Zum Inhalt der Seite

Allein, zu zweit, zu dritt

Johnlock
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi,
ja … ich hab doch noch etwas getippt zu Sherlock … hm, ich scheine wohl doch nicht wieder von dem Fandom los zu kommen *sfz*
Nun, wie dem auch sei … dieses Mal eine längere FF von mir zu Sherlock.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich Mary in der Serie echt mochte, aber wenn man Johnlock schreiben/lesen will … dann passt sie leider nicht hinein …
Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen wird und würde mich über Reviews freuen.
So, jetzt warte ich etwas nervös darauf, wie euch diese Story wohl gefallen wird …
Ich hoffe, ich hab die Charas nicht zu OOC gestaltet und ihr habt euren Spaß daran!
Bis dahin …
Mary Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
würde mich über eure Meinungen freuen :)
Ansonsten viel Spaß beim Lesen.
Die Story ist auf dem PC abgeschlossen und Updates erfolgen in regelmäßigen Abständen ;)
LG Mary Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben,
ich melde mich kurz aus dem Urlaub und lade euch das nä. Kapitel hoch. Danke für eure Reviews :)
LG Mary Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben,
vielen Dank für eure Reviews. Ich freu mich sehr, dass ihr so mitfiebert und es euch gefällt. Nä. Woche bin ich wieder zu Hause und antworte euch such wieder persönlich ;)
LG Mary Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
uhu ihr Lieben,
Tja, es ist zwar erst Mitte September, aber bei Sherlock ist jetzt Weihnachten. Ich hoffe, dass ihr tortz der noch recht warmen Temperaturen euren Spaß an den Kapiteln haben werdet ;)
Es wird (hoffentlich!) lustig werden …
LG Mary Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Endlich zurück

Titel: Allein, zu zweit, zu dritt …

Autor: Mary Reilly

Fandom: Sherlock

Genre: Slash, Romantik, Fluff (manchmal! Nicht immer! Zu schnulzig mag ich nicht!!), Humor, H/C, Dirty-Talk (ab und an)

Pairing: Sherlock x John (Johnlock)

Spoiler: Spielt während der dritten Staffel.

Disclaimer: Die Figuren gehören natürlich nicht mir, aber ich danke Sir Arthur Conan Doyle, dass er Sherlock und Watson ins Leben gerufen hat und BBC (Moffat/Gatiss) für die Umsetzung der modernen Version!
 

Inhalt:

John kehrt nach der Trennung von Mary zurück in die Baker Street. Er muss sich erst seinen Gefühlen für Sherlock stellen und dann einer ganz anderen Verantwortung …. (Johnlock)
 


 

Kapitel 1
 

Es war kühl draußen und nieselte leicht, als Sherlock gerade aus dem Labor zurückkam. Er hatte Molly ein paar Augäpfel abspenstig machen können, die er gleich in seinem Kühlschrank verstauen wollte. Es war durchaus von Vorteil, dass sie romantische Gefühle für ihn hegte. John würde es vermutlich als unfair und schamlos bezeichnen, dass er diese Situation ausnutzte, aber das interessierte ihn momentan wenig.
 

Allerdings, was ihn dafür umso brennender interessierte war, wie es John wohl ging. Immerhin hatte er erfahren, dass Mary auf ihn geschossen hatte und dass seine Frau nicht die Person war, in die John sich offensichtlich verliebt hatte. Ob er damit klar kommen würde? Seit diesem Vorfall waren jetzt 2 Monate vergangen. Sherlock war soweit wieder fit und Weihnachten stand vor der Tür.
 

Mehr als einmal hatte er überlegt, John eine SMS zu schicken, doch er wollte ihm Zeit geben. Der Ältere musste selbst entscheiden, ob er seiner Frau verzeihen konnte oder nicht. Ob er wissen wollte, wer sie wirklich oder eben nicht.
 

Mit schnellen Schritten lief er zu seiner Wohnung hoch, schloss auf und warf die Tür ins Schloss. Auf Mrs. Hudson hatte er keine Lust und hoffte, dass sie nicht gleich in der Tür stand. Zielstrebig ging er zum Kühlschrank, öffnete diesen und warf den Beutel mit Augäpfeln hinein. Störte schließlich keinen, denn John wohnte hier ja nicht mehr.
 

Es war bitter für Sherlock gewesen nach seiner Rückkehr, als er festgestellt hatte, dass John gerade dabei war sich zu verloben. Bitterer, als es hätte sein sollen. Wieder hatte er feststellen müssen, dass er wohl doch, was seinen Körper anging, ein normales, menschliches Wesen war, das Gefühle besaß. Dennoch, er hatte sich zusammengerissen, sich für John gefreut, denn John schien glücklich zu sein und darüber freute auch er sich. Was hatte er auch erwartet? Dass John auf ihn wartete? 2 Jahre lang? Wo dieser dachte, er wäre tot … ja, irgendwie hatte er es gehofft, aber seine Hoffnung war nicht erfüllt worden. Sherlock musste zugeben, dass er in seiner manchmal doch kindlichen Naivität gedacht hatte, John hätte vielleicht die ein oder andere Affäre gehabt, aber nicht jemanden gefunden, der sein Leben bereicherte.
 

Der Detektiv hatte seine Gefühle tief in sich begraben, bestimmt, dass es ohnehin so besser wäre und begonnen sich für John zu freuen. Er hatte ihm einen Walzer zur Hochzeit geschrieben und sich mehr als geehrt gefühlt, als John ihm angeboten hatte Trauzeuge zu werden. Sogar eine Rede hatte er verfasst und die war, für seine Verhältnisse, wirklich nicht schlecht gewesen, sah man mal davon ab, dass er in selbigem Rahmen auch noch gerade einen Fall gelöst hatte.
 

Trotz allem, war er nicht bis zum Ende geblieben. Obwohl er glaubte sich ganz gut im Griff zu haben, war er gegangen, denn der Anblick von John und Mary hatte ihn geschmerzt. Mittlerweile erkannte er auch, dass Mycroft Recht hatte, Gefühle brachten nur Nachteile. Liebe tat weh! Zumindest, wenn man dabei zusehen musste, wie der Mensch dem man diese Gefühle entgegenbrachte, diese nicht erwiderte.
 

Er hatte diese Gefühle wieder niedergekämpft und eingesperrt, doch dann … hatte Mary gezeigt, wer sie wirklich war. John war aus allen Wolken gefallen und auch Sherlock war überrascht und schockiert gewesen. Dass etwas nicht ganz koscher war, hatte er immer bemerkt, aber er hatte es nirgends festmachen können. Umso erstaunter war er gewesen, als er plötzlich ihr gegenüber gestanden hatte, in Magnussens Büro. Er selbst hatte es nicht fassen können, hatte geglaubt, er hätte ein ganz gutes Verhältnis zu ihr und sie würde nicht schießen, doch … auch wenn sie ihn nicht hatte töten wollen, sie hatte geschossen. Hatte in Kauf genommen, dass der Rettungswagen nicht rechtzeitig kam und er vielleicht doch starb. Zum Glück war das nicht eingetroffen und es war wirklich knapp gewesen, nur der Gedanke an John hatte ihn letztendlich kämpfen lassen!
 

Das Vibrieren seines Handys holte ihn aus seinen Gedanken und er stellte fest, dass er immer noch vor dem geöffneten Kühlschrank stand. Seufzend schlug er ihn zu und befreite sich von seinem Mantel und seinem Schal, danach griff er in seine Hosentasche und beförderte sein Mobiltelefon ans Tageslicht. Eine Nachricht von John. Seit 2 Monaten, das erste Lebenszeichen seines Freundes. Er schluckte hart und war sich nicht sicher, ob er diese überhaupt öffnen sollte. Doch seine Neugierde siegte über seine Angst.
 

-Können wir reden? JW-
 

Sherlock strich sich etwas nervös durch sein Haar, ging zum Fenster und warf einen Blick hinaus.
 

-Es ist wichtig, bitte. JW-
 

Eine zweite SMS. Offenbar war John gerade sehr ungeduldig.
 

-Du weißt, wo du mich findest. SH-
 

Tippte er zurück und legte sein Handy neben seinem Sessel auf den Tisch. Johns Sessel stand wieder an seinem üblichen Platz. Er hatte ihn schon vor Monaten zurückgestellt, noch an dem Tag, als er aus dem Krankenhaus geflohen war und Mary hatte zur Rede stellen wollen.
 

Es dauerte keine halbe Stunde, bis er Schritte auf der Treppe vernahm und Sherlock versuchte ruhig zu bleiben. Er war schon etwas nervös, wenn er ehrlich war. Er hatte John seit zwei Monaten weder gesprochen, noch ihn gesehen. Als besagter dann endlich das Wohnzimmer betrat, weiteten sich Sherlocks Augen. John sah nicht gut aus. Augenringe, zeugten von einigen schlaflosen Nächten und er hatte sicherlich ein paar Pfund abgenommen, denn sein Gesicht wirkte schmaler, blass und ausgelaugt. Dennoch gefasst und so, als ober eine Entscheidung getroffen hätte.
 

„Hey ...“, meinte der Ältere heiser und stand etwas verloren im Türrahmen.

„Hey“, antwortete Sherlock ebenso einsilbig und nickte auf den Sessel, der seinem gegenüberstand. Doch John verharrte noch einen Augenblick. Unschlüssig, ob er sich setzten sollte oder durfte. „Ich habe den nicht unter größten, körperlichen Anstrengungen da wieder hingestellt, damit du ihn nur anstarrst. Setz dich“, kam Sherlock ihm zur Hilfe und der Arzt seufzte tief.
 

„Sherlock ...“, begann er dann und nahm auf dem Sessel Platz. Er zog seine Handschuhe aus und begann diese dann anzustarren.

„Schon gut, John, du musst dich nicht entschuldigen.“

„Woher ...“

„Ich kenne dich. Du musst dich nicht entschuldigen, weil du dich so lange nicht gemeldet hast, weil du sicher einiges ins Reine bringen musstest. Oder weil deine Frau auf mich geschossen hat.“

„Und wenn ich es möchte?“, hakte er leise nach. „Einfach, weil ich von dir hören will, dass du mir verzeihst.“

„Aber es gibt nichts, das ich dir verzeihen müsste“, stellte Sherlock direkt klar.

„Doch, Sherlock! Doch … ich … nach allem was geschehen ist, habe ich mich 2 Monate nicht gemeldet und … du hättest es verdient.“ John fühlte sich nicht wohl in seiner Haut und rieb sich fahrig die Augen.
 

Schweigen trat ein und Sherlock atmete tief durch.

„Du hast dich selbst in den letzten Wochen genug bestraft, das kann ich dir ansehen, John. Warum sollte ich daran interessiert sein, dass du hier zu Kreuze kriechst. Sag mir lieber, wie es weiter gehen soll. Zwischen dir und Mary und … zwischen uns“, bat Sherlock ruhig, auch wenn er es nicht war. John nickte nur atmete tief durch.
 

„Ich hab es versucht. Ich hab‘s wirklich versucht, ihr das ganze zu verzeihen, weiter zu machen … immerhin scheinst du ihr nicht mal böse zu sein.“ John begann damit, sich seiner Jacke zu entledigen und lehnte sich dann im Sessel zurück.

„Stimmt, ich bin ihr nicht böse. Sie hatte ihre Gründe!“

„Kein Grund der Welt rechtfertigt, dass sie einfach auf dich schießt!“, bestimmte John ernst und wirkte wütend über diese Aussage. Sherlock verzog fragend das Gesicht und verstand nicht, wieso John jetzt so wütend wurde. „Wie kannst du so was sagen? Du hättest sterben können, egal ob sie den Notruf abgesetzt hat oder nicht! Und diese Aktion, einfach aus dem Krankenhaus abzuhauen ...“ John warf aufgebracht seine Hände in die Luft und stand auf. Er lief ein paar Schritte in den Raum hinein und versuchte seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Es ging ja nicht schief.“

„Glücklicherweise nicht! Ich hätte es auf keinen Fall durchgestanden, dich wieder zu verlieren. Verstehst du das nicht? Ich habe während der Zeit, in der du weg warst, gelitten. So sehr, dass ich manchmal das Gefühl hatte, es selbst nicht mehr zu ertragen und sie wusste das!! Nicht nur, was sie dir damit antat … auch, was sie mir damit antat!! Trotzdem hat sie geschossen, um sich zu schützen! Nicht mal du hättest so etwas Egoistisches getan und du tust vieles, wenn es der Sache dient!“ John atmete tief durch, lief ein paar Schritte durchs Zimmer und strich sich kurz mit einer Hand durchs Gesicht. „Ich konnte damit nicht umgehen. Ich hab es versucht, ich konnte nicht. Sie muss es bemerkt haben“, seufzte John leise.

„Vermutlich, sie ist nicht dumm.“

„Nein, das ist sie nicht. Sie ist weg, Sherlock. Als ich heute Morgen aufstand, war sie weg. Einige ihrer Kleidungsstücke sind verschwunden. Sie hat mir diese Entscheidung abgenommen. In der Küche lag ein Zettel, auf dem sie sich kurz und schmerzlos verabschiedet hat.“
 

Stille trat ein. Sherlock beobachtete seinen Freund nur stumm, überlegte was zu sagen jetzt wohl am angebrachtesten war.

„Und weißt du was, ich bin …“ John brach ab, denn er fand, dass er eigentlich nicht so empfinden sollte, es aber trotzdem tat.

„Erleichtert?“ Half Sherlock aus.

„Ja, schon.“

„Was ist mit dem Kind?“, wollte der Jüngere leise wissen.

„Ich weiß es nicht ...“

„Ich könnte sie aufspüren und ...“ „Nein! Auf keinen Fall. Ich möchte das nicht.“ „Aber ...“ „Nein, Sherlock! Sie ist gegangen und ich bin froh darüber. Ich weiß, ich sollte nicht so erleichtert sein, aber ich bin es. Ich hab sie nicht mehr ertragen“, seufzte John leise. „Sie war … so perfekt für mich und trotzdem … nein, ich möchte es nicht. Ich war so enttäuscht von ihr in den letzten Wochen, dass ich es nicht geschafft habe ihr zu verzeihen. Ich kann es nicht. Nicht nachdem was sie uns angetan hat. Wie schon gesagt, sie hat nicht nur auf dich geschossen … sie hat mich damit auch verletzt.“

„Mehr als mich vermutlich“, murmelte Sherlock, so leise, dass sein Freund es nicht hören konnte. „Was ist mit dem Kind?“, hakte er stattdessen noch einmal nach, denn er kannte John und wusste, dass es diesem wichtig war.

„Ich werde sie wohl nie kennen lernen.“

„Sie?“

„Ein Mädchen … es sollte ein Mädchen werden.“ John schluckte seine aufkommenden Tränen hinunter und Sherlock zögerte einen Moment, stand dann aber doch auf und näherte sich John. Er zog den Älteren in eine Umarmung und hielt ihn einfach nur fest. Dieser schien überrascht zu sein, ließ es dann aber zu. Normalerweise beschränkte sich Sherlock eher auf einen Händedruck, statt solcher körperlicher Nähe, aber John brauchte das jetzt. Er brauchte die Nähe zu seinem Freund und sie tat ihm gut. Sie ließ ihn etwas ruhiger werden. Er schloss die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die Schulter des Jüngeren.
 

„Warum tust du das hier …?“, wollte er leise wissen. „Gerade du … wo du doch ...“ „Es erschien in Anbetracht der Lage als logisch. Du fühlst dich nicht gut und ich weiß, dass dir solche Gesten viel bedeuten, also dachte ich … es ist angebracht. Nach allem was hinter uns liegt ...“

„Danke Sherlock“, flüsterte John leise.
 

Sie standen eine ganze Weile einfach nur so da, bis John sich löste. Er war sich sicher, Sherlock wäre noch ewig so stehen geblieben und für diesen Gefallen war John ihm dankbar.
 

„Deine Sachen stehen unten, nehme ich an“, kam es dann von Sherlock.

„Ähm … also … ja … woher …?“

„Du würdest es keine Sekunde länger in der Wohnung aushalten, die du dir mit ihr geteilt hast. Dein Zimmer ist noch nicht vergeben, also schlage ich vor, du holst sie hoch“, bestimmte Sherlock und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen.

„Okay. Danke.“

„Deinen Dank könntest du damit zum Ausdruck bringen, dass du dann gleich danach einkaufen gehst? Der Kühlschrank ist leer. Nun ja, nicht ganz ...“
 

John seufzte ergeben. „Welche Körperteile sind es dieses Mal?“, hakte er nach, um sich schon mal vorzubereiten, was ihn gleich erwartete, wenn er die Tür öffnete.

„Augäpfel … ich weiß noch nicht wofür ich sie brauche, aber es ist immer gut welche im Haus zu haben!“, bestimmte Sherlock und nahm erfreut wahr, dass Johns Mundwinkel zuckten.
 

Es schien alles wieder beim alten zu sein … nun ja, fast alles, denn Sherlock war sich sicher, dass ihn seine Gefühle und sein Körper in den nächsten Tagen auf eine harte Probe stellen würden.
 

tbc

Alles beim Alten?

Kapitel 2 – Alles beim Alten?
 

John hatte, wie von Sherlock vorgeschlagen, gleich seine Sachen nach oben in sein altes Zimmer getragen. Es war lang nicht alles was er besaß, aber fürs erste hatte er einfach nur aus dem Haus raus gewollt. Alles hatte ihn an die zurückliegende Zeit mit Mary erinnert und das war momentan wirklich schwierig zu ertragen. Leider konnte er selbst nicht so einfach darüber hinwegsehen, dass sie auf Sherlock geschossen hatte. Nicht, nachdem sie genau wusste, wie viel er ihm bedeutete und was er in der Zeit in der er Sherlock für tot hielt, durchgemacht hatte! Außerdem war John sich sicher, auch wenn sein Freud immer behauptete andere Menschen wären ihm egal oder er wäre ein Soziopath und somit zu keinerlei Mitgefühlt fähig oder besäße kein Gewissen, wäre dieser nie in der Lage zu so einer Tat gewesen. Er hätte John nie so verletzt. 'Obwohl, wenn ich da an die Sache mit Moriaty denke …', schoss es ihm durch den Kopf. Nein, das war anders gewesen. Sherlock hätte aber nie auf Mary geschossen, weil er genau wusste, was sie John bedeutete. Dessen war er sich mehr als sicher. Oder vielleicht wollte er das auch nur glauben?
 

Sherlock hatte das Handeln seiner Ehefrau durchaus logisch gesehen und war ihr nicht mal böse! Aber er, John, konnte es nicht. Er war eben nicht so.

Vielleicht lag es auch daran, dass es um Sherlock ging und er es wirklich nicht ertragen hätte. Nicht noch einmal!

In den letzten Wochen war er oft kurz davor gewesen einen Schlussstrich unter seine Ehe zu ziehen, doch dann hatte er an das Kind gedacht. Er hatte es nicht gekonnt. Mary war schwanger und man verließ keine schwangere Frau! Zumal er natürlich auch sein Kind kennenlernen und aufwachsen sehen wollte.
 

Sie hatte ihm diese Entscheidung abgenommen. Vielleicht das einzig Vernünftige, was sie hatte tun können. Mary musste gemerkt haben, dass er damit nicht leben konnte. Sie musste gespürt haben, wie viel Sherlock ihm in Wahrheit bedeutete. Weibliche Intuition vielleicht. John wusste, dass seine Frau nicht dumm und ihr daher bewusst gewesen war, dass es nie wieder zwischen ihnen so werden würde, wie vor dieser Tat.
 

Der Mediziner und ehemalige Soldat hatte erst einmal seine wenigen Habseligkeiten verstaut, war dann nach unten gegangen, um sich einen Einkaufszettel zu machen. Es war alles wie früher, irgendwie zumindest. Sherlock saß auf seinem Sessel, hatte seine Geige in der Hand und zupfte, in seine Gedanken vertieft, an ein paar Saiten. Er bemerkte den Älteren nicht einmal und als John keine Antwort erhielt, als er sich zum Einkaufen auf den Weg machte, wunderte dieser sich nicht wirklich.
 

Für Sherlock war offenbar alles geklärt. Mary war weg, John wieder da. Alles beim Alten. Sicherlich war der Jüngere froh, dass er wieder einzogen war, aber er kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er so etwas nie von ihm hören würde. Er war überrascht gewesen, als Sherlock bei seiner Hochzeit eine wirklich, wie er fand, ergreifende Rede gehalten hatte. Sah man mal von dem Fall ab, den er nebenher noch gelöst hatte. Sein Freund war einfach ein Unikum und John musste schmunzeln. Es fühlte sich schon besonders an, einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Mensch in Sherlocks Leben zu sein. Umgekehrt war es auch so. Immer so gewesen und vermutlich würde es immer so sein. Er konnte nicht ohne den angeberischen Detektiven, der einem das Leben manchmal äußert schwer machte, aber mit dem es nie langweilig wurde. Ihm, John, wurde zumindest nie langweilig.
 

Nachdem er alles nötige besorgt hatte, was sie in den nächsten Tagen über Wasser halten würde, machte er sich auf den Rückweg. Im Hausflur traf er auf Mrs. Hudson. Die hatte ihm gerade noch gefehlt. So sehr er sie auch mochte, er hatte keine Lust ihr jetzt Rede und Antwort zu stehen.
 

„John“, kam es leise von ihr. „Sie sind wieder zurück? Was ist mit Mary?“

Sie musste seine Taschen im Flur gesehen haben.

„Hallo Mrs. Hudson. Mary ist … gegangen und ja, ich bin wieder zurück.“

„Ich muss gestehen, auch wenn es egoistisch klingt, dass ich mich freue Sie wieder hier zu haben“, gab sie ehrlich zu. „Er war unausstehlich in den letzten Wochen.“

„Ich werde mich schon um ihn kümmern“, versprach John und ging ein paar Stufen nach oben.

„Wie geht es Ihnen denn?“, hakte sie besorgt nach. Er blieb wieder stehen und seufzte leise. Er zuckte mit den Schultern, wirklich beschreiben konnte er es nicht. Er war hin- und hergerissen. Dass Mary fort war, erleichterte ihn, aber dass er nie die Möglichkeit bekam sein Kind zu sehen, das tat ihm von Herzen weh.

„Es wird mit der Zeit besser werden“, meinte sie leise. „Und Sie sind ja nicht alleine.“

„Ich weiß“, war alles was John noch sagte und dann den Weg nach oben fortsetzte.
 

Als er durch das Wohnzimmer in die Küche ging, saß Sherlock immer noch in der gleichen Pose wie eben. John stellte die Einkäufe auf dem Küchentisch ab, der momentan glücklicherweise nicht mit irgendwelchen Reagenzgläsern oder sonstigen Utensilien belagert war.

Darauf vorbereitet einer Tüte mit Augäpfeln entgegen zu blicken, öffnete er die Tür, doch was er vorfand überraschte ihn. Er warf einen kurzen, fragenden Blick zu Sherlock, der sich aber keinen Zentimeter gerührt hatte. Ob er überhaupt mitbekommen hatte, dass er wieder zurück war?

Dann blickte er wieder in den Kühlschrank. Sein Mitbewohner musste mindestens einmal aufgestanden sein und hatte die Augäpfel in einen kleinen Kochtopf verfrachtet, mit Deckel, und diesen in eines der Obstfächer getan. John war sich mehr als sicher, dass es so war, denn Sherlock hatte nicht damit rechnen können, dass er ausgerechnet heute wieder zurückkehren würde und da den Detektiven Körperteile oder -flüssigkeiten nur selten im Kühlschrank störten, musste er es für ihn getan haben.
 

John schmunzelte, als ihn ein warmes Gefühl durchflutete. Sherlock hatte etwas für ihn getan, ohne dass er ihn darum hatte bitten müssen. Ungewohnt und neu, aber durchaus nett und schön. Es fühlte sich gut an.
 

Während er dann begann die Lebensmittel einzuräumen, die in den Kühlschrank gehörten, dachte er daran wie sich ihre Beziehung kurz nach der Hochzeit schon verändert hatte. Sherlock hatte sich in seiner Rede, wenn auch nur bedingt, doch etwas geöffnet und durchblicken lassen, dass auch er Gefühle besaß. John hatte das verräterische Glitzern in den Augen des Detektives sofort gesehen und es hatte ihn selbst von Herzen gerührt. Eine Umarmung war unausweichlich gewesen, denn der Arzt hatte sich einfach nicht länger zurückhalten können. Obwohl John gewusst hatte, dass Sherlock sich sicher Mühe geben würde, für ihn, hatte er nicht mit einer solchen Ansprache gerechnet.
 

Gerade hatte John die Butter eingeräumt, als ein Arm von hinten an ihm vorbei in den Kühlschrank griff. Der Ältere schrak aus seinen Gedanken hoch und drehte sich zu Sherlock um, der immer noch ganz dicht bei ihm stand.

„Gut, du hast an die Milch gedacht“, stellte er trocken fest, nahm diese heraus und öffnete sie. „Ich wusste, ich kann mich auf dich verlassen.“

„Erschreck mich doch nicht so“, bat John leise und beruhigte sich wieder etwas.

„Ich habe dich doch begrüßt“, erwiderte Sherlock irritiert und zog seine Augenbrauen zusammen. Wo war John nur mit seinen Gedanken?

„Was? Nein, hast du nicht. Das hätte ich ja wohl gehört“, protestierte John leise.

„Doch, das habe ich. Ich bin aufgestanden, sagte „Hallo John, wieder zurück?“ dann ging ich zum Kühlschrank und stellte fest, dass du an die Milch gedacht hast“, erklärte Sherlock seine letzten Schritte.

„Okay … dann … hab ich es wohl doch überhört.“

„Offensichtlich.“ Sherlock schmunzelte leicht amüsiert und goss sich etwas Milch in eine Tasse. „Es ist gut, dass du zurück bist. Lestrade rief eben an, er hat einen neuen Tatort bei dem er nicht weiter kommt.“
 

„Du willst einfach zur Tagesordnung übergehen?“, hakte John leise nach, während er die restlichen Lebensmittel verstaute.

„Das sind wir doch schon.“ Der Jüngere deutete auf die Einkauftaschen und trank die Milch aus. „Wenn du dich nicht in der Lage dazu fühlst, ist es in Ordnung. Ich bin mir sicher, ich brauche keine 15 Minuten an Lestrades Tatort und weiß was Sache ist, also wird deine Hilfe nicht unbedingt von Nöten sein.“

„Doch, also … ich würde gerne mitkommen … vielleicht hilft mir etwas Normalität das alles besser zu verarbeiten.“
 

Normalität? War wohl das absurdeste was man in Zusammenhang mit Sherlock denken konnte. Tatorte zu besichtigen, obwohl sie keine Polizisten waren. Fälle aufzuklären, obwohl er ein einfacherer Arzt war und darüber zu bloggen … bloggen … das hatte er schon ewig nicht mehr getan. Sollte er unbedingt wieder machen.
 

„Keine Sorge, du wirst sicher bald die Gelegenheit haben, deinen kleinen Blog weiterzuführen“, seufzte Sherlock genervt und stellte die benutzte Tasse in die Spüle.

„Was … woher … ach vergiss es!“, seufzte John und winkte ab. Mühselig zu fragen woher Sherlock das nun wieder wusste. Er kannte ihn eben zu gut und er wusste ja grundsätzlich alles.

Der Detektiv zeigte nur ein schiefes, amüsiertes Grinsen und griff nach seinem Mantel, der über einem der Küchenstühle hing, wo er ihn am Nachmittag ausgezogen hatte.

„Kommst du dann mit?“, hakte er nach, während er sich den Mantel überwarf und hinein schlüpfte.

„Oh ja und wie ich mitkomme, mit dem größten Vergnügen“, ließ John verlauten, ließ die Lebensmittel die nicht verderben konnten, Lebensmittel sein und folgte seinem besten Freund nach draußen.
 

Als sie wenige Minuten später am Tatort ankamen, blickte Greg überrascht auf, als er den Arzt erkannte. Dieser hatte sich in den letzten Monaten rar gemacht, den Grund dafür kannte er natürlich nicht, denn Sherlock hatte sich diesbezüglich in Schweigen gehüllt.
 

„John!“, begrüßte er den Arzt daher und streckte ihm gleich eine Hand entgegen. „Lange her“, stellte er fest.

„Ja, entschuldige. Ich wollte mich melden, aber … es war etwas turbulent.“

„Sicher nicht einfach, mit einer schwangeren Frau, was?“ Lestrade lachte fröhlich, doch John blickte ernst zurück.

„Ja … nicht immer einfach ...“, erwiderte er leise, da er keine Lust darauf hatte, ausgerechnet hier darüber zu sprechen, dass er wieder in der Baker Street eingezogen war und seine Frau ihn verlassen hatte.

„Lassen wir doch das Geplänkel und kommen zum Wesentlichen!“, bat Sherlock ungeduldig.
 

Lestrade setzte sie kurz darüber in Kenntnis, was anlag und Sherlock begann wie üblich sich die Leiche anzusehen. Binnen Sekunden hatte er mehrere Theorien, von denen er einige gleich wieder verwarf. Als er fertig war, hörte er sich noch an, was John über die Leiche zu sagen hatte und teilte seine Erkenntnisse anschließend mit Lestrade, nicht ohne Anderson zweimal zu beleidigen und zwar so, dass dieser es auch hörte, weil er das Wichtigste übersehen hatte.
 

Als er mit wehendem Mantel den Tatort anschließend verließ und John ihm nacheilte, fühlte der Arzt sich wieder wie in alten Zeiten. Und es tat gut.
 

„Gehen wir noch irgendwo was essen?“, hakte er daher nach. Wenn er sich schon gut fühlte, sollte er diese Gelegenheit beim Schopfe packen und einen Happen essen, denn wenn es ihm schlecht ging, war er dazu nicht in der Lage. Das schlechte Gewissen, das leise an ihm nagte und ihm vermittelte, er dürfe nicht so gut drauf sein, wo ihn gerade seine schwangere Frau verlassen hatte, ignorierte er dabei gekonnt.
 

„Wenn du etwas essen möchtest, ja“, erwiderte Sherlock.

„Du solltest auch etwas zu dir nehmen.“

„Mir reicht ein Tee. Ich hatte schon Frühstück heute. Mrs. Hudson meinte wohl, dass ich sonst vom „Fleisch falle“ wie absurd, aber sie ließ sich nicht davon abbringen.“

„Einer muss ja auf dich achten“, meinte der Ältere und lächelte kurz. Er war froh, dass Mrs. Hudson sich um ihn gekümmert hatte, als er nicht da war.

„Jeden Tag hat sie mir Kekse zum Tee dazugelegt und gemeint, die wären, damit ich überhaupt etwas esse.“

„Und, hast du?“

„Ja, ich wollte mir ihr Gezeter ersparen.“

John schob die Augenbrauen nach oben und musste dann loslachen. Gezeter und Mrs. Hudson passte so gar nicht zusammen. Ihre Vermieterin war einfach nett und fürsorglich. Manchmal vielleicht zu fürsorglich, aber sie meinte es jederzeit und stets nur gut mit ihnen. Das wusste auch Sherlock und er mochte sie, auch wenn er nicht gerne zugab.

„Was? Ich fand das nicht witzig. Glücklicherweise hört das jetzt auf, wo du wieder da bist.“

„Schon gut“, beschwichtige John und blickte Sherlock von der Seite her an, bis dieser den Blick erwiderte und nicht anders konnte, als schief zu grinsen.

„Du kennst sie doch! Sie kann ganz schön penetrant sein ...“

„Ja, das kann sie, aber sie meint es gut und Sherlock, ich werde schon dafür sorgen, dass du etwas isst. Denk nicht, dass du damit jetzt aus dem Schneider bist.“
 

Darauf erhielt John keine Antwort mehr.

Als sie an der Straße ankamen, orderte der Detektiv schnell ein Taxi und John war wieder einmal verblüfft, wie schnell ihm das gelang. Kurze Zeit später saßen sie schon bei ihrem Stammitaliener.
 

tbc

Das Abendessen

Es hatte sich nichts verändert. Kaum hatten sie das Restaurant betreten, führte Angelo sie an den Tisch, an dem sie schon bei ihrem ersten „Date“ gesessen hatten. Wie damals und ebenso bei ihren restlichen Besuchen, stellte Angelo ihnen Kerzen auf den Tisch, weil es romantischer war.
 

Sherlock sagte wie immer nichts dazu und John hatte es aufgegeben dagegen zu protestieren, denn der Italiener würde sowie niemals glauben, dass er und Sherlock kein Paar waren. Allerdings war es heute das erste Mal, dass er nichts dazu sagte, sondern direkt nach der Karte griff, was Sherlock natürlich stutzig machte.
 

„Du sagst gar nichts“, stellte er daher fest und blickte aus den Fenstern. Noch konnte er ganz gut hinaus sehen, aber lange war das nicht mehr möglich. Es würde bald dunkel werden, denn es war bereits später Nachmittag.

„Was sollte ich denn sagen?“, hakte John nach und entschied sich für eine Pizza und dazu einen trockenen Rotwein.

„Sonst hast du dich immer beschwert, wenn er uns Kerzen wegen der „Romantik“ auf den Tisch gestellt hat. Du hast vehement abgestritten, dass wir ein Paar sind.“

„Vielleicht bin ich es einfach Leid gegen Windmühlen zu kämpfen, denn er wird es wohl nie begreifen.“ John winkte lachend ab.

„Vermutlich nicht, Don Quichotte“, seufzte Sherlock. „Offensichtlich geben wir ein herrliches Paar ab.“

„Zumindest denken das viele. Muss wohl an deiner charmanten Art liegen und damit, dass ich damit zu Recht komme“, kam es ironisch von John. „Sie denken sicher, dass du andere Qualitäten hast, die mich bei Laune halten und das … obwohl ich erst vor kurzem geheiratet habe“, erklärte John leise und schüttelte resigniert den Kopf.

„Ich habe viele Qualitäten!“, begehrte der Detektiv auf und runzelte die Stirn. „Welche könnten sie denn meinen?“

„Na welche wohl …?“ Jetzt musste John doch amüsiert schmunzeln. Manchmal war Sherlock einfach zu naiv.

„Ich ein Meister der Deduktion, gut in Chemie, habe ein brilliantes Gedächtnis, kann ...“ „Nicht deine wissenschaftlichen oder geistigen Fähigkeiten, mein Lieber!“, unterbrach der Arzt ihn direkt lachend. Es war einfach ziemlich amüsant, fand John. Der Meister der Deduktion erkannte hier nicht das Offensichtliche, da es mal wieder um Gefühle und Emotionen ging.

„Was … ist es dann?“

„Sie nehmen alle an, wir wären ein Paar … was denkst du denn?“

Sherlock legte die Stirn in Falten, legte den Kopf schief und schnappte dann wissend nach Luft. Endlich war der Groschen gefallen.

„Oooh ...“, kam es leise über seine Lippen.

„Genau.“

„Dann irren sie sich, diese Fähigkeiten beschränken sich auf einige feuchte Träume zu meiner Teenagerzeit. Du kannst dir vorstellen, wie froh ich war, als das nachgelassen hat“, kam es trocken von Sherlock.

„Und ich wäre froh, wenn du diese Details einfach für dich behältst“, schlug John vor.

„Es sind doch nur ein paar dumme Fakten aus meiner Vergangenheit.“

„Nicht alles muss näher erläutert werden.“

„Ich wollte nur klarstellen, dass ich mich solchen Intimitäten noch nie ...“ „Schon klar!“, unterbrach John seinen besten Freund. „Du bist noch Jungfrau, ich weiß Bescheid. Mehr will ich nicht hören!“, bestimmte er ernst. Sowieso fand John, dass solche Dinge keine angebrachten Themen für Unterhaltungen in einem Restaurant waren. Zu viele Mithörer. So etwas gehörte ins Schlafzimmer oder zumindest in die eigenen vier Wände.
 

„Was? So was erzählt man doch seinen besten Freunden oder nicht? Zumindest, wenn man diesen Seifenopern im Fernsehen Glauben schenkt.“

„Siehst du dir immer noch diesen Mist an, um menschliche Beziehungen zu studieren?“

„Nein, denn menschliche Beziehungen langweilen mich.“

„Gut … denn es entspricht nicht mal im Entferntesten der Realität. Ich meine, in welchem normalen Leben passieren ständig solche Dinge, wie Entführungen, Erpressung, Betrug …“, zählte John leise auf und stockte dann. „Oh …“
 

Sherlock konnte jetzt nicht anders, als leise zu lachen und John rollte mit den Augen. Er stimmte in das Lachen des Jüngeren mit ein und schüttelte den Kopf.

„Nun, ich gebe zu … unser Leben verläuft wohl auch in etwas anderen Bahnen.“

„Bereust du es?“

„Was?“

„Wieder zurück zu sein.“

„Nein“, kam es ohne groß darüber nachzudenken und John lächelte. „Nein, es tut mir gut. Du tust mir gut. Ich werde abstreiten, das je gesagt zu haben!“

Sherlock lachte wieder, dunkel und ehrlich, was selten vorkam. John konnte nicht anders, als sich gut und auch etwas beflügelt zu fühlen. Er war verantwortlich für dieses Lachen. Er war es, der etwas Farbe und Fröhlichkeit in Sherlocks Leben brachte und das tat gut. Das füllte ihn aus, egal wie nervig sein bester Freund und Mitbewohner sein konnte, oder auch … beleidigend. Im Endeffekt tat es gut zu wissen, dass er der eine Mensch war, der Sherlock wirklich zum Lachen bringen konnte.
 

Sherlock hatte sich, wie angekündigt, nur einen Tee bestellt. John hatte die Hälfte seiner Pizza gegessen, aber mehr bekam er nicht runter. Dafür hatte er die letzten Wochen einfach zu wenig zu sich genommen. Er war es schlichtweg nicht mehr gewohnt so große Portionen zu essen.

„Du solltest etwas essen. Probier mal, sie ist gut“, bat er leise und schob seinen Teller etwas in Sherlocks Richtung.

„Keinen Hunger. Frühstück. Schon vergessen?“, kam es etwas genervt von Sherlock.

„Sherlock, bitte … ein bisschen was. Für mich ...“

„Weißt du, das hat mir überhaupt nicht gefehlt!“, meckerte Sherlock genervt und griff sich ein Stück der Pizza. John hatte die Hälfte in 4 gleich große, handliche Teile zerschnitten.
 

Sherlock biss in das Stück hinein, legte den Kopf etwas in den Nacken, um dem zähen, warmen Käse gerecht zu werden und diesen besser essen zu können. Hinter seinen Lippen verschwand Stückchen für Stückchen und John schluckte hart. Er zwang sich wegzusehen und griff daher nach seinem Glas mit Wein. Er trank einen großzügigen Schluck, merkte dann dass die kleine Glaskaraffe leer war und bestellte bei Angelo durch Handzeichen gleich noch eine. Besser, als seinem besten Freund dabei zuzusehen, wie dieser besonders lasziv Pizza aß.
 

Vor allem, warum kam ihm überhaupt irgendwas Sexuelles dabei in den Sinn? War es, weil sie gerade eben das Thema hatten? So etwas sollte man nicht denken, wenn einen die eigene Frau gerade verlassen hatte. Auftragskillerin, Geheimagentin oder was auch immer, hin oder her! Oder? Das Schlimme war, es war ja nicht das erste Mal. John hatte schon vor seiner Heirat Situationen erlebt, in denen er Sherlock am liebsten verflucht hätte. War es, weil er sich mal wieder in viel zu enge Kleidung zwängte, einen Löffeln mit dem er Pudding aß viel zu lange, viel zu gedankenverloren und viel zu genüsslich ableckte oder seine Teetasse, wenn auch unbewusst, zu ausgiebig streichelte. Viele dieser Dinge waren ihm an Sherlock aufgefallen, jedoch hatte er das stets gekonnt ignoriert. Absicht wollte er dem Jüngeren nicht mal unterstellen. Vermutlich wusste der selbst nicht genau, dass er ab und an die erotischsten Posen annahm.
 

Moment! Was dachte er da. Vielleicht doch besser kein Wein mehr? Aber da kam auch schon der bestellte Nachschub und John wurde die Entscheidung wieder abgenommen. Wie schon am Morgen durch Mary. Er seufzte leise über sich selbst. Er war ein hoffnungsloser Fall.
 

Sherlock nahm sogar noch ein zweites Stück Pizza und blickte John nach diesem erwartungsvoll an.

„Zufrieden? Können wir jetzt nach Hause gehen? Ich habe noch Vorbereitungen zu treffen.“

„Vorbereitungen?“

„Für meinen Fall, an dem ich schon länger dran bin.“

„Was denn?“

„Nichts von Bedeutung.“

„Aber wichtig genug, dass du dich dessen annimmst. Was ist los?“

„Nichts. Wie ich schon sagte und es ist mein Fall. Etwas, um das mein Bruder mich gebeten hat. Also trink aus“, bat Sherlock und war schon aufgestanden, bevor die Geldnoten den Tisch berührten, die er aus seiner Hosentasche geholt hatte. John bewunderte die Eleganz des Jüngeren, er selbst kam sich dabei immer tolpatschig und tölpelhaft vor.
 

John versuchte gar nicht erst Sherlocks Gedanken zu folgen, denn dafür hatte er auch schon zu viel Wein intus und den letzten, den er bestellt hatte sowieso. Um seinem Freund folgen zu können, musste er ihn entweder leer trinken oder stehen lassen. Er entschied sich für ersteres. Etwas angetüdelt würde er sicher auch mal schlafen können, was ihm in den letzten Wochen oft versagt worden war.

Als der Arzt das Restaurant verließ wartete Sherlock bereits im Innenraum eines Taxis und winkte ungeduldig. John sah seinen Verdacht, dass der Detektiv irgendein Abkommen mit allen Taxis Londons hatte, wieder einmal bestätigt. Warum fand man sonst so schnell immer ein Taxi? Egal wo man gerade war??
 

„Du solltest dich schlafen legen, nicht dass du morgen verkatert bist“, stellte der Jüngere fest.

„Keine Sorge, das verkrafte ich schon. Wo willst du denn jetzt noch hin?“

„Hab ich gesagt, ich will weg?“

„Du sprachst von Vorbereitung … ich bin mir sicher, die wirst du nicht von der Baker Street aus machen, ich kenn dich doch. Zu gut manchmal ...“, seufzte John leise. Oh ja, er spürte den Alkohol und sehnte sich schon nach seinem Bett.

„Gut, du hast Recht. Ich muss noch einmal raus. Ich brauche nur das ein oder andere aus der Wohnung und dann bin ich wieder weg. Könnte sein, dass es bis Morgen dauert, also warte nicht auf mich“, bat der Detektiv ungerührt und John seufzte. Er war heute eh nicht mehr in der Lage zu warten. Alles was er wollte war in sein Bett fallen und schlafen. Die zurückliegende Zeit und der heutige Tag waren einfach zu anstrengend gewesen.

„Arbeitest du Morgen?“, wollte Sherlock dann unvermittelt wissen.

„Nein. Bin … beurlaubt. War wohl nicht sonderlich nett und aufmerksam, zu meinen Patienten.“

„Nicht dein ernst. Du?“ Skeptisch blickte der Jüngere ihn an.

„Tja, das passiert wohl … wenn die eigene Frau auf den besten Freund schießt und man das nicht verzeihen kann. Wenn man sich am liebsten von ihr trennen würde, aber genau weiß, dass sie ...“ John brach ab und machte eine wegwerfende Handbewegung. Er hörte wie Sherlock zu einer Antwort ansetzte. „Nicht jetzt. Sei einfach still.“
 

Sherlock tat ihm glücklicherweise den Gefallen und blickte aus dem Fenster, während John seine Augen schloss und kurz gähnte.
 

Als sie in der Baker Street ankamen bat Sherlock den Fahrer kurz zu warten, da er gleich weiter wollte und begleitete John noch nach oben in die Wohnung.

„Dann bis Morgen?“, hakte der Arzt leise nach.

„Ja. Gute Nacht John.“ Waren die letzten Worte, die der Mediziner hörte, bevor Sherlock in seinem Schlafzimmer verschwand.
 

Am nächsten Morgen erwachte John aus einem unruhigen Schlaf und mit leichten Kopfschmerzen. Der Wein kam ihm wieder in den Sinn und er verfluchte sich dafür, dass er ihn so schnell herunter gekippt hatte. Er brauchte ein Aspirin und das dringend, wenn er den Tag überleben wollte.

Er hatte geschlafen, aber war öfter aufgewacht, als ihm lieb gewesen war. Er hatte von Mary geträumt, dem ungeboren Baby, Sherlock … verwirrende Träume und er wollte sie gar nicht näher analysieren.
 

Verschlafen stand er auf, streckte sich und entschied, dass er vor der ausgiebigen Dusche, nach der er sich sehnte, einen Kaffee und ein Aspirin brauchte, also machte er sich auf den Weg in die Küche.
 

Diese fand er verwaist vor. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es schon weit nach 11 Uhr war. Zuerst nahm er ein Aspirin, trank ein großes Glas mit Wasser leer und bereite sich dann einen Kaffee zu. Außerdem räumte er noch die restlichen Lebensmittel weg, die noch vom gestrigen Einkauf auf dem Tisch standen, dann ließ er sich auf einen der Küchenstühle nieder.
 

Ob Sherlock bereits zu Hause war? Er hatte ihn zumindest nicht heimkommen gehört und es war nicht sonderlich ungewöhnlich, dass sein bester Freund länger wegblieb als er vorgehabt hatte.
 

Nach dem John geduscht und sich angezogen hatte, waren seine Kopfschmerzen verflogen und er fühlte er sich wieder wie ein Mensch. Da sich Sherlock noch immer nicht hatte blicken lassen, ging John zu dessen Schlafzimmertür und lauschte. Kein Mucks. Er klopfte leise, denn der leichte Anflug von Sorge machte sich in ihm breit. Noch immer nichts. Er öffnete leise die Tür und stellte seufzend fest, dass das Zimmer leer war. Das Bett war unbenutzt. Sein Freund war noch nicht zu Hause gewesen, seit sie sich gestern getrennt hatten.
 

Und das sollte auch noch einige Tage so bleiben ...
 

tbc

Sherlocks Rückkehr

Kapitel 4
 

Auch an Tag 5, seit John wieder in der Baker Street eingezogen war, fehlte jede Spur von seinem besten Freund. Die Sorge des Arztes war ins Unermessliche gestiegen. Er hatte Sherlock versucht anzurufen, hatte ihm unzählige SMS geschickt. Alles blieb unbeantwortet. Mittlerweile war aus der Angst, dass irgendwas passiert sein musste, Gewissheit geworden. Doch was sollte John tun? Er wusste ja nicht mal an was genau Sherlock eigentlich dran gewesen war! Wie sollte er ihn aufspüren?! Irgendwelche Unterlagen hatte er nicht gefunden und er hatte die Wohnung wirklich auf den Kopf gestellt.
 

„Verflucht sollst du sein ...“, zischte er wütend und trat mit seinem Fuß gegen seinen Sessel, was nur mit Schmerzen belohnt wurde. Er ließ sich daher auf den Sessel sinken und starrte zu der leeren Sitzgelegenheit ihm gegenüber, auf der normalerweise Sherlock saß.
 

Es musste doch eine Möglichkeit geben ihn zu finden. Vielleicht sollte er Mycroft … Moment! Hatte Sherlock ihn nicht erwähnt? Dass er für seinen Bruder etwas erledigen sollte? Sofort zückte John sein Handy und versuchte den älteren Holmes Bruder zu erreichen, doch dieser nahm den Anruf nicht entgegen. „Verdammt!“, flüsterte John leise, da er sich sicher, dass Mycroft nur einfach keine Lust hatte seinen Anruf entgegen zu nehmen. Wobei ... vielleicht war er auch wieder beim Zahnarzt?
 

-Wissen Sie wo Sherlock steckt? JW-
 

Er schickte die Nachricht ab und hoffte, dass er darauf reagieren würde. Ja, Sherlock war schon oft länger weg gewesen. Aber so lange? Und dann ohne ein Lebenszeichen? Normalerweise hätte er doch sicher wenigstens auf die 10. SMS mit einer genervten, einsilbigen Nachricht geantwortet. Oder? War er vielleicht auch einfach nur etwas hysterisch, weil er schon einmal geglaubt hatte Sherlock zu verlieren und seine Frau diese Angst erneut wach gerüttelt hatte?

Der Signalton seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken und er öffnete die eingegangene Nachricht von Mycroft.
 

-Wieso sollte ich? MH-
 

John entfuhr ein leises Stöhnen.
 

-Weil er in Ihrem Auftrag unterwegs ist, sagte er. Er ist seit 5 Tagen verschwunden!! JW-
 

Dieses Mal ließ die Antwort nicht lange auf sich warten.
 

-Ich kümmere mich darum. MH-
 

„Na wenigstens etwas“, seufzte John und legte sein Handy weg. Er trat nicht sonderlich gerne mit dem älteren Bruder in Kontakt, aber hier hatte er sich einfach nicht mehr zu helfen gewusst. Wie auch? Er war nicht ängstlich und wäre sicher sofort losgestürmt, hätte er nur einen Anhaltspunkt gehabt, wo er Sherlock finden konnte.
 

John versuchte sich auf ein Buch zu konzentrieren, doch das wollte ihm nicht gelingen. Er zappte durch das Nachmittagsprogramm der TV-Sender, aber auch das brachte ihn nicht auf andere Gedanken. Daher entschloss er sich die Mattscheibe auch wieder auszuschalten. Gegessen hatte er heute auch noch nicht viel, aber er bekam auch nichts hinunter. Die Sorge um Sherlock wuchs mit jeder Stunde, in der er nichts von Mycroft hörte. Er hoffte noch immer, dass im nächsten Moment die Wohnungstür aufging und sein bester Freund hinein kam, doch das passierte nicht.
 

Wieder war er kurz davor Mycroft eine SMS zu schicken, aber hielt sich zurück. Wie sah das denn aus? Wenn dieser sagte, er kümmerte sich darum, dann würde er es auch tun, da war John sich sicher.
 

Das Nichtstun und die Warterei machten ihn fast irre.

Es klopfte leise und ein freundliches „Huhu“, wehte John von der Tür entgegen.

„Hallo Mrs. Hudson“, seufzte der Arzt leise und blickte sie von seinem Sessel her an.

„Noch immer kein Lebenszeichen von ihm?“, wollte sie besorgt wissen. John schüttelte den Kopf und sie trat mit dem kleinen Tablett, auf das sie Tee und Gebäck gestellt hatte in den Raum hinein. Sie stellte es neben John auf den kleinen Beistelltisch und blickte ihn besorgt an.

„Mycroft wollte sich darum kümmern, dass es so lange dauert … macht mir ehrlich gesagt Angst“, gab er zu und nickte dankend, wegen dem Tee.

„Er wird ihn schon finden, da bin ich mir sicher“, versuchte sie ihn etwas aufzumuntern.

„Ja und hoffentlich in einem Stück“, murmelte John leise.

„Sherlock ist nicht so einfach klein zu kriegen.“ Sie lächelte, doch auch das konnte über ihre eigene Sorge, die sie sich wohl vor John nicht anmerken lassen wollte, nicht hinweg trösten.

„Danke Mrs. Hudson.“

„Gerne. Ich bin unten, wenn etwas sein sollte“, versicherte sie und eilte dann aus der Wohnung.
 

John schenkte sich etwas Tee ein und griff nach einem der Kekse. Etwas Zucker und Flüssigkeit konnten schließlich nicht schaden.

Er hatte gerade den ersten Bissen hinunter geschluckt, als er eine SMS erhielt.
 

-Wir sind auf dem Weg. Ankunft in ca. 10 Minuten. Holen Sie schon mal Ihren Arztkoffer. MH-
 

Johns Augen weiteten sich und er sprang sofort auf. Sherlock war demnach verletzt und musste versorgt werden. Besorgniserregend ja, aber immerhin brachte Mycroft ihn nach Hause und nicht ins Krankenhaus, was schon mal hieß, er konnte nicht so schwer verletzt sein. Dachte John zumindest.
 

Doch als Sherlock knapp 10 Minuten später von einem in schwarz gekleideten und wohl Mycroft zugehörigen Mann in die Wohnung geschleppt und auf dem Sofa platziert wurde, traute John seinen Augen kaum. Das erste was er sah war Blut. Sherlocks Hemd war zerrissen und darunter klafften ihm einige Wunden entgegen. Ziemlich frische und ältere, wie er auf den ersten Blick feststellte. Seine Handgelenke waren aufgeschürft, offenbar war er gefesselt worden. Seine Wangen wirkten leicht geschwollen und an seiner linken Augenbraue hatte er eine Platzwunde. Da musste er selbst nicht ein Meister der Deduktion sein, um sich ausmalen zu können was man Sherlock angetan hatte. Er war schließlich in Afghanistan gewesen und hatte viel gesehen.

Der Detektiv sah einfach furchtbar aus. John schluckte und blinzelte kurz. Er war sprachlos, in welchem Zustand sein Freund sich befand. Schon öfter hatte er hier und da kleinere Verletzungen versorgt, aber DAS!?
 

„Er gehört ins Krankenhaus!“, bestimmte John direkt und funkelte Mycroft wütend an. Warum hatte der ältere Bruder ihn nicht sofort dort hingebracht?! „Und was zur Hölle ist überhaupt mit ihm passiert?!“ Den letzten Satz schrie er förmlich. Er war wütend, aber auch besorgt um seinen Freund.

„Ich hätte ihn ins Krankenhaus gebracht, aber das hat er vehement abgelehnt. Er wollte zu Ihnen.“, gab Mycroft pikiert von sich.

„Und weil Sie ihm ja sonst auch jeden Wunsch von den Augen ablesen und immer tun, was Sherlock möchte, dachten Sie …“ „John ...“, hörte er dann Sherlocks raue, dunkle Stimme. Der Arzt presste seine Kiefer aufeinander und atmete tief durch. Er ging zu seinem Freund. „Ich wollte es so …“, murmelte Sherlock, was ihm sichtlich viel Kraft abverlangte.

„Ich kümmere mich um dich, keine Sorge“, erwiderte dieser leise und wandte sich dann wieder an Mycroft. „Was ist passiert?“, wollte er in ruhigerem Ton, aber mit Nachdruck, wissen da Sherlock kaum ansprechbar war. Außerdem sollte der lieber seine letzten Kräfte schonen.

„Das kann mein kleiner Bruder Ihnen sicher genauer erläutern als ich, sobald er etwas wacher ...“ „Nein! Ich will jetzt eine Erklärung!“, unterbrach er Mycroft. Normalerweise war er nicht so ungehalten und versuchte auch immer den nötigen Anstand und Respekt zu wahren, aber so wie Sherlock gerade aussah, gingen diese guten Vorsätze über Bord.
 

„Nun schön, weil Sie es sind John. Er sollte für mich einige Informationen zusammentragen, nicht mehr und nicht weniger. Sie kennen ihn doch, er hat sich mehr und mehr hineinziehen lassen, in diese Sache. Man hat ihm eine Falle gestellt. Ich wusste nicht, dass sie ihn haben, sonst hätte ich eher etwas unternommen. Sie dürfen aber sicher sein, dass jeder von denen, die Hand an ihn gelegt haben, seine gerechte Strafe bekommt … oder bereits bekommen hat und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun“, erklärte Mycroft kühl, hob seinen Regenschirm, auf den er sich gestützt hatte an und verließ mit seinem … was auch immer der Typ in Schwarz war … die Wohnung.
 

John war nicht wirklich schlauer als vorher, aber er verstand Mycrofts Erklärung so, dass einige der Leute die Sherlock das angetan hatten wohl nicht mehr lebten. Immerhin … verdient hatten sie es, so wie sein Freund aussah.
 

„Okay … Sherlock, ich werd dich jetzt erst mal von deinen Sachen befreien, mir deine Wunden ansehen und versorgen, in Ordnung?“, meinte der Ältere leise und Sherlock war nur zu einem kurzen Nicken fähig.
 

Es dauerte lange bis John die vielen kleineren und größeren Wunden versorgt hatte und er fragte sich, was diese Leute mit ihm gemacht hatten. Ob er darauf je eine Antwort bekommen würde? Er wusste es nicht, denn ob Sherlock mit ihm darüber sprechen würde, dessen war er sich nicht sicher. Allerdings ließen die vielen Wunden auch wenig Raum für Fantasie. Er war im Krieg gewesen, hatte auch Opfer von Folter und Misshandlung versorgt und er erkannte Wunden wie diese.

Seine Peiniger hatten immerhin dafür gesorgt, dass er trank und vermutlich auch etwas aß. Offensichtlich wollten sie nicht, dass er dehydrierte und sie ihr Opfer all zu früh verloren. Wie barbarisch! John atmete tief durch, unterdrückte seine aufkommenden Gefühle und versuchte seine Gedanken zu klären, immerhin mussten Sherlocks Wunden gereinigt und verbunden werden.
 

Schon während er den Oberkörper des Detektives versorgt hatte, war ihm aufgefallen, dass dieser auch an seinen Beinen verletzt war. John schluckte hart, als er daran dachte, dass er Sherlock von seiner Hose befreien musste, um an diese Wunden zu kommen.

'Du bist Arzt und es ist ein Notfall …', machte er sich selbst Mut. Gerade da Sherlock ein Mensch war, der Körperkontakt so gut es ging vermied, war das hier einfach … merkwürdig und auch für ihn ein wenig zu intim, auch wenn er ihn nicht ganz ausziehen musste. Irgendwo in seinem Inneren, gut begraben und kaum hörbar, flüsterte ihm ein Stimmchen ins Ohr, dass er ihn gerne mal ganz nackt sehen würde. Er kämpfte diese Stimme nieder und schloss kurz die Augen. Was dachte er da?! Ausgerechnet jetzt?! Sherlock war verletzt und was tat er?? Er war doch erbärmlich! Immerhin vertraute sein Freund ihm und darauf, dass er ihm half.
 

„Ich … zieh dir die Hose aus, damit ich an die Wunden ...“ „Ja, ja ...“, meinte Sherlock nur leise und mit geschlossenen Augen. „Wollte dich nur vorwarnen“, nuschelte John mit leicht roten Wangen zurück und öffnete den Knopf und anschließend den Reißverschluss. Sherlock hob seine Hüften etwas an, damit der Arzt ihn von den störenden Kleidern befreien konnte. Mit halb geöffneten Augen blickte der Detektiv zu seinem Freund und atmete erleichtert auf, als er die Hose endlich los war. John stellte fest, dass er unbedingt Schmerzmittel brauchte. Hoffentlich hatten sie noch etwas Vorrat!
 

„Einige Wunden haben sich entzündet. Könnte sein, dass du in den nächsten Tagen Fieber bekommst“, seufzte John leise und kniete jetzt vor Sherlock, damit er sich die Striemen an seinen Oberschenkeln ansehen konnte. Einer war aufgeplatzt und zierte die Innenseite von Sherlocks rechtem Oberschenkel. Hier würde sicher eine lange Narbe zurückbleiben. Außerdem musste das höllisch schmerzen. Zum Glück war das meiste so oberflächlich, dass es nicht genäht werden musste. Trotzdem tief genug, dass es sicher höllisch brannte und blutete.

„Was haben die nur mit dir gemacht?“, murmelte John mehr zu sich selbst, als zu Sherlock. Er versorgte gerade diese eine Wunde, als ihm klar wurde, in welcher Position er hier und jetzt vor seinem besten Freund kniete. Er lief sofort knallrot an und hoffte, dass das Sherlock aufgrund seiner momentanen Lage entging. Das wäre ihm furchtbar peinlich!!
 

Er war Sherlocks Körpermitte unheimlich nahe. Diese zog ihn auch gerade mehr in seinen Bann, als ihm lieb war. Seine Augen klebten regelrecht auf dessen Schritt und er schluckte hart, als er feststellte, dass auch dieses Körperteil Sherlocks gesamter Körpergröße in nichts nach stand. Ein warmes Kribbeln bildete sich in seinem Bauch und rutschte schon kurz darauf in tiefere Regionen, als seine Finger die weiche Haut der Innenseite von Sherlocks Oberschenkel berührten. John schluckte hart und zwang sich dazu seinen Blick endlich vom Intimbereich seines Freundes abzuwenden und sich um die Wunde zu kümmern. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass ihm unglaublich heiß war und er sicherlich immer noch feuerrote Wangen hatte.
 

Nachdem auch die restlichen Wunden versorgt waren, für die John irgendwie mehr Zeit brauchte, als für die am Oberkörper obwohl es weniger waren, ging er auf die Suche nach Schmerzmittel. Er fand glücklicherweise noch recht starke Ibuprofen, die noch nicht abgelaufen waren.

„Hier, nimm zwei von ihnen, damit wird es erträglicher. Sollte es gar nicht gehen, muss ich dir was Stärkeres besorgen, aber das wird wohl nicht vor morgen gehen“, bestimmte John leise und hielt Sherlock das Glas mit Wasser und die zwei Tabletten vor die Nase, nicht sicher ob dieser es überhaupt schaffen würde die Medikamente zu nehmen.

Die Hand des Detektives zitterte leicht, als er die Tabletten zu seinem Mund führte. John half ihm beim Trinken und war erleichtert, dass Sherlock das Glas ganz leerte. Auch wenn er nicht dehydriert war, viel gefehlt hatte nicht.
 

„Leg dich hin. Ich hol dir eine Decke“, erklärte er mit hoffentlich fester Stimme und verschwand kurz in Sherlocks Schlafzimmer.

„Was in Dreiteufelsnamen ist nur los mit mir?!“, zischte er sich selbst zu, als er die Decke von Sherlocks Bett nahm. Er hatte ungeniert auf das beste Stück seines Freundes gestarrt und es hatte ihn angemacht. Dabei hatte er sich noch nie sonderlich für andere Männer interessiert. Er kam sich schäbig dabei vor, dass er Sherlocks hilflose Lage so schamlos ausgenutzt hatte.
 

Er atmete noch einmal tief durch, blinzelte kurz und versuchte diese Gedanken beiseite zu schieben bevor er wieder ins Wohnzimmer ging, wo Sherlock bereits eingeschlafen war. John deckte den Jüngeren zu, was von Sherlock mit einem erleichterten Seufzen quittiert wurde. Ob er doch noch nicht schlief? Egal, er würde ihn jetzt in Ruhe lassen. Ruhe war jetzt erst einmal wichtig, das brauchte der geschundene Körper seines Freundes. Um den Rest würde er sich kümmern. Er würde Sherlock schon wieder auf die Beine bekommen.
 

tbc

Fieber

Kapitel 5 - Fieber
 

Doch so einfach sollte es für John nicht werden. Einige der Wunden hatten sich, wie er schon festgestellt hatte, entzündet und Sherlock litt in den nächsten Tag schon an ziemlich hohem Fieber. Anfangs war es noch nicht so schlimm gewesen, doch der Zustand verschlimmerte sich immer weiter.
 

„Ich werde einen Krankenwagen rufen“, bestimmte John, als er erneut Fieber gemessen hatte. Sherlock hatte Schmerzen, er brauchte etwas gegen das Fieber und Antibiotikum. Das alles hatte er nicht hier und alleine lassen wollte er Sherlock unter keinen Umständen. Außerdem … auch wenn er Arzt war, er konnte auch nicht einfach in eine Apotheke reinspazieren und Morphin oder Penicillin einkaufen, wie ihm danach war.

„Nein … ruf … meinen … Bruder an … der besorgt was du … brauchst. Ich will … hier nicht weg … auch wenn ich selbst weiß, dass … eine medizinische Betreuung … in einem Krankenhaus … sicher besser wäre … will ich hier … bleiben … bei dir“, kam es leise über Sherlocks Lippen und er legte eine Hand auf Johns Arm, der an seinem Bett saß.

„Sherlock …“ „Nein, ich … will nicht … allein … in einem Krankenzimmer … liegen.“

„Ich kann dich doch besuchen. So oft und so lange du willst, aber das hier … ich bin Arzt und dein Zustand ...“ „Bitte … John …“, flehte Sherlock und blickte ihn mit fiebrigen Augen an. John seufzte ergeben und nickte dann. Wie sollte er ihm da etwas abschlagen?!

„Also schön, aber sollte es nicht besser werden, dann rufe ich einen Krankenwagen. Keine Widerrede! Denn ich will nicht, dass du mir unter den Händen weg stirbst.“

„So … leicht sterbe … ich nicht … du kennst mich doch.“ Sherlock schaffte sogar ein kurzes Grinsen, offenbar war er erleichtert, dass John nachgegeben hatte.
 

„Erinnere mich nicht daran!“, seufzte John und stand auf. Nein, an Sherlocks Sprung wollte er lieber nicht denken, denn das war für ihn persönlich bisher das traumatischste Ereignis in seinem Leben gewesen.

„Wo gehst du hin?“ Sherlock klang müde, ausgelaugt. Sicher hatte ihn diese kurze Diskussion wieder Kraft gekostet.

„Deinem Bruder eine Nachricht schreiben, dass er das nötige Zeug besorgt. Wie du es wolltest.“

„Danke.“
 

Sherlock schloss wieder seine Augen und John verließ das Zimmer. Was seinem Mitbewohner passiert war, musste schlimm gewesen sein und John fuchste es, dass er immer noch nicht wusste, was genau passiert war, auch wenn er sich dank der Wunden einiges ausmalen konnte, wissen konnte er es nicht. Sherlock hatte oft Albträume, ob die jetzt vom Fieber kamen oder von den Misshandlungen vermochte er nicht zu sagen, aber Fakt war, dass der Jüngere nicht allein sein wollte. So hatte John sich sogar dazu überreden lassen, nachts bei ihm zu bleiben. Was nicht gerade zur Verbesserung seiner persönlichen Lage geführt hatte. Zuerst hatte er sich auf einen Stuhl an Sherlocks Bett gesetzt, doch als er am nächsten Tag mit unglaublichen Rückenschmerzen aufgewacht war, hatte Sherlock darauf bestanden, das er bei ihm schlief. Sein Bett wäre ja groß genug … hatte Sherlock gesagt. Ja, nur dass John meistens nur wenig Liegeplatz blieb, da Sherlock ihm auf die Pelle rückte, aber bequemer als der Stuhl war es auf alle Fälle.
 

Nachdem John die SMS an Mycroft verschickt hatte, machte er sich erst einmal einen Tee. Wie sollte es weitergehen? Vor allem, was war mit ihm los? Er kannte sich so nicht. Zugegeben, mit Patientinnen, die nicht schwer verletzt waren und ihm durchaus auch gewisse Blick zugeworfen hatten, hatte er mal geflirtet. Daran war ja nichts verwerflich! Aber sich seinen schwerverletzten, mit Fieber kämpfenden, besten Freund nackt vorzustellen und dabei auch noch Erregung zu empfinden, ging einfach zu weit!! Allerdings war er auch nicht in der Lage das ganze abzustellen.
 

Das einzig Positive in seiner momentanen Lage war, dass er kaum Zeit hatte darüber nachzudenken, dass Mary weg war und mit ihr sein Kind. Hin- und wieder schlich sich diese Tatsache zwar auch in seine Gedanken, aber nur für kurz. Er hatte Wichtigeres zu tun.
 

Es dauerte keine halbe Stunde und es klingelte an ihrer Tür. Mrs. Hudson war so gnädig und öffnete diese. John hörte Schritte auf der Treppe und sah sich kurz darauf Sherlocks großem Bruder gegenüber.
 

„Mycroft … höchstpersönlich, für einen Botengang“, stellte John ironisch fest und trank einen Schluck von seinem Tee. Normalerweise überließ der ältere Holmes die „Laufarbeit“ lieber Sherlock.

„Nun, es geht um meinen kleinen Bruder und ich bin es ihm wohl schuldig. Hier, die benötigten Medikamente.“

„Das ging schnell.“

„Ich habe Beziehungen. Ist er in seinem Schlafzimmer?“, hakte Mycroft ungerührt nach und wartete gar nicht erst auf eine Antwort. Er ging zielstrebig zum Zimmer seines Bruders und öffnete leise die Tür. Im Türrahmen blieb er stehen und schluckte kurz. John, der ihm gefolgt war, hatte die seltene Gelegenheit etwas zu sehen, das wohl nur sehr wenigen, wenn überhaupt irgendeinem Menschen, vorbehalten war. Sorge. In Mycrofts Blick spiegelte sich Sorge wider, zumindest für einen kurzen Augenblick, bevor er wieder der kühle Mann wurde, der sonst war.
 

John drängte sich an ihm vorbei ins Zimmer und öffnete die kleine, braune Papiertüte.

„Sehr gut, nur das Beste, wie ich sehe.“

„Ich habe mich nur an Ihre ärztlichen Anweisungen gehalten, John. Ich werde dann ...“ „Nein, Sie bleiben hier. Ich habe Fragen, einige und die werden Sie mir beantworten!“

„Wieso sollte ich?“ Der ältere Holmes schob seine Augenbrauen nach oben und blickte fragend.

„Weil Sie mir auch einiges schulden, Mycroft!“, erwiderte John ernst und verengte seine Augen. „Eine ganze Menge sogar“, setzte er noch hinterher.

„Ich wüsste nicht was das sein sollte, aber da ich ohnehin im Wohnzimmer warten und mit Ihnen reden wollte, werde ich das nun dann tun.“
 

Danach drehte er sich um und ließ die beiden allein.
 

„Sherlock?“, flüsterte John leise und milder gestimmt. Dieser öffnete schwerfällig die Augen und blickte John glasig an. „Ich hab Medikamente hier, die geb ich dir jetzt. Du wirst vermutlich ziemlich müde sein und viel schlafen, ich hoffe, dass es dir hilft.“

Sherlock nickte nur und schloss seine Augen. Er folgte gehorsam Johns Anweisungen, was er gerade nehmen oder schlucken sollte und sank anschließend mit einem tiefen Seufzen wieder ins Kissen. Dem Arzt tat es in der Seele weh ihn so leiden zu sehen. Am liebsten hätte er ihm etwas von seinen Schmerzen abgenommen, aber das konnte er nicht. Er konnte es ihm erträglicher machen, sich um seine Wunden kümmern und hoffen, dass er schnell wieder gesund wurde.
 

Nachdem Sherlock versorgt war, ging John ins Wohnzimmer. Mycroft saß auf Sherlocks Sessel und legte den Kopf schief, als er das Zimmer betrat. Der ältere Holmes musterte ihn, eine Hand auf der Armlehne abgelegt.

„Nun, erleuchten Sie mich, inwiefern schulde ich Ihnen irgendwas?“ Mycroft blickte ihn interessiert an.

„Ich bin nicht so dumm wie Sie glauben. Sie haben Mary geholfen, nicht wahr? Und tun Sie jetzt nicht so, als wüssten Sie nicht wovon ich spreche.“

Mycroft schnaubte nur und wandte den Blick ab, aber nur kurz, dann sah er wieder zu John.

„Und wieso sollte ich das tun?“, hakte er mit einem aufgesetzten Grinsen nach.

„Weil sie allein sicher nicht verschwinden konnte. Sie brauchte eine neue Identität. Ich weiß, dass Sie so was können und Ihnen war es doch nur Recht, dass ich wieder hier einziehe ...“ „Ihnen etwa nicht?“, unterbrach der ältere Holmes ihn unwirsch, da er keine Lust mehr auf dieses Theater hatte. Er stand auf und kam auf John zu. „Geben Sie es zu, Sie sind froh wieder hier zu sein! Dazu bedurfte es nicht mal meiner, Sherlocks in nichts nachstehenden, Deduktionsgabe!“

„Das ist … das tut nichts zur Sache. Mary war … ist schwanger!“

„Darum geht es? Um das Kind?“, stellte Mycroft wenig überrascht fest und hielt dem Blick des Arztes stand.

„Nein … ja … doch. Es ist mein Kind! Natürlich können Sie sich sicher nicht vorstellen, dass ich mein Kind gerne kennengelernt hätte! Sie Eisklotz!“, zischte John jetzt sauer. „Sie haben ihr geholfen und mir somit die Möglichkeit versagt, ein Vater zu sein!“
 

Mycroft blickte ihn einen Moment durchdringend an, dann nahm sein Gesicht fast sanfte Züge an, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde.

„Ich lasse Ihnen das durchgehen, John, da sie in letzter Zeit einiges zu ertragen hatten und sich um meinen verletzten Bruder kümmern“, erklärte er nonchalant und atmete dann durch. „Sie hat sich wirklich an mich gewandt, da sie dachte ich würde ihr helfen. Ich gebe zu, es wäre verlockend gewesen, denn mir ist wirklich ganz Recht, dass Sie hier bei ihm sind. Sie tun ihm gut. Sie halten ihn ein wenig im Zaum, etwas, das nur wenige schaffen. Aber ich habe dankend abgelehnt“, erklärte Mycroft ruhig.

John legte die Stirn in Falten und verengte die Augen. „Sie haben abgelehnt“, wiederholte er dann.

„Richtig John, gut aufgepasst. Natürlich habe ich abgelehnt.“

„Natürlich … Warum?“ Verwirrt blickte John zu dem älteren der Brüder. Das hätte er nun nicht erwartet. Er war der Meinung, dass Mycroft sicherlich sofort die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hätte, um den Aufpasser für seinen Bruder wieder dahin zu befördern, wo er ihn haben wollte.

Mycroft schnaubte. „Was glauben Sie denn, warum? Sie hat auf meinen kleinen Bruder geschossen!“
 

John stand der Mund offen und er schüttelte kurz ungläubig den Kopf. Hatte er richtig gehört?
 

„Ich gebe zu, er ist nervig, aber er ist nun mal mein Bruder. Darüber hinaus … Mutter würde es sicher nicht gefallen, wenn ich der Frau helfe, die auf ihn schoss!“, bestimmte der ältere Holmes entrüstet und atmete genervt durch.

„O-Okay … ich hab nur nicht erwartet, jemals so etwas von Ihnen zu hören.“

„Ich werde jederzeit abstreiten das gesagt zu haben“, versicherte Mycroft und seufzte tief. „So, kommen wir jetzt zum nächsten Thema. Sie haben Fragen betreffend dem, was Sherlock widerfahren ist“, stellte er fest und atmete durch.
 

„Stimmt, die habe ich. Er hatte Striemen, am ganzen Körper. An den Beinen … überall … was ist da genau passiert? Ich meine, das meiste kann ich mir ausmalen, aber ich möchte es wissen.“

„Ich fände es besser, wenn er es Ihnen selbst erzählen würde, aber da ich meinen Bruder kenne und weiß, dass er das nicht tun wird … hier ...“ Mycroft zog etwas aus seiner Manteltasche, von dem John feststellte, dass es eine CD war. „Das Video der Überwachungskamera“, erklärte er leise und hob seinen Kopf etwas an. „Diese … Personen … fanden es wohl wichtig, das Spektakel aufzuzeichnen.“ Seine Stimme hatte einen mehr als verächtlichen Unterton angenommen. John schluckte. Er nahm die CD entgegen und biss sich auf die Unterlippe.
 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ...“ „Es wäre besser, wenn Sie wüssten was Sache ist. Dann wird Sherlock sich dem nicht entziehen können. Es wird es ihm leichter machen, darüber zu sprechen. Das sollte er.“ Mycroft atmete erneut tief durch. „Da ist noch was. Ich wurde noch um einen … Gefallen gebeten.“ Er rollte mit den Augen und sein leises Schnauben sowie der Tonfall machten deutlich, dass er gar keine Lust darauf hatte.

„Einen Gefallen?“

„Ja, den konnte ich nicht ausschlagen.“

„So? Na dann schießen Sie mal los ...“ John machte sich auf alles Mögliche gefasst, aber dann überraschte Mycroft ihn erneut an diesem Abend.

„Mutter bat mich, Sie und Sherlock zu Weihnachten einzuladen“, bestimmte er leise. „So, damit ist wohl mein Soll an Wohltätigkeit für dieses Jahr gedeckt. Ich verabschiede mich. Halten Sie mich auf dem Laufenden, was Sherlock angeht.“
 

Nach diesen Worten war Mycroft auch schon durch die Tür und hinterließ John, dem der Mund offenstand. So hatte der Arzt ihn noch nie erlebt.
 


 

Mycroft lief die Stufen hinunter zur Haustür, trat hinaus und schlüpfte in seine Handschuhe. Es war kalt und ein Blick in den Himmel verriet ihm, dass dieser sternenklar war. Sternenklare Nächte. Romantisch, würde derjenige behaupten, der an der Straßenecke auf ihn wartete. Er ging auf ihn zu.
 

„Romantisch, nicht wahr?“, hakte dieser auch wie auf Kommando nach. Mycroft rollte mit den Augen und stöhnte leise. Hatte er ja gewusst! Er hätte wetten sollen! Doch mit wem? „Ja, ja … Romantik ist was für Idioten, ich weiß. Wie geht es ihm? Und du willst mir immer noch nicht sagen, was passiert ist?“ Besorgt blickte er ihn an. Braune Augen trafen auf Mycrofts blaue. Dieser schüttelte den Kopf. „Nein, es ist erledigt und sein Zustand ist besorgniserregend, wenn man seinem Doktor Glauben schenkt.“

„Und das tust du.“ Es war eine Feststellung und keine Frage. Mycroft hörte den Hauch von Enttäuschung mitschwingen, da er seine andere Frage nicht zufriedenstellend beantwortet hatte, doch er blieb hart.

„Natürlich. Wenn es um Sherlock geht, kann ich ihm vorbehaltlos vertrauen. Das die beiden es einfach nicht erkennen?! Wenn ich mein Gesicht nicht wahren wollte, würde ich es ihnen direkt auf den Kopf zusagen!“, seufzte Mycroft und schüttelte eben diesen.

Sein Gegenüber schnaubte nur und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.

„Wie lange haben wir gebraucht?“

„Zu lange!“, kam prompt die Antwort des älteren Holmes. „Und im Übrigen muss ich feststellen, dass du mich völlig verweichlichst!“ Seine Augen verengten sich gespielt zornig.

„Schwachsinn, ich kehre lediglich deine feminine Seite an die Oberfläche“, kam es frech von dem anderen.

„Das verbitte ich mir! Fem... feminine Seite! Ich werde gerne den Beweis antreten, dass ich so gar nicht feminin bin!“, protestierte Mycroft sogleich und stieg in den dunklen Wagen ein, der auf der Straße parkte. Sein Begleiter lachte nur leise und folgte ihm. Er setzte sich auf den Fahrersitz.

„Ich habe noch etwas Zeit. Zu dir?“ Mycroft blickte fragend.

„Darauf hatte ich gehofft“, stellte der Kleinere fest und griff nach der Hand des anderen. Diese Geste wurde von Mycroft gerne erwidert und er seufzte leise.
 

„Ich mache mir Sorgen um meinen kleinen Bruder“, gestand er ehrlich. Wenn nicht bei ihm, bei wem konnte er dann so ehrlich und offen sein. Sein Partner kannte Seiten an ihm, die kein anderer Mensch auf der Welt kannte und nie kennen würde. Er hatte ihm daher auch direkt berichtet, dass John wieder in der Baker Street wohnte. Dem Kleineren war dann auch klar geworden, warum John den Detektiv seit langer Zeit wieder, zu einem Tatort begleitet hatte.
 

„Das ist doch normal. Es ist in Ordnung. Ich sorge mich sogar, obwohl er mich oft wie einen Fußabtreter behandelt.“

„Mit wem tut er das nicht?“, stellte Mycroft die Gegenfrage.

„Auch wieder wahr. Sag mal … wann sagen wir es den beiden?“

„Bald“, versprach der ältere Bruder und lächelte kurz. Ja, bei ihm konnte er seine Maske fallen lassen. „Weihnachten wäre die perfekte Gelegenheit. Mutter hat Sherlock, John und uns eingeladen. Die beiden werden Augen machen, wenn ich dich mitbringe.“

„Oh Gott, du willst sie wirklich schocken, was?“

„Oh ja … Greg, das hab ich vor“, erwiderte Mycroft leise und grinste ein wenig diabolisch. „Wenn ich schon Farbe bekenne, dass auch ich nur ein Mensch mit Gefühlen bin, dann wenigstens ...“ „Mit einem großen Trommelwirbel und so weiter, schon klar.“
 

Greg beugte sich vor und schüttelte lachend den Kopf, bevor er seinen Partner sanft küsste, dann startete er den Wagen und fuhr los.
 

tbc
 

PS: Das Weihnachtsfest enthalte ich euch natürlich nicht vor … und es hat tierischen Spaß gemacht, das zu schreiben … aber bis dahin, tja, da muss Sherlock erst mal genesen ;)

Unerwartete Nähe

Kapitel 6 – Unerwartete Nähe
 

John sah noch einmal nach Sherlock, bevor er sich an seinen Laptop setzte und diesen hochfuhr. Er wusste noch immer nicht, ob er wirklich sehen wollte was auf dieser CD drauf war. Andererseits hatte Mycroft Recht, von selbst würde Sherlock sicher niemals erzählen, was ihm in den 5 Tagen passiert war.
 

Der Arzt schob also die CD ins Laufwerk, nachdem sein Laptop startklar war und er wünschte sich keine 5 Minuten später, er hätte es nicht getan. Was er sah trieb ihm Tränen in die Augen. Er musste hart schlucken und war versucht auf Pause zu drücken, doch er zwang sich weiter zu schauen. Es war grausam und das alles tat ihm nur aus purer Lust an der Gewalt an. Die wollten gar nichts von ihm. Sie waren einfach nur froh gewesen, ein Opfer zum Quälen zu haben. Okay, vielleicht waren sie auch etwas sauer, dass er sie ausspioniert hatte, aber es war nicht so, dass sie etwas von ihm verlangten. Nein, sie quälten ihn einfach nur gerne und wollten das allem Anschein nach so lange wie möglich durchziehen. Vielleicht, bis ihn wirklich seine Lebensgeister verließen. Es war … grausam. Einfach nur grausam!

John strich sich einige Tränen weg, die über seine Wange liefen und atmete tief durch.
 

„Was … schaust du da …?“, hörte er dann die dunkle Stimme seines Mitbewohners. Der Arzt schrak hoch und klappte den Laptop sofort zu.

„Nichts.“

„Den Tränen nach zu urteilen … sieht das nicht … nach nichts aus ...“, kam es atemlos von dem Jüngeren, der ziemlich viel Kraft aufbringen musste, um sich überhaupt auf Beinen halten zu können.

„Was machst du überhaupt hier?“, lenkte John vom Thema ab.

„Muss … muss aufs Klo ...“ Sherlock schwankte gefährlich und der Ältere war direkt zur Stelle, er stützte seinen Freund und half ihm ins Bad.

„Normale Menschen würden schlafen, nach so einer Dosis Medikamente.“

„Bin … eben nicht … normal“, erwiderte Sherlock und versuchte ein Grinsen, was ihm nur schwerlich gelang.
 

Im Bad angekommen, wollte John wieder hinausgehen, doch Sherlock hielt ihn fest. Mit leicht roten Wangen blickte er ihn verlegen an. Sherlock - verlegen?!

„Du … musst mir helfen … ich pack mich nicht ...“

„Aber die Male davor ging es doch ...“

„Das Fieber … die Schmerzen … die Medikamente … ich hab keine Kraft mehr“, bestimmte der Jüngere und John atmete durch. „Du bist doch Arzt. Du … solltest doch kein Problem damit haben … oder? Falls doch, dann muss ich sehen wie ich klar komme ...“

„Nein, es ist okay … du hast Recht. Halt dich da an der Wand fest“, bat John leise, während er einmal durchatmete und Sherlock dann seine Pants noch unten zog. Er bemühte sich sehr dabei nicht auf den Schritt seines Mitbewohners zu starren und ihn so wenig wie möglich zu berühren. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass ihm irgendwie warm wurde. Er schob es auf die leichte Scham, die er dabei empfand. Es war eben schon … merkwürdig, seinem besten Freund aufs Klo zu helfen, doch trotzdem unabdingbar, das sah sogar John ein.

„Danke …“, murmelte Sherlock leise und nahm mit Johns Hilfe auf der Toilette platz. Es war dem Detektiv sichtlich unangenehm auf so viel Hilfe angewiesen zu sein, doch wenn er sich nicht in die Hose machen wollte, musste er da durch. Im Krankenhaus hätte man ihm vielleicht einen Katheter gelegt, aber hier ging das nicht.
 

Nachdem Sherlock sein Geschäft verrichtet hatte, half John ihm wieder in seine Hose und ins Bett zurück.

„Bleibst du … bei mir?“, hakte Sherlock nach und John schob das alles immer noch auf das Fieber. Normalerweise würde ein Sherlock Holmes ihn nicht um so etwas bitten! Niemals.

„Ich komme gleich. Ist es okay, wenn ich noch meinen Tee austrinke?“, antwortete John leise. Würde der Jüngere nein sagen, würde er den Tee, Tee sein lassen. Doch dieser nickte und kuschelte sich wieder unter die Bettdecke.
 

John verschwand noch einmal im Wohnzimmer. Griff nach seiner Tasse mit Tee. Sein Blick wanderte wieder zum Laptop und er dachte daran, was er da eben gesehen hatte. Nein, Tee war nicht das, was er jetzt brauchte!! John ging in die Küche und nahm sich ein Glas. Kurz darauf füllte er es mit bernsteinfarbener Flüssigkeit und trank einen Schluck davon.
 

Kein Wunder, dass Sherlock Albträume hatte! Verdammt, es war einfach schrecklich und John zog sich der Magen zusammen als er an das dachte, was man seinem Mitbewohner angetan hatte.
 

"Genau ... es war furchtbar und du hast nichts besseres zu tun, als ihm ständig zwischen die Beine zu starren!", fluchte er leise über sich selbst. Er kam sich immer noch sehr schäbig dabei vor.
 

Trotzdem konnte er seinen Körper nur schwer kontrollieren, in dieser Hinsicht. Er war doch nicht mal schwul! Er hatte nie Probleme damit gehabt mit Frauen zu schlafen oder andere Männer attraktiv gefunden. Wobei ... das ein oder andere Mal in der Armee ...

John biss sich unsicher auf die Unterlippe. Nun, zumindest musste er ja bi sein. Na fabelhaft! Jetzt musste er sich nicht nur mit seinem verlorenen Kind auseinandersetzen und damit dass ihn seine Frau verlassen hatte, sondern auch mit seiner sexuellen Orientierung. War es das was man Midlifecrisis nannte? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Er und sein Leben waren schon ziemlich verkorkst.
 

Während seiner Dienstzeit hatte er es darauf geschoben, dass er einfach sexuell frustriert und keine Frauen in der Nähe waren. Aber zur Zeit? Er könnte jeder Zeit los ziehen, flirten und eine Affäre haben ... doch das wollte er gar nicht. Er wollte etwas festes, eine erwachsene Beziehung und keine wöchentlich wechselnden Betthäschen. Dem war er entwachsen, als er Mary kennengelernt hatte. Doch dann war Sherlock wieder gekommen und das Unheil hatte seinen Lauf genommen.
 

Ein leises, gequältes Stöhnen drang an sein Ohr. John leerte sein Glas, löschte das Licht und eilte dann in Sherlocks Schlafzimmer.
 

Dieser wandte sich im Schlaf und John ließ sich auf der freien Betthälfte nieder. Er strich ihm sanft über die Stirn und versuchte ihn etwas zu beruhigen.

"Sherlock, ich bin hier. Es ist alles gut. Nur ein Traum", flüsterte John leise. Sein Mitbewohner fühlte sich immer noch heiß an. Das Fieber konnte noch nicht weit gefallen sein, wenn überhaupt.
 

John japste überraschend nach Luft, als zwei Arme sich um ihn schlangen. Ein gemurmeltes "John ..." drang an sein Ohr und der Jüngere schmiegte sich im Halbschlaf und Fieberwahn fest an ihn, doch es schien dem Jüngeren gut zu tun, denn er beruhigte sich langsam wieder. John ergab sich stöhnend in sein Schicksal und hielt ihn einfach nur fest.

"Es ist gut. Ich bin hier und bleib bei dir."

"Danke ... ich ... liebe dich John, weißt du das?"
 

Johns Augen weiteten sich und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Hatte er das richtig vernommen? Aber Sherlock hatte Fieber, sehr hoch! Unter normalen Umständen hätte er niemals so etwas gesagt. John schluckte und er musste zugeben, dass diese Worte ein angenehmes Gefühl bei ihm hinterließen. Dennoch, sicher hatte Sherlock das nicht so gemeint. Sicher liebte er ihn, wie man eben einen besten Freund liebte oder seinen Bruder. John zog die Stirn kraus, als er an Mycroft dachte und konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Nein, nicht wie einen Bruder! Zumindest nicht in Sherlocks Fall.
 

Der Jüngere schlief und wirkte entspannt, seit er in seiner Nähe lag und John rutschte jetzt in eine bequemere Position. Was brachte es noch mit seinem Schicksal zu hadern? Er konnte nicht leugnen, dass auch er sich in Sherlocks Nähe wohlfühlte.
 

Während er weiter darüber grübelte, ob er nun schwul, bi oder hetero war, strich er gedankenverloren durch Sherlocks dunkelbraune Locken, die leicht feucht waren. Natürlich, der Jüngere schwitze und hatte starkes Fieber. Trotzdem empfand der Ältere das hier selbst gerade als entspannend und er fühlte sich das erste Mal ein wenig besser, seit er wieder hierher zurück in die Baker Street gekehrt war. Das Schlimmste an der Sache mit Mary war einfach, dass er geglaubt hatte sie zu kennen, sie zu lieben … doch sie hatte das mit ihrem Handeln zerstört. Die Liebe, das Vertrauen. Es war weg und er hatte es nicht wieder aufbauen können.
 

Komisch, Sherlock konnte wirklich tun was er wollte, ihm hatte er immer verziehen. Manchmal hatte er etwas länger gebraucht, manchmal war schon binnen Sekunden alles wieder normal zwischen ihnen gewesen. Für ihn hatte er sogar diesen dämlichen Schnurrbart abrasiert. Zwar hatte er es damals nicht zugegeben, aber es war so. Sherlock hatte sich spöttisch darüber geäußert und sein Entschluss war gefasst gewesen. Das Ding musste weg. Da hatte es nicht noch Marys Reaktion bedurft. Er war sich sicher, er hätte ihn sogar abrasiert, wenn er ihr gefallen hätte.
 

John seufzte leise. Egal wie man es drehte. Sherlock war schon immer Mittelpunkt seines Lebens gewesen und würde es bleiben. Für andere war da auch einfach kein Platz. Der Detektiv vereinnahmte einen gänzlich.
 

Über diese ganzen Gedanken schlief John irgendwann mitten in der Nacht ein.
 

Als er am nächsten aufwachte, spürte er als erstes Hitze. Unglaubliche Hitze! Er schwitzte an jeder erdenklichen Stelle seines Körpers. Sein Hemd klebte feucht an seinem Oberkörper und er war sich sicher, dass er das T-Shirt darunter auswringen konnte. Dann erst wurde ihm der Grund für diese Hitze bewusst. Sherlock. Dieser lag an seinem Rücken, die Arme um und Beine fest um ihn geschlungen. Sein Gesicht ruhte in Johns Nacken und er konnte den leichten Atem des Jüngeren spüren, der ganz sacht gegen die Härchen seines Haaransatzes stieß.
 

John atmete durch und schloss wieder seine Augen. Was sollte er tun, wenn er sich jetzt regte würde er Sherlock aufwecken und ohne ihn zu wecken konnte er unmöglich der Umklammerung entfliehen. Ob es dem Jüngeren peinlich war, wenn er aufwachte und sah, dass er körperlichen Kontakt nicht nur zugelassen, sondern sogar gesucht hatte?
 

Sherlock bewegte sich etwas, vielleicht die Chance zu entkommen, doch er musste resigniert feststellen, dass er ihn nur noch dichter an sich zog. Ein leises, genüssliches Schmatzen war zu hören und John schob grinsend eine Augenbraue hoch. Im Schlaf wirkte Sherlock so menschlich. Der Arzt begann das langsam zu genießen, wenn er ehrlich war.
 

„Willst du aufstehen?“, durchschnitt dann Sherlocks dunkle, schlaftrunkene Stimme seine Gedanken und John riss die Augen auf.

„Du … du bist … wach?“, seine Stimme klang heller, als sie eigentlich war, was seine Überraschung und seinen Schock zum Ausdruck brachte.

„Natürlich, sonst könnte ich wohl kaum mit dir reden“, erwiderte der Detektiv nonchalant und gab ein leises Schnauben von sich, das heiß in Johns Nacken blies. Dieser schluckte hart und versuchte die aufkommende Erregung niederzukämpfen, die dadurch verursacht wurde.

„Warum …?“

„Warum was, John?“

„Du … umarmst mich.“

„Brillant, wie hast du das nur festgestellt?“

„Dir geht es offensichtlich besser, wenn du wieder so zynisch sein kannst.“

„Ein wenig, ja. Dank dir.“

„Dank den Medikamenten“, korrigierte John leise.

„Nein. Na ja, zugegeben sie werden schon eine Rolle gespielt haben, aber du hast dich um meine Wunden gekümmert, mich versorgt und jetzt bist du hier. Bei mir.“

„Das hast du wirklich haarscharf erkannt.“

„Also, was ist, willst du aufstehen?“

„Ich ...“, begann John und seine Wangen färbten sich leicht rot. „Es wäre wohl besser, ich bin völlig verschwitzt und brauche eine Dusche.“ 'Eine eiskalte!', setzte er in Gedanken hinterher.

„Du riechst noch gut“, seufzte Sherlock, der kurz Luft einsog, da er an ihm schnupperte. „Im Gegensatz zu mir.“
 

Noch immer hatte der Jüngere ihn nicht losgelassen. Was machte er da nur? John sollte die Gelegenheit beim Schopfe packen und aus dem Bett fliehen. Kalt duschen und wieder etwas runterkommen, doch stattdessen ließ er es zu, dass Sherlock ihn weiterhin festhielt. Er konnte nicht aufstehen. Zu sehr genoss er das hier gerade.
 

„Hab … schon Schlimmeres … gerochen“, kam es leise und mit rauer Stimme von John.

„Hmhm … trotzdem, ich muss mich dringend waschen.“

„Wenn du wieder etwas genesen bist.“

„Ein Bad wäre gut. Hilfst du mir dabei? Du könntest mich waschen.“

„Sherlock!“
 

Er hörte ein leises, dunkles Lachen hinter sich.

„Ich sollte noch einmal dein Fieber messen, du scheinst immer noch nicht bei klarem Verstand zu sein“, jetzt wandte sich John aus der Umarmung oder versuchte es zumindest, doch nachdem er spürte, dass Sherlock ihn mit seiner letzten Kraft festhielt, gab er es auf. Er wollte ihn nicht noch weiter auslaugen.

„Ich habe noch Fieber, keine Frage, aber es ist lange nicht mehr so schlimm wie gestern. Ich kann wieder etwas besser denken.“

„Für mich sieht das aber gerade nicht so aus!“
 

Wieder dieses dunkle Lachen und dann drehte Sherlock sich auf den Rücken. Ließ John los und ein grausames Gefühl von Verlust stieg in dem ehemaligen Soldaten auf. Er kämpfte es nieder und richtete sich auf. Der Jüngere hatte einen Unterarm über seine Augen gelegt, dann drehte er John den Rücken zu und kuschelte sich wieder fröstelnd unter die Bettdecke. Ja, Fieber hatte Sherlock immer noch. Sicher war er auch nur deshalb so anhänglich gewesen. Unter normalen Umständen würde der Jüngere sich so etwas doch nie hingeben, oder?
 

Wobei man ja sagte, Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit … war das auch so, wenn man Fieber hatte?
 

John schob auch diese Gedanken wieder in weite Ferne und richtete sich auf.

„Du musst deine Medikamente noch nehmen“, sagte er mit, wie er hoffte, fester Stimme und ging um das Bett herum. Er dosierte alles und stellte es auf Sherlocks Nachttisch. „Ich hol dir noch ein Wasser“, bestimmte er und ging dann in die Küche.
 

Nachdem Sherlock versorgt war, ging John ins Bad. Er brauchte jetzt wirklich eine Dusche und etwas Abstand. Mit der plötzlichen Nähe und Anhänglichkeit von Sherlock konnte er momentan nicht umgehen. Nicht, da seine eigenen Gefühle nicht mal annähernd geklärt waren!
 

tbc

John's Erkenntnis

Kapitel 7 - John's Erkenntnis
 

John verschwand anschließend im Bad und lehnte sich erst einmal innen gegen die Tür. Was war da eben passiert? Sherlock war so offen gewesen wie nie zuvor. Ja, dass der Jüngere sehr wohl Gefühle hatte und kein eiskalter Bastard war, das wusste John. Hatte oft genug selbst erlebt, wie er reagierte, wenn es um Menschen ging, die ihm nahe standen. Sogar Mycroft wurde von Sherlock nicht im Stich gelassen, wenn er irgendwas brauchte. Zwar tat der jüngere Holmes sein Missfallen stets kund, löste dann aber doch Mycrofts Fälle oder trug zur Lösung bei, in dem er die nötigen Infos zusammentrug.
 

Dieses Mal verfluchte John Mycroft allerdings dafür. Deshalb war Sherlock verletzt, litt an Fieber und hatte starke Schmerzen. Das hatte er nicht verdient. Das was man ihm angetan hatte, hatte er nicht verdient. Nein, das war falsch … so etwas hatte niemand verdient!
 

Der Arzt stieß sich vom Türrahmen ab und entkleidete sich. Dann stieg er unter die Dusche. John schloss die Augen und lehnte sich mit den Armen gegen die geflieste Wand. Er versuchte es mit kaltem Wasser, doch das gab er nach einigen Sekunden schon auf. Zu grausam! Warum quälte er sich so?! Seine Erregung war doch gar nicht mehr so groß. Ein Blick nach unten belehrte ihn eines besseren. „Verräter“, flüsterte John leise und warf den Gedanken über Bord, anständig zu sein und drehte das Wasser auf eine angenehme Temperatur. Seine Rechte schloss sich um seinen Halbsteifen, der von alleine sicher nicht wieder die Lust verlor und begann sich massieren. Erst langsam umd John versuchte an Frauen zu denken. Ein Versuch war es ja wert. Es erregte ihn zwar, aber es reichte nicht aus, um ihn über die Klippe zu bringen. Nein, es funktionierte nicht.

„Verdammt, verdammt, verdammt ...“, fluchte er leise und konnte nicht verhindern, dass sich wieder Sherlocks Schritt in die anzüglichen Gedanken über nicht bekleidete Damen mischte.

Sherlock, wie er sich an ihn gepresst hatte.

Sherlock, wie er in seinen Nacken geatmet hatte. Er spürte es so deutlich, als würde er immer noch hinter ihm stehen. Erschrocken drehte John sich um. Erleichtert atmete er aus. Er war allein.
 

Während er weiter seine jetzt stattliche Erektion pumpte, mit dem Daumen die Eichel reizte und sich anzüglichen Fantasien über seinen Freund hingab, stöhnte er immer wieder leise auf. Leise genug, dass man es nicht im Schlafzimmer hören würde, hoffte er, denn die Kontrolle über sich und seinen Körper hatte er längst aufgegeben. Er ließ seiner Lust freien Lauf, gab sich seinen Gefühlen hin und kam nach wenigen Minuten. Sein Samen rann über seine Hand, vermischte sich mit Wasser und verschwand im Ausguss.
 

„Scheiße … ich bin am Arsch … so was von ...“, flüsterte er sich selbst zu. Er stand auf Sherlock. Ganz klar. Er konnte es nicht länger verleugnen. Es waren alle Anzeichen da. Er konnte sich sogar mit Fantasien über den Detektiv einen runter holen und es hatte ihm gefallen. Allerdings hatte er auch ein schlechtes Gewissen und schämte sich etwas. Sherlock lag im Schlafzimmer, war krank und so zerbrechlich und was trieb er?!

Nein, ihm war ganz klar nicht mehr zu helfen! Aber Sherlock machte es ihm, obwohl so unfit, nicht gerade leicht ihm zu widerstehen.
 

Nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, ging er in die Küche, machte Tee und eine leichte Hühnersuppe für Sherlock. Dann betrat er wieder das Schlafzimmer. Es war mittlerweile Mittag und er hoffte, dass der Jüngere immerhin ein paar Löffel aß.
 

„Geht es dir jetzt besser?“, hakte der Jüngere nach, der sich in eine sitzende Position brachte, als John das Schlafzimmer betrat.

Ertappt blieb John mit dem Tablett in der Hand stehen. Hatte er etwa doch was gehört? War sein Stöhnen doch zu laut gewesen? Ein leichter Rothauch legte sich auf seine Wangen.

„Was meinst du?“, wollte er unschuldig wissen.

„Na, die Dusche. Man sagt doch immer, hinterher fühlt man sich wie ein neuer Mensch. Was natürlich totaler Nonsens ist, man fühlt sich vielleicht erfrischt, aber nicht mehr. Außerdem lässt die Wirkung einer ausgiebigen Dusche schon binnen weniger Minuten nach und man fühlt sich wieder wie vorher, also überhaupt nicht neu. Diese ganzen Sprichwörter und Redewendungen …“ Sherlock seufzte und schüttelte den Kopf.

„Ja. Die Dusche hat gut getan“, gestand John und atmete erleichtert auf. Doch nicht erwischt!

„Gut, hörte sich auch so an.“
 

Wieder blieb John stehen und seine Gesichtsfarbe nahm ein ungesundes Rot an. Er schluckte und wandte den Blick von seinem besten Freund ab. Über Sherlocks Mundwinkel zuckte für den Bruchteil einer Sekunde der Anflug eines Lächelns, war aber schon verschwunden, als John sich wieder ihm widmete und sich scheinbar wieder etwas besser im Griff hatte.

„Tut mir leid, dass du mich gehört hast“, entschuldigte er sich leise, höflichkeitshalber. So war John eben. Höflich. Anständig. Zuvorkommend.

„Hab ich nicht, aber deine Reaktion zeigt mir, dass du genau das getan hast, von dem du wolltest, dass ich es nicht erfahre oder höre. Du bist so leicht zu durchschauen“, erklärte der Jüngere und musste jetzt doch leise lachen.

„Na danke auch!“, zischte John ärgerlich. Stellte das Tablett auf Sherlocks Bett. „Bedien dich!“

„Hey, kein Grund beleidigt zu sein. Wenn du es genau wissen willst, ich habe es auch genossen mit dir zu kuscheln“, rief Sherlock ihm stichelnd nach, als der Ältere wieder ins Wohnzimmer ging.
 

Da hatte er es. Für Sherlock war das ganze ein Spaß. Sicher war ihm langweilig. Nur im Bett liegen war definitiv langweilig für Sherlock, aber da er sich aufgrund seiner momentanen, körperlichen Verfassung außer Stande sah irgendwas zu unternehmen, schien er John als neustes Versuchsobjekt zu sehen. Es machte John irgendwie sauer, aber er würde es wie immer runter schlucken und ertragen. Wie er fast alles ertrug, was Sherlock tat.
 

Dann jedoch kam ihm wieder etwas in den Sinn. Die Augäpfel. Sherlock hatte sie für ihn extra in einen Topf geräumt und ins Gemüsefach gestellt, damit er sich nicht ständig den Körperteilen gegenüber sah, wenn er den Kühlschrank öffnete. Er selbst hatte sie schon am ersten Tag von Sherlocks Verschwinden in die Gefriertruhe getan, damit sie für ihn erhalten blieben.

Das Wichtigste daran war aber, dass er ihn nicht hatte darum bitten müssen. Sherlock hatte es von sich aus getan, weil er wusste, dass John es nicht mochte. John kam das laszive Essen der Pizza wieder in den Sinn, ob er das auch extra gemacht hatte? Andererseits, nein, das wollte er ihm nicht unterstellen. Schließlich war Sherlock da noch nicht langweilig gewesen. Oder doch?
 

Verdammt, der Jüngere war oft so schwer zu durchschauen und er selbst konnte nun mal nicht binnen Sekunden deduzieren was jemand gerade extra tat und was nicht. Oder was jemand getan hatte.
 

„John!“, rief Sherlock aus dem Schlafzimmer heraus.

„Ja?!“, kam es ein wenig zu gereizt zurück.

„Bei der Suppe fehlt der Löffel!“, merkte Sherlock tadelnd an.

„Oh ja, du bist ganz sicher wieder auf dem Wege der Besserung! Dann sei kreativ und trink sie!“, gab er sauer zurück und ließ sich auf seinen Sessel fallen. Nein, er würde jetzt ganz sicher nicht wieder zu ihm ins Schlafzimmer gehen.

„Jooooohn!“

„Was denn noch?!“

„Die Suppe ist zu fad, bring Salz mit, wenn du mir den Löffel holst.“

„Ach, hols dir doch selbst!“, zischte John sauer, sprang dann aber auf und ging in die Küche. Warum tat er das? Warum ließ er sich von Sherlock immer so reizen? Oder war er einfach sauer auf sich selbst und seine gar nicht freundschaftlichen Gefühle, die sich da entwickelt hatten?
 

Er kramte lautstark und immer noch schimpfend, dass er doch nicht das Dienstmädchen war, in der Besteckschublade herum, schnitt sich dabei auch zu allem Übel noch an einem Messer und ging laut fluchend zurück ins Schlafzimmer. Mit dem Salzstreuer und dem Löffel in einer Hand und dem verletzten Finger im Mund, blieb er wieder stehen.
 

Sherlock hatte seine Suppe bereits verspeist und ein Löffel lag auch neben dem Teller. Johns Blick verdüsterte sich.

„Was soll der Mist?“

„Es war eine gute Möglichkeit dich wiederzusehen.“

„Du willst mich absichtlich auf die Palme bringen, was?“

„Mir ist langweilig John!“, bestimmte Sherlock leise und blickte John hilfesuchend an.

„Langweilig?“, wiederholte der Ältere und lachte bitter. „Warte, ich kümmere mich umgehend darum.“
 

John schnappte sich das Tablett, brachte es in die Küche und kehrte kurze Zeit später mit einem Stapel Bücher zurück.

„Hier, lies ein Buch! Ich brauche frische Luft!“, bestimmte John. „Dir scheint es ja wirklich wieder besser zu gehen, also muss ich ja nicht jede Minute an deinem Bett verbringen!“
 

Kurz darauf hörte Sherlock, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.
 

Ein leichtes, man könnte sogar sagen, diabolisches Grinsen schlich sich auf seine Züge. Oh ja, er hatte John wirklich aus dem Konzept gebracht. Das war ihm klar und auch beabsichtigt. Hatte er noch vor seiner Misshandlung geglaubt, er könnte mit seinen verborgenen und geheimen Gefühlen und Sehnsüchten leben, war er eines besseren belehrt worden. Er war in diesen 5 Tagen regelrecht durch die Hölle gegangen. Es hatte sich angefühlt, wie eine Ewigkeit, bis Mycrofts Leute ihn dort herausgeholt hatten. Doch dann endlich die Erlösung. Die Rettung und er hatte nur noch eins gewollt. Zu John. Zu seinem John. John, für den er in diesen Tagen gekämpft hatte! Er hatte sich geschworen, wenn er seinen Peinigern lebend entkam, dann würde er alles daran setzen und herausfinden, ob John diese Gefühle erwiderte.
 

Obwohl er ziemlich geschwächt und von allem sehr mitgenommen war, hatte er schon den Blick des Arztes auf seinen Schritt gesehen, als dieser ihn versorgt hatte. Er war schließlich ein Meister im Beobachten, selbst in einer solchen Situation. Johns Reaktion war ihm auch nicht verborgen geblieben, als dieser ihm auf die Toilette geholfen hatte. Wobei, das wirklich nicht so geplant gewesen war. Ihm wäre es lieber gewesen, John hätte nicht bei dieser doch sehr privaten Angelegenheit helfen müssen. Doch er hatte das Beste daraus gemacht und weitere Indizien gesammelt. Obwohl es seinen Körper schwächte war das Fieber die perfekte Tarnung für seinen Plan gewesen. Okay, er war wirklich ein wenig umnebelt, als er John gesagt hatte, dass er ihn liebte. Es war einfach so über ihn gekommen. Doch dann hatte er sich an ihn geschmiegt, hatte es genossen den Älteren an sich zu spüren und seinen Geruch wahrzunehmen.
 

Selbstverständlich war ihm das Zucken seines Freundes nicht entgangen, als er die drei magischen Worte ausgesprochen hatte. Er verzog verächtlich das Gesicht. Romantik! Nein, romantisch würde er sicher niemals werden und er würde ein „Ich liebe dich“ sicher auch nicht mehr als einmal im Jahr über seine Lippen bringen, aber es hatte seine Wirkung auf John zumindest nicht verfehlt.
 

Und dann das erneute, ertappte Zucken, als John bemerkt hatte, dass er wach war … es war köstlich gewesen. Es hatte Sherlock schon Spaß gemacht den Älteren zu provozieren und aus der Reserve zu locken.
 

Eines jedoch stimmte wirklich. Er hatte nicht gehört, was John unter der Dusche trieb, doch die leicht roten Wangen und der nervöse Blick, als dieser sein Zimmer betreten hatte, waren Beweis genug. Dann noch eine kurze Bemerkung, um ihn aus dem Konzept zu bringen und schon hatte er John da, wo er ihn hatte haben wollen. Es war brillant und gleichzeitig so einfach gewesen.

Jetzt war John etwas eingeschnappt, doch das würde sich schnell wieder legen. Da war Sherlock sich sicher.
 

Müde gähnte er und warf einen Blick auf die Uhr. Keine Stunde würde er weg sein! Ganz sicher nicht. John würde es nicht übers Herz bringen seinen kranken und momentan hilfsbedürftigen Freund sich so lange sich selbst überlassen!
 

Wie sehr Sherlock sich in diesem Fall irrte, sollte er jedoch bald bemerken.
 

tbc

Geständnis

Kapitel 8 - Geständnis
 

Sherlock wartete und wartete, doch John kam weder nach einer, noch nach zwei Stunden zurück. Mittlerweile war er wieder hundemüde, sein geschundener Körper forderte seinen Tribut und nicht mal er war im Stande sich dagegen zu wehren. Außerdem kamen die Schmerzen langsam wieder. Einige der leichteren Wunden waren bereits recht gut verheilt, aber die, die sich entzündet hatten schmerzten ungemein. Brannten wie Feuer und erinnerten ihn daran, was er alles durchlebt hatte.
 

Nach einer weiteren halben Stunde konnte Sherlock seine Augen nicht mehr offen halten. Er hatte gekämpft, aber verloren. Er schlief müde ein und erwachte auch erst gute 3 Stunden später wieder aus einem der üblichen Albträume, die er seit diesem Vorfall jedes Mal hatte. Ob sie ihn je in Ruhe lassen würden? Momentan war er nicht in der Lage daran zu glauben. Wäre er nicht so fertig gewesen, hätte er sicher versucht gar nicht mehr zu schlafen.
 

Er rappelte sich auf, denn er musste jetzt einigen, menschlichen Bedürfnissen nachgehen. Erst einmal zur Toilette, das war das Dringendste. Dann etwas Wasser aus der Küche holen und seinen Durst stillen und anschließend brauchte er seine Medikamente, denn die Schmerzen waren wieder schlimmer geworden und das Fieber schien auch wieder gestiegen zu sein.
 

Müde kämpfte er sich zum Bad, das zum Glück nicht weit von seinem Zimmer entfernt war und erledigte das Erste. Es kostete ihn nicht nur doppelt so viel Zeit wie unter normalen Umständen, es erforderte auch einiges an Kraft, die er momentan kaum besaß.
 

Verdammt, wo steckte John, wenn man ihn brauchte?! Schmollte der etwa immer noch?

Sherlock wagte einen Blick in den Spiegel und verzog ein wenig erschrocken über seinen Anblick das Gesicht. Er sah furchtbar aus. Seine Wangen waren noch leicht geschwollen, schimmerten in einem verblassenden Grün und er hatte einen leichten Bartansatz. Grauenhaft!! Seine klebrigen Haare mussten auch dringend gewaschen werden und ein kurzer Achselcheck ließ ihn angewidert das Gesicht verziehen. „Igitt … ich stinke und sehe scheiße aus!“, stellte er brutal einfach fest und atmete tief durch. Am liebsten hätte er diesen Umstand gleich behoben, doch das war ihm nicht möglich. Dazu fehlte ihm einfach die Kraft. Mit Johns Hilfe hätte er es vielleicht geschafft, aber der war ja nicht da!
 

Sherlock kämpfte sich noch in die Küche, wo allerdings seine Beine dann völlig versagten. Oder war es sein Kreislauf, weil er sich nach der Flasche mit Wasser gebückt hatte? Er sank auf den Boden, nicht fähig sich wieder aufzurichten. Er war müde und hatte Schmerzen. Wo steckte John?!

Warum ließ dieser ihn in diesem Zustand alleine?! Wie konnte sein Freund ihm das antun?! So fies war er jetzt auch nicht gewesen, oder doch? Vielleicht sollte er auch einfach Klartext reden und ihn nicht so an der Nase herumführen oder provozieren …
 

Mit jeder Minute die verstrich schienen seine Schmerzen größer zu werden und er stöhnte hin und wieder leise. Er hatte schon versucht sich wieder aufzurichten, aber seine Beine wollten ihn momentan nicht tragen oder konnten es vielmehr nicht. Der Schmerz trieb ihm schon die Tränen in die Augen und er war sicherlich nicht zimperlich, aber er wäre jetzt doch froh, wenn er etwas dagegen einnehmen könnte. Nicht mal sein Handy hatte er am Mann.
 

Er hatte es auch schon mit Rufen versucht, aber es hatte niemand reagiert. Vielleicht war er auch nicht laut genug, dass wenigstens Mrs. Hudson ihn hörte. Er wusste es nicht.
 

Das Frösteln nahm wieder zu, obwohl sein Shirt vom Schweiß an seinem Körper klebte. Verdammtes Fieber! Okay, Fieber war vielleicht eine gute Tarnung für sein Handeln, aber das war auch schon alles.
 

„Sherlock! Was machst du da?!“, hörte er dann Johns vertraute Stimme und der Ältere stürmte gleich auf ihn zu.

„Wasser … holen ...“, gab er leise zurück und versuchte John etwas entgegen zu kommen, als dieser ihn hoch stemmte, was weder John noch ihm leicht fiel.

„Warum hast du mich denn nicht angerufen? Ich hätte es dir doch gebracht!“, tadelte John ihn und bugsierte ihn wieder zu seinem Bett zurück.

„Mein Handy …“ „Lag auf dem Nachttisch. Mit einer Nachricht, dass du dich melden sollst, weil Mrs. Hudson mich zum Tee eingeladen hat!“, erklärte John streng und seufzte schwer. „Ich bin schon vor knapp 2 Stunden heimgekommen, aber da du geschlafen hast, wollte ich dich nicht wecken. Die Ruhe tut dir gut, die brauchst du.“
 

John griff nach den Medikamenten und dosierte sie erneut, damit Sherlock etwas einnehmen konnte. „Du glühst schon wieder“, gab er besorgt von sich.

„Und ich sehe … aus … als wollte ich mich … meinem Netzwerk anschließen … und ich stinke!“, murmelte Sherlock verdrossen.

„Sag nicht, du wirst plötzlich eitel“, neckte John ihn und half ihm dabei noch etwas zu trinken. „Es wird gleich besser werden, wenn die Schmerzmittel wirken“, versprach der Ältere leise und Sherlock nickte nur.

„Macht es dir nichts aus? Dass ich … mich in diesem desolaten Zustand befinde?“

„Nein, macht es nicht. Ich war im Krieg, schon vergessen? Bin einiges gewohnt. Ruh dich aus, ich bin im Wohnzimmer, wenn etwas ist.“

„Okay ...“, seufzte Sherlock nur, erleichtert, dass er wieder im Bett lag. Er brauchte nicht lange und er schlief auch schon wieder ein.
 

John sah nach einigen Minuten wieder nach ihm und setzte sich zu ihm ans Bett. Er beobachtete seinen schlafenden Freund und seufzte schwer. Er wurde nicht schlau aus Sherlock. Empfand er jetzt wirklich etwas oder nicht? Wollte er ihn nur provozieren und aus der Reserve locken oder war da mehr? Oder war es einfach nur das Fieber? Er hatte keinen blassen Schimmer, aber er würde es noch herausfinden. Allerdings erst, wenn Sherlock gesund war. Momentan und mit dem Fieber, da wusste er einfach nicht, wie er ihn einschätzen sollte.
 

Er war wirklich am Nachmittag spazieren gewesen, hatte etwas frische Luft geschnappt und ihm war klar geworden, dass er sich verliebt hatte. Er sah sich auch außer Stande etwas gegen diese Gefühle zu unternehmen. Er war machtlos. Obwohl er erst vor kurzer Zeit Mary verloren hatte, wobei wirkliche Gefühle für sie hatte er da schon nicht mehr gehabt. Die waren mit der Erkenntnis gestorben, dass sie Sherlock angeschossen hatte. Grund hin oder her, wenn jemand Sherlock etwas antat oder antun wollte, dann würde er das nicht dulden. Für den Rest seines Lebens.

Als dieser Gedanke von ihm Besitz ergriffen hatte, sah er endlich was alle anderen um sie herum schon immer gesehen hatten. Ihn und Sherlock verband so viel mehr, als das bloße miteinander Wohnen und eine gefestigte Freundschaft. Schon von Anfang an. Er hatte ohne mit der Wimper zu zucken den Taxifahrer erschossen, der Shelrock versucht hatte aus der Reserve zu locken. Dabei hatte er ihn da erst einige Stunden gekannt!!

Es fiel John wie Schuppen von den Augen! Allerdings waren das seine Gefühle. Wie stand Sherlock zu ihm? Das musste er erst noch herausfinden.
 

Recht spät am Abend legte John sich schlafen. Wie die Tage zuvor zu seinem Freund, weil er es ihm versprochen hatte.
 

Die Tage vergingen, John umsorgte Sherlock dem es mit jedem Tag etwas besser ging. Körperlich zumindest. Seine Launen entwickelten sich dafür in die andere Richtung. Sherlock hatte nach drei weiteren Tagen einfach keine Lust mehr gehabt im Bett zu liegen und Lestrade eine SMS geschickt ob dieser nicht einen Fall für ihn hatte. Der hatte aber abgelehnt, mit der Begründung er solle erst einmal genesen! Sherlock hatte ihn lautstark verflucht, hatte John angeherrscht und gefragt, ob vielleicht jemand etwas auf seinem Blog hinterlassen hätte, doch da John diesen in den letzten Monaten so sträflich vernachlässigt hatte, war auch dort nichts zu finden gewesen. Klienten standen auch keine vor der Tür, kurzum … Sherlock war langweilig!
 

John sah bösen Zeiten entgegen und überlegte, ob er seinen Arbeitgeber doch noch einmal anfragte, ob er nicht die ein oder andere Schicht annehmen könne, nur um den bösen Schimpftiraden des Detektives zu entgehen.
 

„Ich hab noch deine Augäpfel … hatte sie eingefroren, falls du dich damit beschäftigen willst“, schlug John, als er Sherlock gerade eine Tasse Tee reichte.

„Was soll das bringen, John?! Sie sind gefroren!“

„Ja, aber vielleicht gibt es ja ein Experiment, für das du gefrorene Augäpfel brauchst ...“

„Nein“, kam es kühl und einsilbig von Sherlock und John atmete tief durch. In solchen Momenten fragte er sich, wie es hatte passieren können, dass er sich ausgerechnet in ihn verliebt hatte. Doch dann fielen ihm viele Kleinigkeiten auf, Äußerlichkeiten und Gesten. Er rief sich Sherlocks Lächeln in Erinnerung und er wusste, dass es nur eine Laune war. Er müsste ihn nur in Ruhe lassen und sie würde vorbei gehen. Wie immer.
 

„Wieso hast du sie überhaupt eingefroren?“, hakte Sherlock nach.

„Weil ich keine Lust hatte, dass sie irgendwann zu verwesen beginnen. Gekühlt hin oder her, ich wusste ja nicht wie lange du noch ausgeknockt bist“, antwortete John schlicht.

„Schon, aber ich meinte eher … du hättest sie entsorgen können. Ich weiß, dass du es nicht magst. Du beschwerst dich ständig!“

„Warum hast du sie in einen Topf ins Gemüsefach geräumt?“, konterte John mit einer Gegenfrage und grinste innerlich, als Sherlock der Mund aufklappte und er scheinbar überlegte, was er antworten sollte.

„Einfach so.“

„Natürlich. Weil du ja so vieles 'einfach so' tust. Veralbern kann ich mich selbst!“, erwiderte John.

„Na schön, ich wollte dir damit einen Gefallen tun. Ist das jetzt verboten?! Dann leg ich den nächsten Kopf einfach so hinein, ist dir das lieber?!“, knurrte Sherlock und trank den Tee, den er von John bekommen hatte.

„Siehst du, damit hättest du auch die Antwort auf deine Frage. Ich wollte dir auch einen Gefallen tun.“
 

John schnappte sich das Buch, das er am Morgen begonnen hatte zu lesen, aber bei dem er nicht über die ersten 10 Seiten hinweg gekommen war, weil Sherlock lautfluchend durch die Wohnung gelaufen war.

„Du solltest dich noch etwas ausruhen.“

„Ich bin topfit!“

„Nein, bist du nicht und das weißt du. Dir ist bloß langweilig. Bis gestern Abend hattest du noch Fieber … die Albträume haben immer noch nicht nachgelassen ...“ John senkte sein Buch wieder. „Willst du darüber reden?“

„Über was?!“ Giftiger als beabsichtigt kamen die Worte über Sherlocks Lippen.

„Was dir passiert ist. Es würde dir vielleicht helfen, von diesen Träumen Abstand zu nehmen.“

„Nein!“

„Es wäre mir lieber, wenn ...“ „Es geht dich nichts an. Du hast gesehen wie ich aussah. Du kannst dir sicher vorstellen, was mir widerfahren ist!“
 

John überlegte, ob es klug war zu gestehen, dass er es gesehen hatte. Entschied sich dann aber für die Offensive. Konnte schiefgehen, musste aber nicht.

„Ich muss es mir nicht vorstellen. Mycroft … er gab mir eine CD mit Videos. Diese Schweine haben es aufgezeichnet“, erklärte John leise und etwas nervös. Er wusste nicht wie Sherlock auf diese Erkenntnis reagieren würde. Im ersten Moment geschah nichts und John war sich nicht mal sicher, ob der Jüngere ihm überhaupt zugehört hatte. Wäre ja nicht das erste Mal!
 

Doch dann geschah etwas mit Sherlock. Er stellte mit leicht zitternden Fingern die Tasse mit Tee ab, hob die andere Hand vor seine Augen und schluchzte leise. John stand auf und ging zu seinem Freund rüber, wollte ihm etwas Trost spenden, doch bevor er eine Hand auf Sherlocks Rücken gelegt hatte, wich dieser zurück.

„Fass mich nicht an!“, flüsterte er leise. „Mycroft hatte kein Recht dazu, dir diese Videos zu geben! Ich wollte nicht, dass du mich so siehst!“, zischte er jetzt wütend und im nächsten Moment war er ins Bad gestürmt und John hörte noch, ehe er reagieren konnte, das leise Klicken des Schlosses.
 

Verdammt! So war das nun nicht beabsichtigt gewesen.
 

Eine geraume Weile wartete er einfach nur, ob Sherlock von sich aus den Raum wieder verlassen würde, doch als das nicht geschah, klopfte er leise an die Tür.

„Geh weg!“, kam es kraftlos aus dem Inneren. Dem Detektiven ging diese ganze Sache unglaublich nahe. Dabei hätte John nicht gedacht, dass ihn das so mitnehmen würde. Wobei, er wachte selbst ab und manchmal nachts auf, da der Krieg ihn in seine Träume verfolgte.

„Sherlock, es ist okay, wenn ...“ „Ich will nicht darüber reden!“

„Aber es würde dir helfen und wenn nicht mit mir, mit wem könntest du sonst darüber sprechen? Bitte, komm raus.“

Er erhielt keine Antwort und so atmete John durch. „Weißt du, ich hätte mir die Videos nicht ansehen müssen, um zu erkennen was sie dir angetan haben. Ich erkannte die Striemen sofort, ich ...“, John schluckte kurz. „Ich war Arzt, im Krieg. Ich hab nicht nur unsere Leute zusammengeflickt, Sherlock. Ich hab auch … Gefangene wieder aufgepäppelt. Nach … Verhören“, gestand er. Er hatte noch nie darüber gesprochen. Es blieb weiterhin still und John rieb sich die Augen. „Bitte komm raus und lass uns reden!“, bat er noch einmal mit Nachdruck. Er wollte seinen Freund jetzt nicht sich selbst überlassen. „Ich meine, du hast mich doch auch darum gebeten, bei dir zu schlafen. Auch jetzt noch, wo es dir schon körperlich besser geht. Da ist es doch kein so großer Schritt ...“ „Dann entbinde ich dich eben von dem Versprechen.“ Trotz. Purer Trotz, das konnte John deutlich hören. „Sei nicht kindisch!“
 

Wieder wartete John eine Weile und fragte sich, wie er weiter vorgehen sollte. Die Tür eintreten? Keine Option, Sherlock würde sich dadurch nur weiter zurückziehen. Er musste behutsam sein, gerade da er die Vergangenheit des Jüngeren soweit kannte, dieser zur Suchtentwicklung neigte und er nicht wollte, dass er wieder rückfällig würde.
 

„Keine Sorge, ich werde nichts nehmen … oder mir irgendwas antun!“, hörte er dann dumpf durch die Badezimmertür, aber er klang schon deutlich ruhiger, wie John fand.

„Woher ...“

„Ich kann mir denken, was durch deinen Kopf geht. Du überlegst, ob ich wieder zum Junkie werden. Werde ich nicht, dafür steht zu viel auf dem Spiel.“

„Ja, dein Leben …“ „Das ist mir egal, es gibt wichtigeres.“

„Und das wäre?“

„Dich.“
 

tbc

Aussprache

Kapitel 9 - Aussprache
 

„Ich kann mir denken, was durch deinen Kopf geht. Du überlegst, ob ich wieder zum Junkie werde. Werde ich nicht, dafür steht zu viel auf dem Spiel.“

„Ja, dein Leben …“ „Das ist mir egal, es gibt wichtigeres.“

„Und das wäre?“

„Dich.“
 

Immer wieder hallten John diese Worte durch den Kopf. Er hatte seinen Mund geöffnet, um irgendwas zu entgegnen, aber er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
 

„John? Ich weiß du bist noch da, also …“ Sherlock atmete so laut durch, dass man es durch die geschlossene Tür hören konnte. „Ich wollte nicht, dass du das siehst, weil … ich nicht wollte, dass du mich so schwach siehst. So … hilfsbedürftig! Es hat schon gereicht, dass ich in den letzten Tagen nicht alleine aufs Klo gehen konnte. Es … war mir zuwider. Nicht, dass du bei mir warst, aber dass ich so … so ...“ „Verletzlich?“, half John aus. „Ja.“

„Öffne jetzt verdammt noch mal die Tür, oder ich trete sie ein!“, drohte John von außen und Sherlock seufzte erneut hörbar. „Also? Ich warte!“
 

Ein leises Klicken ertönte. Die Tür wurde nicht geöffnet, aber das war das Zeichen, dass John immerhin eintreten durfte. Der Ältere atmete noch einmal durch, ermahnte sich zur Ruhe und hob dann seine Hand zum Türgriff. Er öffnete sie und blickte zu Sherlock, der auf dem Badewannenrand hockte.
 

„Sherlock, es ist okay, dass du dich so fühlst. Herrgott, würdest du es nicht tun, würde ich wirklich daran zweifeln, dass du ein menschliches Wesen bist. Du bist immer so logisch und distanziert, aber diese Sache … die kannst du nicht einfach durch Logik erklären. Was diese Menschen dir angetan haben, entbehrt jeder Logik, denn sie verfolgten ja nicht mal ein wirkliches Ziel … außer dir weh zu tun. Es hat ihnen Spaß bereitet dich zu quälen und ...“ „John, bitte … nicht. Ich ...“ „Ich halte dich nicht für schwach. Du bist eine sehr starke und selbstbewusste Persönlichkeit.“
 

Sherlock blickte auf und schluckte. Momentan fühlte er sich alles andere als stark und selbstbewusst. John lächelte mild und setzte sich auf die geschlossene Toilette.
 

„Du sagst immer, dass dir egal ist, was andere über dich denken, aber ich weiß, dass dir nicht egal ist, was ich über dich denke. Das war dir noch nie egal.“

„Und was denkst du jetzt?“

„Sherlock, was meinst du denn? Ich habe das Video noch am gleichen Abend gesehen, als dein Bruder dir die Medikamente brachte und uns zu Weihnachten zu deinen Eltern eingeladen hat, was ich übrigens mittlerweile zugesagt habe, nur zur Info.“

„Hast du nicht!“, kam es empört von Sherlock.

„Und ob! Etwas Abwechslung im Kreise deiner Familie wird dir gut tun!“

„Wird es nicht!“

„Und ob!“, wiederholte John und machte mit einer Handbewegung klar, dass er noch nicht fertig war. Sherlock gab ein beleidigtes Grummeln von sich und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Er blickte einfach nur stur gerade aus, aber John war sich sicher, dass er ihm dennoch zuhörte. Dazu war ihm diese Sache hier zu wichtig.

„Also, der Punkt ist … ich kenne dieses Video schon seit Tagen und ich bin trotzdem noch hier, weil ich immer noch das gleiche in dir sehe wie davor. Du bist mein brillantes Genie, mein bester Freund, der mich mit seinen Launen zur Weißglut bringt, aber der mir mehr als wichtig ist. Natürlich hast du meine ärztliche Hilfe gebraucht und es ist auch nichts dabei, wenn ich dir als Freund beistehe. Dafür hast du mich doch.“
 

Sherlock seufzte tief, gab die Abwehrhaltung auf und rieb sich die Augen.

„Erinnerst du dich daran, dass ich irgendwann in den zurückliegenden Tagen gesagt habe, du hast mir geholfen? Ich meinte das nicht nur auf deine ärztlichen Qualitäten bezogen, sondern …“ Der Detektiv machte eine Pause. „Der einzige Gedanke der mich in dieser Hölle dazu bewogen hat, nicht aufzugeben und zu kämpfen, war … dass ich dich wiedersehen wollte. Ich habe mir geschworen, wenn ich je lebend aus den Fängen dieser Bastarde entkomme, dass ich dir … dass ich dir das sage. Na ja … also … wie viel … du mir … und unsere Freundschaft und ...“, stammelte Sherlock leise und John schluckte.

„Sher-Sherlock … ähm, soll das gerade eine Art … na ja ...“ Niemals hätte John angenommen, dass sein Freund es so direkt aussprechen würde. Andererseits, war genau das Sherlocks Art. Er brachte Sachen auf den Punkt. Logische Dinge. Fakten. Aber bei Gefühlen? Wobei, wirklich direkt ausgesprochen hatte er es nicht, dennoch war es für Sherlocks Verhältnisse viel.
 

„Ich höre schon meinen Bruder sagen, Gefühle findet man auf der Seite der Verlierer!“, knurrte Sherlock leise.

„Unfug!“, kam es direkt von John. Mit leicht zitternder Hand griff er nach einer von Sherlocks. Erst hatte John das Gefühl, dass der Jüngere sich ihm entziehen wollte, doch dann verharrte er einfach und blickte ihn erwartungsvoll an. „So, es war noch nie so wichtig seit wir uns kennenlernten, dass du mir deine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkst.“
 

John räusperte sich und sein Herz pochte fest gegen seine Rippen. In seinem Magen machte sich ein flaues, nervöses Gefühl breit, aber jetzt gab es kein zurück mehr. Er musste alles auf eine Karte setzen und hoffen, dass er nicht falsch lag und Sherlocks Gestammel irgendwie fehlinterpretiert hatte.

„Wenn dein Bruder so denkt, ist er gelinde gesagt, ein Idiot! Sherlock, Gefühle und insbesondere solche die du hast, sind etwas Positives. Sie sind schön, sie bereichern das Leben, wenn sie erwidert werden. Und … das werden sie.“ Stille trat ein. „Ach komm schon, du hast doch sicher schon bemerkt, wie ich dich angesehen habe … und du hast mich auch erwischt, als ich mir einen runter geholt habe. Soll ich es wirklich noch laut aussprechen? Ja, ich hab dabei an dich gedacht. Zufrieden? Du hast mir einfach den Kopf verdreht, ich kann es nicht ändern.“
 

Wieder Stille und Sherlock starrte John einfach nur weiterhin an.

„Das wäre jetzt der Zeitpunkt, an dem sagen könntest, dass du …“, doch weiter kam er nicht, denn der Jüngere schien lieber Taten sprechen zu lassen. Mit einem Mal hatte er eine Hand in Johns Nacken gelegt und hatte ihn an sich gezogen. Seine Lippen pressten sich sanft, aber bestimmend auf Johns und dieser, erst etwas erschrocken, erwiderte diese liebevolle Geste.
 

Nach wenigen Sekunden zog John sich allerdings zurück und räusperte sich. „Oder du küsst mich einfach, ist auch eine Alternative“, meinte er und zupfte etwas verlegen an seinem Hemd herum. Noch immer hielt er Sherlocks Hand fest.

„Ich hab es vermutet, aber nicht geglaubt. Ich sah deinen Blick, auf meinen Schritt und mir war klar, dass da mehr ist. Ich wusste nur nicht, ob es sexuelle Anziehung ist oder ...“

„Oder mehr? Oh Sherlock, du hast ja keine Ahnung, wie viel sexuelle Anziehung da ist, aber auch Gefühle, die weit über Freundschaft hinaus gehen.“
 

Sherlock schwieg noch immer, aber er lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln, dass auch seine Augen erreichte und John erwiderte es.

„Und sein wir mal ehrlich, was haben wir zu verlieren?“, hakte John leise nach. „Wir sind doch eh schon ein eingeschworenes Team und … du bist mein Schwachpunkt und ich deiner. Warst du schon seit unserem ersten Aufeinandertreffen, wir mir neulich klar wurde. Deshalb würde ich Mary auch niemals verzeihen, was sie dir angetan hat, egal aus welchem Grund!“

„John … ich … sag dir gleich, ich bin … nicht gut in solchen Dingen.“

„Wie lange kennen wir uns jetzt? Meinst du, ich wüsste nicht, was ich mir da antue?“ John begann zu lachen. „Aber wie sagt man so schön … wo die Liebe hinfällt.“

„Ist es das? Liebe?“

„Ja. Ganz klar. Ich weiß mittlerweile, dass alle um uns herum es schon immer bemerkt haben, nur wir waren zu blind dafür.“

„Du bist dir auf einmal so sicher … wie kommt es?“
 

John lächelte breit und beugte sich jetzt vor, um Sherlocks Lippen mit einem sanften Kuss zu verschließen. „Ich kann es sehen, in deinen Augen. Du strahlst förmlich. Fast so, wie bei einem neuen, interessanten Fall, aber dennoch … anders.“

Sherlock schnaubte nur lachend und rollte mit den Augen. „Erwischt, was?“

„Ja … uns beide. Und das ist die schöne Seite der Liebe, wenn es beide erwischt.“

„Jetzt werd nicht schnulzig, eins sag ich dir, ich bin kein Romantiker!“, bestimmte Sherlock ernst.

„Das weiß ich, aber ich krieg dich noch dazu ...“

„Niemals!“

„Wollen wir wetten?“ John grinste breit und stand dann auf. „Was hältst du davon, wenn ich uns was zu Essen mache und wir uns etwas ausruhen. Die letzten Tage waren für uns beide nicht sonderlich erholsam.“
 

Eine gute halbe Stunde später saßen sie am Küchentisch. John hatte aus dem was der Kühlschrank noch hergab Rührei mit Speck und Bohnen zubereitet. Sogar Sherlock aß, zwar nicht viel, aber wenigstens etwas.
 

„Und … Mycroft hat dich im Namen unserer Mutter ...“

„Ja, wir beide sollten über Weihnachten kommen. Er hatte nicht wirklich Lust darauf, aber eure Mutter scheint Einfluss auf ihn zu haben“, wollte John wissen und trank einen Schluck von dem Bier, dass er sich geöffnet hatte. Sherlock trank Tee. Er nahm noch immer Antibiotika, daher war Alkohol unangebracht.

Sherlock lachte schadenfroh. „Ich kann mir sein Gesicht vorstellen und sein empörtes „Mutter!“ als sie ihn darum gebeten hat. Dennoch, er kann ihr nichts abschlagen.“
 

John wurde ernster und aß den letzten Rest von seinem Ei.

„Er hat sich um dich gesorgt. So sehr, dass ich es ihm ansehen konnte.“

„Dann muss ich wirklich übel ausgesehen haben ...“, scherzte Sherlock. Er schien in ihrem vorangegangenen Gespräch neue Lebenskraft gesammelt zu haben.

„Hast du, aber … dass sogar ich es bei ihm erkennen konnte … das hat mich bei der eisernen Lady erschreckt.“

„Eiserne Lady …“ Sherlock brach in Lachen aus. „Der ist gut, den muss ich mir merken.“

„Den hast du nicht von mir!“

„Natürlich nicht!“, erwiderte Sherlock und wagte sich jetzt selbst etwas auf ungewohntes Terrain, in dem er seine Hand ausstreckte und Johns ergriff. Dieser ließ das bereitwillig zu und schob seine Finger zwischen Sherlocks.
 

Sie sahen sich einige Minuten einfach nur stumm an, genossen die Ruhe, den Blick des anderen und dass sie sich endlich getraut hatten, einen Schritt weiter zu gehen.
 

„Ooouuuuhhh!“, riss sie dann aber ein Laut aus ihren Gedanken. Beide wandten mit großen Augen ihren Blick Mrs. Hudson zu, die in der Küchentür stand, die Hände auf ihr Herz gepresst und freudig, fast glückselig, lächelnd. So, als hätte sie gerade einen Hundewelpen entdeckt, der sie mit seinen großen Kulleraugen anblickte.

„Das wurde aber auch mal Zeit!“, bestimmte sie dann, nachdem sie ihre Fassung wieder gefunden hatte und ging immer noch lächelnd an ihnen vorbei und nahm den Wasserkessel vom Herd, der unaufhörlich Pfiff. John hatte noch Wasser aufgestellt, um Sherlock noch einen Tee zu machen.

„Ich dachte, ich muss nach Ihnen beiden sehen, der Kessel pfeift das ganze Wohnhaus zusammen. Jetzt verstehe ich, warum Sie so abgelenkt waren.“

„Mrs. Hudson … zu niemandem ein Wort!“, bat John.

„Keine Sorge, ihr Geheimnis ist bei mir sicher“, bestimmte sie und lächelte aufmunternd.

„Willst du es lieber geheimhalten?“, hakte Sherlock, vielleicht eine Spur zu betroffen, nach.

„Nein, aber ich würde es gerne selbst allen erzählen, ist das okay für dich?“, hakte John nach und sah ernst zu Sherlock. Dieser schien erleichtert.

„Ja, das ist okay.“
 

„Ich hole den Sekt!“, fuhr Mrs. Hudson dazwischen.

„Sekt??“, erkundigte Sherlock sich fragend.

„Den hab ich schon kalt gestellt, als John hier eingezogen ist … Herrgott, ich hoffe, der ist nicht schon abgelaufen. Kann Sekt ablaufen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ach ja, Jungs?“

„Ja?“, kam es einstimmig von beiden.

„Gratuliere!“, stellte sie fest und zwinkerte ihnen zu, bevor sie nach unten ging um in ihrem Kühlschrank nach dem Sekt zu fahnden.
 

„Ich sag ja, es wusste jeder … nur wir nicht“, seufzte John.

„Na ja, gut Ding braucht Weile, oder wie war das? Um eine dieser überflüssigen Redewengungen zu benutzen.“

„Aber es trifft zu und siehst du, Gefühle sind nicht nur was für Verlierer. Wir haben Mrs. Hudson einen schönen Abend beschert.“

„Indem wir ihre Hoffnung auf eine gleichgeschlechtliche Romanze erfüllt haben?“

„Du weißt, sie liebt uns … als wären wir ihre Söhne. Sie freut sich für uns, also … schon eine gute Tat!“
 

Sie tranken mit Mrs. Hudson noch jeweils ein Glas Sekt, das ließ sich ihre Vermieterin einfach nicht nehmen. Sogar Sherlock stimmte einem halben Glas zu und sank schon eine halbe Stunde später etwas benebelt ins Bett. Die Medikamente und der Alkohol forderten ihren Tribut und John verabschiedete sich von Mrs. Hudson.
 

Dann löschte er das Licht in der Wohnung und trat ins Schlafzimmer. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und blickte zu seinem schlafenden … Freund? Lebenspartner? Ja, was waren sie jetzt eigentlich? Für John zweiteres und er wusste auch, dass er das obere Zimmer, sein Schlafzimmer, wohl nicht mehr brauchen würde. Ein schmales Lächeln zog sich über sein Gesicht, während er Sherlock zusah, wie er schlief.
 

Er war schon gespannt, wie ihre Umgebung alles aufnehmen würde. Die Gesichter waren sicher Gold wert!
 

John atmete durch, ging zum Bett und entkleidete sich, dann legte er sich neben Sherlock. Nur noch in T-Shirt und Boxershorts. Als ob der Jüngere es gespürt hätte, schmiegte er sich gleich an ihn und John schlang bereitwillig einen Arm um ihn herum. Zweifel hatte er keine mehr. Mit diesen hatte er sich in den letzten Tagen ausgiebig beschäftigt und das hier … das was er und Sherlock teilten, es gefiel ihm. Es erregte ihn und befriedigte ihn zugleich. Er war der eine Mensch, den der Detektiv so nahe an sich heran ließ und das erfüllte John mit einem gewissen Stolz.
 

Tbc
 

PS: Nächste Woche wie schon gesagt dann das Weihnachtskapitel, ich liebe ja Sherlocks Eltern ;) fand die in der Serie so toll … sie sind ja so normal … tja und Mycroft und Lestrade werden natürlich auch nicht fehlen ;) - es wird lustig (hoffe ich!)

Qualitätsvergleich

„Nicht zu aufdringlich?“, flüsterte John dem Jüngeren zu, während er seine Hand fest, fast krampfhaft hielt und zupfte an seinem Weihnachtsstrickpulli.

„Ich hätte ihn nicht angezogen, aber ...“

„Na danke auch!“ John war ohnehin nervös.

„Du weißt, ich stehe mit deinen Pullovern auf Kriegsfuß!“, bestimmte Sherlock straffte seine Schultern und wollte gerade der Klingelknopf betätigen, als seine Mutter die Tür aufriss.
 

„Sherlock!“, rief sie erfreut und fiel ihrem jüngsten Sohn gleich um den Hals, der dies stillschweigend über sich ergehen ließ. Es war ja Weihnachten! Sie drückte ihn einige Zeit lang und wandte sich dann an John.

„John. Schön, dass Sie auch mitgekommen sind“, freundlich hielt sie ihm die Hand hin, weshalb John gezwungen war, Sherlocks loszulassen und ihre zu schütteln.

„Ja, danke für die Einladung, Mrs. Holmes.“

„Nicht doch, kommt rein. Ich hätte mir ja nie träumen lassen, Weihnachten mit dir, Mike und euren Partnern zu verbringen. Genau genommen, hätte ich nie erwartet, euch überhaupt mal in festen Händen ...“

„Mutter! Du verdirbst noch den ganzen Spaß! Außerdem heiße ich immer noch Mycroft!“, unterbrach der ältere Holmes den Redeschwall seiner Mutter. Er war gerade aus der Küche gekommen, um die Neuankömmlinge ebenfalls zu begrüßen.
 

„Partner? Spaß? Du sprichst doch hoffentlich nicht von dir, Bruder“, kam es trocken von Sherlock und er befreite sich von seinem Mantel, während John sich mit ihrem Koffer abmühte.

„Willst du deinem Liebsten nicht mal helfen?“, hakte Mycroft süffisant grinsend nach und begab sich dann wieder in die Küche.

Sherlock verengte die Augen, seine Mutter war seinem großen Bruder gefolgt und redete auf ihn ein, während dieser genervt antwortete. Dann wandte er sich doch John zu und half diesem ihren Koffer über die Türschwelle zu hieven.

„So schwer ist er doch gar nicht.“

„Ich hab … er hat … irgendwo fest gehangen!“, rechtfertigte John sich und strich sich seinen Pullover glatt, während er versuchte nicht allzu rot zu werden. Dann entledigte er sich auch seiner Winterjacke. „Woher weiß er es überhaupt? Wir haben doch noch niemandem etwas gesagt!“, flüsterte der Ältere seinem Partner ins Ohr. Sie waren ja auch noch nicht lange zusammen, genossen ihre Beziehung und tasteten sich langsam aneinander heran.
 

„John, du weißt doch von wem wir hier reden … mein Bruder ist fast so gut in der Deduktion wie ich“, erwiderte Sherlock ein wenig genervt. Er hätte auch lieber den Überraschungsmoment genossen, doch dass der an diesem Tag auf Mycrofts Seite liegen würde, damit hatten weder John noch er gerechnet.
 

„Wo schlafen wir?“, hakte John leise nach.

„In meinem Zimmer, natürlich“, antwortete Sherlock und blickte John an, als hätte er gerade ein sehr dumme Frage gestellt.

„Ja natürlich. Woher … verdammt Sherlock, ich war noch nie hier!“, bestimmte der Ältere leise. Irgendwie war er schon nervös, denn er kannte Sherlocks Eltern ja nicht und bei den Schwiegereltern gleich über Weihnachten zu bleiben, war schon irgendwie … ein wenig angsteinflößend. Er hatte selten Eltern seiner früheren Bekanntschaften kennengelernt und Mary hatte ja keine gehabt, laut ihrer Angabe zumindest. Natürlich nicht, wenn man sich eine falsche Identität zulegte … „John!“, herrschte Sherlock ihn an und holte ihn aus seinen Gedanken. Der Kleinere folgte seinem Partner in die Küche, wo Mycroft mit seinen Eltern auf sie wartete.
 

„Dad, das ist John mein … Lebenspartner … John mein Dad … Mum kennst du ja bereits und meinen unnötigen Bruder sowieso.“

„Sherlock!“, tadelte ihn seine Mutter.

„Wie immer überaus charmant, Brüderchen!“, seufzte Mycroft gelangweilt und nippte an seinem Punch, den er in der Hand hielt. Er saß am Küchentisch.

„Freut mich Sie kennen zu lernen, Mr. Holmes.“ John reichte ihm eine Hand.

„Siger, bitte … Sie gehören doch jetzt zur Familie“, erklärte er.

„Ähm … danke.“

„Genau und mich nennen Sie Violet, nur damit wir diese Dinge von vorn herein geklärt hätten. Sherlock, wollt ihr euch noch frisch machen und zeigst du John noch das Haus oder wollt ihr erst etwas zu euch nehmen?“

„Ich zeige John das Haus und wir bringen unser Gepäck auf mein Zimmer.“

„Typisch“, seufzte Mycroft leise. „Ihn nennst du bei seinem vollständigen Namen!“

„Sei nicht albern Mikey!“

„Mutter!“
 

Sherklock griff nach Johns Pulloverärmel und zog ihn mit sich aus der Küche. Irgendwie war John ganz froh darüber, auch wenn er Sherlocks Eltern sehr nett und freundlich fand, er musste sich erst an diese Situation gewöhnen. Zumindest schien niemand der Anwesenden ein Problem mit ihm zu haben, was er schon mal positiv auffasste.
 

Das Haus von Sherlocks Eltern war gemütlich, einladend und irgendwie konnte John sich den jungen Sherlock gut vorstellen, der mit seinen dunklen Locken durch die Zimmer rannte. Bei dem Gedanken musste er unwillkürlich lächeln.
 

„Hier wären wir …“, seufzte Sherlock und öffnete eine dunkelbraune Tür. „Nebenan schläft Mycroft, gegenüber meine Eltern und das Bad ist am Ende des Flurs. Eher bescheiden …“

„Passt du zu dir“, stellte John leise fest. „Bei Mycroft hätte ich mir eher etwas Prunkvolleres vorgestellt …“

„Du hast sein Zimmer ja nicht gesehen …“, erwiderte Sherlock grinsend und John musste lachen.
 

Er betrat das kleine Zimmer, das Sherlock in seiner Jugend sein eigen genannt hatte.

Das Bett war nicht besonders breit, aber da sie sowieso immer eng beieinander schliefen würde es gehen. An einer Wand stand ein dunkelbrauner Kleiderschrank und an der Wand am Kopfende des Bettes hing das Periodensystem, wie in Sherlocks jetzigem Schlafzimmer auch.

„Hat sich nicht viel verändert …“, meinte John und nickte zu dem großen Poster.

„Nun ja … ein wenig was schon …“, antwortete Sherlock und ging zu einem Bücherregal. Er zog ein Buch hervor und reichte es John mit einem spitzbübischen Lächeln.

„Ist nicht dein ernst! Also doch! Du hast dich immerhin mal dafür interessiert“, stellte er lachend fest, als er ein Buch über Sternbilder in der Hand hielt. Er blätterte kurz hindurch und schüttelte lachend den Kopf. „Ich entdecke immer neue Seiten an dir.“

„Es ist lange her … seit damals ist viel passiert.“
 

John ließ sich aufs Bett sinken, das ein leises Quietschen von sich gab. Er sog schwer Luft ein.

„Hier dürfen wir nicht laut sein, was?“, meinte der Ältere und grinste verlegen. Nicht, dass es bisher viel Anlass gegeben hätte sich sexuell auszutoben. Nachdem Sherlock wieder komplett genesen war, hatten sie erst einmal einen Fall übernommen, bei dem sie ziemlich eng mit Lestrade zusammengearbeitet hatten. Viele Tage waren für die Ermittlungen drauf gegangen und danach hatten sie sich etwas ausgeruht.
 

Es war bei ein bisschen Gefummel und Geknutsche geblieben. John musste aber zugeben, dass es ihm gefallen hatte, es langsam anzugehen, doch so langsam … so ganz allmählich …

„Nicht nötig. Wenn meine Eltern schlafen, dann könnte die Welt untergehen und ob Mycroft etwas hört, ist mir Schnuppe“, bestimmte Sherlock trocken und befreite sich von seinem Jackett und zog anschließend das Hemd aus.

„Was tust du da?“, hakte John ein wenig nervös nach.

„Keine Sorge John, ich werde nicht über dich herfallen, ich wollte mir nur etwas Frisches anziehen. Im Haus meiner Eltern und zu dieser vorgerückten Stunde ist es nicht erforderlich, dass ich mich so formell kleide. Im Gegensatz zu meinem Bruder …“

„Tschuldige, ich war nur … na ja, wir sprachen gerade … Sex im Haus deiner Eltern zu haben und du … ziehst dich … aus … das war gerade irgendwie … missverständlich“, gab John zu.

„Wir sprachen darüber, im Haus meiner Eltern Sex zu haben?“ Sherlock blickte seinen Partner fragend an. „Keine schlechte Idee.“

„Du hattest das also gar nicht auf … oh Mann … ich …“

„Es muss dir nicht peinlich sein, John, ich will es auch und wie ich es will. Langsam komme ich wirklich meine Grenze der sexuellen Frustration! Das ich das mal sage …“ Sherlock rollte über sich selbst die Augen und zog sich ein dunkles T-Shirt über. „Besser.“
 

John unterließ es noch irgendwas zu sagen, es wurde ihm doch nur irgendwie anders ausgelegt oder brachte ihn Verlegenheit. Schweigen war die bessere Alternativ! Zumindest befand er das. Er ließ sich in die Kissen sinken und seufzte leise. „Lavendel …“, stellte er leise fest.

„Was?“

„Die Bettwäsche riecht nach Lavendel.“

„Mutters Lieblingsduft.“

„Ich mag ihn auch … aber noch mehr mag ich deinen …“, seufzte John leise und als ihm bewusst wurde, dass er das laut gesagt hatte, färbten seine Wangen sich leicht rot. Mit einem unsicheren Blick zu Sherlock, stellte er fest, dass er es auf ihn die gleiche Wirkung hatte. Noch immer waren die Komplimente die John von Zeit zu Zeit machte, die nicht seine brillante Deduktionsgabe oder die geistigen Leistungsfähigkeit betrafen, neu und ungewohnt für Sherlock.
 

Er ging auf John zu, setzte sich zu ihm aufs Bett und betrachtete ihn einen kurzen Moment. John streckte seine Hand aus und zog den Jüngeren zu sich. Sherlock kam der Einladung gerne entgegen und schmiegte seinen Kopf an Johns Schulter.
 

„Da wären wir … im Haus deiner Eltern. Als Paar.“

„Im Haus meiner Eltern als Paar … ja. Bereust du es?“

„Was? Dass wir ein Paar sind?“

„Nein, dass du mitgekommen bist?“

„Nein, solange ich bei dir bin, ist mir jeder Ort recht.“

Er spürte, wie Sherlock an seiner Schulter lächelte und wie dessen Lippen sanfte Küsse auf seinen Hals zu hauchen begannen.
 

„Hatte deine Mutter eben nicht gesagt, Partnern?“, schoss es John durch den Kopf und er hätte sich am liebsten im nächsten Moment selbst verflucht, denn sofort sprang Sherlock auf.

„Stimmt! Gut aufgepasst John. Dem muss ich auf den Grund gehen!“, bestimmte Sherlock sogleich und war schon aus dem Zimmer verschwunden. Frustriert ließ John sich in die Kissen zurückfallen.
 

Er hörte wie eine Tür im Flur geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann ein paar Schritte die abrupt stehen blieben.

„Ist nicht leicht mit einem Holmes, nicht wahr?“, hakte eine sehr vertraute Stimme nach und John riss die Augen auf. Mit einem Mal saß er kerzengerade im Bett.

„Greg?!“

„Ja, ich gebs zu … mich hat es auch erwischt.“

„Du … und … du???“ John konnte es nicht fassen und musste zusehen, wie Greg sich mit Händen in den Hosentaschen gegen den Türrahmen lehnte.

„Ja ich. Ja, ich liebe Mycroft. Daran gibt’s nichts zu rütteln und das schon seit …“ „2 Jahren, 7 Monaten und 14 Tagen“, seufzte eine ebenso vertraute Stimme. „Jetzt ist der ganze Spaß dahin! Die entsetzten Gesichter, das erstaunte Oh mein Gott! und so weiter.“ Mycroft seufzte theatralisch und hinter ihm kam Sherlock wieder zum Vorschein. Jetzt standen alle drei in der Tür zu Sherlocks Zimmer.
 

„Sorry, ich wusste ja nicht das John noch im Zimmer ist …“, seufzte Greg.

„Musste es denn gerade er sein?“, seufzte Sherlock seinem Bruder entgegen.

„Was soll das bitte heißen?“, echauffierte der ältere Bruder sich. „Immerhin ist meiner größer als deiner.“

„Und? John hat einen Doktortitel!“, erwiderte Sherlock und funkelte seinen Bruder an.

„Greg ist ein ausgezeichneter Polizist. Er verzeichnet die höchste Aufklärungsrate.“

„Ja, wobei ich ihm immer äußert behilflich bin, Bruder!“

„Oh Sherlock, das weiß ich und dafür wollte ich dir schon lange meinen Dank aussprechen, so können Greg und ich viel mehr Zeit miteinander verbringen, als wir es ohne deine Hilfe könnten. Sehr … befriedigende Zeit.“

„Ich wusste nicht, dass so ein Wort überhaupt in deinem Wortschatz existiert“, lachte Sherlock spöttisch.

„Was? Das Danke oder das befriedigend?“

„Wenn du mich so fragst beides“, konterte Sherlock. „Wie befriedigend ist er denn, auf einer Skala von eins bis zehn? Wobei zehn die höchste Stufe darstellt.“

„Eine glatte 12“, erwiderte Mycroft gelassen und mit zufriedenem Grinsen.

„Das ist nicht möglich, wenn zehn …“ „Brüderchen, hör auf darüber nachzudenken, ob …“

„STOPP!“, unterbrach John die beiden laut. „Was denkt ihr eigentlich, was ihr hier tut? Greg und ich sind doch keine Trophäen mit denen man sich brüstet!“
 

„Wir haben uns nicht gebrüstet!“, kam es fast gleichzeitig von beiden. Immerhin waren sie sich darin einig!

„Nein, wir haben bloß die Qualitäten verglichen“, stellte Sherlock klar.

„Eben.“

„Nein, ihr …“ „Lass es John, verlorene Liebesmüh … lass die beiden noch ein wenig mit ihren Linealen spielen, wir schauen mal ob wir Violet noch etwas helfen können?“, schlug Lestrade vor und John nickte. „Recht hast du. Kindergarten!“, murmelte John, als er an Sherlock und dessen Bruder vorbei ging. „Man sollte nicht annehmen, dass einer der beste Detektiv in ganz England ist und der andere quasi die britische Regierung.“

„Jeder hat seine Schwächen“, seufzte der DI grinsend.

„Nicht wir!“, begehrten beide auf und fielen kurz darauf wieder in eine hitzige Debatte.
 

„Wird das jetzt das ganze Weihnachtsfest über so gehen?“, hakte John frustriert nach, während Violet ihren Schwiegersöhnen in Spe je einen Punch einschenkte.

„Nein, keine Sorge. In ungefähr … 45 Minuten haben sie sich beruhigt, dann streiten sie darum, wer das Holz fürs Feuer hacken wird, was wie immer an Sherlock hängen bleibt, da Mycroft sich außer mit Greg nicht gerne körperlich betätigt, und anschließend liefern sie sich eine hitzige Debatte über einige Streite aus der Kindheit …“, begann Siger und lachte versonnen.

„Ja, bevor sie sich dann endlich den schönen Erlebnissen widmen und es sich gut gehen lassen. Sie brauchen immer etwas Zeit, wenn sie beide mal hier sind. Was leider viel zu selten vorkommt“, seufzte Violet. „Doch vielleicht klappt es ja jetzt mal etwas öfter, wo sie endlich jemanden gefunden haben … wobei den lieben Greg kennen wir ja schon etwas länger.“

„Ach?“ John schob die Augenbrauen nach oben.

„Ja war ein Zufall, na ja … blieb nicht aus in über 2 Jahren …“, seufzte Greg etwas verlegen.

„Vor einigen Jahren hatten wir die Hoffnung schon aufgegeben, dass die beiden überhaupt mal jemanden finden würden“, seufzte Violet leise.

„Aber das Leben ist doch viel zu kurz, um es allein zu verbringen, nicht wahr Liebes?“ Siger lächelte seine Frau an.

„So ist es“, bestimmte sie. John musste ebenfalls schmunzeln und hoffte, dass er mit Sherlock auch alt werden würde. Viellicht nicht ganz so … herzerwärmend wie die beiden, aber einfach so lange zusammen sein, wie es ihnen möglich war.
 

„Was ist mit ihren Eltern John, wissen die es?“, hakte Siger nach.

„Ähm … nein … sie … leben nicht mehr.“

„Oh das tut mir leid. Haben Sie noch Familie?“

„Eine Schwester, ja … aber keinen wirklichen Kontakt“, seufzte John und hob die Hände. „Spreche nicht so gern darüber.“

„Schon gut. Na ja, jetzt sind sie ja hier“, bestimmte Violet und klopfte ihm sanft auf die Schulter.
 

Aus dem Flur drangen immer noch die Stimmen der Brüder zu ihnen herüber und John warf Greg einen fragenden Blick zu, den dieser nur grinsend erwiderte.
 

In der Tat war es so, dass Sherlock nach knappen 45 Minuten draußen Holz hackte, was von John mit Argusaugen beobachtet wurde. Er hatte immer gewusst, dass Sherlock körperlich fit war, aber ihn gerade bei dieser Arbeit zu betrachten, machte ihn irgendwie an. Ihm wurde sogar so heiß, dass er kurz davor war seinen Pullover auszuziehen.
 

Während sich Sherlocks und Mycrofts Eltern zu vorgerückter Stunde zurückzogen, blieben die vier im Wohnzimmer vor dem Kamin sitzen. Die Brüder warfen sich immer noch hin und wieder hitzige Bemerkungen an den Kopf, aber im Großen und Ganzen konnte man es als harmonischen Abend beschreiben.
 

„Sagt mal, wie seid ihr eigentlich zusammen kommen?“, hakte John dann nach einiger Zeit interessiert nach. Nach 4 weiteren Gläsern Punch von Violet hatte Mycroft ihm sogar angeboten, dass sie sich duzten, allerdings nur privat. Offiziell würde er das jederzeit abstreiten. John hatte zugestimmt.
 

„Willst du?“, hakte Greg nach, doch Mycroft schüttelte den Kopf.

„Du erzählst es besser“, erklärte er und legte eine Hand auf das Knie des Polizisten. Was für John irgendwie ungewohnt war. Es war ohnehin schon merkwürdig den sonst so distanzierten Mycroft so … familiär zu erleben und dann noch verliebt, ausgerechnet in Lestrade!! Er hatte Sherlock schon bitten wollen ihn zu kneifen, weil er es einfach nicht glauben konnte.
 

tbc

Der Umstand der Jungfräulichkeit

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Erwischt

An diesem Tag wollte John es partout vermeiden, auch nur irgendwo allein in Mycrofts Fänge zu geraten. Er war daher sehr anhänglich, was Sherlock anging, was diesen verwunderte, aber zum Glück nicht weiter störte.
 

Er wähnte sich schon fast in Sicherheit, als Violet John bat draußen noch Holznachschub zu holen. Der Arzt blickte sich nervös um. Sherlock saß an seinem Laptop in der Küche seiner Mutter, neben sich eine Tasse mit Tee. Siger schmückte den Baum, gemeinsam mit Lestrade und Mycroft hatte vor einer halben Stunde etwas über Kopfschmerzen gefaselt und er müsse sich hinlegen. Gut, die Luft war rein und so nickte.

„Natürlich, gerne“, antwortete er freundlich.

„Ach ihr beiden, ihr habt euch wirklich vortreffliche Männer ausgesucht“, seufzte Sherlocks Mutter, woraufhin ihr jüngster Sohn nur genervt die Augen verdrehte. Sherlock trug, wie zu Hause auch oft, lediglich eine Pyjamahose und ein schlabbriges T-Shirt. Obwohl diese Kleider nur halb so schmeichelhaft seine Figur betonten, wie die oft zu engen Anzüge, fand John ihn mehr als heiß.

„Danke Violet“, erwiderte er, als er seine Fassung wieder gewonnen hatte und sich nicht länger in Fantasien erging, wie er Sherlock diese störenden Kleiderstücke baldmöglichst vom Leib reißen konnte. Eindeutig sexuell frustriert. Wobei, konnte er das eigentlich noch nach letzter Nacht sein? Es hatte geholfen, keine Frage … aber die Aussicht endlich richtig mit Sherlock zu schlafen war so verlockend, dass dessen Anziehungskraft einen noch stärkeren Reiz als gewöhnlich ausübte.
 

Am nächsten Tag war Heiligabend, den würden sie noch hier verbringen und übermorgen dann wieder nach Hause fahren. So war es zumindest geplant. Irgendwie vermisste John dieses schöne Fleckchen Erde jetzt schon. Es war so ruhig hier draußen, nicht wie in der Stadt. Ob er mit Sherlock mal irgendwo übers Wochenende … doch er verwarf diesen Gedanken fürs erste. Er sollte seine Zeit hier mit ihm genießen. Es war auch irgendwie schön und aufregend mehr über dessen Familie zu erfahren, ja sogar über Mycroft hatte er einiges herausgefunden. Hier zu Hause waren beide was alle erwachsenen Männer bei ihren Müttern waren, einfach nur Jungs.
 

John hatte gerade den Schuppen erreicht, in dem das Holz lagerte und diesen geöffnet, als jemand erschrocken eine Zigarette hinter dem Rücken versteckte.

„Mycroft!“, entfuhr es John erschrocken.

„John.“ Mycrofts Aussprache machte deutlich, dass dieser erleichtert war. „Ich dachte schon … Mutter mag es nicht, wenn wir rauchen.“
 

Der Arzt konnte nicht anders, er musste los lachen. Wieso fürchtete er sich eigentlich vor diesem Mann oder dessen Bemerkungen?

„Wie schön, dass du das amüsant findest!“, zischte Mycroft.

„Oh und wie. Du … der wohl einflussreichste Mann Großbritanniens … stehst im Holzschuppen und rauchst heimlich, weil du wie ein Kind Angst vor deiner Mami hast … das ist köstlich!“
 

Mycrofts Augen wurden im Dämmerlicht des Schuppens zu Schlitzen, das konnte John deutlich sehen. Obwohl es ihn eigentlich in Alarmbereitschaft versetzen sollte, tat es das nicht. Es war einfach lustig! Er konnte nicht anders, als zu lachen.

„Ich muss doch wohl sehr bitten …“, echauffierte sich Mycroft und drückte die Zigarette aus. Die Lust darauf war ihm vergangen.

„Um was denn? Feuer?“

„Gut, du hast mich erwischt. Auch ich habe meine Schwächen … und da ich eh gerade so … gewöhnlich auf dich wirke, ein Tipp von mir…“ Mycroft trat näher an ihn ran und seine blauen Augen trafen auf Johns. „Wenn du das nächste Mal schluckst, achte darauf dass die Erektion meines werten Bruders nicht zu weit in deinem Rachen steckt, dann verschluckst du dich auch nicht!“
 

John riss die Augen auf und seine Wangen färbten sich jetzt knallrot. Er wollte am liebsten vor Scham im Boden versinken. Sie hatten gehört, wie er … sich verschluckt hatte? Und natürlich konnte Mycroft eins und eins zusammenzählen.

„Nun, wer von uns ist jetzt das Kind, John? Wir sehen uns.“ Siegessicher verließ Mycroft den Schuppen, schob seine Hände in seine Hosentaschen und war mit sich zufrieden. Zwar war sich erwischen zu lassen, wie er eine rauchte, nicht Teil seines Planes gewesen, aber John in Verlegenheit zu bringen hatte blendend funktioniert und dessen erschrockenes Gesicht, würde ihm den Tag etwas erträglicher machen.
 

Der Arzt schaffte es nicht, sich zu bewegen oder irgendwas zu tun. Er wusste nicht mal mehr warum er hier draußen war. Das war ihm verdammt peinlich! Dass die beiden sicher Notiz davon genommen hatten, dass auch Sherlock und er nicht nur geschlafen hatten, war ihm klar gewesen und damit hatte er sich abgefunden, aber dass sie auch seinen Hustenanfall gehört hatten …

Verdammt! Wenn er Sherlock das nächste Mal einen blasen würde, dann hätte er sicher die ganze Zeit Mycrofts Stimme im Ohr!
 

„John, ist alles okay?“, hakte dann Sherlocks vertraute, dunkle Stimme nach.

„Ja … bestens …“, kam es piepsiger als erwartet von ihm. Erst da bemerkt er, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Er ließ sie entweichen und rieb sich die Augen.

„Mycroft kam gerade rein und meinte, ich soll nach dir sehen. Sein Grinsen gefiel mir nicht“, stellte Sherlock klar und trat an den Älteren heran.

„Er hat uns gehört.“

„Ja und? Wir die beiden doch auch.“

„Er hat gehört, wie ich mich verschluckt habe! Verstehst du?“, zischte John, rot bis über beide Ohren. „Gott, er gab mir sogar einen Tipp …“

„Hm, so zuvorkommend kenn ich meinen Bruder gar nicht. Ist doch gut, wir könnten sicher einiges von ihnen lernen …“, sinnierte Sherlock. Verwarf den Gedanken dann aber gleich wieder. Nein, Mycroft und Lestrade beim Koitus zuzuschauen gehörte nicht zu seinen bevorzugten Lernmethoden.
 

„Sherl… was?! Du spinnst doch wohl!“

„Schon gut, ich hab mich selbst schon dagegen entschieden. Wo liegt jetzt dein Problem? Allen Anwesenden hier ist klar, dass wir ein Paar sind und alle rechnen damit, dass wir auch Sex haben. Das gehört doch dazu, oder nicht?“

„Natürlich, aber … ich will nicht, dass mich jeder hört, okay?! Das ist mir peinlich.“

„Das wird schwierig, das Haus hat dünne Wände …“, überlegte Sherlock.

„Ich geb es auf … warum diskutiere ich überhaupt mit dir darüber. Ich glaube, ich werde mal mit Greg reden …“

„Wozu?“

„Er ist ein gewöhnlicher Mensch, wie ich …“

„John!“ Hielt Sherlock ihn auf.

„Was denn noch?!“

„Du hast das Holz für meine Mutter vergessen“, erklärte Sherlock sachlich, während er mit leeren Händen wieder Richtung Haus marschierte, vielleicht sogar eine Spur eingeschnappt, John war sich nicht sicher.
 

„Ist das zu fassen? Du hättest auch welches mitnehmen können, du … was reg ich mich überhaupt noch auf! Ich weiß doch wie er ist. Trotzdem ärgere ich mich immer wieder …“, machte John seinem Ärger Luft, während er Holzscheite auf seinen Arm stapelte. Holz, das Sherlock gestern mit der Axt gespalten hatte. Verdammt, war das sexy gewesen. In der kalten Winterluft hatte sein von der Aktivität erhitzter Körper gedampft und hin und wieder hatte er sich den Schweiß von der Stirn gewischt.

John schob den Gedanken beiseite. Er wollte sich lieber noch etwas über seinen Partner ärgern, statt festzustellen, wie erregend er doch war.
 

Als der Arzt das Haus durch die Küche wieder betrat, fand er Sherlock und Mycroft jeweils an ihren Laptops am Küchentisch sitzen. Er wusste nicht, was die beiden da trieben und wollte es auch nicht wissen. Seufzend wollte er sich gerade auf den Weg ins Wohnzimmer machen, um das Holz beim Kamin abzulegen, als er Sherlocks Stimme vernahm.
 

„Bruder, wenn du zukünftig beabsichtigst uns Ratschläge in sexuellen Belangen zu geben, wäre ich dir sehr verbunden, wenn du diese mir gibst. John schätzt das nicht sonderlich!“

John blieb abrupt stehen und stand stocksteif in der Tür.

„Ich werde es mir merken, Brüderchen“, seufzte Mycroft leicht abwesend und als John aus den Augenwinkeln beobachtete, machte er eine wegwerfende Handbewegung. Sherlock blickte erwartungsvoll zu John und dieser seufzte nur tief, bevor er weiter ging. Sein Partner verstand einfach nicht, wo sein Problem lag.
 

„Hier … das Holz …“, meinte er leise und verfrachtete die Holzscheite in den dafür vorgesehenen Korb. „Ähm Greg, hast du Lust auf einen Spaziergang … Sherlock und Mycroft scheinen mit ihrem Laptops beschäftigt zu sein.“

„Na klar! Ich hol meinen Mantel“, erwiderte der DI und sprang sogleich auf.

„Danke John“, kam es von Sherlocks Vater, weil er das Holz herein gebracht hatte.

„Kein Problem, immer gerne“, erwiderte John, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und nickte ihnen zu, bevor er das Wohnzimmer verließ. Ganz der loyale Soldat. John seufzte schwer und schnappte sich seine Jacke, von der Garderobe, bevor er nach draußen trat.
 

Lestrade wartete bereits.

„Also? Was gibt’s denn?“

„Keine Ahnung … es ist … kompliziert.“

„Mit einem Holmes?? Definitiv, aber das weißt du … sonst wärst du wohl kaum hier.“, spöttelte Greg. Eindeutig mehr Erfahrung auf dem Gebiet der Homles-Brüder, wie John direkt feststellte.

„Nein … ja … schon … du kanntest Sherlock vor mir und bist über 2 Jahre mit Mycroft liiert, wie machst du das?!“, wollte John wissen.

„Sherlock … nun, den ertrage ich mit viel Geduld und dem Wissen, dass er einfach genial ist. Mycroft hingegen …“ Lestrade machte eine kurze Pause. „Ich liebe ihn. Genauso wie er ist und er ist sehr leidenschaftlich, auch wenn man ihm das wohl nicht zutraut, er …“ „Zuviel Information!“, wehrte John ab und schüttelte den Kopf.
 

„Ich meine … jetzt mal im ernst, kann das gut gehen?“, hakte John nach.

„Zweifelst du etwa?“

„An meinen Gefühlen für ihn? Nein, keine Sekunde … aber ich bin so normal, was hält ihn bei mir?“, wollte John entschlossen wissen.

„Liebe? Hingabe? Leidenschaft? Ich weiß, dass ich Mycroft unheimlich viel bedeute und er ist bei mir auch offener, als bei anderen. Er weiß, dass ich keine Angst vor ihm habe. Das hilft schon mal …“, meinte Lestrade und kickte einen Stein von der nicht geteerten Straße.
 

Sie schwiegen.

„Hast du je Angst, dass du ihn langweilen könntest?“ John blickte fragend.

„Nein“, kam es sofort, ohne darüber nachzudenken von dem DI und er schüttelte den Kopf. „Ich denke gerade, weil ich anders bin als er, wird es nie langweilig. Ja, wir streiten auch mal und das dann nicht zu knapp, aber … Versöhnungssex ist der Beste!“

„Herrgott noch eins … denkt hier eigentlich irgendeiner nicht dauernd an Sex?!“, fluchte John und ließ sich frustriert auf einer Bank nieder. Er bettete seine Hände auf seinem Schoß und blickte stumm gerade aus.
 

Lestrade lachte kurz und ließ sich neben ihm nieder.

„Was ist so lustig?“

„Das gleiche hab ich vor 2 Jahren durchgemacht, John. Ich hab mich oft gefragt, was er an mir findet. Warum er mich aushält … ich hab anfangs sogar all seine Geschenke abgelehnt, weil ich dachte dann wäre ich eher wie … ich kam mir wie eine Nutte vor. Klingt vielleicht blöd, aber anfangs dachte ich wirklich, er will mich nur fürs Bett ...“

„Nein, klingt nicht blöd. Kann ich verstehen. Was hast du gemacht?“

„Schluss.“

„Was?!“

„Ja, ich hab mich getrennt … ging allerdings keine Woche gut … dann stand er eines Abends bei mir vor der Tür, sichtlich nervös und … er hatte sogar Blumen dabei.“

„Ist nicht wahr? Mycroft?“ John musste lachen, als er sich das vorstellte.

„Hmhm … und nach diesem Abend, war alles ganz einfach. Wir haben an dem Abend auch nicht miteinander geschlafen, sondern einfach nur Zeit miteinander verbracht. Ich habe ihm angesehen und gespürt, dass er es genossen hat auch ohne Sex Zeit mit mir zu verbringen.“
 

„Was macht dich denn so unsicher, bei Sherlock?“

„Ich weiß es nicht. Es ist eben … ich habe Angst, dass er mich irgendwann satt haben wird. Wenn wir alles mögliche durch haben, dann ...“ John machte eine kurze Pause und dachte nach, ob es ratsam wäre mit Greg darüber zu sprechen. Er war normalerweise kein Mensch, der sich in solchen Belangen einfach mit anderen unterhielt. John war da eher traditionell und etwas zurückhaltend, was sein Sexleben anging, doch Greg schien da offener mit umzugehen. Ebenso hätte er das nicht von Mycroft erwartet!
 

„Hey, du kannst offen mit mir reden. Ich werde auch nichts Mycroft gegenüber erwähnen.“

„Da wäre ich dir sehr verbunden, noch mehr Sextipps brauch ich nicht von ihm“, nuschelte John etwas verlegen und spürte, wie seine Wangen sich leicht röteten.

„Sextipps? Oh Mann ...“ Lestrade lachte leise. Ihn schien es nicht sonderlich zu überraschen. „Mycroft ist ziemlich offen, was sexuelle Dinge angeht. Wir haben schon viel ausprobiert und er geniert sich auch nicht, das bei Menschen denen er vertraut offen auszusprechen. Weil es etwas ganz normales ist. Ich weiß, dass das manchmal verstörend sein kann.“

„Moment … Mycroft … vertraut jemandem?“, wollte John scherzhaft wissen, ohne auf das andere Gesagte einzugehen und die Situation etwas zu lockern. Nervös strich John sich über die Oberschenkel. „Sherlock hat … mir etwas besonderes für Weihnachten angeboten ...“ War es okay, wenn er mit Greg darüber sprach? Doch wenn dieser dicht halten würde … warum eigentlich nicht. Seine Wangen glühten zwar schon, aber er würde es trotzdem wagen. „Seine … Jungfräulichkeit. Himmel, wenn er wüsste dass ich dir das erzähle, würde er mich sicher umbringen.“

„Ich denke nicht“, kam es trocken von Lestrade und er musste sich beherrschen, nicht zu lachen. „Das hat er mir selbst erzählt.“

„Bitte?!“ Johns Augen weiteten sich.

„Er bat mich um etwas und ich zitiere: Greg, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du dich heute Nacht um meinen großen Bruder kümmern könntest, da ich beabsichtige mich von John entjungfern zu lassen. Ich will unter keinen Umständen, dass es zu einer Störung kommt, weil John Angst hat, mein Bruder könnte wieder etwas mitbekommen. Zitat Ende. Er hat sogar meinen richtigen Namen benutzt! Es muss ihm sehr wichtig sein.“
 

„Wo ist das Loch, wenn man es braucht ...“, seufzte John. Er konnte nicht fassen, dass Sherlock das wirklich gesagt hatte und da machte er sich Gedanken darüber, wie weit er irgendwas ausplauderte?? Er musste dringend mit seinem Partner reden, so konnte das nicht weitergehen.

„Du kennst ihn doch, er wollte lediglich die Tatsachen weitergeben und er kümmert sich ja nicht darum, ob das gesellschaftlich okay ist oder nicht.“
 

John schwieg leise. Er wusste nicht, was er davon halten sollte.

„Hör mal, ich werde mich in jedem Fall um Mycroft kümmern. Ich genieße es, dass wir hier mal ungestört Zeit haben … zu Hause in London, ist das eher selten der Fall. Da sehen wir uns manchmal tagelang nicht.“

„Selbst wenn ihr nichts hört, sind da immer noch Sherlocks Eltern … ich weiß gar nicht ob ich mich da richtig … entspannen kann.“

„Gestern Nacht konntest du es … das war nicht zu überhören!“

„Siehst du, obwohl ihr nicht besser wart, habt ihr uns gehört.“

„Nein, wir waren da schon fertig … glaub mir, wenn ich mich mit Mycroft beschäftige, dann nimmt weder er noch ich wahr, was um uns herum geschieht. Außerdem … um auf seine Eltern zurück zu kommen … ich weiß, dass Siger einen durch nichts zu erschütternden Schlaf hat und Violet immer Ohropax benutzt, da ihr Mann nach ihren Angaben zu laut schnarchen würde. Also … mach dir um die keine Sorgen.“
 

„Ich weiß nicht, ob es das alles erträglicher macht, aber danke Greg.“ John lächelte mild und rieb sich kurz die Augen. Irgendwie war er müde und bemerkte den Schlafmangel der letzten Nacht.

„Weißt du, ich hätte nie geglaubt, dass er mich wirklich haben wollen würde … gerade er. Wobei, ich habe mir auch nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Mich immer mit Frauen getroffen und Mary geheiratet ...“ John lachte bitter und schüttelte den Kopf. „Aber trotzdem war, seit unserer ersten Begegnung, immer er es, der mein Leben bestimmt hat. Jeder schien das zu merken, nur wir nicht … schon komisch oder?“

„Ist doch meistens so, selbst merkt man es erst, wenn es passiert. Außenstehende haben ein anderes Auge für so was. Allerdings stimme ich dir zu, die Dynamik bei euch hat von Beginn an gestimmt.“

„Lass uns zurückgehen … nicht dass sie noch eine Suchmeldung nach uns rausgeben.“

„Sherlock würde uns binnen Sekunden aufspüren, wenn er es denn wollte.“

„Auch wieder wahr.“ John lachte und stand auf.
 

„Hätten wir uns auch nicht träumen lassen, so mal Weihnachten zu verbringen, was?“, hakte Greg nach und schob seine Hände in seine Manteltaschen.

„Stimmt, aber … trotz all der Peinlichkeiten, gefällt es mir!“

„Ja, mir auch.“
 

Als sie das Haus betraten, fand John seinen Partner schmollend auf einem Sessel im Wohnzimmer wieder. Er hatte seine Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Er blickte verdrossen zum Kaminfeuer.

„Was ist denn los?“, wollte John direkt wissen.

„Mycroft hat ihn aus der Küche geworfen, weil er was Dienstliches zu bereden hat“, erklärte Siger ruhig.

„Und jetzt ist mir langweilig!“, protestierte Sherlock und legte sein Kinn auf seinen Knien ab.

„Du bist erwachsen Sherlock, benimm dich!“, tadelte ihn seine Mutter und der Detektiv rollte mit den Augen.

„Was kann ich dafür, dass ihr außer in der Küche keinen vernünftigen Internetempfang habt! Und ich muss noch etwas recherchieren!“, grummelte der Jüngere der Brüder.

„Sherlock, wenn du wert auf meine Meinung legst … du könntest dich so lange mit etwas anderem beschäftigen“, wandte Lestrade ein, während er sich von seinem Schal und seinem Mantel befreite.

„Und was sollte das deiner geschätzten Meinung nach sein?!“ Sherlocks Stimme klang abwertend und trotzig.

„Na überleg mal … hm?!“ Gregs Kopf ruckte in Johns Richtung, woraufhin dieser die Augen weit aufriss.

„Nein Greg! Bring ihn nicht auf dumme …“, doch es war schon zu spät. Sherlocks Augen begannen zu leuchten und er sprang sofort von dem Sessel runter.

„Manchmal bis du ja doch zu was nütze ...“, meinte er in Gregs Richtung.

„Sherlock!“, entfuhr es Violet. „Ich muss doch sehr bitten!“

„Entschuldigung!“, kam es nicht ernst gemeint von dem Gerügten, bevor er sich Johns Hand schnappte und ihn mit sich in sein Zimmer zog.
 

tbc

Harte Geschütze

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das Ende der Jungfräulichkeit

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Zurück nach Hause

„Sherlock, jetzt sei nicht albern! Setz dich“, bat Violet zum dritten Mal, als ihr Sohn immer noch gegen den Küchentresen gelehnt stand und es vorzog seinen Tee stehend zu sich zu nehmen.

„Mutter, lass ihn. Er kann nicht!“, bestimmte Mycroft genervt und löffelte sein Müsli. Die Feiertage hatten ihm wieder unnötige Kalorien eingebracht, die musste er dringend wieder loswerden! Strenge Diät war also unabdingbar.

„Ja, John scheint ein echt toller Hecht im Bett zu sein“, erklärte Greg auch wissend, was Sherlock und John getrieben hatten. „Ich hab zwar meine Wette verloren, aber das ist nicht wichtig.“

„Ich sage dir immer wieder, du sollst nicht mit mir wetten.“ Mycroft lächelte ihn süffisant und schadenfroh an.

„Du verführst mich immer wieder dazu!“

„Du musst ja nicht drauf eingehen.“
 

„Morgen. Wette? Um was habt ihr denn gewettet?“, wollte John wissen, der gerade die Küche betrat. Er hatte noch geduscht und war daher etwas später. Sherlock hatte ihm zwar angeboten, sie konnten gemeinsam duschen, aber der Ältere hatte dankend abgelehnt. Er wollte es mit der Gastfreundschaft seiner Schwiegereltern nicht übertreiben.

„Darum wer von euch unten liegt natürlich“, antwortete Lestrade. „Morgen John, übrigens.“

Johns Augen weiteten sich. Er blickte Sherlock fragend an.

„Du hast doch nicht etwa … alles ausgeplaudert?“, hakte er mich leicht roten Wangen an.

„Nein, natürlich nicht!“, antwortete der Jüngere empört. Er war zwar sicher in dieser Hinsicht etwas offenherziger als John, aber er musste ja auch nicht jedes Detail erwähnen!
 

„Er kann nicht sitzen“, warf Mycroft ein und atmete tief durch. „Wie wäre es, wo du meinen Bruder schon so geschunden hast, wenn du ihm ein Kissen besorgst, damit er sich endlich setzt und Mutter Ruhe gibt!“

„Mycroft!“, entfuhr es Greg, John und Sherlock gleichzeitig.

Dieser rollte genervt mit den Augen. „Entschuldigung!“, brachte er dann gepresst hervor und schob das Müsli von sich weg. Das war einfach nicht gut!

„Hier, iss das ...“ Greg stellte ihm einen Marmeladetoast auf seinem Teller vor die Nase.

„Du weißt ...“, begann Mycroft.

„Iss!“, bestimmte der DI und nickte zufrieden, als sein Partner dem nach kam.
 

„Ist wie in dieser einen Snickers Werbung … wenn er hungrig ist, wird er zur Diva“, kam es trocken von Greg und John konnte nicht mehr. Er musste lachen. Er würde den Bruder seines Freundes nie wieder so sehen wie früher.

Mycrofts jetzt fast mörderischer Blick traf Lestrades braune Augen, doch diesen ließ das kalt.

„Das wirst du noch bereuen!“

„Oh, das hoffe ich doch sehr“, kam es anzüglich von Greg zurück.
 

„Ich gebe es auf. Nach diesen Feiertagen brauche ich Urlaub! Siger … wollen wir nicht irgendwo hin fliegen?“, rief Violet und verschwand aus der Küche. Sie ging ins Wohnzimmer, zu ihrem Mann, der dort in ein Buch vertieft war.
 

„Soll ich dir ein Kissen holen, für deinen geschundenen Hintern?“, flüsterte John jetzt Sherlock zu und musste grinsen, als dieser etwas verlegen den Kopf schüttelte.

„Nein, ich wollte es so und ich ertrage es wie ein Mann.“

„Stehend?"

„Verdammt richtig!“

Als sich ihre Blicke trafen mussten sie beide lachen, dann beugte John sich vor und küsste Sherlock sanft, bevor er sich dann zu Mycroft und Greg an den Tisch setzte.
 

„Nun, entweder wart ihr beiden gestern brav oder ihr seid nicht so gut wie wir“, bestimmte John so ernst und trocken er konnte. Was sollte es? Es konnte ja wohl kaum noch peinlicher werden.

„Alles eine Frage der Übung“, erwiderte Mycroft und leckte sich etwas Marmelade von seinem Daumen. „Nicht wahr, Greg?“

„So sieht's aus. Schade das wir heute schon abreisen ...“, seufzte der DI.

„Ich muss. Dringende Termine, die leider meiner werten Anwesenheit bedürfen. Ich werde schon mal packen.“
 

Danach stand Mycroft auf und verschwand aus der Küche. Sherlock grinste schief und warf Lestrade einen Blick zu.

„Ja, Mycroft liegt auch öfter unten“, bestätigte er die nicht ausgesprochene Vermutung des Detektivs.

„Hm? Was ist … woher?“, wollte John wissen und blickte verwirrt von einem zum anderen.

„Sein Gang. Sitzen kann er vielleicht noch, aber beim Gehen hat er Schwierigkeiten. Sehr interessant.“

„Trotzdem, wir führen eine sehr ausgeglichene Beziehung. Wie wollt ihr das handhaben?“, hakte Greg nach und John verschluckte sich an seinem Toast. Er hustete leise. Hatte er eben noch gedacht, es konnte nicht mehr peinlicher werden??
 

„Das steht noch nicht zur Debatte. Alles in Ordnung, John?“, wollte Sherlock wissen, als der Arzt sich gerade wieder fing.

„Frag mich so was bitte nie wieder, während ich etwas esse oder trinke!“, bat er Greg und löste damit einen kurzen Lachanfall bei dem Polizisten aus.
 

Gute zwei Stunden später verabschiedeten sich John und Sherlock von den Eltern des Detektiven. Violet betonte noch einmal, wie überaus schön es gewesen war John kennenzulernen und bat ihn, sie etwas auf dem Laufenden zu halten, da Sherlock ohnehin nie anrufen würde. Sherlock hatte daraufhin nur mit den Augen gerollt und John Richtung Taxi gezogen.
 

Als sie dann endlich am späten Nachmittag des 1. Weihnachtstages wieder zurück in der Baker Street waren, seufzte Sherlock tief durch. „Zu Hause“, meinte er leise.

„Hab ich dich noch nie sagen hören“, stellte John überrascht fest.

„Nun, es ist auch erst ein Zuhause für mich, seit ich dich habe. So richtig habe.“

„Also, seit wir miteinander geschlafen haben?“

„Nein, seit wir ein Paar geworden sind“, stellte Sherlock die Sache richtig. Der Jüngere benutzte das Wort „Paar“ nicht sonderlich oft, daher genoss es John immer wieder, wenn er es doch mal tat. Ebenso wie er ihn seinem Vater als Lebenspartner vorgestellt hatte. Es hatte ein warmes Gefühl in John ausgelöst. Oft würde er ein „Ich liebe dich“ von Sherlock sicher nicht hören, aber diese Kleinigkeiten sagten ihm genau das. Der Jüngere liebte ihn.
 

„Tee?“, hakte der Arzt dann nach und befreite sich von seinem Mantel.

„Gern. Etwas Gutes hat es, dass wir weg waren. Die lästige Weihnachtsparty entfällt.“

„Oh nein, tut sie nicht.“

„Doch tut sie.“

„Nein, tut sie nicht!“, antwortete John mit Nachdruck und stellte den Wasserkocher an.

„John! Willst du mir vielleicht irgendwas mitteilen?“

„Das hab ich dir schon, als ich alle eingeladen habe vor 2 Wochen, ich hab es dir in den darauffolgenden Tagen immer wieder gesagt, ebenso an dem Tag vor unserer Abreise“, erklärte er ernst und blickte Sherlock in die Augen. „Du hast vermutlich nur mal wieder nicht zugehört, was ja nichts Neues ist.“

„Weihnachtsgeschenke hab ich nicht besorgt“, stellte der Detektiv nur trotzig fest und setzte sich an den Küchentisch, stand jedoch gleich wieder auf, als er merkte, dass Sitzen immer noch nicht so vorteilhaft war. Die Fahrt nach Hause war schon schlimm genug gewesen.

„Macht nichts, das wusste ich und hab es erledigt. Da wir jetzt ein Paar sind, reicht es völlig wenn wir als Paar jedem etwas schenken. Für Mrs. Hudson hab ich einen Seidenschal besorgt, für Molly ihr Lieblingsparfum und für Greg eine gute Flasche Whisky. Wusste ja da noch nicht, dass wir ihn bei deiner Familie treffen. Kann es immer noch nicht glauben, er und die eiserne Lady…“ John schüttelte lachend den Kopf.

„So eisern erschien mein Bruder mir nicht wirklich.“ Sherlock schmunzelte.

„Nein, ganz und gar nicht … Greg hat wohl den Schlüssel für seinen Keuchheitsgürtel gefunden“, scherzte John, während er Teebeutel in die Tassen warf. Er wollte gerade das Wasser eingießen, als Sherlocks Arme sich von hinten um seinen Körper schlangen.

„Ebenso wie du zu meinem. Hm … John … du riechst gut“, stellte der Jüngere fest, während er seine Nase in Johns Haaransatz vergrub. Seit sie miteinander geschlafen hatten, war er noch verrückter nach John. Konnte das überhaupt gehen?
 

„Danke, Sherlock.“ Der Ältere lehnte sich zurück und schloss die Augen. „Manchmal fasse ich noch nicht mal, dass wir wirklich zusammen sind …“, seufzte er leise und drehte sich dann zu Sherlock um, um ihn zu küssen.
 

Am nächsten Tag quälte Sherlock sich durch die öde und nach seiner Meinung unnötige Weihnachtsparty. Er spielte ein paar Lieder auf seiner Geige, trank etwas Wein und langweilte sich. Jedoch hatte John ihm versprochen ihre Erfahrungen noch etwas zu vertiefen, wenn er sich ordentlich benahm. Daher hatte er es tunlichst unterlassen spitze Bemerkungen in Mollys Richtung zu unternehmen, nachdem sie erfahren hatte, dass John und er ein Paar waren. Vielleicht würde ihr das aber auch endlich helfen, über ihn hinweg zu kommen?
 

Nachdem ihre Gäste dann endlich weg waren, zogen die beiden sich in ihr mittlerweile gemeinsames Schlafzimmer zurück. Auch dieses Mal wurden die beiden sehr leidenschaftlich und Sherlock verlangte regelrecht von John, dass er ihm schmutzige Sachen ins Ohr flüsterte. Als die beiden ihren Gefühlen dann unterlagen, war es schon mitten in der Nacht.
 

„Ich sollte meine Kleider mal hier runter räumen, findest du nicht? Hast du noch Platz im Schrank?“

„Nein, er ist voll“, seufzte Sherlock und schmiegte sich müde an John, der einen Arm um ihn legte.

„Hm … dann sollten wir einen Größeren kaufen.“

„Findest du? Du könntest auch deinen hier herunterschaffen.“

„Hilfst du mir?“

„Muss ich wohl, oder?“

„Allein wird es schwierig … und ich finde es umständlich, dass ich ständig zum Anziehen hoch rennen muss, wo ich doch immer hier schlafe.“

„Gut, dann helfe ich dir.“

„Es war überraschend einfach dich zu überzeugen“, stellte John lachend fest. „Vielleicht sollte ich dich öfter nach dem Sex um Dinge bitten, die ich gerne hätte.“

„Du kannst es versuchen, aber ich werde dir nicht garantieren, dass ich alles einhalte, was ich in diesem postkoitalen Zustand verspreche!“

„Einen Versuch ist es wert …“ John gähnte ausgiebig. „Lass uns schlafen.“

„Ja … Nacht.“

„Nacht.“
 

Es dauerte nicht lange, bis sie eingeschlafen waren.
 

In den kommenden Tagen half Sherlock Lestrade bei einigen Fällen. John arbeitete wieder aushilfsweise im Krankenhaus und kurz vor Jahreswechsel nahmen sie einen neuen Fall an.

Silvester feierten die beiden allein. Sie sahen sich einen Film an, zu dem John Sherlock in einem schwachen Moment überredet hatte und sie genossen einfach die Nähe des anderen. Kurz vor Mitternacht gingen sie dann nach unten zu Mrs. Hudson und stießen mit ihre auf das neue Jahr an.
 

Als sie sich das Feuerwerk ansahen seufzte John schwer. Seine ungeborene Tochter kam ihm wieder in den Sinn. Etwas wehmütig dachte er daran, dass er sie nie kennenlernen würde. Gut, in sein Leben passten auch keine Kinder, aber er hätte sie dennoch gerne kennengelernt und aufwachsen gesehen. Mary war ihm mittlerweile reichlich egal, er war mit dem Menschen zusammen, den er liebte und diesem Umstand verdankte er auch, dass er über dieses ganze Drama mit Mary recht schnell hinweg gekommen war. Dennoch, das mit seinem Kind … das lag ihm immer noch schwer in seinem Magen.
 

„Alles in Ordnung?“, wollte Sherlock wissen.

„Es ist … wegen … ach es ist nichts.“

Sherlock verengte die Augen. „Du denkst an dein Kind“, stellte er nüchtern fest und seufzte schwer. Am liebsten hätte Sherlock ihm jetzt geraten, sie einfach zu vergessen, aber das erschien ihm als nicht angebracht. Seit er mit John zusammen war, hatte er zumindest was ihn betraf etwas mehr Taktgefühl erlernt, als vorher.

„Ja, woher …“ „Ich sehe es dir an. Deine Augen glänzen dann immer so sehnsüchtig und dein Blick geht ins Leere. Noch dazu deine hängenden Schultern, das tust du nur, wenn du wehmütig oder traurig bist. Da es zwischen uns gut läuft, du Mary längst überwunden hast, deinen Job wieder aufgenommen hast und wir einiges zu tun hatten, dir auch nicht langweilig ist, ist es deine Tochter. Offenkundig.“ Sherlock machte eine Pause. „Sie ist momentan das einzige, dass dir die Stimmung vermiest.“

„Du hast Recht, wie immer“, seufzte John und zuckte mit den Schultern. „Ich hätte sie gerne kennengelernt.“

„Ich weiß“, erwiderte Sherlock nur leise und hauchte einen Kuss auf die Wange seines Partners. „Ein Kind kann ich dir natürlich nicht bieten, nur mich.“

„Ja. Danke Sherlock“, erwiderte der Ältere und verschloss die Lippen seines Partners mit einem Kuss.
 

Auch an Weihnachten hatte er das ein oder andere Mal an sie gedacht, aber den Gedanken immer wieder beiseite geschoben. Er war auch von den Holmes sehr gut abgelenkt worden. Das war wirklich ein schönes Weihnachtsfest gewesen und John freute sich schon auf das nächste Mal. Ostern wollten sie dann wieder dort verbringen. Sherlock hatte murrend zugestimmt, mit der Anmerkung dass er jetzt zweimal im Jahr seine Eltern besuchen müsste und das doch Zeitverschwendung wäre!!
 

Nach dem John die Arbeit an seinem Blog wieder aufgenommen hatte, gingen auch wieder mehr Fälle ein. Die beiden hatten gut zu tun, was sich auch auf Sherlocks Laune niederschlug. Er war völlig ausgelastet. Interessante Fälle, eine ausgeglichene, befriedigende Beziehung … es schien alles perfekt. John dachte immer weniger an seine Tochter, begann sich damit abzufinden, dass er sie nie sehen würde und genoss die Zeit mit dem Detektiven.
 

Es war März, als Mrs. Hudsons erschrockener Aufschrei die beiden Männer in Alarmbereitschaft versetzte. Sie hatten gerade gefrühstückt, als ein lautes „OH MEIN GOTT!“, durchs Haus geschallt war. Sofort sprangen sie auf und liefen die Treppe hinunter. Doch was sie dort vorfanden, hätten sie nicht erwartet.
 

tbc

Ins kalte Wasser ...

Als John und Sherlock am Treppenabsatz stehen blieben, trafen sie erst einmal auf Mrs. Hudson, die noch im Türrahmen stand. Sie hatte eine Hand auf ihre Brust gelegt und versuchte sich zu beruhigen.

„Was ist passiert?“, wollte John wissen, doch sie deutete nur auf die Stufen vor der Haustür.

„Was ist … ach du … heiliger …“, kam es von dem ehemaligen Soldaten und seine Augen weiteten sich. Sherlock wagte ebenfalls einen Blick. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Was ist das?“, hakte er leise nach.

„Diese Frage, stellst ausgerechnet du?!“, wollte John aufgebracht wissen, bückte sich und griff nach dem Umschlag, der darauf abgelegt war. „Mein … Name …“, stellte er leise fest und er erkannte auch die Handschrift, auf dem Umschlag. „John Watson“ Marys Handschrift.
 

„Holen wir es erst einmal rein, das arme Kind“, bestimmte Mrs. Hudson. „Ich wollte eigentlich einkaufen gehen und als ich die Tür öffnete, war es da!“, erklärte sie und schien endlich ihre Sprache wiedergefunden zu haben.

John ging geistesabwesend einen Schritt zurück und starrte auf den Umschlag. Sherlock war kurz davor, ihn seinem Freund aus den Händen zu reißen und ihn zu öffnen. Seine Neugierde brachte ihn fast um! Gut, wenn er jetzt einen Deduktionsversuch starten sollte, würde er sagen, in dem Babyssafe vor ihrer Haustüre befand sich Johns Kind, denn niemand hätte einfach so irgendein Baby vor ihre Tür gestellt. Vom Zeitraum her könnte es passen. Als John und Mary sich getrennt hatten, war sie vielleicht im 4. maximal 5. Monat gewesen. Der Brief musste folglich also von Mary sein, was John gerade sichtlich aus der Bahn warf. Warum? Nicht wegen Mary, da war Sherlock sich sicher. Wegen dem Kind. Offenkundig!
 

Mit zitternden Fingern öffnete John den Brief und nahm das gefaltete Blatt heraus. Viel stand nicht darauf.

„Lieber John, was ich dir angetan habe tut mir immer noch unendlich leid. Ich hoffe, du hast es überwunden. In dem Babysafe liegt deine Tochter. Sie wurde am 03.03. geboren und ich habe sie Emily genannt. Bei mir ist sie nicht sicher, bei dir schon. Kümmere dich gut um sie. Du wirst nie wieder von mir hören. Mary.“

Las er den Brief vor und blinzelte ein paar Tränen weg. Dann blickte er zu dem Autositz, in dem Emily lag. Seine Tochter. Er konnte es nicht fassen. Sie war gerade … der wievielte war heute? Der 20. März? „17 Tage ist sie …“, flüsterte er leise und nahm Mrs. Hudson den Autositz ab.

„Sherlock, nimmst du bitte die Tasche?“, wollte John leise wissen. Mary hatte noch eine Reisetasche dazugestellt. Vermutlich mit einigen Dingen für Emily.
 

Widerwillig seufzte der Detektiv, griff die dunkle Tasche und folgte John dann die Stufen nach oben. Das konnte ja jetzt heiter werden.

„Ich werde dann mal einkaufen gehen“, erklärte Mrs. Hudson noch, bevor sie das Haus verließ. Auch wenn man ihr deutlich ansehen konnte, dass sie jetzt doch neugierig war.
 

„Willst du es behalten?“, hörte er sich selbst fragen und wusste schon in den nächsten Sekunden, dass das nicht die richtige Frage gewesen war.

„Es ist meine Tochter Sherlock! Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

„Nun, es gibt viele Möglichkeiten … Adoption ist eine …“

„Spinnst du?!“

„Nein, ich wollte … John, wie stellst du dir das vor? Es schreit, es stinkt, es braucht Aufmerksamkeit!“, kam es ernst von Sherlock. „Wir haben keine Zeit für so was!“

„Noch einmal Sherlock … sie ist meine Tochter. Ich werde sie nicht hergeben oder im Stich lassen!“, erklärte der Ältere ernst.

„Aber …“

„Auf keinen Fall!“, erklärte John ernst. Zu allem Übel fing Emily da auch wie auf Kommando an zu schreien.

„Stell es ab!“, kam es ärgerlich von Sherlock und er deutete auf das kleine schreiende Baby.

„Stell … Herrgott Sherlock! Du weißt doch so gut wie ich, dass wir keinen Knopf haben, an dem man irgendwas ausstellen könnte. Wenn das so wäre, würde ich dein dummes Gerede auch am Liebsten abstellen!“, fuhr John ihn wütend an. Wie konnte sein Freund nur so kaltherzig sein?! Er brauchte ihn doch jetzt und konnte dieses Verhalten gerade gar nicht nachvollziehen.
 

John öffnete den Gurt des Autositzes. Er wusste nicht, ob es vor Nervosität oder Wut auf Sherlock war, dass seine Hände zitterten. Sherlock ließ mit einem lauten Knall die Tasche auf den Boden fallen und ging zu seinem Sessel hinüber, um sich auch dort geräuschvoll niederzulassen.
 

Wie sollte das jetzt weiter gehen? John. John und Emily. John – Emily. Vater und Tochter. Kein Platz mehr für einen Sherlock, der auch immens viel Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchte. Bisher war er Johns wichtigste Person gewesen. Das war jetzt sicher anders. So musste Mycroft sich gefühlt haben, als er auf die Welt gekommen war. Das hatte er ihn ein ganzes Leben lang spüren lassen. Sherlock legte seine Fingerspitzen gegeneinander und verengte die Augen, während er stumm die Szene betrachtete, die sich vor seinen Augen abspielte.
 

John nahm Emily aus dem Autositz, vorsichtig, als ob sie gleich zerbrechen könnte und sprach leise mit ihr. Er strahlte sie regelrecht an, spielte mit ihren kleinen Fingerchen und schien glücklich zu sein. Seine Augen glänzten verräterisch.

„Willst du sie mal auf den Arm nehmen?“, wurde Sherlock dann plötzlich angesprochen. Dieser hob nur abwehrend die Hand.

„Nicht mal im Traum!“, kam die kühle Antwort.

„Sherlock, was ist los mit dir! Du weißt, wie viel mir das hier bedeutet und … sie sollte dich auch kennenlernen“, bat John und versuchte so einen Schritt auf den Jüngeren zuzugehen. Dieser schüttelte nur den Kopf. Nein, er war nicht gewillt dazu. Nein, er würde dieses Bündel ganz sicher nicht auf den Arm nehmen! Es würde ihm sicher nur Milch über seinen Anzug spucken und ihn ruinieren.

„Dann … würdest du ihr vielleicht etwas Milch machen? Ich bin mir sicher, in der Tasche hat Mary alles nötige …“

„Das alles ist nicht mein Problem!“, erklärte Sherlock und stand auf. „Ich bin erst einmal weg. Muss noch etwas recherchieren.“ Danach sprang er auf und verschwand auch schon kurz darauf im Treppenhaus.
 

Die nächsten Tage wurden für John zur Zerreißprobe. Sherlock war ihm keine große Hilfe, der widmete sich seinen Fällen und ging Emily und ihm aus dem Weg. Zudem schien die Kleine Anpassungsschwierigkeiten zu haben und weinte viel, was den Detektiven wieder zusätzlich in üble Laune versetzte. Sherlock war verschlossen und in den wenigen Momenten, in denen er das mal nicht war, wollte er Sex, was John die ersten Male noch zugelassen, dann aber abgelehnt hatte. Momentan herrschte Eiszeit zwischen ihnen und John wusste, über kurz oder lang würde das nicht gut gehen, wenn sich nicht etwas änderte.
 

Mrs. Hudson hatte von einer ehemaligen Mieterin noch eine Wiege im Keller deponiert, immerhin die hatte John geholfen. Im Autositzt hätte er seine kleine Tochter ja wohl kaum liegen lassen können.
 

Emily war jetzt knapp 4 Wochen bei ihnen und alles war einfach nur noch kompliziert, schwierig und einfach … scheiße! Ja, um es auf den Punkt zu bringen, John hasste sein Leben wie es gerade verlief! Es war nicht so, dass er seine Tochter nicht liebte, aber das alles war wirklich schwierig für ihn. Vor allem ohne Hilfe! Sherlock war zunehmend gereizt. John wusste einfach nicht mehr wo ihm der Kopf stand. Seinen Aushilfsjob hatte er, kaum dass er ihn angetreten hatte, schon wieder an den Nagel gehängt. Den konnte er abhaken! So wie die Sache aussah konnte er unmöglich arbeiten gehen. Es war auch kaum vorstellbar, was so ein kleines Kind an Wäsche produzierte, vor allem da sie viel spuckte und auch John ständig T-Shirts und Hemden wechseln musste.
 

Es war an einem Nachmittag, als Emily endlich mal eingeschlafen war. John hatte sie vorher über 2 Stunden durch die Wohnung getragen und immer wenn sie eingedöst war, hatte er sie hinlegen wollen, doch kaum hatte er sie in die Wiege gelegt, war sie wieder aufgewacht. Zum Verzweifeln!!

Er brauchte jetzt auch dringend Schlaf. Es war unglaublich, wie oft so ein kleines Baby auch nachts wach wurde und da Sherlock die Schreie der Kleinen, selbst wenn er wach war, ignorierte, musste John jedes Mal raus.
 

Müde fiel er aufs Bett, wollte die Gunst der Stunde nutzen und auch versuchen ein wenig zu schlafen. Nur ein wenig. Vielleicht eine Stunde. Vielleicht schlief sie ja auch mal 2 Stunden! Das wäre der Himmel.
 

Er hatte seinen Kopf noch nicht richtig ins Kopfkissen gebettet, als er spürte wie sich neben ihm das Bett senkte. Eine Hand legte sich auf seinen Rücken, Sherlocks Lippen fanden im nächsten Moment den Weg zu seinem Nacken.

„Nicht Sherlock. Bin müde“, murmelte John leise und hoffte, dass sein Partner aufgeben würde.

„Ach komm schon …“, flüsterte Sherlock. „Ist schon so lange her!“

„Lass mich bitte schlafen. Nur eine Stunde … bitte …“, bettelte der Arzt schon fast.

Sherlock schnaubte verächtlich und ließ sich beleidigt zurückfallen.

„Was?!“, kam es jetzt auch ärgerlich von John. „WAS denkst du dir überhaupt?! Verdammt, du lässt mich mit dem ganzen Mist allein!! Sie schreit fast unentwegt! Ich habe kaum Zeit mich zu rasieren, geschweige denn zu duschen, weil du mir nicht ein einziges Mal hilfst! Und jetzt, wo sie endlich mal schläft, will ich mich auch etwas ausruhen! Ich bin auch nur ein Mensch und ich pack das einfach so nicht mehr!!“, zischte der Ältere jetzt ärgerlich.

„Es ist aber nicht mein Baby, sondern deins.“

„Wir sind ein Paar, Sherlock. Ein Team, in jeder Hinsicht!! Oder sollten es zumindest sein, mittlerweile bin ich mir da echt nicht mehr sicher!! Ich habe langsam die Nase voll! Weißt du was, ich brauch etwas Abstand.“ John stieg wieder aus dem Bett und verließ das Schlafzimmer wütend Richtung Flur. Dort zog er sich seine Schuhe und seine Jacke an. Sherlock war ihm gefolgt und wollte protestieren. „Ich bin bei Greg, er hat heute frei! Ich werde mich dort etwas ausruhen und weißt du was, du kannst hier mal sehen wie du ohne mich zurecht kommst!“
 

„John!“, rief Sherlock ihm nach, der war aber schon die Stufen nach unten gelaufen.

„JOHN!“, etwas lauter, doch der Ältere blieb nicht stehen. Er war bereits auf der Straße. Verdammt, jetzt wurde es wirklich ernst! „John du hast es vergessen!“, rief er ihm nach. John drehte sich nur zu ihm um und schüttelte den Kopf. „Nein, hab ich nicht. Bis dann!“, rief der Ältere und fand heute doch wie durch Zauberhand direkt ein Taxi, das ihn gewillt war mitzunehmen.
 

Sprachlos stand Sherlock auf der Straße, in seinem Morgenmantel, seiner Pyjamahose und einem schlabbrigen T-Shirt, mit nackten Füßen und blickte seinem Partner ungläubig nach. Was war hier gerade passiert??
 

Sherlock schluckte hart, als er zu seiner Wohnungstür blickte. Mrs. Hudson fiel auch aus, denn die war zu ihrer Schwester gefahren. Er verzog verärgert das Gesicht und stapfte mit wütenden Schritten wieder zurück ins Haus. Grummelnd warf er sich oben im Wohnzimmer auf die Couch und sein Blick glitt zu der kleinen Wiege, in der es schlief. Es war Sherlocks größter Albtraum. Schlimmer als Moriarty und Magnussen zusammen. Es war noch schlimmer als Langeweile! Es zerstörte ihre Beziehung! John hatte keine Zeit mehr für ihn und es bekam wesentlich mehr Aufmerksamkeit, als es verdient hatte!! Er, Sherlock, sollte der Mittelpunkt in Johns Leben sein! Nicht dieses schreiende, zahn- und haarlose Monster!!
 

Hoffentlich kam John bald wieder! Er würde sich sicherlich nicht um es kümmern.

Schmollend verzog er das Gesicht. Nein ganz sicher nicht! Egal wie laut es auch schrie!
 


 

„Und du hältst das für eine gute Idee? Ihn mit deiner Tochter allein zu lassen? Keine Angst das er sie an den Höchstbietenden verkauft?“, scherzte Greg leise, während er John ein Bier reichte.

„Danke. Nein. Ich muss ihn ins kalte Wasser werfen. Alles andere bringt nichts. Ich hab es mit Reden versucht, aber er will nicht. Er ist ein Dickkopf und er will ihn durchsetzen. Ich weiß, es ist nicht fair von mir … aber erstens kann ich nicht mehr. Ich bin wirklich am Ende meiner körperlichen Kräfte und außerdem … er würde mir das nie antun. Ich weiß, er hat sich in den letzten Tagen nicht von seiner besten Seite gezeigt, aber er weiß, was sie mir bedeutet und er wüsste, wenn er sich nicht um sie kümmert oder sie gar verkaufen würde, dass ich ihm das nie verzeihe!“

„Schön, das Gästezimmer ist oben. Erste Tür rechts.“

„Diese Blöße wird er sich nicht geben. Er schmollt jetzt sicher. Ich kenn ihn doch. Mein Handy lass ich hier … nur für den absoluten Notfall. Sollte er doch anrufen, gehst du ran?“

„Natürlich. Ruh dich ein bisschen aus. Kannst so lange bleiben, wie du willst.“

„Danke Greg.“
 

John trank sein Bier leer und verschwand nach oben. Zog sich bis auf sein T-Shirt und seine Boxershorts aus und legte sich ins Bett. Es dauerte nicht lange, bis er eingeschlafen war.
 

Zur gleichen Zeit in der Baker Street …
 

Sherlock lief genervt im Wohnzimmer hin und her. Es schrie! Und es schrie laut!! Es schrie sogar so laut, dass er es nicht mal mehr ignorieren konnte. Das Schreien ging ihm durch Mark und Bein! Verdammt!! Warum hatte die Natur es nur so eingerichtet, dass man Babygeschrei einfach nicht ignorieren konnte?! Nicht ausblenden?! Warum?!! Er hatte schon versucht, dem Geschrei zu entgehen, in dem er ins Schlafzimmer gegangen war Doch auch das half nichts! Er hatte es immer noch gehört und sie alleine zu lassen war auch keine Option. Er wollte John schließlich nicht noch mehr verärgern.
 

Okay, irgendwas stimmte mit ihr also nicht. Sherlock überwand sich, er wollte schließlich, dass es aufhörte zu schreien. Irgendwie würde er das schon schaffen, schließlich war er ein Holmes. Soweit so gut! Doch was fehlte ihr??

„Ausschlussverfahren!“, bestimmte er direkt. Darin war er gut. Einfach ermitteln. Fehler erkennen, Rätsel lösen und es würde hoffentlich wieder Ruhe einkehren! Schnell ging er zu der Wiege und überlegte, was es sein konnte. „Volle Windel, Hunger, fehlender sozialer Kontakt! Oh bitte, lass es Hunger sein!“, seufzte er leise und reckte den Kopf in die Wiege. Er schnüffelte und befand, dass die Kleine noch recht ordentlich roch. Gut, volle Windel strich er schon mal von seiner imaginären Liste. Hunger? Er würde Milch zubereiten müssen, um das heraus zu finden. Müde war sie sicher nicht, denn sie hatte jetzt einige Zeit geschlafen.
 

Mit schnellen Schritten war er in der Küche und schnappte sich die Packung, in der sich die Milchnahrung für Säuglinge befand. Er drehte sie schnell in seinen Händen, fand die Anleitung und eine kleine Tabelle darauf, wie viel ein Baby in ihrem Alter für gewöhnlich trank. Er kochte Wasser auf, füllte es in das kleine Kühl-Dings, das John immer benutzte, ließ es durchlaufen, so dass es am anderen Ende in der perfekten Temperatur wieder heraus kam. Er hatte es schon bei John gesehen und hoffte, dass ihm das jetzt zu Gute kam. In Gedanken lobte Sherlock den geistreichen Erfinder dieses Teils und füllte die Milchpulver in das Fläschchen.
 

Als er fertig war ging er damit zu dem schreienden Bündel in der Wiege.

„Bitte, lass es Hunger sein!“, flüsterte er leise, als er das Fläschchen zum Mund führte.
 

tbc

Einsehen?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Johns perfekter Plan ...

Und John sollte noch öfter von seinen Partner überrascht werden. Es war, wie mit allem, dem Sherlock sich widmete: Wenn er sich etwas verschrieben hatte, dann mit Hingabe. So hätte es ihn nicht verwundern sollen, als Sherlock gleich am nächsten Tag schon früh morgens die Baker Street verlassen hatte. Im ersten Moment hatte John schon etwas Angst gehabt, dass er es sich doch noch einmal anders überlegt hätte, doch seine Ängste waren unbegründet.
 

Mrs. Hudson hatte gerade Tee gebracht und hielt Emily auf dem Arm, als der Detektiv mit einigen Tüten bepackt und mit ein paar Leuten im Schlepptau die Wohnung betrat. „Das Zimmer ist oben“, wies er die vier jungen Männer an, die dann direkt nach oben gingen. Sie hatten Eimer, Pinsel und etliche andere Handwerksutensilien dabei.
 

„Sherlock?“ John schob irritiert die Augenbrauen hoch und starte seinen Partner einfach nur verwundert an, der zielstrebig in die Küche ging. Schnell hatte er alle Tüten auf dem Küchentisch abgestellt. Der Ältere verdrängte den Gedanken lieber an das, was er gestern Abend noch mit Sherlock dort getrieben hatte. Er wollte Mrs. Hudson nicht erklären müssen, warum er knallrot im Gesicht wurde.

„Sherlock, was geht hier vor?“, wollte John wissen, als er seine Artikulationsfähigkeit wiedererlangt hatte.

„Ich war einkaufen.“

„Das sehe ich. Was sind das für Leute?“

„Die schulden mir noch einen Gefallen“, erklärte Sherlock und winkte ab. „Nicht wichtig, schau mal …“ Der Detektiv zog einige Kleidungsstücke aus der Tüte. „Ich habe der Verkäuferin Emilys Maße genannt. Es sollte passen, falls nicht, können wir es umtauschen.“

„Sherlock!“

„Was?!“

John funkelte ihn ernst an, presste dann seine Lippen aufeinander. Eigentlich wollte er sich zurückhalten, aber als ihm klar geworden, was sein Partner da getan hatte, konnte er nicht mehr anders. Er ging auf ihn zu und umarmte ihn.

„Ich hab also nichts falsch gemacht?“, hakte der Jüngere leise nach.

„Nein, hast du nicht. Im Gegenteil.“

„Gut, ich dachte gerade schon …“

„Es ist alles gut. Okay, zeig was du eingekauft hast“, bat John dann leise und trennte sich von seinem Freund. Er strich sich über seine Augen und atmete ein paar Mal durch, was von Mrs. Hudson nur mit einem milden Lächeln bedacht wurde. Sie freute sich für ihre Jungs und hatte nichts dagegen, dass Sherlock gerade dabei war, das obere Zimmer umzugestalten.
 

„Zunächst einmal einiges an Kleidung, damit du nicht ständig waschen musst …“ „Du könntest auch mal waschen“, wandte John direkt ein. „Ich bitte dich John, wenn du nicht willst, dass deine Tochter in Zukunft deine Pullover tragen soll, dann mach du das besser.“

„Okay … also weiter. Was hast du noch?“ John lächelte wieder.
 

Sherlock breitete voller Stolz den gesamten Inhalt der Türen auf dem Tisch aus, was John staunen ließ.

„Du hast dich gut beraten lassen“, stellte er fest.

„Das war nicht nötig“, kam es etwas pikiert von Sherlock und er räusperte sich. „Im Internet findet man viele hilfreiche Checklisten, was wichtig ist für kleine Babys. Ich habe mir eine ausgedruckt und entsprechend eingekauft. Da bedurfte es keiner großen Beratung. So was kann ich schließlich …“ „Schon gut!“, seufzte John grinsend und verschloss die Lippen seines Partners mit einem Kuss. „Du hast es sehr gut ausgesucht! Besser?“

„Danke. Ein wenig!“

„Dir ist schon klar, dass ich dich dafür noch ein wenig mehr liebe.“

„So etwas ist nicht möglich John, entweder man liebt jemanden oder man liebt jemanden nicht. Wobei ich immer noch dazu neige, zu behaupten, dass Liebe ein menschlicher Fehler ist.“

„Dem du auch unterliegst.“

„Offenkundig, ja.“
 

John lachte leise und wandte sich wieder den Einkäufen zu. Sherlock hatte wirklich guten Geschmack bewiesen, wie er feststellte. Es waren kaum Teile in rosa dabei, sondern viele Sachen in gelb, grün oder weiß. Außerdem hatte er an ein Babyphon gedacht und sogar einige Beißringe, Rasseln und Plüschtiere besorgt.

„Ich dachte auch an eine Spieluhr, aber … ich hab sie alle aufgezogen und mir angehört. Grauenhaft! Deine Tochter soll anständige Musik hören!“

„Du meinst nicht zufällig, Musik, die du ihr vorspielst?“ Ein amüsiertes Funklen schlich sich in Johns Augen.

„Doch, genau die. Ach ja, unten im Hausflur steht noch ein Bett. Das muss dann noch aufgebaut werden, sobald das Zimmer fertig ist. Ich denke in einigen Wochen dürfte sie aus der Wiege herausgewachsen sein. Ich habe auch schon Babyschlafsäcke besorgt. Man sollte sie nicht mit einer Decke zudecken. Hast du gewusst, dass das den plötzlichen Kindstod fördert, da sie sich die Decke womöglich über den Kopf ziehen können und …“ John begann zu lachen und schüttelte den Kopf. „Was ist?!“ Sherlock verengte fragend die Augen, doch der Ältere musste sich erst einmal beruhigen.
 

„Das alles … Sherlock … das passt so gar nicht zu dir. Dieses Wissen über Babys und das alles …“

„Wie wunderbar, dass dich das Ganze so amüsiert“, entgegnete Sherlock etwas beleidigt und ging ins Wohnzimmer, um sich einen Schluck von Mrs. Hudsons Tee zu gönnen.

„So war das doch nicht gemeint. Es ist so ungewohnt. Noch gestern Mittag hast du Emily als es bezeichnet und heute bist du ein wandelndes Babylexikon. Entschuldige, wenn ich mit deinem Tempo gerade nicht schritthalten kann.“

„Wann konntest du das jemals?“, konterte Sherlock immer noch schmollend. Er hatte sich schließlich wirklich Mühe gegeben!

„Oh, ich erinnere mich an so manche Stunden, in denen ich dir sogar schon voraus war …“ John ließ sich seine gute Laune nicht kaputt machen.
 

Diese Aussage trieb sogar Sherlock wieder ein Lächeln auf die Lippen.

„Sei still! Ich hab mich wirklich bemüht.“

„Ja, das hast du und ich finde es toll“, kam es ehrlich über Johns Lippen. „Es zeigt mir, dass du es verstanden hast, wie viel mir das bedeutet und es zeigt mir, wie viel ich dir bedeute.“
 

Der Ältere trat zu ihm heran und sah ihm einfach nur in die Augen. „Ich bin froh, dich als Partner zu haben. Kein anderer Mensch könnte mein Leben derart bereichern, wie du es tust und du überraschst mich immer wieder.“
 

„Jungs, wenn ihr für euch sein wollt … ich könnte mit der Kleinen etwas spazieren gehen“, schlug Mrs. Hudson vor.

„Schon gut, nicht jetzt. Aber auf das Angebot kommen wir sicher wieder zurück“, stellte John klar, hielt aber die ganze Zeit Sherlocks Blick fest. „Und … sagst du es deinen Eltern noch?“

„Was sagen?“

„Na ja, dass sie jetzt … Großeltern sind?“

„John, Emily ist nicht …“ „Weiß ich doch, aber du bist mein Partner und nachdem was du alles getan hast, bedeutet es für mich, dass du nicht vor hast sie und mich im Stich zu lassen. Von daher dachte ich … sie würden sich freuen.“

„Vielleicht … na ja … ich denke darüber nach!“, erwiderte Sherlock leise.
 

~ Ein Jahr später ~
 

„Und hat alles geklappt?“, hakte John nach und blickte in blaue Augen, die Sherlocks so gar nicht ähnelten.

„Das fragst du mich jetzt nicht allen ernstes?“, entgegnete Mycroft empört, wurde dann aber nachsichtiger. Er nickte und übergab John die Papiere. „Bist du dir wirklich sicher?“

„Ich hätte dich nicht darum gebeten, wenn ich es nicht wäre! Mir ist es wichtig“, erklärte der Arzt leise und nahm die Pappmappe, in der sich vielleicht die wichtigsten Dokumente in seinem Leben befanden an sich.

„Gut, ich würde alles andere nicht akzeptieren.“

„Das weiß ich“, antwortete John.

„Dann viel Glück, John“, bestimmte der ältere der Holmes Bruder und führte John noch zur Haustür. „Ich erwarte unverzüglichen Bericht.“

„Sicher nicht! Nicht mehr am heutigen Tag. Egal wie es ausgeht!“

„Eine kurze SMS sollte doch wohl nicht zu viel verlangt sein!“, begehrte Mycroft auf.

„Lass ihn in Ruhe!“, drang Gregs Stimme aus der Küche und der DI streckte auch kurz darauf seinen Kopf aus eben jener. „Er ist so schon nervös genug. Du musst es ihm nicht noch schwerer machen!“

„Ich möchte doch lediglich über den Ausgang des Gespräches informiert werden!“

„Dazu ist morgen noch genug Zeit und jetzt komm endlich wieder her! Oder denkst du, ich mach hier alles allein?! Mein Gott, warum muss es bloß so eine große sein!“, grummelte Greg und verschwand wieder in der Küche.
 

John verzog den Mund zu einem Grinsen.

„Sag nichts! Diese Planung bringt mich noch um“, kam es genervt von Mycroft.

„Glaub ich dir aufs Wort. Das wird mir zum Glück nie bevorstehen.“

„Tja, das ist der Nachteil an meiner Position. Greg heiratet ja nicht irgendwen.“

„Dafür ist es dann endlich offiziell. Okay … ich melde mich Morgen, versprochen!“

„Heute?“, versuchte Mycroft es noch einmal.

„Mike!“ „Hör auf mich Mike zu nennen!“, grollte der angesprochene in Richtung Küche. Er hasste es, dass seine Mutter ihn so nannte und immer wenn Greg ihn ärgern wollte, benutzte er eben auch diese absurde Abkürzung seines Namens.
 

Lachend wandte der Arzt sich. „Viel Spaß noch bei der Planung! Bis dann … Mike!“

„Herrgott! Hat denn keiner hier mehr Respekt vor mir?!“

„Respekt, natürlich. Aber Angst? Nein“, antwortete John ehrlich und schmunzelte. Wenn er an die erste Begegnung mit Mycroft dachte und das mit jetzt verglich, da musste er einfach lachen. Kein Vergleich mehr. Zwar hatte er ihm damals auch schon die Stirn geboten, aber dennoch hatte er wirklich ein wenig Angst verspürt. Auch bei späteren Treffen war er stets nervös gewesen. Mittlerweile sah das anders aus.
 

Doch den Gedanken an seinen Schwager in spe schob er beiseite. Der Abend heute war wichtig für ihn. Sehr sogar und ja, er war nervös, denn es stand viel auf dem Spiel.
 

Im vergangenen Jahr hatte sich viel verändert in seinem Leben. Erst war er mit Sherlock zusammen gekommen, dann war Emily in ihr Leben getreten und sie hatten nach Startschwierigkeiten, entgegen seiner anfänglichen Bedenken, alles ganz gut organisiert. Seine Tochter war jetzt schon ein Jahr alt und stand kurz davor ihre ersten Schritte zu machen.

Sherlock und er ermittelten immer wieder, wie es eben ihre Zeit zuließ. Anfangs hatte Mrs. Hudson auf die Kleine aufgepasst und später hatten sie tatsächlich eine Nanny gefunden, die sogar Sherlocks und Johns Vorstellungen gleichermaßen entsprach. Das war gar nicht so leicht gewesen. Wenn er an die ganzen Vorstellungsgespräche mit potentiellen Kindermädchen dachte. Sherlock hatte die meisten binnen Sekunden, deduziert, für untauglich befunden und hinausgeworfen. Es war wirklich schwer gewesen, seinen Anforderungen gerecht zu werden.
 

Auch musste er seinen jüngeren Partner manches Mal ein wenig bremsen, denn Sherlock neigte dazu, ein wenig gluckenhaft zu werden. Hätte man ihm das vorher gesagt, er hätte es nicht für möglich gehalten! Doch Sherlock widmete sich auch Emily nicht nur halb, sondern ganz.
 

Und jetzt war er, John, auf dem Weg seiner kleinen Familie endlich den offiziellen Stempel aufzudrücken. Zumindest, wenn Sherlock es auch wollte. Er hatte alles mit Mycroft hinter dem Rücken seines Freundes organisiert, denn obwohl dieser sich wirklich rührend um seine Tochter kümmerte, wusste er, dass Sherlock sich manchmal eher wie der nette Onkel vorkam, der eben auch da war, aber nicht dazu gehört.
 

Als er endlich bei Angelos ankam, saß Sherlock schon ungeduldig wartend an ihrem Stammtisch. Erst hatte er überlegt einen festlicheren Rahmen zu wählen, aber dann war es ihm als absurd erschienen. Hier hatten sie ihr ‚erstes‘ Date verbracht und hier war es perfekt. Es sollte hier sein. Es passte zu ihnen.
 

„Hey, tut mir leid, dass ich so spät an bin“, begrüßte er Sherlock, hauchte einen Kuss auf die Lippen seines Partners und ließ sich dann ihm gegenüber nieder.

„Schon gut. Ich verstehe nur nicht, warum wir uns hier treffen mussten. Wir hätten auch zusammen herkommen können und was ist das für eine Akte. Ein neuer Fall?“, hakte Sherlock interessiert nach.

„Erkläre ich dir später, aber nein, kein Fall“, erklärte er und bestellte bei Angelo einen Rotwein und für sich selbst etwas Bruchetta und anschließend wollte er eine Pizza essen.

Sherlock ließ sich auch zu einem Teller Nudel überreden. Ab und an musste ja sogar er etwas essen.
 

„Wo warst du eigentlich noch, bevor du herkamst?“, hakte Sherlock dann neugierig nach, als Johns Vorspeise und der Wein gebracht wurde.

„Etwas erledigen.“

„Und was?“

„Deduziere doch mal“, bat John und schmunzelte. Sherlock verengte die Augen, da sein Partner so amüsiert darüber zu sein schien.

„Also, du wirkst entspannt, aber etwas nervös. Dafür brauch ich mittlerweile nicht mehr viel, ich sehe es sofort an deinem Blick. Dein Lächeln sagt mir, dass du denkst, ich würde niemals erraten, wo du warst … daher kann es nur jemand sein, den du nicht einfach so ohne Grund aufsuchen würdest. Mycroft“, bestimmte Sherlock. „Aber nicht bei ihm, sonst wärst du länger unterwegs gewesen. Nein, er ist vermutlich bei Greg. Hochzeitsplanung! Da mein Bruder sich trotz der nervigen Planung Zeit für dich genommen hat, muss es was Besonderes gewesen, dass du von ihm wolltest“, bestimmte Sherlock und verengte die Augen. „Nur was … das erschließt sich mir noch nicht.“
 

„Gut, ich wollte schon sagen … mit dir macht das einfach keinen Spaß! Selbst wenn ich denke, dass du es niemals errätst kommst du doch drauf …“, seufzte John ehrlich und lächelte dann wieder. „Du erfährst es noch, aber jetzt lass uns erst einmal essen.“

„Wie soll ich etwas essen, wenn du mich derart neugierig machst?“, hakte der Jüngere ungeduldig nach und überflog nochmals Johns ganze Haltung, seinen Blick, sein Auftreten. Mehr konnte er einfach nicht darin ablesen. Die Pappkladde, in der Papiere waren, hatte er zwar gesehen, aber die war so unscheinbar, das man daran wirklich nichts auf deren Inhalt hätte schließen können.
 

„Du wirst erst etwas essen, danach reden wir“, bestimmte John und hob sein Rotweinglas. „Kannst du glauben, dass die beiden wirklich heiraten werden?“

„Muss ich, ich habe eine Einladung bekommen und ich soll Trauzeuge sein!“ Sherlock verzog das Gesicht und trank einen Schluck von seinem Wein. „Wieder einmal!“

„Ach komm, es wird bestimmt schön. Du hast ja jetzt Übung darin. Wir könnten zusammen tanzen. Kannst du denn die Damenschritte?“

„Nein. Wie kommst du darauf, dass ich die Frau spiele, wenn wir tanzen?“ Etwas empört blickte der Jüngere ihn an.

„Na ja … du liegst immer unten“, erinnerte John.

„Und wenn schon. Kann nichts dafür, dass mir diese Position besser gefällt. Wir haben es ja auch schon anders probiert …“

„Erinnere mich nicht daran!“, bat John. „Nicht heute Abend! Lass uns nicht daran denken, an dem einzigen Abend, an dem wir mal ohne Fall und kinderlos sind!“
 

Natürlich hatte Sherlock irgendwann wissen wollen, wie es war, wenn er sich John nahm und dieser hatte es auch gewollt. Ehrlich gewollt, aber sie waren beide schon in der Ausführung gescheitert. Woran es lag, das konnten sie nicht bestimmen. Irgendwie hatte der Gedanke, dass Sherlock John vögelte, den Jüngeren in leichte Panik versetzt, weshalb dieser nicht in der Lage gewesen war, hart zu werden. Es funktionierte nicht. Vielleicht würden sie es irgendwann wieder versuchen, aber bis dahin würden sie bei ihren gewohnten Rollen bleiben, was beide immer durchaus befriedigte.
 

Der Hauptgang kam und sie unterhielten sich noch einmal über den letzten Fall, über Emily und ihre Fortschritte und über die bevorstehende Hochzeit von Sherlocks Bruder. Es war schon spät, als sie ihre Teller geleert hatten, aber sie hatten den Abend genossen. Sogar der Jüngere. Seit er mit John zusammen war, so richtig, da gefielen ihm manchmal auch so ganz einfache Dinge. Komisch. Vorher hatte er nie einen Gedanken daran verschwendet, einfach so essen zu gehen ohne dass ein Fall Grundlage gewesen wäre.
 

„Sherlock … ich hab dich nicht ganz ohne Grund eingeladen“, begann John dann nervös.

„Oh Gott!“, entfuhr es dem Jüngeren. „Du willst mir einen Antrag machen!“

„Sherl… nein, nein das … also … ja, aber … nicht direkt. Verdammt, musst du mir das alles kaputt machen? Selbst wenn man so was ahnt, dann hält man die Klappe!“

„John, bitte … ich … möchte nicht …“ „Lass mich doch erst mal ausreden.“

„Aber heiraten? Mach uns doch nicht kaputt, was wir haben.“

„Warum sollte heiraten etwas kaputt machen?“

„Sieh dir Mycroft und Greg an. Total gestresst!!“

„Also erst einmal, weder du noch ich, sind so wichtig wie dein Bruder und wir bräuchten nicht diesen ganzen Zermon, wenn wir heiraten würden … aber wieso lässt du mich nicht einfach mal reden?“, bat John geduldig. Schließlich wusste er ja, mit wem er da redete. Sherlock atmete hörbar durch und nickte dann. Jetzt war er gespannt, was John von ihm wollte.
 

tbc

Endlich komplett

John überlegte, wie er am besten anfangen sollte und griff daher nach der Pappakte. Er öffnete diese und nahm ein Blatt heraus.

„Es stimmt, ich war bei deinem Bruder“, begann er und atmete noch einmal durch. „Ich wollte endlich ein Kapitel in meinem Leben schließen, bei dem nur er mir behilflich sein konnte. Zumindest, wenn ich es wirklich ohne bürokratischen Schnickschnack haben wollte.“

„Du hast uns doch nicht verheiratet, ohne mich zu fragen?“ Sherlock blickte ihn erschrocken an.

„Herrgott, was denkst du denn von mir?!“, entfuhr es John entgeistert und er schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht! Außerdem …“ John schluckte und legte das Papier jetzt so auf den Tisch, dass Sherlock es lesen konnte. „Bin ich erst seit heute Witwer.“
 

Der Jüngere der Holmes Brüder überflog das Papier, in dem Mary nach einem Jahr, in dem sie verschwunden war, für tot erklärt wurde. Gut, Mary Morstan hatte ja auch nicht wirklich existiert, war also kein großer Verlust. John hatte sie allerdings nie offiziell als vermisst gemeldet, daher war er dankbar gewesen, dass Mycroft das ganz ohne große Bürokratie hingebogen hatte.

„Das zum einen. Ich bin wieder zu haben, also offiziell und so weiter …“, meinte John und rollte mit den Augen. „Darauf wollte ich aber nicht hinaus.“

John atmete noch einmal durch und nahm die restlichen Papiere aus der Pappmappe. Jetzt kam der schwierigere Teil, wie er fand und er wurde deutlich nervöser, was bei Sherlock Stirnfalten hervorrief.

„Emily ist das Kind von Mary und mir, so wurde es eingetragen. Auch wenn sie nicht für die Kleine da war. Mycroft hat das perfekt geregelt …“, seufzte John. „Da sie jetzt offiziell tot ist, habe ich das alleinige Sorgerecht für sie.“

„Gratuliere. Nicht, dass sich irgendwas an unserer jetzigen Situation ändern würde. Mary würde ohnehin nicht zurückkommen“, meinte Sherlock und leerte sein Glas. Er goss sich etwas Wein nach und füllte auch Johns Glas noch einmal auf. „Sollen wir noch einen bestellen.“

„Ja, warum nicht …“, erwiderte John und trank gleich noch einen Schluck aus seinem Glas.

„Stimmt, du hast natürlich Recht. Sie käme nicht zurück und im Prinzip würde sich nichts ändern. Ich möchte aber, dass wir etwas ändern.“
 

Jetzt legte John die Papiere, die er noch immer in zitternden Händen hielt, auf den Tisch. Sofort huschten Sherlocks wache Augen über die Unterlagen und wenige Sekunden später wieder zu Johns Augen. Der Jüngere schluckte, zog die Augenbrauen zusammen, sagte jedoch nichts. Irgendwie fühlte sich John zurückversetzt in der Zeit, wie damals, als er ihn gefragt hatte, ob er sein Trauzeuge werden würde.
 

„Sherlock … egal was dir durch den Kopf geht, ich kann es nicht hören“, meinte er daher belustigt und nervös.

„Ähm … das … kommt überraschend.“

„Wirklich?“, stellte John lachend fest. „Du kümmerst dich seit einem Jahr rührend um sie, ja, rührend! Ja, du!“

„Schon …“

„Also, was sagst du?“, wollte John wissen.

„John … ich … bist du dir wirklich sicher …“ Sherlock schluckte hart und griff nach seinem Glas mit Wein. Er leerte es in einem Zug und war froh, dass Angelo ihnen gerade Nachschub brachte.
 

„Diese Frage hat dein Bruder mir auch schon gestellt. Ja, ich bin mir sicher. Also …“ John griff in seine Jackentasche, er trug heute mal ein Hemd und ein Jackett, zog einen Stift heraus und legte ihn auf die Papiere. „Du musst nur unterschreiben.“

„Ich … ich weiß nicht … ich …“

„Sherlock, wenn ich einen Wunsch äußern darf?“ Sherlock nickte, weshalb John direkt weiter sprach. „Ich möchte eine Familie sein. Du … Emily … und ich. Wir drei. Ich möchte, dass du sie adoptierst. Allerdings will ich nicht, dass du dich dazu gezwungen fühlst. Wenn du es nicht möchtest …“
 

Weiter kam John nicht, denn Sherlock hatte den Stift ergriffen und die Adoptionspapiere unterschrieben. „Ich hoffe, du weißt, was du dir damit ans Bein bindest“, scherzte er, doch dieser Witz konnte John nicht darüber hinweg täuschen, dass er mehr als gerührt war. John kannte ihn zu gut und der Ältere schob eine Hand über den kleinen Tisch, ergriff Sherlocks und lächelte ihn einfach nur liebevoll an. „Danke Sherlock.“
 

Einige Sekunden saßen sie einfach nur da, erwiderten den Blick des anderen und genossen die Zweisamkeit, bis John sich wieder räuspernd aufrichtete.

„Aber …“

„Das ist noch nicht alles?“

„Nein.“

„Oh Gott, jetzt kommt der Antrag!“, kam es genervt von Sherlock.

„Ja.“

Bestimmte John selbstsicher und griff nochmals in seine Brusttasche. Er holte ein kleines Kästchen heraus, öffnete es und stellte es vor Sherlock auf die Papiere. „Um das ganze perfekt zu machen …“, begann er und atmete nochmals durch. „Und? Willst du mich?“

„Ich will dich immer John!“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Sherlock, was bei John ein Augenrollen veranlasste.

„Ich meinte nicht auf sexueller Ebene.“

„Ich weiß. Du meinst es wirklich ernst mit mir.“

„Natürlich. Ich meine, du hast gerade Emily adoptiert. Ist es dann so schwierig, mich zu heiraten?“

„Nein, das ist es nicht“, bestätigte Sherlock.

„Also, wie sieht es aus?“

„Unter einer Bedingung“, begann Sherlock, John nickte und sah ihn aufmerksam an. „Die einzigen, die dabei sein dürfen …“ „Deine Eltern, Mrs. Hudson, Greg und Mycroft?“ „Ja.“ „Gut. Sehe ich auch so.“
 

„Du hast zwei Ringe gekauft. Ist es nicht üblich, dass man seiner Verlobten einen Ring schenkt?“

„Ich dachte nicht, dass du auf einen Diamantring wert legst. Daher dachte ich an diese schlichten Ringe, auch als Eheringe?“

„Du kennst mich zu gut.“

„Das ist mein Job, als liebender Ehemann.“

„Jetzt übertreibst du!“, kam es lachend von Sherlock und der Jüngere beugte sich vor um John sanft zu küssen. „Aber für dich, lerne ich sogar noch die Damenschritte, damit wir bei unserer Hochzeit tanzen können.“

„Oh Sherlock, wie überaus gnädig von dir“, kam es von dem Älteren leise zurück und er küsste seinen Partner erneut, dieses Mal etwas gieriger.
 

Nachdem sie sich von einander gelöst hatten, zückte Sherlock sein Telefon und tippte darauf herum.

„Was machst du?“ John hatte seinen Kopf auf eine Hand gestützt und beobachtete Sherlock. Er hatte Schmetterlinge im Bauch und fühlte sich völlig glücklich. Sherlock, Emily und er. Sie würden eine Familie sein. In dem Jahr, das hinter ihnen lag, hatten sie bereits bewiesen, dass sie dazu fähig waren, aber jetzt würde es offiziell werden.

„Nachricht an meine Eltern schreiben. Sie sollten jetzt doch wissen, dass sie offiziell Großeltern sind …“ Sherlock grinste kurz und blickte dann wieder John. „Damit steht es 2:1 für uns, John.“

„Was ist?“ John verstand nicht und er griff nach seinem Glas, um einen Schluck zu trinken.

„Na ja, als Mycroft meinte, er würde Lestrade heiraten, waren meine Eltern ganz aus dem Häuschen … aber jetzt, mit diesem Abend haben wir gleich zwei Treffer gelandet.“

„Sei nicht zu schadenfroh! Denk daran, wer uns das ermöglicht hat.“

„Ja, dafür fordert er sicher noch irgendwann eine Gegenleistung. Mein Bruder tut nie etwas, ohne eigenen Nutzen daraus zu schlagen.“

„Vermutlich, aber wir werden es überleben.“

„Ja, das werden wir. Du hast nicht zufällig auch schon gleich einen Termin ausgemacht? Ich meine nur, weil du schon alles so perfekt vorbereitet hast.“

„Nein, natürlich nicht. Ich wollte zuerst einmal deine Antwort abwarten. Hätte ja auch sein können, dass du mir einen Korb gibst.“

„Sicher … als ob ich das noch könnte. Selbst wenn ich wollte … du hast mich wirklich weich gemacht!“ Sherlock schmollte leicht, aber seine Mundwinkel zuckten wieder nach oben.

„Nein, das warst du schon immer, du hattest es nur gut versteckt“, bestimmte John. „Und da ich Amanda bis morgen früh bezahlt habe, habe ich noch eine Überraschung für dich.“
 

„Ach? Dass du Witwer geworden bist, ich Vater und gleich darauf auch noch mit dir verlobt bin, reicht wohl noch nicht für einen Abend!“, stellte Sherlock etwas amüsiert fest.

„Mir nicht. Jetzt, wenn der Wein leer ist, bezahlen wir und fahren ins Hotel. Ich hab ein Zimmer gebucht für diese Nacht. Nur für uns. Wir haben unsere Ruhe, genießen die Nacht, frühstücken Morgen ausgiebig, ja auch du mein Freund! Und fahren dann erst wieder heim.“
 

Sherlock musterte John erst einen Moment. „Das mit dem Frühstück verhandeln wir noch“, wandte er dann ein. Schließlich hatte er seine ganze Portion Nudeln verdrückt.

„Nein, du isst etwas.“

„Ich habe jetzt gegessen.“

„Und Morgen wirst du dich auch stärken müssen, wenn ich mit dir fertig bin!“, stellte John gleich klar.

„Na schön … Toast und Ei?“

„Wird ausreichen“, antwortete John schmunzelnd und leerte sein Glas.
 

Sherlocks Handy piepte und er zog es aus der Tasche.

-Glückwunsch! Wurde aber auch Zeit! VH-

„Mutter gratuliert uns.“

„Hast du Mycroft auch geschrieben?“

„Wieso sollte ich?“

„Gut, der soll sich bis Morgen gedulden!“

„Lass mich raten, er wollte unverzügliche Berichterstattung.“

„Wie kommst du nur darauf?“ John lachte.

„Ich habe keine Ahnung.“ Amüsiert lachte auch Sherlock. ‚Ja, John ist perfekt für mich. Keiner versteht mich so wie er und keiner nimmt mich so wie er … in jeder erdenklichen Hinsicht!‘, schoss es dem Größeren durch den Kopf, aber er behielt den Gedanken für sich.
 

Es war viel passiert im letzten Jahr und John hätte sich nicht träumen lassen, nach allem was ihm im Leben widerfahren war, dass er doch einmal so glücklich sein würde. Und das ausgerechnet mit Sherlock, dem selbsternannten Soziopathen, der zuerst sein Mitbewohner war, dann zu einem Freund wurde, zu seinem Trauzeugen und besten Freund aufstieg und schlussendlich sogar sein Mann werden würde. Sie waren ein Paar. Sherlock und er gehörten jetzt zusammen. Sie hatten sogar eine gemeinsame Tochter. Es gab kein Zurück mehr und John bereute es keine Sekunde ihn gefragt zu haben.
 

Sie bezahlten das Essen, nachdem sie ihren zweiten Wein geleert hatten und verließen dann das Restaurant. John hatte alle Papiere und auch die Ringe wieder eingesteckt. Sie brauchten die Schmuckstücke ja jetzt noch nicht, erst wenn sie wirklich heirateten.
 

Draußen blickte Sherlock seinen Partner kurz an und streckte ihm dann eine Hand entgegen.

„Auf zu neuen Abenteuern?“, wollte John schmunzelnd wissen, als er die Hand ergriff.

„Mit dir? Immer doch!“

„Sherlock, du weißt, dass ich dich…“ „Ich liebe dich, John!“, kam es dann über Sherlocks Lippen. „Einmal wollte ich der Erste sein, der es sagt.“

„Das warst du, erinnerst du dich nicht mehr?“, hakte John nach.

Sherlock blickte ihn fragend an.

„Damals, als du verletzt warst und Fieber hattest, da hast du es mir gesagt. Ganz unvermittelt. Du warst der, der es als Erster ausgesprochen hat.“
 

John lächelte und stellte sich auf seine Zehenspitzen, damit er Sherlocks Lippen erreichen konnte. „Ich hätte damals nie damit gerechnet, dass wir heute und hier an diesen Punkt anknüpfen.“

„Ich auch nicht“, antwortete Sherlock, legte eine Hand an Johns Wangen und strich zärtlich mit dem Daumen darüber, bevor er die Lippen seines Partners und Verlobten mit seinen verschloss.
 

Sie küssten sich lange, sanft und liebevoll, bis John sich dann löste und in Richtung eines Taxis nickte, dass Sherlock dann auch gleich für sie anhielt. Wieder bewunderte er Sherlock dafür. Bei ihm selbst war das eine Seltenheit, dass eines der schwarzen Taxis direkt stehen blieb, wenn er winkte.
 

„Was ist jetzt John, kommst du?“, wollte Sherlock aus dem Wageninneren wissen. Wann war der Jüngere eingestiegen? Noch heute war es für John schwierig immer mit Sherlock Schritt zu halten, aber mittlerweile wusste er, dass sein Partner immer auf ihn warten würde, wäre er mal nicht schnell genug.
 

Ende



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (53)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  mia-serina
2015-11-13T22:06:17+00:00 13.11.2015 23:06
Nicht zu fassen wie schnell er sie ruhig bekommen hatte. Na nun hat er doch eine Zuhörerin, genau das was er doch brauchte oder nicht? Immerhin hörte John ihm ja nicht immer zu, da passte das doch mit der Kleinen ganz gut und je nach dem wie sie sie erziehen würden konnte er sie echt zur Verbündeten machen, oh der arme John.
Von:  mia-serina
2015-11-13T21:48:09+00:00 13.11.2015 22:48
Sherlock und ein Baby? Oh wenn er nicht ohne John untergeht weiß ich auch nicht aber genau das wird mehr als lustig werden oh ja das weiß ich jetzt schon! Das kann echt was werden, ob er daran denkt anzurufen? Na ich weiß ja nicht..
Von:  mia-serina
2015-11-13T21:28:05+00:00 13.11.2015 22:28
Na toll, erst war die Zeit schön ruhig und dann schreit Mrs Hudson rum? Das würde sie ja nicht einmal bei Kerlen mit Waffen tun, also muss das irgendwas sein womit niemand rechnet oder eben sehr offenkundig ist, ich nehme mal an das es das Kind ist um das sich die beiden nun kümmern dürfen? Naja man liest es ja dann im nächsten Kapi.
Von:  mia-serina
2015-11-13T09:03:13+00:00 13.11.2015 10:03
Na selbst bei dem Vorspielchen kommen ja Dinge zum Vorscheinen die man so nicht gedacht hat, oh je der arme John, war er also doch nicht ganze ohne der gute Sherlock. Hätte man sich aber denken können irgendwo und doch war es überraschend. Etwas störend fand ich das ganze Gerede während des Akts, aber da mag es ja jeder anders.
Von:  mia-serina
2015-11-13T08:45:38+00:00 13.11.2015 09:45
Zu Anfang dachte ich mir schon "Holla was geht denn bei Sherlock?" aber es war so klar das er sein Ziel mit allen Mitteln versucht zu erreichen, auch wenn er John da erst reizen muss und dann die Abendszene, unglaublich amüsant! Weiß immer noch nicht ob ich mich weiter kugeln soll oder nicht, sehr genial die Idee mit Mycroft und das die anderen es so locker aufnahmen, ja da war gut Wein im Spiel.
Von:  mia-serina
2015-11-12T10:00:51+00:00 12.11.2015 11:00
Wer hätte gedacht das die beiden so kalten Kerle daheim richtig Handzahm sind? Ist doch wirklich Interessant und in der Serie war das ja auch so, fand es mehr als amüsant als sie draußen rauchten und die Mutter dazu kam. Das Mycroft es sich unterlassen kann John da eine Reinzuwürgen war klar, aber John hatte ja auch das amüsante Bild nun vor Augen das dieser "Angst" vor seiner Mami hatte. Das Pairing Maiky und Greg finde ich immer besser, der eine Macht Schluss und der andere steht mit Blumen da..hoffe du hast auch dazu eine kleine FF.
Von:  mia-serina
2015-11-12T09:42:38+00:00 12.11.2015 10:42
Der Regierungsmann und der Polizist, wie kommt man nur auf so eine Verkupplung? Recht interessant vor allem das Greg auch nicht locker ließ und sich so an den Herrn klammerte bis er eben ja sagte. Da die die Nacht gut nutzen sehen die sicher am Morgen schrecklich müde aus, bin gespannt was die Herrschaften sich da an den Kopf werfen werden wegen der Nacht. Hast du ja wieder schön mit einem fiesen Cliffhänger hier versehen, sehr gemein.
Von:  mia-serina
2015-11-12T09:22:21+00:00 12.11.2015 10:22
Eine Sache die ich mit ihm gleich habe, ich mag Johns Pullover auch nicht sonderlich gerne. Die Eltern sind dir gut gelungen, vor allem gleich die Mutter zu Anfang, einfach toll. Sie das Genie und er der einfache Mann, scheint sich ja dann in den Söhnen wiederzuspiegeln. Brüder die angeben müssen mit ihren Partnern, sagte ich schon einmal das sie wie Kinder sind? Eher nicht aber gut das sind sie wirklich, fand ich wirklich toll
Von:  mia-serina
2015-11-12T08:32:52+00:00 12.11.2015 09:32
Ein Genie das sich aufführt wie ein Kind, das ist so gut geschrieben, kommt man ja nicht mehr aus dem Grinsen raus! Ich hoffe doch da hast du noch einiges, außer dieser FF, geschrieben damit man was gutes zum lesen hast. Romantik sieht wirklich anders aus als eine Liebeserklärung im Bad, aber das passt echt gut hier zwischen Dusche und Klo. Mycroft die eiserne Lady... ich bin gespannt wie oft sein kleiner Bruder ihn damit auf die Shippe nehmen wird.
Dieses zaghafte von Sherlock ist echt zu niedlich, da mag man zu den beiden und sie knuddeln, Mrs Hudson freut sich nen Keks und wird ihnen vorhalten das sie es doch gleich gesagt hat, wunderbar! Und auf das Weihnachtsspezial freu ich mich auch schon.
Von:  mia-serina
2015-11-12T08:19:59+00:00 12.11.2015 09:19
Sherlock ohne John... ein einziges Desaster natürlich, kann ja nicht gut gehen. Er braucht wirklich einen Aufpasser und der Doktor hat wohl gelernt das man doch auf seine Vermieterin mal hören sollte, immerhin hat sie es von Anfang an gesagt gehabt. Der Cliffhänger hier ist echt böse, wie gut das die FF aber abgeschlossen ist, so kann ich in Ruhe weiterlesen.


Zurück