen und wollte sich sofort um mein Bein kümmern. Aber ich wollte, dass sie all ihre Aufmerksamkeit auf Akara lenkte. Ich war mir sehr egal, Akara musste gesund werden. „Luca, hörst du mich?“

„Geh Akara helfen“, schnauzte ich sie an.

„Ich muss nach ...“

„Mir geht es gut. Geh. Nach. Akara. Sehen!“ Auch wenn das nicht stimmte, ich wollte das sie Akara half und nicht mir.

„Dein Oberschenkel ist aufgeschlitz, ich werde dich ganz sicher nicht ...“ Aber mehr bekam ich erst gar nicht mit. Der hohe Blutverlust, der natürlich von der nicht so schlimmen Wunde kam, sorgte dafür, dass ich Ohnmächtig wurde. Von jetzt auf gleich wurde es dunkel.

 

 

Erwachen tat ich erst wieder im Krankenhaus, was mir sehr bekannt vor kam. Es war einfach immer ein scheiß Gefühl in einem sterilen, weißen Raum aufzuwachen und nicht zu wissen, was passiert war. Dementsprechend fuhr ich auch nach oben und sah mich mit ein paar schnellen Blicken im Zimmer um. Aber ich war alleine in dem kleinen Zimmer, wo nur ein Tischchen und das Krankenbett stand, wo ich drinne lag.

Ich war alleine. Keiner sonst war in dem kleinen Raum. Aber das war meine kleinste sorge. Meine Gedanken galten Akara. Wo war sie? Ging es ihr gut? Ohne zu überlegen wollte ich aus dem Krankenbett steigen, doch das gestaltete sich sehr schwierig. Zum einen hielten die Schläuche in meinen armen mich davon ab richtig auf die Beine zu kommen, zum anderen knickte mein Bein ein und ich landete mit voller Wucht auf dem Boden, alle Viere von mir gestreckt. Die Schläuche waren dann auch kein Problem mehr, da ich sie mir durch den Sturz heraus gerissen hatte.

"Aua", keuchte ich auf und drehte mich langsam auf den Rücken. Mein rechtes Bein war verbunden und durch den Schmerz kam auch die Erinnerung an Chris Messer wieder, das er mir in den Oberschenkel gerammt hatte. Verdammt dieser Dreckskerl hatte es auch noch fest gehalten als ich ihn erschossen hatte. Die wunde war groß und tief und wären Jason, Emanuel und Nora nicht da gewesen wäre ich an der wunde verblutet. Innerhalb ein paar Minuten. Ich stemmte mich auf meine Ellbogen und sah mir mein Bein an. Der verband war sehr sorgfältig angelegt worden und man hatte akribisch darauf geachtet das er auch wirklich gerade und eng anlag.

Plötzlich ging die Türe zu meinem zimmer auf und Nora kam herein gestürmt.

„Luca, Luca! Alles okay?" , schrie sie und blieb vor mir stehen.

„Ja, ich hab nur mein Bein vergessen und wollte aufstehen." Sie seufzte erleichtert und half mir mich aufzusetzen.

„Ich dachte du hättest den Geist auf gegeben. Verdammt ich hab mir echt Sorgen gemacht. „Jetzt seufzte ich und hielt ihr meine Hand hin.

„Könntest du mir hoch helfen?" Sie sah mich an und schimpfte dann weiter, allerdings packte sie dabei meine Hand und half mir. Als ich dann stand, drückte sie mich sofort auf das Bett zurück. Sie nahm meine Beine und beförderte auch die wieder aufs Bett. Ich wollte protestieren, aber Nora war in ihrem Element. Mich auszuschimpfen. Ja, das konnte sie am besten.

Und sie war noch lange nicht fertig. Aber dafür hatte ich keine zeit. Ich musste wissen, wie es Akara ging.

„Nora, hey hör mal", rief ich über ihr Gebrabbel. Und zum glich hörte sie auch sofort auf zu reden.

„Was ist denn?", fragte sie jetzt ziemlich besorgt, setzte sich zu mir aufs Bett und wollte meine Hand nehmen. Ich zog meine weg und sah Nora an. Sie trug kein Makeup und hatte auch noch die Sachen von gestern-oder von dem Tag an dem wir auf Chris getroffen hatten - an.

„Wie lange war ich weg?"

„Einen Tag hast du durch geschlafen. In der OP dachte ich erst das wird nichts mehr. Chris hat dich echt schlimm erwischt, Luca. Du hättest dein Bein verlieren können", redete sie wieder drauf los und bevor sie wieder wütete redete ich ihr dazwischen.

„Aber du bist so gut, dass das nie passieren wird."

„Das ist nicht lustig. Ich hatte angst, Luca. Versteht du nicht den ernst der Lage? Wären wir nicht da gewesen dann wärst du verblutet. Eine Sekunde später und ich hätte dich nicht mehr retten können.“

„Das wäre mir egal. Das einzige was zählt ist Akara. Wo ist sie?" Nora wollte mir schon wieder eine Predigt halten, aber als Akaras Name fiel wurde sie ganz still. Das war nichts gutes. „Nora? Wo ist Akara?" Je länger sie nichts sagte desto mehr Angst bekam ich. Mein Herz raste und ich krallte mich ins Lacken.

„Sie liegt noch auf der Intensivstation. Die Kugel hat erheblichen Schaden angerichtet. Ich hab getan was ich konnte." Sie kam nicht zum Punkt, redete drum herum dabei wollte ich doch nur wissen wie es ihr geht. Ob sie durch kommt.

„Gehts ihr gut, verdammt?“

Sie starrte mich jetzt an, aber dann wurde ihr blick entschuldigend und dann wieder anklagend.

„Also jetzt muss ich ehrlich sein und dir wirklich deine Grenzen vorhalten", fing sie wieder an. Es war ja nicht so als hätte sie das die letzten Minuten nicht auch schon getan. „ Alles was du wissen darfst ist das sie hier ist. Du hast sie beschützt und du hast dein leben für sie aufs Spiel gesetzt ... sogar zwei mal. Das reicht jetzt. Dein Auftrag ist erfüllt und du musst sie nicht mehr wieder sehen. Eure leben trennen sich ab jetzt.“ Verdammt, merkte sie denn nicht das mich das nicht interessierte?

„Das ist mir egal. Ich will wissen wie es ihr geht. Wie oft denn noch?" Sie setzte wieder an um ihre Standpauke zu erweitern, aber zu meinem Glück ging in dem Moment die Türe auf. Und es traten die Menschen hinein aus denen ich bestimmt ein paar Antworten quetschen konnte. Aus Emanuel vielleicht nicht, aber Jason und Celina würden mit mir kooperieren.

„Du bist wach“, bemerkte Jason und kam an die eine Seite meines Bettes. Celina war auch sofort neben mir und krallte sich meine Hand. Doch dann fiel ihr auf, was sie da tat und ließ meine Hand los.

„Ent ... entschuldige ich hab mir nur sorgen um dich gemacht.“

„Mir geht's gut", beruhigte ich sie und nahm ihre Hand wieder in meine. Sie lächelte leicht und drückte meine Hand.

„Wag es dich, Luca. Du wirst sie nicht nach Akara fragen“, meinte Nora und drehte sich dann zu Celina. „Und du? Du solltest erst gar nicht hier sein.“ Als nächstes drehte sie sich zu Emanuel und Jason und wurde noch wütender. „Warum zum Teufel habt ihr sie mitgebracht?“

„Weil sie nach ihm sehen wollte“, zuckte Emanuel die Schultern. Hmm, vielleicht erfuhr ich doch was über Akaras Zustand. Nora seufzte, scheuchte Celina aber dann weg und machte sich dann daran mir die Schläuche wieder dran zu machen. Meckern würde jetzt auch nichts mehr helfen. Die drei waren wirklich meine Retter.

"Gut, also wenn das geklärt ist, kann mir dann verdammt noch mal jemand sagen, wie es Akara geht! ", regte ich mich wieder auf. alle sahen sich an, sagten aber kein Wort. „Ich will wissen wie es ihr geht. "

" Deswegen sind wir ja hier", meinte Emanuel und ich wurde ein bisschen ruhiger. Endlich kamen sie zur Sache, nur das hier irgendwas falsch lief. Nora sah Emanuel an, der allerdings sehr ernst schaute. Jason und Celina gingen etwas zurück und sahen auch sehr bedrückt aus.

„ Was ist hier los? " fragte ich und sah Emanuel eindringlich an.

„ Akara geht es gut", fing er an.

Ich sah ihn weiter an. „ Den Umständen entsprechend ... die Ärzte haben alles getan was sie konnten."

"Verdammt, Emanuel spuck es aus!"

" sie mussten sie ins Koma versetzten, Luca", hauchte Celina und fing dann an zu weinen.

„ So geht es ihr gut", redete Nora schnell weiter und nahm meine Hand. „Wir mussten sie zur Sicherheit ins Koma legen, damit sie sich erholt. " Sie sprach um den heißen Brei herum. Das kannte ich schon. So versuchte sie den Angehörigen den Schmerz ein bisschen erträglicher zu machen. Nur klappte das bei mir nicht.

“ Und jetzt die Wahrheit", knurrte ich sie fast an.

„ Du brauchst nicht mehr zu wissen", meinte Emanuel und drehte sich zum gehen um. Was? Was sollte das hier?

"Jason?" Er sah traurig zu Boden und schüttete den Kopf.

"Tut mir leid alter, aber ich darf nicht." Celina kam noch mal an mein Bett und drückte meine Hand.

„ Tut mit leid.Die Ärzte sagen dass sie wieder gesund wird, mehr wissen wir aber auch nicht", sagte sie und ich spürte richtig das sie die Wahrheit sagte. Na ja Celina hatten sie wahrscheinlich auch nicht alles erzählt, aber sie wusste es ja auch nicht besser. Sie kannte die drei nicht, ich schon und ich wusste, dass sie mir was verheimlichten. „Danke dass du sie gerettet hast ... nicht nur das eine mal." Ich drückte Celinas Hand und sah ihr in die verheulten Augen.

„das war selbstverständlich. " sie nickte und ich drückte ihre Hand noch etwas fester. „Was ist eigentlich mit Seth?" Das brachte sie auf andere Gedanken und die Tränen versiegten.

„Dem geht es gut. Der Schuss sah schlimmer aus als er war. " das war gut.

„Du solltest jetzt gehen, Celina", meinte Nora dann auch und lächelte Celina an. "Ich muss Luca noch etwas verarzten und ihm dann auch sagen was mit seinem Bein ist." Celina nickte und sah mich noch mal an.

„Pass auf euch auf, versprichst du mir das?" Fragte ich sie und sie nickte heftig.

„Keine Seiten Straßen im dunklen mehr", versprach sie hoch und heilig.

Ich lächelte und entließ sie damit. Jason sah mich an und ich nickte nur.

„Ich komme morgen noch mal nach dir sehen", meinte er.

„Mach dir keine Umstände.“

„Tu ich nicht.“ Damit verschwanden Emanuel, Celina und Jason wieder und ließen mich mit Nora alleine. Ich legte mich zurück und ließ sie einfach arbeiten. Das sie wieder anfing zu wüten wollte ich lieber entgehen.

Als sie dann alles wieder an seinen platz gerückt hatte, drehte sie sich zu mir und erzählte mir was genau mit meinem Bein los war.

Chris hatte mir den halben Oberschenkel aufgeschlitzt und das war nicht gerade ohne gewesen. Zum Glück hatte Nora schnell gehandelt und das hielt sie mir auch vor. Kaum hatte sie mir erzählt, dass sie die Blutung erst stillen musste und dann Probleme hatte mich überhaupt ins Krankenhaus zu bringen. Da hatte alles dann besser geklappt, allerdings wusstet sie noch nicht wie sich das Gewebe zusammen zog und wie alles verheilte.

„ Wir müssen nach der Reha gucken, ob du überhaupt noch arbeiten kannst ... also als Bodyguard", murmelte sie. Sie wagte noch nicht mal mich dabei anzusehen.

Sie wusste einfach das mir der Job viel bedeutete und wenn ich den nicht mehr ausüben konnte, war das echt scheiße.

„Kannst du es noch retten oder ist es verloren?“

„Ich weiß nicht, Luca. Das Bein verlierst du auf keinen Fall aber wir müssen die Reha abwarten, wie belastbar das Bein ist." Seufzend nickte ich. Dann hoffen wir mal das Beste.
 

Eine Woche war jetzt schon rum und ich hatte Akara immer noch nicht gesehen. Ich hatte Nora jeden Tag nach ihr gefragt, aber es kam immer nur ein: „Ihr geht es gut." Obwohl es nicht stimmte, gut ging es ihr nicht wirklich.

Heute wurde ich entlassen, in die Reha entlassen. Nora hatte mir schon geholfen, mich in einen Rollstuhl zu setzten, hatte dann aber weg gemusst. Das war meine Chance gewesen mal nach Akara zu sehen. Ich wusste welcher Stock es war und dadurch das das personal nicht eingeweiht war konnte ich an der Rezeption nach Akara fragen.

Als ich dann endlich bei ihr im zimmer war, blieb ich erst einmal an der Tür stehen.

Es war ein abscheulicher Anblick sie regungslos auf dem Krankenbett liegen zu sehen, mit den ganzen Schläuchen und den riesigen Geräten an ihrer Seite.

Langsam rollte ich auf das Bett zu. Verdammt, das alles war meine Schuld. Ich hatte sie zu sehr an mich heran gelassen, ich hatte ihr zu viele Hoffnungen gemacht. Wie konnte sie nur so dumm sein und sich zwischen mich und die Kugel zu werfen?

Leicht nahm ich ihre Hand in meine. Sie war kalt und genauso fühlte Ich mich dann auch. Ich hatte so angst, dass sie nicht mehr aufwachte.

„ Verspricht mir, dass du aufwachst", hauchte ich so leise ich konnte und hob ihre Hand an meine Lippen. Akara antwortete mir nicht, stattdessen antwortete mir das lästige piepen der Geräte. „Pass auf dich auf und sorg dafür das du glücklich wirst. Mir scheint das Seth ein guter junge ist. Er wird dich sicher gut behandeln. " Ich musste diese Worte laut aussprechen ... sonst glaubte ich sie selber nicht. Ich musste sie jetzt verlassen, musste sie gehen lassen.

Zart drückte ich ihr noch einen Kuss auf den Handrücken. In dieser kurzen zeit war sie mehr für mich geworden als nur meine Klientin. Sie war die Tochter meines Bruders - des Mannes den ich meinen Bruder nannte - und vielleicht war genau das der Punkt gewesen, warum ich ihr überhaupt geholfen hatte. ... das war vielleicht der Grund warum ich geholfen hatte, aber Akara hatte mich sofort in ihren Bann gezogen als sie gegen mich gestoßen war. Ihre Art war anders sie war unbeschwert, aber auch stark. Ich hatte sie in mein Herz gelassen, hatte nach Gefühlen gehandelt nicht nach verstand. Und verdammt noch mal ich empfand etwas für Sie ... liebte sie.

„Werd gesund", hauchte ich ein letztes mal gegen ihre Hand und ließ sie dann los. Schweren Herzens manövrierte ich meinen Rollstuhl in Richtung Tür. Ich machte langsam, aber mir war bewusst das das hier sein musste.

Draußen traf ich auf Emanuel. Er stand vor der Türe und sah mich an

„Es ist das beste", meinte er. Mein Kopf stimmte ihm zu aber mein Herz sagte etwas anderes.

 

Epilog

Drei Jahre später

 

 

Die Toren zum College waren weit geöffnet und hunderte von Studenten schlenderten hinaus. Es war Freitag, somit Wochenende und das hieß feiern gehen, ein bisschen den Dampf von der gesamten Woche ablassen.

Ich hatte diesem Leben den Rücken gekehrt. Ich hatte geschmissen und mir stattdessen einen Job gesucht, einen der mir immer mehr Spaß machte. Ich schrieb kleine Blogs im Internet und verfasste kleine Artikel in der beliebtesten Zeitschrift hier im Land. Ich weiß nicht genau, was mich geritten hatte, nach noch nicht mal drei Wochen mein Studium zu schmeißen, aber es hatte sich richtig angefühlt. Ich wollte nicht weiter lernen, eine Schulbank drücken und einfach so vor mich her starren. Die ersten Wochen auf dem College waren einfach schlimm für mich gewesen. Zudem ich später angefangen hatte, durch das Koma und die Reha. Celina war deswegen auch schon weiter gewesen und somit waren wir uns nur auf den Gängen oder in der Cafeteria begegnet und das auch sehr selten. Zudem kam dazu, dass ich mich voll verausgaben musste.

Nachdem ich aus dem Koma erwacht war, hatte Celina mir gesagt, dass Luca weg sei und auch Emanuel hatte nicht mehr gesagt. Jedes Mal wenn ich nach Luca gefragt hatte, war er ausgewichen. Deswegen hatte ich mich einfach ablenken müssen.

Plötzlich klopfte etwas an mein Auto ich schreckte auf.

„Warst du wieder in Gedanken?“, fragte Celina mich und sprang in mein Babyblaues Cabrio.

„Etwas“, lächelte ich sie an und startete den Motor.

„Und was bedrückt dich? Wie läuft dein Blog?“ Ich sah Celina jetzt zwar noch weniger, aber immer dann wenn es ging, versuchten wir uns zu treffen. Wie heute. Wir wollten ins Stadion fahren, da Seth ein Footballspiel hatte. Zwar waren wir keine Cheerleader mehr, aber von der Tribüne konnte man ja immer noch anfeuern.

„Ja, der Blog läuft. Ich musste nur darüber nachdenken, warum ich das College geschmissen habe.“ Celina tätschelte mir das Bein und ich fuhr los.

„Sei froh, also die ganzen Anfragen zu Partys oder Verbindungshäusern sind echt nervig“, seufzte sie. „Aber jetzt die Besten Nachrichten. Juan hat mir eben geschrieben, sie wollen mit uns nach dem Spiel noch was trinken gehen.“ Jetzt strahlte sie wieder. Das mit ihr und Juan lief jetzt schon drei Jahre und ich musste sagen, ich fand es richtig süß. Sie verhielten sich teilweise so verliebt und dann auch nicht. „Achso und bevor ich es vergesse, Juan meinte auch, dass wir vorher in die Kabine kommen sollen. Wir dürfen unten am Rasen sitzen.“ Sie stupste mich an und grinste. „Er meinte, er hätte nichts dagegen, wenn wir wieder Cheerleaden. Und ich will dazu sagen, dass auch Seth nicht sehr abgeneigt wäre.“ Dann kramte sie in ihrer Tasche und holte zwei Cheerleaderoutfits raus. Sie hatten das gleiche Muster, wie unseren früheren Outfits.

„Celina“, stöhnte ich.

„Komm schon, das wird wie in alten Zeiten.“ Sie grinste vor sich hin und legte sich die Outfits auf den Schoß. Alte Zeiten, was. Das versetzte mir irgendwie einen Stich.

Als wir dann am Stadion angekommen waren, zog Celina mich mit auf die Toiletten. Sie wollte das Outfit schon tragen, wenn wir zu den Jungs in die Umkleide kamen. Seufzend machte ich, was sie wollte. Was konnte ich auch anderes tun? Nichts, also ab durch die Mitte.

„Celina, die sind was kurz“, murmelte ich, als ich aus der Toilette kam. Der Rock war echt knapp und reichte mir gerade so über den Po. Sie kam auch heraus und hatte einen wesentlich längeren Rock an. „Hey!“ Sie kicherte nur und betrachtete mich.

„Sieht doch gut aus, Seth wird es gefallen.“ Ich verdrehte die Augen und zerrte an dem Rock, aber länger wurde er dadurch nicht. Celina haute mir auf die Finger. „Lass es.“

„Dann lass uns tauschen.“ Aber Celina lachte nur und stolzierte aus der Toilette. Genervt folgte ich ihr, versuchte aber die ganze Zeit, den Rock ein bisschen länger zu ziehen.

„Stell dich nicht so an, Char, du siehst super sexy aus.“

„Schön, was wenn ich das gar nicht will? Wir sind doch keine 19 mehr.“ Celina lachte nur und zusammen bogen wir um eine Ecke … und prompt knallte ich gegen eine Säule. Ich stolperte zurück und fiel dann unsanft auf meinen Hintern. „Verdammt, warum laufe ich denn immer gegen diese blöde Säule“, fluchte ich.

„Entschuldige, aber ich bin keine Säule.“ Mir stockte der Atem und ich sah hoch, in graue Augen. Mein Herz setzte erst für einen kleinen Moment aus, aber dann raste es nur umso schneller weiter. Ich konnte nicht glauben, dass das hier wirklich passierte. Aber bevor ich irgendwas sagen konnte, zog Celina schon die Luft ein und sagte, was ich eigentlich aussprechen wollte. Ich wollte seinen Namen nennen, aber ich bekam einfach nichts raus.

„Luca?“, hauchte Celina, aber darauf reagierte er gar nicht, er starrte mich nur an, musterte mich … genauso wie ich es tat.

Er hatte sich in den drei Jahren gar nicht verändert. Er hatte immer noch den Bart, der einfach nur super an ihm aussah. Seine Haare waren wieder unter einer Mütze versteckt, nur sein Pony war zu sehen. Er trug einen leichten Pullover, wo er die Arme hochgekrämpelt hatte und eine Jeans, die natürlich in seinen schwarzen Stiefeln steckte.

Luca fand als erster seine Stimme wieder.

„Willst du noch länger auf dem Boden sitzen bleiben?“, fragte er mit seiner sanften Stimme und hielt mir die Hand hin. Ich fühlte mich zurück geworfen, zu unserem ersten Treffen. Ohne zu überlegen nahm ich seine Hand an und ließ mich auf die Beine ziehen … auf die Beine und ganz nah an seinen Körper. Ich wollte so vieles sagen, ihn so viel fragen, aber alles was aus mir heraus kam war:

„Danke“, hauchte ich und starrte immer noch in seine grauen Augen.

„Verdammt, was tust du hier?“, rief Celina und schlug Luca auf die Schulter, der reagierte aber gar nicht darauf. Wir sahen uns einfach weiter an.

„Wo warst du?“, flüsterte ich und ignorierte Celina.

„Überall“, antwortete er mir.

„Warum? Warum bist du gegangen?“ Das war die Frage, die alles zunichte machte. Als wenn ich ihn geschlagen hätte, wich Luca zurück und ließ auch meine Hand los.

„Es ist kompliziert.“

„Dann komm doch mit uns“, meinte Celina jetzt und stellte sich neben mich. „Wir wollen uns das Spiel ansehen. Seth spielt auch.“ Bei Seths Namen sah Luca auf meine linke Hand.

„Danke, aber Nein danke. Ich glaube, da würde ich mich nicht so gut fühlen.“ Erst begriff ich nicht, was er damit meinte, bis ich zu meiner linken Hand sah. Ich trug einen schlichten silberne Ring mit vier eingelassenen Edelsteinen und das am linken Ringfinger. Es sah aus … „Ich hoffe, er behandelt dich gut.“ Mir fiel der Unterkiefer herunter. Er glaubte, dass ich mit Seth verlobt war? Oder wünschte er es sich?

Celina lachte plötzlich los und musste sich den Bauch halten.

„Sie ist noch nicht einmal mit ihm zusammen“, plapperte Celina auch schon drauf los. „Meinst du, sie würde Seth nehmen, obwohl du ihr ihr Herz gestohlen hast?“ Ich wurde augenblicklich rot.

„Celina“, zischte ich.

„Du solltest mal sehen, wie sie ausrastet, wenn jemand anderes außer du sie Akara nennt, aber mal ehrlich. Meinst du, sie könnte jemand anderen lieben ohne überhaupt irgendein Zeichen von dir?“ Celina sah mich an und stemmte die Arme in die Hüfte. „Obwohl man ja meinen müsste, dass dein Verschwinden Antwort genug wäre. Nein, sie muss es aus deinem eigenen Mund hören, dass du sie nicht liebst.“ Durch ihre Worte wurde ich noch roter, wobei ich dachte, dass das nicht mehr ging. Doch dann setzte Celina nochmal einen drauf und drückte mich in Lucas Arme. „Ihr zwei geht jetzt nen Kaffee oder so trinken und sprecht euch aus. Ich werde Seth schon sagen, dass du nicht kommst.“ Sie grinste und ging dann an uns vorbei, vorher schlug sie Luca noch mal auf die Schulter. Luca und ich standen einfach nur da und starrten uns an. Es war eben komisch ihn zu treffen, vor allem ihn so zu treffen. Wieder in einem kurzen Rock, wieder gegen ihn gestoßen.

„Also hast du nichts mit Seth am Laufen?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf.

„Ich konnte noch nicht. Ich hab auf dich gewartet, die ganze Zeit im Krankenhaus.“

„Es ging nicht, dass wussten wir beide von Anfang an.“

„Und was genau? Die Gefahr ist weg, da war nichts mehr, was zwischen uns stand, warum bist du gegangen?“

„Ich musste in die Reha und es stand eben nicht fest, ob ich mein Bein noch belasten kann oder nicht.“ Jetzt war ich verwirrt.

„Dein Bein?“

„Chris hat mir den Oberschenkel aufgeschlitzt, als ich ihn getötet hab. Du weißt selber, dass mein Job kein Zuckerschlecken ist und er ist der einzige, den ich machen kann. In einem Büro kann ich nicht sitzen und ich … ich konnte einfach nicht bei dir bleiben und wissen, dass du dann zuhause sitzen würdest und dir Sorgen machst, das hast du nicht verdient und vor allem wollte ich nicht immer dein sorgenvolles Gesicht vor meinen Augen haben.“ Langsam hob er seine Hand und strich vorsichtig über meine Wange.

„Meinst du nicht, dass ich damit umgehen kann?“ Er schüttelte den Kopf und legte seine Hand jetzt ganz auf meine Wange.

„Könntest du zuhause bleiben und auf mich warten? Wenn du nicht weißt, was für einen Auftrag ich habe? Ich würde einfach Abends nicht nach Hause kommen oder ich müsste von jetzt auf gleich verschwinden. Könntest du das?“ Ich sah in seine grauen Augen und musste mir vorstellen, wie ich in ein leeres Haus trat. Nicht zu wissen, wie es ihm geht? Würde ich das aushalten? Nein, er hatte Recht, denn ich hatte nur lebhafte Erinnerungen an seine Wunden, die er davon getragen hatte, nur weil er mich und Celina beschützt hatte.

„Und deswegen bist du gegangen?“

„Akara, ich ...“ Ich schloss die Augen und genoss es, wie er meinen Namen aussprach. So lange hatte ich seine Stimme nicht mehr gehört. Dann sah ich ihn wieder an, denn er ließ seine Hand sinken und wollte sich von mir entfernen. Ich schnappte mir seine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.

„Ich liebe dich“, hauchte ich ganz leise und drückte seine Hand. Ich musste ihm das jetzt sagen, bevor er wieder verschwand. Das war es auch gewesen, was ich ihm hatte sagen wollen, nachdem ich mich vor die Kugel geschmissen hatte. Ich hatte ihm unbedingt sagen wollen, dass er alles für mich war, dass ich nicht aufhören konnte an ihn zu denken … und genau das war auch so in den letzten drei Jahren so gewesen.

„Tu das nicht.“

„Und warum? Dann sag mir, schau mir ins Gesicht und sag mir, dass du nichts für mich empfindest.“ Damit starrte ich ihm in die Augen, verlangte von ihm, etwas zu sagen. Ich musste es hören. Wenn er wirklich der Meinung war, dass wir nicht zusammen gehörten, dann musste er mir ernst ins Gesicht sehen und mir sagen, dass da nichts war. Aber er zögerte.

„Ich kann nicht, Akara.“

„Was kannst du nicht, Luca?“ Er sah mir verzweifelt in die Augen und tat dann etwas, was mich überraschte. Er zog mich so schnell an sich und drückte seine Lippen auf meine. Erst war ich überrascht, aber dann erwiderte ich seinen Kuss. Das war seine Antwort, eine Antwort die mir zwar nicht sagte, wie es weiter ging, aber die mir sagte, dass er etwas für mich empfand.

„Wie kannst du nur denken, dass ich nichts für dich empfinde? Ich liebe dich, Akara, und deswegen bin ich auch gegangen, weil ich wollte, das du glücklich bist“, hauchte er an meinen Lippen.

„Ich bin glücklich mit dir, Luca, wann verstehst du das endlich?“ Ich lächelte, legte meine Hand an seine Wange und küsste ihn wieder. Luca zog mich noch etwas an sich und umschlang meine Hüfte. Als wir uns dann wieder lösten, kuschelte ich mich an seine Brust und ließ meine Hand zu dieser gleiten. „Verlass mich nicht schon wieder, bitte. Ich schaffe das schon, nur bitte geh nicht wieder, nicht ohne mir Bescheid zu sagen“, flüsterte ich ganz leise, sodass nur er es hören konnte. Luca drückte mich fester an sich und küsste meinen Scheitel.

„Ich bleibe bei dir. Für dich würde ich alles aufgeben“, hauchte er in meine Haare, was mich aufschauen ließ.

„Was?“

„Ich hatte darüber nachgedacht, hatte es mir ausgemalt, aber ich … ich hätte nie gedacht, dass ich dich noch mal zu Gesicht bekomme und das du mich immer noch lieben würdest.“ Mein Herz ging in den nächsten Gang. Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt. Er würde für mich als Bodyguard aufhören? Aber für Nora … dieses Geständnis war einfach das schönste, was er mir je machen könnte. Er liebte diesen Job, er war eben ein harter Typ, er konnte mit dieser ganzen Gewalt umgehen und das alles würde er für mich aufgeben? „Ich könnte wieder bei der Polizei anfangen.“ Ein riesiges Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

„Du hast das aber sehr weit ausgearbeitet.“ Sanft strich er mir über die Lippe und lächelte auch.

„Ich hatte gehofft, dieses Gespräch mal mit dir zu führen.“

„Ohne Emanuel und Nora im Rücken?“ Jetzt lachte er leise auf und nickte dann.

„Ja, nur wir zwei.“ Mein Lächeln wurde sanfter. Mit einem kleinen Schwung, stand ich auf meinen Zehenspitzen und küsste Luca.

„Wir finden eine Lösung, ich werde dich in kein Büro stecken“, flüsterte ich an seinen Lippen und gab ihm noch einen kleinen Kuss. „Aber verlass mich nicht.“

„Nie wieder.“ Damit küsste Luca mich und machte mich zur glücklichsten Frau der Welt … natürlich bis er mir einen Antrag machte, da war ich die glücklichste Frau des Universums, aber das dauert noch etwas. 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sooo das wars =)
Ich hoffe, wie immer, dass es euch gefallen hat =)
Und das ihr mich nicht für dieses Ende hasst =P

Eure
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Kommentare zu dieser Fanfic (29)
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Von:  Miena
2015-11-17T10:08:32+00:00 17.11.2015 11:08
AHHHHHHH!!!!!!!!! *.*
Luca! -mit Fähnchen wedel-
Ich liebe das Ende! Das kam so unerwartet! Ich hab echt gedacht, das wars jetzt und sie kommt mit Seth zusammen... Oh Gott, ich liebe diese Geschichte!!
Ich bin einfach sprachlos. :)
Ich hoffe, ich lese noch ganz viele, tolle Geschichten von dir! Denn die berühren irgendwie immer mein Herz. :))

Danke für diese wunderschöne und spannende Geschichte! <3

Liebe Grüße,
Miena
Antwort von:  Ten-nii-san
17.11.2015 18:02
uuuuh, das ist ja süß. Ich bin total sprachlos, es macht mich so glücklich das dir meine Sachen gefallen =) und es tat so gut deine ganzen Kommentare zu lesen =) ich hatte gedacht, dass das Ende ein bisschen abrupt kam und vielleicht der ein oder andere es überhaupt nicht mag, aber ich freue mich das es dir gefallen hat =)
danke, danke, danke =)
Von:  Miena
2015-11-17T09:55:38+00:00 17.11.2015 10:55
Ich mag ein happy end haben! :/
Charlie soll aufwachen und Luca soll bei ihr sein!
Oh maaaan... Ich bin hin und weg...

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-17T09:42:26+00:00 17.11.2015 10:42
Jetzt wird es nochmal richtig spannend!
Dein Schreibstil ist einfach genial, man steckt einfach mitten drin!
Einfach Wahnsinn!
Hoffentlich hat er Chris nicht getroffen. :/

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-17T09:30:27+00:00 17.11.2015 10:30
Gänsehaut pur... Hoffentlich schafft Luca das!
Und wieder könnte ich diese Nora erwürgen!!! ò.ó
Die geht mir soooo auf die Nerven!

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-17T09:19:36+00:00 17.11.2015 10:19
Luca ist so toll! *.*
Ich wusste doch, dass er sie auch liebt. :))
Und diese blöde Nora soll die Finger von ihm lassen! Einmal getrennt, immer getrennt. Blöde Kuh!
Hoffentlich geht alles gut und Luca kann Charlie heile raus holen. :)

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-16T21:56:09+00:00 16.11.2015 22:56
Luca ist wach?! Ò.ó
Warum ist er nicht bei ihr? Maaaan, der hätte Chris mit Leichtigkeit umgehauen! :/
Oh Gott, ich hab so Angst... Dieses widerliche Schwein!!!

Bin verdammt gespannt auf die nächsten Kapitel!

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-16T21:47:50+00:00 16.11.2015 22:47
Wehe, sie geht mit! Sie gehört zu Luca! :/
Und hoffentlich hat sie sich Chris nur eingebildet...
Man, du machst es echt verdammt spannend! :)

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-16T21:38:26+00:00 16.11.2015 22:38
Mir tut Charlie so leid... :/
Hoffentlich taucht Luca bald auf und sie muss sich nicht weiter mit Seth treffen...
Hach man... Lucaaaa, wach auf! -Fähnchen wedel-

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-16T21:21:08+00:00 16.11.2015 22:21
Ich hoffe Charlie entscheidet sich noch um, wobei ich im Gefühl habe, sollte Luca aufwachen, dass er auf direktem Weg zu Charlie geht. :)
Ich liebe die beiden einfach und sie gehören zusammen. *.*

Liebe Grüße,
Miena
Von:  Miena
2015-11-16T10:28:26+00:00 16.11.2015 11:28
Hoffentlich kommen die beiden Heil da raus und können Luca schnell ins Krankenhaus bringen!
Es ist echt heftig, was Chris mit ihm gemacht hat...
Hoffentlich geht alles gut. :/

Freue mich auf die nächsten Kapitel.

Liebe Grüße,
Miena


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