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Bananeneis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen ihr Lieben!

Nach laaanger Zeit, in der keine Uploads kamen und in der ich hin und her überlegt habe, ob ich diese Geschichte auf Animexx fortführen soll, habe ich mich doch dazu entschieden, weitere Kapitel hinzuzufügen. Vielleicht werde ich dafür ja belohnt...
Jedenfalls möchte ich euch vorwarnen, ich habe Limaras Namen abgeändert und mich nun für das einfache Mara entschieden. Also nicht wundern. Ich war mit Limara/Lima nicht mehr zufrieden und wenn ich nicht zufrieden bin, dann hab ich auch keine Lust zum Schreiben xD Man kann sich aber auch Probleme selbst machen... :P
Dann viel Spaß beim Lesen!

xoxo Raija
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
entschuldigt sie Verspätung, aber ich bin letzte Woche umgezogen... Dafür dauert es nicht mehr so lange bis zum nächsten Kapitel ;)
Viel Spaß und bis zum Wochenende!
Raija Komplett anzeigen

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Eine fluchende Lady

Eilig tippelte sie durch die automatische Drehtür hinaus auf die belebten Straßen der Stadt Shiganshina. Eisiger Wind und Regen schlugen ihr entgegen, weshalb sie den Kragen ihres Mantels schützend hoch klappte. Vor wenigen Minuten hatte sie ihren letzten Arbeitstag im Reisebüro Rose Adventures, das im Einkaufszentrum lag, hinter sich gebracht und versuchte nun noch rechtzeitig den Bus nach Hause zu bekommen.
 

Wie jedes Mal, wenn sie Feierabend hatte, kaufte sie sich noch ein Bällchen Bananeneis, als kleine Belohnung für den überstanden Tag. Mit der freien Hand kramte sie nach ihrem Smartphone in der Manteltasche, denn sie musste unbedingt ihren Bruder anrufen. Gleichzeitig wandte sie das Gesicht vom Regen ab, der ihr frontal entgegen wehte.
 

Plötzlich stieß sie gegen etwas, prallte ab und landete mit ihren vier Buchstaben auf dem nassen Beton. „Verfickte Scheiße!“, rief sie aus, denn das Eis klebte nun an ihrem Mantel und das Handy schlitterte über den Boden, bis es vor einem gepflegtem Paar Lackschuhe zum Stehen kam.
 

„Eine fluchende Lady“, stellte der äußerst attraktive Besitzer dieser Schuhe schmunzelnd fest und bot ihr seine Hand an, um ihr aufzuhelfen.
 

Perplex starrte sie ihn an, während seine himmelblauen Augen sie neugierig musterten. Eine seiner markanten Augenbrauen zuckte belustigt, da wurde ihr bewusst, dass sie ihn noch immer mit leicht geöffnetem Mund angaffte.
 

„Entschuldigung, ich habe nicht geschaut, wo ich hinlaufe“, sagte sie hastig, ehe sie seine helfende Hand ergriff.

Als ihre Finger seine Haut berührten durchfuhr ein Stromschlag ihren Körper. Die feinen Härchen an ihren Unterarmen richteten sich auf, während ein Schauer über ihren Rücken lief.

„Und entschuldigen Sie mein Fluchen, das sollte ich mir unbedingt abgewöhnen“, setzte sie hinterher, sobald sie wieder auf ihren Füßen stand.
 

„Schon in Ordnung, wir haben alle mal einen schlechten Tag“, winkte er ab und hielt seinen Regenschirm über ihren Kopf, damit sie nicht weiter durchnässt wurde. Dabei standen sie sich so nahe, dass sie den warmen, holzig-würzigen Duft seines Parfums wahrnehmen konnte.
 

„Was Sie nicht sagen“, stimmte sie zu und musterte seufzend den Fleck auf ihrem Mantel. Das sollte eigentlich das letzte Eis für eine lange Zeit werden, denn morgen schon würde sie in eine andere Stadt ziehen und ob sie da ihr geliebtes Bananeneis bekommen würde, war noch ungewiss.
 

Ein Taschentuch wurde ihr entgegengehalten. Es war aus strahlend weißem Stoff, mit blau eingestickten Verzierungen, die der Farbe seiner Augen glichen. Dankend nahm sie es entgegen und wischte sich die Reste ihrer Leckerei vom Mantel.
 

„Darf ich Ihnen als Wiedergutmachung einen Kaffee ausgeben?“, fragte er mit einem charmanten Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Seine freie Hand strich durch seine Haare, die den Blondton von reifen Bananen besaß.
 

„Danke, aber ich habe es sehr eilig“, wies sie ihn ab, obwohl alles in ihr schrie sich von diesem Mann einladen zu lassen.
 

„Das habe ich gemerkt.“ Wenn ihm ihre Abweisung missfiel, so ließ er es sich nicht anmerken. Noch immer umspielte ein Lächeln seine Lippen.
 

„Verdammt, mein Handy“, bemerkte sie plötzlich. Sie hatte es bei ihrem Sturz fallen lassen. Hektisch suchte sie den Boden mit ihren Blicken ab und drehte sich dabei im Kreis.
 

Der Schirmträger bückte sich in der Zwischenzeit, fischte ihr Handy aus der Pfütze und übergab es ihr. „Danke“, sagte sie abermals.
 

Hoffend, dass das Smartphone noch funktionierte, drückte sie auf den Homebutton und zu ihrem Glück leuchtete das Display auf. Als sie jedoch die Uhrzeit ablas, ließ sie die Schultern sinken. „Den Bus habe ich wohl verpasst“, seufzte sie und ihre Mundwinkel zogen sich nach unten.
 

„Dann lassen Sie mich wenigstens ein Taxi für Sie rufen.“ Schon trat er die wenigen Schritte zur Straße und winkte ein Taxi heran.
 

Als der Wagen neben ihnen hielt, öffnete er die Tür für sie, immer noch darauf bedacht sie mit dem Regenschirm vor dem Wetter zu schützen. Überrumpelt sah sie zwischen ihm und dem Taxi hin und her, widersprach jedoch nicht und stieg ein. „Vielen Dank“, bedankte sie sich erneut.
 

„Keine Ursache.“
 

Er beugte sich zu dem geöffneten Beifahrerfenster hinab und überreichte dem Fahrer einen Geldschein. „Der Rest ist für Sie“, sagte er und richtete sich wieder auf.
 

Zum Abschied hob er die Hand und zeigte ein weiteres Mal bei einem atemberaubenden Lächeln seine weißen, geraden Zähne. In dem Moment, in dem sie ebenfalls grüßte, fuhr der Wagen los und sie bemerkte, dass sie noch immer sein Taschentuch in der Hand hielt.

Tatsächlich war sie so durch den Wind gewesen, dass sie vergessen hatte, es ihm zurück zu geben.
 

Sorgsam faltete sie es auseinander und betrachtete die Stickereien am Rand des Tuches. In einer Ecke waren zwei Buchstaben eingestickt.
 

E.S.
 

Mädelsabend

„Bin wieder da“, rief sie in den Flur, wobei sie das letzte Wort in die Länge zog.
 

Den Wohnungsschlüssel legte sie auf der Kommode ab, schlüpfte aus Stiefeln und Mantel und tapste in die Stube. Dort lümmelten ihre beiden Mitbewohnerinnen auf dem Sofa.
 

„Hey Mara!“, begrüßte sie Hanji.
 

„Du kommst spät“, stellte Petra fest. Petra war Maras älteste Freundin. Seit der Grundschule waren sie Freundinnen, die selbst nach ihrem Abschluss keine getrennten Wege gehen wollten und sich deswegen, als sie das Studium begannen, eine Wohnung teilten.
 

Genervt stöhnte Mara auf. „Ihr glaubt ja nicht, was für ein beschissener Tag das heute war“, grummelte sie, während sie in ihr Zimmer stapfte. Dort entledigte sie sich ihrer nassen Kleidung und streifte sich etwas frisches über.

Kurz darauf platzierte sie sich zwischen ihren Mitbewohnerinnen auf der Couch. „Ihr habt schon ohne mich angefangen?“, fragte sie vorwurfsvoll und deutete auf die geöffnete Flasche Sekt.
 

Petra lächelte sie entschuldigend an, während Hanji ihr ein Glas mit dem Sekt füllte. „Hab dich nicht so, wir haben nur schon mal vorgekostet“, sagte sie und rückte ihre Brille zurecht, während sie Mara das Glas entgegenhielt.
 

Skeptisch betrachtete diese die Brillenträgerin, ehe sie ihr das Getränk förmlich aus der Hand riss. Hanji hatte sie vor zwei Jahren auf dem Campus kennen gelernt. Sofort hatte Mara sich mit ihrer lebhaften und aufgeweckten Art angefreundet und so dauerte es nicht lange, dass sie in ihre Wohngemeinschaft einzog.

Mit einem Schluck leerte sie das schmale Glas und reichte es Hanji, die es ihr erneut auffüllte.
 

„Nun erzähl schon, was war denn so schlimm heute?“, wollte Petra nun wissen.
 

„Ach, auf der Arbeit haben alle geheult, dann bin ich in so einen Kerl rein gerannt, dabei habe mir den Mantel mit Eis beschmiert, den Bus verpasst, kam letztendlich zu spät zu meinem Termin und die alte Behördenschrulle war super freundlich“, zählte Mara auf, wobei die letzten Worte vor Sarkasmus trieften. Sie schwenkte ihr Glas und nahm noch einen Schluck von der kohlensäurehaltigen Flüssigkeit.
 

„Man rennt ja auch keine Leute um“, lachte Hanji über Maras langes Gesicht. „Sah er denn wenigstens gut aus?“
 

Anhand der Röte, die Maras Wangen annahmen, konnten Hanji und Petra einschätzen, wie gut er aussah. „Oh mein Gott, erzähl schon!“, drängte Petra aufgeregt. Hanji schenkte ihnen mehr Sekt nach.
 

„Ich habe nicht aufgepasst, bin gegen ihn gerannt und hin geflogen“, grummelte sie, versuchte ihren Ärger mit einem weiteren Schluck wegzuspülen. Von den Gesichtern ihrer Mitbewohnerinnen konnte deutlich ablesen, dass sie sie noch nicht mit genügend Informationen versorgt hatte.
 

„Herrgott, ja, er war verdammt heiß! Er hat mir aufgeholfen, mich auf einen Kaffee eingeladen, aber ich hatte noch den beschissenen Termin“, tat sie ihren Freundinnen den Gefallen. „Und ich habe sein Taschentuch geklaut.“
 

„Wow, du erzählst so ausführlich, ich habe das Gefühl, ich wäre live dabei gewesen“, neckte Hanji sie.
 

Bevor das in einem hitzigen Wortgefecht, wie sie gelegentlich zwischen Mara und Hanji herrschten, enden konnte, ging Petra dazwischen. „Schade, dass du morgen umziehst. Vielleicht würdest du ihn wieder sehen, wenn du bleiben würdest.“
 

„Tja vielleicht“, stimmte Mara zu und schaute in ihr Glas. „Aber ich kann meinen Bruder jetzt nicht allein lassen.“
 

„Der Giftzwerg kommt doch sonst auch super ohne dich klar“, meinte Hanji.
 

„Aber Levi scheidet sich nicht täglich von seiner Frau“, gab Petra der Brillenträgerin zu bedenken, was diese mit einem Schulternzucken kommentierte.
 

„Nun ist es sowieso zu spät. Die Kisten sind gepackt und ich bin schon umgemeldet. Da kann auch kein Sahneschnittchen mit Lackschuhen etwas dran ändern“, seufzte Mara und leerte ihr Glas.
 

„Huch, die Flasche ist ja schon leer“, kicherte Hanji, die ihre Gläser abermals auffüllen wollte. Alle drei lachten los.
 

„Ohje, wo wird das heute Abend noch hinführen?“, giggelte Petra.
 

Mara sprang auf und tapste in die angrenzende Küche, wo sie etwas aus dem Kühlschrank nahm. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, winkte sie mit einer weiteren Flasche Sekt. „Zum Kater des Jahrhunderts“, grinste sie diabolisch.
 

Knallend löste sich der Korken aus der Flasche, was die Mädels kreischend auflachen ließ.
 

„Nach dem Glas muss ich mich fertig machen, sonst bekomme ich keinen geraden Lidstrich mehr hin.“
 

Erneut schallendes Gelächter. „Ach Mara, was machen wir nur ohne dich?“, fragte Petra, die sich einige Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte.
 

„Ja, was wird aus unserem DVD-Donnerstag und dem Mord-Montag?“, fragte Hanji.
 

„Ihr werdet ohne mich Filme schauen und zum Sport gehen müssen“, antwortete sie und zuckte mit den Schultern. Auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ, war sie traurig, die Traditionen, die sie mit ihrem Mitbewohnerinnen die letzten Jahre aufrechterhalten hatte, brechen zu müssen. Kein gemeinsamer Sport mehr am Montag, keine Filmabende am Donnerstag und kein Katerfrühstück, meist bestehend aus Pizza oder Asianudeln, am Sonntag Mittag.
 

Die Drei seufzten und leerten gleichzeitig ihr Glas. Dann sahen sie sich abwechselnd an. „Wer zu erst im Bad ist, darf zu erst duschen“, rief Hanji aus, ehe sie aufsprang und los flitzte.
 

☼◙☼◙☼
 

Eine Flasche Sekt und einige Stunden später traten sie in ihre Stammdiskothek ein. Ihre Jacken gaben sie am Empfang ab, ehe sie durch die große Doppeltür in den Hauptraum gingen. Dort war wie jeden Freitag die Hölle los. Die Musik war laut, der Bass dröhnte und die Menschen bewegten sich zu ihren Klängen.
 

Petra entdeckte Auruo, mit dem sie seit geraumer Zeit ein Techtelmechtel hatte, verschwand zu ihm und war für den Rest des Abends nicht mehr ansprechbar.
 

Hanji schüttelte grinsend mit dem Kopf, bevor sie sich einen Weg durch die Menschenmasse bahnte. Mara folgte ihr mit etwas Abstand. Sie hielt Ausschau nach Freunden, von denen sie sich noch nicht verabschiedet hatte, da bekam sie einen Schubs von der Seite.

Erschrocken quiekte sie auf und drohte mit dem Boden Bekanntschaft zu machen, doch wurde sie noch rechtzeitig von starken Armen aufgefangen. Langsam hob sie den Blick und sah ich ein paar himmelblaue Augen, in dem sie sich am Nachmittag beinahe schon verloren hätte.
 

Für einen Moment drang die Musik nur noch wie aus weiter Ferne zu ihr durch, so sehr war sie von seinem Antlitz in den Bann gezogen. „Sie scheinen aber auch ein Glück zu haben“, lachte er über den Sound von Robin Schulz hinweg. Noch immer lagen seine Arme um ihren zierlichen Oberkörper und wieder vernebelte sein Parfum ihre Sinne.
 

Mara erwachte aus ihrer Starre und bedankte sich bei ihm. „Heute scheint wirklich nicht mein Tag zu sein“, bemerkte sie, wobei sie sich den Pony aus der Stirn strich.
 

„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte ihr Retter und deutete auf die Bar.
 

„Gerne“, lächelte sie zu ihm auf.
 

Er hielt ihr eine Hand entgegen. „Erwin Smith“, stellte er sich knapp vor.
 

„Mara Ackerman“, ergriff sie seine dargebotene Hand. Seine Haut war warm und der Händedruck fest. Zusammen entfernten sie sich von dem Trubel und steuerten die Bar an.
 

Erd, ein Student, der im selben Haus wie die Mädels wohnte, arbeitete diese Nacht hinter der Bar. Als er Mara erkannte, scheuchte er ein paar Jungs von ihren Plätzen auf, damit sie sich setzen konnte. Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu, während sie sich auf dem Barhocker platzierte.
 

Kurz darauf stellte er einen Cocktail vor ihrer Nase ab und wandte sich dann Erwin zu. Dieser bestellte einen Whiskey on the rocks.
 

„Sie genießen hier aber einen Service“, er deutete auf ihren Cocktail. „War das ihr Freund eben?“
 

„Nein, wir wohnen nur im selben Haus“, stellte sie richtig und rührte mit dem Strohhalm in ihrem Getränk.
 

„Also sind Sie regelmäßig hier?“, mutmaßte er. Sein Getränk wurde vor ihm abgestellt und er prostete ihr zu, ehe er einen Schluck nahm.
 

„Ja, kann man so sagen“, bestätigte sie. „Und Sie? Kommen Sie auch gelegentlich hierher?“
 

„Nein, mein Freund hat mich heute dazu überredet.“
 

Mara hätte sich beinahe an ihrem Cocktail verschluckt. Sein Freund? Für schwul hätte sie ihn nicht gehalten. Sie musterte seine gepflegte Gestalt: Das ordentlich frisierte Haar, das teure Jackett und die glänzenden Lackschuhe.
 

Plötzlich lachte er auf. „Mike ist mein Kumpel, nicht mein Lebenspartner. Da bevorzuge ich Frauen.“
 

Ihr stieg die Röte ins Gesicht. Hatte er etwa ihre Gedanken erraten? Peinlich gerührt nahm sie den Strohhalm in den Mund und wich seinem Blick aus. Sie könnte sich ohrfeigen dafür.
 

„Sind Sie allein hier?“, wechselte er das Thema.
 

„Ich bin mit meinen Mitbewohnerinnen gekommen“, sagte sie und hielt nach den Beiden Ausschau. Petra war nirgends zu sehen, doch Hanji stand nicht unweit von ihr und grinste sie wissend an. Am Liebsten würde sie ihr den Finger zeigen, doch riss sie sich in Erwins Gegenwart zusammen, denn sie wollte ihn nicht vergraulen.
 

„Hat das Taxi Sie eigentlich noch rechtzeitig zu ihrem Ziel bringen können?“, wollte er nun als nächstes wissen, weswegen sie sich wieder ihm zu wandte.
 

„Naja, die werte Dame wollte gerade die Tür abschließen und war nicht unbedingt begeistert, dass ich so spät noch kam. Ich musste all meine Überredungskunst aufbringen, damit sie mir meine neue ID aushändigte und mich nicht auf Montag verwiesen hat, denn dann hätte ich ein Problem gehabt“, berichtete Mara, während sie einfach nicht aufhören konnte ihn anzusehen. Das helle Haar, das in den verschiedenen Farben der Diskobeleuchtung getränkt wurde, und seine geschwungenen Lippen, dessen Mundwinkel leicht nach oben gezogen waren. Doch am Meisten faszinierten sie seine Augen.
 

„Wieso? Wollen Sie verreisen?“
 

„So ungefähr. Ich ziehe morgen um“, ließ sie die Katze aus dem Sack.
 

Erwin schien ehrlich überrascht. Seine markanten Augenbrauen wanderten höher und er sah sie wortlos an.
 

„Mein Bruder macht eine schwierige Phase durch und er wohnt zu weit weg, um hin und her zu pendeln“, erklärte sie und rührte erneut in ihrem Cocktail.

Bis heute Nachmittag war sie sich ihrer Sache so sicher gewesen, wieso machte es sie selbst nun so traurig? Das konnte doch nicht nur an ihm hängen. Wahrscheinlich machte der Alkohol sie sentimental.
 

Da kam ihr das Taschentuch in den Sinn. Sollte sie Erwin fragen, ob er sie zu ihr nach Hause begleiten würde, damit sie es ihm zurück geben konnte? Und wenn er mit ihr kommen würde, was würden sie dann machen? Sollte sie Hanjis Worten 'den letzten Abend in vollen Zügen genießen' nachgehen und mit ihm mehr tun, als sich nur zu unterhalten? Oder sollte sie das Thema erst gar nicht ansprechen?
 

Mara blickte auf und sah in seine bezaubernden Augen. Sie fasste einen Entschluss.

„Ich habe vorhin ganz vergessen Ihnen Ihr Taschentuch zurück zu geben“, setzte sie an.
 

„So, haben Sie das?“, fragte er belustigt und ein reizvolles Lächeln lag auf seinen Lippen, die von dem Whiskey, von dem er zuvor einen Schluck genommen hatte, glänzten.
 

Gerade als sie ihm ihren Vorschlag unterbreiten wollte, tauchte Hanji neben ihr auf und vor Schreck wäre sie beinahe vom Hocker gerutscht. „Mara wir müssen los, Petra kotzt sich die Seele aus dem Leib!“, sie packte ihre Freundin am Handgelenk und zerrte sie vom Hocker.
 

Verdattert sah Mara zwischen Hanji und Erwin hin und her. So gern sie bei ihm geblieben wäre, musste sie sich um ihre Freundin kümmern. „Entschuldigen Sie, aber ich muss los“, sagte sie und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln.
 

„Kein Problem. Das Tuch können Sie für mich aufbewahren, bis wir uns das nächste Mal treffen“, versicherte Erwin.
 

Eigentlich hatte sie seine Aussage hinterfragen wollen, doch schleppte Hanji sie schon Richtung Ausgang. Kurz, bevor sie den Raum verließen, wandte sie sich nochmals zu ihm um. Er saß noch immer an der Bar und sah zu ihr herüber. Bei seinem Anblick fragte sie sich, ob sie sich tatsächlich ein drittes Mal über den Weg laufen würden.

Zimmerservice

Nach einem emotionalen Abschied voller Tränen machte Mara sich am nächsten Tag auf den Weg zu ihrem Bruder. Ihr kleiner Wagen war bis oben hin mit Kisten beladen, selbst auf dem Beifahrersitz musste sie Zeugs abstellen. Sie war noch nicht lange unterwegs, da stand sie schon im Stau.
 

Unter Kopfschmerzen dachte sie an den vergangenen Abend, wie sie ihn wieder getroffen hatte.
 

„Das Tuch können Sie für mich aufbewahren, bis wir uns das nächste Mal treffen“, hallte seine tiefe Stimme durch ihren Kopf.
 

Also wollte er sie wieder sehen, was ein gutes Anzeichen dafür war, dass er sich für sie interessierte. Und du hättest beinahe einen One-Night-Stand daraus gemachtschallt sie sich selbst. Wie kam sie nur auf die Idee? Bestimmt war das der Alkohol gewesen oder ihre Hormone, die in seiner Anwesenheit in Wallung gerieten.
 

Seufzend ließ sie den Kopf sinken, kam mit der Stirn auf die Mitte des Lenkrads und der Wagen hupte laut auf. Sofort fielen andere Autofahrer mit ein und machten ihrem Ärger durch stetiges Hupen Luft.
 

☼◙☼◙☼
 

Später als geplant kam sie bei ihrem Bruder an. Es hatte eine gefühlte Ewigkeit gebraucht alle Kisten vom Auto in die Wohnung zu tragen, da Levi im dritten Stock wohnte und es keinen Aufzug im Gebäude gab. Am frühen Abend war sie soweit fertig.
 

Als er ihr das Zimmer zeigte, das sie beziehen konnte, traf sie beinahe der Schlag, denn es war der Raum, der bis vor einiger Zeit noch als Kinderzimmer gedacht war.

Die Wände waren babyblau gestrichen. Auf ihnen war eine Wiese gemalt, auf der verschiedene Tiere spielten. Eine Giraffe, ein Löwe, ein Bär und ein Krokodil tobten unter einer lachenden Sonne.
 

„Du hast doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich die Wände neu streiche?", fragte Mara ihren großen Bruder.
 

„Das hat Hannah gemalt", teilte Levi mit, „von mir aus kannst du ein Loch in die Scheiße sprengen." Das war mal eine deutliche Aussage.
 

Lachend schüttelte sie den Kopf. Bei der Ausdrucksweise wusste sie, woher sie ihr freches Mundwerk hatte. Als kleines Mädchen hatte sie ihren Bruder vergöttert und wie ein Papagei alles nachgeplappert, was er gesagt hatte. Unter anderem auch die Schimpfwörter, die sie heute einfach nicht mehr aus ihrem Wortschatz streichen konnte. Auch wenn er ihre Fähigkeit sich angemessen auszudrücken ordentlich versaut hatte, war er dennoch ihr unangefochtener Lieblingsmensch.
 

Sie machte mit dem Smartphone noch ein paar Fotos von den Malereien an den Wänden und sendete sie via Whatsapp an ihre ehemaligen Mitbewohnerinnen.
 

Danach begab sie sich in das Wohnzimmer, wo Levi mit einer Flasche Bier in der Hand im Sessel saß, die Füße auf einem Hocker hochgelegt, und auf einen unbestimmten Punkt starrte. Kurz blieb sie im Türrahmen stehen und beobachtete, wie er mit dem Flaschenboden kleine Kreise auf der Sessellehne beschrieb.

Langsam ging sie auf ihn zu, nahm ihm die Flasche aus der Hand, stieß seine Füße vom Hocker und ließ sich auf diesen sinken.
 

Stumm sahen sich die Geschwister an, bis Mara das Gesicht zur Grimasse verzog und ihrem Bruder die Zunge rausstreckte. Schon als Kinder hatten sie sich so immer versucht aufzumuntern, wobei Levi eher sie zum Lachen brachte, weil eine Fratze bei seiner sonst so ruhigen und ernsten Erscheinung einfach fehl am Platz wirkte.

Er verdrehte die Augen und zog seinen Mund zu einer geraden Linie.
 

„Wie läuft der Prozess?", fragte sie dann.
 

„Der Anwalt meint, dass wir unter diesen Umständen das Trennungsjahr übergehen können. Also sollte die Scheidung bald durch sein", informierte Levi über den Stand der Dinge. Seine Stimme war dabei frei von jeglicher Emotion.
 

„Hast du einen Vaterschaftstest beantragt?"
 

„Natürlich! Nur, weil sie auf einmal behauptet, dass es mein Kind ist, muss es das nicht auch sein. Vor allem, wenn es gezeugt wurde, während ich mit dir auf einem Roadtrip war und das für einen ganzen Monat."
 

„Scheiße", kommentierte sie lediglich und nahm einen Schluck von seinem Bier.
 

Seine Ex war aber auch eine linke Socke. Als Hannah damals von ihrer Schwangerschaft berichtete, waren alle komplett aus dem Häuschen vor Freude. Wieso auch nicht? Levi war erfolgreich in seinen Job und sie führten seit drei Jahren eine glückliche Ehe.

Eines Abend gingen Hannahs Hormone mit ihr durch und es kam zum Streit. Aus heiterem Himmel warf sie ihm an den Kopf, dass sie schon seit längerem eine Affäre mit einem anderen Mann hatte und das Kind, das sie in sich trug, von diesem sei.

Sie war in Tränen ausgebrochen und hatte ihm eröffnet, dass sie sich von Levi trennen wollte. Dieser ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie ihm das Herz gebrochen hatte. Er hatte ihr sogar beim Auszug geholfen.
 

Im Nachhinein war Levi klar geworden, dass das Datum der Empfängnis nicht hatte stimmen können. Zumindest nicht, wenn er der Vater sein sollte, denn in dem besagtem Zeitraum befand er sich mit seiner Schwester auf einer vierwöchigen Reise durch Skandinavien.
 

Doch seit kurzem behauptete Hannah, das Kind sei von ihm, rief regelmäßig bei ihm an und versuchte anderweitig Kontakt mit ihm aufzunehmen. Levi vermutete ganz stark, dass der Kerl, wegen dem sie ihn verlassen hatte, kein Interesse an dem Balg hegte und sie sich Geld von ihm erhoffte. Allerdings schätzte sie ihn dabei für blöder ein, als er war.
 

„Wie wäre es, wenn du deinen Arsch bewegst und dir ein eigenes Bier holen würdest?", fragte er angesäuert, während er sie dabei beobachtete, wie sie an seiner Flasche nippte.
 

„Nö, keine Lust", zuckte sie frech grinsend mit den Schultern.
 

Levi knurrte, erhob sich dann aber und dackelte in die Küche.
 

„Ich hab dich lieb", rief sie ihm zuckersüß hinterher.
 

„Halt die Klappe, Mara", ertönte es von nebenan.
 

☼◙☼◙☼
 

Summend schob Mara den Putzwagen vor sich her. An Zimmer 143 stoppte sie und klopfte an. Geduldig wartete sie auf eine Antwort, die jedoch ausblieb. Also zog sie ihre Karte hervor und steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz. Kurz darauf schwang die Tür mühelos auf.
 

„Zimmerservice", rief sie in das Hotelzimmer, wieder ohne eine Antwort zu bekommen. Sie ging davon aus, dass der Gast unterwegs war. Also stöpselte sie die Kopfhörer ihres iPods ein und begann mit ihrer Arbeit.
 

Seit ungefähr drei Wochen arbeitete sie in einem Hotel, um wenigstens etwas Geld zu verdienen. Zwar hatte sie sich mehr von dem Job erhofft, als nur Zimmer zu reinigen, aber es gab schlimmeres. Für den Übergang sollte es in Ordnung sein.
 

Sie schob den Putzwagen in die Mitte des Raumes und sah sich um. Der Koffer des Gastes lag geöffnet auf dem Sofa und den Schuhen nach zu urteilen, war es ein Mann. Jedoch ging sie das alles nichts an und so fing sie an, die Bettwäsche abzuziehen. Als sie die Laken aufschüttelte, schlug ihr ein betörender Duft entgegen, der ihr Herz höher schlagen ließ.
 

Sofort musste sie an ihn denken.

Auch wenn sie ihn kaum kannte, schrie ihr Herz nach ihm. Nach dem charmanten Lächeln auf seinen Lippen, nach dem Blau seiner Seelenspiegel.
 

Des Öfteren fragte sie sich, wie er sich in so kurzer Zeit so sehr in ihren Kopf hatte verankern können. Sie hoffte inständig, dass sie ihm noch ein Mal begegnen würde.
 

Eine Bewegung, die sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, ließ sie aus ihren Gedanken aufschrecken. „Heilige Scheiße", fluchte sie mit rasendem Puls, riss sich die Kopfhörer aus den Ohren und machte gleichzeitig einen Satz zur Seite.
 

Da erkannte sie, wer vor ihr stand: Erwin.
 

Ihr blieb der Mund offen stehen. Denn hatte nicht nur das Schicksal sie ein weiteres Mal zusammen geführt, war er, bis auf das kleine Handtuch, das tief auf seinen Hüften lag, nackt. Das Haar hing ihm nass und strähnig in die Stirn und feine Wassertropfen perlten auf seiner makellosen Haut.
 

„Mit Ihnen hätte ich jetzt am Wenigsten gerechnet", schmunzelte er über ihr Auftreten.
 

„E-Entschuldigung, ich dachte, es wäre keiner da", stammelte sie und wandte den Blick von seinen definierten Brustmuskeln ab. „Und ich habe schon wieder geflucht, das ist wirklich nicht sexy."
 

In diesem Moment hätte sie sich gegen den Kopf schlagen können. Von all den Worten, die sie hätte sagen können - unangemessen, unhöflich, nicht damenhaft - warum musste es ausgerechnet sexy sein?
 

Sein tiefes Lachen war zu vernehmen. „Egal was sie sagen, wenn sie dieses Kleid tragen, ist es sexy."
 

Ihr stieg die Röte ins Gesicht, während System overload in roten Buchstaben in ihrem Kopf aufleuchtete.

„Danke", brachte sie gerade so hervor, ohne zu stottern. Dabei sah sie an sich hinab und musterte ihre Arbeitskleidung, die sie vom Betrieb gestellt bekommen hatte. Es war ein schlichtes figurbetontes schwarzes Kleid, das auf der Mitte ihrer Oberschenkel endete. Dazu hatte sie sich eine Schürze vor den Leib gebunden.
 

Endlich wagte sie es den Blick zu heben und ihn anzusehen. Seine Augen funkelten dunkel, was ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Unbewusst biss sie sich auf die Unterlippe.
 

In diesem Moment klingelte sein Handy.

„Entschuldigen Sie, ich komme später wieder", sagte sie schnell, während er nach seinem Mobiltelefon griff. Hastig machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Raum.
 

Auf dem Flur atmete die tief durch, wobei sie versuchte, ihren wilden Herzschlag zu beruhigen. Wie konnte er sie nur so aus der Fassung bringen?

Da schossen ihr seine Worte durch den Kopf. Er fand sie sexy? Mädchenhaft kicherte sie auf.
 

Nach Feierabend kramte Mara in ihrer Manteltasche, während sie das Hotel durch den Personaleingang verließ, und brachte ihr Smartphone zum Vorschein. Sie wählte die Festnetznummer ihrer ehemaligen Wohngemeinschaft, während sie auf eine belebte Einkaufsstraße abbog. Nach dem fünften Klingeln wurde abgehoben.
 

„Hallo", zog Hanjis Stimme die Begrüßung in die Länge.
 

„Hanji!", quiekte sie in den Hörer.
 

„Mara, was gibt's?"
 

„Hanji, ich hab ihn wieder gesehen", kam sie direkt auf den Punkt.
 

„Ist nicht wahr, erzähl!“, ihre Stimme klang genauso aufgeregt, wie Mara sich fühlte.
 

Sie holte tief Luft, ehe sie ihrer Freundin eine Zusammenfassung von dem Aufeinandertreffen lieferte. Dabei schlenderte zu der Eisdiele, die sie letztens erst entdeckt hatte, und bestellte sich ein ganz bestimmtes Eis.
 

Bananeneis.
 

Lackaffe

„Nein, das hat er nicht wirklich gesagt?“, drang Hanjis Stimme durch den Hörer.
 

„Doch“, grinste Mara über beide Ohren. Sie klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr fest, während sie sich einen Löffel mit Eis in den Mund schob.
 

„Er findet dich sexy! Boah, ich fress einen Besen, wenn er nicht total auf dich abfährt“, sagte Hanji und brachte Mara damit zum Lachen.
 

Gerade verließ sie mit ihrem Feierabendleckerchen die Eisdiele und schlenderte durch die Einkaufsstraße Richtung Bushaltestelle. Nach dem Zusammentreffen mit Erwin fühlte sie sich um ein Jahrzehnt zurückgesetzt, wie ein verknallter Teenager, dessen Schmetterlinge im Bauch ungezügelt tanzten. Sie stoppte vor einem Schaufenster, betrachtete die darin ausgestellten Waren und lauschte derweil Hanjis aufgeregten Erzählungen.
 

Als sie sich umdrehte, um weiter zu gehen, wäre sie beinahe wieder in jemanden hinein gerannt.

„Huch“, rief sie aus und konnte gerade noch rechtzeitig ihr Handy auffangen, das ihr von der Schulter gerutscht war.
 

„Diesmal ohne zu fluchen. Ich bin begeistert“, lobte Erwin sie. Er stand vor ihr, in einen schicken Anzug gekleidet und sah dabei unverschämt gut aus.
 

„Nun habe ich nicht mit Ihnen gerechnet“, entgegnete sie schmunzelnd. Von Hanji vernahm sie nur ein langgezogenes „Hä?“

„Hanji, ich ruf dich später noch mal an“, verabschiedete Mara sich.
 

„Ist er es?“, fragte diese kribbelig.
 

„Ja“, bestätigte sie und konnte nicht umhin zu grinsen. Sie sah zu ihm, wie er geduldig wartete, dass sie ihr Gespräch beendete.
 

„Denk daran Mara, wenn du es diesmal nicht schaffst ihm deine Nummer zu geben, dann lass ihm wenigstens meine da. Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen“, lachte ihre Freundin.
 

Ein liebreizendes 'Fick dich' brannte in ihrer Kehle, doch statt es ihr mit aller Kraft gegen den Kopf zu werfen, riss sie sich zusammen und drückte einfach auf die rote Taste.

Langsam blickte sie zu ihm auf und war sofort wieder im Bann seiner blauen Augen.
 

„Feierabend?“, fragte er und wieder zogen sich seine Mundwinkel nach oben.
 

„Ja, ich war gerade auf dem Heimweg“, bestätigte sie.
 

„War? Sind Sie es denn nicht mehr?“, witzelte er, was sie stutzen ließ. Kurz lachte er über ihren verdutzten Gesichtsausdruck, ehe er fragte: „Haben Sie noch etwas vor oder darf ich Sie diesmal auf einen Kaffee entführen?“
 

Schnell fasste Mara sich wieder. „Kaffee klingt gut“, nahm sie seine Einladung an.
 

Zusammen schlenderten sie durch die Einkaufsstraße, bis sie zu einem kleinen Café kamen. Ganz der Gentleman, hielt Erwin ihr die Tür auf, als sie eintraten und half ihr aus dem Mantel, wobei seine Fingerkuppen ihren Nacken streiften, was eine Gänsehaut bei ihr auslöste.
 

Kaum hatten sie Platz genommen, trat schon eine Kellnerin an ihren Tisch und nahm ihre Bestellung auf. Mara ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Er war einfach gehalten, ohne großen Prunk. Leise Musik erklang und alles machte einen gemütlichen Eindruck.
 

„Also ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie hier in Trost wiedersehe, Mara.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs blonde Haar.
 

Ihr Herz machte einen Satz, als er sie mit ihrem Vornamen ansprach. Sie dachte an den Vormittag im Hotel, als sie seine unbekleidete Gestalt hatte erblicken dürfen. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. „Ich glaube, wir waren beide sehr überrascht“, stimmte sie zu und nahm ihre Tasse von der Kellnerin entgegen.
 

Wie Levi hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, die Tasse nicht am Henkel, sondern am Rand zu halten, während sie trank. Amüsiert beobachtete Erwin sie dabei.
 

„Das ist eine interessante Art eine Tasse zu halten“, stellte er feixend fest.
 

Irritiert sah sie auf das Gefäß in ihrer Hand, dann lachte sie auf, als ihr bewusst wurde, dass diese Haltung auf Fremde etwas ungewöhnlich wirkte. „Das habe ich mir schon als Kind von meinem Bruder abgeschaut“, winkte sie ab.
 

„Geht es ihm denn besser, wenn ich fragen darf?“
 

„Naja“, begann sie und zog die Augenbrauen zusammen, „Ich denke, eine Scheidung ist nie einfach. Besonders nicht, wenn man so über den Tisch gezogen wurde, wie er. Er ist zwar keine Heulsuse, aber trotzdem möchte ich bei ihm sein.“
 

„Sie stehen sich sehr nahe?“ Erwin stützte das Kinn auf der Handfläche ab und blickte sie erwartungsvoll an.
 

„Würde ich ihn nicht kennen, könnte ich meinen, dass meine Anwesenheit für ihn schlimmer ist, als die Scheidung“, kicherte sie.
 

Er lachte. Es war ein Lachen, das ihr mitten ins Herz ging. Schmunzelnd sah sie in seine Augen.

„Haben Sie noch mehr Geschwister?“, erkundigte er sich.
 

„Nein, ein Bruder reicht auch. Haben Sie einen Bruder oder eine Schwester?“
 

„Nein, keine Geschwister.“
 

Kurz huschte Maras Aufmerksamkeit auf seine Hände, kontrollierte, ob er einen Ring trug, was Erwins wachsamen Augen nicht entging.
 

„Und keine Frau“, setzte er grinsend hinterher.

Erneut spürte sie, wie ihr das Gesicht brannte. Ertappt sah sie auf ihre Tasse und kaute auf ihrer Unterlippe.
 

Draußen erhielt die Nacht ihren Einzug und die Straßenlaternen erhellten die Umgebung. Erwin sah auf seine Armbanduhr.

„Ich bin gleich noch zum Dinner verabredet“, eröffnete er. Augenblicklich erhob sie den Blick.

„Geschäftsessen“, fügte er aufgrund ihres zweifelnden Ausdrucks in ihren Augen hinzu. Unterbewusst atmete sie erleichtert auf.
 

„Darf ich Sie nach Hause bringen?“
 

„Machen Sie sich keine Umstände, ich nehme den nächsten Bus“, schlug sie sein Angebot aus.
 

„Ich bestehe darauf“, ließ Erwin nicht locker.
 

Für einen Moment war sie sprachlos, überrascht von seiner Hartnäckigkeit. „Dann gerne“, sagte sie schließlich.
 

Er half ihr zurück in den Mantel und wieder umgarnte sein Duft ihre Sinne. Ebenso öffnete er die Tür und ließ ihr den Vortritt.

Das ist etwas, an das ich mich gewöhnen könnte, schoss es ihr durch den Kopf. Dabei achtete sie nicht, wohin sie trat und übersah die kleine einzelne Stufe. Sie stolperte regelrecht auf die Straße.
 

Erwin reagierte schnell, packte sie am Oberarm und zog sie in seine Arme, ehe ein Fahrradfahrer sie umfahren konnte. Nun standen sie da, Mara fest an seinen Oberkörper gedrückt, mit wild schlagendem Herz.
 

„Du scheinst manchmal ganz schön schusselig zu sein", raunte er. Seine tiefe Stimme so nah an ihrem Ohr war, wie ein Stromschlag, der durch ihren Körper zuckte und ihre Haut prickeln ließ.
 

Sie schaute zu ihm auf, unfähig etwas darauf zu erwidern. Die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, ließ sie förmlich dahin schmelzen.

Ihr Augenmerk riss sich von seinen Seelenspiegeln los und wanderte zu seinen Lippen. Wie gerne würde sie diese auf ihren spüren, um ihn schmecken zu können. Bei dem Gedanken hüpfte ihr Herz beinahe aus ihrem Brustkorb. Sie schnappte nach Luft und sah ihm wieder direkt in die Augen.
 

Bildete sie es sich ein oder wirkte auch er hin und her gerissen?
 

Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Ich sollte Sie nach Hause bringen, bevor Ihnen noch etwas geschieht", holte Erwin sie auf den Boden der Tatsachen zurück.
 

Er führte sie zu seinem Wagen, einen Volvo XC60 in elegantem Weiß.
 

Auch dort hielt er abermals die Tür für sie offen, damit sie auf den Sitz sinken konnte. „Vielen Dank, Sie sind sehr zuvorkommend", bedankte Mara sich, während er auf den Fahrersitz glitt.
 

„Meine Mutter hat sich auch alle Mühe gegeben", sagte er und startete den Motor.
 

„Das hat Ihre Mutter gut gemacht", lobte sie, was er mit einem Lächeln quittierte.

Leise schnurrte der Motor, als sie durch die von Laternen und Leuchtreklamen erhellten Straßen fuhren.
 

„Mögen Sie Musik?", fragte er, dabei schwebte sein Zeigefinger über dem Powerknopf des Autoradios.
 

„Sicher", bejahte sie. Er schaltete das Gerät ein und ein Lied der Band The Who erklang.
 

„Hier ist es", Mara deutete auf ein mehrstöckiges Wohngebäude.
 

Erwin parkte den Wagen am Straßenrand, stieg aus und half ihr aufs Neue mit der Tür.

„So nett und schön es auch ist, aber Sie müssen mir nicht ständig die Türen öffnen“, ließ sie ihn wissen.
 

„Ich möchte es aber so“, erklärte er sich, weshalb ihr Herz erneut einen Salto schlug.
 

Sie strich sich die Haare aus der Stirn und sah zu ihm auf. „Vielen Dank für den Kaffee und die Fahrt.“
 

„Mit Ihnen immer wieder gerne“, schmunzelte er.
 

Nun lag es an Mara ihn zu überraschen. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, umfasste seine Oberarme, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht“, flüsterte sie in sein Ohr, ehe sie ein paar Schritte zurück trat.
 

Sein überrumpelter Gesichtsausdruck entzückte sie. Die markanten Augenbrauen, die er vor Erstaunen hochgezogen hatte, und das Funkeln in seinen Augen. Doch fasste er sich wieder und sah sie heiter an. „Gute Nacht, Mara“, erwiderte er.
 

Als sie zum Eingang des Hauses ging, war sie sich seiner Blicke bewusst. Nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, wandte sie ich nochmal um und winkte ihm zu. Auch er hob die Hand zum Gruß.
 

Selbst als sie die Wohnung betrat, war sie mit den Gedanken noch bei ihm. Dämlich grinsend streifte sie sich die Stiefel von den Füßen und schlüpfte aus ihrem Mantel.
 

„Was war denn das für ein Lackaffe?“, holte sie Levi ins hier und jetzt zurück.
 

Kurz gefror sie in ihrer Bewegung und sah ihren Bruder verdattert an. „Hast du uns beobachtet?“
 

„Ihr wart nicht zu übersehen. Mir wurde ganz schlecht bei eurem Geturtel.“
 

„Halt die Schnauze, das geht dich gar nichts an, mit wem ich was mache“, brauste sie auf, wobei ihr Kopf die Farbe einer überreifen Tomate annahm. Levi schnalzte mit der Zunge und begab sich ins Wohnzimmer.
 

Mara stakste ihm hinterher und trat an die Tür zum Balkon, von wo aus man einen wunderbaren Blick auf die Straße hatte. Erwins Volvo war verschwunden.
 

„Stört es dich denn?“, fragte sie dann zaghaft. Mittlerweile hatte sie sich wieder beruhigt.
 

„Was?“, hakte ihr Bruder nach.
 

„Dass ich jemanden kennengelernt habe?“, langsam wandte sie sich zu ihm um. „Ich meine, ich will dich jetzt nicht an deine Zeit mit Hannah erinnern, während du so viel mit der Trennung um die Ohren hast.“
 

Genervt verdrehte Levi die Augen und trat näher an sie heran. Dann geschah etwas, das relativ selten vorkam: Er schloss sie in seine Arme. „Sei einfach nicht so dumm, wie ich und mach es besser“, murmelte er.
 

„Danke“, wisperte sie gerührt. Noch nie war er ein Mensch großer Gefühlsbekundungen gewesen, daher überraschte diese Geste und bedeutete ihr unglaublich viel.
 

„Trotzdem ist er ein Lackaffe.“

Mein miesepetriger Bruder

Schrill erklang das Kreischen der Klingel in der Wohnung. Genervt schlug Mara die Lider auf. Das war nun schon das zweite Mal, an diesem jungen Tag, dass sie aus dem Schlaf gerissen wurde. Sie hatte die letzte Nacht gearbeitet und war erst vor ein paar Stunden nach Hause gekommen.
 

Vor etwa einer halben Stunde hatte Hannah angerufen, wollte unbedingt Levi sprechen, was Mara nicht zugelassen hatte, und verkündet, dass sie vorbeikommen würde.

Sie befürchtete ganz stark, dass es nun eben diese war, die vor der Tür stand. Am Liebsten hätte sie sich einfach umgedreht und weiter geschlafen, doch würde Hannah sicher keine Ruhe geben, bis ihr jemand öffnete. Wie auf Kommando schrie die Klingel erneut auf.
 

Knurrend schlug Mara die Bettdecke beiseite und stampfte aus dem Zimmer. Sie kam am Wohnzimmer vorbei, in dem Levi, wahrscheinlich kochend vor Wut, die Zeitung las. Seit dem Anruf von seiner Ex war seine Laune schlimmer als nur miserabel.

Levi wollte mit Hannah nichts mehr zu tun haben, also ging er nicht ans Telefon, wenn ihre Nummer auf dem Display stand, und öffnete auch nicht die Tür, wenn sie sich angekündigt hatte. Also war Mara diejenige, die Hannah abwimmelte, was ihr heute besonders auf den Zeiger ging.
 

Zornig schritt sie zur Tür. Diesmal würde sie dieser blöden Kuh die Meinung geigen. Wutentbrannt riss sie die Tür auf.

„Hast du blödes Miststü-", sie brach ab, als sie erkannte, dass nicht Hannah vor ihr stand, sondern Erwin.
 

„Ich nehme an, Sie haben jemand anderes erwartet", feixte er.
 

„Zumindest nicht Sie", sagte Mara hörbar verwirrt.
 

„Ich kann wieder gehen, wenn es unpassend ist", bot er an.
 

„Nein, nein. Ich bin nur etwas durch den Wind." Sie trat einen Schritt zur Seite. „Kommen Sie doch rein."
 

Erwin schob sich an ihr vorbei in den Flur. Sie führte ihn Richtung Küche, wobei sie am Wohnzimmer vorbei kamen und er Levi entdeckte. Er machte Anstalten, auf ihren Bruder zu zugehen - wahrscheinlich wollte er sich höflichkeitshalber vorstellen - doch fasste Mara nach seinen Handgelenken und zog ihn weiter mit sich.
 

„Sprechen Sie ihn lieber nicht an, seine Laune ist heute im Keller, da kann er ganz schön giftig sein", erklärte sie flüsternd, als sie die Küche betraten.

„Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?"
 

„Gerne", nahm er an und ließ sich auf einen Stuhl am Esstisch sinken. Er beobachtete sie dabei, wie sie die Kaffeemaschine bediente.
 

„Habe ich Sie aufgeweckt?", wollte er von ihr wissen.
 

Irritiert wandte sie sich zu ihm um und bemerkte, wie er sie musterte. Da fiel ihr auf, dass sie in karierter Schlafanzughose und Top, mit zerzausten Haaren knittriger Miene, vor ihm stand, während er gepflegt, wie eh und je, aussah. „Naja ich wurde schon von jemand anderem geweckt", sagte sie und versuchte Ordnung in ihr Haar zu bringen.
 

„Sie schlafen wohl gerne lange?"
 

„Nein, ich hatte Nachtschicht", erklärte sie, während die Kaffeemaschine kreischend ihrer Tätigkeit nachkam. Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank und füllte diese mit dem bitteren Getränk, als die Maschine ihre Arbeit beendete.
 

Levis Gestalt tauchte im Türrahmen auf. „Ich fahre", verkündete er mürrisch. „Komm nicht zu spät."
 

„Wann fängt der Film nochmal an?", fragte sie vorsichtig nach.
 

„Um zwei."

Sein Blick wanderte zu Erwin und er scannte ihn einmal von oben bis unten, jedoch ohne ein Wort zu sagen. Allerdings verengten sich seine Augen zu Schlitzen und die Mundwinkel wanderten weiter nach unten. Mara konnte ihm deutlich ansehen, was er von Erwin hielt. Lackaffe...
 

„Erwin, das ist", setzte Mara an, um beide miteinander bekannt zu machen, doch Levi machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Flur. „Mein miesepetriger Bruder", beendete sie ihren Satz, wobei ihre Schultern nach unten sackten.
 

Der Blonde lachte.
 

„Das versuchen wir vielleicht nochmal, wenn er besser gelaunt ist", sagte sie nachdenklich.
 

„Sie wollen noch also wieder sehen?", er grinste spitzbübisch und für einen Augenblick befürchtete Mara, ihr würde das Herz aus der Brust springen.
 

„Sie mich etwa nicht?", fragte sie und sah ihn von unten herauf an.
 

„Wie wäre es nächsten Mittwoch? Ich muss über das Wochenende zurück nach Shiganshina."
 

„Mittwoch klingt gut", schmunzelte sie und nippte an ihrer Tasse.

„Wieso sind Sie eigentlich in Trost? Ist mittlerweile wirklich gruselig, wie Sie immer wieder aus dem Nichts auftauchen", fragte sie dann.Dabei empfand sie es nicht wirklich als gruselig, eher als lustig, dass sie sich in Shiganshina über den Weg gelaufen waren und nun nach Maras Umzug nach Trost sich dort wieder begegneten.
 

„Ursprünglich stamme ich von hier, doch bin ich damals für das Studium nach Shiganshina gezogen. Jetzt kümmert sich mein Freund Mike um die Geschäfte dort und ich möchte hier wieder Fuß fassen", erkläre er. „Die letzten Wochen war ich immer mal wieder hier gewesen, um mir Wohnungen anzusehen.“
 

„Kommen Sie gut voran?", erkundigte sie sich.
 

„Ich habe gestern ein Appartement in der Innenstadt gekauft."
 

Kurzzeitig stand ihr der Mund offen. Ein Appartement gekauft?

Die waren in Trost gar nicht mal so billig, besonders nicht in der Innenstadt. Sie nippte an ihrem Kaffee, um ihr Staunen zu überspielen. In diesem Moment kam sie sich ein klein wenig schäbig vor, in der alten Wohnung, die sie sich nun mit ihrem Bruder teilte.
 

„Und Sie gehen später aus?", wollte er von ihr wissen, wobei er den Kopf ein wenig schief legte. Es hatte die selbe Wirkung, wie ein Welpe, der einen neugierig und verständnislos zugleich von unten herauf ansah. Ihr Herz schmolz restlos dahin. Am Liebsten hätte sie ihn an ihre Brust gedrückt und wäre mit den Fingern durch sein blondes Haar gestrichen.
 

„Ja, wir schauen mit alten Freunden von meinem Bruder einen Kinofilm", erwähnte sie und versuchte den Gedanken an Puppie-Erwin zu vertreiben.
 

„Oh, da fällt mir etwas ein", rief sie plötzlich aus und sprang von ihrem Stuhl.

Sie huschte in ihr Zimmer und blieb vor all den Kisten, die sie immer noch nicht ausgepackt hatte, stehen. Grübelnd tippte sie sich ans Kinn, ehe sie den ersten Umzugskarton öffnete und darin wühlte.
 

„Das ist ja mal ein interessanter Anstrich", schmunzelte Erwin, der im Türrahmen auftauchte und neugierig ihr unordentliches Zimmer musterte. Noch immer sah es genauso aus, wie nach dem Tag ihres Einzuges. Die Tiere tanzten noch immer unbekümmert an der Wand, während sich die Umzugskartons stapelten. Hier und dort war etwas ausgepackt und unachtsam irgendwo abgestellt. Was Ordnung anging war sie das genaue Gegenteil ihres Bruders. Er würde wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen, wenn er den Raum betreten würde.
 

Maras Wangen brannten vor Scham. „Das sollte eigentlich das Kinderzimmer werden", erklärte sie. „Ich hatte bis jetzt noch keine Zeit es zu überstreichen und auszupacken."
 

„Auf jeden Fall sehr originell." Auch, wenn sie ihn nicht ansah, konnte sie doch das Lächeln, das in seiner Stimme mitschwang, deutlich vernehmen.
 

Noch eine kurze Weile kramte sie in der Kiste, bis sie fand, wonach sie suchte. „Hier, ich habe es nicht vergessen."
 

Sie hielt ihm ein weißes Stück Stoff entgegen, das er als sein Taschentuch erkannte. Dankend nahm er es entgegen.

Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, standen sie wieder so nah beisammen, dass sie die Wärme des jeweils anderen spüren konnten. Da schrillte die Klingel durch die Wohnung und automatisch entfernten sie sich einen Schritt voneinander.

„Wer ist denn das schon wieder", knurrte Mara Richtung Tür.
 

Erwin lachte. „Ich sollte mich langsam mal auf den Weg machen, ich habe heute Nachmittag noch Termine in Shiganshina."
 

Enttäuschung keimte in ihr auf. Wer wollte schon gehen?

„Danke für den Kaffee.“ Mit einem Lächeln entblößte er seine weißen Zähne.
 

„Nett, dass Sie vorbeigekommen sind.“
 

Wiederholt ertönte die Klingel. Sie gingen zur Tür und Mara öffnete. Vor ihr stand Hannah mit einem Säugling im Arm.

Als sie Erwin erblickte, wirkte sie einen Moment erstaunt und für Maras Geschmack sah sie ihn einen Tick zu lange an. Skeptisch verengte Lima die Augen zu Schlitzen.
 

„Bis Mittwoch", verabschiedete Erwin sich von ihr, was sie mit einem Lächeln erwiderte, und trat an den zwei Frauen vorbei. Dabei nickte er Hannah höflich zu und stieg die Treppe hinab.
 

„Was willst du?", fauchte Mara die Ex ihres Bruders an.
 

Diese blickte Erwin hinterher, was Mara zur Weißglut trieb. „Ist Levi da? Ich muss unbedingt mit ihm sprechen", sagte sie schließlich, als sie sich endlich zu ihrer noch Schwägerin umwandte.
 

„Selbst wenn er da wäre, würde ich dich nicht zu ihm lassen", murrte Mara, verschränkte demonstrativ die Arme vor dem Oberkörper und machte sich im Türrahmen so breit wie möglich.
 

„Bitte! Das Kind braucht seinen Vater!", flehte die Brünette vor ihr.
 

Mara betrachtete den kleinen Blondschopf in ihren Armen. Der Winzling tat ihr unheimlich leid. In solche Verhältnisse sollte niemand geboren werden. „Dann bist du hier an der falschen Adresse."
 

„Mara, das kannst du dem Kleinen nicht antun."
 

„Du konntest deine Beine nicht zusammen halten, also musst du mit den Konsequenzen klar kommen und schiebe nicht ständig das Kind vor. Hör auf uns Lügen auftischen zu wollen und verpiss dich aus Levis Leben." Damit knallte sie ihr lautstark die Tür vor der Nase zu. Augenblicklich begann der Säugling zu schreien, weshalb Mara sich ungeheuer schrecklich fühlte. Niemals wollte sie dem Kind etwas antun oder es in diesen Streit mit einbeziehen, doch war seine Mutter sowas von hirnverbrannt. Konnte sie ihren Bruder nicht einfach in Ruhe lassen?
 

Sie dachte daran, wie sie Erwin angestarrt hatte. „Lass bloß deine dreckigen Finger von ihm", knurrte sie in Gedanken.

Isabel und Farlan

„Isa", quiekteMara, als sie vor dem Kino aus dem Bus hüpfte und ihren Bruder mit seinen Freunden sah.
 

„Hey Mara“, grinste die Rothaarige, während sie ihre Freundin umarmte. „Lange nicht gesehen, wie geht es dir?“
 

„Super! Ich-“
 

„Werde ich auch mal begrüßt?“, funkte Farlan dazwischen, ehe die beiden Frauen sich zu sehr in ihr Gespräch vertieften.
 

Mara kicherte. „Entschuldige Farlan." Sie küsste ihn auf die Wange.
 

Isabel und Farlan, die zwei besten Freunde ihres Bruders, wahrscheinlich auch die Einzigen, die es mit ihm aushielten. Schon seit einer halben Ewigkeit war das Dreiergespann miteinander befreundet und auch Mara war immer in ihrer Gruppe willkommen. Für Mara waren Isabel und Farlan der lebende Beweis dafür, dass eine innige Freundschaft auch zwischen den zwei verschiedenen Geschlechtern existieren konnte, ohne irgendwelche romantischen Gefühle.
 

Farlan war ein ruhiger junger Mann, der jedoch zum richtigen Zeitpunkt einen passenden Spruch parat hatte. Isabel dagegen war das komplette Gegenteil mit ihrer direkten und manchmal hitzköpfigen Art. Dennoch trugen beide das Herz am rechten Fleck.
 

Sie blickte zu ihrem Bruder. „Weißt du, dass deine Show vorhin ober peinlich war?"
 

„Jetzt mach hier keine Szene", verdrehte Levi die Augen und wandte sich zum Gebäudeeingang. Farlan zuckte mit den Schultern und folgte ihm.

Mara köchelte vor Wut. Erst stellte er sie bloß und jetzt ließ er sie stehen. Sie biss die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäuste.
 

„Was hat er denn gemacht?", fragte Isabel, die Mara genau beobachtet hatte. Ihre Augen funkelten vor Neugierde.
 

Die Schwarzhaarige atmete tief durch und ließ die Schultern sinken. „Ich hab jemanden kennen gelernt", begann sie seufzend.
 

„Der Film fängt gleich an", rief Farlan ihnen vom Eingang aus zu.
 

Die zwei Frauen setzten sich in Bewegung und folgten ihren Freunden. Während sie die Karten erstanden, Popcorn und Cola kauften und zum Kinosaal marschierten gab Mara eine Zusammenfassung von den Begegnungen mit Erwin und dem gescheiterten Versuch ihn mit Levi bekannt zu machen.
 

„Big Bro ist manchmal so eine Bitch", kicherte Isabel, nachdem sie es sich auf ihren Plätzen bequem gemacht hatten.
 

„Das habe ich gehört", knurrte Levi, der mit Farlan in der Reihe hinter ihnen saß und dessen Kopf zwischen ihren Sitzen auftauchte.
 

„Geh weg, wir lästern hier über dich", fauchte Mara und warf ihm eine Hand voll Popcorn ins Gesicht.
 

„Rache ist Blutwurst, Mara", erinnerte er seine Schwester, ehe er sich zurück zog. Diese winkte ab, da wurde das Licht gedämmt und der Film begann.
 

„Auf jeden Fall brauche ich nun etwas schickes zum Anziehen. Du musst mir unbedingt helfen", bat sie ihre Freundin.
 

„Komm Samstag nach Ladenschluss vorbei und wir suchen dir was schönes aus", schlug Isabel vor.
 

„Könnt ihr Hühner auch mal den Schnabel halten?" Levis missgelaunte Visage tauchte wieder zwischen ihnen auf.
 

Mara schob sein Gesicht wieder zurück, wo es hin gehörte. „Also morgen?“, hakte sie nach.
 

„Ist morgen Samstag?“, wollte Isabel wissen und machte ein nachdenkliches Gesicht.
 

„Ja morgen ist Samstag und jetzt Ruhe auf den billigen Plätzen“, platzte Levi wieder in ihr Gespräch. Mara zeigte ihm den Finger, wandte sich dann wieder der Rothaarigen zu.

„Geht das denn mit deiner Chefin klar?", fragte sie flüsternd.
 

Isabel arbeitete in einem angesagten und nicht gerade billigen Modegeschäft im Zentrum Trosts. Mara konnte sich vorstellen, dass die Eigentümerin nicht sehr erfreut über Isabels Idee sein könnte. „Ach, das wird kein Problem sein. Die alte Schrulle war sicher auch mal jung und verliebt", winkte diese ab.
 

Das Wort verliebt ließ ihr Herz höher schlagen. Zum Glück war es dunkel und niemand sah die verräterische Röte in ihrem Gesicht. Verliebt, war sie das wirklich?

„Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist."
 

Isabel schmunzelte frech. „Jaja und Schweine können Fliegen", scherzte sie.
 

„Aber ", setzte Mara zum Konter an, da bekam sie einen Eimer Popcorn über den Kopf geschüttet. Erschrocken quiekte sie auf, während Isabel in schallendes Gelächter verfiel. Zur Krönung stülpte ihr heißgeliebter Bruder ihr den Pappeimer über den Kopf und gab einen Klaps darauf. Soviel zum Thema Rache ist Blutwurst.
 

„Das ist wahre Geschwisterliebe", lachte Isabel und hielt sich dabei den Bauch. Die Leute auf den umliegenden Sitzen sahen sie argwöhnisch an, einer bat sogar verärgert um Ruhe.
 

Mara riss sich den Eimer vom Kopf und schleuderte diesen Isabel entgegen. „Blöde Kuh", murrte sie, während sie sich das Popcorn aus den Haaren pflückte.
 

Nach dem Film aßen sie noch zusammen, ehe Mara sich auf den Weg zur Arbeit machte.
 

In der Umkleide für die Mitarbeiter schlüpfte sie in ihre Uniform, wobei sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl, als sie sich in Spiegel erblickte. „Du bist sexy", zwinkerte sie ihren Spiegelbild zu, während sie die Schürze umlegte.
 

Zu ihrem Glück war sie im Moment die Einzige in dem Raum, sonst würde man sie noch für verrückt erklären.

Sie ging in den Personalraum und nahm sich den Arbeitsplan für ihre Schicht aus ihrem Fach. Ein Schmunzeln bildete sich auf ihren Lippen, als sie Zimmer 143 auf der Liste entdeckte. Erwins Zimmer.
 

Insgeheim hoffte sie, er würde wieder unerwartet aus der Dusche hüpfen. Die Erinnerung an seinen nackten Oberkörper, auf dem die Wassertropfen perlten, machte sie ganz kribbelig. Doch war er bereits gegen Mittag aus gecheckt und bestimmt schon längst in Shiganshina.

Dennoch konnte sie den Duft seines Parfums deutlich wahrnehmen, als sie das Zimmer betrat. Erneut bildete sich ein Lächeln in ihrem Gesicht, das nicht verschwinden wollte, solange sie sich in dem Raum befand.
 

☼◙☼◙☼
 

„Sorry Isa, ich hab voll verschlafen und der Bus hatte Verspätung.“ Schnaufend betrat Mara das Geschäft, dessen Eingangstüren Isabel hinter ihr abschloss. Sie hatte sich nach ihrer Schicht nur mal kurz hinlegen wollen und war doch glatt eingeschlafen, ohne sich einen Wecker zu stellen.
 

„Wieso bist du denn nicht mit dem Auto gekommen?“
 

„Ich muss die Bremsen neu machen lassen, aber die in der Werkstatt stellen sich ein bisschen blöd an, nur weil das Auto kein aktuelles Modell ist“, antwortete Mara und folgte Isabel zu den Umkleiden, die in einem separatem Raum des Modegeschäfts aufgebaut waren.
 

„Fährst du noch immer diesen Schrotthaufen?“ Die Rothaarige warf ihr einen ungläubigen Blick über die Schulter zu.
 

„Das ist ein Trabi.“
 

„Ein Schrotthaufen“, korrigierte sie Mara.
 

„Aber ein Cabrio“, versuchte diese ihren Wagen zu verteidigen. „Und mein erstes Auto.“
 

Isabel winkte ab. „Jedenfalls habe ich schon mal ein paar Sachen rausgesucht. Was macht ihr eigentlich?“, fragte sie neugierig.
 

„Ich habe keinen blassen Schimmer.“ Mara besah sich die Kleider, die Isabel auf eine transportable Stange zum Anprobieren gehangen hatte.
 

„Soll es eine Überraschung werden?“ Man merkte, Isabel war Feuer und Flamme.
 

„Ich kann ihn nicht fragen, ich habe seine Nummer nicht“, gab Mara kleinlaut zu.
 

Ungläubig starrte Isabel sie an. „Du bist genauso unfähig wie Big Bro“, seufzte sie und schüttelte mit dem Kopf. „An was hast du denn gedacht?“, kam sie aufs eigentliche Thema zurück.
 

„Vielleicht einmal etwas alltägliches und etwas elegantes?“ Unsicher sah sie ihre Freundin an.

Isabel suchte bereits in den Klamotten ein Outfit zusammen. Dann drückte sie die ausgewählten Kleider Mara in die Hand und schob diese in eine Umkleidekabine. „Los, anprobieren“, forderte sie und zog den Vorhang hinter Mara zu.
 

☼◙☼◙☼
 

„Oh man, den Rest des Monats muss ich entweder Doppelschichten schieben oder ich darf nichts mehr essen.“ Mara feuerte den Wohnungsschlüssel auf die Kommode im Flur.
 

„Jetzt beschwere dich nicht. Ich habe dir sogar meinen Mitarbeiterrabatt gegeben“, sagte Isabel, die sie mit nach Hause begleitet hatte und nun direkt die Küche ansteuerte. „Wow, das nenne ich mal einen Blumenstrauß“, pfiff sie durch die Zähne aus, als sie das Licht anschaltete.
 

„Welcher Blumenstrauß?“ Irritiert reckte Mara den Kopf in den Raum. „Heiligte Scheiße!“

Mitten auf dem Küchentisch aus einer gläsernen Vase ragte ein großer runder Strauß in zartem Pink-Rosé. Sprachlos starrte sie auf die Gerbera, verzweigten Rosen und kleinen Chrysanthemen, deren Duft ihr in die Nase stiegen, als sie langsam an den Tisch heran trat.

„Der stand vorhin aber noch nicht hier“, staunte sie und deutete ungläubig auf die Blumen, während sie fassungslos Isabel anschaute.
 

„Sieh nach, ob eine Karte dabei ist“, forderte diese aufgeregt.
 

Und tatsächlich war eine kleine Karte an der Vase angelehnt. Mara nahm sie in die Hand und öffnete sie. Sogleich rutschte ein Flyer heraus, segelte langsam zu Boden, wo er mit der Beschriftung nach oben landete. „Dinner on Bord“, las Mara ab, während sie das Stück Papier aufhob.
 

„Oh mein Gott, ernsthaft?“ Isabel riss ihr den Flyer aus der Hand und hielt ihn sich dicht vor die Nase. „Weißt du, was das ist?“, fragte sie ganz zappelig.
 

Mara verneinte. „Ich sag dir eins: Der Kerl muss einen Haufen Kohle haben. Normalsterbliche, wie wir, kommen gar nicht an die Karten und schon gar nicht so kurzfristig.“ Dabei fuchtelte Isabel mit dem Flyer vor ihrer Nase hin und her. Mit großen Augen sah Mara zu der Rothaarigen.
 

„Oder er besorgt sich die Karten im Voraus und reißt so die Weiber auf“, überlegte Isabel laut. Als sie jedoch Maras Gesichtsausdruck sah, lachte sie los. „Nein, war nur ein Spaß!“
 

Das Herz pochte Mara wild in der Brust, als sie den Blick auf die Karte in ihrer Hand senkte. Eine Handynummer war darauf geschrieben und in geschwungenen Lettern:
 

Ich hole Sie zu Hause ab[/CENTER][CENTER]Erwin[/CENTER]


 

„Gut, dass du dich vorhin für das Kleid entschieden hast", riss Isabels Stimme sie aus ihren Gedanken.
 

„Ich glaub, ich krieg einen Herzkasper", verkündete Mara, deren Gesicht blass geworden war.

Isabel sah sie einen Moment verunsichert an, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach. So sprachlos hatte sie Mara noch nie gesehen.


 

Dinner on Board

https://www.youtube.com/watch?v=gGgakt3niys
 


 

Die Tage vergingen wie im Flug und endlich war es Mittwoch.
 

Mara stand in der Mitarbeitergarderobe und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie hatte ihre schwarzweiße Uniform gegen ein jadegrünes trägerloses Kleid getauscht. Ein silbernes Bettelarmband, das ihr einst ihr Bruder geschenkt und jedes Jahr zu ihrem Geburtstag mit neuen Anhängern versorgte, lag um ihr rechtes Handgelenk, während ebenso silberne Stecker in ihren Ohrläppchen funkelten.

Unsicher strich sie ihr knielanges Kleid glatt und atmete einmal tief durch. Noch nie war sie so aufgeregt gewesen.
 

Mit einem letzten prüfenden Blick, ob ihre Hochsteckfrisur auch wirklich saß, schnappte sie sich die Sporttasche, in der sie ihre normalen Kleider verräumt hatte und trat hinaus in den sonnigen Nachmittag. Das Geräusch ihrer Absätze auf dem betonierten Parkplatz verfolgte sie, als sie auf das Auto ihres Bruders zuging. Sie hob mittels Knopfdruck die Zentralverriegelung des BMWs auf und öffnete den Kofferraum.
 

Eigentlich wollte Erwin sie von Zuhause abholen, um sie auszuführen, doch war dies mit ihrer Arbeit nicht vereinbar gewesen. Zu knapp war die Zeit zwischen Feierabend und der ausgemachten Zeit, weswegen sie beschlossen hatte, sich auf der Arbeit herzurichten und Erwin sie von dort abholen konnte. Damit sie das Kleid unversehrt bis dorthin schaffen konnte, fuhr sie mit dem Auto. Da Levi meinte, es wäre peinlich, wenn sie so herausgeputzt in ihren schäbigen Trabi einsteigen würde, hatte er ihr seinen Wagen überlassen.
 

Der Anruf bei Erwin war für Mara eine peinliche Nummer gewesen. Sie hätte bei dem Klang seiner tiefen Stimme beinahe aufgelegt, als er das Gespräch annahm. Isabel hatte wild gestikuliert, damit sie es nicht tat, was sie total aus dem Konzept gebracht hatte. Sie hatte gestottert und sich mehrfach verhaspelt.

Selbst jetzt konnte sie die Schamesröte spüren, die ihr während des Gesprächs ins Gesicht gestiegen war.
 

Sie verriegelte gerade wieder den BMW, da erschien Erwins Volvo auf dem Parkplatz. Er hielt neben ihr und stieg aus. Natürlich sah er umwerfend aus, in seinem schwarzen Anzug, dem gepflegtem blondem Haar und dem Spiegelbild des wolkenlosen Himmels in den Augen.

„Auf die Minute genau", lächelte Mara ihm zur Begrüßung entgegen.
 

Erwin ging um sein Auto, wobei er Mara mit hochgezogenen Augenbrauen musterte. „Welch wunderschöner Anblick", schmeichelte er ihr und hielt ihr die Wagentür auf.
 

„Danke das ist lieb von"
 

„Dir", unterbrach er sie.
 

Überrascht sah sie in das helle Blau seiner Augen. Dann bildete sich ein Schmunzeln auf ihren Lippen. „dir", beendete sie ihren Satz, ehe sie auf den Sitz glitt.
 

Während der Fahrt unterhielten sie sich angeregt, bis sie den Hafen von Trost erreichten. Als sie dort ankamen und Mara die anderen Gäste der Maria Cruises in Augenschein nahm, fühlte sie sich erbärmlich und lumpig. Verunsichert umfasste sie ihre Oberarme und schien zu schrumpfen.
 

„Stimmt etwas nicht?", fragte Erwin, der neben ihr stand und die Karten aus seinem Jackett zog.
 

„Ich fühle mich ein wenig fehl am Platz", sprach Mara ihre Gedanken aus und warf einen Blick auf die lokale Prominenz. Bürgermeister, Nachrichtensprecherin, Polizeichef, Lottofee, Staranwalt, Schriftsteller... Überall schöne Menschen, die ihren Reichtum prunkvoll zur Schau stellten.
 

„Lass dich von ihrer Eleganz nicht beeindrucken, das ist alles nur gekauft, während du die einzig wahre Schönheit heute Abend bist." Er bot ihr seinen Arm an.
 

Maras Herz klopfte energisch gegen ihren Brustkorb, indes versuchte sie seine Worte zu verarbeiten. Seine Augen funkelten sie aufmunternd an und seine Mundwinkel wanderten nach oben. „Danke", flüsterte sie und hakte sich bei ihm unter.
 

Ihre Boardkarten wurden kontrolliert, dann betraten sie das luxuriöse Schiff. In der Zwischenzeit, in der die anderen Gäste aufs Schiff kamen, spazierten sie über das Deck und beobachteten den Sonnenuntergang, ehe sie ins Restaurant gingen, wo ihnen ein Tisch zugeteilt wurde.
 

Das Schiff legte ab und wiegte sanft auf den Wellen hin und her, wovon die Passagiere allerdings nichts mitbekamen. Livemusik spielte, während ihnen ein sechsgängiges Menü serviert wurde. Das Essen war das Köstlichste, was Mara je gegessen hatte, und von dem Wein, den Erwin ausgesucht hatte, konnte sie auch nicht genug kriegen. Sie musste sich zusammenreißen, dass sie ihn nicht in sich hineinschüttete, wie Limonade.

Derweil führen sie eine abwechslungsreiche und gelegentlich witzige Unterhaltung über Gott und die Welt. Erwin war äußerst intelligent, zuvorkommend und geistreich.
 

„Wie wäre es mit noch einem?", fragte er und deutete auf die leere Weinflasche.
 

„Willst du mich etwa betrunken machen?", stellte Mara die Gegenfrage, wobei sie nach ihrem Glas griff, in dem sich noch etwas Wein befand.
 

„Nein, gefügig reicht vollkommen", zwinkerte er ihr zu und grinste schelmisch, bevor er eine Kellnerin herbei winkte.
 

Mara lachte, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Meinte er das ernst oder war sie zu aufgeregt, um den Witz als solchen zu erkennen?

Sie beobachtete, wie er mit der Servicekraft sprach und nippte an ihrem Glas. Dabei wanderte ihr Blick auf die Weinkarte, die halb versteckt unter dem Menü lag. Als sie den Preis pro Flasche ablas, verschluckte sie sich an ihrem Getränk und der Wein brannte in ihrer Nase. Sofort stellte sie das Glas ab und hielt sich hustend die Hand vor Mund und Nase. Erwin sprang von seinem Stuhl auf, doch bedeutete Mara ihm, ihr ginge es gut und er solle sich wieder setzen.
 

„Kacke, wie peinlich", murmelte sie, als sie wieder zu Atem gekommen war. Scheu blickte sie zu Erwin auf und erwartete, dass er sie angeekelt oder erbost ansehen würde, doch lag Besorgnis in seine Augen.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig nach.
 

„Ja“, räusperte sie sich. „Tut mir leid, ich bin manchmal ein Vollpfosten.“
 

Erwin lachte, während Mara verlegen seinem Blick auswich. Sie sah, wie zwei neue Sänger die Bühne betraten, die sich auf Hocker niederließen.
 

„Als ich das erste Mal auf solch einer Veranstaltung war, habe ich vor Aufregung mit den Stuhl gekippelt“, begann Erwin, weshalb Mara ihr Augenmerk von dem Geschehen auf der Bühne los riss. „Irgendwann habe ich es übertrieben und mit dem Stuhl umgekippt. Dabei habe ich mich vor Schreck an der Tischdecke festgeklammert.“
 

Er pausierte, denn die Kellnerin brachte den bestellten Wein. Als sie wieder gegangen war, führte er seine Erzählung fort.

„Ich habe den kompletten Tisch abgeräumt und meine damalige Freundin hat Tomatensuppe auf ihr cremefarbenes Kleid bekommen. Meine Eltern waren auch dabei gewesen. Du kannst dir sicher vorstellen, welches Gesicht sie gemacht haben.“
 

Mara biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht loslachte, doch konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Mundwinkel immer wieder nach oben zuckten. Die Vorstellung von einem Erwin, der so perfekt wirkte, wie er sich komplett blamierte, war unglaublich erheiternd und lenkte sie von ihrer eigenen Blamage ab.

„Und was ist dann passiert?“, hakte sie nach.
 

„Nach diesem Abend war ich Single und mein Vater wollte mich enterben“, belustigt zuckte er mit den Schultern. Auch Mara konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Sie lachte, bis ihr die Tränen in die Augen stiegen.
 

Es dauerte einen Moment, bis sie sich beruhigt hatte. Als sie verstummte, strahlte sie noch immer Heiterkeit aus, die sich ebenso in Erwins Gesicht wiederspiegelte.

Die Zeit und die Menschen um sie herum waren vergessen. In diesem Moment gab es nur sie zwei und die harmonischen Klänge der Musik.
 

When my legs don't work like they used to before

And I can't sweep you off of your feet

Will your mouth still remember the taste of my love?

Will your eyes still smile from your cheeks?
 

Gebannt von dem Blau seiner Augen war sie unfähig den Blick von ihm loszureißen. Voller Faszination beobachtete Mara, wie sich das Kerzenlicht in ihnen spiegelte und als helle Punkte darin tanzten.
 

And, darling, I

You and me, we made a vow

I will be loving you 'til we're 70

For better or for worse

And, baby, my

I can't believe you let me down

heart could still fall as hard at 23

But the proof is in the way it hurts
 

Ihr Herz schlug plötzlich Purzelbäume und Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. Erwin nahm ihre Hand, die neben ihrem Glas auf dem Tisch lag, in die seine, was eine Gänsehaut bei ihr auslöste. Angenehm verlief ein Kribbeln von ihrer Hand über ihren Arm hinauf zu ihrem Nacken.
 

And I'm thinking 'bout how people fall in love in mysterious ways

For months on end I've had my doubts

Maybe just the touch of a hand

Denying every tear

Me-I fall in love with you

Every single day[/CENTER][CENTER]And I just wanna tell you I am

So, baby, now
 

„Hey Smith, altes Haus, du bist ja auch hier.“ Eine fette Pranke legte sich auf Erwins Schulter.

Augenblicklich brach ihr Blickkontakt ab und Erwin wandte sich dem Störenfried zu.
 

„Jochen“, Erwin bemühte sich sichtlich um ein Lächeln, „Ich wusste nicht, dass du heute Abend anwesend bist.“
 

„Mein Weib hat darauf bestanden“, verdrehte der Dicke die Augen. „Wir müssen unbedingt über das bevorstehende Meeting reden. Ich habe da noch ein paar Anmerkungen.“
 

„Gerne“, setzte der Blonde an, wollte Jochen jedoch auf einen anderen Zeitpunkt verweisen.
 

„Dann komm mal mit an die Bar, ich geb dir einen aus.“
 

Kurz blickte Erwin zu Mara, die kaum merklich nickte. „Ist schon in Ordnung“, lächelte sie, obwohl sie innerlich kochte. Musste dieser Fettsack ausgerechnet jetzt auftauchen? Sie könnte ihm die Augen auskratzen.
 

„Ich bin gleich wieder da“, versprach Erwin, ehe er sich erhob und mit Jochen Richtung Bar ging.
 

Eine Weile sah sie ihnen nach, wandte sich dann wieder zur Bühne und lauschte der Musik.
 

When my hair's all but gone and my memory fades

You've been so unavailable

And the crowds don't remember my name

Now sadly I know why


 

Leider hielt Erwin sein Versprechen nicht und erneut kam sie sich fehl am Platz vor. Sie war die kleine Maus zwischen all den wohlhabenden Menschen hier. Unwohlsein keimte in ihr auf und sie beschloss, an die frische Luft zu gehen.
 

When my hands don't play the strings the same way

Your heart is unobtainable

I know you will still love me the same

I'm thinking 'bout how people fall in love in mysterious ways
 

Kühle Dunkelheit empfing sie, als sie nach draußen trat. Außer Mara, war niemand auf Deck.

Langsam schlenderte sie zum Bug und trat an die Reling. Der Nachthimmel spiegelte sich auf dem schwarzen Wasser und die Sterne tanzten auf den Wellen. Eine Brise zupfte an ihrem Kleid und löste einige Haarsträhnen aus ihrer Frisur.
 

Cause your soul could never grow old, it's evergreen

Maybe it's all part of a plan[/CENTER][CENTER][/CENTER][CENTER][/CENTER][CENTER]Baby I'll just keep on making[/CENTER][CENTER][/CENTER][CENTER]the same mistakes[/CENTER][CENTER][/CENTER][CENTER]Hoping that you'll understand

But, baby, now
 

Der Wind ließ sie frösteln und sie bereute es, ihre Jacke nicht mitgenommen zu haben, da spürte sie plötzlich etwas auf ihren Schultern.
 

Erschrocken fuhr sie mit dem Kopf herum und erkannte Erwin, der ihr sein Jackett umlegte.
 

You say I'm crazy

Take me into your loving arms

Cause you don't think I know what you've done

Kiss me under the light of a thousand stars
 

Er trat einen Schritt näher an sie heran, sodass sie die wärme seines Körpers spüren konnte. Mit seinen langen Fingern strich er ihr das Haar aus dem Gesicht, ehe er ihr Kinn umfasste. Als er dann auch noch mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr, war sie zu keinem einzigen Gedanken mehr fähig.
 

But when you call me baby

Place your head on my beating heart

I know I'm not the only one

I'm thinking out loud
 

Langsam beugte er sich zu ihr vor. Sein warmer Atmen streichelte ihr Gesicht und sie platzierte ihre Hände auf seiner starken Brust. Zaghaft strichen seine weichen Lippen über die ihren, was ihr Herz abermals höher schlagen ließ. Dann spürte sie den sanften Druck seines Kusses und eine Explosion schien von ihrem Mund auszugehen, die sich durch ihren gesamten Körper verlief.
 

Maybe,

We found love right where we are

☼◙☼◙☼
 

Später, als das Schiff wieder im Hafen angelegt hatte, gingen sie von Board, wobei Mara sich wieder bei Erwin untergehakt hatte und kicherte.

„Danke Erwin, es war ein wunderbarer Abend“, schwärmte sie.
 

Dieser zeigte lächelnd seine Zähne. „Es hat dir also gefallen?“
 

„Ja“, erfreut sah sie zu ihm auf. Erwin stoppte, nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste sie erneut.
 

Wie zuvor spielte Maras Herz verrückt und ihr Geist verabschiedete sich. Atemlos sah sie ihm in die Augen, als er sich von ihr löste. Da ertönte plötzlich ein Räuspern nicht weit von ihnen.

Beide wandten das Gesicht in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und Mara erkannte die Freunde ihres Bruders.
 

„Isabel, Farlan, was macht ihr denn hier?“, fragte sie verwirrt. Mit ihnen hätte sie am wenigsten gerechnet.
 

„Mara, du kommst bitte mit uns“, forderte Isabel, die ernst wie noch nie wirkte.
 

Skeptisch zog Mara die Augenbrauen zusammen. „Was ist los?“
 

„Levi hatte einen Unfall“, begann Isabel.
 

Das war der Moment, in dem all die Freude und all das Glück, das Mara die letzten Stunden empfunden hatte, verpuffte. Tränen stiegen ihr in die Augen und ihre Unterlippe begann zu zittern. Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
 

„Mara, dein Bruder liegt im Koma“, mischte Farlan sich nun ein und an seinem Blick erkannte sie, dass sie es nicht leugnen konnte.

Lass mich für dich da sein

Summend machte sich ihr Handy auf dem Nachttisch bemerkbar. Mara schenkte ihm einen kurzen Seitenblick, ehe sie den Anruf ignorierte. So, wie die Letzten.
 

Mit krummen Rücken saß sie auf einem Stuhl, den sie neben das Krankenbett gestellt hatte. Sie schloss die Finger um die Hand ihres Bruders.

„Du bist so ein Idiot, Levi“, flüsterte sie in die Stille des Raumes, die regelmäßig durch die Laute der Geräte, die Levis lebenswichtigen Funktionen überwachten, unterbrochen wurde. „Wieso musstest du meinen Wagen nehmen?“
 

Die Polizei hatte den Unfall rekonstruiert. Dabei war herausgekommen, dass Levi mit Maras Trabi unterwegs war. Ein Betrunkener war zwischen parkenden Autos aufgetaucht und auf die Straße gefallen. Levi wollte abbremsen, doch versagten diese ihren Dienst, weshalb er das Steuer verriss, um den Mann nicht zu überfahren. Er verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und war frontal gegen einen massiven Straßenmast gerast.

Allein der Sicherheitsgurt hatte das Schlimmste verhindern können, jedoch hatte der Aufprall ausgereicht, um Levi in einen komatösen Zustand zu versetzen. Er hatte mehrere Knochenbrüche erlitten, seine Organe waren allerdings unversehrt.

Jede Nacht wälzte Mara sich im Bett hin und her und versuchte die Schuldgefühle, die sie plagten, loszuwerden. Sie selbst redete sich ein, wenn sie nicht Levis Wagen genommen hätte, wäre all das nicht passiert und sie sei die Verantwortliche für seine Situation. Dieser Gedanke lastete auf ihren Schultern und begleitete sie Tag ein, Tag aus, ohne ihr eine Pause zu gönnen.
 

Mara strich über seinen Handrücken, der von feinen Schnitten, die von der zerbrochenen Windschutzscheibe verursacht worden waren, übersät war. Marcel, Levis Pfleger, betrat den Raum und wirkte überrascht, als er Lima am Bett ihres Bruders wachen sah.

„Sind Sie immer noch hier oder schon wieder?", witzelte er, während er Levi an die Infusion anschloss.
 

„Immer noch", antwortete sie leise, ohne den Blick von Levi zu wenden.
 

Erneut startete der Vibrationsalarm ihres Smartphones. Aus dem Augenwinkel sah sie auf das leuchtende Display, das eine ihr bekannte Nummer anzeigte. Statt das Gespräch anzunehmen sah sie wieder zu Levi.
 

„Wollen Sie nicht ran gehen?", fragte Marcel und deutete auf ihr Handy.
 

Seufzend ließ sie die Schultern sinken. „Im Moment nicht."
 

Marcel befestigte einen weiteren Infusionsbeutel am dafür vorgesehenen Ständer und entsorgte die leeren Flaschen. Dann kontrollierte er Levis Venenzugang.

„Sie sollten Ihren Samstag nicht so verbringen. Machen Sie einen Spaziergang oder schnappen sich ein paar Freunde und gehen aus, damit Sie auf andere Gedanken kommen", riet der Pfleger ihr und überprüfte den Infusionsschlauch, wobei er ihr einen strengen Blick zuwarf.
 

Ein weiteres Seufzen entwich Maras Kehle.
 

„Außerdem ist die Besuchszeit bald vorüber", erinnerte er sie und warf sie somit aus dem Zimmer.
 

Vorsichtig tätschelte sie Levis Wange, als sie sich vom Stuhl erhob. „Sie melden sich, wenn es etwas neues gibt?", hakte Mara nochmal nach.
 

„Sofort", bestätigte Marcel ihr und lächelte sie verständnisvoll an.
 

Als Mara das Krankenhaus verließ und über den Parkplatz zu Levis Auto marschierte, strahlte die Sonne vom wolkenlosen Himmel und schien sich über ihre momentane Situation lustig zu machen. Dieser frühsommerliche Tag wollte mal so gar nicht zu ihrer düsteren Stimmung passen.
 

In der Wohnung angekommen empfing sie erdrückende Stille. Für eine Weile stand sie regungslos im Flur und kämpfte mit den Tränen, da sie glaubte an der Einsamkeit, die in den Räumen herrschte, zu zerbrechen. Doch statt zu heulen spielte sie die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab, dessen Display drei verpasste Anrufe anzeigte.
 

„Mara, hier ist Hannah“, spielte das Gerät wieder. Augenblicklich löschte Mara die Nachricht. Der Anrufbeantworter piepe, ehe er die Nächste abspielte.

„Ma-“, weiter kam Hannahs Stimme nicht, da Mara erneut die Delete-Taste betätigte. Sie hatte absolut keine Nerven für die Ex ihres Bruders. Eine leise Stimme in ihrem Kopf versuchte ihr einzureden, dass auch Hannah nicht ganz unschuldig an diesem Elend war, obwohl diese gar nichts mit dem Unfall zu tun hatte. Im Krankenhaus hatte sie bewirken können, dass Hannah keine Auskunft über Levis Zustand bekam und sie selbst gab keine Informationen preis. Sicher würde Levi das treulose Stück nicht sehen wollen, also hielt sie sie von ihm fern, bis er wieder bei Bewusstsein war und für sich selbst entscheiden konnte, sagte ihr nicht, in welchem Zimmer und auf welcher Station er lag.
 

Mara befürchtete, dass auch die dritte Nachricht von Hannah war. Genervt gab sie diese wieder.

„Hi Mara“, überrascht spitze sie die Ohren, als sie Erwins Stimme erkannte. „Anscheinend nimmst du keine Anrufe entgegen und hörst deine Mailbox nicht ab.“
 

Etwas krampfte sich in ihrer Brust zusammen und sie bekam ein schlechtes Gewissen.

„Verständlich, denn du hast sicher viel um die Ohren. Ich möchte nur sicher gehen, dass du in Ordnung bist.“ Eine kurze Pause entstand. „Melde dich bitte.“
 

Unterbewusst tastete sie nach ihrem Handy. Sollte sie ihn anrufen?

Auf keinen Fall wollte sie Erwin mit ihren Problemen belasten. Liebend gerne hätte sie sich an seinen Körper geschmiegt und seine tröstende Wärme gespürt, doch war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht noch auf die Bedürfnisse eines anderen eingehen konnte.

Wahrscheinlich war es besser ihn erst einmal auf Abstand zu halten. Nur würde sie dann nicht all ihre Chancen verspielen?
 

Mit zusammengebissenen Zähnen raufte sie sich die Haare. Dabei fiel ihr Blick auf Levis Laufschuhe und eine Idee leuchtete in ihrem Hirn auf.
 

Ohne große Umschweife stiefelte sie in ihr Zimmer, wühlte in einigen Kisten, ehe sie gefunden hatte, was sie suchte. Sie zog sich um, stöpselte die Kopfhörer ihres iPods in die Ohren und verschwand aus der Wohnung.
 

Draußen begann Mara zu laufen. Sie wollte nicht zur Ruhe kommen, sie wollte nicht darüber grübeln, was richtig und was falsch war, ebenso wollte sie nicht nachdenken, was demnächst auf die zukommen würde. Sie wollte laufen; weg von den Problemen, weg von den Sorgen. Als sich ihr Smartphone in ihrer Gesäßtasche bemerkbar machte, legte sie noch einen Zahn zu.
 

Jegliches Zeitgefühl war verloren, als sie an einem verlassenen Spielplatz vorbeikam. Die Sonne versank irgendwo hinter der Skyline Trosts und tauchte alles in einen goldenen Ton, während Mara das Gelände betrat und sich schnaufend auf einer Schaukel nieder ließ. Mit der Hand fuhr sie sich über die schweißnasse Stirn, gleichzeitig schaltete sie die Musik ab und verstaute den iPod in einer Hosentasche.
 

Seufzend malte sie mit dem Fuß Kreise in den Sand. Vorbei mit dem Vorsatz nicht zu grübeln. Was sollte sie denn nur tun? Wie sollte sie alles unter einen Hut bringen? Heiße Tränen kullerten über ihre Wangen, sammelten sich an ihrem Kinn und tropften auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoss gefaltet hatte.
 

Knirschende Schritte näherten sich ihr von hinten, dann ließ sich jemand auf der Schaukel neben ihr sinken. „Das Erwachsensein kurz pausieren und einfach mal eine Runde Schaukeln?“, fragte eine tiefe Stimme.
 

Erstaunt riss sie den Kopf herum und sah in Erwins Gesicht, aus dem seine blauen Augen ihr entgegen leuchteten. Mit dem Handrücken wischte sie über ihre Augen. „Was machst du hier?“, fragte sie verwundert.
 

Ein warmes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Ich wollte nach dir sehen.“
 

Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Mara biss sich auf die Unterlippe und blickte wieder auf ihre Hände. Hin und her gerissen, was sie nun sagen sollte, holte sie Luft, um zum Sprechen anzusetzen, doch kam Erwin ihr zuvor.
 

„Seit über einer Woche habe ich nichts mehr von dir gehört“, sagte er ruhig. „Ich habe Tag und Nacht an dich denken müssen.“
 

Seine Worte rührten sie. Das schlechte Gewissen machte sich deutlich bemerkbar und sie bereute es, ihn so abgewiesen zu haben. Tränen brannten wieder in ihren Augen, die sie schnell weg blinzelte.
 

„Tut mir leid, Erwin, ich bin im Moment nicht ich selbst“, entschuldigte sie sich für ihr idiotisches Verhalten ohne ihn anzusehen.
 

Er umfasste ihre Hand, was sie aufblicken ließ. „Lass mich für dich da sein.“
 

Langsam nickte sie. Ein Stein fiel ihr vom Herzen und sie fühlte sich plötzlich leichter, als hätte Erwin etwas von der erdrückenden Last von ihren Schultern genommen.
 

„Komm, ich fahre dich nach Hause“, schlug er vor, als sich die Straßenlaternen anschalteten. Er zog Mara von der Schaukel und kreuzte ihre Finger mit den seinen.
 

„Woher wusstest du, wo ich bin?“, fragte Mara auf dem Weg zu Auto.
 

„Ich habe dein Handy orten lassen.“
 

Perplex blieb sie stehen und sah ihn aus großen Augen an. „Ernsthaft?“

Erwins Lächeln bestätigte seine Aussage.
 

„Du bist aber kein Stalker, oder?“, hakte sie argwöhnisch nach, woraufhin er loslachte.
 

„So gefällst du mir schon viel besser“, sagte er und küsste sie auf die Stirn.
 

Erwin fuhr sie zu Maras Wohnung, wo Mara als erstens unter die Dusche sprang, während er vor ihrem Bücherregal, das sie endlich aufgebaut hatte, stand und den Blick über die einsortierten Bücher schweifen ließ.
 

„Reiseführer und Psychothriller; eine unterhaltsame Mischung“, scherzte er, als sie umgezogen und mit nassen Haaren in ihr Zimmer trat.
 

„Du hast die Liebesromane und die Fachliteratur vergessen“, ging sie auf seinen Witz ein und deutete auf die unterste Reihe im Regal.
 

Da entdeckte Erwin die Fotobücher, die Mara und ihr Bruder nach jeden Urlaub anfertigen ließen. Vorsichtig zog er das aktuellste zwischen den anderen hervor und schlug es auf.

Die erste Seite zeigte ein Foto, auf dem ein Wohnwagen abgebildet war. Davor stand Levi mit vor dem Oberkörper verschränkten Armen, während Mara frech in die Kamera grinste. Unter dem Bild war in gedruckten Lettern Skandinavien Juli 2014 geschrieben worden.
 

Erwin sah Mara an. „Darf ich?“, fragte er und deutete auf das Buch in seinen Händen.
 

„Ja“, erlaubte sie. Schon seit einer Ewigkeit hatte sie sich diese Erinnerungen nicht mehr angesehen.
 

Mit dem Buch in der Hand ließ Erwin sich auf ihr Bett sinken und blätterte durch die Seiten. Mara machte es sich neben ihm gemütlich und lehnte den Kopf an seine Schulter. Durch die Fotos erlebte sie noch einmal die schöne Zeit mit ihrem Bruder, bevor all der Stress angefangen hatte.

Sie erzählte Erwin die Geschichten zu den jeweiligen Bildern, lachte viel und entspannte sich immer mehr. Seine Nähe war Balsam für ihre Seele und sie spürte, wie der Kummer immer weiter von ihr rückte.
 

Das Telefon holte sie zurück ins Hier und Jetzt. Abrupt sprang sie auf und flitzte in den Flur, in der Hoffnung gute Neuigkeiten von Levi zu erhalten. Ohne auf das Display zu schauen nahm sie das Gespräch an. „Hallo?“, fragte sie in den Hörer.
 

„Ich bestehe darauf, dass du mir endlich sagst, wo Levi ist“, drang Hannahs Stimme in ihr Ohr.
 

Mara spannte jeden Muskel in ihrem Körper an, sodass sie zu zittern begann. Tränen bahnten sich ihren weg über ihre Wangen und Hass konzentrierte sich in ihrer Brust.

„Fick dich, Hannah“, fauchte sie, ehe sie auflegte.
 

Sie feuerte das schnurlose Telefon zurück in die Ladestation und legte die Hände vors Gesicht. Da war sie wieder, diese Last. Mara atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen, doch steigerte sie sich immer weiter in diesen Schmerz und diese Aufregung hinein. Unerwartet legten sich starke Arme um ihren Oberkörper und schlossen sie in eine tröstende Umarmung. Hemmungslos ließ sie all der Kümmernis freien Lauf und weinte gegen seine Schutz bietende Brust, während sich ihre Finger in sein Hemd krallten.

Kronleuchter über dem Krankenbett

Als Mara erwachte verspürte sie sofort ein unangenehmes Pochen an ihren Schläfen. Stöhnend rieb sie sich die Augen, die vom Weinen geschwollen waren. Warum hatte sie sich nur so gehen lassen? Das fragte sie sich mehrfach und schämte sich für ihre Heulattacke. Wie unreif die doch manchmal war.
 

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie Erwin den Raum betrat. Sie fiel beinahe aus allen Wolken und fragte sich, warum er noch da war. Da begriff sie, dass sie sich in ihrem Bett befand und nicht auf der Couch, wo sie sich mit Erwin niedergelassen hatte, um sich bei ihm auszuheulen. Ruckartig setzte sie sich auf, weshalb Erwin sich überrascht ihr zu wandte.
 

„Guten Morgen", lächelte er ihr entgegen.
 

„Du bist noch hier?", fragte Mara, statt seinen Gruß zu erwidern.
 

„Sieht ganz danach aus", zwinkerte er ihr zu, während er sich die Krawatte vor ihrem Wandspiegel band.

„Ich habe mir erlaubt dich ins Bett zu bringen, nachdem du eingeschlafen warst, und bin bei dir geblieben."
 

Mara spürte, wie sie errötete.
 

„Ich muss jetzt leider los", setzte Erwin fort und schlüpfte in ein Jackett. Mara fragte sich, wo der Anzug plötzlich her kam, da er gestern Jeans und Hemd getragen hatte. „Ich habe noch Termine."
 

„An einem Sonntag?" Irritiert legte sie den Kopf schief.
 

„Keine offiziellen Termine", erklärte er, wobei sie dadurch auch nicht schlauer wurde. „Wir sehen uns später", versprach er und wandte sich zum Gehen.
 

„Warte", hielt Mara ihn noch auf, bevor er aus dem Zimmer treten konnte. Erwin drehte sich um und sah sie erwartungsvoll an.

„Danke", flüsterte sie.
 

Mit großen Schritten durchquerte er den Raum, nahm ihr Gesicht zwischen seine warmen Hände und küsste sie. Erneut verspürte sie dieses Hochgefühl. All ihre Sorgen waren vergessen; in diesem Moment gab es nur sie beide und die Schmetterlinge in ihrem Bauch.
 

Viel zu früh trennte er sich wieder von ihr und verschwand mit einem letzten Lächeln Richtung Tür. Mara blieb mit ihren Schmetterlingen zurück.

Sie hätte erwartet, dass sich diese erdrückende Leere wieder in ihrer Brust ausbreiten würde, sobald die Haustüre hinter ihm ins Schloss fiel, doch war dieser Platz vollkommen ausgefüllt von Erwin.
 

Außergewöhnlich gut gelaunt schwang sie die Beine aus dem Bett und begab sich ins Bad, um sich für den Tag herzurichten.
 

☼◙☼◙☼
 

Einige Zeit später saß sie auf Levis Krankenbett, wo sie seinen Kopf auf ihrem Schoß gebettet hatte. Mit dem Kamm fuhr sie immer wieder durch sein Haar, das seinen seidigen Glanz verloren hatte und mittlerweile zu lang für Levis Geschmack war, wie sie wusste.

„Oh Levi, wenn du dich sehen könntest, du würdest wahrscheinlich einen Herzkasper bekommen", murmelte Mara und werkelte an seinem Haar
 

„Und wenn du mitbekommen würdest, dass ich dir kleine Zöpfchen flechte, dann", sie brach ab und sah nachdenklich an die alte Zimmerdecke, „keine Ahnung was du mit mir anstellen würdest. Jedenfalls nichts nettes."
 

Marcel kam freudig strahlend ins Zimmer. „Guten Tag Mara", grüßte er sie sogleich. Er marschierte direkt auf das Bett zu und nestelte an Levis Infusionen. „Sie können schon mal die Habseligkeiten Ihres Bruders zusammen packen, der Krankenwagen sollte jeden Moment eintreffen."
 

Total konfus sah sie den Pfleger an. „Welcher Krankenwagen?", wollte sie wissen und machte sich keine Mühe ihre Verwirrung zu verstecken.
 

„Der Antrag zur Verlegung ist durch und wir transportieren Ihren Bruder heute noch ins Sina Hospital", klärte Marcel sie auf.
 

„Ins Sina Hospital?", ihre Stimme überschlug sich.
 

Das Sina Hospital war eines der angesehensten Krankenhäuser mit dem best ausgebildeten Personal. Allerdings nur für Menschen mit dem entsprechenden Portmonee.
 

„Ja, Ihr Lebenspartner kümmert sich gerade um die letzten Formalitäten", sagte Marcel.
 

Ihr Lebenspartner", hallte es in Maras Kopf wieder.
 

Sie erhob sich vom Bett und trat hinaus auf den Flur, wo sie Erwin an der Anmeldung ausfindig machte. „Können wir kurz reden?“, fragte sie unsicher, als er sie bemerkte.
 

„Natürlich.“ Zusammen gingen sie ein paar Schritte den Flur entlang.
 

„Was tust du hier?“, erkundigte Mara sich, als sie sicher war, außerhalb der Hörweite der neugierigen Schwestern zu sein.
 

„Mich vergewissern, dass alles seine Richtigkeit hat“, meinte er und schenkte ihr wieder eines seiner atemberaubenden Lächeln.
 

„Nein, ich meine, wieso lässt du Levi verlegen?“, konkretisierte sie ihre Frage.
 

„Ich gehe sicher, dass dein Bruder die bestmögliche Behandlung erhält“, erklärte Erwin. Dabei klang er, als wäre das das Normalste auf der Welt.
 

Mara seufzte. Sie konnte ihm nicht böse sein, allein schon nicht aus dem Grund, dass er ihr einfach nur helfen wollte. Dennoch ärgerte es sie, dass er über ihren Kopf hinweg Entscheidungen getroffen hatte, ohne vorher mit ihr darüber zu reden. „Dafür bin ich dir unglaublich dankbar, aber ich werde dir das niemals zurückgeben können“, versuchte sie ihre Bedenken zum Ausdruck zu bringen.
 

Zärtlich strich er über ihre Wange. „Das spielt für mich keine Rolle, ich will dich einfach nur glücklich sehen“, erwiderte er darauf.
 

„Wieso? Du kennst mich doch gar nicht.“ Es wollte Mara einfach nicht in den Kopf gehen, wieso er ihr solch ein großzügiges Geschenk machte.
 

„Brauchst du denn unbedingt einen Grund dafür, wieso ich dir eine Freude machen möchte?“, stellte er die Gegenfrage.
 

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. War der Grund wirklich so wichtig? Nein, es war viel mehr das Gefühl, das sie empfand.

„Ich fühle mich unwohl dabei“, gestand sie schließlich.
 

„Du fühlst dich unwohl dabei deinem Bruder etwas gutes zu tun?“, hakte Erwin nach, wobei der Unterton seiner Stimme zwischen Unglauben und Belustigung schwang.
 

In diesem Moment wurde Levi auf seinem Krankenbett über den Flur Richtung Aufzüge geschoben. Mara sah in sein blasses Gesicht, das von Hämatomen gespickt war, und ein Klos bildete sich in ihrem Hals. „Ich würde alles für ihn tun“, flüsterte sie mehr zu sich selbst, während sie Levi hinterher sah, ehe er in einem Aufzug verschwand.

Sie atmete einmal tief durch, bevor sie sich Erwin wieder zu wandte. „Aber“, setzte sie an, doch unterbrach er sie, indem er einen Finger auf ihre Lippen legte.
 

„Zerbreche dir nicht den hübschen Kopf darüber, ok?“ Er küsste sie auf die Stirn. „Hast du alles?“
 

Jeder Einwand war verflogen. Wie konnte sie jetzt noch ablehnen?

„Ich hole nur schnell seine Sachen.“
 

„Ich warte unten“, sagte Erwin, bevor er sich ebenfalls zu den Aufzügen begab.
 

Während Mara Levis wenige Habseligkeiten zusammenpackte, vernahm sie Stimmen draußen auf dem Gang.
 

„Und ich sag dir, die ist jeden Tag da und sitzt an seinem Bett, wie ein Wachhund.“
 

„So eine blöde Kuh! Denkt die etwa, die kann mich ewig von ihm fernhalten?“
 

Die Stimmen näherten sich dem Zimmer. Mara stoppte ihre Tätigkeit und wandte sich zur Tür um.
 

„Wenn ich ihre Fresse schon sehe, dann könnte ich“, augenblicklich brach die quietsche Stimme ab, als sie den Raum betrat und Mara erkannte.
 

Diese hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Dann könntest du was, Hannah?“, erkundigte sie sich, wobei sie eine feine Augenbraue hoch zog.
 

„Äh Mara“, stotterte die Frau, die Levi einst geheiratet hatte.

„Wieso ist sie hier? Ich dachte, die Luft wäre rein“, zischte sie die Krankenschwester an, die mit ihr auf dem Flur getuschelt hatte. Anscheinend kannten die Beiden sich und die Schwester hatte Levis Aufenthaltsort wohl an Hannah weitergegeben.
 

Ungeduldig klopfte Mara mit der Fußspitze auf den Boden, wobei sie noch immer auf eine Antwort wartete. Da diese jedoch ausblieb, widmete sie sich wieder dem Packen.
 

„Wo ist Levi?“, brauste Hannah schließlich auf.
 

„Außerhalb deiner Reichweite“, knurrte Mara, die die letzten Sachen in einer Tasche verstaute.

Mittlerweile war sie sogar froh darüber, dass Erwin diesen Schritt gegangen war und Levis Verlegung beantragt hatte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, welches Affentheater ausgebrochen wäre, wenn Levi nun noch anwesend wäre.
 

„Was soll das denn heißen?“ Hannah klang wie ein schnippischer Teenager.
 

Mit ihrer Beherrschung ringend zog Mara den Reißverschluss der Tasche zu und schulterte diese.

„Das soll heißen“, zickte sie im gleichen Tonfall zurück, „dass du mich mal am Arsch lecken kannst.“ Sie zeigte ihrer Schwägerin den Finger und schob sich an dieser vorbei hinaus auf den Gang.
 

Als sie Hannah empört schnauben hörte, reckte sie den Kopf nochmals ins Zimmer.

„Übrigens würde ich an deiner Stelle heute besonders aufpassen, dass du nicht ausrutschst. Ich meine, nicht, dass du noch aus versehen auf einen Schwanz fällst und schon wieder schwanger wirst. Das wollen wir doch nicht.“ Mara wusste, wie pubertär sie sich verhielt, doch in diesem Moment tat es verdammt gut ihren Frust an Hannah abzubauen. Besonders, da dieser die Zornesröte ins Gesicht stieg.
 

Sie winkte ihr herzallerliebst zu, ehe sie über den Flur zu den Aufzügen schlenderte, gefolgt von ihrem eigenen gehässigem Lachen.
 

Erwin erwartete sie im Erdgeschoss. „Woher kommt die gute Laune so plötzlich?“, fragte er, als er den heiteren Ausdruck in ihrem Gesicht wahrnahm.
 

„Du machst mir eine große Freude“, lächelte sie ihm entgegen. Dabei dachte sie an Hannahs wutverzerrtes Gesicht zurück, was ihre Mundwinkel weiter nach oben zucken ließ.
 

Gemeinsam folgten sie mit Erwins Volvo dem Krankentransport zum Sina Hospital, wo Levi herzlich in Empfang genommen wurde. Sofort wurde er auf sein Zimmer gebracht und ärztlich versorgt. Keine Sekunde später stellte sich Dr. Wolf vor, der Levi ab diesen Tag an betreuen würde. Erwin trat aus dem Krankenzimmer, während Wolf mit Mara über die Untersuchungen, die er für den nächsten Tag plante, sprach.
 

Maras Kopf rauchte, als der Arzt das Zimmer verließ. So viele neue Informationen, die sie verarbeiten musste. Allerdings verstand sie jetzt, wieso Erwin ihren Bruder unbedingt hier unterbringen wollte. Diese Klinik besaß ganz andere Möglichkeiten, als das städtische Krankenhaus.
 

Eine dampfende Tasse Kaffee wurde ihr unter die Nase gehalten. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie Erwin zurückgekehrt war.

„Danke“, sagte sie, als sie die Tasse entgegen nahm.
 

„Und? Gefällt es dir?“, wollte er von ihr wissen und ließ sich auf einen gepolsterten Sessel nahe dem Fenster sinken.
 

Maras Blick schweifte durch das modern und glanzvoll eingerichtete Einzelzimmer. „Ganz ehrlich?“, fragte sie, woraufhin Erwin nickte.
 

„Es fehlt nur noch der Kronleuchter über dem Bett“, lachte sie auf.

Gibt's da auch was von Ratiopharm?

Dunkelheit.
 

Tiefschwarze, alles verschlingende Dunkelheit. Das war alles was er erkennen konnte.
 

Er versuchte sich zu bewegen, doch spürte er seine Gliedmaßen nicht. Alles, außer seinem Kopf und seiner Brust, war taub.
 

Was ist hier los?
 

Verzweifel versuchte er etwas zu sehen, doch die Welt um ihn blieb schwarz. Das Einzige, was er wahrnahm, war ein leises Säuseln, das durch den Druck auf seinen Ohren unverständlich zu ihm vordrang.
 

Was zum Teufel geht hier vor sich?
 

Ein drückendes Gewicht setzte sich in seiner Brust fest und nahm ihm die Luft zum Atmen. Es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen, während sich seine Kehle immer weiter zuschnürte.
 

Verdammt, schrie er aus, doch war sich nicht sicher, ob überhaupt ein Ton über seine Lippen gelangt war.
 

Das Säuseln wurde lauter, bis mit einem Bloppen seine Ohren aufgingen und er tatsächlich Worte wahrnehmen konnte.
 

„... den Tubus entfernt, da er nun aus eigener Kraft atmen kann. Außerdem haben die letzten Tests ergeben, dass seine Hirnaktivitäten ansteigen. Wir haben Grund zur Annahme, dass Ihr Bruder uns hören kann“, hörte er eine Männerstimme sagen.
 

„Versteht er auch, was wir sagen?“
 

Mara.
 

Die Stimme seiner Schwester drang hell und klar in seine Ohren. Er klammerte sich an deren Klang, um nicht völlig den Verstand zu verlieren.
 

Mara, was passiert hier?
 

„Vermutlich“, ertönte wieder die Männerstimme. „Wir möchten weitere Tests durchführen, doch wollen wir ihm etwas Ruhe gönnen, da ihn die Untersuchungen sehr erregt haben.“
 

Welche Untersuchungen? Über was redeten sie da? Mara, du Rindvieh, jetzt antworte mir gefälligst!
 

„Gibt es denn irgendwelche Anzeichen dafür, dass er demnächst aufwacht?“
 

Ignorierte sie ihn mit Absicht oder wieso bemerkte ihn denn niemand? War das alles ein schlechter Scherz?
 

„Im Moment keine, aber er ist auf dem aufsteigenden Ast. Es würde sicher helfen, wenn Sie sein Hirn stimulieren. Lesen Sie ihm etwas vor oder erzählen Sie ihm etwas.“
 

„Danke Dr. Wolf.“
 

Levi vernahm Schritte, dann das Schließen einer Tür. Stille breitete sich in dem Raum aus und er fragte sich, ob er nun allein war.

Plötzlich spürte er eine warme Berührung an seiner Wange.
 

„Duuuu, Levi?“, fragte seine Schwester, die anscheinend bei ihm geblieben war. „Hörst du mich?“
 

Natürlich, du Idiot!
 

„Du musst ganz schön verwirrt sein, wenn du etwas hiervon mitbekommst.“
 

Allerdings....
 

„Kannst du dir vorstellen, wie blöd es sich anfühlt mit jemandem zu reden, von dem man nicht weiß, ob er zuhört?"
 

Jetzt sag endlich was Sache ist! Wieso sollte ich dich nicht hören können?
 

„Mh, es fühlt sich seltsam an." Mara machte eine Pause und seufzte, ehe sie weiter sprach. „Wo fange ich an? Du hattest einen Unfall und liegst seitdem im Koma. Erwin - der Lackaffe - hat dich ins Sina Hospital verlegen lassen und nun meint der Doktor, du könntest hören, was in deiner Gegenwart gesprochen wird."
 

Was sagst du da? Levi hatte das Gefühl an Maras Worten zu ersticken.

Das Gewicht auf seiner Brust wurde schwerer und raubte ihm den letzten Rest Beherrschung.

Nein, das ist nicht wahr!
 

„Der Doc meinte, ich solle dein Hirn stimulieren, indem ich dir etwas vorlese." Mara tätschelte erneut seine rasierte Wange.

Das Personal hatte sich große Mühe gegeben, um ihn wieder einigermaßen gut aussehen zu lassen. Sein Haar war geschnitten worden und sein Gesicht rasiert. Auch seine Kleidung lag sauber und ordentlich an seinem Körper.
 

„Ich werde dir nächstes Mal ein schönes Buch mitbringen. Wie wäre es mit Twilight?" Sie kicherte. „Bestimmt wirst du dann aufwachen, um mir das Buch um die Ohren zu hauen."
 

Kurz erfreute sie sich an diesem Gedanken. Dabei hatte sie keine Ahnung, wie aufgewühlt ihr Bruder, der versuchte diese Informationen zu verarbeiten, war.

„Allerdings hast du noch ein paar Tage Schonfrist, denn der Lackaffe hat mich zu einem Wochenendausflug überredet. Morgen ist nämlich Feiertag und dadurch verlängertes Wochenende", erzählte sie weiter. „Nur hat Erwin noch nicht verraten, wohin es geht."
 

Wie schon die letzten Tage grübelte sie, was er vorhaben könnte. Er hatte nur erwähnt, dass er sie für ein paar Tage aus ihrem Trott holen wollte.

„Weißt du eigentlich, was für ein Tag heute ist?“, fragte sie, erhielt jedoch keine Antwort. Natürlich konnte er nicht antworten und diese Tatsache trübte ihre gute Laune. „Naja, ist ja auch unwichtig.“
 

„Isabel und Farlan wollen morgen vorbei kommen“, erwähnte sie, um wieder zu ihrem fröhlichen Ich zurückzukehren.
 

In diesem Moment öffnete sich die Zimmertür und Erwin trat ein. Er schenkte ihr eines seiner bezaubernden Lächeln, die ihr immer wieder den Atmen raubten und ihr Herz höher schlagen ließ.
 

„Da bist du ja schon“, begrüßte sie ihn.
 

Erwin fuhr sich durch das gepflegte blonde Haar. „Ich habe nur ein paar Dinge mit Shadis besprechen wollen“, meinte er, beugte sich vor und hauchte ihr einen Kuss an die Schläfe.
 

Maras Herz vollführte einen doppelten Salto. Automatisch bildete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht. „Du kennst den Klinikleiter?“, fragte sie dann.
 

„Ja, wir waren einst zusammen beim Militär“, antwortete er. „Bist du bereit für den Ausflug?“
 

„Klar, wobei ich gerne wüsste, wohin es geht“, versuchte sie mehr Informationen aus ihm heraus zu kitzeln.
 

„Na, na. Dann wäre es ja keine Überraschung mehr“, tadelte er sie.

Mara seufzte schwer, ehe sie sich von ihrem Bruder verabschiedete. Gleichzeitig schulterte Erwin ihre Tasche und zusammen verließen sie Hand in Hand die Klinik.
 

Sie waren einige Stunden in Erwins Volvo über die Autobahn Richtung Osten unterwegs. Gegen Mittag hielten sie bei einem italienischen Restaurant, wo Mara die beste Lasagne überhaupt zu essen bekam. Danach ging es weiter, bis Erwin schließlich auf einen kleinen Rastplatz fuhr.
 

„Was hast du vor?“, wollte Mara wissen, doch Erwin grinste nur verschwörerisch und löste den Knoten seiner Krawatte.
 

„Ich werde dir jetzt die Augen verbinden“, sagte er lediglich und legte ihr die Krawatte um den Kopf. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Mara nichts mehr sah, fuhr er weiter.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte er nach einiger Zeit, in der Mara recht still war.
 

„Ja“, antwortete diese schlicht.
 

„Du klingst aber nicht so“, stellte er fest, wobei ein Anflug von Belustigung in seiner Stimme mitschwang.
 

„Ich bin aufgeregt“, gestand Mara. Dabei kreuzte sie ihre Finger miteinander und löste sie kurz darauf wieder. Anhand der hubbeligen Straßenverhältnisse vermutete sie, dass sie sich nicht mehr auf der Autobahn befanden. Doch wo führte er sie nur hin?

Ihr Magen flatterte aufgeregt, während die Lasagne wie ein Stein in ihrem Bauch lag. Hätte sie doch bloß nicht so viel gegessen.
 

„Ich kann dir das Fenster ein Stück öffnen, wenn du das möchtest“, schlug er vor, als wüsste er, was in ihr vorging.
 

„Gerne.“
 

Sie hörte das Surren des Motors, der die Scheibe zu ihrer Rechten senkte. Frische Luft drang in den Innenraum des Wagens und begann sogleich mit einigen Strähnen ihres Haares zu spielen. Der Duft von salzigem Wasser und nassem Sand stieg ihr in die Nase, während sie fernes Rauschen wahrnahm. Sie runzelte die Stirn. Waren sie tatsächlich so weit gefahren?

Als sie dann auch noch der Schrei einer Möwe erklang, war sie sich sicher.
 

„Wir fahren ans Meer?“
 

„Richtig erraten“, bestätigte Erwin mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

Keine zehn Minuten später hielt der Wagen. Erwin stieg aus und öffnete die Tür auf der Beifahrerseite. Er nahm Mara bei den Händen, half ihr aus dem Auto und führte sie ein Stück. Dann stoppte er. „Bist du bereit?“, raunte er in ihr Ohr, was ihr einen Schauder über den Rücken jagte.
 

„Ja.“ Sie nickte. Was würde sie nun erwarten?
 

Erwin löste den Knoten an ihrem Hinterkopf und die Krawatte rutschte von ihren Augen. Vor sich erkannte sie ein kleines zweistöckiges Gebäude. Sie musterte das Haus, roch dabei deutlich das Meer, während eine Möwe über ihren Köpfen kreiste.
 

„Komm“, sagte Erwin und nahm sei bei der Hand.
 

Er schloss die Tür auf und deutete ihr voran zu gehen, indem er einen Diener machte. Mara legte sich lachend die Hand vor den Mund und trat ein. Keine drei Schritte später blieb sie sprachlos stehen und ließ den Blick durch den großen Raum wandern.

Es war der einzige Raum in diesem Geschoss. Zum einen war eine moderne offene Küche eingebaut, ein hölzerner Esstisch mit Stühlen, sowie eine Ledercouch befanden sich darin und eine Treppe, die nach oben führte. Das Beeindruckbarste war die Fensterfront, die sich vom Boden bis an die Decke zog und die ruhigen Wellen zeigte, die über den Strand strichen.
 

„Wow“, brachte Mara irgendwann hervor, weshalb Erwin auflachte.
 

„Gefällt es dir?“, fragte er.
 

„Es ist wunderbar“, rief sie aus und ging weiter in den Raum. Neugierig sah sie sich um, bis sie schließlich vor der Glaswand zum Stehen kam. Zufrieden beobachtet Erwin sie dabei.

„Wollen wir an den Strand?“
 

Augenblicklich wandte sie sich zu ihm um und strahlte ihm entgegen. „Ja, bitte.“
 

Abermals nahm er ihre Hand in seine. So verließen sie das Haus und liefen die wenige Meter zum Strand, wo sie ihre Schuhe abstreiften. Barfuß spazierten sie durch den Sand und durch das kühle Wasser.
 

„Ist das dein Haus?“, fragte Mara auf dem Rückweg und betrachtete das Haus aus der Ferne.
 

„Ja, ich habe es vor ein paar Jahren gekauft“, sagte Erwin und sah ebenfalls zu dem kleinen Gebäude.
 

Amüsiert schüttelte Mara den Kopf. Was hatte sie auch anderes erwartet?

„Was machst du eigentlich, dass du solch einen Lebensstil führen kannst?“ Zuvor waren seine beruflichen Tätigkeiten noch nicht zur Sprache gekommen.
 

„Ich bin Inhaber eines Pharmaunternehmens“, meinte er und beobachtete ihre Reaktion aus dem Augenwinkel.
 

Ihre Lippen bildeten ein stummes O. „Gibt's da auch was von Ratiopharm?“, witzelte sie dann und zwinkerte ihm zu.
 

„Ja so ähnlich“, lachte er.

Roségold

Nachdem sie ins Strandhaus zurückgekehrt waren, sah Mara auf ihr Handy. Das Display zeigte mehrere verpasste Anrufe und einige Nachrichten an. Ein Seufzen entwich ihr, als Whatsapp eine weitere eingegangene Nachricht anzeigte.

Sie öffnete den Gruppenchat, den sie mit Hanji und Petra eingerichtet und liebevoll Deppenfreunde benannt hatte.
 

Hanji

Melde dich, du treulose Tomate!!!!!!
 

Ein Schmunzeln bildete sich auf ihrem Gesicht. „Ich muss mal kurz telefonieren“, sagte sie an Erwin gewandt.
 

„Oben links ist das Schlafzimmer“, erwähnte dieser und begann Gemüse aus dem Kühlschrank auf die Küchentheke zu legen.
 

„Der ist ja voll“, stellte Mara überrascht fest und sah ihm dabei zu.
 

„Ich habe einen Freund, der hier immer mal nach dem Rechten schaut, gebeten etwas für uns einzukaufen“, erklärte Erwin. „Wolltest du nicht telefonieren?“
 

Wie aus einem Traum gerissen, blinzelte Mara mehrmals, bis sie auf dem Absatz kehrt machte und die Wendeltreppe empor stieg. Oben angekommen machte sie zwei Türen ausfindig. Hinter der rechten Tür befand sich das Badezimmer und links lag, wie von Erwin beschrieben, das Schlafzimmer.
 

Auch hier verweilte sie seinen Moment im Türrahmen, geplättet von dem Panoramafenster, das, wie im unteren Stockwerk, vom Fußboden bis an die Zimmerdecke reichte, ehe sie eintrat. Staunend schritt sie durch den Raum und begutachtete die simple Einrichtung.

Plötzlich leuchtete das Display ihres Smartphones auf und informierte sie über eine neue Nachricht via Whatsapp. Petra hatte ihr eine Reihe wahllos ausgesuchter Smilies geschickt - ein Zeichen, das ihre Ungeduld ausdrückte. Mara kicherte, indes ließ sie sich auf die Bettkante sinken und wählte die Nummer des Festnetzanschlusses ihrer ehemaligen Wohngemeinschaft.
 

Als sie später die Treppe hinab stieg, nahm sie den Geruch von bratendem Fleisch und Gemüse wahr. Erwin stand vor der Kochinsel, rührte in einem Topf und wendete etwas in der Pfanne. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, als sie sich einen Hocker heranzog und ihn beobachtete.
 

„Gespräch beendet?“, fragte er, ohne von den Töpfen aufzusehen.
 

„Jap, alles in Ordnung“, antwortete Mara. Stirnrunzelnd sah sie ihm zu, wie er hastig die Flamme des Gasherdes hinunterdrehte, ehe das Fleisch in der Pfanne anbrannte. In diesem Moment kochte das Wasser in einem der Töpfe über, den Erwin hektisch auf einen Untersetzer stellte. Man könnte meinen, der Gute würde ganz schön ins Schwitzen kommen.
 

Mara kicherte. „Erwin, was machst du da?“, fragte sie und rang um ihre Beherrschung, damit sie nicht laut loslachte.
 

„Kochen“, sagte er, wobei es mehr nach eine Frage klang, als nach einer Aussage.
 

„Kann es sein, dass du darin nicht sehr geübt bist?“, hakte sie schmunzelnd nach.
 

Entwaffnend lächelte er sie an. „Ich bin komplett unerfahren auf diesem Gebiet“, gestand er, was Mara in schallendes Gelächter verfallen ließ.
 

Sie rutschte von ihrem Hocker und trat neben ihn. „Komm, lass mich das machen“, lachte sie noch immer und nahm ihm den Kochlöffel aus der Hand. Direkt war sie in ihrem Element, rührte hier, würzte da.
 

Erwin strich sich durch das helle Haar. „Ich schenke uns einen Wein ein. Vielleicht schmeckt das Essen noch, wenn wir etwas berauscht sind.“
 

Erneut musste Mara lachen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine Schwäche an dir finden werde“, kicherte sie.
 

„Wieso?“, wollte er wissen, während er Gläser aus dem Schrank nahm.
 

„Weil du so fehlerlos wirkst“, sprach sie ihren Gedanken aus.

Überrascht hob Erwin die Augenbrauen an, erwiderte daraufhin aber nichts. Mara wandte sich wieder dem Essen in den Töpfen zu, wobei sie versuchte die Röte, die ihr ins Gesicht stieg, niederzukämpfen. Eine Hand legte sich um ihre Taille, gleichzeitig hauchte Erwin ihr einen Kuss auf die Schläfe.
 

„Wir haben alle unsere Ecken und Kanten“, raunte er in ihr Ohr.
 

Das Essen war entgegen Erwins Erwartungen gelungen. Während sie speisten, lachten sie über Erwins gescheiteren Versuch und tranken nicht nur eine Flasche Wein aus.

„Gott, du machst mich noch ganz betrunken“, witzelte Mara, als Erwin ihr ein weiters Mal einschenkte.
 

„Du könntest auch einfach aufhören das Glas ständig zu leeren“, konterte er scherzhaft.
 

Nach dem Abendmahl meldete Erwin sich freiwillig für den Spüldienst, indes schickte er Mara ins Bad, wo diese ein entspannendes Schaumbad nahm. Das warme Wasser umschloss ihren zarten Körper und weichte ihre Haut allmählich auf, derweil kam ihr der Gedanke, nicht ein Mal an ihre Sorgen zu Hause gedacht zu haben, seit sie von der Klinik aus aufgebrochen waren. Sie redete sich ein, dass dieser Ort eine beruhigende Wirkung auf sie haben musste. Oder es war Erwins Nähe, die sie alles vergessen ließ.

Sie rutschte noch ein wenig tiefer in das Wasser, bis der Schaum, von dem reichlich vorhanden war, an ihrer Nase kitzelte.
 

Später, sie war gewaschen und hatte sich die Haare geföhnt, stand sie vor der Fensterfront und sah hinaus auf das tintenschwarze Meer. Das Licht des Vollmondes ließ den Sand und die Schaumkronen auf den Wellen silbrig schimmern, unterdes tanzte sein Spiegelbild im Wasser.

Aufgeregt zupfte sie an einigen Haarspitzen. Sie trug ein Negligee aus dunkelblauer Seide und fragte sich, was Erwin zu ihren Anblick sagen würde. Oder eher was er tun würde.
 

„Reizvoll, um den Appetit anzuregen, aber lässt noch genügend Raum für Fantasie“, hatte Isabel gesagt, als diese ihr mal wieder einen privaten Shoppingtermin in der Boutique, in der ihre Freundin arbeitete, eingeräumt hatte.
 

Nervös wickelte sie eine Strähne ihres Haares um den Zeigefinger. Mara war bewusst, wie dämlich sie sich anstellte. Was war denn schon dabei? Zwei Menschen, die sich mögen, kamen sich irgendwann auch körperlich näher. Sie hätte mehr trinken sollen, vielleicht wäre sie dann mutiger und nicht ganz so unruhig.
 

Aus dem Bad vernahm sie, wie Erwin das Wasser abdrehte. Also müsste er jeden Moment ins Schlafzimmer kommen. Schnell klatschte sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, um all die kindlichen Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. Mit 16 hast du dich doch auch nicht so bescheuert angestellt und jetzt bist du 10 Jahre älter, dumme Nuss, tadelte sie sich selbst. Wer wollte denn ursprünglich nur einen One-Night-Stand?

Bei dem Gedanken daran könnte sie sich immer noch selbst in den Hintern beißen. Zum Glück hatte Petra dies mit ihrer Kotzattacke verhindern können.
 

Die Tür hinter ihr wurde geöffnet und Erwin trat ein. Mara schaute weiterhin auf das dunkle Meer, das bedrohlich und wunderschön zugleich wirkte. Sie spürte, wie er hinter ihr zum Stehen kam, und sein warmer Atem ihren Nacken strich. Innerlich betete sie, er möge doch endlich etwas sagen.
 

Oh nein, ich bin fett, ich bin hässlich, redete sie sich selbst ein.
 

„Du bist wunderschön“, unterbrach Erwins tiefe Stimme ihr Gedankenkarussell. Augenblicklich herrschte Leere in ihrem Kopf. Nur seine Worte hallten darin wieder.
 

„Nicht umdrehen“, sagte er, als sie sich zu ihm umwenden wollte.

„Schließe die Augen“, raunte er in ihr Ohr. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper und ließ ihre Kopfhaut prickeln. Gespannt schloss sie die Lider und wartete.
 

Etwas kaltes legte sich auf ihr Dekolleté und um ihren Hals. Dann spürte sie Erwins warme Hände, die ihr Haar unter der Kette hervor brachten. „Alles Gute zum Geburtstag“, flüsterte er und küsste ihre nackte Haut an der Schulter.
 

Mara schlug die Augen auf und sah an sich herab. Mit den Fingerkuppen berührte sie den Runden Anhänger, den Erwin ihr umgelegt hatte. Dieser bestand aus Perlmutt, umgeben von einer roségoldenen Fassung, in der BVLGARI eingraviert war.
 

„Bist du verrückt?“, rief sie aus und starrte ungläubig auf das Schmuckstück.
 

Erwin lachte. „Ja, nach dir.“
 

„Du kannst mir doch nicht sowas teures schenken!“ Maras Stimme überschlug sich.
 

„Ich könnte dir die gesamte Collection schenken, wenn ich das wollen würde“, schmunzelte er spitzbübisch. Er nahm sie bei den Schultern und drehte sie um, damit er in ihre vor Überraschung aufgerissenen Augen blicken konnte. „Sag einfach danke und dann haken wir das Thema ab.“
 

Ihr Mund öffnete und schloss sich, wie bei einem Goldfisch, bis sie schließlich ihre Sprache wieder fand. „Danke“, sagte sie und besah erneut den wertvollen Anhänger.
 

„Woher wusstest du, dass“, sie brach ab, als sie das verschwörerische Grinsen auf seinen Lippen entdeckte. „Du hast mich schon wieder gestalkt?“, ließ sie es wie einen Vorwurf klingen.
 

„Nur dein Facebookprofil“, gestand er schulternzuckend.
 

„Einen stinkreichen Stalker hab ich mir da angelacht“, seufzte sie gespielt. Dann umfasste sie seinen Nacken und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
 

Schnell wurde aus dem zärtlichen Kuss ein leidenschaftliches Zungenspiel, das in beiden die Begierde nach dem jeweils anderen weckte. Sanft schon Erwin sie Richtung Bett, wo er sie in die Laken drückte und seine Hände ihren Körper erkundeten.

Der Geruch von Feuer und Meer

Genüsslich strecke Mara sich und öffnete langsam ihre Lider. Das Zimmer war geflutet von dem warmen Sonnenlicht, das durch das Panoramafenster hinein drang. Sie wandte den Kopf zur anderen Seite, nur um sich allein in dem großen Bett wiederzufinden. Irritiert richtete sich auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Erwin war nicht anwesend.
 

Sie stieg aus dem Bett, schlüpfte in ihren Slip und griff nach Erwins Hemd, das zu ihren Füßen auf dem Boden lag. Noch mit den Knöpfen beschäftigt, stieg sie die Treppe hinab, doch auch das untere Stockwerk war verwaist. Mara runzelte die Stirn. Wo war er nur?
 

Barfuß tapste sie an das Fenster und sah hinunter zum Strand. Dort entdeckte sie Erwin, der, oben ohne nur in Flanellhosen gekleidet, durch den Sand schlenderte und anscheinend telefonierte.

Beruhigt, dass sie ihn nun gefunden hatte, ging sie in die Kochecke und bereitete ein schmackhaftes Frühstück für beide zu. Während sie eine Paprika in feine Streifen schnitt, versank sie so tief in ihren Gedanken, dass sie gar nicht mitbekam, wie Erwin in das Haus zurückkehrte.
 

„Daran könnte ich mich gewöhnen“, raunte er in ihr Ohr, während er seine Arme um sie schloss.
 

Mara drehte sich in seiner Umarmung, damit sie ihn ansehen konnte. Ihr Blick glitt über seine glatte, muskulöse Brust und ihr Blut geriet wieder in Wallung. Mit seinem unordentlichem Haar sah er verboten gut aus. „Wenn du dich so an den Tisch setzt, dann mach ich gerne Frühstück“, schnurrte sie und biss von einem Paprikastreifen ab.
 

Erwin schmunzelte und befeuchtete seine Unterlippe. Dieses kurze Aufblitzen seiner Zunge rief sofort die Erinnerungen an letzte Nacht auf und was er mit dieser Zunge angestellt hatte. Mara schnappte nach Luft und starrte auf seine Lippen.

Seine Hand legte er in ihren Nacken und sie stellte sich automatisch auf die Zehenspitzen, ehe sie sich küssten. Raum und Zeit schienen vergessen, alles was zählte waren die Zärtlichkeiten, die sie austauschten.
 

Zu gerne hätte Mara sich ihm hingegeben, aber da war etwas, das nun ihre Aufmerksamkeit erforderte. „Die Spiegeleier brennen an“, murmelte sie gegen seine Lippen.
 

„Da hast du gerade noch einmal Glück gehabt“, witzelte Erwin, als er sich von ihr löste.
 

Gemeinsam setzten sie sich an den Esstisch und frühstückten, wobei sie wieder herumalberten, wie am Vorabend.

Danach kleideten sie sich für einen Ausflug an den Strand. Doch statt diesen hinter Erwins Haus zu besuchen, führte er sie zu seinem Wagen und sie fuhren eine kurze Weile, bis sie sie nächstgelegene Ortschaft erreichten. Erwin steuerte seinen Volvo Richtung Hafen und parkte ihn schließlich ab.
 

„Was machen wir?“, fragte Mara und sah durch die Windschutzscheibe zu all den Schiffen, die im Hafen lagen.
 

„Wir gehen segeln“, verkündete er und stieg aus.

Mara tat es ihm gleich. „Wir segeln mit dem Becksschiff zur Barcadi-Insel?“, fragte sie scherzhaft.
 

„So ungefähr“, lachte Erwin und entfernte sich vom Auto. Sie beobachtete, wie er auf einen älteren Herrn in kurzer Hose und Aloha Shirt zuschritt. Die beiden Männer gaben sich die Hand und redeten miteinander, bis Erwin sie zu sich winkte.
 

Der Mann stellte sich als Joseph Fischer vor, ein Bekannter von Erwin. Mit seiner Segelyacht würden sie hinaus aufs Meer fahren, begleitet von ihm und seinen Sohn Oliver. Gemeinsam schlenderten sie zum Boot, währenddessen erzählte Joseph von seiner Titania.

Die Taue wurden eingeholt, der Anker gelichtet und sie Segel gesetzt, dabei machten Joseph und Oliver solch einen geübten Eindruck, das Mara sich in sicheren Händen wägte.
 

Mara und Erwin saßen in ihre Badesachen gekleidet an Deck und sahen hinaus auf die endlose Weite des Meeres, während die Titania seelenruhig vor sich hin trieb. Ein leichter Wind strich zärtlich über ihre nackte Haut, was sehr gut mit der prallen Hitze der Sonne harmonierte. Zufrieden atmete Mara die Seeluft tief ein und wieder aus.
 

„Gefällt es dir?“, fragte Erwin und sah sie über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg an.
 

„Es ist wunderbar“, bestätigte sie und hielt ihren Strohhut fest, ehe der Wind ihn von ihren Kopf wehen konnte. Ihr Blick haftete an dem türkisen Wasser, dessen Wellen die Sonnenstrahlen reflektierten. „Das Wasser glitzert so schön.“
 

„Das Wasser hat sicherlich auch eine angenehme Temperatur“, meinte er.
 

„Mh, ich weiß nicht.“ Unentschlossen wiegte sie den Kopf hin und her.
 

„Dann verpasst du den größten Spaß“, meinte Erwin schmunzelnd. Dabei nahm er seine Brille von der Nase und legte sie neben sich ab. Er stand auf und griff nach einem Tau, das von einem Mast hing.
 

„Wie, du kannst Spaß haben?“, fragte Mara zwinkernd und sah ihm interessiert dabei zusah.

Zur Antwort bekam sie nur ein umwerfendes Lächeln geschenkt, dann schwang er sich an dem Seil über die Reling und landete mit einer Arschbombe im Wasser. Erheitert lachte Mara auf. So albern hatte sie ihn noch nie erlebt. Sie richtete sich ebenfalls auf und hielt Ausschau nach ihm. Sein blonder Schopf tauchte aus dem Wasser auf und sofort winkte er nach ihr. „Komm schon“, rief er ihr zu.
 

Kurz zögerte sie, dann ergriff auch sie das Tau und schwang sich in das kühle Nass. Ihr Hut, den sie vergessen hatte abzusetzen, trieb auf der Wasseroberfläche, bis Mara unter ihm auftauchte und er nun schief auf ihrem Kopf saß.
 

Erwin lachte über ihren Anblick. „Setz den Hut richtig auf, sonst bekommen die Haie noch einen Lachanfall“, zog er sie auf. Mara entglitten daraufhin die Gesichtszüge.
 

„Scheiße! Hier gibt es Haie?“, rief sie entsetzt aus. „Fuck, fuck, fuck.“
 

Amüsiert sah er ihr dabei zu, wie sie zu ihm geschwommen kam und sich an ihn klammerte, während ihr Blick rastlos das Wasser absuchte. Lachend strich er ihr die Haare über die Schulter. „Hier gibt es keine Haie, das war ein Scherz“, klärte er sie auf.
 

„Ein verdammt mieser Scherz“, ließ sie ihn wissen und schob schmollend die Unterlippe vor.
 

☼◙☼◙☼
 

Gegen Sonnenuntergang saßen sie im warmen Sand des Strandes hinter Erwins Haus. Mara hielt einen Stock mit Marshmallows in das prasselnde Lagerfeuer, das sie entzündet hatten, und beobachtete Erwin, der einige Meter von ihr entfernt telefonierte. Sie verstand nicht, was er sagte, doch anhand der Art, wie er mit der freien Hand in der Luft umher gestikulierte, konnte sie ablesen, dass es kein Anruf à la 'Hallo, wie geht’s? Ich wollte nur mal quatschen' war.
 

Ganz auf ihn fixiert bemerkte sie gar nicht, wie die Marshmallows sich so sehr verflüssigten, dass sie vom Stock ins Feuer fielen.

Schließlich legte Erwin auf und sie erkannte, das er erst nochmal tief durchatmete, ehe er sich neben ihr auf der Decke nieder ließ.
 

„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie und musterte seine angespannten Gesichtszüge, die sich langsam auflockerten.
 

„Nichts, um das du dir Sorgen machen müsstest“, sagte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Aber ist bei dir alles in Ordnung?“
 

„Klar, wieso?“ Irritiert runzelte Mara die Stirn.
 

„Du wirkst etwas abwesend“, schmunzelte er.
 

„Wie kommst du denn darauf?“, wollte sie wissen.
 

„Ach ich weiß auch nicht“, winkte grinsend ab. „Was machen deine Marshmallows?“
 

Mara wandte den Blick von Erwin auf ihren Stock, nur im festzustellen, dass sich darauf keine Marshmallows mehr befanden und das Holz lichterloh brannte. „Ach verdammt“, fluchte sie und warf ihn ins Feuer, woraufhin Erwin lachte.
 

„Ich hole mal etwas, um deinen Frust zu ertränken“, zwinkerte er ihr zu, bevor er sich erhob und Richtung Wasser stapfte, wo sie ein kleines Loch in den Sand gegraben und mit Wasser gefüllt hatten, um eine Flasche Wein kalt zu stellen.

Mittlerweile versank die Sonne als oranger Feuerball in den dunklen Wellen und färbte den Himmel um sich in wunderschöne Rottöne, während ein schwarzer Schleier sich über das Land legte.
 

„Du machst mich echt noch zum Alkoholiker“, schüttelte Mara mit den Kopf, allerdings mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

„Ich hoffe zumindest zu einem glücklichen Alkoholiker“, ging er auf ihren Spaß ein und entkorkte die Flasche. Mara hielt ihm zwei Gläser entgegen, die Erwin mit kühlen Weißwein füllte.

Mara prostete ihm zu und ihre Gläser trafen klirrend aufeinander. Sie schmeckte das nussige Aroma des halbtrockenen Weines und schloss einen Moment genießerisch die Augen.
 

„Ich habe dich noch gar nicht gefragt, was der Doktor zum Zustand deines Bruders gesagt hat“, stellte Erwin fest. Sein Arm legte sich um ihren Oberkörper und zog sie somit enger an sich. Der Duft seines Parfums stieg in Maras Nase, vermischte sich mit dem Geruch des Feuers und des Meeres und berauschte ihre Sinne. Sie holte tief Luft und nahm diesen Wohlgeruch in sich auf.
 

„Sein Zustand verbessert sich, aber mehr Neuigkeiten gibt es nicht. Wir müssen weiter warten und das Beste hoffen“, informierte sie ihm.
 

„Was sagen eure Eltern dazu?“
 

„Die können sich dazu nicht mehr äußern.“ Mara griff in die Tüte mit den Marshmallows, fischte einen heraus und stopfte ihn in den Mund. Dann sah sie Erwin an und wusste, dass er verstand.
 

„Was ist mit deinen Eltern? Willst du dir die Peinlichkeit antun und mich vorstellen?“, fragte sie scherzend und die Beklommenheit, die sich über sie zu legen versuchte, zu vertreiben.
 

„Nein, diese Peinlichkeit erspare ich mir“, sagte Erwin todernst und beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Entrüstet klappte ihr die Kinnlade herunter.

Da begann Erwins Maske zu bröckeln und er konnte nicht verhindern, dass seine Mundwinkel nach oben zuckten. „Meine Eltern und ich haben den Kontakt abgebrochen. Sie hatten gewisse Erwartungen an mich, die ich nicht erfüllen kann, und sind darüber äußerst pikiert“, klärte er sie auf.
 

„Du bist heute wohl ganz schön auf Ärger aus“, meinte Mara und entschlüpfte seiner Umarmung.
 

„Bist du nun sauer auf mich?“
 

„Nein, deine Witze sind einfach nur scheiße.“ Trotzdem fühlte sie sich ein wenig beleidigt. Einem schmollenden Kind gleich, verschränkte sie die Arme vor der Brust und blickte ins Feuer.
 

Plötzlich spürte sie Erwins Hände an ihren Wangen, die ihren Kopf sachte in seine Richtung drehten. Das Feuer spiegelte sich in seinen hellen Augen und der warme Blick, mit dem er sie bedachte, ließ all den Ärgern verfliegen. Als sich seine weichen Lippen die ihren liebkosten, hatte sie schon längst ausgeblendet, über was sie gesprochen hatten.

Zurück im Alltag

Warmes Wasser floss über Maras Körper und streichelte sanft ihre Haut. Die Müdigkeit, die sie nach dem Erwachen verspürt hatte, verflüchtige sich allmählich und im Geiste ging sie ihre Aufgaben für den bevorstehenden Tag durch.

Doch wanderten ihre Gedanken immer wieder zu dem vergangen Wochenende zurück. Sie schmeckte noch immer das salzige Wasser, spürte die wärmenden Sonnenstrahlen und die Rufe der Seevögel klangen in ihrem Ohr wider. Die Ruhe, die sie während dem Aufenthalt im Strandhaus verspürt hatte, hatte sich tief in ihr verankert und Mara hoffte, noch lange Kraft daraus schöpfen zu können.
 

Nach diesem entspannten Wochenende hatte sie bei Erwin in seinem Appartement übernachtet. Auch dieses war modern und gemütlichen eingerichtet und es überraschte sie nicht, dass er von dort aus einen atemberaubenden Ausblick auf die Skyline Trost genießen durfte.

Wunderschöne Gemälde hingen an den Wänden in den Räumen, die durch große Fenster regelrecht vom Sonnenlicht geflutet wurden, jedoch kein einziges Bild von ihm oder seiner Familie. Mara hätte gerne mehr über diese und das zerrüttete Verhältnis von Erwin zu ihnen erfahren, doch wollte sie ihm damit noch nicht zu nahe treten. Sie konnte sich nicht ausmalen, was dahinter steckte, doch schien es nichts schönes zu sein, so ausweichend, wie er es erklärt hatte.
 

Plötzlich öffnete sich die Duschkabine und Erwin trat ein. Überrascht wandte Mara sich zu ihm um.

„Ich dachte, du arbeitest“, musterte sie ihn mit gespielter Skepsis.
 

Mit einem verschmitzten Lächeln beugte er sich zu ihr hinunter. „Frühstückspause“, raunte er in ihr Ohr.

Bei dem klang seiner tiefen Stimme zog sich eine angenehme Gänsehaut über ihren gesamten Körper. Augenblicklich beschleunigte sich ihr Herzschlag und ein Schwarm Schmetterlinge tobte in ihrem Bauch.
 

„Nein“, widersprach sie, wobei sie all ihre Willensstärke aufbringen musste, um nicht seinem Charme zu erliegen. Drohend deutete sie mit dem Zeigefinger auf ihn und machte einen Schritt zurück, um etwas Abstand zu gewinnen. „Ich habe um neun einen Termin bei Doktor Wolf, zu dem ich nicht zu spät kommen darf.“
 

Nur schien sie damit auf taube Ohren zu treffen, denn Erwin versiegelte ihren Mund mit seinen Lippen, die wunderbar nach dem süßen Obst, das er anscheinend gegessen hatte, schmeckten. Als er sie gegen die kalten Wandfliesen drückte, war aller Widerstand bereits vergessen.
 

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Pünktlich, mit fast einer halben Stunde Verspätung, klopfte Mara an Dr. Wolfs Bürotür, wobei sie Erwin einen anklagenden Seitenblick zuwarf. Dieser wirkte belustig, hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe, ehe er sich mit dem Versprechen, sich später bei ihr zu melden, von ihr verabschiedete.

Dr. Wolf ignorierte die Tatsache, dass Mara zu spät zum vereinbarten Termin erschien, und klärte sie über Levis Zustand, der sich weiterhin schleichend verbesserte, auf. Nun, da die Verletzungen weitestgehend verheilt waren, ordnete er Physiotherapie an, damit sein Körper nicht weiter abbaute und Levi eine gute Kondition geboten werden konnte, sobald er aufwachen sollte.
 

Nach diesem informativem Gespräch pendelte sie zur Arbeit, wo sie ihr Alltag endgültig einholte.

Sie verbrachte den Tag damit, Betten neu zu beziehen, Wäsche zu waschen und ihre Kolleginnen zu ignorieren, die sich das Maul über sie zerrissen, wieso sie sich das verlängerte Wochenende freigenommen hatte und wo sie denn in dieser Zeit gewesen war.
 

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Nach Feierabend spazierte Mara durch die belebten Straßen des Stadtzentrums, in denen sich die Sommerhitze festgesetzt hatte. Es roch nach dem warmen Asphalt und Sommerblumen, die aus den Blumenkästen der Sonne entgegen ragten, während sich die Menschen munter in den Außenbereichen der Cafés tümmelten.

Mara wollte ihrem Bruder einen Besch abstatten, doch vorher hatte sie noch etwas zu erledigen. Zielstrebig steuerte sie die Buchhandlung an, dessen Tür ein klingelndes Geräusch von sich gab, als sie eintrat. Sofort erschien eine Frau mittleren Alters, auf deren Nase eine runde Brille saß, die Mara an die großen wachsamen Augen einer Eule erinnerte. Zuvorkommend betreute sie Mara und suchte ihr das gewünschte Buch aus den vollen Regalen heraus. Während Mara bezahlte, umspielte ein boshaftes Lächeln ihre Lippen, denn ihr Kopfkino malte sich aus, wie sehr Levi ausrasten würde, wenn er tatsächlich verstehen würde, was sie vorhatte ihm vorzulesen.
 

„Sie scheinen sich ja schon richtig auf das Buch zu freuen“, holte die Eulen-Dame sie in die Realität zurück. Sie schien Maras Vorfreude aus ihrem Gesicht ablesen zu können und freute sich anscheinend darüber so sehr, als würde sie an Maras Plan teilhaben.
 

„Ja, allerdings“, schmunzelte Mara, während die innerlich die Hände aneinander rieb und teuflisch lachte. Das würde ein Spaß werden.
 

Mit ihrer neuen Errungenschaft machte sie sich auf den direkten Weg in die Klinik, wo sie es kaum erwarten konnte mit ihrer Qual zu beginnen.
 

„Hallo Bruderherz“, trällerte sie, als sie in sein Zimmer eintrat und die Tür hinter sich schloss. Sie tätschelte seine Wange, wie jedes Mal, ehe sie sich auf dem bequemen Stuhl neben seinem Bett nieder ließ. „Ich will dich gar nicht mit den Details über das Wochenende langweilen, denn ich habe dir etwas mitgebracht.“

Mara wühlte in ihrer viel zu großen Handtasche, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. „Tada, Biss zum Morgengrauen!“ Sie wedelte mit dem Buch vor Levis Nase, obwohl sie wusste, dass er es nicht sehen konnte.
 

„Momentan hast du ja keine andere Wahl, als mir zuzuhören, es sei denn, du würdest dir endlich mal die Mühe machen und dich aus deinem Zustand kämpfen. Dr. Wolf meint nämlich, dass dieser sich immer weiter verbessert. Ich persönlich glaube ja, dass du nur simulierst“, versuchte sie ihn aufzuziehen. Allerdings war dieses Spiel nur halb so lustig, wenn er nicht antwortete.
 

Ein wehmütiger Seufzer entwich ihrer Kehle. „Naja was soll's“, sagte sie zu sich selbst und schlug das Buch auf der ersten Seite auf.
 

Ich hatte mir nie viele Gedanken darüber gemacht, wie ich sterben würde, obwohl ich in den vergangenen Monaten allen Grund dazu gehabt hätte."
 

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Einige Zeit später öffnete sich die Tür zu Levis Zimmer und Erwin trat ein. „Ich dachte, du wolltest anrufen“, sagte Mara, wobei es eher wie eine Frage klang.
 

„Nun bin ich hier“, lächelte er charmant und küsste sie zur Begrüßung. „Wie wäre es mit einem gemütlichen Abendessen?“
 

„Solange du nicht wieder kochst“, witzelte Mara und klappte das Buch in ihrem Schoß zu.

Erwin zog eine seiner markanten Augenbrauen empor. „Ok, das war gemein“, gab sie zu, „lass mich als Entschuldigung etwas für uns kochen.“
 

„Ich glaube, kochen allein macht das nicht wieder gut“, schmunzelte er und zog sie von dem Stuhl in seine Arme.
 

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In der Straße angekommen, in der Mara wohnte, schlenderten sie gemütlich vom Wagen zu dem Mietshaus, in dem die Wohnung ihres Bruders lag. Da kamen drei Kinder auf sie zu gerannt, die Mara als Mikasa, Eren und Armin, die im selben Gebäude lebten, erkannte.
 

„Du bist doch die Schwestern vom Gnom“, sprach Eren sie an. Irritiert über diese Aussage zog sie die Augenbrauen zusammen.
 

„Wieso nennt ihr in Gnom?“, hakte Mara argwöhnisch nach und sah, wie Erwin neben ihr sich das Lachen verkniff.
 

„Na, weil er so klein ist und immer so schlechte Laune hat und uns dann angiftet“, erklärte der Grundschüler vor ihr.
 

„Wir haben gehört, dass er im Krankenhaus ist, ist es denn etwas schlimmes?“, fragte der blonde Armin.
 

„Nein, er schläft sich nur mal richtig aus und dann kommt er wieder“, sagte Mara, was die Kinder zum Jubeln brachte. Aufgeregt rannten sie davon und kickten einen Fußball zwischen sich hin und her.
 

Empört wandte Mara sich zu Erwin um und boxte ihm gegen die Schulter. „Lache nicht, wenn mein Bruder als Gnom bezeichnet wird“, schnauzte sie ihn an und musste sich selbst ein Grinsen verkneifen.
 

Erwin nahm sie in den Schwitzkasten. „Legen Sie sich nicht mit mir an, junges Fräulein“, warnte er sie, wobei Mara versuchte sich aus seinem Griff zu bereifen, indem sie ihm in die Seiten pikste. „Sonst muss ich Sie übers Knie legen.“
 

Augenblicklich stoppte sie ihren Gegenangriff. Übers Knie legen? Bilder tauchten in ihrem Kopf auf und sie spürte, wie ihre Wangen glühten. Sie wollte etwas darauf erwidern, da rollte der Fußball gegen ihr Bein.
 

„Kannst du uns den Ball zuspielen?“, rief Eren ihr zu und wedelte ganz aufgeregt mit den Armen.
 

Mara und Erwin lösten sich von einander und sahen beide zum Fußball. Direkt holte Mara mit dem Fuß aus und verpasste dem Ball einen ordentlichen Tritt. Allerdings ohne wirklich zu zielen.

Statt geradeaus Richtung Eren zu fliegen, sauste der Ball im rechten Winkel davon und klatschte Armin mitten ins Gesicht und riss den Jungen zu Boden. Erschrocken legte Mara die Hände vor den Mund, während Erwin bereits auf den kleinen Armin zuging. Auch seine Freunde versammelten sich um den Jungen, der nun mit den Tränen kämpfte.
 

Abgesehen von einem kreisrunden Abdruck im Gesicht Armins und einer blutenden Nase, war nichts passiert. Erwin half ihm wieder auf die Beine, ehe er Mara, die noch immer wie vom Schlag getroffen dastand, ins Wohnhaus begleitete.
 

Nachdem die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, verfiel sie in schallendes Gelächter, das im gesamten Treppenhaus zu vernehmen war. Sie stellte sich vor, wie Levi nun die Hand zu einem High-Five heben und sie vielleicht sogar für ihre Tat loben würde, denn sie wusste, wie sehr diese Kinder seine Nerven strapazierten.
 

„Dich darf man auch nicht mit Kindern allein lassen“, seufzte Erwin, was sie nur noch lauter lachen ließ.

Kommunikation

Glückselig setzten wir unsere Reise in den kleinen, aber vollkommenen Teil unserer Ewigkeit fort.“ Mara atmete tief durch und klappte das Buch zu. „Ende.“
 

„Jetzt hast du ihm alle vier Bände vorgelesen und er ist immer noch nicht ausgerastet?“, fragte Farlan belustigt.
 

„Vielleicht solltest du etwas von deinem Kaffee auf den hellen Fußboden verschütten. Sowas treibt den Big Bro doch immer zur Weißglut“, lachte Isabel.
 

„Das hebe ich mir als Notfall-Masterplan auf. Zunächst quäle ich ihn noch ein bisschen“, zwinkerte Mara den besten Freunden ihres Bruders zu. „Ich habe mir die Shades of Grey Reihe bestellt. Mal schauen was der dazu sagt.“
 

„Dafür wird er dich lynchen“, versprach Farlan.
 

Kichernd saßen die Drei an Levis Krankenbett und machten sich über ihn lustig. Es war aber auch komisch. Levi, von dem man sonst meinen konnte, dass ihm alle sozialen Kontakte lästig seien, versammelte nun seine Freunde an einem Ort. Sie lachten und scherzten, als wäre nichts schlimmes passiert und er, wie gewohnt, bei ihnen.
 

Seitdem bestätigt wurde, dass Levi sie hörte und höchstwahrscheinlich auch verstand, war ständig jemand bei ihm und redete auf ihn ein. Sie stimulierten sein Hirn, so wie Dr. Wolf es ihnen empfohlen hatte. Hätte Levi allerdings ein Wörtchen mitzureden, dann würde er sich sicher wünschen, dass alles und jeder einfach Ruhe gab. Denn hatte er keinen Besuch, so babbelte das Fernsehgerät oder das Radio.
 

„Wir müssen dann mal los“, meinte Farlan und stemmte sich aus dem Sessel, in dem er bis dahin saß.
 

„Bis Freitag“, sagte Isabel, wobei sie Levis Hand drückte. Sie zwinkerte Mara nochmals zu, ehe sie mit Farlan das Zimmer verließ.
 

Mit dem Schließen der Tür herrschte augenblicklich Ruhe in dem Raum. Mara saß still da und beobachtete, wie Levis Brust sich regelmäßig hob und senkte, während sein Blick abwesend an die Zimmerdecke gerichtet war.

Anfangs hatte sie es als befremdlich empfunden, wenn er mit offenen Augenlidern da lag und zwischendurch blinzelte. Doch die Ärzte hatten ihr erklärt, das all dies normal sei, da der Augenreflex, so wie die Atmung, unbewusst gesteuert werden.
 

Seufzend erhob sie sich von ihrem Stuhl und trat an das große Fenster. Ihr Blick glitt über die Reihe Birken, deren Blätter sich bereits gelb und rot färbten. „Du hast den ganzen Sommer verschlafen“, murmelte Mara und betrachtete die farbenfrohe Herbstpracht.
 

„Und wir konnten gar nicht zusammen wegfahren“, sagte sie, wobei sie wehmütig an ihre gemeinsamen Urlaube, die sie jeden Sommer unternommen hatten, dachte. „Dafür müssen wir mindestens zwei Mal irgendwo hin, wenn du wieder auf den Beinen bist. Wie wäre es mit einer Safari in Tansania mit anschließendem Strandurlaub auf Sansibar?“
 

Aus dem Bett hinter ihr vernahm sie keine Antwort. Natürlich. Schließlich konnte ihr Bruder auch nicht antworten. Ein schwerer Seufzer entwich ihrer Kehle, während sie niedergeschlagen die Schultern hängen ließ.

Langsam wandte sie sich von der wunderschönen Herbstlandschaft ab, um sich wieder zu ihren Platz zu begeben.
 

„Weißt du“, setzte sie an, brach jedoch abrupt ab und trat geschockt einen Schritt zurück, sodass sie die kalte Fensterbank in ihrem Rücken spürte. Levis Kopf war zur Seite gerutscht, sodass sein Gesicht ihr zugewandt war.
 

„Verdammt Kacke, daran werde ich mich nie gewöhnen“, knurrte Mara und strich sich einige Haarsträhnen aus der Stirn. Noch immer empfand sie es als gruselig, wenn er sich plötzlich bewegte und sie dann ansah.
 

Skeptisch musterte sie ihren Bruder, an dem irgendetwas anders war. Etwas an seinem Blick hatte sich verändert. Unsicher näherte sie sich seinem Bett und beobachtete ihn ganz genau. Direkt neben seinem Kopf ging sie in die Hocke und blickte in seine dunklen Augen, die einen Punkt irgendwo rechts von ihr fixierten.
 

„Levi“, flüsterte sie leise, schwankend zwischen der Hoffnung ihn zu erreichen und einer unerklärlichen Angst, dass er tatsächlich auf sie reagieren würde.
 

Nichts geschah und Mara war drauf und dran sich wieder zu erheben, da zuckten seine Augen und er sah sie unvermittelt an. Vor Schreck stürzte sie nach hinten und landete auf ihrem Hinterteil. Mit heruntergeklappter Kinnlade sah sie ihm einige Zeit entgegen, unsicher, was sie nun tun sollte.
 

„Bist...Bist du wach?“, brachte sie schwach über die Lippen und wartete so gespannt auf eine weitere Reaktion, sodass sie ganz vergaß zu atmen. Doch änderte sich nichts. Weder blinzelte er, noch zuckte er oder gab sonst irgendein Zeichen von sich.
 

Mara ließ die angehaltene Luft ihren Lungen entweichen. Kurz hatte sie gehofft, gar gebetet, er würde ihr antworten, weswegen die Enttäuschung nun umso größer war.
 

Der Illusion beraubt senkte sie den Kopf und kämpfte für einen Augenblick mit den Tränen, die in ihren Augen brannten. Ein dumpfes Klopfen, das kaum wahrzunehmen war, drang zu ihr durch, weshalb sie wieder zu ihrem Bruder blickte. Sie erkannte, dass Levis schmaler Zeigefinger sich langsam hob, ehe er kraftlos zurück auf die Matratze plumpste.
 

Sprachlos starrte sie ihn an, wobei ihr Blick zwischen seinen Fingern und seinem Gesicht hin und her wanderte.

„Mach's nochmal“, forderte sie ihn atemlos auf und betrachtete aufmerksam seine Hand.
 

Es dauerte eine kleine Weile, ehe sich sein Finger wieder schwerfällig anhob. Es schien ihn alle Kraft zu kosten, denn seine ganze Hand zitterte vor Anstrengung.
 

Mara stürzte ans Bett. „Nochmal!“
 

Levis Hand war nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sie sah erneut deren Zittern, doch zuckte sein Finger nur, ohne sich zu bewegen.
 

War das alles auch nur eine unbewusste Reaktion, oder versuchte Levi gerade tatsächlich mit ihr zu kommunizieren?

Sie wandte ihren Kopf und erkannte, dass sein Augenmerk erneut auf ihr lag. Da war sie sich sicher. Er war wach! Er war geistig da und versuchte sich ihr mitzuteilen!
 

Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf die Füße, flitzte hinaus auf den Flur und kam erst vor Dr. Wolfs Büro zum Stehen. Ungeduldig klopfte sie gegen die massive Holztür zu seinen Räumlichkeiten, bis sich diese öffnete. Wolf tauchte im Türrahmen auf und blickte sie irritiert an.
 

Abgehetzt erzählte Mara von den Ereignissen in Levis Zimmer, was auch den Arzt zum Staunen brachte. Sogleich machten sie sich zu ihm auf und Wolf überzeugte sich selbst von Levis Zustand.
 

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„Und dann meinte Dr. Wolf, dass Levi mit ganz viel Glück Weihnachten zu Hause verbringen könnte.“ Mara lächelte breit, während sie neben Erwin durch den Park schlenderte und vom vergangenen Vormittag berichtete.
 

„Na das wäre mal ein Weihnachtsgeschenk“, meinte Erwin und lächelte, von ihrer Euphorie angesteckt. „Auch die Kinder werden sich freuen, wenn der Gnom wieder seine schlechte Laune verbreiten kann.“
 

Schelmisch grinsend zwinkerte er Mara zu. Diese plusterte die Wangen beleidigt auf.
 

„Du Blödmann!“ Sie griff sich einige der bunten Herbstblätter vom Boden und warf sie gegen seinen Oberkörper. "Ich hab dir doch gesagt, dass das nicht lustig ist!"
 

„Vorsicht mein Fräulein, Sie spielen mit dem Feuer“, warnte er sie mit ausgestrecktem Zeigefinger, jedoch zuckten seine Mundwinkel verräterisch in die Höhe.
 

„Ha, ich mach dir gleich Feuer unterm Hintern“, erwiderte sie darauf und reckte frech die Zunge heraus.
 

„Ich habe dich gewarnt.“ Erwin startete seinen Angriff, indem er ihr in die Seiten pikste, wodurch Mara lachend versuchte ihn abzuwehren.
 

Ein spielerisches Handgemenge brach zwischen ihnen aus und endete erst damit, dass sie beide zu Boden gingen. Erwin drückte Mara auf das mehrfarbige Laub und fixierte ihre Hände oberhalb ihres Kopfes.

„Ich gebe auf“, kicherte sie, wobei ihr Bauch schon schmerzte vom Lachen.
 

Langsam beruhigte sie sich und sah in Erwins Gesicht, das einen zufriedenen Ausdruck trug.

„Was ist?“, fragte sie und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.
 

„Es ist schön dich so lachen zu sehen“, sagte Erwin und es schien, als würde das Blau seiner Augen heller strahlen als je zuvor.
 

„Du machst mich eben glücklich“, flüsterte sie, da es nur für seine Ohren bestimmt war.
 

Schmunzelnd betrachtete er sie einen Moment, ehe er sich zu ihr hinab beugte und ihre weichen Lippen mit den seinen liebkoste.

Anruf

„Weißt du eigentlich, wie sehr du mich erschreckt hast?“
 

Mara saß neben Levis Bett und spielte mit ihrer Halskette, die Erwin ihr geschenkt hatte.

Levis Zustand hatte sich innerhalb kürzester Zeit rapide verbessert. Mittlerweile war er geistig voll da, nur körperlich noch immer eingeschränkt. Er musste stehen, laufen und sogar das Sprechen neu erlernen. Viele Stunden verbrachte er mit Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Neurologen und Logopäden, um die einfachsten Fähigkeiten wieder zu erlangen.
 

Doch zeigte Levi seine Kämpfernatur und belohnte die Hingabe, mit der jeder sich um ihn kümmerte, indem er sich stetig weiterentwickelte.

Mara freute sich über jeden kleinen Schritt, den er machte, und war kaum noch aus seinem Zimmer zu bekommen. Sie verfolgte jeder seiner Therapiestunden, sofern sie nicht anderweitig beschäftigt war, und half mit, wo sie nur konnte. Dr. Wolf meinte, es würde ihrem Bruder enorm unterstützen von vertrauten Personen umgeben zu sein, die ihm bei der Genesung Beistand leisteten.
 

„Scheiß dir nicht schon wieder ein“, sagte er, wobei er klang, als hätte er drei Flaschen Wodka intus. Er stotterte und lallte, während jedes Wort ihn große Mühe zu bereiten schien. Seine Zunge war noch nicht so flink, wie vor seinem Unfall, aber noch immer genauso spitz.
 

„Na na, du solltest vielleicht diese Chance nutzen und deinen Wortschatz ein wenig überarbeiten“, tadelte sie ihn, woraufhin sie einen tödlichen Blick seinerseits erntete. Mara kicherte.
 

„Es freut mich jedenfalls sehr, dass du wieder da bist“, sagte sie und griff nach seiner Hand. „Und noch mehr würde ich mich darüber freuen, wenn wir Weihnachten tatsächlich zu dritt feiern könnten.“
 

„Mit dem Lackaffen?“ Levi stand der blanke Ekel ins Gesicht geschrieben, als hätte sie ihm eine drei Tage alte Unterhose vor die Nase geworfen. Mara konnte sich einfach nicht erklären, woher diese Abneigung gegenüber Erwin kam.

Ja, Levi war ihr großer Bruder und war von daher allen männlichen Vertretern, die in irgendeiner Form Interesse an ihr zeigten, skeptisch gegenüber. Aber besonders seit er erwacht war, war dieser Argwohn sehr stark ausgeprägt.
 

„Komm schon, immerhin hat er all das hier ermöglicht. Dafür kannst du dich zumindest mal bei ihm bedanken.“
 

Abfällig schnalzte er mit der Zunge und Mara wusste, dass es keinen Sinn machte mit ihm zu diskutieren. Sie war froh, dass er endlich wieder bei Bewusstsein war, da wollte sie sich nicht gleich mit ihm streiten. „Darüber reden wir noch“, drohte sie ihm, wodurch sie Todesblick Nummer zwei kassierte.
 

„Ok, ich verzieh mich dann mal.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Deine schnuckelige Physiotherapeutin sollte gleich auftauchen“, zwinkerte sie Levi zu, welcher nun noch finsterer dreinschaute. Inzwischen empfand Mara eine gewisse Sympathie der jungen Frau gegenüber, denn sie schien ihren Bruder recht gut im Griff zu haben.
 

„Ich rufe dich morgen an“, sagte sie noch, ehe sie sein Zimmer verließ und auf dem Flur beinahe in besagte Dame hinein gelaufen wäre.
 

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Später saß Mara in Erwins Appartement vor dem offenen Kamin, in dem ein Feuer leise vor sich hin prasselte, und umklammerte eine Tasse heißen Kakao. Erwin saß direkt hinter ihr, sodass sie sich mit dem Oberkörper an seine Brust lehnen konnte.
 

„Am Montag darf er probeweise mit nach Hause und wenn das alles klappt, dann bekommt er das Ok für Weihnachten“, berichtete Mara von dem Gespräch mit Dr. Wolf.

Dieser wollte ihr nämlich ermöglichen die Feiertage zusammen mit ihrem Bruder zu Hause zu verbringen. Jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie vorher ausprobierten, ob Mara dieser Aufgabe gewachsen war.
 

Levi durfte für einige Tage nach Hause, hatte allerdings auch Termine, die eingehalten werden mussten. Mara konnte in dieser Zeit sichergehen, dass sie die Pflege ihres Bruders, dessen Behandlungen und ihr eigenes Leben unter einen Hut bekam. Falls als dies miteinander vereinbar war, dann versprach Dr. Wolf Levi bis Weihnachten zu entlassen.
 

„Und du fühlst dich dieser Verantwortung wirklich gewachsen?“, fragte Erwin und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab, wo ihr seidiges Haar seine Haut kitzelte.
 

Mara wandte sich in seiner Umarmung und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Ja natürlich.“ Die Empörung war nicht zu überhören.
 

„Aber Schluss jetzt damit. Ich will endlich wissen wie es weiter geht“, drängte sie.
 

Ihr neuestes Hobby war es abends vor dem Kamin zu sitzen und gemeinsam in einem Buch zu lesen, wobei die meiste Zeit Erwin laut vorlas, da Mara bei den spannenden Passagen vor Aufregung so schnell las, dass sie begann über die Wörter zu stolpern, bis man gar nichts mehr verstand. Ihr momentanes Projekt, Dark Places von Gillian Flynn, nahm sie so sehr ein, dass sie nie erwarten konnte ein paar Seiten darin zu lesen.
 

Erwin seufzte. Er öffnete das Buch an entsprechender stelle, während er schmunzelnd den Kopf schüttelte. Gleichzeitig ließ Mara sich wieder an seine Brust sinken und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.
 

„Sie standen sich gegenüber, Runner atmete wie ein wütender Esel, und seine Hände zitterten, als er sie auf Pattys Arme legte, sie aber mit demonstrativer Anstrengung gleich wieder zurückzog. Sogar sein Schnurrbart zitterte.

'Das wird dir mal sehr leidtun, Patty.'“
 

Sie fühlte sich im Moment so sicher, denn alles wirkte beinahe schon perfekt. Ihr Bruder war auf dem besten Weg zur Genesung und ihr Privatleben konnte auch nicht besser laufen.

Ihr Blick war auf das lodernde Feuer gerichtet, das knisterte und knackte, und dabei eine warme Gemütlichkeit ausstrahlte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sich noch ein wenig enger an Erwin kuschelte und diese Zufriedenheit tief einatmete.
 

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Am nächsten Morgen stieg sie nur widerwillig aus dem Bett. Viel zu schön war der vergangene Abend gewesen und die leider schon verstrichene Nacht. Doch hatte sie sich einiges für diesen Tag vorgenommen.

Sie wollte vor der Arbeit noch nach Hause und neue Kleidung für Levi einpacken, die sie dann auch noch bei ihm vorbeibringen wollte. Schließlich musste er doch gut aussehen, wenn seine Physiotherapeutin an ihm werkelte.
 

Mara kicherte. Es war einfach zu schön, wie sie ihn damit aufziehen konnte und auch heute würde sie ihm keine Ruhe gönnen.
 

Nach einer ausgiebigen Dusche ging sie in die Küche, wo Erwin im schicken Anzug gekleidet an der Theke stand, in der Zeitung blätterte und an seinem Kaffee nippte. Sie schritt auf ihn zu, küsste seine Wange und griff nach ihrer Handtasche. Ihr Smartphone schien spurlos verschwunden zu sein.
 

„Kannst du mich mal anklingeln? Ich finde mein blödes Handy nicht“, meckerte sie und sah sich in der Küche suchend um.
 

Erwin, der total in einen interessanten Artikel vertief war, fummelte sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und reichte es ihr. Mara nahm es entgegen und wählte ihre Nummer. Das Freizeichen erklang und irgendwo in der Wohnung ertönte ihr Klingelton.
 

Sie hielt Ausschau, ob sie es irgendwo entdeckte, während sie durch den Wohnbereich schritt. Schließlich fand sie es auf dem Kaminsims und beendete die Verbindung.

Gerade als sie sich umdrehte, begann Erwins Handy in ihrer Hand zu vibrieren.
 

Mara blickte auf das leuchtende Display und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Sie erkannte die Nummer und sie kannte den Anrufer!

Ungläubig klappte ihr die Kinnlade hinunter, während ihr Hirn plötzlich all die kleinen Hinweise, denen sie all die Zeit keine Beachtung geschenkt hatte, wie ein Puzzle zusammenfügte. Nun machte alles Sinn!

Tausende Emotionen strömten auf sie ein und schienen sie, einer Welle gleich, unter sich zu begraben und in den Abgrund zu ziehen.
 

Ein Räuspern ließ sie aufblicken. Am anderen Ende des Raumes stand Erwin, der sie besorgt musterte. „Ist alles in Ordnung?“
 

Er stand da, die blauen Augen beunruhigt auf sie gerichtet, das blonde Haar ordentlich gekämmt, der teure Anzug makellos an seinem Körper. Er sah so gut aus, so verboten gut und es tat so verdammt weh ihn anzusehen.
 

Wie gerne hätte sie dieses Ding in ihrer Hand zerdrück, es auf den Boden fallen gelassen und drauf getreten oder es in Erwins Gesicht geschmissen, doch tat sie weder noch.

Sie hielt es in ihrer Hand und spürte plötzlich dieses emotionale Gewicht, das es zugelegt hatte. Dabei sah sie ihn unentwegt an. Ihr Mund öffnete und schloss sich, sie wollte etwas sagen, allerdings fand sie keine Worte.
 

Das Vibrieren erstarb und sie sah erneut auf das Display, das einen entgangenen Anruf anzeigte.
 

1 verpasster Anruf: Hannah

Seine Geheimnisse

„Sag mir, dass das nicht wahr ist", brachte Mara schließlich hervor, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Sie zitterte am ganzen Körper. Vor Wut, Enttäuschung, Unglaube, Trauer. Sie wusste nicht weswegen, doch schien das Entsetzen allmählich der Wut Platz zu machen.
 

„Mara, ich weiß nicht was du meinst." Erwin wirkte ehrlich verunsichert. Allerdings glaubte sie nicht, dass er tatsächlich so ahnungslos war, wie er tat.
 

„Wieso ruft dich die Ex meines Bruders an?"
 

Immerhin war Erwin so ehrlich und setzte kein falsches, entrüstetes Gesicht auf. Sein geübtes Pokerface dominierte seine Züge. Mara strich sich aufgebracht durch die dunklen Haare. „Ist das dein Ernst?“
 

Er sagte nichts. Sah sie einfach nur an.
 

„Scheiße, Erwin, sag doch was!"
 

„Was willst du jetzt von mir hören, Mara?" Im Gegensatz zu ihr klang er so ruhig wie eh und je. Fassungslos starrte sie ihn an.
 

„Warum sie dich anruft."
 

Erwin holte Luft, sagte jedoch nichts.
 

„Sag mir einfach, dass du nichts mit ihr hattest.“ Drohend fuchtelte sie mit dem Smartphone in seine Richtung.
 

Schweigen.
 

Dieses Schweigen war für Mara wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Sie spürte, wie ihr Unterkiefer zu beben begann und kämpfte gegen das Brennen in ihren Augen.
 

„Sag mir, dass das nur ein blöder Scherz ist."
 

„Es ist kein blöder Scherz", nahm Erwin ihr die letzte Hoffnung. Entrüstet starrte sie ihn an. Erneut öffnete und schloss sie den Mund, ohne ein Wort zu sagen.
 

„Ja, ich hatte vor einiger Zeit mal was mit ihr."
 

Plötzlich schien die Welt all seine Farben verloren zu haben. Alles wirkte grau und trostlos. In ihrer Brust krampfte sich etwas zusammen. Nur konnte es nicht ihr Herz sein, denn das lag in tausend Scherben zu ihren Füßen.

Sie dachte an das kleine Kind, dessen blondes Haar, und es schien, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggerissen werden.
 

„Ist das Kind von dir?", fragte sie tonlos und wappnete sich innerlich für den nächsten Schlag.
 

„Das Kind ist definitiv nicht von mir."
 

„Und was macht dich da so sicher?"
 

Noch immer wirkte sein Gesichtsausdruck undurchdringlich, aber kurz ließ Erwin sich anmerken, wie er mit sich selbst rang. Jedoch war diese Regung nur erkennbar, wenn man ihn etwas genauer kannte. Mara hatte es wahrgenommen, demnach dachte sie, sie würde ihm näher stehen. Allerdings schien sie sich da gehörig getäuscht zu haben.

„Ich werde es dir erklären, wenn du dich beruhigt hast", meinte er und seufzte.
 

Wie vor den Kopf geschlagen blinzelte sie mehrmals. Selbst jetzt wahrte er noch all seine Geheimnisse und ließ sie im Ungewissen. Mit ihrer Geduld am Ende schüttelte sie den Kopf und fasste einen Entschluss.
 

Stumm schritt sie auf ihn zu und übergab ihm sein Smartphone. Dann legte sie die Kette ab, die sie die letzten Monate mit so viel Freude getragen hatte. Nun glaubte sie, der kleine Anhänger würde sie in einen Abgrund ziehen. Sie wollte Erwins Geschenk nicht mehr.
 

Dieser setzte zum Sprechen an, doch kam sie ihm zuvor. „Ich werde dir das Geld für Levis Pflege zurückzahlen", sagte sie schlicht, schob sich an ihm vorbei und griff sich ihre Handtasche und Mantel.
 

„Mara, ich bitte dich", versuchte Erwin zu ihr durchzudringen, doch sie hörte erst gar nicht hin.
 

Sie schlüpfte in den Mantel und versuchte ihn möglichst nicht anzusehen. „Ich dachte eigentlich, dass wir würden uns mittlerweile einigermaßen vertrauen und könnten offen miteinander reden. Doch anscheinend habe ich mich da geirrt.“
 

An dem Blick, den sie ihm dann doch noch zuwarf, erkannte man, wie verletzt sie war. Ihr Mund zog sich zu einer geraden Linie, ehe sie weiter sprach. „Ich kann es einfach nicht glauben, dass du mir, selbst in dieser Situation, nicht sagen willst, was Sache ist. Vertraust du mir denn gar nicht?“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie zur Wohnungstür. Sie musste raus. Sofort! Keine Sekunde mehr hielt sie in seiner Gegenwart aus. Ein Klos im Hals schnürte ihr die Luft zum Atmen ab. Genauso hinderte der Druck in ihrer Brust ihre Lungen daran sich auszubreiten, um den nötigen Sauerstoff einzusaugen.
 

„Ich hätte es dir gerne unter anderen Umständen gesagt“, hörte sie Erwin hinter sich, als sich ihre Finger um den kalten Türgriff legten.
 

„Ich will es gar nicht mehr hören“, sagte sie atemlos und trat auf den Hausflur. Erwin folgte ihr.
 

„Nicht.“ Sie blieb stehen und warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu.

Er stoppte ebenfalls. Dabei hielt er einen gewissen Abstand, denn er respektierte den Freiraum, den sie nun brauchte.

Als sie sich vergewissert hatte, dass er ihr nicht weiter folgte, ging sie weiter. Ungeduldig wartete sie auf den Aufzug am Ende des Flures. Gleichzeitig kämpfte sie gegen den Drang, sich noch einmal umzudrehen. Ein heller Ton kündigte die Ankunft des Aufzuges an und die Türen öffneten sich surrend.
 

Mara stieg in den Aufzug. Schließlich wandte sie sich nochmals um und sah zu Erwin, der noch immer an Ort und Stelle verharrte. Sie schluckte. Erneut spürte sie diesen Schmerz in ihrer Herzgegend. Die Türen schlossen sich und verschluckten seinen Anblick. Der Aufzug setzte sich ruckelnd in Bewegung. Sie legte den Kopf in den Nacken und verbat sich zu weinen.
 

Unten angekommen durchquerte sie hastig die Lobby und trat hinaus auf die belebte Straße. Dort steuerte sie direkt Levis Wagen an, ohne ihre Umgebung weiter zu beachten. Dabei wäre sie beinahe vor ein fahrendes Auto gelaufen. Allerdings konnte der Fahrer rechtzeitig bremsen. Hupend machte er seinem Ärger Luft, woraufhin Mara ihm im Vorbeigehen den Finger zeigte.
 

Eilig entriegelte sie den Wagen und ließ sich auf den Fahrersitz plumpsen. Stöhnend fuhr sie sich mit beiden Händen über das Gesicht. Sie konnte noch gar nicht fassen, was da gerade passiert war.
 

Ihr Blick wanderte zu dem Hochhaus auf der anderen Straßenseite, in dem Erwins Wohnung lag. Da erkannte sie, wie eben dieser aus dem Gebäude trat und sich umsah.
 

Bevor er sie entdecken konnte, startete sie den Motor. Noch einmal sah sie zu ihm hinüber. Er sah in ihre Richtung. Ihre Blicke trafen sich für den Moment. Kurz zögerte sie. Dann legte sie den Gang ein und sauste davon.
 

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Levi saß in seinem Bett und sah aus dem großen Fenster. Da vernahm er die schnellen Schritte auf dem Flur, die sich seinem Zimmer näherten. Er blickte auf die Uhr, rechnete nicht damit, dass seine Schwester so früh schon auftauchen würde. Und doch war sie es, die sich durch die halb geöffnete Tür schob. Stumm schloss sie die Tür, ehe sie mit gesenktem Haupt zu dem Stuhl neben seinem Bett schritt.
 

„Du bist früh“, stellte er fest. Dabei beobachtete er, wie sie sich steif auf dem Stuhl nieder ließ. „Und du hast meine Kleidung vergessen.“
 

Mara sagte nichts, sah ihn nicht mal an. Da wusste Levi, dass etwas nicht stimmte.
 

Wortlos musterte er sie. Ihre Hände ballte sie auf ihren Oberschenkel zu Fäusten, ihre Schultern bebten. Eine Weile verging, in der er sie einfach nur ansah und wartete.

Letztendlich hob sie den Kopf und er sah die Tränen über ihre Wangen kullern. Ihre Augen waren geschwollen und gerötet vom Weinen.
 

„Ich bring das Arschloch um“, knurrte er bei dem Anblick seiner Schwester.
 

Diese hielt nichts mehr auf dem Stuhl. Sie krabbelte zu Levi ins Bett, legte den Kopf an seine Brust und ließ ihrem Kummer freien Lauf.

Rausch

„Drei.verdammte.Wochen."

Jedes Wort wurde mit einem Klaps auf ihren Po unterstrichen. „Drei verdammte Wochen schmollst du schon vor dich hin."
 

Mara hob den Kopf widerwillig von ihrem Kissen und starrte Hanji finster an. Sie hasste sich ja selbst dafür, dass sie ihm so hinterher heulte. Doch sie konnte nicht anders. Ständig war er in ihren Gedanken präsent. Ständig erinnerte sie irgendwas daran, dass er ihr Herz gebrochen hatte.
 

„Könntest du meinen Arsch mal aus dem Spiel lassen?", knurrte sie ihre Freundin an. Diese gab ihr erst recht noch einen Klaps.

Stöhnend richtete Mara sich in ihrem Bett auf. „Na also, geht doch", lächelte Hanji triumphierend.
 

Sie war zusammen mit Petra angereist, um Mara von ihrem Liebeskummer abzulenken. Seit drei Wochen, seit sie den Anruf auf Erwins Handy entdeckt hat, schmollte diese und verbreitete nur noch schlechte Laune. Selbst die Freude über Levis Entlassung war getrübt durch den Vorfall.
 

Also hatten ihre ehemaligen Mitbewohnerinnen es sich zur Aufgabe gemacht Mara aufzuheitern. Immerhin feierte man in dieser Nacht den Jahreswechsel.
 

„Komm schon. Du hast Weihnachten schon Trübsal geblasen, da solltest du wenigstens Silvester in vollen Zügen genießen", versuchte Petra nun ihr Glück.
 

Schnaubend gab Mara ihre Begeisterung, die sich in Grenzen hielt, kund. Eigentlich war etwas anderes geplant gewesen für diese Nacht. Sie sollte wo anders sein. Mit ihm...

Verrückt, wie schnell sich die Dinge ändern konnten. Noch vor kurzem war sie mit ihrer rosa Brille auf der Nase durch die bunte Welt getanzt, die nun farblos und trist wirkte.

Levi hatte es aus alle Wolken gerissen, als sie ihm davon erzählt hatte. Sein ohnehin schlechtes Bild von Erwin hatte sich verstärkt und er hatte geschworen, Erwin seine Krücken in den Allerwertesten zu schieben, bis sie ihm zum Mund wieder raus kamen. Hannah hatte Glück, dass sie eine Frau war, sonst würde sie wohl das selbe Schicksal erleiden.
 

Mara dachte zurück an den Tag, an dem Erwin sie das erste Mal besucht hatte. Hannah war aufgetaucht und sie waren sich im Hausflur begegnet. Erwin hatte sich nichts anmerken lassen, aber Hannahs Blick hatte alles verraten. Nur war Mara zu blind gewesen, um es zu erkennen.

Der blonde Junge, den Hannah in den Armen gehalten hatte, sagte doch schon alles. Aber sie war zu sehr mit ihren Gefühlen beschäftigt gewesen, dass sie diese Details gar nicht bemerkt hatte.
 

Wie denn auch? Er hatte ihr Honig ums Maul geschmiert, sie auf Händen getragen und ihr Hirn vernebelt. Er war ihre Droge gewesen und nun war sie auf eiskaltem Entzug.
 

Plötzlich traf sie etwas am Kopf. „Aua", beschwerte sie sich.
 

„Du hast schon wieder an ihn gedacht, stimmt's?", fragte Hanji, die ihr das Kissen über die Rübe gezogen hatte. Petra kicherte hinter vorgehaltener Hand.
 

Entsetzt sah Mara zwischen ihren Freundinnen hin und her. Dann schnappte sie sich ebenfalls mehrere Kissen. Das Erste landete in Petras Gesicht. Blöde Kuh! Was lachte sie so doof?

Mit dem Zweiten revanchierte sie sich bei Hanji, welche den Schlag konterte. Eine unerbittliche Kissenschlacht brach zwischen den zwei Frauen aus. Petra zögerte keine Sekunde und stürzte sich ebenfalls in die Schlacht. Sie lachten und kreischten, während sie sich die Kissen um die Ohren schlugen.
 

Der Kummer war vergessen, die Sorgen aufgelöst. In diesem Moment war Mara so dankbar, dass sie diese beiden wunderbaren Menschen ihre Freunde nennen durfte.
 

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Später am Abend feierten sie die letzten Stunden des alten Jahres. Doch nachdem Mara das gefühlte tausendste knutschende Paar ausgemacht hatte, war ihr die Feierlaune vergangen. Sie hatte an der Bar Platz genommen und ließ frustriert die Eiswürfel in ihrem Glas kreisen. Whiskey on the rocks. Wie Erwin es damals getrunken hatte.

Es war schon lachhaft, wie sehr sie sich in ihrem Kummer aalte. Wie lange waren sie ein Paar gewesen? Acht Monate? Und sie stellte sich an, als wären es acht Jahre...
 

„Gosh“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor, als sie einen großen Schluck genommen hatte. Whiskey war absolut nicht ihr Getränk. Es schüttelte sie, während der Alkohol in ihrem Hals brannte.
 

„Na, der ist wohl etwas hart für dich?“, erklang plötzlich eine Stimme neben ihr.

Missgestimmt wandte Mara den Kopf und erblickte einen Mann in ihrem Alter, der sich neben ihr an die Bar lehnte. Er kaute Kaugummi und ein silberner Stecker funkelte an seiner Unterlippe. Die Lederjacke, die er trug, ließ ihn rebellisch aussehen. Ebenso das strähnige Haar, das in seine Stirn hing. Uninteressiert musterte sie ihn, ehe sie den Blick wieder abwandte.
 

„Und noch immer nicht hart genug“, murrte sie. Sie rechnete eigentlich damit, dass er sie über die laute, bass-schwangere Musik nicht gehört hatte, doch schien er sie verstanden zu haben.
 

„Lass mich raten: Liebeskummer?“ Er zog den Barhocker neben ihr etwas zurück und ließ sich darauf nieder. Skeptisch sah sie ihn wieder an. Anhand ihres Blickes fühlte er sich in seinem Verdacht bestätigt. Ein dümmliches Grinsen schlich sich auf sein schmales Gesicht. „Ich hätte da etwas, das dir weiterhelfen könnte.“
 

Er griff in seine Lederjacke und holte eine kleine Tüte aus einer Innentasche. In dieser Tüte befanden sich bunte Pillen, die Mara an Smarties erinnerten. Als er dann noch zwei dieser Pillen ihr ihr auf die Theke legte, sah sie sich erschrocken um. Sie konnte Hanji und Petra in der Menschenmasse nicht ausfindig machen.
 

Langsam wandte sie den Kopf wieder um und sah hinab zu den zwei Pillen. Eine war rosa, die andere orange. In beiden war ein Smilie eingraviert. Die Vernunft riet ihr sofort aufzustehen und zu gehen. Ihr gerochenes Herz schrie nach Erlösung.

Ohne weiter zu überlegen nahm sie beide Pillen in die Hand, schmiss sie ein und spülte mit dem Whiskey nach.
 

„Bist du verrückt? Eine ist völlig ausreichend!“ Entsetzt sah der junge Kerl sie an. Mara ignorierte ihn. Ihre Speiseröhre brannte und in ihrem Magen brodelte es. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie diesen Abend nicht ohne zu erbrechen überstehen würde. Mit zittrigen Beinen stand sie auf.
 

„Wohin willst du?“
 

„Tanzen“, war Maras schlichte Antwort.
 

„Du schuldest mir noch etwas“, stellte der Kerl klar. Er wollte die Pillen bezahlt bekommen.
 

Mara grinste schief. „Ich habe nicht darum gebeten.“
 

Er war sauer, das erkannte sie. Seine Hände ballte er zu Fäusten und er spuckte, während er sie anbrüllte. „Dafür wirst du bezahlen, Bitch!“
 

„Gibt es hier ein Problem?“ Ein Schrank von Mann tauchte plötzlich auf. Er trug ein Headset und auf seinem Oberteil leuchtete die Aufschrift Security.
 

Noch immer grinsend sah Mara zu dem Kerl in Lederjacke. Dieser biss die Zähne zusammen, ehe er mit dem Kopf schüttelte. „Nein, alles in Ordnung“, sagte er widerwillig und zog Leine. Zufrieden sah Mara ihm hinterher, bevor auch sie in der Menschenmasse verschwand.
 

Sie schlängelte sich durch die Menschen, bis sie auf der Tanzfläche stand. Die Musik dröhnte in ihren Ohren. Das Stroboskoplicht zuckte über die tanzenden Leiber. Die Farben der Beleuchtung schienen stärker als sonst. Ihr Herz begann zu flattern und sie fühlte sich mit einem Mal so befreit. Ihren Körper bewegte sie im Takt der Musik. Die Augen geschlossen. Ein Lächeln auf den Lippen.
 

Das Zeitgefühl völlig verloren tanzte sie, bis sie gegen jemanden stieß. „Huch“, lachte sie atemlos und wandte um. Als sie sah, wer da vor ihr stand, entglitten ihr kurzzeitig die Gesichtszüge.
 

Erwin.
 

„Was machst du denn hier?“, fragte sie über die laute Musik hinweg. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie freute sich ihn zu sehen. Gleichzeitig war sie ebenso traurig. Sie wollte ihn doch aus ihrem Leben verbannen und vergessen. Und jetzt stand er vor ihr. Erinnerte sie daran, wie sehr sie ihn doch vermisst hatte.
 

„Das könnte ich dich genauso fragen“, antwortete er, wobei er sich etwas zu ihr hinunter beugte. Der Klang seiner Stimme jagte ihr einen Schauder über den Rücken und ließen ihre Beine weich werden.
 

„Tanzen“, sagten sie so unbekümmert sie nur konnte. Sie durfte ihm jetzt bloß nicht nachgeben. Da er dazu nichts zu sagen zu haben schien, zuckte sie mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. Sie musste ihre Freundinnen suchen und möglichst bald verschwinden, sonst würde Erwin sie wieder einlullen.
 

„Mara.“ Unter all dem Lärm, der um sie herum herrschte, drang seine Stimme so klar und deutlich an ihr Ohr, dass sie stehen blieb. Es war, als würden alle Geräusche in den Hintergrund rücken und sie nur noch seine Stimme wahrnahm. „Bitte lass uns reden.“
 

Er wollte sich noch immer erklären? Er meinte es wohl wirklich ernst. Langsam drehte sie den Kopf, damit sie ihn ansehen konnte. Erwin trat einen Schritt auf sie zu und bat ihr seine Hand an. Er bemerkte ihren Blick. „Ich werde dir alles sagen“, versprach er.
 

Ohne es kontrollieren zu können, begann sie prustend zu lachen. „'Tschuldigung, aber das glaubst du doch selbst nicht“, brachte sie dann hervor.
 

Erwin verzog den Mund zu einer geraden Linie und sah sich kurz um. „Das ist nicht der richtige Ort für so ein Gespräch.“
 

„Wieso? Ist dir das etwa peinlich?.“ Mara verstand selbst nicht, wieso sie so eine große Klappe ihm gegenüber hatte. Hätte sie doch bloß nicht die Pillen geschluckt! Ohne diese Dinger würde sie jetzt nicht hier stehen und mit Erwin reden. Wahrscheinlich wäre sie schon längst zu Hause oder würde sturzbetrunken über der Toilette hängen und ihren Frust auskotzen.
 

Erwin antwortete nicht. Er trat noch einen Schritt auf sie zu, beugte sich vor und umfasste ihre Oberschenkel. Mit einen Ruck hatte er sie über die Schulter gelegt und marschierte mit ihr Richtung Ausgang.

„Hey, was soll das?“, beschwerte Mara sich und hielt den Saum ihres Kleides an Ort und Stelle, um ihr Hinterteil nicht zu entblößen. Auch diesmal bekam sie keine Antwort.
 

An der Kasse setzte er sie kurz ab, holte ihren Mantel und bezahlte ihre Getränke. Kaum hatte sie sich in ihren Mantel eingewickelt, hievte er sie wieder auf seine Schulter und ging mit ihr hinaus ins Freie. Mara machte sich gar nicht die Mühe sich zu wehren. Er würde sie sowieso nicht gehen lassen. Seufzend ließ sie den Kopf hängen und fügte sich in ihr Schicksal.

Frohes Neues, Erwin

Erwin trug sie zu seinem Auto. Ein Mercedes SLS Cabrio, wie Mara feststellte. Sie schnaubte. Kaum hatte er sie vergrault, schaffte er sich einen neuen Wagen an. Ob Männer auch zu Frustkäufen neigten?
 

Sie wurde abgesetzt. Erwin öffnete die Beifahrertür und schupste sie schon fast auf den Sitz. Mit großen Schritten umrundete er das Auto und nahm auf dem Fahrersitz Platz. Ohne ihr einen Blick zu zuwerfen drehte er den Schlüssel im Zündschloss und fädelte sich in den geringen Verkehr ein.
 

„Weißt du", begann Mara und wandte sich im Sitz, sodass sie ihn ansehen konnte, „wir sind hier, wie du sicherlich an deinem schicken neuen Wagen merkst, nicht in der Steinzeit, wo man der potenziellen Partnerin die Keule über die Rübe zieht und sie dann in die Höhle schleift, um sie dort zu vernaschen."
 

Sie fixierte Erwin, wartete auf eine Reaktion. Doch diese blieb aus. Er starrte stur auf die Straße und verzog keine Miene. Seufzend lehnte Mara sich zurück. „Du darfst ruhig lachen. Das war lustig."
 

Schmollend verschränkte sie die Arme vor dem Oberkörper und sah aus der Windschutzscheibe. In dieser Nacht waren viele Menschen auf den Straßen. Sie feierten, lachten und bereiteten sich einen unvergesslichen Abend. Mara beobachtete die Schlangen vor den angesagten Lokalen, an denen sie vorbei fuhren.
 

Irgendwann nahm sie das Armaturenbrett genauer unter die Lupe. Gerade als sie an einer Ampel hielten, fand sie den Kopf, der das Verdeck öffnete. Kurzerhand betätigte sie den Knopf. Surrend klappte sich das Dach zusammen.
 

„Was soll das denn jetzt?" Erwin blickte sie an, als wäre sie ein Kind, das zum wiederholten Male Blödsinn machte.
 

„Ich brauche frische Luft", lautete die kurze Information. Die kalte Nachtluft streichelte ihre Haut und brachte ihre Haare durcheinander, während die Geräusche der Straße in ihren Ohren klangen.
 

„Für was kauft man sich eigentlich ein Cabrio im Winter?", fragte sie nach einiger Zeit des Schweigens. Da Erwin wieder nicht reagierte zeigte sie ihm den Vogel.
 

„Du bist betrunken“, stellte er schließlich trocken fest.
 

„Nicht betrunken genug.“
 

Erwin wandte den Kopf und musterte Mara skeptisch. Er nahm ihre erweiterten Pupillen und das Zucken ihres Augenlids war. „Sag mir nicht, dass du irgendwas eingenommen hast“, sagte er ungläubig.
 

„Gut, dann sag ich es eben nicht“, zuckte Mara unschuldig mit den Schultern.
 

Ruckartig stieg Erwin derartig heftig auf die Bremsen, dass es Mara in den Sicherheitsgurt drückte. „Bist du denn völlig von Sinnen?“, fuhr er sie an.
 

„Bist du bescheuert?“, stellte sie die Gegenfrage. „Wer kann denn seinen beschissenen Schwanz nicht in der Hose behalten?“ Endlich ließ sie ihre Gefühle zu. Endlich machte sie ihrem Ärger Luft. Mit der flachen Hand schlug sie auf seinem Oberarm, in der Hoffnung all die angestaute Wut dadurch los zu werden.
 

Ein Wagen hinter ihnen hupte, was sie innehalten ließ. Erwin hob beschwichtigend die Hand und setzte die Fahrt fort.
 

„Mara, ich hab einen Fehler gemacht, aber du kannst mich nicht für mein Leben verurteilen, das ich vor unserer Beziehung geführt habe. Du hattest sicherlich auch andere Partner und mach ich dir eine Szene deswegen?“, begann Erwin nach einiger Zeit. Er klang beherrscht, doch nicht gelassen.
 

„Aber es war die Frau meines Bruders“, murrte Mara und sah ihn vorwurfsvoll an.
 

„Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht.“
 

„Aber“, setzte sie erneut an, wurde jedoch unterbrochen.
 

„Ich wusste nicht, dass sie verheiratet ist. Sie hat es mit keiner Silbe erwähnt“, versuchte er ihr klar zu machen. „Soll ich denn bei jeder Frau den gesamten Lebenslauf nachprüfen, bevor ich in irgendeiner Weise mit ihr verkehre?“
 

Mara schnaubte verächtlich. „Verkehre“, wiederholte sie höhnisch. Ihre Schläfen begannen zu Pochen. Mit kreisenden Bewegungen versuchte sie den Schmerz fort zu massieren, doch schien sie damit sogar das Gegenteil zu bewirken. „Und was ist mit dem Kind?“
 

„Das ist nicht von mir.“
 

„Ja schon klar.“
 

„Glaube mir, Mara, es ist nicht mein Kind“, versicherte er ihr. Sein Tonfall veränderte sich. Auch Erwin war allmählich gereizt von ihrer sturen und herablassenden Art.
 

Mittlerweile hatten sie das Stadtzentrum hinter sich gelassen. Über eine Brücke passierten sie den Trost River, der die Partymeile vom Bankenviertel trennte. Erwins Wohnung lag unweit davon entfernt.
 

„Natürlich und der Junge ist nur zufällig blond und blauäugig“, spottete Mara weiter. Sie ließ ihn eiskalt merken, was sie von seinen Ausreden hielt.
 

Erwin schien der Kragen zu platzen. „Herrgott, ich bin impotent! Ich kann keine Kinder zeugen“, fuhr er sie an.
 

Augenblicklich verpuffte Maras Wut. Fassungslos starrte sie ihn an, versuchte seine Worte zu begreifen. Er war zeugungsunfähig? Ihre Kinnlade klappte hinunter. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Sie fand keine Worte, konnte keinen Satz bilden, deshalb schloss sie den Mund wieder.
 

„Ich hätte es dir gerne unter anderen Umständen gesagt", sagte er sanfter, den Blick auf die Straße gerichtet.

Langsam lehnte sie sich in den Sitz zurück und starrte ebenfalls einfach geradeaus. Ihr Gehirn pulsierte schmerzhaft und Übelkeit ließ ihren Magen flattern.

Unsicher über ihr Schweigen, wandte Erwin ihr das Gesicht zu. Er erkannte die feinen Schweißperlen auf ihrer Stirn und wie blass sie plötzlich geworden war. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er.
 

Zögernd nickte sie erst, bevor sie dann den Kopf schüttelte. „Halt bitte an“, presste sie gequält hervor.

Irritiert sah Erwin sie an. Als sie jedoch die Hand vor den Mund legte, verstand er. Er fuhr an den Straßenrand. Kaum hielt der Wagen, öffnete Mara die Tür und hing den Oberkörper hinaus, ehe sie sich übergab. Erwin löste seinen Sicherheitsgurt, um näher an sie heran zu rutschen und ihre Haare zurück zu halten. In diesem Moment gingen hunderte von Raketen in die Luft und malten bunte Muster in den Nachthimmel.
 

Hustend hob Mara den Kopf und blickte gen Himmel. „Frohes Neues, Erwin“, keuchte sie, dann übergab sie sich ein zweites Mal.
 

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Ein hoher Ton riss Mara aus ihrer Bewusstlosigkeit. Es dauerte einen Moment, bis sie registrierte, wo sie war und was gerade geschah. Erwin hatte seine Arme um die geschlungen und trug sie über den Hausflur. Schwach blickte sie zu ihm auf. Er bemerkte, dass sie wach war. Besorgt musterte er sie und kam vor seiner Wohnungstür zum Stehen.
 

„Kannst du kurz stehen?“, fragte er flüsternd.
 

Mara nickte leicht, woraufhin er sie auf dem Boden absetzte. Mit einer Hand öffnete Erwin die Tür, während er den anderen Arm um ihre Taille legte, um sie zu stützen. Als die Tür aufschwang, nahm er sie wieder auf die Arme und trug sie hinein. Ihren Kopf lehnte sie gegen seine Brust und atmete seinen erdigen Duft ein. Trotz der Unstimmigkeiten und dem Ärger fühlte sie sich in seiner Nähe geborgen. Sein Herzschlag drang in ihre Ohren. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie feststellte, dass ihr Herz synchron zu seinem schlug.
 

Erst im Schlafzimmer machte er wieder Halt, wo er sie vorsichtig auf dem Bett ablegte. Mara hatte das Gefühl, er hätte sie auf einer Wolke abgelegt. Die weichen Laken umspielten ihren Körper, während Erwins Duft weiterhin in ihrer Nase kitzelte. Dieser verließ den Raum und Mara richtete sich umständlich auf.
 

Als er zurückkehrte, hielt er ihr ein Glas Wasser entgegen. Dankend nahm sie es und trank einen Schluck. Indes befreite Erwin ihre Füße aus ihren Stiefeln. Danach zog er sie auf die Beine und streifte den Mantel von ihren Schultern. Verwundert beobachtete sie ihn dabei, unfähig, in irgendeiner Weise zu reagieren. Auch den Reißverschluss ihres Kleides ließ sie ihn einfach hinunter ziehen. Kurz fragte sie sich, ob er ihren Zustand ausnutzen würde, doch hätte sich gleich für diesen Gedanken ohrfeigen können. Nein, so war Erwin nicht. Und das bewies er ihr auch sogleich. Er ließ von ihr ab und ging zum Kleiderschrank.
 

Das Kleid rutschte ihrem Körper hinab und so stand sie nur noch mit einem Slip bekleidet vor seinem Bett. Er wandte sich ihr wieder zu und verharrte kurz in seiner Bewegung. Sein Blick huschte über ihren nackten Leib und er schluckte, ehe er sich ihr wieder näherte. Dabei faltete er ein Hemd auseinander, das er aus dem Schrank geholt hatte. Er legte es über ihre Schultern und begann den ersten Knopf zuzuknöpfen, nachdem sie in die Ärmel geschlüpft war. Seine Fingerspitzen berührten ihre empfindliche Haut und jedes Mal fühlte es sich wie ein Stromschlag an.
 

Er endete und richtete sich wieder zur vollen Körpergröße auf. Wie gebannt sah Mara in seine blauen Augen. Sachte strich er ihr einige Haarsträhnen hinter das Ohr, ehe er ihr einen Kuss auf den Haaransatz hauchte.

„Ruh dich aus“, flüsterte er in ihr Haar. „Ich bin nebenan, wenn du etwas brauchst.“
 

Mit diesen Worten verließ er den Raum. Mara glaubte nicht, dass sie schlafen könnte. Doch die Aufregung der letzten Stunden und er vertraute Duft lullten sie allmählich in einen traumlosen Schlaf.

Wir

Mit dröhnenden Kopfschmerzen erwachte Mara aus ihrem komatösen Schlaf. Ihr war hundeelend. Als sie sich im Bett aufrichtete, drehte sich die Welt und sie befürchtete, sich erneut übergeben zu müssen. Doch das Schicksal ersparte ihr diese Peinlichkeit.
 

Barfuß tapste sie in den offenen Wohnbereich. Erwin saß, das Profil ihr zugewandt, auf der dunklen Ledercouch. Seine Ellenbogen hatte er auf seine Knie gestützt und sein Kopf lag in seinen Händen. Er sah aus, als habe er die ganze Nacht dort gesessen und gegrübelt. Er wirkte müde und mitgenommen.

Sofort bekam Mara ein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich so daneben benommen und er war so gut zu ihr gewesen. Wie konnte sie nur so eskalieren?
 

Sie wusste nicht, wie sie die Entschuldigung, die bitter nötig war, einleiten sollte, also räusperte sie sich kurz. Erwins Kopf schnellte hoch und er erfasste sie mit seinem Blick.
 

„Mara", flüstere er ihren Namen und erhob sich. Ein Schauder lief über ihren Rücken und es schüttelte sie kaum merklich. Doch er hatte es bemerkt. Er nahm eine dünne Wolldecke von der Couch, schritt auf die zu und legte ihr die Decke um die Schultern.

„Geht es dir besser?", fragte er. Die Besorgnis in seiner Stimme brachte die feinen Härchen auf ihren Unterarmen dazu sich aufzurichten.
 

„Mir geht es gut", krächzte sie mit belegter Stimme. Er war ihr wieder so nah, dass sie sein Parfum riechen konnte. Alles in ihr schrie danach, sich an seine Brust zu lehnen und diesen Duft zu inhalieren.

Stattdessen begaben sie sich zur Couch. Erwin nahm seinen vorherigen Platz wieder ein, während Mara sich neben ihn setzte und die nackten Beine nah an den Körper zog.
 

„Es tut mir leid", begann sie und legte die Decke um ihre Beine. „Ich war letzte Nacht echt ein ganz schönes Miststück."
 

„Wir alle schlagen hin und wieder über die Stränge", sagte Erwin.
 

Mara hob den Blick und sah ihn fragend an. „Du auch?"
 

„Vielleicht." Erwins Mundwinkel zuckten verschwörerisch. Von seiner müden Gestalt war nichts mehr zu erkennen. Er wirkte wach und aufmerksam.
 

„Jedenfalls verstehe ich, wieso du so geheimnisvoll getan hast."
 

Seine Gelassenheit wich augenblicklich. Verunsichert kaute Mara auf ihrer Unterlippe. „Ich kann nachempfinden, warum du es mir nicht gleich sagen wolltest. Solche Intimitäten schreit man nicht in die Welt hinaus. Aber ich bin dankbar, dass du mich eingeweiht hast. Auch, wenn du es dir anderes vorgestellt hast."
 

Noch immer sah Erwin auf die Tischplatte vor ihnen. Noch immer sagte er kein Wort.
 

„Du redest nicht gerne darüber, hab ich recht?", fragte sie zart, bedacht darauf seine Gefühle nicht zu verletzen.
 

Er seufzte. „Die bisherigen Gespräche darüber waren meist nicht sehr erfreulich und endeten im Streit", gab er zu.
 

Endlich sah er sie an. Sie erkannte, wie unangenehm das Thema für ihn war und konnte nur erahnen, welche Probleme es bis dato ihm bereitet hatte.
 

„Verstehst du dich deswegen nicht mit deinen Eltern?"

Er hatte ihr einst erzählt, dass seine Eltern den Kontakt zu ihm abgebrochen hatten, weil er ihren Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Sollte das der Grund dafür sein?
 

„Ja."
 

Wie grausam. Immerhin war es nicht seine Entscheidung gewesen keine Kinder in die Welt setzen zu können.

Um ihn nicht weiter zu quälen wechselte sie das Thema, obwohl dieses auch nicht unbedingt angenehm war.

„Und was ist mit Hannah? Wieso hat sie dich abgerufen?", wollte sie nun wissen.
 

„Ich habe vor einem Jahr eine Nacht mit ihr verbracht - nur eine einzige. Seit wir uns vor deiner Haustür wieder begegnet sind will sie mir das Kind aufschwatzen", antwortete Erwin, wobei er sich über das leicht stoppelige Kinn strich. Mara wurde bewusst, dass sie ihn in all der Zeit noch nie so gesehen hatte. Sonst hatte er immer so professionell und unantastbar gewirkt. Nun schien er wirklich alle Karten auf den Tisch zu legen. Er zeigte sich von einer anderen Seite. Eine verwundbare, sensible Seite.
 

„Hast du ihr gesagt, dass das nicht in Frage kommt?"
 

„Nein, aber einen Vaterschaftstest machen lassen, damit sie Ruhe gibt." Er deutete auf einen Brief auf dem Tisch vor ihnen. „Das ist das Ergebnis."
 

Der Brief war noch ungeöffnet. „Du kannst ihn aufmachen, wenn du möchtest", sagte er.
 

Einen Augenblick starrte Mara auf den weißen Umschlag. „Nein, ich glaube dir", meinte sie dann und sah ihm direkt in die Augen. In dieses wunderschöne Blau, das sie jedes Mal aufs Neue verzauberte. Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
 

„Empfindest du es als schlimm?", fragte Erwin schließlich in diese Stille. Seine Stimme war fast nur ein Flüstern, als fürchtete er sich vor der Antwort.
 

„Was?"
 

„Meinen 'Makel'?"
 

Mara überlegte. Horchte tief in sich hinein. „Ich habe noch nie wirklich das Bedürfnis verspürt Kinder zu bekommen", antwortete sie ehrlich, wobei sie nachdenklich zur Decke starrte. Als sie Erwin wieder ansah, traf sie die Intensität seines Blickes so heftig, dass sie nach Luft schnappte.
 

„Wirklich?"
 

Sie nickte. „Wirklich."
 

„Und wenn du irgendwann deine Meinung änderst?"
 

„Dann finden wir schon eine Lösung", sagte sie optimistisch. Ein Lächeln legte sich dabei auf ihre Lippen. Ja, sie war zuversichtlich.
 

Noch immer sah er sie so eindringlich an. Suchte wahrscheinlich nach Zweifeln in ihrer Aussage. Doch wurde er nicht fündig.

Die nächsten Worte, die er sagte, hätten sie beinahe umgehauen.
 

Ich liebe dich."
 

In all der Zeit, in all den Monaten, die sie miteinander verbracht hatten, waren diese drei magischen Worte nicht ein einziges Mal gefallen. Überrascht sah sie ihn an, gerührt von diesem Geständnis. Ein Orkan voller Schmetterlinge tobte in ihrem Bauch, während alle Blutkörper in ihren Adern zu tanzen begannen. Ihr war heiß und kalt zugleich. So wie damals, als sie in ihn hinein gerannt war.

Wie ferngesteuert legte sie ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn zu sich. Kurz bevor ihre Lippen sich berührten hauchte sie eine Antwort. „Ich liebe dich auch."
 


 

Zwei Wochen später wurde nun endlich Levis Prozess durchgeführt. Mara saß zusammen mit Hanji und Petra, die ihr noch immer Vorhaltungen machten, weil sie in der Silvesternacht einfach verschwunden war, auf den Zuschauerbänken. Isabel und Farlan waren auch anwesend und saßen einige Reihen weiter hinten. Sie alle fieberten auf das erlösende Urteil, damit dieses Drama endlich ein Ende fand.
 

Levi saß neben seinem Anwalt, wirkte uninteressiert wie eh und je, doch konnte Mara sich verstellen, was in ihm vorging. Als hätte er ihren Blick bemerkt, sah er zu ihr hinüber. Aufmunternd lächelte sie ihn an, da lehnte sich sein Anwalt zu ihm hinüber und flüstert ihm etwas ins Ohr.

Mara sah zu Hannah, die Levi gegenüber an der Seite ihres Anwaltes saß. Sie war mal wieder aufgedonnert, als wollte sie danach auf den Babystrich gehen. Erbost schüttelte Mara den Kopf.

„Schaut euch nur dieses Flittchen an. Kann die sich nicht mal ordentlich anziehen?", knurrte sie gedämpft.
 

„Sagt die Partymaus, die sich auch nicht zu benehmen weiß", flüsterte Petra rechts von ihr. Solche verbalen Ohrfeigen musste sie seit Silvester des Öfteren einstecken. Ja, sie hatte es verdient für ihr ungezügeltes Verhalten bestraft zu werden, aber ihre Freundinnen waren echt nachtragend. Hanji kicherte, da sie sah, wie Mara genervt die Augen verdrehte.
 

„Selbst gewähltes Elend", sagte sie mit boshaften Unterton. Hanji genoss es regelrecht Mara damit aufzuziehen. Bevor diese zum Konter ansetzen konnte, zog der Richter alle Aufmerksamkeit auf sich.
 

„Im Namen des Volkes verkünde ich folgendes Urteil:
 

In der Familiensache Levi Ackerman gegen Hannah Ackerman, geborene Bartel, erkennt das Amtsgericht Trost für Recht:
 

Die am 20.04.2011 vor dem Standesbeamten in Trost geschlossene Ehe der Parteien als geschieden.

Da Herr Ackerman nachweislich nicht der Vater des Kindes ist, hat die Antragstellerin keinerlei Anspruch auf Unterhalt."

Der Richter nahm einen hölzernen Hammer zur Hand und schlug einmal auf den Pult. „Die Verhandlung ist damit beendet."
 

Alle Angehörigen des nun geschiedenen Mannes atmeten erleichtert auf. Mara konnte den Stein, der Levi vom Herzen fiel, förmlich auf den Boden aufschlagen und zerbröckeln hören. Endlich war dieses Affentheater vorbei.
 

Später traten Levi und Mara aus dem Gerichtsgebäude. Am Ende der steinernen Treppe stand Erwin und blickte zu ihnen empor. Augenblicklich erschien ein breites Grinsen in Maras Gesicht, das sich in Erwins Zügen wiederspiegelte.
 

Levi nahm sie plötzlich bei der Hand. Erstaunt sah sie zu ihrem Bruder. „Wenn er dir noch einmal das Herz bricht, dass breche ich ihm das Genick“, stellte er deutlich klar.
 

Sie lachte. „Du bist der Beste!“

Schnell hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie die Treppen hinunter hastete. Die letzten Stufen ließ sie aus, machte stattdessen einen großen Satz nach vorne. Direkt in Erwins Arme. Dieser fing sie auf und drehte sich einmal um die eigene Achse, bevor sie sich innig küssten.

Unverbesserlich

Gut gelaunt drehe Mara das Autoradio lauter. Sie klopfte mit den Fingern im Takt auf das Lenkrad und summte fröhlich mit.

Heute war ein besonderer Tag, für sie zumindest. Es der dritte Jahrestag für Erwins und ihre Beziehung. Er hatte ihr zwar ausdrücklich verboten ein Geschenk für ihn zu kaufen, aber Mara wäre nicht Mara, wenn sie gehorchen würde.
 

Ein Schmunzeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie einen Teil des Geschenkes im Rückspiegel erblickte. Sie hatte ein ganz besonderes Bild auf Leinwand drucken lassen und wollte es Erwin heute überreichen.

Letztes Weihnachten hatte Erwin eine Feier für seine Mitarbeiter organisiert. Der Fotograf, der an diesem Abend anwesend war, hatte ein wunderbares Bild von Erwin und Mara geschossen. Später hatte Mara sich mit dem Fotografen unterhalten. Er hatte ihr das Bild gezeugt und die war sofort verliebt darin gewesen.

Zu sehen waren Erwin und sie, wie sie tanzten. Ihre Hände lagen in seinem Nacken und er war leicht zu ihr gebeugt. An ihren Augen erkannte man, wie verliebt sie ineinander waren.

„Ich kotz gleich einen Regenbogen", hatte sie zu dem Fotograf gesagt. Es war einfach nur perfekt. Ihr Haar, ihr Make-up, ihr Kleid. Erwin.
 

Sie hatte alle Überredungskunst aufbringen müssen, dass er das Bild nicht Erwin zeigte. Er hatte gebockt, doch hatte sie tatsächlich einige Tage nach der Feier einen USB-Stick per Post erhalten, auf dem sie das Bild fand. Und Erwin hatte es bis heute nicht gesehen.
 

Nun hatte sie es beim Fotofachgeschäft abgeholt. Dafür musste sie sogar Erwins Volvo leihen, so groß war die Leinwand. Natürlich war Erwin skeptisch deswegen, aber sie hatte dicht gehalten. Vorfreude ließ sie breit grinsen. Jetzt hoffte sie, dass er sich genauso darüber freuen würde, wie sie.
 

Gleichzeitig fragte sie sich, was sie von ihm erhalten würde. Ob sie ein Geschenk bekam stand außer Frage. Natürlich hatte er eines für sie. Es war keine Seltenheit, dass er nach der Arbeit nach Hause kam und eine Aufmerksamkeit für sie dabei hatte. Blumen, Schmuck, Karten für irgendwelche Veranstaltungen. Ein Becher Bananeneis. Sie freute sich über jedes einzelne Geschenk, allerdings war er selbst das Größte, das sie je erhalten hatte.
 

Mara steuerte den Wagen von der Straße in die Zufahrt des kleinen Strandhauses. In letzter Zeit waren sie so oft wie möglich dort. Erwin hatte sogar einmal den Gedanken geäußert, dorthin zu ziehen. Als sie ausstieg atmete sie die frische Seeluft und schloss genießerisch die Augen. Es wäre wunderbar an diesem Ort zu wohnen.

Sie ging um den Wagen und holte die Leinwand aus dem Kofferraum. Danach kramte sie ihren Schlüssel -ihren eigenen Schlüssel - für das Haus aus der Jackentasche. Noch immer freute sie sich ungemein über diesen simplen Schlüssel, der ihr so viel bedeutete. Auch dieses Haus war ihr dermaßen ans Herz gewachsen, es war beinahe schon krankhaft. Doch verband sie so viel schönes mit diesem Haus.
 

„Nicht gucken", rief sie hinein, als sie die Tür aufstieß. Sie hörte Erwin seufzen, was ihr erneut ein Grinsen bescherte. Als sie sich in das Haus geschoben und zu ihm umgewandt hatte, sah sie, wie er mit geschlossenen Augen den Kopf schüttelte.
 

„Du bist unverbesserlich", sagte er. Jedoch war ihm anzuhören, dass er sich freute.
 

„Du auch", antwortete sie, als sie ihn an der Kochinsel stehen sah. Es war wirklich kein Geheimnis, dass Erwin absolut nicht kochen könnte und trotzdem versuchte er es immer wieder.
 

Mara positionierte sich und hielt die Leinwand empor. „Augen auf!"
 

Vorsichtig öffnete Erwin erst das eine, dann das andere Auge. Eine Weile starrte er auf das Bild, ohne etwas zu sagen. Schließlich ging er um die Kochinsel, nahm ihr die Leinwand aus den Händen und musterte das Bild eingängig. „Wo hast du das denn her?"
 

„Gefällt es dir?", wollte sie wissen, ohne auf seine Frage einzugehen.
 

„Es ist wunderbar." Er küsste sie. „Das kommt ins Schlafzimmer."

Er stellte die Leinwand beiseite, um sie zu einem anderen Zeitpunkt aufzuhängen.
 

„Und du kochst?" Mara deutete auf die Töpfe, wobei sie beinahe angeekelt den Mund verzog.

Unschuldig zuckte Erwin mit den Schultern. Er meinte es ja nur gut und wollte ihr eine Freude bereiten, obwohl seine zubereiteten Speisen keineswegs freudig stimmten.
 

„Soll ich eine Pizza bestellen?", fragte Mara lachend.
 

„Gib mir doch mal eine Chance", sagte er gespielte beleidigt. Dabei hob er den Deckel eines Topfes an und rührte in dessen Inhalt. Mara roch sofort, dass dieser angebrannt war.
 

„Du bist unverbesserlich", wiederholte sie seine Worte.
 

Ihr Handy klingelte. Sie kramte es aus ihrer Tasche und erkannte die Nummer ihres Bruders auf dem Display.

„Hallo Levi", nahm sie das Gespräch an und wandte sich dabei von Erwin ab.
 

„Ich habe gebucht." Wie immer kam er direkt auf den Punkt und hörte sich dabei sehr begeistert an.... Nämlich gar nicht.
 

„Was hast du gebucht?" Irritiert zog Mara die Mundwinkel nach unten.
 

„Unseren Urlaub, Dummkopf." Sie hatten ihre Tradition gewahrt und fuhren weiterhin einmal im Jahr gemeinsam in den Urlaub. „Am 27.Mai um 9 Uhr geht der Flieger."
 

„Mal eine angenehme Zeit, huh?" Das letzte Mal waren sie irgendwann Mitten in der Nacht geflogen.
 

„Schreib es dir auf, bevor du es vergisst", mahnte Levi.
 

„Jaja." Mara dackelte in die Küche und legte einen Zettel vor sich ab.

„Wir gehen Dienstag ins Kino. Kommst du mit?", fragte sie, während sie einen Stift suchte.
 

„Ich weiß nicht."
 

„Komm schon, das wird bestimmt ein schöner Abend." Sie öffnete eine Schublade und kramte darin herum.
 

„Unsere Auffassung, was ein schöner Abend ist, geht weit auseinander", knurrte Levi am anderen Ende der Leitung. Er war mal wieder bester Laune.

Mara seufzte. Sie zog die nächste Schublade auf, da sie in der ersten keinen Stift gefunden hatte.

„Bring doch deine Freundin mit", schlug sie vor.
 

Auch Levi hatte endlich sein Glück in einer jungen Dame gefunden. Ihre Geschichte war äußerst witzig, so fand Mara und sie freute sich für ihren Bruder. Er hatte es verdient.

„Ich weiß nicht", murrte er abermals.
 

„Hast du es dir endlich aufgeschrieben?", wechselte er das Thema.
 

„Ich finde keinen beschissenen Kuli, Herrgott nochmal", fluchte sie und riss die nächste Schublade auf. Erwin gab ein ersticktes Geräusch von sich und Mara hielt augenblicklich inne.

Langsam streckte sie die Hand nach der kleinen dunkelfarbigen Schatulle aus. Ihr Herz schlug höher, als ihre Finger sie zu fassen bekamen.

„L-Levi", stottere sie ins Telefon, „ich ruf dich gleich nochmal an." Ohne auf eine Antwort zu warten beendete sie das Gespräch.
 

Zögernd klappte sie den Deckel auf und schnappte nach Luft, als sie den Inhalt erkannte. Sprachlos wandte sie sich zu Erwin um, der verunsichert dreinschaute.

„Ist der für mich?", fragte sie.
 

„Ja", antwortete er, was ihre Kinnlade hinunter klappen ließ.
 

Erst starrte sie ihn ungläubig an, dann den feinen goldenen Ring in der Schatulle. Für einen Moment hatte sie das Gefühl keine Luft zu bekommen. Ihr Herz schlug so wild, dass sie befürchtete, es würde alles in ihrem Brustkorb zertrümmern. Ihre Knie zitterten und sie glaubte, ihre Beine könnten jeden Augenblick unter ihr wegklappen. Und endlich realisiere sie, was das zu bedeuten hatte.
 

Lächelnd sah Mara zu Erwin auf. Tränen der Freude brannten in ihren Augenwinkeln. „Ja", brachte sie schließlich hervor und legte, von ihrer eigenen Antwort überrascht, die freie Hand vor den Mund.
 

Erleichtert atmete Erwin auf. Er überbrückte die Distanz zwischen ihnen und nahm Mara die Schatulle aus der Hand. Bedächtig sank er auf die Knie und nahm ihre linke Hand in die seine. Zärtlich streifte er den Ring über ihren Ringfinger, wobei er ihr unentwegt in die Augen sah.

Noch immer fassungslos beobachtete Mara ihn dabei, musterte anschließend ihre Hand. Dann gab es kein Halten mehr. Sie warf sich um seinen Hals und riss sie damit beide zu Boden.
 


 

Später saßen sie draußen am Strand, lauschten den rauschenden Wellen und blickten in den sternenklaren Himmel. Mara lag an Erwins Brust gelehnt und gönnte sich einen Schluck Champagner. Nachdem sie sich endlich wieder eingekriegt hatte, hatten sie eine Flasche geöffnet und waren nach dem Essen nach draußen gegangen. Nun kuschelten sie und erfreuten sich einfach nur an der Nähe des jeweils anderen.
 

Zärtlich strich Erwin ihre Haare beiseite und hauchte ihr einen Kuss in den Nacken. Ihre Haut kribbelte wohlig, wo seine Lippen sie berührten.

Schmunzelnd hob sie ihre Linke in ihr Blickfeld und betrachtete zum wiederholten Male den feinen Ring an ihrem Finger. Noch immer schlug ihr Herz Purzelbäume. Da kam ihr ein Gedanke. Sie richtete sich auf und wandte sich um, so dass sie vor Erwin kniete.
 

„Ich bin froh, dass ich damals in dich hinein gerannt bin", sagte sie und ein Lächeln bildete sich auf seinen Zügen.
 

„Das bin ich auch", schmunzelte Erwin. Er beugte sich zu ihr und küsste sie hingebungsvoll.
 

✿ єη∂є ✿
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wenn die Flut sie nicht weggespült hat, dann knutschen sie noch heute...

Ja ihr Lieben, das war's. Bananeneis ist hiermit beendet!
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Lesern bedanken, die bei all dem Feenstaub und Einhornfürzen nicht völlig durchgedreht sind. Besonders bei denjenigen, die von Anfang an dabei waren. Ihr habt immer so schöne Reviews hinterlassen und mich mit euren lieben Worten motiviert, noch mehr Kitsch zu schreiben.

Dann möchte ich euch noch einen kleinen Lesetipp geben:
Die gute Vii schreibt gerade an Himbeerpudding, was sich mit Levis Geschichte nach seinem Erwachen aus dem Koma befasst. Schaut dort unbedingt mal rein.
http://www.fanfiktion.de/s/56e5d41c0002a4662e87c6c0/1/Himbeerpudding

Die Fortsetzung zu Baneneis findet ihr unter meinen Geschichten oder unter folgendem Link:
http://www.fanfiktion.de/s/570fdd4e000390d02f191fe4/1/-TO-T-
(Wird bei Interesse auch hier auf Animexx hochgeladen)

Ich hoffe, einige von euch bei anderen Geschichten wieder zu treffen!

Liebe Grüße und alles Gute,
Raija <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (24)
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Von:  opa_regenhosenteddy
2016-05-08T20:03:45+00:00 08.05.2016 22:03
Ohhhh, das verdeinte happy End!!!
Schön. Man gönnt es den beiden sehr!
....Schade nur, dass es auch das Ende von der Geschichte ist. D:
Danke für das schöne, abschließende Bild der zwei... Das ist was für schlechte Tage. ;)
Antwort von:  Raija
11.05.2016 10:09
Dankeschön! Schön, wenn dir das Ende gefällt :)
Auch ein Danke an dich, dass du immer so fleißig reingeschaut und kommentiert hast. Habe ich immer darüber gefreut!

Vielleicht, wenn du magst, kannst du auch in die Fortsetzung reinschaun. Die lade ich allerdings nur auf FF.de hoch, weil es hier zu wenige Leser gibt. Da ist mir die Arbeit zu schade für... Naja, ich würde mich freuen.
Antwort von:  opa_regenhosenteddy
11.05.2016 12:09
Oh gerne!!!
Klar, sehr, sehr gerne. Darüber würde ich mich sehr freuen. :3
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-04-30T08:16:26+00:00 30.04.2016 10:16
♡_♡
Süß!
Na ednlich scheint alles gut zu gehen!
...Aber wenn Levi nicht der Vater ist, wer ist es dann? Doch etwas Erwin? O.O
Antwort von:  Raija
30.04.2016 11:38
Hey! Freut mich, wenn es dir gefällt. Es war jetzt auch genug Drama, oder?

Tja sagen wir es mal so: Die gute Hannah war nicht nur in ein Bett gehüpft ;) Erwin fällt wegen seiner Zeugungsunfähigkeit definitiv aus.
Antwort von:  opa_regenhosenteddy
30.04.2016 20:04
Gern. :)

Hmmm, okay. Gibt ja immer so Fälle, wo es dann doch funktioniert. >.>
Antwort von:  Raija
30.04.2016 20:36
Jetzt setz mir keinen Floh ins Ohr xD

Also in diesem Fall hat es nicht funktioniert.
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-04-23T16:54:23+00:00 23.04.2016 18:54
O______________O
Oh mein Gott! >.< Aber Höhlenmensch ist auch gut. *g*
DAS hätte er ihr schon sehr viel früher sagen können/sollen!
...Hoffentlich nicht nur eine Ausrede. >.>
Ob Mara irgendwann wohl Kinderwünsche hegt?
Freu mich auf die Fortsetzung. :)
Antwort von:  Raija
25.04.2016 14:49
Danke abermals, dass du reingeschaut hast.
Im nächsten Kapitel habe die Zwei wohl was zu klären, hm?
Antwort von:  opa_regenhosenteddy
25.04.2016 23:03
Ja, auf jeden Fall! >.<
Auch, woher er das Höhlenmenschgen hat. ;D
Antwort von:  Raija
25.04.2016 23:14
Haha xD das wäre auf jeden Fall interessant
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-04-21T09:59:52+00:00 21.04.2016 11:59
"Ich Tarzan, du Jane." :D
Bisschen grob, der gute Erwin.
Mal gucken ob die Pillen das kommende für Mara erträglicher oder schlimmer machen.
Bin sehr gespannt. °.°
Antwort von:  Raija
22.04.2016 20:27
Haha, fehlt nur noch, dass Erwin sich mit den Fäusten auf die Brust trommelt xD

Danke für deine Review!
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-04-09T21:50:20+00:00 09.04.2016 23:50
D:
War auch zu schön um wahr zu sein....
Aber so verdammt traurig. :<
Bin gespannt auf das nächste Kapitel!
Von:  PikaJu19
2016-04-05T19:12:58+00:00 05.04.2016 21:12
Ohhh no! Du kannst doch nicht dann, wenn es am spannendsten ist das Kapitel beenden😭. Ich bin schon so gespannt, wie es weiter geht. Diese FF ist unglaublich gut *-*
Antwort von:  Raija
06.04.2016 20:10
Hallo Pika,
vielen Dank für dein Feedback! Freut mich sehr :)
Tja, dir bleibt wohl nichts anderes übrig, als am Wochenende wieder reinzuschauen, wenn du wissen willst, wie es weiter geht ;) Würde mich freuen, wieder von dir zu lesen.
Viele Grüße,
Raija
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-04-02T22:22:13+00:00 03.04.2016 00:22
NoinnnnN!!!!!D:
Ich hab es geahnt... So ein Blödmann! >.<
Geh einfach Mara! >.< Bekomm gaaaanz schnell deinen Hintern von ihm Weg und den Kopf auf Durchzug!
Antwort von:  Raija
04.04.2016 11:25
Erwin, ist ein fieser Sack, was?
Danke, dass du wieder reingeschaut hast :)
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-03-18T23:00:51+00:00 19.03.2016 00:00
Nach so viel Ernst un Romantik in den anderen Kapiteln tut ein solches komidiantisches Kapitel nicht nur dem Leser sondern auch den Charakteren gut. :D

Das mit dem Fußball regte enorm das Kopfkino an. Freu mich wenn es bald weiter geht. :)

Antwort von:  Raija
20.03.2016 15:52
Danke für deine Review!
Es tut mir gut zu lesen, dass dir das Kapitel so gefallen hat ;)
Antwort von:  opa_regenhosenteddy
20.03.2016 16:58
Gerne. :)
Von:  Darktoxic
2016-03-05T12:11:18+00:00 05.03.2016 13:11
So eine tolle FF <3 Ich hoffe, es kommt noch schnell eine Fortsetzung :D Gerade jetzt wo es spannend wird, hört es auf :(

Ohhhh gott ich will Erwin haben *.* ich würde Sterben wenn es ihn mit diesem Charakter wirklich geben würde :D In meinen Augen ist Erwin auch perfekt <3
Antwort von:  Raija
05.03.2016 17:23
Hallo!
Vielen Dank für dein Feedback!
Klar gibt es eine Fortsetzung, nächstes Wochenende lade ich das nächste Kapitel hoch. Würde mich freuen, dann wieder von dir zu lesen :)
LG Raija
Von:  opa_regenhosenteddy
2016-03-04T11:23:20+00:00 04.03.2016 12:23
Mara, du glückliche. :D
So ein Erwin mag ich auch haben. Wobei er ein kleiner Kontrollfreak zu sein scheint. >.>
Nichts desto trotz eine tolle FF!
Freue mich bald mehr lesen zu können. -Und hoffentlich wacht Levi bald auf...Mit vollem Gedächtnis, nicht dass er zu Hannah wider zurück will oder so. :-/
Antwort von:  Raija
04.03.2016 12:48
Hey!
Vielen Dank für deine Review! Es freut mich zu hören, dass dir die Geschichte gefällt :)
Wenn du wissen möchtest, was aus Levi wird, dann schau doch nächste Woche wieder rein. Wäre schön, dann wieder von dir zu lesen.
LG Raija


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