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Imas - Ein Gott für alle Fälle

von

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Die Beschwörung

Langweilig. Genau das war das Wort, welches am besten seine Laune beschrieb. Imas war langweilig. Es gab einfach nichts zu tun. Dabei hatte er schon so viel ausprobiert um sich davon abzulenken, dass er mal wieder hier im Himmel festhing. Die Menschen mochten es vielleicht für eine schöne Vorstellung halten im Himmel zu sein - er aber fand es einfach nur grässlich. Zugegeben es war nicht schlecht. Man bekam, zumindest meistens, alles was man wollte. Aber er steckte hier schon seit zweihundert Jahren fest. Und das waren definitiv zweihundert Jahre zu viel. Hinzu kam, ob man es nun glauben wollte oder nicht, dass er hier im Himmel mehr als eingeschränkt war in den Dingen die er tun konnte. Schließlich gab es auch hier Regeln die jeder zu befolgen hatte. Wäre er in der Menschenwelt... Da wäre das was anderes. Natürlich konnte er auch da nicht nur tun und lassen was er wollte. Natürlich nicht. Doch ein wenig mehr Freiraum hätte er dort schon. Allerdings gab es wohl kaum einen Menschen, der sich an ihn erinnerte. Immerhin verschwand er beinahe schon im selben Moment aus dem Gedächtnis der Menschen wenn sie ihn ansahen. Da wäre es wirklich seltsam wenn sich jemand an ihn erinnern würde. Hinzu kam, dass sich einige vielleicht auch gar nicht an ihn erinnern wollten. Auch das könnte Imas nur zu gut verstehen. Vor allen Dingen wenn man bedachte was er damals getan hatte...
 

"Du, der du in den Schatten wandelst. Geboren aus einem Wunsch, gefangen zwischen den zwei Welten. Beschützer und Zerstörer zugleich. Tänzer zwischen Gut und Böse. Verlorenster aller und doch freier als ein Vogel. Ich rufe dich: Imas!"
 

"Was...?", Imas riss vor lauter Überraschung die Augen auf. Er kannte dieses Gefühl, dass sich gerade in seiner Brust ausbreitete. Ein Gefühl, unangenehm und angenehm zugleich. Eines, welches er seit Jahrhunderten nicht mehr verspürt hatte und ihn nun mit aller Heftigkeit traf. Scheinbar war er doch noch nicht so ganz vergessen. Denn dies hier... Dies war eine Beschwörung. Daran war nicht zu zweifeln. Wenn auch eine sehr altmodische, was die Sache zwar etwas verkomplizierte aber besonders schlimm war das nicht. Immerhin hatte er jetzt die Abwechslung die er sich gewünscht hatte. Wenigstens etwas. Imas atmete tief durch. Wenn er sich nicht schnell entspannte, würde die Beschwörung äußerst unangenehm für ihn enden. Und darauf hatte er keine Lust. Allerdings war das mit dem entspannen leichter gesagt als getan. Vor allen Dingen deswegen weil er sich innerlich komplett aufgewühlt um nicht zu sagen euphorisch fühlte. Trotzdem musste er sich beruhigen. Denn wenn Imas auf eines keine Lust hatte war das Schwindel, Seitenstechen und Übelkeit. Die typischen Nebenwirkungen die einen trafen wenn man sich nicht vollkommen entspannt auf eine Beschwörung einließ. Noch einmal atmete Imas tief durch. Dann ließ er sich auf die Beschwörung ein, die ihn jetzt umgab wie Wasser einen Taucher im Meer.
 

Als Imas wieder zu sich kam, stellte er fest dass er sich vor einer Art Tempel befand. Vielleicht auch nur ein Schrein, überlegte er. Der Boden auf dem Imas lag war mit Steinplatten bedeckt. Daher kamen dann wohl wahrscheinlich die Kopfschmerzen. Imas seufzte, rappelte sich auf und sah sich aufmerksam um. Es war tatsächlich ein Schrein vor dem er sich befand. Und anscheinend der eines sehr beliebten Gottes. Warum also hatte man ihn gerufen? Nichtsdestotrotz musste Imas nun die Anerkennungsformel sprechen.
 

"Meine Name ist Imas. Wandler im Schatten. Bis zu deinem rufen gefangen zwischen den Welten. Beschützer und Zerstörer zugleich. Tänzer zwischen Gut und Böse. Ergeben deinen Wünschen und Taten. Anwesend in der Welt der Menschen bis dein wahrer Wunsch gesprochen wurde. Unterlegen den Regeln der Götter. Danach handelnd und nicht verstoßend. So schwöre ich dir zu dienen und dich als meinen Begleiter meines und auch deines Schicksals anzuerkennen und meinen Weg mit deinem zu verknüpfen bis zu dem Zeitpunkt an dem sich erfüllen möge was erfüllt werden muss oder ich als neuer Gott beschworen werde".
 

Imas sah sich um. Normalerweise war jetzt der Zeitpunkt gekommen, an welchem sich der Beschwörer vorstellte. Doch nichts dergleichen geschah. Niemand zeigte sich ihm. Stille herrschte rund um ihn herum. Die Vögel waren die einzigen, die zu hören und zu sehen waren. Ansonsten tat sich nichts. Absolut rein gar nichts. "Na großartig", knurrte Imas. Ihm blieb also mal wieder nichts anderes übrig als zu warten...

Immer Ärger mit Menschen

Ganze drei Tage war er nun in der Menschenwelt und noch immer war derjenige der ihn beschworen hatte nicht erschienen. Das war nicht nur etwas was äußerst ungewöhnlich war, sondern auch eine bodenlose Frechheit. So sah zumindest Imas es. Was erlaubte sein Beschwörer, oder Beschwörerin, sich eigentlich? Er war immerhin ein Gott! Zwar kein besonders erfahrener und zudem noch ziemlich jung mit seinen gerade einmal knapp dreihundertvierzig Jahren - doch das tat ja wohl nichts zur Sache. Er war ein Gott und verdiente damit Respekt. Das blieb nun einmal eine Tatsache. Jeder der etwas anderes behauptete war im Unrecht. So einfach war das. Die Menschen hatten nicht danach zu fragen warum die Götter auf der Erde erschienen. Und erst recht nicht hatten sie zu spät zu kommen, wenn sie jene Götter beschworen. Imas schnaubte abfällig. Nur hier herumsitzen kam allerdings so langsam nicht mehr in Frage. Die Menschen die hier vorbei kamen, würden ihn für einen Bettler halten wenn er weiter hier blieb. Eine andere Bleibe konnte er sich allerdings nicht leisten. Das hatte auch einen ganz einfachen Grund: Er hatte kein Geld. Den Göttern die auf die Erde gerufen wurden, bekamen nie Geld oder sonstige Zahlungsmittel. Das war schon vor tausenden Jahren so gewesen und würde vermutlich auch so bleiben. Schließlich hatten sie nur die Aufgabe den Menschen den wahren Wunsch zu erfüllen. Je schneller sie das taten umso höher war das Ansehen, dass ihnen später bei ihrer Rückkehr im Himmel gezollt wurde. Und je mehr Ansehen man hatte desto höher war der Rang. Hinzu kam, dass man den Menschen je nach höhe des Ansehen länger oder kürzer im Gedächtnis blieb. Tauchte jedoch derjenige von dem man beschworen wurde nicht auf, wie es bei ihm der Fall war, hatte man über kurz oder lang ein Problem. Ein Problem, welches möglichst schnell gelöst werden musste. Andererseits würde es Ärger geben und das war nun wirklich nicht das worauf er aus war. Außerdem hatte er im Moment absolut keine Ahnung wem von den Göttern dieser Schrein gehörte. Es musste ein bekannter sein - ob das gut war oder nicht ließ sich noch nicht sagen. Aber das würde er wahrscheinlich früh genug heraus finden. Spätestens dann, wenn er wusste wo er war.

"Sami! Muss das ausgerechnet heute noch sein? Es wird schon bald dunkel. Den Schrein können wir doch auch morgen noch besuchen. Er wird uns ja wohl kaum weglaufen", hörte Imas plötzlich jemanden sagen. Unwillkürlich musste er schmunzeln. Sami - das war sein Name rückwärts gelesen. Umständlich stand Imas auf und ging in die Richtung aus der die Stimme kam. Im Moment allerdings noch darauf bedacht, dass er nicht bemerkt wurde.
 

"Du musst ja nicht mitkommen. Wenn du willst kannst du ruhig hier draußen warten", entgegnete eine andere Stimme. Vermutlich gehörte sie Sami, überlegte Imas und sein Verdacht wurde wenig später bestätigt.

"Bist du irre Sami? Ich kann dich doch nicht einfach so im Dunkeln allein lassen! Immerhin bin ich..."

"Ja?", Samis Stimme hörte sich unschuldig an.

"Ach verdammt! Du weißt genau wovon ich rede!", beschwerte sich derjenige der zuerst gesprochen hatte.

"Stimmt. Aber trotzdem danke Aoshi", Belustigung schwang dieses Mal in Samis Stimme mit, was Imas zu einem Grinsen verleitete.
 

Aoshi seufzte. Er war schon seit langem der beste Freund von Sami, sowie zugegebenermaßen ein wenig verliebt in sie, aber manchmal brachte sie ihn wirklich an den Rand der Verzweiflung. Was sie natürlich auch zu gut wusste. Trotzdem tat sie nichts um sich zu ändern. Und jetzt schleppte sie ihn auch noch mit zu dem Schrein hierher. Aoshi schüttelte resigniert den Kopf. Zu fragen warum sie hierher wollte würde vermutlich nichts bringen außer...
 

„Willst du denn gar nicht wissen, warum ich hier noch hin will?“

Aoshi sah seine Freundin erstaunt an. Manchmal war es wirklich gruselig, wie gut sie ihn kannte. „Würdest du es mir denn sagen?“, konterte er, jedoch ohne besondere Schlagkraft.

Sami schmunzelte. „Wer weiß? Vielleicht hab ich das sogar tatsächlich vor...“

„Das freut mich. Ich würde das nämlich auch sehr gerne wissen“.
 

Sami drehte sich überrascht um. Zuerst glaubte sie, dass es Aoshi gewesen war, der gesprochen hatte. Wie sie jetzt jedoch feststellte war dem nicht so. Ihr gegenüber stand nun ein junger Mann, wohl etwas älter als sie und Aoshi. Er trug elegante traditionelle Kleidung. Sein dunkelbraunes Haar wirkte zerzaust, was ihm eine gewisse Verwegenheit verlieh. Sein Gesicht war schmal und seine Augen, die blau wie der Ozean waren wie sie verblüfft feststellte, sahen sie mit unverhohlener Neugierde und Aufmerksamkeit an.
 

„Wer bist du?“, war das erste was Sami zu sagen einfiel. Eine ganz normale Frage, er jedoch schien sich aus irgendeinem Grund darüber zu ärgern. Das erkannte sie daran wie sich seine gesamte Haltung veränderte.

„Wer ich bin? Das willst du wissen?“, wiederholte er und seltsamerweise fühlte Sami sich als ob sie ihn etwas dämliches gefragt hätte. Was wohl auch mit ziemlich großer Sicherheit das war was er dachte. Dennoch nickte sie. „Ja“, sagte sie.

„Ihr Menschen habt wirklich keinerlei Manieren. Wäre es nicht erst an euch beiden sich vorzustellen? Doch obwohl ich im Moment nicht gerade gute Laune habe verzeihe ich es euch. Schätzt euch also glücklich“, begann Samis Gegenüber. Er räusperte sich. „Ich bin der Gott Imas. Wandler im Schatten. Beschützer und Zerstörer zugleich. Tänzer zwischen Gut und Böse. Unterlegen den Regeln der Göttern und...“

„Sami lass uns gehen! Der Kerl ist verrückt. Ich hab dir doch gesagt, dass es keine gute Idee ist um diese Zeit zu dem Schrein zu gehen!“, mischte sich Aoshi ein.

„Verrückt? Du unterstellst mir ich sei verrückt? Also entweder bist du ziemlich dämlich oder du sehnst dich nach einem mehr oder weniger schnellen Tod“, Imas ließ die Knöchel seiner Hand knacken und blickte den Jungen, der neben Sami stand, finster an.

„Mehr oder weniger schneller Tod?“, stirnrunzelnd sah Sami ihn an.

„Ja ganz nach meinem Belieben“, Imas grinste.

Sami schüttelte den Kopf. Der junge Mann der ihnen gegenüberstand verhielt sich definitiv eigenartig. Allein wie er redete! So sprach doch heutzutage kein Mensch mehr und dann behauptete er auch noch ein Gott zu sein. Trotzdem kam er ihr seltsamerweise nicht verrückt vor. Warum das genau der Fall war, konnte sie sich allerdings noch nicht einmal selbst erklären.
 

„Also warum bist du jetzt hier? Du bist nicht vielleicht diejenige die mich beschworen hat?“, riss Imas sie aus ihren Gedanken.

„Beschworen?“, fragte Sami perplex.

„Ja. Das hast du doch, oder etwa nicht?“

„Nein. Habe ich nicht. Ich habe bisher noch nicht einmal gewusst, dass es einen Gott namens Imas gibt. Zumindest wenn es stimmt, dass du tatsächlich ein Gott bist was ich im Moment sehr bezweifle. Oder was würdest du tun wenn dir jemand einfach mal so eben erzählt, dass er ein Gott ist?“

„Ich würde bemerken ob dem so ist oder nicht. Also gäbe es auch keinen Grund mir das zu erzählen. Geschweige denn, dass ich nachfragen müsste“, erklärte Imas ohne mit der Wimper zu zucken.

„Entschuldige, die Frage war dumm“, Sami seufzte.

„In der Tat, aber dir sei ein weiteres Mal verziehen. Zumindest wenn du mir jetzt endlich erzählst was du hier zu suchen hast“, Imas nickte huldvoll.

„Sami! Lass uns endlich gehen!“, das war wieder Aoshi.

Sami ignorierte ihren Freund. „Du willst mir also erzählen, dass du ein Gott bist aber das nicht weißt?“, fragte sie.
 

„Sehe ich aus als wäre ich allwissend?“, Imas sah Sami mit hochgezogener Braue an. Diese begann mit einem Mal zu lachen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, etwas lustiges gesagt zu haben“, grummelte Imas und brachte sie damit nur noch mehr zum Lachen. „Würdest du bitte damit aufhören? Es ist äußerst unhöflich das zu tun wenn der andere den Grund nicht kennt“, beschwerte Imas sich und fügte missmutig hinzu: „Womit mal wieder bewiesen ist, dass Menschen, egal von wo sie kommen, keinerlei Manieren besitzen“.
 

Sami biss sich auf die Lippen um sich das nächste Auflachen zu verbeißen. „Entschuldige, ich wollte nicht unhöflich sein“, sagte sie zu Imas. „Allerdings gehen die meisten Menschen davon aus das Götter alles wissen“, erklärte sie Imas. „Dann seid ihr Menschen dumm. Oder glaubt ihr tatsächlich wir Götter müssten uns nicht auch an Regeln halten. Nur sind es bei uns eben die Regeln des Universums“, sagte Imas, als wäre es das Offensichtlichste der Welt. Das wiederum begann Sami nun so langsam zu ärgern. Denn nichts konnte sie weniger ausstehen als wenn man sie herablassend, belehrend oder wie ein kleines Kind behandelte wie er es tat. Sami atmete tief durch. Sich über Imas aufzuregen würde ihr vermutlich nichts bringen, also war es besser, wenn sie sich zusammen riss. Wahrscheinlich war es sowieso am vernünftigsten, wenn sie das, was sie vorhatte, so schnell wie möglich hinter sich brachte.
 

„Also was hast du vor?“, Imas sah Sami mit einem durchdringenden Blick an. „Die Geduld der Götter ist auch nicht gerade unendlich, wie dir hoffentlich bewusst ist“, stellte er klar.

„Ach und ich habe gedacht Götter sind über so etwas wie Ungeduld erhaben“, eigentlich wollte Sami das gar nicht sagen, doch nun war es zu spät.

„Ihr Menschen glaubt auch wirklich alles was gesagt wird“, entgegnete Imas genervt.
 

Sami seufzte resigniert. Das was ihr hier gerade passierte konnte unmöglich war sein. Es konnte einfach nicht möglich sein, dass dieser Kerl es ernst damit meinte, dass er ein Gott war. Das musste ein Scherz ein. Und zwar ein richtig schlechter!.

„Ihr glaubt mir wohl immer noch nicht, wie?“, riss Imas sie aus ihren Gedanken.

„Ist doch nicht schlimm. Wenn es stimmt was du sagst, dann wirst du es uns doch mit Sicherheit auch beweisen können“

„Warum braucht ihr Menschen eigentlich immer für alles eine Erklärung? Das ist wirklich nervig! Ich bin schließlich kein wandelndes Lexikon“, beschwerte sich Imas.

„Es zwingt dich ja auch keiner. Hilfreich wäre es trotzdem“, kam es nun wieder missmutig von Aoshi.
 

Imas verzog das Gesicht. Das alles was ihm hier im Moment passierte, geschah wirklich nicht wie er es sich erhofft hatte. Natürlich, Langeweile hatte er jetzt keine mehr aber so wie geplant lief es auch nicht. Oder besser absolut nicht. In seinem ganzen Leben als Gott wurde er erst dreimal, zumindest wenn man dieses Mal mitzählte, beschworen. Doch so etwas wie jetzt war bisher noch nie vorgekommen. Normalerweise spürte jeder, dass er anders war. Seine Macht einfach Menschen zu demonstrieren mit denen er nie wieder etwas zu tun haben würde, mochte er überdies auch nicht. Allerdings schien es dieses Mal wohl nicht anders zu gehen. Imas sah Sami und Aoshi abwechselnd der Reihe nach an. Dann murmelte er leise ein paar Worte vor sich hin.
 

Sami sah Imas aufmerksam an. Sie sah wie er etwas vor sich hin sprach, doch was es genau war konnte sie, obwohl sie nicht weit entfernt stand, nicht verstehen. Kurz nachdem er sie beendet hatte, veränderte sich etwas. Zuerst konnte sie nicht sagen was es war, denn Anfangs war da nur dieses Gefühl. Irgendwas unbestimmtes, dass ihr sagte, dass sich etwas geändert hatte. Die Erkenntnis was es genau war kam erst später. Dann aber fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

„Du hast die Zeit angehalten, oder?“, keuchte Sami überrascht auf.

„Respekt. Ich hätte nicht gedacht, dass es dir so schnell auffällt. Geschweige denn, dass es überhaupt einer von euch bemerkt“, entgegnete Imas sarkastisch.
 

Sami tat als hätte sie ihn nicht gehört. Stattdessen blickte sie zum Himmel. Die Vögel, die bis vor kurzem noch zwitschernd über den Himmel geflogen waren, waren erstarrt. Kein Ton gaben sie von sich. Keine einzige Regung war zu erkennen. Noch nicht einmal die Pflanzen, die hier beim Schrein wuchsen, bewegten sich. Ebenso wie auch kein noch so leichter Windzug zu verspüren war und trotzdem kam es Sami vor als ob die Luft elektrisiert wäre.

„Also was ist? Glaubt ihr mir nun?“, wollte Imas wissen. Eine Antwort bekam er jedoch, sehr zu seinem Ärger, erst einmal nicht. Zumindest nicht sofort.

„Du bist also wirklich ein Gott?“, meldete sich schließlich Aoshi zu Wort.

„Das sag ich doch die ganze Zeit!“, Imas funkelte ihn an.

„Schon aber...“

„Würdest du die Zeit bitte wieder normal laufen lassen?“, bat Sami Imas schnell. Auf einen Streit zwischen Imas und Aoshi hatte sie weder große Lust, noch würde das vermutlich gut enden.

„Sieh einer an. Ein paar Manieren scheint ihr ja doch zu haben“, meinte Imas spöttisch.

Sami ging nicht darauf ein. „Also?“, fragte sie stattdessen.

„Natürlich“, Imas grinste und murmelte erneut etwas vor sich hin. Wenig später war alles wieder wie vorher.

Ferris, der Götterdiener

„Was soll das heißen: Imas ist nicht mehr hier?“, erkundigte sich Ferris.

 „Das was es eben heißt. Er ist nicht hier“, bekam er genervt zur Antwort.

 „Das ist unmöglich. Ich meine er muss schließlich noch seine Strafe absitzen, richtig? Und beschworen wurde er ja wohl kaum...“, entgegnete Ferris.

 Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern.

 „Das meinst du nicht ernst! Er ist nicht wirklich beschworen worden? Wer sollte sich denn bitte an ihn erinnern wollen oder können?“, Ferris wusste nicht genau ob er amüsiert oder verärgert sein sollte.

 „Und dennoch ist es der Fall“, gab sein Gegenüber zurück. Ihm war anzuhören, dass er dieses Thema damit am liebsten abschließen würde.

 Den Gefallen jedoch tat Ferris ihm nicht. „Dir ist doch wohl klar, dass es alles andere als gut ist, dass er beschworen worden ist. Oder bist du dir wirklich sicher, dass er inzwischen gelernt hat sich zu beherrschen und nicht wieder so etwas zu tun wie damals?“, wollte Ferris wissen. Er seufzte. „Manchmal verstehe ich euch Götter einfach nicht“, meinte er.

 Sein Gegenüber funkelte ihn wütend an. „Imas ist ein Kriegsgott. Es ist quasi seine Aufgabe Chaos zu verbreiten. Und was willst du überhaupt von ihm Ferris Götterdiener?“

 „Nenne mich nicht so!“, fuhr Ferris ihn wütend an.

 „Wieso denn nicht? Es ist schließlich dein Name“

 „Bei Ferris mag das stimmen. Doch was das andere angeht...“

 „Ach jetzt verstehe ich auch weshalb du zu Imas wolltest, doch da wirst du verlorene Seele dich schon nach unten in die Menschenwelt bemühen müssen“

 „Nenn. Mich. Nicht. So“, Ferris betonte jedes Wort. „Du hast ja keine Ahnung wie und wer ich wirklich bin“

 „Stimmt. Und ehrlich gesagt ist mir das auch herzlich egal. Und nun verschwinde endlich“

 „Ich werde ganz sicher nicht...“, setzte Ferris an unterbrach sich dann jedoch. „Verdammter Mist. Muss das gerade jetzt sein?“
 

„Du hast mir meine Frage noch immer nicht beantwortet, wenn ich dich daran erinnern darf“, sagte Imas schließlich. Er sah Sami neugierig an. „Also weshalb bist du hier?“

 Sami seufzte. Die Hoffnung Imas es nicht sagen zu müssen schwand immer mehr. „Ich besuche eine Freundin“

 „Eine Freundin?“, wiederholte Imas verwundert. „Wie kann das sein? Hier gibt es doch gar kein Wohnhaus, welche zu dieser Anlage gehört. Oder meinst du etwa...?“, dann winkte er ab. „So wichtig ist das also auch nicht“, Imas dachte kurz nach. Dann aber räusperte er sich. „Wie man es auch dreht und wendet. Mir bleibt wohl keine Wahl als Ferris zu rufen“

 „Wer ist Ferris?“, es war Sami, die diese Frage stellte.

 „Jemand mit dem ich jetzt wohl zusammen arbeiten muss“, entgegnete Imas mürrisch.

 „Und das heißt?“, hakte nun Aoshi nach.

 Imas antwortete nicht. Stattdessen räusperte er sich. „Würdet ihr beide bitte für einen Augenblick still sein?“, ohne eine Antwort abzuwarten schloss Imas die Augen und legte die Spitzen der Zeigefinger aneinander. „Ferris, Wandler zwischen den Welten, Günstling und Diener der Götter zwischen Raum und Zeit, ich rufe dich. Sei mein Schild, mein Schwert und Ratgeber“, murmelte Imas vor sich hin. Und fügte nach kurzem Nachdenken hinzu: „Diene treu und ergeben, bis ich deinen Dienst als erfüllt ansehe. Solltest du fehlen in deinen Taten, wandle umher als ausgestoßen und verachtet“
 

„Was tut er da?“, flüsterte Sami Aoshi zu.

 „Woher soll ich das wissen? Ich versteh genauso wenig ein Wort wie du“, entgegnete der leise. Er wollte noch mehr sagen doch dazu kam er nicht mehr, denn aus heiterem Himmel tauchte plötzlich jemand direkt vor ihnen auf. Jemand der ganz und gar nicht gut gelaunt zu sein schien.
 

„Imas!“, als Ferris feststellte wer es war, der ihn gerufen hatte, war er alles andere als begeistert. Wobei ich es mir ja eigentlich hätte denken können, überlegte er, immerhin ist Imas der einzige der heutzutage noch solche altmodischen und abgedroschenen Beschwörungen sprach.
 

„Schön dich zu sehen, Ferris“, riss Imas ihn schließlich aus seinen Gedanken. „Auch wenn du dir mit dem erscheinen etwas zu viel Zeit gelassen hast, wie ich finde“

 „Und du kannst dir nicht denken woran das liegt?“, fuhr Ferris Imas scharf an. „Mal ganz davon abgesehen ist dir doch sicher bekannt dass du mächtig Ärger am Hals haben wirst, wenn heraus kommt dass du mich vor Augen zweier Menschen gerufen hast“

 „Kein Problem. Sie wissen bereits dass ich ein Gott bin“

 Ferris zog eine Braue in die Höhe. „Sag bloß das haben sie dir geglaubt?“

 „Selbstverständlich. Schließlich stimmt es ja auch!“

 „Und ich habe immer gedacht, dass man für solche Bemerkungen in der Menschenwelt bei den Männern mit den weißen Kitteln landet“

 „Weiße Kittel? Wovon redest du?“

 „Nicht wichtig“, Ferris winkte ab. „Also wobei brauchst du nun schon wieder meine Hilfe? Ich hoffe es ist nicht so wie beim letzten Mal als du...“

 „Also das muss doch nun wirklich nicht schon wieder ausdiskutiert werden. Ich habe mich schließlich entschuldigt! Oft genug!“

 „Das denkst du“

 „Ferris, Diener der Götter: Muss ich dich daran erinnern, dass du nicht ganz unschuldig an den Geschehnissen von damals bist? Schließlich warst du es der sich nicht im Zaum halten konnte“, Imas Miene hatte sich zusehends verfinstert.

Ferris antwortete nicht. Stattdessen funkelte er Imas wütend an. „Hättest du deine Kräfte damals besser im Griff gehabt, wäre es nicht dazu gekommen!“
 

In Samis Verblüffung, dass vor ihren Augen auf einmal ein junger Mann aufgetaucht war, das wortwörtlich aus heiterem Himmel, mischte sich nun langsam Ärger. Vor allem Ärger darüber, dass er Aoshi und sie komplett ignorierte. Davon abgesehen schien er auch auf Imas nicht besonders gut zu sprechen sein. Das war noch nicht einmal etwas was sie besonders störte, doch wenn Sami etwas hasste dann war es wenn man sie wie Luft behandelte.

 

„Würde mir mal bitte jemand erklären wovon ihr beide sprecht?“, erkundigte sie sich deshalb auch deutlich gereizt.

 „Schweig Mensch!“, Ferris funkelte sie wütend an.

 „Das werde ich ganz sicher nicht tun!“, entgegnete Sami unbeeindruckt. Dann wandte sie sich an Imas. „Wer ist das? Und warum ist er hier? Und vor allem wie ist er so schnell aufgetaucht?“

 „Imas...“, sagte Ferris und es klang beinahe drohend.

 Imas seufzte. „Das ist Ferris. Er ist ein Götterdiener...“, er dachte kurz nach. „Ich schätze ihr Menschen würdet ihn als so etwas wie ein Priester bezeichnen. Nur ist er eben etwas mehr himmlischer...“

 „Ich verstehe kein Wort“, mischte sich nun auch Aoshi ein.

 „Das ist auch nicht nötig“, knurrte Ferris und fügte hinzu „Imas wenn du mir jetzt endlich sagen würdest was los ist wäre ich echt dankbar. Ich habe keine Lust hier, in der Menschenwelt, zu sein. Wie du sehr gut weißt“

 „Daran brauchst du mich nun wirklich nicht zu erinnern“, fauchte Imas Ferris an. „Allerdings wird dein Aufenthalt, wenn man von den jetzigen Umständen ausgeht, nicht kurz sein“, stellte er klar.

 „Na toll. Großartig. Wirklich ganz toll“, Ferris sah Imas an. „Was ist passiert?“

 „Ich wurde beschwört aber derjenige, der mich beschwört hat ist nicht auffindbar“, antwortete Imas. „Und ehe du fragst, die Anerkennungsformel der Beschwörung mit der ich an den Beschwörer gebunden bin ist schon gesprochen“

 „Das soll doch wohl hoffentlich ein Witz sein?“, fragte Ferris ungläubig, obwohl er ahnte dass das Gegenteil der Fall war. Er sah zu den beiden Menschen. „Davon abgesehen habe ich gedacht, dass diese beiden dich beschwört haben“

 „Diese beiden haben auch Namen!“, mischte sich nun wieder Sami ein.

 „Die mich nicht im geringsten interessieren“, entgegnete Ferris und wandte sich nun wieder Imas zu. „Also was hast du nun vor?“

 Gerade als Imas ihm antworten wollte, wurde er von Sami nicht gerade sanft am Arm gefasst. „Komm mal kurz mit!“, sagte sie und zog ihn mit sich.
 

„Was sollte das?“, erkundigte sich Imas bei Sami und musterte sie. Natürlich war ihm nicht entgangen wie verärgert sie war, was zweifelsohne an Ferris lag.

 „Das ist ja wohl mein Text!“, entgegnete Sami aufgebracht. „Also noch einmal: Was ist das für ein Typ, der da gerade aufgetaucht ist?“

 „Sein Name ist Ferris“, setzte Imas an, wurde aber unterbrochen.

 „Und er ist eine Art Priester, ja so weit waren wir eben schon!“

 „Wenn du mich hättest ausreden lassen, wären wir jetzt schon weiter“, fauchte Imas sie an, dem ebenfalls langsam aber sicher der Geduldsfaden zu reißen drohte

 „Na schön. Also? Ich höre“, auffordernd sah Sami ihn an.
 

Imas seufzte. Es war nicht zwingend so, dass er ihr nicht erzählen wollte wer oder besser was Ferris war. Doch unter Umständen konnte das eine Menge Ärger bedeuten. Wobei wenn er genau darüber nachdachte, machte das auch nicht mehr einen so großen Unterschied schließlich wusste Sami auch so schon mehr als gesund für sie war. Und natürlich auch für ihn selbst. Denn schließlich hatte auch er sich an Regeln zu halten, auch wenn er ein Gott war. Denn auch wenn es sich so mancher vielleicht nicht vorstellen konnte auch unter den Göttern gab es Regeln. Nur eben andere. Für ihn galten die Gesetze des Universums. Und zwei der wichtigsten hatte er bereits an einem einzigen Tag gebrochen. Erstens, führe niemals einen weitreichenden Zauber im Beisein von Menschen aus. Zweitens, die Beschwörung von Götterdienern ist diskret durchzuführen. Imas verzog das Gesicht. Dass die Zeit anhalten unter weitreichenden Zauber fiel ließ sich wohl nicht bestreiten. Ebensowenig, wie dass er Ferris nicht diskret beschworen hatte. Denn er hatte die Beschwörungsformel zwar leise aufgesagt aber immer noch im Beisein von Sami und Aoshi und genau deshalb musste er Sami das alles jetzt ja auch erklären.
 

„Hallo? Erde an Imas!“, Sami verpasste Imas einen, nicht gerade sanften, Ellenbogenstoß in die Seite.

 „Ist ja schon gut“, Imas verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich erkläre es dir. Aber du darfst es keinem weiter erzählen“

 „Und wenn ich es doch mache?“

 Imas zuckte mit den Schultern. „Es wäre dir nicht zu raten. Denn das himmlische Gericht versteht bei solchen Dingen kein Spaß. Und auf Menschen ist es sowieso schon seit Jahrtausenden nicht mehr gut zu sprechen“, meinte er trocken.

 „Es gibt ein himmlisches Gericht?“, fragte Sami ungläubig. „Ich hab gedacht, dass das nur irgendeine Erfindung von uns Menschen ist... Etwas womit man Leuten Angst macht damit sie keine Sünden begehen“

 Imas schnaubte. „Von dieser Art himmlischen Gericht von der du redest spreche ich ja auch gar nicht. Das wovon ich spreche ist viel“, Imas suchte nach dem richtigen Wort „allmächtiger. Davon abgesehen ist es nicht dazu da die Sünden der Menschen zu bestrafen. Das wäre nun wirklich zu viel verlangt. Doch worum es sich kümmert ist das Fehlverhalten von Göttern und wenn Menschen sich zu sehr in himmlische Dinge einmischen“

 Sami sah Imas nachdenklich an. „Sollte ich mir über irgendwas Sorgen machen?“

 „Noch nicht schätze ich. Jedenfalls wenn du keinem etwas erzählst“

 Sami nickte. „Schon verstanden“

 „Das glaube ich zwar nicht“, meinte Imas, wofür er einen wütenden Blick seitens Sami erntete, „aber belassen wir es vorerst dabei. Schließlich wollten wir uns nicht darüber, sondern über Ferris unterhalten“

 Erneut nickte Sami. „Ja und nebenbei kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, dass er ein Priester ist“

 „Ist er ja auch nicht“, entgegnete Imas. „Denn wenn er tatsächlich einer wäre, hätte ich jetzt wohl deutlich weniger Ärger mit ihm. Von damals ganz zu schweigen“

 „Aber gerade eben hast du doch noch gesagt...“, begann Sami wurde aber von Imas unterbrochen.

 „Ich weiß was ich gesagt habe“, sagte Imas „nur habe ich es anders gemeint, als du es verstanden hast“

 Sami zog eine Braue in die Höhe. „Wenn du meinst“

 „Das meine ich allerdings“, Imas seufzte genervt. „Also schön ich werde es dir erklären. Allerdings nur einmal, also hör gut zu“

 Sami nickte. „Natürlich“

Immer Ärger mit Menschen II

Ferris sah wütend hinüber zu Imas, welcher sich gerade mit dem jungen Mädchen unterhielt, das sich zuvor in ihr Gespräch eingemischt hatte. Wenn er etwas noch mehr hasste, als sich in der Menschenwelt zu befinden, dann waren das neugierige Menschen. Menschen die ihre Nase in Dinge steckten, die sie rein gar nichts angingen. Genauso wie es hier und jetzt der Fall war. Wie konnte Imas auch nur so dumm sein und diesen beiden von seiner wahren Identität erzählen? Hatte er denn aus den Geschehnissen von damals gar nichts gelernt? So kam es Ferris jedenfalls vor. Am liebsten wäre er auch gleich wieder in den Himmel zurückgekehrt doch dies war unmöglich, da Ferris nicht freiwillig hierher kam, sondern durch eine Beschwörung eines Gottes. In diesem Fall Imas. Und der würde das Band das er durch die Beschwörung zwischen ihnen beiden geknüpft hatte wohl kaum schnell wieder aufheben. Das hieß im Klartext: Ferris konnte nur in den Himmel zurück, wenn Imas es ihm ausdrücklich befahl. Was, wenn man von der jetzigen Situation ausging, mehr als unwahrscheinlich war. Sich jedoch mit Imas darüber zu streiten würde ihm vermutlich ebenfalls nicht besonders, bis gar nichts, bringen. Daher musste er sich nun vermutlich erst einmal, so schwer es ihm auch fallen mochte, zusammen reißen. Und das obwohl Geduld nun wirklich nicht das war, womit er im Übermaß gesegnet war.

Ferris seufzte genervt. Dann sah er sich um. Wie es aussah befanden sie sich an einem Schrein oder Tempel. Besonders verwunderlich war das nicht, schließlich konnten die meisten Götter nicht einfach irgendwo gerufen. Das galt auch für Imas obgleich er, mit seinen dreihundertvierzig Jahren, als ein recht junger Gott war. Wenn man Imas Alter in Menschenjahre umrechnen würde wäre er vermutlich Mitte bis Ende zwanzig. Genau wusste Ferris es allerdings nicht, das Alter eines Gottes war immer schwer nachzurechnen. Besonders weil die betreffenden Götter gern mal dabei schummelten. In diesem Punkt waren sie wohl nicht sehr viel anders als die Menschen. Der Unterschied bestand nur darin, dass es bei Menschen einfacher herauszufinden war, ob sie logen oder nicht.
 

»Er ist also kein Priester, ja? Und was ist er dann?«, stirnrunzelnd sah Sami Imas an, als sie mit ihm etwas abseits von Ferris und Aoshi stand.

»Er ist jemand der ...«, Imas hielt kurz inne. Sollte er ihr tatsächlich davon erzählen? Es widerstrebte ihm schon etwas. Andererseits: Es war jetzt eigentlich egal. Schließlich hatte er am heutigen Tag innerhalb kurzer Zeit bereits die wichtigsten Regeln, die für die Götter galten, gebrochen. Was machte es da schon aus, wenn er Sami von Ferris Identität erzählte? Ferris selbst war schließlich sowieso schon wütend auf ihn - was aber vermutlich mehr daran lag, dass dieser sich in der Menschenwelt befand und Ferris Menschen auf den Tod nicht ausstehen konnte. Imas grinste unwillkürlich.

»Er ist jemand der was?«, fragte Sami ungeduldig. »Oder ist es etwa so schlimm, dass du es mir nicht erzählen willst?«

Imas schüttelte den Kopf. »Unsinn. Schlimm ist es nicht. Nur hege ich den leisen Verdacht, dass du mir eventuell nicht glauben könntest. Immerhin muss es in den Ohren eines Menschen ziemlich seltsam klingen.«

»Du meinst noch seltsamer, als die Tatsache, dass du behauptest ein Gott zu sein?« Sami zog eine Braue in die Höhe.

»Der ich ja auch bin«, sagte Imas und blickte sie abschätzig an. »Was du mir trotz meiner Machtdemonstration vorhin wohl immer noch nicht abnimmst. Ganz zu schweigen, von der Beschwörung von Ferris.«

»Womit wir wieder beim Thema wären«, erinnerte Sami ihn. »Wer oder was ist also Ferris?«

Noch einmal blickte Imas sie an. Dieses Mal jedoch nicht abschätzig, sondern vielmehr neugierig. Dann räusperte er sich kurz. »Imas ist eine Seele, die alleine nicht den Weg in das Jenseits gefunden hat, was nebenbei nichts gutes ist. Doch zu seinem Glück, auch wenn er das vermutlich nicht ganz so sieht, haben die Götter des Himmels beschlossen seine Seele vom ziellosem umherwandern zu erretten und zu einem Götterdiener ernannt also zu jemandem, der dazu da ist den Göttern zu dienen, wie der Name schon vermuten lässt. Etwas was für die meisten verlorenen Seelen als Ehre gilt. Aber Ferris war schon immer anders und niemand mit einem leicht umzugehenden Charakter.«

»Dann hat er deshalb so schlechte Laune?«

Imas schüttelte den Kopf. »Nein, nicht unbedingt. Er kann es nur nicht besonders leiden sich in der Menschenwelt aufzuhalten«, erklärte er. »Davon abgesehen haben Ferris und ich eine Art Vorgeschichte ...«

»Eine Vorgeschichte?«, hakte Sami nach.

»Allerdings«, Imas nickte. »Die jedoch tut nichts zur Sache und werde ich dir daher nicht erzählen. Ich habe so schon viel zu viel Ärger am Hals.«

Sami blickte kurz hinüber zu Aoshi und Ferris. Letzterer sah aus, als ob er Samis Freund am liebsten mit seinen Blicken erdolchen wurde. Imas Formulierung das Ferris »niemand mit einem leicht umzugehenden Charakter« war, traf wohl zu. Trotzdem. Ferris sollte eine verlorene Seele sein? Jemand, der den Göttern diente? Das klang alles doch sehr weit her geholt.

»Du glaubst mir nicht«, sagte Imas in genau diesem Moment.

Sami zuckte zusammen. Natürlich hatte Imas Recht. Wie sollte sie auch? »Gar nicht wahr«, widersprach sie trotzdem. »Ich denke nur das ...«

»Natürlich ist es wahr«, fiel Imas ihr ins Wort. »Lügen ist zwecklos. Vor allem weil du nicht nur schlecht darin bist, sondern ich es auch fühlen kann«, teilte er ihr mit.

Sami entschloss sich, nach kurzem überlegen, vorerst nicht nachzufragen, was genau er damit meinte. Alles andere würde sie wahrscheinlich nur noch mehr verwirren. Und darauf hatte sie keine Lust. »Ich denke, es wäre am besten, wenn wir wieder zurückgehen«, sagte sie schließlich.

Imas nickte. »Da magst du recht haben«, stimmte er ihr zu. »Auch wenn es Götterdienern verboten ist Menschen zu töten. Es sei denn sie handeln auf ausdrücklichen Befehl ihres Herrn.«

Das beruhigte Sami, nach allem, was sie gehört hatte, nicht besonders. Denn auch wenn es, wie Imas behauptete, nicht erlaubt war Menschen zu töten, sie war überzeugt davon, dass Ferris einen Weg finden würde um Aoshi einzuschüchtern.

»Ferris kennt auch Wege Menschen und auch andere Wesen zu verletzen, ohne dass man es ihnen von außen anmerkt«, teilte Imas ihr mit. »Ein weiterer Grund, weshalb wir zu ihnen zurück gehen sollten, wenn du mich fragst.«

»Ich verstehe immer noch nicht, warum du ihnen von all dem erzählt hast«, meinte Ferris wenig später. »Immerhin geht sie das alles doch gar nichts an.«

Imas seufzte. »Hast du es immer noch nicht verstanden Ferris? Ich und du werden eine Weile hierbleiben müssen. Und ich habe keine Lust, die ganze Zeit hier weiter herum zu lungern.«

Ferris schnaubte missfällig. »Nun, dir bleibt wohl kaum eine andere Lösung«, er sah zu Sami und Aoshi. »Oder irre ich mich?«

Wirklich widersprechen konnte Imas dem nicht. Imas sah hinüber zu Sami. Andererseits, wenn er genau darüber nachdachte, könnte er doch eigentlich auch ...

»Nein«, unterbrach Ferris ihn in seinen Gedanken. »Auf gar keinen Fall. Nur über meine Leiche.«

»Muss ich dich daran erinnern, dass du technisch gesehen schon tot bist?«, fragte Imas amüsiert. »Von daher also ist deine Bedingung durchaus erfüllt. Meinst du nicht auch?«

Ferris funkelte ihn an. »Du weißt ganz genau, wovon ich spreche. Also tu nicht so, als wäre das Gegenteil der Fall.«

Imas verdrehte die Augen. »Wenn du unbedingt darauf bestehst, kannst du von mir aus gerne hierbleiben. Zumindest, so lange du kommst sobald ich nach dir rufe.«

Ferris murmelte etwas unverständliches vor sich hin.
 

Imas beschloss dass es besser, nicht zu wissen, um was es sich handelte. Denn manchmal war eine Frage, auch eine Frage zu viel. So wie Ferris gerade gelaunt war, war es keine gute Idee dessen Geduld auf die Probe zu stellen. Auch wenn Imas als Gott über mehr Macht verfügte. Aber herausfordern wollte er trotzdem lieber nichts. Ganz besonders jetzt. Zudem gab es ohnehin wichtigere Dinge zu klären. Wie zum Beispiel die Frage nach einer Unterkunft. Denn wenn Imas auf etwas keine Lust hatte, dann war das nicht nur Ferris nicht zu reizen, sondern auch woanders schlafen zu können als in einem Schrein eines Gottes, den er nicht kannte. Immerhin war keiner der Götter auf ihn gut zu sprechen. Was zugegeben nicht verwunderlich war nach seinem Fehltritt von vor zweihundert Jahren. Andererseits waren zweihundert Jahre, zumindest in den Jahren der Menschen gerechnet, nicht gerade wenig. Doch leider neigten einige Götter dazu nachtragend zu sein. Da er jetzt aber beschwört wurde, konnte ihm zum Glück keiner vorwerfen, dass er den Himmel unerlaubt verlassen hatte. Das hätte nämlich wirklich Ärger geben können. Vermutlich würde er diesen nun trotzdem bekommen. Vor allem wenn man bedachte, wie viele Regeln er gebrochen hatte. Doch darum würde er sich dann kümmern, wenn es so weit war. Und das war nicht jetzt.
 

»Sami, ich finde wirklich, dass wir so langsam gehen sollten«, meldete sich, sehr zur Überraschung aller, Aoshi zu Wort. »Außerdem geht uns das hier alles nichts an.«

Ferris nickte. »Da kann ich dir nur Recht geben, Mensch.«

»Einen Moment noch«, hielt Imas Sami zurück. »Wo wohnst du eigentlich?«

»Warum willst du das wissen?«, Sami musterte ihn von oben bis unten. »Davon abgesehen gibt es keinen Grund, warum ich es dir erzählen sollte. Denn du bist nicht nur ein Fremder, der behauptet ein Gott zu sein ...«

»Ich behaupte es nicht nur, ich bin es auch!«, fiel Imas ihr verärgert ins Wort. »Oder glaubst du mir das etwa immer noch nicht? Selbst nachdem ich es dir so herausragend bewiesen habe?«

»Von was für Beweisen reden wir hier genau?«, das war wieder Ferris. »Imas?«

Imas seufzte. »Ich habe die Zeit angehalten«, erklärte er. »Aber wirklich nur kurz! Also kein Grund zur Panik.«

»Kein Grund zur Panik?«, wiederholte Ferris ungläubig. »Verdammt nochmal Imas! Ist dir eigentlich klar, was du getan hast? Du hast ...«

»Ja, ja. Ich weiß«, Imas verzog das Gesicht. »Und jetzt sei bitte etwas leiser wütend auf mich. Es muss schließlich nicht unbedingt jeder mithören.«

Nun war es Ferris, der seufzte. Und natürlich war ihm klar, dass Imas mit »jeder« nicht Sami oder Aoshi meinte. Sondern vielmehr den Gott, welchem der Schrein hier gehörte. »Mit Menschen hat man echt nichts als Ärger«, knurrte er trotzdem. »Also was ist. Irgendeine Idee was wir jetzt machen?«



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Pamuya_
2015-11-22T10:13:44+00:00 22.11.2015 11:13
Hellotschi
Wieder ein tolles Kapitel. ^^
Als Imas ist schon ziemlich eingebildet. Klar, einem Gott sollte man schon Respekt erweisen. Nur wird das im 21. Jhd. einbisschen schwierig, da der Glaube daran schon ziemlich nachgelassen hat.
Coole Idee, dass mit der Zeitanhalten. Etwas anderes hätte eher als Special Effects abgestemempelt werden können.
Ich bin schon mal gespannt, wie es weitergehen wird und ob die beiden unseren gestrandeten Gott helfen werden. Außer er will wieder seine eigene Wege gehen, was ich aber eher bezweifle. ^^
Von:  Pamuya_
2015-11-16T18:39:22+00:00 16.11.2015 19:39
Hellotschi
Toller Einstieg in deiner Geschichte.
Erinnert mich ein bisschen an ein Anime, in der aber ein Dämon heraufbeschwört wurde.
Bin mal gespannt, wie Imas weiteragieren wird. Denn das sein Beschwörer nicht aufzufinden ist, kann ja lustig werden. Zumindest für mich als Leser. ^^
Antwort von:  federfrau
21.11.2015 16:25
Hey toll ein Kommentar! *sich riesig freu*
Ohja, da wird noch einiges auf Imas zukommen. Das kannst du mir glauben ;-)
Und es geht auch bald weiter. Vielleicht sogar heute Abend...
LG
federfrau
Antwort von:  Pamuya_
21.11.2015 16:37
Freue mich schon darauf. ^^


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