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Ein Konflikt

von

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Blüte

Ein Konflikt
 

Eins: Blüte
 

"Es ist immer so schwierig die richtigen Worte zu finden, weißt du?", sie zappelte vom einen Bein zum anderen, darauf bedacht ihr dünnes Nachthemd über die nackten Oberschenkel zu ziehen, "Ich kann kaum schlafen."

Ihr Blick fiel auf das Bett, dann zum kalten Fußboden, hinüber zur Tür und zurück aufs Bett, "Musst du wirklich schon so früh wieder fahren?"
 

Ein schläfriges, aber verständnisvolles Grummeln drang aus den Tiefen der Laken hervor und erfüllte den dunklen Raum mit einer angenehmen Wärme - Er war noch da.

Der flüchtige Blick hinüber zur Uhr ließ ihn aufatmen. Es war fast so als wären sie beide glückliche Gefangene in einer von anderen Menschen ungenutzten Stunde. Viel zu spät um es noch dem vorangegangenem Tag zuschreiben zu können, aber gleichzeitig auch viel zu früh, um sich schon Sorgen über das 'Morgen' machen zu müssen.
 

"Komm wieder ins Bett!", die Hände zu einer einladenen Geste ausgebreitet, versuchte er ihre Umrisse im kahlen Mondlicht auszumachen, "Das bringt doch nichts."
 

"Du - du hast ja Recht."
 

"Na also, dann hüpf mal schnell wieder zu mir und sei wieder artig."
 

Sie lächelte, "Willst du mir etwa sagen, dass ich mich nicht benehmen kann?"
 

"Wenn du da weiter so rumhoppelst und nicht auf der Stelle deinen süßen Hintern neben mir platzierst, dann müssen wir wohl den Weihnachtsmann eine Rute für dich reservieren lassen."
 

"Du willst ja nur ablenken, du Schuft.", mit leicht gespielter Empörung verschrenkte sie die Arme vor der Brust, trotzdem darauf bedacht langsam näher zu kommen, "Ich.."
 

"Ja?"
 

"Ich meine, es wäre Vieles so viel einfacher, wenn wir zumindest in der selben Stadt wohnen würden."
 

Als ihre Knie gegen die Bettkante schlugen, ertastete er vorsichtig ihren rechten Arm und zog sie im stillen Einverständnis zu sich herunter. Einige Minuten verstrichen.
 

"Da hast du sicher Recht, aber in meiner Stadt schlafen anständige Mädchen nicht in solchem Plunder.", mit einem Ruck lag sie wenig elegant, aber dennoch bequem auf seinem Bauch und musste sich ein krampfhaftes Lachen verkneifen. Es misslang.
 

"Ich glaube auch, dass ich mich erinnern kann, dir diesen Plunder schon mal ausgezogen zu haben. Und das ist auch gar nicht mal so lange her."
 

"Hey! Wir sind halt nicht alle Exhibitionisten wie du es einer bist."
 

Während sie sich wie eine Babyraupe auf ihm hin und her bewegte, richtete er das verrutschte Kissen unter seinem Kopf, "Tja, Männer brauchen nun mal Freiheiten es auch mal hängen zu lassen."
 

"Deine romantische Ader zeigt sich. Pass bloß auf, dass Mutti dich nicht erwischt, wie du zahlreiche Mädels allein mit Worten betören kannst."
 

"Hey! Das geht aber unter die Gürtellinie."
 

"Und wer hat damit angefangen?", im Reitersitz auf ihm platziert ließ sie ihre Finger spielend über seinen Oberkörper wandern, "Ich war es nicht, die Freiheiten für männliche Sackratten angesprochen hat."
 

Seine Augenbraue wanderte in den Haaransatz, jedoch verriet ein schelmisches Grinsen gepaart mit ebenfalls sehr wanderlustigen Fingern seine wahre Absicht, "Ich glaube mit der Reservierung ist es nun schon getan. Was einmal da ist, können wir schließlich nicht zurück zum Nordpol schicken. Das wäre ja glatte Verschwendung."
 

Im gleichen Atemzug entfernte er die lästigen Nachthemdträger und strich ihr zwei mal übers Haar ehe er ihren Kopf zu sich runterzog. Obwohl es wirklich dunkel war im kleinen Raum, so konnten sie beide schwören ein Leuchten in den Augen des jeweils Anderen zu sehen. Die Sekundenzeiger tanzten und am nächsten Morgen war es so weit.
 

Er war wieder weg.

Blut

Zwei: Blut
 

"Ich weiß doch auch nicht, wie es passieren konnte."
 

Ein Telefonat.
 

"Glaubst du, ich habe das mit Absicht so gemacht? Wirklich?"
 

Der Raum war beleuchtet: eine zusammengefallene Ikealampe mit zwei herausgedrehten Glühbirnen.
 

"Nein, natürlich nicht."
 

Das Bett war nicht gemacht und zwei Tüten voller Pfandflaschen standen am Türrahmen. Hauptsächlich Cola und Ginger Ale.
 

"Ich weiß ja, dass es auch deine Entscheidung ist und die will ich dir auch nicht nehmen. Aber..."
 

Die Wäsche stapelte sich auf dem Korb und verschmolz mit dem Teppich, der vorm kleinen Sofa ausgebreitet lag.
 

"Ich bin da einfach nicht bereit zu. Dieser Schritt ist einer, den ich einfach noch nicht machen kann. Ich - ich war mir immer sehr sicher, wie ich mein Leben gestalten möchte. Und das ist einfach nicht das, was es gerade ist, verstehst du?"
 

Nervös kreiste sie durch den Raum, die eine Hand am Telefon, die Andere strafend und verzweifelt auf der Stirn. Manchmal wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und hoffte wieder Klarheit zu finden. Es misslang.
 

"Ich bin noch mitten im Studium, das passt einfach nicht und deine Mutter... Sie... sie hasst mich. Ich kann das so nicht. Bitte, bitte verstehe das."
 

Ihre Stimme klang hohl, fast schon tot, obwohl sie später sagen würde, dass es nicht so war. In einer kapitulierenden Geste ging sie in die Hocke und kauerte am Boden.
 

"Es ist keinesfalls leicht oder eine leichtfertige Entscheidung. Aber es ist am Ende mein Körper und mein Leben. Ich habe natürlich schon gehofft irgendwie diesen Weg mit dir gehen zu können, aber so macht es das alles nur noch schwieriger. Ich wollte es doch nicht noch mehr kaputt machen."
 

Im Hintergrund parkte der Nachbar seinen alten Toyata. Die Kühlung funktionierte anscheinend immer noch nicht richtig und die alte Hanneliese suchte wieder einmal verzweifelt ihren ''Rufus''. Es war alles so normal. Wie immer.
 

"Nein, bitte. Ich habe dich wirklich sehr lieb. Mir fehlen nur die Worte. Ich weiß nicht. Ich fühle mich einfach nicht gut. Mir ist schlecht und ich weiß wirklich nicht, ob es das Beste für mich ist. Es ist eben einfach, dass ich nicht wirklich denken kann im Moment. Es wäre so viel einfacher, wenn du jetzt hier wärst. Aber das geht nicht und ich weiß das. Und ich weiß auch, dass es uns Beide betrifft, aber bitte verurteile mich nicht. Egal wie ich mich entscheide."
 

Sie umschlang mit aller Kraft ihren Bauch, wippte auf den Schuhsohlen hin und her, während ihre Nase zusammen mit den Augen weinte. Bitterlich.
 

"Ja, eigentlich hast du Recht. Ich habe mich schon entschieden. Es macht mich nur sehr, sehr traurig."
 

Auf dem kleinen Tisch neben dem Bett lagen drei aufgebrochene Packungen. Alle in einem kitschigen bis ekelerregenden Rosaton, trotz unterschiedlicher Hersteller. Dazu die Beschreibungen, die ebenfalls verblüffend gleich waren, in ihrer Einfachheit und der Ergebnispräsentation. Ein Strich - negativ, zwei - positiv und ungültig, wenn kein Strich vorhanden war.

Sie zählte insgesamt sechs Striche und wünschte sich doch es wäre anders. Alles, schlichtweg alles sollte doch ganz anders sein.

Bedauern

Drei: Bedauern
 

Sie fühlte noch die Nachwirkungen der Narkose. Ihr kahles Bett war weich, aber ungemütlich. Das EKG-Gerät stand neben ihr und sie wusste, dass es nun alles vorbei war. Jedoch fühlte sie keine Erleichterung, wie anfangs versprochen. Auch keine Trauer, wie ursprünglich angenommen. Es war einfach nichts. Und doch alles.

Die Krankenschwester richtete einige Worte an sie, man bot ihr Kaffee, Tee und Wasser an. Sie wusste im Nachhinein nicht, was sie ausgewählt hatte, doch es war im Grunde auch nicht wichtig.
 

Sie fand ihren Slip neben dem Kopfkissen und versuchte kurz sich aufzurichten. Die ersten Schritte waren mehr ein Flug oder betrunkenes Taumeln als alles Andere. Der Zweiback, der neben der Tasse lag, war das vielleicht Beste aber auch Schlechteste, was sie je gegessen hat. Im Nachbarbett machte sich grade eine Vierzigjährige Frau auf ihren Eingriff bereit und wurde in den OP-Raum begleitet.
 

Man erzählte ihr, dass sie ihre Blase testen sollte und ein paar Tropfen aus sich heraus pressen musste, ehe sie wieder nach Hause könne. Zumindest stimmte aber ihr Blutdruck. Und dann, mit einem Mal, war alles vorbei.
 

Sie trug ihre normale Kleidung, sammelte ihre Taschen ein und füllte einen Fragenbogen im Wartezimmer aus. Wie zufrieden war sie mit dem gesamten Team? - Sehr. Mit der Beratung - Sehr.

Mit sich selbst? - ...
 

Eine Krankenschwester brachte sie zum Arzt für das Abschlussgespräch und dann sah sie ihn. Seine vertrauten Augen. Seine häßliche Winterjacke, die er trotz frühlingshaften Temperaturen immer noch trug. Und seine einladenen Arme, die ausgebreitet zu einer Umarmung einluden.
 

"Ihre Begleitperson oder eine Weitere muss die nächsten 24 Stunden bei Ihnen bleiben.", wiederholte die Dame an der Rezeption noch einmal beim Verlassen des Gebäudes, ehe es dann wirklich vorbei war und die klare Luft von draußen in ihr Gesicht schlug.
 

"Wie fühlst du dich?", fragte er vorsichtshalber.
 

"Ich weiß es nicht.", ihre Antwort war ehrlich, ebenso wie seine Tränen.
 

"Wie kann ich dir helfen? Was kann ich tun, damit es besser wird?"
 

"Nichts. Wobei ich schon gerne nach Hause möchte und ein bisschen schlafen will."
 

"Wir hätten das schon irgendwie hinbekommen, wenn du es wirklich gewollt hättest. Ich bin dir nicht böse, im Gegenteil, ich verstehe dich gut."
 

Vorsichtig ging sie Richtung Parkplatz und sah sich suchend nach seinem Auto um, "Bitte lass uns da ein anderes Mal drüber reden. Nicht jetzt. Nicht so."
 

Er fingerte nach seinem Schlüssel in der Hosentasche: "Ich weiß nur nicht, wie ich es besser sagen kann und du hast Recht gehabt, manchmal findet man wirklich nie die richtigen Worte."
 

-
 

Sie schlief bereits im Auto und am nächsten Tag war er immer noch da.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der ''eigentliche'' Konflikt folgt im nächsten Kapitel, wird aber nicht namentlich benannt. Einige kleine Andeutungen im Gespräch zeigen unterschwellige Punkte des Konfliktes, bzw. der Entscheidung. Ich benenne sie wenn, dann nur kurz. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Der ''eigentliche'' Konflikt: Nur ein kleiner Teil, ein Auszug. In der Realität gehört noch sehr viel mehr dazu, Aufarbeitung, Selbstfindung, Beratung, Unterstützung. Das Kapitel zeigt nur einen ganz kleinen Teil und soll das Thema erahnen lassen, ohne zu verurteilen. Die wörtliche Rede ist übrigens nur ''Sie''. Was "Er" sagt, bleibt jedem offen.

EDIT: Ich Schussel hatte den letzten (und wichtigsten) Sbsatz beim Kopieren vergessen. Kapitel hatte ich, aus Angst noch mal komplett mit hochgeladen! So ist es jetzt aber richtig! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
''Bedauern'' soll hier keineswegs negativ gemeint sein. Es ist ein Teil, der dazu gehört und sich mit anderen Dingen ergänzt. Komplett anzeigen

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