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Nothing to lose

Arkham Origins
von
Koautoren:  PunkinPie abgemeldet

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der hier verwendete Songtext stammt von »Leonard Cohen« aus dem Song »Hallelujah«, wir verwenden allerdings die Version von »Rufus Wainwright« aus dem Film »Shrek«.

Der Link zu einer Live-Version: http://youtu.be/SNcpL0-TxVk

Der Link zu einer instrumentalen Version am Klavier: http://youtu.be/UA6RlwM4avE Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Der hier verwendete Songtext stammt von »Cascada« aus dem Song »Everytime we touch«.

Der Link zu einem Video mit den Lyrics: http://youtu.be/NDX8u5VwqsY

Der Link zu einer instrumentalen Version am Klavier: http://youtu.be/WIG53PcA_AU Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Der hier verwendete Songtext stammt von »Linkin Park« aus dem Song »Numb«.

Der Link zum offiziellen Musikvideo: http://youtu.be/kXYiU_JCYtU Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eine instrumentale Klavier-Version von »Stand by me« von »Ben E. King«.

http://youtu.be/wPArxvFgp7A Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eine instrumentale Klavier-Version von »It's All Coming Back to Me Now«.

http://youtu.be/ONbxAjJoOQ0 Komplett anzeigen

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Ich kann Sie nicht leiden, Crane. Also verbrauchen Sie irgendwo anders Sauerstoff.

Commissioner Gordon hat tatsächlich Wort behalten.

Nachdem ich eine Woche lang auf der Intensivstation des Gotham General gelegen habe, bin ich nun heute soweit genesen, dass ich auf eine normale Station verlegt werden kann. Allerdings befindet sich diese Station nicht im Gotham General - sondern in Arkham Asylum.

Deswegen befinde ich mich jetzt in einem kugelsicheren Transporter des GCPD. Neben und vor mir sind zwei bewaffnete Polizisten. Mein linker Arm ruht in einer Schlinge, mein rechter Arm ist mit Handschellen an der Sitzbank fixiert - zusätzlich zu dem Infusionsbeutel, der über mir baumelt.

Schwester Judy, die mir mit ihren bissigen Kommentaren in den letzten Tagen ab und zu ein Lächeln entlocken konnte, hat sich mit den Worten "Wenn Sie nochmal hier auftauchen, bring ich Sie um" und einem Lächeln von mir verabschiedet.

Unser toller Commissioner hat sich natürlich nicht nehmen lassen, mich höchstpersönlich zu eskortieren. Hinter dickem Panzerglas kann ich seinen Hinterkopf sehen.
 

"Dr. Crane? Der Wagen vom GCPD ist gerade vorgefahren. Sie sind da."

"Danke, ich komme gleich."

Ich stehe am Fenster in meinem Büro und schiebe mit den Fingern die Lamellen des Rollos auseinander, um einen Blick auf den Bereich vor dem Gebäude zu erhaschen. Tatsächlich steht da ein Gefährt, das tauglich wäre, einen Schwerverbrecher zu transportieren. Deiner Akte nach bist du Vieles - aber das noch nicht. Scheinbar ist Gordon nach den letzten desaströsen Versuchen, dich festzusetzen, inzwischen so ängstlich, dass er alle Mittel nutzt, die ihm zur Verfügung stehen. Verdenken kann man es ihm nicht, immerhin bist du dem GCPD bereits mehrmals erfolgreich auf der Nase herum getanzt.

"Hm ...", brumme ich nachdenklich.

Gelegentlich kommen einem hier in Arkham überaus interessante Fälle unter. Es kann sein, dass ich mir ein bisschen zu viel von dir verspreche, aber du scheinst ein solcher zu sein.

"Dann mal an die Arbeit."

Im Vorbeigehen klappe ich deine Akte zu, die noch offen auf meinem Schreibtisch gelegen hat, und klemme sie mir unter den Arm. Man sollte grundsätzlich vorbereitet sein, wenn man jemanden kennenlernt. Allem voran an einem Ort wie Arkham.

Das wirst du auch noch lernen müssen. Sofern du es nicht schon weißt. Meiner ersten Beurteilung nach würde ich fast sagen, du findest dich schnell in die Geschicke der Anstalt ein. Auf jeden Fall dürften die Gespräche mit dir interessant werden.
 

Arkham Asylum ... Da hat Jemand keine Kosten und Mühen gescheut, um die ganze Insel zu einem Hochsicherheitsgefängnis zu machen. Auch wenn man bei dem hochtrabenden Namen Asylum nicht gleich darauf schließt, ist es nichts weiter als ein Gefängnis.

Ich schenke Gordon einen finsteren Blick, als mir einer meiner beiden uniformierten Schatten wegen den Handschellen aus dem hinteren Teil des Fahrzeuges hilft. Der andere Schatten kümmert sich fast schon rührend um die Infusion, mit der ich verbunden bin.

Skeptisch mustere ich das Gebäude, vor dem wir gehalten haben. Sieht nicht unbedingt einladend aus. Wenn es hier draußen schon so aussieht, will ich gar nicht erst wissen, wie es drinnen ist. Vermutlich zum schreiend davonlaufen.

Aber gut ... Ein paar Tage werde ich es hier schon aushalten, bis sie endlich dieses blöde psychiatrische Gutachten machen und damit dann zweifelsfrei feststellen können, dass ich nicht verrückt bin. Wieder schenke ich Gordon einen bösen Blick. Ich habe ihm mehrmals gesagt, dass ich nicht verrückt bin.

Dann geht die große Eingangstür auf und ein Mann mit dunklen Haaren, Brille und weißem Kittel kommt raus, gefolgt von Pflegepersonal. Reizende erste Begegnung. Ich kann ihn jetzt schon nicht ausstehen.
 

Ganz bewusst streife ich dich zu Anfang nur mit einem kurzen Blick und richte meine Aufmerksamkeit ganz auf dein Begleitpersonal.

"Commissioner Gordon!"

Ich strecke dem Mann höflich meine Hand entgegen, er ergreift sie und schüttelt sie mit einem festen Händedruck.

"Sie bringen mir also meinen neuen Patienten? Es ist doch alles gut verlaufen, oder?"

"Oh, aber natürlich, Dr. Crane. Mr. Nashton hat keine Probleme gemacht."

Gordon wirft dir einen Blick zu, der sich schwer deuten lässt. Fast ein bisschen fürsorglich. Na, das nenne ich aber mal höchst interessant. Ich mache mir eine geistige Notiz, dich bei Gelegenheit auf dein Verhältnis zum Commissioner anzusprechen. Immerhin hast du vor etwas über einem Jahr eng mit dem Mann zusammengearbeitet. Es kann nicht schaden, das ein oder andere über Gordon und seine Verhaltensweisen in Erfahrung zu bringen.

"Das freut mich zu hören, Commissioner."

Nun sehe ich dich zum ersten Mal direkt an. Du siehst recht unscheinbar aus. Niemand, von dem man erwarten würde, dass er auffällig wird. Blass, mit tiefen Augenringen, was natürlich deiner momentanen körperlichen Verfassung zuzuschreiben ist. Deine Augen sind klug und wachsam. Das verspricht, spannend zu werden.

"Guten Morgen, Edward. Freut mich, Sie in unserer Einrichtung begrüßen zu dürfen. Wie fühlen Sie sich heute?"
 

So so ... Du bist also dieser Jonathan Crane, der hier die Leitung in diesem Saftladen hat. Faszinierend ...

Unwillkürlich läuft mir ein Schauer über den Rücken, als du Gordon begrüßt. Da ist etwas in deiner Stimme, dass sich mir die Nackenhaare sträuben. Ich kann nur noch nicht sagen was es genau ist, was dich vom ersten Moment an unglaublich unsympathisch macht. Auch dieses Lächeln, welches du Gordon schenkst, wirkt nicht gerade sympathisch. Aber am schlimmsten sind deine Augen. Sie wirken leer, fast schon seelenlos.

Als du mich dann ansprichst, mustere ich dich einen Augenblick lang mit finsterer Miene. Du bist sicher nicht auf den Kopf gefallen, aber ich verwette meinen Mustang, dass ich letztendlich am längeren Hebel sitzen werde.

"Wir wissen beide, wie das hier ablaufen wird ...", sage ich schließlich. "Sie stellen mir Fragen, die ich beantworte. Dann stellen Sie fest, dass ich hier nicht hingehöre und entlassen mich. Um nicht Ihre - um am allerwenigsten meine Zeit zu stehlen, kürzen wir das Ganze doch einfach ab und Sie lassen mich einfach gehen."
 

Ich lege den Kopf neugierig schräg und mustere dich eingehend. Neben mir sagt der Commissioner irgendetwas, um dich zur Ordnung zu rufen, aber das bekomme ich kaum mit. Ich bin damit beschäftigt nach irgendwelchen Anzeichen von Wahnsinn zu suchen, die bei den Meisten, die hier eingeliefert werden stets offensichtlich sind.
 

"Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen, Edward. Wir beide müssen uns erst ein bisschen unterhalten. Keine Sorge, ich bin hier, um Ihnen zu helfen."

Ich lächle dich leicht an. Es ist das Lächeln, dass ich normalerweise benutze, um aufgebrachtes Personal zu beruhigen, das mit dem Joker aneinander geraten ist, oder um aggressive Patienten zu überzeugen, dass ich nicht feindselig bin. Eigentlich bezweifle ich, dass ich dich mit diesem Lächeln kriege. Etwas an dir ist anders.

Ich habe inzwischen die Erfahrung gemacht, dass gerade die besonders Verrückten in dieser Anstalt die Einzigen sind, die eine falsche Fassade innerhalb weniger Wimpernschläge erkennen. Tja. Keine guten Aussichten für dich.
 

"Jim, denken Sie an Ihren Blutdruck", murmle ich, sehe den Commissioner aber nicht eine Sekunde lang an.

"Ich brauche Ihre Hilfe nicht", zische ich dann dir zu und lasse dich nicht aus den Augen.

Du bist mit Sicherheit Alles, aber kein normaler Psychiater.

"Aber gut ... Ein paar Tage Urlaub können nicht schaden ..."

Ich zucke gelangweilt mit den Schultern.

"Können wir dann endlich?", frage ich und nicke in Richtung des Eingangsportals. "Ist ein bisschen frisch hier draußen."
 

Mein Lächeln wird eine Spur breiter, ehrlicher und definitiv berechnender.

"Aber selbstverständlich, Edward. Ihr Wohlergehen ist schließlich unser wichtigstes Anliegen."

Ich wende mich einer der Damen vom Pflegepersonal zu.

"Führen Sie Edward doch bitte in seine ... Unterbringung."

Das Wort Zelle klingt ja so unangenehm. Außerdem hat der Raum, in den du vorerst kommen wirst, tatsächlich mehr Ähnlichkeit mit einem Zimmer, da er sich auf der Krankenstation befindet. Die richtige Gefängnisstimmung lassen wir erst später aufkommen, wenn es dir wieder besser geht.

"Ich komme dann gleich nach, um sicherzugehen, dass es Ihnen an nichts fehlt", sage ich an dich gewandt. "Ich verabschiede nur kurz Commissioner Gordon."

Das Gespräch mit Gordon dauert nicht sonderlich lang. Dafür verstärkt sich mein Eindruck, dass der Commissioner irgendein persönliches Interesse an dir hat. Er wirkt regelrecht besorgt darum, dass wir dir hier helfen. So viel Enthusiasmus hat er bei den anderen Insassen nie gezeigt. Jedenfalls kann es nicht daran liegen, dass du so ein sympathisches Kerlchen bist. Das wäre mir wohl aufgefallen.

Nachdem ich Gordon zum Abschied wieder die Hand geschüttelt habe, mache ich mich mit deiner Akte unter dem Arm auf den Weg zur Krankenstation, um dich in deiner neuen Bleibe gebührend willkommen zu heißen. Ich habe mich seit langem nicht mehr so sehr auf ein erstes Patientengespräch gefreut.
 

Freiwillig folge ich dem Pflegepersonal in das Gebäude. Allerdings werfe ich an der Tür dir und Gordon noch einen Blick zu. Irgendetwas stimmt mit dir ganz und gar nicht. Was genau es ist, werde ich schon noch herausfinden. Ein Rätsel, was es zu lösen gilt. Wenigstens ein kleiner Lichtblick hier.

Als ich dann auf der Krankenstation ankomme, staune ich nicht schlecht. Wenn man von den vergitterten Fenstern absieht und dass an jedem Bett Fesseln für Hand- und Fußgelenke sind, sieht es fast wie in einem Krankenhaus aus. Das wird dann also für die nächsten Tage meine Bleibe sein. Interessant. Hier wieder raus zu kommen wird wohl doch ein weniger anspruchsvoller als beim Gotham General.

Die Oberschwester, oder wer auch immer die leicht korpulente, schon etwas ältere Frau ist, verfrachtet mich direkt in ein Bett und ich kann gar nicht so schnell gucken, wie ich wieder an EKG und Sauerstoffflasche hänge. Na super.
 

"Morgen, Dr. Crane!"

Ich schenke der Ärztin im Vorbeieilen nur ein knappes Nicken. Ich registriere nicht mal genau, welche der Kolleginnen es überhaupt ist. Mein Blick ist nach unten auf deine Akte gerichtet. Im Vergleich zu dem, was ich in den ersten paar Minuten von dir gesehen habe, ist diese Akte überraschend nichtssagend. In Blackgate hat noch kein Psychiater einen Blick auf dich geworfen. Wenn ich mich recht erinnere, war Quinzel zu diesem Zeitpunkt verantwortlich. Die gute Nachricht ist, dass sie die Behandlung rein spaßeshalber noch nachholen kann, auch wenn dieses Gutachten vor Gericht natürlich kein bisschen Bestand haben wird.

Schwungvoll biege ich in dein Zimmer ein und schlage die Akte gerade spät genug zu, dass du noch sehen kannst, wie ich Informationen über dich sammle. Du kannst ruhig wissen, dass ich eindeutig mehr über dich weiß, als du über mich.

"Edward", grüße ich dich wie einen alten Freund, den ich lange nicht mehr gesehen habe. "Gefällt Ihnen Ihre Unterkunft? Es ist nichts Besonderes, aber besser als das, was die Meisten hier bekommen, das können Sie mir glauben."

Ich zwinkere dir vertraulich zu und ziehe mir einen Stuhl, der an der Wand gestanden hat, direkt neben das Bett.

"Dann legen wir doch gleich mal los."

Während ich rede, strecke ich dir die Hand entgegen.

"Ich bin Dr. Jonathan Crane und Sie werden während Ihres Aufenthaltes hier unter meiner Obhut stehen."

Ich sehe dich eindringlich mit meinem verständnisvollsten Blick an.

"Gibt es etwas, über das Sie jetzt bereits sprechen möchten? Irgendwelche Bedenken bezüglich Ihres Aufenthaltes? Irgendwelche ... Ängste?"
 

Misstrauisch hebe ich eine Augenbraue, als du den Raum betrittst. Meine Akte scheint ja guter Lesestoff zu sein, wenn du sie kaum aus der Hand legen kannst. Damit lässt sich auf jeden Fall arbeiten.

Als du dich dann neben mich setzt, wandert meine Augenbraue zu neuen Höhen. Du hältst dich für den besten Psychiater, der auf Gottes weiter Erde wandelt, was? Na, den Zahn kann ich dir ziehen. Du bist schließlich nicht der erste Therapeut, mit dem ich es zu tun habe. Ich weiß genau, was ihr Weißkittel hören wollt. Kannst du gerne haben.

Deine dargebotene Hand ignoriere ich gekonnt. Du brauchst dir gar nicht erst einbilden, dass du hier einen auf meinen neuen besten Freund machen kannst. Ich kann dich nicht ausstehen und ich werde auch keinen Hehl daraus machen.

Betont langsam und gelangweilt verschränke ich die Arme vor dem Oberkörper und sehe dich finster an.

"Ich habe nicht das geringste Interesse daran, mit Ihnen zu plaudern, Crane ..."
 

"Hm ..."

Gespielt enttäuscht verziehe ich das Gesicht. Wäre ja gelacht gewesen, wenn es so einfach wäre. Ich ziehe ein weißes Blatt aus deiner Akte, benutze diese als Schreibunterlage und lege sie auf meinen überschlagenen Beinen ab. Aus meiner Brusttasche ziehe ich einen Kugelschreiber hervor und lasse mit einem Klicken die Mine heraus schnellen. Ich setze den Stift an und mache mir eine Notiz zu deiner nicht vorhandenen Kooperationsbereitschaft.

"Das ist natürlich sehr schade", sage ich bedauernd und schiebe mir die Brille auf der Nase nach oben. "Wissen Sie, das hier wird nicht funktionieren, wenn Sie nicht mit mir reden."

Ich schüttle langsam den Kopf und sehe dich dabei geradewegs an.

"Sie haben doch kein Interesse daran, länger als nötig hierzubleiben?"
 

Fast wäre mir ein gehässiges Grinsen rausgerutscht, aber im letzten Moment kann ich mich noch zusammenreißen. Ihr Psychiater seit doch alle gleich. Macht einen auf nett und verständnisvoll, aber in Wahrheit wollt ihr irgendwelche belastenden Informationen haben. Nicht mit mir. An mir wirst du dir die Zähne ausbeißen.

"Vielleicht will ich ja gar nicht, dass es funktioniert?", sage ich vieldeutig und senke den Blick, um dich über den Rand meiner Brille anzufunkeln.

Du bist mir zutiefst unsympathisch und ich werde es auch nicht verstecken. Du kannst ruhig wissen, dass ich dich nicht leiden kann.

"Ich kann Sie nicht leiden, Crane. Also verbrauchen Sie irgendwo anders Sauerstoff."
 

Ich seufze kopfschüttelnd und mache mir wieder Notizen. Hauptsächlich aus Gewohnheit. Die meisten Patienten werden anständig nervös, wenn sie sehen, wie ich meine Gedanken zu ihren Worten mitschreibe, ohne sie laut auszusprechen. Das wird bei dir natürlich nicht passieren, aber warum auf etwas verzichten, das sich sonst immer bezahlt macht?

Der Blick, den ich dir jetzt zuwerfe, ist schon nicht mehr ganz so freundlich. Wirklich gereizt bin ich nicht, aber einfach nicht mehr so richtig dazu aufgelegt einen auf nett zu machen, wenn es doch scheinbar nichts bringt. Ich räuspere mich verhalten.

"Dann hören wir wohl lieber mit dem Geplauder auf, hm?", sage ich leise. "Sie werden noch eine ganze Weile hier bleiben, Edward, ob Sie es nun wollen oder nicht. Entweder Sie arrangieren sich mit der Situation und helfen mir, Ihnen zu helfen, oder Sie erschweren das Ganze und werden sehr viele Sitzungen mit mir verbringen müssen. Und da wäre es doch äußerst schade um Ihren guten Sauerstoff."
 

"Pah ...", murmle ich halblaut und drehe aus purer Gewohnheit den Kopf von dir weg.

Du arroganter Wichtigtuer kannst mir gar nichts. Ich bin sogar versucht, dir einfach aus Trotz die Zunge rauszustecken, aber da ich schon längst aus diesem kindischen Alter raus bin, kann ich mich beherrschen.

"Sie glauben gar nicht, wie egal mir Ihre Meinung ist ...", sage ich mit Blick auf das EKG.

So schnell, wie ich das Ding wieder los bin, kann die Schwester gar nicht gucken. Obwohl ... Wirklich Interesse daran, hier an dieses Bett fixiert zu werden, habe ich auch nicht. Vielleicht sollte ich mich doch ein bisschen kooperativer zeigen. Ich schätze, hier werden sie nicht so lange fackeln wie im Gotham General. Also drehe ich dir wieder den Kopf zu.

"Aber meinetwegen ... Was wollen Sie wissen?"
 

Als du mich nach einem weiteren übellaunigen Kommentar wieder ansiehst und mit einem Schlag kooperativ bist, schleicht sich ein raubtierhaftes Lächeln auf mein Gesicht. Ich verstecke es, indem ich wieder die Brille richte.

"Eine kluge Entscheidung, Edward. So ist es doch leichter für uns beide, nicht wahr?"

Geschäftig setze ich den Kugelschreiber an, um jegliche wichtige Details sofort festhalten zu können.

"Beginnen wir mit etwas einfachem. Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie beinahe gestorben sind - erneut. Hat sich etwas in Ihrer Haltung zum Leben verändert? Irgendwelche neuen Erkenntnisse?"

So einfach ist das eigentlich gar nicht, aber dir eine Assoziationskette anzubieten erscheint mir nahezu lächerlich. Ich weiß nicht genau, was du an dir hast, aber irgendetwas sagt mir, dass du allein aus den Worten, die ich dir vorgeben würde, bereits einiges über mich erschließen könntest. Und das ist definitiv nicht der Sinn dieser Sitzung.

Sie interessieren mich nicht die Bohne. Sie sind einfach nicht mein Typ.

Arrogantes Arschloch! Dieser Kommentar liegt mir auf der Zunge, doch ich schlucke ihn äußerst widerwillig runter.

Als du meinen Beinahe-Tod erwähnst, kratze ich beiläufig über den Verband am linken Unterarm und mit dem kurzen Anflug eines Lächelns muss ich daran danken, dass Barbara mir jetzt bestimmt sagen würde, dass ich das nicht tun soll.

"Was soll sich geändert haben?", stelle ich eine Gegenfrage und sehe dich ruhig und berechnend an. "Was einen nicht umbringt, gibt sich doch nur nicht genügend Mühe."
 

"Interessante Sichtweise ...", sage ich nachdenklich.

Das ist in der Tat interessant.

"Sie würden also nicht behaupten, dass Sie sich nach ... wenigstens einem Ihrer Beinahe-Tode verändert gefühlt haben? Den Drang verspürten, sich selbst neu zu entdecken?"

Ich beuge mich etwas näher zu dir und sehe dir genau in die Augen. Gerade rechtzeitig, damit man es nicht als bedrohlich einstufen kann, erinnere ich mich, dass freundliche Lächeln wieder auf meine Lippen zu packen.

"Sich beispielsweise zu kostümieren und unter einem neuen Alias eine Existenz in der Gothamer Unterwelt aufzubauen?"
 

Unwillkürlich lehne ich mich ein kleines Stück zurück, als du mir näher kommst. Zu spät realisiere ich, dass das für dich wieder ein gefundenes Fressen ist. Aber du bist mir so dermaßen zuwider, dass ich so viel Abstand wie es irgendwie möglich, zwischen uns beide zu bringen.

Ein paar Sekunden lang sehe ich dich schweigend an, ehe sich ein berechnendes Lächeln auf meine Lippen schleicht.

"Wollen Sie auf irgendwas Bestimmtes hinaus, Dr. Crane ...?"

Deinen Titel betone ich mit Absicht extra sarkastisch, um dir damit zu vermitteln, dass ich nicht allzu viel davon halte.
 

Es verschafft mir Genugtuung, dass du dich von mir weg lehnst.

Warum tust du das?

Fühlst du dich bedroht?

Bin ich dir unangenehm?

Hast du Angst vor mir?

Mit schräg gelegtem Kopf betrachte ich dich und tippe ganz unbewusst mit dem Kugelschreiber gegen meine Lippen, als du mich anlächelst.

"Haben Sie Probleme damit, wenn andere Menschen zu weit in Ihre persönliche Zone eindringen, Edward?", frage ich nachdenklich und lehne mich wieder zurück. "Wie steht es mit Körperkontakt? Den mögen Sie nicht sonderlich, wage ich zu behaupten. Wahrscheinlich ist Ihre Abneigung, Andere zu berühren, direkt proportional dazu, wie unangenehm Ihnen dieser Mensch ist."

Ich zucke grinsend mit den Schultern.

"Sie wollen mir ja nicht einmal die Hand schütteln."

Ich denke noch kurz darüber nach, dann schreibe ich die Erkenntnis eifrig auf. Das ist die erste brauchbare Frucht dieses Gespräches.

"Worauf ich hinaus will, sollten Sie sich denken können. Ich habe eine ganze Reihe kostümierter Irrer da drüben im Hochsicherheitstrakt und würde gern wissen ob Sie einer von denen sind oder ... nun, ja. Nur in einer schwierigen Phase stecken."
 

Misstrauisch halte ich deinem prüfenden Blick stand und frage mich dabei, was du denkst, in mir zu sehen.

"Gegenfrage, Crane ...", murmle ich betont ruhig. "Mögen Sie es sonderlich, wenn man direkt auf Tuchfühlung beim ersten Date geht?"

Ich hebe eine Augenbraue an, was meinem Gesicht einen spöttischen Ausdruck verleiht.

"Außerdem kann ich Sie nicht leiden. Von daher ... Ja, ich will so viel Abstand wie möglich zu Ihnen haben."

Dann lege ich den Kopf leicht schief und blinzle nicht einmal, als ich dich anstarre.

"Was denken Sie, Doc ...? Ist es verrückt, sich ein Kostüm anzuziehen - vielleicht sogar eine Maske mit ..."

Ich denke gespielt nach.

"... sagen wir Fledermausohren und ein Cape?"
 

"Ein Witzbold also, aha", murmle ich leicht angesäuert. "Neigen Sie dazu, Ihre eigene Unsicherheit durch sarkastische Bemerkungen zu überspielen?"

Als ich mir dieses Mal meine Notiz mache, drücke ich den Stift ein ganz kleines bisschen fester auf.

"Sie fühlen sich in die Ecke gedrängt und sehen sich gezwungen, sich durch bissige Bemerkungen zu verteidigen. Dabei tut Ihnen niemand etwas."

Die Erwähnung der Fledermaus lässt mich kurz innehalten. Ich bin ziemlich sicher, dass man das leichte Glitzern bei der Nennung dieses Namens in meinen Augen sehen kann. Niemanden hätte ich lieber auf meiner Couch als den Batman. Was diesen Mann dazu treibt, zu tun, was er tut, würde ich nur zu gern herausfinden.

"Batman", zische ich leise und meine Stimme nimmt einen etwas zu passionierten Tonfall an, "ist ein Mysterium für sich. Was bringt einen Mann zu so etwas? Warum nutzt er es für das Gute - oder zumindest für das, was er selbst als gut erachtet? Wie sieht es in diesem maskierten Kopf aus?"

Ein breites Grinsen ziert mein Gesicht, ich schiebe die Brille hoch, aber es besteht kein Zweifel, dass du schon gesehen hast, wie sehr mich diese Materie fasziniert.

"Jeder Mann meines Fachs, der auch nur ein bisschen auf sich hält, würde ihm gern in den Kopf sehen", versuche ich die Sache abzuschwächen. "Aber wir sind Ihretwegen hier, Edward. Also lenken Sie nicht ab."
 

Unwillkürlich knirsche ich mit den Zähnen, als du deine wenig schmeichelhafte Einschätzung meiner Persönlichkeit zum Besten gibst. Du denkst anscheinend wirklich, dass du nach ein paar Minuten Geschwafel und dem Blick in meine Akte schon weißt, wie ich ticke? Das ich nicht lache!

"Ich bin mit Sicherheit kein Witzbold ...", knurre ich schlecht gelaunt.

Mit jeder Minute kann ich dich noch weniger leider.

"Wenn Sie auf Witze stehen, sollten Sie Ihre Zeit mit dem Joker verbringen. Er ist die reinste Lachnummer ..."

Und wenn du mit meinem Sarkasmus nicht klar kommst, dann verschwinde doch einfach.

Deine Reaktion auf Batman entgeht mir natürlich nicht. Wie auch, wenn es so offensichtlich ist. Du bist der Nächste, der von diesem Spinner besessen ist. Deswegen rolle ich genervt mit den Augen. Ich kann diese Lobeshymnen auf die Fledermaus echt nicht mehr hören.

"Meinetwegen? So so ...", murmle ich dann und meine Augen bekommen einen fast schon sadistischen Ausdruck. "Es ist wirklich schmeichelhaft, dass Sie so viel Interesse an mir haben, Crane, aber ich muss Sie leider enttäuschen. Sie interessieren mich nicht die Bohne. Sie sind einfach nicht mein Typ."

Mit einem selbstzufriedenen Grinsen lasse ich mich in die Kissen sinken. Es könnte eventuell doch Spaß machen, dich solange zu reizen und zu nerven, bis du es aufgibst, mich analysieren zu wollen.
 

"Hm ... Sie scheinen auf andere Kriminelle nicht sonderlich gut zu sprechen zu sein. Oder kennen Sie den Joker persönlich und hegen deshalb eine Abneigung gegen ihn?"

Ich mustere dich interessiert. Dass du genauso ein Sonderling zu sein scheinst wie Joker - wenn auch auf eine völlig andere Weise - ist offensichtlich. Würde mich nicht wundern, wenn du irgendwann in seiner Liga als Verbrecher spielst. Vorausgesetzt natürlich, du kommst hier heraus.

Das Thema Batman scheint dir nicht zu gefallen. Unwillkürlich neige ich mich wieder nach vorn, um dich eingehend unter die Lupe zu nehmen.

"Batman nervt Sie, nicht wahr? Aber nicht, weil er Sie gefasst hat. Gordon hat Sie auch verhaftet und ihm gegenüber sind sie relativ entspannt. Woran liegt es, dass Sie die Fledermaus nicht mögen?"

Dein dämlicher Kommentar und das unverschämte Grinsen, entlocken mir ein leicht genervtes Schnauben. Du bist die Dreistigkeit in Person. Ich verlange nicht unbedingt, dass alle meine Patienten sich mir bedingungslos fügen. Aber ein wenig Anstand ist ja wohl vorauszusetzen. Wenn du damit weitermachst, mir meine Arbeit zu erschweren, bin ich fast versucht, hier andere Saiten aufzuziehen.

Verrückt.

Unsere erste Begegnung und ich verspüre bereits den Drang, meine Maske zu holen und dich ganz zu ergründen. So ungern ich es auch zugebe - du hast es mir angetan. Ich will nichts lieber, als einen ausgiebigen Blick in diesen unverschämten Kopf zu werfen.
 

"Gibt es denn einen Grund, so eine seltsame Karikatur wie den Joker zu mögen? Aber ernsthaft ... Ich kenne den Spinner nicht persönlich und ich lege auch keinen großen Wert darauf, ihn kennen zu lernen. Und es ist mir vollkommen egal, was Sie jetzt daraus interpretieren oder auch nicht."

Irgendwie sagt mir dein Blick, dass du mich in die Kategorie des Clown einordnest. Dass ist aber nicht der Fall. Mit Sicherheit nicht.

Ich muss eine Augenbraue anheben beim Thema Batman.

"Ja, ich kann ihn nicht leiden, diesen selbstgefälligen, Selbstjustiz-ausübenden Mistkerl ...", brumme ich und balle die rechte Hand zur Faust.

Nur über diese Fledermaus zu sprechen, macht mich wütend. Ich muss tief durchatmen, um wieder etwas ruhiger zu werden. Am Ende siehst du das sonst noch als meinen wunden Punkt an.
 

"Ach!"

Deine reizende Reaktion auf Batman zaubert mir ein ausgewachsenes Lächeln ins Gesicht. Ich kann mich gerade so zurückhalten, mir begierig die Hände zu reiben. Scheinbar bin ich auf etwas gestoßen, eine Angriffsfläche, könnte man sagen.

"Sie sprechen so, als hätten Sie mit Batman eine persönliche Fehde. Liegt es daran, dass er Ihnen das Leben gerettet hat?"

Ich zucke grinsend mit den Schultern.

"Sicher haben Sie nun das Gefühl, in seiner Schuld zu stehen. Denkbar schlecht, da Sie ein Krimineller sind und er gewissermaßen ein ... ja, ein Ordnungshüter, wenn man es so nennen möchte."
 

"Bilden Sie sich bloß nichts ein, Crane!", blaffe ich dich an und sehe dich mit einem Blick an, der töten kann. "Es hat weder etwas damit zu tun, dass die Fledermaus mich verhaftet hat, noch damit, dass er mir das Leben gerettet hat. Und am allerwenigsten geht es Sie etwas an, klar?"

Damit verschränke ich wieder die Arme vor dem Oberkörper und starre die hässliche weiße Wand vor mir an. Der Spruch, dass man in einer Irrenanstalt erst recht verrückt wird, scheint sich zu bewahrheiten. Ich würde dir am liebsten das schleimige Grinsen aus dem Gesicht schlagen.
 

Dein kleiner Ausbruch ist Musik in meinen Ohren. Ich mache keinen Hehl daraus, wie sehr ich mich darüber amüsiere.

"Wie schön, Edward!", sage ich mit falscher Freundlichkeit. "Es ist wirklich großartig, wie sehr Sie sich bereits öffnen. Dabei ist es das erste Gespräch. Ihr Wille, sich zu bessern, ehrt Sie."

Ich mache mir einige Notizen zu deinen letzten Aussagen und spreche, ohne den Blick vom Blatt zu nehmen.

"Es ist also kein Problem mit Batman in seiner selbst erkorenen Heldenrolle. Scheinbar doch etwas viel persönlicheres. Bloß ..."

Ich schiele kurz über den Rand meiner Brille zu dir.

"Was könnte persönlicher sein, als Sie vor einem Selbstmord zu bewahren? Erleuchten Sie mich doch bitte."
 

"Am Arsch, du scheinheiliger Wichtigtuer ...", murmle ich sehr leise und starre weiterhin stur geradeaus.

Es ist mir völlig egal, ob du meine Worte gehört hast oder nicht.

"Sie sind doch der Psychiater. Erklären Sie es mir", sage ich etwas lauter und weigere mich nach wie vor, Blickkontakt mit dir herzustellen.
 

"Nun", sage ich lang gezogen. "Wenn Ihnen meine wichtigtuerische Meinung tatsächlich so am Herzen liegt..."

Ich nehme die Brille ab, klappe die Bügel zusammen und lege sie auf meinem Notizzettel ab. Nun kann ich dich ganz offen ansehen.

"Eigentlich kann ich mir nur zwei Erklärungen vorstellen. Möglicherweise - und das wäre höchstinteressant - wissen Sie, wer Batman ist. Eventuell kennen Sie den Mann hinter der Maske persönlich, hegen einen Groll gegen ihn, irgendeinen alten Zwist oder dergleichen. Oder es sind noch andere Personen involviert."

Ich zucke mit den Schultern und verschränke die Arme vor der Brust.

"Einen Reim darauf machen kann ich mir noch nicht wirklich, aber wenn es nicht Batmans wahre Identität persönlich ist, gegen die Sie etwas haben ... und auch nicht die Vereitelung irgendwelcher Verbrechen ... dann ist es naheliegend, dass noch Andere an der Sache beteiligt sind und dadurch Ihre Abneigung zustande kommt."

Da schleicht sich schon wieder das Lächeln auf meine Lippen.

"Können Sie sich vorstellen, warum Gordon Sie ansieht wie einen engen Freund, der gerade eine schwere Phase durchmacht?"
 

Während deiner Schlussfolgerungen kann ich mir ein genervtes Augenrollen nicht verkneifen. Es ist faszinierend und beängstigend zugleich, dass du allem Anschein nach doch besser informiert bist, als ich dachte. Aber das ist noch kein Grund zur Beunruhigung. Ich bin mir sicher, dass ich dich auf eine falsche Fährte locken kann.

"Nehmen wir doch mal für einen kurzen hypothetischen Moment an, ich wüsste, wer Batman ist ..."

Langsam drehe ich dir den Kopf zu und sehe dich mit einem berechnenden Blick an.

"Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, dass ich das ausgerechnet Ihnen auf die Nase binden werde, oder?"

Ich muss kurz grinsen, werde aber schnell wieder ernst.

"Und der Commissioner mag mich einfach. Ich habe eine sehr sympathische Persönlichkeit."
 

Ganz unwillkürlich verenge ich die Augen und studiere dein Gesicht. Der Moment zieht sich dahin, aber ich nehme ihn mir, um meine Gedanken zu ordnen. Natürlich will ich nichts lieber, als herauszufinden, wer Batman ist. Aber würde ich es von dir erfahren wollen?

Nein.

Die Antwort ist ganz klar, darauf kann ich gut verzichten. Du glaubst es vielleicht nicht, aber du bist besser einzuschätzen, als du denkst. Du würdest dich damit brüsten, es vor mir zu wissen. Würdest versuchen, einen Vorteil daraus zu schlagen. Würdest dich über mir sehen. Wahrscheinlich tust du das jetzt schon. Aber das alles ist ja nur für den hypothetischen Fall, dass du weißt, wer Batman ist.

Ich runzle die Stirn.

"Nein", sage ich leise, fast zu mir selbst. "Nein, Sie wissen es nicht. Sie bluffen nur. Und das nicht besonders gut."

Eigentlich schon, aber das muss ich dir nicht unter die Nase reiben.

"Commissioner Gordon würde mir sicher einige Fragen über Sie beantworten, wenn ich ihm sage, dass es Ihrem Wohlergehen dient. Weil er Sie ja so mag, nicht wahr?"
 

Ich muss mich wirklich zusammen reißen, um nicht triumphierend zu grinsen, als du nachdenklich schweigst. Aber trotzdem genieße ich diesen Moment ausgiebig - wenn auch eher im Verborgenen.

Ich interpretiere dein Schweigen so, dass du wirklich darüber nachdenken musst, was du als nächstes sagen willst. Und das bedeutet, dass ich dich bereits ein wenig in die Enge getrieben habe. Sehr gut.

Ziemlich zufrieden mit mir selbst lächle ich dich an.

"Wenn Sie glauben, dass ich bluffe - nur zu. Ist ja nicht mein Problem. Und was den Commissioner betrifft ..."

Meine Augen bekommen einen verschlagenen Glanz.

"Wenn Sie ohne seine Hilfe keine Diagnose machen können, dann sollten Sie auf jeden Fall mit ihm sprechen. Einer der renommiertesten Psychiater des Landes, der es nicht ohne die Hilfe eines Polizisten schafft ... Nein, dass ich sicher kein Grund, um vor Scham im Boden zu versinken."
 

Angesäuert balle ich die Hände zu Fäusten.

"Es geht hier doch nicht um irgendeine Diag -"

Natürlich viel zu spät halte ich inne und starre an die Decke um mich zu beruhigen. Faszinierend. Du schaffst es doch tatsächlich, mich aus der Ruhe zu bringen. Das ist nicht gut. Aber trotzdem unterhaltsam, obwohl es mit Ärger für mich verbunden ist.

Um mich zu beruhigen zähle ich in Gedanken von zehn rückwärts und erwidere dann dein Lächeln.

"Ich meine natürlich: keine Bange, Edward. Ich bin sehr gut in dem, was ich tue. Ich und das freundliche Personal unserer schönen Einrichtung werden alles tun, um Ihnen zu helfen. Und eine Diagnose …"

Ich schaue demonstrativ nach unten auf meine Notizen. Das ist schon deshalb nötig, weil ich mir wirklich Mühe geben muss, um so zu klingen, als wäre diese Diagnose alles, was ich je von dir wollen könnte.

"… sollte sich recht schnell treffen lassen."

Verhalten räuspere ich mich und schiebe das Notizblatt zurück in deine Akte.

"Ich freue mich wirklich auf unsere Sitzungen."

Ich freue mich wirklich darauf, jeden noch so kleinen Aspekt deines Wesens zu ergründen und dein Inneres nach außen zu stülpen und deine tiefsten Ängste zu sehen und sie dich wieder und wieder durchleben zu lassen. Aber das sage ich dir nicht. Höchstwahrscheinlich siehst du es in meinen Augen.

"Ihnen wird es bald besser gehen."

Wenn Sie Jemanden zum spielen brauchen, dann besorgen Sie sich ein Haustier.

Eine Woche nach meinem Einzug ins Arkham Asylum werde ich nun verlegt. Der Arzt heute Morgen hat mir mitgeteilt, dass mein Arm sehr gut heilt und hat bei der Gelegenheit auch gleich die Fäden gezogen. Eine Narbe wird wohl zurück bleiben, hat er gesagt. Aber wenn ich die gut pflege, wird sie sehr fein werden und dann auch kaum noch zu sehen sein.

Als ob ich die Zeit für diesen Mumpitz habe.

Ich durfte in den letzten Tagen die Krankenstation zwar nicht verlassen, aber trotzdem habe ich durch das Pflegepersonal einige Dinge aufgeschnappt. Mein Freund Oswald soll demnächst ebenfalls hier nach Arkham kommen, nachdem er es geschafft hat, zum was weiß ich wievielten Mal aus Blackgate auszubrechen. Die Polizei hält Cobblepot anscheinend für verrückt. Na ja, darüber lässt sich streiten. Aber mich halten die ja auch für verrückt. Und das bin ich mit Sicherheit nicht.

Aber ich habe mich wirklich vorbildlich verhalten. Ich war nett zu den Schwestern, die mir aus der Kantine das ein oder andere zugesteckt haben, damit ich nicht vom Fleisch fallen. Besonders die eine Schwester - noch ziemlich jung, erst seit wenigen Wochen hier, mit schulterlangen braunen Haaren - scheint einen Narren an mir gefressen zu haben. Zwar kein Freifahrtsschein hier raus, aber besser als nichts.
 

Auf dem Weg zu deiner neuen Zelle reibe ich unwillkürlich die Handflächen aneinander. Sie sind ein wenig klamm. Verrückt, dass ich regelrecht aufgeregt bin, dich in deiner neuen Umgebung zu erleben. Wie wird der große Riddler sich verhalten, wenn er eingesperrt ist wie ein Tier? Ja, die Vorfreude ist unermesslich.

Aus unseren bisherigen Sitzungen habe ich keine wirklich bahnbrechenden Erkenntnisse ziehen können. Ich wurde lediglich in dem bestätigt, was ich eigentlich schon vermutet hatte: Du bist nicht auf den Kopf gefallen, wahnsinniger, als du dir selbst eingestehst und arroganter, als dir gut tut. Und du siehst mehr, als mir gut tut. Wobei ich nicht glaube, dass meine Position hier gefährdet ist. Wahrscheinlich ist dir ziemlich egal, was ich hier in Arkham treibe. Zumindest bis es dir irgendwann von Nutzen ist und soweit werde ich es gar nicht erst kommen lassen.

Vermutlich werde ich bis dahin bereits meinerseits genügend Informationen über dich in der Hand haben. Ein verzücktes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen. Wenn ich dich nicht bereits vollkommen gebrochen habe.

Vor deiner noch leeren Zelle mache ich halt und nicke einem Pfleger zu, der gerade noch ein frisches Laken auf deiner Pritsche platziert hat. Alles bereit. Jeden Augenblick wirst du hergebracht werden. Und dann sehen wir mal, was du von deinem kuschligen neuen Heim hältst.
 

Mit hoch erhobenem Kopf gehe ich durch die Gänge von Arkham. Ich fühle mich ein bisschen wie der Hausherr hier und nicht einmal die Handschellen stören mich großartig. Klar, wenn ich sogar von mehreren Sicherheitsbeamten eskortiert werde. Da hat wohl Jemand Angst, dass ich aus dem Weg zur "normalen" Station einen Eklat auslöse. Meine Schatten sind sogar mit Tasern und Schlagstöcken bewaffnet. Es lässt mich innerlich grinsen, dass so ein Aufwand für mich veranstaltet wird. Soll mir aber nur Recht sein.

Als ich mit meinem Gefolge die Station betrete, sehe ich dich schon vor einer der - na ja, was anderes als Zellen sind es nicht - stehen. Du wartest wohl schon sehnsüchtig auf mich.

Mein sicherlich leicht arroganter Gesichtsausdruck fällt ein wenig in sich zusammen, als ich zum ersten Mal einen Blick in meine neue Behausung werfe. Das kann unmöglich dein Ernst sein? Da war es ja in Blackgate besser. Also ernsthaft ... Das grenzt ja schon fast an Menschenrechtsverletzung.
 

Mit locker hinter dem Rücken verschränkten Armen und einem einladenden Lächeln auf den Lippen empfange ich dich in deiner Zelle.

"Edward!", grüße ich dich fröhlich. "Einen wunderschönen guten Morgen. Wie geht es Ihnen heute?"

Ich mache einen Schritt zur Seite, um dir und deinen Begleitern den Weg in die Zelle freizumachen. Deine Eskorte führt dich hinein, die Handschellen nehmen sie dir jedoch noch nicht ab. Ich habe angemeldet, dass ich noch ein paar Worte mit dir wechseln will.

Die Sicherheitsbeamten warten geduldig, dass ich hineinkomme und mich auf den Rand deiner Pritsche setze. Ich mache mir kein bisschen Sorgen, dass du mir gefährlich werden könntest. Du bist gefesselt und gut bewacht.

"Gefällt es Ihnen? Ich weiß, es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber sehen Sie es als Ansporn, in der Therapie voranzukommen. Je schneller Sie sich mir öffnen, desto schneller sind Sie hier wieder draußen."
 

Dein selbstgefälliges Lächeln und diese Absteige, in die du mich stecken willst, ruinieren diesen Tag. Ganz eindeutig. Und dass, obwohl es noch nicht einmal Mittag ist. Ich wünsche mich gerade wirklich zurück auf die Krankenstation. Da gibt es wenigstens den einen oder anderen netten Ausblick. In dieser Zelle kann ich es wohl erst einmal vergessen, weiterhin mit der süßen kleinen Krankenschwester zu flirten, um sie unbewusst zu manipulieren. Aber gut ...

Mit einer angehobenen Augenbraue mustere ich dich skeptisch. Du hältst dich wirklich für ganz toll, was? Ich kann dieses arrogante, besserwisserische Verhalten auf den Tod nicht leiden. Deswegen rümpfe ich auch ein wenig abfällig die Nase bei deiner kleinen Ansprache.

"Ehrlich gesagt ... Arkham ist ein Drecksloch ...", sage ich ruhig und lasse dich dabei nicht aus den Augen. "Okay, dann klären Sie mich mal über die Regeln hier auf. Damit ich schön nach Ihrer Pfeife tanzen kann", füge ich ironisch hinzu.
 

"Sehr zuvorkommend von Ihnen, dass Sie heute gleich so kooperativ sind, Edward", sage ich mit minimalem Spott in meiner Stimme, den wohl nur du überhaupt ausmachen kannst. "Es ist schön, dass Sie scheinbar endlich bereit sind, mit mir zu arbeiten."

Ich klopfe lächelnd auf die freie Stelle neben mir, wie ein Vater, der seinen Sohn zu einem vertraulichen Gespräch einlädt.

"Es gibt eigentlich gar nicht viel aufzuklären. Sie verhalten sich in Ihrer Zelle ruhig, um andere Insassen nicht zu stören. Sie befolgen brav die Anweisungen des Pflege- und Wachpersonals und mucken nicht auf. Die Zellen werden regelmäßig durchsucht, es ist uns vorbehalten, zu entscheiden, welche Gegenstände in Ihrem Besitz verbleiben dürfen und welche nicht. Und selbstverständlich werden wir beide uns ebenso regelmäßig für unsere Gespräche treffen. Wer weiß, vielleicht dürfen Sie in ein zwei oder drei Wochen schon in die Gruppentherapie."
 

Wieder einmal bringst du mich dazu, genervt mit den Augen zu rollen. Fast wäre mir sogar ein Seufzen rausgerutscht, was ich mir aber im letzten Moment noch verkneifen kann. Weißt du eigentlich, wie unglaublich lästig du bist? Nur zu gerne würde ich dich mal dem Pinguin vorstellen. Oder Sionis. Oder jeden x-beliebigen Mafia-Boss. Die hätten bestimmt ihre helle Freude an dir.

Deine Einladung, mich neben dich zu setzen, ignoriere ich. Das fehlt gerade noch, dass wir beide jetzt hier auf beste Freunde machen. Wenn ich nicht müsste, würde ich mich garantiert nicht im selben Raum aufhalten. Aber noch muss ich gute Miene zum bösen Spiel machen - ob es mir gefällt oder nicht. Noch bin ich nicht in der Position, dich herum zu kommandieren. Aber diese Zeit wird kommen. Garantiert.

"Wollen Sie vielleicht auch noch sämtliche Körperöffnungen regelmäßig durchsuchen?", frage ich sarkastisch. "Ich werde sicherlich nichts schmuggeln."

Nun ja ... Jedenfalls momentan nicht. Etwas in den Knast rein oder raus zu schmuggeln, ist fast schon erbärmlich einfach.

"Wie sieht's aus mit Freigang? Und Besuchen?"
 

Ein kleines gehässiges Lachen entweicht mir, bei dem sogar einer deiner Aufpasser die Stirn runzelt. Ich kann es nicht zurückhalten. Du bist so offensichtlich genervt von mir, dass ich schon beinahe Schadenfreude empfinde.

"Die Körperöffnungen nun nicht unbedingt, aber selbstverständlich werden Sie gründlich abgetastet, bevor Sie die Zelle verlassen dürfen."

Beinahe hätte ich mich zu einem Zwinkern hinreißen lassen. Aber das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen.

"Und wir wollen mal nicht gleich übertreiben, Edward. Sie sind praktisch gerade erst gekommen. Privilegien muss man sich erst einmal verdienen, das verstehen Sie doch?"

Ich schüttle mit einem milden Lächeln den Kopf.

"Also wirklich. Reicht man ihnen den kleinen Finger, wollen sie dir am liebsten gleich den Arm abreißen."

Einer der Wachmänner lacht sogar und ich grinse dich zufrieden an.
 

"Ja ja ...", murmle ich gelangweilt und winke ab - allerdings bewegt sich durch die Handschellen bedingt die zweite Hand zwangsläufig mit.

Diese ganzen Vorschriften in diesem Laden sind ja zum Haare raufen. In Blackgate hatte ich wesentlich mehr Freiheiten. Und von wegen, diese Privilegien muss man sich hier erst erarbeiten. Jede Wette, dass auch die Wärter hier käuflich sind. Es kommt nur mal wieder auf den Preis an.

"Und um gleich mal eines klar zu stellen, Crane ...", sage ich und sehe dich mit einem bösen Blick an. "Ich bin sicherlich nicht zu Ihrer Belustigung hier. Mir ist es ehrlich gesagt scheißegal, für wen zum Teufel Sie sich halten, aber Sie brauchen gar nicht erst zu denken, dass Sie mit mir Ihre kleinen Spielchen abziehen können. Wenn Sie Jemanden zum spielen brauchen, dann besorgen Sie sich ein Haustier."

Aber vermutlich würde selbst ein Goldfisch schreiend davon laufen oder freiwillig ertrinken, um von deinem miesen Charakter wegzukommen. So viel habe ich in der Woche, in der ich dich nun kenne, schon festgestellt. Mit dir ist nicht gut Kirschen essen und ich werde sicherlich nicht den Fehler machen, dich zu unterschätzen. Du hast irgendetwas an dir, was mir absolut nicht gefällt. Allerdings kann ich immer noch nicht sagen, was genau mich so irritiert.

Ich habe zwar mittlerweile gemerkt, dass es mehr als nur dein heuchlerischer Charakter und deine fast schon tot wirkenden Augen ist, aber auf einen grünen Zweig bin ich noch nicht gekommen. Aber vielleicht habe ich die Möglichkeit dazu, wenn wir richtige Therapiesitzungen haben. Allerdings muss ich mich dazu dir gegenüber gut stellen. Deswegen seufze ich ergeben und sehe dich entschuldigend an.

"Verzeihen Sie, Doktor ... Der Arzt, der mir vorhin die Fäden gezogen hat, war nicht besonders feinfühlig und ich fürchte, dass ich deswegen ein wenig schlecht gelaunt bin. Ich wollte das allerdings nicht an Ihnen auslassen."

Demonstrativ halte ich dir meinen linken Arm hin, der immer noch mit einem dicken Verband geschützt ist. Mir dreht sich bei meinen eigenen Worten fast der Magen um. Ich wusste gar nicht, dass ich so widerlich schleimen kann. Aber wenn es mir hilft, meine Position zu festigen und sogar noch zu verbessern, würde ich dir sogar das Blaue vom Himmel herunter lügen.
 

Ein kleines Lachen entfährt mir, als du mich erst anpflaumst und dann mit einem Schlag höflich wirst und dich bei mir entschuldigst. Scheinbar denkst du, dir irgendwelche Vorteile herausschlagen zu können, wenn du dich aufführst wie ein verdammter kleiner Sonnenschein. Sicher nicht mit mir.

Nur zu gerne würde ich dir anständig die Meinung zu diesem Verhalten geigen. Aber nicht hier vor dem Wachpersonal. Vor denen muss ich so tun, als würde ich mich über deine Einsicht eckig freuen, während ich es eigentlich schade finde. Es gefällt mir, mich mit dir zu messen, weil ich weiß, dass ich dich früher oder später schon brechen werde. Sollst du ruhig rumzicken, das sagt mir so viel über deinen Charakter.

"Entschuldigung akzeptiert, Edward", presse ich süßlich hervor, vermittle dir mit meinem Blick aber deutlich, dass ich dir die Show keine Sekunde lang abkaufe. "Es tut mir Leid, dass Sie vorhin Unannehmlichkeiten hatten. Aber Sie haben es überstanden. Wie geht es dem Arm denn? Was hat der Arzt gesagt?"
 

Dir ist anzusehen, dass du mir meinen plötzlichen Charakterwandel nicht abkaufst. Na ja, wäre auch zu schön, um wahr zu sein gewesen. Ehrlich gesagt habe ich auch nicht damit gerechnet, dass du es wirklich tust. Dass wäre dann ziemlich dämlich und damit das Gegenteil von dir. Aber wenigstens eine gute Show für die Wachleute. Wenn ich sie davon überzeugen kann, dass ich keiner Fliege was zuleide tue, ist das fast schon die halbe Miete. Das Pflegepersonal auf der Krankenstation frisst mir ja schon fast aus der Hand.

Mit dem sympathischsten Lächeln, welches ich zustande bringe, ohne dass mir das Frühstück noch einmal durch den Kopf geht, setze ich mich doch noch neben dich auf die Pritsche. Allerdings so weit von dir entfernt wie es mir möglich ist, ohne seitlich runter zu fallen.

"Ist ja nicht Ihre Schuld, Doc", sage ich weiterhin stur lächelnd, denn wenn ich etwas anfange, bringe ich es auch zu Ende. "Ich soll den Arm weiterhin schonen, den Verband dran lassen und trotzdem täglich Wundpflege betreiben."

Skeptisch sehe ich mich in meiner Zelle um.

"Dürfte hier allerdings ein bisschen schwer werden ..."
 

Das Lächeln bleibt wie festgefroren auf meinem Gesicht und der Blick weiterhin stechend. Am liebsten würde ich die Wachen wegschicken, um mit dir mal richtig Klartext zu reden. Deine unverschämten Spielchen gehen mir gehörig auf den Zeiger. Ich bin derjenige, der mit dir spielen sollte und nicht anders herum.

"Sie haben Recht, die Wundpflege könnte sich schwierig gestalten", stimme ich dir mitleidig zu.

Mehr sage ich dazu nicht. Soll dir doch der Arm abfallen, mir ist das recht.

"Aber Sie haben ja schon Schlimmeres überstanden, Edward."

Klar, Unkraut vergeht nicht.

Ich kenne achtunddreißig verschiedene Methoden, einen Menschen mit einer Büroklammer zu töten ...

Okay, das war ein Satz mit x. Deiner eher nichtssagenden Antwort kann ich deutlich entnehmen, dass ich in nächster Zeit nicht damit rechnen kann, die Zelle wieder zu verlassen. Toll. Ich bin regelrecht begeistert. Aber davon lasse ich mich nicht entmutigen. Die Hoffnung stirbt zuletzt - oder so ähnlich.

Als ich das geheuchelte Mitleid in deiner Stimme höre, verenge ich ein kleines Stück die Augen, behalte aber das Lächeln bei. Mal sehen, wer von uns Beiden den längeren Atem hat. Dieses gegenseitige Taxieren und Erforschen kann ich notfalls stundenlang machen. Ich wäre sicher ein toller FBI-Agent, schießt es mir durch den Kopf. Verdächtige anstarren, bis sie von selbst einknicken oder sie zu tote quatschen. Ich habe ein breites Repertoire. Mal schauen, wie viele du davon zu sehen bekommst.

"Wollen Sie damit etwas Bestimmtes andeuten?", stelle ich eine Gegenfrage, obwohl ich ahne, auf was du eigentlich hinaus willst.

Entweder meine Aufenthalte in der Intensivstation oder mein alter Herr. Du hast sicherlich die entsprechenden Polizeiakten gelesen. Es wäre auch ziemlich fahrlässig von dir, wenn du es nicht getan hast.
 

"Eigentlich will ich gar nichts andeuten", sage ich schulterzuckend. "Ich kann Ihnen gerade heraus sagen, was ich denke."

Ich beuge mich mit einem vertraulichen Lächeln zu dir. Mir ist bewusst, dass du nicht weiter zurück kannst, ohne von der Pritsche zu kippen.

"Sie haben in Ihrem Leben einiges durchgemacht. Gerade die letzte Zeit muss aufwühlend gewesen sein. Sicher fühlen Sie sich hilflos und allein, sind verwirrt. Ihre ganzen Taten der letzten Zeit ... Vermutlich nur ein verzweifelter Schrei nach Hilfe. Eigentlich wissen Sie doch gar nicht, was Sie tun."

Es fehlt nur noch, dass ich dir freundschaftlich die Hand tätschle. Aber dann würdest du mich wahrscheinlich angreifen. Handschellen hin oder her. Aber das Gesagte reicht vermutlich bereits, um dich zu provozieren.

Das Gerede von deiner Hilflosigkeit ist natürlich größtenteils Quatsch - ja, du bist in deinem tiefsten Inneren eigentlich ein unsicherer Mensch. Aber ich bin mir sehr sicher, dass du genau weißt, was du tust. Von einem stummen Hilfeschrei kann keine Rede sein.
 

Bei deinen spottenden Worten balle ich die Hände zu Fäusten und meine Augen bekommen einen mörderischen Ausdruck. Auch mein Lächeln fällt ein klein wenig in sich zusammen, aber im Großen und Ganzen kann ich die Fassade noch wahren. Am liebsten würde ich dir jetzt ins Gesicht springen und dich mit diesen verdammten Handschellen erwürgen.

Was bildest du dir eigentlich ein? Ich bin mit Sicherheit Vieles, aber ganz sicher nicht hilflos. Allein diese Unterstellung ist eine Beleidigung und sie macht mich wütend.

Ich beuge mich ebenfalls ein kleines Stück vor, so als ob ich dir etwas Vertrauliches ins Ohr flüstern will.

"Lassen Sie diesen Psycho-Mist, Crane ... Das funktioniert bei mir nicht ...", zische ich dir leise zu.

Natürlich ist mir bewusst, dass das den letzten Minuten meines Verhaltens widerspricht, aber dass ist mir gerade ziemlich egal.
 

Es fällt dir sichtlich schwer, den schönen Schein zu wahren. Mein Blick huscht zum Sicherheitspersonal. Sie sehen misstrauisch aus, aber nicht so, als würden sie auf der Stelle eingreifen. Dafür ist dein steinernes Lächeln dann doch zu gut gespielt.

"Edward."

Ich überbrücke das allerletzte Stückchen, sodass meine Lippen nah an deinem Ohr sind.

"Riddler", flüstere ich so leise, dass nur du es hören kannst, und beuge mich wieder zurück.

Die Wachleute schauen ein bisschen verwirrt drein.

"Das werden wir noch sehen."
 

Als du dich wieder zurück lehnst, funkle ich dich hasserfüllt an. Es kann sogar gut möglich sein, dass ein Auge leicht anfängt zu zucken. Es kann aber genauso gut sein, dass ich mir das gerade nur einbilde.

Betont ruhig rücke ich ein Stück in deine Richtung.

"Ich kenne achtunddreißig verschiedene Methoden, einen Menschen mit einer Büroklammer zu töten ...", flüstere ich dir so leise zu, dass wirklich nur du meine Worte verstehen kannst. "Wollen Sie heraus finden, wie viele davon ich beherrsche?"
 

Das begeisterte Funkeln in meinen Augen ist wahrscheinlich gut sichtbar. Herrlich. Es ist einfach faszinierend, wenn das Innerste eines Menschen nach außen ersichtlich wird.

Ich lasse dich keine Sekunde aus den Augen, bin ganz auf die Regungen in deinem Gesicht fixiert, während ich mit den Wachen spreche.

"Warum warten die Herren nicht kurz vor der Zelle? Edward scheint sich ein wenig unwohl zu fühlen und ich möchte den Stress für ihn mindern."

"Aber, Dr. Crane, das ist absolut unmöglich, er -"

Ich bringe den Mann mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen.

"Sie bleiben ja in der Nähe. Husch, husch."

Nach einigem Zögern und Versicherungen, dass ich selbst an den Konsequenzen schuld bin, trollen sich die Wachleute. Wahrscheinlich nur, weil du ihnen glaubhaft den Eindruck vermittelt hast, dass du sowieso Niemandem ein Haar krümmen könntest.

Sobald wir allein sind, nehme ich die Brille ab und lasse meinem begeisterten Grinsen freien Lauf.

"Ich möchte nichts sehnlicher, als das mit anzusehen", versichere ich dir.

Und es stimmt. Ich will nicht als Versuchskaninchen herhalten, aber dich in Aktion zu beobachten wäre durchaus erstrebenswert.

"Allerdings sind Sie hier in einer unglücklichen Situation, Riddler. So schnell bekommen Sie keine Büroklammer mehr zu Gesicht, glauben Sie mir. Vielleicht sollten Sie sich beibringen, wie Sie jemanden mit Ihrem Klopapier umbringen."
 

Ein klein wenig irritiert es mich, dass du die Wachleute rausschickst. Aber eigentlich ist das gut, denn jetzt muss ich mich nicht mehr so aufführen, als wäre ich die Freundlichkeit in Person. Leider Pech für dich, mein Freund. Ich war die längste Zeit nett zu dir.

Kaum, dass die Wachleute meine Zelle verlassen haben, fällt mein Lächeln, was ich bis eben gewahrt habe, in sich zusammen und ich funkle dich mit einem mörderischen Blick an.

"Ich könnte das auch mit dem Kugelschreiber in der Tasche da", zische ich dir zu und deute mit einem Kopfnicken auf deinen Kittel. "Und noch mit 'ner Menge anderer Dinge, wenn es sein muss. Und glauben Sie bloß nicht, dass die Handschellen mich daran hindern können ..."
 

Du kommst dir gerade sicher ganz bedrohlich vor, aber mir entlockt dein Verhalten nur ein raues Lachen. Es ist grandios, endlich dein wahres Gesicht zu sehen. Wobei ich fast glaube, dass du im Moment noch halbwegs harmlos bist.

Unwillkürlich wandert meine Hand über meine Brusttasche und erfühlt den Kugelschreiber. Stimmt. Soweit hatte ich gar nicht gedacht.

"Interessant. Sie haben nicht wirklich Angst vor mir, oder Riddler?"

Meine Stimme ist leise und forschend.
 

Bei deiner Frage muss ich tatsächlich kurz lachen. Als ob ich Angst vor dir halben Hemd habe. Soweit kommt es noch. Ich habe mehrere Begegnungen mit der Fledermaus überlebt, da bist du doch nur eine laue Brise.

Schelmisch grinsend sehe ich dich.

"Sie sind echt witzig, Crane. Sie sollten wieder in Ihr hübsches kleines Büro gehen und dort Ihre Büroklammern zählen."

Hätte nicht gedacht, dass du mich nochmal erheitern kannst. Ich lasse mich sogar zu einem Zwinkern hinreißen. Doppeldeutigkeit war schon immer meine große Stärke.
 

Du unterschätzt mich. Das ist in Ordnung. Alle unterschätzen mich. Jeder hält mich für den verschrobenen Psychiater, der Nichts als seine Arbeit kennt, ein Versager in seinem Privatleben und keinen zweiten Blick wert ist. Früher hat mich das gestört. Heute nicht mehr. Im Grunde ist es das Problem all dieser Menschen, wenn sie eine Gefahr nicht sehen, sobald sie Nase an Nase mit ihr sind. Nicht meines.

Von dir hätte ich allerdings mehr erwartet, deswegen kränkt es mich tatsächlich ein kleines bisschen. Und das stört mich wiederum.

"Ich kann verstehen, dass Sie mich nicht als Bedrohung wahrnehmen", sage ich ruhiger, als ich eigentlich bin. "Niemand tut das. Aber ich hatte Sie für schlau genug gehalten, andere nicht zu unterschätzen. Da habe ich mich wohl in Ihnen getäuscht. Eigentlich schade."
 

Immer noch grinsend sehe ich dich an, ehe ich mich von der Pritsche erhebe und ein wenig hin und her laufe. Wie gerne würde ich jetzt die Hände hinter dem Rücken verschränken, aber dank der Handschellen ist das natürlich nicht möglich.

Irgendwie finde ich es witzig, dass du wirklich denkst, dass ich dich unterschätze. Gut, als Psychiater habe ich dich anscheinend ein wenig überschätzt. Für eine Weile konntest du mir wirklich Glauben machen, dass du ziemlich viel über mich weißt. Aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass dem nicht so ist. Dann werde ich mich einfach weiterhin ein wenig unberechenbar und undurchschaubar geben. Dass ist zwar kontraproduktiv, wenn ich hier schnell raus will, aber so komme ich vielleicht schneller hinter dein Geheimnis. Und dass du eins hast, ist offensichtlich.

"Verraten Sie mir was, Crane ...?", frage ich grinsend und im Gehen. "Funktioniert diese Taktik von Ihnen eigentlich manchmal?"

Ich bleibe stehen und mustere dich über den Rand meiner Brillengläser.

"Haben Sie überhaupt schon mal Einen hier ... geheilt?"
 

Die Frage soll garantiert provozierend sein. In Anbetracht dessen, was ich hier tue, klingt sie allerdings fast ein bisschen naiv. Als ob mich die Heilung dieser jämmerlichen Kreaturen hier auch nur einen Deut interessieren würde. Ich will diese Menschen studieren und nicht dafür sorgen, dass sie eines Tages hier herauskommen und ein neues Leben beginnen können.

Gelassen überschlage ich die Beine und sehe dir zu, wie du durch den Raum läufst. Wahrscheinlich glaubst du, gerade den Spieß herumzudrehen.

"Wieso? Wird Ihnen allmählich klar, dass Sie hier vielleicht nie mehr raus kommen?", frage ich mit einem zuckersüßen Lächeln. "Hat ein bisschen gedauert, was, Riddler?"
 

Mit einer reichlich selbstgefälligen Miene sehe ich dir ziemlich gelassen dabei zu, wie du mal wieder anfängst, große Reden zu schwingen. Falls du mich damit beeindrucken willst, funktioniert das leider nicht. Ich wünsche mir gerade eine Kippe und meinen Computer. Es gibt sicherlich einige spannende Dinge über dein Leben zu entdecken.

Deine Antwort, die eigentlich keine Antwort war, bestätigt mich in der Vermutung, die sich in den letzten Tagen in meinen Hirnwindungen manifestiert hat. Allerdings bezweifle ich, dass das der einzige schwarze Fleck auf deinem weißen Kittel ist.

"Machen Sie sich mal meinetwegen keine Sorgen", erwidere ich ungerührt. "Sie werden nicht verhindern können, dass ich eines - nicht allzu weit entfernten - Tages hier fröhlich raus spazieren werde. Die Frage ist nur, ob Sie das noch erleben werden."

Ein leichtes Grinsen schleicht sich wieder auf meine Lippen, als ich dich mustere.

"Sie mögen vielleicht wirklich einen Doktortitel in was-weiß-ich haben, aber Sie sind bestimmt kein richtiger Psychiater. Sie sind irgendwas anderes ..."
 

Mühsam versuche ich, mein Grinsen ein bisschen zu zügeln. Eine ganze Reihe von ersten Malen.

Du bist der Erste, der scheinbar vorhat, einen auf genesen zu machen, um hier herauszukommen. Entweder das oder du redest von einer Flucht - womit du auch der Erste wärst, der eine mögliche Flucht so gerade heraus ankündigt. Joker beispielsweise sieht für gewöhnlich so aus, als würde er nirgendwo lieber sein - bis irgendwo eine Wand explodiert und meine hochgeschätzte ehemalige Kollegin herein gehüpft kommt, um ihren Liebsten zu erretten.

Außerdem bist du der Erste, der den Gedanken äußert, ich sei kein normaler Psychiater. Als ich einen von Sionis Jungs einmal für unzurechnungsfähig erklärt habe, meinte Black Mask zu mir, er habe das Gefühl, ich sei 'genauso wahnsinnig wie der Rest von uns'. Damit war er beinahe so nah dran wie du jetzt.

Gemächlich erhebe ich mich von der Pritsche und schlendere ein Stückchen auf dich zu. Am liebsten würde ich mich direkt vor dir aufbauen, aber das lasse ich, weil du mir dann vielleicht an die Gurgel gehst. Ich setze die Brille wieder auf.

"Sie sehen sehr viel, Edward. Aber nicht genug, um alle Puzzleteile richtig anordnen zu können. Vielleicht sollte ich Ihnen bei unserer nächsten Sitzung einen Tipp geben?"
 

Ich würde es nie zugeben, aber es irritiert mich schon ein wenig, wie wenig Reaktion man von dir bekommt. Das Lächeln, ja, aber es erreicht deine Augen nicht.

Niemals.

Keine einzelne Regung erreicht irgendwas oberhalb des Mundes. Und das gefällt mir nicht.

Kein bisschen.

Es wirkt, als ob du bereits so abgestumpft bist, dass du seelisch tot bist. Vielleicht bringt das der Job mit sich, aber mich beschleicht die Ahnung, dass da immer noch mehr ist. So viel mehr, was endlich an die Oberfläche muss. Und ich werde dieses Rätsel lösen.

"Oh, ich liebe Puzzles ...", sage ich langsam. "Und ich habe vor, auch ein paar hier in Arkham zu lösen."

Mit wissender Miene halte ich deinen Blick.

"Könnte sicher spaßig werden, meinen Sie nicht auch, Doc ...?"
 

Amüsiert schmunzle ich dich an und erwidere deinen offenen Blick.

"Das klingt nach einer Kampfansage", lache ich. "Sie können sich gar nicht vorstellen, was für einen Spaß ich mit Ihnen haben werde. Vertrauen Sie mir."

Nun komme ich doch noch einen Schritt auf dich zu.

"Ich werde Ihnen ein paar Dinge über Sie selbst zeigen, von denen Sie vielleicht nicht einmal wissen, dass sie da sind. Der Mensch verdrängt so Vieles ... Regungen, Sehnsüchte ... Ängste. Da sind Sie keine Ausnahme."

Völlig unwillkürlich reibe ich die Hände aneinander. Ich kann es gar nicht erwarten, dir meine Maske zu zeigen. Du hast Recht, das wird ein Spaß werden. Dich schreiend und winselnd vor mir auf dem Boden zu sehen ... Was will man mehr?

"Fühlen Sie sich diesem Rätsel gewachsen? Nicht, dass Sie es am Ende bereuen."

Wenn mein Verdacht stimmt, dann hab ich wirklich alles versaut, was man versauen kann ...

Mein Atem geht stoßweise, als ich in Dads Wagen um eine Kurve biege - weit über der Geschwindigkeitsbegrenzung. Irgendjemand, den ich geschnitten haben muss, hupt mir hinterher.

"Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß", knirsche ich wütend.

Ich bin völlig am Ende mit den Nerven. Der Verdacht ist mir das erste Mal letzte Woche gekommen. Eine böse kleine Vorahnung, eher Angst als Gewissheit. Jetzt sind zwei Wochen vorbei und meine Ahnung wird immer drohender.

Eigentlich habe ich Niemanden, an den ich mich damit wenden kann. Wahrscheinlich bist du auch nicht der richtige Ansprechpartner. Aber der Einzige, der mir in den Sinn gekommen ist. Mein Vater und meine Mutter fallen völlig heraus. Batman ist mein Mentor, aber völlig ungeeignet für so ein Thema. Edward ... na ja. Der ist in Arkham und so ziemlich der Letzte, mit dem ich im Moment reden will.

"Oh, verdammt ...", seufze ich leise, als ich mit quietschenden Reifen vor Wayne Manor zum Stehen komme.

Der Hausherr ist um diese Zeit für gewöhnlich nicht da. Meistens komme ich dann zu dir, um an meinem Anzug zu arbeiten oder zu trainieren. Heute habe ich etwas weniger erfreuliches vor.

Ich stelle den Motor ab, schnappe meine Tasche mit ihrem brisanten Inhalt und verlasse den Wagen. Während ich auf die Tür zugehe, versuche ich, mir die Tränen wegzuwischen, die trotzdem unaufhörlich weiter fließen.

Mit zitternden Fingern betätige ich die Klingel.
 

Als es an der Eingangstür läutet, wandert mein erster Blick auf die große Standuhr, die hier im gemütlichen Kaminzimmer steht. Es hat sich für heute kein Besuch angekündigt. Andernfalls wäre Master Bruce nicht in seiner Firma.

Während ich durch die Räume gehe, um ins Foyer zu kommen, überlege ich natürlich, wer da vor der Tür steht, wenn ich öffne. Ein Name kommt mir schnell in den Sinn. Allerdings wollen wir uns eigentlich erst wieder in zwei Tagen treffen.

Im Foyer angekommen, öffne ich die große Eingangstür und sofort erhellt ein Lächeln mein Gesicht. Ich freue mich jedes Mal, wenn du zu Besuch kommst. Mittlerweile habe ich dich sehr lieb gewonnen, fast wie eine Art Enkeltochter. Allerdings runzle ich die Stirn, als ich deinen Gesichtsausdruck und deine Körperhaltung sehe. Du scheinst sehr aufgeregt zu sein.

"Miss Gordon", sage ich höflich. "Master Bruce ist nicht da, wie Sie wissen. Also nehme ich an, dass Sie zu mir wollen."

Ich mustere dich ein wenig skeptisch und trete zur Seite.

"Aber kommen Sie doch erst einmal herein. Sie sehen aufgewühlt aus. Ist alles in Ordnung?"
 

Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Sache souverän anzugehen und mich halbwegs stark zu geben. Stattdessen springe ich dir in die Arme, bevor du überhaupt richtig ausgeredet hast.

"Oh, Alfred!", schluchze ich. "Ich habe einen ganz schlimmen Fehler gemacht!"

Kurz lasse ich los, um mir die Nase zu schnäuzen. Ich will deinen Anzug nicht einsauen.

"Und jetzt ..." - schnief - "jetzt ist alles ruiniert! Mein Leben ... Alles geht den Bach runter."

Diese Erkenntnis lässt die Tränen gleich noch mehr fließen. Dabei dachte ich, ich habe das ständige weinen hinter mir gelassen. Na ja. Die Chancen stehen gut, dass ich solche Anfälle demnächst auf die Hormone schieben kann ...
 

"Aber, Miss Gordon ...", sage ich mitfühlend und klopfe dir sachte auf den Rücken. "Was ist denn passiert?"

Mit einer Hand in deinem Rücken bugsiere ich dich vorsichtig ins Innere des Anwesens und schließe dann die Tür.

"Wie wäre es mit einem schönen heißen Tee und dann erzählen Sie in Ruhe, was passiert ist. Einverstanden?"

Ich frage mich natürlich, was für dich so schlimm sein kann, was dich dazu bringt, so zu reden, als ob dein noch sehr junges Leben bereits vorbei wäre.
 

Mehr als ein entkräftetes Nicken bringe ich nicht zustande. Ich folge dir in die Küche. Im Moment will ich einfach nicht allein sein. Also sehe ich dir dabei zu, wie du mir einen Tee aufbrühst - natürlich auf die elegante britische Art und nicht mit Teebeutel.

Immer noch leise weinend lehne ich mich gegen die Anrichte. Meine Hände sind fest um den Tragriemen meiner Tasche geschlossen. Bevor ich beschlossen habe herzufahren, war ich eigentlich nur eine kleine Besorgung machen. Eine kleine, lebensverändernde Besorgung.

Ich habe mich aber nicht imstande gefühlt, das Ding in unser Haus zu bringen und dort zu benutzen.
 

Als ich dir eine dampfende Tasse Tee mit einem aufmunterten Lächeln hinstelle, wirkst du immer noch wie ein kleines Häufchen Elend. Seit wir in die Küche gegangen sind, hast du kein Wort mehr gesprochen. Ein mehr als deutliches Indiz, dass dir wirklich viel durch den Kopf geht.

Mit deinem Vater wird es wohl nichts zu tun haben. Wenn Commissioner Gordon etwas zugestoßen wäre, wüsste ich das. Aber vielleicht deine Mutter oder dein kleiner Bruder. Vielleicht hast du auch die Befürchtung, dass du deinen High School Abschluss nicht schaffst, obwohl ich mir das nicht vorstellen kann. Du bist immerhin sehr intelligent. Was bleibt dann noch übrig? Nun ja, das Problem mit Edward Nashton hat sich mehr oder weniger in Wohlgefallen aufgelöst, seit er in Arkham ist. Er hat bisher nicht versucht, von dort zu fliehen und in diesen vier Wochen hast du auch kein Wort über ihn verloren. Du scheinst endlich über ihn hinweg zu sein. Aber vielleicht hat dir ein Junge aus der Schule das Herz gebrochen.

"Nun, Miss Gordon ...", sage ich und stelle ein Porzellanschälchen mit Kandiszuckerstückchen auf den Tisch und reiche dir einen Löffel. "Ich bin mir sicher, dass Nichts so schlimm sein kann, dass wir dafür nicht eine Lösung finden."
 

Meine zusammengepressten Lippen beben, als ich schweigend Zuckerstücke in meinen Tee häufe, bis es ungesund wird. Der Löffel klirrt gegen die Tasse, als ich umrühre. Wie soll ich die Worte bloß herausbringen? Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken.

"Ich fürchte, dass ist nicht so einfach ... Wenn mein Verdacht stimmt, dann hab ich wirklich alles versaut, was man versauen kann ..."

Fahrig reibe ich mir über das nasse Gesicht. Um das Geständnis noch etwas hinauszuzögern will ich an meinem Tee nippen, verbrenne mir aber die Zunge.

"Es geht um Edward. Ich meine Nigma. Ich meine Riddler."

Ja, Barbara. Reife Leistung.

"Ich ... ich hab nicht auf Batman gehört, Alfred. Es ist ... meine Schuld, dass er das Versteck an der Pioneers Bridge geräumt hat."

Na, zumindest das kleinste Übel wäre damit heraus.
 

Ich höre dir schweigend zu und gebe dir so viel Zeit, wie brauchst. Ich kann dir deutlich anmerken, dass es dir nicht leicht fällt, überhaupt etwas zu sagen.

"Was genau meinen Sie damit, dass es Ihre Schuld ist, dass der Riddler sein Versteck geräumt hat?", frage ich schließlich nach, nachdem du geendet hast und wieder in deine Teetasse starrst, als befinde sich ein Goldschatz auf dem Grund. "Ich gehe vermutlich richtig in der Annahme, dass er etwas damit zu tun hat, als Sie in der Silvesternacht aufgebrochen und erst sehr spät wieder zurück gekommen sind. Aber was auch immer in dieser Zeit passiert ist ... Edward Nashton ist in Arkham. Also haben Sie nicht viel falsch gemacht, Miss Gordon."
 

Wenn es doch nur so einfach wäre. Jetzt redest du mir noch gut zu. Aber wie wird es aussehen, wenn ich die nächste Karte auf den Tisch lege? Und die danach? Betrübt lasse ich den Kopf hängen.

"Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihn zu verhaften. Hab alle Mahnungen von Batman ignoriert. Dumm und ungehorsam", schelte ich mich selbst.

Leise seufze ich.

"Ich hätte ihn gekriegt. Ohne Probleme. Er hat mich an sich heran gelassen, weil er mich nicht ernst genommen hat. Und er war angeschlagen. Aber ... ich habe ihn gehen lassen. Und das wahrscheinlich zufriedener, als er vorher war", füge ich grimmig hinzu.

Ja. Und ich bin diejenige, die es nun ausbaden muss.
 

"Es ist doch nicht schlimm, dass Sie ihn haben gehen lassen", widerspreche ich dir sachte. "Sie sind noch nicht so erfahren wie beispielsweise Master Bruce."

Durch deinen letzten Satz bedingt, lege ich den Kopf leicht schief.

"Was genau meinen Sie mit »zufriedener als vorher«?"
 

Und genau an dieser Stelle wird es peinlich. Mit knallroten Wangen rühre ich in meinem Tee und versuche den Kloß aus meinem Hals zu bekommen.

"Na ja. Wir haben uns gestritten. Ziemlich heftig sogar. Ich hab ihn geohrfeigt, ihn angeschrieen und er war auch außer sich. Und dann -", die nächste Worte nuschle ich in meinen nicht vorhandenen Bart, "- haben wir uns irgendwie geküsst und eines kam zum anderen und ... ja."

Ich zucke beschämt mit den Schultern.

"Danach habe ich mich selbst verachtet. Ich wollte ihn festnehmen, habe ihn angegriffen und auf seinen Arm gezielt. Auf den Schwachpunkt, wie ich es gelernt hab."

Ich sehe dich reuevoll an.

"Am Ende habe ich ihn mit eigenen Händen zusammengeflickt und ihm so eine Chance gegeben, mich zu überlisten."
 

Deine Worte überraschen mich. Sie überraschen mich wirklich, da ich eigentlich angenommen habe, dass du mittlerweile ein wenig vernünftiger geworden bist. Aber in einigen Dingen bist du nach wie vor ein typischer Teenager. Daran ist auch nichts Verwerfliches - wenn man nicht gerade nachts in einem Kostüm durch die Stadt jagt auf der Suche nach kriminellen Individuen.

Ich schenke dir ein mildes, aufmunterndes Lächeln.

"Ich bin mir sicher, dass es weitaus Schlimmeres gibt, als sich ablenken zu lassen von einer Person, die Sie so gut kennen."

Ich bin mir nicht sicher, ob ich erwähnen soll, dass ich dieselben Informationen über deine Beziehung zu Edward Nashton habe wie auch Batman. Ich möchte nicht, dass du dich noch unwohler fühlst, als du es ohnehin schon tust, denn ich kann mir vorstellen, wie schwer es dir fällt, mich in diese Dinge einzuweihen.
 

"Oh, Alfred ..."

Deine verständnisvollen Worte habe ich eigentlich gar nicht verdient. Du bist immer so freundlich, so fürsorglich, verlierst so gut wie nie ein böses Wort.

Und ich? Ich bin nur ein dummes Mädchen, dass sich wahrscheinlich selbst die Zukunft verbaut hat.

"Es kommt noch schlimmer", flüstere ich.

Ich beuge mich zu dir und greife nach deiner Hand, weil ich mich an irgendetwas festhalten muss.

"Wir ... wir haben recht überstürzt miteinander geschlafen. Das war bei Gott nicht geplant und keiner hat an Konsequenzen gedacht und ... Und jetzt bin ich seit zwei Wochen überfällig", presse ich endlich hervor.

So. Da ist es raus.
 

"Oh ...", entfährt es mir bei deiner Offenbarung.

Das ist ja wirklich mal eine Neuigkeit. Automatisch drücke ich deine Hand um dir damit zu signalisieren, dass ich dich nicht verurteile.

"Wissen Sie denn schon genau, ob es daran liegt, dass Sie ein wenig unvorsichtig waren?", frage ich vorsichtig nach.

Es gibt natürlich auch andere Gründe, aber der Grund, der dir im Kopf herum spukt, ist natürlich am naheliegensten.
 

Mit einem schweren Schlucken sehe ich auf meine Tasche, die noch immer über meiner Schulter baumelt.

"Ich habe einen Test gekauft", flüstere ich kaum hörbar. "Aber ich hab es nicht fertig gebracht, damit nach Hause zu gehen."

Schon wieder kullern die Tränen.

"Könnte ich ... könnte ich ihn vielleicht hier machen? Ich glaub, ich schaff das nicht allein ..."
 

"Aber natürlich, meine Liebe ...", sage ich prompt und zaubere ein Stofftaschentuch aus meinem Jackett, welches ich dir zustecke.

Es ehrt mich, dass du so viel Vertrauen zu mir hast, um mit deinen Problemen zu mir zu kommen. Vermutlich hast du große Angst vor der Reaktion deines Vaters, wenn er davon erfährt. Aber das liegt noch in der Zukunft. Zu erst einmal müssen wir uns jetzt um die Gegenwart kümmern.

"Es ist alles nur halb so schlimm", sage ich leise und drücke wieder deine Hand. "Selbst wenn sich Ihre Befürchtung bestätigt, ist das kein Weltuntergang. Auch dafür gibt es eine Lösung."
 

"Danke", schluchze ich und falle dir einmal mehr um den Hals. "Danke, dass Sie immer da sind, egal was für ein Problem ich habe."

Und das muss etwas heißen, denn meine Sorgen sind in letzter Zeit grundsätzlich nicht die einer Siebzehnjährigen.

"Ich habe solche Angst", wimmere ich. "Dieses Jahr mache ich den Abschluss. Wie soll ich das schaffen? Und die Anderen in der Schule werden mich fertig machen. Die zerreißen sich doch jetzt schon das Maul über mich und Eddie - sogar nach mehr als einem Jahr bekomme ich das noch zu hören. Damals war es Spaß für uns, aber jetzt ..."

Verzweifelt starre ich vor mich hin.

"Und wie soll ich das meinen Eltern erklären?", frage ich mit leichter Panik in der Stimme. "Gott, wie soll ich das Batman erklären? Ich wollte an seiner Seite kämpfen und jetzt bin ich schwanger von einem Verbrecher, der in Arkham behandelt wird!"
 

"Nun ja ...", widerspreche ich erneut. "Noch wissen wir doch noch gar nicht, ob Sie wirklich schwanger sind. Aber selbst wenn Sie es sind ..."

Ich mache eine kurze Pause und seufze leise. Mir solchen Problemen wurde ich bisher noch nicht konfrontiert.

"In ein paar Monaten haben Sie Ihren Schulabschluss, dass ist also sicher kein großes Problem. Ich kann zwar nicht für Ihre Eltern sprechen, aber was Master Bruce betrifft ... Ich bin mir sicher, dass er es verstehen kann, warum es dazu gekommen ist."

Ich klopfe dir aufmunternd auf die Schulter.

"Aber bevor Sie weiter den Teufel an die Wand malen, sollten Sie erst einmal diesen Test machen."
 

Wirklich Glauben schenken kann ich deinen Worten nicht. Dafür scheint mir im Moment alles viel zu aussichtslos zu sein.

"Ja, wahrscheinlich haben Sie Recht", sage ich also halbherzig, ohne genauer darauf einzugehen.

Ich bezweifle, dass Batman noch etwas von mir wissen will, nachdem ich Alles so versaut habe. Er weiß ja nicht mal von meinen nächtlichen Ausflügen als Batgirl. Und dann muss ich ihm auch noch von einem Kind erzählen?

Seufzend umfasse ich meine Tasche.

"Dann werde ich mal ins Badezimmer gehen."

Der Test ist relativ schnell gemacht. Meine Hände zittern als ich damit aus dem Bad komme. Jetzt heißt es warten.

Wenn Sie ihn lieben, werden Sie auch Ihr Baby lieben, denn es ist der lebendige Beweis Ihrer Liebe.

Als du mit steinerner Miene aus dem Badezimmer kommst und das kleine Plastikstäbchen so fest hältst, als ob du es gleich zerbrechen möchtest, geleite ich dich fürsorglich zurück in die Küche. Dort nehme ich dir den Teststab ab und lege ihn außerhalb deiner Reichweite auf den Tisch. Mir ist klar, dass es dir schwer fallen wird, in zwei Minuten das Ergebnis anzusehen, also werde ich das für dich übernehmen.

Aber ob es nun ein Plus oder ein Minus ist, die Welt wird nicht untergehen - auch wenn du zurzeit genau dieses Gefühl hast. Niemand wird dir den Kopf abreißen. Am allerwenigsten die Personen, vor deren Konfrontation du dich jetzt am meisten fürchtest. Weder dein Vater noch Batman werden dir den Rücken zukehren. Da bin ich mir absolut sicher.

Die zwei Minuten, in denen du dich an deine Teetasse klammerst, sind schnell vorbei. Du starrst in die Tasse, als ich nach dem Teststab greife und einen Blick darauf werfe.

Ein kleines rosa Plus.

Ich seufze lautlos.
 

Dein Seufzen lässt meinen Kopf sofort nach oben schnellen. Etwas Tee schwappt über meine Hand, aber ich kümmere mich nicht darum, so verbissen starre ich dich an, die Lippen zu deinem dünnen Strich zusammengepresst.

"Was?", würge ich hervor, aber an deinem mitleidigen Gesichtsausdruck, kann ich die Antwort bereits lesen. "Er ist positiv, stimmt's?"

Ich vergrabe verzweifelt das Gesicht in den Händen.

"Scheiße ..."
 

"Ja ...", sage ich vorsichtig mit einem knappen Lächeln und schiebe dir den Test über den Tisch.

Dann gehe ich um den Tisch herum und nehme dich in den Arm.

"Das ist kein Weltuntergang. Es gibt für jedes Problem eine Lösung."
 

Deine Umarmung hat für mich im Moment nichts Tröstendes. Ich erwidere sie nicht mal. Du kannst noch so oft sagen, dass Alles gut wird. Ich glaube nicht daran. In meinen Augen ist Alles vorbei. Mein ganzes Leben in Schutt und Asche - wegen einem dummen Fehler.

Ich könnte jetzt Alles auf Edward schieben. Aber das tue ich nicht. Im Gegenteil. Jegliche Schuld liegt bei mir.

"Ich bin so dumm", flüstere ich bitter. "Jetzt habe ich die Konsequenzen. Was soll ich denn nun machen?"
 

"So etwas passiert manchmal im Eifer der Gefechts ...", erwidere ich leise und tätschle dir den Rücken. "Das hat Nichts mit Dummheit zu tun."

Es scheint eher sehr viel Leidenschaft im Spiel gewesen zu sein.

"Nun ja ...", sage ich vorsichtig. "Sie haben jetzt im Prinzip drei Möglichkeiten ..."

Ich bin mir nicht sicher, wie du meine nächsten Worte auffassen wirst.

"Entweder Sie behalten das Baby. Oder Sie geben es zur Adoption frei. Oder ..."

Die dritte Möglichkeit lasse ich unausgesprochen. Du kannst dir sicher denken, was ich meine.

"Aber für welche Möglichkeit Sie sich auch entscheiden ... Sie müssen mit Ihren Eltern darüber sprechen. Und natürlich mit dem Kindsvater."
 

Egal, wie du das siehst. Es war Dummheit und ich bin mir ziemlich sicher, dass mir das jeder bestätigen wird.

Als du meine Möglichkeiten aufzählst, löse ich mich aus deiner Umarmung und stiere betrübt vor mich hin.

Das Kind behalten?

Wie soll ich das schaffen?

Ich bin nicht mal volljährig und will Mutter sein?

Und die Situation mit Edward ist auch nicht gerade kinderfreundlich.

Edward ... Er wird mich hassen. Ich habe ihm Etwas eingebrockt, was er absolut nicht will. Einen Arzt hat er mir ja bereits empfohlen.

Ganz automatisch lege ich eine Hand auf meinen Bauch. Abtreibung. Ich war noch nie dazu gezwungen, darüber nachzudenken.

Könnte ich das?

Ein Kind praktisch umbringen lassen?

Das Ergebnis der Verbindung von Edward und mir?

Mir steigen noch mehr Tränen in die Augen, als ich feststelle, dass der Gedanke mir zuwider ist.

"Was soll das werden, für das Kind? Stellen Sie sich vor, es fragt nach seinem Vater. Was soll ich dann machen? Ihn in Arkham besuchen gehen?"

Ich schüttle den Kopf.

"Oder wenn es adoptiert wird. Und mich eines Tages findet. Wie soll ich diese Situation erklären?"
 

"Ich fürchte, diese Entscheidung kann Ihnen keiner abnehmen. Die müssen Sie alleine treffen. Aber egal, für was Sie sich entscheiden: Es wird Ihnen sicher Niemand einen Vorwurf deswegen machen."

Ich lehne mich an die Tischkante und runzle nachdenklich die Stirn.

"Ein Kind hat das Recht darauf zu erfahren, wer seine Eltern sind. Und am Ende sollte auch das Kind entscheiden, ob es mit seinen Eltern etwas zu tun haben möchte."

Ich sehe dich wissend an und hoffe du verstehst, dass ich damit Edward Nashton meine. Für einen Moment sehe ich dich schweigend an.

"Lieben Sie ihn?"
 

Du bist wie die personifizierte Stimme der Vernunft. Deine Worte sind wahr, auch wenn ich sie gern ignorieren möchte. Am Ende muss ich entscheiden, ob ich dieses Kind großziehen möchte. Und wenn ich es tue und versaue, hat mein Kind jedes Recht der Welt, zu gehen. Genauso wie es mich kennenlernen dürfte, wenn ich es weggeben würde.

Deine Frage überrascht mich. Verwirrt sehe ich dich an.

"Spielt das eine Rolle?", frage ich leise. "Es ist egal. Er tut mir nicht gut. Jedes Mal, wenn ich ihm begegne, verliere ich mich selbst und verhalte mich völlig verändert. Das war früher im GCPD so. Das war damals im Krankenhaus so. Und das war vor ein paar Wochen in seinem Versteck so. Ich entwickle mich ständig weiter und wenn ich ihn sehe, ist Alles wieder anders. Ist das denn Liebe?"
 

"Ich persönlich denke, dass es eine große Rolle spielt, ob Sie ihn lieben", erwidere ich und lächle dich an. "Denn wenn Sie es tun, dass ist Ihre jetzige Situation kein Unglück - auch wenn Sie das jetzt vielleicht noch denken mögen. Wenn Sie ihn lieben, werden Sie auch Ihr Baby lieben, denn es ist der lebendige Beweis Ihrer Liebe."
 

Leise schniefe ich und bringe sogar ein leichtes lächeln zustande. Scheinbar findest du immer genau die richtigen Worte.

"Ich bin nicht sicher, ob ich ihn liebe", flüstere ich. "Aber ich würde nicht sagen, dass ich ihn nicht liebe."

Nachdenklich sehe ich auf meinen - noch - flachen Bauch, auf dem nach wie vor meine Hand liegt. Ich versuche mir vorzustellen, dass da drinnen gerade etwas Kleines, Lebendiges heranwächst. Ohne es wirklich zu merken, streichle ich über meinen Bauch.

Du hast Recht, oder?

Dieses Kind ... Edwards Kind.

Wie könnte ich Edwards Kind nicht lieben?

"Ich weiß nicht, wie ich das Allen erklären soll."

Ich schüttle ratlos den Kopf.

"Dad darf nicht wissen, dass ich Batgirl bin. Aber Batman sollte ich es sagen, oder? Vollkommen ehrlich sein ..."
 

Mein Lächeln wird ein wenig herzlicher, als ich dich dabei beobachte, wie du deinen Bauch streichelst. Unterbewusst hast du dich bereits entschieden, das Kind zu behalten. Es muss dir jetzt nur noch richtig bewusst werden, dass du das Baby willst.

"Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Sie mit allen involvierten Personen reinen Tisch machen. Ihren Eltern, Master Bruce, dem Kindsvater ..."

Ich mache eine kurze Pause und sehe dich nachdenklich an.

"Dabei kann ich Ihnen leider nicht helfen, so gern ich das auch würde."

Bei dem Gedanken, dass Bruce Wayne sicher nicht begeistert sein wird, wenn er erfährt, dass ich dir bei deiner zweiten Identität als Batgirl geholfen habe, muss ich ein wenig das Gesicht verziehen. Das wird sicher interessant werden.

"Master Bruce wird in ungefähr einer Stunde wieder zu hause sein. Wenn Sie wollen, können Sie gerne auf ihn warten und dann direkt mit ihm sprechen."
 

"Das müssen Sie auch gar nicht", sage ich und mache einen lächerlichen Versuch, mir die Tränen wegzuwischen. "Sie haben schon mehr als genug für mich getan, Alfred. Ich danke Ihnen."

Als du vorschlägst, gleich im Anschluss mit Batman - nun, im Grunde mit Bruce Wayne - zu reden, muss ich schwer schlucken. Am liebsten würde ich mich davor drücken.

Aber warum aufhören, wenn ich schon mal dabei bin, mit allem aufzuräumen?

Also nicke ich zaghaft.

"Dann habe ich ja noch ein bisschen, um mich zu sammeln."

Das sollte eigentlich scherzhaft klingen, kommt aber eher panisch heraus.

Das war nicht nur dumm, das war mit Abstand das Dämlichste, was du im letzten Jahr gemacht hast!

Ich habe kaum die Tür hinter mir geschlossen, als schon mein Butler und guter Freund Alfred ins Foyer geeilt kommt und mir mitteilt, dass du auf mich wartest. Reichlich verwirrt folge ich Alfred ins Kaminzimmer, wo ein gemütliches Feuer brennt.

Du läufst vor dem Kamin nervös auf und ab. Auf deinen Wangen sind Spuren von Tränen zu sehen und deine Augen sind gerötet. Du hast geweint und dass ist dann vermutlich auch der Grund, warum du mit mir reden willst. Allerdings frage ich mich, warum du ausgerechnet mit mir sprechen willst. Warum nicht mit deinem Vater?

"Barbara", spreche ich dich an und stelle mit einem schnellen Seitenblick fest, dass Alfred uns beide allein gelassen hat.
 

Sehnsüchtig schaue ich Alfred nach. Ein bisschen hatte ich gehofft, dass er hier bleibt und mir beisteht. Andererseits ist es wohl nur gerecht, wenn ich das allein ausbaden muss. Ich habe mir schon genug Trost und Zuspruch geholt. Jetzt kann das Donnerwetter losgehen.

Ich durchquere den Raum und gehe auf dich zu. Komisch, bisher haben wir deine wahre Identität nie thematisiert, obwohl sie immer irgendwie offensichtlich war. Immerhin befindet sich diese Höhle unter deiner Villa. Ich fühle mich etwas unsicher. Den Mann in Cape und Maske, meinen Mentor, den kenne ich. Der Milliardär in seinem teuren Anzug ist mir fremd und schüchtert mich ein.

"Hallo", presse ich leise hervor und strecke beinahe förmlich die Hand aus.

Das habe ich bei dir bisher noch nie gemacht.

"Können wir reden? Ich muss Ihnen ... dir ein paar Dinge erklären."
 

Mit einer skeptisch angehobenen Augenbraue ergreife ich deine Hand und schüttle sie kurz. Wir haben es zwar nie thematisiert, aber ich weiß, dass du weißt, dass ich Batman bin. Und wenn ich unten in meiner Höhle in Anzug, Maske und Cape sitze, ist es für dich kein Problem, mich zu duzen.

"Warum so förmlich?", frage es deswegen und kann mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. "Was führt dich zu mir?", frage ich weiter und mustere dein angespanntes Gesicht.

Irgendetwas belastet dich.
 

"Ich ..."

Unsicher ziehe ich meine Hand zurück und deute auf die gemütlichen Sessel am Kamin.

"Können wir uns vielleicht setzen? Das könnte länger dauern."

Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mitten im Gespräch aus den Latschen kippe, ist sehr groß. Ohne deine Antwort abzuwarten gehe ich zu einem der Sessel und lasse mich mit einem Seufzen auf das bequeme Polster sinken.

Wie soll ich bloß anfangen?

Wie bei Alfred, vom Harmlosen zum Schlimmsten?

Bloß was ist das für dich?

Ist meine Schwangerschaft nun schlimmer als meine nächtlichen Aktionen oder umgekehrt?

Am besten wird es wohl sein, alles der Reihe nach zu machen. Zuerst solltest du also von Batgirl erfahren. Ich räuspere mich.

"In letzter Zeit ... bin ich ziemlich oft hier, weißt du?"
 

Mit einem knappen Nicken folge ich dir zu den Sesseln und schwanke zwischen dem Heben einer Augenbraue, einem Stirnrunzeln und dem schief legen des Kopfes. Ich bin zwar nicht auf den Kopf gefallen, aber ich habe keine Ahnung, was das hier werden soll.

Ich setze mich in den Sessel schräg neben dir und sehe dich nachdenklich und ernst an.

"Ja, dass ist mir aufgefallen. Die Höhle wirkt sicherlich sehr faszinierend auf dich und du hast eine große Begabung für Computertechnik. Außerdem bist du sehr interessiert an Kriminaltechniken. Eigentlich ist es fast schon eine Schande, dass dein Vater nicht will, dass du zur Polizei gehst."
 

Mit einem Kopfschütteln winke ich ab. Dad und die Polizei sind ein Thema, dass ich jetzt lieber ruhen lassen will.

"Was ich meine, ist, dass ich in letzter Zeit immer dann hier war, wenn du nicht da warst."

Mein Blick wandert etwas besorgt zu der Tür, durch die dein Butler verschwunden ist. Ich will ihm keinen Ärger machen, nachdem er sich so gut um mich gekümmert hat.

"Alfred wusste davon. Er hat mir geholfen. Aber es ist absolut nicht seine Schuld, das schwöre ich. Das alles …"

Ich fahre mir müde durch die Haare.

"… ist ganz allein auf meinem Mist gewachsen."

Natürlich habe ich dir damit immer noch nichts gesagt. Es ist schwer, die Worte über die Lippen zu bringen.

"In den vergangenen Wochen war ich nachts draußen. Du weißt schon. So ... wie du."
 

Ich falle fast aus allen Wolken, als ich höre, dass du und Alfred quasi unter einer Decke gesteckt habt. Ohne, dass ich es überhaupt mitbekommen habe. Alles direkt vor meiner Nase.

Gut, ich habe etwas geahnt, aber Alfred hatte immer eine gute Erklärung parat. Aber ich bin wirklich erstaunt, dass ich so blind gewesen bin. Aber das löst endlich auch das Rätsel um diese geheimnisvolle junge Frau, von der ich schon ein paar Mal gehört habe.

Ich muss tief durchatmen, bevor ich dir antworte.

"Batgirl", sage ich nur schlicht, als ob dieser Name wirklich Alles erklärt.
 

Etwas beschämt zucke ich mit den Schultern. Meine Wangen glühen.

"Genau. Der Name ist nicht so originell, aber ich wollte dir irgendwie Tribut zollen. Hoffe, es stört dich nicht ..."

Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe.

Soll ich schon weitermachen oder erst einmal dieses sichere Thema diskutieren?

Na ja. Da wir schon mal dabei sind ...

"Alfred hat mir das Kostüm und ein bisschen Ausstattung besorgt. Ich bin zum trainieren vorbeigekommen, wenn du in der Firma warst, und nachts dann da raus. Eigentlich habe ich mich ganz gut geschlagen."

Ja. Eigentlich, füge ich in Gedanken bitter hinzu.
 

"Verstehe ...", murmle ich und stütze meinen Kopf mit einer Hand ab, während ich dich ansehe. "Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir der Name draußen noch nicht zu Ohren gekommen ist. Ich nehme mal an, dass Alfred und ich die Einzigen sind, die davon wissen."

Mein Blick, mit dem ich dich mustere, wird ein wenig intensiver.

"Aber das ist noch nicht Alles, oder?"
 

Ich schnappe nach Luft, als hättest du mich auf frischer Tat bei einem Verbrechen ertappt. Mit offenem Mund starre ich dich an. Kein Ton kommt über meine Lippen.

Nein. Ihr seid nicht die Einzigen.

"Ich ...", stammle ich. "Edward weiß es", nuschle ich. "Er hat es auch so schon gewusst, nachdem er von mir gehört hatte, aber ich ... ich war bei ihm, seine Vermutung ist also bestätigt."

In einer etwas geduckten Sitzhaltung sehe ich dich an. Ich erwarte ein totales Donnerwetter.
 

Ich blinzle dich mehrmals sprachlos an.

Habe ich mich gerade verhört?

Versuchst du mich hier gerade zu verarschen?

Oder willst du mich testen?

Allerdings verraten mir deine Körperhaltung und der schuldbewusst gesenkte Kopf, dass du es absolut ernst meinst.

Ich muss ein paar Mal tief durchatmen, ehe ich dir antworten kann. Dass sind nicht unbedingt gute Neuigkeiten.

"Okay ...", sage ich schließlich langsam. "Lass mich das kurz zusammen fassen ... Alfred und du habt an einer zweiten Identität für dich gebastelt - obwohl ich dagegen war. Du bist nachts alleine raus - obwohl ich dagegen war."

Ich mache eine Pause und sehe dich sehr ernst an.

"Und dann erzählst du mir noch, dass Enigma - nein Riddler - von der Most Wanted Liste diese Identität kennt und du auch noch persönlich bei ihm warst."

Ich muss mich richtig zusammen reißen, um dir jetzt nicht den Kopf abzureißen. Wenn ich daran denke, dass Edward mich bereits bei meinem Besuch in Blackgate vor einem Jahr mit meinem richtigen Namen angesprochen hat, wird mir ganz anders.

"Eine Frage, Barbara ... Denkst du eigentlich nach, bevor du irgendetwas machst? Weißt du eigentlich, wie gefährlich das war? Hast du eine Ahnung, was hätte passieren können?"
 

Auf deine mahnenden Worte hin lasse ich den Kopf gleich noch mehr hängen. Eigentlich verspüre ich den drang, mich zu verteidigen. Aber das wäre sinnlos, denn ich bin ja noch gar nicht mit der ganzen Wahrheit raus.

"Sieh mal ...", beginne ich halbherzig. "Ich weiß, dass war ziemlich dumm und alles. Aber ich hätte ihn festnehmen können. Sogar ohne Probleme, aber ..."

Ich werde kleinlaut.

"Tja, das war noch nicht alles um ehrlich zu sein."

Verunsichert sehe ich zu dir auf. Du bist jetzt schon verdammt sauer auf mich. Ich will gar nicht wissen, wie du mit den nächsten Informationen umgehen wirst.
 

Ich reibe mir über die Stirn und schiele zu dir herüber.

Kann es denn wirklich noch schlimmer werden?

Irgendwie befürchte ich, dass das erst die Spitze des Eisberges war.

"Was kommt denn noch?", fragend ich seufzend und mache mich innerlich auf das Schlimmste gefasst.
 

Händeringend sehe ich dich an und suche nach einer geeigneten Formulierung. Und ich hatte gedacht, es Alfred zu sagen, sei schwer gewesen. Am besten einfach gerade heraus ...

"Ich ... ach, verdammt. Ich hab mit ihm geschlafen. So. Jetzt ist es raus."

Ich raufe mir verzweifelt die Haare.

"Danach wollte ich ihn festnehmen und hab ihn angegriffen, hab sogar auf seinen Schwachpunkt gezielt, wie du mir das beigebracht hast."

Ich bezweifle, dass ich dafür gleich ein Lob bekommen werde.

"Aber die Naht ist wieder aufgegangen und ich hab sie ihm genäht und mir Blöße gegeben und er konnte fliehen ..."
 

"BITTE WAS?!", rufe ich ziemlich laut und sehe dich an, als ob du gerade den Verstand verloren hast.

Dann springe ich aus dem Sessel auf und bleibe direkt vor dir stehen.

"Sag mal, spinnst du? Hast du denn Alles vergessen, was ich dir gesagt habe? Barbara! Wie kannst du nur so dermaßen naiv sein?!"

Mir fehlen gerade die Worte, um überhaupt beschreiben zu können, was ich von deiner Offenbarung halte. Das war absolut dumm. Sogar mehr als das. Genau deswegen wollte ich auch, dass du da nicht alleine raus gehst, solange Edward nicht hinter Schloss und Riegel ist. Du hast eine tödliche Schwäche für ihn, die er natürlich meisterhaft auszunutzen weiß.
 

In mir macht sich das kindische Bedürfnis breit, mich auf dem Sessel zusammenzurollen und mir die Ohren zuzuhalten. Natürlich hast du absolut Recht mit allem, was du sagst. Umso schlimmer ist das, was gleich noch kommen wird.

"Ich weiß ... es tut mir so Leid. Aber ... da wäre noch etwas ..."
 

Unwillkürlich schlage ich mir eine Hand vor das Gesicht und habe einen dieser berühmt berüchtigten Facepalm-Momente.

Da kommt wirklich noch mehr?

Was kann der Tatsache, dass du mit einem gesuchten Verbrecher - schon wieder - ins Bett gehüpft bist, denn noch folgen?

Hast du ihm geholfen, seinen Unterschlupf zu räumen?

Oder vielleicht zum Essen mit deinem Dad eingeladen?

In Bezug auf Edward traue ich dir mittlerweile wirklich Alles zu.

Ich seufze ergeben, lasse mich wieder in den Sessel fallen und harre der Dinge, die jetzt kommen werden. Viel schlimmer kann es ja ohnehin nicht mehr werden.
 

Oh weh. Scheinbar bist du schon mit dem, was ich dir bereits erzählt habe, überfordert. Dabei war das noch der harmlose Teil.

Mit einem schweren Seufzen bereite ich mich auf das vor, was gleich kommen wird. Ich bezweifle, dass du so umsichtig reagierst wie Alfred.

"Ich ..."

Ein leises Schluchzen entweicht mir, aber ich versuche, es zu unterdrücken und halbwegs stark zu bleiben.

"Ich bin schwanger."
 

Sprachlos und völlig perplex starre ich dich an und weiß absolut nicht, was ich sagen soll. Es kann sich hierbei nur um einen sehr schlechten Scherz handeln. Das kann nicht die Realität sein.

"Sag das noch mal ...", murmle ich leise und vergesse sogar, dass ich eigentlich sauer und enttäuscht auf dich sein sollte.
 

Ich räuspere mich verhalten.

"Ich bin schwanger", wiederhole ich beschämt.

Einige stumme Tränen laufen mir über die Wangen, ansonsten halte ich mich noch relativ gut. Fragt sich nur wie lange.

"Hör zu ... das alles war garantiert nicht so geplant. Es war ein einziger großer Fehler und ich wünschte, ich wäre schlauer gewesen. Es tut mir Leid."

Verzweifelt werfe ich die Hände in die Luft.

"Aber das sind die Konsequenzen meines Handelns und ich werde sie tragen. Ich habe schon mit Alfred über meine Möglichkeiten geredet."
 

"Das war nicht nur dumm, das war mit Abstand das Dämlichste, was du im letzten Jahr gemacht hast!", rutscht es mir wenig gesittet heraus. "Und fürs Leid tun ist es ein bisschen spät."

Dann seufze ich und reibe mir die geschlossenen Augen.

"Du hast also mit Alfred über deine Möglichkeiten gesprochen ... So so ..."

Ich lege den Kopf in den Nacken und starre die Zimmerdecke an.

"Lass mich raten ... Deine Entscheidung wird mir nicht gefallen, richtig?"

Ich kann mir schon denken, was du jetzt sagen wirst. Du hast dich sicher für das Baby entschieden und willst es auf jeden Fall bekommen - egal was ich oder dein Dad dazu sagen werden.

Bei dem Gedanken an Commissioner Gordon schüttle ich langsam den Kopf. Das kann ja noch heiter werden.
 

Ganz instinktiv falte ich die Hände über meinem Bauch. So, wie du redest, wärst du wohl dafür, dass ich das Kind abtreiben lasse. Genau wie Edward.

Ich runzle die Stirn.

Sollte ich es mir so leicht machen?

Einem unschuldigen Kind das Leben verwehren, weil ich eine Dummheit begangen habe?

Nein. Das wäre gelinde gesagt feige. Du hast versucht, mir beizubringen, mutig zu sein und nicht mehr das kleine, weinerliche Mädchen zu sein, das wegen jedem bisschen durchdreht. Das gelingt mir in letzter Zeit nicht mehr sonderlich gut.

"Ich glaube einfach, dass ich Verantwortung für mein Handeln tragen muss", sage ich, als wäre es die neueste Erkenntnis schlechthin. "Ich werde dieses Kind bekommen. Ob ich es großziehe oder eine Adoption besser ist, kann ich dir jetzt noch nicht sagen."

Ich sehe dich Ernst an.

"Ob du oder meine Eltern oder Edward mich nun unterstützen oder nicht."
 

Ich nicke nachdenklich und sehe dich einen Moment lang schweigend an.

Was soll ich nur dazu sagen?

Du bist zwar noch nicht ganz volljährig, aber wie jede andere Frau hast du das Recht, selbst über dich und deinen Körper zu entscheiden. Weder ich, noch irgendjemand anderes kann dir bei deiner Entscheidung reinreden. Und ich bin der Letzte, der dich zu Etwas überreden will.

Allerdings halte ich es für eine ziemlich blöde Idee von dir. Du bist noch so jung. Und wenn ich daran denke, von wem das Kind ist, wird mir ganz anders. Ich seufze leise.

Musste es wirklich ausgerechnet er sein?

"Okay ...", sage ich langsam. "Pass auf ... Ich bin zwar nicht besonders glücklich über diese Entwicklung, da ich eigentlich angenommen habe, dass du mittlerweile ein bisschen erwachsener bist, aber gut. Es ist nun mal passiert und wenn du dir wirklich sicher bist, dann ..."

Ich mache eine ausschweifende Handbewegung.

"Meine Unterstützung ist dir schon mal sicher."
 

Zwar habe ich schon den Mund aufgemacht, als du zu sprechen beginnst, aber die Worte zu meiner Verteidigung bleiben mir im Hals stecken, als du mir deine Unterstützung zusicherst.

Überrascht blinzle ich dich an.

Das war es?

Ich hatte mit einem viel größeren Donnerwetter gerechnet.

"Das ...", stammle ich, aber eigentlich habe ich nichts Gescheites zu sagen.

Mit einem dankbaren Lächeln stehe ich auf und umarme dich fest.

"Danke, Bruce."

Deinen Namen spreche ich gerade zum ersten Mal aus. Aber jetzt sind wir nicht Batman und seine Schülerin. Jetzt geht es um etwas völlig anderes.

"Ich danke dir."

Wem habe ich es denn zu verdanken, dass ich seit vier Wochen hier drin sinnlos herum sitze und Däumchen drehen kann?

Ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll, dass sich ausgerechnet heute, wo auf den Tag genau die vierwöchige Kontaktsperre nach außen abgelaufen ist, der Polizeichef des GCPD angekündigt hat.

Reicht es denn nicht, dass ich jetzt seit vier Wochen hier in Arkham bin und mir dieser lästige Dr. Crane jeden dritten Tag auf den Keks geht?

Crane sah heute Morgen nicht gerade glücklich aus, als er mir das Privileg, Besuche zu bekommen, zähneknirschend gewähren musste. Ich kann, ehrlich gesagt, auch ganz gut darauf verzichten. Ich lege keinen großen Wert darauf, mich hier auch noch mit Besuch herum schlagen zu müssen. Außerdem habe ich nicht das geringste Interesse daran, mir wieder Fragen anhören zu müssen, wieso das Alles zwischen Weihnachten und Silvester passiert ist.

Trotzdem sitze ich jetzt hier in einem kleinen komplett gekachelten fensterlosen Raum und harre der Dinge, die kommen werden. An diesen Overall, den Crane als Kleidung verkaufen will, habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Er kratzt und die Farbe ist einfach nur furchtbar. Die Handschellen sind wie immer zu eng, aber beschweren bringt da leider überhaupt nichts, wie ich schon festgestellt habe. Als ob es Crane wirklich interessiert.

Bei den Zuständen hier in Arkham vermisse ich tatsächlich Blackgate. Die Häftlingsklamotten waren bequemer, die Zellen waren besser und die Wachleute waren kooperativer.

Ich seufze und starre mies gelaunt die hässliche Wand vor mir an. Das kann ja was werden. Jede Wette, Crane lauert irgendwo um die Ecke mit seinem Notizblock, um ja nichts von mir zu verpassen.
 

"Ich muss zugeben, ich bin gelinde gesagt überrascht, dass Sie hier sind, Commissioner."

Dr. Crane wirkt ein wenig pikiert, als er mich den Gang entlang zu den Besuchsräumen führt. Ich kann den Arzt natürlich verstehen. Es ist der erste Tag nach der Kontaktsperre und eine polizeiliche Befragung ist nicht unbedingt das, was ein Arzt sich für seinen Patienten wünscht. Glücklicherweise bin ich deswegen gar nicht hier.

"Sie müssen verstehen, ich fühle mich ein bisschen verantwortlich für Mr. Nashton."

"Ist das so?", fragt Crane und sieht mich interessiert an. "Weil Sie mit ihm gearbeitet haben, bevor er auffällig wurde?"

"Na ja. Deswegen auch", murmle ich vage und schenke dem Doktor ein entschuldigendes Lächeln.

Crane winkt mit einem leichten Lachen ab und schiebt seine Brille nach oben. "Ach, schon gut, Commissioner. Beanspruchen Sie ihn nur nicht zu sehr. Er ist noch nicht bereit für besonders stressige Situationen."

Ich spreche Crane meinen Dank aus, als er mich in den Raum zu dir lässt. Dann schließt sich die Tür und wir sind allein.

"Edward", grüße ich dich mit einem freundlichen Nicken. "Wie geht es dir?"
 

Obwohl ich mir vorgenommen habe, vollkommen desinteressiert an diese Sache heran zu gehen, kann ich nicht verhindern, dass ich den Blick hebe und den Kopf in deine Richtung drehe, als du mich ansprichst.

Trotz allem scheinst du mir freundlich gesinnt zu sein. Irgendwie finde ich das seltsam.

"Commissioner ...", erwidere ich deine Begrüßung halbherzig und wende desinteressiert den Kopf zur Seite, um wieder die Wand anzustarren.

Mit ein bisschen Glück verschwindest du vielleicht gleich wieder, wenn ich genauso kooperativ zu dir bin, wie ich es zu Crane bin. Der beißt sich an mir auch die Zähne aus.

"Den Weg hierher hätten Sie sich sparen können ...", füge ich noch grummelig hinzu.
 

Ein leises Lächeln huscht über mein Gesicht.

"Trotzig wie eh und je", sage ich schmunzelnd und nehme auf dem Stuhl dir gegenüber Platz. "Alles andere hätte mich auch gewundert."

Crane wollte mir nichts über die Therapie sagen, aber ich wage zu bezweifeln, dass du dem Mann dein Herz ausgeschüttet hast. Soweit ich weiß, warst du ja nicht mal Babs gegenüber immer offen.

"Hast du dem Doktor das Leben schwer gemacht?", frage ich freundlich.
 

"Crane ist ein Vollidiot ...", rutscht es mir raus, ehe ich mich beherrschen kann.

Ich seufze leise und sehe dich an.

"Ich kann ihn nicht leiden ...", murmle ich und werfe der Tür einen bösen Blick zu. Crane lungert doch garantiert irgendwo da draußen rum.

"Ich will nach Blackgate ...", sage ich leise und sehe dich ernst an. "Ernsthaft, hier drinnen werde ich wirklich verrückt."
 

Deine Abneigung gegen den Arzt überrascht mich nicht. Du hast noch nie viel von den Leuten gehalten, die dir helfen wollten.

"Tut mir Leid, Edward, aber das liegt nicht in meiner Macht", sage ich versöhnlich.

Ich zucke mit den Schultern und versuche, dir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.

"Nutze die Gelegenheit. Schau, wenn du anständig mit den Ärzten arbeitest und ihnen zeigst, dass du dich bessern willst, dann bekommst du nach und nach immer mehr Freiheiten - mehr, als du vielleicht in Blackgate bekommen würdest."

Ich überdenke die Worte noch einmal.

"Zumindest solange du keine Wärter bestichst. Ich bin sicher, die Therapie wird dir gut tun."
 

"Pah!", sage ich fast schon beleidigt und würde nur zu gerne trotzig die Arme vor dem Oberkörper verschränken - wenn diese blöden Handschellen nicht wären. "Die Ärzte hier taugen nur nicht besonders viel."

Dann neige ich mich leicht über den Tisch und meine Augen bekommen einen verschlagenen Ausdruck.

"Wie kommen Sie nur auf die Idee, dass ich irgendjemand bestochen habe ...?", frage ich mit gesengter Stimmte.
 

Mit deinem Trotz habe ich bereits gerechnet. Scheinbar kenne ich dich inzwischen auch schon ein bisschen.

"Lass dich einfach mal auf sie ein, Junge", rate ich dir milde. "Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn du ein bisschen mit denen arbeitest. Stell dich nicht immer so stur."

Ich verdrehe grinsend die Augen.

"Verkauf mich nicht für blöd, Edward. Erinnerst du dich nicht mehr an Halsley? Den Kerl, der dir auf einen Fingerzeig hin sogar das Klopapier gereicht hätte?"
 

Ich verenge ein wenig die Augen und lehne mich wieder auf dem harten Stuhl zurück.

"Sie sind nicht mein Vater", murmle ich und sehe dich mit einem bösen Blick an.

Wenn Blicke töten könnten, würdest du jetzt vermutlich auf der Stelle umfallen. Momentan rangierst du auf meiner Hitliste direkt hinter Crane. Und wenn du weiter so tust, als wären wir gute alte Freunde, überholst du ihn schnell.

"Ich erinnere mich an Halsley ...", erwidere ich schließlich. "Ich habe gehört, dass er versetzt wurde. Eigentlich schade. Er hat einen guten Tee gemacht. Und er konnte wunderbar mit einem Bügeleisen umgehen."

Ein kleines Grinsen huscht über meine Lippen, als ich mich an den Tag meiner Abreise aus Blackgate erinnere.
 

"Da hast du natürlich Recht, Edward", seufze ich. "Aber ich bin auch nicht dein Feind."

Ich mache eine ausladende Handbewegung, die deine gesamte abweisende Körpersprache umschließt.

"Warum behandelst du mich also so?"

Etwas verdrießlich reibe ich mir den Nasenrücken. Wäre auch gelacht gewesen, wenn du so einfach einen auf gut Freund gemacht hättest. Wobei es alles um einiges leichter machen würde.

"Mr. Halsley darf jetzt an einem hübschen Schreibtisch arbeiten, wo er keine Gefahr läuft, von Insassen mit netten Angeboten in Versuchung geführt zu werden. Aber ich bin nicht hier, um über Halsley zu reden."
 

"Ach? Soll ich jetzt so tun, das wir beide gute alte Freunde sind, oder was?", kontere ich sofort mit einem leicht aggressiven Unterton in der Stimme. "Wem habe ich es denn zu verdanken, dass ich seit vier Wochen hier drin sinnlos herum sitze und Däumchen drehen kann?"

Ich mache ein finsteres Gesicht und schnaube genervt. Ich muss aufhören, bei dir ständig an die Decke zu gehen. Bei Crane macht das Spaß, aber ihn kann ich immerhin auch nicht leiden. Dich kann ich zumindest ein bisschen leiden, was aber hauptsächlich daran liegt, dass du ziemlich anständig bist.

"Was wollen Sie dann von mir, Jim?", frage ich ruhiger nach. "Über die guten alten Zeiten plaudern, oder was?"
 

"Streng genommen hast du das dir selbst zuzuschreiben, Edward. Also pamp nicht mich an, nur weil du bockig bist", sage ich ernst wie ein rügender Vater.

Manchmal kommst du mir wirklich vor wie ein Teenager, der seine Grenzen austesten will. Kein Wunder, dass du so gut mit meiner Tochter auskommst ...

Ich seufze leise, als du dich scheinbar wieder beruhigt hast.

"Wenn du es so willst, ja."

Ich zucke mit den Schultern.

"Es ist Besuchszeit. Ich besuche dich. So einfach ist das."
 

Schon wieder wünsche ich mir die Handschellen weg, um trotzig die Arme vor dem Oberkörper zu verschränken. Die Dinger sind fast so lästig, wie bestimmte Ärzte in diesem Saftladen hier. Stattdessen muss ich mich damit begnügen genervt mit den Augen zu rollen.

"Nur weil Besuchszeit ist, heißt das noch lange nicht, dass ich Wert darauf lege, Besuch zu bekommen", brumme ich vor mich hin. "Außerdem kann man uns beide nicht gerade als Freunde bezeichnen. Und bloß weil ich im GCPD gearbeitet habe, kennen Sie mich noch lange nicht."
 

"Und wenn schon. Man kann sich kennen lernen."

Ich hoffe wirklich, dass du jetzt nicht die Schotten dicht machst. Es ist mir wichtig, mit dir auszukommen. Wenn die Therapie anschlägt und du hier tatsächlich geheilt heraus kommst, dann wird das wohl nicht das letzte Mal sein, dass wir uns gesehen haben.

"Besuch bekommen ist doch schön. Sag nicht, du unterhältst dich lieber mit den Ärzten oder dem Kantinenpersonal?"
 

"Ich persönlich halte nicht besonders viel davon, Besuch zu bekommen. Weder hier noch woanders."

Ich gebe meine trotzige Körperhaltung ein wenig auf, lege den Kopf leicht schief und mustere dich.

Warum zum Teufel versuchst du hier so vehement, ein Gespräch zu entwickeln?

Und diese Aussage, dass du mich besser kennen lernen willst, gefällt mir auch nicht besonders.

Was soll das hier werden, wenn es fertig ist?

"Sie können ja Crane fragen, wie gesprächig ich bin. Er wird Ihnen unter Garantie sagen, dass ich unkooperativ und uneinsichtig bin. Mit dem sollten Sie reden, nicht mit mir."
 

"Ich möchte mich aber mit dir unterhalten", sage ich ungerührt. "Komm schon, Edward. Wenn du dich gut verhältst, lasse ich mich vielleicht breitschlagen, dir das ein oder andere Privileg zu verschaffen."

Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück.

"Fangen wir doch einfach andersherum an. Gibt es denn etwas, das du wissen möchtest? Über die Welt da draußen?"
 

"Ach ...", sage ich mit einem gewissen Funkeln in den Augen. "Wollen Sie mich hier etwa ... bestechen, Jim?"

Ein kurzes Grinsen huscht über mein Gesicht bei dieser Vorstellung.

"Lassen Sie mich nachdenken ...", sage ich gespielt unbeeindruckt und schon wieder muss ich grinsen. "Der Joker rennt immer noch fröhlich draußen herum, also haben Sie ihn noch nicht dingfest gemacht. Die Fledermaus wird immer noch draußen rumflattern und Sie sind immer noch der Commissioner. Es hat sich nichts verändert. Also nein, ich will nichts wissen, was ich nicht schon weiß."
 

Mit einem schnaubenden Lachen verdrehe ich die Augen.

"Ach, nun komm schon. Ein bisschen Konversation schadet Keinem. Ich dachte eher an banale Dinge. Wann hast du das letzte Mal eine Klatschspalte gelesen? Oder einen Blick in ein Kinoprogramm geworfen? Die Sportschau gesehen? Aber gut."

Ich hebe ergeben die Hände.

"Dann will dich mal richtig bestechen. Was hältst du von einem Spaziergang ins Grüne?"
 

Mein Grinsen fällt in sich zusammen, als du mir dieses fast schon unmoralische Angebot machst. Irritiert blinzle ich dich an und sehe dich perplex an.

Habe ich mich gerade verhört?

Wie willst du es denn schaffen, Crane dazu zu überreden, dass er mich zumindest zeitweise hier raus lässt?

Ich muss zugeben, dass es mich sehr reizt, dein Angebot anzunehmen. Seit ich hier in Arkham sitze, habe ich weder die Sonne, noch den Himmel draußen gesehen. Immer nur das künstliche Licht der Glühlampen. Ich würde wirklich gerne mal wieder raus an die frische Luft.

"In Ordnung ...", sage ich schließlich langsam mit Skepsis in der Stimme. "Aber wie wollen Sie Crane überreden, dass er das zulässt?"
 

"Lass das mal meine Sorge sein, Junge", sage ich mit einem Augenzwinkern und schiebe mit neuem Elan den Stuhl zurück.

Crane wartet draußen direkt vor der Tür. Scheinbar fürchtet er, du könntest mich angreifen oder das Gespräch auf andere Weise zur Eskalation bringen.

"Schauen Sie nicht so besorgt, Doktor."

Crane runzelt die Stirn.

"Verzeihung, Commissioner. Schon fertig?"

Er deutet in Richtung der Tür.

"Nicht wirklich. Sehen Sie. Ich dachte, Edward würde sicherlich viel zugänglicher sein, wenn er sich in einem angenehmeren Umfeld befindet. Könnte ich mit ihm eine Runde drehen?"

Der Arzt sieht mich verblüfft an. Er nimmt die Brille ab und studiert mich eingehend, bevor er wieder den Mund aufmacht.

"Spricht er denn mit Ihnen?", fragt er interessiert.

"Mehr oder weniger", entgegne ich mit einem halben Lächeln.

Crane scheint kurz zu überlegen, dann wandert die Brille zurück auf die Nase.

"Wissen Sie was? Vielleicht könnte das interessant werden."

Er geht mir voran in den Raum.

"Gute Nachrichten, Edward. Commissioner Gordon und Sie, ihr werdet euch draußen ein wenig die Beine vertreten. Aber keine Dummheiten."
 

Mit einem reichlich dämlichen Gesichtsausdruck sehe ich dir dabei zu, wie du den Raum verlässt. Verwirrt blinzle ich die geschlossene Tür an.

Ist das gerade wirklich passiert?

Oder hat mir Crane ein paar noch nicht für den Verkauf zugelassene Medikamente unter geschoben?

Zuzutrauen wäre es ihm.

Ich sehe immer noch recht unintelligent aus, als du in Begleitung von Crane wieder rein kommst und mir der Quacksalber verkündend, dass er mich tatsächlich für eine Weile raus lässt. Okay, ich bin wirklich im falschen Film.

Mein Blick wandert von Crane zu dir.

"Ernsthaft?", rutscht er mir raus und am liebsten würde ich mir jetzt auf die Zunge beißen.

Das ist doch wieder ein gefundenes Fressen für Crane, der mich mit einem verschlagenen Grinsen begutachtet.
 

"Da haben wir scheinbar jemandem eine Freude gemacht", sagt Dr. Crane herzlich und wirft mir über die Schulter einen Blick zu. "Gut, dass Sie für Edward da sind, Commissioner."

"Jeder Zeit", erwidere ich mit einem freundlichen Nicken.

"So so, jeder Zeit", wiederholt er und ist schon auf dem Weg nach draußen.

"Gut zu wissen."

In der Tür dreht er sich noch einmal um.

"Liefern Sie ihn in - sagen wir in einer Stunde bei mir ab, in Ordnung? Und Edward. Keine Faxen."

Seine Stimme wird eindringlicher.

"Ich habe Sie im Auge."

Damit ist der Doktor auf und davon und bleibe mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zurück und sehe dich fröhlich an.

"Wie kannst du den Mann nur nicht mögen?"
 

So wie Crane mit dir redet, lässt mich eine Augenbraue anheben. Dieser Kerl ist so dermaßen scheinheilig, dass ich ihm am liebsten das Grinsen aus dem Gesicht schlagen möchte. Und du würdest diesem scheinheiligen Mistkerl bestimmt sogar abkaufen, dass unser Planet eine Scheibe ist.

Als Crane zur Tür geht und mir auch noch diese unterschwellige Drohung zukommen lässt, ist meine Laune auf einem neuen Tiefpunkt. Ich schenke ihm einen Blick, der töten kann, ihn aber nicht aus dem Konzept bringt. Sein Grinsen bleibt wie festgetackert auf seinem Gesicht.

Mit diesem Gesichtsausdruck sehe ich auch dich an, als du wieder das Wort an mich richtest.

"Crane ist ...", setze ich schon an, lasse es dann aber sein.

So wie du aussiehst, lässt du kein schlechtes Wort auf Crane kommen.

Ich stehe auf und gehe langsam zur Tür.

"Können wir dann?"

Und hör endlich auf mich zu siezen, darüber sind wir doch inzwischen hinaus.

"Aber natürlich", sage ich eilig.

Ich bin froh, dass du keinen Streit über deinen Arzt vom Zaun brichst, denn das würde unser Gespräch sicherlich trüben.

Als du an mir vorbei durch die Tür gehst, lege ich dir kurz freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

"Es freut mich wirklich, dass du das mitmachst, Edward. Danke."
 

Irritiert bleibe ich stehen, als ich deine Hand auf meiner Schulter spüre. Langsam drehe ich dir den Kopf zu und sehe dich fragend und gleichzeitig verwirrt an. Ich setze an, etwas zu erwidern, verkneife es mir aber im letzten Moment. Eigentlich weiß ich nicht einmal, was ich genau dazu sagen soll. Deswegen schüttle ich deine Hand kurzerhand ab und marschiere zielstrebig durch die Gänge in Richtung des Freigeländes von Arkham.

Kaum bin ich ein paar Schritte draußen, bleibe ich stehen und atme tief durch. Das Wetter ist, wie zu erwarten, für Anfang Februar ziemlich mies. Aber das ist mir egal. Für diesen Moment genieße ich einfach das geheuchelte Gefühl von Freiheit, denn die Wachleute, die überall zu sehen sind und die Handschellen, die sie mir natürlich nicht abgenommen haben, zeigen deutlich, dass Arkham ein Gefängnis ist.

Als du neben mich trittst, seufze ich lautlos und öffne wieder die Augen, die ich für einen Moment geschlossen hatte, um mir vorstellen zu können, dass ich nicht in der Klapse bin.

"Sie haben nicht rein zufällig ein paar Kippen dabei, oder Jim? Crane gönnt mir nicht das geringste bisschen Spaß."
 

Mit einem amüsierten Lächeln beobachte ich, wie du es genießt, wieder draußen im Freien zu sein. Mental klopfe ich mir für diese Idee auf die Schulter. Hier bist du sichtlich entspannter als da drinnen in dem engen, fensterlosen Raum.

Bei deiner Frage muss ich die Stirn runzeln.

"Na ja", fange ich an.

Theoretisch hat Crane es nicht verboten oder? Andererseits könnte er es eventuell als »Faxen« werten, wenn du mir eine Zigarette abschwatzt. Tja, notfalls kann ich das ganze immer noch auf meine Kappe nehmen. Fürs Erste will ich dein Vertrauen gewinnen, also kann es nicht schaden, dir ein bisschen entgegen zu kommen.

Ich ziehe meine Zigaretten aus der Innentasche meines Mantels und halte dir die geöffnete Packung entgegen.

"Bedien dich", sage ich freundlich. "Und hör endlich auf mich zu siezen, darüber sind wir doch inzwischen hinaus."
 

Mit einem skeptischen Blick bedenke ich die Zigarettenschachtel, die du mir auffordernd hin hältst. Für meinen Geschmack ist es zu einfach gewesen, dass du mir diesen Wunsch erfüllst. Du führst doch irgendwas im Schilde, so viel ist mir klar.

Ich lasse dich nicht aus den Augen, als ich eine Zigarette aus der Schachtel ziehe und sie mir zwischen die Lippen stecke. Dann ziehe ich eine zweite Zigarette heraus und stecke sie mir hinter ein Ohr. Automatisch hältst du mir noch ein Feuerzeug entgegen, welches ich nehme und mir die Zigarette anzünde. Dann reiche ich dir das Feuerzeug zurück und nehme genüsslich einen tiefen Zug.

Eigentlich sollte man annehmen, dass ich nach den vier Wochen in Arkham, in der mich Crane konsequent von Nikotin, Koffein und Alkohol fern gehalten hat, diese Sucht mittlerweile überwunden habe. Aber da ich Mittel und Wege habe, musste ich nicht so großen Verzicht üben, wie Crane denkt.

Nach wie vor muss ich mich zwei Mal pro Woche in der Krankenstation einfinden, damit die Schwestern dort meinen Arm inspizieren können und bei dieser Gelegenheit versorgen mich die Schwestern – allen voran die süße kleine Brünette – mit Kaffee und Zigaretten. Wenn man es so betrachtet, ist es doch gar nicht so übel in Arkham. Zumindest hat selbst dieser Schuppen seine Momente.

Nach diesem ersten Zug, der mir fast wie eine Offenbarung vorkommt, hebe ich eine Augenbraue und sehe dich fast schon fragend an.

"Seit wann sind wir über den Zeitpunkt des Siezens hinaus?", frage ich mit verhaltener Neugier in der Stimme.

Es hat mich nie gestört, dass du während der Ereignisse um Weihnachten einfach angefangen hast, mich zu duzen, ohne dass ich es dir angeboten habe. Aber irgendwie kommt es mir seltsam vor, dich einfach zu duzen - auch wenn du es mir gerade angeboten hast. Aber Ende interpretiert Crane wieder irgendwas da hinein.
 

Typisch, denke ich mir, als du dir die zweite Zigarette schon mal auf Vorrat hältst. Gib ihnen den kleinen Finger und sie nehmen die ganze Hand.

Nachdem deine Kippe angezündet ist, stecke ich mein Feuerzeug weg und schiebe die Hände in die Taschen. Langsam setze ich mich in Bewegung, sodass wir in gemütlichem Tempo über das Gelände schlendern können.

"Ich weiß nicht. Vielleicht seitdem du mir erzählt hast, was du Alles mit meinem Kind angestellt hast. Oder seit ich dir im Krankenhaus deinen Mistkerl von Vater auf den Hals gehetzt habe - was mir übrigens verdammt Leid tut. Oder seit du mir beinahe in dieser Gasse weggestorben wärst."
 

Mit einer hochgezogenen Augenbraue mustere ich dich, während wir nebeneinander langsam über das Freigelände von Arkham gehen. Ich nehme noch einen tiefen Zug, ehe ich dir antworte.

"Also wenn man es ganz genau nimmt, habe ich nichts mit Barbara gemacht. Sie -"

Ich unterbreche mich und schüttle andeutungsweise mit dem Kopf. Es hat sicherlich nicht viel Sinn, dich davon zu überzeugen, dass die Intention von deiner Tochter ausging und nicht von mir. Vermutlich willst du nichts davon hören, um weiterhin glauben zu können, dass Barbara das kleine unschuldige Mädchen ist, für das du sie hältst.

"Was meinen alten Herrn betrifft ... Das Thema habe ich abgeschlossen."

Ich seufze lautlos und verziehe ein wenig angewidert das Gesicht. Das mich ausgerechnet dieser Mistkerl dazu gebracht hat, meine eigenen Regeln über Bord zu werfen, nagt immer noch an mir. Aber er hat es mehr als verdient, rede ich mir immer wieder ein.

"Tja und Silvester ... Das ist ein wenig unglücklich verlaufen ..."

Ich zucke mit den Schultern und ziehe an meiner Zigarette.
 

Wieder mal entfährt mir ein leises Seufzen.

"Du brauchst dich wegen Barbara nicht zu verteidigen, Edward", sage ich versöhnlich. "Ich mache dir keine Vorwürfe mehr. Lieber wäre es mir zwar, wenn sie sich einen netten Jungen in ihrem Alter gesucht hätte, aber was soll's. Die sind wohl alle nichts für mein Mädchen."

Ich lächle stolz. Barbara ist etwas Besonderes. Wahrscheinlich würde irgendein naseweiser Quarterback tatsächlich nicht zu ihr passen.

"Das ist gut", meine ich mit einem aufmerksamen Seitenblick auf dich. "Lass dich von dem Typen bloß nicht unterkriegen. Der Kerl ist es nicht wert."
 

Ich werfe dir einen erstaunten Blick zu, als du das Thema mit Barbara quasi unter den Tisch fallen lässt. Es verwundert mich schon sehr, dass du jetzt so locker darauf reagierst, weil ich bisher angenommen habe, dass du mit allen Mitteln die Ehre deiner Tochter verteidigen willst.

"Sie -"

Ich unterbreche mich.

"Du brauchst dir keine Sorgen mehr wegen ihr machen."

Irgendwie ist es ein komisches Gefühl, dich zu duzen.

"Ich werde mich zukünftig von Barbara fern halten."

Genau so, wie ich es ihr am Telefon gesagt habe, als ich mitgeteilt habe, dass ich mich nie wieder bei ihr melden werde.
 

"Hm", mache ich nachdenklich.

Eigentlich sollte ich jetzt am Ziel meiner Wünsche sein. Aber irgendwie will mir der Gedanke, dass zwischen dir und Babs endgültig Schluss ist, auch nicht gefallen.

"Ist wahrscheinlich besser für euch beide", sage ich also wenig überzeugt.

Am besten wäre es, wenn du als geheilter Mann hier raus gehst, bei Babs bleibst und ihr einfach glücklich werdet. Aber das ist wohl zu viel verlangt.

"Barbara wird dich wohl auch in Ruhe lassen. Sie scheint in letzter Zeit wirklich wieder auf die Beine zu kommen. Geht abends aus, manchmal bleibt sie sogar bis spät weg. Sie lebt endlich mal ein bisschen."
 

"Gut für sie ...", murmle ich vor mich hin, während ich wieder an der Kippe ziehe.

Erstaunlicherweise nagt es ein wenig an mir, das Barbara anscheinend einfach weiter macht, als wäre nie etwas passiert. Aber gut, dass muss ich dann wohl akzeptieren. Dann brauche ich mich bei Rachel, der jungen Krankenschwester, auch nicht mehr zurück halten. Vielleicht ist sie doch mein Ticket hier raus.

Nachdem ich darüber nachgedacht habe, bleibe ich stehen und sehe dich an.

"Hör zu ...", setze ich an und muss mich kurz unterbrechen. "Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Es ist alles ziemlich blöd gelaufen und ... na ja ..."

Ich mache wieder eine Pause, um meine Gedanken zu ordnen. Angespannt fahre ich mir mit einer Hand durch die Haare.

"Es tut mir Leid ...", murmle ich leise und senke den Blick.
 

Deine Entschuldigung wirft mich so aus der Bahn, dass ich überrascht stehen bleibe und dich einen Moment lang verwirrt anblinzle.

"Ähm ... wow", rutscht es mir heraus.

Sehr intelligent, Jim.

"Ich meine, danke. Ich schätze es sehr, dass du dich entschuldigst. Mir ist klar, dass dir so etwas schwer fällt."

Irre ich mich oder haben wir hier gerade einen kleinen, vertraulichen Moment?

Mit einem offenen Lächeln drücke ich kurz deine Schulter.

"Entschuldigung angenommen."
 

Als du mich so irritiert ansiehst, wird mir schlagartig klar, dass es ein blöde Idee war, überhaupt den Mund aufzumachen. Ich hätte einfach meine große Klappe halten sollen, statt mich hier zum Vollidioten zu machen.

Ich ringe mir ein knappes Lächeln ab, um meine eigene Unsicherheit zu überspielen und ziehe an der Zigarette, damit mir jetzt nicht doch noch ein blöder Kommentar raus rutscht.

Ein "Ähm ..." schleicht sich trotzdem über meine Lippen, als du meine Schultern drückst. Es ist ein denkbar ungünstiger Moment, jetzt zu erwähnen, dass ich kein großer Fan von Berührungen jeglicher Art bin, weswegen ich mich einfach stur wieder in Bewegung setze und hoffe, dass du diesen Moment der Unsicherheit nicht mitbekommen hast.
 

Dir ist anzumerken, dass du völlig überfordert mit der Situation bist. Als du es so eilig hast, weiterzugehen, muss ich mir ein kleines Auflachen verkneifen, um es für dich nicht noch schlimmer zu machen.

Ich schließe wieder zu dir auf und sehe mich um, auf der Suche nach einem günstigen Gesprächsthema. Die Wachen und Patienten, die hier und da zu sehen sind, geben allerdings nicht viel her.

"Also", fange ich lang gezogen an. "Irgendwelche interessanten Geschehnisse da drinnen?"
 

Ich habe den Blick stur geradeaus gerichtet, als du wieder zu mir aufschließt. Ich nehme die letzten Züge der Zigarette, ehe ich sie schwungvoll wegschnipse. Gerne würde ich jetzt die Hände in den Hosentaschen des Overalls vergraben - aber wieder sind die Handschellen im Weg. Langsam bekomme ich wirklich einen Hass auf diese Dinger.

Auf deine Frage schüttle ich nur knapp mit dem Kopf. Dass das Verhalten von Crane mehr als nur interessant ist, erwähne ich besser nicht. Du machst nicht den Eindruck, dass es dich auch nur ansatzweise interessiert, dass Crane ein falscher Fünfziger ist.

"Ich habe nur gehört, dass Cobblepot demnächst hier einquartiert wird ..."
 

War ja klar. Was soll da drinnen auch groß los sein, das ein Gespräch wert wäre.

"Ja, Cobblepot leistet euch hier demnächst Gesellschaft. Crane hat ihn sich schon in Blackgate angesehen und verfügt, ihn herzubringen."

Ich zucke mit den Schultern.

"Ein komischer Vogel ist er schon", witzele ich. "Aber die großen Bosse da draußen haben wohl alle einen an der Klatsche. Wenn du mich fragst, sollten die hier alle mal eine Runde Urlaub machen."

Dann wird mir klar, dass du im Moment ja irgendwie einer von Denen bist. Ich werfe dir einen entschuldigenden Blick zu.

"Sorry. Aber die halten mich in letzter Zeit mal wieder auf Trab."
 

"Cobblepot ist nicht nur ein komischer Vogel, er ist ein kleiner, dicker, flugunfähiger Vogel", sage ich und verziehe meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.

Dass ich bereits geschäftliche Beziehungen mit ihm unterhalte, muss ich dir ja nicht auf die Nase binden.

Dann werfe ich dir einen missbilligenden Blick zu, der dir demonstrieren soll, dass ich es nicht besonders witzig finde, dass du mich mit Cobblepot und dem Joker in einen Topf wirfst.

"Ich bin keiner von diesen »großen Bossen« ...", grummle ich und betone die letzten beiden Worte abfällig.

"Tja ...", sage ich dann betont gelangweilt und zucke mit den Schultern. "Ich denke, das größte Problem ist der Joker. Ich nehme jetzt einfach mal an, dass das GCPD nicht den Hauch einer Ahnung hat, wo sich der verrückte Clown herum treibt, richtig?"
 

Über deinen Witz lache ich laut. Wer hätte gedacht, dass man sich ausgerechnet mit dir so gut unterhalten kann? Gleich darauf bin ich allerdings wieder ernst.

"Das ist beruhigend, Edward. Du bist nicht wie die und das ist auch gut so."

Wie viel ich dir über die Angelegenheiten der Polizei erzählen soll, ist äußerst fragwürdig.

"Nun ja. Das GCPD nicht ...", sage ich vage.

Batman ist allerdings schon seit einer Weile an einigen Informationen dran, die seiner Meinung nach früher oder später zu dem Clown führen dürften. Genauer gesagt zu dessen Liebchen. So enthusiastisch Miss Quinzel auch bei der Sache ist, sie ist um einiges schlampiger als ihr Freund.
 

Ich winke genervt ab.

"Schon klar ... Die Fledermaus ...", sage ich angesäuert.

Meine Sympathie für diesen geflügelten Irren hält sich nach wie vor stark in Grenzen. Ich seufze leicht theatralisch und stecke mir die Zigarette, die ich mir hinters Ohr geklemmt habe, zwischen die Lippen.

"Mir ist vor einer Weile zu Ohren gekommen, dass der Joker irgendein großes Ding plant ...", murmle ich vage.
 

Überrascht hebe ich die Augenbrauen, als du Jokers »großes Ding« erwähnst.

"Edward", frage ich völlig baff.

Du wirfst mich heute wirklich immer wieder aus der Bahn. Ich komme nicht mal auf die Idee, die Sache irgendwie eleganter anzupacken, um Informationen aus dir herauszubekommen.

"Du hast mich gar nicht um eine Gegenleistung für die Info gebeten", erinnere ich dich verwirrt.
 

"Das Feuerzeug würde fürs Erste reichen", erwidere ich mit einem verschmitzten Grinsen. "Aber ich hätte nichts gegen das gelegentliche Mitbringen von Kippen. Vielleicht fallen mir dann noch mehr so interessante Dinge ein", füge ich mit einem kurzen Zwinkern hinzu.

Es amüsiert mich tatsächlich, dein überraschtes Gesicht zu sehen. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass ich mich für meine Informationen gut bezahlen lasse. Und ich habe einige Informationen zu bieten. Ich, zum Beispiel, habe mehr Ahnung davon, wo der Clown steckt, als das GCPD oder Batman.
 

Mit einem herzlichen Lachen reiche ich dir mein Feuerzeug.

"Gelegentliches mitbringen?", hake hoffnungsvoll nach. "Jetzt sag mir nicht, ich darf den Herrn öfter besuchen, obwohl er nichts von Besuch hält?"

Gegen die eine oder andere Information hätte ich natürlich auch nichts einzuwenden. Obwohl das nicht wirklich der Grund ist, aus dem ich hier bin.

"Aber Edward. Ich will nicht, dass du jetzt denkst, ich bin hier, um dich zu befragen. Das hat damit gar nichts zu tun."
 

"Nein, natürlich nicht", erwidere ich theatralisch und greife nach dem Feuerzeug. "Du bist nur wegen meiner charmanten Persönlichkeit hier", füge ich mit einem ironischen Grinsen hinzu und zünde mir die Zigarette an. "Ich bin ja so liebenswürdig, dass sich Alle um mich reißen."

Mit einem Grinsen reiche ich dir das Feuerzeug zurück.

"Sag aber nicht Crane, dass ich mit dir rede, aber nicht mit ihm."

Ich werfe einen Blick über die Schulter auf das Gebäude, von dem wir uns langsam entfernen. Crane hockt doch bestimmt hinter einem der Fenster mit dem Fernglas und notiert eifrig auf seinem Notizblock.

"Aber mal ernsthaft Jim ...", sage ich wieder ernst. "Warum bist du überhaupt hier? Es ist ja nicht so, dass du dich jemals besonders für mich oder meine Arbeit interessiert hast, als ich noch im GCPD gearbeitet habe."

Das Kapitel Barbara Gordon ist abgeschlossen. Endgültig.

Zugegeben, ich habe Spaß mit dir. Wer hätte das gedacht? Noch vor einem Jahr hätte ich Jeden mit meinem Dienstwagen überfahren, der behauptet hätte, so weit würde es einmal kommen. Aber ich muss gestehen - du bist ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Dein Sarkasmus stört mich nicht einmal, ich finde ihn eher amüsant.

"Ach, komm schon. So schlimm bist du gar nicht."

Ich schüttle grinsend den Kopf.

"Babs würde Augen machen, wenn sie mich das sagen hören würde."

Deinem Blick folge ich. Du wirkst ein bisschen, als würdest du dich beobachtet fühlen. Nun, garantiert ist das auch der Fall. Ich kann jederzeit wieder von hier verschwinden, du stehst hingegen unter ständiger Bewachung.

Ein Gedanke formt sich in meinem Kopf. Wenn du dich gut schlägst, vielleicht dürftest du dann ja … Ich denke den Satz gar nicht zu Ende.

Auf was für Ideen komme ich hier eigentlich gerade?

Ich benehme mich, als wärst du mein lange verschollener Sohn, mit dem ich Zeit aufholen muss.

"Ich weiß, Edward, und das tut mir auch Leid. Aber damals hatte ich die Hände um ehrlich zu sein voll damit, meine eigene Arbeit irgendwie zu machen. Was schwer ist, wenn du einer der wenigen anständigen Kerle in einem Haufen korrupter Schweine bist."

Ich räuspere mich wegen des rüden Ausdruckes.

"Glaub mir, ich versuche es besser zu machen als mein verehrter Vorgänger. Die IT-Abteilung bekommt Beachtung, ich habe gelernt."
 

"Nein, ich bin schlimmer ...", kontere ich halbherzig mit einem schiefen Grinsen.

Und so falsch ist es auch gar nicht, dass zu behaupten. Vielleicht gehöre ich tatsächlich hier hin, so verkorkst wie ich bin.

Ich seufze und werfe dir einen kurzen Blick zu, als du Barbara erwähnst. Mir liegt ein Kommentar auf der Zunge, allerdings schlucke ich ihn runter, statt ihn auszusprechen.

Das Kapitel Barbara Gordon ist abgeschlossen.

Endgültig.

"Ich bin mir sicher, dass Body der Aufgabe gewachsen ist", sage ich ironisch und mache eine wegwerfende Handbewegung. "Er ist bestimmt absolut spitze in seinem Job."
 

"Nicht so gut wie du", sage ich schulterzuckend. "Aber er macht sich."

Ein raues Kichern entweicht mir.

"Barbara hat ihn praktisch eingewiesen. Sie hat bei ihm vorbei geschaut, ihn eine Weile beobachtet und plötzlich angefangen, alles was er tut, zu kritisieren. Der Mann wusste gar nicht, wie ihm geschieht. Seitdem arbeitet er doppelt so gründlich, wenn meine Tochter auf dem Revier ist. Sie hat ein Auge auf ihn."

Wahrscheinlich versucht sie damit, das Andenken ihres Mentors zu wahren. Soll mir recht sein, solange er dadurch seinen Job gewissenhafter und vor allem effektiver erledigt.
 

"Na dann ...", sage ich abweisend und ziemlich einsilbig.

Es gefällt mir nicht sonderlich, dass du immer wieder auf Barbara zu sprechen kommst. Vermutlich realisierst du nicht einmal, dass mir dieses Thema sauer aufstößt. Aber nachdem sie mir im Gotham General quasi das Herz rausgerissen hat, mache ich einen großen Bogen um sie. Und je mehr Abstand ich dazu gewinne, desto besser.

Ich zucke kurz mit den Schultern und ziehe an der Zigarette.

"Body bekommt das schon irgendwann auf die Reihe ..."
 

Ich seufze leise. Augenscheinlich willst du nicht mal über Babs reden. Schade. Ich hatte wirklich gehofft, dass du die Aussage, mit ihr sei endgültig Schluss, nicht allzu ernst meinst. Aber scheinbar interessiert es dich nicht einmal, wie es ihr so außerhalb von Arkham ergeht. Nun, ja. Ich bilde mir einfach ein, dass es Selbstschutz ist und nichts damit zu tun hast, dass du meine Tochter so einfach vergessen kannst.

"Klar, der macht das schon", brumme ich und schieße einen Stein aus dem Weg. "Aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich lieber dich hinter diesem Rechner sitzen. Ich kann jeden guten Mann gebrauchen."
 

"Klar!", lache ich kurz auf. "Als ob ich jemals wieder für's GCPD arbeiten würde."

Grinsend muss ich den Kopf schütteln.

"Ich bin schließlich ein verrückter Psychopath, der mit allen Größen der Unterwelt per du ist", füge ich sarkastisch hinzu. "Wieder zwei Jahre für nichts verschwenden? Nein danke."
 

"Junge", sage ich streng und bleibe wieder stehen, um dich eindringlich anzusehen. "Jetzt hör mir mal zu."

Gott, klinge ich gerade wirklich so väterlich, wie ich mir vorkomme?

"Du bist alles andere als ein verrückter Psychopath. Du bist einfach ein junger Mann, der ein raues Leben hatte und sich jetzt davon erholen muss. Ich halte dich weder für irre, noch für einen Schwerverbrecher. Und wenn du das von dir denkst, DANN spinnst du wirklich ein bisschen."

Ich bin versucht, dir die Hände auf die Schultern zu legen, um meine Worte zu unterstreichen, halte dann aber in der Bewegung inne. Besser den Bogen nicht überspannen.

"Und ja, ich weiß, dass dir und deiner Arbeit im GCPD Unrecht getan wurde. Aber du bist beileibe nicht der Einzige, dem es so ging, okay? Ob du es glaubst oder nicht, da sind noch viele Andere im GCPD, die sich den Arsch aufreißen, deren Arbeit aber in der ganzen Korruption untergeht. Ich bin dabei, das zu ändern. Ernsthaft, aber von jetzt auf gleich geht's nicht."

Ich atme tief durch.

"Bitte fühl dich jetzt nicht angegriffen", flüstere ich fast flehend.

Ich reibe mir über das Gesicht und setze mich wieder in Bewegung.

"Ich bin nur müde und gestresst und du solltest das gar nicht abbekommen. Entschuldige."
 

Als du plötzlich stehen bleibst und so ernst und fast schon väterlich streng mit mir sprichst, kann ich dich nur noch mit großen Augen sprachlos ansehen. Ich vergesse sogar die Zigarette in meiner Hand.

Wieder fühle ich mich wie im falschen Film. So ähnlich fühlt es sich also an, wenn Jemand, der durchaus eine Vaterfigur sein kann, sich für Einen interessiert. Faszinierend. Dieses seltsame Gefühl ist sowohl positiv, als auch negativ. Ich fühle mich unter deinem Blick wie am Pranger. Mit meinem Vater war es nie möglich, über irgendwas zu reden.

Ich senke den Blick und gehe mir fahrig durchs Haar, um irgendwie zu übertünchen, wie ungewohnt es für mich ist, mit Jemanden so ein Gespräch zu führen. Mein alter Herr hat sich nie wirklich für mich interessiert und ich musste selber zusehen, wie ich mein Leben auf die Reihe bekomme.

"Schon okay ...", sage ich langsam und leise, nachdem du geendet hast. "Jim, ich -", fange ich an, breche aber gleich wieder ab.

Beschämt wende ich den Blick ab. Ich kann so etwas nicht. Ich kann schlecht mit dir über meinen Vater sprechen. Ich habe nicht mal Crane gegenüber ein Wort darüber verloren.
 

Scheinbar habe ich dich mit meiner kleinen Ansprache einmal mehr durcheinander gebracht. Du siehst ziemlich hilflos aus. Kein Wunder.

"Das ist gerade ziemlich ungewohnt für dich, oder?", nuschle ich kaum hörbar.

Dein Arschloch von Vater wird sich sicher nie genügend um dich geschert haben, um mit dir über deine Probleme zu reden oder dir mal - mit gutgemeinten Ratschlägen statt Prügel - den Kopf zurecht zu rücken.

"Tut mir Leid, wenn ich dich überfordere. Aber, Edward …"

Ich werfe dir einen vorsichtigen Blick zu.

"Ob du es glaubst oder nicht, ich halte dich für einen anständigen Kerl. Wenn du also Jemanden zum Reden brauchst und mit den Ärzten nicht auskommst - scheu dich nicht, es mir zu sagen."

Sogar ich finde die Worte interessant, die ich gerade geäußert habe. Aber es stimmt. Du hast Jemanden verdient, der sich ein bisschen deiner annimmt. Abgesehen davon, kann ich die Gelegenheit ja ruhig nutzen, für spätere Vater-Sohn-Gespräche mit meinem Jungen zu üben.
 

Ich muss mehrmals tief durchatmen, ehe ich in der Lage bin, dich wieder anzusehen. Ich weiß nicht, was du in meinen Augen sehen kannst, aber irgendwie bin ich fast schon gerührt von deinem Angebot. Es kommt mir so unwirklich vor, ausgerechnet mit dir in diesem Moment zu reden. Nicht mal bei Barbara habe ich großartig darüber gesprochen, obwohl es sie schon interessiert hat.

"Ich -"

- kann unmöglich sagen, wie sehr ich mir immer eine Vaterfigur wie dich in meinem Leben gewünscht habe. Das wäre doch total lächerlich, wenn ich das jetzt wirklich sagen würde. Ich würde mich lächerlich machen - und das kann ich nicht riskieren. Egal, wie stark dieser Wunsch ist.

Ich schlucke schwer und lasse die Zigarette, die sich inzwischen selbst aufgeraucht hat, achtlos auf den Boden fallen.

"Da habe ich aber schon ganz anderes von dir zu hören bekommen ...", murmle ich schließlich leise und spiele damit darauf an, wie du vor einem Jahr in Blackgate den Aufstand geprobt hast.
 

"Seitdem ist einiges passiert, Edward", sage ich mit einem milden Lächeln.

Du brauchst gar nicht zu glauben, dass ich nicht sehen kann, was dir mein Angebot eigentlich bedeutet. Du bist nur mal wieder zu stolz, um ehrlich zu sein. Endlich verstehe ich, über was Babs sich da immer beschwert hat.

"Damals dachte ich, du hättest meine minderjährige Tochter verführt, manipuliert und weggeworfen wie ein Stück Dreck. Das klingt drastisch, ist aber die Wahrheit."

Ich zucke mit den Schultern und winke ab.

"Das ist Vergangenheit. Inzwischen weiß ich, dass du meiner Tochter gut getan hast. Du hast dich um sie gekümmert, als ich nicht für sie da war. Eigentlich sollte ich dir danken."
 

"Ich habe eigentlich nie mit dem Gedanken gespielt, jemals irgendwas mit Barbara zu machen, was über ein bisschen Nachhilfe hinaus geht. Allerdings war sie ziemlich hartnäckig und ... na ja ...", versuche ich mich irgendwie zu rechtfertigen, was die Beziehung - oder was auch immer das war - mit Barbara betrifft.

Ich sehe dich vorsichtig an. Du hast ja vollkommen recht damit, mir dafür, was ich mit deiner Tochter gemacht habe, die Pest an den Hals zu wünschen. Sie war minderjährig und ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Seufzend lasse ich den Kopf hängen.

"Es tut mir Leid ...", murmle ich leise und entferne mich ein paar Schritte von dir, bevor ich mich wieder zu dir umdrehe.

"Du hast allen Grund, deswegen sauer auf mich zu sein. Es war absolut unverzeihlich, was Alles passiert ist. Ich hätte besser darüber nachdenken sollen."

Ich sehe dich fast schon mit einem verzweifelten Blick an, der dir hoffentlich zeigt, dass es mir wirklich Leid tut.
 

"Verdammt noch eins, hör auf, dich zu entschuldigen, Junge!", lache ich und diesmal kann ich mich nicht zurückhalten und wuschle dir väterlich über den Kopf.

Was passiert hier gerade?

So hatte ich mir den Besuch jedenfalls nicht vorgestellt. Heute Morgen im Auto bin ich mir sogar ziemlich sicher gewesen, dass wir uns spätestens um diese Zeit wieder in den Haaren haben würden.

"Du hast Barbara anständig behandelt. Sie hat dich einen Gentleman genannt, wenn ich mich recht erinnere. Wer meine Tochter gut behandelt, hat nichts von mir zu befürchten."
 

Wieder hast du es geschafft, mich komplett sprachlos zu machen. Völlig entgeistert sehe ich dich an und weiß nicht, was ich sagen soll. So etwas ist mir vorher noch nie passiert. Okay, ich hatte vorher auch noch nie was mit einer Minderjährigen.

"Ich ...", setze ich an und muss hart schlucken.

Verdammt noch mal, wieso musst du ausgerechnet heute so nett zu mir sein?

Mittlerweile ist es sogar schon so weit, dass ich mich richtig zusammenreißen muss, damit meine Augen trocken bleiben. Ich muss tief durchatmen, ehe ich wirklich etwas sagen kann.

"So anständig war ich gar nicht ...", sage ich leise mit einem dicken Kloß im Hals. "Keine Ahnung, was sie erzählt hat, aber ... na ja ... Im Nachhinein bereue ich einige Dinge, die ich nicht mehr ungeschehen machen kann ..."
 

"Soweit ich weiß, bereut Babs nichts. Also solltest du das auch nicht. Klar, zwischen euch ist einiges dumm gelaufen. Aber letztendlich habt ihr doch beide die Zeit genossen, oder? Ihr mögt euch und seid trotz aller Probleme in vielen Momenten glücklich gewesen. Und daran solltest du festhalten. Du kannst dir deine Fehler vorwerfen, so oft du willst. Aber damit machst du nichts ungeschehen und erst recht nicht besser."

Ich seufze gedehnt.

"Glaub dem Typen, der seit zwei Jahren geschieden ist ruhig", füge ich mit einem bitteren Lächeln hinzu. "Ernsthaft, ich kann dir ein Lied davon singen, einige Dinge zu bereuen. Aber das geht nicht mehr und die Konsequenzen muss man eben tragen."

Verhalten räuspere ich mich. Allmählich wird es so richtig persönlich. Ich muss zugeben, dass mir diese Unterhaltung zunehmend an die Substanz geht. Normalerweise führe ich solche ehrlichen Gespräche nur mit Harvey und das nach mindestens zwei Bier. Tut überraschend gut.

"Und jetzt hör auf, so bedröppelt zu gucken."
 

Unschlüssig fahre ich mir durch die Haare und setze mehrmals an, etwas zu sagen, bringe aber letztendlich kein einziges Wort heraus. Ich schaffe es nicht einmal, deinem Blick sonderlich lange stand zu halten. Und das gefällt mir nicht sonderlich. Normalerweise kann ich Widerworte zu Allem geben.

Warum nur fällt es mir gerade so schwer, überhaupt ein paar Worte in meinem Hirn zu finden?

"Tut mir Leid, dass ich damals im GCPD so auf deiner Scheidung herum geritten bin. Das war nicht besonders nett von mir", bringe ich leise heraus.

Erstaunlicherweise meine ich es tatsächlich so.

"Generell alles, was ich dir da an den Kopf geworfen habe ..."

Mein Blick ist fast schon verzweifelt, weil ich dir in den letzten Monaten immer wieder das Leben schwer gemacht habe. Und trotzdem bist du jetzt so unglaublich nett zu mir, dass ich wirklich kurz davor bin, in Tränen auszubrechen. Ich muss mich unbedingt zusammen reißen, auch wenn das gerade nicht einfach ist.

Hast du eigentlich auch nur den Hauch einer Ahnung, wie unglaublich wichtig mir dieser Moment ist?

Momentan habe ich das Gefühl, dass du mir sogar näher stehst als deine Tochter.
 

So gerührt, wie ich bin, hätte ich dich am liebsten kurz an mich gedrückt, aber das würdest du wohl nicht wollen. Also beschränke ich mich darauf, dir das breiteste Grinsen aller Zeiten zu schenken.

"Schon okay. Du warst mit dem Rücken an der Wand, kein Wunder, dass du alle Möglichkeiten genutzt hast."

Versöhnlich winke ich ab.

"Und was die Scheidung angeht - du hast Recht, ich hab's verbockt. Das war nur die Wahrheit. Beim nächsten Mal könntest du sie nur etwas netter formulieren", witzele ich und zwinkere dir freundschaftlich zu.

In einem Anflug von Übermut strecke ich dir eine Hand entgegen.

"Was sagst du? Alles vergeben und vergessen? Lass uns einfach einen Strich drunter ziehen und neu anfangen. Abgemacht?"
 

Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass du jetzt ausflippst oder mir zumindest eine ordentliche Standpauke hältst. Dass du mir stattdessen freundschaftlich die Hand hinhältst, überrascht mich. Verwirrt sehe ich zwischen deinem Gesicht und deiner Hand hin und her.

Ich brauche tatsächlich einige Sekunden, ehe ich zögernd deine Hand ergreife.

"Okay ...", sage ich langsam mit einem fragenden Unterton in der Stimme.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich davon halten soll. Es kommt mir so unwirklich vor.

Als du meine Hand fest drückst, muss ich wieder schlucken und den Blick senken, damit du nicht bemerkst, dass sich tatsächlich eine Träne in meine Augen verirrt hat.

Verrückt. Ganz eindeutig bin ich verrückt, wenn mir so etwas so zu Herzen geht.
 

Selbst ziemlich sprachlos drücke ich deine Hand und schiebe meine danach zurück in meine Manteltasche. Demonstrativ sehe ich in eine andere Richtung, damit du Zeit hast, dich zu sammeln. Scheinbar geht dir das Ganze sogar noch näher als mir. Das verdeutlicht nur zu sehr, wie nötig du Jemanden hast, der dir Freundlichkeit entgegenbringt.

Barbara ist eine Sache, aber ich schätze, manchmal ist ein bisschen Freundschaft sogar nötiger als Liebe. Und so sehr ich meine Tochter auch gern habe - ihre Eigenart, immer gleich überemotional zu werden, wenn sie mit jemandem mitfühlt, dürfte einen wie dich erst richtig überfordern.

"Wer hätte das gedacht. Wir beide kommen tatsächlich miteinander aus", sage ich lachend, um die Stimmung ein bisschen zu heben und der Situation ihren emotionsgeladenen Ernst zu nehmen.

Ich muss gestehen, dass du mit Abstand mein Lieblingsverbrecher bist.

Ich muss mehrmals tief durchatmen, ehe ich mich wieder soweit im Griff habe, dass meine Stimme wieder halbwegs kräftig ist.

Als du lachst, muss ich unwillkürlich grinsen. Ja, wer hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass wir beide hier wie gute Freunde zusammen stehen und Smalltalk halten.

"Schwester Judy meinte, dass du und Harvey fast die ganze Zeit im Krankenhaus gewesen seid", sage ich, um das Thema zu wechseln. "Ich habe es zwar nicht mitbekommen, aber ... danke ..."
 

"Ist doch Ehrensache", sage ich ohne zu zögern. "Wir waren immerhin dabei, als du uns zusammengeklappt bist. Hast uns einen verdammten Schrecken eingejagt. Harvey meinte, er dreht dir den Hals um, wenn du stirbst."

Harvey war überhaupt begeistert gewesen, als ich ihm gegenüber erwähnte, dass ich dir einen Besuch abstatte. Eigentlich wundert es mich ein bisschen, dass er nicht gleich beschlossen hat, mitzukommen. Trotzdem muss ich sagen, dass ich ganz froh bin, allein gekommen zu sein. So komisch es auch klingt, das war genau, was wir beide gebraucht haben.

"Wenn du hier wieder raus bist, gehen wir drei mal zusammen einen trinken", beschließe ich aus einer Laune heraus. "Könnte doch lustig werden."
 

"Ich könnte jetzt schon Einen vertragen", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen. "Ich bezweifle, dass ich in näherer Zukunft hier wieder raus komme ...", füge ich vage hinzu und zucke mit den Schultern.

Egal, wie nah wir uns inzwischen gekommen sind, meine Vermutungen, was Crane betrifft und seine unterschwelligen Drohungen, mich hier nie wieder rauszulassen, kann ich dir trotzdem nicht sagen. Vermutlich würdest du es mir nicht glauben, wenn ich etwas Schlechtes über den Arzt - oder was auch immer er in Wirklichkeit ist - sage.
 

"Verständlich", lache ich, ehe ich mitfühlend die Stirn runzle. "Klar, jetzt sieht es aussichtslos aus. Aber du packst das schon. Du wirst schon merken, dass dir die Therapie bald gut tut."

Wir gelangen an eine Weggabelung und ich schlage den Weg ein, der uns allmählich zurück zum Gebäude führen wird. So angenehm das Gespräch auch verläuft, ich habe eine Vereinbarung mit deinem Arzt und muss dich pünktlich wieder abliefern.

"Wenn du möchtest, spreche ich mal für dich mit Dr. Crane. Sage ihm, dass er ein bisschen anders ansetzen muss, damit du mit ihm redest. Vielleicht in anderer Umgebung - hier draußen ist dir das Reden doch gleich viel leichter gefallen, oder?"
 

"Das hat eher weniger damit zu tun, das Arkham ein echtes Drecksloch ist ...", murmle ich vage und werfe dir einen nichtssagenden Blick zu.

Dann winke ich lustlos ab.

"Mit Crane komme ich schon alleine klar."

Dann schleicht sich ein halbherziges Grinsen in mein Gesicht.

"Wäre es unverfroren, dich um noch eine Kippe anzuschnorren?"
 

"Na gut, wenn du meinst. Du machst das schon, da bin ich sicher."

Ich spiele mit dem Gedanken, den Arzt dennoch darauf hinzuweisen, wie er besser an dich herankommt, entscheide dann aber, das vorerst sein zu lassen. Vielleicht bist du nach diesem Gespräch schon viel kooperativer und strengst dich an, die Therapie ins Rollen zu bringen. Wünschenswert wäre das allemal.

"Überhaupt nicht."

Ich krame die Schachtel wieder hervor und strecke sie dir entgegen. Mir selbst stecke ich auch eine Zigarette zwischen die Lippen, die ich nach deiner anzünde.

Für gewöhnlich habe ich die Zigaretten nur dabei, weil ich unter Stress gelegentlich eine rauche. Die Unterhaltung war zwar nicht unbedingt Stress, aber aufwühlend allemal. Abgesehen davon hat es etwas Kameradschaftliches an sich, mit dir gemeinsam zu qualmen. Warum also nicht.
 

Ich muss grinsend den Kopf schütteln, als wir beide gemütlich, jeder mit einer Zigarette, zurück zum Hauptgebäude schlendern. Irgendwie hat dieser Moment etwas Familiäres an sich.

"Ich dachte, du hast das Rauchen mittlerweile aufgegeben?", frage ich mit einem schelmischen Grinsen. "Das ist ungesund, habe ich mir sagen lassen. Aber gut bei Stress."

Mein altes Büro im GCPD kommt mir kurz in den Sinn. Eine Schachtel am Tag war da mit Leichtigkeit drin.

"Darf ich dich was Persönliches fragen?"
 

"Gut bei Stress allerdings", pflichte ich dir bei und betrachte den Sargnagel in meiner Hand. "Sobald alle in Gotham sich lieb haben und meine Arbeit ein Zuckerschlecken ist, gebe ich es ein für alle mal auf. Bis dahin …"

Ich ziehe demonstrativ an der Kippe.

"… können mich diese Gesundheitsfanatiker alle mal."

Deine Frage überrascht mich, aber ich denke keine Sekunde lang darüber nach.

"Klar, was willst du wissen?"
 

Unwillkürlich muss ich lachen, als du dich so herzhaft aufregst.

"Ich hätte es nicht besser ausdrücken können", sage ich schmunzelnd. "Hätte ich auf den Betriebsarzt gehört und die Finger von den Kippen gelassen, hätte ich mir im Büro die Kugel gegeben."

Dann werde ich schnell wieder ernst.

"Wegen der Sache in dem Pub ...", beginne ich vorsichtig. "Was ist eigentlich passiert, nachdem Harv und du rein seid? Ich habe einen Filmriss ..."
 

Mein beipflichtendes Lachen verebbt schnell, nachdem du deine Frage gestellt hast, und ich kratze mir nachdenklich das Kinn, während ich versuche, alle Ereignisse zusammen zu bekommen.

"Erstmal ist natürlich Chaos losgebrochen. Ich hab dich entdeckt und wollte zu dir. Du bist natürlich abgehauen. Aber du warst schon so fertig, dass du nicht sonderlich schnell vorangekommen bist. Ich bin dir durch die Hintertür gefolgt und raus in die Seitengasse. Du wolltest wegrennen, konntest aber schon kaum gehen, deshalb hab ich dich eingeholt."

Ich verziehe das Gesicht bei der Erinnerung an diese Nacht.

"Du bist mir einfach zusammengeklappt, konntest mir aber noch sagen, dass es eine Blutvergiftung ist. Ich hab dann Harvey zu mir raus beordert, damit er einen Krankenwagen ruft, und derweil dafür gesorgt, dass du mir nicht wegstirbst."

Ich bedenke dich mit einem schiefen Grinsen.

"Gern geschehen übrigens."
 

Ich nicke nachdenklich bei deiner Schilderung. Das Letzte, was ich definitiv noch von dieser Nacht weiß, ist, dass plötzlich das Feuer im Pub eröffnet wurde. Aber es sieht mir zumindest ähnlich, dass ich die Flucht ergriffen habe. Ich habe nach wie vor wenig Interesse daran, eine Kugel in den Kopf zu bekommen.

"Scheint, als ob ich da einen richtigen Bock geschossen habe ...", murmle ich halblaut mit einem schiefen Grinsen und ziehe an meiner Zigarette. "Wie schlimm war's im Gotham General? Schwester Judy meinte, dass ich ein paar Tage außer Gefecht war."
 

"Na ja, alle in heller Aufregung. Schwester Judy hat natürlich mich und Harv verantwortlich gemacht, obwohl wir dir praktisch das Leben gerettet haben. Es sah nicht so aus, als würdest du durchkommen", murmle ich halblaut. "Du hast uns ziemliche Angst eingejagt."

Unweigerlich muss ich an das Gespräch denken, dass ich mit Barbara geführt habe, nachdem sie von deinem erneuten Krankenhaus Aufenthalt erfahren habe. Sie ist nicht einmal bei dir im Zimmer gewesen, nachdem Harvey mit ihr geredet hat.

"Ich hab mir ziemliche Vorwürfe gemacht, dass das irgendwie meine Schuld sein könnte, weil du schon wieder auf der Intensivstation warst. Babs hat aber Überzeugungsarbeit geleistet - ich wasche meine Hände in Unschuld", füge ich mit einem zufriedenen Lachen hinzu.

"Dann war natürlich das Problem mit der Bewachung. Wir haben uns zwar alle Sorgen um dich gemacht, aber wir mussten dich trotzdem so behandeln, als würdest du jeden Augenblick eine Flucht starten. Harvey hat immer davon geredet, wie peinlich es für das GCPD wäre, wenn du uns schon wieder durch die Lappen gehst. Irgendwo hat er ja Recht. Du hast uns mehrmals dumm dastehen lassen, seit damals."

In meiner Stimme liegt kein bisschen Vorwurf, eher Amüsement. Irgendwie ist es doch lustig. (Vor allem jetzt, wo wir dich sicher verwahrt haben.) Die gesamte Polizei und der maskierte Rächer der Stadt sind an der Sache dran gewesen und keiner hat dich dingfest machen können und das ganze über mehr als ein Jahr hinweg und obwohl du ein paar Mal direkt auf unseren Nasen gehockt hast.
 

Ich werfe dir einen reichlich seltsamen Blick zu, als du erwähnst, dass du mit Barbara über meinen Aufenthalt im Gotham General gesprochen hast. Das heißt, dass sie also davon weiß. Und da ich seit Silvester Nichts mehr von ihr gehört habe, hat sie anscheinend einen genauso endgültigen Schlussstrich gezogen wie ich.

Bei diesem Gedanken fühlt es sich in meinem Inneren so an, als ob sich eiskalte Finger um mein Herz legen. Ich wusste, dass es letztendlich so kommt, warum also gefällt es mir nicht? Sie hat mir das Herz heraus gerissen und ist darauf herum getrampelt. Eigentlich sollte ich doch froh darüber sein, dass ich endlich meine Ruhe vor ihr habe.

"Du hast keine Schuld daran, dass ich meine Gesundheit sträflich vernachlässigt habe. Ich weiß nur noch nicht, ob ich dir dankbar dafür sein soll, dass ich jetzt hier bin", sage ich mit einem schiefen Grinsen.

Demonstrativ schiebe ich mir den linken Ärmel ein Stückchen hoch und lasse dich einen kurzen Blick auf die deutlich sichtbare, immer noch gerötete Narbe werfen, die vom Handgelenk bis zur Ellenbeuge geht.

"Tja ...", sage ich schulterzuckend, nachdem ich den Ärmel wieder runter gezogen habe. "In einem Punkt hatte mein Vater zumindest recht ... Nicht mal das habe ich richtig geschafft ..."

Ich seufze melancholisch und schnippe den Kippenstummel weg.

"Ab und zu hat selbst Harvey seine hellen Momente ...", sage ich mit einem schiefen Grinsen und versuche meine Stimme so klingen zu lassen, dass meine Worte nicht gehässig klingen. "Ich sollte ihm besser nicht sagen, dass ich bei meiner Flucht aus dem GCPD nur wenige Meter von ihm entfernt war, als er und die anderen Cops ausgeschwärmt sind."
 

"Dann sei mir einfach aus Prinzip dankbar", sage ich überzeugt und grinse dich breit an.

Allerdings wandern meine Mundwinkel wieder nach unten, als du auf deinen Vater zu sprechen kommst. Deinen Arm streife ich nur mit einem kurzen Blick.

"Richard Nashton ist der dämlichste Volltrottel, der mir je begegnet ist. Der Kerl hat mit gar nichts Recht. Merk dir das."

Demonstrativ verdrehe ich die Augen. Ja, an diesen Tag im GCPD kann ich mich noch zu gut erinnern - hauptsächlich, weil ich kurz davor war, dir den Schädel mit irgendeinem Büroartikel einzuschlagen.

"Das solltest du mir besser auch nicht sagen, mein Lieber. Ich tue jetzt mal so, als hätte ich dich gar nicht gehört."
 

Bei deinen Worten über meinen Vater senke ich den Blick und starre auf den Boden unter meinen Schuhen.

"Na ja ... Dafür, dass er einen guten Tag hatte ...", sage ich schulterzuckend. "Er war schon immer ziemlich ... speziell ..."

Immer noch mit gesenktem Blick winke ich ab.

"Ich habe nichts gesagt ..."
 

Inzwischen sind wir da angekommen, wo wir vor knapp einer Stunde losgelaufen sind. Ich bleibe stehen und trete meine Zigarette auf dem Boden aus.

"Er ist nicht speziell, er ist ein Wichser", grunze ich und werfe dir einen entschuldigenden Blick für die rüde Ausdrucksweise zu. "Tut mir Leid, aber so ist es. Der Kerl hat nicht das Recht, sich dein Vater zu nennen."

Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe an der Fassade des Gebäudes hinauf.

"Tja. Da wären wir also."
 

"Muss dir nicht Leid tun", erwidere ich mit gleichgültiger Stimme.

Ich habe ihn schließlich schon mit wesentlich schlimmeren Ausdrücken beschimpft - wenn auch hauptsächlich nur gedanklich.

"Ich kenne ihn nicht anders ..."

Mit einem lautlosen Seufzen betrachte ich das Gebäude, vor dem wir stehen geblieben sind. Ich habe nicht das geringste Interesse, mich jetzt wieder mit Crane herum zu schlagen. Aber leider habe ich keine andere Wahl, als ihn gleich im Anschluss wieder eine Stunde lang ertragen zu müssen.

"Tja ... Dann werde ich mal wieder Crane mit meinem Charme in Verzückung bringen ...", sage ich mit einem ironischen Grinsen.
 

Mit einem schiefen Lächeln klopfe ich dir auf den Rücken.

"Ich tue mal so, als hättest du das ernst gemeint", murmle ich. "Dann wollen wir dich mal beim Onkel Doktor abliefern."

Ich betrete vor dir das Gebäude und halte die Tür auf, damit du hindurch gehen kannst. Das Büro von Crane befindet sich im zweiten Stockwerk. Sicher hat man von dort eine hervorragende Aussicht auf das Freigelände. Jede Wette, dass der Arzt uns den einen oder anderen Blick zugeworfen hat.

Vielleicht ist ihm ja aufgefallen, dass man mit dir so viel besser reden kann, wenn man dir ein angenehmeres Umfeld bietet. Hoffentlich berücksichtigt der Mann das in zukünftigen Sitzungen.

Ich klopfe sachte bei Crane an und einen Augenblick später öffnet der Doktor uns die Tür zu seinem Büro und begrüßt uns mit einem höflichen Lächeln.

"Na, die Herren? Hatten Sie einen angenehmen Spaziergang?"
 

Mein Gesichtsausdruck verfinstert sich mit jedem Meter, den wir uns dem Büro von Crane nähern. Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich diesen Typen nicht ausstehen kann?

Schon alleine für dieses schleimige, unehrliche Lächeln, das er uns zuwirft, als er die Tür öffnet, möchte ich ihm am liebsten direkt ins Gesicht springen. Leider würde das in Gegenwart des Polizeichefs nicht gut in meinem Führungszeugnis kommen, weswegen ich mich auf einen finsteren Gesichtsausdruck beschränke.

"Wie immer eine Freude, Sie zu sehen, Doktor ...", sage ich wenig freundlich und betone den Titel mit voller Absicht abfällig.
 

"Edward, bitte", mahne ich väterlich.

Crane wirft mir aus verengten Augen einen verdutzten Blick zu, den er langsam weiter zu dir wandern lässt.

"Wir hatten einen wunderbaren Spaziergang, danke, Dr. Crane."

"Nicht der Rede wert. Sie können das ruhig wiederholen", meint der Arzt freundlich. "Edward hat ja richtig Farbe bekommen. Nicht mehr so blass um die Nase. Na ja. Ich gehe kurz meine Unterlagen holen, dann nehme ich Edward gleich mit für unsere Sitzung."

Ich warte, bis der Arzt wieder in seinem Büro verschwunden ist, um mich endgültig von dir zu verabschieden - zumindest für heute.

"Also dann. Es hat wirklich Spaß gemacht, Junge. Hätte ich gar nicht erwartet, um ehrlich zu sein."
 

Ich lasse Crane nicht aus den Augen und das ist auch gut so. Dieser Blick, den er mir zuwirft, lässt mich jetzt schon ahnen, wie das Gespräch mit ihm gleich laufen wird. Allein durch seine Stimme läuft mir kurz ein Schauer über den Rücken.

Das kann ja was werden ...

"Tja, ich bin eben immer wieder für eine Überraschung gut ...", murmle ich dir zu, nachdem Crane die Tür wieder zugemacht hat. "Vergiss die Kippen beim nächsten Mal nicht ..."
 

"Werde ich nicht", schnaube ich feixend und strecke dir die Hand entgegen. "Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen, junger Mann."

Fast spüre ich so etwas wie Abschiedsschmerz, obwohl das vollkommen dämlich ist. Aber es lief heute so überraschend gut, dass ich versucht bin, dich sofort hier raus zu holen und zurück hinter deinen Schreibtisch im GCPD zu verfrachten, um so zu tun, als sei nichts passiert. Aber das geht natürlich nicht. Du musst deine Zeit absitzen, wie jeder andere Verbrecher auch. Wobei ich gestehen muss, dass du mit Abstand mein Lieblingsverbrecher bist.
 

Bei diesem »junger Mann« ziehe ich eine Augenbraue nach oben und sehe dich mit einem Blick an, als ob du gerade den Verstand verloren hast. Deine ausgestreckte Hand ignoriere ich geflissentlich. Ich bin mit fast dreißig definitiv zu alt, um mich so von dir bezeichnen zu lassen - egal, wie viel älter du bist.

"Man sieht sich ...", sage ich einfach lapidar und bereite mich innerlich schon mal darauf vor, Crane nicht gleich umzubringen, sobald er den Mund aufmacht.

Wo haben Sie eigentlich diese tollen Klecksbilder versteckt?

Als ich mir deine Akte unter den Arm klemme, streift mein Blick automatisch den Schrank, in dem ich meine Maske eingeschlossen habe. Wie gerne würde ich sie zu unserer Sitzung mitnehmen ... aber nein. Dafür ist es noch zu früh. Ich bin nur ungeduldig wegen deinem Gespräch mit Gordon, diesem Tölpel.

Du scheinst den Kerl ja zu mögen, aber für mich ist er nur einer von Vielen, die mir auf den Leim gehen, ohne groß darüber nachzudenken.

Dass ihr beide so gut miteinander auskommt, wurmt mich gewaltig. Hauptsächlich, weil ich nicht weiß, in welcher Verbindung ihr zueinander steht. Aber das werde ich schon noch herausfinden. Natürlich könnte ich Gordon einfach fragen, aber das wäre geschummelt. Du wirst es mir sagen, weil du es sagen willst. Oder weil ich dich dazu zwinge.

Mit neuem Elan trete ich zu dir auf den Gang, als der Commissioner gerade die Hände in die Manteltaschen schiebt und davon stiefelt. Ich warte, bis er um die nächste Ecke verschwunden ist, ehe ich dir ein eisiges Lächeln schenke, das in letzter Zeit einzig dir gebührt.

"Sah nach einem netten Plausch aus", knirsche ich. "Mittendrin wirkten Sie richtig sentimental. Wenn nicht sogar weinerlich, möchte ich sagen ..."
 

Ich sehe Gordon nach, bis er um die Ecke verschwunden ist und widerstehe dem Drang, dir auf der Stelle einen Blick zuzuwerfen, der deutlich zeigt, was ich von dir halte. Aber auch, als der Commissioner aus meinem Blickfeld verschwunden ist, weigere ich mich, dich anzusehen.

"Sind Sie jetzt unter die Voyeure gegangen, Crane ...?", stelle ich leise eine Gegenfrage und drehe dir langsam den Kopf zu.

Der Blick, den ich dir dabei zuwerfe, könnte man sicher als fast schon psychopathisch werten.

"Schon blöd, wenn man sonst keine Hobbies hat, was?"
 

Deinem leicht irren Blick begegne ich mit einem ausgewachsenen Grinsen.

"Kann es sein, dass Sie mich nicht sonderlich mögen?", frage ich ungerührt und warte gar keine Antwort ab.

Stattdessen gebe ich dir einen Wink, dass du mitkommen sollst, und führe dich in das Zimmer, in dem wir bisher alle unsere Sitzungen abgehalten haben. Nicht unbedingt gemütlich, aber es sieht etwas mehr nach Krankenhaus als nach Gefängnis aus. Nicht, dass das einen schlauen Kerl wie dich großartig beeinflussen könnte.

Ich mache es mir auf dem Stuhl bequem, den ich immer einnehme, und bereite geflissentlich meinen Notizblock vor, ehe ich dich wieder ansehe.

"Können wir dann?", frage ich ungeduldig und deute einladend auf den freien Platz auf der Liege vor mir.

Eigentlich sollen die Patienten sich in der bequemen Lage entspannen. Was du natürlich nie tust.
 

Wie kommst du nur auf die verrückte Idee, dass ich dich nicht leiden kann, frage ich mich und rolle leicht frustriert mit den Augen. Dann seufze ich ergeben und folge dir deutlich widerwillig.

Während du dich wie immer auf unsere Sitzung vorbereitest, male ich mir in Gedanken aus, wie ich dich mit deiner Krawatte erwürge. Dabei schleicht sich ein sadistisch angehauchtes Grinsen auf meine Lippen.

Als du dann wie immer auf die Liege deutest, hebe ich - wie immer - demonstrativ die Hände. Es ist jedes Mal dasselbe Spiel. Mit den Handschellen bin ich noch unkooperativer als sonst.

"Sind Sie das Spiel nicht langsam Leid?", frage ich und bleibe demonstrativ stehen.

Dann seufze ich theatralisch.

"Aber wenn Sie so ein Spielkind sind ..."
 

Langsam sehe ich von meinem Block auf. Keine Spur von irgendeinem Lächeln im Gesicht.

"Dasselbe könnte ich Sie fragen."

Mit einem ebenso dramatischen Seufzen lege ich meine Utensilien auf den kleinen Beistelltisch neben mir und stehe auf, um dir die Handschellen abzunehmen. Du hast wirklich eine Abneigung gegen die Dinger. Zugegebenermaßen kann ich dir das nicht mal verdenken.

"Bitte, Edward", sage ich gönnerhaft und kehre zu meinem Stuhl zurück. "Wenn Sie dann Platz nehmen würden?"
 

Mit einem selbstzufriedenen Lächeln und deutlichem Spott im Blick sehe ich dir ziemlich gelassen dabei zu, wie du sehr widerwillig an meinen Handschellen herum fummelst, um sie mir abzunehmen.

"Tja ... Und trotzdem gewinne ich jedes Mal ...", erwidere ich reichlich selbstgefällig und schlendere betont gelassen zu der Liege und setze mich hin. "Was wollen Sie denn heute wissen? Etwas über meine Essgewohnheiten? Oder ob ich als Kind ein Haustier hatte?"

Demonstrativ gelangweilt schlage ich die Beine übereinander, verschränke die Arme vor dem Oberkörper und sehe dich mit einem provozierenden Grinsen an.
 

Ich kann nicht verhindern, dass sich meine Finger vor Wut fest an den Block krallen, als du so unverschämt mit mir redest. Wie immer tust du dein Möglichstes, um mich zur Weißglut zu treiben. Ich nehme die Hände weg, als das Papier bereits ein Eselsohr hat.

"Reden wir lieber über Ihre Beziehung zu Commissioner Gordon."

Meiner Stimme ist der Ärger zum Glück nicht anzumerken. Sie klingt gleichgültig und geschäftig wie immer.

"Wie stehen Sie zu ihm in Verbindung?"
 

"Oh wissen Sie ...", beginne ich grinsend. "Der Commissioner und ich sind seit Jahren ganz dicke Freunde."

Mein Grinsen wird ein kleines bisschen gehässiger und der Spott in meiner Stimme nimmt zu.

"Sie wissen doch, was Freunde sind, oder?"

Ich mache eine Kunstpause.

"Jim und ich gehen jeden Sonntag zum Golf. Das ist sehr entspannend."
 

Ich unterdrücke den Drang, die Augen zu verdrehen. Ich habe natürlich damit gerechnet, dass du mir keine Auskunft geben wirst. Wie erwartet ernte ich stattdessen dumme Kommentare. Typisch. Ich vermerke mir das kurz auf dem Block, hauptsächlich, um überhaupt etwas zu schreiben.

Bei deinem Kommentar zum Thema Freundschaft verziehe ich kurz wütend das Gesicht.

Kennt deine Dreistigkeit eigentlich Grenzen?

Wobei du natürlich irgendwie Recht hast. Ich lege tatsächlich keinen Wert auf irgendwelche Freundschaften. Beziehungen muss man pflegen - Zeit, die ich auch sehr viel effektiver in mich selbst investieren kann.

Der Rest deiner Worte ist ihrem Klang nach erstunken und erlogen, deswegen lasse ich das gleich unkommentiert.

"Sie müssen es mir auch gar nicht erzählen. Ich verstehe, wenn es Ihnen unangenehm ist. Verraten Sie mir lieber, wie Sie sich nach diesem Gespräch fühlen."
 

"Unangenehm?"

Ich lache kurz spöttisch auf.

"Wo denken Sie bloß hin, Crane. Der Commissioner und ich haben nur darüber gesprochen, dass wir demnächst mal zusammen zum Angeln fahren wollen. Und na ja ..."

Ich seufze theatralisch.

"Es geht mir immer so zu Herzen, diesen armen Fischen einen Haken durch die Unterlippe zu jagen."

Ich sehe dich einen Moment lang an, ehe mein Grinsen breiter wird.

"Wo haben Sie eigentlich diese tollen Klecksbilder versteckt? Wie wär's, wenn wir heute mal damit beginnen?"
 

Mit einem bösen Blick auf dich mache ich mir einen Vermerk, dass es sich definitiv lohnt, weiter über Gordon nachzubohren. Wenn du wegen dem Kerl solche Geschichten aus dem Ärmel schüttelst, muss dir wirklich Einiges daran liegen, dass ich nicht erfahre, was ihr miteinander zu schaffen habt. Interessant. Ich unterstreiche den Namen auf meinem Blatt.

"Es ist noch nicht an der Zeit für den Rorschach-Test, Edward. Ich habe einen straffen Terminplan und will nicht, dass Sie meine Zeit mit irgendwelchen ausgedachten Antworten vergeuden."

Ein gehässiges Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht.

"Wissen Sie, im Gegensatz zu Ihnen bin ich hier, um zu arbeiten und sitze nicht den lieben lagen Tag dumm und untätig herum."
 

Erstaunlich, wie gut meine Laune gerade ist, wo ich dir vorhin noch die Pest an den Hals gewünscht habe. Irgendwie fange ich an, diese Therapiesitzungen mit dir zu genießen. Und ich muss gestehen, ich habe mich schon lange nicht mehr so gut amüsiert.

"Schade, ich mag die Klecksbilder ...", sage ich gespielt enttäuscht und seufze theatralisch. "Wie wär's, wenn wir diese spannende Assoziationskette probieren?", frage ich dann und setze dasselbe schleimige Lächeln auf wie du es vorhin Gordon geschenkt hast.

Deinen Kommentar bezüglich meiner Untätigkeit übergehe ich einfach mit demselben sturen Lächeln. Meine durchaus gewinnbringenden Besuche auf der Krankenstation müssen dich nicht interessieren.
 

Ganz automatisch schlage ich mir eine Hand vor mein Gesicht und seufze gequält. Manchmal ist es wirklich hart, meinen Job zu machen. Wobei ich das gerade nicht mal tue. Denn dann würde ich dir tatsächlich einen Rorschach-Test vorlegen und nicht weiter nach Informationen fischen.

"Sie sind heute sehr kindisch, Edward."

Ein Funkeln in meinen Augen.

"Liegt das an dem Gespräch mit Gordon? Sie beide waren ja fast wie Vater und Sohn."

Ich lächle dich süßlich an und halte schon den Stift im Anschlag.
 

Mit deinem gequälten Seufzen und deinem Facepalm bewirkst du, dass mein Grinsen noch ein Stück breiter wird. Irgendwie amüsiere ich mich gerade königlich. Mit jeder Sitzung ist es einfacher, dich zu nerven.

"Man sollte sich immer einen Hauch Kindlichkeit bewahren", sage ich grinsend und lasse dich nicht aus den Augen.

Das Funkeln in deinen Augen ist mir natürlich nicht entgangen.

Was führst du jetzt schon wieder im Schilde?

Es gefällt mir nicht gerade, dass du aus dem Gespräch mit Gordon tatsächlich ableiten kannst, dass wir uns tatsächlich recht nahe steht - für meine Verhältnisse jedenfalls. Deswegen fällt mein Grinsen auch ein klein wenig in sich zusammen.

"Ich habe keine Ahnung, was den Commissioner zu seinem Gesuch bewogen hat", sage ich und versuche, möglichst vage zu klingen.
 

"Tatsächlich nicht?", hake ich süßlich nach. "Nun, das überrascht mich ein wenig, wenn ich ehrlich bin."

Mit einem raubtierhaften Grinsen nehme ich die Brille ab und beuge mich näher zu dir nach vorn.

"Neigen Sie also in Ihrer ganzen Kindlichkeit dazu, sich Leuten, mit denen Sie nichts zu schaffen haben, derart anzuvertrauen?"

Ich schnalze tadelnd mit der Zunge und schüttele mit gespielter Enttäuschung den Kopf.

"Edward, Edward. Hat Ihnen Ihre Mutter nicht beigebracht, dass man Fremden nicht einfach so trauen darf?"

Ist das der berühmte Aha-Moment, wo man kapiert, dass man wirklich verrückt ist?

Als du plötzlich, wie aus dem Nichts, meine Mutter erwähnst, fällt mein Grinsen endgültig in sich zusammen und mir entgleiten die Gesichtszüge. Mir ist natürlich klar, dass du meine Polizeiakte kennst und damit auch dass, was das GCPD über meine Vergangenheit weiß. Aber dass du es ohne Vorwarnung einfach so ansprichst, macht mich sprachlos.

Viel zu langsam und viel zu spät bekomme ich meine Mimik wieder unter Kontrolle, doch den entsetzten und verletzten Ausdruck in meinen Augen kann ich nicht einfach mit einem dünnen Lächeln überspielen. Auch noch nach so vielen Jahren tut es weh, wenn es um meine Mutter geht - wie ich Weihnachten eindrucksvoll bewiesen habe.

Ich muss hart schlucken und kann deinem forschenden Blick nicht lange stand halten. Ich wende den Kopf ein Stück zur Seite und starre stur an dir vorbei.
 

Na, da sieh mal einer an. Das großspurige Mundwerk bleibt geschlossen und du schaust äußerst pikiert an mir vorbei. Beinahe verletzt, würde ich sagen. Wenn das mal Nichts ist.

Mit einem genüsslichen Grinsen mache ich mir meine Notizen und setze die Brille wieder auf, ehe ich dich gespielt mitfühlend ansehe.

"Das Thema Familie scheint Ihnen sehr nahe zu gehen, Edward. Lassen Sie uns darüber sprechen."

Ich tippe mir kurz nachdenklich mit dem Stift an die Unterlippe, bevor ich die entscheidende Frage stelle.

"Glauben Sie denn, dass der Commissioner für Sie das sein könnte, was Ihr Erzeuger niemals war - ein Vater? Oder halten Sie es für eine fixe Idee, einen Wunschtraum, den Gordon gar nicht teilt?"
 

Mein Blick flackert wieder zu dir und ich sehe dich einen Moment mit einer Mischung aus Erstaunen und Verunsicherung an. Viel zu spät realisiere ich in diesem Moment, das du in meinem Gesicht anscheinend wie in einem offenen Buch lesen kannst. Ich muss härter werden, damit mir dieses Thema in Zukunft nicht mehr so zu Herzen geht.

"Nein ...", sage ich schließlich mit dünner und fast schon brüchiger Stimme.

Meine Arme verschränke ich fester vor dem Oberkörper und sinke ein wenig in mich zusammen. Mir ist klar, dass diese sehr abweisende und defensive Körperhaltung ein weiterer Nagel zu meinem seelischen Sarg ist, aber ich kann es nicht verhindern.

Ich will nicht über meine Familie reden und am allerwenigsten mit dir. Ich traue dir nicht über den Weg, weswegen ich mit Sicherheit nicht freiwillig über meinen Vater, meine Mutter oder Gordon spreche werde.
 

Mein Mund ist schon halb offen, weil ich einen gehässigen Kommentar abgeben will, aber ich überlege es mir anders. Vielleicht ist das der Zeitpunkt, um den Psychiater herauszukehren und zu versuchen, dich auf andere Wege zu erreichen. So amüsant es auch ist, mich verbal mit dir zu messen - eine wirkliche Antwort bekomme ich davon nicht.

"Sehen Sie, Edward", setze ich also ruhig an. "Sie sind hier, weil Ihnen geholfen werden soll. Wie wollen Sie denn Fortschritte mit der Therapie machen, wenn Sie entweder Witze reißen, unverschämt sind oder vollkommen abblocken? Sie sind doch besser als diese ganzen anderen Verrückten, meinen Sie. Wieso zeigen Sie das nicht durch ein bisschen Kooperation und reden mit mir?"

Na, das klingt doch absolut plausibel. Ich würde mir den Mist abkaufen.
 

"Ich bin nicht verrückt", rutscht es mir raus, ehe ich es verhindern kann.

Auch nach vier Wochen in Arkham kann ich es nicht leiden, wenn man mich mit Irren wie Joker in einen Topf wirft. Ich bin wirklich empfindlich bei diesem Thema. Wenn ich recht darüber nachdenke, bin ich bei ziemlich vielen Themen empfindlich. Das muss ich auch unbedingt ändern.

Die Worte von Commissioner Gordon kommen mir wieder in den Sinn, dass ich mich auf die Therapie einlassen soll. Ich werfe dir einen prüfenden Blick zu. Ich traue dir nicht über den Weg, weswegen sich mein Wille, mich dir gegenüber zu öffnen, stark in Grenzen hält.

Ich denke einen Moment über deine Worte nach und frage mich, was es überhaupt bringen würde, wirklich mit dir zu reden, anstatt mich immer nur verbal zu duellieren.

"Ich weiß wirklich nicht, was Gordon für ein Interesse an mir hat ...", sage ich dann leise und löse ein wenig die Verkrampfung in meinen verschränkten Armen.
 

Du bist zumindest nicht verrückter als ich, denke ich mit einem Schmunzeln und blicke nach unten auf meinen Notizblock, um mich zu fassen. Darüber werde ich mit dir ganz sicher nicht philosophieren.

Dass du scheinbar tatsächlich gewillt bist, auf meinen Vorschlag einzugehen, schockiert mich fast ein bisschen. Keine Sekunde nehme ich dir ab, dass sich die Wogen geglättet haben. Du lenkst einfach nur ein, weil du dir irgendwie einen Vorteil erhoffst. Aber gut. Wir müssen wohl Beide unsere Rolle zu spielen beginnen, denn ich kann mir nicht leisten, dass irgendjemand misstrauisch wird, was ich eigentlich mit meinem Patienten mache.

"Aber er ist Ihnen grundsätzlich nicht unsympathisch? Sonst würden Sie sich doch nicht darauf einlassen, obwohl Sie nicht wissen, was er will", fahre ich also in meinem typischen Reden-wir-über-Ihre-Gefühle-Tonfall fort.
 

Ich halte deinem Blick stand und versuche irgendwo in deinen fast schon tot wirkenden Augen etwas zu finden, was mir Aufschluss darüber gibt, was du vor hast. Aber ich finde sehr zu meinem Bedauern nichts. Müde fahre ich mir über das Gesicht und halte den Kopf gesenkt.

Werde ich vielleicht wirklich langsam paranoid?

Gehöre ich vielleicht wirklich hier nach Arkham?

Sehe ich schon Gespenster, weil ich mir gedanklich die verrücktesten Dinge ausmale die dich betreffen?

Bisher konnte ich mich gut auf mein Gefühl verlassen, wem man trauen kann und wem nicht. Und bei dir hatte ich von Anfang an ein richtig mieses Gefühl. Ich seufze lautlos und hebe vorsichtig den Blick.

"Gordon meinte nur, er wollte mich besuchen, um mich besser kennen zu lernen. Keine Ahnung, was ich davon halten soll ..."
 

Die Worte scheinen sogar der Wahrheit zu entsprechen, was einen ganzen Haufen Fragen aufwirft. Wenn du selbst keine Ahnung hast, was Gordon eigentlich von dir will, dann brauche ich auch nicht versuchen, es aus dir herauszubekommen. Vielleicht brauche ich den Commissioner persönlich auf meiner Couch, wenn er irgendwelche Verbrecher »besser kennen lernen« will.

"Aber Sie scheinen nicht abgeneigt zu sein", stelle ich fest.

Was ich da vorhin von meinem Fenster aus beobachtet habe, sah zumindest nicht so aus, als hättest du großartig bei dem Gespräch gelitten.

"Ist es ungewohnt, dass jemand derart freundschaftlich mit Ihnen umgeht?"
 

Ein bisschen hilflos zucke ich mit den Schultern und weiß nicht wohin ich sehen soll. Mein Blick wandert unruhig hin und her. Diese Situation fühlt sich sehr unangenehm an und doch irgendwie auch wieder nicht. Irgendwo ganz tief in meinen Gehirnwindungen ist da diese kleine Stimme, die mir zuflüstert, dass es gut wäre, ein bisschen emotionalen Ballast abzuwerfen.

"Ich weiß nicht, was ich davon halten soll ...", murmle ich nach einem kurzen Moment des Zögerns leise. "Er hat sich sogar bei mir entschuldigt", füge ich hinzu und sehe dich mit deutlicher Unsicherheit im Blick an.

Irgendwie ist es mir peinlich, tatsächlich mal ehrlich dir gegenüber zu sein.

Ist das der berühmte Aha-Moment, wo man kapiert, dass man wirklich verrückt ist?
 

Dir ist anzusehen, dass du dich hin- und hergerissen fühlst. Einerseits willst du mir natürlich auf Teufel komm raus nichts anvertrauen - andererseits scheint es dir sogar gut zu tun, genau das zu machen. Wenn das mal keine hervorragende Ausgangssituation ist.

"Überrascht Sie das so sehr?", frage ich und kritzle nebenbei auf meinen Block. "Glauben Sie nicht, dass Sie eine Entschuldigung verdient haben?"

Das ist in der Tat eine interessante Frage. Mir gegenüber trägst du zwar ziemlich dick auf, aber ich bezweifle, dass dein Selbstbewusstsein wirklich so groß ist. Du scheinst zwar ziemlich arrogant zu sein, aber in deinem Inneren bist du wohl nicht so sehr im Reinen mit dir selbst.

"Warum schreckt es Sie so ab, wenn Jemand freundlich zu Ihnen ist?"
 

Um etwas Zeit zu gewinnen, raufe ich mir die Haare und sehe dann hoch zur Zimmerdecke.

"Nein ...", sage ich langsam und plötzlich erscheint das Bild meines Vaters von meinem inneren Auge, wie er langsam ausblutet. "Keine Entschuldigung ... Nicht von Gordon ..."

Langsam senke ich den Blick und sehe dich an. Keine Ahnung, was du in meinen Augen sehen kannst, aber ich fühle mich momentan ziemlich entblößt und das gefällt mir nicht besonders. Diesen Seelen-Striptease konnte ich noch nie besonders gut.

"Tja ...", murmle ich leise und atme tief durch. "Liegt vermutlich daran, dass ich das nicht kenne ..."
 

"Nun, so Leid es mir tut, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen, wenn es um Gordon geht. Ich habe keine Ahnung, was der Mann mit Ihnen zu schaffen hat."

Damit habe ich gerade tatsächlich meine Unwissenheit zugegeben, aber es kann nicht schaden, einen Schritt auf dich zuzumachen. Therapie ist eben ein Geben und Nehmen. Vor allem, wenn man ein Ziel vor Augen hat.

"Haben Sie überhaupt Niemanden, der für Sie da ist? Oder bilden Sie sich das ein?"

Ich mustere dich eingehend.

"Sie scheinen mir die Menschen mit großem Eifer von sich zu stoßen. Vielleicht kennen Sie es nicht, weil Sie es einfach nicht zulassen."
 

"Willkommen im Club ...", murmle ich leise mit einem dünnen ironischen Grinsen.

Ich habe zwar eine Ahnung, weswegen Gordon vorhin hier aufgekreuzt ist, aber solange ich mir nicht vollkommen sicher bin, werde ich mich hüten, auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Er wird über Barbara reden wollen, weswegen er sicherlich nicht unabsichtlich immer wieder das Gespräch auf sie gelenkt hat. Er will vermutlich wissen, was wirklich Alles zwischen uns passiert ist.

Bei deinem prüfenden Blick senke ich wieder den Kopf.

"Na ja ...", beginne ich vorsichtig, löse die Verschränkung meiner Arme und knete ein bisschen unschlüssig meine Hände. "Es gab Jemanden ... Aber das ist Geschichte ..."
 

Etwas überrascht sehe ich dich an.

Ernsthaft?

Du hattest Jemanden?

Ich hätte dich für einen kompletten Einzelgänger gehalten, der keinen anderen Menschen auch nur ansatzweise an sich heran lässt. Dass du mir so offen von diesem »Jemand« erzählst, überrascht mich doch ein bisschen.

"Geschichten sind dazu da, um erzählt zu werden", sage ich freundlich. "Wie ging es Ihnen mit dieser Person? Und wie empfinden Sie jetzt, da es vorbei ist?"
 

Ein wenig irritiert hebe ich wieder den Kopf an und sehe dich zweifelnd an. Mir ist bisher nie in den Sinn gekommen, überhaupt mit irgendeiner Person über Barbara zu sprechen. Vermutlich kannst du mir auch ansehen, wie unwohl ich mich gerade in meiner Haut fühle.

"Wir haben uns im GCPD kennen gelernt ...", fange ich nach einem Moment des Schweigens an zu erzählen.

Ich kann dir dabei nicht in die Augen sehen und betrachte lieber den Fußboden.

"Als ich dort noch gearbeitet habe. Sie hat ..."

Ich unterbreche mich schnell. Besser, wenn ich mich möglichst vage halte.

"Es hat den Alltag ein bisschen erträglicher gemacht, auch wenn es nicht gerade einfach war. Aber es ist vorbei und das ist auch gut so", ende ich, auch wenn ich mir meine letzten Worte selber nicht abkaufe.
 

Interessant. Du hattest also eine Liebelei am Arbeitsplatz. Dabei hätte ich dich als Jemanden eingeschätzt, der in seiner Arbeit sehr gründlich und professionell ist. Dass du mit einer deiner Kolleginnen etwas angefangen hast, wirft ein ganz anderes Licht auf dich.

Ich verziehe ein bisschen das Gesicht. Allein der Gedanke, mit einer der dumpfen Schwestern hier auszugehen, ist mir zuwider. Nein, danke, da bleibe ich lieber schön für mich und schlage mich nicht mit irgendeiner Frau herum, die sich in meine Arbeit einmischt.

"Haben Sie beide sich denn einvernehmlich getrennt? So eine Trennung hinterlässt immer Spuren, wenn nur einer der Partner unglücklich mit der Situation war."
 

"Na ja ... Mehr oder weniger ...", murmle ich leise und gehe mir fahrig durch die Haare. "Es war ... irgendwie ziemlich kompliziert."

Ich mache eine Pause, die mir schon nach wenigen Sekunden endlos lang vorkommt.

"Es war eigentlich auch keine richtige Beziehung. Es war mehr ... Ach, ich weiß auch nicht ..."
 

Nachdenklich lege ich eine Hand an mein Kinn und betrachte dich. Entweder geht dir diese Sache wirklich nahe oder du hast einen Oscar verdient. Ich hoffe mal auf Ersteres.

"Aber es scheint auch keine unbedeutende Affäre gewesen zu sein", stelle ich gelassen fest. "Sie hängen augenscheinlich sehr an dieser Person. Auch wenn Sie es sich selbst nicht richtig erklären können. Haben Sie sich mal mit ihr ausgesprochen?"
 

"Keine Ahnung, was es war ... Vielleicht Freundschaft mit Extras oder so ...", erwidere ich ausweichend.

Es fühlt sich sehr unbehaglich für mich an, überhaupt darüber zu sprechen. Vor allem, da ich selber nicht weiß, was es nun überhaupt war.

Kann man den gelegentlichen Austausch von Berührungen und Körperflüssigkeiten überhaupt Beziehung nennen?

Meine Gedanken wandern kurz zu dem Moment im Gotham General, als Barbara mir ziemlich unmissverständlich mitgeteilt hat, dass für sie die Sache beendet ist. Als ich mich daran erinnere, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe, muss ich mir notgedrungen eingestehen, dass es mich wirklich tiefer getroffen hat, als ich es mir bisher eingestanden habe.

Ich sehe dich einen Moment unschlüssig an. Eine wirkliche Aussprache hatten Barbara und ich nie. Es war ja eigentlich auch nichts Ernstes. Dachte ich zumindest bisher. Schließlich schüttle ich langsam den Kopf und sehe reichlich betreten zu Boden.
 

"Ja, mit extra Gefühlen", meine ich trocken.

Den konnte ich mir nun wirklich nicht verkneifen. Ich bin auch nur ein Mensch. Etwas halbherzig versuche ich mich an einem entschuldigenden Lächeln.

"Es scheint mir aber, dass so eine Aussprache dringend nötig gewesen wäre. Sie wirken nicht sonderlich glücklich mit dem Vorgefallenen."

Ich räuspere mich dezent.

"Würde Ihnen vielleicht gut tun, wenn Sie sich mit der Dame noch einmal richtig unterhalten. Ich könnte vermitteln, wenn Sie das möchten."

Und vor allem könnte ich ein bisschen tiefer in deine Seele schauen, wenn ich einem Gespräch mit deiner Verflossenen beiwohne. Da schlage ich doch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich bekomme, was ich will, und du denkst, dass du bekommst, was du willst. Was mir unweigerlich Sympathiepunkte einbringt und wiederum noch mehr dazu beiträgt, dass ich bekomme, was ich will. Klingt doch großartig.

Auf Beruhigungsmittel und Zwangsjacken reagiere ich wirklich extrem allergisch.

Ich werfe dir einen überraschten Blick zu, der sich ziemlich schnell verfinstert. Da ist er wieder, dieser Moment, an dem mir klar wird, dass du mich nicht ernst nimmst. Und dass du ein Arschloch bist. Psychiater hin oder her. Als du erwähnst, dass du vermitteln willst, wird mein Blick sogar noch finsterer.

Denkst du wirklich, dass ich dir das abkaufe?

Dass ist doch nur wieder so ein Trick von euch Therapeuten. Es ist schon schlimm genug für mich, dass du mir tatsächlich ein paar Informationen rausgekitzelt hast.

"Nein, danke ...", knurre ich leise und starre trotzig an die Wand hinter dir.

So weit kommt es noch, dass du noch mehr über mein - kaum vorhandenes - Privatleben erfährst. Lieber beiße ich mir die Zunge ab, als dass ich auch nur ein weiteres Wort über irgendwas Persönliches verliere.
 

Man kann förmlich sehen, wie du die Schotten wieder dicht machst. Mein Pech. Scheinbar habe ich die Gelegenheit zu früh beim Schopf gepackt und dich verschreckt. Es ist alles andere als einfach, mit dir zu arbeiten.

"Edward, es tut mir Leid, wenn ich Ihnen gerade zu nahe getreten bin", ringe ich mir ab.

Das Schlimmste an meinem Beruf ist, zu Kerlen wie dir nett sein zu müssen, wenn mir eigentlich gar nicht danach ist.

"Ich entschuldige mich, wenn ich Sie aufgebracht habe."

Vielleicht nimmt es deinem Trotz ja den Wind aus den Segeln, wenn ich zugebe, etwas falsch gemacht zu haben. Einen Versuch ist es wert, auch wenn es am Ego kratzt.
 

"Tzt!", zische ich dir mit einem wütenden Seitenblick zu und nehme eine mehr als sture Körperhaltung ein.

Die Arme habe ich fest vor dem Oberkörper verschränkt und das Kinn trotzig nach vorn geschoben, was mir gleichzeitig ein arrogantes Aussehen verleiht.

Deine Entschuldigung, die ich dir nicht abkaufe, kannst du dir sonst wo hinstecken. Ehe ich die annehme, müsste schon die Hölle zufrieren. Lieber verzichte ich weiterhin auf irgendwelche Annehmlichkeiten, als dir auch nur einen Zentimeter entgegen zu kommen.
 

Das kann ja wohl nicht wahr sein. Scheinbar hast du dir wirklich vorgenommen, einen auf beleidigte Leberwurst zu machen und so zu tun, als wäre ich gar nicht da.

Toll.

Wirklich.

Richtig super.

Etwas ratlos sehe ich dich an und warte schon fast darauf, dass du dich wieder einbekommst. Das passiert natürlich nicht.

"Ach, Edward", seufze ich. "Dabei lief es doch gerade so gut. Sie waren so kooperativ, ich dachte schon, wir sind endlich auf einem guten Weg. Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, sich den zu verbauen, nur weil Sie schmollen?"
 

Als du mir sagst, dass ich angeblich schmolle und mit einem Tonfall sprichst, als ob ich ein kleines Kind bin, drehe ich dir ruckartig den Kopf zu funkle dich wütend an.

Es ist sicherlich eine richtig blöde Idee, jetzt einen meiner Wutanfälle zu bekommen, aber ich kann es nicht verhindern. Du regst mich schon seit dem ersten Tag in diesem Saftladen auf und bisher habe ich mich zurück gehalten und dir nicht meine Meinung gesagt. Es wird Zeit, dass zu ändern, auch wenn es für mich im Nachhinein sicherlich mit entsprechenden Konsequenzen verbunden ist.

"Ich. Schmolle. Nicht.", sage ich langsam und gefährlich leise.

Meinen Blick kann man vermutlich gerade als ziemlich psychopathisch werten.

"Ich kann Sie einfach nur auf den Tod nicht ausstehen, Crane. Glauben Sie bloß nicht, dass ich auf Ihr nettes Getue reinfalle. Sie sind nichts weiter als ein scheinheiliger Wichtigtuer, der sich einen Dreck um das schert, was vor Ihrer Nase passiert!"

Meine Stimme wird lauter, als ich anfange, mich richtig reinzusteigern.

"Sie brauchen sich auch gar nicht erst einbilden, mich irgendwie analysieren zu können! Und Ihr nettes Diplom beeindruckt mich nicht im Geringsten!"

Ruckartig nicke ich in Richtung Wand, wo dein Diplom eingerahmt hängt.

"Es ist nicht mal das Papier wert, es taugt allerhöchstens als Fußabtreter!"
 

Jetzt geht hier scheinbar richtig die Post ab. Ein bisschen verblüfft starre ich dich an, als du mit einem Mal so außer dir bist.

Wer hätte denn jetzt damit gerechnet?

Während du mich anmeckerst, mache ich mir einen Vermerk über deine offensichtlichen Stimmungsschwankungen und rahme ihn mir ein. Das sollte ich auf jeden Fall im Auge behalten.

Dann widme ich dir meine volle Aufmerksamkeit und grinse dich an wie ein Honigkuchenpferd. Das ist faszinierend. Auch wenn ich mich eigentlich für eine äußerst liebenswerte Person halte, scheinst du inzwischen eine wahnsinnige Abneigung gegen mich entwickelt zu haben. Was ja heißt, dass ich irgendetwas richtig machen muss, sonst würde ich dir nicht derart auf die Nerven fallen.

Mein Blick wandert kurz zu der gerahmten Kopie meines Diploms - das Original hängt selbstverständlich in meinem Büro und nicht im Behandlungszimmer - und wieder zurück zu dir.

"Gut so, Edward", lobe ich mit einem Glitzern in den Augen. "Lassen Sie es ruhig alles raus. Tun Sie sich keinen Zwang an, bitte."

Ich beuge mich auf meinem Stuhl so weit nach vorn, dass ich dich berühren könnte, ohne die Hand sonderlich weit ausstrecken zu müssen.

"Ich brenne wirklich darauf, alles über Ihre Abneigung gegen mich zu erfahren. Mache ich Sie so wütend?"

Meine Miene wird noch ein bisschen begieriger.

"Oder sind Sie eingeschüchtert? Haben Sie Angst, dass ich zu viel Kontrolle über Sie bekommen könnte?"
 

Kaum, dass du den Mund aufgemacht hast, bekomme ich ein aggressives Zucken im linken Auge. Wie du mir auf den Keks gehst! Für eine Sekunde frage ich mich, was wohl passiert, wenn ich dich wirklich mit deiner Krawatte erwürge. Als du dann endlich wieder die Klappe hältst, fange ich an, gehässig zu lachen.

"Angst? Vor Ihnen? Da mache ich mir mehr Sorgen, in meiner Zelle vom Bus überfahren zu werden. Sie naschen wohl heimlich von Ihren Psycho-Pillen, was? Aber Sie sich ein echter Komiker. Haben Sie das beim Joker gelernt? Der ist nämlich genauso unlustig wie Sie, Sie Dumpfbacke!"

Mit einem Satz springe ich von der Liege auf und baue mich vor dir auf.

"Sie halten sich für richtig toll, nicht wahr? Tut mir ja Leid, Ihre kleine Maskerade zu zerstören, aber Sie sind ein Vollidiot! Sie würden es nicht mal schaffen, einem kleinen Kind Angst einzujagen! Ich bin zu gut und zu intelligent, als dass ich auch nur einen Cent darauf gebe, was Sie hier für einen Mist verzapfen!"
 

Mein Grinsen gefriert auf meinem Gesicht, als du dich zum Thema Angst äußerst.

Keine Angst vor mir?

Pah!

Unendlich langsam stehe ich auf, sodass wir beinahe Nase an Nase stehen. Ich nehme die Brille ab und funkle dich an.

"Sie sollten besser nicht vergessen, wen Sie hier vor sich haben, mein Lieber", sage ich in gefährlich leisem Tonfall. "Jetzt mag es Ihnen hier noch gut gehen, aber glauben Sie mir - ich bin in der Position, Sie fertig zu machen."

Beinahe verschwörerisch neige ich mich zu deinem Ohr.

"Und wenn Sie jetzt denken, ich spreche von meinem Einfluss als führender Psychiater, dann irren Sie sich gewaltig."

Mit einem wütenden Schnauben sammle ich meine Utensilien zusammen und stopfe den Kugelschreiber in die Brusttasche meines Kittels.

"Keine Angst vor mir", zische ich. "Kein Wunder. Bisher war ich die Freundlichkeit in Person, aber ich werde nur zu gern andere Saiten aufziehen. Sie dürfen sich freuen, was ich da für Mist verzapfen werde. Aber für's Erste ... streichen wir Ihnen doch erst einmal ein paar Privilegien."

Ich setze meine Brille wieder auf und gehe zur Tür des Therapiezimmers.

"Schwester", rufe ich auf den Gang hinaus.

Keine Sekunde später kommt eine Schwester aus dem Bereitschaftsraum geschossen.

"Mr. Nashton regt sich ein wenig auf. Holen Sie ihm doch bitte ein Beruhigungsmittel ..."

Ich werfe einen gehässigen Blick über die Schulter auf dich.

"Und eine Zwangsjacke. Der Mann scheint mir heute sehr aggressiv zu sein. Das ist zu seinem eigenen Schutz."
 

Meine Hände ballen sich unwillkürlich zu Fäusten, während ich mir vorstelle, sie um deinen dürren Hals zu legen und dich langsam zu erwürgen.

Es ist ja wohl die Höhe, was du kleines arrogantes Arschloch dir einbildest!

Keiner in Gotham ist mir auch nur ansatzweise gewachsen oder in der Position, mich irgendwie fertig zu machen. Die einzige Person, die das geschafft hat, habe ich schließlich bereits aus dem Weg geräumt. Und ich habe keine Hemmungen, dass notfalls auch bei dir zu wiederholen.

Bei dem mörderischen Blick, den ich dir zuwerfe, als die Schwester reinkommt, ist es kein Wunder, dass die arme Frau mich mit diesem seltsamen Blick ansieht. Aber kein Wunder, denn auf Beruhigungsmittel und Zwangsjacken reagiere ich wirklich extrem allergisch.

"Sie bilden sich wohl ein, dass Sie am längeren Hebel sitzen? Allerdings sind Sie einfach zu blöd um zu kapieren, dass ich Ihnen weit überlegen bin! Ich bin besser, als Jeder in dieser beschissenen Stadt! Sie sind ein kleiner mieser Wichser, Crane! Und Ihr beschissener Doktortitel macht Sie keinen Scheißdreck besser! Pumpen Sie mich meinetwegen mit Psycho-Drogen voll, bis es mir wieder zu den Ohren raus kommt! Aber das wird Ihnen kein Stück helfen!"

Ich habe mich mittlerweile so dermaßen in diese Wut dir gegenüber rein gesteigert, dass ich dich so laut anbrülle, dass man wohl auf der ganzen Etage hören kann, was ich von dir halte.
 

Ich versuche krampfhaft, in Anwesenheit der Schwester meine professionelle Miene zu wahren, obwohl ich gern meinen Senf zu deinen Beleidigungen dazu geben würde. Aber das lasse ich lieber und tue so, als würde das Geschrei meines Patienten mich kein bisschen aufregen.

"Wie Sie sehen, ist Mr. Nashton nicht ganz bei sich, Schwester", sage ich gelassen, während die Frau dir mit einer Spritze auf die Pelle rückt und dir das Beruhigungsmittel verabreicht. "Ich werde Ihnen einige Wärter schicken, die helfen."

Mein Blick trifft deinen.

"Erholen Sie sich gut, Edward."

Tut mir Leid, aber Sie müssen mir schon ein bisschen mehr sagen, wenn Sie wirklich in den Hochsicherheitsbereich wollen.

"Den Gang hinunter und dann die dritte Tür links, Miss Gordon."

Die freundliche brünette Schwester, die ich gerade nach dem Weg zu deinem Büro gefragt habe, lächelt mich höflich an.

"Er ist gerade frei."

Ich bedanke mich mit einem halbherzigen Lächeln und gehe langsam den Gang hinunter. Meine Beine sind ein wenig zittrig, eine Hand streicht ganz automatisch über meinen Bauch.

Bruce und Alfred wissen es. Bleiben noch meine Eltern und Edward. Heute ist Letzterer an der Reihe. Am meisten Angst habe ich nicht vor seiner Reaktion, sondern vor der von Mom und Dad.

Vor deinem Büro bleibe ich stehen und atme tief durch, bevor ich verhalten klopfe.
 

Als es an der Tür klopft, sehe ich mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck von den Papieren auf, die vor mir auf dem Schreibtisch liegen und werfe der Wanduhr einen kurzen Blick zu. Er ist früher Nachmittag und für die Patienten ist jetzt so etwas wie Mittagsruhe. Ziemlich dämliche Vorschrift, aber eine der wenigen Möglichkeiten am Tag, mich mit den Akten zu beschäftigen.

Und zurzeit habe ich eine sehr interessante - wenn auch reichlich nichtssagende - Akte vor mir. Dieser Patient ist ein absoluter Härtefall. Nicht, dass es mich stört, aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn er einfach ein bisschen kooperativer wäre. Aber gut ... Nach den Ereignissen von vor zwei Tagen, als er sich so furchtbar aufgeregt hat, weigert er sich, auch nur ein Wort mit mir zu sprechen.

Ich nehme mir die Brille ab und reibe mir kurz über die Augen. Richtig Psychiater zu spielen kann echt anstrengend sein.

"Herein ...", sage ich und setze die Brille wieder auf.
 

Bevor ich eintrete, nehme ich wieder meine Hand von meinem Bauch. Das ist eine Angelegenheit zwischen mir und Edward, die ich dir ungern unter die Nase reiben will. Die Öffentlichkeit braucht nicht früher als nötig zu erfahren, dass die Tochter des Commissioners sich hat schwängern lassen.

"Guten Tag, Dr. Crane", grüße ich beim hereinkommen.

Du bist ganz anders, als ich dich mir vorgestellt habe. In deinem Kittel strahlst du zwar Autorität aus, aber ansonsten bist du doch eher unscheinbar. Dunkles Haar, Brille, schlanke Statur. Nichts, was großartig im Gedächtnis bleiben würde.
 

Als du mein Büro betrittst, mustere ich dich aufmerksam über den Rand meiner Brille. Du hattest dich zwar gestern angekündigt, trotzdem überrascht es mich wenig, was ausgerechnet die Tochter von Commissioner Gordon hier will. Und dann willst du auch noch ausgerechnet Edward Nashton besuchen.

Ich runzle fast unmerklich die Stirn.

Warum willst du ihn sehen?

Mit ihm reden?

Was hast du mit ihm zu tun, dass du wegen ihm hier bist?

Diese Gedanken dauern nur wenige Sekunden, ehe sich ein gewinnendes Lächeln in mein Gesicht schleicht.

"Miss Gordon", grüße ich dich höflich und deute auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. "Setzen Sie sich."

Ich klappe die Akte zu.

"Was verschafft mir die Ehre?"
 

Ich komme deiner Aufforderung nach und lasse mich auf den mir angebotenen Stuhl sinken. Mein Blick schweift durch dein Büro. Ordentlich, sauber, sogar der Schreibtisch ist perfekt aufgeräumt. Unweigerlich muss ich an Edwards überladenen Schreibtisch denken und schmunzeln. Bei dir gibt es nicht mal eine einzige Kaffeetasse. An der Wand hinter dem Schreibtisch hängt ein gerahmtes Diplom, das ich über deine Schulter betrachten kann.

"Wie ich Ihnen gestern bereits mitgeteilt habe, möchte ich gern mit ... Mr. Nashton sprechen", sage ich vage. "Ich habe das ein oder andere mit ihm zu klären."
 

"Tatsächlich?", rutscht es mir neugierig heraus.

Ich bin wirklich schwer versucht, mir bei unserem Gespräch Notizen zu machen, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so noch einige Informationen über Edward bekommen kann. Einfach so aus Spaß wirst du nicht hier sein, so viel ist mir klar.

"Nun ...", sage ich lang gezogen und mustere dich genau. "Ihnen ist sicherlich bewusst, dass ich nicht einfach so Jemanden zu einem emotional instabilen Patienten wie Edward lassen kann. Er hat sich erst vor ein paar Tagen furchtbar aufgeregt, nachdem der Commissioner mit ihm gesprochen hat. Sie verstehen sicher, dass ich jeden Stress von ihm fern halten möchte."

Mit einem Lächeln beobachte ich deine Reaktionen auf diese Informationen, die größtenteils erstunken und erlogen sind. Aber das weißt du ja zum Glück nicht.
 

"Oh ...", ist Alles, was mir anfangs dazu einfällt.

Das erklärt zumindest, was Dad an seinem freien Tag außer Haus gemacht hat. Es regt mich nicht mal auf, dass er mir nichts gesagt hat.

Ich kann nicht vermeiden, dass mein Blick sich auf meinen Bauch richtet. Das wird Edward so etwas von stressen. Aber ich kann schlecht sein Kind zur Welt bringen und es ihm unter die Nase halten, wenn er wieder aus der Anstalt heraus ist.

"Ich weiß, dass das Alles ziemlich ungünstig ist, Dr. Crane", sage ich betrübt und fahre mir durch die Haare. "Aber ich muss wirklich mit ihm sprechen. Da ist etwas, das er unbedingt wissen muss."
 

Interessiert beobachte ich deine Mimik. Du wirkst ein wenig verunsichert bei meiner Bemerkung über Edwards gegenwärtigen Zustand. Wirklich sehr interessant. Es scheint dich ja fast zu treffen, dass es ihm gerade nicht so gut geht. Ich mache mir eine geistige Notiz, dass ich dem näher auf den Grund gehen werde.

"Kennen Sie Edward denn gut?", hake ich betont uninteressiert nach, auch wenn ich nichts lieber als das wissen möchte. "Bei Commissioner Gordon kann ich verstehen, warum es ihn interessiert, ob und welche Fortschritte ich bereits in der Therapie erzielt habe. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, was Sie dazu bewegt."
 

Deine Frage wirkt ernsthaft interessiert. Natürlich, du bist Edwards Arzt. Das muss dir alles sehr seltsam vorkommen. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob ich dir so einfach Alles erzählen sollte.

"Ach, das ist alles ein bisschen kompliziert, Doktor", murmle ich also vage. "Ich hab Edward gern und mache mir eben Sorgen um seinen Zustand. Er ist eigentlich ein guter Kerl."

Das klingt doch akzeptabel. Nicht, als wäre ich unsterblich in Edward verliebt, oder?
 

"Ah ja ...", murmle ich und mein Lächeln nimmt fast schon raubtierhafte Züge an.

Das ist doch mal eine sehr interessante Wendung. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast sagen, dass du mehr als nur freundschaftliches Interesse an Edward hast.

Aber die Tochter des Polizeichefs wird sich doch wohl nicht in einen geisteskranken Kriminellen verliebt haben?

Oder etwa doch?

Ich mustere dich prüfend und lege dabei besonderen Wert auf deine Mimik und Körperhaltung. Du fühlst dich anscheinend ein wenig unwohl wegen meinen Fragen, obwohl ich mich mit meiner Neugierde noch zurück halte. Betont desinteressiert lehne ich mich in meinem Sessel zurück.

"Tut mir Leid, aber Sie müssen mir schon ein bisschen mehr sagen, wenn Sie wirklich in den Hochsicherheitsbereich wollen. Da kann ja Jeder kommen und das hier ist eine Nervenheilanstalt und kein Besucherzentrum. Wie soll ich denn abschätzen können, ob ich schon mal ein Beruhigungsmittel aufziehen muss, bevor sich der Patient noch etwas antut?"
 

Scheinbar komme ich mit meinem Herumgedruckse nicht sonderlich weit. Verständlich. Welcher Arzt würde mich schon auf seinen Patienten loslassen? Abgesehen davon ist ein guter Therapeut vielleicht genau das, was ich brauche. Edward hat ja gelegentlich empfohlen, ich solle mir einen Psychiater suchen.

"Sehen Sie", fange ich unsicher an.

Wo beginne ich denn bloß am besten?

"Edward und ich ... das ist ein bisschen schwierig. Wir haben so etwas wie eine Beziehung geführt. Und obwohl wir das mehrfach beendet haben, ist es nicht wirklich vorbei."

Ich halte mich davon ab, meinen Bauch zu berühren. Das würde zu viel preisgeben.

"Da sind noch ein paar ungeklärte Dinge, die äußerste Dringlichkeit haben."
 

"Ach?", rutscht es mir heraus und ich muss mir ein wissendes Grinsen verkneifen.

Na sieh mal einer an ... Es war also keine Kollegin. Er hat gleich die Tochter vom Chef flachgelegt. Na wenn das mal nicht höchst faszinierend ist. Das hätte ich Edward nun wirklich nicht zugetraut.

Dieses Mal kann ich es mir nicht verkneifen, eine entsprechende Notiz - dick umrandet - in seine Akte zu schreiben. Diese Neuigkeit werde ich ihm richtig unter die Nase reiben und hoffentlich rastet er wieder so aus wie das letzte Mal.

Um dieses Grinsen wieder aus dem Gesicht zu bekommen, schreibe ich noch ein paar Gedankengänge in die Akte. Dann sehe ich wieder zu dir auf und wahre ein neutrales Gesicht, was dir sicherlich nicht zeigt, wie wertvoll diese Information für mich war.

"Nun gut ...", sage ich und lege den Stift zur Seite. "Ich mache Ihnen ein Angebot, Miss Gordon."

Mit dem freundlichsten Gesichtsausdruck und dem versöhnlichsten Tonfall, den ich zu bieten habe, sehe ich dich an.

"Ich werde Edward über Ihre Ankunft informieren und wenn er nichts dagegen hat, können Sie mit ihm sprechen."
 

Dankbar lächle ich dich an.

"Wirklich?", frage ich und kann meine Begeisterung kaum zügeln. "Oh, ich danke Ihnen, Doktor!"

Natürlich ist da diese kleine Stimme in meinem Kopf, die mir sagt, dass Edward mich möglicherweise gar nicht sehen will.

"Können Sie mir den Gefallen tun und ihm sagen, dass es wirklich sehr wichtig ist? Ich bin nicht aus Mitleid hier oder um mich zu versöhnen. Aber es gibt etwas, dass ich ihm unbedingt persönlich sagen muss."

Und danach wird er mich eventuell erst recht nie wieder sehen wollen.
 

"Aber selbstverständlich, Miss Gordon", sülze ich und erhebe mich mit einem herzallerliebsten Lächeln, um mich auf den Weg zu deiner Zelle zu machen. "Warten Sie kurz hier."

Sie können ausrichten, dass mich diese kleine Klette gefälligst in Ruhe lassen soll.

Meine Schritte sind regelrecht beschwingt, als ich von meinem Büro zu deinem Zellentrakt schlendere. So verschlossen du seit deinem Ausraster auch bist, heute sind mir Informationen in den Schoß gefallen, die wirklich Gold wert sind.

Vor deiner Zelle angekommen betrachte ich dich erst eine Weile schweigend, ehe ich dich anspreche.

"Hallo, Edward. Sind Sie in der Stimmung für Besuch?"
 

Ich liege auf meiner Pritsche, habe die Hände unter dem Kopf verschränkt und starre die Decke an, als ich wie aus dem Nichts deine blasierte Stimme höre. Ohne großartig den Kopf zu drehen, werfe ich dir aus den Augenwinkeln einen finsteren Blick zu. Schon alleine wie du so selbstgefällig dastehst, lässt mir das kaum genießbare Mittagessen wieder hochkommen.

Natürlich bekommst du von mir keine Antwort. Ich richte meinen Blick einfach wieder stur an die Decke und schweige beharrlich. Die Zwangsjacke und das Beruhigungsmittel nehme ich dir äußerst übel, weswegen ich nicht das geringste Interesse daran habe, dir auch nur eine Sekunde meiner Aufmerksamkeit zu schenken.
 

"Hm", mache ich enttäuscht und verschränke die Arme vor der Brust.

Da ist Jemand immer noch sauer. Dass du mir diese Zwangsjacke auch so übel nehmen musst. Ich habe weitaus schlimmeres für dich in petto.

"Scheinbar nicht. Das ist wirklich schade, dabei dachte ich, Sie fühlen sich bereits als Teil der Familie Gordon."
 

Mir liegt ein sehr böser Kommentar auf der Zunge, als ich dir mehr als nur skeptisch den Kopf zudrehe. Allerdings schlucke ich meine Meinung vorläufig nur sehr widerwillig runter und bedenke dich mit einem Blick, der töten kann.

Was zur Hölle soll das jetzt wieder heißen?

Ist Gordon etwa wieder hier?

"Haben Sie sonst keine Hobbies als den Laufburschen zu spielen ...?", murmle ich angesäuert.
 

"Oh, ich habe tatsächlich Besseres zu tun", sage ich leicht gereizt und funkle dich an.

Einzig der Gedanke, dass du da drinnen eingesperrt bist und ich hier draußen, hält mich davon ab, noch bissiger zu reagieren.

"Aber meine freundliche Natur veranlasst mich, für Sie eine Ausnahme zu machen. Also was ist? In Stimmung für Besuch?"
 

Kurz muss ich sarkastisch auflachen bei deiner Einschätzung deines Charakters. Das ist der beste Witz, den ich seit langem gehört habe. Demonstrativ verschränke ich die Arme vor dem Oberkörper und starre wieder die Decke an.

"Sie können mich mal kreuzweise, Crane ..."
 

Ich seufze theatralisch.

"Das ist wirklich, wirklich traurig, wissen Sie?"

Meine Mundwinkel zucken leicht nach oben.

"Das arme Mädchen. Sitzt ganz aufgelöst in meinem Büro ... Wenn Sie das arme Ding nicht trösten wollen, werde ich das wohl mal übernehmen."
 

Langsam drehe ich dir den Kopf zu und funkle dich wütend an.

Was soll dieser Mist jetzt schon wieder?

Willst du mich zu einer Reaktion provozieren, oder was?

Das kannst du aber vergessen. Lieber teile ich mir mit dem Joker eine Zelle, als dass du auch nur ein Wort aus mir raus kriegst. Du hältst mich anscheinend für ziemlich dämlich, wenn du tatsächlich glaubst, dass ich auf deine offensichtliche Provokation eingehe. Aber nicht mit mir!

Mir ist natürlich klar, dass du ausgerechnet auf Barbara anspielst, was mich ein wenig verwundert.

Woher willst du wissen, dass sie mehr oder weniger mit mir in Kontakt stand?

Aber egal, wie du an diese Information gekommen bist, ich kaufe dir mit Sicherheit nicht ab, dass sie jetzt hier in Arkham ist. Sie hat hier nichts verloren und nach dem letzten Stand der Dinge ist sie nicht besonders gut auf mich zu sprechen, nachdem ich sie mit ihren eigenen Handschellen an ein Heizungsrohr gekettet habe.

"Keine Ahnung was Sie meinen ...", erwidere ich ruhiger als ich eigentlich bin und lasse dich nicht mehr aus den Augen.
 

Obwohl ich am liebsten begeistert auflachen würde, verleihe ich meinem Gesicht einen schmerzlichen, bedauernden Ausdruck. Es ist sogar tatsächlich ein bisschen schade, dass ich heute scheinbar keine Show zwischen dir und Miss Gordon geboten bekomme.

"Das wird Barbara nicht gefallen", murmle ich, als wären sie und ich enge Freunde, die sich unendlich gut kennen. "Sie will Ihnen etwas sagen. Hat mich vertraulich darum gebeten, hartnäckig zu sein, weil es wirklich wichtig zu sein scheint."
 

"Mir doch egal ...", brumme ich schlecht gelaunt.

Als ob es mich auch nur einen Deut interessiert, was Barbara hier von mir will. Es hat sie die letzten vier Wochen nicht interessiert, wie es mir hier drinnen geht. Und es hat sie im Krankenhaus nicht interessiert, ob ich lebe oder sterbe. Von daher kann sie mir zurzeit mal den Buckel runter rutschen.

"Ich hab' mir ihr nichts zu schaffen ..."
 

Misstrauisch ziehe ich die Augenbrauen nach oben. Scheinbar bist du sauer auf das Mädchen.

Was könnte dieses unschuldige kleine Ding wohl gemacht haben, dass du derart eingeschnappt bist?

Fragen über Fragen.

"Barbara hat mich außerdem gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie nicht hier ist, um Mitleid zu zeigen oder sich mit Ihnen auszusöhnen. Es scheint nur irgendwas zu geben, was Sie betrifft."
 

"Und wenn schon ...", erwidere ich gleichgültig und fange wieder an, die Decke anzustarren. "Ist mir sowas von egal ..."

Das stimmt zwar nicht wirklich, denn eigentlich interessiert es mich schon, was ausgerechnet Babs hier will, aber ich werde mir sicherlich nicht die Blöße geben, und jetzt vor dir einknicken. Notfalls kann ich immer noch den Commissioner beiläufig fragen, wenn er das nächste Mal hier ist.
 

"Na gut", seufze ich. "Dann müssen Sie wohl mit der Unwissenheit leben. Ich werde nicht versuchen, Sie umzustimmen."

Ich mache Anstalten, zu gehen, drehe mich aber noch einmal zu dir um.

"Wieso haben Sie diese Frau eigentlich gehen lassen?", frage ich gehässig. "Sie ist wirklich ... umwerfend. Ich gehe dann. Ich will sie ja nicht warten lassen."
 

Der Kommentar »Wegen der blöden Fledermaus!« liegt mir auf der Zunge, aber ich verkneife ihn mir. Nicht auszudenken, wenn du auf die Idee kommst, dass es mich brennend interessiert, was Barbara von mir will. Stattdessen sehe ich dich mit einem finsteren Blick an.

"Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram ...", zische ich dir zu. "Aber Sie können ausrichten, dass mich diese kleine Klette gefälligst in Ruhe lassen soll."

Du bist Edwards Psychiater, wenn ich mich also an Jemanden wenden kann, dann ja wohl an dich.

Als ich wieder vor der Tür meines Büros stehe, zwinge ich mich dazu, einen möglichst mitfühlenden Gesichtsausdruck aufzulegen, auch wenn mir eigentlich mehr nach einem gehässigen Grinsen zumute ist. Es wird jetzt sicherlich sehr interessant werden, dir mitzuteilen, dass der gute Edward nicht mit dir reden will. Vielleicht bekomme ich so noch ein paar Informationen, was du eigentlich von ihm willst.

Nachdem ich tief durchgeatmet habe, betrete ich mein Büro und sofort schnellt dein Kopf hoch und du siehst mich fragend an. Wirklich sehr interessant, dass du so begierig darauf bist, ihn wieder zu sehen.

Mit einem entschuldigenden Lächeln gehe ich um meinen Schreibtisch und lasse mich auf meinem Sessel nieder, ehe ich dich wieder ansehe.

"Tut mir Leid, Miss Gordon, aber er möchte Sie nicht sehen."
 

Ich hole bereit Luft, um meinen Protest kundzutun, aber die Worte kommen nicht heraus. Es ist ja nicht deine Schuld. Alles Edwards Entscheidung.

"Das ... das ist schade", presse ich traurig hervor und räuspere mich, weil meine Stimme belegt klingt. "Aber trotzdem danke."

Gott, was mache ich denn jetzt?

Es sein lassen und Eddie niemals erfahren lassen, dass er Vater wird?

Es hartnäckig weiter versuchen?

Keine der Optionen gefällt mir ...
 

Ich sehe dich mitfühlend mit einem leichten Lächeln an.

Anscheinend geht es dir wirklich nahe, dass dieser hoffnungslose Fall kein Interesse an dir hat. Obwohl ... So richtig sagen, dass er kein Interesse hat, kann man auch nicht. Irgendwas ist da, und das werde ich sicherlich demnächst aus ihm heraus kitzeln.

"Aber ich soll Ihnen etwas ausrichten", sage ich und mache eine kurze Pause, als du mich tatsächlich hoffnungsvoll ansiehst.

Ja, da läuft garantiert mehr, als dass er nur mit dir im Bett war. Ich würde sogar fast sagen, dass du verliebt bist.

"Die kleine Klette soll ihn gefälligst ihn Ruhe lassen", sage ich in der Gewissheit, dass du jetzt entweder anfängst zu heulen oder ausrastet.

Beide Varianten sind sehr reizvoll.

"Seine Worte, nicht meine", füge ich entschuldigend hinzu und bin innerlich am grinsen.
 

Alle meine Hoffnungen werden jäh zerstört, als du mir Edwards Worte ausrichtest.

"Ja, so etwas sieht ihm ähnlich", flüstere ich, wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel und lege die andere Hand auf meinem Bauch ab.

Edward würde von diesem Kind doch gar nichts wissen wollen.

"Wahrscheinlich ist es besser so", würge ich hervor und komme mit dem wegwischen gar nicht hinterher, weil die Tränen mir in beeindruckendem Tempo in den Schoß tropfen. "Er hätte sowieso nichts davon wissen wollen ..."
 

Äußerst interessiert beobachte ich deine Reaktion und meine Augen bekommen einen verschlagenen und wissenden Ausdruck. Wenn ich mir deine Körperhaltung so ansehe, könnte man ja fast meinen, dass ...

Nein, dass kann doch nicht sein?!

Jetzt sag nicht, dass du es nicht nur geschafft hast, mit einem Freak im Bett zu landen, sondern sich auch noch von ihm schwängern zu lassen?

Na, das sich ja mal sehr faszinierende Neuigkeiten!

Augenblicklich mache ich mir meine entsprechende Notiz in der Akte und reiche dir ein Taschentuch über den Tisch. Ich bin sogar fast versucht, aufzustehen und dir mitfühlend die Hand zu tätscheln.

"Miss Gordon ...", sage ich langsam, nehme mir dir Brille ab und lege sie neben mich auf den Schreibtisch. "Würden Sie mir verraten, um was es genau geht? Vielleicht kann ich ja zwischen Ihnen und Edward ein wenig vermitteln."
 

Mit einem leisen Schniefen blinzle ich dich an und tupfe mir die Tränen von den Wangen. Nicht, dass das irgendwas bringen würde, solange immer noch Nachschub kommt.

"Das würden Sie tun?", frage ich hoffnungsvoll.

Ja, warum eigentlich nicht?

Du bist Edwards Psychiater, wenn ich mich also an Jemanden wenden kann, dann ja wohl an dich.

Ich rutsche auf dem Stuhl weiter nach vorn und beuge mich näher zu dir.

"Aber Sie müssen mir versprechen, dass davon Niemand sonst erfährt, in Ordnung?"

Die Hand, die auf meinem Bauch liegt, beginnt, kleine Kreise zu malen, als müsse ich das Kind beruhigen und nicht mich selbst.

"Ich bin schwanger, Dr. Crane", verkünde ich ernst. "Und bevor Sie fragen - ja, ich bin sicher, dass Edward der Vater ist."
 

"Oh, keine Sorge", sage ich mit einem leichten Lächeln und einem verschlagenen Funkeln in den Augen. "Solange es Edward betrifft, stehe ich unter ärztlicher Schweigepflicht. Da müssen Sie sich absolut keine Sorgen machen."

Mit dem gezückten Stift höre ich dir aufmerksam zu, und mache mir entsprechende Notizen. Ein leichtes Nicken begleitet meine Gedankengänge. Hier tun sich ja richtige Abgründe auf. Damit werden die nächsten Therapiesitzungen auf jeden Fall sehr unterhaltsam – für mich.

"Verstehe …", murmle ich leise, während ich immer noch schreibe.

Dann sehe ich auf und bedenke dich mit einem ernsten Blick.

"Anscheinend macht Ihnen diese schwierige Situation zu schaffen. Der Vater Ihres Kindes hat ernste psychische Probleme und momentan sehe ich nicht viel Land am Horizont, um ehrlich zu sein."

Ich mache eine kurze Pause und fahre dann mit meinem typischen Psychiater-Tonfall fort.

"Verstehen Sie mich nicht falsch, Miss Gordon. Aber Sie, als Tochter des Polizeichefs, und ein Krimineller …"

Ein wenig tadelnd schüttle ich andeutungsweise den Kopf. Natürlich musst du nicht wissen, dass ich meine sorgsam ausgesuchten Worte mit voller Absicht übertreibe. So verrückt, wie ich ihn gerade darstelle, ist Edward gar nicht. Zumindest nicht verrückter als ich selber. Aber wenn ich dir so unter dem Mantel der Verschwiegenheit noch weitere Informationen entlocken kann, spiele ich gerne mit gezinkten Karten.
 

Beschämt senke ich bei deinen Worten den Blick. Eigentlich mache ich mir schon selbst genug Vorwürfe - ganz zu schweigen von Bruce' tadelnden Worten und dem, was durch Dad noch auf mich zukommt. Dass du mir jetzt auch noch mit der moralischen Keule kommst, macht mich sogar ein bisschen wütend. Obwohl ich natürlich weiß, wie Recht du hast.

"Glauben Sie mir, ich weiß sehr wohl, wie dumm das von mir war. Ich habe die Beziehung ja auch beendet."

Seufzend zucke ich mit den Schultern.

"Aber die Schwangerschaft ändert natürlich Alles. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Edward von der Sache zu erzählen wäre vielleicht falsch in seinem Zustand ..."

Ich schniefe leise. Durch deine Worte male ich mir das Schlimmste aus.

Wie geht es Edward, seit unserer letzten Begegnung?

Und wie viel davon habe ich zu verschulden?
 

Bei der Erwähnung, dass du es warst, die diese Beziehung beendet hat, blitzt es kurz in meinen Augen auf. Wenn ich jetzt noch Edwards Verhalten in meine Überlegungen miteinbeziehe, formt sich langsam ein klares Bild. Er schien dieser Beziehung nicht gänzlich abgeneigt gewesen zu sein, weswegen es ihn anscheinend ziemlich tief getroffen hat, dass du die Sache beendet hast.

Mit einem dünnen Lächeln notiere ich mir das in der Akte. Die nächsten Sitzungen werden auf jeden Fall sehr amüsant. Was ich hier für Informationen bekomme, ist kaum noch zu toppen. Wer hätte gestern noch gedacht, dass ausgerechnet du mir so perfekt die richtigen Karten in die Hand spielst.

"Wenn Sie es selbst wissen, dann ist das für Sie wohl schon Strafe genug", sage ich mit mitfühlender Stimme. "Momentan würde ich davon absehen, ihm etwas über Ihre Situation mitzuteilen."

Ich mache eine Pause, als mir eine Idee kommt. Es könnte sehr interessant werden, wenn Edward deswegen wieder ausrastet.

"Aber wissen Sie was? Vielleicht geht es ihm in ein oder zwei Wochen wieder besser und Sie können es ihm sagen. Es sei denn, Sie wollen lieber einen Brief schrieben?"
 

Über den Tisch hinweg werfe ich dir ein dünnes Lächeln zu. Du bist so freundlich zu mir, auch wenn es nur aus Mitleid ist. Wenn ich nicht so ein elendes Bild abgeben würde, dann würdest du wahrscheinlich strenger mit mir sein.

"Ich möchte es ihm lieber persönlich sagen", entscheide ich.

Zwar klingt es verlockend, mich mit einem Brief aus der Affäre zu ziehen, aber Edward verdient einen anderen Umgang. Womöglich würde es ihn aufregen, wenn er nicht mehr als ein Blatt Papier bekommt.

"Danke, Dr. Crane. Ich weiß zu schätzen, dass Sie mir helfen wollen."

Er hat es sich nicht einfach gemacht. Scheint ziemlich durchgedreht zu sein, kurz vor dem Ende und hat sich schlimm zugerichtet, bevor er sich die Kehle durchgeschnitten hat.

Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, als sich Crane - begleitet von zwei Wachleuten - vor meiner Zelle aufbaut und mich mit einem Blick ansieht, den ich nicht so recht deuten kann. Irgendwie sieht er missgelaunt aus. Tja, wenn er mir blöd kommt, dann braucht er auch nicht erwarten, dass ich irgendwie mit ihm kooperiere.

Im nächsten Moment betreten die Wachleute meine Zelle, zerren mich hoch und verdrehen mir fast die Handgelenke, um mir die Handschellen anzulegen. Dann bugsieren sie mich vor die Zelle, wo Crane mich anfunkelt.

"Sie haben jetzt ein Date mit dem Commissioner", brummt er und geht zügig voran, während mich die Wachleute reichlich unsanft hinterher zerren.

Reizend.

Wirklich reizend.

Verwirrt frage ich mich, was du hier schon wieder zu suchen hat. Sein letzter Besuch ist erst eine Woche her und nach Cranes Verhalten zu urteilen, gefällt es ihm nicht sonderlich, dass du hier ist. Den ganzen Weg bis zu den Besucherräumen grüble ich darüber nach, was das hier soll, aber ich komme nicht drauf.

Vor den Besucherräumen wartest du tatsächlich. Allerdings nicht in Zivil wie beim letzten Mal, sondern in Uniform. Oder zumindest das, was du im Dienst trägst. Dann ist das also ein offizieller Besuch. In letzter Zeit habe ich nichts ausgefressen.

Was also führt dich hier her?

"Ich bin wirklich überrascht über Ihren Besuch, Commissioner", sagt Crane und du wirfst mir einen kurzen Blick über dessen Schulter zu.

Die Wachleute zwingen mich, einige Schritte von dir und Crane entfernt stehen zu bleiben und so kann ich nicht verstehen, was Crane weiter sagt, da er nun leiser spricht. Aber anhand der Blicke, die du mir zuwirfst, wird er dich wohl über meine sogenannten Verfehlungen informieren.

Na super.
 

Scheinbar hast du dir meinen Rat, dich auf die Therapie einzulassen alles andere als zu Herzen genommen. Dr. Crane ist mehr als unzufrieden mit dir und erzählt mir mit leiser, aber sichtlich gereizter Stimme von deinem ungebührlichen Verhalten und weist mich darauf hin, dass du nach diesen Ereignissen eigentlich keine Erlaubnis hast, draußen herumzustromern.

"Das kann ich natürlich verstehen, Doktor, aber wie gesagt, ich bin offiziell hier."

"Dann nutzen Sie die offiziell für so etwas vorgesehenen Räumlichkeiten und nicht das Freigelände", kontert der Arzt und hat natürlich nicht Unrecht.

Allerdings ist die Nachricht, die ich dir überbringen muss, ziemlich heftig, weswegen ich gern in einer angenehmeren Umgebung mit dir sprechen würde. So erkläre ich das auch Crane, der mich mit einem berechnenden Blick bedenkt.

"Na gut, meinetwegen. Reden Sie Ihrem Schützling doch mal ein wenig ins Gewissen, wenn Sie schon mal hier sind."

Er geht mit verbissenem Gesichtsausdruck davon.

Ich lasse ein angestrengtes Seufzen ertönen. Scheinbar hat der Arzt heute schlechte Laune. Was vermutlich deine Schuld ist.

"Was meinst du, Edward?", rufe ich dir zu und komme zu dir herüber. "Gehen wir wieder ein Stückchen?"
 

Ich werfe dir einen skeptischen Blick zu, als du mir vorschlägst, wieder einen Spaziergang auf dem Freigelände zu machen. Dabei hat mir Crane doch sämtliche Privilegien entzogen. Außer zu den Therapiesitzungen darf ich momentan nicht mal meine Zelle verlassen. Deswegen reizt mich dein Angebot natürlich sehr, was ich allerdings hinter meiner gleichgültigen Fassade verberge.

Mit einem schnellen Seitenblick stelle ich fest, dass dich meine uniformierten Schatten nicht aus den Augen lassen. Sie trauen dem Braten vermutlich genauso wenig wie Crane. Ich zucke mit den Schultern und erwidere deinen Blick gleichgültig.

"Meinetwegen ..."
 

Wir verlassen das Gebäude und schlagen schweigend denselben Weg ein wie beim letzten Mal. Deine Aufpasser bleiben zwar einige Schritte hinter uns, aber ich kann ihre Blicke in meinem Rücken spüren. Heute werden wir also nicht so ungestört sein wie beim letzten Mal.

Du siehst recht abweisend aus, was schade ist. Irgendwie hatte ich gehofft, dass du dich mehr über meinen Besuch freust. Wobei er nicht unbedingt aus einem fröhlichen Anlass geschieht. Na ja. Ansichtssache. Vielleicht erleichtert dich die Nachricht sogar ein bisschen, auch wenn das makaber ist.

"Edward", sage ich und halte meine Stimme gesenkt.

Die Kerle dahinten müssen nicht alles mitbekommen. Ich schiebe eine Hand in meine Jackentasche und krame ein Päckchen Zigaretten hervor.

"Ich erfülle übrigens meinen Teil der Abmachung."

Auffordernd strecke ich dir die Packung entgegen.
 

Die beiden Wachleute folgen uns natürlich. Ich habe zwar einen Moment lang angenommen, dass es für Crane ausreichend ist, dass ich mich in Begleitung des Polizeichefs befinde, aber Pustekuchen. Okay, Crane ist anscheinend doch nicht so doof, wie er aussieht.

Während wir gemächlich über das Freigelände gehen, schweige ich beharrlich und halte meinen Blick auf den Boden gerichtet. Ich habe momentan nicht besonders viel Interesse daran, zu reden. Nicht mal mit dir. Ich muss schließlich irgendwie Crane aus der Reserve locken und dazu muss ich mir ein bisschen was überlegen.

Überrascht sehe ich auf, als du mir plötzlich die Zigaretten hin hältst. Ich werfe meinen Schatten einen kurzen Blick zu, die mich misstrauisch beäugen. Unter Garantie werden die Crane alles stecken, was sich hier abspielt. Es hat den Psycho-Heini doch schon das letzte Mal genervt, dass er nicht wusste, was wir beide besprochen haben.

"Ich darf eigentlich keine persönlichen Gegenstände besitzen ...", murmle ich und ein kurzes Grinsen huscht über mein Gesicht. "Und wenn schon", füge ich hinzu, zucke mit den Schultern und greife nach der Schachtel.
 

"Der Police Commissioner hat es gestattet", sage ich augenzwinkernd, als ich dir mein Feuerzeug überreiche. "Außerdem passe ich ja gerade auf, dass du mit den Dingern Niemanden abfackelst oder so."

Es kehrt wieder Stille ein, während wir den Weg fortsetzen und ich starre verdrießlich auf den Boden. Gelegentlich schieße ich missgelaunt einen Stein zur Seite. Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Normalerweise fällt es mir leichter, Angehörigen die traurige Botschaft zu überbringen. Aber du bist eben ein anderer Fall. Schon weil ich gar nicht einschätzen kann, wie du gleich reagieren wirst.

"Edward ... Du hast ja sicher schon bemerkt, dass ich heute leider nicht nur zum Reden hier bin", fange ich etwas unsicher an. "Ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen."
 

Ich werfe dir einen skeptischen Blick zu, als ich das Feuerzeug nehme und mir eine Zigarette anstecke. Crane wird es garantiert nicht gefallen. Da werde ich mir wieder was von diesem Blödmann anhören dürfen. Aber sei's drum. Ein bisschen Spaß muss ich hier ja auch haben. Und solange Crane nicht wieder mit der Zwangsjacke kommt, komme ich damit klar.

"Ich dachte mir schon, dass das kein Freundschaftsbesuch ist ...", erwidere ich leise und sehe dich kurz misstrauisch an. "Was habe ich dieses Mal angestellt, dass sogar der Commissioner hier aufkreuzt?"
 

Eilig hebe ich in einer beschwichtigenden Geste die Hände.

"Du hast überhaupt nichts angestellt. Na ja. Abgesehen davon, dass du deinem Therapeuten das Leben schwer machst."

Ich räuspere mich verhalten.

"Es ... es geht um deinen Vater, Edward. Es ist etwas passiert, worüber ich dich informieren muss, auch wenn du von dem Mann vielleicht nichts mehr hören willst."
 

Erstaunt hebe ich eine Augenbraue, als du von meinem Vater anfängst. Stimmt, da war ja noch was. Ihr scheint ihn endlich gefunden zu haben, wenn du hier so rumdruggst und nicht so recht mit der Sprache rausrücken willst. Und dabei nahm ich eigentlich an, dass ihr Polizisten mit so etwas gut umgehen könnt.

"Was hat er denn ausgefressen?"

Ich mache eine schnelle Handbewegung, die verhindert, dass du das Wort ergreifen kannst.

"Lass mich raten. Eine Kneipenschlägerei? Eine Messerstecherei? Eine Nutte? Oder hat er was in die Luft gejagt?"

Ich gebe mich ruhig und unschuldig, denn ich weiß natürlich, was mit ihm passiert ist. Na ja, ich war ja selber dabei und das war mit Sicherheit kein schöner Anblick. Den Teppich kann der Vermieter vergessen.
 

Mein Blick ruht mitleidig auf dir, als du deine Vermutungen aufzählst. Dass ein Sohn seinem Vater so etwas - mit Recht - zutraut, ist schrecklich. Es zeigt mir einmal mehr, was für ein schrecklicher Mensch dein Vater war. Und entschädigt mich dafür, dass ich den Tod dieses Mannes nicht einmal bedaure.

"Nein, nichts dergleichen", murmle ich. "Dein Vater hat sich, wie es aussieht, das Leben genommen."

Ich sehe dich eindringlich an.

"Und im Gegensatz zu dir hat sich niemand sonderlich für ihn interessiert. Er lag da schon eine ganze Weile ..."
 

Ich verschlucke mit tatsächlich an meinem Zug an der Zigarette und muss husten, als du mir mitteilst, dass sich mein Vater umgebracht hat. Nicht, dass es mich sonderlich überrascht, dass er tot ist. Aber dass es die Polizei wirklich für einen Selbstmord hält, ist äußerst interessant. Anscheinend bin ich besser, als ich dachte. Aber ich soll arrogant sein. Schon klar. Aber es hat sich zumindest schon mal bezahlt gemacht, die Bücher über Forensik und die Polizeiarbeit zu lesen.

"Nimm's mir jetzt nicht übel ...", beginne ich mit einem nur absichtlich schlecht unterdrückten Grinsen. "Es wundert mich gar nicht, dass es Keinem aufgefallen ist. Und um ehrlich zu sein, tut es mir nicht Leid."
 

"Tja ...", brumme ich. "Wenn ich ehrlich bin ... Ich hatte auch schon mehr Mitleid mit Opfern als in diesem Fall."

Ich zucke mit den Schultern.

"Jedenfalls bist du der letzte lebende Angehörige, weswegen ich dich darüber informieren muss. Was ich hiermit getan habe."

Ich betrachte dich eingehend und suche nach irgendeinem Anzeichen, dass du die Sache nicht so leicht nimmst, wie du tust. Bisher kann ich da nichts erkennen. Du wirkst eher erleichtert, was ich nicht mal verwerflich finde.

"Kannst du dir einen Reim darauf machen, wieso er das getan hat? Kurz nach deinem Selbstmordversuch. Das ist schon auffällig."
 

"Glaub mir, um den ist es nicht schade ...", sage ich lapidar und werfe dir aus den Augenwinkeln einen Blick zu, als du mich musterst.

Ich darf es jetzt nur nicht übertreiben und ich bin aus dem Schneider. Ich zucke nur mit den Schultern und schnippe den Zigarettenstummel weg.

"Keine Ahnung. Vielleicht hat ihn ja die Fledermaus eingeschüchtert."

Kurz muss ich leise auflachen, als mir das Gesicht meines Vater in den Sinn kommt, wie er um Gnade bettelt hat. Wirklich sehr amüsant.

"Wie hat er es gemacht?", frage ich und lege besonderen Wert darauf, dass meine Stimme ehrlich mit einer Spur Neugier klingt.
 

Ich werfe dir von der Seite einen schiefen Blick zu.

"Willst du das wirklich wissen?", frage ich mit Besorgnis in meiner Stimme.

Deine Meinung über deinen Vater ist nicht sonderlich gut. Zugegeben, ich mache mir ein wenig Sorgen, dass du es zu sehr genießen würdest, wenn ich es dir erzähle.

Schließlich seufze ich und zünde mir ebenfalls eine Zigarette an. Das kann man durchaus als Stresssituation werten.

"Nur so viel … Er hat es sich nicht einfach gemacht. Scheint ziemlich durchgedreht zu sein, kurz vor dem Ende und hat sich schlimm zugerichtet, bevor er sich die Kehle durchgeschnitten hat. Die Details sind hässlich - und nicht für deine Ohren bestimmt, Junge."
 

Irgendwie ist es fast schon rührend, dass du dir wirklich darüber Sorgen machst, wie ich auf den tragischen und unerwarteten Tod meines Vaters reagiere.

Ich halte den Kopf gesenkt, während du erzählst. Du könntest auch den Wetterbericht von gestern wiedergeben, es würde mich auch nicht mehr beeindrucken.

"Na ja ...", sage ich lang gezogen, nachdem du geendet hast und zucke mit den Schultern. "Es war abzusehen, dass er irgendwann komplett abdreht."

Und sein Gesicht war wirklich ziemlich psychopathisch, als ich ihn wie ein Schwein aufgeschlitzt habe.

"Es tut mir nicht Leid um ihn. Von daher ..."

Wieder zucke ich mit den Schultern.

"Ich hoffe, du erwartest jetzt nicht, dass ich Mitleid heuchle oder so."
 

"Nicht wirklich", seufze ich. "Wirklich glauben würde ich es dir sowieso nicht. Aber, Edward ..."

Auch wenn ich weiß, dass du kein sonderlich großer Fan von Körperkontakt bist, landet meine Hand auf deiner Schultern und bleibt da liegen.

"Wenn du irgendwie darüber reden willst, Junge, dann ... Na ja."

Etwas unschlüssig fahre ich mir durch die Haare.

"Ich stehe dir zur Verfügung. Nicht als Commissioner, meine ich. Als Freund."

Wow. Damit habe ich mich also offiziell als Freund des attestiert verrückten Verbrechers bezeichnet, der meine Tochter auf einem Schreibtisch im GCPD entjungfert hat.
 

Für einen kurzen Moment sehe ich deine Hand an, die auf meiner Schulter liegt und mache einen gequälten Gesichtsausdruck. Unwillkürlich verdrehe ich ein wenig meine Schulter, aber deine Hand werde ich so auch nicht los.

"Es gibt nichts großartig zu reden. Er ist tot und gut ist. Meinetwegen kann er irgendwo im Wald verrotten, denn eine Beerdigung ist für ihn viel zu gut."

Ich muss mich unterbrechen, um tief durchzuatmen. Die Wut, die ich gespürt habe, als ich meinem Vater die Lichter ausgeknipst habe, kommt langsam wieder hoch. Gott, wie ich den Kerl hasse! Selbst jetzt, wo er tot ist, verfolgt er mich immer noch.

"Ich habe siebzehn Jahre mit ihm unter einem Dach gelebt. Einäschern und wegwerfen reicht vollkommen."
 

"Ach, Junge", seufze ich und drücke noch einmal deine Schulter, ehe ich die Hand sinken lasse.

Ich will deine Geduld mit mir nicht überstrapazieren.

"Steigere dich nicht rein. Er ist weg und - so makaber das klingt - vielleicht ist das ganz gut für dich. Ich erwarte nicht, dass du mir jetzt dein Herz ausschüttest, wie sehr du Daddy vermisst. Aber du bist jetzt offiziell Waise. Das war dein letzter Angehöriger - wenn man den Mann so nennen kann."

Mit verdrießlichem Gesichtsausdruck werfe ich die Zigarette nach unten und bleibe kurz stehen, um sie auszutreten.

"Sag mir einfach, wenn irgendwas ist, okay? Komm bloß nicht wieder auf die Idee, dass du allein auf der Welt bist."
 

"Ich steigere mich da nicht rein. Und wenn ich ehrlich sein soll, hätte er das ruhig schon eher machen können. Um den ist es mit Sicherheit nicht schade."

Grummelnd wünsche ich mir, diese blöden Handschellen los zu sein, um die Arme verschränken zu können. Nicht, dass mich Handschellen großartig aufhalten können, aber es würde nicht gut kommen, wenn ich jetzt vor deinen Augen und denen meiner Leibwache die Handschellen knacken würde.

"Es gibt da was ...", sage ich nach einem Moment. "Blackgate."

Gott, klingt das so blöd, wie ich mir gerade vorkomme?

Ich entscheide mich, das Thema mit deinem Vaters ruhen zu lassen, obwohl mir noch das ein oder andere dazu einfallen würde. Aber du hast ohnehin deine Meinung dazu und von der wirst du dich nicht abbringen lassen.

"Edward, das hatten wir doch schon", grummle ich. "Ich kann dich nicht nach Blackgate bringen, so leid es mir tut. Bitte versteh das, du bist nur hier, weil du Hilfe bekommen sollst."

Ratlos werfe ich die Arme in die Luft.

"Dr. Crane meinte, du hättest tatsächlich gute Fortschritte gemacht, bevor du ausgerastet bist. Warum das nicht beibehalten? Ich bin sicher, deine Situation hier wird sich sehr schnell verbessern, wenn du ein bisschen mehr mit den Ärzten arbeitest. Willst du, dass ich mal für dich mit Dr. Crane spreche? Ihm erkläre, wie es dir geht?"
 

"Crane ist eine Flachpfeife!", poltere ich sofort los, kaum dass du gefragt hast, ob du mit dem Arzt sprechen sollst.

Deine zweite Frage bekomme ich schon gar nicht mehr mit.

"Er geht mir so tierisch auf den Keks, dass ich schon Mordgedanken bekomme, wenn er nur den Mund aufmacht!"

Wütend habe ich meine Hände zu Fäusten geballt und bin sogar stehen geblieben, um dich entsprechend anzufunkeln. Zwar mache ich keine Anstalten, hier jetzt einen Eklat auszulösen, aber meine Schatten sind bereits ein Stück näher gekommen. Bestimmt, um mich notfalls außer Gefecht zu setzen.

"Ausgerastet bin ich auch nur wegen diesem Vollpfosten! Der bildet sich ein, mich rumkommandieren zu können! Ich bin doch nicht sein dressierter Schoßhund!"
 

Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich zu, wie du dich über deinen Arzt echauffierst. Ah, ja. Damit bin ich also offiziell Zeuge eines dieser berühmt berüchtigten Ausraster geworden, von denen Crane und meine Tochter erzählen. Ich bin ein bisschen überrascht, dass du tatsächlich so sehr ausrasten kannst. Bisher habe ich immer geglaubt, du wärst in jeder Situation berechnend und kontrolliert.

Allerdings schreckt mich dieses Verhalten nicht unbedingt ab. Im Gegenteil. Vielleicht kann man das, was da bei mir einsetzt, als väterliche Intuition bezeichnen. Die Situation erinnert mich jedenfalls verdächtig an einige von Barbaras vorpubertären Tobsuchtanfällen.

"Du hörst mir jetzt mal gut zu", unterbreche ich deine Schimpftirade und hebe sogar streng den Zeigefinger. "Ich habe viel Verständnis für deine Situation, Edward. Aber wenn du nicht endlich aufhörst, dich aufzuführen wie ein Kind, das seinen Willen nicht bekommt, verliere ich wirklich die Geduld. Ja, du hast deine Differenzen mit Crane und der gesamten Einrichtung an sich. Das ist vollkommen legitim und du kannst deine Kritik gern äußern. Aber!"

Mein Tonfall wird noch mahnender und sogar die Wachen treten verdutzt über die Standpauke zurück.

"Du kannst nicht erwarten, dass dich hier alle behandeln wie einen König. Von nichts kommt bekanntlich nichts. Glaubst du, du bist für Alle leichter Umgang? Sicher nicht. Wenn man dir keine Grenzen setzt, dann hebst du doch völlig ab."

Ich stemme die Hände in die Hüften und sehe dich an wie ein Vater seinen Sohn ansehen würde, wenn die Schule wegen ungebührlichem Verhalten angerufen hat.

"Würdest du deine Worte also freundlicherweise noch einmal überdenken und eventuell nach einer Möglichkeit suchen, wie du und die Ärzte sich in der Mitte treffen können? Ein derartiger Schritt auf die Herrschaften zu wird dir auf jeden Fall mehr Vorteile einbringen, als dein kleiner ..."

Ich mache eine Handbewegung in deine Richtung und Suche nach einem passenden Wort.

"… Trotzanfall. Ich meine, was willst du jetzt machen? Dich auf den Boden schmeißen und mit den Beinen strampeln? Erspar uns das doch bitte."
 

Völlig verblüfft starre ich dich komplett sprachlos an, als du mir eine Standpauke der besonderen Art hältst. So hat wirklich noch Niemand mit mir gesprochen. In meinen ganzen achtundzwanzig Jahren hat Niemand so mit mir geredet. Da es nicht gerade einfach ist, mir so dermaßen den Wind aus den Segeln zu nehmen, herrscht in meinem Kopf in diesem Moment gähnende Leere.

Außer dich erstaunt anzusehen, fällt mir nichts Intelligentes ein. Und nicht einmal das ist wirklich intelligent. Ich komme mir gerade vor wie ein Kind, das verbotenerweise mit Silvesterböllern hinter dem Haus gespielt hat und erwischt wurde.

"Ich ...", setze ich schon an, Widerworte zu geben, doch dein strenger Gesichtsausdruck lässt mich nur schuldbewusst den Kopf senken.

Was geht denn hier vor?

Wieso fühle ich mich gerade so beschämt?

Okay, normalerweise wähle ich meine Worte wirklich besser, aber ... Mir fällt gerade nicht mal ein Gegenargument ein.

Vorsichtig hebe ich wieder den Blick und begegne fast schon schüchtern deinem Blick. Und augenblicklich habe ich wieder das Gefühl, zusammen zu schrumpfen. Am liebsten würde ich jetzt die Flucht antreten. Allerdings habe ich keine Möglichkeit, aus dieser unangenehmen Situation zu entkommen.
 

Scheinbar bin ich mit meinen zugegebenermaßen rüden Worten zu dir durchgedrungen. Sie tun mir sogar fast ein bisschen leid, denn so schockiert, wie du aus der Wäsche guckst, bist du so etwas garantiert nicht gewöhnt. Tja. Babs hat solche Predigten früher ständig bekommen. Dann wirst du ja wohl eine einzige - gerechtfertigte - überstehen.

Ich setze mich wieder in Bewegung und bedeute dir mit einer auffordernden Handbewegung, dass du mitkommen sollst. Da habe ich Crane schon überzeugt, dir einen Spaziergang zu erlauben, dann machen wir den auch.

"Weißt du, Edward ... ich bin nicht dein Vater", fahre ich fort, der Tonfall schon etwas weniger tadelnd. "Deswegen klingt es jetzt vielleicht ein bisschen komisch, wenn ich gleich etwas sehr abgedroschenes sage, aber ich meine es wirklich so: Ich will dir nichts Böses. Ich will nur dein Bestes. Und ich hoffe wirklich, dass du dir meine Worte zu Herzen nimmst und über dein Verhalten nachdenkst."
 

Reichlich eingeschüchtert folge ich dir artig wie ein Dackel und halte meinen Blick auf den Boden gesenkt. Das muss ich erst einmal verdauen. Noch immer kann ich nicht ganz begreifen, was hier gerade passiert ist. Normalerweise läuft es doch anders herum und mein Gesprächspartner würde durch meine gnadenlose Rhetorik den Kopf in den Sand stecken. Doch dieses Mal bin ich derjenige, der sich verkriechen möchte.

Nachdenklich lasse ich mir deine Worte wieder und wieder durch den Kopf gehen. Vermutlich hast du nicht ganz unrecht mit deiner Aussage, dass ich mich wie ein kleines trotziges Kind mit einem Wutanfall verhalten habe. Diese Erkenntnis schockt mich fast genauso sehr wie deine Standpauke.

Langsam hebe ich den Kopf an, während du in einem versöhnlicheren Tonfall sprichst. Es gefällt mir zwar nicht sonderlich, aber deine Botschaft ist definitiv angekommen. Wie hat es schon Mahatma Gandhi gesagt: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.

"Entschuldigung ...", murmle ich leise und meine es auch so.

Es tut mir wirklich leid, dass ich gerade so ausgerastet bin.

"Ich ... - Ich weiß manchmal selber nicht, woher plötzlich diese irrationale Wut kommt ..."
 

"Entschuldigung angenommen", sage ich mit einem leichten Räuspern.

Es rührt mich fast ein bisschen, dass meine Worte scheinbar tatsächlich eine positive Wirkung auf dich haben. Eigentlich würde ich dir jetzt gern anerkennend auf den Rücken klopfen, aber ich will mein Glück lieber nicht überstrapazieren. Am Ende springst du mir doch noch ins Gesicht.

"Irrationale Wut", wiederhole ich nachdenklich. "So so. Und während all den Therapiesitzungen, in denen du gebockt und kein Wort mit deinem Arzt geredet hast, ist dir nie in den Sinn gekommen, das Thema mal anzusprechen?"

Kaum dass die Worte heraus sind, hebe ich schon beschwichtigend die Hände.

"Sorry. Das klang jetzt gemeiner, als es gemeint war."
 

"Das würde nichts bringen. Crane ist -"

Ich unterbreche mich abrupt und schüttle langsam den Kopf. Wenn ich jetzt wirklich von meinem Verdacht, den ich zurzeit nicht einmal stichhaltig beweisen kann, gegen den Quacksalber erzähle, erklärst du mich wirklich für verrückt und ich werde nie wieder aus Arkham raus kommen.

"Ich werde hier drinnen langsam wirklich verrückt ...", sage ich stattdessen, nehme mir die Brille ab und massiere mir kurz die geschlossenen Augen.

Vielleicht bin ich auch schon verrückt. Am Ende bilde ich es mir nur ein, dass Crane ein falsches Spiel treibt und irgendwas plant. Es würde mich momentan nicht einmal mehr wundern, wenn es mein Vater irgendwann in den letzten Jahren geschafft hat, mir ein paar essentielle Gehirnzellen rauszuprügeln.

"Ich gehöre wirklich hierher, oder ...?", frage ich so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern ist.
 

Ich gebe mir größte Mühe, nicht allzu mitleidig zu schauen, um es dir nicht noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon für dich ist.

"Du bist nicht verrückt, Edward. Joker ist verrückt. Du brauchst nur etwas Hilfe, um einige Dinge zu verarbeiten, die du in der Vergangenheit erlebt hast."

Ich seufze leise. Nachdem ich dir schon die Standpauke gehalten habe, kann ich auch ruhig weiter ehrlich zu dir sein.

"Und ja. Ich glaube, dass hier ist im Moment der beste Ort für dich. Auf jeden Fall gehörst du mehr hierher als nach Blackgate. Du verdienst es nicht, einfach weggesperrt zu werden, du verdienst Hilfe. Und die bekommst du hier."
 

Ich setze mir meine Brille wieder auf und lasse den Kopf hängen. Mein Blick streift mein linkes Handgelenk, wo kaum sichtbar der Anfang der Narbe unter dem Stoff des Overalls hervorlugt.

"Und wenn ich gar keine Hilfe will ...?", murmle ich nachdenklich.

Diese Frage habe ich mir bereits mehrfach gestellt.

Will ich wirklich so weiter machen?

Wie kann ich es vor mir selbst verantworten, dass ich ein Subjekt wie meinen Vater beseitigt habe, während ich noch lebe?

Wo ich mir sicher bin, dass ich früher oder später entweder verrückt oder wie Richard werde?

"Würde es denn groß etwas ändern, wenn ich hier nie wieder raus komme?", frage ich und sehe dich dabei an.

Mir ist zwar klar, dass ich gerade in eine melancholische Phase hinein schlittere, aber ich kann es nicht verhindern.
 

"Fang damit gar nicht erst an, Edward."

Ich sehe dich streng an.

"Du bist nicht allein auf dieser Welt und soweit ich weiß, hast du meiner Tochter das Versprechen gegeben, so einen Mist nie wieder abzuziehen."

Ich deute auf den Arm, den du kurz angesehen hast.

"Keine Angst, ich erwarte nicht, dass du hier rauskommst und für immer mit ihr zusammen bleibst. Aber ich erwarte, dass du dieses Versprechen hältst. Nicht mal um ihretwillen - sondern um deinetwillen."

Mein Blick verfinstert sich.

"Es würde viel ändern. Es würde bedeuten, dass du nicht mal versucht hast, an dir zu arbeiten, sondern einfach aufgegeben hast. Und ganz ehrlich?"

Ich schenke dir ein aufmunterndes Lächeln.

"Einfach so die Flinte ins Korn zu schmeißen - das ist doch nicht dein Stil."
 

"Ja ja ...", erwidere ich ziemlich gleichgültig und zucke mit den Schultern, während ich mir eine Zigarette aus der Schachtel heraus fische, die du mir vorhin mitgebracht hast und die in der Brusttasche des Overalls steckt. "Die meisten Versprechen werden früher oder später eh wieder gebrochen. Am besten, man macht keine erst. Das erspart einem unnötigen Ärger."

Nachdem ich mir die Zigarette angezündet und einen tiefen Zug genommen habe, sehe ich dich nachdenklich an.

"Außer dem GCPD interessiert es Keinen, ob ich hier drin bin oder nicht. Demzufolge ist es egal, ob ich versuche, mein Leben auf die Reihe zu bekommen."

Ich zucke kurz mit den Schultern und fühle mich mit einem Schlag richtig elend. Es ist ein beschissenes Gefühl, sich einsam zu fühlen. Dabei ist es auch egal, wie viele Menschen einen umgeben. Dieses nagende Gefühl der Einsamkeit lässt sich selbst durch die netteste Gesellschaft nicht vertreiben.
 

Schweigend beobachte ich, wie du dir eine Zigarette anzündest und absolut nicht so aussiehst, als würden dich meine Worte in irgendeiner Weise interessieren.

Großartig.

"Edward, ich ...", setze ich an, mache den Mund aber wieder zu. "Ach, Scheiße", fluche ich verdrießlich und trete einen Stein aus dem Weg, der eine Schramme auf meinem Schuh hinterlässt.

Wird ja immer besser.

"Ich bin nicht gut in so etwas, Edward. Ich bin ständig versucht, dich zu behandeln, wie ich einen schwierigen Sohn behandeln würde. Aber du bist erwachsen und selbst für deine Handlungen verantwortlich, also weiß ich nicht, ob das wirklich das Richtige ist."

Ratlos zucke ich mit den Schultern.

"Ich kann dir nur versichern, dass es mich wirklich interessiert. Nicht mich, Commissioner Gordon, sondern mich, Jim. Und, auch wenn du es nicht mehr hören kannst, meine Tochter interessiert es auch."

Zweifelnd sehe ich dich an. Ich habe keine Ahnung, was ich zu dir sagen kann, um dich ein bisschen aufzuheitern. Ich verfalle wieder in Schweigen, während ich angestrengt nachdenke. Einen Anreiz bräuchtest du.

"Weißt du ... Du hast sicher das Gefühl, dass es sich nicht lohnt, hier Erfolg zu haben, weil da draußen Nichts auf dich wartet. Aber das ist bescheuert."

Ich hüstele leicht vor mich hin, weil ich nicht so recht weiß, ob ich das Nächste wirklich sagen sollte.

"Ich fahre an meinen freien Wochenenden manchmal angeln", nuschele ich. "Die Ruhe ist herrlich. Natur statt Polizeisirenen. Warst du schon mal angeln?"

Es kommt mir beinahe vor, wie eine plumpe Anmache, was ich hier indirekt andeute. Was eine total dämliche Assoziation ist, aber trotzdem ...

Abwartend schiele ich zu dir herüber.
 

Im Prinzip gehen deine nett gemeinten und vermutlich aufrichtigen Worte in ein Ohr rein und im anderen wieder raus. Ähnliche Dinge habe ich schon dutzendfach gehört. Mal mehr, mal weniger nett formuliert. Aber letztendlich hat Niemand diese Worte wirklich ernst gemeint.

Als du dann auch noch davon sprichst, dass es dich und Barbara interessiert, finde ich den Boden unter unseren Füßen interessanter. Fast unmerklich schüttle ich den Kopf. Es mag dich vielleicht wirklich interessieren, aber Barbara ist längst über diesen Punkt hinaus. Sie findet zwielichtige Gestalten mit Maske und Cape wesentlich interessanter als hoffnungslose Fälle. Und mit dieser Tatsache muss ich mich abfinden - ob es mir nun gefällt oder nicht.

Langsam sehe ich dich an, als du plötzlich auf das Thema angeln kommst. Ich weiß gerade nicht, ob du mich verarschen willst oder es tatsächlich ernst meinst. Wenn ich daran denke, dass ich noch vor kurzem genau so etwas zu Crane gesagt habe, schleicht sich tatsächlich ein dünnes Lächeln in mein Gesicht. Allerdings verschwindet es genauso schnell wieder, wie es erschienen ist und macht einer leicht angewiderten Mimik Platz.

"Das ist sicherlich ... nett", würge ich hervor. "Ich habe es nicht so mit Fischen ..."

Alleine bei dem Gedanken an diese glitschigen, kalten Lebewesen läuft mir ein Schauer über den Rücken. Nicht mal, um sie danach wieder ins Wasser zu werfen, würde ich einen Fisch angeln.
 

Deine angewiderten Worte entlocken mir ein amüsiertes Lachen. Hoffentlich denkst du jetzt nicht, ich lache dich aus.

"Okay, dann kein Fisch", feixe ich. "Muss ja auch nicht. Aber dir ist schon klar, dass ich gerade auf sehr unelegante Weise versuche, dir vorzuschlagen, dass wir mal was unternehmen könnten?"

Ich traue mich gar nicht, dich anzusehen, weil die Worte so gerade heraus waren, dass es eigentlich unmoralisch ist. Noch bist du ein Insasse einer Anstalt für geistesgestörte Straftäter und nicht mein neuer bester Freund. Außerdem - mehr oder weniger - der Ex meiner Tochter. Und der Mann, der mir und meinen Leuten seit über einem Jahr das Leben schwer macht. Trotzdem scheint es mir absolut logisch, dir dieses Angebot zu machen.

"Weißt du ... Ich will jetzt nicht allzu sentimental klingen, aber ich mag dich, Edward. Nach allem, was passiert ist, fühle ich mich verantwortlich und kann dich nicht mehr ... nicht leiden."

Ich schüttle verwirrt den Kopf im Angesicht dieser doppelten Verneinung.

"Und das hat nicht mal zwangsweise etwas mit Babs zu tun. Ich glaube inzwischen geht es nicht mehr darum, mich mit eurer Verbindung abzufinden. Es geht eher darum, dass wir inzwischen auch irgendwie ... na ja. Gemeinsame Geschichte haben, du weißt schon."

Ich räuspere mich unsicher.

"Gott, klingt das so blöd, wie ich mir gerade vorkomme?"

Wenn es dich so fertig macht, dass dein Zeitvertreib dir den Laufpass gibt, dann ist dein Selbstwertgefühl geringer, als ich dachte.

Ein wenig perplex sehe ich dich an und weiß im ersten Moment nicht, was ich dazu sagen soll. Ich habe zwar schon irgendwie geahnt, dass du das Angeln nicht einfach mal so erwähnt hast, aber …

Du und ich an einem See …?

So viel Fantasie habe ich nicht, um mir das vorstellen zu können. Auch wenn dieses Angebot wirklich sehr verlockend ist.

Mit meinem Vater habe ich nie großartig was unternommen, als ich noch ein Kind war. Das höchste der Gefühle war den alten, windschiefen Geräteschuppen im verwilderten Garten zu entrümpeln oder auf den Schrottplatz zu fahren.

Ein kleines Lächeln schleicht sich in mein Gesicht, als ich dir dabei zuhöre, wie du darüber redest, dass wir beiden eine Verbindung haben.

"Na ja … Ein bisschen seltsam klingt es schon", sage ich schmunzelnd und ziehe an der Zigarette. "Als Police Commissioner kommt es bestimmt nicht gut, wenn du in deiner Freizeit mit einem Kriminellen unterwegs bist."

Ich mache eine Pause, um nachdenklich den Blick schweifen zu lassen. Es wäre schon schön, eine Vaterfigur zu haben, mit dem man all das machen kann, was Väter so mit ihren Söhnen machen. Unwillkürlich muss ich mit einem kurzen Seitenblick auf dich feststellen, dass ich mittlerweile damit angefangen, ausgerechnet in dir diese Vaterrolle zu sehen.

"Was das Angeln betrifft …", fange ich vorsichtig an und fühle mich irgendwie ziemlich dämlich dabei.

Aber nur wenn man ehrlich genug zu sich selbst ist und sagt, was man will, bekommt man das auch vom Leben.

"Ich bin zwar kein großer Fan von der Natur, aber wenn du unbedingt willst …", sage ich und mache eine wegwerfende Handbewegung.

Ich halte mich absichtlich vage, damit du nicht mitbekommst, wie sehr mich dein Angebot reizt. Ich mache erneut eine Pause, weil ich nicht weiß, wie ich dir das Nächste möglichst schonend beibringen soll. Irgendwie ist es mir wichtig, ehrlich zu dir zu sein, auch wenn du nach meinen nächsten Worten im schlimmsten Fall wieder nur der Commissioner bist.

"Barbara und ich …", beginne ich verhalten und raufe mir kurz die Haare. "Da gab es keine große Verbindung. Man kann es nicht wirklich Beziehung oder so nennen. Es war …"

Ich mache eine Pause und seufze leise.

"Wie sage ich das jetzt am besten …?"
 

Deine Unschlüssigkeit bringt mich zum Lächeln. Auch wenn du dir Mühe gibst, zu übertünchen, was du wirklich denkst, ein bisschen davon dringt trotzdem nach außen.

Kein Wunder.

Wann war wohl das letzte Mal, als du einfach nur mit einem Freund etwas unternommen hast?

"Wir müssen ja nicht unbedingt angeln", lache ich, als ich deine Handbewegung sehe. "Mach doch einen Gegenvorschlag. Aber denk dran - ich bin nicht mehr so ein junger Kerl wie du. Mich kriegen keine zehn Pferde in eine Disco."

Obwohl ich eben noch gescherzt habe, werde ich bei deinem Kommentar zu Babs schlagartig ernst. Mein erster Impuls ist es, wütend auf dich zu sein. Ich habe sogar schon fast den Mund aufgemacht, aber dann besinne ich mich.

Stattdessen mustere ich dich sehr eingehend. Es ist schwer für mich zu sagen, wie viel von deinen Worten du dir einfach nur einredest und wie viel wirklich stimmt. Mit einem traurigen Seufzen vergrabe ich die Hände in den Jackentaschen.

"Weißt du ... Ich habe Barbara und dich ja eigentlich nie zusammen gesehen. Damals kurz in Blackgate. Aber ansonsten war ich nie dabei, wenn ihr zusammen wart. Ich kann mich nur auf das stützen, was ich aus den Gesprächen mit Babs mitgenommen habe. Und was Batman mir gesagt hat."

Dass meine Tochter haltlos in dich vernarrt ist, kann ich auch sagen, ohne euch in Aktion gesehen zu haben.

"Mir ist schon klar, dass du Barbara wahrscheinlich mehr bedeutest als andersherum. Und ich wage zu behaupten, dass sie das inzwischen auch verstanden und akzeptiert hat. Gefühle kann man immerhin nicht erzwingen."

Ich sehe dich durchdringend an.

"Aber wenn du jetzt sagen würdest, dass sie dir vollkommen gleichgültig war und ist - das würde ich dir nicht abkaufen."
 

"Tja, da gab es auch nicht viel zu sehen, weil da nicht viel war ...", erwidere ich leise und zucke ein wenig hilflos mit den Schultern. "Ich habe zwar keine Ahnung, was sie dir erzählt hat, aber ich denke, dass es nicht verkehrt wäre, wenn du auch meine Version kennst."

Ich seufze leise.

"Im Knast bin ich ja schon, von daher ..."

Ich atme tief durch, ehe ich dich mit festerem Blick ansehe, als mir eigentlich zumute ist.

"Okay, pass auf ...", beginne ich in der Gewissheit, dass es dir als Vater sicherlich nicht gefallen wird. "Ich weiß nicht, wieso sich Barbara gerade mich ausgesucht hat, aber ich schwöre, dass ich sie nicht dazu ermutigt habe. Ich weiß, dass es ein Fehler war, ihr überhaupt nachzugeben, aber es ist nun mal passiert. Ich habe ihr auch von Anfang an gesagt, dass das für mich nichts Festes ist oder wird, und sie sich das am besten gleich wieder aus dem Kopf schlagen soll. Und - auch wenn das jetzt hart klingt - es war nicht viel mehr als ein Zeitvertreib für mich. Es hat mir geschmeichelt, ja, aber ich habe das bereits abgehakt."
 

Nachdem du zu Ende gesprochen hast, schweige ich erst einmal eine Weile. Deine Worte werfen mich nicht unbedingt völlig aus der Bahn. Sie überraschen mich nicht mal sonderlich. Aber es ist trotzdem hart, sie ausgesprochen zu hören.

"Das weiß ich doch, Edward", grummle ich missmutig. "Es gefällt mir kein bisschen, aber ich weiß es. Barbara hat sich dafür verbürgt, dass du nichts Ungebührliches gemacht hast und ich glaube meiner Tochter. Vor ihrem Vater zuzugeben, dass sie sich einem viel zu alten Kerl an den Hals geschmissen hat, ist immerhin schwer genug, also glaube ich nicht, dass sie lügt."

Leicht angesäuert lege ich die Stirn in Falten.

"Aber - und ich will, dass du dir dessen bewusst bist - meine Tochter ist nicht irgendeine Klette, auf die du dich zum Zeitvertreib mal eingelassen hast. Sie ist diejenige, die den Schlussstrich unter euer Was-auch-immer gezogen hat. Nicht du. Sie ist diejenige, die nicht gemeinsam durchbrennen wollte. Nicht du. Sie ist diejenige, die ihr Leben nach allem was passiert ist, wieder auf die Reihe bekommt und weitermacht. Etwas, woran du dir ein Beispiel nehmen kannst, anstatt deine Ärzte zu vergraulen."

Bis zu einem gewissen Grad versuche ich natürlich gerade, die Ehre meiner Tochter zu verteidigen. Aber ich habe Recht.

"Von mir aus liebst du Barbara nicht. Ich bin nicht mal sicher, ob sie dich liebt oder ob sie eine ungesunde Portion von Bewunderung mit Liebe verwechselt. Aber wenn es dich so fertig macht, dass dein Zeitvertreib dir den Laufpass gibt, dann ist dein Selbstwertgefühl geringer, als ich dachte. Und versuch bloß nicht, es abzustreiten, zwei meiner Jungs und Schwester Judy hatten die Ohren an der Tür."
 

Eigentlich will ich schon anfangen zu protestieren, dass ich eigentlich noch gar nicht so alt bin, aber du lässt mich nicht zu Wort kommen. Und das, was du sagst, gefällt mir nicht sonderlich, da es mir mal wieder vor Augen führt, wie verkorkst ich eigentlich bin.

Damit ist es so gut wie sicher, dass ich wirklich hier nach Arkham gehöre. Verdammt noch mal. Es ist doch zum kotzen, dass ich mir diesen Psycho-Mist nun auch noch von dir anhören darf.

Frustriert und auf eine gewisse Weise auch beleidigt und gedemütigt, schnippe ich den Zigarettenstummel weg, ehe ich dich grummelig ansehe.

"Okay, mag sein, dass du wirklich recht hast und es mich anfangs ziemlich getroffen hat. Du magst vielleicht auch recht damit haben, dass ich mein Selbstwertgefühl praktisch nicht vorhanden ist."

Ohne es zu merken, wird meine Stimme ein wenig lauter, aber nicht aggressiver.

"Tut mir ja leid, dass ich eigentlich ein emotionales Wrack bin, aber ich habe mir das ganz sicher nicht ausgesucht. Seit ich denken kann, musste ich mir jeden verdammten Tag anhören, dass ich nichts kann und zu nichts tauge! Und ja, stell dir vor, so etwas bleibt tatsächlich hängen, wenn man diese Worte sogar eingeprügelt bekommt!"
 

Meine Ratlosigkeit nimmt allmählich immer mehr zu. Du machst heute scheinbar die ganze Achterbahn der Gefühle durch. Und ich habe zumindest meinen Teil dazu beigetragen. Aber so richtig leid tut es mir auch nicht, denn ich habe erstens nur meine Tochter verteidigt und zweitens die Wahrheit gesagt.

"Du weißt, dass mir das klar ist Edward. Ich weiß, wie schwer du es hattest. Und ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass ich es für völlig normal halte, dass du bist, wie du eben bist, nach allem, was du durchgemacht hast. Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen."

Angestrengt reibe ich mir über die Augen.

"Ich hab keine Ahnung, wie ich richtig mit dir umgehen soll. Wann ich etwas Falsches sage, wann ich dir zu sehr auf die Pelle rücke. Ich will dich nicht aufregen, aber ich will auch nicht alles zurückbehalten, was mir auf der Zunge liegt."

Verzweifelt hebe ich die Arme.

"Ich versuche, dir Hilfe anzubieten und dich zu unterstützen. Aber ich weiß nicht, ob du das überhaupt willst. Mitleid ist schon mal das Falsche. Dir Tatsachen vor Augen zu führen, regt dich auf. Was soll ich denn noch machen? - Und wenn du mir jetzt sagst, dass ich es gut sein lassen und gehen soll, reiße ich dir den Kopf ab, Junge."
 

Meine vorher angestaute Wut verraucht, kaum dass du ein paar Worte gesagt hast. Ein wenig beschämt senke ich den Kopf.

Wenn du schon keine Ahnung hast, wie du mit mir umgehen sollst, wie soll es mir dann erst gehen?

Ich weiß doch selber nicht, was so richtig mit mir los ist. Und noch weniger weiß ich, was ich denken oder fühlen soll. Seit ich hier in Arkham bin, bin ich noch verwirrter, als ich es vorher war. Und wenn ich das Gespräch mit dir Revue passieren lasse, wird mir klar, dass ich mich auch genauso verwirrt präsentiert habe.

Ziemlich durcheinander schüttle ich langsam den Kopf und lasse meinen Blick rastlos schweifen.

"Ich habe keine Ahnung, was ich eigentlich will …", gebe ich zögerlich zu. "Mir ist bisher nie etwas in den Schoss gefallen. Ich musste mir immer Alles selbst erarbeiten. Ich –"

Mein Blick flackert zu dir herüber.

"Ich will kein Mitleid. Ich habe mir das selbst eingebrockt, also muss ich da auch alleine wieder raus kommen."
 

"Na, gut", sage ich langsam. "Ich habe kein Mitleid. Und ich stimme dir zu, du musst selbst versuchen, das hinzubekommen."

Eindringlich sehe ich dich an.

"Aber tu mir den Gefallen und schotte dich nicht komplett ab. Mitleid brauchst du vielleicht nicht, aber ein paar nette Menschen zum Reden haben noch niemandem geschadet."

Um die Situation etwas aufzulockern, schenke ich dir ein Grinsen und zwinkere.

"Und ja. Ich halte mich selbst für einen äußerst netten Menschen. Also: Sprich mit mir, wenn was ist und hör verdammt noch mal auf meine Ratschläge - so dumm sind die nämlich gar nicht."
 

Ich nicke langsam. Allerdings sagt es sich immer einfach, Jemanden an sich heran zu lassen. Ich bin bisher immer gut gefahren, mich möglichst unabhängig von anderen Personen zu machen. Barbara war die Letzte, die ich ziemlich nah heran gelassen habe.

Und was habe ich davon?

Doch nur wieder Kummer und Schmerz. Ich habe kein Interesse, das zu wiederholen.

"Ich soll also mit Crane reden, ja?", frage ich mit deutlicher Skepsis in der Stimme. "Am besten mein komplettes Leben von Anfang an aufrollen? Man sollte seinem Arzt dazu aber vertrauen können ..."
 

Ich muss schwer an mich halten, um jetzt nicht genervt die Augen zu verdrehen. Allmählich geht es mir auf den Zeiger, dass du dich ständig über Crane beschwerst. Er ist dein Arzt und immerhin dafür zuständig, dass du dich gut verhältst. Also kein Wunder, dass er dir nicht Alles durchgehen lässt. Es kommt mir so vor, als wärst du allein aus Prinzip gegen ihn. Ich kann jedenfalls keinen Grund feststellen, aus dem Crane dir oder irgendwem sonst etwas Böses wollen sollte.

"Ja, Edward", seufze ich. "Ich möchte, dass du mit ihm sprichst. Wenn dir Alles zu schnell geht, dann lass dich eben nur portionsweise auf ihn ein. Schließlich verlangt niemand von dir, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Aber du musst dir den ganzen Mist von der Seele reden. Ich meine, ich höre dir gern zu. Aber ich fürchte, dass ich dir kaum Lösungen bieten kann. Ein ausgebildeter Psychiater hingegen schon."
 

"Ich kann Crane aber nicht leiden ...", murmle ich und würde gern die Hände frustriert tief in den Hosentaschen des Overalls vergraben.

Diese Handschellen nerven mich fast genauso sehr.

"Ich traue ihm nicht über den Weg. Da werde ich doch keinen Seelen-Striptease hinlegen ..."

Dann seufze ich.

"Aber gut, meinetwegen ... Ich probiere es ... Die Frage ist nur, was es mir bringt?"
 

"Versuch es einfach mal."

Gott, ich komme mir vor, als müsste ich bei deiner nächsten Sitzung daneben stehen und dich anfeuern.

"Wer weiß, vielleicht findest du ja durch die Gespräche eine Basis mit ihm, die dir erlaubt, dich richtig zu öffnen. Und wenn nicht, dann eben nicht."

Ich zucke mit den Schultern. Nach deinem letzten Satz sehe ich dich durch verengte Augen an.

"Abgesehen von einem leichteren Herzen und weniger seelischen Belastungen?"

Meine Mundwinkel zucken.

"Vielleicht ein Päckchen Kippen, das du mit Erlaubnis deines Arztes behalten darfst. Auf jeden Fall aber meine Anerkennung und volle Unterstützung - und mal ehrlich, wer will die nicht?"

Muntert es dich auf, wenn ich dir sage, dass in der hintersten Ecke der Verwahrstelle immer noch dieser Mustang steht ...?

Unwillkürlich muss ich schmunzeln, auch wenn ich nicht gerade in Hochstimmung bin. Anscheinend passiert das häufig, wenn wir beide mehr als drei Sätze miteinander wechseln.

"Kippen sind gar nicht so verkehrt ...", sage ich und ziehe demonstrativ einen Klimmstängel aus der Schachtel.

Nachdem ich mir die mittlerweile dritte Zigarette in diesem Gespräch angezündet habe, werfe ich dir einen fast schon schelmischen Blick zu.

"Na ja ... Ich könnte mal eine Umfrage im Hochsicherheitsbereich machen, was die anderen Verrückten von der Anerkennung des Commissioners halten."

Nach einem tiefen Zug verschwindet das Grinsen schnell wieder aus meinem Gesicht.

"Dir ist klar, dass ich das nicht meinte, oder? Was soll passieren, wenn ich als »geheilt« hier entlassen werde?"
 

"Na, die werden dir nur positive Antworten geben, jede Wette", feixe ich, doch auch ich mache wieder ein ernstes Gesicht, als du die alles entscheidende Frage stellst.

"Tja", beginne ich lang gezogen. "Dann arbeiten wir daran, dass du dein Leben wieder auf die Reihe bekommst. Du brauchst eine neue Bleibe, in der du dich wohlfühlen kannst. Einen anständigen Job, in dem dein Licht nicht unter den Scheffel gestellt ist. Ein besseres soziales Umfeld als Schläger und Mafiosi. Und ein paar Gründe, die dir glaubhaft vermitteln, dass das Leben sich lohnt."
 

"Ich hätte doch Medizin studieren sollen ...", murmle ich nachdenklich mit einem schiefen Grinsen. "Dann müsste ich mir wenigstens keine Sorgen um einen Job machen ..."

Ich seufze und zucke mit den Schultern. Ich schweige für einen Moment. Das bedeutet dann wohl, dass das GCPD meine Wohnung auf den Kopf gestellt hat. Und das die Fledermaus immer noch hinter meinen Rechnern her ist.

"Wofür sich das Leben lohnt ...", wiederhole ich leise. "Tja ... Da gibt es eigentlich Nichts großartig. Glaubst du, wenn ich Etwas hätte, hätte Batman Weihnachten zu meiner Rettung eilen müssen?"
 

"Vor allem nicht in Gotham", füge ich halb bitter, halb scherzend hinzu.

Mit all den Schießereien und Angriffen kann man hier als Arzt sicher gut verdienen ...

"Wir suchen dir schon was", sage ich und klopfe dir einmal aufmunternd auf den Rücken. "Weihnachten hast du zum Glück überlebt. Jetzt heißt es nach vorne sehen und nicht zurück. Sieh es als Neuanfang und hör auf, Trübsal zu blasen."

Ein schiefes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.

"Muntert es dich auf, wenn ich dir sage, dass in der hintersten Ecke der Verwahrstelle immer noch dieser Mustang steht ...? Hat nach wie vor ein paar Kratzer, aber ansonsten wartet er sehnsüchtig darauf, wieder auf die Straße zu kommen."
 

Was suchen ... Toll, ich kann mir schon lebhaft vorstellen, dass ich am Ende auf der Zulassungsstelle versauern werde. Das ist bestimmt ganz großes Kino ...

Deswegen bekommst du auch nur ein halbherziges kurzes Lächeln von mir. Als du dann aber aus heiterem Himmel meinen Mustang erwähnst, sehe ich dich im ersten Moment perplex an. Diese Information muntert mich tatsächlich auf, was du mir vermutlich auch ansehen kannst.

"Ernsthaft?", frage ich nach und schaffe es nicht, die Begeisterung darüber komplett aus meiner Stimme zu verbannen. "Ich dachte, nach drei Monaten werden die beschlagnahmten Wagen weiter veräußert? Ich meine ... Wieso?"
 

Lachend zucke ich mit den Schultern.

"Das ist eigentlich ganz simpel. Hast du dir den Wagen mal angesehen?"

Ich grinse breit.

"Niemand will dieses Schmuckstück freiwillig hergeben. Alle sind scharf darauf, dein Baby selbst mal nach hause zu fahren. Aber der Wagen ist alles andere als billig. Und mal eben mitnehmen geht natürlich auch nicht - sonst hätte mein verehrtes Töchterchen mich schon gezwungen, das Auto einzukassieren. Eh sich also alle die Köpfe einschlagen, ist er erst einmal stehen geblieben. Und irgendwann ist die Sache im Sande verlaufen. Aber ich versichere dir - da schleichen immer noch einige Geier um das Auto herum."

Zugegebenermaßen ist Babs nicht ganz unschuldig an der ganzen Sache. Sie hat auf sehr dramatische Weise den Eindruck vermittelt, dieses Auto - gegen das sie teilweise ihre Aggressionen gerichtet hat, weil du nicht verfügbar warst - sei alles, was ihr noch von dir geblieben sei. So oft, wie sie meinetwegen im GCPD ist, hat sie sich dort einige Freunde gemacht. Und gute Seelen wie Harvey haben natürlich Wert darauf gelegt, dass der Wagen sich vorerst nicht von der Stelle rührt. Ich hatte lediglich gebetet, dass ihn am Ende keiner der Kollegen bekommt. Nicht auszudenken, wenn Babs das Ding jeden Tag auf dem Parkplatz gesehen hätte. In der Verwahrstelle steht das Auto bis heute sehr gut.

Und wer hätte gedacht, dass ich sogar noch einmal einen Nutzen davon haben würde.
 

Ich muss ebenfalls grinsen. Natürlich habe ich mir den Mustang genau angesehen. Mehr als einmal sogar. Ich habe ihn mir damals ja nicht ohne Grund gekauft. Ich weiß, wie der Wagen wirkt – besonders auf das andere Geschlecht. Ganz besonders bewusst geworden ist mir das, als ich Barbara zum ersten Mal an ihrer High School abgeholt habe. Und ich kann mich noch sehr genau an die neidischen und gierigen Blicke der Kollegen erinnern, die sie dem Mustang zugeworfen haben, als er noch jeden Tag auf dem Parkplatz des GCPD stand.

Aber hey, es ist ja nicht mein Problem, dass die Meisten einfach keinen Geschmack haben und stattdessen Dodge à la Al Bundy fahren.

"Ich habe ihn auch nicht gerade freiwillig hergegeben", füge ich mit einer hochgezogenen Augenbraue hinzu, die verbergen soll, dass mir mein Mustang wirklich am Herzen liegt. "Und ich hätte ihn gerne in einem Stück und fahrbereit wieder. Da sich die Besitzdokumente nach wie vor in meinem Besitz befinden, gehört mir der Mustang auch noch, richtig?"

Ich werfe dir einen fragenden Blick zu, denn ich muss mir gerade eingestehen, dass ich mich noch nicht damit beschäftigt habe, ob der Wagen noch mein Eigentum ist oder nicht.

"Und du darfst gerne einen Aushang im GCPD machen, dass ich nicht vorhabe, den Wagen zu verkaufen. Dazu war er dann doch ein bisschen zu teuer. Außerdem sind Steuern und Versicherung ein bisschen viel bei einem Polizistengehalt."

Wieder wandert meine Augenbraue ein Stück nach oben, als du Barbara erwähnst.

Soll das heißen, dass deine Tochter auf den Mustang scharf ist?

Oder interpretiere ich gerade zu viel in deine Worte hinein?

Nun ja, Barbara war zumindest jedes Mal sehr begeistert, wenn ich sie in die Nähe des Wagens gelassen habe. Von daher würde ich jetzt einfach mal vermuten, dass sie ihn selber gerne hätte.
 

Es war fast ein bisschen zu leicht, dich auf andere Gedanken zu bringen. Man merkt, wie viel dir dieses Auto bedeutet. Da wird einem richtig warm ums Herz, wenn man sieht, welche Freude dir das macht.

"Ja, er gehört nach wie vor dir. Wenn du also hier raus bist, dann darfst du dir dein Baby aus der Verwahrstelle abholen."

Auf deinen Kommentar zum Polizistengehalt hin sehe ich dich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Über den vorangegangenen Scherz kann ich nicht so wirklich lachen.

"Da fragt man sich ja irgendwie, wie du mit deinem Gehalt aus der Cyber Crime Unit diesen Wagen bezahlt hast", murmle ich vage.

Eigentlich will ich die Stimmung nicht ruinieren, aber es ist eine berechtigte Frage. Nicht mal als Police Commissioner könnte ich mir einen Mustang leisten.
 

Meine gute Laune ist mit einem Schlag wie weggeblasen, als du auf meinen Verdienst im GCPD zu sprechen kommst.

Hätte ich doch nur den Mund gehalten.

Hätte ich doch meine große Klappe gehalten und dir nicht diese Flausen in den Kopf gesetzt.

Das habe ich ja mal wieder super hinbekommen. Und jetzt darf ich zusehen, wie ich dich von dem Gedanken weg bekomme, dass ich nebenbei noch die einen oder anderen Einkünfte hatte.

"Aktien, Immobilien und eine sparsame Lebensweise ...", erwidere ich verhalten.

Dass ich dazu noch ein halbes Dutzend Konten im Ausland habe, die gute Gewinne abwerfen und ich zusätzlich - ohne dass sie es wissen - auf der Gehaltsliste mehrerer Mafiabosse stehe, tut nichts zur Sache.
 

Durch verengte Augen musterte ich dich misstrauisch. Natürlich fällt es sehr schwer, dir das zu glauben.

Ein Teil von mir möchte es wirklich gern, will annehmen, dass du einfach ein Händchen für Finanzen hast und deswegen guten Gewinn gemacht hast.

Der andere Teil - der Polizist, nicht der Kerl, der sich schon als deinen Ersatzvater handelt - traut dem Braten nicht.

Ich seufze gedehnt.

"Irgendwas sagt mir, dass da eindeutig mehr dahinter steckt. Du bist dir darüber im Klaren, dass ich das nicht einfach unter den Tisch kehren kann, so sehr ich dich auch mag, oder?"

Beinahe entschuldigend sehe ich dich an. Ich will das gerade erst geknüpfte Band zwischen uns ungern zerstören. Aber zu einem dieser Polizisten zu werden, die alles einfach gut sein lassen, weil sie mit den Verbrechern sympathisieren, kommt für mich nicht in Frage.

"Aber lass uns das nicht heute weiter besprechen."
 

Kaum, dass du geendet hast, bleibe ich stocksteif stehen und mustere dich finster. Da ist er wieder, der Polizeichef. Der Typ, den ich nicht leiden kann.

"Ab hier nur noch im Beisein meines Anwaltes ...", erwidere ich unterkühlt.

Dann drehe ich mich zu meinen Wachhunden um.

"Wir sind hier fertig und der Commissioner will gehen."
 

Es kostet mich einige Anstrengung, jetzt nicht verzweifelt die Hände vors Gesicht zu schlagen. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass du von jetzt auf gleich wieder abweisend reagierst. Trotzdem kann ich mir nichts vorwerfen. Ich bin und bleibe nun mal Polizist und du bist und bleibst letztendlich ein Straftäter - wenn auch einer, der mir verdammt schnell ans Herz gewachsen ist.

Ich sehe zu, wie die Wachen mit grimmigen Gesichtern zu uns aufschließen. Es gefällt ihnen wohl nicht, dass du derjenige bist, der hier den Ton angibt.

"Wir kriegen das schon hin, Edward", sage ich leise.

Ich rechne jeden Moment damit, dass die Hölle losbricht und du mich anschreist.

"Ich hab dir versprochen, dass ich dir helfen werde. Und du kannst dir sicher sein, ich halte meine Versprechen."

Seufzend umrunde ich dich, sodass wir wieder Nase an Nase stehen.

"Bitte nimm dir meine Worte zu Herzen uns verhalte dich besser. Du willst hier raus, also tu was dafür."

Eine Millisekunde lang drücke ich deine Schulter, ziehe die Hand aber sofort zurück, damit du nicht versuchst, mich mit deinen Handschellen zu erwürgen.

"Halt die Ohren steif, Junge."
 

Ich weiß gerade nicht, was mir mehr gefällt: Die frustrierten und angesäuerten Gesichter meine Leibwache oder deine Mimik, die verrät, dass du gerade ein wenig angepisst bist. Ich hebe mein Kinn ein wenig an, als du wieder vor mir stehst, was mir einen leicht arroganten Ausdruck verleiht. Zudem umspielt ein spöttisches Lächeln meine Lippen.

"Was ich tue oder lasse, geht Sie nichts an, Commissioner ..."

Mit voller Absicht sieze ich dich wieder und betone deinen Rang ein wenig abfällig. Dann lasse ich dich einfach stehen und setze mich in Bewegung, um wieder zum Gebäude zu kommen.

Ich bin noch keine drei Schritte weit gekommen, da flankieren mich meine Wachhunde auch schon wieder. Einer packt mich sogar am Oberarm, so als ob er befürchtet, dass ich im nächsten Moment einen Fluchtversuch unternehme.

"Finger weg!", zische ich ihm aggressiv zu und entreiße meinen Arm seinem Griff. "Den Weg in meine Zelle finde ich auch alleine, du Schwachmat!"

Was ist los, Doc? Ist die Krawatte zu eng? Oder ist Ihre Gummipuppe mit dem Badeentchen durchgebrannt?

Als du von den Wachen, die ich für dich abgestellt habe, den Weg zum Gebäude entlang geführt wirst, lehne ich bereits mit verschränkten Armen im Türrahmen. Ich kann nicht mal verhindern, dass ich mit der Fußspitze immer wieder ungeduldig auf den Boden trommle. Wenn es nach mir ginge, könnte das Alles schneller gehen.

Als deine kleine Gruppe näher kommt, stelle ich mit einiger Genugtuung fest, dass du schlechte Laune zu haben scheinst. Zumindest erweckt es den Eindruck, so wie du deine Wachen anschnauzt. Scheinbar konnte es dir der Commissioner heute nicht recht machen. Was immer der Mann von dir wollte ...

Ich gebe mir Mühe, dich mit einem besonders strahlenden Lächeln zu begrüßen.

"Edward, was für ein Zufall, dass wir uns gleich hier treffen", sage ich betont beiläufig und löse mich aus der Tür, um zu dir nach draußen zu treten. "Ich hoffe, Sie und der verehrte Commissioner hatten einen angenehmen Spaziergang?"

Gelassen schlendere ich zu dir, die Hände lässig in den Kitteltaschen. Dein Wachpersonal macht geschlossen einen Schritt zur Seite, um mir den Weg freizumachen.

Herrlich.

Wenn das nicht wunderbar unterstreicht, dass ich hier die Fäden in der Hand halte.

Apropos.

Selbige strecke ich dir nun auffordernd entgegen.

"So leid es mir tut, Edward, aber Sie kennen die Regeln. Die Zigaretten bitte."

Passend dazu präsentiere ich dir ein spitzbübisches Grinsen. Du kannst ruhig wissen, dass ich jeden deiner Schritte im Auge hatte.
 

"Ja, was für ein Zufall ...", erwidere ich mürrisch und schenke dir einen finsteren Blick.

Schon von Weitem habe ich dich am Eingang warten sehen. Ich scheine ja eine echte Faszination auf dich auszuüben, wenn du so besessen von mir bist. Das lässt sich sicher zu einem Vorteil für mich ausnutzen.

Als du dann näher kommst, hebe ich skeptisch eine Augenbraue. Du scheinst heute ja erstaunlich gute Laune zu haben. Na ganz toll. Als ob du sonst nicht schon lästig genug bist. Und dass du jetzt auch noch meine Kippen haben willst, verschlechtert meine ohnehin schon miese Laune zusätzlich.

"Können Sie knicken, Crane. Der Police Commissioner hat es gestattet. Und jetzt gehen Sie mir aus der Sonne. Ich habe heute echt keinen Nerv für Ihren Psycho-Mist. Gehen Sie einem anderen auf den Keks und lassen Sie mich einfach in Ruhe."
 

Amüsiert hebe ich eine Augenbraue.

"So garstig kenne ich Sie ja gar nicht, Edward", sage ich mit deutlicher Ironie in der Stimme. "Wir können gleich darüber sprechen, weshalb Sie heute so schlecht gelaunt sind. Dafür bin ich ja da. Aber vorher …"

An dieser Stelle werde ich mit einem Schlag ernst und sehe dich drohend an.

"… geben Sie mir diese Zigaretten, wenn Sie nicht wollen, dass die Herren hier sie Ihnen mit Gewalt abnehmen müssen."

Die Männer machen den Eindruck, als wäre ihnen das sogar mehr als recht.
 

Deine drohende Haltung prallt zwar wie an Wackelpudding an mir ab, trotzdem rolle ich sichtlich genervt mit den Augen und seufze theatralisch.

"Kaufen Sie sich selber welche ...", sage ich dann deutlich sarkastisch.

Dann fische ich aber doch die Schachtel aus der Brusttasche des Overalls. Demonstrativ hole ich eine Zigarette aus der Schachtel, stecke sie mir zwischen die Lippen und zünde sie mit Gordon's Feuerzeug an, welches er mir überlassen hat. Ich nehme einen tiefen Zug und puste dir den Rauch provozierend ins Gesicht.
 

Ein kleines Husten kann ich nicht unterdrücken, als du mir deinen Rauch ins Gesicht bläst. Mit so viel Dreistigkeit habe ich nicht mal bei dir gerechnet. Wenn ich etwas hasse, dann ist es, nicht den mir gebührenden Respekt entgegengebracht zu bekommen. Unweigerlich blecke ich die Zähne und mache einen Schritt auf dich zu.

Ich reiße dir die Zigarette aus dem Mund, schmeiße sie nach unten und trete sie wütend aus.

"Sie hören mir jetzt gut zu, Edward. Ich dulde sehr viel von Ihrem Fehlverhalten, weil ich Ihre Situation kenne und Sie schonen will."

Angepisstes Schnauben von den Wachen, scheinbar halten sie dich nicht für jemanden, den man schonen muss. Wo sie Recht haben ...

"Aber irgendwann ist das Maß voll."

Meine Hände sind inzwischen zu Fäusten geballt. Ich hasse dieses Gefühl. Nicht für voll genommen zu werden ist unerträglich. Ich verabscheue es, mich hilflos zu fühlen. Leider bin ich der letzte, der sich in so einer Situation seinen Respekt durch körperliche Einschüchterung verdienen könnte. In solchen Augenblicken sehne ich mich nach meiner Maske ...

"Nehmen Sie ihm die Zigaretten und das Feuerzeug ab", zische ich und atme tief durch.

Während einer der Männer dir deine Geschenke wegnimmt, versuche ich, mich zu beruhigen. Wenn wir jetzt in meinem Büro oder im Therapiezimmer gewesen wären, wärst du fällig gewesen. Ich hätte mir meinen Respekt auf meine liebste Art verdient. So kann ich mich jedoch nur bemühen, nicht vollkommen auszurasten.
 

Obwohl ich weiß, dass es dich nur noch mehr provozieren wird, kann ich ein gehässiges Grinsen einfach nicht unterdrücken. Auch, dass du dich vor mir aufbaust und anscheinend denkst, dass mich das irgendwie beeindruckt, imponiert mir nicht ein Stück.

Während du mit mir redest, wird das Grinsen sogar noch breiter. Erstaunlich. Noch vor ein paar Minuten habe ich dir die Pest an den Hals gewünscht und jetzt habe ich dank dir wieder glänzende Laune. Eigentlich sollte ich dir sogar dankbar sein und ein bisschen netter zu dir sein. Aber eigentlich ist es gerade sehr interessant, mal meine Grenzen bei dir auszutesten.

"Was ist los, Doc?", frage ich spöttisch und betone deinen Titel abfällig. "Ist die Krawatte zu eng? Oder ist Ihre Gummipuppe mit dem Badeentchen durchgebrannt?"
 

"BITTE WAS?!", fahre ich dich unvermittelt an und habe völlig vergessen, dass ich mich eigentlich kontrollieren wollte.

Das ist ja wohl der Gipfel der Unverschämtheit. Ich muss schwer an mich halten, mich jetzt nicht zu rechtfertigen. Die Genugtuung werde ich dir nicht geben, denn mein Privatleben geht niemanden etwas an. Allen voran dich nicht.

Ich werfe einem deiner Aufpasser, der tatsächlich kurz aufgelacht hat, einen giftigen Blick zu.

"Was nehmen Sie sich eigentlich heraus, Sie -"

Ich kann mich gerade so noch zügeln, ehe es hässlich wird.

"Sie sollten wirklich aufpassen, was Sie sagen, Edward. Es gibt einige Dinge, die Sie nicht wissen. Über mich."

Ich lege den Kopf leicht schräg.

"Und über Sie selbst."

Ein gehässiges Grinsen schleicht sich auf meine Lippen und sogar die verwirrten Blicke der anderen Anwesenden sind mir egal. Ich nehme die Brille ab und sehe fixiere dich grimmig.

"Man könnte fast meinen, die momentane Situation reizt sie", sage ich leise. "Das ist bedenklich, immerhin wissen Sie noch gar nicht, wie tief in der Scheiße Sie wirklich stecken. Sie haben so viel angerichtet, von dem Sie noch keine Ahnung haben. Aber wissen Sie was? Sie werden es eines Tages herausfinden. Früher oder später - eigentlich egal. Sie werden sich unglaublich freuen."

Meine Stimme trieft vor Sarkasmus. Ich persönlich hoffe ja eher auf früher. Ich kann gar nicht mehr erwarten, wie es dir gehen wird, wenn Miss Gordon mit der Wahrheit herausrückt.
 

Mein Grinsen fällt tatsächlich in sich zusammen und macht einen skeptischen und ein wenig nachdenklichen Blick Platz. Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass du behauptest, du hättest mehr Informationen über meine Situation als ich selber. Eigentlich bin ich mir sicher, dass du bluffst. Aber in deinen Augen kann ich sehen, dass du deine großspurige Behauptung sehr ernst meinst.

Während ich deinen Blick nicht weniger grimmig zurück gebe, grüble ich darüber nach, um was es sich für Informationen handeln könnte. Ich bin mir sicher, dass ich dir nicht besonders viel Angriffsfläche geboten habe, die es rechtfertigt, dich mir gegenüber so aufzuspielen.

Ich verenge die Augen und lege den Kopf ein wenig schief.

Was zur Hölle hast du vor, du Quacksalber?

"Sie bluffen.", sage ich selbstsicher und reichlich selbstgefällig.

Ich bin mir bei dieser Aussage zwar nicht hundert prozentig sicher, aber das kannst du mir sicher nicht ansehen.

Dann hebe ich ergeben die Hände.

"Aber Sie haben recht ... Ich habe mal wieder meine schlechte Laune an Ihnen ausgelassen. Und dafür möchte ich mich entschuldigen."
 

Den Teufel willst du. Am liebsten würde ich dich deine Zigarettenschachtel in den Rachen stopfen und dich daran ersticken lassen. Aber ich bin ja ein guter Psychiater und komme meinen reizenden Schützlingen entgegen, wenn sie ihr Fehlverhalten einsehen.

Ich wünschte, wir wären allein. Dann könnte ich dir jetzt anständig die Meinung geigen. Aber vor den anderen Anwesenden muss ich so tun, als würde mir dein Wohl tatsächlich am Herzen liegen. So etwas Bescheuertes aber auch.

"Schon gut, Edward. Es ist schön, dass du deine Fehler einsiehst. Wir machen Fortschritte."

Ich nicke den Wachleuten zu.

"Geleiten Sie Edward doch in mein Therapiezimmer, Gentleman. Ich habe das Gefühl, es besteht ein wenig Gesprächsbedarf."
 

Mit einem offensichtlich falschen Lächeln sehe ich dich einige Sekunden lang an, ehe ich der Aufforderung meiner Wachhunde folge leiste und ihnen mehr oder weniger freiwillig ins Gebäude folge.

Den Weg zum Therapieraum nutze ich, um mich innerlich schon mal darauf gefasst zu machen, dass du mir gleich alles zurück zahlen wirst. Da bin ich mich vollkommen sicher, denn so viel weiß ich inzwischen von dir: Du wirst meine Provokationen nicht auf dir sitzen lassen.

Hin und wieder werfe ich den Wachleuten einen kurzen Blick zu. Es ist auf jeden Fall sehr interessant, dass sogar die Wachmänner sich dazu hinreißen lassen, über ihren Boss zu lachen. Darauf lässt sich auf jeden Fall aufbauen. Gedanklich notiere ich mir den Namen des Mannes, der vorhin gelacht hatte.

Entweder naschen Sie zu oft oder zu selten von Ihren Psycho-Pillen ...

Im Nachhinein bin ich wirklich froh, dass ich deine Akte nicht gleich mitgenommen habe. Das gibt mir vor dem Gespräch Zeit, meine Gedanken zu ordnen.

Was soll ich jetzt machen?

Deine Akte unter den Arm geklemmt stehe ich vor dem Schrank, in dem meine Maske eingeschlossen ist. Eine Hand habe ich sehnsüchtig auf dem Griff. Ich bin kurz davor, die Maske herauszunehmen und es dir so richtig heimzuzahlen. Aber das wäre falsch.

Ich bin wütend und gekränkt und würde es aus Rache tun. Wenn ich meine Versuche mit dir aber beginne, dann will ich klar im Kopf und ruhig sein, um mich genau auf die Ergebnisse konzentrieren zu können.

Angestrengt reibe ich mir über die Augen und schlucke schwer. Zum ersten Mal hält sich meine Lust in Grenzen, mit dir zu reden. Du hast mich so aus der Fassung gebracht, dass ich für einen Augenblick die Oberhand verloren habe. Das macht mir zu schaffen.

"Arschloch", brumme ich und zwinge mich dazu, die Hand von dem Schrank zu nehmen und stattdessen die Brille wieder aufzusetzen.

Widerwillig setze ich mich in Bewegung und stoße im Therapiezimmer zu dir. Ich habe mich entschieden, dir nicht die Hölle heiß zu machen. So schwer es mir auch fallen wird, ich werde es auf die nette Tour versuchen.

"Haben Sie sich etwas gefangen?", frage ich also im Plauderton. "Sie brauchen sich übrigens keine Sorgen zu machen, Edward. Ich habe mich beruhigt und werde Ihnen nicht an die Gurgel gehen. Mein Ausraster tut mir leid. Als Ihr Arzt sollte ich mich besser im Griff haben."

Das ist nicht mal gelogen, sondern die reine Wahrheit. Ich habe dich viel zu viel sehen lassen.
 

Kaum, dass du auch nur einen Fuß im Raum hast, habe ich schon wieder mein selbstsicheres Grinsen aufgesetzt. Meine Wachhunde haben mich zum Glück für diese paar Minuten in Ruhe und vor allem allein gelassen. Nicht, dass ich hier in Arkham zu viele gesellschaftliche Verpflichtungen hätte, aber ich bevorzuge mittlerweile wirklich meine kleine Einzelzelle.

"Also ernsthaft, Crane ...", erwidere ich grinsend und habe nicht die Absicht, dir auch nur einen Zentimeter entgegen zu kommen. "Entweder naschen Sie zu oft oder zu selten von Ihren Psycho-Pillen ... Aber ich verzeihe Ihnen."

Dann halte ich dir demonstrativ meine Hände mit den Handschellen hin.
 

Ich hole schon Luft, um zu kontern, lasse es letztendlich aber bleiben. Bedauerlicherweise muss ich mir eingestehen, dass du inzwischen genau weißt, wo meine wunden Punkte sind. Was du natürlich gnadenlos ausnutzt.

Arschloch, wiederhole ich in Gedanken.

Seufzend lege ich deine Akte auf meinem Stuhl ab und komme zu dir herüber, um dir die Handschellen abzunehmen.

"Was halten Sie davon, wenn wir uns heute beide ein bisschen zurückhalten?", biete ich an, ohne dich anzusehen.

Dann hättest du nämlich erst recht bemerkt, dass ich schon beim Gedanken an meinen Vorschlag am liebsten aus dem nächsten Fenster springen würde.

"Ich gestehe, dass es durchaus Spaß macht, mich verbal mit Ihnen zu duellieren. Aber es hilft Keinem von uns."

Ich nehme dir die Handschellen ab und kehre zu meinem Platz zurück.

"Natürlich bietet es uns beiden die Möglichkeit, den Anderen zu analysieren und seine Schwachpunkte zu finden. Leider ist das nicht das Ziel dieser Therapie. Oder mögen Sie mich so sehr, dass Sie das den Rest Ihres Lebens so weitermachen wollen?"
 

Wenn du mich ansehen würdest, als du mir die Handschellen abnimmst, würdest du das verschlagene Grinsen und amüsierte Funkeln in meinen Augen sehen. Dein Vorschlag amüsiert mich so sehr, dass ich anfange, ein wenig zu kichern, als du endlich die Handschellen gelöst hast.

Und kaum, dass du zu dem Stuhl zurück gekehrt bist, springe ich von der Liege auf, auf der ich bis jetzt gemütlich saß, und schlendere betont desinteressiert im Raum herum.

"Doktor Crane ...", sage ich langsam und betone jede einzelne Silbe. "Und Sie wollen wirklich einen Doktortitel in Psychologie haben?"

Ich bleibe stehen und sehe dich wissend an.

"Es scheint mir fast so, als ob Sie das Diplom aus dem Internet haben."

Ich seufze theatralisch.

"Momentan sieht es nämlich eher so aus, als wäre ich der Therapeut und Sie mein bemitleidenswerter Patient."

Ganz unvermittelt klatsche ich in die Hände und gehe beschwingt zur Liege zurück, um mich hinzusetzen und die Beine übereinander zu schlagen.

"Okay, genug von mir. Wie fühlen Sie sich, nachdem ich Ihre Autorität vor Ihren eigenen Angestellten untergraben habe?", frage ich und äffe dabei deinen Psychologen-Tonfall nach.
 

Dein dämliches Gekicher lässt mich schon jetzt bereuen, dass ich die Maske nicht mitgenommen habe.

Scheiß auf wissenschaftliche Genauigkeit, wenn ich dich leiden lassen kann ...

Als du wieder einmal an der Rechtmäßigkeit meines Diploms zweifelst, schließe ich kurz die Augen und seufze genervt.

"Immer dieselbe Leier", flüstere ich angesäuert. "Sie wollen also mein Therapeut sein? Na ja. Zumindest diese Anwandlung ist neu."

Ich schlage deine Akte auf und zücke meinen Kugelschreiber.

"Liegt natürlich daran begründet, dass Sie mehr und mehr das Gefühl haben, Ihnen gleitet die Kontrolle durch die Finger. Kein Wunder, Sie scheinen gerade bei Gordon die Kontrolle mehrmals verloren zu haben."

Über den Rand meiner Brille hinweg sehe ich dich vielsagend an.

"Aber das haben Sie sicher längst erkannt, stimmt's, Doktor?"

Deinen Kommentar über die Angestellten und meine Autorität sollte ich eigentlich wirklich ignorieren. Trotzdem rutscht mir durch zusammengebissene Zähne ein "Lassen Sie's gut sein, das schadet Ihrer Gesundheit" heraus.
 

Mir liegt ein gehässiger Kommentar auf der Zunge, bezüglich darüber, ob ich die Kontrolle verliere, aber vorerst schlucke ich ihn runter - zumindest vorläufig. Mein Grinsen bleibt aber wie festgetackert auf meinem Gesicht und ich wippe rhythmisch mit dem Kopf, als du redest, um meine vorgespielte Zusicherung auszudrücken.

"Doktor Crane ... Jonathan ...", sage ich langsam und mache eine Kunstpause. "Johnny ...", füge ich hinzu und grinse dich schelmisch an. "Mir scheint es eher so, dass Sie die Kontrolle verlieren."

Ich senke den Kopf und sehe dich wissend über den Rand meiner Brille an.

"Es muss Sie ziemlich frustrieren, dass ich einfach nicht nach Ihren Regeln spiele, stimmt's? Ich meine, Sie haben so einen tollen Ruf in Gotham und kaum bin ich in Ihren heiligen Hallen, kann man Ihnen praktisch dabei zusehen, wie Sie immer mehr die Nerven verlieren."

Wieder seufze ich theatralisch.

"Sie würden mir jetzt gern Eine rein hauen, habe ich recht?"
 

Meine Lippen sind zu einer dünnen Linie zusammengepresst.

Johnny.

Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal jemand Johnny genannt hat. Damit gehst du eindeutig zu weit.

Dass ich mich nicht auf deine Stufe herablassen sollte, vergesse ich.

Dass hier immer noch ich der Psychiater bin und verantwortungsvoller sein sollte, ist mir so egal wie noch nie.

Ich beuge mich langsam nach vorn und reiße mir fast die Brille herunter.

"Du hast mich noch nie erlebt, wenn ich wirklich die Kontrolle verliere, Nashton."

Meine Stimme ist leise und eindringlich.

"Aber weißt du was? Ich würde dir sogar liebend gern eine verpassen. Aber wozu dir diese Genugtuung geben."

Gehässig blecke ich die Zähne zu einem boshaften Grinsen.

"So wie du immer Alle provozierst - mich, die Wachen, deinen geliebten Commissioner - legst du es ja scheinbar drauf an. Liegt das an Daddy? Verwechselst du körperliche Gewalt mit Anerkennung? Ich vermute, du bist so scharf drauf, zusammengeschlagen zu werden, weil du es brauchst, um dich irgendwie beachtet zu fühlen."

Ich lehne mich wieder zurück und hebe bedauernd die Hände.

"Tut mir leid, Nashton. Du bist mir nicht genug wert, um dir so viel Anerkennung zu schenken."

Abwartend verschränke ich die Arme vor der Brust. Das waren heikle Worte. Kann sein, dass sie dich kalt lassen. Kann sein, dass du mich angreifst. Wert ist es das allemal.
 

Mein spöttisches Grinsen bleibt an Ort und Stelle, als du anfängst zu sprechen. Deiner Tonlage nach zu urteilen, habe ich dich wirklich richtig heftig provoziert und es wird sicherlich nicht mehr lange dauern, bis du komplett die Fassung verlierst.

Irgendwie ist es gerade äußerst verlockend, dich so weit zu reizen. Wenn der Leiter von Arkham ausrastet und auf die eigenen Patienten losgeht, wird der Laden sicherlich schnell geschlossen. Aber auf jeden Fall wärst du deinen Job los.

Verlockende Vorstellung.

Doch schon nach wenigen Sätzen entgleiten mir die Gesichtszüge und ich kann dich nur noch komplett perplex anstarren. Mein schockierter Blick flackert kurz zur Tür und ich bin wirklich versucht, aufzuspringen und die Flucht anzutreten.

Die Versuchung ist sehr groß, doch im letzten Moment kann ich mich davon abhalten. Mir ist klar, dass das die Retourkutsche für meine Provokationen ist. Allerdings greifst du für deine Rache sehr tief in die unterste Schublade.

Meine Kiefer sind fest aufeinander gebissen und meine Fingerknöchel treten weiß hervor, weil ich die Hände so fest zu Fäusten geballt habe. Um nicht auszurasten und dich jetzt auf der Stelle anzugreifen, zähle ich gedanklich von zehn an rückwärts und atme mehrmals bewusst tief ein und aus.

Ich darf jetzt auf keinen Fall ausrasten.

"Pass mal ganz genau auf, Crane ...", sage ich gefährlich leise und funkle dich mit Mord im Blick an.

Meine Stimme vibriert immer noch leicht von der an dich gerichteten unterdrückten Wut.

"Mir ist scheißegal, für wen zum Teufel du dich hältst, aber bloß, weil irgendein Vollidiot ausgerechnet dir die Leitung über diesen Saftladen gegeben hat, bedeutet das nicht, dass ich dir auch nur einen Hauch Respekt entgegenbringe. Du bist so falsch wie die Brüste von Pamela Anderson und es müsste schon die Hölle zufrieren, ehe ich dir auch nur einen Zentimeter entgegen komme. Meinetwegen können wir dieses verbale Weitpissen jedes Mal veranstalten, aber selbst die Risse in der Decke zählen ist interessanter, als dir zuzuhören."

Ich muss mich kurz unterbrechen, um Luft zu holen.

"Deine Anerkennung ist das Letzte, was ich will. Allerdings wäre es sicherlich sehr interessant was passiert, wenn du endgültig die Nerven verlierst - so als Chef von einem Haufen Bekloppter. Der Bürgermeister wäre sicher begeistert. Ich brauche weder deine neunmalklugen Ratschläge, noch die von irgendjemand Anderen, um zu wissen wie gut ich bin. Und du hast nicht den Hauch einer Ahnung, wie gut ich eigentlich bin, du aufgeblasenes Arschloch."
 

Meine Hände sind so fest zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortreten. Ich will gerade ansetzen, um dich in Grund und Boden zu brüllen, aber unheilvolles Knacken lässt mich nach unten sehen. Ah, ja. Ich habe die Brille ja noch in der Hand. Schnaubend inspiziere ich den rechten Bügel, der leicht angeknackst ist.

Großartig.

Könnte gar nicht besser laufen.

Mit einem Ruck springe ich auf, schiebe dabei den Stuhl achtlos zurück und verlasse ohne dich anzusehen den Raum. Deine Akte nehme ich mit. Du würdest die Gelegenheit ausnutzen.

"Dr. Crane? Sir? Soll er zurück in die Zelle?"

"Nein, ich bin sofort wieder da", fahre ich den Wachmann an, der mich verwirrt anblinzelt.

Ich kümmere mich nicht um ihn und stapfe geradewegs weiter in mein Büro.

Dort pfeffere ich deine Akte auf den Schreibtisch. Sie rutscht über die Kante und fällt auf der anderen Seite nach unten. Ich lasse sie, wo sie ist.

Stattdessen stütze ich mich mit vor Wut bebenden Händen an dem Schrank ab, in dem meine Maske wartet, und versuche, mich schwer atmend zu beruhigen.

Das war heftig.

Ich schmeiße auch die angeknackste Brille nach drüben auf den Schreibtisch und reibe mir angestrengt über das Gesicht. Dir jetzt mit der Maske zu kommen wäre verlockend, aber falsch.

"Mieser, hinterhältiger, kleiner Hurensohn", zische ich und schlurfe zu meinem Schreibtisch.

Ich reiße die oberste Schublade auf und krame eine angebrochene Flasche Scotch hervor, aus der ich einen großen Schluck nehme. Während der Alkohol mir die Kehle verbrennt, betrachte ich die Flasche.

Vielleicht sollte ich ...

"Hm ... Warum eigentlich nicht?"
 

Mit einer gewissen Genugtuung nehme ich wohlwollend zur Kenntnis, dass du es bist, der die Flucht antritt.

So muss das laufen.

Genau so und nicht anders!

Endlich scheinst auch du zu kapieren, wie der Hase läuft. Nicht ich bin derjenige, der hier sein Inneres nach Außen kehren wird. Es wird genau anders herum sein.

Du bist schließlich nicht der Erste, den ich in Grund und Boden rede, bis er selbst an das glaubt, was ich ihm sage. Du glaubst ja gar nicht, wie gut ich darin bin, Jemanden solange zu bequatschen, bis ich meinen Willen bekomme und Derjenige glaubt, es sei alles seine Idee gewesen.

Oh ja, ich wäre ein verdammt guter Anwalt - oder Cop.

Ich nutze die Zeit, die du weg bist, um wieder runter zu kommen. Und das ist auch dringend nötig, so wie mein Puls rast. Es hätte wirklich nicht mehr viel gefehlt und hätte dir irgendwas gebrochen. Vorzugsweise die Nase oder das Jochbein. Beides sehr schmerzhaft, wenn man Brille trägt.

Sieh's ein ... Ich bin intelligenter als du.

Mit der Flasche in der Hand kehre ich zum Sitzungsraum zurück. Auf den schockierten Blick des Wachmannes hin ziehe ich mir irgendetwas über deinen Alkoholiker-Vater aus der Nase und Probleme, die ich dir versinnbildlicht vor Augen führen will. Natürlich schluckt der Trottel den Mist, obwohl er absolut unglaubwürdig ist.

"Soll ich dir mal was sagen?", beginne ich, nachdem die Tür zu ist. "Ich halte selbst nicht viel von diesem Saftladen. Aber er bietet einiges an Material, dass ich brauche."

Ich nehme noch einen Schluck aus der Flasche und reiche sie dir.

"Ich verabscheue die Hohlköpfe, die hier arbeiten. Die Irren, die Heilung von mir erwarten. Das GCPD und Blackgate, die überall mitmischen."

Geflissentlich ziehe ich die konfiszierten Zigaretten und das Feuerzeug des Commissioners aus der Tasche.

"Ich wäre längst weg, wenn ich nicht das ein oder andere von hier bräuchte."

Ich zünde mir eine von deinen Zigaretten an, klopfe eine weitere aus der Schachtel und biete sie dir an.

"Du verstehst das, oder? Ist dasselbe gewesen bei dir", nuschle ich an der Zigarette vorbei und verziehe einen Mundwinkel zu der Parodie eines Lächelns. "Vielleicht bin ich falsch. Aber nicht falscher, als du es warst. Zumindest habe ich noch nicht die Tochter des Anstaltsleiters flachgelegt."
 

Ich sitze immer noch an derselben Position, als du wieder den Raum betrittst. Aber ich bin doch ziemlich überrascht über die Flasche, die du in der Hand hältst. Mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue lehne ich mit einer Geste die Flasche ab, die du mir hinhältst.

Scotch ... Mir steht zwar der Sinn nach einem guten schottischen Whisky, aber die Versuchung ist nicht groß genug, um jetzt mit dir Bruderschaft zu trinken.

"Ach was? Jetzt sag nicht, dass die Regierung neue Medikamente an den armen Schweinen hier testet?", frage ich mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme.

Meine Augenbraue wandert zu neuen Höhen, als du dir erst selbst eine Zigarette ansteckst und mir dann auch noch eine anbietest.

Bin ich gerade im falschen Film?

Was ist das jetzt wieder für eine linke Nummer?

Trotz meiner Skepsis nehme ich die Zigarette mit einem knappen Nicken an.

Als du dann unvermittelt erwähnst, dass ich was mit der Tochter vom Chef hatte, werde ich schlagartig leichenblass. Ich bin zum ersten Mal froh, dass ich auf dieser Liege sitze, denn andernfalls würden mir jetzt die Knie nachgeben. Meine Hände fangen leicht an zu zittern und ich lasse die Zigarette fallen, die ich gehalten habe.

Das darf doch nicht wahr sein ...

Wie hast du das heraus gefunden?

Woher ...?

Völlig schockiert starre ich dich sprachlos mit großen Augen an. Mir ist dabei bewusst, dass ich mich damit mehr als nur verrate, aber ich bin in diesem Moment nicht in der Lage, anders zu reagieren. Du hast mich gerade völlig unvorbereitet eiskalt erwischt.
 

Es wäre jetzt mehr als einfach, meine Genugtuung offen zur Schau zu stellen, aber ich beherrsche mich. Anstatt irgendeinen sarkastischen Kommentar über dein blödes Gesicht abzugeben, bewahre ich mir eine halbwegs neutrale Miene und bücke mich, um deine Zigarette aufzuheben. Ich lege sie neben dir ab und packe gleich Gordons Feuerzeug dazu.

"Die Regierung testet gar nichts", murmle ich mit dem Hauch eines Lächelns. "Und du brauchst nicht so schockiert zu schauen, ich habe dir die Information nicht auf magische Weise an den Augen abgelesen oder vehement in deiner Vergangenheit danach gekramt. Miss Gordon hat es mir erzählt, als sie bei mir war, um einen Besuch zu erbitten."

In Ermangelung eines Aschenbechers lasse ich die Asche auf den Boden krümeln und schiebe sie beiläufig mit der Schuhspitze unter die Liege. Ein paar schwarze Striemen mehr auf dem Boden werden Niemanden verwundern. Gott allein weiß, wann hier das letzte Mal gründlich sauber gemacht wurde. Arkham ist und bleibt eben ein Drecksloch. In vielerlei Hinsicht.

"Ich mache dir nicht mal einen moralischen Vorwurf deswegen. Die Kleine ist wirklich ein guter Fang. Bildhübsch, entschlossen und scheinbar sind ihre Nerven stark genug, um einen wie dich auszuhalten. Auch wenn es mir ein Rätsel ist, wie du dieses süße, unschuldige Ding für dich eingenommen hast."

Ich mustere dich eingehend.

"Du bist weder ein Adonis noch Prinz Charming. Aber sie scheint wirklich verliebt in dich zu sein, also irgendwas musst du an dir haben."
 

Immer noch reichlich verdattert höre ich dir zu, wie du davon erzählst, dass Barbara dir Alles brühwarm aufgetischt hat. Vermutlich an dem Tag, als sie mit mir reden wollte, ich aber nicht wollte. Wahrscheinlich hast du sie solange bequatscht, bis sie dir Alles gesagt hat. Würde dir zumindest ähnlich sehen. Rhetorisch scheinst du zumindest auch einiges auf dem Kasten zu haben. Na klasse ...

Verwirrt raufe ich mir mit einer Hand die Haare und versuche, meine Gedanken zu ordnen, was in diesem Moment nicht gerade einfach ist. Gleichzeitig versuche ich mir fahrig die Zigarette anzustecken, was mir durch meine immer noch leicht zitternde Hand erst beim dritten Versuch gelingt.

Nach zwei tiefen Zügen sehe ich dich zum ersten Mal wieder bewusst an. Es hat ja eh keinen Sinn mehr, mich irgendwie rausreden zu wollen, also kann ich auch das Beste aus der Situation machen - oder es zumindest versuchen.

"Ja, okay ...", sage ich schließlich ergeben. "Ich hatte was mit der Tochter vom Chef. Aber das war nur eine unbedeutende Affäre und hat Nichts bedeutet."

Okay ... Nicht mal ich kaufe mir das selber ab.

Scheiße ... Du hast einen meiner wunden Punkte gefunden. Gefällt mir nicht sonderlich, aber was soll ich jetzt noch groß dagegen machen ...

"Ja, starke Nerven hat sie, aber auch eine ordentliche Portion Naivität ..."
 

Offenbar gibst du dich tatsächlich geschlagen und bist zumindest ansatzweise gesprächsbereit. Auch wenn du mich natürlich anlügst. Sicher merkst du selbst, wie unglaubwürdig du gerade klingst.

Ich lasse diesen Umstand unkommentiert, gebe dir lediglich durch einen vielsagenden Blick zu verstehen, dass ich nicht völlig bescheuert bin.

"Naiv ... Ja, das würde ich so unterschreiben, nach allem, was ich von ihr gehört habe", seufze ich.

Sich von einem gesuchten Verbrecher schwängern zu lassen, ist alles andere, als eine Glanzleistung. Es heißt ja bekanntlich, dass Liebe blind macht. Für mich teilweise unverständlich, wie man sein rationales Denken einfach so mir nichts dir nichts dem Gefühl zuliebe abstellen kann, aber bitte.

"Scharwenzelt Commissioner Gordon deswegen noch um dich herum? Weil du seine Tochter entehrt hast und jetzt für immer bei ihr bleiben sollst?"

Ich muss schmunzeln bei dem Gedanken. Für so etwas bist du eindeutig nicht der Typ. Wahrscheinlich überfordert dich das Ganze maßlos.
 

Gott ...

Musst du mich wirklich so ansehen, als ob ich nicht mal einem kleinen Kind den Lolli klauen könnte?

Ich weiß ja, dass das nicht meine beste Lüge war, aber dass musst du mir doch nicht so unter die Nase reiben. Ich weiß schon, warum ich nicht leiden kann.

Ich seufze leise und nehme einen tiefen Zug von meiner Zigarette. Rauchen soll ja beruhigen, auch wenn ich momentan nicht viel davon merke.

Durch das Gespräch bedingt, sehe ich unwillkürlich Barbaras wütendes Gesicht vor mir, als ich sie mit Handschellen gefesselt in meinem alten Unterschlupf an der Pioneers Bridge zurück gelassen habe. Sie hat mich dabei mit ziemlich heftigen Schimpfworten belegt.

Was sie wohl von mir wollte, als sie vor ein paar Tagen hier war?

Wollte sie mir wieder eine Standpauke halten?

Mich versuchen, auf den rechten Weg zu bringen?

Ach, was weiß ich ... Wird schon nichts Wichtiges gewesen sein.

Auf deine Frage hin hebe ich den Kopf und sehe dich einen Moment lang zweifelnd an.

"Nein, ich denke nicht ...", sage ich ausweichend und ziehe wieder an der Zigarette. "Er hat sich irgendwie in den Kopf gesetzt, einen auf meinen neuen besten Freund zu machen."

Ich zucke mit den Schultern.

"Keine Ahnung ... Ist mir auch egal ..."
 

Nachdenklich ziehe ich an der Zigarette und mustere dich.

Bilde ich mir nur ein oder führen wir gerade ein gesittetes Gespräch?

Fast rechne ich damit, dass du mich nur in Sicherheit wiegen willst. Andererseits kommt es mir tatsächlich nicht so vor, als würdest du gerade irgendeinen Plan verfolgen.

"Das glaube ich dir", sage ich grinsend. "Der Mann kommt einem schon so vor, als würde er alles und jeden retten wollen. Die Tochter genauso - nichts für ungut."

Einen Augenblick lang sehe ich schweigend zu, wie meine Zigarette vor sich hin glimmt.

"Ich persönlich glaube ja, dass man nicht Jeden retten kann. Manchen Leuten ist nicht mehr zu helfen, mit denen muss man anders verfahren."

Interessiert sehe ich dich an.

"Wie siehst du das, Edward? Zweite Chance für Jeden oder härtere Methoden?"
 

"Na ja ...", erwidere ich nachdenklich. "Immerhin muss man Gordon zumindest zugute halten, dass er sich nicht schmieren lässt - obwohl dass sicherlich Einiges erleichtern würde."

Ich mache eine kurze Pause.

"Also für die Mafia", werfe ich schnell hinterher, damit du hoffentlich nicht auf die Idee kommst, dass ich irgendwann mal mit dem Gedanken gespielt habe, Gordon zu schmieren.

Ich hatte zwar meine Finger mit im Spiel, was die Korruption im GCPD und anderen Behörden betrifft, aber auch erst die letzten Monate vor dem großen Knall zu Weihnachten.

Skeptisch hebe ich eine Augenbraue und sehe dich mit deutlichem Zweifel an.

Willst du mich jetzt verschaukeln oder denkst du allen Ernstes, dass ich auf diese schlechte Fangfrage rein falle?

Aber okay, ich werde mal mitspielen.

"Mhm ...", mache ich nachdenklich und klopfe mit einem Finger kurz auf die Zigarette, damit die Asche abfällt. "Kommt drauf an. Wenn sich jemand wirklich helfen lassen und das Leben wieder auf die Reihe kriegen will, sollte man demjenigen eine zweite Chance geben."

Ich mache eine Pause, um an der Zigarette zu ziehen.

"Solche offensichtlich Bekloppten wie Joker oder die Fledermaus sollte man am besten richtig hart anpacken. Vielleicht klingelt es dann mal bei denen."
 

Über deinen schnell nachgeschobenen Zusatz zur Mafia lache ich kurz. Darauf brauche ich gar nicht weiter einzugehen. Du bist auch nicht mehr und nicht weniger korrupt gewesen, als ich es heute bin.

Warum sollte ich mich jetzt auf eine moralische Diskussion mit dir einlassen?

Wahrscheinlich wären wir da eh einer Meinung. Deine Antwort auf meine kleine Probefrage ist um einiges interessanter.

"So so", murmle ich nachdenklich. "Wie sieht es mit dir aus? Willst du dir helfen lassen? Dich ändern? Oder machst du weiter wie bisher und musst hart angepackt werden."

Ich ziehe feixend an meiner Zigarette.

"Damit es klingelt. Du weißt schon."
 

Ein kleines Schmunzeln schleicht sich auf meine Lippen, ehe ich dich mit einer andeutungsweise hochgezogenen Augenbraue ansehe.

"Ich hoffe, dir ist klar, dass deine so nett verpackten Fragen zu meiner Zurechnungsfähigkeit genauso wenig bringen, als wenn du sie direkt stellen würdest."

Mein Grinsen wird ein Stückchen breiter.

"Ich an deiner Stelle würde also nicht allzu viel auf meine Antworten geben. Sieh's ein ... Ich bin intelligenter als du."

Immer noch grinsend zwinkere ich dir kurz zu, ehe ich wieder einen Zug von der Zigarette nehme.

"Aber okay ... Ich werde mitspielen. Aber zuerst eine Gegenfrage ..."

Ich mache eine Kunstpause.

"Was habe ich denn bisher so Schlimmes gemacht, was rechtfertigt, dass ich hier sitze, und mit dir rede?"

Was habt ihr nur alle damit, dass ich irgendwas anzünden will? Bin ich ein Pyromane, oder was?

Eine Weile blicke ich durch verengte Augen auf deinen fröhlichen Gesichtsausdruck, dann entweicht mir ein schnaubendes Lachen.

"Und ich hoffe, dir ist klar, dass sogar deine erlogenen Antworten mir sehr viel über dich verraten. Aber sei's drum. Unsere kleine Intelligenzbestie hat sicher sogar das eins a im Griff."

Ob du mich nun anlügst oder nicht, kann mir eigentlich herzlich egal sein - immerhin werde ich sowieso die Wahrheit erfahren, wenn wir erst mit den wirklich lustigen Sitzungen anfangen.

Auf deine Frage hin reibe ich mir kurz nachdenklich das Kinn.

Tja, was soll ich darauf antworten?

Du hast versucht, dich zum Topverbrecher hinaufzuschwingen. Du zeigst übersteigertes Aggressionspotential, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und obsessiv-kompulsives Verhalten. Ganz zu schweigen von deinem Kindheitstrauma und dem weihnachtlichen Suizidversuch. Und deiner völligen Ignoranz gegenüber deiner Gesundheit, die dich gleich noch mal ins Krankenhaus gebracht hat.

Das rechtfertigt, dass du in dieser Anstalt bist.

Aber was rechtfertigt, dass du ausgerechnet an mich geraten bist?

"Schlechtes Karma, vielleicht. Oder einfach Pech gehabt", sage ich vage. "Denkst du, es macht einen Unterschied, wer dich behandelt? Oder glaubst du, dass du vollkommen gesund bist und eine Behandlung überflüssig ist?"

Ich nehme einen letzten Zug von der Zigarette, dann drücke ich sie am Metallgestell der Liege aus und schiebe sie in die Kitteltasche. Die muss hier niemand finden.

"Soll ich ganz ehrlich zu dir sein?"

Ich lege den Kopf leicht schief. Du würdest dir die Wahrheit wohl eh erschließen.

"Du hast nichts Schlimmeres gemacht, als viele andere vor dir."

Mich selbst eingeschlossen.

"Früher oder später landen sie alle hier - geisteskrank oder nicht, lass dir das gesagt sein. Sieh es als glückliche Fügung. Viele streben es an, hier zu sein, weil man bei guter Führung schnell wieder raus ist."
 

"Ach, tatsächlich? Was verraten denn meine Lügen so Schönes über mich?"

Neugierig beuge ich mich ein Stückchen nach vorne und sehe dich mit gespieltem Interesse an.

"Und was noch viel Wichtiger ist ... Woher willst du denn wissen, was die Wahrheit ist und was gelogen?"

Ich lache kurz auf.

"Ich gebe nicht besonders viel auf Karma oder das Schicksal. Karma ist völliger Humbug und Schicksal ist totaler Quatsch. Beides ist nur aus dem menschlichen Bedürfnis entstanden, sich zu erklären, warum irgendwas passiert. Wie damals im europäischen Mittelalter, als man sich zum Beispiel den Schluckauf nicht erklären konnte."

Ich mache eine Pause und sehe dich ernst.

"Na ja, ich würde es bevorzugen, einen Psychiater zu haben, der sich etwas deutlicher von seinen Patienten unterscheidet, aber ich muss gestehen, dass ich langsam richtig Spaß an unseren Gesprächen habe."

Die Frage, ob ich mich für geistig gesund halte, übergehe ich einfach. Ich hebe eine Augenbraue an.

"Es soll eine glückliche Fügung sein, in diesem Drecksloch zu sein?"

Ich lache kurz humorlos auf.

"Ernsthaft, in Blackgate war es besser."
 

Ich schenke dir nur ein breites Grinsen. Ach. Das hättest du wohl gerne. Auch ich beuge mich noch näher zu dir.

"Und wie kommst du auf die Idee, dass es mich kümmert, ob du lügst oder die Wahrheit sagst?"

Lächelnd schüttle ich den Kopf.

"Du siehst sehr viel, Edward, was beeindruckend ist. Aber längst nicht Alles. Von manchen Dingen hast du einfach keinen Schimmer."

Allerdings hast du vielleicht recht damit, dass ich dem einen oder anderen Patienten ähnle. Dir zum Beispiel. Es ist erschreckend, aber in gewisser Weise sind wir tatsächlich auf einer Wellenlänge. Was dich mir nicht unbedingt sympathischer macht.

"Lieb von dir", säusele ich sarkastisch. "Diese Sitzungen sind immer das Highlight meiner Woche. Vielleicht ja doch Schicksal?"

Sicher wärst du gern in Blackgate, wo du alle nach deiner Pfeife tanzen lassen kannst. Bedauerlicherweise bist du aber hier. Und wirst wohl oder übel damit leben müssen, dass ich den Ton angebe.

"Wenn du dich weiter so gut benimmst wie heute, dann kannst du das Drecksloch vielleicht in absehbarer Zeit verlassen."

Von wegen. Ich habe mit dir noch nicht mal angefangen.
 

"Nun ja ...", sage ich langsam und senkte ein wenig die Stimme. "Wenn man sich schon Psychiater schimpft, sollte man wenigstens ein kleines bisschen Interesse an seinen Patienten haben, oder?"

Ich grinse dich schelmisch an.

"Was hast du wirklich mit den richtigen Psychos vor? Und erklär mir doch mal, was ich angeblich nicht sehe."

Mein Grinsen wird eine Spur breiter, als ich plötzlich daran denken muss, dass ich mit Gordon dieses interessante Frage-Antwort-Spiel gemacht habe. Vielleicht wäre das auch bei dir eine Option ...

"Mal was anderes ... Legst du wert auf den Teppich ...?"
 

Mein Gesichtsausdruck ist wahrscheinlich eine perfekte Spiegelung deines amüsierten Grinsens.

"Oh, ich habe ungemeines Interesse an meinen ... Schützlingen", flüstere begeistert. "Aber probieren geht bekanntlich über studieren. Am besten werde ich dir beizeiten mal demonstrieren, was ich so alles vorhabe. Bis dahin werde ich mich hüten, dir den Rätselspaß zu verderben, Riddler."

Deine letzte Frage lässt mich kurz stutzig werden und ich schiele verdutzt zu der ausgetretenen Auslegware hinunter. Vom Vorgänger des Vorgängers meines Vorgängers.

"Willst du das Ding anzünden?", frage ich stirnrunzelnd. "Würde mir vielleicht einen Neuen verschaffen. Der Boss ist knausrig und stellt nicht viel zur Verfügung. Wie das immer so ist."
 

"Klar", lache ich amüsiert. "Man sieht dir förmlich an, wie sehr dich das Schicksal deiner Patienten berührt. So engagiert, wie du bist ..."

Ich grinse dich an.

"So so ... Ich bekomme also eine Sonderbehandlung, ja? Na, da freue ich mich doch", sage ich sarkastisch. "Und keine Sorge ... Ich habe auch außerhalb unserer Gesprächszeit meinen Spaß hier."

Um meine Worte zu unterstreichen, zwinkere ich dir wieder zu. Dann lehne ich mich wieder zurück.

"Was habt ihr nur alle damit, dass ich irgendwas anzünden will? Bin ich ein Pyromane, oder was?"

Grinsend schüttle ich den Kopf.

"Ich dachte eher an das ..."

Ich lasse meinen Zigarettenstummel, der fröhlich vor sich hin glimmt, demonstrativ auf den Teppich fallen und grinse dich an, während ein hübscher kleiner Brandfleck entsteht.
 

Mit gespielter Leidenschaft lege ich eine Hand feierlich auf meine Brust.

"Diese armen, hilfsbedürftigen Seelen sind mein ein und alles!", scherze ich. "Aber ernsthaft. Zumindest bin ich noch nicht mit einem von denen durchgebrannt und mache einen auf Sidekick."

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben.

"Ich weiß. Die Schwestern scheinen dich ja alle ganz goldig zu finden. So kann man sich natürlich auch Vorteile erschleichen."

Den Brandfleck betrachte ich mit schräg gelegtem Kopf.

"Für einen neuen Teppich reicht das nicht", stelle ich bedauernd fest.

Eigentlich ist mir der Teppich gelinde gesagt egal.
 

"Ah ja ... Harleen Quinzel ..."

Ich zucke grinsend mit den Schultern.

"Man muss schon ziemlich verrückt sein, wenn man ausgerechnet mit jemanden wie Joker durchbrennt. Na ja ... Man muss generell einen kleinen Sprung in der Schüssel haben für diesen Beruf ..."

Ich werfe dir einen schelmischen Blick zu, der dir hoffentlich zeigt, dass ich dich für nicht ganz richtig im Kopf halte.

"Tja ...", sage ich dann und mein Grinsen wird ein Stück breiter, auch wenn ich doch ein bisschen erstaunt bin, dass du tatsächlich weißt, dass ich gute und durchaus gewinnbringende Beziehungen zum medizinischen Personal von Arkham unterhalte. "Ich bin eben ein Goldjunge und das andere Geschlecht liegt mir quasi zu Füßen. Und ja, es bringt durchaus Vorteile - wenn man es darauf anlegt ..."

Ich betrachte ebenfalls den Brandfleck und setze ein gespielt schockiertes Gesicht auf.

"Hach ... Der schöne Teppich ... Gegen eine entsprechende Gegenleistung könnte ich natürlich dafür sorgen, dass du wirklich einen neuen Teppich bekommst ..."
 

Mit einem schiefen Grinsen verdrehe ich die Augen. Dass du mich für verrückt hältst, ist mir längst klar. Ich persönlich finde mich zwar eher brillant, aber na gut.

"Dir ist klar, dass ich das jederzeit unterbinden könnte, hm?"

Gut, das Argument ist nicht sonderlich stichhaltig, nachdem ich dir Zigaretten und Alkohol angeboten habe.

"Aber ich lasse dir den Spaß. Weil ich so ein herzensguter Kerl bin."

Diesmal bin ich derjenige, der zwinkert. Dein Angebot winke ich ohne nachzudenken ab.

"Du bist beileibe die letzte Person, der ich etwas schuldig sein will. Danke, aber nein danke."
 

Oh ja ... Du bist die netteste Person in Arkham. Ha! Von wegen.

Innerlich verdrehe ich genervt die Augen. Jede Wette, dass du das nur nicht unterbindest, weil du so versuchst, weitere Informationen über mich zu bekommen. Ist eben nur blöd für dich, dass ich dir auch da einen Schritt voraus bin.

"Trifft sich gut ...", murmle ich und greife nun doch noch nach der Scotch-Flasche, die du neben dich auf den Boden gestellt hast. "Ich habe heute noch einen Termin auf der Krankenstation."

Während ich dich nicht aus den Augen lasse, genehmige ich mir einen Schluck.

"Ich könnte dir sicher ein Date aushandeln. Es ist sicher frustrierend, nur hier rumzuhängen mit uns Verrückten."

Ich behalte die Flasche in der Hand, ehe ich dich angrinse.

"Schade eigentlich ... Du hast ja keine Ahnung, was ich anzubieten hätte ..."
 

"Da irrst du dich gewaltig."

Ich beobachte jede noch so kleine deiner Regungen.

"Es ist sogar unglaublich amüsant, euch zuzusehen, wie ihr hier in euren Zellen hockt."

Und denkt, ihr würdet hier jemals wieder herauskommen, füge ich gedanklich hinzu.

"Oder die Gespräche. Glaub mir, eine Sitzung mit einem Geisteskranken ist tausendmal interessanter als Smalltalk in irgendeinem zweitklassigen Restaurant."

War ja klar. Wenn du so vehement darauf pochst, mir etwas anbieten zu können, dann gibt es auf jeden Fall etwas, das du unbedingt haben willst.

"Ich bin nicht käuflich, Edward", sage ich glatt. "Zumindest nicht von kleinen Fischen wie dir. Wenn du irgendwann den halben Mob hinter dir hast, sprechen wir weiter."
 

"Mhm ...", murmle ich gespielt interessiert und mustere dich eingehend. "Psychiater scheint ja ein echt toller Job zu sein ... Schlechte Bezahlung, nur Verrückte um einen herum, kein Privatleben ... Ja, ich stelle mir das als absoluten Traumjob vor ..."

Gelangweilt zucke ich mit den Schultern und lehne mich ein Stück zurück.

"Tja ... Wer nicht will, der hat schon ..."

Von wegen, du bist nicht käuflich. Ich muss nur die richtige Summe ausloten. Ich habe mich zwar selber nie schmieren lassen, aber ich habe kein Problem damit, einige Scheine in die Taschen der richtigen Leute wandern zu lassen.

"Dabei dachte ich eigentlich, dass ein renommierter Psychiater wie du gerne mal so jemanden wie den Joker auf seiner Couch hätte ..."

Mein Blick nimmt einen verschlagenen Ausdruck an.

"Dann erzähle ich eben Commissioner Gordon davon ..."
 

"Kann ich mir vorstellen. Dürfte dich ja irgendwie an deine Zeit im GCPD erinnern", stichle ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus in der Stimme. "Nur das man als Psychiater zumindest gebührende Anerkennung erhält. Ganz zu schweigen von den ... Vergünstigungen."

Ich schenke dir ein selbstgefälliges Lächeln.

Der Name Joker lässt mich hellhörig werden. Da hast du natürlich eine äußerst verlockende Verhandlungsbasis geschaffen. Ich gebe mir alle Mühe, das begierliche Glitzern in meinen Augen zu verbergen. Leider liegt die Brille noch in meinem Büro ...

"Wenn du den Mann an Gordon verpetzt, landet er so oder so hier bei mir. Wieso sollte ich dir dafür etwas geben?"
 

"Ach, so übel war es im GCPD nicht ...", erwidere ich vieldeutig. "Wenn man weiß wie, dann ist es sehr annehmbar ... Mhm, das erinnert mich daran, dass ich mal wieder alte Kontakte pflegen sollte ..."

Mein Gesichtsausdruck zeigt dir sicher, dass ich nach wie vor mit einigen Informanten in Kontakt stehe.

Natürlich entgeht mir nicht, wie du auf die Information mit dem Joker reagierst. Und genau das lässt mich innerlich breit grinsen. Hab ich dich!

"Ich petze nicht", erwidere ich. "Ich handle mit Informationen. Es kommt ganz drauf an, wer mehr bietet, um den Joker zu bekommen. Bisher hält sich meine Motivation, Gordon etwas zu sagen, stark in Grenzen."

Mein Gott, wenn das so weitergeht komme ich betrunken aus dieser Sitzung.

Scheinbar hast du deine Kontakte. Wäre auch irgendwie enttäuschend gewesen, wenn dem nicht so wäre. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass du gerne mal größere Töne spuckst als angemessen, aber deine Selbstgefälligkeit stützt sich natürlich auf Tatsachen.

Gut, gut.

Du hast deine Leute an der Hand, ich meine. Letztendlich ist die Frage auch gar nicht, wer die Informanten sind, sondern wie weit man mit deren Informationen kommt. Bisher haben wir es Beide in diese Anstalt geschafft. Nur dass die Rollen klar verteilt sind - vorerst zu meinem Vorteil.

Eigentlich sollte ich zu deinem offenkundigen Bestechungsversuch etwas Gewieftes sagen oder mich zumindest desinteressiert geben. Letztendlich belasse ich es aber bei einem "Du weißt, dass du ein unerträglicher Arsch bist, oder?" und reibe mir gestresst den Nasenrücken.

Ich will den Clown haben. Ohne wenn und aber. Meine ehemalige Kollegin Miss Quinzel am besten gleich daneben.

"Du bietest also den Joker. Soweit so gut", brumme ich und nehme dir die Flasche weg, um einen Schluck zu trinken.

Hat doch irgendwie Kneipenatmosphäre. Therapeut und Patient spielen Mafia. Wahrscheinlich hast du Recht, die hatten einen Knall, mir dieses Diplom auszustellen.

"Wichtiger ist: Was willst du von mir? Ich verkaufe sicher nichts unter Wert."
 

"Tja, da nehmen wir uns ja nicht besonders viel, nicht wahr?", erwidere ich breit grinsend zu deiner charmanten Einschätzung meines Charakters. "Aber von nichts, kommt nichts."

Einen Moment lang sehe ich dich an und komme mir dabei so vor, als würde ich gerade ein Kreuzverhör vorbereiten.

"Gut ...", sage ich dann lang gezogen. "Legen wir doch mal Beide die Karten auf den Tisch ... Nehmen wir mal für einen Moment an, ich würde tatsächlich mit dem GCPD kooperieren und mein Wissen über den Clown teilen ... Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Haufen Stümper es schafft, ihn und seinen Anhang gemeinsam dingfest zu machen? Richtig, nicht besonders hoch. Ich allerdings weiß Dinge, die es möglich machen, sowohl den Joker, als auch sein Anhängsel in einem Rutsch hier nach Arkham zu bringen. Wie dir sicher bewusst ist, sind meine Informationen nicht umsonst ..."

Ich mache eine bedeutungsschwangere Pause und in meinen Augen funkelt es heimtückisch.

"Fürs Erste hätte ich gern ein paar Privilegien zurück und Begünstigungen wären auch nicht verkehrt ..."

Demonstrativ nehme ich dir die Schachtel Zigaretten weg, die eigentlich mein Eigentum ist. Seelenruhig zünde ich mir eine Zigarette an und lege den Kopf schief.

"Und wenn du meine Bedingungen zu meiner Zufriedenheit erfüllst, liefere ich dir den Clown und seine Prinzessin auf dem Silbertablett."
 

"Privilegien also, so so."

Gedankenverloren betrachte ich die Zigarette in deiner Hand. Dabei geht es dir doch sogar noch verhältnismäßig gut. Das treibt mir unweigerlich ein Schmunzeln ins Gesicht. Wenn ich da an die armen Irren denke, die in schließfachartigen Zellen vor sich hin vegetieren, von allen Ärzten aufgegeben. Vielleicht würde dir ein Ausflug dorthin mal gut tun.

"Das mag ja von mir aus Alles schön und gut sein. Aber warum besserst du nicht einfach dein Verhalten und bekommst so deine Privilegien zurück? Oder hast du inzwischen die Ansicht, dass du ein hoffnungsloser Fall bist, der es ohne Tricks nicht meistert?"

Ich lache kurz auf.

"Ganz zu schweigen davon, dass ich mich nur zurück lehnen und warten muss, bis die Fledermaus den Joker samt Anhang dingfest macht. Batman schnappt den Kerl problemlos. Was braucht man da dich?"

Bedauernd schüttle ich den Kopf.

"Schwach, Edward. Hast du nichts Besseres zu bieten?"
 

Gespielt beeindruckt nicke ich langsam.

"Gutes Argument ... Aber wie viele Wochen fischt unser dunkler Ritter denn nun schon im Dunkeln, seit der Clown das letzte Mal aus dieser so gut bewachten Anlage verschwunden ist, mhm?", frage ich stichelnd. "Ganz zu schweigen von den Idioten im GCPD?"

Demonstrativ unbeeindruckt ziehe ich an der Zigarette.

"Seien wir doch mal ehrlich ... Weder Batman, noch Gordon sind wirklich in der Lage, dem Clown Einhalt zu gebieten. Dass sie jetzt Cobblepot geschnappt haben, war mehr Glück als Können. Ich nehme an, du kannst dir ausrechnen, wie lange du darauf warten musst, bis du den Joker hier hast, wenn du dich nur auf die Polizei und unseren selbsternannten Rächer verlassen musst."

Ich lege den Kopf schief und mustere dich eingehend über den Rand meiner Brille.

"Ernsthaft ... Willst du dich wirklich blind auf diese beiden Instanzen verlassen? Oder bevorzugst du es, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, in der Gewissheit, dass es zum gewünschten Erfolg führt?"

Ich sehe dich ernst an und du kannst sicher in meinen Augen sehen, dass ich meine Worte absolut ernst meine. Es ist eines meiner Geheimnisse, dass ich auch hier in Arkham nach wie vor guten Kontakt nach draußen unterhalte. Immerhin treffe ich mich mindestens einmal pro Woche mit meinem Anwalt, der nach meinen Anweisungen in Vertretung meine Geschäfte weiter führt und dafür entsprechend entlohnt wird.
 

Ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, aber natürlich ist mir klar, dass du nicht Unrecht hast.

"Vielleicht bin ich ja im Moment mit dir genug ausgelastet", brumme ich halbherzig und greife wieder nach der Flasche.

Mein Gott, wenn das so weitergeht komme ich betrunken aus dieser Sitzung.

"Nehmen wir mal an, ich willige ein", sage ich vage und drehe nachdenklich die Flasche in den Händen. "Was sind deine Bedingungen? Und denk nicht, dass ich so einfach zustimme. Ich hätte da auch die ein oder andere Forderung an dich, mein Lieber."
 

"Ach komm schon ... Ich bin durch mein sonniges Gemüt doch ganz pflegeleicht - wenn man mir meine Wünsche erfüllt."

Ich nehme einen letzten Zug von der Zigarette und lasse sie demonstrativ auf den Teppich fallen, wo ein zweites Brandloch entsteht. Mein Grinsen wird eine Spur breiter, weil ich es durchaus amüsant finde, wie du dich an der Flasche festklammerst.

"Gut ...", sage ich lang gezogen und klatsche kurz in die Hände.

Meine Stimme hat einen geschäftsmäßigen Tonfall angenommen.

"Ich hoffe, du schreibst brav alles mit. Ich will ein paar Vergünstigen in Form von Hofgang, Zugang zu Bibliotheksmaterial, ein tägliches Telefonat mit meinem Anwalt, unbegrenzt Kaffee und Kippen und natürlich jede Menge Schreibmaterial. Unterkunft und Verpflegung dürfen gerne auch besser sein. Wie du siehst, ich habe gar nicht so große Ansprüche an meine Zeit hier in Arkham. Aber wir könnten es für uns Beide sehr viel angenehmer gestalten."
 

"Hm", mache ich knapp.

Deine Forderungen überraschen mich nicht unbedingt. So ziemlich das, was jeder hier will. Na ja. Abgesehen vom Lesestoff vielleicht. Vorerst lasse ich die konkreten Ansprüche unkommentiert.

"Und ich will, dass du kooperierst und anständig mitarbeitest, brav meine Fragen beantwortest und aufhörst zu zicken. Ein paar Informationen über Gordon und die Geschicke im GCPD wären ganz brauchbar. Und natürlich den Clown."

Ich überschlage lässig die Beine und lächle dich abwartend an.

"Dann schauen wir mal, wo wir einander entgegenkommen können."
 

"So nach dem Motto, eine Hand wäscht die andere, ja?"

Vollkommen ruhig und entspannt nehme ich mir meine Brille ab und lege sie neben mich auf die Liege, ehe ich dich aufmerksam mustere.

"Keine Ahnung, was sonst für trübe Tassen mit dir reden, aber dir sollte klar sein, dass ich sicherlich nicht auf solche leeren Versprechungen rein falle. Da musst du schon mehr bieten."

Ich seufze lautlos.

"Pass auf ... Ich handle mit Informationen. Und die sind nicht umsonst. Nur auf dein Wort werde ich mich sicher nicht verlassen. Erst will ich was Handfestes haben - am besten Schwarz auf Weiß - bevor du auch nur eine einzige Information von mir bekommst."

Betont lässig hüpfe ich von der Liege, verschränke die Hände hinter dem Rücken und schlendere ein paar Schritte hin und her.

"Es läuft zu meinen Bedingungen oder gar nicht. Ich mache meinetwegen bei diesem Therapiemist mit, aber erst, wenn meine Bedingungen zu meiner Zufriedenheit erfüllt worden sind. Ansonsten kannst du dir den Joker in die Haare schmieren und ich werde dir weiterhin das Leben hier schwer machen. Ich bin ehrlich gesagt schon sehr darauf gespannt, wie lange es noch dauern wird, bis du deinen Job verlierst, wenn du dich hier deinen Patienten, die dir angeblich so am Herzen liegen, gegenüber so gehen lässt."
 

"Oh, Edward ..."

Ich schüttle mit einem ebenso verheißungsvollen wie undurchsichtigen Grinsen den Kopf und beobachte dich amüsiert beim hin und her laufen.

"Du stellst dir das Alles so einfach vor, oder? Leider hast du etwas sehr Wichtiges noch nicht erkannt: Du bist nicht mehr derjenige, der den Ton angibt. Und du bist längst nicht so unentbehrlich, wie du dich findest. Wenn du nicht kooperativ beim verhandeln bist – na ja. Dann viel Spaß in deiner Zelle. Und so ganz am Rande ..."

Mein Grinsen wird noch etwas verschmitzter.

"Du machst mir das Leben nur schwer, weil ich es dir erlaube. Ich müsste nicht mal die schweren Geschütze auffahren. Ein paar simple Informationen und dir wäre mit einem Schlag ganz anders."
 

Innerlich verunsichert es mich tatsächlich ein wenig, dass du hier so selbstsicher große Töne spuckst. Du scheinst dir ja sehr sicher zu sein, dass du etwas richtig Gutes gegen mich in der Hand hast - auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was das sein soll.

Aber gut ... Kommt Zeit, kommt Rat, heißt es doch so schön. Früher oder später wirst du dich selbst verraten, ich muss mich nur in Geduld üben.

Äußerlich bin ich natürlich die Ruhe selbst, als ich mich an die Liege lehne, die Arme vor dem Oberkörper verschränke und ich mit einem ernsten und selbstsicheren Blick ansehe.

"Tja ... Deine Entscheidung ...", erwidere ich mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme. "Ich will den Joker ja nicht haben. Von daher ..."

Betont gelangweilt zucke ich mit den Schultern.

"Du kannst ja draußen Suchplakete an die Bäume kleben. Das hat vermutlich mehr Chancen auf Erfolg, als zu warten, bis der Clown mal der Fledermaus oder Gordon vor die Flinte läuft."
 

Ganz kurz balle ich eine Hand zur Faust. Der Drang, dir die Nase zu brechen, wird sicherlich noch zusätzlich durch den Alkohol verstärkt, aber im Moment ist er ziemlich präsent. Ich mahne mich mental zur Zurückhaltung. In einem Punkt hast du Recht: Ich muss aufpassen, dass ich es nicht übertreibe. Dich psychisch fertig zu machen, ist in Ordnung. Aber dir körperlichen Schaden zuzufügen steht außer Frage.

"Wie wäre es, wenn wir klein anfangen", schlage ich vor und bemühe mich um diplomatisches Gebaren.

Am liebsten würde ich aus dem Zimmer stürmen und dir die Tür vor der Nase zuknallen. Ich beuge mich nach vorn und angle mir die Zigarettenschachtel. Ich wedle damit in der Luft.

"Du darfst deinen Süchten frönen. Kaffee, Zigaretten. Rauchen im Gebäude ist natürlich untersagt, deswegen darfst du nach draußen. Im Gegenzug bekomme ich hier drinnen einen halbwegs verträglichen Patienten zu sehen."

Ich zucke mit den Schultern.

"Versteh mich nicht falsch, ein bisschen Spaß kannst du uns lassen. Aber lass das Ekel stecken. Dann wird der Onkel Doktor vielleicht auch lieb zu dir sein."

Vielleicht sollte ich dir mal meinen Hobbykeller zeigen. Du könntest mir bei einigen ... Experimenten behilflich sein. Macht Spaß.

Unwillkürlich verenge ich ein wenig die Augen, als ich bemerke, dass dein Aggressionspotenzial gerade ansteigt. So viel dazu, dass ich nicht wichtig für dich bin und nicht den Ton angebe.

Erwischt, mein Bester. Du scheinst nicht gerade viel Alkohol zu vertragen, wenn du schon nach den paar Schlucken so aus der Haut fährst.

Innerlich grinse ich schadenfroh. Aber ich muss aufpassen, dass ich jetzt nicht zu selbstsicher werde, denn zu meinem Leidwesen bist du nicht auf den Kopf gefallen. Zwar nicht so gut wie ich, aber du könntest mich sicherlich in Schwierigkeiten bringen, wenn ich nicht aufpasse.

Bei deinem Entgegenkommen nicke ich wohlwollend mit dem Kopf.

"Das klingt für den Anfang doch schon mal ganz gut ... Allerdings wäre da noch etwas ganz Essentielles ..."

Ich mache eine Kunstpause.

"Die Dinger da ..."

Ich deute auf die Handschellen.

"... kannst du vergessen. Ich bin allergisch auf Eisen."
 

Und ich bin allergisch auf dich, würde ich am liebsten sagen, aber dazu lasse ich mich nicht herab. Stattdessen funkle ich dich etwas gereizt an.

"Die Handschellen sind Vorschrift. Heul dich bei deinen Mitinsassen aus, aber du bekommst keine Bevorzugung, Edward. Dafür dass du dich so daneben benimmst - eigentlich hätte ich dich längst zu den Härtefällen stecken können."

Was ich natürlich nicht mache, weil ich noch Verwendung für dich habe.

"Von mir aus können wir uns darauf einigen, die Dinger etwas lockerer anzulegen. Damit unser kleines Mimöschen keine Schmerzen erleiden muss."
 

Ich seufze genervt und rolle mit den Augen. Vorschriften ... Pah! Als ob die dich irgendwie stören. Wenn du tatsächlich was auf diese dämlichen Vorschriften geben würdest, würden wir jetzt hier nicht mit Scotch rumsitzen und einen Deal aushandeln. Aber gut ... Wenn du dieses Spiel spielen willst ... Dazu gehören aber immer Zwei.

"Na gut ...", komme ich dir ein Stück entgegen. "Damit kann ich für Erste leben."

Vermutlich kannst du dir denken, dass in dieser Sache noch nicht die letzten Worte gesprochen wurden. Und schon alleine durch den bösen Blick, den ich dir zuwerfe, sollte dir klar sein, dass ich deine Sticheleien nicht besonders witzig finde.

"Gut ...", sage ich dann lang gezogen und muss dir wohl oder übel noch weiter entgegen kommen. "Was willst du wissen?"
 

Auf meinem Gesicht macht sich ein Lächeln breit, als hättest du mir gerade eine Eintrittskarte ins Schlaraffenland überreicht. Na sowas. Da hat scheinbar jemand seine kooperativen fünf Minuten.

Grübelnd lege ich mir eine Hand ans Kinn. Du wirst sicher nicht unbegrenzt Fragen beantworten, ohne mehr zu fordern. Also muss ich gleich zu Anfang klug wählen.

"Batman", beginne ich schließlich. "Der Kerl flattert nach wie vor da draußen durch die Gegend, ohne dass das GCPD etwas unternimmt. Arbeitet Gordon wirklich mit dem Spinner zusammen?"
 

Ich fahre mir kurz durch die Haare, ehe ich mich wieder auf die Liege setze und deinem forschenden und neugierigen Blick stand halte. Gleich in die Vollen. Mhm ... Du bist doch nicht so blöd, wenn man vermutet.

"Tja ... Ich weiß es ehrlich gesagt nicht sicher. Aber ich bin mir sicher, dass es Gordon bewusst ist, dass die Fledermaus seine Hände im Spiel hat. Er akzeptiert seine Hilfe wohlwollend - solange nichts davon nach draußen dringt. Gordon würde Alles abstreiten."

Ich mache eine kurze Pause.

"Ich denke nicht, dass Gordon wirklich »Aufträge« an Batman vergibt. Aber da die Fledermaus den Polizeifunk abhört, kann er überall da eingreifen, wo er denkt, dass er es tun muss."

Ob du mir diese Halbwahrheit abkaufst, bleibt abzuwarten. Was Jim Gordon betrifft, stimmt es zwar größtenteils, aber wenn man es auf die gesamte Familie Gordon bezieht ...
 

"Interessant", murmle ich.

Das ist es allerdings.

"Ist Gordon also so verzweifelt, dass er auf einen Spinner in schwarzem Leder angewiesen ist?"

Es scheint fast so. Seit Batman aufgetaucht ist, hat sich in Gotham Einiges verändert. Die Verbrecher können nicht mehr schalten und walten, wie sie wollen. Andererseits bin ich mir ziemlich sicher, dass es einige der Kriminellen ohne Batman vielleicht nicht geben würde.

"Du hast schon ein paar Mal mit der fliegenden Ratte geredet."

Dass du ihm dein Leben zu verdanken hast, erwähne ich nicht extra.

"Wie würdest du ihn einschätzen? Völlig durchgeknallt oder weiß er halbwegs, was er tut?"

Ich muss gestehen, wenn ich Jemandem abgesehen von mir selbst eine anständige Einschätzung zutraue, dann dir.
 

"Gordon ist ziemlich beschäftigt damit, sowohl die Kriminalität zu bekämpfen, als auch der Korruption in den eigenen Reihen Herr zu werden. Also ja, in gewisser Weise ist er wirklich verzweifelt, weil er sich mit dem Posten des Polizeichefs einiges aufgehalst hat, was ihn überfordert."

Ich zucke mit den Schultern und mustere dich dann aufmerksam.

Was weißt du alles über meine Begegnungen mit Batman?

Und was steht darüber in meiner Polizeiakte?

"Ein bisschen von beidem, würde ich sagen", erwidere ich schließlich. "Er ist nicht dumm und weiß, was er tut. Allerdings kann er nicht ganz richtig im Kopf sein, wenn er Einen auf Held macht, sich freiwillig und mit Begeisterung mit Großkriminellen anlegt und dazu dieses Kostüm trägt. Aber auch er hat Schwachstellen. Man muss sie nur finden."

Das Gespräch mit Batman im Krankenhaus kommt mir in den Sinn.

Er hatte also eine schwere Kindheit?

Wie war das noch mit Bruce Wayne ...?

Seine Eltern wurden vor seinen Augen als Kind erschossen?

Na wenn das mal nicht passt ... Bei diesen Gedanken formt sich ein dünnes, wissendes Lächeln in meinem Gesicht. Ich muss mir unbedingt die Pläne für Wayne Manor besorgen.
 

"Soll ich jetzt begeistert von unserem ehrwürdigen Commissioner sein?", lache ich. "Tut mir leid, aber nein. Wer in einer Stadt wie Gotham beschließt, mit ehrlichen Methoden für das Gute zu kämpfen, hat schon verloren. Deswegen muss Batman sich auch maskieren, um Erfolg zu haben. Er hätte genauso gut zur Polizei gehen und jämmerlich scheitern können."

In Gotham lernt man schnell, dass man entweder ehrlich und unbedeutend oder hinterhältig und erfolgreich sein muss. Ich persönlich musste nicht lange überlegen, um mich für Letzteres zu entscheiden. Und ich glaube fast, dass es dir da ähnlich geht.

"Und du bildest dir natürlich ein, derjenige zu sein, der diese Schwachstellen ausmachen könnte."
 

"Nun ja ...", sage ich vage. "Zumindest muss man Gordon zugute halten, dass er mehr auf dem Kasten hat als Loeb. Und ein kleines bisschen ist es schon beeindruckend, dass er tatsächlich versucht, aus dem GCPD eine Institution zu machen, zu der Gotham Vertrauen haben kann. Allerdings wird er vermutlich kläglich scheitern, wenn dreiviertel der Kollegen korrupt sind."

Wieder zucke ich mit den Schultern. Ich hätte vermutlich von Anfang an gleich auf den Korruptionszug aufspringen sollen. Aber nein, ich musste es ja unbedingt auf die ehrliche Weise probieren.

"Ich habe nie behauptet, dass ich wüsste, wo Batman seine Schwachstellen hat. Aber es ist nur logisch, dass auch er welche hat. Jeder hat sie. Müsstest du doch eigentlich wissen."
 

"Ach, wie niedlich. Da fühlt sich wohl jemand berufen, seinen Schwiegervater zu verteidigen?"

Es ist wirklich ergreifend, du scheinst tatsächlich ein recht gutes Verhältnis zu Gordon zu haben.

"Oder liegt es daran, dass er dir so gönnerhaft gegenübersteht? Erwartest du dir Vorteile?"

Der kleine Seitenhieb am Ende entgeht mir natürlich nicht.

"Allerdings", brumme ich. "Ich bin jeden Tag mit wandelnden Fehlschlägen gestraft. Jetzt zum Beispiel."

Um jeden Zweifel zu tilgen nicke ich demonstrativ in deine Richtung.
 

Misstrauisch und gleichzeitig fragend hebe ich eine Augenbraue an und schenke dir einen skeptischen Blick.

Schwiegervater?

Okay, es ist schon ein bisschen auffällig, dass Gordon neuerdings so reges Interesse an mir hat, aber Schwiegervater ist da doch ein bisschen sehr weit hergeholt. Allerdings könnte deine Stichelei etwas damit zu tun haben, dass Barbara mit dir geredet hat. Am Ende hat sie dir wirklich noch einen Floh ins Ohr gesetzt, dass ich auch privat etwas mit Jim zu tun habe. Na klasse ...

"Ich verteidige hier niemanden. Aber wenn Gordon schon ständig hier auftaucht, kann ich ja versuchen, dass Ganze zu meinem Vorteil auszunutzen. Dass machen wir Kriminellen doch, oder etwa nicht?"

Mein bis eben leicht amüsierter Blick wird düsterer, als ich den Kopf ein kleines Stück senke. Ich bin sicherlich kein wandelnder Fehlschlag, du aufgeblasener Affe. Demonstrativ verschränke ich die Arme vor dem Oberkörper und funkle dich an.

"Muss ein tolles Leben sein, sich jeden Tag stundenlang mit solchen Fehlschlägen beschäftigen zu müssen, wenn man so hoch gebildet ist und so einen tollen Ruf hat ...", erwidere ich mürrisch mit nicht zu überhörenden Sarkasmus in der Stimme. "Ich kann mir richtig vorstellen, wie befriedigend es für's Ego ist, wenn man außer einem mies bezahlten Job keine anderen Hobbies hat ..."
 

Scheinbar gefällt es dir gar nicht, dass ich dir unterstelle, privat mit Gordon zu tun zu haben. Muss also was dran sein. Am liebsten würde ich mir begierig die Hände reiben, aber ich beherrsche mich.

"Da hast du natürlich Recht. Und was wäre der Vorteil? Ein besonders harmonisches Familienleben? "

Oho, da fühlt sich Jemand angegriffen. Gut so.

"Das hast du gut erkannt, ich habe ein hartes Leben. Aber ich kann dich beruhigen. Ich habe tatsächlich ein Hobby, dem ich mit Begeisterung nachgehe."

Ich beuge mich so weit nach vorne, wie es geht, ohne dass man es als Eindringen in deine persönliche Zone werten kann.

"Vielleicht sollte ich dir mal meinen Hobbykeller zeigen. Du könntest mir bei einigen ... Experimenten behilflich sein. Macht Spaß."
 

"Klar! Ich tausche eine kaputte Familie gegen eine andere."

Ein sarkastisches Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.

"Aber es kann nicht schaden, wenn ich mich jetzt mit Jim gut stelle, wenn er es mir schon freiwillig anbietet. Wer weiß, wozu es mir noch mal nützt."

Als du dich vorbeugst, bekommen meine Augen einen fast schon sadistisch anmutenden Ausdruck.

"Nettes Angebot. Danke, aber nein danke. Ich habe meine eigenen Hobbies, die unter Garantie sehr viel interessanter sind, als dein Hobbykeller ..."
 

"Oh, das machst du genau richtig, Edward. Stell dich jetzt gut mit ihm, dann wird das Donnerwetter sich vielleicht in Grenzen halten."

Mit einem breiten Lächeln demonstriere ich dir, dass ich Dinge über dich weiß, von denen du keine Ahnung hast.

"Wobei ... Dich einen Kopf kürzer machen wird er trotzdem."

Ich winke beiläufig ab.

"Dann eben nicht. Du hast sowieso nicht zu entscheiden, wann wir experimentieren und wann nicht."

Apropos. Ich schiebe meinen Ärmel hoch und werfe einen Blick auf meine Armbanduhr.

"Jetzt zum Beispiel entscheide ich, dass es allmählich reicht für heute."
 

Mein Grinsen fällt ein wenig in sich zusammen, als du mir so siegesgewiss meine Zukunft prophezeist. Du redest schon wieder so, als du mehr weißt als ich.

Was zum Teufel hast du von Barbara erfahren?

Sie ist momentan der einzige Faktor, den ich nicht berücksichtigen kann, weil ich nicht weiß, warum sie überhaupt hier war. Aber so, wie du sprichst, kann es nichts Gutes sein.

Allerdings bezweifle ich ein wenig, dass Jim deswegen wirklich ausrasten wird. Das Einzige, was er mir vielleicht übel nehmen könnte, ist, dass ich Babs in meinem alten Unterschlupf festgesetzt habe. Aber daran war sie ja eigentlich selber schuld. Deswegen wird er mich nicht einen Kopf kürzen machen wollen. Da war das, was ich ihm in seinem Büro an den Kopf geworfen habe, weitaus schlimmer.

"Schade ... Wo wir uns doch gerade so gut verstehen ...", murmle ich mit einem gespielt enttäuschten Tonfall. "Ich fange gerade an, dich richtig gern zu haben ..."
 

Genervt verdrehe ich die Augen. Du bist wirklich eine Herausforderung für meine Strapazierfähigkeit. Und mit Herausforderungen ist das so eine Sache. Man wünscht sie sich, aber wenn man sie meistern muss, gehen sie einem gehörig auf den Keks.

"Ich hab dich auch lieb, Eddie", sage ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme und zeige dir einen Vogel.

Dann stehe ich auf und klemme mir die Flasche unter den Arme.

"Ich bedanke mich für diese aufschlussreiche Sitzung."

Ich bin schon dabei, zielstrebig die Tür anzusteuern, drehe mich aber nochmal um und werfe dir die Zigaretten zu.

"Weil du brav geredet hast - mein Teil der Abmachung."

Dann wende ich mich ab und verlasse den Raum, wo mich dein Aufpasser schon begierig erwartet.

"Und? Hat es funktioniert?"

Er deutet auf die Flasche und bemerkt nicht mal, dass sich der Inhalt deutlich dezimiert hat.

"Überraschend gut. Der Mann ist trotzdem eine Plage. Schaffen Sie ihn zurück in seine Zelle."

Danach hat man das Bedürfnis, alle Sudokuhefte dieser Welt zu einem Scheiterhaufen zu stapeln und dich darauf zu verbrennen.

Ein wenig überrascht bin ich ja schon, als ich nach draußen auf das Freigelände trete. Crane, dieser scheinheilige Mistkerl, hat tatsächlich Wort gehalten. Ich durfte die Zigaretten wirklich behalten und als auch am nächsten Tag Keiner die Dinger wieder konfiszieren wollte, habe ich direkt meinen Anwalt darüber informiert, dass er gefälligst für Nachschub sorgen soll. Und natürlich ist Goldberg keine Stunde später hier aufgetaucht. Wenigstens Einer, der genau das macht, was ich ihm sage und nicht erst darüber diskutieren will.

Und nun nehme ich mir die Freiheit, mir hier draußen ein wenig die Beine zu vertreten. Heute will Crane anscheinend nichts von mir und es könnte dann doch ein wenig langweilig werden, stupide die Zellenwand anzustarren. Kaum ein paar Schritte durch die Tür, fummle ich mir schon eine Zigarette aus der Schachtel, die in der Brusttasche des Overalls steckt und zünde sie mir an.

Nach zwei Zügen sehe ich mich um, ob ich zufällig eine von den Gestalten kenne, die hier draußen rumlaufen. Und tatsächlich fällt mir ein kleiner untersetzter Mann mit watschelndem Gang auf, der in dem orangenen Overall zum Schreien komisch aussieht.

Mit einem gehässigen Grinsen gehe ich zügig über den Weg, bis ich zu Oswald Cobblepot aufgeschlossen habe.

"War's dir in Blackgate zu langweilig?", frage ich deutlich sarkastisch und passe mich deinem Tempo an. "Du siehst übrigens todschick aus."
 

Beim Klang deiner Stimme schließe ich kurz genervt die Augen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Du bist nicht gerade der, mit dem ich ein bisschen Smalltalk betreiben möchte. Am Ende haust du mir irgendwelche komischen Rätsel um die Ohren.

"Riddler!", grüße ich dich mit hörbar aufgesetzter Freundlichkeit. "Scheinbar gebührt mir eine persönlichere Behandlung."

Ich zucke mit den Schultern. Soll mir Recht sein. Hier komme ich jedenfalls schneller wieder raus als aus Blackgate. Ein bisschen gutes Betragen hier, der ein oder andere Deal mit Crane da und schon bin ich zurück im Geschäft.

"Gleichfalls", sage ich mit Blick auf deinen ebenfalls orangenen Overall.

Ich vermisse meine maßgeschneiderten Klamotten. Und meinen Schirm.

"Hab dich hier noch gar nicht gesehen. Hat der Doc dich endlich von der Leine gelassen?"
 

"So bekloppt bist du doch gar nicht, dass du hier rein gehörst. Wie viel musstest du denn zahlen, damit Crane dich für verrückt erklärt?"

Betont desinteressiert ziehe ich an meiner Zigarette und grinse dich dann schelmisch an.

"Ist aber fast wie Urlaub hier - wenn man weiß wie."

Mein Grinsen wird eine Spur breiter.

"Weißt du, Oswald ... Die Gespräche mit Crane sind richtig unterhaltsam. Der Typ ist bekloppter als wir beide zusammen."

Unwillkürlich muss ich kurz lachen.

"Erzähl lieber mal, wie die Fledermaus dich geschnappt hat."
 

Kurz lache ich laut auf.

"Aber, aber! Ich bin krank, mein guter Freund. Mir muss geholfen werden."

Natürlich werde ich den Teufel tun und dir meine Abmachungen mit Crane genauer erläutern. Du magst noch nicht lang in Geschäft sein, aber du bist ein gewiefter Hund und wüsstest garantiert, welche Schlüsse du daraus ziehen sollst. Trotzdem erwidere ich dein Grinsen.

"Tja, das Arkham Asylum. Betrachten wir den Schuppen doch als Kurort für gestresste Mobbosse. Und was immer du bist."

Was Crane angeht hast du mit großer Wahrscheinlichkeit Recht. Der Kerl scheint nicht ganz koscher zu sein. Aber das spielt nicht wirklich eine Rolle, solange ich mit ihm einen brauchbaren Kontakt in der Anstalt habe. Soll er doch verrückt sein, er ist ein hervorragender Verhandlungspartner.
 

"Ja, ein toller Kurort", erwidere ich breit grinsend. "Ruhige Einzelzimmer, rund um die Uhr Zimmerservice, aufopferungsvolle Betreuung, nettes Personal - und das alles für lau. Wir sind doch echte Glückspilze, was Oswald? Und was mich angeht, solltest du dich nicht den Kopf zerbrechen. Nicht, dass noch was kaputt geht."

Mit einem kleinen Zwinkern fische ich die Schachtel aus meinem Overall und halte sie dir hin, um die eine Zigarette anzubieten.

"Mit Zigarren kann ich gerade nicht dienen, aber besser als nichts. Ach, bevor ich es vergesse ...", füge ich noch schnell hinzu und senke die Stimme.

Es muss ja nicht jeder wissen, was wir geschäftlich zu besprechen haben.

"Die Betäubungspfeile waren tatsächlich nützlich. Ich werde wohl noch ein paar bei dir ordern."
 

"Könnte nicht besser sein", feixe ich. "Eh ich in Blackgate versauere, tue ich lieber so, als würde ich mich unbedingt bessern wollen. Übrigens ist das ganz falsch, Edward. Wenn du bei den Großen mitspielen willst, dann müssen die Leute über dich nachdenken. Von nichts kommt nichts."

Mit einem missmutigen Schnauben nehme ich mir eine Zigarette. Bäh. Ich bevorzuge definitiv meine Zigarren, aber du hast Recht. Das hier ist zumindest besser als nichts.

Ein leichtes Schmunzeln erscheint auf meinem Gesicht.

"So so. Du hast also auch nicht vor, dir hier richtig helfen zu lassen? Dabei ist mir zu Ohren gekommen, dass du tatsächlich für irre erklärt wurdest. Ganz ohne dafür zu blechen."

Ich lache amüsiert.

"Aber sei's drum. Freut mich immer wieder, mit dir Geschäfte zu machen."
 

"Ach, so übel ist es in Blackgate nun auch wieder nicht. Die drei Tage, die ich da war, waren eigentlich ganz nett", erwidere ich immer noch grinsend. "Ganz falsch, Oswald. Ich spiele bereits bei den Großen mit. Nur weil ich nicht so sehr auf den Putz haue wie du, heißt das nicht, dass ich nicht genauso die Geschehnisse beeinflussen kann, wie du. Du kennst doch sicher das Sprichwort »Stille Wasser sind tief«?"

Dein missmutiges Schnauben bringt mich fast dazu, wieder aufzulachen. Mit einem leichten Kopfschütteln stopfe ich die Schachtel wieder in die Brusttasche und reiche dir das Feuerzeug.

"Hast du keine Leute, die dir Zigarren rein bringen? Oder sitzt du auf dem Trockenen?"

Ich nehme einen tiefen Zug und puste den Qualm kunstvoll in Form eines Kringels.

"Ich bin genauso wenig verrückt wie du, Oswald. Also muss man mir auch nicht helfen. Ich verfolge ganz andere Ziele hier."

Ich zucke mit den Schultern.

"Mag vielleicht sein, dass in meiner Akte der Vermerk steht, dass ich ein bisschen die Kontrolle verloren habe. Aber das war ein einmaliger Ausrutscher."
 

"Du bei den Großen? Ich weiß ja nicht."

Um das zu behaupten warst du nun wirklich zu kurz im Geschäft. Eigentlich sogar ein bisschen peinlich, dass du dich so knapp danach hast schnappen lassen. Und dann auch noch auf so unelegante Art, beim Wegrennen erwischt.

Aber wer weiß ... Noch bist du schwer einzuschätzen, dafür unterhalten wir noch nicht lang genug unsere geschäftlichen Beziehungen.

Missmutig zünde ich mir die Zigarette an.

"Bin gerade erst rein. Crane meint, ich soll mich am Anfang zurückhalten. Die Leute werden misstrauisch, wenn die Irren leben wie die Maden im Speck. Noch ein zwei Wochen, dann dürfte der Wind um meine Einlieferung abgeflaut sein und ich kann es mir gut gehen lassen. Und spätestens in zwei Monaten erklärt Crane mich für geheilt."

Darüber muss ich sogar selbst herzhaft lachen.

"Überaus kooperativ und bereit, sich zu ändern. Reumütig. Friedlich. Eigentlich ein guter Mann mit schwerer Kindheit. So in etwa soll das aussehen."

Ich mustere dich nachdenklich.

"Inzwischen sind die Medien spitz auf dich", sage ich schließlich.

Das wird zwar anständig dein Ego streicheln, aber vielleicht solltest du wissen, was da draußen vor sich geht. Immerhin ist der Kunde König.

"Scheinbar hat ein anonymer Kerl aus dem GCPD geplaudert. Der Suizidversuch, die vorige Anstellung bei den Bullen. Alles raus. Die halten dich für komplett geisteskrank. Ein Produkt der grausigen Zustände in dieser Stadt."

Ich ziehe versonnen an der Kippe.

"Willkommen im Klub."
 

War klar, dass du mich noch nicht für ganz voll nimmst. Okay, dafür habe ich wohl noch nicht genug auf mich aufmerksam gemacht. Und das Jahr, dass ich komplett in der Versenkung verschwunden war, hat auch nicht gerade dazu beigetragen, mir einen Namen in der Stadt zu machen. Aber gut, dass lässt sich ändern, wenn ich hier wieder raus bin.

"So so ...", murmle ich nachdenklich. "Crane handelt also mit dir über deinen Aufenthalt. Sehr interessant ..."

Das ist sogar mehr als interessant. Oswald, die Blitzbirne bekommt die Privilegien in den Schoss geworfen und ich muss mich wirklich mit Crane abmühen. Ich muss anscheinend wirklich mehr auf den Putz hauen, um endlich den mir gebührenden Respekt zu bekommen.

Erstaunt hebe ich eine Augenbraue an, während ich dich mustere.

"Ein anonymer Kerl? Sicher?"

Mir fallen auf der Stelle ein Dutzend Namen ein. Na ganz große Klasse.

"Ich bin richtig begeistert ...", murre ich deutlich schlechter gelaunt. "Aber ich sollte das vielleicht positiv sehen: Dass ist immerhin die perfekte Ausrede für gelegentliches Bewegen außerhalb der Legalität. Was ist deine Ausrede, Oswald?"
 

Mit hochgezogener Augenbraue schaue ich dich an.

"Klar. Mit dir nicht?"

Ich kann mein Lachen kaum unterdrücken.

"Hast du ihn schon so genervt, dass er nicht weiter verhandelt? Liebe Güte, du musst eine echte Plage sein, normalerweise hat der Doc einen sehr breiten Toleranzbereich."

Wundert mich nicht. Ich habe selbst schon Verhandlungsgespräche mit dir geführt. Danach hat man das Bedürfnis, alle Sudokuhefte dieser Welt zu einem Scheiterhaufen zu stapeln und dich darauf zu verbrennen.

"Gewöhn dich dran. Die Publicity gehört dazu. Wer schlau ist, setzt sie zu seinem Vorteil ein."

Ich verdrehe die Augen.

"Nach außen hin bin ich genauso eine arme Seele wie du. Wer hat kein Verständnis für mich, wenn ich armer, verwirrter Kerl ein paar Waffen verticke?"

Ich lache glucksend.

"Arkham ist großartig. Als würde Crane einem ein ärztliches Attest für das Begehen von Verbrechen ausstellen."
 

"Ich habe Crane nicht genervt", erwidere ich angesäuert. "Er hat mich schon vom ersten Tag an auf dem Kieker Und ich bin sicher keine Plage …"

Frustriert werfe ich dir einen bösen Blick zu und muss mich zusammen reißen, um jetzt nicht die Beherrschung zu verlieren.

"Ich kann den Quacksalber echt nicht ausstehen …"

Reichlich angesäuert nehme ich die letzten Züge der Zigarette, ehe ich sie in hohem Bogen wegschnippe.

Du gehst mir momentan fast genauso auf den Keks wie Crane. Ihr nehmt mich beide nicht für voll. Aber das werde ich umgehend ändern, sobald ich hier raus bin. Dann werdet ihr beide mich mal so richtig kennen lernen.

"Klar, du siehst schon so hilfsbedürftig aus, Oswald …", brumme ich leicht angriffslustig. "Waffenschmuggel ist ja so unprofitabel …"

Ich mache eine Pause und mit einem Schlag ist meine gute Laune wieder da, als mir eine Information in den Sinn kommt, die dich bestimmt sehr interessieren wird.

"Wo wir gerade beim Thema Waffen sind … Die Waffen, die du Weihnachten vor einem Jahr wieder aus dem GCPD rausholen lassen hast und die Batman gleich darauf wieder eingesammelt hat … Hast du die eigentlich inzwischen wieder? Oder weißt zumindest, wie die Fledermaus dir auf die Schliche gekommen ist?"
 

Leise lache ich in mich hinein, belasse es aber dabei. Du scheinst allmählich sauer zu werden und das letzte, was ich brauche, ist, dass du mich angreifst. Letztendlich bist du von uns beiden derjenige mit der echten Diagnose. Ich werde mich hüten, einen Irren zu reizen, bevor ich ihn halbwegs einschätzen kann.

"Tja. Crane zu mögen fällt auch verdammt schwer, wenn man weiß, was der Kerl für Dreck am Stecken hat. Der hochwohlgeborene Herr Doktor."

Natürlich werde ich sofort hellhörig, als du meine verlorengegangene Ware erwähnst.

"Was soll das heißen, Riddler? Wenn du weißt, wer der Kerl ist, dann raus mit der Sprache. Das Arschloch hat eine Verabredung mit meiner Folterkammer."

Wir zwei sind sicherlich Vieles, aber keine Freunde. Also verzieh dich und brüte irgendwo ein paar Eier aus!

Ich hebe andeutungsweise eine Augenbraue an. So so ... Ich wusste doch, dass Crane was zu verbergen hat. Und was das ist, werde ich raus bekommen. Da kann sich Crane meinetwegen auf den Kopf stellen, aber dieses Rätsel werde ich lösen.

"Tja ...", sage ich dann lang gezogen und grinse dich an. "Ich weiß, wie die Fledermaus es gemacht hat, wer ihr geholfen hat und wo die Waffen hingekommen sind. Blöd, dass du es nicht weißt, was?"
 

Wütend funkle ich dich an und balle die Fäuste.

"Jetzt hör mir mal zu, du Dreikäsehoch! Du bist ein Nichts in diesem Geschäft! Also führ dich nicht auf wie ein König, das könnte schlecht für die Gesundheit sein."

Ich lasse die Zigarette fallen und stampfe wütend darauf.

"Vergiss nicht, mit wem du hier sprichst, Bürschchen. Ein falsches Wort und ich könnte dafür sorgen, dass du hier nie wieder rauskommst. Der Doc würde wahrscheinlich freudestrahlend mitmachen."
 

Mein Grinsen wird immer breiter, als du mich so anpflaumst, denn es ist wirklich ziemlich komisch, wenn man bedenkt, dass du einen knappen Kopf kleiner bist als ich. Letztendlich kann ich mir auch ein leises Kichern nicht verkneifen.

"Na na, Oswald ...", sage ich immer noch kichernd. "Du wirst doch wohl nicht deine guten Manieren vergessen. So kannst du mich jedenfalls nicht dazu motivieren, meine sehr weitgreifenden Informationen mit dir zu teilen."

Wie schön, dass du nicht weißt, dass ich nach wie vor sehr gute Beziehungen zum GCPD unterhalte - und ganz besonders zum Commissioner. Und das ist mehr wert als ein Spinner wie Crane.
 

"Du hältst dich wohl für ganz besonders toll, was?", fauche ich dich an.

Wenn ich ein paar meiner Jungs hier hätte, würdest du dich längst nicht mehr lustig machen. Leider ist das der Punkt, in dem Arkham hinter Blackgate zurücksteht.

Keine brauchbaren Schläger hier.

Nur Verrückte.

"Vermutlich erwartest du jetzt irgendeine Gegenleistung für deine Informationen", murre ich. "Vielleicht bist du doch nicht so blöd, wie du in den grünen Klamotten aussiehst."
 

"Ich halte mich nicht nur für toll - ich bin toll", erwidere ich breit grinsend.

Schließlich muss ich mein Licht ja nicht unter den Scheffel stellen. Ich weiß, wie gut ich bin und es wird Zeit, dass auch du das kapierst.

"Und natürlich erwarte ich eine Gegenleistung für meine Informationen. Ich bin schließlich nicht die Wohlfahrt und habe Nichts zu verschenken. Du weißt ja ... Hilfe auf Gegenseitigkeit und so ..."

Grinsend zwinkere ich dir zu.

"Was hast du denn zu bieten, Pinguin?"

Deine Meinung zu meinem Anzug übergebe ich vorläufig. Ich weiß ja, dass du keinen besonders guten Geschmack hast, deswegen trifft mich diese Aussage auch nicht besonders.
 

"Wer's glaubt", schnaube ich abfällig. "Bisher hat man von dir immerhin noch nicht viel gesehen. Abgesehen von deinem spektakulären Talent, dich schnappen zu lassen und in ärztlicher Obhut zu landen natürlich."

Das ausgerechnet du jetzt auch noch etwas von mir erwartest, schlägt dem Fass den Boden aus.

"Du willst meine Ware, Riddler. Nicht anders herum. Ich -"

Etwas verdutzt halte ich inne, als ich jenseits des Zaunes, der uns auf dem Freigelände festhält, den Doc erspähe. In attraktiver Begleitung. Ich kneife die Augen zusammen, um genaueres zu erkennen. Das Mädchen ist viel zu hübsch für den schrulligen Doktor, dürfte also nicht seinetwegen hier sein. Crane winkt in unsere Richtung und da ich die Kleine auf den ersten Blick nicht zuordnen kann, wird sie wohl dein Besuch sein.

"Wie wäre es, wenn ich dir als Gegenleistung von deinem ansehnlichen Besuch erzähle?"
 

Eigentlich will ich auf deinen Seitenhieb eingehen, doch dein plötzlicher Themenwechsel lässt mich dich irritiert ansehen.

"Was?", frage ich reichlich unintelligent und blinzle verwirrt.

Nach kurzem Zögern folge ich deinem Blick und erkenne den Grund für deine Aussage. Da steht doch tatsächlich Crane auf der anderen Seite des Zauns - ausgerechnet in Begleitung von Barbara - und gibt mir gestenreich zu verstehen, dass ich rüber kommen soll.

Mit einem frustrierten Seufzen raufe ich mir die Haare und überlege, was ich jetzt am Besten mache. Entweder wirklich rüber gehen und sowohl Crane als auch Barbara meine Meinung sagen oder einfach so tun, als hätte ich sie nicht gesehen.

Mit einem kurzen Seitenblick auf dich entscheide ich mich für die zweite Variante. Du musst schließlich nicht wissen, dass ausgerechnet die Tochter vom Police Commissioner wegen mir hier auftaucht. Ich kann momentan nur hoffen, dass du sie noch nicht erkannt hast.
 

Na sieh mal einer an. Du bist richtig verblüfft, als ich dich auf deine Besucherin aufmerksam mache. Was hast du denn mit der Kleinen zu schaffen?

"Keine Lust auf Besuch?", frage ich neugierig.

Ich versuche gar nicht erst, zu verbergen, dass ich interessiert den Hals recke.

"Süßes, kleines Ding. Deine Tochter?"

Ich mustere dich prüfend. Na, so alt bist du auch wieder nicht.

"Schwester?"

Als ich die Augen noch ein bisschen mehr zusammen kneife, trifft mich fast der Schlag. Das Gesicht des Mädchens kommt mir nicht nur bekannt vor, ich kann es sogar zuordnen. Sie war nur zwei oder drei Mal in den Medien, aber ein guter Verbrecher macht seine Hausaufgaben.

"Gordons kleine Göre?", frage ich ungläubig. "Was hast du denn mit der am Hut?"

Crane versucht immer noch, dich auf sich aufmerksam zu machen, und weil ich so ein lieber, hilfsbereiter Kerl bin, winke ich den beiden freundlich zu und rüttle dich dann demonstrativ an der Schulter und zeige in ihre Richtung. Ignorieren ist nicht mehr.
 

Während ich noch versuche, Argumente zu finden, die dich davon abbringen, dir weiterhin den Kopf über meinen »Besuch« zu zerbrechen, ziehst du sehr zu meinem Leidwesen doch noch die richtigen Schlüsse.

Wieder entfährt mir ein Seufzen.

Na ganz große Klasse ...

Jetzt weiß nicht nur Crane, dass da mal was mit Barbara Gordon lief. Es wird vermutlich nicht mehr lange dauern, bis du es auch raus bekommst - wahrscheinlich sogar über Crane - und dann weiß es ganz Arkham. Da kann ich ja gleich einen Zettel ans Schwarze Brett hängen.

"Als ich noch im GCPD gearbeitet habe, habe ich ihr Nachhilfe gegeben", murmle ich vage und hoffe, dass ich mich damit aus der der Affäre ziehen kann.

Im nächsten Moment schenke ich dir einen Blick, der töten kann, als du mich an der Schulter rüttelst.

"Danke Oswald ...", zische ich dir leise zu.
 

"Aber gern geschehen."

Gehässig zwinkere ich dir zu, während ich beobachte, wie die kleine Gordon betrübt die Schultern hängen lässt. Crane beugt sich zu ihr und sagt scheinbar etwas Aufmunterndes.

Alter Heuchler.

Immer die Beziehungen pflegen.

Scheinheiliger Mistkerl.

"Und was glaubst du, was die Kleine hier will? Hilfe bei den Hausaufgaben?"

Ich sehe dich zweifelnd an.

"Deswegen geht man doch nicht in die Klapse. Abgesehen davon, wieso gibst du ihr denn Nachhilfe? Bist du so ein Arschkriecher?"
 

Natürlich entgeht mir nicht, dass Barbara enttäuscht wirkt, weil ich einfach nicht reagiere. Und als dann Crane auch noch mit ihr redet, verfinstert sich mein Gesichtsausdruck merklich. Dieses aufgeblasene Arschloch soll gefälligst seine schmierigen Griffel von ihr lassen, sonst lernt er mich wirklich mal kennen!

"Ist mir scheißegal, was sie hier will ...", murmle ich mürrisch und lasse Crane dabei nicht aus den Augen. "Und es geht dich Nichts an, wieso ich wem Nachhilfe gebe, klar?", zische ich dir aggressiv zu.
 

"Aber, aber, Edward!", lache ich. "Wer wird denn gleich so grantig werden?"

Das ist einfach göttlich. Dir scheint nicht zu gefallen, dass sie hier ist. Und noch mehr scheint dir zu missfallen, dass die Kleine da drüben mit dem Doc allein ist.

"Mich interessiert das aber Alles brennend."

Mit einem breiten Grinsen lasse ich dich stehen und setze mich in Bewegung, um mich mit gemächlichen Schritten an die beiden jenseits des Zaunes heranzupirschen.

So wie du dich benimmst, steht da doch einiges mehr dahinter.
 

Mit einem reichlich unintelligenten Gesichtsausdruck sehe ich dir sprachlos dabei zu, wie du fröhlich watschelnd in Richtung des Zauns gehst.

Das darf doch wohl nicht wahr sein?!

Bin ich hier gerade im falschen Film, oder was?

Wütend balle ich die Hände zu Fäusten und bekomme Mord im Blick.

Zielstrebig setze ich mich auch in Richtung Zaun in Bewegung und es ist mir ein Leichtes, dich mit zielstrebigen Schritten zu überholen und vor dir bei Crane und Barbara anzukommen.

Während ich Barbara keines Blickes würdige, funkle ich Crane wütend an.

"Was?", zische ich ihm mit einem deutlich aggressiven Unterton zu.
 

Gerade rechtzeitig und mit einem breiten Grinsen im Gesicht komme ich bei eurem reizenden Grüppchen an, um Cranes Antwort zu hören.

"Edward, Miss Gordon möchte nur kurz mit dir reden. Bitte, du würdest dir selbst einen Gefallen tun."

Er wendet sich mir zu und ich kann das diabolische Funkeln in seinen Augen sehen.

"Hallo, Oswald."

Ich nicke ihm feixend zu.

"Tag, Doc. Mein Freund Edward hier ist heute ein bisschen schlecht drauf, verzeihen Sie ihm."

Ich deute einen leichten Diener in Richtung der kleinen Gordon an.

"Die Dame."

Allerdings schaut das Gör mich so abweisend an, als hätte sie eine persönliche Fehde mit mir am Laufen.

Hoppla.
 

"Ich tue Niemanden einen Gefallen!", blaffe ich Crane angriffslustig an. "Und am allerwenigsten dir, du ..."

Ich habe meine Faust mittlerweile so fest geballt, dass die Fingerknöchel weiß hervor treten.

"Und wir zwei ..."

Ich deute zwischen uns beiden hin und her.

"... sind sicherlich Vieles, aber keine Freunde. Also verzieh dich und brüte irgendwo ein paar Eier aus!"

Dann wende ich mich zum ersten Mal bewusst an Barbara, die ziemlich verschüchtert wirkt.

"War ich beim letzten Mal nicht deutlich genug gewesen? Ich will dich hier nicht haben. Lass mich einfach in Ruhe und geh mir nicht mehr auf die Nerven, du kleine Klette!"

Die zehn biblischen Plagen waren ein Segen gegen dich!

"Edward, führ dich bitte nicht so auf", mahnt Crane, auch wenn er nur halb so sehr um dein Betragen besorgt zu sein scheint, wie er tut. "Miss Gordon muss dir nur eine wichtige Information geben, mehr nicht."

"Genau, Edward, sei doch nicht so unhöflich der Lady gegenüber", gebe ich bereitwillig meinen Senf dazu und zwinkere Gordons Tochter provozierend zu.

Sie bleckt die Zähne und spannt den Oberkörper an, als würde sie gleich über den Zaun hechten und auf mich losgehen.

"Deine Nachhilfeschülerin scheint ja ein Wildfang zu sein, Edward."

"Nachhilfe?", wiederholt die Kleine verblüfft.

Dann scheint sie sauer zu werden, denn sie kneift die Augen zusammen.

"Eine Klette und eine Nachhilfeschülerin bin ich also, ja? Ganz toll, Eddie. Ein Arsch wie immer."

Ich breche in schallendes Gelächter aus.

"Eddie!", pruste ich. "Wie süß! Eddie, der Superverbrecher. Mir schlottern die Knie. Ihr Zwei seid ja goldig."
 

"Ich führe mich auf, wie es mir passt, klar!", echauffiere ich mich vielleicht ein bisschen zu viel über Crane.

Am liebsten würde ich ihm das schleimige Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Dieser verschlagene Blick in seinen Augen regt mich gerade richtig auf.

"Ich bin schließlich verrückt, schon vergessen?! Und was dich betrifft ..."

Ich deute auf Barbara und funkle sie mit einer Mordswut im Bauch an.

"Hast du Moosgummi in den Ohren? Ja, Klette und Nachhilfeschülerin! Und beides ist unglaublich lästig! Dass ich nicht mal hier meine Ruhe vor dir habe ist echt der Gipfel! Wie wär's wenn du einfach weiterhin deiner Höhlenforschung nachgehst und mich ein für alle mal in Ruhe lässt!?"

Ich habe mich so in Rage geredet, dass ich richtig laut geworden bin. Um jetzt nicht vollkommen auszurasten - und dir den Kopf abzureißen - wende ich mich ab, um ein paar Mal tief durchzuatmen und mir eine Kippe zur Beruhigung anzustecken. Aus den Augenwinkeln fixiere ich dich und zische dir leise "Pass auf was du sagst ..." zu.
 

Zuzusehen, wie du langsam aber sicher ausrastest, ist einfach göttlich. Nicht, dass ich irgendeinen Groll gegen dich hege, aber es ist grundsätzlich unterhaltsam, wenn die Konkurrenz leidet. Und abgesehen davon gibt es hier in Arkham ja nicht alle Tage so eine Szene auf offenem Gelände. Eigentlich verwunderlich, dass noch keine Wachen zu Cranes Rettung angerückt sind.

Der Doktor scheint im Übrigen auch seinen Spaß zu haben. Das Grinsen verlässt sein Gesicht nur noch, wenn er Gordons Kleine mit geheucheltem Mitgefühl ansieht.

Deren Gesicht ist allmählich von einem richtigen Rotschimmer überzogen. Was immer dich an ihr so wütend macht, es scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen.

"Ja, du bist total irre!", keift sie los und lässt den Doc nicht mal zu Wort kommen. "Dass du nicht mal die Vernunft besitzt, dir anzuhören, was ich zu sagen habe!"

Sie rauft sich die Haare.

"Ein Satz und danach lasse ich dich wieder in Ruhe! Dann gehe ich dem hohen Herren auch nicht mehr auf den Senkel, du mieser Scheißkerl."

"Wer hätte gedacht, dass Gordons Töchterchen zu solch einer vulgären Sprache neigt", lache ich.

"Ach, halt den Rand und zwitscher ab, Piepmatz", winkt sie ab.

Crane unterdrückt ein schnaubendes Lachen, mit dem er wahrscheinlich ihre Zuneigung einheimsen will.

Grinsend drehe ich mich zu dir.

"Also jetzt weiß ich, warum du sie unterrichtet hast. So viel Feuer, die Kleine ist ja umwerfend."

Ich sehe aufmerksam zwischen euch beiden hin und her.

"Und man sagt ja, was sich neckt ... Na, ihr wisst schon."

An diesem Punkt bricht die kleine Barbara Gordon in Tränen aus und der Doktor legt ihr tröstend einen Arm um die Schultern, wobei er dich so selbstgefällig angrinst, dass ich in schallendes Gelächter ausbreche.

"Ihr hattet ernsthaft was miteinander? Meine Güte, Edward!"

Ich klopfe dir anerkennend auf den Rücken.

"Und ich dachte, ich wäre gut zu Vögeln."
 

Ich bin wirklich nur noch hauchdünn davon entfernt, irgendjemanden den Schädel einzuschlagen. Vorzugsweise Crane, aber da der hinter diesem dämlichen Zaun ist, muss ich mich wohl oder übel mit dir begnügen. Äußerlich betont ruhig ziehe ich an meiner Zigarette, doch in meinen Augen blitzt es gefährlich.

Barbaras kleiner Wutausbruch ist genauso an mir abgeprallt wie ihre Tränen jetzt. Allerdings bringt mich Cranes tröstende Geste dazu, tatsächlich Mordgedanken gegen den Arzt zu entwickeln. Sein selbstgefälliges Grinsen, als er ihr einen Arm um die Schultern legt und dein quakendes Lachen mit den gerade absolut unpassenden gehässigen Sprüchen wirken in meinem Hirn wie ein Molotowcocktail.

Ich nehme noch einen Zug von der Zigarette, ehe ich sie lässig über den Zaun schnippe und Crane dabei anfunkle, als ob ich ihn wirklich jeden Moment tätlich angreife. Dann drehe ich gefährlich langsam den Kopf zu Barbara und sehe sie mit einem Blick an, den man im besten Fall mit leicht psychotisch werten kann.

"Du hältst mich also für total irre, ja?", stelle ich eine Fangfrage und lasse Barbara gar nicht erst zu Wort kommen. "Wenn ich so verrückt bin, was willst du dann hier? Warum gehst du immer noch so dermaßen auf den Keks, dass ich inzwischen schon versucht bin, eine einstweilige Verfügung gegen dich zu erwirken, damit du mich endlich mal in Ruhe lässt! Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass ich absolut keinen Wert auf deine Anwesenheit lege, da du eine lästige kleine Nervensäge bist, die mir ganz gehörig auf den Zeiger geht?! Bloß weil ich mal ein bisschen nett zu dir war, weil dein Dad besseres zu tun hatte, als deine pubertären Tobsuchtsanfälle zu ertragen – was ich ihm nicht mal verdenken kann – heißt das noch lange nicht, dass ich dich irgendwie leiden kann. Genau das Gegenteil ist Fall! Du machst mich wahnsinnig und ich mache drei Kreuze im Kalender, wenn ich dich nie wieder sehen muss! Was auch immer du sagen willst, verkneif es dir und erzähl es deinem Plüschtier! Denn mich interessiert es ungefähr so sehr wie der Wetterbericht von letzter Woche! Und jetzt verschwinde von hier, bevor ich wirklich noch etwas Unfreundliches sage!"

Ich habe mich mit meinem Monolog so dermaßen in Rage geredet, dass ein falsches Wort oder ein falscher Blick genügen, um mich zum explodieren zu bringen. Da ich Commissioner Gordon aber versprochen habe, mich zukünftig besser zu benehmen, will ich eigentlich das Weite suchen, um mich wieder zu beruhigen. Allerdings bemerke ich aus den Augenwinkeln das Grinsen in deinem Gesicht.

Noch bevor du überhaupt den Mund aufmachen kannst, hast du plötzlich meinen Ellenbogen im Gesicht und es bereitet mir eine sadistische Freude, wie du nach hinten umkippst und auf deinem gut gepolsterten Hintern landest. Blut sprudelt dir aus der offensichtlich gebrochenen Nase.
 

Ich habe hier einen Heidenspaß. Wobei sogar ich - gestandener Mafioso, kaltherziger Waffenhändler und Veranstalter diverser illegaler Events in ebenso zwielichtigen Etablissements - kurz verdattert gucke, als du die Kleine so zur Sau machst. Nenn mich altmodisch, aber da wo ich herkomme, hat man mir nicht beigebracht, süße kleine Mädchen zusammenzustauchen, wenn sie einem gar nichts tun. Nichtsdestotrotz ist die Reaktion der Kleinen äußerst erheiternd.

Sie schluchzt lautstark auf und starrt dich schockiert an. Dann sprudeln die Tränen erst so richtig hervor. Gordons Augenstern fängt so richtig an zu heulen und vergräbt das Gesicht in Cranes Kittel. Der wird wahrscheinlich ein paar hübsche Makeupflecken abbekommen, aber er lässt es zu. Vermutlich hat ihn noch nie eine Frau so angefasst, denke ich gehässig und grinse gleich noch breiter. Die Kleine klammert sich indes an den Kittel des Doktors, als würde sie jeden Augenblick ohnmächtig werden.

"Das ist das Dümmste, was du seit langem getan hast, Edward", sagt Crane und irgendetwas seinem Gesicht verrät, dass das sein Ernst ist.

Scheinbar weiß er was. Aber das tut nicht viel zur Sache, den du scheinst so wütend zu sein, dass du die Worte schon völlig ausblendest.

Im nächsten Augenblick explodiert in meinem Gesicht auch schon der Schmerz und ich stürze nach hinten.

"Du verdammter Scheißkerl!", brülle ich und versuche irgendwie, das Blut am fließen zu hindern. "Lass deine Wut nicht an mir aus, du Wichser!"

Ich will aufstehen und dir Kontra bieten - aber der Ausdruck in deinem Gesicht lässt mich innehalten. Ich habe oft genug mit Kerlen wie dem Joker gesprochen, um zu erkennen, wann der Wahnsinn überhand gewinnt und man den Rückzug antreten sollte. Also bleibe ich, wo ich bin, und sehe Crane eindringlich an. Der kuschelt immer noch ziemlich selbstgefällig mit dem Mädchen, anstatt irgendwas zu unternehmen.

"Barbara, ich schlage vor, dass Sie es Edward lieber nicht sagen. So leid es mir tut, im Moment scheint er nicht in der Verfassung, damit umzugehen."

Als sie daraufhin noch lauter zu schluchzen und schniefen anfängt, streicht er ihr beruhigend durch die roten Wellen und feixt dich zufrieden an.

"Kommen Sie, Sie müssen sich erst einmal hinsetzen. Ich besorge Ihnen einen Tee."

Während er die kleine Gordon (die gerade den Eindruck macht, als gehöre sie auf unsere Seite des Zauns) davon bringt - wahrscheinlich um sie in sein Büro zu schleppen und sich dort an sie ranzumachen, um dir eins auszuwischen - erreichen uns endlich die Wachen.

Prima.

Jetzt ist es auch zu spät.
 

"Halt bloß den Schnabel, Oswald!", brülle ich dich an und will mich - ganz entgegen meiner nicht gewalttätigen Art - schon auf dich stürzen, um dir zu zeigen, dass du mich ernst zu nehmen hast, da erreichen mich die Wachleute und verhindern quasi im letzten Moment, dass ich dir mehr breche als nur die Nase.

"Nehmt gefälligst eure Pfoten weg!", schreie ich die beiden Männer an und wehre mich heftig gegen ihren überraschend kräftigen Griff, als sie versuchen, mir die Arme auf den Rücken zu drehen.

Während die Beiden mich dazu zwingen, in die Knie zu gehen, kommen aus dem Gebäude zwei Pflegekräfte mit einer Zwangsjacke angerannt.

Mit einer Mordswut im Bauch muss ich tatenlos mit ansehen, wie Crane Barbara wegführt - was mich gleich noch mehr auf die Palme bringt.

Erst die verrückte Fledermaus und jetzt dieser scheinheilige Mistkerl!

Da ist doch kein Wunder, dass ich ausraste.

"Die zehn biblischen Plagen waren ein Segen gegen dich!!!", brülle ich Barbara hinterher, obwohl sich meine Wut hauptsächlich gegen Crane richtet.

Um zum Punkt zu kommen ... ich bin ... na ja ... irgendwie ... schwanger.

Obwohl der »Zwischenfall«, wie ich den Totalreinfall von vorhin inzwischen getauft habe, jetzt schon ein paar Stunden zurückliegt, zittere ich noch immer. Dr. Crane hat mir Ruhe verordnet - wegen dem Baby. Aber ich schaffe es einfach nicht, ruhig sitzen oder liegen zu bleiben. Derzeit stehe ich in der Küche, mit dem Rücken an die Anrichte gelehnt und starre den Küchentisch an.

Mh.

Küchentisch.

Tisch.

Schreibtisch.

Sex.

Schwanger.

Kind.

Schön, dass man hier überall an die Situation erinnert wird. Könnte ja sein, dass man was vergisst.

Ich stöhne genervt auf und fahre mir verzweifelt durch die Haare. Wenn du nicht mal wieder Überstunden machst, solltest du in den nächsten dreißig Minuten nach Hause kommen. Und dann gestehe ich.

Dr. Crane hat mir in einem weiteren Vier-Augen-Gespräch in seinem Büro erklärt, dass ich besser nicht mit Eddie reden soll. Zumindest nicht, solange sein psychischer Zustand so instabil ist. Für mich ist das ziemlich unerträglich, aber letztendlich nachvollziehbar. So wie er heute ausgerastet ist ...

Ich blinzle wütend, als mir schon wieder die Tränen kommen.

Wie oft habe ich mit eigentlich schon vorgenommen, seinetwegen nicht mehr zu weinen?

Unzählige Male ...

"Sind wahrscheinlich die Hormone", sage ich mit einem bitteren Lächeln.

Ich drücke mich nach oben, sodass ich mit einem kleinen Sprung auf der Anrichte lande. Das habe ich schon so gemacht, als ich noch jünger und um einiges unbeschwerter war. Wird bald nicht mehr möglich sein mit dem Bauch.

Seufzend streiche ich über selbigen. Heute werde ich es dir sagen. Bruce hat mir eigentlich längst dazu geraten, Alfred sowieso. Aber ich wollte dir etwas mehr als das Problem präsentieren. Ich wollte mit einer Lösung kommen. Die kann ich ohne Eddie aber vergessen. Also muss ich mich darauf verlassen, dass du mich nicht gleich mit deiner Dienstwaffe erschießt, wenn ich dir die frohe Botschaft verkünde ...
 

Mit einem zufriedenen Seufzen werfe ich die Autotür zu und schließe mit der Fernbedienung das Garagentor. So wie heute pünktlich Feierabend machen so können ist eine echte Wohltat in einer Stadt wie Gotham City. Heute musste ich mich zur Abwechslung mal nicht mit Problemen beschäftigen, bei denen ich am liebsten den Kopf auf meinen Schreibtisch schlagen möchte.

Vielleicht schaffe ich es sogar, heute noch ein bisschen Zeit mit meiner Tochter zu verbringen, die ich in den letzten Wochen fast schon sträflich vernachlässigt habe. Zwar hast du mir bislang keinen Vorwurf deswegen gemacht, aber mir ist besonders in den letzten zwei Wochen aufgefallen, dass du ein wenig unausgeglichen warst.

Beschwingt verlasse ich die Garage und werfe meinen Trenchcoat über die Lehne der Couch, als ich auf dem Weg in die Küche bin. Ich bin noch gar nicht ganz durch die Tür, da sehe ich dich schon auf der Anrichte sitzen. Ein vertrautes Bild.

"Hast du Lust auf Chinesisch?", frage ich, ohne dich wirklich richtig anzusehen und steuere den Kühlschrank an. "Oder lieber Mexikanisch?"
 

Deine gute Laune bricht mir fast das Herz. Der Tag heute hätte so schön sein können. Du bist überpünktlich zu hause.

Gemeinsam einen Film sehen.

Essen bestellen.

Vielleicht eine Runde Karten spielen wie in alten Zeiten.

Kurz spiele ich mit dem Gedanken, es dir doch nicht heute zu sagen, aber den verwerfe ich wieder. Wenn ich es jetzt sein lasse, dann werde ich wahrscheinlich immer eine Ausrede finden. Bis du von selbst darauf stößt und dich verraten fühlst. Das will ich auch nicht.

Ich wische mir also die Tränen weg, versuche irgendwie die Schultern zu straffen und mich auf das Kommende vorzubereiten.

"Ich habe noch keinen Hunger", sage ich.

Das klingt leider weinerlicher, als es beabsichtigt war. Und ist ein Zeichen dafür, wie sehr mich das alles mitnimmt. Ansonsten habe ich in den letzten Tagen nämlich ein interessantes Essverhalten entwickelt. Der Ausdruck »für zwei essen« trifft tatsächlich zu. Ein Wunder, dass es dir daran noch nicht aufgefallen ist. Alfred ist immer ganz aus dem Häuschen, wenn er mir dreimal den Teller auffüllen kann.

"Können wir ... kurz reden, bevor wir essen?"

Wenn das mal nicht die Untertreibung des Jahrhunderts ist. Jetzt erwartest du wahrscheinlich ein simples Gespräch über ein simples Problem und nicht den Hammer, den ich dir gleich über den Schädel ziehen werde.
 

Erstaunt und ein wenig irritiert schließe ich die Kühlschranktür wieder, ohne einen genaueren Blick in selbigen geworfen zu haben. Dein weinerlicher Tonfall ist mir nicht entgangen, weswegen ich dich jetzt entsprechend fragend ansehe und aufmerksam mustere.

Als du dann auch noch fragst, ob wir reden können, runzle ich die Stirn. In den letzten Wochen warst du doch so stark und hast doch fast schon mit Begeisterung auf außerschulische Aktivitäten gestürzt.

"Hast du eine Prüfung versaut?", frage ich das Erste, was mir in den Sinn kommt.

Ich kann nur hoffen, dass es etwas mit der Schule zu tun hat und nicht damit, dass du jetzt kein Date für den Abschlussball hast, weil dir ein Typ in der Schule das Herz gebrochen hat.
 

Obwohl die Gesamtsituation gelinde gesagt beschissen ist, muss ich kurz schmunzeln. Die Schule. Stimmt. Abschlussprüfungen demnächst. So etwas vergisst man schon mal, wenn man eine maskierte Verbrechensbekämpferin ist und sich von einem geistesgestörten Straftäter hat schwängern lassen. Ach, es wäre so schön, wenn es nur eine schlechte Note in irgendeiner Leistungsüberprüfung wäre ...

"Nein ... Dad, das Ganze ist ein bisschen komplizierter."

Händeringend sehe ich dich an.

"Willst du dich vielleicht hinsetzen?", frage ich hoffnungsvoll.

Der Tisch ist weiter von mir weg als die Position, an der du jetzt stehst.

"Und die Waffe abnehmen?"

Ich deute auf das Holster, dass du noch trägst.

"Ich hab Mist gebaut und selbst wenn du gleich versprichst, dass du nicht sauer wirst, wirst du ausrasten."

Reife Leistung, Babs.

Wieso halte ich mir die Standpauke nicht gleich selbst?
 

Mein Blick verfinstert sich ein wenig. Es gefällt mir kein bisschen, wie du gerade sprichst. Fast automatisch folge ich deinem Vorschlag und lege meine gesicherte Dienstwaffe auf den Kühlschrank, ehe ich dich misstrauisch mustere.

"Okay, was hast du ausgefressen?", frage ich und mein Tonfall ist irgendwo zwischen tadelndem Vater und Police Commissioner, der gerade eine Standpauke hält. "Alkohol am Steuer? Oder bist du von der Schule geflogen?"

Ich mustere dich misstrauisch und ganz automatisch bin ich nicht mehr dein Dad, sondern der Polizeichef. Was auch immer es ist, was du mir sagen willst, es wird mir ganz sicher nicht gefallen.
 

Ich stoße ein frustriertes Stöhnen aus und reibe mir kurz über das Gesicht. Die Tatsache, dass das scheinbar die schlimmsten Szenarien sind, die du dir vorstellen kannst, ist alles andere als beruhigend. Eher beängstigend.

Vielleicht die Waffe besser erst in einen anderen Raum schaffen?

"Es ist ein bisschen ... komplizierter als das", druckse ich herum und fühle mich wieder wie ein kleines Mädchen und nicht wie eine angehende Mutter. "Ich ... also ..."

Hilflos sehe ich dich an. Normalerweise würde ich dich um Rat fragen, wie ich mich in so einer Situation verhalten soll. Aber das fällt natürlich weg.

Alfred meint, gerade heraus.

Bruce meint, er macht es persönlich, wenn ich nicht endlich zu potte komme.

Dr. Crane meint, ich stehe mir selbst im Wege, du liebst mich und würdest mich nicht gleich zum Teufel jagen.

Vielleicht haben die Drei irgendwo Recht. Einfach macht es das aber auch nicht.

"Okay, es gab da so einen Zwischenfall."

Sehr elegante Umschreibung für Verbrecherjagd mit Folgen.

"Ich hatte ... Sex."

Darüber will jedes Mädchen mit ihrem Vater sprechen.

"Und es war alles recht ... schwierig. Wir haben vergessen zu verhüten ..."

Ich mache mich automatisch ganz klein und starre auf meine baumelnden Füße. Bald werde ich die beiden nicht mehr sehen können, wenn ich stehe.

"Um zum Punkt zu kommen ... ich bin ... na ja ... irgendwie ... schwanger."
 

Auch noch Sekunden, nachdem du geendet hast, starre ich dich regungslos und schweigend an, während du beschämt den Kopf gesenkt hältst und ein fürchterliches Donnerwetter erwartest. Eigentlich hast du das auch verdient, so verantwortungslos, wie du dich verhalten hast.

Aber anstatt dich anzuschreien, bin ich die Ruhe selbst, als ich ins Wohnzimmer gehe und meine Zigarettenschachtel aus dem Trenchcoat fische. Ohne ein Wort zu sagen lasse ich dich in der Küche sitzen und verschwinde auf den Hinterhof, wo ich mir seelenruhig eine Zigarette anzünde.

Schwanger. Meine kleine Prinzessin ist schwanger. Das muss ich erst einmal verdauen. Dabei habe ich eigentlich angenommen, dass du für dein Alter sehr reif und verantwortungsbewusst bist. Meine mittlerweile Exfrau und ich haben dir doch jedes Jahr einen Vortrag über Jungs, Sex und Verhütung gehalten. Und jetzt so etwas ...

Wie von selbst kommt mir die Silvesterparty in den Sinn, auf der du warst und über die du nichts erzählen wolltest. Jetzt wird mir auch klar, warum nicht. Alkohol und ein Haufen pubertärer Kerle ... Dabei habe ich dich eigentlich für klüger gehalten. Aber okay, ich war ja auch mal jung. So viel dann dazu, dass du Edward liebst, wenn du bei der ersten Gelegenheit mit dem nächstbesten Typen ins Bett hüpfst.

Aber okay ... Das bekommen wir hin. Ich bin ein cooler Dad und werde dir nicht gleich den Kopf abreißen - auch wenn du eine riesengroße Dummheit gemacht hast. Wir schaffen das und ich werde dich unterstützen, egal wie das hier ausgeht.

Als ich wieder zurück in die Küche gehe, sitzt du immer noch wie ein Häufchen Elend auf der Anrichte und traust dich nicht, mich anzusehen. Ich kann es dir nicht verübeln.

Immer noch die Ruhe selbst gehe ich zum Kühlschrank und nehme mir eine Bierflasche heraus, die ich mit Hilfe meines Feuerzeuges öffne. Nachdem ich einen großen Schluck genommen habe, lehne ich mich an den Kühlschrank und sehe dich an.

"Ich nehme mal an, dass du weißt, dass du ziemlichen Mist gebaut hast? Und dass du deswegen schon bestraft genug bist?"

Ich mache eine kurze Pause.

"Deswegen werde ich dir auch keine Standpauke halten - auch wenn du sie verdient hast."

Ich seufze.

"Wir bekommen das hin, Babs. Das ist kein Weltuntergang. Bist du dir sicher, dass du schwanger bist? Warst du schon bei einem Arzt?"
 

Das von dir erst einmal keine Reaktion kommt, ist fast noch schlimmer als das erwartete Geschrei. Damit hätte ich umgehen können.

Aber das?

Bist du so abgrundtief enttäuscht von mir, dass du mich jetzt komplett abschreibst?

Verdenken kann man es dir nicht. Immerhin habe ich alles so sehr versaut, wie es eben nur geht. Und nach dem, was ich heute von Edward gesehen habe, kann ich ihm nicht mal mehr die halbe Schuld zuschreiben.

Edward ist krank, handelt vollkommen impulsiv und höchstwahrscheinlich wäre es damals an mir gewesen, ihn einfach wegzuschieben, als er mich geküsst hat.

Schniefend bleibe ich sitzen, zerbreche mir den Kopf und warte ab, ob du wiederkommst. Erwarte mein Urteil, sozusagen.

Als du dann so schockierend verständnisvoll bist, sehe ich völlig verdattert auf.

"Ähm ...", stottere ich verblüfft. "Ja, inzwischen schon. Am Anfang hatte ich wirklich Angst, aber nachdem ich einen Test gemacht habe, bin ich gegangen. Und er hat es bestätigt. Dad ... Dad, mir tut das so leid."

Ich hätte wissen müssen, dass deine Worte, dass du ihn liebst, ernster gemeint hast, als es dir selber bewusst gewesen ist.

Ich nicke bestätigend und nippe erneut an der Bierflasche. Es ist vermutlich nicht gerade die klügste Idee von mir, jetzt Alkohol zu konsumieren, aber irgendwie brauche ich das gerade zur Beruhigung.

"Es sollte dir auch leid tun ...", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen. "Ich hatte eigentlich nicht vor, so schnell Großvater zu werden, aber okay. Deine Mutter wird wohl ohnmächtig werden, zumal Jimmy ja gerade in die Pubertät kommt."

Ich mache eine Pause und sehe dich ernst an.

"Du sagst es ihr, klar?"

Ich löse mich vom Kühlschrank und komme zu dir an die Anrichte.

"Ich hoffe wenigstens, dass du weißt, wer der Typ war, der dir das eingebrockt hat. Muss ja heftig auf der Silvester-Party gewesen sein."
 

Obwohl es mir beim Gedanken an Mom eiskalt den Rücken hinunterläuft, nicke ich eifrig. Ich kann kaum fassen, wie gut du das aufgenommen hast. Da hat Bruce sich ja eher benommen wie mein Vater. Trotzdem ist dir anzusehen, dass es dich auch mitnimmt. Schon die Flasche spricht Bände.

Als du Silvester und »den Typen« erwähnst schnappe ich erschrocken nach Luft.

Du gehst davon aus, dass irgendein fremder Kerl der Vater ist?

Oh, Gott. Wahrscheinlich habe ich mich zu früh gefreut, dass ich es überstanden habe. Jetzt dürfte es erst richtig losgehen ...

Ich schlucke schwer.

"Dad, ich ... Edward ist der Vater. Wer denn sonst, wenn nicht er."

Ich raufe mir verzweifelt die Haare.

Ja …

Wer, wenn nicht er?

Genau das ist mein Problem. Ich komme von dem Kerl einfach nicht los.
 

Im ersten Moment kann ich dich nur vollkommen verdattert ansehen und ich habe das Gefühl, ich habe mich komplett verhört. Ich habe das jetzt bestimmt nur total falsch verstanden. Dass kannst du unmöglich ernst meinen.

Betont ruhig stelle ich die Bierflasche ab und sehe dich ernst und eindringlich an. Und leider muss ich dabei feststellen, dass du es sehr wohl ernst meinst.

Das bedeutet dann also, dass du - trotz aller Beteuerungen - weiterhin Kontakt mit Edward hattest. Am Ende hast du mich sogar angelogen, als du mir versichert hast, dass du ihm nicht zur Flucht verholfen hast.

Frustriert raufe ich mir die Haare.

"Sag mal, willst du mich verarschen?!", polte ich los. "Du willst mir jetzt wirklich sagen, dass du irgendwann in den letzten Wochen mit ihm im Bett warst - obwohl er auf der Flucht war und du das wusstest?!"

Heftig schlage ich mit der flachen Hand auf die Anrichte und du zuckst zusammen.

"Verdammt, Barbara! Hast du denn gar nichts aus dem letzten Jahr gelernt?!"
 

"Ich wollte das doch alles nicht", entgegne ich halbherzig.

Ich merke selbst, wie dämlich das klingt.

"Batman hatte herausgefunden, wo sein Versteck ist und ich wollte ihn zur Rede stellen und euch ausliefern."

Dass das mehr oder weniger gelogen ist, macht die Sache nicht besser.

"Und dann ist alles ganz schrecklich aus dem Ruder gelaufen. Ich hab mich so geschämt, deswegen habe ich nichts gesagt ..."

Betreten lasse ich den Kopf hängen. Dass mir inzwischen die Tränen auf die Oberschenkel tropfen, interessiert mich wenig.
 

"Was zum Teufel hast du denn mit Batman zu schaffen?! Und wie zum Geier kommst du auf die selten dämliche Idee, dass ausgerechnet du in der Lage bist, einen gesuchten Kriminellen zur Strecke bringen zu können?!"

Wütend fange ich an, vor dir auf und ab zu gehen und lasse mich sogar dazu verleiten, den Kühlschrank zu treten, um irgendwie ein Ventil zu finden.

"Denkst du eigentlich nach, bevor du irgendwas machst?! Meine Güte!"

Deine Tränen, die ich natürlich sehe, zeigen mir zwar, dass du es wirklich bereust, aber besser macht es das auch nicht.
 

Oha, nun wird das Eis allmählich dünn.

"Ach, Batman dachte nur, ich sollte wissen, dass ihr ihn bald habt. Ich hab's einfach versaut ..."

Hilflos zucke ich mit den Schultern.

"Ich war so wütend. Aber ich dachte, wenn er auf jemanden hört, dann auf mich. Falsch gedacht."

Schockiert zucke ich zusammen, als du die Einrichtung massakrierst. So wütend habe ich dich nicht mehr erlebt, seit die Affäre mit Edward damals erst herausgekommen ist. Ich schüttele traurig den Kopf.

"Das habe ich mich in den letzten Tagen selbst sehr oft gefragt."
 

"Also ernsthaft, Babs!", fahre ich dich lauter an, als ich eigentlich wollte und baue mich vor dir auf. "Ich habe eigentlich gedacht, dass du irgendwas aus der ganzen Sache gelernt hast?!"

Ich greife wieder nach der Bierflasche und genehmige mir einen großen Schluck.

Ich hätte es wissen müssen.

Ich hätte wissen müssen, dass du trotz dessen, dass du nicht zu Edward zurück willst, wieder rückfällig wirst.

Ich hätte wissen müssen, dass deine Worte, dass du ihn liebst, ernster gemeint hast, als es dir selber bewusst gewesen ist.

All das hätte ich als Vater wissen müssen.

Und nun haben wir den Salat.

Wie soll ich das denn vor meinen Leuten rechtfertigen, dass ausgerechnet meine eigene Tochter eine Beziehung - oder was auch immer - mit einem Arkham-Insassen hat?

"Dir ist hoffentlich klar, dass du es ihm sagen musst?"
 

Eine Weile lang sage ich gar nichts, weil ich das Gesicht in den Händen vergrabe und beginne, zu schluchzen.

Jämmerlich.

Wird das irgendwann aufhören?

"Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Er will mich nicht sehen. Dr. Crane meint, in seinem momentanen Zustand sollte ich erst einmal tun, was er sagt. Es steht nicht sonderlich gut um Edward und Dr. Crane hat glaube ich Recht, dass so eine Information ihn unnötig aufwühlen würde."

Ich lächle bitter und lege ganz automatisch beide Hände auf meinen Bauch.

"Edward will doch gar nichts mehr von mir wissen. Ich bin eine Klette und damit hat er auch Recht, immerhin renne ich ihm die ganze Zeit hinterher und versuche zu retten, was eigentlich verloren ist."
 

Ich seufze und reibe mir angestrengt über das Gesicht.

Na ganz große klasse.

Kann es eigentlich noch schlimmer werden?

"Okay …", sage ich langsam und sehe dich ernst an. "Du warst also in Arkham. Ohne dass ich etwas davon wusste. Und du hast allen Ernstes erwartet, dass Edward dich mit offenen Armen empfängt?"

Ich bin schwer versucht, mir die Hand vors Gesicht zu schlagen.

"Er tut sich ziemlich schwer damit, die Hilfe, die er in Arkham bekommt, zu akzeptieren. Und so schlecht ging es ihm nicht, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe."

Ich mache eine kurze Pause und mustere dich.

"War es das dann mit den Hiobsbotschaften und hast du noch was zu beichten?"
 

Super. Obwohl es dir gegenüber absolut ungerechtfertigt ist, fühle ich einen leichten Stich der Eifersucht.

Dem werten Commissioner gegenüber ist er also ganz brav, was?

Da fragt man sich doch, was ich ihm getan habe. Immerhin hat er mich an ein Heizungsrohr gekettet und nicht anders herum.

Wir sind zwar nicht unbedingt im Guten auseinander gegangen, aber zumindest sollte unser Verhältnis doch eng genug gewesen sein, damit er weiß, wann er mir zur Abwechslung mal zuhören sollte.

Ein bisschen beleidigt verschränke ich die Arme und starre auf die Küchenfliesen.

Vielleicht sollten Dr. Crane und ich eine Selbsthilfegruppe der von Edward Verschmähten aufmachen. Cobblepot kann gleich mitmachen.

"Kommt drauf an", sage ich etwas knurrig. "Ist es denn eine Hiobsbotschaft, dass ich das Kind behalten will?"

Ich traue mich gar nicht, dich nach dieser Offenbarung anzusehen. Ich bezweifle, dass das so toll finden wirst.

"Und ich meine nicht behalten im Sinne von nicht abtreiben und zur Adoption freigeben. Ich will dieses Kind großziehen. Es kann nichts für die Fehler seiner Mutter."
 

Dein Stimmungswechsel fällt mir auf, aber ich schiebe es auf die Hormone. Ich habe das alles schon mal bei meiner Exfrau mitgemacht. Sie war in den ersten Monaten wie ein wandelndes Pulverfass. Da kann ich mich ja auf was gefasst machen, denn du bist auch sonst schon ein echter Wildfang.

"Tja ...", murmle ich und setze mich mit meiner Bierflasche an den Küchentisch. "Sowas habe ich mir schon gedacht. Ich hätte mich schon sehr gewundert, wenn du dich dagegen entschieden hättest."

Ich sehe dich einen Moment an, ehe ich dir signalisiere, dass du dich ebenfalls an den Tisch setzen sollst.

"Dir ist aber bewusst, was da alles auf dich zu kommt, oder? Ich und sicher auch deine Mutter werden dir zwar unter die Arme greifen, aber den Großteil musst du alleine hinbekommen."
 

Mit einem schweren Seufzen rutsche ich von der Anrichte und komme zu dir an den Tisch, wo ich mich neben dir niederlasse und reibe mir müde über das Gesicht.

"Ich weiß. Ich würde euch auch gar nicht unnötig belasten wollen, das verspreche ich dir."

Etwas kleinlaut zucke ich mit den Schultern.

"Ein paar Ratschläge zur Kindererziehung sind wahrscheinlich das, was ich am ehesten brauchen kann ..."

Ich blinzle einige Tränen weg.

"Dad, wie soll ich das Edward sagen? Ich verlange nicht, dass er sich einbringt. Aber er muss das doch wissen ... Es ist immerhin genauso sein Kind."
 

Ich runzle nachdenklich die Stirn und spiele ein bisschen mit der Bierflasche herum. Tja ... Das ist wirklich ein gute Frage. Edward ist nicht gerade ein Familientyp und ich fürchte, dass er nicht gerade begeistert sein wird, wenn er erfährt, dass er Vater wird. Als ob er nicht schon genug Probleme hat ...

"Tja ...", sage ich dann langgezogen. "Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie du es ihm am schonendsten beibringen sollst. Aber ich kann zumindest mitkommen, wenn du es machst. Du solltest dir nur nicht zu viel Zeit damit lassen."

Mit einem knappen Nicken deute ich auf deinen Bauch. Dann nippe ich an der Bierflasche und lehne mich im Stuhl zurück.

"Zum Glück haben wir Alles aufgehoben, als deine Mom schwanger war."
 

Ohne groß darüber nachzudenken beuge ich mich zu dir und drücke dir einen Kuss auf die Wange.

"Danke, Dad. Danke, dass du mich nicht rauswirfst oder mir den Hals umdrehst oder mich zwingst, abzutreiben."

Und weil ich es wirklich ernst meine und dankbar bin, dass du für mich da bist, fange ich gleich noch mehr an zu weinen, diesmal aus einer Mischung aus Verzweiflung und Freude heraus.

"Dann lass uns mit ihm reden, sobald du Zeit hast. Wenn das für dich okay ist ..."

Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.

"Vielleicht wird es ein Mädchen. Dann passen meine alten Sachen bestimmt."

Herzlichen Glückwunsch, Eddie, ich bin schwanger. Du wirst demnächst Vater.

"Babs."

Ich reagiere nicht, weil ich damit beschäftigt bin, auf meiner Unterlippe herumzukauen und die Hände zu ringen.

"Babs, wir sind da."

"Ich weiß ...", flüstere ich und starre durch das Autofenster auf das Gebäude, das sich jenseits des Parkplatzes erhebt.

Und wieder soll es da rein gehen, damit ich mich ablehnen lassen kann. Andererseits sind aller guten Dinge ja bekanntlich drei.

"Dann mal los."

Ohne auf Dad zu warten öffne ich meine Tür und steige aus. Alles in mir schreit danach, sofort zurück in den Wagen zu klettern und Dad anzuschreien, er soll Gas geben.

Stattdessen stapfe ich wenige Minuten später neben ihm die Stufen zum Eingang hinauf, wo Dr. Crane uns mit einem Lächeln erwartet, das seine Augen nicht erreicht. Wahrscheinlich macht auch er sich Sorgen, ob das eine gute Idee ist.

"Commissioner Gordon."

Er nickt Dad höflich zu und schüttelt ihm knapp die Hand, dann wendet er sich mir zu und reicht mir ebenfalls die Hand. Die andere legt er beinahe väterlich auf meine Schulter.

"Barbara. Sind Sie sicher, dass Sie sich das schon wieder antun wollen? Ich bin nicht sicher, ob -"

"Schon gut, Doktor", unterbricht Dad ihn. "Ich bin ja dabei. Edward reagiert ganz gut auf mich, wie Sie wissen."

Überraschenderweise scheint es Dr. Crane genauso sauer aufzustoßen wie mir, dass Dad sich für deinen neuen besten Freund hält. Beinahe gleichzeitig bedenken wir meinen Vater mit einem giftigen Blick.

"Das mag ja sein, Commissioner. Aber wie SIE sicherlich wissen, ist Ihre Tochter schwanger. Sie sollte so viel Stress nicht ausgesetzt sein."

"Das ist wirklich lieb von Ihnen, Dr. Crane."

Ich schenke dem besorgten Arzt ein halbwegs zuversichtliches Lächeln.

"Aber ich kann ja immer noch gehen, wenn es zu viel wird. Edward sollte wissen, was los ist. Wie er damit umgeht, kann er dann für sich entscheiden."

Dr. Crane seufzt ergeben.

"Na, gut. Dann folgen Sie beide mir mal."

Er führt uns in den Besucherbereich, wo du bereits in einem der Räume wartest. Er hält sogar die Tür auf. Und lächelt mich knapp an, als ich an ihm vorbei zu dir hineingehe. Dad folgt mir, hält sich aber im Hintergrund. Und dann stehe ich wieder einmal vor dir und traue mich diesmal gar nicht, den Mund aufzumachen.

Schließlich setze ich mich einfach auf den Stuhl dir gegenüber. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss und als ich kurz einen Blick über die Schulter werfe, stelle ich fest, dass Dr. Crane sich neben Dad gestellt hat. Zwei Leute müssen auf mich aufpassen, weil ich es alleine nicht hinbekomme, mit dir fertig zu werden.

Und wenn ich das nicht hinkriege - wer denn dann?
 

Leicht genervt werfe ich der geschlossenen Tür einen bösen Blick zu. Irgendwo da draußen lungert Crane rum und wartet nur darauf, dass er mal wieder eine Show zu sehen bekommt.

Wie ich den Typen hasse ...

Okay, es war - im Nachhinein betrachtet - vielleicht keine besonders gute Idee, Cobblepot die Nase zu brechen, aber der kleine Fettwanst hatte es verdient. Jedenfalls ist er seitdem nicht besonders gut auf mich zu sprechen, wie mir mein Anwalt mitgeteilt hat. Und wenn schon. Der Pinguin kann mich mal kreuzweise. Und in den letzten Tagen war ich sogar ziemlich nett zu ihm. Na ja, eine andere Wahl hatte ich ja auch nicht, wenn ich nicht schon wieder diese Zwangsjacke wollte und so viele Beruhigungsmittel, dass sie mir zu den Ohren wieder raus kommen.

Und nun warte ich seit geschlagenen zehn Minuten darauf, dass diese Tür wieder aufgeht. Crane hat angekündigt, dass ich ausgerechnet heute - zum Valentinstag - Besuch von Commissioner Gordon bekomme.

Tolles Timing, Jim. Wirklich ganz toll.

Als dann die Tür endlich aufgeht, fällt mir fast die Kinnlade auf die Knie. Ziemlich verdutzt sehe ich dich einen Moment lang an, ehe ich Jim und Crane registriere. Mein Blick ruht auf dem Arzt und meine Mimik verfinstert sich deutlich.

"Willst du mich verarschen, Crane? Die Rede war vom Commissioner."

Frustriert schnaufe ich und würde jetzt gerne die Arme vor dem Oberkörper verschränken. Da meine Hände aber - wieder mal - mit Handschellen gefesselt sind, muss ich mich damit begnügen, den Kopf zur Seite zu drehen und angesäuert die Wand anzustarren.
 

"Oh, reizend Edward", schnaube ich und schneide damit Dr. Crane das Wort ab, denn der ist schon dabei Luft zu holen, um dir zu antworten. "Jetzt sprichst du mich nicht mal mehr an. Da haben wir uns ja zumindest gesteigert. Keine niveaulosen Beschimpfungen mehr."

"Babs, Liebling", schreitet Dad ein. "Lass dich nicht provozieren. Sag es ihm einfach."

Ich seufze ergeben. Natürlich hat er Recht. Trotzdem ist es ziemlich verlockend, den ganzen angestauten Frust mal an dir auszulassen. Dr. Crane kann mir erzählen, was er will - ich glaube fest, dass ich mich besser fühlen würde, wenn wir uns jetzt zoffen würden wie in den guten alten Zeiten. Andererseits ist diese Art von Zoff genau das, was uns in diese Situation gebracht hat. Also eher keine gute Idee.

Betrübt betrachte ich dein Profil, während du an die Wand starrst.

"Edward", beginne ich mit ruhiger Stimme. "Wie ich es dir seit Tagen mitzuteilen versuche, gibt es etwas, was du unbedingt wissen musst. Es wäre schön, wenn du es dir einfach anhören würdest. Es betrifft dich direkt und es ist dein Recht, es zu erfahren. Danach bin ich weg und du musst mich nie wieder sehen. Wie klingt das?"
 

Langsam drehe ich den Kopf in deine Richtung und sehe dich einige Sekunden lang misstrauisch mit verengten Augen an.

"Ist das ein Versprechen?", frage ich dann und man kann meiner Stimme durchaus anmerken, dass ich dir zwar kein Wort glaube, aber dich notfalls darauf festnageln würde, wenn du mir weiterhin auf den Keks gehst. Dann seufze ich ergeben.

"Gut, dann sag, was du zu sagen hast. Ich habe heute nämlich noch was vor."
 

Ich mache schon den Mund auf, um etwas Giftiges zu erwidern, dann lasse ich es jedoch bleiben und hebe ergeben die Hände.

"Ja. Es ist ein Versprechen, Edward. Ich sage einen Satz und dann bin ich meinetwegen weg. Also ..."

In einem Anflug von Unsicherheit blicke ich über die Schulter. Sowohl Dad als auch Dr. Crane nicken mir bestärkend zu. Sieht super aus, wie sie da nebeneinander stehen und mich unterstützen wollen.

Warum habe ich die beiden nicht gleich in Cheerleader-Uniformen gesteckt und lasse mich anfeuern?

Ich wende mich wieder dir zu und bin selbst überrascht, dass ich den nächsten Satz relativ gelassen über die Lippen bringe. Ein bisschen Gehässigkeit steckt dahinter. Inzwischen habe ich mich mit der Situation abgefunden. Nachdem, was du die letzten Tage mit mir abgezogen hast, verschafft es mir sogar ein bisschen Genugtuung, dir das um die Ohren zu schleudern.

"Herzlichen Glückwunsch, Eddie, ich bin schwanger. Du wirst demnächst Vater."
 

Im ersten Moment kann ich dich nur vollkommen sprachlos und verdattert ansehen. Doch nachdem ich mir deine Worte noch einmal durch den Kopf gehen lasse, fange ich plötzlich an zu lachen.

"Ist ein bisschen früh für April-Scherze, meine Liebe. Aber der war gut."

Ich muss mich unterbrechen, weil ich wieder anfange zu kichern.

"Für zwei Sekunden habe ich dir tatsächlich geglaubt."

Grinsend schüttle ich den Kopf. Wirklich ein guter Witz. Den sollte ich unbedingt aufschreiben und bei Gelegenheit dem Joker geben. Dann hat er wenigstens einen Schenkelklopfer im Programm.

"Gut, war's das dann?", frage ich sichtlich erheitert und mit der Gewissheit, dass jeder Anwesende bemerkt, wie wenig Glauben ich deinen Worten schenke.
 

Mir bleibt bei deiner Reaktion der Mund offen stehen.

Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder?

Ich kann dich nur völlig verstört anstarren und schaffe es nicht einmal, angemessen zu reagieren. Dich zum Beispiel mit meiner Tasche zu verprügeln.

"Wie bitte?", fragt Dad hinter mir und ich muss schwer schlucken.

Dass Dad auch noch eingreift, macht es irgendwie noch schlimmer. Am liebsten würde ich die Sache allein klären. Ohne ihn. Er soll nicht glauben, dass ich hier vollkommen hilflos bin.

"Edward, bitte geh doch mit ein bisschen mehr Verstand an die Sache heran", schaltet sich Dr. Crane ein. "Für dich mag das Alles ein Scherz sein, aber Barbara ist immerhin diejenige, die dieses Kind austragen und großziehen muss. Also tu nicht so, als wäre es Alles zum Lachen."

Na, besten Dank Herr Doktor. Wenn das jetzt nicht beruhigend klang. Ich atme tief durch.

"Hältst du mich wirklich für so geschmacklos, dass ich darüber Witze machen würde? Wenn das so ist, dann kennst du mich nach all der Zeit wirklich kein bisschen."

Meine Stimme klingt bitter und maßlos enttäuscht. Spiegelt wunderbar wider, wie ich mich gerade fühle.
 

Deine schockierte Reaktion ist fast wie die Kirsche auf der Sahne und bringt mich fast dazu, wieder zu lachen. Du müsstest jetzt dein Gesicht sehen. Tja, da musst du wirklich früher aufstehen, um mich hinters Licht führen zu können. Und um ehrlich zu sein tut es mir kein bisschen leid, dir den Wind aus den Segeln genommen zu haben.

Bei Cranes Worten drehe ich ihm grinsend den Kopf zu und bin fast enttäuscht, wie einfach der Typ sich von dir aufs Glatteis führen lässt.

"Beherzige lieber deinen eigenen Ratschlag, Doc", sage ich mit bester Laune. "Oder glaubst du den Mist ernsthaft? Dann bist du dämlicher als ich bisher dachte."

Mit einem angedeuteten Kopfschütteln wende ich mich wieder an dich.

"Es ist irrelevant, für was ich dich halte. Fakt ist aber, dass du diese Nummer noch ein paar Mal üben solltest, bevor du damit auf Tournee gehst."

Grinsend stehe ich von dem ziemlich harten Stuhl auf und sehe Crane reichlich gehässig an.

"Also ich wäre hier dann fertig. Wie wäre es jetzt mit den Klecksbildern?"
 

Dad und Crane fangen zeitgleich an, auf dich einzureden, aber das höre ich schon gar nicht mehr. In meinen Ohren rauscht es, so wütend bin ich.

Das ist tatsächlich alles ein blöder Witz für dich?

Und dabei hatte ich dich irgendwann mal für einen vernünftigen Mann gehalten, auf den man sich wenn es richtig hart kommt letztendlich doch verlassen kann. Pustekuchen.

Wütend springe ich auf. Dass ich mich in meinem Zustand nicht aufregen sollte, ist mir völlig egal.

"Du verdammter Mistkerl hörst mir jetzt gut zu!", keife ich dich an. "Von mir aus kannst du mich und dein Kind ignorieren. Du musst keinen Kontakt halten, keine Windeln wechseln, nicht zur Geburt, zur Einschulung, zum Abschluss da sein. Aber du wirst das Ganze nicht einfach weglachen und so tun, als gäbe es dieses Kind nicht! Du bist deinem eigenen Fleisch und Blut zumindest dieses bisschen Anerkennung schuldig, du beschissener Idiot!"

"Barbara, du solltest dich nicht -"

"Aufregen?!", fahre ich Dad an. "Ich rege mich aber auf! Das ist doch die Höhe!"

Zornig funkle ich dich an.

"Noch nicht mal geboren und du bist jetzt schon der schlechteste Vater, den man sich vorstellen kann. Weißt du was?! Vielleicht hätte ich es dir doch nicht sagen sollen."

Und da kommen sie schon wieder, die Tränen. Es geht einfach nicht ohne Tränen mit dir.

"Du hättest dich weiter nur um dich selbst kümmern müssen. Tut mir ja so leid, dass ich den Herrn in eine Situation gebracht habe, in der er eventuell an andere denken muss, du -"

"Barbara, es reicht."

Dr. Crane berührt mich an der Schulter und zieht mich von dir weg, was vielleicht ganz gut ist. Aufeinander loszugehen ist denkbar schlecht, denn du würdest mich nicht schonen. Du glaubst mir ja gar nicht, dass ich schwanger bin. Also lasse ich zu, dass der Arzt mich beiseite nimmt.

"Kommen Sie, Sie müssen sich mal wieder beruhigen. Ich habe Ihnen doch gesagt, er ist nicht in der Verfassung, mit solchen Informationen umzugehen."

"Das hat nichts mit seiner Verfassung zu tun. Das liegt daran, dass er sich einen Dreck um mich schert", stoße ich bitter aus. "Ich bin doch nur eine Klette, stimmt's, Edward? Keine Angst, ich halte mein Versprechen."

Ich verlasse den Raum mit Dr. Crane. Wahrscheinlich bekomme ich meine dritte Sitzung und mal wieder einen Tee. Am besten begebe ich mich gleich in Behandlung bei ihm. Klappt scheinbar besser als deine Therapie.
 

Ich muss zugeben, dass mich dein Ausbruch und deine kleine wütende Rede ein wenig aus der Bahn werfen. Das Grinsen in meinem Gesicht verschwindet nach und nach, als du mich anschreist. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Und ich bin dementsprechend überrascht, dass es dir scheinbar so zu Herzen geht, dass ich auf deinen kleinen Taschenspielertrick nicht reinfalle.

Fast noch erstaunlicher ist, dass deine Worte mich tatsächlich treffen. Eine kleine leise Stimme in meinem Kopf fragt, ob du dich jetzt so aufregst, weil tatsächlich etwas an deinen Worten dran ist. Aber das kann nicht sein.

Und selbst wenn: Was habe ich denn damit zu tun?

Da solltest du dich doch wohl eher an die Fledermaus wenden.

Sprachlos sehe ich dabei zu, wie Crane dich schließlich aus dem Raum führt und schon alleine, wie seine Hand auf deiner Schulter liegt, lässt mich misstrauisch die Augen verengen.

Ja, genau. Heul dich bei dem Quacksalber aus!

Kaum, dass die Tür wieder zu ist, lasse ich mich frustriert wieder auf den Stuhl fallen. Dass Jim Gordon noch im Raum ist, realisiere ich gerade nicht einmal.

Kein Beweis, dass es deines ist. Aber immerhin etwas.

Das hast du ja schön hinbekommen. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass es so ausgeht. Weder Barbara noch du sind fähig, ihr Temperament zu zügeln. Wobei ich in diesem Fall kein bisschen hinter dir stehe. Was du gerade mit meiner Tochter gemacht hast, ist unverzeihlich. Mein Mädchen scheint am Boden zerstört zu sein.

Deinetwegen.

Wieder einmal.

"Du hörst mir jetzt mal gut zu, Nashton", sage ich.

Deinen Nachnamen benutze ich mit Absicht. Ich will nicht, dass du denkst, dass hier wäre ein freundschaftliches Gespräch. Das ist ein Vater, der sein Kind verteidigt.

"Mir ist es scheißegal, was du gerade für Probleme hast. Ob du mal wieder mit Crane gestritten hast oder heute Morgen das Frühstück falsch auf dem Tablett angeordnet war - was du gerade gemacht hast war grausam."

Ich gehe langsam auf dich zu und baue mich schließlich direkt vor dir auf.

"Glaubst du nicht, dass ein Mädchen in diesem Alter schon genug Sorgen hat, wenn sie herausfindet, dass sie schwanger von einem Kriminellen in einer Heilanstalt ist? Dass du es wagst, dich deiner Verantwortung für dieses Dilemma zu entziehen, indem du es zu einem Witz degradierst, ist das allerletzte."

Meine Stimme wird allmählich lauter, aber es ist mir egal, ob ich hier die gesamte Anstalt zusammen brülle.

"Du bist genauso an der Zeugung dieses Kindes beteiligt gewesen wie Barbara. Was bedeutet, dass ihr beide ziemlich bescheuert seid. Aber sie stellt sich zumindest ihrer Verantwortung. Ich verlange nicht mal, dass du das tust."

Ich schnaube verächtlich.

"Gott, um ehrlich zu sein, würde es mich wundern, wenn du das machst. Aber ich dulde nicht, dass du meine Tochter so behandelst."

Leicht aggressiv bohre ich dir den Zeigefinger in die Brust.

"Weißt du was? Du bist ein Feigling, Edward. Du weißt ganz genau, dass du Mist gebaut hast, aber du tust einfach so, als wäre nichts davon deine Schuld. Schiebst alles allein auf Barbara. Was willst du machen? Dich darauf ausruhen, dass du in dieser Anstalt sitzt und im Moment für nichts zur Verantwortung gezogen werden kannst? Ich verrate dir mal was. Eher ziehe ich dieses Kind allein mit Barbara auf, als dich in seine Nähe zu lassen. So kindisch, wie du dich aufführst, bist du das schlechteste Vorbild, das ich meinem Enkel geben könnte."

Wütend funkle ich dich an.

"Und wenn du Barbara noch einmal so verletzt, dann vergesse ich mich. Ich bin vielleicht Polizist, aber in erster Linie Vater. Wenn du meine Tochter angreifst, greifst du auch mich an. Lass dir das gesagt sein."
 

Als du mich so herrisch ansprichst, kann ich gar nicht anders, als dich mit großen Augen sprachlos anzusehen. Ich bin viel zu verblüfft, wie sehr du dich darüber aufregst, dass ich Barbara nicht wirklich ernst genommen habe, als dass ich irgendetwas erwidern kann.

Okay ... Anscheinend ist doch was dran, dass sie wirklich schwanger ist. Nicht besonders toll für sie, aber ich habe trotzdem nichts damit zu tun. Wer weiß, mit wie vielen Kerlen sie in den letzten Wochen im Bett war. Am Ende ist es wirklich die Fledermaus. Oder Einer aus ihrer High School. Was weiß ich.

Mir entgeht natürlich nicht, dass du richtig sauer bist. Deine laute Stimme ist der beste Beweis dafür. So wütend habe ich dich noch nie erlebt. Weder, als ich noch im GCPD gearbeitet habe, noch als ich es auf die Fahndungsliste geschafft habe. Und es ist definitiv kein gutes Zeichen, wenn du so aus der Haut fährst.

Auch als du geendet hast, sehe ich dich noch eine Weile stumm an und lasse deine Worte in meinem Kopf Revue passieren. Ich muss aufpassen, was ich sage, denn sonst vergisst du wirklich, dass du der Police Commissioner bist. Und so mit Handschellen habe ich nicht wirklich eine Chance, irgendetwas gegen dich auszurichten.

"Okay ...", sage ich schließlich langsam. "Auch wenn ich gerade nicht wirklich weiß, warum du dich gerade so aufregst, solltest du langsam wieder runter kommen."

Meine Worte werden dir sicherlich nicht gefallen, weswegen ich dir einen vorsichtigen Blick schenke.

"Crane, Barbara und du könnt meinetwegen darauf pochen soviel ihr wollt, aber solange ich keinen Beweis habe, glaube ich euch gar nichts."
 

"Du weißt nicht warum -"

Ich breche mitten im Satz ab und balle zornig die Hände zu Fäusten. Wenn ich jetzt weiterrede, dann würde ich dich wahrscheinlich nur wüst beschimpfen, anstatt ein anständiges Gespräch zu führen. Also drehe ich mich kurz von dir weg und atme mehrmals tief durch, damit ich mich nicht vollkommen vergesse.

"Weißt du", beginne ich, nachdem ich mich wieder zu dir umgedreht habe. "Nach den letzten beiden Gesprächen hatte ich wirklich angenommen, dass du ein guter Kerl bist. Aber vielleicht habe ich mich ja geirrt. Oder du hast einfach so viel Angst vor Verantwortung, dass du dich absichtlich aufführst wie ein kompletter Volltrottel."

Das du nach Beweisen fragst, ist nicht mal verwunderlich. Irgendwie passt das zu dir, auch wenn ich es im Augenblick trotzdem als unverschämt empfinde.

"So? Was willst du denn? Ein Ultraschallbild? Oder gleich einen Vaterschaftstest? Ich glaube fast, der Zug für dich ist abgefahren, Edward. Ich bezweifle, dass Babs überhaupt noch will, dass du mehr als nötig mit dem Kind zu tun hast. Und um ehrlich zu sein, ist es überhaupt nicht nötig, dass du dich da mit reinhängst. Wir kommen sehr gut ohne dich zurecht."
 

"Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, warum ihr Alle so ein Fass aufmacht", erwidere ich ruhig, während ich dich mustere.

Dir scheint das Alles ziemlich an die Nieren zu gehen. Aber ich verstehe trotzdem nicht so wirklich, warum ich mich da auch so reinsteigern sollte. Barbara kann viel erzählen, wenn der Tag lang ist und ich werde mich sicherlich nicht nur auf ihr Wort verlassen.

"Ich habe eigentlich bisher angenommen, dass gerade du als Polizist verstehst, dass man Niemanden ohne Beweise irgendwas glauben sollte. Warum sollte ich bei dir, Barbara oder sonst wem da eine Ausnahme machen?"

Und selbst wenn sie tatsächlich schwanger sein sollte - was ich nach wie vor bezweifle - heißt das noch lange nicht, dass ich irgendetwas damit zu tun habe. Aber das sollte ich dir vielleicht nicht unbedingt jetzt sagen, wenn du sowieso schon so wütend bist. Am Ende verpasst du mir noch ein blaues Auge.

Langsam stehe ich auf, so dass wir auf derselben Augenhöhe sind.

"Ernsthaft, Jim. Ich habe keinen Grund, irgendwas von dem zu glauben, was ich heute hier gehört habe. Tut mir ja leid, dass dich das stört, aber so ist es nun mal."
 

"Weißt du was, Edward?"

Wütend mache ich eine wegwerfende Handbewegung.

"Auf dich und dein dämliches Gehabe, kann ich scheißen. Du tust so, als würdest du alles ach so diplomatisch angehen und kapierst nicht mal die Tragweite der Situation. Was würdest du machen, wenn du es schwarz auf weiß hättest, hm? Babs irgendwelches Schmiergeld anbieten, dass du noch in einem deiner Verstecke gebunkert hast? Damit sie dich da raushält und dich nicht mehr behelligt?"

Ich lache bitter auf.

"Von mir aus kannst du hier in Arkham versauern - und das wirst du, so wie du dich aus allem rausredest. Du wirst niemals weiterkommen im Leben, wenn das deine Art ist, mit Problemen umzugehen. Ich sehe jedenfalls keinen Grund, mich weiter mit dir abzugeben. Eigentlich dachte ich wirklich, ich könnte dich mögen ..."

Enttäuscht schüttle ich den Kopf und wende mich ab, um zur Tür zu gehen.

"Von meiner Seite aus ist Alles gesagt. Ein schönes, unkompliziertes Leben abseits jeder Verantwortung wünsche ich dir."
 

Reichlich verwirrt und verdattert blinzle ich dich an, während du mir deine kleine Standpauke hältst. Auch, als du dich abwendest und zur Tür gehst, bleibe ich reg- und sprachlos. Ich kapiere gerade wirklich nicht, was dein verdammtes Problem ist. Irgendwas habe ich anscheinend verpasst.

Erst, als du dich von mir verabschiedest, kommt wieder Leben in mich und ich folge dir ein paar Schritte bis zur Tür.

"Okay, noch mal langsam zum mitschreiben ...", sage ich ruhig und langsam. "Was ist das hier für ein komischer Film? Ich kapiere gerade gar nichts mehr."

Ich nehme an, dass du meinem verwirrten Gesichtsausdruck entnehmen kannst, dass ich tatsächlich keine Ahnung habe.

"Ich verstehe nicht, warum du so sauer auf mich bist. Was habe ich denn getan? Okay, Crane und Cobblepot, ja, und meine Wortwahl hat neulich ein wenig zu wünschen übrig gelassen, aber sonst ...?"
 

Fassungslos drehe ich mich wieder zu dir um und kann gar nicht anders, als zu lachen. Dein Gesicht verrät mir, dass du wirklich keinen blassen Schimmer hast, was du hier gerade falsch machst. Eine leise Stimme sagt mir, dass allein die Tatsache, dass du versuchst, deinen Fehler zu verstehen, für dich spricht. Aber im Moment bin ich so wütend auf dich, dass sich mein Mitleid in Grenzen hält.

"Du verstehst es wirklich nicht, oder, Edward?"

Ich schüttele den Kopf.

"Was du mit Dr. Crane machst, ist mir gerade wirklich egal. Ja, meine Ratschläge hatte ich ernst gemeint. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Genauso wenig wie der Pinguin. Es geht darum, dass ich Großvater werde und das irgendwie mit meiner Tochter hinkriegen will. Es geht darum, dass mein eigenes Kind eine wirklich schwere Zeit durchmacht, weil es das alles allein ausstehen muss. Es geht darum, dass du der ignoranteste Kerl aller Zeiten bist."

Ich zeige anklagend auf dich.

"Und es geht darum, dass ich Barbara dazu gedrängt habe, es dir zu erzählen, obwohl sie es bereits Gutseinlassen wollte und dass ich jetzt gewissermaßen dafür verantwortlich bin, dass sie wieder einmal verletzt wurde. und dafür, mein Lieber, gebe ich dir die Schuld."

Ich mache auf dem Absatz kehrt, gehe zur Tür und lege eine Hand auf die Klinke.

"Barbara hatte wirklich Recht, es war ein Fehler dir das zu erzählen. Verzeih, Edward. Wir werden dich nicht weiter damit belästigen."
 

Ich muss schlucken, als ich deine Mimik registriere, die man durchaus als enttäuscht werten kann. Und genau das versetzt mir einen kleinen Stich im Herzen. Auf eine für mich nur schwer verständliche Art und Weise ist es mir tatsächlich wichtig, was du von mir hältst.

Die beiden Gespräche, die wir hier in Arkham geführt haben, haben mir erstaunlicherweise mehr gebracht, als alle Therapiesitzungen zusammen. Und wenn ich jetzt ganz ehrlich zu mir bin, dann will ich nicht, dass du jetzt einfach so verschwindest und ich dich sehr wahrscheinlich nie wieder sehe - zumindest nicht als Freund.

Ich setzte schon an, etwas zu erwidern, lasse es dann aber doch bleiben. Es hat doch eh keinen Sinn. Am liebsten möchte ich mir selber eine kräftige Ohrfeige geben, dass ich es überhaupt in Erwägung gezogen habe, dich als Freund zu betrachten. Es ist doch jedes Mal dasselbe Spiel. Ich öffne mich und letztendlich schadet es mir nur. Dabei hatte ich mir doch bereits im Gotham General geschworen, dass das nie wieder passieren soll. Resigniert, enttäuscht und verletzt lasse ich den Kopf hängen und starre den Fußboden an.
 

Da von dir keine weitere Reaktion mehr kommt und meiner Meinung nach ohnehin alles gesagt ist, drücke ich die Klinke herunter und will eigentlich so schnell wie möglich hier raus und zu meiner Tochter.

Wie der Zufall so will, steht genau die auf der anderen Seite der Tür und schiebt sich an mir vorbei. Dr. Crane folgt ihr, er nickt mir kurz zu, behält dann aber Barbara im Blick. Scheinbar hat er eine Ahnung, was hier vor sich geht.

"Babs, lass uns nach Hause gehen. Ich will nicht, dass du noch mal versuchst, mit ihm zu reden."

Der Arzt legt sich einen Finger an die Lippen und bedeutet mir so, zu schweigen. Barbara sieht mich kurz an.

"Das will ich auch gar nicht, Dad. Ich will ihm nur etwas geben, bevor wir verschwinden."

Sie sieht dir fest in die Augen und schiebt eine Hand in ihre Hosentasche. Daraus zieht sie ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor. Sie faltet es auseinander. Ein Foto.

Ich runzle die Stirn und recke den Hals, um besser sehen zu können. Ein Ultraschallbild. Das hat sie bisher nicht mal mir gezeigt und obwohl die Situation alles andere als schön ist, regt sich in mir so etwas wie großväterlicher Stolz. Sie legt das Bild auf den Tisch und schiebt es ein Stück in deine Richtung.

"Kein Beweis, dass es deines ist", meint sie fast entschuldigend. "Aber immerhin etwas. Und wag es dir ja nicht, mir jetzt zu unterstellen, dass ich das aus dem Internet habe oder so."
 

Regungslos nehme ich das Geräusch der sich öffnende Tür zur Kenntnis, reagiere aber nicht darauf. Warum auch. Egal, was ich auch immer sagen würde, es würde nichts mehr an der Situation ändern. Ich sehe erst auf, als ich deine Stimme wieder höre, und wie du zu Barbara sprichst.

Irritiert halte ich Barbaras Blick stand, auch wenn man mir meine Verwirrung sicher ansehen kann. Ich kapiere immer weniger, was hier eigentlich los ist. Das Papier, welches sie aus der Hosentasche zieht, macht die Sache auch nicht besser. Und noch weniger die Worte, die sie sagt, als sie das Papier auf den Tisch legt.

Verwirrt runzle ich die Stirn, als ich mir das Papier ansehe - und falle fast vom Glauben ab. Ein Ultraschallbild. Konfus blinzle ich ein paar Mal, ehe mein Blick unsicher zu Barbara flackert. Ich setze an, etwas zu sagen, aber ich bekomme kein Wort über die Lippen. Stattdessen starre ich wieder das Bild an.

Ganz langsam und vorsichtig, als ob die bloße Berührung das Alles real werden ließe, greife ich nach dem Bild und sehe es sprachlos an. Okay ... Das ist zumindest der Beweis, dass Barbara wirklich schwanger ist. Und man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass das auf dem Bild vermerkte Datum und die Schwangerschaftswoche darauf hindeuten, dass dieses segensreiche Wunder anscheinend um Silvester herum entstanden sein muss. Aber das muss noch lange nicht bedeuten, dass ich wirklich ...

Ich schlucke schwer und sehe wieder zu Barbara.

"Ich -"

- finde in meinem Hirn nichts, was ich jetzt sagen soll. Das ist gerade alles zu viel für mich. Ich hatte ihr doch von Anfang an klar und deutlich gesagt, dass keine Beziehung will. Und noch weniger ein Kind. Apathisch lasse ich mich wieder auf den Stuhl sinken und kann dabei nicht aufhören, dieses verdammte Bild anzustarren.
 

Ich muss zugeben, dass ich fast ein bisschen überrascht bin, wie nahe dir das Ganze doch zu gehen scheint. Wenn du von vornherein gezeigt hättest, dass es auch anders geht, dann wäre das Gespräch vielleicht nicht so schlimm verlaufen. So kann ich allerdings nicht sagen, was jetzt als Nächstes kommt.

Nachdem du dich offensichtlich entschieden hast, doch nichts zu sagen, hängt es jetzt eindeutig an Barbara. Die betrachtet dich einen Moment lang, während du das Bild ansiehst. Dann macht sie den Mund auf und wirkt eine Sekunde lang so, als würde sie irgendetwas Sanftes zu dir sagen wollen. Etwas wie »Wir kriegen das schon hin« oder »Es ist halb so wild«. Aber sie entscheidet sich dagegen.

"Schon gut, Edward."

Sie beugt sich nach vorn und rupft dir das Bild wieder aus der Hand.

"Ich entbinde dich jeglicher Verantwortung. Du musst dir keine weiteren Gedanken über dein Kind machen. Gehen wir."

Als sie sich umdreht, um den Raum zu verlassen, sehe ich in ihren Augen, dass sie schwer mit sich ringen muss, um die Fassung zu bewahren. Es versetzt mir einen Stich, sie so zu sehen. Mal wieder. Ich streiche ihr tröstend über die Wange, als sie an mir vorbeigeht.

"Ja, lass uns gehen, Schatz."
 

Völlig verblüfft lasse ich zu, dass Barbara mir dieses Bild auf der Hand reißt und wieder an sich nimmt. Mit großen Augen sehe ich sie an, als sie einen Schlussstrich zieht und sich wieder an dich wendet, um wieder in euer trautes Vorstadthäuschen zu verschwinden.

Das war es also?

Erst diese Hiobsbotschaft und dann lässt sie mich einfach eiskalt hier sitzen?

Für wen zum Teufel hält sie sich eigentlich?

Das kann sie doch mit mir nicht machen!

Ihr seid noch gar nicht richtig aus der Tür raus, als ich endlich anfange, wieder eine Regung zu zeigen. Einen kurzen Moment sehe ich die Hand an, die vor wenigen Augenblicken noch das Ultraschallfoto gehalten hat, nur um sie dann zur Faust zu ballen.

Dann springe ich abrupt auf und eile zur Tür, wobei ich Crane ein wenig unsanft zur Seite schubse. Schlitternd komme ich drei Schritte von der Tür entfernt zum Stehen.

"Hey!", rufe ich euch lautstark hinterher. "Du kannst dich jetzt doch nicht so einfach aus der Affäre stehlen! Du schuldest mir eine Erklärung, wieso es überhaupt so weit gekommen ist! Tu gefälligst was dagegen!"

Ich bin mir zwar sicher, dass es Barbara nicht gefallen wird, was ich ihr gerade zugerufen habe, aber sie wusste schließlich, wie ich dazu stehe. Ich habe es damals mehr als ernst gemeint, dass ich keine Kinder will. Ich laufe jetzt schon Gefahr, so zu werden wie mein Vater und so etwas kann ich keinem Kind antun.

Ich hoffe, es hat dir wenigstens Spaß gemacht, dieses kleine soziale Experiment wie ein Marionettenspieler zu steuern.

Bevor ich zu dir vor die Tür trete, reibe ich mir kurz feixend über die Wangen.

Kann man eigentlich Muskelkater im Gesicht bekommen, wenn man eine Stunde lang so krampfhaft versucht, sein Grinsen zu unterdrücken?

Das bringt mich erst recht zum Lachen und ich verkneife mir ein lautes Auflachen. Der Tag heute ist mit Abstand das Highlight meiner Woche. Sogar noch besser als der kleine Zwischenfall mit Oswald.

Ich geselle mich zu dir und bekomme gerade so noch mit, wie die süße, kleine, schwangere Barbara lautstark zu schluchzen anfängt, ehe ihr Vater einen Arm um sie legt und dir einen letzten zornigen Blick über die Schulter zuwirft.

Autsch.

Fraglich, wer in dieser Situation der größte Verlierer ist. Du, Barbara oder gar der arme Commissioner, der eigentlich rein gar nichts für all das kann.

"Du weißt schon, dass du gerade - und verzeih mir die saloppe Wortwahl - gelinde gesagt verschissen hast, oder?", sage ich beinahe freundschaftlich und starre den beiden nachdenklich hinterher. "Du siehst dein Mädchen vielleicht nie wieder."
 

Gordons Blick versetzt mir erneut einen kleinen Stich und plötzlich begreife ich, dass ich wirklich ein riesengroßer Idiot bin. Ich habe gerade Alles aufs Spiel gesetzt und habe auch Alles dabei verloren. Dabei wollte ich doch nie, dass es überhaupt so weit kommt. Und alles nur, weil ich mal wieder mein Ego nicht runterschlucken konnte.

Fast schon mit einem verzweifelten Blick sehe ich Jim und Barbara nach, wie sie die Tür am Ende des Ganges erreichen und alles in mir schreit danach, die Sache irgendwie wieder zu begradigen. Aber ich bekomme kein einziges Wort heraus.

Dass du neben mich trittst, realisiere ich kaum, aber bei deinen Worten lasse ich betrübt den Kopf hängen. Es ist erstaunlich, aber du hast vermutlich recht damit. Ich habe gerade so ziemlich alles versaut, was man versauen kann. Und diese Erkenntnis tut weh.

"Ich will zurück in meine Zelle ...", murmle ich leise mit dünner Stimme.
 

Überrascht blinzle ich dich an. Ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit.

So einfach ist das?

Wenn ich gewusst hätte, dass es das ist, was man benutzen muss, um dich zu brechen, hätte ich die kleine Gordon viel eher dazu gedrängt, dir die Wahrheit zu sagen. Jetzt kommt es auf jeden Fall darauf an, das Ganze klug anzugehen und dich nicht gleich wieder völlig zu verschrecken.

"Ich fürchte, ich kann dich so nicht einfach allein lassen, Edward. In deiner Verfassung ..."

Ich bemühe mich um eine halbwegs neutrale Mimik. Mitleid würdest du mir nicht abkaufen, aber ins Gesicht lachen sollte ich dir jetzt auch nicht unbedingt.

"Gehen wir in mein Büro. Die Situation ist recht kritisch, aber vielleicht kann man noch etwas retten."

Und weil du mir das nie im Leben abkaufst, schiebe ich noch hinterher: "Versteh mich nicht falsch, mir liegt nicht viel daran, deinen Arsch zu retten. Aber ich mag die Kleine irgendwie. Und so gern sie auch so tun will - ich bezweifle, dass es ihr gut tut, jetzt mit dir zu brechen."
 

Müde schüttle ich andeutungsweise den Kopf, während ich die Augen krampfhaft geschlossen halte, um wieder irgendwie Kontrolle über mich zu bekommen.

"Lass es gut sein, Crane", erwidere ich halbherzig und muss mir dabei richtig Mühe geben, um diesen weinerlichen Unterton aus meiner Stimme zu verbannen. "Ich will einfach nur meine Ruhe haben ..."

Ja klar magst du sie. Das tut fast Jeder. Dass ist ja das Problem. Barbara ist hübsch, intelligent und nicht auf den Mund gefallen. Sie hat gewisse Charakterzüge an sich, die sie verdammt attraktiv machen. Und ich Vollidiot tue alles, um sie auf Distanz zu halten und treibe sie damit - gegen meinen Willen - in die Arme von Typen wie Batman oder dir.

Ich seufze lautlos und unwillkürlich drängt sich mir dir Frage auf, wie schwer es hier in Arkham wohl ist, an ein Messer zu kommen. Oder sich in seiner Zelle zu erhängen. Wenn ich mein Leben bisher noch nicht versaut habe - jetzt habe ich es definitiv geschafft.

Erschöpft nehme ich mir die Brille ab und reibe mir kurz über die geschlossenen Augen, um zu verhindern, dass mir jetzt zu allem Übel auch noch die Tränen in die Augen schießen. Leider kann ich nicht verhindern, dass ich kurz schniefe, als ich mein Leben in Scherben vor meinem inneren Auge sehe.
 

"Okay, du gehst definitiv nicht in deine Zelle zurück", murmle ich.

Das wäre ja noch schöner.

Da investiere ich so viel Arbeit in dich und dann bringst du dich um, bevor meine Forschungen mit dir Früchte tragen?

Ganz bestimmt nicht. Wenn du dich unbedingt töten willst, meinetwegen - nachdem ich mit dir fertig bin.

"Gehen wir."

Ich lege dir eine Hand auf dem Rücken, um dich vorwärts zu schieben. Du musst wohl oder übel laufen, wenn du nicht angefasst werden willst.

Deine Verfassung ist höchst interessant. Vielleicht genau die Ausgangssituation, die ich brauche, um ein paar hübsche Dinge über deine seelischen Abgründe zu erfahren, die sich bisher nur erahnen lassen. Ich bin ziemlich gespannt, was sich da finden lässt.

Jetzt heißt es also, eine heimelige Atmosphäre zu schaffen, den verständnisvollen, wenn auch etwas korrupten Arzt zu mimen und dir still und heimlich die wichtigen Informationen zu entlocken, die ich brauche, um endlich voranzukommen.

Deswegen schleppe ich dich tatsächlich in mein Büro und nicht in das Therapiezimmer. Die Brandflecke auf dem Teppich würden dich vielleicht daran erinnern, dass du eigentlich rebellisch sein solltest.

Ich schließe die Tür hinter uns und deute auffordernd auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch.

"Mach es dir doch bitte bequem."
 

Ich bin milde überrascht, dass du dich tatsächlich mal wie ein Psychiater benimmst und wirklich bemerkst, dass du mich besser nicht alleine lässt. Ich weiß nur nicht, ob mir das gefallen soll oder nicht.

Trotzdem leiste ist so gut wie keinen Widerstand und lasse mich wortlos zu deinem Büro führen. Nicht mal deine Hand in meinem Rücken stört mich gerade sonderlich, weswegen ich sie auch nicht abschüttle, obwohl mir deine Nähe ziemlich unangenehm ist.

"Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", protestiere ich schwach, als du die Tür deines Büros schließt.

Normalerweise würde ich mich jetzt interessiert umsehen, was sich hier für Abgründe auftun, da ich ja noch nie in deinen heiligen vier Wänden war, aber nicht mal danach steht mir der Sinn. Viel lieber wäre mir eine volle Flasche Whiskey und eine geladene 9 mm.

Obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, leiste ich deiner Aufforderung folge und lasse mich geknickt auf dem Stuhl nieder. Ich will diese Sache einfach nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen, damit ich dann in aller Ruhe in meiner Zelle Trübsal blasen kann.
 

"Und riskieren, dass sich einer meiner Patienten in seiner Zelle aufknüpft? Nein, das wäre äußerst schlecht für meinen Ruf", sage ich schulterzuckend und mache es mir hinter meinem Schreibtisch bequem.

Ich betrachte das Häufchen Elend, das mir da gegenüber sitzt, eine Weile und krame schließlich den Notizblock hervor, den ich grundsätzlich in meiner obersten Schreibtischschublade aufbewahre. Für den Fall der Fälle.

"Dann legen wir mal los."

Ich schlage eine leere Seite auf und nehme einen Stift zur Hand.

"Glaubst du denn nach wie vor, dass Barbara dich nur hinters Licht führen will oder hast du begriffen, dass es ihr wirklich ernst ist?"
 

"Das kann dir doch egal sein ...", murmle ich leise mit gesenktem Kopf. "Als ob es dich wirklich interessiert ..."

Müde hebe ich langsam den Blick und sehe dich resigniert an. Jetzt kommt also wieder dieser Nummer. Na ganz toll ...

War der Tag heute nicht schon beschissen genug?

Aber nein, du musst natürlich immer noch einen drauf setzen.

Kannst du mich nicht einfach wieder in eine Zwangsjacke stecken und mich mit Beruhigungsmitteln abschießen?

"Ich habe keine Lust, mit dir zu reden. Und am allerwenigsten darüber."
 

"Tja, Edward, das tut mir jetzt herzlich leid, aber ich bin immer noch dein Psychiater. Du warst doch auf so einem guten Weg. Mach die Schotten nicht gleich wieder dicht, das bringt doch überhaupt nichts."

Ich sehe dich eindringlich an.

"Vielleicht kann ich die Sache ja wieder gerade biegen. Wenn du mit ihr nicht offen reden kannst, dann sei doch zu mir ehrlich. Ich könnte zwischen euch vermitteln, immerhin habe ich mit Barbara inzwischen auch einige Gespräche geführt."
 

"Du kannst mich mal ...", erwidere ich niedergeschlagen wende wieder den Blick ab, um den Fußboden anzustarren.

Du bist eindeutig der Letzte, mit dem ich über Barbara reden werde. Da mache ich doch lieber Kaffeeklatsch mit Cobblepot. Oder dem Joker. Mit Jedem, nur nicht mit dir.

"Kann ich dann jetzt zurück in meine Zelle?", frage ich trübselig ohne dich anzusehen. "Bitte ...", füge ich nach wenigen Sekunden hinzu und hoffe, dass du mich endlich erlöst.

Mir geht es emotional gesehen momentan so dermaßen beschissen, dass ich am Ende wirklich noch zu allem ja und Amen sage, was du mir auftischt. Und dass muss ich unbedingt verhindern.
 

Ah, wie rührend. Du wirst also dann höflich, wenn du verzweifelt bist. Das ist ja schon mal gut zu wissen.

Mit einem Seufzen lege ich den Stift beiseite und beuge mich über den Tisch weiter in deine Richtung.

"Aber, Edward. Ich will dir doch nur helfen. Du musst lernen, Hilfe zu akzeptieren. Und das besser, solange du noch kannst, denn bald wird dir vielleicht niemand mehr beistehen wollen."

Ich schüttle bedauernd den Kopf.

"Wie fühlt es sich an, jetzt so allein dazustehen? Streng genommen, bin ich jetzt wohl die engste Bezugsperson, die du noch hast."

Ich kann nicht verhindern, dass sich ein wenig gehässige Befriedigung in meine Stimme schleicht, als ich das sage.
 

"Und wenn schon …", murmle ich leise und weigere mich nach wie vor, dich auch nur ansatzweise anzusehen. "Das ist vollkommen irrelevant. Ich komme seit Jahren damit klar, auf mich allein gestellt zu sein. Also kein großes Drama …"

Mein fast schon an Verzweiflung grenzender Tonfall straft meine Worte natürlich Lügen. Fantastisch … Da kann ich dir doch gleich meine ganze Lebensgeschichte auf dem Silbertablett präsentieren. Denn auch, wenn ich gerne allein bin, kenne ich das nagende Gefühl der Einsamkeit sehr gut.

Wenn ich könnte, würde ich jetzt meine Stirn auf die Tischplatte schlagen. Letztendlich belasse ich es aber dabei, die Beine übereinander zu schlagen, meine Arme mit den Ellbogen auf dem Oberschenkel abzustützen und dann das Gesicht in den Händen zu vergraben.

Da rühme ich mich mit meinem brillanten Verstand und bekomme trotzdem Nichts auf die Reihe. Ein tolles Genie bin ich. Vielleicht sollte man mich nie wieder aus Arkham raus lassen. Dann kann ich wenigstens nicht noch mehr Chaos stiften und Familien zerstören. Es reicht doch zu, dass meine eigene Familie vollkommen desaströs war.

Nach einigen Sekunden des Schweigens, die mir eher wie Minuten vorkommen, drehe ich langsam den Kopf in deine Richtung. Mein hoffnungsloser Blick spiegelt vermutlich sehr deutlich wieder, wie ich mich gerade fühle und spricht dementsprechend Bände.

"Du hast es die ganze Zeit gewusst, richtig? Es würde mich nicht mal wundern, wenn du dass Alles sogar eingefädelt hast."

Ich seufze resigniert.

"Ich hoffe, es hat dir wenigstens Spaß gemacht, dieses kleine soziale Experiment wie ein Marionettenspieler zu steuern."

Der Gedanke, dass ich am Ende – neben dir – die einzige Person bin, die dein mieses kleines Spiel durchschaut hat, lässt mich das Gesicht noch tiefer in den Händen vergraben und frustriert die Haare raufen. Doch vielleicht bilde ich mir diese ganze Verschwörung, die ich um dich herum sehe, doch nur wieder ein. Eigentlich fühle ich mich nicht verrückt und doch werde ich dass beschissene Gefühl nicht los, dass ich genau das bin. Und das ist wirklich zum verrückt werden.
 

"Eingefädelt nicht", sage ich lachend. "Aber ich muss gestehen, dass ich die Ereignisse doch ziemlich begrüße. Einer dieser typischen »Ich hab's dir ja gesagt«-Momente. Und Edward ..."

Ich grinse dich breit an.

"Ich hab's dir ja gesagt. Das musst du schon zugeben. Ich habe dir immer vermittelt, dass Barbaras Informationen überaus brisant sind und du hättest gut daran getan, dich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Hast du aber nicht."

Mit einem bedauernden Schulterzucken erhebe ich mich und komme auf deine Seite des Schreibtisches, wo ich mich zufrieden an die Kante lehne und auf dich herabblicke.

Köstlich, wie unterlegen du gerade bist. Und diesmal muss ich nicht mal lügen - immerhin habe ich dir wirklich mehrfach zu verstehen gegeben, dass die Neuigkeiten der Kleinen von höchster Dringlichkeit sind und demnach nicht von dir ignoriert werden sollten.

"Aber wenn du es genau wissen willst: Ja, ich habe durchaus meinen Spaß an diesem - und ich zitiere - sozialen Experiment."
 

"Ja ja ...", erwidere ich deprimiert und habe wirklich Lust, meinen Kummer in Alkohol zu ertränken.

Wie es mein alter Herr immer gemacht hat. Ich kann es mittlerweile nicht mehr leugnen, dass ich ihm jedes Jahr ein bisschen ähnlicher werde. Am Ende war es sogar ganz gut, dass ich Alles so versaut habe.

"Du hast Alles gewusst und ich nichts. Mach dir ein Kreuz im Kalender ..."

Als du dich an den Schreibtisch lehnst, hebe ich wieder den Kopf an und sehe mit leerem Blick zu dir.

"Hattest du dann genug Spaß für heute und kann ich jetzt endlich zurück in meine Zelle?"

Sag, Edward ... Möchtest du mal meine Maske sehen?

"Ein Kreuz? Wozu das. Ist doch ohnehin der Normalzustand zwischen uns."

Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, in der Wunde zu bohren. Du siehst so herrlich am Boden zerstört aus, dass ich gar nicht anders kann, als noch weiter zuzutreten. Immerhin hast du mir die vergangenen Wochen ganz schön zugesetzt. Da wird es ja wohl erlaubt sein, sich endlich eine Entlohnung dafür abzuholen.

"Weißt du Edward, das Alles würde so viel einfacher sein, wenn du Einsicht zeigen und einfach tun würdest, was ich sage. Aber das machst du natürlich nicht, was nicht verwunderlich ist."

Ich lege den Kopf schief und mache eine Kunstpause, als würde ich über etwas nachdenken.

"Vielleicht ist es ganz falsch Mitleid mit dir zu haben wegen deiner ach so schrecklichen Vergangenheit. Das ist nichts, was andere Leute nicht genauso erlebt haben. Ein Drittel der Irren in dieser Anstalt hat Schlimmeres durchgemacht als du."

Ich drücke mich von meinem Schreibtisch ab und beginne, hinter dir auf und ab zu schlendern.

"Nein, vielleicht gibt es ja gute Gründe, dass du durchgemacht hast, was du eben durchgemacht hast."

Meine Augen fixieren deinen Hinterkopf.

"Wenn du bei deinem Vater auch so eine nervtötende Plage warst wie mir gegenüber, kann ich den Mann sogar sehr gut verstehen."
 

Egal, wie fertig ich auch gerade bin, dein arrogantes Getue lässt mich unwillkürlich genervt mit den Augen rollen.

Du hältst dich mal wieder für ganz toll, was?

Gott, du bist so ein verlogener, scheinheiliger Mistkerl, dass es schon jeder Beschreibung spottet. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen und gehen. Mehr als mir die Wachleute auf den Hals hetzen, mich in eine Zwangsjacke stecken und mich mit Beruhigungsmittel vollpumpen kannst du ja eh nicht machen.

"Warum sollte ich denn auf das hören, was du den lieben langen Tag von dir gibst? Da kommt doch eh nur heiße Luft raus ...", murmle ich und meine Stimme bekommt langsam aber sicher einen zornigen Unterton.

Natürlich ist mir klar, dass du dass alles nur sagst, um mich wütend zu machen, allerdings habe ich nicht vor, bei diesem Spiel mitzumachen.

"Mein Vater kann dir genauso egal sein, wie er es mir ist. Und du brauchst dir gar nicht erst einzubilden, dass du dir anmaßen kannst, irgendwas über das Verhältnis zwischen ihm und mir zu wissen."

Mittlerweile kannst du den gereizten Unterton sicher besser heraus hören, was nicht gerade gut ist. So wie ich dich kenne, wirst du weiterhin fröhlich in der Wunde bohren, bis ich wirklich wieder ausraste - was heute vermutlich ziemlich einfach für dich sein sollte.
 

Dein zorniger Unterton ist Musik in meinen Ohren. Ich lache leise auf, damit du auch ja hörst, wie wenig es mich kümmert, was du sagst.

"Es ist ja beinahe niedlich, wie du immer darauf bestehst, dass meine Worte dir egal sind, wenn du nicht mehr weiter weißt. Aber willst du wissen, was ich glaube?"

Ich trete hinter deinen Stuhl und stütze mich auf der Lehne ab, sodass ich mich nach unten zu deinem Ohr beugen kann.

"Ich persönlich denke ja, dass ich inzwischen ziemlich gut darin bin, dir den Spiegel vorzuhalten. Und das gefällt dir natürlich überhaupt nicht, weil du lieber weiter in dem Glauben wärst, du seist ein unantastbares Genie."

Lachend richte ich mich wieder auf.

"Da muss ich dich leider enttäuschen, Eddie."

Den Spitznamen, den dein Herzblatt für dich verwendet, benutze ich ganz bewusst.

"Du bist nur irgendein krimineller Emporkömmling einer minderwertigen Familie. Und nicht mal darin bist du sonderlich gut. Du schaffst es einfach nicht, dir deine Weichen richtig zu stellen. Sieh dir zum Beispiel den guten Oswald an. Der Vogel ist intelligent genug, gesittet zu verhandeln und sich zu benehmen. In ein, zwei Monaten wird er draußen sein. Du hingegen bist blöd genug, dass du vielleicht für immer hier bleibst."
 

Eigentlich habe ich mir ja vorgenommen, mich nicht wieder von dir provozieren zu lassen, aber sehr zu meinem Leidwesen hast du leider recht damit, dass mich deine Worte nicht kalt lassen.

Ich versuche zwar, die Fassade zu wahren, aber bei dem, was du sagst, merke ich, wie der Zorn langsam anfängt zu brodeln. Und obwohl ich weiß, dass du dass Alles mit Absicht und aus purem sadistischen Vergnügen sagst, kann ich gar nicht anders, als wütend die Hände zu Fäusten zu ballen.

Schon alleine, dass du dich tatsächlich erdreistest, mich bei meinem Spitznamen zu nennen, macht mich aggressiv. Cobblepot hat, weil er sich dasselbe bei mir erlaubt hat, schon die Quittung dafür bekommen.

Und ich habe ziemlich wenig Skrupel, dir ebenfalls irgendwas zu brechen, wenn es unbedingt sein muss. Mir ist es nämlich scheißegal, ob du Arzt, Psychiater oder sonst was bist. Und du legst es ja anscheinend drauf an, dass ich mal richtig ausraste. Denn dass, was du bisher von mir gesehen hast, war noch harmlos.

"Ich bin gut ...", presste ich leise zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus.

Ich darf jetzt nicht ausrasten.

Ich darf dir nicht diese Genugtuung geben.

"Und ich bin mit Sicherheit intelligenter als du und Cobblepot zusammen."
 

"Oh, Edward, ernsthaft. Dein arrogantes Gedröhne geht mir allmählich wirklich auf den Senkel", seufze ich genervt. "Immer dasselbe Spiel. Du bist so überragend und alle anderen stehen unter dir. Lass dir eines gesagt sein. Du magst dir vielleicht einbilden, dass du besser bist als alle anderen. Und hey - womöglich hast du in Bezug auf die meisten Menschen sogar Recht damit. Aber glaub mir, auf mich trifft das keinesfalls zu. Um es mit deinen Worten auszudrücken: Ich bin ebenfalls gut. Und im Moment habe ich dir so viel voraus, dass du besser die Klappe hältst, wenn du dich nicht lächerlich machen willst."

Ich muss gestehen, dass mir dieser kleine Monolog nicht so viel Freude bereitet, wie die vorangegangenen Sticheleien. Die Auseinandersetzungen mit dir sind ermüdend und ich sehne mich danach, deinen Geist endlich vollends zu brechen. Dass du immer wieder auf deiner Großartigkeit beharren musst und keinen Sinn dafür zu haben scheinst, dir einzugestehen, was für ein würdiger Gegner ich bin, wurmt mich.
 

"Pah!", erwidere ich selbstgefällig mit einer Spur Aggressivität. "Du kannst nicht mehr, als große Reden schwingen. Alles nur heiße Luft. Du sagst viel, wenn der Tag lang ist, aber letztendlich steckt Nichts dahinter. Du bist nur ein aufgeblasenes, wichtigtuerisches Arschloch, dass sich was drauf einbildet, der Oberbefehlshaber von einem Haufen Bekloppter zu sein. Aber wirklich was geleistet hast du nicht. Und das wirst du auch nicht, denn dazu bist du definitiv nicht gut genug."

Zum ersten Mal, seit du hinter mich getreten bist, drehe ich dir den Kopf zu und sehe dich an.

Ja, der Hass auf dich ist definitiv wieder da. Aber ich werde ihm nicht freien Lauf lassen. Das hättest du nur gerne, weil du mich dann wieder in diese Zwangsjacke stecken kannst. Aber dieses Vergnügen werde ich dir nicht gönnen.

Ich werde dich heute in Grund und Boden reden, dass du es dir in Zukunft dreimal überlegen wirst, mich zu reizen.
 

"Das ist ja wohl -"

Wütend mache ich einen Schritt auf dich zu, halte mich aber rechtzeitig zurück. Scheinbar habe ich dich aus deinem emotionalen Tiefpunkt geholt und du bist wieder zum Normalzustand zurückgekehrt.

Na super.

Nicht unbedingt das, was ich wollte.

Um nicht die Fassung zu verlieren, drehe ich mich zornig um und versuche, mich zu sammeln. Ich werde jetzt sicher nicht die Zügel aus der Hand geben. Gerade noch hast du hier eindeutig auf dem verlorenen Posten gestanden und ich habe vor, das auch beizubehalten.

Mein Blick fällt auf den Schrank mir gegenüber und ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es mir nicht sofort in den Fingern juckt. Ganz automatisch gleitet meine Hand in die Hosentasche und ich bekomme mein Schlüsselbund zu fassen. Ich könnte ganz einfach meine geliebte Maske herausholen und dir zeigen, wer hier die Oberhand hat.

Ich atme tief durch.

"Du bist eine arrogante kleine Ratte. Kein Wunder, dass Barbara mit dir kein Kind großziehen will", sage ich in der Hoffnung, dich irgendwie noch einmal zu treffen und mich so selbst davon abzuhalten, jetzt mit der Tür ins Haus zu fallen.

Ich habe bereits so viel Arbeit darin investiert, dich erst genauer zu ergründen, bevor ich dich zu meinem Versuchskaninchen mache. Es wäre gewissermaßen Pfuscherei, wenn ich jetzt die Dinge überstürze. Trotzdem ist das Verlangen, auf einen Schlag deine tiefsten Ängste offenzulegen, gerade beinahe unerträglich.
 

"Arroganz ist nur die logische Konsequenz des Wissens, dass man besser ist als der Rest", erwidere ich spöttisch und genieße es sichtlich, dass du jetzt in der Position bist, die Nerven zu verlieren. "Von daher, ja, ich bin arrogant. Und ich bin es sogar gerne. Und deine Reaktion auf das Wissen, dass ich besser bin als du, ist wirklich sehr erheiternd. Vielleicht solltest du dir den Spruch »Es ist besser, Intelligenz zu haben, wenn man sie nicht braucht, als sie zu brauchen, wenn man sie nicht hat« mal zu Herzen nehmen. Dann würdest du vielleicht wirklich mal was leisten."

Langsam stehe ich von dem Stuhl vor deinem Schreibtisch auf und schlendere betont lässig ein paar Schritte auf und ab.

"Von mir aus kann Barbara tun und lassen, was sie will, solange sie mich damit in Ruhe lässt. Aber wenn es dich so sehr bewegt, solltest du dich vielleicht um ihre Gunst bemühen."
 

Dein kleiner Vortrag über meine mangelnde Intelligenz lässt mich die Faust um meinen Schlüssel ballen. Unweigerlich mache ich ein paar Schritte auf meinen Schrank zu, sodass ich schließlich die freie Hand auf die Tür legen kann.

Zur Beruhigung, rede ich mir ein. Nicht, weil ich wirklich die Maske rausholen will.

"Ihre Gunst habe ich schon", sage ich düster und werfe dir einen Blick über die Schulter zu, während ich den Schlüssel aus der Tasche ziehe, obwohl ich doch eigentlich gar nichts aufschließen will. "Und das macht dich eifersüchtig, nicht wahr? Ich kann dir deine Freiheit wegnehmen. Alle deine Privilegien, die du hier drinnen noch hast. Und wenn ich wollte, könnte ich sie dir auch wegnehmen. Ach, was rede ich denn? Das habe ich doch im Grunde schon. Wahrscheinlich traut sie mir inzwischen mehr als dir."

Als wollte ich meinen Worten dadurch mehr Ausdruck verleihen, wandert der Schlüssel ins Schloss, noch bevor ich ausgeredet habe.
 

Wenn diese blöden Handschellen nicht wären, würde ich jetzt selbstgefällig die Arme vor dem Oberkörper verschränken. Da sie aber da sind, kann ich mich nur mit einem spöttischen Grinsen an deinen Schreibtisch lehnen.

"Dann solltest du vielleicht wissen, dass du nicht so weit oben in ihrer Gunst stehst, wie du denkst. Da gibt es nämlich eine Person, die ihr wichtiger ist, als alles andere."

Ja, ich habe nicht vergessen, wie sehr Barbara auf diese fliegende Ratte steht. Da hat sie sich auf jeden Fall einen tollen Kandidaten ausgesucht. Soll sie doch mit ihm einen auf glückliche Familie machen. Jim wird begeistert sein.

Misstrauisch lege ich den Kopf schief, als an dem Schrank herum fummelst.

Was kommt denn jetzt?

Hast du einen Taser da drin?

Oder deine Psycho-Drogen?

Aber egal, was es ist, es wird dir nicht viel helfen.

"So etwas wie Eifersucht ist mir vollkommen fremd. Eifersucht entsteht schließlich nur aus der Angst, eine geliebte Person zu verlieren und ersetzt zu werden. Und ich habe nichts mehr zu verlieren. Also habe ich auch keine Angst davor. Und ich persönlich wäre sogar froh, wenn sie mir nicht über den Weg traut. Und früher oder später wird sie kapieren, dass sie dir ebenfalls nicht vertrauen kann."
 

"So so. Eine Person, die wichtiger ist, als alles andere ...", murmle ich und das ist die ausschlaggebende Aussage von dir, die mich dazu bringt, den Schlüssel tatsächlich zu drehen und die Schranktür zu öffnen. "Das klingt fast so, als würdest du nicht zwangsweise von Commissioner Gordon sprechen. Aber egal."

Zähneknirschend taste ich nach dem Stoff meiner Maske und spüre sofort bei der Berührung, dass ich etwas ruhiger werde.

"Wirst du mir wahrscheinlich bald erzählen."

Aber darum geht es erstmal nicht. Im Moment geht es darum, dich für dein inakzeptables Verhalten zu bestrafen. Auf die schönste Weise, die ich mir vorstellen kann.

Ich ziehe die Maske heraus und halte sie versonnen in der Hand, schirme sie aber durch meinen Körper von dir ab. Beinahe lasse ich mich hinreißen, den Stoff zu streicheln, aber ich zügle meine Sentimentalität. Es ist eine Weile her, seit ich sie das letzte Mal rausgeholt habe.

"Du kennst keine Eifersucht ... Dann wird es dich freuen zu hören, dass ich dir das Gefühl zeigen kann. Du fürchtest dich doch sicher davor, etwas, das du nicht haben kannst, so sehnsüchtig zu begehren, dass es wehtut, oder? Gerade so ein eigenbrödlerischer Kerl wie du dürfte sich schwer tun mit solchen Gefühlen ..."

Lächelnd greife ich nach dem zweiten Utensil, dass ich benötige. Meinem Toxin. Ich lasse es rasch im Ärmel meines Kittels verschwinden, bevor du sehen kannst, was ich aus dem Schrank hole.

"Sag, Edward?", trällere ich mit zuckersüßer Stimme. "Möchtest du mal meine Maske sehen?"

Wen siehst du, Edward? Mommy? Daddy? Jede Wette, dass es Daddy ist ...

Grinsend beobachte ich, wie an diesem Schrank stehst. Würde mich mal interessieren, was so faszinierend daran ist.

"Ich werde dir gar nichts erzählen. Mag sein, dass diese linke Nummer bei den Anderen funktioniert, aber bei mir wirst du dir was Besseres einfallen lassen müssen."

Irgendwie gefällt es mir nicht, wie du da stehst und fast wie in Trance wirkst.

Was ist in dem blöden Schrank, was dich jetzt so – na ja – fast schon siegessicher macht?

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nichts Gutes und schon gar nichts Legales sein kann. Leider stehst du so ungünstig, dass ich von meiner Position aus nicht sehen kann, was du rausholst – auch wenn ich den Kopf schief lege.

"Haben wir etwa schon Halloween? Oder willst du herausfinden, ob ich Angst von Clowns habe?", sage ich selbstsicher und fange dann an, zu lachen.

Irgendwie ist es schon ziemlich komisch, wie du immer noch denkst, am längeren Hebel zu sitzen.

"Ernsthaft, Johnny …"

Ich benutze diesen Spitznamen, von dem ich weiß, dass du ihn hasst, mit voller Absicht, um dich zu reizen.

"Du brauchst einen Psychiater eindeutig nötiger als ich."
 

Verzückt drehe ich die Maske in meinen Händen.

"Ich weiß nicht. Wenn du wirklich Angst vor Clowns hast, werden wir das gleich erfahren. Wobei ich bezweifle, dass du dann freiwillig den Joker hier herholen würdest."

Noch immer mit dem Rücken zu dir setze ich langsam die Maske auf und lasse mir Zeit, sie zurechtzuzupfen. Das ist ein besonderer Moment. Natürlich soll da alles richtig sitzen, man muss sich ja entsprechend präsentieren. Erst als ich zufrieden bin, wende ich mich gemächlich zu dir um und sehe dich durch die Maske hindurch an. Du kannst es jetzt zwar nicht mehr erkennen, aber ich grinse breit.

"Das ist das schöne an dieser Anstalt. Irgendwie sind wir doch alle gleich, was?"

Ich lache dunkel.

"Jeder hier hat so seine Abgründe, die er mit sich herum trägt. Warum sollten du oder ich da anders sein? Lass uns doch ein paar Aspekte unserer seelischen Abgründe miteinander teilen, was meinst du?"

Ich mache ein paar lange Schritte auf dich zu und lasse das Fläschchen mit meinem Toxin so in meine Hand rutschen, dass ich den Zeigefinger auf den Sprühkopf legen kann.

"Ich habe wie du siehst eine gewisse Affinität für Vogelscheuchen."

Ohne Vorwarnung reiße ich den Arm nach oben und sprühe dir eine Dosis ins Gesicht, wobei ich mich allerdings zurückhalte. Noch weiß ich nicht, wie viel du verträgst und es wäre unschön, wenn du gleich aus den Latschen kippst.

"Du bist dran, Edward."
 

Im ersten Moment, als du dich zu mir umdrehst, sehe ich dich reichlich perplex an, doch schon nach wenigen Sekunden fangen meine Mundwinkel an zu zucken, ehe ich in schallendes Gelächter ausbreche. Ich habe ja mit Vielem gerechnet, aber nicht mit so einer unglaublich dämlichen Verkleidung. Damit hast du definitiv den Vogel abgeschossen, was umso komischer ist, da du dir einen alten, lumpigen Kartoffelsack über den Kopf gezogen hast und Einen auf Vogelscheuche machst.

Während du irgendwelchen Mist über Abgründe erzählst, nehme ich mir meine Brille ab, lege sie hinter mich auf deinen Schreibtisch und wische mir eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Wirklich, eine klasse Show, Jonathan. Ich habe mich lange nicht mehr so gut amüsiert. Auch, als du langsam auf mich zu kommst, kann ich mich kaum beruhigen.

Doch als du dann plötzlich den Arm hochreißt und mir irgendwas ins Gesicht sprühst, verebbt mein Lachen von eine Sekunde auf die andere und ich reiße entsetzt die Augen auf. Was auch immer das für ein Zeug war, es bewirkt bei mir, dass ich erschrocken nach Luft schnappe. Ich starre dich mit großen Augen an und muss mit Bestürzung feststellen, dass deine Konturen anfangen zu verschwimmen und sich irgendwas, was verdächtig nach blutroten Schlangen aussieht, aus den Öffnungen der Maske schlängelt.

Da ich mich durch die Handschellen nicht nach hinten auf den Schreibtisch lehnen kann, um mich darauf abzustützen, rutsche ich langsam daran herunter, während ich nicht damit aufhören kann, dich anzustarren. Ich will gar nicht wissen, wie hoch mein Puls ist, aber mein Herz rast.

"Das ist nicht real ...", murmle ich apathisch, als ob ich mir selber Mut zusprechen will.
 

Dass deine erste Reaktion ist, mich auszulachen, macht mich ungeheuer wütend.

Wie kannst du es dir eigentlich wagen?

Meinetwegen, als Jonathan Crane bin ich es durchaus gewöhnt, dass die Leute lachen. Das habe ich in der Vergangenheit zur Genüge ertragen müssen und man kann wahrscheinlich sagen, dass es meinen Charakter maßgeblich geprägt hat.

Aber niemand wagt es, über Scarecrow zu lachen - nicht mal ein vorlauter Mistkerl wie du.

Als du jedoch das Toxin abbekommst, kriege ich endlich die Reaktion, die ich mir erhofft habe. Es ist Balsam für die Seele, dein verschrecktes Gesicht zu sehen.

"Nicht real?", wiederhole ich lachend. "Warum hast du dann solche Angst? Komm schon, Edward. Was siehst du, hm?"

Ich beuge mich so tief zu dir nach unten, dass der Stoff meiner Maske beinahe deine Nasenspitze berührt.

"Sag mir, was du siehst!"
 

Ich stehe wirklich kurz vor einer Panikattacke und bekomme deine Worte nur am Rande mit. Ich bin viel zu sehr darauf fixiert, dich fast schon panisch anzustarren.

Und als du dich zu mir runter beugst, kann ich gar nicht anders, als mich so weit zurück zu lehnen, wie es irgendwie geht. Dabei stoße ich natürlich ziemlich heftig mit dem Hinterkopf an den Schreibtisch, aber dass stört mich gerade nicht einmal, solange ich ein paar zusätzlich Millimeter zwischen uns bringen kann.

Krampfhaft kneife ich die Augen zusammen und konzentriere mich darauf, irgendwie meinen hektischen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Was ist das hier nur für eine Freakshow?

Das kann unmöglich wirklich real sein. Nie im Leben! Eigentlich weiß ich ja, dass es absolut unmöglich ist, was ich da gerade gesehen habe, und trotzdem sagt mir eine ziemlich laute Stimme in meinem Kopf, dass ich das nicht einfach so ignorieren kann.

Ich weiß nicht, ob man es wirklich Angst nennen kann, aber es jagt mir auf jeden Fall einen ordentlichen Schrecken ein. Und dass liegt sicher nicht an diesem hässlichen Kartoffelsack. Es muss das Zeug sein, mit dem du mich besprüht hast. Ganz sicher.

Vorsichtig öffne ich wieder die Augen, und auch wenn meine Atemfrequenz und mein Puls jenseits von Gut und Böse sind, kann ich mich davon abhalten, wieder erschrocken nach Luft zu schnappen.

"Nicht real ...", murmle ich erneut und versuche krampfhaft, mein Gehirn davon zu überzeugen, dass ich mir das gerade alles nur einbilde.
 

"Fühlt sich aber doch ziemlich real an, oder Eddie?", säusle ich und packe dich am Kragen, um dich mit einigem Kraftaufwand nach oben zu zerren und zurück auf deinen Stuhl zu stoßen.

Wenn das nicht der perfekte Moment für ein kleines, aber feines Gespräch von Arzt zu Patient ist.

"Komm schon Edward", flüstere ich feixend und lege neugierig den Kopf schief. "Sag mir was du siehst. Sag mir, wovor du Angst hast. Spinnen? Batman? Davor, völlig zu versagen?"

Ich lache gehässig auf.

"Vielleicht davor, den Überblick zu verlieren, was real ist und was nicht?"

Es bereitet mir wirklich ungemeine Freude, dich so schockiert zu sehen. Klar, ich habe dich noch lange nicht an dem Punkt, an dem du vor Panik wimmerst, aber man sollte ja auch nicht gleich übertreiben. Da kommen wir schon noch hin. Wenn das hier vorbei ist, wirst du zumindest eine ungefähre Vorstellung haben, was ich mit dir anfangen kann - und schon allein zu wissen, dass du in der ständigen Befürchtung, wir würden diese Sitzung wiederholen, weiter in deiner Zelle hocken musst, wärmt mir das Herz.

"Was rede ich eigentlich. Das tust du ja gerade schon."
 

Völlig widerstandslos lasse ich mich von dir wieder auf den Stuhl verfrachten und merke dabei, dass ich wie Espenlaub zittere.

Gott, warum kann ich nur nicht damit aufhören, dich so panisch anzustarren?

Ich muss damit aufhören.

Vielleicht hören diese seltsamen Halluzinationen ja auf, wenn ich sie komplett ausblende?

Deswegen kneife ich wieder die Augen zusammen und sage mir dabei gedanklich immer wieder, dass das Alles nicht real ist. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dabei sogar die Lippen bewege, aber es fühlt sich zumindest so an.

Doch kann ich meinem Gefühl überhaupt noch vertrauen, nachdem was ich in den letzten Minuten hier gesehen habe?

Als ich die Augen wieder vorsichtig öffne, sehe ich immer noch diese furchtbare Fratze vor mir, die mich hämisch angrinst und irgendwie eine nur schwer zu ignorierende Ähnlichkeit mit meinem alten Herrn hat. Alleine das lässt mich wieder nach Luft schnappen. Dabei ist dieser Mistkerl doch schon längst Futter für die Würmer.

"Du bist tot ...", flüstere ich atemlos und kann meinen Sinnen nicht mehr trauen. "Du bist nicht wirklich hier ..."
 

Es ist wirklich süß, wie du versuchst, die Fassung wieder zu erlangen.

Bei deinen Worten werde ich natürlich sofort hellhörig.

Tot?

Nicht wirklich hier?

Ich lache verzückt auf und klatsche begeistert in die Hände.

"Wer ist es, hm? Wen siehst du, Edward? Mommy? Daddy? Jede Wette, dass es Daddy ist ..."

Ich lege den Kopf in den Nacken und breche in schallendes Gelächter aus. Es fühlt sich unglaublich befreiend an, endlich wieder ein Versuchskaninchen für meine Experimente zu haben.

"Hast du immer noch solche Angst vor deinem Vater? Weil er dich so schrecklich misshandelt hat?"

Begleitend zu den Worten verpasse ich dir eine Kopfnuss, die nicht mal sonderlich heftig ist. Aber mein Toxin wird sein übriges tun.

"Der arme kleine Eddie kann sich wohl einfach nicht von den Dämonen seiner Vergangenheit lösen ..."
 

Es ist wirklich beängstigend, wie real diese Halluzination ist. Obwohl ich mir immer weniger sicher bin, dass es wirklich nur eine Halluzination ist.

Es wirkt so wirklich, dass ich mich prompt in meine Kindheit zurück versetzt fühle. Dieses hämische Lachen und die Kopfnuss tun ihr Übriges dazu, dass ich panisch die Augen aufreiße und mich unwillkürlich versuche, so klein wie möglich zu machen.

Gott, hört es denn nie auf, dass ich mich so minderwertig fühle?

Ich habe immerhin einen hervorragenden Schulabschluss und habe an einer Elite-Uni studiert. Eigentlich müsste ich doch mittlerweile sehr viel selbstsicherer sein.

"Verschwinde ...", murmle ich leise und nicht halb so selbstsicher, wie ich eigentlich auftreten sollte. "Du bist nicht real. Du kannst mir nichts tun ..."
 

"Ach, nein?", höhne ich und habe richtigen Spaß daran, dich leiden zu lassen. "Was weißt du schon, Edward? Du hast doch von nichts eine Ahnung. Du bist ein Nichtsnutz. Sitzt hier in deiner Anstalt, aber bekommst nicht mal mit professioneller Hilfe dein Leben auf die Reihe."

Ich beuge mich tiefer zu dir und raune dir mit diebischer Genugtuung ins Ohr: "Du bist eine einzige Enttäuschung."
 

Alles in mir schreit danach, panisch aufzuspringen und so weit wie möglich von dir weg zu kommen. Doch sehr zu meinem Leidwesen kann ich gar nicht anders, als dich einfach nur völlig apathisch mit weit aufgerissenen Augen anzustarren.

Diese Worte ... Genau diese Worte haben mich meine ganze Kindheit lang begleitet. Worte meines Vaters, die sich tief eingebrannt haben.

Aber du kannst nicht er sein. Das ist völlig unmöglich. Ich habe ihn sterben sehen. Und es ist noch gar nicht so lange her, dass mir von Jim Gordon sein Tod mitgeteilt wurde. Und trotzdem sehe ich ihn vor mir ...

Wie ein Kind halte ich mir die Ohren zu - was mit den Handschellen gar nicht so einfach ist - und versuche so, deine Worte auszublenden. Gleichzeitig kneife ich die Augen zu und schüttle langsam den Kopf.

"Nein ...", flüstere ich, um mir selbst Mut zu machen und wiederhole diese eine Wort immer und immer wieder wie ein Mantra.
 

Jeder andere Mensch hätte jetzt vielleicht Mitleid mit dem kümmerlichen Häufchen Elend vor ihm. Ich nicht. Wenn das bedeutet, dass ich nicht normal bin, ist mir das meinetwegen auch recht. Wichtig ist, dass ich hier endlich mal handfeste Erkenntnisse über dich gewinne.

Du hast nach wie vor unglaubliche Angst vor deinem Vater, obwohl der inzwischen tot ist. Das lässt sich doch sicher perfekt gegen dich verwenden.

"Aber Edward - Daddy ist tot", flüstere ich. "Wie fühlt sich das an, hm? Befreiend? Bist du erleichtert? Hast es ihm gewünscht? Machst du dir Gedanken, weil du dir deswegen grausam vorkommst? Was für ein Mensch würde schon seinem eigenen Vater den Tod wünschen ..."

In einer abwertenden Geste schüttle ich den Kopf.

"Wie man es auch dreht und wendet - du bist und bleibst ein gemeiner Kerl. Wer will schon mit dir etwas zu tun haben? Kann ich nicht behaupten. Dein Vater ist gestorben und erst dann konntest du dich von ihm befreien. Soll Barbara deswegen das Kind abtreiben? Weil du anders nicht mit solchen Problemen zurechtkommst?"

Das, mein lieber Edward, waren die hintersten Winkel deiner verdorbenen, kümmerlichen Seele.

"Du bist tot ...", hauche ich atemlos, als ich dich wieder fast schon schüchtern ansehe und kann dabei den ängstlichen Unterton nicht aus meiner dünnen Stimme verbannen. "Ich habe dich sterben sehen ..."

Ich zittere immer noch stark, während ich langsam die Hände sinken lasse und dabei wie in Zeitlupe den Kopf schüttle.

"Du bist nicht wirklich hier ..."

Ich muss zwar hart schlucken, aber langsam finde ich den Mut, um stärker zu sein als die Angst vor dir.

"Es ist gut, dass du tot bist ... Du hast den Tod verdient ...", versuche ich mir einzureden.

Ich muss tief Luft holen, um die Courage zu finden, weiter zu sprechen.

"Barbara kann dieses Kind nicht bekommen ... Das geht einfach nicht ...", flüstere ich abwesend und sehe vor meinem inneren Auge meine Kindheit Revue passieren. "Nicht mit mir ... Ich kann das nicht ... Ich -"

- muss abbrechen, als ich mich selbst in der Rolle meines Vaters sehe.
 

Dass du den Tod deines Vaters als Erleichterung ansiehst, wundert mich nicht einmal. Das ist sogar ein ganz typisches Phänomen. Hier in der Anstalt gibt es einige Kandidaten, die ihre Peiniger sogar selbst umgebracht haben.

Ein bisschen stutzig werde ich bei dieser Überlegung, dann schleicht sich ein wissendes Lächeln auf mein Gesicht.

Aha.

Könnte es also sein, dass du nicht unschuldig am Tod deines Vaters bist?

"Hast du Daddy ermordet, Edward? Was für ein ungehorsamer Sohn. So eine derbe Enttäuschung. Eine Schande. Mommy hat doch keinen Mörder großgezogen."

Wie rührend, dass du dir solche Gedanken über Barbara und das Kind machst.

"Also lieber abtreiben? Du machst es dir ziemlich einfach. Barbara hat dir einiges voraus. Das Mädchen ist stark und stellt sich ihren Herausforderungen. Und du? Du rennst einfach davon. Gar nicht löblich ..."

Eigentlich ist es nicht mal verwerflich, dass du das Kind vor dir selbst schützen willst. Wobei sogar ich weiß, dass die Art, auf die du das Mädchen abgefertigt hast, alles andere als richtig war. Das arme Ding war am Boden zerstört.
 

"Ich habe nur dafür gesorgt, dass du niemanden mehr etwas antun kannst ...", murmle ich leise.

Ich sehe dich zwar an, aber wirklich sehen kann ich dich nicht. Es ist viel mehr so, dass ich durch dich hindurch starre.

"Ich musste es tun, bevor ..."

Ich breche ab, als sich meine wirren Gedanken selbstständig machen. Der Gedanke, dass Barbara wieder in ihr Kostüm schlüpft, um wieder diesem versifften Appartement einen Besuch abzustatten ...

"Es ist besser, wenn sie es tut ..."

Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.

"Ich ..."

Abrupt senke ich den Kopf, kneife die Augen zusammen und beiße fest die Kiefer aufeinander. Doch damit kann ich nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen schießen.

Eigentlich will ich doch gar nicht, dass Barbara wirklich abtreibt. Ich hätte ihr das nie an Kopf werfen dürfen. Ich bin ja so ein Vollidiot ...
 

"Bevor du dir in die Hose machst, weil du solche Angst vor Daddy hast?", beende ich deinen Satz hilfsbereit.

Tatsächlich, du hast deinen Vater umgebracht. Na sowas, wenn das der Commissioner wüsste ...

Ob die kleine Gordon es weiß?

Wundern würde es mich nicht mal. Zumindest vermuten dürfte sie es, denn sie scheint dich recht gut zu kennen.

Allerdings hast du Glück im Unglück, denn ich werde diese Information für mich behalten - zumindest vorerst. Bis ich sie gut einsetzen kann. Als Druckmittel zum Beispiel.

Deine Tränen lassen mich verdutzt blinzeln und dann amüsiert kichern. Und da habe ich gedacht, du würdest dich ein wenig fangen.

"Das ist doch nicht dein Ernst, oder?", spotte ich. "Der große tolle Riddler ist also nichts weiter als eine heulende Memme. Nicht zu fassen. Du Waschlappen rühmst dich, besser zu sein als ich?"

Ich lache schallend.

"Also wirklich. Brauchst du deinen Teddybären? Oder wahlweise einen Nuckel und ein Schlaflied zur Beruhigung?"
 

Verzweifelt schlage ich mir die Hände vor's Gesicht und kann ein leises Aufschluchzen nicht verhindern. Deine Worte treffen mich heftig und versetzen mir einen schmerzhaften Stich.

Unglaublich, wie sehr es mir immer noch zu Herzen geht, wenn ich mit meinem Vater konfrontiert werde. Dabei dachte ich eigentlich, dass ich mich mittlerweile sehr viel besser im Griff habe. Aber Pustekuchen. Diese Halluzination zeigt mir mehr als deutlich, dass mein Selbstwertgefühl immer noch stark mit ihm verknüpft ist.

Ich fühle mich gerade so klein, unbedeutend, schwach und gedemütigt, dass ich mich am liebsten irgendwo in einer dunklen Ecke verkriechen möchte. So weit weg, wie es irgendwie geht. Nur weg, von dieser seltsamen Erscheinung, von der ich immer noch nicht weiß, ob es wirklich real ist oder nicht. Aber fest steht, dass es mir ungeheuer nahe geht.
 

Als du das Gesicht in den Händen vergräbst, macht sich in mir erst recht Zufriedenheit breit. Wie gerne würde ich dich noch ein bisschen mehr quälen ... Aber ich brauche dich bedauerlicherweise noch, also ist es keine Option, deine Psyche schon jetzt vollständig zu zerrütten.

Mit einem leicht enttäuschten Seufzen rücke ich von dir ab und kehre zurück hinter meinen Schreibtisch, wo ich mich in meinen Stuhl fläze. Jetzt heißt es abwarten, bis du wieder halbwegs zu irgendwas zu gebrauchen bist. Abwarten und genießen ...

Mit einem breiten Grinsen angle ich mir den Stift, den ich vorhin einfach habe liegen lassen und drehe ihn gedankenverloren zwischen den Fingern.

Mein Blick fällt auf die Bürotür. Nicht abgeschlossen. Zwar ist es sehr unwahrscheinlich, dass jetzt irgendjemand herein gestürmt kommt, immerhin habe ich die Angestellten hier soweit unter Kontrolle, dass sie es nicht wagen würden, ohne anzuklopfen hereinzukommen, aber trotzdem bleibt ein gewisses Restrisiko.

Ich denke darüber nach, die Tür jetzt noch abzuschließen, entscheide mich letztendlich aber dafür, einfach die Maske abzunehmen und sie vorerst in meinem Schreibtisch zu verstauen.

Lächelnd betrachte ich dich, während ich mir die Brille abnehme und sie an meinem Kittel reinige. Normalerweise trage ich sie gar nicht unter der Maske, aber du hast mich so erfolgreich gereizt, dass ich einfach vergessen habe, sie vorher abzunehmen.

Als sie wieder an Ort und Stelle sitzt, mustere ich dich. Wenn das mal kein aufschlussreiche Therapiesitzung war. Eigentlich solltest du mir dankbar sein. Immerhin habe ich dir geholfen, dich zu öffnen und endlich über deine Gefühle zu sprechen.

Ich ziehe den Notizblock zu mir heran und mache mir ein paar Vermerke zu den interessanten Neuigkeiten, die ich soeben erfahren habe.
 

Ich weiß nicht, ob es nur ein trügerisches Zeichen wie die Ruhe vor dem Sturm ist oder ob ich es wirklich überstanden habe. Wenn ich wetten müsste, würde ich auf Ersteres tippen. Mein Puls und meine Atmung kommen nur langsam wieder auf ein normales Maß und auch die Tränen versiegen langsam wieder.

Was auch immer das hier war - es war heftig. Sehr heftig. So schlimm ging es mir schon lange nicht mehr und gefallen tut mir das überhaupt nicht. Das letzte Mal, als ich eine nicht annähernd so heftige Panikattacke hatte, war Weihnachten, als mein Vater aufgetaucht ist.

Ich fühle mich müde und kraftlos und rutsche deswegen ein wenig auf dem Stuhl zusammen. Ich kann nur hoffen, dass diese furchtbaren Halluzinationen endlich aufhören - sonst werde ich wahrscheinlich wirklich verrückt.
 

Ich sehe kurz von meinen Notizen auf, als ich deinen hübschen orangenen Anzug rascheln höre. Du bist ein bisschen zusammen gerutscht, scheinst aber weniger angespannt zu sein als vorher. Wie es aussieht, beruhigst du dich allmählich.

"Wie geht's, wie steht's, Mr. Nigma?", frage ich spöttisch und widme mich wieder meinem Notizblock. "Muss ich dir ein Taschentuch besorgen oder wird es auch ohne gehen?"

Ich mache mir einen letzten Vermerk, dass du für den Tod deines Vaters verantwortlich bist und nehme mir vor, dich darüber definitiv genauer auszufragen. Noch kann ich mir nicht richtig ausmalen, wie du das gemacht hast.

Ganz schnell und simpel, damit er aus dem Weg ist?

Oder langsam und grausam, um den Moment in vollen Zügen zu genießen?

Nach dem, was ich schon von dir gesehen habe, könnte ich mir beides relativ gut vorstellen, weswegen es besonders interessant werden dürfte, herauszufinden, was es am Ende wirklich ist.
 

Irritiert lasse ich ein kleines Stück die Hände sinken und blinzle mehrere Male verwirrt.

Habe ich das gerade wirklich gehört?

Oder bilde ich mir das nur ein?

Es ist immer noch dieselbe Stimme, aber das, was sie sagt, passt nicht zu dem, wie ich meinen Vater kenne. Er kennt meinen Alias doch gar nicht. Irgendwas stimmt hier definitiv nicht. Und damit meine ich nicht nur die Halluzination - oder was auch immer das war.

Während ich die Wand anstarre, versuche ich in meinem verwirrten Hirn irgendeine logische Erklärung für die Erlebnisse der letzten ...

Verdammt, wie lange bin ich eigentlich schon hier?

Unsicher lasse ich meinen Blick ein wenig schweifen. Ein Büro. Was hat denn mein Vater in einem Büro zu suchen?
 

"Hm, du bist scheinbar noch nicht ganz da", stelle ich ungerührt fest.

Ich klappe den Block wieder zu und verstaue ihn in dem Fach, in das ich bereits die Maske gelegt habe. Es ist genau die Schublade, in der auch der Alkohol vor sich hin schlummert. Allerdings fühle ich mich gerade blendend und in keinster Weise bedarft, irgendetwas zu trinken.

"Beeil dich mal ein bisschen, Edward. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Andere Patienten warten auch auf ihre Sitzungen."
 

Verwirrt kneife ich kurz die Augen zusammen und schüttle dabei den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können - was mir erstaunlich schwer fällt. Langsam hebe ich den Kopf, sehe dich an - und erkenne dich tatsächlich als Jonathan Crane.

Wie von der Tarantel gestochen springe ich von dem Stuhl auf, schwanke kurz wegen meinem momentanen miserablen Gleichgewichtssinn, und bringe Abstand zwischen uns, indem ich mich an der Tür in Sicherheit bringe.

"Was zum ...?", flüstere ich heiser und sehe dich mit einer Mischung aus Entsetzen und Panik an. "Was zur Hölle war das?"
 

Deine überstürzte Flucht lässt mich schallend auflachen.

"Warum so verschreckt? Ich hatte dir doch versprochen, dir bei Gelegenheit etwas von meinen Experimenten zu zeigen."

Ich zwinkere dir vertraulich zu und hätte mich beinahe hinreißen lassen, aufzustehen und dich noch etwas mehr zu verschrecken. Aber das lasse ich dann lieber, denn ich kann es nicht gebrauchen, dass du aus meinem Büro flüchtest und die Wachen zusammentrommelst.

"Das, mein lieber Edward, waren die hintersten Winkel deiner verdorbenen, kümmerlichen Seele."

Neugierig lege ich den Kopf schief.

"Auf einer Skala von eins bis zehn - wobei eins leichtes erschrecken und zehn absolute Panik symbolisiert - wie viel Angst hattest du? So im Dienste der Forschungen gefragt."
 

Ich atme heftig, während ich dich anstarre und dabei versuche, dass zu verstehen, was hier gerade geschehen ist. Dass, was du dazu äußerst, ist nur bedingt hilfreich bei diesem Unterfangen, denn mir ist nicht so richtig klar, was du mit mir gemacht hast. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass es etwas mit dem Zeug zu tun hat, mit dem du mich besprüht hast. Und nachdem, was ich gesehen habe, muss es sich dabei anscheinend um ein Halluzinogen handeln.

"Du bist doch wahnsinnig …", sage ich leise und tue mich schwer damit, die Panik aus meiner Stimme zu verbannen.

Um solche »Experimente« zu machen, musst du definitiv wahnsinnig sein. Schon alleine der Gedanke daran, lässt mich erschaudern. Angst, nackte Panik, albtraumhafte Gedanken … Damit machst du also die Personen in deiner Umgebung gefügig.

Egal, was ich bisher von dir gehalten und gedacht habe, es ist Nichts gegen das, was ich gerade über dich heraus gefunden habe. Ich wusste, dass du Dreck am Stecken hast, aber damit habe ich nicht gerechnet. Es stellt fast Alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe. Und dass ist ein Umstand, der mir kein Bisschen gefällt. Ob ich nun will oder nicht – ich muss in Zukunft vor dir auf der Hut sein.
 

"Oh, das würde ich nicht mal bestreiten", lache ich. "Du brauchst übrigens nicht so verschreckt zu gucken. Ich beiße nicht."

Galant deute ich auf den Stuhl, auf dem du bis eben noch gesessen hast.

"Setz dich doch einfach wieder zu mir und dann sprechen wir mal über das, was wir eben herausgefunden haben."

Ich zwinkere fröhlich zu dir herüber.

"So von Psychiater zu Patient."
 

Während ich mich dazu zwinge, ruhiger zu atmen, beobachte ich dich ganz genau. Ich habe nicht das geringste Interesse daran, diese Erfahrung zu wiederholen, weswegen ich es für besser halte, dich nicht mehr aus den Augen zu lassen.

Deine Aufforderung, mich dir wieder zu nähern, entlockt mir nur eine misstrauisch angehobene Augenbraue.

"Nie im Leben …"
 

"Oh, nein", sage ich, als würde ich mit einem kleinen Kind sprechen. "Hat der kleine Edward jetzt etwa Angst vorm großen bösen Doktor? Das tut mir jetzt aber leid."

Mit einem breiten, triumphierenden Grinsen erhebe ich mich und räume alles auf meinem Schreibtisch zusammen.

"Wer sitzt nun am längeren Hebel, hm?"

Man hört deutlich die Genugtuung in meiner Stimme.

"Aber gut. Vielleicht solltest du dich erst einmal ausruhen. Du Ärmster hattest einen anstrengenden Tag. Soll ich dich in deine Zelle geleiten?"

Erzähl mir keinen Müll, Edward, über den Punkt sind wir hinaus.

Ziemlich genau vier Wochen sind seit dem verhängnisvollen Tag vergangen, an dem mir Barbara offenbart hat, dass sie schwanger ist – anscheinend von mir. Ich habe seitdem viel darüber nachgedacht und noch mehr gerechnet, ob es tatsächlich sein kann. Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch ist, dass es wirklich die Realität ist. Allerdings verlasse ich mich nicht nur alleine darauf, weswegen ich meinem Anwalt über die ganze Sache aufgeklärt habe und er deswegen ein Schriftstück aufgesetzt hat, in dem steht, dass ich einen Vaterschaftstest will, bevor ich auch nur einen Penny für Alimente ausgebe. Dieses Schriftstück hat er höchstpersönlich bei Jim Gordon im GCPD abgegeben, allerdings habe ich keine Reaktion darauf bekommen. Weder Jim, noch Barbara haben irgendwie reagiert, weswegen ich es mittlerweile aufgegeben habe, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich habe auch so schon genug Probleme.

Crane hat sich in den letzten vier Wochen zurück gehalten. Zwar hat er bei den Therapiesitzungen, die ich immer noch zwei Mal pro Woche genießen darf, immer wieder Andeutungen gemacht, aber im Großen und Ganzen gesehen, lief es gut. Nachdem, was ich mit Crane erlebe habe, habe ich mich in der letzten Zeit sehr am Riemen gerissen und mehr oder weniger mit ihm kooperiert. Ich habe gezwungenermaßen mit ihm geredet, da ich kein Interesse daran habe, wieder Teil seines Experimentes zu sein. Bestimmt freut er sich ein Loch in den Bauch, weil er mich momentan unter Kontrolle hat. Aber früher oder später wird ihm das Lachen vergehen. Ich werde mich auf jeden Fall bei ihm revanchieren – ob er nun will oder nicht.

Heute hat mich Crane jedenfalls bisher in Ruhe gelassen. Ich habe ihn nur kurz mit Cobblepot sprechen gesehen, als auf das Freigelände begangen bin. Keine Ahnung, was die Beiden schon wieder aushecken, aber es wird nichts Positives sein. Um möglichst viel Abstand zu Crane zu haben, verbringe ich sogar so viel Zeit wie möglich draußen. So wie jetzt habe ich fast immer ein Buch dabei, denn etwas Besseres kann man hier in Arkham kaum machen. Das Wetter lädt zwar nicht unbedingt dazu ein, so viel Zeit hier draußen zu verbringen, aber lieber hole ich mir hier draußen eine Erkältung, als dass ich in meiner Zelle hocke.
 

Mit einem schweren Seufzen betrete ich das Freigelände von Arkham. Gerade erst habe ich ein Gespräch mit Dr. Crane geführt, in dem er mir erklärt hat, wie überraschend gut du dich in letzter Zeit führst.

Ganz toll.

Während meine Tochter völlig am Rad dreht, bekommst du also dein Leben auf die Reihe und ziehst dich damit aus der Affäre, dass du im besten Fall Geld zahlst?

Als würde es reichen, ein bisschen mit dem Portemonnaie zu wedeln ...

Barbara will im Moment überhaupt nichts mehr von dir wissen. Weder will sie dich persönlich sehen, noch Alimente von dir bekommen. Was ich gut verstehen kann, denn du hast ein paar hässliche Dinge gesagt, wegen denen ich dir eigentlich den Kopf abreißen könnte.

Ich sehe mich draußen um und erspähe dich unter einem Baum, wo du gemütlich sitzt und in einem Buch blätterst. Während Barbara zu hause versucht, sich auf das Leben als Mutter vorzubereiten.

Mistkerl ...

Als ich auf dich zustapfe, spüre ich schon wieder Ärger in mir aufsteigen, aber ich bemühe mich, ruhig zu bleiben. Dich jetzt anzuschreien wäre zwar sehr befriedigend, würde uns aber auch nicht weiterbringen.

"Na? Lässt du es dir gut gehen?", sage ich eisig, als ich vor dir zum Stehen komme.
 

Weil du mich vollkommen unvorbereitet ansprichst, zucke ich entsprechend heftig zusammen und lasse dabei fast das Buch - Shakespeare - fallen und kann mich nur im letzten Moment davon abhalten, aufzuspringen.

Seit dem ich Teil von Cranes Experiment war, bin ich ziemlich schreckhaft, was Crane während den Therapiesitzungen gerne ausnutzt. Während es ihn erheitert, frustriert es mich. Auch jetzt ärgere ich mich über mich selbst, dass ich meine Umgebung nicht besser im Auge behalten habe.

"Commissioner ...", sage ich ehrlich überrascht und versuche halbwegs gefasst zu wirken.

Ich habe nicht mit deinem Besuch gerechnet. Ehrlich gesagt habe ich eher damit gerechnet, dich nie wieder zu sehen.

"Was verschafft mir die Ehre?"
 

"Tja, mal überlegen", murmle ich unfreundlich, ehe ich eine Hand in die Jackentasche schiebe und den lächerlichen Brief von deinem Anwalt heraushole.

Ich schmeiße ihn dir in den Schoß, sodass er auf deinem Buch zum Liegen kommt.

"Der Wisch hier vielleicht?"

Ich muss wirklich schwer an mich halten, nicht gleich in eine Standpauke zu verfallen. Ich bin nicht hier, um dir ins Gewissen zu reden, sondern um die Situation endgültig zu klären.

"Damit du es gleich weißt - Barbara will nichts mehr von dir wissen. Sie will dich nicht sehen und sie will schon gar kein Geld von dir. Ich sehe das geringfügig anders."

Streng blicke ich auf dich herab.

"Ich persönlich würde schon gerne wissen, was den Herren zu dem plötzlichen Sinneswandel bewegt hat?"
 

Für einen Moment sehe ich den Brief ein wenig perplex an, ehe ich ihn so vorsichtig in die Hand nehme, als ob ich befürchte, dass er jeden Moment explodiert. Unschlüssig drehe ich ihn kurz in der Hand, bevor ich ihn neben mich auf die Bank lege. Dann hebe ich wieder den Blick und sehe dich zögerlich ansehe.

"Nun ja ...", sage ich langsam und senke den Kopf, um deinem Blick auszuweichen. "Solange es keinen Vaterschaftstest gibt, der positiv ist, habe ich nicht vor, irgendwas zu zahlen. Und solange betrachte ich die Angelegenheit so, dass ich damit nichts zu tun habe. Von daher kann man eigentlich nicht sagen, dass ich einen Sinneswandel hatte."

Erstaunlich, dass meine Stimme bei weitem nicht so selbstsicher klingt, wie ich es gerne gehabt hätte.

Natürlich habe ich mir in den letzten Wochen eingeredet, dass es mich nicht interessiert, was mit dir, Barbara und dem Baby ist, aber insgeheim habe ich trotzdem versucht, an Informationen zu kommen. Ich bin sogar so weit gegangen, dass ich einige Quellen angezapft habe, die mich hier in Arkham besucht haben.
 

"Ach, na das ist ja ganz reizend."

Sauer verschränke ich die Arme.

"Weißt du, eigentlich sollte ich wütend sein, weil du dich scheinbar einen Dreck um meine Tochter scherst. Aber ich bin mir verdammt sicher, dass das gar nicht stimmt und du dir dein überhebliches Köpfchen zerbrichst. Also bin ich einfach wütend, weil du so ein unerträglicher Idiot bist."

Mit einem unzufriedenen Schnauben lasse ich mich auf die Bank plumpsen.

"Ich fasse es nicht, dass du an so eine Sache so kalt herangehen kannst. Was machst du, wenn du dann schwarz auf weiß hast, dass es dein Kind ist? Wie willst du das wieder gutmachen? Mit Geld?"

Ich lache auf, obwohl ich kein bisschen amüsiert bin.

"Ich bitte dich ..."
 

"Ich werde nicht versuchen, diese Meinung zu ändern ...", erwidere ich zögerlich und schenke dir einen kurzen Blick.

Ich frage mich natürlich, wie wir beide inzwischen zueinander stehen.

Soll ich dich weiterhin duzen oder doch lieber siezen?

Da ich mir dessen unsicher bin, werde ich einfach versuchen, alles so zu formulieren, dass ich keine Personalpronomen verwenden muss.

Als du dich auf die Bank setzt, rutsche ich automatisch so weit zur Seite, dass durchaus eine weitere Person zwischen uns Platz hätte. Irgendwie habe ich das dringende Bedürfnis, so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen, ohne mich gleich verdächtig zu machen.

Generell halte ich so viel Abstand wie möglich zu allen Personen hier in Arkham. Ganz besonders seit Cranes Experiment, was mir immer noch in den Knochen steckt.

"Ich schätze, dass ich nichts mache, wenn ich es tatsächlich schwarz auf weiß habe. Barbara will ja nicht, dass ich etwas damit zu tun habe, was mir nur recht ist."

Unschlüssig zucke ich mit den Schultern und halte meinen Blick gesenkt.
 

"Ich würde gerne mal wissen, wie du dazu stehst, nicht was Barbara davon hält."

Ich greife in meine Tasche und ziehe mein Portemonnaie hervor. Darin bewahre ich ein weiteres Papier auf, welches ich allerdings mehr behüte als den dämlichen Brief.

"Hier."

Ich drücke dir das neueste Ultraschallbild meines Enkels in die Hand. Mir selbst geht trotz aller Strapazen das Herz auf, wenn ich es mir ansehe.

"Wenn es dir alles so egal wäre, hättest du definitiv anders auf das letzte reagiert. Und dann hättest du dir auch nicht die Mühe gemacht, deinen Anwalt zu behelligen. Also erzähl mir keinen Müll, Edward, über den Punkt sind wir hinaus."
 

Wie ich dazu stehe ...?

Tja, das ist wirklich eine gute Frage - die ich nicht einmal für mich selber beantworten kann. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass ich tatsächlich Vater werden soll. Dass ist etwas, was ich nie wollte. Und trotzdem geht es mir ziemlich zu Herzen.

Als du mir das Ultraschallbild in die Hand drückst, zucke ich kurz zusammen und sehe dich irritiert an, ehe ich das Bild betrachte. Es sind zwar nur knapp vier Wochen vergangen, und trotzdem ist es unverkennbar, dass sich ein kleiner Mensch entwickelt.

Ich muss tief durchatmen und hart schlucken, ehe ich dir das Bild mit einer flüchtigen Bewegung zurück gebe, ohne überhaupt hinzusehen.

Es ist erstaunlich, wie sehr mich dieses Schwarz-Weiß-Bild bewegt, obwohl ich versuche mir einzureden, dass es mir egal ist. Leider ist es mir nicht so egal, wie ich Allen versuche weiszumachen.

"Ich wollte mich nur rechtlich absichern ...", erwidere ich leise und fummle mir eine Zigarette aus der Schachtel, die wie immer in der Brusttasche des Overalls steckt.

Fahrig zünde ich sie mir an und meide deinen Blick.
 

"Rechtlich, ja ja."

Nachdenklich betrachte ich das Bild in meiner Hand und streiche mit dem Daumen über das, was schon bald ein voll entwickeltes Kind sein wird - dein Kind, ob du das nun willst oder nicht.

"Ist mir ein Rätsel, wie du das kannst. Theoretisch könnten wir das Geld gebrauchen."

Ich bedenke dich mit einem bösen Blick.

"Aber sobald ich einen Blick auf dieses Bild oder auf Barbara werfe, interessiert mich nicht, was vernünftig wäre. Ich bezweifle, dass ich jemals nachvollziehen kann, wie du so kalt bleiben kannst."

Ich mustere dich aufmerksam. Glaub nicht, dass mir nicht auffällt, wie nahe dir das geht. Aber solange du dich weigerst, dir das einzugestehen, kann ich nicht viel tun.

"Was hättest du gesagt, wenn ich Barbara vor die Tür gesetzt hätte nach dieser Dummheit?"
 

"Es ist eigentlich ganz einfach ...", murmle ich nachdenklich, ziehe an der Zigarette und starre auf den Boden. "Solange man nicht selber betroffen ist, braucht man sich weder den Kopf darüber zu zerbrechen, noch sich irgendwie emotional involvieren lassen ..."

Okay, nicht mal ich kaufe mir diese Worte ab. Aber vielleicht habe ich ja Glück, und du lässt es darauf beruhen. Ich kann nur hoffen, dass du nicht weiter nachharkst, denn eigentlich will ich nicht über dieses Thema reden.

Erstaunt werfe ich dir einen kurzen Blick zu, als du diese hypothetische Frage stellst.

"Na ja ...", antworte ich ruhiger, als ich eigentlich bin. "Das wäre dann wohl ihr Problem gewesen ..."

Wenn du Barbara wirklich rausgeschmissen hättest, wäre sie sicherlich bei der Fledermaus unter gekrochen. Ein Gedanke, der mir nicht sonderlich gut gefällt.
 

"Du gehst also davon aus, dass meine Tochter eine Schlampe ist, die durch die Gegend hurt und deswegen von jedem beliebigen Kerl schwanger sein könnte?", stelle ich bitter fest.

Es verletzt mich nicht mal, weil ich weiß, dass du es nicht mal selbst glaubst.

"Charmant. Und da haben Alle gedacht, du wärst in eurer Beziehung der Arsch gewesen."

Ich sehe dich mit hochgezogener Braue zweifelnd an.

"Tatsächlich?"

Mir ist anzuhören, dass ich dir kein Wort glaube.

"Mein Gott, du musst Barbara ja wirklich verabscheuen. Man könnte fast meinen, du hättest sie geschwängert, um ihr eins auszuwischen."
 

"Es ist doch mittlerweile egal, was ich davon halte oder wie ich Barbara einschätze ...", erwidere ich resignierend. "Ich bin ja schließlich verrückt, also kann man nichts darauf geben, was ich sage ..."

Lustlos nehme ich einen Zug von der Zigarette, ehe ich sie nur halb aufgeraucht auf den Boden fallen lasse und austrete.

Ich glaube zwar immer noch nicht daran, dass ich wirklich verrückt bin, aber wenn ich daran denke, was ich in den letzten Wochen für Mist gebaut habe, muss ich mich wohl oder übel damit anfreunden, dass ich wirklich nicht ganz richtig im Kopf bin.

Erstaunt und verunsichert flackert mein Blick kurz zu dir, als du davon sprichst, dass ich Barbara verabscheue.

Es stimmt, dass ich wirklich versucht habe, sie zu hassen, aber letztendlich musste ich feststellen, dass ich sie nicht hassen kann.

Nicht mal ein bisschen.

Nicht mal fast.

Abrupt springe ich von der Bank auf und halte mir das Buch mit verschränkten Armen wie ein Schutzschild vor den Oberkörper.

"Ich muss wieder rein ...", murmle ich hastig und hoffe, dass du mir diese schlechte Ausrede abkaufst.
 

"Klar, versteck dich nur dahinter", stoße ich abfällig aus. "Interessant, dass du dir deinen eigenen Geisteszustand hinbiegst, wie du ihn gerade brauchst."

Als du aufspringst, packe ich dich wütend am Stoff deines Overalls. Eigentlich sollte ich mich besser beherrschen, aber es regt mich wirklich auf, dass du hier so herumdruckst und dich aus der Affäre ziehen willst.

"Hier geblieben, Freundchen", sage ich und höre mich dabei erschreckend an wie Harvey. "Du weißt genauso gut wie ich, dass alles, was du in diesem Gespräch bisher gesagt hast, totaler Blödsinn ist. Also hör auf, ein verdammter Feigling zu sein. Für mich sieht die Sache so aus: entweder ganz oder gar nicht. Du kannst Interesse an deinem Kind zeigen und zumindest gelegentlichen Kontakt pflegen, damit es nicht ohne Vater aufwachsen muss. Oder du siehst es nie und behältst dein blödes Geld für dich, damit wir nicht sagen müssen, wenn dein Kind eines Tages fragt, warum sein Vater scheinbar dafür bezahlt, nicht weiter behelligt zu werden."
 

Ich zucke heftig zusammen, als du mich plötzlich festhältst und lasse dabei sogar das Buch fallen, was dumpf auf dem Boden aufschlägt. Ich sehe dich erschrocken an und kann nicht verhindern, dass leichte Panik in mir hoch steigt. Wenn Crane das sieht, ist das wieder ein gefundenes Fressen für ihn, weil sein Experiment mich so nachhaltig geprägt hat.

"Ich kann das nicht ...", flüstere ich hastig und kann die Panik nicht komplett aus meiner Stimme verbannen. "Ich zahle meinetwegen die Alimente, aber mehr kann ich nicht tun ..."

Ich schüttle knapp den Kopf und meine Augen bekommen einen verzweifelten Ausdruck.

"Es ist das Beste für alle Beteiligten, wenn ich mich komplett raushalte ..."
 

Deine heftige Reaktion auf meine Berührung lässt tief in mir drin die Alarmglocken schrillen. Das ist nicht deine gewöhnliche Abneigung gegen Körperkontakt. Das ist etwas anderes und ich frage mich, ob es irgendetwas mit Babs und dem Baby zu tun hat.

"Edward ...", seufze ich, lasse dich los und hebe stattdessen dein Buch auf.

Shakespeare. Wäre auch ein Wunder, wenn du Trivialliteratur lesen würdest.

"Wenn du es wirklich nicht willst, dann ist das eben so. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du es bereuen würdest. Wovor hast du Angst, hm? Dass du wirst wie dein Vater? Dass dir die Verantwortung zu viel wird? Dass Barbara dich zu sehr einengt?"

Herrgott noch eins, Junge, mach einfach den Mund auf. Du quasselst dich doch sonst auch um den Verstand!

Kaum, dass du mich losgelassen hast, mache ich eilig zwei Schritte zurück. Fast schon panisch sehe ich dich an und meine Hände zittern, als ich mir knapp die Haare raufe. Ich muss mich eindeutig mehr zusammen reißen, um Crane nicht die Kontrolle über mich zu überlassen.

"Ja ... Nein ...", murmle ich eilig und schaffe es nicht einmal, deinem Blick standzuhalten.

Ich bin anscheinend wirklich ein emotionales Wrack.

"Ich ..."

Betrübt lasse ich den Kopf hängen. Es ist so viel, was mir bezüglich Barbara und dem Baby durch den Kopf geht. Und nichts davon kann ich dir wirklich sagen - zumal du eh schon schlecht auf mich zu sprechen bist.

Ziemlich kurzatmig hebe ich wieder den Blick und sehe dich an. Vermutlich kannst du den Ausdruck in meinen Augen, der irgendwo zwischen Angst, Verzweiflung und Panik liegt, ziemlich gut sehen.

"Ich wollte das nie ... Und ich bin immer noch dafür, dass Barbara diese Angelegenheit so schnell wie möglich unterbindet ..."
 

Der verlorene Ausdruck in deinen Augen und das Herumgestottere lassen mich sogar ein bisschen Mitleid haben. Allerdings verfliegt dieses Gefühl genauso schnell, wie es gekommen ist, denn dass du nochmals vorschlägst, mein Enkelkind abtreiben zu lassen, geht eindeutig zu weit.

"Nur weil du die Hosen voll hast, soll meine Tochter also einen Eingriff in ihren Körper vornehmen lassen, den sie gar nicht will, und infolgedessen ein Kind umbringen, dass sie behalten möchte? Das hast du dir ganz einfach vorgestellt, was? Dann sind zwar alle anderen unglücklich, aber du bist aus dem Schneider. Super, Edward."

Enttäuscht schüttle ich den Kopf.

"Du bist so ein feiger Hund."

Wütend stehe ich auf und baue mich vor dir auf. Das Buch, um das ich die Faust geballt habe, wird sicher einige Eselsohren bekommen.

"Ich weiß gar nicht, warum ich hier überhaupt versuche, ein Gespräch zu führen. Du willst nichts von der ganzen Sache wissen, also bitte. Wir halten dich komplett raus. Keine Alimente, kein Kontakt, kein gar nichts. Aber untersteh dich, es dir plötzlich anders zu überlegen und bei dem Kind auf der Matte zu stehen."
 

"Nur weil ich gesagt habe, dass diese Möglichkeit die beste Lösung ist, heißt das noch lange nicht, dass ..."

Eigentlich will ich ja die Wogen wieder ein wenig glätten, aber ich schaffe es einfach nicht, so viel freiwillig über mich preiszugeben.

Es stimmt zwar, dass ich nie vorgehabt hatte, eine Familie zu gründen, aber jetzt, wo es doch passiert ist, wird mir immer mehr bewusst, dass ich wirklich gerne so etwas wie Normalität in meinem Leben hätte.

Und ja, dieses Ultraschallbild, was mir Barbara vor einem Monat gezeigt hat, geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Mein Herz sagt, dass das Beste ist, was mir seit Langem passiert ist, doch mein Kopf legt ein Veto ein.

Kaum, dass du dich vor mir aufbaust, zucke ich wieder unfreiwillig zusammen. Innerlich mache ich mich auf eine heftige Standpauke gefasst, die die logische Konsequenz meiner Worte ist.

Und ich täusche mich nicht mit meiner Einschätzung, weswegen ich einfach nur betrübt den Kopf hängen lasse. Normalerweise würde ich sicherlich Widerworte geben, doch ich weiß, dass du recht hast.

"Werde ich nicht ...", murmle ich leise, nachdem du geendet hast.
 

"Was?", hake ich sauer nach und stemme die Hände in dir Hüften, wobei das Buch noch mehr lädiert wird. "Herrgott noch eins, Junge, mach einfach den Mund auf. Du quasselst dich doch sonst auch um den Verstand!"

Ich kann nicht verhindern, dass ich wieder einmal in den väterlichen, tadelnden Tonfall verfalle.

"Wirst du nicht", äffe ich dich nach.

So wie du dastehst und den Kopf hängen lässt, kommst du einem fast vor wie ein kleiner Junge, der beim Unsinn machen erwischt wurde.

"Warum habe ich dann das leise Gefühl, dass du Alles bereuen wirst, sobald ich weg bin und dich dann einmischt? Ich meine ernsthaft, Edward. Du hast es nicht mal fertig gebracht, Barbara in Ruhe zu lassen, nachdem du sie weggejagt hast. Wie viele Stunden hast du damals noch gewartet, bis du sie angerufen hast?"
 

Bei deinem Tadel lasse ich den Kopf gleich noch mehr hängen und kann nicht verhindern, dass ich mich wirklich so fühle, als wärst du mein Vater, der mir eine Standpauke hält.

Und dass ist doch eigentlich wirklich ziemlich verrückt.

Tja, dann bin ich hier in Arkham ja goldrichtig aufgehoben ...

Ich mache schon den Mund auf, lasse es dann aber doch bleiben und schüttle nur andeutungsweise den Kopf. Ich weiß ja, dass es vollkommen egal ist, was ich sage. Es würde ohnehin nichts an der Situation ändern und letztendlich würde ich dich wohl noch wütender machen, als du ohnehin schon bist. Deswegen ist es sicherlich klüger, einfach den Mund zu halten.

"Ich habe ihr auch am Telefon gesagt, dass ich mich nie wieder bei ihr melden werde und daran habe ich mich auch gehalten ...", erwidere ich leise, auch wenn das sicherlich nicht viel bringen wird. "Ich werde mich in Nichts einmischen ..."
 

"Gut. Ich nehme dich beim Wort", sage ich und kann nicht verbergen, wie enttäuscht ich bin.

Dass du wirklich keine Bereitschaft zeigst, die Situation anderweitig zu klären, verletzt nicht nur Barbara, sondern auch mich.

"Dann habe ich dir nichts mehr zu sagen, Edward."

Ich drücke dir das Buch in die Hand und werfe dir einen letzten Blick zu.

"Viel Glück mit der Therapie und allem. Hoffentlich bekommst du dein Leben wieder in den Griff."

Damit wende ich mich zum Gehen.
 

Resigniert werfe ich dir einen kurzen Blick zu, als du mir Shakespeare zurück gibst und dich dann verabschiedest.

Gegen meinen Willen verspüre ich einen kurzen Stich im Herzen, als ich deine Worte höre, die für mich sehr endgültig klingen. Ich seufze lautlos und kann nicht verhindern, dass ich mich schuldig fühle.

Du bist noch keine zwei Schritte gegangen, als ich doch noch den Mund aufmache.

"Darf ich das Bild behalten?", höre ich mich selbst fragen und möchte mir im nächsten Moment dafür eine kräftige Ohrfeige geben.
 

Völlig verdattert bleibe ich stehen und drehe mich langsam zu dir um.

"Was?!", frage ich verblüfft. "Das ..."

Mein Blick fällt auf das Ultraschallbild.

Und wieder auf dich.

Ich brauche gar nicht groß darüber nachzudenken, keine Nanosekunde später stehe ich schon wieder vor dir.

"Hier."

Ich drücke dir das Bild deines Kindes in die Hand und beuge mich vertraulich zu dir.

"Und du willst mir wirklich erzählen, dass dir das alles egal ist?", murmle ich zweifelnd. "Wieso setzen wir uns nicht und beginnen dieses Gespräch von vorn, hm? In aller Ruhe. Und diesmal ehrlich?"
 

Ich muss hart schlucken, als du dich so langsam zu mir umdrehst. Jetzt kommt es. Die größte Standpauke, die du mir je gehalten hast und wirst. Mit dieser dämlichen Frage habe ich wohl einen noch größeren Bock geschossen als mit allem zuvor.

Deswegen sehe ich dich auch mehr als erstaunt an, als du mir plötzlich das Ultraschallbild gibst.

Passiert das gerade wirklich oder ist das wieder eine Halluzination?

Mit einem Blick, dem man durchaus als ängstlich betrachten kann, sehe ich dich an und weiß im ersten Moment nicht, was ich sagen soll.

"Ich weiß nicht ...", sage ich schließlich langsam und mit deutlicher Skepsis in der Stimme. "Es würde doch nichts an der Situation ändern ..."

Erneut lasse ich den Kopf sinken und mein Blick fällt dabei auf das Ultraschallbild, was ich in der Hand halte.

"Aber okay ...", murmle ich und kann die Augen nicht von dem Bild abwenden.
 

Ich lasse mich wieder auf der Bank nieder und warte, bis du dich zu mir gesellt hast. Die Art, wie du das Bild betrachtest, entgeht mir natürlich nicht. Wie auch, es ist schwer zu übersehen, dass dich dieses kleine Wesen gewissermaßen fesselt.

Ist da vielleicht doch ein bisschen Hoffnung, dass wir das irgendwie hinbekommen?

"Seien wir doch einfach beide ganz ehrlich zueinander", beginne ich. "Als ich davon erfahren habe, dass Barbara schwanger ist, war ich schockiert, aber ich habe es relativ gut aufgenommen. Als sie aber gestanden hat, dass du der Vater bist, war ich wirklich sauer, weil ich von euch beiden mehr erwartet hätte. Inzwischen stehe ich voll hinter ihr und bin zuversichtlich, dass sie dieses Kind gut großziehen wird. Sie hat Hilfe. Sogar ihre Mutter hat inzwischen aufgehört, sie deswegen anzuschreien."

Ich lache leise auf. Ja, meine Exfrau ist ziemlich an die Decke gegangen, als Babs es ihr gesagt hat.

"Trotz allem habe ich Angst. Das beeinträchtigt Barbaras Zukunft maßgeblich und natürlich spielt auch die Tatsache, dass ich als Commissioner im Grunde eine Person des öffentlichen Lebens bin, eine Rolle. Die Leute werden reden und ich will meiner Tochter eigentlich ersparen, dass die Stadt sich über sie das Maul zerreißt. Aber sie bietet alledem die Stirn und ich bin stolz, obwohl ich mir Sorgen mache."

Seufzend reibe ich mir über das Gesicht.

"Und nachdem du sie so herzlos abgefertigt hast, habe ich wirklich gedacht, dass sie diese ganze Stärke wieder verliert. Sie will es sich nicht anmerken lassen, aber die Sache hat sie wirklich mitgenommen. Auch der Brief von deinem Anwalt. Es macht mich wütend, zu sehen, dass meine Tochter leidet. Deinetwegen. Also wäre es ganz schön, wenn du mir ein paar Gründe dafür nennen könntest, damit ich vielleicht deine Seite verstehe und dir nicht mehr den Hals umdrehen will."
 

Langsam und zögerlich folge ich dir zurück zu der Bank und setze mich mit Abstand neben dich, während du redest und ich dir schweigend zuhöre.

Auch nachdem du geendet hast, schweige ich noch einen Moment.

"Ich wollte nie, dass das passiert ...", sage ich schließlich leise, während ich nach vorne gebeugt das Bild betrachte. "Es war eine dumme Sache, die ich wirklich bereue. Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen ..."

Endlich reiße ich meinen Blick von dem Bild los und sehe dich ernst an.

"Du in deiner Position als Commissioner bist einer der Gründe, warum es besser ist ..."

Ich lasse den Satz unbeendet, aber du kannst dir sicher denken, was ich sagen will.

"Wenn die Kriminellen in Gotham irgendwas davon mitbekommen, wird die Hölle los sein, denn es wäre für sie ein gefundenes Fressen."

Ich mache eine kurze Pause, um tief durchzuatmen.

"Cobblepot weiß bereits irgendwas. Oder ahnt es zumindest. Aber egal was - es ist nicht gut."

Wieder werfe ich einen Blick auf das Bild.

"Ich wollte Barbara nicht absichtlich weh tun ... Eigentlich will ich sie nur aus allem, was auch nur ansatzweise mit der Unterwelt zu tun, raushalten."

Ich lache kurz humorlos auf.

"Ja ich weiß, dass ist mir hervorragend gelungen", sage ich ironisch, bevor ich erneut tief Luft hole. "Ich bin nicht der Typ, der in eure kleine Familie reinpasst. Und ich habe keine Ahnung, wie ich neben dem ganzen Mist hier auch noch eine Familie unter einen Hut bekommen soll."
 

"Du hast natürlich Recht mit deinen Bedenken. Aber Barbara hat beschlossen, dass dieses Kind nichts für euren Fehler kann und sie will die Konsequenzen tragen."

Mit einem leichten Lächeln zucke ich mit den Schultern.

"Du kennst sie. Wenn sie es sich in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es auch durch, komme was wolle. Und wenn die Unterwelt sich das zunutze machen will, dann sollte sie sich warm anziehen, denn das halbe GCPD und der Dunkle Ritter werden da ein Wörtchen mitreden wollen."

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber ich werde Barbara sicher nicht zwingen, ihr Kind abzutreiben, nur weil ich Polizist bin.

"Ich verlange auch nicht von dir, gleich in meine Familie einzuheiraten. Aber wäre es so unvorstellbar, dass Kind von Zeit zu Zeit zu sehen und ihm das Gefühl zu geben, einen Vater zu haben?"
 

"Dann soll sie doch mit Batman einen für kleine glückliche Familie machen ...", murmle ich kaum hörbar, aber mürrisch vor mich hin.

Schon alleine der Gedanke daran, stößt mir sauer auf und es ist für mich fast unerträglich, daran erinnert zu werden, wie nah Barbara dieser fliegenden Ratte inzwischen steht.

Am Ende zahlt er auch die Arztkosten und den ganzen Kram.

Genug Kleingeld hat er ja, wenn man sich seine Spielsachen ansieht.

Super ...

"Ich wäre miserabel in dieser Rolle ...", sage ich etwas lauter und schüttle andeutungsweise den Kopf.

Sicherlich wäre es schön, eine intakte Familie zu haben und vermutlich würde ich das Baby sofort ins Herz schließen, sobald es auf der Welt ist. Aber ich als Vater?

"Außerdem bin ich ja verrückt ..."
 

Deinen giftigen Kommentar ignoriere ich. Gut, mein Fehler, Batman zu erwähnen. Aber es ist nun mal die Wahrheit und gewissermaßen warst du derjenige, der sie Batman erst in die Arme getrieben hat.

"Du bist verrückt, etwas wegzuwerfen, was du eigentlich willst. Und genau das tust du gerade. Oder warum klammerst du dich so an dieses Foto?"

Ich nicke mit einem vielsagenden Blick in Richtung des Ultraschallbildes.
 

Irritiert sehe ich dich an, ehe ich einen Blick auf meine Hand werfe, wo ich tatsächlich das Bild fast krampfhaft festhalte. Seltsam, dass mir das bisher nicht wirklich bewusst war. Ich bin anscheinend schon so sehr emotional in diese Sache involviert, dass du wahrscheinlich recht hast.

"Kannst du dich mich wirklich als Vater vorstellen?", frage ich nachdenklich. "Also ich nicht. Und jede Wette, jeder im GCPD auch nicht. Ich würde höchstens die Goldene Himbeere für diese Rolle bekommen."

Ich werfe dir ein ironisches Lächeln zu, ehe ich wieder ernst werde.

"Und Barbara wäre von dieser Vorstellung auch nicht gerade begeistert ..."
 

Ich nehme mir einen Moment Zeit, dich von der Seite zu betrachten.

"Klar. Du würdest deinem Kind beim Lernen helfen, wärst streng, aber herzlich. Vielleicht unsicher, wegen deiner Vergangenheit. Aber ich bezweifle, dass du dich wie dein Vater aufführen würdest. Davor hast du so viel Angst, dass du das nicht zulassen würdest."

Ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen.

"Glaubst du Barbara hätte dir von dem Kind erzählt, wenn sie dich für einen schlechten Vater halten würde?"
 

"Nein …", sage ich langsam und schüttle dabei leicht den Kopf. "Ich bin sicher Vieles, aber mit Sicherheit kein geeigneter Kandidat, um eine Familie zu gründen oder ein Kind zu erziehen."

Ich sehe dich ernst an, denn die nächsten Worten fallen mir sicherlich nicht einfach.

"Mir ist bewusst, dass ich immer mehr wie er werde. Es ist auch noch gar nicht lange her, dass mir das ziemlich eindrucksvoll demonstriert worden ist …"

Abrupt halte ich inne, als mir alleine durch die Erinnerung ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft. Unwillkürlich flackert mein Blick kurz zum Gebäude in der Nähe. Bloß nicht dran denken, rede ich mir selbst gut zu.

"Ich denke, dass sie es nur gesagt hat, um ein reines Gewissen zu haben", sage ich ein wenig leiser, nachdem ich mich wieder ein wenig gefangen habe. "Und sie ist gut daran beraten, wenn sie Abstand zu mir hält. Wenigstens dieses eine Mal sollte sie auf mich hören."

Vermutlich ist das nicht nur für sie besser, sondern auch für mich, denn ich biete dann keine so große Angriffsfläche mehr für Crane.

Genau, ich muss es einfach aus dieser Perspektive betrachten, dann bekomme ich das schon irgendwie auf die Reihe.

Hoffe ich zumindest … Hauptsache, Barbara bleibt so weit es geht von Arkham fern.

Soll ich dich dann ab sofort Schwiegervater nennen?

"Wenn du mich fragst, dann machst du dir da viel zu große Gedanken", sage ich mit einem Seufzen.

Irgendwie ist es schon verständlich, dass du solche Angst davor hast, wie dein Vater zu werden.

"Letztendlich ist der entscheidende Unterschied zwischen dir und diesem Mann, dass ihm seine Familie egal war und er seine Methoden für richtig hielt. Bei dir ist das anders. Ich glaube, du würdest dich selbst nicht so quälen, wenn dir alles gleichgültig wäre. Und was Barbara angeht ..."

Betrübt schüttle ich den Kopf.

"Ich glaube, dieses Mal hast du gute Chancen, dass sie auf dich hört. Auch wenn ich gestehen muss, dass mir eine gemeinsame Lösung lieber wäre, weiß ich nicht, was sie davon halten würde."

Schlecht gelaunt starre ich auf das Bild in deinen Händen.

"Edward ...", beginne ich nach einigen Minuten des Schweigens vorsichtig. "Edward, meinst du nicht, dass wir das irgendwie hinkriegen können? Wenn ihr beide so stur seid, macht ihr euch selbst unglücklich. Und so gut ihr es auch beide meint - Leidtragender ist am Ende dieses Kind."
 

"Ich mache mir zurecht so viele Gedanken ...", erwidere ich nachdenklich, nehme mir die Brille ab und reibe mir angespannt über die Nase. "Ich fürchte, ich bin ihm ähnlicher, als du glaubst. Ich -"

- hätte mich fast verplappert und gesagt, dass ich mit seinem Tod zu tun habe. Gott, anscheinend bin ich wirklich hochgradig emotional instabil.

Nervös raufe ich mir die Haare, klappe die Brille zusammen und stopfe sie ziemlich unsanft in die Brusttasche neben die Zigarettenschachtel, ehe ich dich betrübt ansehe.

"Glaub mir, es würde nicht gut gehen, wenn ich mich da irgendwie mit reinhänge. Je weniger ich damit zu tun habe, desto besser. Und das sage ich jetzt nicht, weil ich mich aus der Affäre ziehen will."
 

"Das sagst du, weil du unsicher und feige bist und das Vertrauen in dich selbst vollkommen verloren hast", kontere ich streng, doch mein Ausdruck wird schnell wieder freundlicher. "Was ist denn mit dem arroganten Kerl passiert, der an sich geglaubt hat und der Meinung war, Alles schaffen zu können? Dieser Edward war mir fast lieber als das."

Ich mache eine Handbewegung, die deine gesamte Mitleid erregende Erscheinung einschließt.

"Der Edward, den ich kennen gelernt habe, hätte diese Sache als Herausforderung gesehen, die es zu meistern gilt."

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich dich an.

"Aber wenn du lieber den Schwanz einziehen willst, weil du dir selbst nicht mehr vertraust, kann ich wohl nicht viel tun."

Natürlich ist es ein bisschen fies, dich auf diese Weise überzeugen zu wollen. Aber manchmal muss man Andere eben zu ihrem Glück zwingen. Und bisher stehst du dir selbst im Weg.

"Eigentlich hätte ich dir angeboten, es langsam angehen zu lassen. Du könntest dich ganz gemächlich da rantasten, ich würde dir helfen."

Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht.

"Ich weiß nicht, ob du es wusstest - aber ich bin ebenfalls Vater."
 

Deine unverblümte Ehrlichkeit macht mich im ersten Moment vollkommen sprachlos. Dazu fühle ich mich gerade in deiner Gegenwart extrem unsicher, denn es ist richtig erschreckend, so etwas aus deinem Mund zu hören. Beschämt senke ich den Kopf und betrachte wieder das Ultraschallbild.

"Manchmal ist es eben nicht so, wie es scheint ...", murmle ich leise. "Es gibt Dinge, die sehr tief unter der Oberfläche verborgen sind und die besser nicht ans Tageslicht gezerrt werden ..."

Okay, anscheinend habe ich viel zu viel Zeit mit Crane verbracht, wenn ich jetzt schon anfange, so kryptisch zu reden. Ganz große klasse ...

"Ich will mich doch gar nicht vor einer Herausforderung drücken, nur ... Das ist kompliziert ..."

Ich schnaufe kurz frustriert, ehe ich dich wieder ansehe und sich kurz ein kleines Lächeln auf meine Lippen schleicht.

"Mir ist durchaus bekannt, dass du Kinder hast. So bekloppt bin ich noch nicht, um das zu vergessen."
 

Genervt schnaube ich und verdrehe die Augen, aber ein Lächeln umspielt meine Lippen noch immer.

"Du und deine Melodramatik", schmunzle ich.

Fast bin ich versucht, dir tröstend einen Arm um die Schultern zu legen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass du mich dann mit deinem Buch verprügelst.

"Glaub nicht, dass Barbara und ich inzwischen nicht beide wissen, wie du tickst. Vielleicht nicht so gut wie du selbst, aber gut genug. Ich wage sogar zu behaupten, dass wir das sind, was einer Familie am nächsten kommt."

Damit lehne ich mich vielleicht sehr weit aus dem Fenster, aber irgendwo ist doch ein Fünkchen Wahrheit in meinen Worten.

"Also renn mit deinen Problemen nicht vor uns weg. Stell dir mal vor - wir haben so viel um die Ohren, da können wir deine Sorgen auch noch stemmen."

Nun klopfe ich dir doch kurz freundschaftlich auf die Schulter.

"Eigentlich sollte ich sauer auf dich sein", murre ich. "Wenn Barbara uns jetzt sehen würde, würde sie mir die Hölle heiß machen. Wahrscheinlich bin ich selbst bekloppt, dass ich den Glauben an dich immer noch nicht aufgegeben habe. Aber so ist es."
 

Fast unmerklich schüttle ich langsam den Kopf und bin fast versucht, ironisch zu grinsen. Du und Barbara habt nicht die geringste Ahnung, wer ich wirklich bin. Und ich bin mir darüber unsicher, ob das nun gut oder schlecht ist, denn wenn ich ganz ehrlich zu mir bin - ich mag euch. Irgendwie zumindest.

Als du denn sagst, dass ihr so was wie meine Familie seid, sehe ich dich erstaunt an und merke dabei, wie sehr mir diese Worte doch zu Herzen gehen. Eine richtige Familie ... Eigentlich habe ich die Hoffnung darauf schon längst begraben. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass meine Augen einen sehnsüchtigen Ausdruck bekommen.

"Bei mir in der Abteilung sind noch ein paar Plätze frei", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen. "Und, so unter uns ... Ja, ich denke du solltest dich mal von einem Psychiater durchchecken lassen. Ich meine, schon alleine, dass du hier bist, ist irgendwie ..."

Ich mache eine wegwerfende Handbewegung.

"... merkwürdig ..."

Ich mache eine Pause und mustere dich.

"Ich bin ein hoffnungsloser Fall, Jim. Und ich weiß das."

Wieder mache ich eine Pause.

"Ich würde es gern ändern, aber ich kann nicht. Nicht, nachdem was ich angerichtet habe ... Aber ... würdest du Barbara ausrichten, dass es mir leid tut?"
 

"Tja, so verrückt es auch klingt, noch halte ich dich nicht für verloren, also werde ich dich auch noch nicht aufgeben. Denk darüber, was du willst", sage ich mürrisch, wobei ich nur versuche darüber hinwegzutäuschen, wie nahe mir diese Unterhaltung mittlerweile geht.

Dass du mich bittest, Barbara zu sagen, es tue dir leid, ist fast ein bisschen zu viel. Mein erster Impuls ist es, dich wirklich kurz zu umarmen. Ich zucke sogar in deine Richtung, reiße mich aber gerade so noch zusammen. Ich bin der taffe Police Commissioner und kein weinerlicher Waschlappen, verdammt noch eins. Trotzdem muss ich schwer schlucken, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden.

"Wieso ...", setze ich an, muss mich aber kurz sammeln.

Sowohl mein väterliches als auch großväterliches Herz schmerzen gerade.

"Wieso sagst du ihr das nicht selbst, hm? Wie wäre es wenn ... na ja ..."

Was ich dir gleich vorschlagen werde, könnte brillant sein. Oder total in die Hose gehen.

"Du könntest mal zu uns kommen. Einen Tag oder auch ein Wochenende, wenn du magst. Rede mit ihr. Erklär ihr, was du mir gerade gesagt hast. Selbst wenn wir das nicht gemeinsam stemmen können, sie wird es zumindest verstehen. Weder sie noch dein Kind werden sich dann mit dem Gedanken quälen müssen, dass du sie hasst und nichts von ihnen wissen willst."

Ich zucke mit den Schultern.

"Und wer weiß. Vielleicht merkst du ja, dass das alles doch funktionieren könnte."
 

Als du vorschlägst, dass ich eine zeitlang zu euch kommen soll, kann ich dich nur noch völlig verständnis- und sprachlos mit großen Augen ansehen. Ich setze mehrmals an, etwas dazu zu erwidern, aber ich bekomme kein verdammtes Wort raus.

Erst, nachdem ich mich ein wenig umständlich geräuspert habe, finde ich meine Stimme wieder.

"Ich -"

Meine ohnehin schon dünne Stimme versagt erneut.

"Crane lässt mich hier nicht raus ..."

Er wird mich hier nie wieder raus lassen, wenn ich mir nicht selber helfe, so viel ist mir klar. Da ich aber mittlerweile weiß, dass du es nicht gut heißt, wenn ich etwas Schlechtes über den Arzt sage, behalte ich diesen Einwand für mich. Du würdest mir ohnehin nicht glauben. Aber es ist ein verdammt verlockendes Angebot, was du mir gemacht hast ...

"Und ich bezweifle, dass Barbara mir überhaupt zuhören würde. Ich kann es ihr auch nicht verdenken."

Ein wenig hilflos zucke ich mit den Schultern und drehe unschlüssig das Ultraschallbild in den Händen.
 

"Oh, den lieben Doktor lass mal meine Sorge sein. Den werde ich schon breitschlagen. Ich habe vorhin mit ihm gesprochen und bin eigentlich ziemlich sicher, dass er dieser Angelegenheit wohlwollend gegenübersteht. Er hält es ebenfalls für wichtig, dass wir eine bessere Lösung finden als die momentane Situation."

Ich schenke dir ein aufmunterndes Lächeln.

"Abgesehen davon meinte er, dass du dich sehr gut führst in letzter Zeit und Fortschritte machst. Und was Barbara angeht ..."

Meine Mundwinkel zucken.

"Meine liebe Tochter mag der Meinung sein, dich zu hassen, aber wenn ich sie überzeuge, wird sie dich anhören. Und wenn du mutig genug bist, ehrlich zu sein, dann tust du ihr einen Gefallen, glaub mir. Dann weiß sie zumindest, dass sie nichts falsch gemacht hat und es nicht ihre schuld ist, dass du keinen Kontakt willst."
 

"Klar, Crane wird begeistert sein ...", erwidere ich missmutig und unwillkürlich läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.

Ich kann mir schon sehr gut vorstellen, wie begierig sich Crane die Hände reiben wird, weil er dann mal wieder was hat, mit dem er mich traktieren kann.

Etwas verwundert über die Aussage des Arztes, dass ich mich so gut führe, hebe ich eine Augenbraue.

Schleimt sich Crane bei dir ein?

Na ja, es würde mich eher wundern, wenn er es nicht tun würde - so wie er schon um Barbara herum schleicht ...

"Ich kann ihr das auch Alles in einem Brief erklären ...", murmle ich ausweichend.

Auch wenn ich sonst kein Problem mit Herausforderungen und Konfrontationen habe, diese Art einer Auseinandersetzung scheue ich dann doch.
 

"Ach, papperlapapp, du bist doch schon ein großer Junge, oder?", sage ich mit freundlichem Spott. "Notfalls halte ich euch beiden das Händchen, damit ihr mir nicht vor Panik umkippt."

Ein bisschen fühle ich mich hier wie euer Vermittler. Was heißt ein bisschen, irgendwie bin ich das gerade ja auch. Schlimm, dass meine starrköpfige Tochter sich einen ebenso starrköpfigen Mann aussuchen musste.

Ich reibe mir angestrengt über die Stirn.

"Großer Gott, dieses Kind wird so eine Plage", lache ich.
 

Ich lache kurz auf und zum ersten Mal in diesem ziemlich seltsamen Gespräch habe ich wirklich ein ehrliches und echtes Lächeln im Gesicht.

"Ich glaube, dass bekomme ich gerade so alleine hin", erwidere ich grinsend. "Aber ich sollte - nur zur Vorsicht versteht sich - ein paar Beruhigungsmittel mitgehen lassen."
 

Wahrscheinlich hellt mein Gesicht sich gerade deutlich auf, denn ich grinse dich begeistert an.

"Warte - ist das eine Zustimmung?", bohre ich eifrig nach.

Es fällt schwer, sich zu zügeln, wenn man endlich erreicht hat, was man will.

"Wirklich? Kann ich mit Crane reden?"
 

"Habe ich denn großartig eine andere Wahl, wenn mir der Polizeichef hier ein Ohr abkaut und vermutlich erst locker lässt, wenn ich ja sage?", frage ich immer noch grinsend. "Aber okay, meinetwegen", füge ich hinzu und hebe ergeben die Hände. "Die Chancen, dass ich in der Zeit mein Auto wieder bekomme, stehen sehr schlecht, oder?"
 

"Übertreib es nicht", lache ich. "Du bekommst eine Fahrt in meinem Dienstwagen - auf dem Beifahrersitz, wenn du brav bist. Das ist eine große Ehre."

Ich zwinkere dir verschwörerisch zu.

"Aber es freut mich, dass du dich dazu noch einmal bereit erklärst. Du kannst damit einiges gutmachen. Und alles ganz unverbindlich, also fühl dich nicht unter Druck gesetzt."
 

"Na ja ...", widere ich schulterzuckend und grinsend. "Ich dachte, es ist einen Versuch wert, wenn du schon so spendabel bist."

Irgendwie fühle ich mich erleichtert, aber gleichzeitig auch miserabel. Es ist irgendwie seltsam, hier so mit dir zu sitzen.

"Soll ich dich dann ab sofort Schwiegervater nennen?", frage ich mit einem Unterton, der deutlich macht, dass ich es als Scherz meine.

Ohne genau hinzusehen, stecke ich das Ultraschallbild zwischen die Seiten von Shakespeare, ehe ich mir eine Zigarette aus der Schachtel fummle, sie anzünde und einen tiefen Zug nehme.

"Und warum sollte ich mich unter Druck gesetzt fühlen? Ist ja nicht so, dass ich plötzlich ohne es zu wissen eine Familie gegründet habe oder so ..."
 

"Oh Gott, bloß nicht."

Ich winke eilig ab.

"Der Titel Opa reicht mir schon ..."

Ein bisschen verziehe ich das Gesicht.

"Da habt ihr beide gehörig Mist gebaut. Aber vermutlich ist es unnötig, wenn ich dir jetzt eine Standpauke über Verhütung halte?"

Kurz verfalle ich in Schweigen, bis ich etwas leiser hinzufüge.

"Und über die Umstände der ..."

Ich druckse ein wenig herum, weil mir kein geeignetes Wort einfällt.

"… Produktion meines Enkelkindes will ich gar nichts wissen. Also bitte, versuch nicht, irgendwas zu erklären."
 

Mein Grinsen fällt ein wenig in sich zusammen und ich versuche, diesen peinlichen Moment irgendwie zu überspielen, was mir vermutlich nicht sonderlich gut gelingt, da ich mir beschämt den Nacken kratze.

"Na ja ...", sage ich langgezogen und vermeide den direkten Blickkontakt mit dir. "Wie gesagt ... Das war so nicht geplant gewesen."

Um Zeit zu gewinnen, ziehe ich an der Zigarette und klopfe die Asche ab.

"Ich weiß ja selber, dass es ziemlich dämlich war ..."

Ich werfe dir einen vorsichtigen Blick zu.

"Hilft es irgendwie, wenn ich sage, dass ich normalerweise nicht so verantwortungslos bin?"
 

"Na ja. Wenn normalerweise nicht so verantwortungslos sein bedeutet, mit Minderjährigen am Arbeitsplatz -"

Ich halte inne und winke ab.

"Ach, vergiss es. Die Sache haben wir inzwischen geklärt. Und ich glaube, nach dem Schrecken wirst du beim nächsten mal dreimal nachdenken."

Einen Moment lang frage ich mich, ob besagtes nächstes Mal mit meiner Tochter oder einer Anderen sein wird. Und was von beidem mir lieber wäre ...

Keine zwei Sekunden aus der Anstalt raus und schon eine zwielichtige Übergabe noch zwielichtigerer Ware.

Ich muss verrückt gewesen sein, dieses Angebot anzunehmen.

Absolut durchgeknallt.

Vollkommen bescheuert.

Allein die Idee, ein ganzes Wochenende – dieses Wochenende – bei dir und Barbara in eurem Haus zu verbringen, grenzt an Wahnsinn.

Noch verrückter ist die Tatsache, dass Dr. Crane diesem wahnwitzigen Unterfangen freudestrahlend zugestimmt hat. Okay, freudestrahlend ist vielleicht ein wenig übertrieben, denn er war irgendwie ziemlich komisch drauf, als er mir in der letzten Sitzung – quasi fünf Minuten vor zwölf – mitgeteilt hat, dass du mich heute Nachmittag abholst und erst Sonntag Abend zurück bringst.

Keine Ahnung, wie du es geschafft hast, Crane zu überreden, dass er mich mal zwei Tage raus lässt, aber du hast es geschafft. Und ehrlich gesagt fühle ich mich nicht gerade wohl in meiner Haut, während ich hier in meiner Zelle darauf warte, dass es soweit ist. Ich fühle mich eher so, als warte ich darauf, auf den elektrischen Stuhl gebracht zu werden, statt mich auf das haftfreie Wochenende zu freuen.

Aber ich sollte zumindest froh sein, dass ich nicht in diesem totschicken orangenen Overall mit dem noch schickeren Arkham-Logo auf dem Rücken draußen rumlaufen muss, denn einer meiner netten und äußerst liebenswürdigen Aufseher drückt mir vor der zeitweiligen Entlassung einen Stapel Klamotten in die Hand und gibt mir gerade mal zehn Minuten Zeit, den Overall gegen den Stapel zu tauschen.

Ich sollte ebenfalls froh darüber sein, dass ich nicht mit Handschellen in den Besucherbereich geführt werde, wo du bereits auf mich wartest. Du begrüßt mich zwar freundlich, wirkst aber gleichzeitig ein wenig pikiert, als du mir offenbarst, dass ich während der ganzen Zeit außerhalb von Arkham eine elektronische Fußfessel tragen muss.

Passt ja hervorragend zum Outfit.

Auf dem Weg zu deinem Dienstwagen bist du ziemlich wortkarg, was mich aber nicht sonderlich stört. Ich habe selber keine Ahnung, was ich sagen soll und deswegen ist es mir nur recht, dass du nicht krampfhaft versuchst, ein Gespräch zu beginnen.

Kurz bevor wir deinen Wagen erreicht haben, hält ein Auto, welches mir gut bekannt ist, ein paar Plätze weiter. Mit einer hochgezogenen Augenbraue mustere ich das Auto.

Wieso muss der Typ auch immer erst im letzten Moment auftauchen …?

"Du erinnerst dich an meinen Anwalt …", murmle ich und nicke in Richtung des Wagens, als du mich fragend ansiehst.

Ich warte keine Antwort ab, sondern gehe zügig hinüber, wo Goldberg sich inzwischen auch aus seinem Wagen bequemt hat. Ohne viele Worte zu wechseln drückt er mir einen unscheinbaren braunen Umschlag in die Hand und verabschiedet sich wieder, nachdem ich den Inhalt kontrolliert habe.
 

"Edward", sage ich warnend und beobachte, wie du überprüfst, was auch immer dein Anwalt dir da zugesteckt hat.

Na, das fängt ja super an. Keine zwei Sekunden aus der Anstalt raus und schon eine zwielichtige Übergabe noch zwielichtigerer Ware.

"Wärst du so freundlich mir zu sagen, was zum Teufel du da hast?"

Ich bin auch so schön nervös genug. Im Nachhinein bin ich nicht ganz sicher, ob diese Idee wirklich so toll war. Immerhin weiß Barbara noch von nichts. Und dich ein Wochenende lang in meinem Haus zu beherbergen, könnte durchaus in einem Desaster enden. Andererseits steht es mir ja offen, dich sofort wieder in Arkham abzuliefern, wenn du es übertreibst.
 

"Nur ein bisschen Papierkram ...", erwidere ich ausweichend, nachdem ich wieder an deinem Wagen bin und den Umschlag in die Innentasche meiner Jacke gesteckt habe. "Keine Panik. Es ich nichts, was die nationale Sicherheit gefährdet."

Ich fummle ein bisschen am rechten Hosenbein herum, um irgendwie den Stoff über die Fußfessel zu bekommen, was sich als schwieriger als gedacht heraus stellt. Aber ich schaffe es mit ein bisschen Überredungskunst und schnappe mir die kleine Sporttasche, in der ein bisschen persönlicher Kram und Klamotten für dieses Wochenende sind.

"Können wir dann?", frage ich und sehe dich abwartend an.

Und ein nicht gerade kleiner Teil von mir hofft, dass du mich postwendend wieder bei Crane ablieferst.
 

Meine Augen sind misstrauisch verengt, als du deinen »Papierkram« verstaust. Das gefällt mir nicht. Allerdings will ich genauso ungern einen Streit deswegen vom Zaun brechen oder die Aktion sofort für gescheitert erklären.

"Wenn ich dich dabei erwische, wie du mit deinen Papieren irgendwelchen Mist anstellst, überfahre ich dich eigenhändig mit deinem Mustang."

Nach einem letzten warnenden Blick halte ich dir auffordernd die Tür zu meinem Dienstwagen auf.

"Bitte, der Herr. Einem netten kleinen Wochenende in Freiheit entgegen."
 

"Was soll ich denn für Mist anstellen, während ich unter deiner ständigen Überwachung bin und jeder Schritt von mir aufgezeichnet wird?", stelle ich eine Gegenfrage und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Und es ist unfair, den armen Mustang da mit hinein zu ziehen."

Ich folge deiner Aufforderung, lasse mich auf dem Beifahrersitz nieder und werfe die Sporttasche hinter mich auf den Rücksitz. Während du dich ans Steuer setzt, schnalle ich mich an und verfalle dann in Schweigen, bis wir aus der Sichtweite von Arkham sind.

"Besteht die Möglichkeit, dass wir einen kurzen Abstecher in die nächste Mall machen?", frage ich und werfe dir einen vorsichtigen Blick zu. "Die Klamotten sind furchtbar und ich würde sie gerne gegen etwas ... na ja, sagen wir ... Angemesseneres tauschen."

Zur Unterstreichung meiner Worte zupfe ich an dem wirklich hässlichen Strickpullover mit Rautenmuster herum.
 

Kurz löse ich meinen Blick von der Straße und schiele zu dir herüber.

"Angemessen, so so", murmle ich nachdenklich.

Machst du dir also sogar Gedanken über dein Outfit?

Ich würde mir gerne einbilden, dass du dich meiner Tochter so gut wie möglich präsentieren willst. Viel wahrscheinlicher ist es in diesem Fall jedoch, dass du einfach ein eitler Tropf bist. Was ich dir in diesem Fall nicht mal verdenken kann, der Pullover ist nämlich in der Tat potthässlich.

"Ich will stark hoffen, dass du nicht vorhast, durch irgendeinen ausgeklügelten Plan abzuhauen?", brumme ich. "Sollte das der Fall sein, würde ich dafür sorgen, dass dieser Pulli deine neue Patientenkleidung wird, wenn du zurück kommst."

Mit einem noch recht entspannten Lächeln auf den Lippen biege ich an der nächsten Kreuzung in Richtung der Mall ab.
 

"Wenn du dir so viele Gedanken darüber machst, ob ich untertauche, dann komm doch einfach mit", schlage ich lapidar vor. "Sollte nicht lange dauern und ich habe sicherlich nicht vor, Stunden mit »shoppen« zuzubringen ..."

Ich zucke kurz mit den Schultern.

"Orange ... Rauten ... Ist Alles grausam ... Das alleine ist schon Motivation genug."

Und ich behalte recht. Es dauert keine halbe Stunde, ehe wir zusammen wieder die Mall verlassen und ins Auto steigen.

Den Pullover habe ich mittlerweile gegen ein weißes Hemd, einen dunkelgrünen Pullunder und ein schwarzes Sportsakko getauscht. Die beigefarbene Leinenhose von Arkham ist das einzige Kleidungsstück, was ich behalten habe. Zusätzlich habe ich mir noch weitere Klamotten geholt, was mich insgesamt knapp dreihundert Dollar gekostet hat. Goldberg hat zum Glück genügend Scheine in den Umschlag gesteckt, weswegen es mich nicht sonderlich stört, so viel ausgegeben zu haben. Gutes Aussehen kostet nun mal und solange ich das nötige Kleingeld habe, gebe ich es gerne dafür aus.
 

"So", sage ich mit einem erleichterten Seufzen, als wir wieder im Auto sitzen. "Jetzt kann es ja endlich losgehen."

Ich bin froh, dass wir das ohne Zwischenfälle überstanden haben. Mit dir hier draußen herumzuspazieren ist immerhin ein Risiko und um einiges nervenzehrender, als ich mir das ausgemalt hatte. Deswegen bin ich recht froh, dass ich den Wagen wieder anlassen und dich endlich nach Hause kutschieren kann.

"Bist du nervös?", frage ich.

Wen eigentlich, dich oder mich selbst?
 

Fragend hebe ich eine Augenbraue, während ich dich ansehe.

"Habe ich denn einen Grund, nervös zu sein?"

Ich mustere dich einen Moment, ehe ich lautlos seufze.

"Barbara hat keine Ahnung, richtig?"

Na ganz große klasse ... Dabei hatte dieser Tag halbwegs gut angefangen. Wenn Babs wirklich nichts über meinen - nicht ganz freiwilligen - Besuch weiß, wird die Hölle los sein, wenn wir da sind.
 

"Ich hielt es für besser, ihr nichts zu sagen ..."

Mein Blick ist stur geradeaus auf die Straße geheftet.

"Sie hätte niemals erlaubt, dass ich dich mitbringe. Dafür ist sie zu verletzt. Wenn ich sie vor vollendete Tatsachen stelle, kann sie nicht mehr viel tun. Außer dich mit einem Küchenmesser aus dem Haus zu jagen vielleicht."

Ich lache nervös auf, weil mein eigener Witz erschreckend plausibel klingt.

"Vielleicht versuchst du einfach ... na ja ... nett zu sein?"

Ich sehe dich kurz hoffnungsvoll an.
 

"Na ja ...", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen. "Wenigstens ist sie dann zur Abwechslung mal auf dich sauer ..."

Ich lasse meinen Blick nachdenklich aus dem Seitenfenster schweifen und schweige für einige Sekunden.

"Ich denke, ein Küchenmesser wäre mein kleinstes Problem ..."
 

"Ich bezweifle, dass sie sich noch daran erinnern wird, dass ich da bin, sobald sie einen Blick auf dich wirft ..."

Rasch werfe ich dir ein aufmunterndes Lächeln zu.

"Aber hey, du packst das schon. Wenn ich einem außer mir selbst zutraue, mit dem unbändigen Zorn der Barbara Gordon fertig zu werden, dann dir."

Das klingt alles recht einfach, aber eigentlich habe ich eine Heidenangst, was als nächstes passieren wird.

"Wenn Barbara wirklich keinen Bedarf hat, dich zu sehen, dann werde ich dich wohl noch heute zurückbringen müssen."
 

"Meinetwegen können wir auch gleich umdrehen ...", murmle ich, während ich dir einen skeptischen Blick zuwerfe.

Ich ahne, dass du dir bereits das Schlimmste in Gedanken ausmalst.

"Wenn du dich dann wohler fühlst ..."

Ich raufe mir kurz die Haare und grinse schief.

"Ich hätte vielleicht wirklich Beruhigungsmittel mitgehen lassen sollen ..."
 

"Jetzt mal keine Panik", sage ich - hauptsächlich zu mir selbst - und klammere mich am Lenkrad fest. "Sie hat jedes Recht wütend zu sein und letztendlich ist es ihre Entscheidung. Aber es ist ein Beweis, dass dir nicht alles egal ist, wenn du mit ihr sprichst. Selbst wenn mit ihr sprechen bedeutet, dass du ruhig bist, während sie dich anschreit."
 

"Man könnte fast meinen, dass du hier derjenige bist, der kurz dafür ist, in Panik auszubrechen", erwidere ich mit einer hochgezogenen Augenbraue, während ich dich mustere.

Du bist eindeutig nervöser als ich. Gut, auch ich fühle mich nicht gerade wohl in meiner Haut und je näher wir eurem Haus kommen, desto mehr fängt mein Magen an zu rebellieren.

Zum Glück habe ich heute das Mittagessen ausfallen lassen. Na ja, bei dem Fraß, den sie uns in Arkham vorsetzen ...

Und nachdem, was ich mit Crane erlebt habe, ist eine wütende Barbara fast schon einfach.

"Mir ist klar, dass sie zu recht wütend ist. Aber kannst du meinen Zweifel nicht wenigstens ein bisschen verstehen?"
 

"Kann ich schon. Aber du darfst nicht vergessen, dass sie meine Tochter ist, Edward", seufze ich. "Sie geht definitiv vor, egal wie gut deine Gründe sind. So ist das mit Familie."

Ich lange kurz zu dir hinüber und drücke deine Schulter.

"Das wirst du schon noch merken, wenn du nicht vorher Muffensausen bekommst und alles hinschmeißt."

So unbeschwert es auch klingen sollte, ein bisschen Bitterkeit ist da in meiner Stimme. Ich befürchte immer noch, dass Alles gut geht, Barbara sich versöhnlich zeigt - und letztendlich alles daran scheitert, dass du im letzten Moment einen Rückzieher machst.
 

"Ich denke, dass ich in der Lage sein werde, ihr verständlich zu machen, wieso das Alles passiert ist. Allerdings kann ich nicht dafür garantieren, dass sie es auch gut aufnimmt. Sie steigert sich gerne in Sachen hinein ..."

Ich seufze lautlos und verspüre das dringende Bedürfnis nach einer Kippe.

"Weißt du ...", sage ich nach einem Moment des Schweigens. "Ich habe keine Ahnung, wie ich das hinbekommen soll. Ich meine diesen ganzen Familienkram und so ..."
 

"Von hineinsteigern kann hier wohl kaum die Rede sein. Oder bist du der Meinung, für Barbara wäre das alles halb so schlimm und du bist der einzige Leidtragende in dieser Angelegenheit?", sage ich streng.

Deine Ehrlichkeit stimmt mich allerdings schon wieder versöhnlich.

"Das schöne an diesem Familienkram ist ja, dass man ihn nicht allein hinbekommen muss. Du kannst zu mir kommen, wenn du Probleme hast. Und Barbara wird dich sicher auch nicht überfordern wollen. Wahrscheinlich wird sie solche Angst haben, dich wieder zu verjagen, dass sie dich nur noch mit Samthandschuhen anfasst."
 

Eigentlich liegt mir eine sarkastische Antwort auf der Zunge, aber da ich keine Lust habe, dass du mich jetzt aus dem Wagen wirfst, schlucke ich sie runter und ziehe es vor, schweigend aus dem Seitenfenster zu sehen.

Im Prinzip hast du ja recht. Für Barbara ist es sicher auch nicht gerade einfach. Aber im Gegensatz zu mir hat sie genug Leute, die ihr unter die Arme greifen. Allen voran du – und die Fledermaus. Schon alleine bei diesem Gedanken bekomme ich schon wieder schlechte Laune. Und jede Wette, Crane würde sich gerne als dein Schwiegersohn anbieten.

Crane … Tja, er ist mittlerweile zu einer fast unberechenbaren Komponente geworden. Und ich muss echt aufpassen, was ich in Arkham tue und lasse. Irgendwie muss ich zusehen, dass ich ein paar Druckmittel gegen ihn in die Hand bekomme, um zu verhindern, dass er wieder mit seinen Experimenten anfängt.

Ohne, dass ich es wirklich bemerke, weil ich so in Gedanken versunken bin, biegen wir auf eure Straße ein.
 

Eigentlich würde ich gerne noch irgendetwas sagen, aber mir fällt nichts ein, was in dieser Situation angemessen wäre. Also stelle ich den Wagen schweigend in der Auffahrt ab und starre das Garagentor an. Barbara wird gerade da drinnen sein und von nichts wissen. Ein Buch lesen, fernsehen, aber auf alle Fälle nicht damit rechnen, dass ich dich gleich mitbringe.

Tief in mir regen sich jetzt schon die Schuldgefühle.

Sollte ich meiner schwangeren Tochter diesen Stress wirklich zumuten?

Ich fahre mir ratlos durch die Haare. Es ist das Beste, rede ich mir ein. Solange du dich nicht benimmst wie der letzte Idiot und wieder Alles in den Sand setzt.

"Na los", seufze ich schließlich. "Stürzen wir uns mal in die Höhle des Löwen."

Ich steige aus und warte, bis du deine Tasche geholt hast und zu mir gekommen bist. Dann verriegle ich den Wagen und gehe dir voran zur Haustür, die ich mit zittrigen Händen öffne.

"Babs, Liebling?", rufe ich und winke dich herein. "Ich habe Besuch mitgebracht."

Ich weiß, dass es gut zwei Wochen zu spät ist, aber ... Happy Birthday ...

Im ersten Moment blinzle ich ein paar Mal verwirrt, als wir anhalten und Jim den Motor ausstellt.

Wir sind also da ...

Komischerweise wünsche ich mich gerade zurück nach Arkham, denn Höhle des Löwen trifft es vermutlich ziemlich gut.

Oh Gott, auf was habe ich mich da bloß eingelassen ...?

Schweigend folge ich Jim ins Haus und frage mich, was passieren würde, wenn ich jetzt einfach flüchte. Er würde sicherlich nicht gleich auf mich schießen.

Na ja, zumindest hoffe ich das ...

Im Erdgeschoss ist es ziemlich ruhig, nur aus dem ersten Stock kann man Musik hören. Ich schätze mal, dass du nicht gehört hast, dass dein Dad zu hause ist. Normalerweise ist er auch nicht um diese Zeit da, weswegen du sicher nicht damit rechnest. Noch hätte ich also Zeit zum Abhauen ...

Doch ich mache nichts dergleichen. Ich nicke einfach nur stupide, als Jim mich auffordert, in der Küche zu warten, während er zu dir hoch gehen will.

Mit einem sehr unguten Gefühl im Magen gehe ich in eure Küche, die ich noch sehr gut kenne und sehe mich kurz um. Auf dem Küchentisch liegt die heutige Tageszeitung. Ich könnte mich ja zumindest mal auf den neusten Stand bringen, was hier draußen in der Welt so los ist.

Also setze ich mich an den Küchentisch, lasse meine Sporttasche daneben fallen und greife nach der Zeitung.
 

Als Dad hereinkommt, breitet sich ein überraschtes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Es ist untypisch, dass er den Tag über zu hause ist. Vielleicht ist heute so wenig los, dass er sich frei genommen hat, um seinen großväterlichen Pflichten nachzukommen.

Fröhlich springe ich von meinem Bett, mache ohne genau hinzusehen mein Radio aus und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.

"Wie geht es meinem Lieblingscommissioner?", flöte ich grinsend.

Dads besorgter Ausdruck lässt allerdings sofort die Alarmglocken schrillen.

"Was? Was ist los?"

"Ähm …", beginnt Dad leise.

Ach du liebe Güte.

Wer ist jetzt schon wieder gestorben?

"Wir haben Besuch", sagt er dann. "Übers Wochenende - wenn das für dich in Ordnung ist, meine ich."

Das lässt mich stutzig werden. Dad bringt selten Freunde mit nach hause. Und schon gar nicht für Pyjamapartys.

"Jemanden, den ich kenne?"

"Ja ..."

"Aus dem GCPD?", bohre ich ungeduldig weiter.

"Gewissermaßen ..."

Ich runzle die Stirn.

"Hat Harvey es doch noch geschafft, sich von seiner Frau rauswerfen zu lassen?"

Dad lacht kurz auf, aber das Lachen erreicht nicht seine Augen.

"Zum Glück nicht", brummelt er. "Er ist unten in der Küche und will mit dir reden ... Geh doch mal nachsehen."

Eine böse Vorahnung macht sich in mir breit und ich werfe meinem Vater - der kurz davor ist, sich als verräterischer Mistkerl zu entpuppen - einen warnenden Blick zu, ehe ich mich in die Küche aufmache.

Und tatsächlich. Da, am Tisch, mit einer Zeitung in der Hand, sitzt du. Ganz so, als wäre es das Normalste der Welt.

Erst fahre ich zu Dad herum, der mir mit etwas Abstand gefolgt ist.

"DU!", fauche ich ihn an, dann drehe ich mich zu dir und zeige anklagend auf dich. "UND DU! IHR BEIDE!"

Wütend stampfe ich mit dem Fuß auf.

"Ich fasse es nicht! Was hast du in meinem Haus verloren?! Wie kannst du es wagen, auch nur einen Fuß über diese Schwelle zu setzen?!"

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie unglaublich zornig ich auf dich und wie maßlos enttäuscht ich von meinem Vater bin.
 

Als ich plötzlich deine laute Stimme höre, zucke ich so heftig zusammen, dass die Zeitung in meiner Hand zerknittert und einreißt. Gleichzeitig springe ich so abrupt auf, dass der Stuhl lautstark über den Boden schabt. Ich habe dich nicht kommen gehört, weil mich ein Artikel in der Zeitung über die neuste Aktion des Jokers gefesselt hat und deswegen sehe ich dich jetzt entsprechend erschrocken an.

Du bist eindeutig sauer. Na ja, wirklich verdenken kann ich es dir nicht, aber ich habe schon ein wenig gehofft, dass du inzwischen ein wenig runter gekommen bist. Aber anscheinend habe ich mich da getäuscht. Oder es sind die Hormone.

Ganz kurz flackert mein Blick auf deine Körpermitte, wo man - da du wütend die Hände in die Hüften gestemmt hast - schon ziemlich deutlich sehen kann, dass du schwanger bist. Aufgrund der beiden Ultraschallbilder, die ich gesehen habe, kann ich zumindest davon ausgehen, dass du nicht einfach nur vollgefressen bist.

Ich setze an, etwas zu sagen, bringe aber kein Wort heraus. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie Jim mir auffordernd zunickt. Na toll ... Ich darf jetzt also die Wogen glätten - obwohl es nicht mal meine Schuld ist.

"Das war nicht meine Idee ...", sage ich leise, nachdem ich tief Luft geholt habe.

Erst, nachdem ich geendet habe, wird mir klar, dass das nicht gerade die beste Antwort war, die ich geben konnte.

"Ich ..."

Verdammt, ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich eigentlich sagen soll, damit du nicht wirklich mit dem Küchenmesser auf mich los gehst.

Ich werfe Jim kurz einen hilfesuchenden Blick zu. Allerdings wirkt auch er eher so, als ob er ein wenig überfordert mit der Situation ist.
 

"Oh, nicht deine Idee, na hoppla! Da kann das natürlich mal passieren. Es war ja auch nicht deine Idee, mich zu schwängern, was?!", fahre ich dich an.

Dass du völlig überfordert zu sein scheinst, ist mir gerade ziemlich egal. Irgendwann muss ich mal darüber hinwegkommen, ständig Mitleid mit dir zu haben.

"Scheinbar ist Alles, was ursprünglich nicht deine Idee war, auch nicht dein Bier?!"

"Ich glaube, ich lasse euch beide dann mal in Ruhe ... reden ..."

Ich drehe mich wütend um und sehe gerade noch, wie Dad in beachtlichem Tempo aus der Küche huscht. Na klar. Den werde ich mir danach vorknöpfen.

"Warum hast du es dir eigentlich zur Aufgabe gemacht, immer Alles schlimmer zu machen, hm?", frage ich mit einer hörbaren Portion Verzweiflung in der Stimme. "Jedes Mal, wenn wir uns begegnen und wieder Alles in Schutt und Asche liegt und ich mich fast wieder aufgerafft habe, tauchst du wieder auf. Ich meine ... Du haust ab und lässt mich sitzen, ich baue mir mühselig mein Leben wieder auf - du tauchst auf und willst mit mir durchbrennen. Ich schaffe es, dir endlich mal zu widerstehen und du wirfst mich raus. Ich finde mich damit ab, du rufst mich an und machst Alles zunichte. Ich will dich dingfest machen und du bekommst mich ins Bett. Ich denke, du würdest freiwillig mitkommen, du lässt mich angreifen und betäuben. Und jetzt?!"

Inzwischen ist meine Stimme schrill und man könnte durchaus behaupten, dass ich hysterisch werde. Eine Hand lege ich schützend über meinen Bauch.

"Und jetzt sagst du mir solche bösartigen Sachen und kaum habe ich aufgehört zu weinen und wieder Mut gefasst, stehst du da und ... was? Was erwartest du jetzt eigentlich?"

Völlig entkräftet ziehe ich mir einen Stuhl heran und lasse mich darauf sinken. Das Gesicht vergrabe ich in den Händen. Das ist eindeutig zu viel für mich.

"Dad ist so ein Trottel. Dass er dich wirklich hierherkommen lässt. Warum hast du zugestimmt?"

Ich sehe dich verzweifelt an.

"Macht dir das Spaß? Wieder und wieder Salz in die Wunde zu streuen? Die dumme kleine Klette noch weiter zu quälen?"
 

Als du mich wieder so heftig und lautstark anfährst, zucke ich erneut zusammen und habe das dringende Bedürfnis, jetzt wirklich die Flucht zu ergreifen. Nur zu gerne würde ich Jim folgen und mir notfalls ein Taxi nach Arkham organisieren.

Schweigend höre ich mir deine nicht ungerechtfertigten Vorwürfe an, nachdem ich mich hinter die freistehende Theke zurück gezogen habe, um ein wenig mehr Abstand zu dir zu gewinnen. Die Zeitung habe ich immer noch in der Hand, wie ich feststelle. Und meine Hände zittern leicht.

"Ich erwarte gar nichts ...", erwidere ich leise, nachdem du deine Schimpftirade vorläufig beendet hast und halte den Kopf gesenkt.

Ich schaffe es nicht, dich anzusehen, denn obwohl Alles in mir danach schreit, hier so schnell wie möglich zu verschwinden, kann ich dich jetzt nicht einfach wieder sitzen lassen. Und genau das macht mir ehrlich gesagt eine Heidenangst, da ich absolut nicht weiß, was ich mit diesen widersprüchlichen Gefühlen anfangen soll.

"Dein Dad war ziemlich hartnäckig", versuche ich mich ziemlich kleinlaut zu rechtfertigen. "Ich denke, ihm ist genauso klar wie mir, dass du mich hier nicht haben willst. Ich verschwinde auch gleich wieder, lass mich nur kurz erklären, warum ich letztendlich zugestimmt habe ..."

Ich mache eine Pause und seufze lautlos.

"Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass es mir leid tut, was ich dir Alles in den letzten Wochen an den Kopf geworfen habe. Das war nicht fair von mir."

Ich muss wieder eine Pause machen, da meine ohnehin schon dünne Stimme kurz davor ist, zu versagen.

"Mir ist klar, dass du mir kein Wort glauben wirst ... Aber ich hoffe, dass du mir wenigstens glaubst, dass ich nicht vorhabe, dir weiter Ärger zu bereiten. Ein Wort von dir und ich bin weg ..."
 

"Oh, natürlich", wiederhole ich müde.

Ich schaffe es schon gar nicht mehr, dich anzuschreien.

Soll ich das denn für den Rest meines Lebens machen?

"Weil Dad so hartnäckig war. Wirklich schön, dass er dir so wichtig ist, dass du Alles für ihn tust."

Wahrscheinlich ist mir anzuhören, wie verraten ich mich fühle.

Von Dad ...

Von dir sowieso ...

"Du hast Recht, Edward."

Ich sehe dich scharf an.

"Ich glaube dir kein Wort. Weißt du, ich habe mir solange eingeredet, dass Alles, was du immer behauptest, falsch ist, dass ich dir so unglaublich wichtig bin und du einfach zu verkorkst bist, dir das einzugestehen. Aber inzwischen musste ich mir eingestehen, dass ich einfach nur völlig bescheuert bin. Ich bin naiv und glaube immer das, was ich mir wünsche."

Ich schüttle traurig den Kopf.

"Du hoffst doch darauf, dass ich dich hier nicht will. Damit du der Sache den Rücken kehren kannst und keinen Stress hast. Warum sagst du so etwas überhaupt? Dad zuliebe?"

Ich muss schwer schlucken.

"Du magst ihn wirklich, oder? Vielleicht tust du ihm ja einfach den Gefallen, seine dumme, überemotionale Tochter zu beruhigen ..."
 

"Es wäre alles sehr viel einfacher, wenn es so wäre, nicht wahr?", stelle ich leise eine Gegenfrage und hebe den Kopf, um dich endlich wieder anzusehen. "Leider ist es nicht ganz so einfach ... Tut mir leid ..."

Ich zucke unbeholfen mit den Schultern und lasse die zerknüllte Zeitung auf die Theke gleiten.

"Weißt du ...", fahre ich mit einem lautlosen Seufzen fort. "Ja, ich mag Jim. Aber das hat nicht zwangsläufig etwas mit dir zu tun. Als du vorhin losgepoltert bist, wollte ich nichts lieber, als zu verschwinden - egal, ob ich zugestimmt habe, dir zumindest zu versuchen zu erklären, warum ich ... na ja ..."

Wieder zucke ich mit den Schultern.

"Nur um Jim einen Gefallen zu tun, hätte ich mich sicherlich nicht auf dieses Himmelfahrtskommando eingelassen ...", füge ich leise hinzu und senke wieder den Blick.

Dann trete ich langsam hinter der Theke hervor und komme ein paar Schritte auf dich zu, während ich mit der Hand in die Innentasche meines Sportsakkos greife. Ich bleibe einen Schritt vom Küchentisch entfernt stehen und lege dir den unscheinbaren brauen Umschlag hin. Die einhundert Dollar Scheine, die vorher dort drin waren, habe ich mittlerweile in einem anderen Umschlag.

"Ich weiß, dass es gut zwei Wochen zu spät ist, aber ... Happy Birthday ..."
 

"Großer Gott, hör auf!", schreie ich dich an und raufe mir mit beiden Händen die Haare. "Ich will das nicht hören! Du schmierst mir wieder Honig ums Maul! Was willst du? Mich gnädig stimmen, damit du dein Wochenende in Freiheit genießen kannst?! Dir nochmal den Spaß gönnen, mich fertig zu machen, wenn ich gerade wieder angebissen habe?!"

Okay, vielleicht bin ich inzwischen wirklich hysterisch und das ist definitiv nicht gut für das Baby.

"Dir tut nichts leid. Höchstens, dass du mit mir geschlafen und dich da eingeritten hast ..."

Allmählich steigere ich mich wieder in meine Wut hinein, vor allem, als du auf mich zukommst.

"Lass mich doch einfach in Ruhe! Ich brauche dich nicht, um dieses Kind großzuziehen! Ich schaffe das allein, du -"

Die Beleidigung bleibt mir im Halse stecken.

"Wie bitte?"

Völlig verdattert starre ich erst dich, dann den Umschlag und dann wieder dich an.

"Du hast dir meinen Geburtstag gemerkt?"

Das kommt mir wie die größte Absurdität überhaupt vor.

Wozu?

Zu meinem letzten Geburtstag habe ich keine Information über deinen Verbleib bekommen. Es war davon auszugehen, dass du ihn nicht kennst und er dich auch nicht interessiert.

"Was ... was ist das?"

Ich lege eine Hand auf den Umschlag und sehe dich fast verängstigt an. Irgendwie rechne ich mit irgendeiner Gemeinheit.

Super.

Dank dir führe ich mich schon auf wie ein verschrecktes Reh.

Lohnt es sich, die Irrenanstalt und den König der Verrückten gegen eine erzwungene Familienidylle zu tauschen?

Resigniert lasse ich kurz den Kopf hängen, bevor ich dich wieder ansehe. Vermutlich kannst du den niedergeschlagenen Ausdruck in meinen Augen sehen. Aber das spielt keine Rolle mehr für mich. Ich habe sowieso Alles verloren, was mir auch nur andeutungsweise etwas bedeutet hat.

"Was du damit machst, ist allein deine Entscheidung. Ich bezweifle, dass ich dafür noch eine Verwendung habe ..."

Kurz huscht ein trauriges Lächeln über mein Gesicht.

"Ich verschwinde dann. Pass auf dich auf, okay ...?"

Ich warte keine Antwort von dir ab, sondern schnappe mir einfach die kleine Sporttasche und verlasse die Küche, um Jim mitzuteilen, dass sein toller Plan mehr als nur nach hinten losgegangen ist und ich jetzt wieder zurück nach Arkham sollte.
 

Geradezu schockiert starre ich auf die Stelle, an der du eben noch gestanden hast. Ich blinzle verwirrt.

Was ich davon halten soll, weiß ich nicht wirklich ...

Könnte alles Täuschung sein ...

Oder ...?

"Scheiße", fluche ich und werfe sofort einen entschuldigenden Blick auf meinen Bauch.

Eigentlich wollte ich mir das Fluchen dem Kind zuliebe abgewöhnen.

Mit dem Umschlag in der Hand sprinte ich dir nach und erwische dich gerade rechtzeitig, bevor du die Treppe runter in den Keller gehen kannst, um an die Tür von Dads Büro zu klopfen. Ich fasse dich am Handgelenk, um dich davon abzuhalten.

"Edward, ich bin um ehrlich zu sein völlig überfordert mit alledem", flüstere ich.

Deine Hand lasse ich los, obwohl es mir überraschenderweise auch nach allem, was vorgefallen ist, noch widerstrebt.

"Ich habe Angst. Und ich bin verletzt. Aber ..."

Ich zucke betrübt mit den Schultern.

"Ich kann dich nicht wirklich hassen. Also bitte. Bitte erklär mir, warum du dich so aufführst. Bitte gib mir die Möglichkeit, das Alles zu verstehen."

Meine Stimme wird immer flehender und ich klammere mich mit einer Hand an den Umschlag, die andere liegt auf meinem Bauch.

"Du kannst danach immer noch gehen. Aber lass mich nicht so zurück, okay? Bitte ..."

Noch einmal greife ich nach deiner Hand, diesmal um dich zurück in die Küche zu ziehen.

"Ich werde dich auch nicht mehr anschreien", verspreche ich. "Ich bin es sowieso leid, immer zu schreien und zu streiten ..."
 

Ich weiß nicht, ob du es bemerkst, aber als du plötzlich neben mir stehst, zucke ich heftig zusammen.

Verflucht sei Crane und sein Experiment!

Im ersten Moment sehe ich dich vermutlich ziemlich ängstlich an, ehe sich mein Gesichtsausdruck zu deutlich verwirrt ändert.

Gerade hast du mir noch die Pest an den Hals gewünscht und jetzt das?

Und da behauptet Crane, ich hätte extreme Stimmungsschwankungen ...

Mit einer irritiert angehobenen Augenbraue lasse ich mich von dir zurück in die Küche ziehen und bleibe dann unschlüssig mitten im Raum stehen, nachdem du meine Hand losgelassen hast.

"Ähm ...", murmle ich verwirrt und schüttle kurz andeutungsweise den Kopf, um irgendwie wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

Wenn du schon überfordert bist, was soll ich dann davon halten?

"Das ist alles ziemlich kompliziert ... Und ziemlich schwer zu erklären ...", sage ich leise und raufe mir nervös die Haare. "Ich bin ja eigentlich gar nicht auf dich wütend. Es ist nur ..."

Ich breche ab und werfe dir einen fast schon flehenden Blick zu, in dem die stumme Hoffnung liegt, dass du mich nicht dazu zwingst, wirklich zu erklären, dass ich Crane abgrundtief hasse.
 

So verloren, wie du in der Küche stehst, wirkst du in etwa so, wie ich mich fühle.

"Was?", frage ich zögerlich. "Was ist es? Edward ..."

Weil ich es nicht fertig bringe, dich anzusehen, befasse ich mich damit, den Umschlag zu öffnen.

"Von meiner Warte sieht es so aus, als hättest du mich dummerweise geschwängert und dich dann entschieden, dass dir das völlig schnuppe ist, immerhin kann ich ja einfach abtreiben. Du hast mir Dinge an den Kopf geworfen, die deutlich vermittelt haben, was du von mir hältst. Es sieht aus, als wäre dir egal, wie es mir geht. Und das du jetzt hier bist ist ziemlich verwirrend ..."

Ich schaffe es, mit zitternden Händen den Umschlag aufzumachen und ertaste Papier. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

"Ich hatte einen beschissenen achtzehnten Geburtstag ...", seufze ich. "Dad wollte mir auch eine Karte schenken, aber ich hab sie nicht mal angenommen, weil ich so fertig war."

Ich ziehe die vermeintliche Karte aus dem Umschlag und stutze, als ich stattdessen Dokumente in meinen Händen halte, die ich erst nicht zuordnen kann.

"Hatten sie kein schöneres Papier in Arkham?", witzele ich, aber das Lächeln gefriert mir auf den Lippen, als ich genauer lese.

Besitzdokumente. Und nicht nur irgendwelche.

"Der Mustang?", keuche ich völlig verdattert. "Du ... was?"

Schockiert sehe ich dich an. In meinem Kopf rattert es.

"Warum?"

Mir kommt der Gedanke, dass du dich mit dem Wagen vielleicht frei kaufen willst. Auto gegen Vaterpflichten, klingt doch plausibel. Aber ein Blick auf dich lässt mich ahnen, dass dir danach nicht wirklich der Sinn stand.

"Edward ...", flüstere ich, stocke, weil ich mal wieder anfange zu weinen, und setze neu an. "Eddie, das ... danke."

Ich schniefe leise und wische mir die Tränen mit dem Ärmel weg.
 

Ein vorsichtiges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich sehe, wie geschockt du über den Inhalt des Umschlages bist. Aber du scheinst dich zumindest zu freuen. Na ja, ich hoffe zumindest, dass ich deine Reaktion richtig interpretiere.

"Na ja ...", murmle ich leise und reibe mir angestrengt und angespannt den Nacken. "Ich denke nicht, dass ich so schnell wieder Verwendung für ihn habe und bevor er sich im GCPD kaputt steht, hielt ich es für das Beste, wenn sich Jemand um ihn kümmert, der ihn auch zu schätzen weiß ..."

Ich werfe dir einen vorsichtigen Blick zu.

"Dein Dad hat mal erwähnt, dass du ihn am liebsten sofort mitnehmen würdest. Du hattest Geburtstag ... Zähl Eins und Eins zusammen ..."

Kurz zucke ich mit den Schultern.

"Ich denke mal, du wirst dich gut um ihn kümmern, oder?"

Ich muss den Kopf senken und schwer schlucken. Auch wenn der Mustang nur ein Auto ist, hat er mich viele Jahre lang begleitet und so komisch es auch ist - der Abschied fällt mir nicht gerade leicht.
 

Ich kann gar nicht anders, als dein Lächeln zu erwidern. Es bedeutet mir viel, dass du mir den Wagen anvertrauen willst. Ich weiß, wie wichtig er dir ist. Und dass du ihn mir schenkst, obwohl ich mich schon mal mit einem Schlüssel darüber hergemacht habe. Was ich im Nachhinein ziemlich bereue.

Vorsichtig mache ich ein paar Schritte auf dich zu, bis ich vor dir stehe.

"Ich wollte den Wagen nicht für mich, weißt du. Aber diese ganzen schmierigen Idioten haben sich schon die Finger danach geleckt. Ich wollte nicht, dass diese Kerle dein Auto bekommen ... Also das ..."

Ich deute auf die Dokumente in meiner Hand.

"Das bedeutet mir viel, Eddie. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich werde gut auf ihn aufpassen."

Hastig blinzle ich ein paar Tränen weg.

"Auch wenn es nicht das beste Familienauto ist", versuche ich mich halbherzig an einem Witz, aber die Tränen fließen trotzdem weiter.

Etwas ängstlich sehe ich dich an.

"Wäre es zu viel für dich, wenn du mich mal in den Arm nimmst? Völlig unverbindlich natürlich ..."
 

Unwillkürlich verkrampfe ich ein wenig, als du auf mich zu kommst und schließlich direkt vor mir stehen bleibst. Zwar ist mir deine Nähe nicht so unangenehm wie die von vielen Anderen, aber aufgrund der unschönen Situation, die uns hier in eurer Küche zusammen geführt hat und der Tatsache, dass ich zurzeit sowieso ein wenig schreckhaft bin, reagiert mein Körper inzwischen schon automatisch.

"Wenn du den Wagen nicht behalten willst, kann ich das verstehen", erwidere ich leise. "Wenn er regelmäßig gewartet wird und der Lack wieder in Ordnung ist, dann ist er aktuell etwa fünfzigtausend Dollar wert und er steigt jedes Jahr im Wert."

Mit einem schiefen Grinsen zucke ich kurz ungelenk mit den Schultern.

"Also für den Fall, dass du daran denkst, ihn zu verkaufen, solltest du zumindest wissen, was er wert ist … Und sei beim Schalten ein bisschen sensibel. Er ist manchmal eine echte Diva …"

Bei deiner Frage mache ich automatisch einen Schritt nach hinten und plötzlich steigt das Gefühl der Panik wieder in mir hoch. Und dieses Mal hat es nicht zwangsläufig etwas mit Crane zu tun. Und auch wenn mir bewusst ist, dass du meine Reaktion auf dich beziehen wirst, kann ich gar nicht anders.

"Ich … Ähm …", murmle ich hastig, um meine Unsicherheit und aufsteigende Panik zu überspielen. "Ich halte das für keine gute Idee …"

Ich schenke dir ein deutlich unsicheres schiefes Lächeln und packe die Tragegriffe der Sporttasche fester.

"Und ich sollte jetzt besser zurück nach Arkham …"

Auch wenn mein Herz mir gerade lautstark zu verstehen gibt, dass ich ein riesengroßer Idiot bin, ziehe ich es vor, auf meinen Verstand zu hören. Es ist einfach besser – sowohl für dich, als auch für mich – dass wir weiterhin getrennte Wege gehen und so viel Abstand wie möglich zwischen uns bringen. Schon alleine, um dich von dem kriminellen Gesindel und Arkham fernzuhalten, muss ich diesen Weg gehen – auch wenn es mir widerstrebt.

"Nimm's deinem Dad nicht übel", werfe ich noch schnell hinterher. "Er hat es nur gut gemeint. Wenn du Jemanden die Schuld geben willst, dann gib sie mir. Ich wollte eigentlich nur, dass du weißt, dass es nicht deine Schuld ist. Wenn es für dich einfacher ist, dann nehme ich die ganze Schuld auf mich. Ein paar Probleme mehr machen den Kohl auch nicht fett ..."
 

"Wow ...", flüstere ich und starre auf die Dokumente in meiner Hand. "Nein, ich werde den Wagen definitiv behalten. Warum ihn verkaufen? Dann bin ich halt eine coole Mom mit Sportflitzer. Das kommt sicher gut an in der Vorschule."

Ich ringe mir ein Lachen ab, werde aber schnell wieder ernst.

"Dann nicht ..."

Beschämt lasse ich den Kopf hängen. Was für eine dumme Idee.

Warum solltest du mich noch anfassen wollen?

Wahrscheinlich hast du jetzt Angst davor, dass gleich das nächste Unglück passiert. Ich schaue traurig auf meinen Bauch. Und sonderlich verführerisch bin ich auch nicht mehr. Da bleiben wohl keine Argumente.

Als du ankündigst, zu gehen, atme ich trotzdem tief durch und schüttle den Kopf.

"Nein, Edward. Du musst nicht zurück. Du hast ein freies Wochenende, genieß das. Ich halte mich fern versprochen. Verbring Zeit mit Dad, mach dir einen Kaffee."

Ich mühe mich für ein Lächeln ab, nach dem mir gar nicht zumute ist.

"Es ist unser beider Schuld. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, was eigentlich mit dir los ist."

Ich zucke mit den Schultern.

"Aber das ist kein Grund, dich zu irgendwas zu zwingen. Keine Angst. Mir ist klar, dass das mit uns beiden für dich nicht dasselbe war. Ich werde mich dir nicht an den Hals werfen."

Ganz instinktiv schlinge ich beide Arme um meine Körpermitte.

"Es ist gut ... Soll ich dir das Bett im Gästezimmer beziehen?"
 

Auch wenn es mir leid tut, dass du so enttäuscht bist und ich gerne so etwas wie »Es ist nicht deine Schuld« sagen würde, bekomme ich die Worte nicht über die Lippen. Wenn ich es wirklich sagen würde, würdest du nur wieder nachharken, wessen Schuld es dann ist. Und für ein Kreuzverhör habe ich momentan wirklich nicht die Nerven.

Also lasse ich die Schultern und den Kopf hängen und hebe ihn erst wieder an, als du sagst, dass ich ruhig hier bei euch bleiben soll. Irritiert sehe ich dich an und blinzle ein paar Mal verwirrt. Ich muss zugeben, dass ich damit nicht gerechnet habe und irgendwie ist das zu schön, um wahr zu sein.

Du führst doch wohl nicht etwas im Schilde, oder?

Steckst du am Ende schon mit Crane unter einer Decke?

"Ich weiß nicht …", murmle ich unsicher.

Es ist sehr verlockend, ein ganzes Wochenende fern von Arkham und ganz besonders Crane zu sein.

Aber lohnt es sich, die Irrenanstalt und den König der Verrückten gegen eine erzwungene Familienidylle zu tauschen?

"Nur wenn dir das wirklich recht ist …"
 

"Ja, ähm ..."

Ich fummle nervös in meinen Haaren.

"Das ist wirklich kein Problem. Dad scheint sich ja Mühe gegeben zu haben, dich hierherzubekommen. Da will ich ihm seinen Geniestreich doch nicht ruinieren ..."

Ich räuspere mich verhalten. Ich weiß nicht wirklich, was ich noch sagen soll. Es kommt mir vor, als würden noch immer tausend Dinge zwischen uns stehen. Nur leider finde ich absolut keinen Zugang zu dir, der mir erlauben würde, sie aus der Welt zu schaffen. Ich seufze abgespannt.

"Ich gehe Dad bescheid sagen", informiere ich dich und bin mir selbst darüber im Klaren, dass ich die Chance nutze, aus der unangenehmen Situation zu flüchten.
 

Kurz verziehen sich meine Mundwinkel zu einem fast schon krampfhaften Lächeln, als du Jims Überredungskünste als Geniestreich betitelst. Wenn du wüsstest, dass eigentlich gar nicht so viel überreden notwendig war, würde deine Reaktion sicherlich anders ausfallen. Aber es ist gut so, wie es jetzt ist. Na ja ... Zumindest versuche ich mir das einzureden.

Ich wusste gar nicht, dass vermeintliche Kochkünste ärztlich attestierte Verrücktheit aufwiegen ...

Aus seinem Büro brauche ich Dad gar nicht zu holen. Er steht bereits hinter der Tür und sein Blick ist schuldbewusst.

"Na, Liebling?", grüßt er möglichst beiläufig. "Habt ihr alles besprochen?"

"Nein", sage ich eisig und fixiere ihn streng. "Hast du gelauscht?"

"Ich habe euch im Flur reden hören. Ich wollte nur sichergehen, dass ihr euch nicht an die Gurgel geht."

"Tun wir nicht. Wir sind doch gesittet."

Ich werfe dir einen kurzen Blick über die Schulter zu.

"Edward bleibt übrigens."

Auf Dads Gesicht ist zu erkennen, dass er den Satz als »Edward bleibt für immer« auffasst, denn er schenkt dir ein strahlendes Lächeln.

"Und ich habe ein Geburtstagsgeschenk bekommen", füge ich mit einem Lächeln hinzu.
 

Als du Jim bescheid geben willst, nicke ich nur knapp und seufze lautlos. Ich kann mir schon vorstellen, was dein Dad dazu sagen wird. Er wird sicherlich hellauf begeistert sein - zumindest bis er erfährt, dass ich dir meinen Wagen geschenkt habe. Ich hätte mir vielleicht eher Gedanken machen sollen, wie ihr Steuern und Versicherungen bezahlen wollt ...

Während du mit Jim redest, frage ich mich, ob ich es jetzt riskieren kann, Eine rauchen zu gehen. Nicht, dass ihr auf die Idee kommt, dass ich mich aus dem Staub machen will, wenn ich plötzlich durch die Hintertür verschwinde ...
 

"Ach, tatsächlich?", fragt Dad in diesem verheißungsvollen Tonfall, der die Wut in mir aufsteigen lässt.

Er hat keine Ahnung, was eigentlich los ist.

"Nicht schlecht, Edward!"

Er zwinkert dir zu. Toll. Als nächstes wackelt er noch anzüglich mit den Augenbrauen.

Ich strecke ihm die Besitzdokumente entgegen.

"Schau", murre ich und bin fast ein bisschen zu eingeschnappt, um sie ihm zu zeigen.

Letztendlich überwiegt aber die Freude über das Geschenk.

Dad studiert die Dokumente eingehend und das Lächeln purzelt ihm förmlich aus dem Gesicht.

"Was ist das?"

"Ein Auto."

"Das ist kein Auto, Barbara. Das ist ein Haufen Kosten!"

"Also eigentlich ist es wirklich ein Auto", beharre ich und verschränke patzig die Arme über meinem Bauch.

So. Mein Geburtstagsgeschenk soll mir jetzt auch noch schlecht geredet werden?

"Edward, das ist lieb gemeint, aber ich glaube nicht, dass Barbara -"

"Barbara steht neben dir!", echauffiere ich mich.

"Babs, weißt du, wie teuer dieser Wagen ist? Ein Panzer wäre eine günstigere Anschaffung!"

Sein Blick bleibt deutlich an meinem Bauch hängen.

"Und in deinem Zustand eine sehr viel Sicherere. Du solltest nicht gedankenlos in irgendeinem Sportwagen durch die Gegend kurven! Und was ist mit dem Kind? Da passt doch kein Kindersitz rein!"
 

Als Jim mir zuzwinkert, würde ich am liebsten im Boden versinken. Oder alternativ wirklich die Flucht ergreifen. Jetzt denkt er bestimmt, dass ich Barbara damit bestechen wollte. Na ganz große Klasse ...

Aber als er sich dann darüber echauffiert, dass du jetzt die Besitzerin des Mustangs bist, runzle ich die Stirn. Jetzt tut er gerade so, als ob der Wagen eine fahrende Zeitbombe wäre oder so. Also wirklich ...

"Wenn sich Niemand an dem Mustang vergriffen hat, hat er einen Beifahrersitz und eine Rückbank ...", werfe ich in euer Gespräch ein und bereue umgehend, dass ich die Rückbank überhaupt erwähnt habe.

Deswegen räuspere ich mich ein wenig umständlich.

"Und falls es dich beruhigt ... Steuern und Versicherung sind für die nächsten zwölf Monate bezahlt."
 

Mein Gesicht nimmt eine tomatenrote Färbung an, als das Wort Rückbank fällt. Oh ja. Die Rückbank. Bevor ich da einen Kindersitz drauf stelle, lasse ich das Ding grundreinigen ...

Automatisch huscht mein Blick zu dem Küchentisch, neben dem du stehst. Ach, verdammt ...

"Siehst du Dad! Es ist alles in Ordnung!"

"Barbara, ich weiß, wie du fährst."

"Umsichtig und sicher!", platze ich warnend heraus und ernte ein frustriertes Schnauben von meinem Vater.

Danke aber auch.

"Es ist mein Geschenk und ich habe mich sehr darüber gefreut. Bitte, Daddy."

Ich klimpere ein bisschen mit den Wimpern und er verdreht die Augen.

"Lass uns darüber jetzt nicht diskutieren ...", sagt er, aber ich bezweifle, dass sich dieses Thema schon erledigt hat.

Dad dreht sich zu dir um.

"Ich bin jedenfalls froh, dass ihr beide euch arrangiert habt. Wie sieht's aus? Jemand Hunger? Wir könnten was bestellen. Chinesisch vielleicht?"

Ein versöhnlicher Blick zu mir. Er weiß, dass ich Chinesisch liebe.
 

Dem Blick nach zu urteilen, den mir Jim zuwirft, bin ich noch lange nicht aus dem Schneider. Wenn nicht heute, werde ich wohl spätestens morgen eine Diskussion mit ihm haben, wie ich auf die Idee komme, ausgerechnet dir meinen Mustang zu schenken.

Allerdings frage ich mich schon, was er mit deinem Fahrstil meint. Ich habe dich bisher noch nicht fahren sehen, aber ich nehme einfach mal an, dass du als Polizistentochter halbwegs vernünftig fährst.

"Chinesisch ...?", wiederhole ich dann skeptisch und hebe eine Augenbraue an.

Ich war noch nie ein großer Fan von Fast Food und diesem ganzen Kram, weswegen sich meine Begeisterung auf Jims Vorschlag in Grenzen hält.

In einem Anflug von etwas, was man in dieser Situation sicherlich als Wahnsinn bezeichnen kann, lasse ich die Sporttasche auf den Boden fallen und gehe zum Kühlschrank, in den ich einen prüfenden Blick werfe. Nicht besonders reichhaltig, aber damit lässt es sich arbeiten.

Als ob es das Normalste auf der Welt wäre, schnappe ich mir den Notizblock, der auf dem Küchentisch liegt und den daneben liegenden Stift. Damit notiere ich mehrere Dinge, ehe ich zu euch komme und den abgerissenen Zettel Jim hinhalte.

"Wenn du das besorgen kannst, können wir uns das mit dem Lieferservice schenken."
 

Ich weiß gar nicht, was mich mehr schockiert. Die Tatsache, dass du wirklich kochen willst, der Umstand, dass du dich hier nach wie vor bewegen kannst, als wärst du wie früher ständig hier, oder das erschreckende Gefühl, mit dir allein zu sein, wenn Dad aus dem Haus ist.

Der bekommt meinen panischen Blick natürlich nicht mit. Er hüpft förmlich zu dir hinüber und schnappt sich die Einkaufsliste. Er wirft mir einen Blick zu, der mir wohl vermitteln soll, was für ein super Fang du bist. Ich wusste gar nicht, dass vermeintliche Kochkünste ärztlich attestierte Verrücktheit aufwiegen ...

"Dann beeile ich mich mal, damit du uns was zaubern kannst, Edward."

Er schlendert aus der Küche, streckt aber noch einmal den Kopf durch die Tür.

"Benehmt euch."

Damit ist er weg und der Satz bleibt auf unangenehme Weise zwischen uns hängen und könnte eine Andeutung für alles sein. Ich hüstele leise, weil ich mich verdammt unwohl fühle.

"Also ... das Haus zeigen muss ich dir ja nicht ..."
 

"Dir ist sicherlich klar, dass Jim mich jederzeit wieder in Arkham abliefern kann, oder?", frage ich, nachdem dein Dad verschwunden ist.

Ich sehe dich dabei nicht an, sondern werfe erst der Kaffeemaschine und dann der Hintertür einen sehnsüchtigen Blick zu.

"Demzufolge habe ich nicht vor, dieses Wochenende irgendwas anzustellen."

Ich atme tief durch und sehe dich an.

"Pass auf ... Tu einfach so, als wäre ich nicht da, wenn das für dich einfacher ist. Du musst nicht krampfhaft versuchen, Smalltalk mit mir zu machen."
 

"Oh, glaub mir, wenn du irgendwas anstellen würdest, müsste Dad erst die Reste zusammenkratzen, die ich von dir übrig lasse, bevor er irgendwas zurückbringen kann", sage ich todernst und sehe dich fest an.

Du sollst ruhig wissen, dass ich nach wie vor auf alles vorbereitet bin. Und mich durchaus noch imstande sehe, Fluchtversuche oder ähnliches zu unterbinden.

Deine ehrliche Aussage lässt meinen Ausdruck jedoch weicher werden.

"Schon okay ... es ist einfach seltsam, weißt du. Irgendwie wie früher nur ... eben noch viel, viel schlimmer, als eine Affäre mit dem Kollegen meines Vaters zu haben und ihn ins Haus zu lassen."

Müde lasse ich mich an den Küchentisch sinken und lege die Dokumente vor mir an.

"Du kennst mich. Ich bin zu stolz, um dich jetzt zu ignorieren. Also. Wie läuft die Therapie? Wie geht's Cobblepots Nase?"
 

Ich bin kurz versucht, dich mit einem sarkastischen Grinsen anzusehen, lasse es aber letztendlich doch bleiben. Ich traue dir zwar nicht wirklich zu, dass du mich auf irgendeine Art und Weise angreifst - vor allem nicht in Anbetracht deiner momentanen Körperfülle - aber ich muss es ja auch nicht provozieren.

"Cobblepot geht es prächtig ...", erwidere ich mit einem schiefen Grinsen und schäle mich aus dem Sportsakko, was ich dann über die Lehne des Stuhles dir gegenüber werfe. "Es geht ihm so gut, dass er mich wegen gefährlicher Körperverletzung angezeigt hat."

Ich zucke mit den Schultern und schlendere zur Kaffeemaschine hinüber.

"Aber hey! Je mehr Probleme, desto besser ... Und die Therapie läuft bestens ...", sage ich, während ich wie selbstverständlich damit beschäftigt bin, Kaffee zu kochen.

Allerdings zeigt mein Tonfall sicherlich deutlich, dass eigentlich genau das Gegenteil der Fall ist.
 

"Verdenken kann ich es ihm nicht", sage ich leise. "Es sah nach gefährlicher Körperverletzung aus. Und was auch immer du jetzt sagst, ich weigere mich, mich deswegen schuldig zu fühlen. Ich bin eher froh, dass ich und Dr. Crane auf der anderen Seite des Zauns waren ..."

Verdrießlich male ich Kreise auf meinen Bauch. Du klingst nicht so, als würde dir die Therapie sonderlich gefallen. Ein Seufzen entweicht mir. Du scheinst ja immerhin eine ziemliche Abneigung gegen den Arzt zu haben. Kein Wunder. So wie ich dich kennengelernt habe, hast du grundsätzlich etwas gegen Leute, die dir helfen wollen.

"Als ich zuletzt mit ihm gesprochen habe, war Dr. Crane ziemlich besorgt. Er meinte, du würdest dich weigern, über deine Probleme zu reden, seist als Resultat aber emotional recht instabil."

Ich mustere dich kritisch. Wo der Arzt Recht hat ...
 

"Ach ...", winke ich ab. "Das Vogelhirn simuliert doch nur. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er zwar eine gebrochene Nase hat, aber es ist ein simpler Bruch, der nicht mal wirklich weh tut. Er soll sich nicht so anstellen."

Nicht sonderlich am Pinguin interessiert, zucke ich mit den Schultern.

"Außerdem ist er selber Schuld ..."

Während der Kaffee anfängt, in die Kanne zu laufen, drehe ich mich wieder zu dir um und sehe dich ernst an.

"Nur weil Crane es sagt, heißt es noch lange nicht, dass er auch recht hat. Glaub ihm bloß nicht alles, was er sagt."

Wieder winke ich ab, da mir klar ist, dass du genauso wenig wie dein Vater ein böses Wort auf den Arzt kommen lässt. Stattdessen gehe ich zu meinem Sakko und fummle die Zigarettenschachtel aus der Tasche.

"Tu dir einfach selber einen Gefallen und halt dich von ihm fern ..."
 

Ich verdrehe die Augen. Das ist mal wieder typisch für dich. Bloß nicht zugeben, dass du die Kontrolle verloren hast. Alles halb so schlimm.

Ich nehme es hin, dass du den Pinguin so abtust. Der Kerl ist mir ziemlich schnuppe, solange er nicht frei herumläuft und Verbrechen begeht. Dass du so über deinen Arzt redet stößt mir jedoch sauer auf.

"Oh, natürlich. Und du weißt es selbstverständlich besser. Wieso therapierst du dich nicht einfach selbst?"

Es macht mich wütend, dass du so über jemanden sprichst, der mich getröstet hat, während du ein kompletter Arsch warst.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dr. Crane ein sehr viel besserer Umgang für mich ist, als du es im Moment bist", fauche ich deswegen relativ biestig. "Im Gegensatz zu dir -"

Bevor ich noch hässlichere Dinge sagen kann, verschränke ich rasch die Arme und halte den Mund. Sauer deute ich auf die Zigaretten.

"Damit gehst du raus. Das schadet dem Kind."
 

Eigentlich ist es erstaunlich, wie einfach es dir immer wieder gelingt, mich aufzuregen. Und weil du es mal wieder geschafft hast, verkrampft sich meine Hand um die Zigarettenschachtel.

"Ich hatte so oder so vor, rauszugehen", erwidere ich giftig und schenke dir einen bösen Blick. "Aber sicherlich nicht wegen dir, sondern aus purer Höflichkeit."

Frustriert drehe ich mich um und gehe zur Hintertür. Bevor ich allerdings einen Fuß auf euren Hinterhof setze, drehe ich mich noch mal zu dir um.

"Wenn du Crane so toll findest, solltest du vielleicht mal mit ihm ausgehen, wenn die Sache mit der Fledermaus ja schon wieder Geschichte ist. Aber du solltest zu Gott beten, dass ich mit meiner Einschätzung falsch liege", sage ich bissig, bevor ich die Tür ein wenig zu kräftig hinter mir zuwerfe.
 

"Ach, ja?! Vielleicht mache ich das ja wirklich! JONATHAN ist wenigstens ein anständiger Kerl!", brülle ich dir wutentbrannt nach.

Ganz toll. Dad musste uns natürlich allein lassen.

Mit einem angestrengten Stöhnen reibe ich mir über das Gesicht. Das lief nicht sonderlich gut.

Wie sollen wir dieses Wochenende nur überleben?

Aber jetzt klein beizugeben und dich zurück nach Arkham zu schicken kommt definitiv nicht infrage. Als ob ich dir gegenüber eingestehen würde, dass es mir zu viel wird.

Mit gestrafften Schultern erhebe ich mich und streiche kurz über meinen Bauch.

"Tut mir leid, Schätzchen. Ich weiß, Stress ist nicht gut für dich. Aber dein Daddy ist ein Idiot."

Ja. Ich werde eine tolle Mom sein ...

Ich denke darüber nach, zu kontrollieren, dass du auch nicht abhaust, entscheide mich aber dagegen. Ich muss mich erst etwas mehr beruhigen, bevor ich dir wieder begegne. Solltest du wirklich fliehen, kann ich dir immer noch Bruce auf den Hals hetzen. Das würde dich zumindest anständig aufregen ...

Um die Zeit totzuschlagen gehe ich nach unten und richte dir wie versprochen das Gästezimmer her, nachdem ich die Besitzdokumente des Mustangs in mein Zimmer gebracht habe. Immerhin bin ich ebenfalls höflich und eine gewissenhafte Gastgeberin.

Nachdem ich den Raum gelüftet, das Bett frisch bezogen und sogar deine Tasche nach unten gebracht habe, kehre ich in die Küche zurück, um zu sehen, ob du überhaupt noch in der Stadt bist.

Du warst meine erste große Liebe und permanent daran erinnert zu werden, dass das keine Bedeutung hat, tut weh, okay?

Na das lief ja mal wieder fantastisch ...

Kaum, dass die Tür ins Schloss gefallen ist und ich höre, was du mir hinterher brüllst, hätte ich nicht übel Lust, Cobblepot nochmal die Nase zu brechen. Um meine Wut irgendwie wieder loszuwerden, lasse ich sie an einer der Mülltonnen aus, die scheppernd umfällt. Zum Glück war sie leer, weswegen sie ein wenig hin und her kullert.

Frustriert lasse ich mich auf der Holzbank nieder und stecke mir eine Zigarette an. Wenn das ganze Wochenende so weiter geht, werde ich mich richtig auf Crane freuen. Und wenn du nicht schwanger wärst, hätte ich dir am liebsten mal so richtig den Marsch geblasen. Am besten sage ich Jim, sobald er wieder da ist, dass sein Plan nach hinten losgegangen ist und ich kein ganzes Wochenende unter eurem Dach aushalte.

Nach der Zigarette bin ich zwar wieder wesentlich ruhiger, aber meine Lust, dir wieder zu begegnen, hält sich stark in Grenzen. Deswegen stecke ich mir gleich die nächste Kippe an und nehme mir vor, das weiter zu machen, bis Jim wieder da ist. Ich darf auf keinen Fall mit dir alleine in einem Raum sein, sonst passiert es vielleicht wirklich noch, dass ich ausraste.
 

Nachdem ich die Tür eine gefühlte Ewigkeit angestarrt habe, beschließe ich, einen Blick nach draußen zu werfen. Die Chancen stehen gut, dass du die Nase voll hast und abgehauen bist. Sollte das nicht der Fall sein, werde ich wohl oder übel meinen Stolz einen Moment lang schlucken und mich entschuldigen. Der Klügere gibt bekanntlich nach. Und ich bezweifle, dass wir dieses Wochenende überstehen, wenn wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen. Von dir aus wirst du diesen Streit natürlich nicht beilegen.

Ich stapfe mit einem Seufzen zur Tür.

"Merk dir schon mal: wenn du anständig schmollst, gibt Mommy klein bei", brumme ich mit einem Lächeln und trete nach draußen.

"Bist du noch …"

Mein Blick springt zwischen dir, deinen ausgedrückten Zigaretten und der Mülltonne hin und her.

"… da. Oh. Okay ..."

Meine erste gute Tat ist es, die Mülltonne aufzuheben. Natürlich gehe ich dabei brav in die Knie und bücke mich nicht einfach nur, ganz wie der Arzt es vorgeschrieben hat. Zwar bin ich der Meinung, ich würde es auch so überleben, aber na ja. Übung für die Zeit, wenn ich den Umfang eines Wals habe.

Sobald die Mülltonne wieder an ihrem Platz steht, komme ich zaghaft zu dir und stelle mich so, dass die leichte Brise den Qualm von mir weg weht.

"Hör zu ...", fange ich leise an und betrachte meine Fingernägel.

Die sind plötzlich wahnsinnig interessant.

"Es tut mir leid. Ich war da drin gerade verdammt zickig. Eigentlich will ich das gar nicht, aber ..."

Ich lasse den Satz in der Luft hängen. Ja, was aber, frage ich mich und beginne betrübt auf und abzugehen.

"Diese ganze Geschichte in Arkham hat mich ziemlich fertig gemacht und ich reagiere immer noch viel zu sensibel darauf. Es war dumm von mir, das überhaupt anzusprechen."

Weil ich nicht weiß, wohin damit, schiebe ich die Hände in die Hosentaschen.

"Ich weiß, dass du ein anständiger Kerl bist. Und ich habe nach allem, was passiert ist, nicht vor, so schnell mit irgendjemandem anzubandeln. Nicht mit Crane, nicht mit Batman, nicht mit irgendwem sonst."

Betrübt zucke ich mit den Schultern.

"Es ist verletzend, dass du mir das unterstellst. Ich ... Ach, verdammt, du warst meine erste große Liebe und permanent daran erinnert zu werden, dass das keine Bedeutung hat, tut weh, okay?"

Ich schicke dir einen sehnsüchtigen Blick, in der Hoffnung, dass du das irgendwie verstehen kannst.

"Ich habe vorhin versprochen, mich in der Beziehung von dir fernzuhalten und das werde ich auch tun. Ich bitte dich nur, zu verstehen, dass mir das nicht so leicht fällt wie dir."

Ich atme tief durch und merke, wie zittrig ich bin.

"Vor allem nicht in dieser Situation. Aber ich werde mich zurückhalten. Ich habe keine Berechtigung, Dinge an dir auszulassen, die ich mit mir selbst ausmachen sollte."

Ich räuspere mich, weil meine Stimme inzwischen etwas belegt ist.

"Also ... entschuldige."

Ich zucke mit den Schultern und sehe dich an, abwartend, ob das ausreichend war oder gleich das nächste Donnerwetter auf mich zukommt.
 

Da ich Jim erwarte, als die Hintertür aufgeht, bin ich dementsprechend überrascht, als du plötzlich auftauchst und überrascht wirkst, dass ich tatsächlich noch an Ort und Stelle bin.

Was hast du denn erwartet?

Dass ich sofort die Kurve kratze?

Okay, ganz so unwahrscheinlich ist das nicht, aber ich habe Jim versprochen, dass ich nicht flüchten werde - auch wenn es momentan äußerst verlockend ist - und ich pflege, meine Versprechen in der Regel einzuhalten.

"Ich bin weg, sobald dein Dad wieder da ist ...", flüstere ich, während ich stur vor mich hin starre, dich aber aus den Augenwinkeln dabei beobachtete, wie du die Mülltonne wieder hinstellst.

Wahrscheinlich hast du meine Worte nicht mal gehört - oder ganz gekonnt überhört. Aber egal, was es ist, es hindert mich nicht daran, stumm an der Zigarette zu ziehen, während du redest.

Zickig warst du auf jeden Fall und fast hätte ich bei dieser Äußerung bestätigend genickt. Zum Glück kann ich mich im letzten Moment davon abhalten, denn ansonsten würdest du vermutlich gleich wieder rumzicken. Eigentlich ist es erstaunlich, was die Hormone mit dir anstellen. Okay, es war auch vorher schon nicht gerade einfach mit dir.

Genauso faszinierend ist, dass du anscheinend der Überzeugung bist, dass du die Einzige bist, die mit deiner Schwangerschaft ein Problem hat. Bloß weil du Diejenige bist, die mit Morgenübelkeit, seltsamen Essensgelüsten und der nicht zu verhindernden Gewichtszunahme zu kämpfen hat, heißt das noch lange nicht, dass mich diese Situation nicht mindestens genauso fertig macht.

Zum ersten Mal, seit du hier draußen bist, sehe ich dich bewusst an, als du sagst, dass ich deine erste große Liebe war. Und wieder hast du es geschafft, mich wirklich sprachlos zu machen. Na toll ... Dabei wollte ich doch nie, dass es so weit kommt. Ich wollte weder, dass du dich in mich verliebst, noch wollte ich mit dir eine Familie gründen. Und trotzdem habe ich jetzt den Salat.

Resigniert schüttle ich leicht den Kopf, als du dann noch erwähnst, dass mir das Alles so leicht fällt. Tja, entweder bist du nicht so intelligent wie ich dachte oder ich bin inzwischen besser im Vortäuschen falscher Tatsachen, als ich annahm. Denn in Wirklichkeit fällt es mir überhaupt nicht einfach. Und die ganze beschissene Situation nagt an mir genauso – eben, weil du mir einfach nicht egal sein kannst.

Und ich würde es dir auch gerne sagen, aber das kann ich einfach nicht. Es ist so schon kompliziert genug, auch ohne dass du um mich herum bist. Ich kann dir nicht das geben, was du von mir erwartest, weswegen es einfach besser ist, wenn du mich vergisst. Und das wäre sehr viel einfacher, wenn es da nicht diese nicht zu übersehende Tatsache wäre, dass du schwanger bist.

Nachdem du geendet hast, drückte ich meine Zigarette betont ruhig im Aschenbecher neben mir aus, nehme mir dann die Brille ab und reibe mir angestrengt über den Nasenrücken, ehe ich dich ansehe.

"Hast du dich schon mal gefragt, warum ich die letzten Male, als wir uns gesehen haben, so … na ja … ausgerastet bin?", frage ich leise und sehe dich dabei unsicher an.

Ich kann nur hoffen, dass du nicht merkst, wie schwer es mir fällt, überhaupt so aufrichtig zu dir zu sein.

"Eigentlich bin ich immer ziemlich gut damit gefahren, jeglichen Gefühlen aus dem Weg zu gehen. Sie lenken nur ab und machen Einen verletzlich."

Ich wende den Blick von dir ab und starre auf meine Schuhe.

"Blöderweise bist du dann aufgetaucht und ohne es eigentlich zu wollen, habe ich dich viel zu weit in mein Leben hinein gelassen. Und jetzt muss ich zugeben, dass mir die ganze Sache nicht so egal ist – und wenn ich diesen Anschein erwecke."
 

Überrascht stehe ich da und blinzle dich an. Okay. Damit habe ich nicht gerechnet. Daran gemessen, wie unsere letzten Begegnungen verlaufen sind, hätte ich eher erwartet, dass du dich darüber lustig machst, dass ich dir wieder einmal meine kindische Liebe gestehe. Das hingegen ist ja sogar ein Zugeständnis - und definitiv mehr, als ich überhaupt noch von dir erwartet hätte.

"Das ist gut zu wissen", flüstere ich, als ich meine Stimme wiedergefunden habe. "Ich meine ... dir geht es bestimmt schrecklich damit, das einzugestehen. Aber für mich bedeutet es einiges, dass du das sagst."

Ich räuspere mich, um den Frosch in meinem Hals loszuwerden.

"Es ist manchmal gar nicht so schlimm Gefühle zuzulassen, weißt du? Klar, man kann verletzt werden, aber sie sind auch etwas wirklich Schönes."

Mir meiner selbst nur allzu bewusst deute ich mit einem leicht beschämten Lachen auf mich.

"Glaub mir, ich weiß inzwischen, wovon ich rede. Und ich bin trotzdem der Meinung, dass es sich gelohnt hat."

Liebevoll falte ich die Hände über meinem Bauch.

"Auch wenn das ein oder andere meinetwegen hätte anders laufen können."
 

Während ich dich stumm ansehe, verspüre ich das Bedürfnis, dich in den Arm zu nehmen. Doch auch wenn es mir auf eine seltsame Art und Weise widerstrebt, ignoriere ich dieses Bedürfnis so gut es geht. Ich darf nie wieder bei dir schwach werden, denn es hat mir bisher schon genug Ärger eingebrockt.

"Es war eine ziemlich dämliche Idee von deinem Dad, dass ich hier bin …", murmle ich leise. "Vermutlich wäre es für Alle besser, wenn du mich einfach weiterhin hassen würdest …"

Ich seufze lautlos.

"Die Chancen dafür stehen gerade ziemlich schlecht, oder?"

Ich schenke dir ein schiefes Lächeln und horche dann auf, als ich höre, wie vor dem Haus ein Auto in der Einfahrt hält.

"Ich schätze, dein Dad ist wieder da …"
 

"Das würde bedeuten, dass dein Kind in dem Glauben aufwächst, dass sein Vater ein mieser, grausamer Idiot ist, der sich keinen Deut um es schert. Du weißt selbst, wie schlimm es für ein Kind ist, so einen Mann zum Vater zu haben. Ich bin froh, dass wir uns und dem Kind das ersparen. Da arrangiere ich mich lieber mit dir und lasse den Hass stecken."

Vorsichtig erwidere ich dein Lächeln - und hoffe, dass der Frieden diesmal nicht nur Schein ist.

Auch ich sehe auf, als ich Dads Wagen höre.

"Scheint so. Was meinst du? Gehen wir wieder rein und gaukeln ihm vor, dass wir uns super verstanden haben?"
 

Ich verkneife mir jeglichen Kommentar, der mir auf der Zunge liegt, da ich nicht die geringste Lust verspüre, wieder eine Diskussion mit dir vom Zaun zu brechen.

Stattdessen seufze ich lautlos und erhebe mich von der Holzbank, die auf eurer Terrasse steht. Die Zigarettenschachtel lasse ich neben dem Aschenbecher liegen, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht die letzte Kippe heute war.

Auf dem Weg zur Hintertür, setze ich mir die Brille wieder auf und raufe mir kurz die Haare, ehe ich dir - vermutlich in einem Anflug von Wahnsinn oder weil ich einfach zu nett für diese beschissene Welt bin - die Tür aufhalte und dir mit einem Kopfnicken signalisiere, dass ich dir den Vortritt lasse.

Dad, der Mann sitzt nicht in Arkham, weil Alles in Ordnung ist.

Als ich die Haustür mit dem Fuß hinter mir zuwerfe, weil ich bis obenhin mit Einkaufstüten bepackt bin, ist meine Laune großartig. Besser kann es gar nicht laufen. Mein entzückendes Töchterchen scheint versöhnt. Du bleibst hier. Und kochen kannst du auch noch. Natürlich bin ich etwas übereifrig, aber ich male mir trotzdem wunderbare Familienessen mit dir, Babs und meinem Enkel aus.

"Na, ihr zwei Hübschen?", grüße ich fröhlich und hieve meine Erstehnisse auf den Tisch.

Pfeifend beginne ich, die Einkäufe auszupacken.

"Übrigens ist mir aufgefallen, dass du bescheiden warst und nur Grünzeug aufgeschrieben hast."

Ich werfe dir einen väterlichen Blick zu.

"Das geht natürlich nicht. Du hast abgenommen seit dem letzten Mal. Da müssen wir was tun."

Ich ziehe die Packung Steaks aus einer Tüte, die ich mitgebracht habe.
 

Mein aufgesetzter halbwegs fröhlicher Gesichtsausdruck fällt ein wenig in sich zusammen, als ich dir dabei zusehe, wie du nicht nur Auberginen, Zwiebeln, Zucchini, Tomaten, Paprikaschoten und Knoblauch aus den Einkaufstüten hervor holst, sondern auch noch Steaks. Ich weiß im ersten Moment nicht einmal, was ich dazu sagen soll. Es hatte schließlich einen guten Grund, warum ich nur »Grünzeug«, wie du es so treffend betitelt hast, aufgeschrieben habe. Ich kenne kein Rezept für Ratatouille, in dem man Steaks verwendet.

Ein wenig zögerlich komme ich zu dir an die Anrichte und betrachte mit einer skeptisch angehobenen Augenbraue erst deine Einkäufe, dann dich.

"Steak ...?", frage ich mit einem deutlich misstrauischen Unterton in der Stimme. "Das hatte ich jetzt nicht mit eingeplant ... Aber okay ..."
 

"Ach, die hauen wir uns einfach parallel dazu in die Pfanne", sage ich unbeschwert und zwinkere dir zu. "Du bist dürr geworden, Edward."

Zur Bekräftigung klopfe ich mit dem Handrücken gegen deinen Brustkorb. Man sieht dir wirklich an, das Arkham dir zu schaffen macht.

"Außerdem bekommst du unsere werdende Mutter hier nicht mit Gemüse satt", füge ich hinzu und ernte ein empörtes Schnauben von Barbara.

"Ich habe schon immer gut gegessen!", beschwert sie sich.

Scheinbar ist es ihr unangenehm, in deiner Gegenwart auch nur eine Andeutung über Gewichtszunahme zu machen.
 

Mir liegt ein Kommentar bezüglich meiner angeblichen Gewichtsabnahme auf der Zunge, doch ich schlucke ihn runter und kremple stattdessen die Ärmel des Hemdes bis zum Ellenbogen hoch und blende dabei so gut wie möglich Barbaras Blick aus, der auf meinen linken Unterarm geheftet ist, an dem man noch ziemlich deutlich die lange Narbe sehen kann.

"Gut, wo habt ihr die Messer und Pfannen versteckt?", frage ich und sehe dich dabei an.

Und erst, als ich diese Frage gestellt habe, wird mir bewusst, dass du mir am Ende nicht mal ein Messer in die Hand gibst, weil du befürchtest, dass ich damit Amok laufe.
 

Ich hebe eine Augenbraue und schiele kurz zu Babs.

"In der Küche kennt er sich schon mal nicht aus", sage ich mit nicht wirklich ernst gemeintem Vorwurf in der Stimme. "Ich will gar nicht wissen, was ihr stattdessen getrieben habt."

Barbara läuft knallrot an, verzieht sich an den Küchentisch, steht aber sofort wieder auf und rettet sich zu dir an die Theke. Gut, vielleicht war das etwas zu direkt.

Sie öffnet den Schrank, in dem unsere Pfannen und Töpfe sind, anschließend zieht sie das Schubfach mit dem Besteck auf. Als sie ein Messer herausholt, starrt sie erst auf dein Gesicht, dann auf deinen Unterarm und schließlich zu mir.

"Warum übernimmst du nicht das Schnibbeln, Liebling?", schlage ich mit gezwungenem Frohsinn vor.

Letztendlich kann ich die für einen Polizisten typische Vorsicht doch nicht komplett über Bord werfen.

Babs sieht jedenfalls mehr als erleichtert aus.

"Okidoki, Chefkoch. Was soll ich machen?"
 

Deinen Kommentar, dass ich mich in eurer Küche nicht auskenne, übergehe ich mit einer angehobenen Augenbraue. Mich jetzt deswegen zu rechtfertigen wäre nicht gerade eine kluge Entscheidung.

Es wundert mich auch nicht sonderlich, dass du wieder auf ausgerechnet dieses Thema zu sprechen kommst. Und es überrascht mich auch nicht, dass du mir nicht zutraust, Gemüse zu schneiden. Obwohl ich persönlich Barbara nicht unbedingt zutraue, dass hinzubekommen. Aber gut, sei's drum ...

Kurz und präzise gebe ich ihr Anweisungen, wie sie das Gemüse schneiden soll, während ich mich schon mal um die Steaks kümmere. Dass du dich derweil an den Küchentisch setzt und uns mit Argusaugen beobachtest, als wärst du unsere Anstandsdame, stößt mir allerdings sauer auf, aber es gibt vermutlich Schlimmeres. Zumindest bekommst du nicht mit, dass ich ein wenig angewidert das Gesicht verziehe, als ich die Steaks in die Pfanne werfe, weil ich mit dem Rücken zu dir stehe.

Das Schweigen in der Küche, wird nur noch vom Rascheln der Zeitung unterbrochen, was mich allerdings nicht stört. Eigentlich bin ich ganz froh, dass keiner von euch versucht, mich in ein Gespräch zu verwickeln. So komme ich erstaunlich gut voran und eine knappe halbe Stunde kann ich euch verkünden, dass das Essen fertig ist.
 

"Also ich muss schon sagen, du hast in der Küche einiges auf dem Kasten", lobe ich zwischen zwei Bissen.

Das Essen ist wirklich großartig und obwohl ich normalerweise anständig Fleisch bevorzuge, muss ich zugeben, dass das Gemüse der Hammer ist.

"Zumindest wird mein Enkel nicht verhungern", scherze ich.

Neben mir stöhnt Barbara kaum merklich auf. Was immer sie hat, ich beschließe, es zu ignorieren.

Babs scheint es ebenfalls zu schmecken. Was an sich nicht schwer ist, ihr schmecken inzwischen die absonderlichsten Dinge. Aber sie schlingt ihr Essen förmlich herunter, auch wenn sie sich Mühe gibt, sich zu zügeln.

Gelegentlich wirft sie dir einen Blick zu. Allerdings werden diese Blicke von Mal zu Mal düsterer. Barbara schaut ein wenig besorgt.

Ich schicke dir einen prüfenden Blick. Gut, du leerst deinen Teller nicht so enthusiastisch wie wir. Aber erstens bist du deine Kochkünste sicher einfach schon gewohnt und zweitens soll das kochen ja erst einmal satt machen.

"Babs, nun schenk dem Koch doch mal ein Lächeln", mahne ich und stupse sie auffordernd an.

Sie sieht dir nur kurz in die Augen, als würde sie nach etwas suchen und starrt dann wieder auf ihren Teller, um die letzten Reste ihres Steaks zu verputzen.
 

Während ihr euch auf eure gefüllten Teller stürzt, als ob ihr halb verhungert wärt, stochere ich eher lustlos mit der Gabel im Gemüse herum. Das Steak, was du mir trotz meines Protestes auf meinen Teller gepackt hast, versuche ich so gut es geht zu ignorieren. Allerdings ist das nicht gerade einfach, da der Geruch des Fleisches - du wolltest dein Steak ausgerechnet blutig haben - langsam aber sicher für Übelkeit bei mir sorgt. Deswegen bekomme ich auch nur ein paar Bissen Aubergine und Paprika runter.

Das Gespräch, was du krampfhaft versuchst mit Barbara in Gang zu bekommen, blende ich schon nach kurzer Zeit erfolgreich aus, da aus irgendeinem für mich unerfindlichen Grund meine Blicke immer wieder zu deinem Steak hinüber flackern. Ich bin mir nicht sicher, ob es an Cranes Experiment liegt, aber ich bekomme die Bilder, wie ich meinen Vater umbringe, nicht mehr aus dem Kopf. Und das schlägt mir zusätzlich auf den Magen.

Als du mich dann mit dem Ellenbogen anstupst und fragst, ob alles in Ordnung ist, zucke ich so heftig zusammen, als ob ich einen Stromschlag bekommen habe. Gleichzeitig lasse ich die Gabel fallen, die klirrend zu Boden fällt und springe mit einem panischen Blick abrupt auf.

"Ich ...", setze ich an, aber meine Stimme versagt.

Um die Situation irgendwie wieder in den Griff zu bekommen, raufe ich mir kurz die Haare und merke dabei, wie meine Hände zittern.

Mein sicherlich ziemlich wirrer Blick flackert kurz zu euch und mir wird klar, dass ich gerade eine handfeste Panikattacke bekomme. In dem Moment, als du ansetzt, etwas zu sagen, ergreife ich die Flucht. Ich muss unbedingt raus hier. So weit weg wie möglich. Ich zittere wie Espenlaub und atme heftig, als ich die Hintertür förmlich aufreiße und in euren Garten flüchte.
 

Völlig verdattert starre ich auf deinen leeren Platz.

Was zum Teufel?

Ich sehe zu Barbara herüber, die nur traurig ihr Gemüse aufspießt.

"Was war das denn?", keuche ich überrascht.

Mein Essen habe ich soeben vergessen.

Barbara wirft mir einen bösen Blick zu.

"Ist dir nicht aufgefallen, dass es ihm nicht gut geht?"

"Was? Nein! Es war doch alles in Ordnung."

"Dad, der Mann sitzt nicht in Arkham, weil Alles in Ordnung ist."

Täusche ich mich oder werde ich gerade von meiner eigenen Tochter getadelt?

Wahrscheinlich übt sie für die Erziehung ihres Kindes.

"Willst du nicht mit ihm reden?"

Ich fixiere die Tür, als würdest du gleich hereinkommen und ganz laut »April, April« rufen.

"Dad …"

Babs seufzt, als wäre ich schwer von Begriff.

"Eddie und ich wären uns vorhin beinahe an die Gurgeln gegangen. Wenn du nicht willst, dass deine Tochter mitsamt Enkel im Garten erschlagen wird, solltest du mir und Edward das ersparen ..."

Dass es zwischen euch beiden nicht so gut lief, ist gleich die nächste

schockierende Information. Da geht die Idylle wieder dahin.

"Dann rede ich mit ihm ..."

Ich springe auf und gehe sogar zum Kühlschrank, um zwei von meinen Feierabendbieren zu holen. Kann ja nicht schaden ...

"Zumindest habe ich wieder was über Edward gelernt", sagt Barbara, als ich schon halb zur Tür heraus bin.

Ich drehe mich um und sehe, wie sie dein Steak aufspießt und auf ihren eigenen Teller packt. Mit traurigem Ausdruck macht sie sich daran, auch das zu verspeisen.

"Er ist Vegetarier."

Mit einem flauen Gefühl, weil Barbara nicht mal das über dich wusste, gehe ich nach draußen.

Wo habt ihr euch da nur reingeritten?

"Edward?", frage ich zögernd.

Der Garten liegt bereits im Dunkeln.

"Edward, geht es dir gut?"

Nein. Ganz offensichtlich nicht.
 

Das es bereits dunkel draußen ist und für Mitte April reichlich frisch, bekomme ich nur am Rande mit, als ich ziemlich durcheinander und schwer atmend auf und ab tigere.

In mir schreit Alles danach, so weit wie möglich zu verschwinden. Ganz weit weg von Allem, was irgendwie mit Arkham, meinem Vater oder euch zu tun hat.

Da ich aber keine Ahnung habe, wo ich überhin hin soll und sich mein Interesse, wieder von der Polizei gejagt zu werden, stark in Grenzen hält, muss ich wohl oder übel hier bleiben.

Dass du ebenfalls nach draußen kommst, bekomme ich nicht wirklich mit.

"Nein …", murmle ich leise vor mich hin und realisiere nicht einmal, dass ich gerade damit anfange, Selbstgespräche zu führen. "Das ist Alles nicht real …"

Mittlerweile ist es wohl unumstritten, dass Crane mir mit seinem verdammten Experiment wirklich richtig zu schaffen macht.

Erst, als du vorsichtig ein paar Schritte näher kommst, bemerke ich deine Anwesenheit, weil die Stufen der Terrasse knarzen. Panisch drehe ich mich zu dir um und starre dich im diffusen Licht des Hauses mit weit aufgerissenen Augen an.

"Nein!", schreie ich fast und meine Stimme ist ein paar Oktaven höher als gewöhnlich, was auf meine Panikattacke zurück zu führen ist. "Keinen Schritt näher!"

Unwillkürlich gehe ich ein paar Schritte zurück.
 

Ziemlich überfordert stehe ich da und zerbreche mir den Kopf, weil ich nicht wirklich weiß, wie ich damit umgehen soll. Das ist heftig. Und offensichtlich der Grund, aus dem du in Arkham und nicht in Blackgate bist.

Seufzend entscheide ich mich letztendlich, mich auf die Stufen zu setzen. Die Biere stelle ich vorerst neben mich. Nicht unbedingt das Richtige in diesem Moment ...

"Es tut mir leid", sage ich ehrlich.

Vor allem nach Barbaras Zurechtweisung komme ich mir ziemlich mies vor.

"Ich habe dich überfordert und hab das Ganze nicht mal mitbekommen ... ich wollte dich nicht unter Druck setzen."
 

Für einen Moment starre ich dich an, ehe ich mir die Handballen an die Schläfen presse und mit zusammen gekniffenen Augen heftig den Kopf schüttle. Ich muss irgendwie diese Bilder aus meinem Kopf bekommen, sonst drehe ich tatsächlich noch durch und laufe wirklich Amok.

Dass ich in die Knie gehe und mir sogar Tränen in die Augen steigen, merke ich erst, als ich mich selbst leise schluchzen höre. Deine Anwesenheit habe ich schon wieder komplett ausgeblendet. Auch wie lange diese Panikattacke überhaupt dauert, kann ich nicht sagen. Dass Einzige, was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, dass ich immer noch wie Espenlaub zittere und es dieses Mal daran liegt, dass ist friere.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, nachdem ich mich wieder halbwegs im Griff habe, nehme ich mir die Brille ab und fahre mir mit dem Handrücken über die Augen, um die verräterischen Spuren zu beseitigen. Erst dann hebe ich den Kopf an und sehe sich fast schon verzweifelt an.

"Ich schaffe das nicht ...", sage ich leise.

Es reicht doch zu, dass ich eine beschissene Kindheit hatte. Und ich will es besser machen ...

Mit anzusehen, wie du vor meinen Augen zusammenbrichst, macht mich wirklich fertig. Ich muss mir eingestehen, dass du mir inzwischen wirklich ans Herz gewachsen bist. Dich so leiden zu sehen, tut mir selbst weh. Aber ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.

Weil ich nicht sicher bin, wie du reagierst, wenn ich entgegen deiner Anweisung näher komme, bleibe ich hilflos sitzen.

"Gott, Edward, ich hatte keine Ahnung, dass dich das so fertig macht."

Ich reibe mir ratlos über das Gesicht und stütze schließlich meine Stirn auf die Hände.

"Verdammt nochmal. Vielleicht hätte ich wirklich auf dich und Barbara hören sollen. Das ist meine Schuld ... Tut mir so leid ..."
 

Ziemlich durcheinander und verwirrt sehe ich dich an und verstehe nicht so richtig den Sinn deiner Worte.

"Was ...?", krächze ich und erschrecke mich fast über den Klang meiner eigenen Stimme.

Was hat denn meine Panikattacke mit dir zu tun?

Du hast doch weder etwas damit zu tun, dass ich mich ziemlich bestialisch an meinem Vater gerächt habe, noch damit, dass Crane mich als Versuchskaninchen missbraucht.

Unsicher werfe ich dem Haus einen Blick zu und mir wird klar, dass ich euch den Abend total ruiniert habe. Aber ich bin froh, dass wenigstens Barbara nicht mitbekommen hat, wie ich hier draußen durchdrehe. Zumindest hoffe ich das. Es hat schon gereicht, dass sie es in meinem Büro gesehen hat.
 

Traurig reibe schüttle ich den Kopf.

"Ich hätte dich nicht zwingen sollen, hierherzukommen. Dir geht es im Moment nicht gut und das alles ist ganz offensichtlich zu viel für dich."

Leise seufze ich und frage mich, was Barbara da drinnen macht. Sie hat Recht, es ist wirklich besser, dass sie nicht mit rausgekommen ist. Sonst hätte ich gleich zwei Zusammenbrüche.

"Ich habe es für ungerecht gehalten, das Barbara alles alleine stemmen soll. Aber jetzt verstehe ich, dass du dazu vielleicht nicht in der Lage bist ..."
 

"Du hast mich zu gar nichts gezwungen ...", widerspreche ich leise, stehe langsam wieder auf und komme zitternd zum stehen.

Diese Panikattacke war definitiv heftig. Es ist zwar nicht meine Erste gewesen, aber die mit Abstand schlimmste bisher. Ich kann jetzt nur hoffen, dass Crane Nichts davon mitbekommt, denn es würde ihm nur eine diebische Freude bereiten.

Vorsichtig komme ich einen Schritt näher und bleibe dann wieder unschlüssig stehen. Ich verspüre immer noch den Drang, einfach zu verschwinden und unterzutauchen.

"Die ganze Sache hier ...", murmle ich und mache eine ausladende Handbewegung, die das Haus einschließt. "Dass ist doch nur die Spitze des Eisberges ..."

Ich ringe mir ein schiefes Grinsen ab und hoffe, dass ich vage genug war, um dich jetzt nicht zu ermutigen, weiter nachzubohren.
 

Zaghaft sehe ich zu dir auf.

"Ich habe dich breit gequatscht, obwohl du nichts mit alledem zu tun haben wolltest ..."

Dein Grinsen erleichtert mich ein wenig, obwohl ich unschlüssig bin, ob du das nur machst, damit ich nicht weiter auf dich einrede.

Leise seufze ich und nehme mir nun doch ein Bier. Ich öffne es mit dem Feuerzeug aus meiner Hosentasche.

"Eben. Ich will dir nicht noch mehr Probleme aufhalsen, als du schon hast ... Deine Vergangenheit, Arkham, dein Zustand."

Ich schüttle den Kopf.

"Aber ich will auch nicht, dass mein Enkel ohne Vater aufwächst."

Verzweifelt nehme ich einen Schluck von meinem Bier.

"Nur zu welchem Preis ..."
 

Wieder schleicht sich kurz ein schiefes Grinsen auf meine Lippen, ehe ich knapp den Kopf schüttle.

"Da irrst du dich ...", erwidere ich leise. "Dass ich damit nichts zu tun haben will", füge ich ein wenig pikiert hinzu, als du mir einen fragenden Blick schenkst.

Warum muss ich jetzt nur schon wieder so emotional und so verdammt ehrlich werden?

Kurz beobachte ich dich, wie du dich fast krampfhaft an der Bierflasche festklammerst, ehe ich erneut ein paar Schritte näher komme.

"Ich wollte euch nicht das Wochenende versauen ...", sage ich schließlich leise und senke den Kopf.
 

Zweifelnd sehe ich sich an. Ich kann im Moment nicht einschätzen, ob du das nur so sagst oder wirklich ernst meinst.

"Willst du dir das wirklich weiter antun?", frage ich vage. "Ich meine ... das war gerade heftig ..."

Als du meinst, du hättest das Wochenende versaut, winke ich ab.

"Ach, was. Barbara hat erzählt, dass ihr vorhin schon aneinander geraten seid. Und eigentlich hätte ich sogar mit so etwas gerechnet - wobei ich dachte, Barbara wäre diejenige ..."
 

Ich bin versucht zu sagen, dass das Problem nicht Barbara und ihre Schwangerschaft ist, doch wenn ich das tue, würdest du nachharken und dann müsste ich von meinem Vater und Crane erzählen. Also verkneife ich es mir lieber.

"Ja, will ich ...", sage ich stattdessen und sehe dich dabei ernst an. "Es reicht doch zu, dass ich eine beschissene Kindheit hatte."

Ich muss mich kurz unterbrechen, denn die nächsten Worte fallen mir nicht gerade leicht.

"Und ich will es besser machen ..."
 

Vor Schreck lasse ich fast die Flasche fallen. Wenn das mal kein Geständnis war.

Ich muss schlucken, bevor ich spreche und trotzdem klingt meine Stimme belegt.

"Ist das dein Ernst?"

Angestrengt räuspere ich mich, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden. Fehlt nur noch, dass ich anfange zu heulen ...

"Das ist wirklich großartig, Edward. Ich rechne dir das hoch an und Babs wird das genauso sehen."

Ich atme tief durch und mein Blick fällt auf das Bier, das ich für dich mit gebracht habe. Ah ja. Perfekte Möglichkeit, um kurz von allen Rührseligkeiten abzulenken und mich vorm Losheulen zu bewahren.

"Willst du?", frage ich also und deute auf die Flasche.
 

Mit einem schiefen Grinsen zucke ich kurz mit den Schultern.

"Mir wäre jetzt zwar was Härteres lieber - aber gerne."

Langsam komme ich zu dir an die Treppe und schnappe mir die Bierflasche, ehe ich noch schnell die Zigarettenschachtel hole und mich dann neben dich auf die Treppe setze. Mit einer geschickten Bewegung öffne ich mit dem Feuerzeug die Flasche und gönne mir einen Schluck, ehe ich mir eine Zigarette anstecke und dir die Schachtel hinhalte.

"Überrascht dich das jetzt wirklich so sehr?", frage ich, nachdem ich ein paar tiefe Züge genommen habe.
 

"Na ja", beginne ich nachdenklich und nehme mir eine Zigarette. "Nach unserem Gespräch in Arkham und dem, was ich gerade gesehen habe, muss ich gestehen, dass ich erwartet hätte, dass du sofort Alles abbrechen willst."

Ich halte dir meine Flasche entgegen.

"Stoßen wir darauf an, dass du noch hier bist", lache ich. "Und lass dir gesagt sein, dass du nicht allein bist. Ich helfe euch beiden, wo ich kann. Und meine …"

Ich hüstele kurz.

"… liebenswerte Exfrau ist ja auch noch da."
 

Ein wenig irritiert sehe ich dich kurz an, ehe ich meine Flasche sachte gegen deine stoße.

"Um ehrlich zu sein würde ich gerade nichts lieber, als spurlos zu verschwinden ...", sage ich dann leise und ziehe an meiner Kippe. "Nur würde das nicht die Probleme lösen ..."

Ich zucke mit den Schultern und nippe an der Flasche.

"Nur weil ich offiziell als verrückt gelte, heißt das nicht, dass ich nicht genau weiß, was los ist", füge ich mit einem humorlosen Lächeln hinzu.

Bei der Erwähnung deiner Exfrau muss ich zwangsläufig eine Augenbraue anheben.

"Ich kann nicht besonders gut mit Exfrauen. Ich kenne sie zwar vom Sehen, aber ich kann sie nicht einschätzen."
 

"Ich habe nie angenommen, dass du deine Umgebung nicht mehr mitbekommst", seufze ich. "Und ich bin froh, dass du das erkennst."

Ich mache eine kurze Pause.

"Oh, Barbara die Ältere ist ..."

Ich nuckle nachdenklich an meinem Bier und suche nach Worten, die nicht nach verbittertem Exmann klingen.

"Ach, eigentlich ist sie gar nicht so schlimm. Ist ja im Grunde auch meine Schuld, dass sie auf mich nicht gut zu sprechen ist."
 

Mir legt ein Kommentar bezüglich eurer Scheidung auf der Zunge, doch ich verkneife ihn mir. Ich muss es ja nicht provozieren, dass du jetzt auch noch schlecht auf mich zu sprechen bist. Es reicht ja schon zu, dass Barbara mich so komisch anguckt, als ob sie irgendwas wüsste.

"Ich nehme mal an, dass du deiner Exfrau nichts darüber erzählt hast, dass ich meinen Wohnsitz nach Arkham verlegt habe …"

Ich zucke kurz mit den Schultern, ehe ich wieder an der Bierflasche nippe.

"Wahrscheinlich würde sie dir die Hölle heiß machen, wenn sie wüsste, dass du einen geisteskranken Kriminellen in deinem Haus beherbergst. Es ist sicher das Beste, wenn du einfach sagst, dass ich nach wie vor im GCPD arbeite – um sie zu beruhigen."

Ich nehme einen Zug von meiner Zigarette und grinse dich dann schief an.

"Irgendwie ist es seltsam, hier mit dir zu sitzen. Wenn ich daran danke, wie es war, als wir wirklich noch Kollegen waren …"
 

"Ich habe gar nichts erzählt. Der Deal zwischen mir und Babs war, dass sie das mit ihrer Mutter regelt. Du musst also sie fragen, ich halte mich da raus. Ich bin so oder so unten durch bei der Frau ..."

Der letzte Satz bringt mich zum Schmunzeln.

"Tja, wir hatten nie wirklich viel miteinander zu tun. Ist eigentlich schade. Im Nachhinein fragt man sich, wie die Dinge gelaufen wären, wenn von vornherein alles anders gewesen wäre ..."

Abwartend sehe ich dich an. Ich rechne fest damit, dass du mir gleich beteuerst, dass du dich von Nichts und Niemandem von deinem Vorhaben hättest abbringen lassen.
 

Ich muss mir fast auf die Zunge beißen, um nicht einen sarkastischen Kommentar zu sagen, was eine echte Herausforderung ist bei den Vorlagen, die du mir hier lieferst. Deswegen drehe ich kurz den Kopf mit der Bierflasche an den Lippen von dir Weg, damit ich nicht wirklich noch anfange, gehässig zu grinsen.

"Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, was ihr »echten Polizisten« von der Cyber Crime Unit gehalten habt", erwidere ich, als ich dich wieder ansehe und sehr zu meinem Leidwesen kann ich es nicht verhindern, dass meine Worte nicht so unbekümmert klingen, wie ich es gerne hätte. "Du kennst ja den Tratsch am Wasserspender ...", füge ich mit einem Schulterzucken hinzu und versuche möglichst beiläufig zu klingen.

Es nagt aber immer noch an mir, dass meine Arbeit im GCPD nie wirklich anerkennt wurde - von ein paar einzelnen Personen wie dir und Harvey Bullock mal abgesehen.
 

"Was soll ich dazu groß sagen", murre ich und nippe an meinem Bier. "Wahrscheinlich hast du recht damit. Aber ich habe dir schon gesagt, dass ich dabei bin, die Dinge zu ändern. In kleinen Schritten, aber ich gebe mir Mühe."

Leider ist es nicht so einfach, die Gesinnung der Kollegen zu ändern - vor allem nicht, wenn man es mit den regulären, engstirnigen (und zumeist auch korrupten) Arschlöchern zu tun hat.
 

"Schon okay ...", winke ich ab und ziehe an meiner Zigarette. "Solange du nicht erwartest, dass ich jemals wieder einen Fuß ins Revier setze, ist es mir mittlerweile herzlich egal, was ihr da macht."

Okay, das war ein ziemlich großer Bär, den ich dir gerade aufgebunden habe. Eigentlich interessiert es mich schon, was mein Nachfolger anstellt. Aber allem Anschein nach, hat er noch nicht raus gefunden, dass ich den Hauptrechner angezapft hatte - und dass diese Verknüpfung immer noch besteht.

Ich seufze lautlos und starre in die Dunkelheit, da mir beim besten Willen nicht einfällt, was ich jetzt noch großartig sagen soll. Irgendwie ist gerade die Luft raus, aber dir das zu sagen fühlt sich irgendwie falsch an. Aber dir zu sagen, dass ich es schon irgendwie genieße, hier so mit dir zu sitzen, kommt auch nicht wirklich infrage.

Unwillkürlich reibe ich mir kurz über die nackten Unterarme. Erstaunlich, wie frisch es wird, wenn die Sonne untergegangen ist.
 

"Würde ich nie von dir verlangen ..."

Und nach den jüngsten Ereignissen wurde ich es auch nicht mehr begrüßen.

Weil du nichts weiter sagst und ich immer noch unsicher bin, wie ich nach dem, was gerade passiert ist, mit dir umgehen soll, halte ich ebenfalls den Mund und trinke schweigend mein Bier.

Schon seltsam, hier so mit dir zu sitzen. Ungefähr so habe ich mir die Abende immer ausgemalt, wenn Jimmy erst älter ist und abends mit seinem Dad auf der Terrasse sitzt ... Das hat sich ja nun erledigt, denn Jimmy wächst bei seiner Mutter auf und ich bekomme ihn kaum zu Gesicht.

Eine hoffnungsvolle Stimme erinnert mich daran, dass mein Enkelkind vielleicht ein Junge wird. Aber so sehr ich dieses Kind auch lieben werde, meinen Sohn werde ich nicht so einfach ersetzen können.

Beim Stichwort Sohn betrachte ich dich nachdenklich von der Seite. Es ist komisch, aber manchmal kommt es mir wirklich so vor, als hätte ich dich inzwischen als eine Art Sohn angenommen. Trotz aller Differenzen.

Am liebsten würde ich jetzt die Stirn auf die Arbeitsplatte schlagen, denn meine Worte klangen selbst in meinen Ohren ein wenig eifersüchtig.

Ein herzhaftes Gähnen entweicht mir, als ich am nächsten Morgen die Treppe hinuntersteige. Ich bin todmüde. Die halbe Nacht habe ich wach gelegen und mir den Kopf über die gestrigen Ereignisse zerbrochen. Ich habe mich vergangene Nacht nicht mehr getraut, dich zu fragen, wie es dir geht. Stattdessen habe ich versucht, so normal wie möglich zu tun, die Küche aufgeräumt und mich in mein Zimmer verzogen.

Als ich in die Küche trete, versuche ich gerade halbherzig, meine verfilzten Locken mit den Fingern zu kämmen, halte aber mitten in der Bewegung inne.

Da sitzt du also, an unserem Küchentisch, den ich inzwischen kaum ansehen kann, ohne rot zu werden, schlürfst deinen Kaffee und liest in der Tageszeitung. Und das alles in T-Shirt und Shorts.

Tja ...

Haben die bei dir eigentlich schon immer so eng gesessen?

Ich verpasse mir eine mentale Ohrfeige und räuspere mich.

"Morgen, Eddie ..."
 

"Morgen ...", erwidere ich brummend ohne dich überhaupt anzusehen.

Ich war zwar noch nie besonders kommunikativ, aber als echter Morgenmuffel ist es früh morgens am Schlimmsten - besonders in Anbetracht der Tatsache, dass es erst neun Uhr ist, an einem Samstag.

Dazu kommt, dass ich ziemlich schlecht geschlafen habe und mich die meiste Zeit nur von einer Seite auf die Andere gedreht habe. Und seitdem die Sonne aufgegangen ist, lag ich eigentlich nur noch wach im Bett und habe die Zimmerdecke angestarrt.

Erst als ich oben die ersten Geräusche gehört habe, habe ich mich in die Küche getraut und war erleichtert, dass es Jim war, der sich ziemlich zerzaust bereits an der Kaffeemaschine zu schaffen gemacht hat.

"Wenn du deinen Dad suchst, der ist draußen ...", murmle ich, nachdem ich einen großen Schluck Kaffee genommen habe.

Wie Jim diese Brühe trinken kann, ist mir ein Rätsel. Meinetwegen hätte er ruhig noch ein paar Löffel Kaffeepulver mehr in den Filter packen können. Aber besser als gar kein Kaffee.
 

"Eigentlich suche ich Frühstück", erwidere ich und bin dabei nicht weniger kurz angebunden als du.

Die Kaffeemaschine würdige ich keines Blickes, stattdessen nehme ich mir einen Topf und koche mir einen Kakao. Dazu schlage ich mir zwei Eier in die Pfanne.

Erst bin ich etwas unschlüssig, was ich machen soll. Aber mein Essen nach oben in mein Zimmer zu schleppen wäre ziemlich dämlich. Also lasse ich mich neben dir am Tisch nieder und beginne schweigend, mein Frühstück zu verzehren.

Am liebsten würde ich ein Gespräch beginnen, um das peinliche Schweigen zu umgehen. Da du dich aber hinter deiner Zeitung vergraben hast, scheint mir das nicht unbedingt klug zu sein.

"Kann ich den Sportteil haben?", frage ich deswegen, damit ich mich wenigstens irgendwie beschäftigen kann.
 

Mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue lasse ich langsam die Zeitung sinken und sehe dich misstrauisch an, als du nach dem Sportteil fragst.

Ernsthaft?

Den Sportteil?

Ich habe dich bislang nie für Jemanden gehalten, der sich brennend für die Spielergebnisse des letzten Football Spiels interessiert.

Mit einem lautlosen Seufzen fische ich nach einer gefühlten Ewigkeit die entsprechenden Seiten aus der Zeitung und reiche sie dir ohne überhaupt hinzusehen rüber.

Die übrigen Seiten, die ich noch in den Händen halte, falte ich zusammen und lasse die auf den Küchentisch fallen, um die letzten Rest Kaffee runter zu kippen.

"Irgendwas geplant heute?", frage ich dann, um überhaupt irgendwas zu sagen.

Es fühlt sich seltsam an, mit dir in eurer Küche zu sitzen und dir scheint es dabei nicht anders zu gehen. Fast wünsche ich mir, dass Jim jeden Moment wieder reingeplatzt kommt und dieser unangenehmen Situation die Spannung nimmt.
 

Deinen Gesichtsausdruck lasse ich unkommentiert, als ich die Seiten annehme und beginne, die Tabellen mit den Spielergebnissen zu überfliegen.

Wenn man einen Vater hat, der die meiste Zeit vollkommen von seinem Job eingenommen ist, gewöhnt man sich schnell an, als Kind besonders interessant zu sein. In meinem Fall bedeutete das, anzufangen Football zu schauen, um mit Dad über etwas anderes als Mädchenprobleme oder die Polizei sprechen zu können.

Als du mich ansprichst, verschlucke ich mich an meinem Kakao und huste erst einmal eine Runde. Das kam jetzt unerwartet. Wahrscheinlich sehe ich dich gerade an wie ein verschrecktes Reh.

"Ähm ... Zufälligerweise schon. Eine Rettungsaktion, um genau zu sein."

Ein ehrliches, wenn auch noch etwas unsicheres Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit.
 

Ich halte mitten in der Bewegung inne, als ich gerade auf dem Weg zur Kaffeemaschine bin, drehe mich langsam zu dir um und mustere dich misstrauisch. Rettungsaktion kann Vieles bedeuten und ich bin mir ziemlich sicher, dass mir keine der Möglichkeiten gefallen wird.

"Rettungsaktion ...?", wiederhole ich mit deutlichem Argwohn in der Stimme. "Ich hoffe doch, dass dabei hautenges Leder keine Rolle spielt."

Am liebsten würde ich jetzt die Stirn auf die Arbeitsplatte schlagen, denn meine Worte klangen selbst in meinen Ohren ein wenig eifersüchtig.

Himmelherrgott noch mal!

Das darf doch nicht wahr sein!

Deswegen drehe ich mich abrupt um, schnappe mir die halbleere Kaffeekanne und gieße die fast schwarze Brühe in meine Tasse.
 

Ein amüsiertes Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Nach all der Zeit und allem, was vorgefallen ist, bist du immer noch eifersüchtig auf Bruce.

Das ist irgendwie rührend ... und äußerst erheiternd.

"Na ja", beginne ich gedehnt und schiebe mir gemächlich einen Happen Spiegelei in den Mund. "Jetzt wo du's sagst, würde hautenges Leder dabei verdammt scharf aussehen."

Es ist wirklich überaus positiv, dass mein Dad in diesem Moment nicht die Küche betritt. Ich esse noch eine weitere Gabel Ei und kaue genüsslich, ehe ich dich breit anlächle.

"Ich will mein Geburtstagsgeschenk holen. Der Arme hat da schon viel zu lange vor sich hin gestaubt."
 

Meine Augenbraue wandert zu neuen Höhen, als ich dich zweifelnd mustere und mein Blick dabei an deinem bereits deutlich gewölbten Bauch hängen bleibt. Oh ja, so sieht dein hautenges Kostüm wirklich äußerst ansprechend aus, denke ich mir und kann es mir im letzten Moment verkneifen, diese Worte laut auszusprechen. Stattdessen schüttle ich knapp den Kopf und stelle die Kaffeekanne zurück in die Maschine.

"Dann solltest du den Ölstand kontrollieren, sonst bleibst du am Ende auf halber Strecke liegen", murmle ich, während ich dir den Rücken zugewandt habe, aus dem Küchenfenster starre und Jim dabei beobachte, wie er irgendwas im Gartenhäuschen macht.
 

"Zu Befehl."

Ich sehe dich zweifelnd an.

"Ich will doch stark hoffen, dass du die Entscheidung nicht überdenkst, sobald du den Wagen in der Auffahrt stehen siehst?"

Vor meinem inneren Auge male ich mir die dramatische Wiedervereinigung von dir und deinem Mustang aus und kann mir ein Kichern nicht verkneifen. Du musst das Auto jetzt schon mindestens zwei Jahre nicht mehr gesehen haben. Vorausgesetzt, du hast die Verwahrstelle in der Zeit nicht irgendwie im Auge behalten ...
 

Erstaunt drehe ich dir den Kopf zu und schenke dir einen Blick, den man im besten Fall wohl als »Pass auf was du sagst!« werten kann. Zumindest erreiche ich damit, dass du schuldbewusst den Kopf senkst, dein Frühstück beendest und wieder nach oben verschwindest.

Auch ich ziehe mich ins Gästezimmer zurück, nachdem ich auch die mittlerweile dritte Tasse Kaffee intus habe und sehe zu, dass ich halbwegs einen Menschen aus mir mache, was bei einem kritischen Blick in den Spiegel des Gästebades nicht einfach sein dürfte. Zerzauste Haare, Augenringe und ein stoppeliges Kinn. Normalerweise lege ich relativ viel wert auf gutes Aussehen, doch da ich nicht vorhabe, an diesem Wochenende einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen, ist es mir herzlich egal, wie ich rumlaufe.

Als ich - zwar immer noch nicht viel wacher, aber zumindest angezogen - wieder hoch komme, höre ich nur noch, wie die Haustür ins Schloss fällt. Wie ich mit einem Blick aus dem Küchenfenster feststelle, ist Jim immer noch im Gartenhäuschen, also hast du dich auf den Weg zum Revier gemacht.

Und irgendwie wird mir bei dem Gedanken, dass du gleich am Steuer meines Mustangs sitzen wirst, ganz anders. Um irgendwie die Zeit zu überbrücken, beschließe ich, draußen Eine zu rauchen und Jim ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Nur weil du fahren kannst wie Vin Diesel in einem illegalen Straßenrennen, heißt das nicht, dass du es auch tun solltest.

Das enorme Grinsen will mein Gesicht gar nicht mehr verlassen. Ich sitze zufrieden wie schon lange nicht mehr hinter dem Steuer des Mustangs - den der freundliche Mann an der Verwahrstelle netterweise für mich durchgesehen hat, nachdem er mich als Tochter vom Boss erkannt hat. Das hier ist sogar besser als die Gelegenheiten, zu denen Bruce mir erlaubt hat, das Batmobil zu fahren.

Zugegeben, ich bewege mich gerade weit über dem Tempolimit. Der röhrende Motor wird sicher den ein oder anderen Spießbürger in unserer Straße ans Fenster locken. Ich frage mich, ob die Nachbarn den Wagen noch von damals erkennen werden.

Das Radio habe ich laut aufgedreht und sogar einen Sender mit Rockmusik gefunden, die ich lauthals mitsinge. Nach all dem Stress und Drama der letzten Tage fühle ich mich seit langem mal wieder unbeschwert.

"Du wirst das coolste Kind in der Krabbelgruppe", sage ich zu meinem Bauch und fahre einen kleinen Schlenker, weil ich den Blick zu lange von der Straße genommen habe.

Der unerwartete Ruck entlockt mir ein Lachen. Solange ist es gar nicht her, dass ich das letzte Mal als Batgirl unterwegs war, aber ich vermisse das Abenteuer und die Gefahr jetzt schon.

Als unsere Einfahrt in Sicht kommt, die glücklicherweise frei ist, weil Dienst- und Zivilwagen meines Vaters in der Garage parken, habe ich zwei Optionen. Ich entscheide mich für die lustigere: Kurz Vollgas und kurz vor der Einfahrt den Fuß auf die Bremse schmettern und das Lenkrad herumreißen.

Gekonnt drifte ich mit quietschenden Reifen in die Einfahrt und bleibe mit einem so heftigen Ruck stehen, dass der Gurt sich spannt, weil ich nach vorn rutsche. Lachend stelle ich den Motor aus und gebe mir selbst einen Klaps auf den Bauch.

"Tut mir leid, Liebling, aber das hat Mommy jetzt gebraucht. Gott, der Wagen ist der Wahnsinn!"

Noch immer strahlend steige ich aus und verriegle den Mustang, nicht ohne noch einmal liebevoll über das Dach zu streichen.

"Dann wollen wir dich mal mit deinem vorherigen Besitzer vereinen."
 

Kaum, dass du die Fahrertür des Mustangs abgeschlossen hast, stapfe ich einem wütenden und gleichzeitig entsetzten Gesichtsausdruck auf dich zu und entreiße dir ziemlich rabiat den Zündschlüssel, während du noch die Hand auf dem Dach hast.

"Sag mal, spinnst du?!", blaffe ich dich so laut an, dass es sicher auch die Nachbarn hören können - und dein Vater. "Du bist hier nicht beim Indy 500!"

Ich kann meine Aggression kaum zügeln, seit ich gerade gesehen habe, wie du in die Auffahrt gebrettert bist. Dabei war meine Stimmung eigentlich ziemlich gut, als ich vor wenigen Augenblicken noch im Haus war und den unverwechselbaren Klang des Motors meines Wagens gehört habe.

Aber meine Laune ist sprunghaft in den Keller gerutscht, als ich durch das breite Fenster im Wohnzimmer gesehen habe, wie du den Motor aufheulen lassen hast und dann mit quietschenden Reifen in die Einfahrt gerauscht bist.

"Bloß weil du 112 PS unter dem Hintern hast, musst du nicht gleich so tun, als wärst du ein Rennfahrer!"

Wutentbrannt schließe ich wieder die Fahrertür auf und entriegle von innen die Motorhaube.

"Hast du deinen Führerschein im Lotto gewonnen!?"

Fluchend öffne ich die Motorhaube und fixiere sie mit der dafür vorgesehenen Metallstange.

"Meine Güte, wie kann man nur so beschissen fahren?!", fluche ich vor mich hin, während ich den Motorraum in Augenschein nehme und deine Anwesenheit - und die deines Vaters, der inzwischen ebenfalls in der Einfahrt ist - komplett ausblende.

"Himmelherrgott noch mal!", murre ich sauer, als ich den eingestaubten Motorraum inspiziere. "Wie versifft ist diese Verwahrstelle eigentlich?"

Kopfschüttelnd setze ich mich wieder in den Wagen und entdecke sofort den nächsten Auslöser, um meinen Kopf frustriert auf das Armaturenbrett zu schlagen.

"Nicht mal die Handbremse hat sie angezogen ...", murmle ich sauer und ziehe die Handbremse an.

Ich bin mittlerweile so sehr auf den Mustang fixiert, dass ich die misstrauischen Blicke von Jim nicht mitbekomme, als ich den Zündschlüssel ein Stück im Schloss drehe, um die Motorkontrollleuchten zu überprüfen. Meine Befürchtung, dass du mit deinem waghalsigen Fahrstil einen kapitalen Motor- oder Getriebeschaden provoziert hast, bestätigt sich zum Glück nicht, weswegen ich mir die Haare raufe und dir - als ich endlich wieder realisiere, dass du wie festgewachsen neben dem Wagen stehst - einen Blick schenke, als ob ich dich für nicht ganz dicht halte.

"Tu roulés vraiment comme un pied!", zische ich dir auf Französisch zu und denke nicht mal im Traum daran, dich jemals wieder ans Steuer meines Mustangs zu lassen.
 

Einen Moment lang stiere ich dich mit offenem Mund an. Ich bin gar nicht zu Wort gekommen, so schnell hast du deine Beleidigungen runter gerattert. Ganz zu schweigen davon, dass es mich völlig unvorbereitet getroffen hat, als du mir die Schlüssel aus der Hand gerissen hast.

Ich blinzle dich fassungslos an, ehe es aus mir heraus bricht.

"Wie bitte?!"

Ich kann gar nicht so richtig glauben, was du hier gerade abgezogen hast.

"Also damit du's weißt: Die Handbremse habe ich noch nicht angezogen, weil ich sowieso gleich den Wagen in die Garage gefahren hätte, sobald Dad rausfährt - weil ich weiß, wie du dich mit deinem Wagen hast."

Ich mache ein paar wütende Schritte auf dich zu.

"Und abgesehen davon. Was bildest du dir eigentlich ein, so mit mir zu reden? Ich würde niemals dein Auto mutwillig kaputt machen! Ich weiß, wie ich einen Wagen kontrollieren muss, damit ich ihn nicht zu Schrott fahre!"

"Aber, Babs ...", wirft Dad von der Seite ein. "Das hatten wir doch schon mal. Nur weil du fahren kannst wie Vin Diesel in einem illegalen Straßenrennen, heißt das nicht, dass du es auch tun solltest."

Er verstummt, als ich ihm einen giftigen Blick zuwerfe.

"Ihr seid doch beide völlig bescheuert."

Ich deute auf die Autoschlüssel in deiner Hand.

"Das ist noch nicht geklärt. Der Wagen gehört jetzt mir und ich fahre damit verdammt nochmal wie ich will."

Vor mich hin fluchend steuere ich auf die Haustür zu.

"Wir klären das drinnen, die Nachbarn müssen das nicht mitbekommen", keife ich. "Und wag es dir ja nicht, mich in irgendwelchen anderen Sprachen anzuraunzen. Hab wenigstens die Eier, zu dem zu stehen, was du mir an den Kopf wirfst."

Ich stapfe voran ins Haus, ohne mich nach dir umzusehen. Kein Zweifel, dass du nach der Ansage hinterher kommst, um deine - natürlich völlig hinfällige - Ansicht zu dem Thema zu verteidigen.
 

Ich werfe Jim einen vieldeutigen Blick zu, ehe ich genervt mit den Augen rolle. Fantastisch. Einfach großartig. Natürlich geht meine Kritik bei dir in ein Ohr hinein und im anderen wieder raus.

Wie konnte ich auch nur erwarten, dass du wirklich verstehst, dass du am Steuer eine Katastrophe bist?

Frustriert steige ich aus dem Wagen, werfe die Fahrertür zu und stopfe mir den Zündschlüssel in die Hosentasche.

"Der Mustang bleibt wo er ist", brumme ich Jim im Vorbeigehen zu, während ich zur Haustür stapfe.

Viel Lust dazu habe ich dazu zwar nicht, denn ich kann dir meine Meinung auch genauso gut hier draußen an den Kopf werfen. Aber damit dein Vater keinen Herzinfarkt bekommt, füge ich mich notgedrungen in mein Schicksal und folge dir ins Haus.

"Du brauchst gar nicht zu denken, dass ich dich jemals wieder ans Steuer lasse!", sagte ich ziemlich lautstark ehe die Haustür richtig zu ist. "Wer immer dir den Führerschein ausgestellt hat, sollte öffentlich gesteinigt werden, so wie du fährt! Das ist übrigens kein Fahrstil, sondern eine Gefährdung für die Öffentlichkeit! Noch stehe ich in den Besitzdokumenten und so wird es auch bleiben!"
 

Kaum bin ich in der Küche angekommen und höre deine Worte, fahre ich wutentbrannt zu dir herum.

"Das ist total unfair!", pflaume ich dich an. "Ich fahre super! Andere hätten mir für diesen großartigen Drift applaudiert, aber nein, der Herr ist ja der Meinung, dass schnelle Autos ungeeignet für schnelles Fahren sind."

Ich schüttle genervt den Kopf.

"Nur weil du Sonntagsfahrer dein Leben lang mit dem Auto vor dich hingetuckert bist, muss ich das nicht auch machen."

Grimmig sehe ich dich an.

"Es ist ein Mustang, verdammt, und kein Shetlandpony."
 

Ich bin kurz versucht, mir eine Hand ins Gesicht zu schlagen bei deinen Argumenten, als ich in der Tür zwischen Wohnzimmer und Küche stehen bleibe.

Warum will ich noch mal versuchen, einer emotionalen und sturen Achtzehnjährigen zu erklären, dass sie nicht SO mit einem wertvollen Mustang umgehen kann?

Ach ja ... Der Polizeichef ...

"Das ist ein Mustang von 1974 und kein Shelby GT 500! Und du bist hier nicht am Set von »The Fast and the Furious«!"

Ich komme ein paar Schritte nähe und deute sauer mit dem Zeigefinger auf dich.

"Ich wollte dir den Wagen geben, weil ich eigentlich angenommen habe, dass du als Polizistentochter anständig fahren kannst! Aber nachdem, was ich gerade gesehen habe, kannst du das knicken! Der Wagen ist fast doppelt so alt wie du und du gehst mit ihm um, als wärst du auf einer Rennstrecke! Lieber lasse ich ihn zwei weitere Jahre im GCPD vor sich hinrosten, als dich noch mal in seine Nähe zu lassen!"
 

"Entschuldige mal?!"

Ungläubig reiße ich die Augen auf.

"Übrigens finde ich es ja sehr interessant, dass du dir mehr Sorgen um deinen Wagen machst, als um mich und dein Kind, wenn ich wirklich so schlecht fahre - was ich nicht tue!"

Ich werfe grantig die Arme in die Luft. Ja, das blöde Fast and the Furious Argument habe ich von Dad auch schon des Öfteren zu hören bekommen.

"Herrgott, ich habe sogar schon mehrmals das Batmobil gefahren! Das ist zehnmal so viel wert wie dein Mustang und da hat sich Niemand beschwert!"
 

Kurz zuckt meine Hand in deine Richtung, aber nur einen Sekundenbruchteil später besinne ich mich wieder, balle die Hand zur Faust und lasse sie abrupt sinken. Ich kann kaum glauben, was ich da gerade gehört habe.

Du denkst also wirklich, dass mir der Mustang wichtiger ist als ein - nein zwei, gut anderthalb - Menschenleben?

Okay, ich habe bisher vielleicht nicht sonderlich viel Interesse an deiner Schwangerschaft gezeigt - zumindest nicht dir gegenüber -, aber so etwas zu sagen, ist wirklich die Höhe.

Um mich jetzt nicht zu sehr darüber aufzuregen, beiße ich die Kiefer fest aufeinander und begnüge mich damit, dich mit einem Blick anzusehen, der töten kann. Mit verengten Augen und gerunzelter Stirn mustere ich dich, während du mich wütend ansiehst.

"Das Batmobil ist auch gepanzert!", bricht es dann aus mit heraus, ehe ich mich zügeln kann.
 

"Soll das heißen, ein Panzer ist nötig, um bei mir sicheres Fahren zu gewährleisten?!", rege ich mich auf.

Ich bin inzwischen so in Rage, dass ich gar nicht mehr groß auf deine Reaktionen achte. Jedes einzelne Wort, das du von dir gibst, macht mich nur noch aggressiver.

"Du solltest froh sein, dass ich so fahre!", echauffiere ich mich.

Dieses Mal senke ich die Stimme, falls Dad irgendwo seine Lauscher aufgespannt hat.

"In diesem ... Beruf ist das ziemlich wichtig, wie du dir sicher vorstellen kannst. Wenn ich an jeder roten Ampel anhalte geschweige denn ungeübt mit Geschwindigkeit bin, hab ich schon verloren. Ich brauche Training, bevor ich später mal einen richtigen Unfall bei einer Verfolgungsjagd baue - und dann nützt auch die Panzerung nicht mehr viel", zische ich. "Weißt du was? Behalt doch deine blöde Karre. Ich brauche das bescheuerte Ding nicht!"

Fast hätte ich dir an den Kopf geworfen, dass ich bei Bruce zehn solcher Wagen zur Auswahl habe, aber ich besinne mich und unterdrücke diese Trotzreaktion. Stattdessen verschränke ich die Arme und starre dich wütend an.
 

"Beruf?", frage ich mit einer hochgezogenen Augenbraue und deutlichem Misstrauen in der Stimme nach. "Du willst doch wohl nicht weiterhin mit der Fledermaus zusammen arbeiten?!"

Frustriert schlage ich mit der flachen Hand auf den Küchentisch.

"Sag, tickst du noch ganz richtig?! Hat dir das noch nicht genug Ärger eingebrockt?!"

Mit einer knappen Bewegung zeige ich auf dich und signalisiere dir mit einem Kopfnicken, dass ich vor allem deinen gewachsenen Bauchumfang meine.
 

"Oh, nein, mein Lieber."

Ich hebe warnend den Zeigefinger.

"Diesen Ärger hast du mir eingebrockt, nicht die Arbeit als Batgirl."

Spöttisch verziehe ich das Gesicht.

"Aber wenn es dich glücklich macht, kann ich neben den Handschellen gerne noch eine Packung Kondome an meinen Gürtel hängen. Falls ich mal Joker oder Pinguin hochnehme und meine Libido nicht kontrollieren kann!"

Ich unterdrücke das kindische Bedürfnis, dir die Zunge heraus zu strecken.
 

Für einen kurzen Moment bin ich versucht, meiner Wut freien Lauf zu lassen und dich so anzuschreien, dass es die ganze Nachbarschaft hören kann. Doch im letzten Moment besinne ich mich eines Besseren, knirsche mit den Zähnen und balle die Hände zu Fäusten, ehe ich näher komme, mich vor dir aufbaue und dich mit Mord im Blick ansehe.

"Bitte, tu was du nicht lassen kannst!", zische ich dir aggressiv und mit einer ordentlichen Portion Eifersucht in der Stimme zu. "Dann hast du ja jetzt genügend Auswahl und kannst deinen Dad damit beeindrucken!"
 

"Bitte was?! Es geht doch nicht darum, jemanden zu beeindrucken! Dad sollte gar nichts davon mitbekommen, er -"

Ich halte abrupt inne, weil mir plötzlich dämmert, worauf du mit deinen Worten eigentlich anspielst. Eine Sekunde lang blinzle ich dich ungläubig an, dann entweicht mir ein kleines Kichern, bis ich schließlich anfange, zu lachen.

"Edward!"

Ich grinse dich breit und nicht einmal spöttisch an.

"Bist wirklich immer noch eifersüchtig? Nach allem, was passiert ist?"

Ich schüttle mit einem fassungslosen Lachen den Kopf.

"Das ist irgendwie ... süß. Besorgniserregend, aber süß ..."
 

Als du anfängst zu lachen, provozierst du damit, dass ich noch ein bisschen wütender auf dich werde und ich muss mich richtig zusammen reißen, um dich jetzt nicht so laut anzuschreien, dass dir noch nächste Woche die Ohren klingeln.

"Ich. Bin. Nicht. Eifersüchtig", zische ich dir gefährlich leise und gespielt ruhig zu, aber anhand meiner angespannten Körperhaltung solltest selbst du mitbekommen, dass ich ganz kurz davor bin, dich einen Kopf kürzer zu machen.

Dass man mit dir aber auch gar nicht vernünftig diskutieren kann!
 

Meine Augen wandern über deine ganze Erscheinung und ich werde mir bewusst, wie angespannt du bist. Egal, wie wütend ich gerade noch war, scheinbar bist du um einiges gereizter als ich.

Beschwichtigend hebe ich die Hände, mit einem leisen Lächeln auf den Lippen.

"Schon gut, Eddie. Nicht eifersüchtig. Klar."

Ich kann mich gerade so zurückhalten, dir jetzt nicht auch noch zuzuzwinkern.

"Und selbst wenn. Eine Frau empfindet es übrigens als recht angenehm, wenn einem Mann so viel an ihr liegt."

Ich hoffe, dass mein versöhnlicher Blick irgendwie zu dir durchdringt und du nicht gleich auf mich losgehst.

"Ich meinte das übrigens ernst. Du kannst das Auto von mir aus haben. Wenn du jedes Mal so eine Szene machst, wenn ich damit fahre, kann ich gut darauf verzichten. Dad kann es zurückbringen und in der Verwahrstelle erzählen, seine Tochter habe eigenmächtig und ohne väterliche Erlaubnis gehandelt."

Ich zucke mit den Schultern, obwohl ich schon etwas traurig bin, mein Geburtstagsgeschenk wegen solch einer dummen Sache abgeben zu müssen.

Mein Blick fällt auf deine angespannten Körper und die geballten Fäuste uns ich seufze leise.

"Warum setzt du dich nicht hin? Ich koche dir einen Kaffee. Du darfst sogar deine Lieblingstasse haben, hm?", füge ich lockend hinzu.
 

Irritiert senke ich ein kleines Stück den Kopf, um dich mit einer hochgezogenen Augenbraue über den Rand meiner Brille anzufunkeln. Es kommt mir nicht ganz koscher vor, dass du von jetzt auf gleich so versöhnlich bist. Irgendwas ist hier doch faul. Oder ich sehe schon wieder Gespenster. Aber Kaffee klingt eigentlich gar nicht so schlecht.

Ruckartig drehe ich mich um und lasse mich mit verschränkten Armen an den Küchentisch fallen.

"Tu was du nicht lassen kannst ...", erwidere ich mürrisch während ich die Wand anstarre. "Aber glaub bloß nicht, die Sache hat sich damit erledigt."

Wo sind die Zeiten hin, in denen ich einfach mein Shirt ausziehen konnte und Alles war wieder gut?

Betont leidvoll seufze ich.

"Wo sind die Zeiten hin, in denen ich einfach mein Shirt ausziehen konnte und Alles war wieder gut?", murmle ich mehr zu mir selbst als zu dir.

Schweigend setze ich Kaffee an und hole die Tasse aus dem Schrank, die ich dir immer gegeben habe, wenn die hier warst. Um der alten Zeiten willen.

Als ich dir den Kaffee einschenke, sehe ich dich ohne jeglichen Ärger im Blick an.

"Eddie ... Du glaubst mir doch, dass ich sicher nicht mit Absicht versucht habe, den Mustang zu beschädigen, oder? Ich weiß wie viel er dir bedeutet."
 

Die schweigenden Minuten, in denen der Kaffee durchläuft, scheinen sich endlos hin zu ziehen. Ab und zu werfe ich dir einen kritischen Blick zu und meine Augenbraue wandert wieder in die Höhe, als du die »Virus-Tasse« aus dem Schrank holst. Eigentlich bin ich ja noch sauer auf dich, aber trotzdem verleitet es mich zu einem kurzen Schmunzeln.

Als du dann mit der vollen Tasse an den Tisch kommst, ist mein Ärger fast schon wieder komplett verraucht.

"Sah von hier schon ziemlich mutwillig und fahrlässig aus ...", murmle ich, ohne dich anzusehen.

Ich seufze lautlos und drehe dir den Kopf zu.

"Der Wagen ist locker dreimal so viel wert wie der deines Vaters und du gehst damit um, als hättest du noch ein Dutzend in der Garage stehen."
 

Ich lasse mich neben dir auf einen Stuhl sinken und fahre mir seufzend durch die Haare.

"Es bringt mir wohl nicht viel, nochmals zu beteuern, dass ich es unter Kontrolle hatte", frage ich mit einem ironischen Lächeln.

Keine Chance, dass du irgendwie einlenkst. Wäre ja auch zu schön.

"Aber es tut mir leid. Er bedeutet dir einiges und ich habe ihn nicht gut behandelt ..."

Ich starre nachdenklich die Tischplatte an.

"Es ist nur ... Weißt du, all der Stress und die ganzen Probleme. Das wird mir allmählich zu viel. Es war ein schönes Gefühl, mal wieder frei und unbeschwert zu sein. Nicht so toll, wie über die Dächer von Gotham zu sprinten, aber nah dran. Ich habe einfach einen Moment lang mal nicht nachgedacht."

Hoffnungsvoll sehe ich dich an. Ich wünsche mir wirklich, dass du das irgendwie verstehen kannst.
 

Während ich kurz an der Tasse nippe, schenke ich dir einen argwöhnischen Blick und gebe dann meine angespannte Haltung auf, indem ich mich zurück lehne und die Beine übereinander schlage. Dann nehme ich mir die Brille ab und reibe mir seufzend übers Gesicht.

"Ich muss wirklich verrückt gewesen sein, als ich dir den Wagen geschenkt habe ...", murmle ich und starre den Kaffee an. "Du bist zu jung und definitiv zu waghalsig, um überhaupt den ideellen Wert zu begreifen ..."

Ich zucke knapp mit den Schultern und schenke dir ein schiefes Lächeln.

"Na ja ... Kein Wunder bei den Vorbildern ..."
 

Eine meiner Augenbrauen wandert nach oben.

"Du warst früher mein großes Vorbild ...", sage ich wahrheitsgemäß. "Und hör auf zu reden, als wäre ich noch ein Kind."

Etwas beleidigt verschränke ich die Arme. Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn du mich nicht für voll nimmst. Ich hasse es, wenn du das tust.

"Du weißt ganz genau, wie ich das hasse ..."
 

Dieses Mal kann ich es nicht verhindern, dass ich meine Lippen tatsächlich zu einem amüsierten Grinsen verziehen.

"Ich meinte eigentlich die Fledermaus", erwidere ich mit einem erheiterten Kopfschütteln. "Gerüchten zufolge hat er einen ziemlichen Verschleiß an technischen Spielereien."

Kurz senke ich den Kopf und als ich ihn wieder anhebe, ist das Grinsen verschwunden, aber wirklich ernst sehe ich dich auch nicht an.

"Wenn du nicht willst, dass du wie ein Kind behandelst wirst, dann benimm dich doch einfach ein bisschen erwachsener. Nur so als gut gemeinter Tipp ..."
 

Den Kommentar über Bruce ignoriere ich mit einem Augenrollen. Wenn ich mich darauf einlasse, dann gehen wir uns am Ende wirklich noch an die Gurgel.

"So. Erwachsener ..."

Ich drehe mich auf meinem Stuhl zu dir und sehe dich mit schräg gelegtem Kopf an.

"Was ist denn erwachsen? Hältst du dich für erwachsen, wenn du wegen jedem kleinen Bisschen ausflippst, anstatt gesittet und kontrolliert zu sein? Oder ist man erwachsen, wenn man Erwachsenendinge tut?"

Mein Lächeln wird eine Spur provokanter.

"In dem Fall wäre ich wohl erwachsen, seit es mich armes kleines Mädchen damals in dein Büro verschlagen hat. Wo du - ganz der Erwachsene, der du bist - dich sehr verantwortungsbewusst um mich gekümmert hast."
 

Abrupt verschlucke ich mich am Kaffee und muss ziemlich heftig husten bei der Erwähnung, wie du mir damals in meinem Büro im GCPD auf die Pelle gerückt bist. Und wenn ich nicht bereits so abgeklärt wäre, würde ich vermutlich rot anlaufen. Stattdessen werfe ich dir einen erstaunten Blick zu und bin erst einmal sprachlos.

So hatte ich das mit dem »erwachsener verhalten« eigentlich nicht gemeint und ich bin mir sicher, dass du das auch weißt. Trotzdem hast du dich dazu entschlossen, das Ganze zweideutig aufzufassen und versuchst anscheinend nun, mich auf diese Art und Weise zu provozieren. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das nun besser oder schlechter ist, als mich zur Weißglut zu treiben.

"Du hast es drauf angelegt ...", murmle ich, um irgendwie Schadensbegrenzung zu betreiben.

Allerdings wird mir bei einem Blick auf dich sofort klar, dass das nicht viel helfen wird.

Sind das die Hormone, die dich so vollkommen willkürlich die Stimmung ändern lassen oder machst du das mit Absicht?
 

"Natürlich habe ich das", sage ich gerade heraus und zucke mit den Schultern.

Mein Grinsen wird breiter.

"Und ich habe bekommen was ich wollte, nicht war? Was bedeutet, dass entweder ich sehr gut darin bin, meine Ziele zu erreichen ..."

Ich werfe dir einen gespielt mitleidigen Blick zu.

"Oder du sehr schlecht darin, einem Mädchen auf einem Tisch zu widerstehen."

Aus einer geradezu diebischen Laune heraus schiebe ich meinen Stuhl zurück, stehe mit einer galanten Drehung auf und lehne mich mit der Hüfte so gegen den Tisch, dass ich deinen Arm streife.

"Was von beidem ist es, Eddie?"

Ich mag vielleicht bereits den Bauchansatz haben, aber noch bin ich mir darüber in Klaren, dass ich gut aussehe. Andere Frauen laufen ständig mit so einem Bäuchlein herum.

Also kein Grund, sich zu schämen, oder?
 

Irritiert hebe ich eine Augenbraue an und sehe dich mit einem Blick an, der irgendwo zwischen erstaunt und schüchtern liegt. Dazu kommt, dass ich mich gerade sehr schwer damit tue, einen selbstsicheren Gesichtsausdruck zur Schau zu stellen.

"Was wird das, wenn es fertig ist?", frage ich leise mit einem unsicheren Unterton in der Stimme.

Meinen Arm, den du gestreift hast, ziehe ich ruckartig zurück, als ob ich mich gerade verbrannt habe.
 

Es bereitet mir unendliche Freude zu sehen, wie unsicher du mit einem Schlag bist. Süß. Genau wie früher. Na ja. Bis auf das eine Mal, als unser Kind entstand. Da waren wir uns dummerweise beide ziemlich sicher ...

"Gar nichts ..."

Ich stütze mich mit den Händen auf der Tischplatte ab und hüpfe darauf, sodass ich neben deinem Kaffee zum Sitzen komme. Die Beine überschlage ich locker, stütze einen Ellbogen auf mein Knie und das Kinn auf meine Hand.

"Wie habe ich diesen verschreckten Ausdruck in deinem Gesicht vermisst", kichere ich. "Um einiges besser als dieser grummelige Gleich-setzt-es-was-Blick ..."
 

Von wegen »gar nichts«. Mir ist sehr wohl bewusst, dass du das mit Absicht machst. Und dass es dir auch noch gefällt. Und das Schlimmste an der Sache ist, dass du genau weißt, dass deine zweideutigen Bemerkungen und anzüglichen Provokationen bei mir nach wie vor funktionieren.

Verdammt noch mal ...

Dabei habe ich mir doch schon vor Wochen geschworen, dass ich mich von so etwas nie wieder aus der Ruhe bringen lasse.

Ich atme tief durch und kratze mein kümmerliches Selbstbewusstsein zusammen, um dich selbstsicherer anzusehen, als mir eigentlich zumute ist.

"Du spinnst doch ...", erwidere ich und greife betont lässig nach meiner Kaffeetasse.
 

Kaum ist die Kaffeetasse weg, nutze ich meine Chance etwas weiter herüber zu rutschen, sodass ich direkt vor dir sitze. Die Beine lasse ich rechts und links von dir herunter baumeln.

Ich beuge mich ein Stück nach von und versuche das verführerischer Lächeln wieder auszugraben, mit dem ich dich früher immer gekriegt habe.

"Vielleicht ... Aber nur ein bisschen. Wir beide, schätze ich."
 

Fast hätte ich den Kaffee zurück in die Tasse gespuckt, weil du es schon wieder schaffst, dass ich mich verschlucke. Okay, damit ist klar, dass du das mit Absicht machst.

Weil ich nicht weiß, wo ich die Tasse jetzt hinstellen soll, behalte ich sie gezwungenermaßen in der Hand und spiele nervös mit den Fingern daran herum.

Unsicher sehe ich zu dir hoch und ich kann es mittlerweile nicht mehr leugnen, dass diese Situation durchaus ansprechend ist. Ansprechend, aber vollkommen unangebracht in eurer Küche, wo dein Dad jederzeit plötzlich im Raum stehen kann.

Eigentlich sollte ich einfach aufstehen und dich hier sitzen lassen, doch weil du eben nicht ohne Wirkung auf mich bist, kann ich nur reglos sitzen bleiben und hart schlucken, als mir bewusst wird, dass ich deine Nähe tatsächlich vermisst habe.
 

"Ganz sprachlos, Eddie?", säusele ich und würde mir am liebsten selbst auf die Schulter klopfen.

Sieht aus, als würde man das genauso wenig verlernen wie Fahrradfahren. Allerdings reicht es mir allmählich mit dem Genecke. Nach meinem Geschmack ist allmählich der Punkt gekommen, ab dem du ein bisschen aktiver mit einsteigen könntest.

Also beuge ich mich noch weiter nach vorn (und da kommt es einem doch sehr zugute, dass in der Schwangerschaft auch die oberen Etagen zulegen) und nehme dir die Tasse aus der Hand.

"Ich schenk dir nachher einen neuen ein. Jetzt hast du wichtigeres zu tun", sage ich und stelle die Tasse außer Reichweite.

"Nervös?", frage ich verschmitzt und dieses Mal rutsche ich soweit nach vorn, dass mein Gesicht ganz nah vor deinem ist.
 

"Wichtigeres?", krächze ich mit zitternder Stimme, als du mir plötzlich die Tasse aus der Hand nimmst und deine körperlichen Reize so offen zur Schau stellst.

Ich weiß gar nicht, wo ich überhaupt hinsehen soll, um die Gedanken in meinem Kopf, die absolut nicht jugendfrei sind, wieder loszuwerden.

Es ist natürlich verlockend, dir jetzt - mal wieder - nachzugeben und dich am Ende noch auf eurem Küchentisch flachzulegen. Alleine für diesen Gedanken gebe ich mir eine kräftige mentale Ohrfeige. Solche Situationen haben uns doch schon genügend Ärger eingebrockt.

Zaghaft hebe ich eine zitternde Hand an und erwidere deinen provokanten Blick nervös. Dich jetzt zu berühren, ist so unheimlich verlockend, dass es fast schon körperlich weh tut. Zögerlich berühre ich schließlich dein Knie.

"Du weißt, dass das eine beschissene Idee ist, oder ...?", flüstere ich angespannt.
 

Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachte ich die Hand auf meinem Knie.

"Bei dir ist immer dann alles eine beschissene Idee, wenn die Idee eigentlich gut ist. Und es ist in Ordnung, wenn die Idee wirklich beschissen ist ..."

Überzeugt lege ich meine eigene Hand über deine und ziehe deine Finger mit einem Ruck nach oben auf meinen Oberschenkel, dahin, wo ich sie haben will.

"Fühlt sich alles andere als beschissen an", flüstere ich und male gedankenverloren kleine Kreise auf deinen Handrücken.
 

Unwillkürlich zucke ich zusammen, als du meine Hand berührst und widerstehe mehr schlecht als recht dem Drang, meine Hand wegzureißen und sofort die Flucht zu ergreifen. Ich sehe dich mit großen Augen an und schwanke zwischen der Versuchung, die deine warme Hand verheißt und der Befürchtung, dass dadurch die erfolgreich verdrängte Panik wieder an die Oberfläche drängt.

Und obwohl dieser Konflikt in mir tobt, kann ich nicht verhindern, dass ich anfange, deine Berührungen zu genießen. Meine Nervosität und Unsicherheit nehmen zu, als mir bewusst wird, dass der Blick, mit dem du mich ansiehst genau der ist, mit dem du mich damals in meinem Büro angesehen hast, als diese verhängnisvolle Affäre angefangen hat. Und genauso wenig wie damals wirst du wohl jetzt auf irgendwelche rationalen Argumente hören.

Während ich dich nicht aus den Augen lasse, drehe ich behutsam meine Hand und nehme deine Hand in meine. Noch überwiegt die Unsicherheit in mir, doch ich merke auch, wie mein Selbstbewusstsein wieder stärker wird.

"Wir werden das spätestens morgen bereuen …", murmle ich so leise, dass du es kaum verstehen kannst, während ich langsam aufstehe und mich mit der freien Hand neben dir abstütze.

Jetzt auf Augenhöhe wird es noch deutlicher, dass du nicht vor hast, auch nur einen Zentimeter von deinem Vorhaben abzurücken und ich frage mich einmal mehr, ob es das Richtige ist, dass ich mich so gegen deine Annäherungsversuche sträube.

Nach einigem Zögern werfe ich letztendlich doch alle Zweifel über Bord, überbrücke die letzten Zentimeter zwischen uns und küsse dich vorsichtig. Obwohl es sich gut anfühlt, fast schon zu gut, ein kleiner Rest Zweifel bleibt trotzdem bestehen.
 

"Du denkst zu viel. Was soll denn diesmal passieren, was wir bereuen? Alles Erdenkliche ist uns schon zugestoßen ...", flüstere ich und halte überrascht den Atem an, als du dich erlebst.

Das Gefühl deiner Lippen auf meinen ist vertraut und doch wieder aufs Neue atemberaubend. Mir wird klar, wie sehr ich dich wirklich vermisst habe.

Zaghaft erwidere ich den Kuss und lege vorsichtig die Hände auf deine Brust. Am liebsten würde ich die Beine um deine Hüften schlingen und dich näher an mich ziehen, aber ich will nicht zu hastig sein, denn du wirkst so schon unsicher genug.
 

Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, dich zu berühren und deine Zärtlichkeiten einfach zu genießen und der Furcht, etwas Verbotenes zu tun, was mich noch Kopf und Kragen kostet.

Aber eigentlich hast du ja recht. Schlimmer kann es kaum noch werden. Nun ja ... Zumindest was dieses spezielle Problem betrifft. Die anderen Probleme, mit denen du Nichts zu tun hast, sind noch um einiges härter.

Und trotz aller Zweifel und der Skepsis, die ich einfach nicht unterdrücken kann, bin ich erleichtert, dass du den Kuss erwiderst. Und ich bin heilfroh, dass ich keine Krawatte trage, die uns nur wieder in Teufels Küche bringen würde.

Ganz vorsichtig und langsam lege ich dir eine Hand auf den Rücken und lasse sie dann zögernd wenige Zentimeter nach oben zwischen deine Schulterblätter wandern. Ich merke, wie das Bedürfnis, dir entgegen aller Vernunft wieder näher kommen zu wollen, stärker wird und ich weiß nicht, ob das nun gut oder schlecht ist.
 

Mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken, als ich deine Hand spüre. Es freut mich unendlich, dass du es zu genießen scheinst, mich anzufassen. Nachdem wir uns jetzt schon wieder so heftig in den Haaren hatten und du gestern so zusammengebrochen bist, hätte ich damit niemals gerechnet.

Etwas selbstsicherer lasse ich meine Hände nach oben wandern und verschränke sie in deinem Nacken. Ich kann nicht verhindern, dass mein Kuss ein bisschen gieriger wird.
 

Auch wenn du sicherlich das Gegenteil damit beabsichtigt hast, verkrampft sich mein ganzer Körper, als ich deine Hände im Nacken spüre. Automatisch schnappe ich nach Luft und höre auf, deinen Kuss zu erwidern.

Für zwei oder drei Herzschläge lang verharre ich in dieser verkrampften Position und versuche, die aufsteigende Panik zu bekämpfen. Aber letztendlich muss ich einsehen, dass es Nichts bringt und jede weitere Berührung von dir die Panik nur weiter anschürt.

Hektisch atmend packe ich dich grob an den Schultern und drücke dich ein Stück zurück, damit sich deine Hände lösen und kaum, dass dieses einengende Gefühl von meinen Schultern verschwunden ist, mache ich zwei schnelle Schritte zurück.

"Ich ... - Das ... - Wir ...", stammle ich vor mich hin, ehe ich auf dem Absatz kehrt mache, zur Hintertür raus stürme und dich in der Küche sitzen lasse.
 

Du bist schon aus der Küche raus, bevor ich überhaupt realisiere, was gerade passiert ist.

In der einen Sekunde küsst du mich und in der nächsten wirst du starr und stößt mich von dir?

"Du bist so blöd", stoße ich aus, wütend auf mich selbst.

Ich springe vom Tisch und versuche, durchzuatmen und das Ganze nicht persönlich zu nehmen. Es liegt nicht an mir.

Ich bin noch genauso wie vorher oder?

Zweifelnd sehe ich nach unten auf die Wölbung meines Bauches. Eigentlich bin ich mir sicher, dass mein Äußeres nicht der Grund ist. Aber die zurückgewiesene Frau in mir behauptet da etwas ganz anderes.

"Dumm, dumm, dumm", schelte ich mich selbst uns kippe deinen Kaffee weg, als könnte ich dir dadurch irgendwas heimzahlen.

Warum habe ich mich eigentlich dazu hinreißen lassen, so etwas anzufangen?

Edward, wenn ich es ihm nicht verboten hätte, wäre der Kerl längst mit einem verdammten Carepaket bei dir in Arkham aufgetaucht.

Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich die Flucht auf eure Terrasse antrete. Ich wusste doch von Anfang an, dass es eine selten dämliche Idee ist, mich schon wieder auf dich einzulassen. Egal, wie angenehm es sich auch angefühlt hat, es ändert nichts an der Tatsache, dass die ganze Sache von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Und ich Vollidiot gebe dem Drängen meines Herzens, diesem miesen kleinen Verräter, auch noch nach. Klar tut es weh, dass ich nicht einfach das haben kann, was ich möchte, aber damit komme ich klar. Irgendwie. Ich muss einfach Alles, was auch nur entfernt mit Gefühlen zu tun hat, ganz weit auf Abstand halten und dann funktioniert das.

Ziemlich abrupt werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als ich plötzlich, nur wenige Schritte von der Hintertür entfernt, gegen etwas Nachgebendes stoße. Irritiert mache ich wieder einen Schritt zurück und hebe den Kopf, den ich bisher gesenkt gehalten habe. Verwirrt, sprachlos und irgendwo auch verängstigt sehe ich in dein grinsendes Gesicht und mit einem Schlag wird mir klar, dass du die ganze peinliche Szene mit angesehen hast.
 

"Naaaaa?", frage ich und kann mir mein fröhliches Grinsen kaum verkneifen.

Und da sag noch einer, ich wäre ein schlechter Kuppler. Was ich da gerade zwischen euch beiden angesehen habe, war überaus zufriedenstellend. Ein bisschen bedenklich ist es natürlich, dass ihr beiden scheinbar nur dann in Stimmung kommt, wenn ihr euch vorher anschreien könnt, aber sei's drum.

Auf jeden Fall scheint zwischen euch nach wie vor noch etwas zu sein und das holt meine Hoffnungen, dass ihr und das Kind doch noch eine ganz normale Familie werden könnt, natürlich zurück.

"Wieder vertragen?"
 

Im ersten Moment bin ich absolut unfähig, irgendetwas zu erwidern. Was auch immer du gesehen hast, dein Grinsen verrät überdeutlich, dass es deine Hoffnung, dass Barbara und ich so etwas wie eine normale Beziehung führen können und sollen, bestärkt hat.

Ich brauche einige Sekunden, ehe ich mich wieder weit genug unter Kontrolle habe, dass ich auf dich reagieren kann.

"Ja ... - Nein ... - Ich ...", stammle ich und drückte mich gleichzeitig an dir vorbei, wobei ich tunlichst darauf achte, dir möglichst nicht zu nahe zu kommen.

Kaum dass ich auch diese Herausforderung gemeistert habe, schnappe ich mir meine Zigarettenschachtel und rette mich in den Garten.
 

Lächelnd verdrehe ich die Augen. Scheinbar fühlst du dich ein bisschen ertappt. Inzwischen habe ich mich allerdings daran gewöhnt, dass du und meine Tochter gelegentlich auf Tuchfühlung gehen. Das wird sich wohl nicht verhindern lassen, wenn ich will, dass ihr eine Familie werdet.

Um dich nicht weiter zu bedrängen beschließe ich aber, das Thema für heute Abend ruhen zu lassen. Ich folge dir in den Garten und gehe an dir vorbei ins Gartenhäuschen, um einen Sack Holzkohle für unseren Grill zu holen.

"Harvey hat sich zum Grillen eingeladen, weil er einen Blick auf »unser Sorgenkind«, wie er dich nennt, werfen will. Ich hab gesagt, es wäre in Ordnung, er lässt sich eh nicht abwimmeln."

Ich schaffe den Sack auf die Terrasse und betrachte nachdenklich den Grill.

"Barbara hat übrigens weise geschlossen, dass du Vegetarier bist, also will Harvey dir Käse für den Grill mitbringen. Und dein Grünzeug kann man da doch auch draufpacken, oder?"
 

Fast lasse ich die Zigarette fallen, die ich mir mühsam und fahrig gerade angezündet habe. Okay, entweder hast du nicht so viel mitbekommen, wie ich denke, oder du willst einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Seltsamerweise bin ich mir nicht sicher, welche von beiden Varianten die Bessere ist.

"Harvey Bullock?", frage ich mit immer noch dünner Stimme und sehe dich reichlich schockiert an, wie du mit dem Sack Holzkohle herum hantierst.

Grillen?

Hier?

Jetzt?

Verwirrt blinzle ich ein paar Mal und vergesse fast die Zigarette in meiner Hand. Unsicher komme ich zu dir an die Terrasse und werde das blöde Gefühl nicht los, dass ich im falschen Film bin.

"Ähm ... ja ...", murmle ich immer noch irritiert. "Ich bin Vegetarier, aber ..."

Zerstreut mache ich eine wegwerfende Handbewegung und ziehe an der Zigarette, in der Hoffnung, einen klaren Gedanken fassen zu können.

"Ich meine ... Wieso?"
 

"Ebendieser", sage ich beiläufig, während ich den Sack aufschneide und das Grillrost herunter nehme.

Ich lehne es gegen die Hauswand und schütte Kohle in den Grill.

"Was wieso?"

Verwirrt werfe ich dir einen Blick über die Schulter zu und stelle fest, dass du ein bisschen verloren wirkst.

"Wieso er kommt oder wieso du Vegetarier bist?", versuche ich auszuhelfen. "Harvey ist der Meinung, dass sowohl du als auch ich mit einer schwangeren Barbara ziemlich viel Stress haben und dass jeder anständige Kerl einen Männerabend verdient."

Ich zucke mit den Schultern.

"Warum du freiwillig auf Steaks und Buletten verzichtest, kann ich dir allerdings nicht beantworten."

Als genug Kohle im Grill ist, gieße ich etwas Grillanzünder darüber, den ich schon bereitgestellt habe, und ziehe mein eigenes Feuerzeug aus der Hosentasche. Ich zünde ein Stückchen Zeitungspapier an und werfe es in den Grill.
 

"Ich meinte Harvey", erwidere ich leise und fühle mich total fehl am Platz.

Es fühlt sich seltsam an, gerade jetzt mit dir diese Diskussion zu führen. Schon alleine das Wort »Männerabend« bewirkt, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft.

Du erwartest wirklich, dass ich mit dir und Harvey den ganzen Nachmittag und Abend rumsitze und flache Gespräche führe?

Und meine Begeisterung für das Grillen ist ungefähr dort einzuordnen, wo auch Angeln rangiert. Aber mit einem Blick in dein Gesicht, was deutlich zeigt, wie toll du diese Idee findest, verkneife ich es mir, irgendwas Gegenteiliges zu sagen.

"Ich bin kein Fan davon, etwas zu essen, was Augen hat", sage ich dann wahrheitsgemäß. "Und mit einem Mord will ich nichts zu tun haben."

Fast hätte ich mir auf die Zunge gebissen, aber im letzten Moment kann ich mich von dieser verräterischen Reaktion abhalten.

"Und ja, das Grünzeug ist für den Grill geeignet."

Zögerlich komme ich noch ein Stück näher.

"Dir ist aber hoffentlich klar, dass Harvey und ich ... nun ja ..."

Ich zucke unschlüssig mit den Schultern.

"Ich denke, er ist nicht gerade gut auf mich zu sprechen."
 

Ich mache schon den Mund auf, um deine Abneigung gegen Fleisch zu kommentieren, zucke dann aber nur mit den Schultern.

"Jedem das seine, schätze ich. Es stört dich doch nicht, wenn wir trotzdem Fleisch essen, oder? Ich glaube nämlich nicht, dass ich mit einer Möhre über die Runden kommen würde ... und Harv jagt dich sonst um den Grill."

Überrascht runzle ich die Stirn, als du von Harvey sprichst.

"Bitte?"

Ich lache amüsiert auf.

"Edward, wenn ich es ihm nicht verboten hätte, wäre der Kerl längst mit einem verdammten Carepaket bei dir in Arkham aufgetaucht. Harvey war genau wie ich von Anfang an mit dabei. Damals auf der Intensivstation. Und ... na ja. Das zweite Mal auf der Intensivstation. Er hat auch schon mit Barbara über alles gesprochen. Glaub's oder nicht, der Mann findet dich in Ordnung."
 

Ich bin ehrlich erstaunt darüber, dass Harvey anscheinend mir gegenüber so positiv eingestellt ist, denn damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Als ich noch im GCPD gearbeitet habe, sind wir uns höchstens mal über den Weg gelaufen, wenn mal wieder einer der inkompetenten und korrupten Stümper, die sich Polizeibeamte nennen, ein Problem mit seinem Computer hatte. Dafür war ich immer gut genug gewesen. Und auch später, als ich die Chance zur Flucht genutzt habe, war ich nicht gerade die Freundlichkeit in Person.

Verwirrt schüttle ich den Kopf.

"Ich kapier's nicht ...", sage ich. "Harvey kennt mich doch so gut wie gar nicht, aber er wollte mich ernsthaft in Arkham besuchen kommen? Das ist mir zu hoch …"

Kopfschüttelnd lasse ich mich auf die Bank sinken und sehe dir zu, wie du mit dem Grill hantierst.

"Kann ich dir bei irgendwas helfen?", frage ich und deute auf den Grill.
 

"Ich kannte dich auch so gut wie gar nicht und hab mich mit dir angefreundet."

Ich zucke mit den Schultern.

"Ich hatte einfach nur das Vorrecht, weil meine Tochter in dich verliebt ist. Harvey hing in deinem Fall ansonsten genauso drinnen wie ich und hat sich dieselben Sorgen gemacht."

Ein Lächeln umspielt meine Lippen.

"Also falls er sich gleich aufführt wie deine Mutter, sei nicht schockiert."

Dein Hilfsangebot nehme ich an und schicke dich in die Küche, um dein Gemüse zu holen. Ich habe keine Ahnung, wie man das Zeug grillfertig macht.

Gerade als du mit deinem Grünzeug wieder nach draußen kommst, biegt ein fröhlicher Harvey um die Hausecke, der eine eher leidend aussehende Barbara im Schlepptau hat. Er winkt mit einem Packen Grillfleisch.

"Na, Harv? Wie geht's?", grüße ich und drücke ihm freundlich die Schulter.

Barbara ringt sich ein Lächeln ab. Scheinbar ist sie immer noch etwas schüchtern, von den Geschehnissen in der Küche. Oder sie hat Angst, du könntest mit dem Besuch überfordert sein.
 

Mit einem knappen und leicht verwirrten Kopfschütteln verkneife ich mir einen Kommentar bezüglich Harvey, dir und wie ihr euch mir gegenüber benehmt. Wenn Harv sich gleich aufführt wie meine Mutter, dann hast du dich die letzten Wochen eindeutig wie mein Vater benommen. Was irgendwie doppelt seltsam ist, wenn ich jetzt so darüber nachdenke.

Als ich auf deinen Wink zurück in die Küche gehe, um das Gemüse zu holen und schon mal für den Grill vorzubereiten, bin ich sehr erleichtert, dass Barbara nirgendwo zu sehen ist. Allerdings habe ich das Gefühl, dass sie nicht weit weg ist und jeden Moment um die Ecke kommt.

Ich sehe sie aber erst wieder, als ich mit einem Teller auf Grillspieße aufgespießtes Gemüse und zwei Tupperdosen mit geschnittenem Gemüse wieder auf die Terrasse komme. Denn genau in diesem Moment stiefelt Harvey mit einem breiten Grinsen um die Ecke, während Barbara eher unglücklich wirkt.

"Hey Jim, altes Haus!", grüßt Harvey strahlend zurück und klopft dir auf den Rücken, ehe er sich dem Grillfleisch entledigt und es auf den Tisch packt.

Er sieht mich einen Moment unschlüssig an und legt den versprochenen Grillkäse daneben, ehe er mir die Dosen abnimmt, sie ebenfalls auf den Tisch legt und mir dann ein wenig zu enthusiastisch einen Arm um die Schultern legt und mich drückt.

"Na, Sportsfreund?"

Anscheinend ist es noch nicht zu ihm durchgedrungen, dass ich nicht besonders viel davon halte, Körperkontakt mit anderen Personen herzustellen, weswegen ich dir einen leidenden Blick zuwerfe.
 

Amüsiert lache ich auf, als Harvey dich so an sich heranzieht.

"Lass den Jungen ganz, Harv", schmunzle ich, als ich deinen leidenden Blick bemerke. "Er ist nicht so ein robuster Kerl wie du."

Neben mir schnaubt Barbara unfreundlich und stiefelt an uns vorbei zum Tisch, wo sie sich hinsetzt und mit missmutigem Blick ein Stückchen Paprika aus einer der Dosen nimmt. Sie kaut darauf herum, als würde sie dir damit irgendwas heimzahlen wollen und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich verkneife mir ein Lachen. Sieht aus, als wäre die Gute beleidigt.
 

Kaum, dass Harvey mich wieder losgelassen hat, rette ich mich zu dir an den Grill, während Harv versucht, Barbara in ein Gespräch zu verwickeln. Es sieht allerdings nicht so aus, als ob sie besonders viel Interesse daran hat, sich mit ihm zu unterhalten, weswegen Harvey es nach ein paar Minuten aufgibt und zu uns an den Grill kommt.

"Was ist den der Kleinen für eine Laus über die Leber gelaufen?", fragt er, lässt dich aber gar nicht erst zu Wort kommen. "Ich kümmere mich dann mal um das Bier", verkündet er, als du gerade den Mund aufmachst, um zu antworten.

Und damit verschwindet Harvey ins Haus und lässt uns reichlich verwirrt zurück.

Auch Barbara zieht es dann vor, sich mit der Ausrede, dass sie noch ein bisschen lernen möchte und wir sie rufen sollen, wenn das Essen fertig ist, zurück. Auf mich wirkt es eher so, als ob sie die Flucht ergreift.

Na ja, verdenken kann ich es ihr nicht, denn auch ich fühle mich nicht gerade wohl in meiner Haut. Und dieses Gefühl intensiviert sich, als Harvey wieder da ist und dieses Mal versucht, mit mir Konversation zu betreiben.
 

Harvey gibt sich wirklich die größte Mühe, hier anständig für Stimmung zu sorgen. Allerdings muss ich gestehen, dass sowohl du als auch Barbara sich da ziemlich widerspenstig anstellen. Nachdem Babs abgehauen ist, bleiben nur noch wir drei zurück.

Um dich ein bisschen zu entlasten, bitte ich Harv, schon mal drei Flaschen für uns zu öffnen. Er geht der Aufgabe ganz eifrig nach.

"Entspann dich ein bisschen", flüstere ich dir zu, als er gerade mit dem Flaschenöffner beschäftigt ist. "Er versucht nur, die Stimmung zu lockern."
 

Ich schenke dir ein schiefes Lächeln und versuche dann tatsächlich, mich zu entspannen. Allerdings ist das einfacher gesagt, als getan.

Kaum, dass Harvey mit den Bierflaschen ankommt, nehme ich erst einmal ein paar Schlucke, ehe ich tief durchatme und mich dann auf das Gespräch mit ihm einlasse, während du schon mal anfängst, die Steaks auf den Grillrost zu packen.

Eine gefühlte Ewigkeit später, als du fröhlich verkündest, dass das erste Fleisch gut durch ist und die Bierflaschen bereits leer sind, finde ich tatsächlich Gefallen daran, mit Harvey zu reden.
 

"Geht einer von euch beiden mal Madame nach unten holen?"

Harvey geht freiwillig. Wahrscheinlich will er Barbara ein bisschen ausquetschen, warum sie so bockig ist. Hoffentlich macht sie ihm nicht die Hölle heiß mit ihren Launen.

Ich beginne, das Fleisch vom Grill zu nehmen und schenke dir dabei ein Lächeln.

"Alles gut?", frage ich.

Nachdem ich gestern nichts mitbekommen habe, sichere ich mich heute lieber doppelt ab, dass bei dir alles okay ist.
 

"Könnte nicht besser sein ...", erwidere ich zögernd und schenke dir erneut ein schiefes Lächeln. "Es ist nur ... Na ja ..."

Ich zucke knapp mit den Schultern.

"Um ehrlich zu sein, fühle ich mich ein wenig unwohl hier zwischen euch ...", gebe ich dann zu und reiche dir einen der Teller, die Harvey und ich zuvor geholt haben. "Es fühlt sich irgendwie seltsam an ..."
 

"Seltsam?"

Stirnrunzelnd staple ich die Steaks auf den Teller und lasse mir von dir den Teller mit den Spießen geben, um einige davon auf den Grill zu legen.

"Warum das denn?"

Das letzte, was ich will, ist, dass du dich unwohl fühlst.

"Woran liegt es Edward? Sind wir zu forsch? Oder weil Babs wieder so zickig ist? Das sind die Hormone, mach dir nichts draus."
 

"Es ist generell die ganze Situation", sage ich und mache eine ausschweifende Handbewegung, die sowohl dich, den Garten und das Haus mit einschließt, ehe ich dir den Teller abnehme und auf den Tisch stelle. "Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr alle von mir erwartet, dass ich sofort hellauf begeistert davon bin, was ihr hier veranstaltet. Versteh mich jetzt nicht falsch, ich weiß durchaus zu schätzen, was ihr für mich tut, aber ich kapiere einfach nicht, warum ihr euch wegen mir so eine Mühe gebt."

Ich habe mir sagen lassen, dass Batmans kleine Helferin, dieses ... Batgirl ... dieselbe Haarfarbe hat wie du. Ein interessanter Zufall, nicht wahr ...

Verwirrt mustere ich dich.

"Also erstens: wirklich Mühe ist das nicht. Harv kommt ständig vorbei und den Grill haben wir auch nicht extra für dich gekauft. Was wir hier veranstalten, wie du es nennst, ist unser ganz normales Leben. Und ich erwarte nicht, dass du begeistert davon bist. Ich will einfach nur, dass du dich halbwegs wohl fühlst und nicht jedes Mal eine Panikattacke bekommst, wenn dir jemand was zu essen auf den Teller packt. Und zweitens: wir mögen dich. Und wenn man jemanden mag, ist es völlig normal, dass man dafür sorgt, dass er sich wohlfühlt."
 

"Ich führe mich wirklich auf wie ein Verrückter, oder?", frage ich leise, ehe ich den Kopf schüttle und mich auf einen der Stühle fallen lasse. "Ich schaffe es ständig, die Stimmung zu ruinieren, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Ach, ich weiß auch nicht ..."

Ich mache eine wegwerfende Handbewegung.

"Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass so viele Leute um mich herum sind."
 

"Niemand hier macht dir deswegen irgendwelche Vorwürfe, Edward."

Im nächsten Moment kommt Barbara auf die Terrasse gestapft, wirft uns beiden einen todbringenden Blick zu, nimmt sich ein Steak und verzieht sich damit auf einen Gartenstuhl, der so weit wie möglich von uns weg ist. Harvey gesellt sich verwirrt zu uns.

"Ich habe Edward gerade gesagt, wie froh wir alle sind, ihn hierzuhaben", rufe ich Babs zu und ernte einen beleidigten Blick.

"Ja, »ihr« alle versteht euch ja auch ganz blendend mit ihm."

Sie schiebt sich ein Stück Fleisch in den Mund und geht dazu über, die Blumen zu betrachten, die ihre Mutter damals gepflanzt hat.

"Was ist denn bei der verkehrt ..."

Ich schüttle den Kopf.

"Typisch Schwangere."

Harvey nickt mitleidig.
 

Ich werfe dir einen entschuldigenden Blick zu, der dir aber gleichzeitig auch vermitteln soll, dass es zur Zeit wirklich nicht gerade einfach mit Barbara ist. Gut, auch vor ihrer Schwangerschaft war es nicht unbedingt einfach mit ihr, aber dass ist dir sicher bewusst.

Ich bin versucht, irgendetwas zu sagen, was eventuell bewirkt, dass Barbaras Stimmung wieder besser wird, aber letztendlich verkneife ich es mir. Sie ist auch so schon sauer genug auf mich.

Stattdessen versuche ich einfach, sie und ihre Launen - an denen ich zugegebenermaßen nicht ganz unschuldig bin - so gut es geht zu ignorieren.

"Wie läuft es eigentlich auf dem Revier?", frage ich schließlich nach einigen Minuten des Schweigens, als es wirklich anfängt, richtig unangenehm zu werden.
 

Harvey scheint mindestens so erleichtert über deinen Gesprächsansatz zu sein wie ich, denn er beginnt, munter drauflos zu plappern. Allerdings muss ich ihm hoch anrechnen, dass er dir im Grunde keine einzige Information gibt, sondern dich mit eher unwichtigem Tratsch und ein paar Anekdoten über die Verhaftung betrunkener Jugendlicher oder Kleinkrimineller abspeist. Nur weil wir mit dir befreundet sind, heißt das nicht, dass wir vollkommen unvorsichtig werden. Es ist nach wie vor unklar, wie viel du mit einer einzelnen Information anstellen könntest.
 

Mit einem gespielt interessierten Nicken höre ich Harvey dabei zu, wie er fröhlich reichlich uninteressante Dinge aus dem GCPD erzählt. Nicht eine wirklich gute Information rutscht ihm raus und ich muss zwangsläufig zugeben, dass er anscheinend, weiß was er tut - egal, für wie unterbelichtet ich ihn auch halte.

Barbara scheint es noch weniger zu interessieren, was Harv erzählt. Sie bearbeitet lieber stumm, aber hingebungsvoll ihr Steak und macht dabei den Eindruck, als ob sie eine persönliche Fehde damit hat. Auch du hältst dich größtenteils aus Harveys Monolog raus. Nur ab und zu wirfst du etwas ein, um seinen Vortrag ein bisschen weiter auszuschmücken.

"Habt ihr eigentlich inzwischen eine Spur vom Joker?", werfe ich in einer Kaupause von Harv ein und versuche dabei, so unverfänglich wie möglich zu klingen.
 

Das Gespräch plätschert so dahin und ich überlasse es Harvey, die Unterhaltung im Gang zu halten. Gelegentlich füge ich etwas hinzu, um nicht genauso missmutig rüberzukommen wie meine reizende Tochter.

Erst, als der Name Joker fällt, werde ich hellhörig und auch Harvey verstummt erst einmal und sieht mich vielsagend an. Fast zeitgleich drehen wir die Köpfe in deine Richtung und mustern dich.

"Edward, du bist als Gast hier und wir sind nicht da, um dich zu verhören. Also sind das vertrauliche Informationen, die wir nicht an dich herausgeben können. Das ist dir doch klar?"

Sogar Barbara schaut nun von ihrem Teller auf und betrachtet dich nachdenklich.
 

"War doch nur eine Frage", sage ich schnell und senke den Blick, damit ihr das kleine, wissende Lächeln nicht sehen könnt, was sich auf meine Lippen schleicht.

Tja, dass heißt dann wohl so viel wie nein. Ich habe lange genug mit euch Polizisten zu tun gehabt, um zu wissen, wie ihr tickt.

Es ist gleichzeitig interessant, als auch bedenklich, dass ihr immer noch nicht wisst, wo sich der verrückte Clown aufhält. Natürlich könnte ich euch diesbezüglich ein wenig unter die Arme greifen, aber meine Motivation, euch mit Insider-Informationen ohne Gegenleistung zu versorgen, hält sich in Grenzen.

"Ich wollte nur wissen, ob ich demnächst damit rechnen kann, dem Clown über den Weg zu laufen", füge ich hinzu und puhle gegrilltes Gemüse von einem Spieß.
 

Ich will gerade den Mund aufmachen, da schaltet sich zum ersten Mal Barbara ein.

"Garantiert", sagt sie und sieht dich vielsagend an. "Wenn die Jungs im GCPD es nicht schaffen, dann haben wir ja immer noch Batman. Stimmt's, Harv?"

"Äh, ja, stimmt genau."

Sie wirft dir einen streitlustigen Blick zu, ehe sie sich wieder ihrem Essen widmet und dich ignoriert.

Versucht sie dich gerade eifersüchtig zu machen?

Was zum Teufel ist denn heute bloß los mit euch beiden?

Erst schreit ihr euch an, dann knutscht ihr da, wo andere essen und jetzt das?
 

Ich lasse die Gabel, mit der ich gerade ein Stückchen gegrillte Aubergine aufgespießt habe, langsam sinken und werfe Barbara einen langen Blick zu. Unwillkürlich verenge ich dabei die Augen.

"Wenn Batman so toll ist ...", sage ich leise mit einem leicht aggressiven Unterton in der Stimme. "... warum läuft der Clown dann immer noch frei draußen rum?"

Eigentlich liegt mir noch viel mehr auf der Zunge, doch in Anwesenheit zweier Polizisten verkneife ich es mir. Stattdessen begnüge ich mich damit, gedanklich vor mich hin zu fluchen und das Gemüse auf meinem Teller mit mehr Kraft aufzuspießen, als notwendig ist.
 

Harvey und ich tauschen einen unsicheren Blick. Die Stimmung ist gerade innerhalb von Sekunden merklich gekippt.

Barbara legt gemächlich ihr Besteck beiseite und dreht sich auf ihrem Stuhl zu dir um. Irgendwie ist ihr Blick gerade äußerst raubtierhaft.

"Weißt du, Batman hat auch noch ein paar andere Dinge zu tun, als irgendeinem Clown hinterherzurennen. Im Gegensatz zu anderen Verbrechern verhält sich der Joker momentan ruhig, weswegen erst einmal die Priorität haben, die Ärger machen. Was nicht bedeutet, das er nicht dabei ist, ihn ausfindig zu machen."

Sie funkelt dich wütend an.

"Im Gegensatz zu manch Anderem ist er eben beschäftigt, aber zumindest beschwert er sich nicht ständig deswegen. Wie gewisse andere Personen, die nur über alles und jeden meckern können, aber keinen Finger krumm machen, ihre Situation zu bessern."

Harv schaut überrascht zwischen euch beiden hin und her.

"Okay. Autsch ..."
 

Ganz langsam, als ob ich alle Zeit der Welt habe, lege ich die Gabel hin und nehme mir die Brille ab, um Barbara mit einem gehässigen und siegessicheren Lächeln anzusehen. Ich bezweifle, dass sie weiß, was für eine perfekte Vorlage sie mir gerade geliefert hat und ja, es ist ziemlich fies von mir, genau das jetzt gnadenlos auszunutzen. Aber ich habe schließlich nie von mir behauptet, dass ich die netteste Person der Welt bin.

"Weißt du, Barbara ...", sage ich betont ruhig und freundlich, auch wenn ich mittlerweile schon wieder wütend auf sie bin.

Dich und Harvey habe ich fast schon wieder ausgeblendet.

"Ich finde es sehr interessant, wie gut du dich mit den Gepflogenheiten von Batman auskennst. Da kann man ja fast denken, dass du ihn inzwischen sogar persönlich kennst, wenn du so genau weißt, mit was er so seine Zeit verbringt."

Mein Lächeln, was schon fast in meinem Gesicht festgetackert ist, wird eine Spur verschlagener, denn ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich dir jetzt ganz schönen Ärger einbrocke.

"Und wenn ich jetzt an deinen Fahrstil denke, komme ich nicht umhin zu denken, dass du den davon hast, weil du mit dem Batmobil durch die Gegend heizt. Aber das kann nicht sein ... Oder?"
 

Verwirrt runzle ich die Stirn. Dass Barbara mit Batman in Kontakt steht, ist nicht unbedingt etwas Neues. Immerhin hat er sich damals, als das Alles angefangen hat, ziemlich für sie eingesetzt.

Barbara im Batmobil ist allerdings eine ganz neue und - gelinde gesagt - ziemlich absurde Idee.

Warum sollte Batman meine Tochter in sein Auto lassen?

Und vor allem wann. Ist ja nicht so, dass sie sich nachts in zwielichtigen Gassen herumtreibt, wo die beiden sich über den Weg laufen könnten.

"Jetzt werd mal nicht lächerlich, Edward", beginne ich den Versuch, die Situation zu entschärfen, aber da beugt Babs sich schon zu dir herüber und piekt dir den Zeigefinger gegen die Brust.

"Ja, Edward", wiederholt sie. "Mach dich ja nicht lächerlich."

Dann flüstert sie dir etwas zu, was ich nicht verstehe, doch ihr Blick ist dabei warnend.
 

Während ich dich weiterhin ignoriere, lasse ich Barbara nicht aus den Augen und mein Lächeln nimmt dabei fast diabolische Züge an. Ihr geflüstertes warnendes "Untersteh dich" lässt kurz meine Augen aufblitzen. Sie braucht mir jetzt gar nicht erst auf diese Tour kommen. Sie hat es schließlich darauf angelegt und jetzt muss sie eben mit den Konsequenzen leben, wenn sie mich provoziert.

"So lächerlich ist es eigentlich gar nicht ...", sage ich leise und meine Stimme wird eine Spur gehässiger, während ich Barbara anstarre. "Wenn man bedenkt, dass du und die Fledermaus mittlerweile per du seid. Und da kommt mir noch eine ganz andere Idee ..."

Ich mache eine Kunstpause.

"Ich habe mir sagen lassen, dass Batmans kleine Helferin, dieses ... Batgirl ... dieselbe Haarfarbe hat wie du. Ein interessanter Zufall, nicht wahr ..."
 

Schockiert sehe ich zu, wie meine Tochter aschfahl wird. Nein. Nein, dass kann nicht sein.

"Barbara?", frage ich erstickt und beobachte genau, wie sie schwer schluckt, ohne dich aus den Augen zu lassen. "Wie bist du damals zu Edwards Versteck gekommen?"

Eigentlich ist es erschreckend, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, darüber nachzudenken.

Barbara schaut mich nicht an, aber ihre Augen füllen sich mit Tränen, als sie enttäuscht den Kopf schüttelt. Ohne Vorwarnung springt sie auf und im nächsten Moment ertönt der schallende Klang einer heftigen Ohrfeige und dein Kopf fliegt zur Seite.

Harvey und ich starren die Szenerie vor uns versteinert an.

"Du hast es dir wirklich zur Lebensaufgabe gemacht, meines zu ruinieren, oder?", fragt sie mit bebender Stimme. "Weißt du ... Vorhin in der Küche. Da habe ich einen Moment lang wirklich geglaubt, dass du gestern die Wahrheit gesagt hast und mir nicht alles nur vorspielst."

Wütend will sie zur Tür stapfen, dreht sich aber noch einmal um.

"Vielleicht ist es besser, wenn er geht."

"Barbara -", fange ich an, aber da hat sie schon längst die Tür hinter sich zugeworfen.
 

Wahrscheinlich ist es für dich und Harvey ziemlich seltsam, doch das Grinsen bleibt auf meinem Gesicht, auch als ich mir die kräftige Ohrfeige einfange. Im Gegensatz zu euch habe ich schon damit gerechnet, dass Barbara auf diese Art und Weise reagiert. Wenn ihr logische Argumente ausgehen, greift sie auf Gewalt zurück. Sie sollte sich diesbezüglich wirklich langsam aber sicher mal Gedanken machen.

Als Barbara wütend zur Tür stapft und sie lautstark zuwirft, reibe ich mir gerade die Wange und schüttle dabei den Kopf.

"Das mit dem Temperament zum richtigen Zeitpunkt hat sie immer noch nicht kapiert ...", murmle ich, ehe ich tatsächlich anfange zu lachen.

Irgendwie ist die Situation trotz aller Dramatik erheiternd.
 

Während Harvey dich fassungslos angafft, steigt in mir Wut auf.

"Sag mal, findest du das lustig?!"

Wütend springe ich auf - nicht minder temperamentvoll als meine Tochter - und stemme die Hände in die Hüften.

"Ich habe zwar keine Ahnung, was da gerade zwischen euch abgegangen ist, aber das hat meine Tochter auf keinen Fall verdient! Du wirst jetzt da raufgehen und dich entschuldigen!"

Weil ich immer lauter werde, zuckt Harv neben mir zusammen.

"Leute, kommt mal runter", meint er beschwichtigend. "Ich glaube, alle hier sind ein bisschen überreizt ..."
 

Das Grinsen in meinem Gesicht verblasst ein wenig, als du mich anschreist, aber es ist noch genügend da, um dich reichlich selbstgefällig anzusehen. Die ganze Situation erinnert mich unwillkürlich an das Verhör, welches du mit mir damals im GCPD geführt hast. Und irgendwie fühle ich mich auch genauso wie damals.

"Moment mal ...", sage ich langsam mit einem selbstsicheren Unterton in der Stimme und sehe zu dir hoch. "Du bist jetzt sauer auf mich, weil deine Tochter dich seit Monaten anlügt?"

Grinsend schüttle ich den Kopf.

"Und als Nächstes gibst du mir noch die Schuld daran, dass du als Police Commissioner nicht gemerkt hast, was sich direkt vor deiner Nase abgespielt hat? Tut mir leid, aber ich finde das wirklich sehr amüsant."

Da ich dir deutlich ansehen kann, dass du kurz davor bist, zu explodieren, hebe ich beschwichtigend die Hände und stehe langsam auf.

"Aber gut, dann lasse ich mich mal wieder von Barbara anschreien."

Ich setze mir wieder meine Brille auf und gehe Richtung Hintertür.

"Wirklich toll ...", murmle ich, kurz bevor ich die Tür erreiche. "Barbara baut Mist und ich bin der Schuldige ..."
 

"Ist das noch zu glauben?"

Fassungslos sehe ich Harv an, der nicht minder schockiert wirkt.

"Dass deine Tochter Verbrecher jagt oder dass der Kerl so ein Arsch ist?"

"Beides", brumme ich.

All die Abende, an denen ich mich gefreut habe, dass meine Tochter endlich mit Freunden ausgeht, hat sie sich also eigentlich in Lebensgefahr begeben?

"Großer Gott, das Mädchen hat sie doch nicht mehr alle ..."

"Na ja", wirft Harv ein. "Eins musst du ihr lassen. Sie hat verdammt gute Arbeit geleistet."

Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu, der hoffentlich zeigt, wie irrelevant das gerade ist.

Gute Arbeit leisten, na toll.

Und dabei sterben, oder was?
 

Kaum, dass ich im Haus bin, schiebe ich mir die Hände in die Hosentaschen und gehe durch die Küche ins Wohnzimmer. Dort bleibe ich dann unschlüssig stehen und überlege.

Im Prinzip wäre es jetzt die perfekte Gelegenheit um die Kurve zu kratzen. Barbara ist in ihrem Zimmer und du und Harvey seid hinter dem Haus. Ich könnte jetzt schnell runter ins Gästezimmer, meinen Kram holen und wäre mit meinem Mustang - die Schlüssel, die ich Barbara abgenommen habe, habe ich immer noch in der Hosentasche - schon längst die Straße runter und außer Sichtweite, ehe ihr in der Auffahrt seid. Die elektronische Fußfessel zu knacken wäre eine leichte Übung für mich.

Unschlüssig werfe ich der Haustür einen Blick zu. Es wäre jetzt wirklich einfach, jetzt einfach da raus zu spazieren. Zu einfach. Und außerdem habe ich dir versprochen, dieses Wochenende nett und gesittet zu sein und keine krummen Dinger zu drehen. Und ich habe noch keinen Blick in den Computer in deinem Arbeitszimmer geworfen.

Status quo

Seufzend nähere ich mich der Tür, steige dann die Treppe in die erste Etage hoch und gehe bis zu deiner Tür, hinter der Stille ist - bis auf das gelegentliche Schluchzen. Es berührt mich zwar, dass du weinst, aber du brauchst deswegen nicht zu denken, dass ich mich jetzt für das entschuldige, was ich unten gesagt habe.

Ohne anzuklopfen betrete ich dein Zimmer und bleibe mitten im Raum stehen, während du dich erschrocken im Bett umdrehst, auf dem du bäuchlings gelegen hast, und mich anstarrst.

"Auch wenn dein Dad jetzt denkt, dass ich mich bei dir entschuldige - das habe ich nicht vor. Es ist nicht mein Problem, dass du ihn seit Monaten anlügst und noch weniger ist es mein Problem, dass du jetzt angepisst bist, weil ich mit offenen Karten spiele. Wenn du denkst, dass es dir hilft, hier Einen auf bockiges Kleinkind zu machen: Bitte schön, tu das. Aber lass dir Eines gesagt sein ... Ich werde dabei nicht mitspielen."

Frustriert werfe ich kurz die Arme in die Luft.

"Mir ist es ehrlich gesagt scheißegal, was du gerade für einen Film schiebst, aber ich habe wirklich versucht, dir entgegen zu kommen. Aber dir ist das natürlich nicht gut genug. Okay, dann lasse ich es bleiben und du kannst in Zukunft selber zusehen, wie du klar kommst."

Ich mache eine wegwerfende Handbewegung und gehe wieder zur Tür, wo ich noch mal stehen blieben und mich wieder zu dir umdrehe.

"Auch wenn es sowieso nicht bei dir ankommt: Was ich gestern gesagt habe, habe ich ernst gemeint."

Ich greife in meine Hosentasche, ziehe die Schlüssel vom Mustang heraus und werfe sie zu dir aufs Bett.

"Hier. Werd' glücklich damit."
 

Ich höre mir deine Worte geduldig an. Als die Autoschlüssel vor mir auf dem Bett landen, ziehe ich die Stirn kraus und sehe dich an.

"Also erst einmal erwarte ich eigentlich keine Entschuldigung. Das mit den Entschuldigungen war ja schon immer mein Part in dieser Beziehung, stimmt's?"

Meine Stimme ist dabei nicht mal anklagend, sondern eher resignierend.

"Und ich benehme mich nicht kindisch. Ist dir schon mal aufgefallen, dass du jede Reaktion von mir, die in irgendeiner Weise an Gefühle gebunden ist, als kindisch abtust?"

Ich zucke mit den Schultern und wische mir die Tränen von den Wangen.

"Das sagt eigentlich eine Menge über dich aus. Du hast es nie sonderlich gehabt mit Gefühlen. Du versuchst immer, über Allem zu stehen und keine emotionale Beteiligung zu zeigen - was auch der Grund dafür ist, dass du in vielen Situationen dann die Kontrolle verlierst."

Leise seufze ich.

"Ich mache dir keinen Vorwurf deswegen, weil ich weiß, woran es liegt und dass du nicht anders kannst. Aber es verletzt mich trotzdem immer wieder."

Ich nehme die Schlüssel in meine Hand und drehe sie zwischen den Fingern.

"Du spielst nicht mit offenen Karten. Du zahlst mir heim, dass ich weiß, welche Knöpfe ich bei dir drücken muss. Du rächst dich für deine eigene Eifersucht. Und mir ist klar, dass du das gleich abstreiten wirst, weil du dir das niemals eingestehen würdest, aber das ändert nichts daran. Und weißt du was?"

Ich stehe vom Bett auf und bleibe mit den Schlüsseln vor dir stehen.

"Das ist eigentlich noch kindischer als alles, was ich bisher gemacht habe."

Dass mir noch immer Tränen übers Gesicht laufen, ist mir egal. Du hast inzwischen so oft gesehen, wie ich weine, dass es darauf auch nicht mehr ankommt.

"Du fügst anderen Schaden zu, damit du dir deine eigenen Unzulänglichkeiten nicht eingestehen musst. Nur dass du diesmal wirklich den Vogel abgeschossen hast."

Durch den Tränenschleier hindurch sehe ich dich fest an.

"Ich bin nicht mal wütend. Ich bin einfach enttäuscht. Von uns beiden, im Grunde. Ich habe dich gereizt und bin selbst Schuld. Und trotzdem habe ich gedacht, dass ich dir in dieser Hinsicht vertrauen kann. Was nicht der Fall ist."

Ich muss hart schlucken, um meine Stimme zu behalten.

"Unser Problem ist, dass du dich viel zu sehr verändert hast und ich viel zu sehr die Alte geblieben ist. Dieser eine klare Moment damals, als ich einen Schlussstrich gezogen habe - ich bin davon wieder komplett abgekommen. Also werde ich jetzt daran arbeiten, da wieder hinzukommen."

Ich ringe mir ein halbwegs selbstsicheres Lächeln ab und strecke die Hand mit dem Schlüssel aus. Als du nicht sofort reagierst, nehme ich deine Hand und lege den Schlüssel hinein.

"Status quo", sage ich. "Nicht so, wie es war, bevor das hier passiert ist. Sondern so, wie es war, bevor ich damals im GCPD meine Jacke ausgezogen habe."

Ein letztes Mal wische ich die Tränen weg. Es kommen keine neuen.

"Ich brauche keinen Mann, der sich aufführt, wie mein Vater und mein ärgster Feind gleichzeitig. Ich habe nichts dagegen, wenn du gelegentlich mit Dad hier rumhängst. Aber ich bin es leid, mir deinetwegen den Kopf zu zerbrechen, deinetwegen zu weinen oder mir irgendwelche Mühen zu machen. Du willst mir nicht mehr entgegenkommen. Und ich will dir nicht mehr entgegenkommen."
 

Stumm höre ich mir deinen Monolog an und muss mir dabei selbst - sehr zu meinem Leidwesen - eingestehen, dass du nicht ganz unrecht hast. Du hast zwar nicht unbedingt den Nagel auf den Kopf getroffen, aber bist auf jeden Fall näher dran als Crane. Obwohl auch der schon sehr dicht dran ist. Alleine bei diesem Gedanken läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich muss mir mittlerweile Mühe geben, die gleichgültige und kalte Fassade zu wahren.

Nachdem du geendet hast, spiele ich kurz mit dem Autoschlüssel, ehe ich ihn entschlossen zurück in meine Hosentasche befördere und dich dann eine Weile ansehe.

"Da du ja schon alles weißt, brauche ich ja nichts mehr dazu zu sagen", sage ich dann mit einem leicht pikierten Unterton in der Stimme.

Ich lasse meinen Blick an deinem Körper hinunter gleiten und bleibe für einen Moment an deiner Körpermitte hängen, ehe ich knapp den Kopf schüttle und sich für ein paar Sekunden ein ironisches Lächeln auf meine Lippen schleicht.

"Status quo gut und schön ... Allerdings hättest du dir das eher überlegen sollen ..."

Ich schenke dir einen letzten kopfschüttelnden Blick, bevor ich ohne ein weiteres Wort dein Zimmer verlasse und die Tür hinter mir zuwerfe.
 

Ich zucke zusammen, als du die Tür zuwirfst, nachdem ich mich vorher stoisch zusammengerissen habe. Ganz automatisch schlinge ich die Arme um meinen Bauch. Ich frage mich, wie viel das Kind von dieser traurigen, wütenden Stimmung mitbekommt.

"Du kannst am wenigsten dafür", sage ich beruhigend. "Dein Dad und ich sind Schuld. Auch wenn er gerne hätte, dass Alles mein Verdienst ist."

Zitternd lasse ich mich auf mein Bett sinken. Das war die richtige Entscheidung. Es wäre weder für mich in den momentanen Umständen, noch für dich mit all deinen Problemen das Richtige, wenn wir diese Sache krampfhaft fortführen wollen. Und letztendlich wäre das Kind leidtragend, mit Eltern, die sich wegen jedem bisschen in die Haare bekommen.

Hastig presse ich mir eine Hand auf den Mund, um nicht laut zu schluchzen. Ich werde dir nicht die Genugtuung lassen, zu hören, wie sehr mich dieser erneute Schlussstrich fertig macht.

"Wir beide packen das schon."

Ich versuche, meiner Stimme Festigkeit zu verleihen.

"Mommy passt auf dich auf, Liebling."
 

Kaum, dass deine Zimmertür hinter mir ins Schloss gefallen ist, muss ich tief durchatmen und mein gleichgültiger Gesichtsausdruck fällt in sich zusammen. Eigentlich sollte ich jetzt froh sein, denn im Prinzip hast du genau das gemacht, was ich wollte. Du willst dich in Zukunft von mir fern halten und nicht länger versuchen, mich zu bekehren oder was auch immer du von mir erwartest. Das Problem an der Sache ist nur, dass mir das weniger gefällt, als ich dachte.

Unschlüssig bleibe ich mitten im Flur stehen und raufe mir die Haare. So sollte dieses Wochenende nicht laufen. Ganz und gar nicht. Das, was ich Jim in Arkham und gestern auf eurer Terrasse gesagt habe, entsprach der Wahrheit. Eigentlich will ich mich irgendwie in diese ganze Sache mit deiner Schwangerschaft einbringen, doch du machst es mir nicht gerade einfach. Und auch ich kann nicht so einfach aus meiner Haut und Einen auf treusorgenden Familienvater machen. Wobei ich immer noch keinen stichhaltigen Beweis habe, dass es wirklich mein Kind ist.

Auf jeden Fall ist es eine richtig beschissene Situation, in die wir uns mal wieder hinein manövriert haben. Ich wollte doch nur einmal in meinem Leben alles richtig machen und jetzt stehe ich mal wieder vor einem Scherbenhaufen.

War es das dann?

Ist alles, was zwischen uns war, Vergangenheit?

Haben wir es verpennt, es noch zu korrigieren?

Soll es das wirklich gewesen sein?

Einfach so tun, als ob nie etwas gewesen ist?

Ich seufze lautlos, lehne mich an die Wand und schließe die Augen. Vielleicht ist es wirklich das Beste für uns, so wie es jetzt ist - auch wenn es weh tut. Und es ist erschreckend, wie gut du mich inzwischen kennst, denn in deinem Worten steckte sehr viel mehr Wahrheit, als du denkst. Auch wenn es mir sehr schwer fällt, es mir überhaupt einzugestehen - ich bin tatsächlich eifersüchtig. Was letztendlich bedeutet, dass ich wirklich tiefere Gefühle für dich habe. Und das macht mir ehrlich gesagt eine Heidenangst, denn mit Gefühlen konnte ich nie besonders gut umgehen.

Hallelujah

Der vergangene Abend war mit Abstand der schrecklichste meines Lebens. Und ich habe in letzter Zeit einige schreckliche Abende erlebt.

Erst die Zurückweisung in der Küche, dann der Streit im Garten, der Schlussstrich in meinem Zimmer - und zu guter Letzt eine Diskussion mit Dad im Wohnzimmer. Harvey hatte sich wegen der miesen Stimmung kurz nach unserem Abgang verkrümelt.

Letztendlich ist Dad gar nicht so wütend, wie ich es erwartet habe. Seine Enttäuschung über meine Lügen werden von seiner Sorge verdrängt. Ich habe ihm erklärt, dass ich weiß, was ich tue und seine Argumente, dass er nicht tatenlos zu hause sitzt, während seine Tochter vielleicht erschossen wird, damit entkräftet, dass ich sonst genauso dasselbe tue und um ihn bange.

Da sich das Thema durch die Schwangerschaft vorerst ohnehin gegessen hat, haben wir beschlossen, es erst einmal ruhen zu lassen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich gut genug kennt, um zu wissen, dass sich das Thema Batgirl für mich noch nicht erledigt hat.

Jetzt liege ich völlig übermüdet in meinem Bett und starre die Tür an. Ich habe sowieso kaum geschlafen und meinen unruhigen Schlaf heute Morgen haben die Klänge des Klaviers im Wohnzimmer gestört.

Mom hat darauf immer gespielt. Sie wollte es mir beibringen, aber Instrumente zu spielen ist nicht unbedingt mein Geschmack. Jimmy hat sich zumindest den Flohwalzer beibringen lassen.

Neugierig stehe ich auf und trete nach draußen auf den Flur, um nachzusehen. Dad spielt nicht, bleibt also nur noch Einer. Bei genauerem hinhören erkenne ich die Klänge von »Halleluja«, ein melancholisches Lied, dass perfekt zu meiner Stimmung passt.
 

i heard there was a secret chord

that david played and it pleased the lord

but you don't really care for music, do you

if it goes like this the fourth, the fifth

the minor fall and the major lift

the baffled king composing hallelujah
 

Es hatte ein paar Minuten gedauert, ehe ich mich wieder so weit im Griff hatte, dass ich kurz zurück auf die Terrasse konnte, um Jim und auch Harvey, die gerade in Aufbruchsstimmung war, mit wenigen Worten mitzuteilen, wie der Stand der Dinge war. Jim wollte mir deswegen schon eine Standpauke halten, die ich aber abgewürgt habe, indem ich einfach ins Gästezimmer verschwunden bin. Auf eine Diskussion hatte ich nicht die geringste Lust.

Ich habe mindestens die halbe Nacht wach gelegen, die Zimmerdecke im Dunklen angestarrt und nachgedacht. Ich habe mich dabei ein wenig wie in Arkham gefühlt. Auch dort habe ich viel zu viel Zeit zum Denken und Alles, was in den letzten Jahren schief gelaufen ist, läuft dann wie eine Endlosschleife in meinem Hirn ab.

Irgendwann, als die Sonne gerade dabei ist, aufzugehen, habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin hoch ins Erdgeschoss gegangen. Bei einem Blick auf die Eingangstür drängte sich mir wieder der Wunsch, einfach zu verschwinden auf, doch ich konnte ihn erfolgreich zurück drängen.

Stattdessen sitze ich jetzt an dem Klavier, was im rückwärtigen Bereich des Wohnzimmers steht und klimpere ein bisschen vor mich hin. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich gespielt habe und ich bin vermutlich ziemlich eingerostet. Ich habe damals nach dem Selbstmord meiner Mutter mit dem Spielen angefangen, um irgendeinen Ausdruck für meine Trauer zu finden. Vermutlich spiele ich deswegen ausgerechnet »Hallelujah« immer und immer wieder.
 

your faith was strong but you needed proof

you saw her bathing on the roof

her beauty and the moonlight overthrew you

she tied you to her kitchen chair

she broke your throne and she cut your hair

and from your lips she drew the hallelujah
 

Du sitzt tatsächlich am Klavier, als ich die Tür zum Wohnzimmer öffne. Um dich nicht sofort rauszubringen, lehne ich mich in den Türrahmen, schließe die Augen und lausche deinem Spiel. Ein wundervoller Klang.

Wieso habe ich mir früher nichts von dir vorspielen lassen?

Seufzend setze ich mich in Bewegung. So viel zu bedauern ...

Damit du vorbereitet bist, räuspere ich mich, als ich zu dir in den Raum komme. Ich setze mich auf die Couch und ziehe eine Decke über meine Beine, weil ich noch in den Shorts bin, die ich zum Schlafen trage.

"Guten Morgen", sage ich zaghaft.

Ich bin unsicher, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll.

"Darf ich zuhören?"
 

baby i've been here before

i've known this room and i've walked this floor

i used to live alone before i knew you

i've seen your flag on the marble arch

but love is not a victory march

it's a cold and it's a broken hallelujah
 

Dein Räuspern lässt mich sofort im Spiel innehalten und weil ich mal wieder meine Umgebung nicht genügend beobachtet habe, zucke ich kurz erschrocken zusammen, ehe ich mich wieder zusammen reißen kann. Ich neige leicht den Kopf in deine Richtung, damit ich zumindest aus den Augenwinkeln sehen kann, dass du dich auf die Couch zurück ziehst. Richtig ansehen kann ich dich nicht, denn ich bin mir sicher, dass das nur die erfolgreich verdrängten Erinnerungen von gestern wieder an die Oberfläche zerren würden.

"Es ist nur nicht besonders gut ...", gebe ich dann leise zu und zucke kurz mit den Schultern.

Ich persönlich halte nicht besonders viel von meinem Klavierspiel. Ich schätze, dass ich nie besonders gut war und dass mein Vater, der es für absolute Zeitverschwendung hielt, auch in dieser Hinsicht recht hatte. Trotzdem spiele ich dort weiter, wo ich mich gerade unterbrochen habe und fühle mich zunehmend unwohl durch die Gewissheit, dass mir Jemand dabei zuhört.
 

there was a time when you let me know

what's really going on below

but now you never show that to me do you

but remember when i moved in you

the holy dove was moving too

and every breath we drew was hallelujah
 

Ich ziehe die Decke weiter nach oben und lehne mich nach hinten. Von der anstrengenden Nacht bin ich noch immer todmüde.

"Mir gefällt es", flüstere ich. "Ich mag das Lied."

Ich bin regelrecht erleichtert, dass du weiterspielst. Es ist, als würdest du mich an etwas Intimem teilhaben lassen.

"Wieso hast du mir früher nie was vorgespielt? Das Klavier war immer hier."

Unter der Decke lege ich die Hände über meinen Bauch. Musik in der Schwangerschaft soll ja gut für das Kind sein. Ein schöner Gedanke, wenn diese Musik vom Vater gespielt wird.
 

maybe there's a god above

but all i've ever learned from love

was how to shoot somebody who outdrew you

it's not a cry that you hear at night

it's not somebody who's seen the light

it's a cold and it's a broken hallelujah
 

"Na ja ...", erwidere ich mit der Spur eines traurigen Lächelns auf den Lippen, welches du zum Glück nicht sehen kannst, da ich ja schräg mit dem Rücken zu dir auf dem Klavierhocker sitze. "Du hast nie den Eindruck gemacht, dass es dich großartig interessiert, ob ich noch was anderes kann, als mit Computern umzugehen."

Wieder zucke ich mit den Schultern und werfe dir über die Schulter einen kurzen Blick zu.

"Außerdem spiele ich nicht so gut, dass es sich wirklich lohnt, dabei zuzuhören."

Unwillkürlich frage ich mich deswegen, warum du dir das hier wirklich antust. Es ist immerhin nach sehr früh am Sonntagmorgen.

"Was machst du überhaupt so zeitig hier unten?"
 

hallelujah, hallelujah

hallelujah, hallelujah
 

"Bullshit", seufze ich. "Ich hätte dir damals mit Begeisterung beim Origamifalten zugeguckt. Es ist irgendwie schade. Das Kochen, das Klavierspielen, das Französisch. Ich habe das Gefühl, dass mir einiges entgangen ist ..."

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

So untypisch bescheiden?

Vielleicht willst du auch einfach gebauchpinselt werden ...

"Ich habe keine Ahnung von Musik. Schlechter als Moms Geklimper ist es zumindest nicht."

Ganz automatisch rutsche ich tiefer in das Polster.

"Ich hab nicht gut geschlafen. Eigentlich kaum."

Müde reibe ich mir über das Gesicht.

"Zu viel nachgedacht."

Zu viel geweint, spare ich mir, hinzuzufügen.
 

hallelujah, hallelujah

hallelujah, hallelujah
 

Mit der Erwähnung des Origami entlockst du mir tatsächlich ein Lächeln, obwohl mir eigentlich gar nicht dazu zumute ist.

"Du hast nie gefragt, ob ich dir auch noch was anderes, als den richtigen Umgang mit Netzwerkrelais, zeigen kann", erwidere ich mit einem Schulterzucken. "Und ich habe es nicht für nötig gehalten, dich extra darauf hinzuweisen, dass ich noch mehr Talente habe ..."

Ich spiele die letzten Takte und nehme die Hände von den Tasten.

"Also für ein Konzert am Flügel reicht es sicher nicht", sage ich und drehe mich zu dir um.

"Willkommen im Club", murmle ich mit einem schiefen Grinsen und deute mit einer knappen Bewegung auf meine zerknitternden Sachen, die deutlich davon zeugen, dass ich in ihren geschlafen habe - oder es besser gesagt versucht habe.

Zum Glück verdeckt die Brille halbwegs die tiefen Augenringe, die ich von der Nacht habe.

"Irgendwelche Musikwünsche?", frage ich dann, um überhaupt irgendwas zu sagen.

Ihr beide seid doch echt total bekloppt.

"Ich glaube, ich hätte Angst gehabt, wie du reagierst, wenn ich mit dir kochen will ...", sage ich nachdenklich. "Zurückweisung ist - wie man gemerkt hat - nicht ganz mein Ding. Und ich bin wohl einfach davon ausgegangen, dass du schon so toll genug bist."

Ich schenke dir ein schiefes Lächeln.

Jetzt, wo du darauf hinweist, sieht man dir natürlich an, dass du ebenfalls keine angenehme Nacht hattest. Ich bin fast ein bisschen erleichtert, dass dir die Sache doch näher gegangen ist, als du gezeigt hast.

"Hmmmm", mache ich nachdenklich.

Dann fällt mir ein, was mir vorhin schon durch den Kopf gegangen ist.

"Mom hat Jimmy langwierig den Flohwalzer beigebracht. Er hat sich recht schwer getan und man hat das Lied fast jeden Tag hier im Haus gehört. Den kannst du doch bestimmt?"
 

Ein wenig erstaunt hebe ich eine Augenbraue an und sehe dich für einen Moment so an, als ob du eher nach Arkham gehörst als ich. Dann zucke ich aber mit den Schultern und drehe mich wieder dem Klavier zu.

Ich überlege einen Moment, um mir die Noten für den Flohwalzer ins Gedächtnis zu rufen, ehe ich die Finger auf die Tasten lege und anfange, zu spielen.

Allerdings spiele ich nur ein paar Takte, bevor ich wieder aufhöre, den Kopf zu dir drehe und dich auffordernd ansehe.

"Der Flohwalzer ist einfach zu lernen. Wie wär's?"

Demonstrativ rutsche ich ein Stück auf dem Klavierhocker zur Seite.
 

Kurz halte ich die Luft an und mustere dich eingehend. Ich befürchte fast, dass ich mich verhört habe. Oder dass das ein Scherz ist. Allerdings spricht die Tatsache, dass du zur Seite rutscht, für sich.

"Dein Ernst?", frage ich dennoch, während ich mich aus der Decke schäle und auf bloßen Füßen zu dir hinüber tapse .

Unsicher lasse ich mich auf die Bank sinken und betrachte die Tasten.

"Mom wollte immer, dass ich spielen lerne. Ich habe es für Zeitverschwendung gehalten ... Sie würde sich sicher freuen, wenn ich ihr mal was vorspielen könnte."
 

"Ja, mein Ernst", erwidere ich und meine Mundwinkel zucken kurz. "Du kannst zwar nicht gleich Bach oder Beethoven spielen, aber ich sollte es schon noch hinbekommen, dir den Flohwalzer beizubringen."

Ich werfe dir einen kurzen Blick zu.

"Ich spiele es dir einmal kurz vor, dann erkläre ich dir die Akkorde."

Ich warte keine Antwort von dir ab, sondern beginne gleich damit, ein Stück des Flohwalzers zu spielen.

"Siehst du, es ist eigentlich ganz einfach", sage ich nach Beendigung und sehe dich wieder an. "Wir fangen ganz klein mit fünf Tasten an."

Ich lasse meine Hände über den Tasten schweben.

"Mit der rechten Hand werden diese beiden Töne nacheinander gespielt ..."

Mit zwei Fingern der rechten Hand betätige ich zwei schwarze Tasten nacheinander.

"Danach wird mit der linken Hand dieser Ton gespielt ..."

Mit einem Finger der linken Hand drücke ich wieder eine schwarze Taste.

"Dann wird dieser Akkord zweimal gespielt ..."

Ich spreize Zeigefinger und den kleinen Finger der rechten ab, um gleichzeitig zwei schwarze Tasten zu drücken.

"So, jetzt du", sage ich, nehme meine Hände von den Tasten und sehe dich auffordernd an.
 

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als die vertraute Melodie erklingt. Wenn ich so darüber nachdenke, vermisse ich wirklich die Zeit, als das Haus jeden Tag von Musik erfüllt war. Auch wenn es mich früher eher genervt hat.

Aufmerksam sehe ich zu, als du mir die Akkorde erklärst. Beziehungsweise: Es versuchst. Denn als du scheinbar erwartest, dass ich gleich loslege, kann ich dich nur verwirrt anblinzeln.

"Eddie, ich habe jetzt schon vergessen, wo du als erstes drauf gedrückt hast ..."

Lachend schüttle ich den Kopf.

"Bitte nochmal ganz langsam für die Nicht-Virtuosen unter uns."
 

Nur ganz knapp kann ich mich davon abhalten, mir die flache Hand an die Stirn zu schlagen und seufzend den Kopf zu schütteln. Mit einer hochgezogenen Augenbraue werfe ich dir einen missbilligenden Blick zu und frage mich, ob du dich gerade nur so dämlich anstellst, oder ob du wirklich keinen blassen Schimmer von Musik hast. Da es ja heißt »Im Zweifel für den Angeklagten« hoffe ich wirklich auf Letzteres.

Mit einem lautlosen Seufzen drehe ich dir den Oberkörper zu, nehme deine Hände und positioniere sie so auf den Tasten, dass du bequem die entsprechenden Akkorde spielen kannst. Meine eigenen Hände liegen genau über deinen, sodass ich dir besser zeigen kann, welche Tasten du spielen musst.

"Okay, dann noch mal für Dumme ..."

Langsam spiele ich noch einmal die fünf Töne mit deinen Fingern und vermeide dabei jegliche Blickkontakt. Richtig wohl ist mir bei der Sache nicht, nachdem was gestern mal wieder alles vorgefallen ist, aber ich bin überzeugt, dass ich dass gut genug ausblenden kann.
 

Ich kann nicht verhindern, dass ein leichter Rotschimmer meine Wangen überzieht, als du meine Hände nimmst.

Ob das so eine gute Idee ist nach den gestrigen Ereignissen?

Na ja, letztendlich geht es gerade nur ums Klavierspielen, nicht wahr?

Völlig unverfänglich.

Ein bisschen pikiert sehe ich dich beim Wort »Dumme« an, lasse es aber unkommentiert. So bist du eben.

Mit deiner Hilfe spiele ich die entsprechenden Töne und obwohl deine Nähe etwas ablenkend ist, schaffe ich es, sie mir zu merken und anschließend selbstständig zu spielen.

"Geht doch."

Zufrieden sehe ich dich an.

"Die nächsten bitte, Maestro."
 

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sehe ich dir dabei zu, wie du die gezeigten Töne spielst. Die ersten drei Töne bekommst du schon ganz gut hin, nur beim letzten Akkord hakt es noch etwas. Aber für den Anfang ist schon mal nicht so schlecht.

"Gut ...", sage ich dann, ohne dich anzusehen. "So geht es dann weiter."

Ich demonstriere die entsprechende Reihenfolge erst langsam alleine, dann die Melodie vom Anfang bis zu diesem Punkt und zum Schluss noch einmal die neuen Akkorde alleine.

Nachdem ich meine Hände wieder von den Tasten genommen habe, mache ich eine vage wegwerfende Handbewegung, um dir zu signalisieren, dass du es jetzt versuchen sollst.
 

Diesmal gebe ich mir etwas mehr Mühe, mir die Töne gleich beim ersten Mal einzuprägen. Als du geendet hast, atme ich kurz durch und lege dann die Hände auf die Tasten.

Die Töne, die ich schon gespielt habe, bekomme ich hin, bei den neuen benutze ich in der Mitte versehentlich eine falsche Taste.

"Mist", murmle ich, setze kurz ab und fange noch einmal von vorne an.

Diesmal klappt es und tatsächlich erkennt man die ersten Klänge des Flohwalzers. Zufrieden lache ich auf.
 

"Noch etwas holprig, aber mit ein bisschen Übung sollte das was werden", kommentiere ich deine Leistung und gebe mir dabei sogar Mühe, es nach einem Lob klingen zu lassen. "Ich habe doch gesagt, dass es gar nicht so schwer ist. Mit dem entsprechenden Ehrgeiz könntest du es in zehn Minuten spielen."

Ich bringe meine Hände wieder über den Tasten in Position.

"So, aufpassen. Ich spiele mal das ganze Stück."
 

Überrascht ziehe ich die Augenbrauen nach oben.

In zehn Minuten?

Soll das jetzt ein Witz sein oder ist das tatsächlich einer dieser seltenen Momente, in denen du mir mal was zutraust?

Geschmeichelt und zusätzlich angespornt beobachte ich, wie du mir den gesamten Flohwalzer vorspielst. Wenn man es sich genauer ansieht, ist es eigentlich wirklich einfach.

Ich muss zwar ein paar Mal neu ansetzen und schaffe nur den vorher geübten Teil wirklich sicher, aber ich bekomme es tatsächlich hin, deine vorgegebenen Töne nachzuspielen.

"Bei dir klingt es zwar besser, aber es wird, oder?"

Ich lächle dich breit und zufrieden an, um dir zu zeigen, dass ich keine Widerrede erlaube.
 

"Auch wenn es jetzt sehr klischeehaft klingt, aber Übung macht den Meister", erwidere ich lapidar und erhebe mich von der Klavierbank. "Ich mache jetzt erst einmal Kaffee und du spielst solange, bis es sitzt."

Ich gebe mir zwar Mühe, möglich ruhig und langsam zur Küche zu gehen, aber es fühlt sich für mich trotzdem nach einer Flucht an. Klavier spielen, gut und schön. Aber deine unmittelbare Nähe tut mir nicht gut. Denn es reicht nur ein Zeichen der Schwäche, ein Zittern der Finger, und meine ganze Fassade klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
 

"Zu Befehl, Sir!"

Ich salutiere grinsend in deine Richtung. Das erinnert mich vage an früher. »Ich mache Kaffee und du programmierst das so, dass es funktioniert«. Egal, was du einem beibringst, herrisch bist du dabei allemal.

Aber als brave, heute überraschend versöhnlich gestimmte Schülerin leiste ich folge und übe anständig weiter. Dabei verspiele ich mich zwar gefühlte tausend Mal, aber es klappt immer besser und gerade, als du mit einem Kaffee in der Hand wiederkommst, spiele ich bereits die dritte fehlerfreie Runde.
 

Von der Küche her höre ich dir dabei zu, wie du den Flohwalzer übst. Ab und zu verspielst du dich und vor meinem inneren Auge sehe ich schon, wie du am liebsten frustriert auf die Tasten schlagen würdest, so wie du es früher gerne mal mit der Computertastatur gemacht hast, wenn es nicht so lief, wie du es wolltest.

Ich lasse mir betont viel Zeit mit dem Kaffee und erst, als du zum ersten Mal das Stück fehlerfrei spielst, hole ich mir eine Tasse aus dem Schrank. Während du auch zum zweiten Mal fehlerfrei spielst, trinke ich eine Tasse Kaffee und kehre mit einer frisch aufgefüllten Tasse zurück ins Wohnzimmer, als du bereits beim dritten Mal bist.

"Das waren zwar mehr als zehn Minuten, aber ich habe doch gesagt, dass du das hin bekommst."

Mit der Tasse in der Hand setze ich mich wieder neben dich auf die Klavierbank.

"Ein kleines bisschen am Tempi anziehen und dann passt das."
 

Natürlich. Kein Lob ohne einen kleinen Dämpfer. Ob du das tust, weil es mich anspornen soll, oder ob du einfach nicht willst, dass jemand genauso perfekt ist wie du, kann ich nicht sagen. Jedenfalls lässt es mich genervt die Augen verdrehen.

"Aber natürlich. Wie du wünscht."

Tatsächlich schaffe ich es, dir das Stück vorzuspielen und dabei an Tempo zuzulegen, ohne mich zu vertun. Nachdem ich die erste Runde gespielt habe, beginne ich gleich von Neuem. Es fängt an, mir Spaß zu machen.

"Sag mal, Edward, was soll das Geklimper am frühen Morgen? Hat der Stress gestern noch nicht gereicht?"

Die Tür geht auf und Dad kommt herein, ebenfalls Kaffee in der Hand.

Als er uns so vertraut nebeneinander am Klavier sieht und vor allem bemerkt, dass es meine Hände auf den Tasten sind, macht er den Mund auf, als wolle er etwas sagen, lässt es dann aber und schlägt sich seufzend gegen die Stirn.

"Ihr beide seid doch echt total bekloppt", stöhnt er, macht auf dem Absatz kehrt und wirft die Tür hinter sich zu.

Ich starre kurz auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hat, ehe ich anfange zu lachen.

"Er hat schon Recht, oder?"
 

Als Jim plötzlich im Raum ist, verschlucke ich mich fast am Kaffee. Ich will gar nicht wissen, was er jetzt denkt, weil wir beide hier so vertraulich am Klavier sitzen. Aber dass er uns für bescheuert erklärt, sagt schon viel aus. Kaum, dass er die Tür wieder hinter sich zugemacht hat, fange ich ebenfalls an zu lachen und verschütte fast den Kaffee über den Tasten.

"Na, wo er recht hat ...", stimme ich dir grinsend zu und schenke dir einen amüsierten Blick. "Wie wär's? Komm einfach ein paar Tage mit nach Arkham", schlage ich in einem Tonfall vor, der deutlich macht, dass es ein Scherz ist.
 

Lachend schüttle ich den Kopf.

"Sorry, aber ein Tag in dieser Einrichtung und Cobblepot muss seine Nase wahrscheinlich nochmal richten lassen ..."

Angewidert denke ich an die anzüglichen Kommentare, die er mir bei meinem letzten Besuch an den Kopf geworfen hat. Arkham ist nicht unbedingt der Ort, an dem ich gerne wäre.

"Also, was jetzt? Ich kann den Flohwalzer und das lange nicht so gut wie du. Spielst du mir noch was?"
 

"Cobblepot kann sich mit einer gebrochenen Nase nur verbessern", erwidere ich immer noch grinsend, werde dann aber ernst, als du fragst, ob ich dir noch etwas auf dem Klavier vorspiele und sehe dich einen Moment nachdenklich an.

Mir fällt zwar spontan etwas ein, was ich jetzt spielen könnte, allerdings bin ich mir unsicher, ob es überhaupt angebracht ist. Ich starre kurz in meine Kaffeetasse, ehe ich mir einen Ruck gebe und sie dir in die Hand drücke.

Everytime we touch

"Okay, aber ich bin ziemlich eingerostet ..."

Als ich meine Hände auf den Tasten platziere, zögere ich wieder einen Moment, ehe ich anfange, eine langsame, instrumentale Version von »Everytime we touch« zu spielen. Meine Finger zittern leicht, denn wenn man es genau nimmt, kann ich mich am Klavier besser ausdrücken, was Gefühle betrifft.
 

I still hear your voice when you sleep next to me

I still feel your touch in my dream

Forgive me my weakness but I don't know why

Without you it's hard to survive
 

Mein amüsiertes Grinsen fällt schnell in sich zusammen, als du zu spielen beginnst. Das Lied erkenne ich sofort, da es eines meiner Liebsten ist. Und die Kombination aus den wunderschönen Klängen und dem sichtbaren Zittern deiner Finger stimmt mich überraschend melancholisch.

Wenn du wüsstest, wie passend das für uns ist ...

Ein Blick in dein Gesicht reicht aus, um zu merken, dass du das wohl wirklich weißt und dieses Lied nicht ohne Grund gewählt hast. Gerührt klammere ich mich an deine Tasse.
 

'Cause everytime we touch

I get this feeling

And everytime we kiss

I swear I could fly

Can't you feel my heart beat fast

I want this to last

Need you by my side
 

Ich bin erleichtert, dass ich mich nicht schon am Anfang verspiele, denn es fällt mir durch deine direkte Nähe nicht gerade einfach, mich ausschließlich auf das Klavier zu konzentrieren. Doch ich schaffe es fehlerfrei und werde ab der Hälfte sicherer im Spiel.

Da ich stur auf das Instrument starre, sehe ich nicht, welche Regungen sich in deinem Gesicht abspielen, aber ich hoffe, dass du nicht gleich aufspringst und dich in deinem Zimmer einschließt.

"Du weißt ja, dass ich nicht gerade gut daran bin, wenn es um Gefühle geht ...", sage ich leise, nachdem ich das Lied beendet habe.

Ich sehe dich dabei nicht an und lasse die Hände auf den Tasten. Die nächsten Worte fallen mir sehr schwer, auch wenn sie eigentlich schon längst überfällig sind.

"Dieser Song ist ... na ja ..."

Ich muss mich unterbrechen.

Verdammt, warum fällt es mir nur so schwer, ehrlich zu dir zu sein?
 

'Cause everytime we touch

I feel the Static

And everytime we kiss

I reach for the sky

Can't you feel my heart beat so

I can't let you go

Want you in my life
 

"… die beste Umschreibung von dem, was da zwischen uns ist, die es gibt", beende ich deinen Satz leise.

Auch ich vermeide es dich anzusehen, aus Angst, dann vollkommen den Verstand zu verlieren. Anstatt noch groß etwas dazu zu sagen, stelle ich deine Tasse auf dem Klavier ab und lehne mich gegen dich. Den Kopf lege ich auf deine Schulter.
 

Your arms are my castle

Your heart is my sky

They wipe away tears that I cry

All the good and the bad times

We've been through them all

You make me rise when I fall
 

"Ich habe wirklich versucht, mit der ganzen Situation klarzukommen ...", versuche ich dir leise irgendwie zu erklären, wie es in mir aussieht. "Ich weiß, dass ich mich wie ein Idiot verhalten habe, aber alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Und du hast es mir auch nicht gerade leicht gemacht ..."

Ich drehe dir leicht den Kopf zu und lehne meine Stirn vorsichtig an deinen Kopf.

"Ich habe das Gefühl, dass Alles, was ich tue oder sage, das Falsche ist und ich habe keine Ahnung, wie ich überhaupt noch mit dir umgehen soll", gebe ich nach einer kurzen Pause zu. "Egal, was ich mache, du bekommst es in den falschen Hals und bist dann sofort wieder auf hundertachtzig. Das Einzige, was ich mit Gewissheit sagen kann, ist, dass mir die ganze Sache so nicht gefällt und dass ich sie gerne ändern würde. Allerdings ist mir auch klar, dass das Wunschdenken ist."
 

'Cause everytime we touch

I get this feeling

And everytime we kiss

I swear I can fly

Can't you feel my heart beat fast

I want this to last

Need you by my side
 

"Denkst du denn, für mich ist es anders?", seufze ich betrübt. "Ich versuche, Alles richtig zu machen, aber ich komme einfach nicht damit zurecht. Wenn ich versuche, nett und verständnisvoll zu sein, ist dir das zu viel. Wenn ich sauer bin, ist dir das zu viel. Dass es für dich schwer ist, bedeutet nicht, dass ich locker flockig mit Allem umgehen kann. Glaubst du denn, wie du dich mir gegenüber verhalten hast, hat es mir leicht gemacht?"

Ich drehe meinen Kopf ein bisschen, um halbwegs zu dir nach oben schielen zu können.

"Nicht alles, was du tust oder sagst, ist falsch. Aber du kannst nicht ernsthaft annehmen, dass mir Beleidigungen an den Kopf zu knallen, mir zu befehlen, mein Kind abzutreiben, mich zu küssen und dann sitzen zu lassen oder mich vor meinem Vater bloßzustellen das Richtige war? Tut mir leid, wenn das liebevoll gemeint war und ich es missverstanden habe ..."

Zweifelnd zucke ich mit den Schultern.

"Ich habe einfach das Gefühl, dass am Ende immer ich die Böse bin, weil ich nicht auf deine Situation Rücksicht nehme und doch Alles halb so schlimm ist. Aber ich habe einfach nicht mehr die Nerven, Alles zu schlucken, was du tust, Edward. Was heißt nicht mehr, hatte ich noch nie. Und das ist das Problem zwischen uns."

Ich muss mich ein wenig sammeln, bevor ich auf deine letzten Sätze antworten kann. Keine Tränen mehr. Und tatsächlich bleiben meine Augen trocken, auch wenn die Situation zum Weinen ist.

"Geht mir doch genauso. Aber ich glaube nicht, dass wir irgendetwas ändern können. Dazu müssten wir uns selbst ändern und wir sind beide zu stur, um irgendetwas von uns selbst aufzugeben."
 

'Cause everytime we touch

I feel the Static

And everytime we kiss

I reach for the sky

Can't you feel my heart beat so

I can't let you go

Want you in my life
 

Während du redest, kann ich nur noch nachdenklich und langsam mit dem Kopf nicken. Ich denke, dass ist dann der Punkt, an dem ich mir endgültig eingestehen muss, dass ich Alles versaut habe, was man nur versauen kann.

Tja ... Das entspricht so ziemlich meinem ganzen verkorksten Leben.

Nachdem du geendet hast, bleibe ich noch eine Weile stumm, starre das Klavier vor mir an und frage mich, warum ich eigentlich etwas anderes erwartet habe.

Im Prinzip hast du ja recht. Und es wird höchste Zeit, mit diesen optimistischen Spekulationen aufzuhören. Die helfen mir schließlich auch nicht weiter.

"Tja ...", murmle ich schließlich leise und zucke mit den Schultern. "Wo du recht hast ..."

Erstaunlich ruhig, obwohl meine Gedanken rasen, stehe ich auf, greife nach der Kaffeetasse, die du auf das Klavier gestellt hast und lasse dich ohne ein weiteres Wort sitzen.
 

'Cause everytime we touch

I get this feeling

And everytime we kiss

I swear I could fly

Can't you feel my heart beat fast

I want this to last

Need you by my side
 

Ich will dem Kind von dir erzählen können und ich will nicht, das »angehender Verbrecher« das Beste ist, was ich zu bieten habe.

Mit offenem Mund bleibe ich sitzen, als du einfach aufstehst.

Dein Ernst?

Zum ersten Mal seit wir nach deiner Flucht aus dem GCPD vor einer Ewigkeit auf diesem Dach gesessen haben, führen wir ein ehrliches Gespräch OHNE uns anzuschreien und das ist, was du tust?

Aufstehen und gehen?

"Tse ...", stoße ich enttäuscht aus. "Du kannst wegrennen, aber du kannst dich nicht verstecken, Eddie."

Ohne dich anzusehen schüttle ich den Kopf.

"Und ich habe wirklich geglaubt, wir könnten uns mal ehrlich und gesittet unterhalten. Aber scheinbar willst du lieber reagieren wie immer."

Ich drehe mich auf der Bank um und sehe dich herausfordernd an.

"Aber nett von dir, dass du meine Worte so bühnenreif bestätigst."
 

Ich bleibe fast genau an der Tür zwischen Wohnzimmer und Küche stehen und senke fast schon schuldbewusst den Kopf. Klar kann man es von deiner Warte aus als Flucht werten, aber eigentlich will ich dir nur entgegen kommen. Denn rein logisch betrachtet, denke ich, dass es das Beste für uns beide wäre, so viel Abstand wie möglich zwischen uns zubringen.

Fast zum selben Zeitpunkt wie du drehe ich mich um und begegne deinem herausfordernden Blick resigniert und gleichgültig.

"Immer, wenn wir im selben Raum sind, läuft es auf eine Katastrophe hinaus", erwidere ich ruhig. "Wenn wir uns allerdings nicht mehr sehen, kannst zumindest du ein halbwegs normales Leben führen. Nutze diese Chance und lass es einfach auf sich beruhen."

Ich senke kurz den Kopf mit einem schiefen und freudlosen Lächeln.

"Für dich mag es vielleicht die Bestätigung deiner Worte sein, aber letztendlich wissen wir doch beide, dass es der einzige Weg ist. Das hier ist dein zu hause und ich gehöre hier nicht her. Habe ich nie und werde ich auch nie."
 

"Da hast du allerdings Recht. Katastrophe ist noch untertrieben."

Ich stehe auf und mache einige Schritte auf dich zu, bis ich in gebührendem Abstand und mit verschränkten Armen stehen bleibe.

In diesem Moment wünschte ich, ich hätte nicht nur die Shorts und das T-Shirt an, in denen ich geschlafen habe, sondern etwas anständiges, was mir mehr Selbstbewusstsein verleiht. Schwarzes Leder zum Beispiel ...

"Vielleicht könnten wir sogar anders als katastrophal, wenn wir uns Mühe geben würden. Wobei ich bezweifle, dass wir dann noch glücklich wären. Wir beide brauchen das Drama, fürchte ich ..."

Wahrscheinlich ist das die größte Erkenntnis des Jahrhunderts. Ich muss sogar selbst auflachen, als die Worte raus sind.

"Aber um das alles geht es gar nicht. Es geht mir nicht darum, was der beste Weg ist. Es geht mir nicht darum, ob du hier hingehörst oder nicht. Mir geht es darum, dass du gerade zum ersten Mal ehrlich zu mir warst. Dass du tatsächlich über deine Gefühle geredet hast. Und es geht darum, dass es für einen Moment so aussah, als hätten wir einen riesigen Schritt in die richtige Richtung gemacht."

Frustriert werfe ich die Arme in die Luft.

"Wieso darf ich das nicht? Wieso endet es jedes Mal, wenn ich auch versuche, dir zu sagen, wie es mir geht, damit, dass du dich komplett zurückziehst? Oder mich als Klette bezeichnest? Oder meinem Vater persönliche Informationen über mich gibst?"

Eigentlich bin ich nicht mal wütend auf dich. Ich bin sauer auf die Gesamtsituation.

"Du musst mir ja nicht mal zuhören! Denk einfach an Computer, lass mich reden und nick gelegentlich!"

Der Grad meiner Frustration nimmt gerade stetig zu.

"Ich hab es so satt, mit niemandem reden zu können!"

Wütend raufe ich mir die Haare.

"Alle, die mir nahe stehen, haben ihre eigenen Probleme. Du bist völlig überfordert und kannst dich nicht auch noch um meine Sorgen kümmern. Was dazu führt, dass ich dich permanent anzicke, was ich nicht mal will. Dad ist völlig verblendet und checkt gar nichts mehr. Weswegen ich ihn auch anzicke, obwohl er es nur gut meint. Batman benimmt sich noch am ehesten wie ein Vater, ist gefühlstechnisch aber mindestens genauso verstockt wie du und will ständig alles mit einem »Scheck für das Baby« lösen. Was natürlich zur Folge hat, dass ich ihn auch noch anzicke, obwohl er mit der ganzen Sache nicht mal was zu tun hat und nur helfen will. Freunde habe ich auch keine, die die Sache verstehen ... Meine Mutter ist gerade erst darüber hinweg, nicht mehr mit mir zu reden, mein Bruder ist zu jung, meine Ärztin spricht nur über die Schwangerschaft, nicht über mich, ich drehe wegen der Situation und dem Baby völlig am Rad, die Stimmungsschwankungen fühlen sich an, als wäre ich schizophren, und zugenommen habe ich auch noch!"

Verzweifelt schlage ich mir die Hände vors Gesicht und lasse mich auf die Couch sinken, wo ich die Ellbogen auf meine Knie stütze und erst einmal tief durchatme, weil ich zuletzt fast ohne Luft zu holen gesprochen habe.

"Und das war gerade ein ziemlicher Ausbruch ..."
 

Okay ...

Das war wirklich mal ein langer Monolog. Und das waren ziemlich viele Informationen auf einen Haufen. Ein paar davon sind sogar sehr interessant für mich, aber damit beschäftige ich mich später.

Als du dann endlich den Anschein machst, dich wieder unter Kontrolle zu haben, neige ich den Kopf leicht zur Seite und mustere dich mit einer hochgezogenen Augenbraue.

"Also wenn man es ganz genau nimmt, dann warst du gerade zur Abwechslung mal richtig aufrichtig zu mir ...", sage ich ruhig. "Du hast zwar auch vorher schon ziemlich viel geredet, aber du bist nie so deutlich geworden wie jetzt. Und ich war vorher auch schon bei vielen Gelegenheiten ehrlich zu dir, aber du hast das anscheinend gar nicht realisiert."

Ich mache eine wegwerfende Handbewegung.

"Auch auf die Gefahr hin, dass du gleich wieder rumzickst ... Aber die Enttarnung deiner - wie drücke ich es am besten aus? - zweiten Identität ist deine eigene Schuld. Wenn du deinen Vater nicht seit Monaten anlügen würdest, hätte ich diese Information nicht gegen dich verwenden können. Okay, im Nachhinein betrachtet tut es mir zwar leid, aber mal ehrlich: Wie lange wolltest du diese Sache noch totschweigen? Du hättest die Erwähnung, dass Batgirl und du dieselbe Haarfarbe habt doch einfach weiter abstreiten können, aber nein, du hast dieses Indiz mit deiner Reaktion bestätigt."

Langsam komme ich näher und lasse mich dir gegenüber im Sessel nieder.

"Weißt du ...", sage ich langsam. "Mir ist klar, dass ich nicht gerade einfach bin und dass du momentan ... nicht ganz du selbst bist, aber denkst du wirklich, dass es dieser ganzen Situation zuträglich ist, wenn du mich absichtlich immer wieder provozierst und dich dann wunderst, wenn ich mich dafür revanchiere?"
 

Noch immer habe ich das Gesicht in den Händen vergraben, als ich deinen Worten zuhöre. Gott, es ist mir regelrecht peinlich, dass ich gerade so die Fassung verloren habe.

Ist das normal in einer Schwangerschaft?

Dass man sich vorkommt, als hätte man eine Zelle in Arkham verdient?

"Ich hatte vorher nie das Gefühl, so viel sagen zu können. Habe ich übrigens auch jetzt nicht ..."

Ich blinzle dich durch meine Finger hindurch an.

"Ich würde gerade gerne im Boden versinken, weil ich mich selbst nicht wiedererkenne ..."

Resignierend lasse ich die Hände sinken.

"Natürlich warst du ehrlich. Das Problem bei dir ist, dass du immer nur mit Kleinigkeiten rausrückst und im nächsten Moment wieder etwas tust, was völlig gegensätzlich ist. Sodass ich immer dann, wenn ich dir etwas glaube, plötzlich wieder zu zweifeln anfange. Ich versuche wirklich, mich zu erinnern, wie es dir wirklich geht ... Aber wenn du mir Gemeinheiten an den Kopf wirfst und mich anschaust, als würdest du mich am liebsten umbringen, ist es ziemlich schwer, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass du Alles eigentlich gar nicht so meinst. Wundert es dich wirklich, dass ich nach den Ereignissen der letzten Zeit nicht zu dir gekommen bin, um dir mein Herz auszuschütten? Als ob du das hättest hören wollen ..."

Ich verziehe den Mund zu einem bitteren Lachen.

"Du hast mit Panikattacken zu kämpfen und dann sollst du mir auch noch das Bein tätscheln, wenn ich mich bei dir ausheule? Das würde dich doch gleich noch mehr überfordern."

Erschöpft lasse ich mich gegen die Lehne sinken. Vielleicht sollte ich mal wieder einen Besuch auf Wayne Manor machen, wenn Bruce nicht da ist. Alfred ist ein guter Zuhörer und ich bin sicher, dass es mir nach einem heißen Tee und ein paar lieben Worten schon wieder besser gehen würde ...

"Du hast einfach die Angewohnheit, mich ständig vor ihm bloßzustellen, wenn du sauer auf mich bist. Es gefällt mir nicht, dass Dad Alles, was ich ihm in einem ruhigen Gespräch sagen müsste, über dich erfährt. Von dir weiß er, mit wem ich schlafe, wo ich entjungfert wurde, wer meine Hausaufgaben macht, wie ich im Bett bin, dass ich Batgirl bin ..."

Ich stöhne genervt auf.

"Mein Dad ist so ziemlich der einzige, den ich noch habe. Eddie, ich habe einfach Angst, dass irgendwann eine Information kommt, die zu viel für ihn ist und ich ihn auch noch verliere ..."

Ich reibe mir angestrengt über das Gesicht.

"Irgendwie bin ich beschissen darin, Leute bei mir zu behalten."

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ich gerade unangebracht wehleidig bin, aber ändern kann ich es auch nicht. Vielleicht ist es sogar gut, mir das alles endlich von der Seele zu reden.

"Ich meine es nicht böse, dich zu provozieren ... Ich vermisse einfach nur die Zeit, in der wir Spaß dabei hatten. Als es angenehm war, sich gegenseitig zu triezen."

Verzweifelt sehe ich dich an.

"Ich will diese Zeit so sehr zurück, dass es wehtut, Eddie. Obwohl das dumm ist und ich inzwischen mitbekommen haben sollte, dass das nie wieder funktioniert. Aber ich vermisse es so sehr ..."

Ich starre auf den Fußboden, um dich nicht ansehen zu müssen. Wahrscheinlich würde ich dann vollkommen die Fassung verlieren.

"Und das gestern ... Ich weiß, dass ich da aber die Stränge geschlagen habe. Aber kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle? Du und mein Vater - die wichtigsten Menschen in meinem Leben - ihr versteht euch blendend. Ihr scheint über persönliches zu reden und er kann dir beistehen, wenn es dir schlecht geht ..."

Ich muss schwer schlucken.

"Ganz ehrlich? Du kannst dir nicht vorstellen, wie eifersüchtig ich darauf bin. Ich muss zusehen, wie schlecht es dir geht und jeder meiner Versuche, irgendwie an dich heranzukommen, endet in einem Desaster. Ich bin komplett hilflos, kann nichts für dich tun."

Inzwischen bin ich wirklich fertig mit den Nerven. Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare.

"Und Dad entscheidet Alles über meinen Kopf. Klar, er meint es gut und tut es für mein Wohl, aber er realisiert gar nicht, wie weh er mir mit manchen Dingen tut. Obwohl ich so verletzt war nach Arkham hat er dich hierher gebracht und mich nicht mal gefragt oder zumindest gewarnt. Und statt sich mit mir zu unterhalten und mich nach meinen Gefühlen zu fragen, ist er ständig damit beschäftigt, dich zu bemuttern. Was nicht schlimm ist, es ist ja schön das ihr euch versteht. Bloß ..."

Ich zucke ratlos mit den Schultern.

"Im Moment fühle ich mich einfach ziemlich allein und völlig überfordert. Und es wäre schön, wenn mein Dad mal mit mir reden würde. Und nicht nur dann ankommt, wenn er mich wegen irgendwas anmotzen kann."
 

Mit einem lautlosen Seufzen stelle ich meinen inzwischen kalt gewordenen Kaffee auf die Fernsehzeitung, die auf dem Wohnzimmertisch liegt.

Nur ganz knapp kann ich mich davon abhalten, zusätzlich noch mit den Augen zu rollen - was aber zur Abwechslung nicht an dir liegt, sondern daran, dass ich mich über mich selbst ärgere. Denn entgegen meinem Willen, mich nicht mehr auf so etwas einzulassen, will ich dich jetzt einfach nur in den Arm nehmen. Früher fand ich das auch nicht so schlecht.

Deswegen stehe ich langsam auf und setze mich mit Abstand neben dich auf die Couch. Ich weiß nicht, wie du darauf reagieren wirst, deswegen halte ich es für besser, einen gewissen Sicherheitsabstand zu wahren.

"Hast du noch nie darüber nachgedacht, warum ich so widersprüchlich bin?", frage ich ruhig und ernst und sehe dich dabei an, auch wenn es mir sehr schwer fällt. "Du kennst meine Vergangenheit und nenn es meinetwegen eine Schutzreaktion, aber wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, dann ..."

Ich beende den Satz nicht, sondern mache eine wegwerfende Handbewegung.

"Auch jetzt fühle ich mich nicht sicher und ganz ehrlich ... Es fällt mir gerade unheimlich schwer, das überhaupt zu erzählen. Ich habe keine Ahnung, woran ich überhaupt bei dir bin und inwieweit ich dir trauen kann. Bestes Beispiel gestern ..."

Ich mache eine kurze Pause und richte meinen Blick an dir vorbei.

"Auf der einen Seite genieße ich deine Nähe und auf der anderen Seite habe ich Angst davor, mir genau deswegen eine riesige Zielscheibe auf die Stirn zu malen ...", fahre ich mit leiser Stimme fort. "Und glaub mir eins ... Selbst wenn du eine Bank ausrauben würdest, würde Jim voll hinter dir stehen. Deswegen veranstaltet er doch dieses Theater. Ich denke, dass es ihm gar nicht bewusst ist, dass er dich mit seinem Handeln verletzt. Er will es nur richtig machen. Ich schätze, es ist nur Mitleid, weswegen er so einen Aufstand um mich macht. Und wenn es nach mir ginge, könnte er das sein lassen."

Ich seufze leise und möchte mir am liebsten eine Ohrfeige geben. Klar gefällt es mir irgendwie, dass Jim für mich da ist - obwohl eine leise Stimme in meinem Kopf unablässig sagt, dass er das nicht nur aus reiner Nächstenliebe macht.

"Soll ich dir mal verraten, warum dein Vater den Eindruck macht, mich besser zu kennen als du?"

Langsam drehe ich dir wieder den Kopf zu.

"Das liegt daran, dass er als Polizeichef jederzeit Einsicht in meine Akte in Arkham nehmen kann. Mit meiner Einlieferung habe ich alle Rechte verloren und bin jetzt darauf angewiesen, irgendwo einen Fürsprecher zu haben. Es ist sicherlich auch nicht gerade förderlich für mich, dass es ausgerechnet Jim ist. Aber komischerweise mag ich ihn, obwohl er für meinen Geschmack ein bisschen zu forsch rangeht."

Ich sehe dich einen Moment lang schweigend und nachdenklich an.

"Ich bin es ehrlich gesagt leid, immer und immer wieder mit dir zu streiten, deswegen jetzt mal Tacheles: Was willst du? Ich möchte jetzt endlich mal eine eindeutige und endgültige Entscheidung."
 

Als du aufstehst und zur Couch kommst, zucke ich sogar kurz zusammen. Ich habe eine Heidenangst vor deiner Reaktion auf diese Offenbarung. Es besteht die Chance, dass du ruhig und angemessen reagierst. Oder du schreist mich an. Lachst mich aus. Machst sarkastische Witze. Oder du gehst ...

Dass du dich letztendlich neben mich setzt, schockiert mich sogar ein bisschen. Mit großen Augen starre ich dich an und höre überrascht zu.

"Jeden Tag, Eddie. Jeden verdammten Tag seitdem ich im GCPD über die Schwele zu deinem Büro gestolpert bin, zermartere ich mir das Hirn, warum du bist, wie du bist, und versuche herauszufinden, wie ich damit umgehen soll. Und ich habe das Gefühl, je näher ich dir komme, desto mehr entfernst du dich von mir ... Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, nicht mit mir reden zu können. Aber ich will auch nicht, dass du mit mir redest und ich dir keine ehrlichen Antworten geben kann, weil ich dann Angst haben muss, dir sofort auf den Schlips zu treten."

Ratlos schüttle ich den Kopf. Eine schreckliche Situation. Früher habe ich dir blind vertraut und bin enttäuscht wurden. Und inzwischen kann keiner von uns sich mehr auf den anderen verlassen, was an sich kein Problem wäre, wenn wir nicht so aneinander gebunden wären.

Gerührt beiße ich mir auf die Unterlippe. Einen Moment lang kann ich nichts sagen und ich muss tief durchatmen, um endlich weiter sprechen zu können.

"Dass ich deine Nähe mag, muss ich dir ja nicht mehr erzählen ... Und dass du dich nicht zur Zielscheibe machen willst, kann ich sogar verstehen. Ich habe das bisher sehr eifrig praktiziert und obwohl es scheiße wehtut nicht dazugelernt. Von mir hast du nichts zu befürchten."

Ich zucke mit den Schultern.

"Ich weiß wahrscheinlich zu wenig über dich, um sagen zu können, was für Gefahren von anderen Seiten drohen würden, aber ich selbst will nicht, dass du dich meinetwegen schlecht oder verwundbar fühlst."

Bei deinen Worten über Dad schüttle ich traurig den Kopf. Es ist schwer, zu erklären, wie es mir momentan mit meinem Vater geht. Ich weiß, dass ich ihm in gewisser Weise Unrecht tue, aber trotzdem kann ich meine verletzten Gefühle nicht einfach abstellen.

"Glaub mir, Dad hat dich wirklich gern. Er geht mit dir um, als wärst du sein Sohn."

Ich bemühe mich, dir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, obwohl meine Augen allmählich feucht werden.

"Er redet sogar manchmal von dir. Hat dich hochgelobt als Kindsvater, wie klug und hübsch und talentiert sein Enkel dadurch werden wird."

Ich versuche, mir unauffällig eine einzelne Träne von der Wange zu wischen.

"Eigentlich sollte es mich freuen, dass ihr euch versteht. Ich komme mir vor, wie der schlechteste Mensch der Welt, weil ich euch ständig anfahre und nichts zu schätzen weiß, was ihr tut. Aber ..."

Weil ich definitiv die Fassung verlieren würde, lasse ich den Satz im Sande verlaufen und schüttle schniefend den Kopf.

"Ich will so unglaublich viel, dass ich mich selbst auslachen könnte ...", flüstere ich und sehe dich traurig an. "Ich will mich mit dir streiten, weil wir Spaß daran haben und nicht, weil wir den Anderen in diesen Momenten hassen. Ich will mich mit dir unterhalten können, ohne dass es in einer Katastrophe endet. Ich will meinen alten Eddie zurück, der nicht völlig verängstigt und gequält ist und mich kaum an sich heran lässt. Ich will dich. Mit all deinen Problemen und Ängsten. Ich will sie zu unseren Problemen machen und ich will, dass du mir erlaubst, dir bei ihrer Lösung zu helfen. Und ich will, dass wir das irgendwie schaffen. Dass du deine Therapie hinbekommst und aufhörst mit diesem ganzen Mist. Informanten und Überwachung und Bestechung. Glaub nicht, dass ich denke, du hast das Alles aufgegeben. Ich will, dass unser Kind mit einem Vater aufwächst. Von mir aus nicht mit uns als Paar. Aber ich will dem Kind von dir erzählen können und ich will nicht, das »angehender Verbrecher« das Beste ist, was ich zu bieten habe."

Ich schlucke schwer und werfe dir einen beinahe schüchternen Blick zu.

"Aber was ich wirklich unbedingt will, ist eine Umarmung, weil ich hier sonst völlig zusammenbreche."

Versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich möchte immer noch einen Beweis ...

Mir schießen tausend Gedanken durch den Kopf, während ich dich schweigend ansehe. Es gibt so viel, über was ich gerne reden möchte, doch wie immer bekomme ich es nicht über die Lippen, denn egal wie oft du es auch beteuerst - ich kann mich einfach nicht dazu überwinden, dir wirklich uneingeschränkt zu vertrauen.

Wenn ich über meinen Vater rede, habe ich schneller als ich gucken kann eine Mordanklage am Hals - auch wenn es keine richtigen Beweise gegen mich gibt. Erzähle ich dir von Crane, erklärst du mich endgültig für verrückt, denn du frisst diesem Scharlatan jetzt schon aus der Hand. Spreche ich über meine Verbrecher-Karriere, werde ich mein Leben lang in Arkham weg gesperrt. Und wenn ich dir von meinen Gefühlen und Gedanken erzähle, kann ich mir gleich selber die Kugel geben. Egal, wie ich es drehe und wende - ich kann das nicht. Auch wenn ich gerne würde, diese Tür kann ich nicht aufstoßen.

Die Tränen, die in deinen Augen glitzern, machen es mir schwer, überhaupt etwas Intelligentes zu sagen. Und ehrlich gesagt weiß ich auch auf die Schnelle gar nicht, was ich überhaupt zu deinen Wünschen sagen soll. Das ist Alles ein bisschen viel auf einmal, weswegen der Wunsch, sofort das Weite zu suchen, in diesem Moment ziemlich stark ist.

Trotz meiner Bedenken und der schrillen Alarmleuchte in meinem Kopf rücke ich ein Stück zu dir auf und lege dir zögerlich einen Arm um die Schultern.

"Es ist seltsam ...", murmle ich leise und weiß nicht so recht, wo ich meine Hand auf deinem Rücken platzieren soll. "Ich habe Jim bereits mehrmals gesagt, dass ich als ..."

Ich muss mich unterbrechen, denn es wirklich vor dir auszusprechen heißt soviel wie, dass ich es mir eingestehen muss.

"... als Vater denkbar ungeeignet bin. Er will es mir nur partout nicht glauben."

Ich mache eine kurze Pause, um tief durchzuatmen.

"Es ist eine ganze Menge, was du willst ...", murmle ich leise. "Na ja ... Ich bin ja schon froh, dass du nicht gleich einen Heiratsantrag mit Kniefall von mir verlangst", versuche ich mich halbherzig an einem Witz. "Weißt du ... Einiges von deinen Wünschen wäre eventuell möglich. Allerdings - und nimm es mir jetzt nicht übel - nicht einfach von jetzt auf gleich und ohne Gegenleistung."
 

Als du deinen Arm um mich legst, ist es endgültig vorbei für mich. Mit einem Schlag fange ich an zu schluchzen und vergrabe das Gesicht an deiner Schulter. Mit einer Hand kralle ich mich in dein Hemd. Wie das gute Stück aussieht, wenn ich hier fertig bin, ist mir gerade herzlich egal.

Während ich mich ausweine, wirkt deine Stimme fast beruhigend auf mich, obwohl die Worte nicht einmal sonderlich tauglich dazu sind. Es ist eine Weile her, dass mich mal jemand in den Arm genommen hat, wenn ich geweint habe. Schon allein das ist wie Balsam für die Seele.

"Da kann ich dich beruhigen. Ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass du ein toller Vater wärst. Genauso wenig, wie ich zur Mutter tauge. Aber ich vermute, in solche Rollen muss man hineinwachsen. Ich habe auf jeden Fall vor, mein Bestes für dieses Kind zu geben. Es kann nichts für das, was zwischen uns vorgefallen ist. Und ich werde nicht zulassen, dass es diese Dinge ausbaden muss. Und, Eddie? Auch, wenn du es selbst vielleicht nicht von dir glaubst - ich bin absolut überzeugt, dass du das auch nicht tun wirst. Egal, wie die Konsequenzen aussehen, die du dafür ziehst. Es wird sicher die richtige Entscheidung sein."

Ich schenke dir ein müdes Lächeln, um deinen Versuch, einen Scherz zu machen, wenigstens zu würdigen.

"Dass du nicht sofort alles umwerfen kannst, ist mir klar. Um ehrlich zu sein, rechne ich nicht mal damit, dass auch nur die Hälfte in Erfüllung geht. Und was die Gegenleistung angeht ... Ich vermute jetzt einfach mal ganz stark, mit einem Päckchen Kaffee und einem Striptease ist es nicht getan, hm?"
 

Ich muss tief durchatmen, bevor ich auf deine Frage antworten kann, denn was ich dir sagen möchte - nein, eigentlich muss - wird dir sicherlich nicht gefallen, aber ich muss es tun. Innerlich versuche ich mich schon mal gegen deinen nächsten Gefühlsausbruch zu wappnen.

"Nein, das würde nicht reichen - zumal ich das auch gar nicht möchte. Aber ich habe da ein paar Bedingungen ..."

Ich mache eine kurze Pause und weiß immer noch nicht so wirklich, was ich mit der Hand auf deinem Rücken anfangen soll. Letztendlich platziere ich sie ein wenig verkrampft zwischen deinen Schulterblättern.

"Ich möchte, dass du dich in Zukunft komplett von Arkham fern hältst", beginne ich leise mit meiner Aufzählung. "Ich will kein Wort und keine Andeutung mehr über Batman hören. Ich kann es wohl nicht verhindern, dass du diesem Spinner weiterhin nacheiferst, aber verzichte wenigstens auf nächtliche Streifzüge. Und bitte fahr den Mustang nicht zu Schrott. Und, was mir momentan am Wichtigsten ist ..."

Ich muss mich unterbrechen, denn meine Stimme droht zu versagen.

"Versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich möchte immer noch einen Beweis ..."
 

Das willst du also nicht. Der erste Stich ins Herz. Und jedes weitere Wort lässt mich wahrscheinlich ein bisschen bleicher werden, bis ich schließlich soweit von dir Abrücke, dass deine Hand von meinem Rücken rutscht. Nur zu gerne würde ich mir einreden, dass es nicht meine Schuld ist, dass du mich nicht willst. Dass es an dir liegt und nicht an mir.

Aber letztendlich ist das doch nur bescheuertes Wunschdenken. Du bist ein erwachsener Mann und ich bin im Grunde noch ein Teenager. Und schwanger. Meine Chancen bei dir sehen nicht sonderlich gut aus. Und das wird sich demnächst auch nicht ändern, denn wenn ich erst einmal mit einem Walross zu verwechseln bin, bringt mich mein Äußeres auch nicht mehr weiter.

"Eigentlich hatte ich vor, dir gelegentlich einen Besuch abzustatten. Aber wenn dich das so sehr stört und du lieber in deiner Zelle hocken willst, okay. Ich werde nichts mehr von Batman erzählen", sage ich mit einem Blick, der sicher andeutet, dass ich auch nichts davon erzählen werde, dass ich eigentlich weitermachen will. "Dem Mustang passiert nichts, ich habe ihn dir zurückgegeben. Und den Beweis bekommst du."

Ich sehe dich todernst an.

"Aber nur, wenn das auch eine Bedeutung für dich hat. Wenn du es schwarz auf weiß hast, dass es dein Kind ist, weil du wirklich von mir verlangst, einen Test zu machen, als hätte ich an jedem Finger einen anderen Kerl, dann stehst du danach gefälligst auch dafür gerade und übernimmst Verantwortung. Und dann lasse ich auch nicht mehr durchgehen, dass du eigentlich nichts mit alledem zu tun haben willst."
 

Als du von mir wegrückst, ist mir klar, dass du meine Worte mal wieder in den falschen Hals bekommen hast. Das war so klar ...

Aber warum wundere ich mich überhaupt noch darüber?

Es war mir doch eigentlich von Anfang an klar, dass du wieder so reagieren wirst.

Und da willst du wirklich wie eine Erwachsene behandelt werden, wenn du bei »Erwachsenen-Themen« gleich wieder an die Decke gehst?

Klugerweise, um nicht gleich wieder einen Eklat zu provozieren, verkneife ich mir jeglichen Kommentar, allerdings kann ich ein genervtes Augenrollen nicht verhindern. Es ist einfach manchmal zu frustrierend mit dir.

"Jetzt fängt dieses Thema wieder an ...", murmle ich leise hauptsächlich zu mir selbst und bin versucht, meinen Kopf gegen den Couchtisch zu schlagen. "Okay ...", sage ich dann etwas deutlicher und stehe mit einem genervten unterdrückten Stöhnen auf. "Wenn du das jetzt durchkauen willst, brauche ich definitiv mehr Koffein."
 

"Oh, keine Angst. ich habe nicht vor, irgendwas durchzukauen. Da gibt es gar nichts durchzukauen. Eigentlich stelle ich dich hier gerade vor vollendete Tatsachen."

Ich erhebe mich ebenfalls und sehe dich mit neutralem Gesichtsausdruck an. Ich bin nicht sauer. Eher von Selbstzweifeln erfüllt und dafür kannst du nur zu einem sehr geringen Anteil was.

"Wenn du einen Test haben willst, dann gehe ich auch davon aus, dass du ihn nicht willst, um aus dem Papier ein Schiffchen zu falten und dich dann vom Acker zu machen. Die Information dürfte dich nur dann wirklich interessieren, wenn du dich wirklich kümmern willst, sofern das Kind von dir ist. Ich weise dich lediglich darauf hin, dass ich das demnach auch voraussetze und du …"

Ich verenge kaum merklich die Augen.

"… mein Missbehagen zu spüren bekommen wirst, wenn ich das mache und du dich am Ende doch aus dem Staub machst."
 

Ich kann nicht verhindern, dass ich mit einem Grinsen den Kopf schütteln muss, als du das Papierschiffchen erwähnst. Allerdings denke ich eher daran, das Testresultat Crane in den Hals zu stopfen und ihn dann ein bisschen leiden zu lassen.

Mit einem leisen genervten Stöhnen reibe ich mir den Nasenrücken.

"Barbara, ernsthaft ... Denkst du wirklich, ich würde mir den ganzen Stress mit dir antun, wenn ich vorhabe, zu verschwinden? Ich könnte wirklich Besseres mit meiner Zeit anfangen, als mich mit dir ständig und immer wieder zu streiten. Aber nein, ich stehe gerade vor dir. Was sagt dir das?"

Kurz werfe ich die Arme in die Luft und kann es nicht vermeiden, dass mich dieses Gespräch langsam aber sicher aufregt.

"Du hast schon mein Auto. Was willst du denn noch? Immobilien? Aktien? Eine millionenschwere Lebensversicherung? Einen Ehevertrag?"
 

"Ich will deinen verdammten materiellen Scheiß nicht!", fahre ich dich an, hebe dann aber beschwichtigend die Hände, um mich zu beruhigen.

Auch ich will mich nicht streiten und wie es aussieht, ist es an mir, die Wogen zu glätten.

"Edward ...", beginne ich ruhig. "Das Einzige, was ich möchte, ist dass unser - oder mein, wenn dir das im Moment noch lieber ist - Kind keinen Schaden nimmt. Ich brauche kein Auto, keine Häuser, kein Geld, keine Beziehung. Ich brauche einfach nur das Versprechen, dass dieses Kind später mal in die Augen seines Vaters sehen kann und nicht plötzlich verlassen wird, wenn es kompliziert wird."

Ich lache amüsiert auf.

"Und da es von uns ist, wird es kompliziert werden. Stell dir mal vor, es vereint unsere Charaktere ... Das Grauen."

Mein Lächeln bleibt trotz der Worte liebevoll, als ich über meinen Bauch streiche.

"Also, bitte, Eddie. Es geht nicht darum, dass ich irgendetwas Schreckliches von dir will. Es geht darum, dass ich alles erdenklich Gute für mein Kind will."
 

Ich seufze lautlos und lasse meinen Blick fahrig durch den Raum schweifen. Auf der einen Seite amüsiert es mich, dass du dich so aufregst. Auf der anderen Seite befürchte ich, dass diese Stimmungsschwankungen wohl noch schlimmer werden. Als ob mein Leben nicht auch so schon kompliziert genug ist.

"Ich kann dir das nicht versprechen", erwidere ich schließlich. "Ich weiß selber noch nicht, was nächste Woche, nächsten Monat oder nächstes Jahr sein wird. Vielleicht hat der Joker bis dahin schon längst die ganze Stadt in die Luft gejagt. Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass ich es versuchen, aber nicht garantieren kann."
 

Mein erster Impuls ist, weiter auf dich einzureden und dich zu einem klaren Versprechen zu zwingen. Aber als ich schon den Mund aufmache und protestieren will, fällt mein Blick auf dein angestrengtes Gesicht und ich lasse es bleiben. So kann es doch auch nicht gehen. Zwar habe ich eine Heidenangst davor, dass du das Kind sitzen lässt und ihm damit weh tust, aber andererseits nimmst du gerade einiges für mich und das Kleine auf dich.

"Eddie ..."

Ich schaue etwas schüchtern nach unten auf meine Hände. Jetzt werde ich etwas eingestehen, was mir ziemlich schwer fällt.

"Du versuchst es. Und trotz allem, was seit Freitag passiert ist, hast du noch nicht damit aufgehört und das sagt einiges aus."

Zaghaft hebe ich den Blick und sehe dich an.

"Ich habe das bisher zu wenig gewürdigt, weil ich zu beschäftigt mit mir selbst war. Tut mir leid."

Obwohl ich eigentlich fest damit rechne, dass du mich gleich von dir stoßen oder flüchten wirst, stelle ich mich auf die Zehenspitzen und hauche dir einen schnellen Kuss auf die Wange.

"Danke", sage ich ehrlich platziere demonstrativ eine Hand auf meinem Bauch. "Von uns beiden."
 

Als du mich küsst, zucke ich zwar minimal zusammen, aber es liegt dieses Mal schlicht und ergreifend einfach nur daran, dass diese minimale Berührung immer noch ungewohnt für mich ist. Deswegen sehe ich dich sprachlos mit großen Augen an und weiß nicht wirklich, was ich jetzt dazu sagen soll.

Dieses Zugeständnis von dir ist beruhigend und beängstigend zugleich. Es ist zwar gut, dass du nun endlich für mich Verständnis hast, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du noch mehr von mir erwartest.

"Was erwartest du jetzt?", frage ich unsicher und lasse meinen Blick kurz über deinen Körper gleiten, ehe ich dich wieder ansehe. "Ich meine ... Willst du jetzt heile Familie spielen?"
 

"Nein. Nein, ich denke das würde ziemlich zwanghaft und unangenehm für alle Beteiligten werden. Na ja. Abgesehen von Dad vielleicht ..."

Ich zucke mit den Schultern.

"Im Grunde hat sich meine Meinung von gestern nicht wirklich geändert. Es ist eigentlich nicht das, was ich will, aber das, was ich für das Beste halte. Wir beide sollten nicht versuchen, krampfhaft zusammen zu kommen. Oder zu bleiben. Oder ... na ja, was auch immer. Das wäre nicht klug."

Ich schenke dir ein versöhnliches Lächeln.

"Lass uns doch einfach beschließen ... nichts zu beschließen. Ich verlange nur, dass du versuchst, mit dem Kind zurechtzukommen. Mehr Anforderungen stelle ich nicht. Kein Zwang. Und keine traute Familienidylle. Wie man vorhin bemerkt hat, klappt es bei uns scheinbar am Besten, wenn wir eigentlich nicht miteinander reden sollten ..."
 

Ich nicke langsam, während ich dich ansehe.

"Unverbindlich klingt ... gut", sage ich dann mit einem schiefen Grinsen.

Im Prinzip ist das mehr oder weniger das, was ich eigentlich möchte. Doch ich spüre, dass ich eigentlich mehr möchte. Ich schweige einen Moment und mustere dein müdes Gesicht.

"Wie wär's, wenn du dich noch ein bisschen hinlegst. Du sieht furchtbar aus."

Können wir nicht einfach ein einziges Mal das machen, was wir wollen, ohne ständig definieren zu müssen, was wir nicht wollen?

"Du immer mit deinen Komplimenten", sage ich die Augen verdrehend und versuche, es so fürsorglich aufzufassen, wie es gemeint ist, und nicht gleich wieder Minderwertigkeitskomplexe wegen meinem Äußeren zu bekommen. "Aber vielleicht hast du Recht. Übrigens kann ich das nur zurückgeben, du siehst auch aus, als könntest du Schlaf vertragen."

Ich mustere mit schief gelegten Kopf deine zerknitterten Sachen und deine völlig zerzausten Haare und den Bartschatten auf deinem Gesicht.

"Oder zumindest einen Gang ins Badezimmer", füge ich grinsend hinzu.
 

"Ach was", erwidere ich abwinkend mit einem kleinen Grinsen im Gesicht. "Schlaf wird überbewertet und ist nur ein armseliger Ersatz für Kaffee."

Demonstrativ beuge ich mich über den Couchtisch, angle nach der Kaffeetasse und trinke einen Schluck von der kalten Brühe.

"Und ich habe auch nicht vor, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen", füge ich ein wenig breiter grinsend hinzu. "Oder hast du vor, mich zu irgendwelchen Leuten zu schleppen und mit mir anzugeben?"
 

Ich lache amüsiert auf.

"Mit dir angegeben habe ich doch schon genug, oder?"

Mein Grinsen wird eine Spur breiter.

"Die Mädels in der Schule behandeln mich bis heute wie ihre Herrin und Meisterin, seit du das erste Mal mit dem Mustang vor dem Tor gestanden hast."

Ich betrachte dich eingehend.

"Aber jetzt mal ehrlich. Lass dich nicht so gehen, Eddie. Eine anständige Rasur und die Welt sieht gleich besser aus."

Mein Blick fällt nach unten auf meine Schlafsachen.

"Und ich sollte mir möglicherweise eine Hose anziehen. Oder wenigstens einen BH ..."

Lachend schüttle ich den Kopf über das Bild, das wir hier abgeben müssen. Dad hat Recht. Wir sind wirklich bekloppt.
 

Daran erinnert zu werden, wie deine Mitschülerinnen in der High School auf mich und meinen Mustang reagiert haben, lässt mich gleich noch breiter grinsen. Es war ein gutes Gefühl so angehimmelt zu werden und wenn ich mich richtig erinnere, dann fandest du es auch nicht so übel.

Während ich erneut an der Tasse nippe, mustere ich eingehend dein Erscheinungsbild. Wenn man die Spuren der Schlaflosigkeit außer Acht lässt, eigentlich gar nicht so übel.

"Eine Hose wäre vielleicht wirklich angebracht. Vorausgesetzt, dass du in deinem Chaos irgendwas findest."
 

"Tja. Vielleicht solltest du mit hochkommen und mir suchen helfen", sage ich, bevor ich mein Mundwerk zügeln kann.

Aber gut. jetzt, da es raus ist, gibt es sowieso kein Zurück mehr. Also sehe ich dich einfach abwartend an, darauf vorbereitet, dass du eventuell die Flucht ergreifst. Ach, scheiß drauf. Für ein bisschen unverfängliches Flirten kommt man nicht in die Hölle.

Nachdenklich lege ich den Kopf schief.

"Warum noch gleich nur die Hose?", frage ich gespielt unschuldig.
 

Das Grinsen in meinem Gesicht will gar nicht mehr weichen, während ich betont lässig an der Tasse nippe und dich dabei über den Rand meiner Brille amüsiert ansehe.

Ich weiß nicht, ob du es merkst, aber wir flirten hier gerade miteinander. Nicht, dass es mich stört, ich finde es nur ein wenig seltsam, so wie der Stand der Dinge gerade zwischen uns ist.

"Ich soll also völlig unverfänglich einen Blick in deinen Kleiderschrank werfen?", frage ich mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen, nachdem ich die inzwischen leere Kaffeetasse wieder auf den Couchtisch gestellt habe. "Bei der Gelegenheit kann ich dann auch gleich mal nachsehen, ob dir überhaupt noch ein BH passt?"

Mit einem Kopfnicken deute ich auf deinen Oberkörper.
 

Ich bin richtig erleichtert, als ich dein Grinsen sehe. Scheinbar fasst du das Ganze hier ebenfalls als erheiterndes Geplänkel auf und bekommst nicht gleich die nächste Panikattacke. Zum Glück, den allmählich finde ich Gefallen an der Situation.

"Warum nicht. Ist ja nicht so, dass du meine Klamotten nicht schon gesehen hättest, ohne dass ich drinstecke."

Ich lasse mich sogar dazu hinreißen, dir zuzuzwinkern. Dein Kommentar über meine BHs lässt mich kurz auflachen. Tatsächlich sind meine Brüste schon größer geworden, was durchaus ein Pluspunkt der Schwangerschaft ist.

Mein Grinsen wird eine Spur herausfordernder.

"Und wie willst du das rausfinden? Per Augenmaß oder willst du mich abtasten?"
 

Grinsend senke ich kurz den Kopf. ehe ich dich mit einer amüsiert angehobenen Augenbraue ansehe.

"War das gerade der wenig dezente, völlig unverfängliche Hinweis, dass ich direkt mal Hand anlegen soll, oder was?"

Ich versuche, wieder ein ernstes Gesicht aufzusetzen, aber das Pokerface will mir partout nicht gelingen.

"Nun ja ...", sage ich lang gezogen. "Falls dein Zimmer nicht einem Minenfeld ähnelt, bin ich durchaus geneigt, dieser Aufforderung nachzukommen."
 

"Vielleicht war es das. Wer weiß ...", kichere ich.

Okay, es wird gerade ein bisschen anzüglich zwischen uns. Ich hoffe innig, dass Dad irgendwo am anderen Ende der Welt rumhängt und gerade nicht hinter der Tür steht und Mäuschen spielt.

Deine Zusage lässt mich kurz die Stirn runzeln. Das kam jetzt überraschend. Aber gut.

Warum eigentlich nicht?

Immerhin haben wir uns gerade erst darauf geeinigt, alles unverfänglich und offen zu halten.

"Ich fürchte, mein Zimmer sieht ganz schrecklich aus ...", trällere ich unschuldig. "Es wird wohl notwendig sein, dass du mich dafür zur Rechenschaft ziehst ..."
 

"So so ...", murmle ich grinsend. "Du lebst also nach wie vor im Chaos, ja?"

Ich finde die Tatsache, dass dein Zimmer meistens so aussah wie nach einem Bombeneinschlag irgendwie erheiternd. Wenn ich da an das Chaos in meiner Wohnung denke und den starken Kontrast zu meinem Arbeitsplatz, wo ich immer penibel auf Ordnung achte ... Allein dieser Gedanke verstärkt mein Grinsen.

"Und wie stellst du dir vor, dass ich dich zur Rechenschaft ziehe?"

Langsam mache ich einen Schritt auf dich zu und bleibe direkt vor dir stehen. Mit einem fast schon anzüglichen Grinsen beuge ich mich ein Stück zu dir.

"Wo hat dein Dad die Handschellen versteckt?", flüstere ich dir ins Ohr.
 

"Als Genie beherrscht man das Chaos", feixe ich. "Das solltest du doch am besten wissen."

Ich zwinkere dir amüsiert zu.

Als du so an mich herantrittst, hebe ich eine Augenbraue. Scheinbar hast du so viel Gefallen an unserem Gespräch, dass du deine Berührungsängste glatt vergisst. In dem Fall werde ich dich sicher nicht daran erinnern.

Ich recke mich dir also ein Stückchen entgegen und sehe dir direkt in die Augen.

"Was denn, Mr. Nigma? Wollen Sie mich unschuldiges, junges Ding etwa festketten? Also wirklich ..."

Ich schüttle grinsend den Kopf.

"Dann könntest du ja mit mir machen, was du willst ..."
 

Da du mich mit meinem Alias ansprichst, bin ich wirklich schwer versucht, einen Kommentar zu Batgirl zu machen. Ich muss mir fast schon auf die Zunge beißen, um zu verhindern, dass ich es ausspreche, denn es würde diese - durchaus ansprechende - Situation total ruinieren und die Stimmung versauen.

"Jung und unschuldig also ...", murmle ich grinsend und in meine Augen schleicht sich ein verräterisches Funkeln. "Da habe ich aber was ganz anderes gehört ..."

Auch wenn es sich irgendwo ganz tief in mir drin noch ein wenig seltsam anfühlt, mit dir zu flirten, lasse ich mich zu einem durchaus zweideutigen Zwinkern hinreißen.

"Sie müssen wissen, Miss Gordon, dass man viele interessante Dinge mit Handschellen anstellen kann ...", raune ich dir leise ins Ohr.
 

"Ach? Was hast du denn gehört? Man sollte immer auf dem Laufenden bleiben, was so über einen erzählt wird ..."

Zufrieden bemerke ich deinen amüsierten Blick. Das ist so ziemlich die lockerste Stimmung, die zwischen uns seit einer gefühlten Ewigkeit geherrscht hat.

Verrückt. Kaum beschließt man, die Finger von einander zu lassen ...

"Oh, wirklich? Na, diese Dinge sollten Sie mir unbedingt zeigen, Mr. Nigma."

Grinsend hebe ich eine Hand und spiele ein wenig mit deinem obersten Hemdknopf.

"Sie wissen ja, was für eine gelehrige Schülerin ich bin."
 

"Du kennst doch den Tratsch am Wasserspender", erwidere ich vage und grinse dich breit an. "Nur die üblichen Gerüchte über Lack, Leder, Handschellen ..."

Okay, langsam aber sicher wird es nun wirklich seltsam, so ein Gespräch mitten in eurem Wohnzimmer zu führen, wo jeden Moment dein Dad herein kommen kann. Ich habe zwar mehr oder weniger einen Freifahrtschein von ihm bekommen, dass es für ihn in Ordnung ist, wenn ich mit dir ... Aber trotzdem ist mir das ein bisschen zu öffentlich.

Amüsiert hebe ich eine Augenbraue an, als du an meinem Hemd herum fummelst.

"Du wirst doch wohl keine territoriale Ansprüche erheben ...", sage ich leise und mustere dich grinsend über den Rand meiner Brille. "Falls ja ... ist das hier nicht der richtige Ort dafür ...", flüstere ich dir ins Ohr.
 

"Ja, die Gerüchte sind mir auch schon zu Ohren gekommen. Lack, Leder, grüne Anzüge ... der typische Kram eben", lache ich.

Da du selbst mit einer Anspielung auf meine zweite Identität angefangen hast, fühle ich mich relativ sicher damit, sie ein wenig auszubauen. Immerhin habe ich nicht direkt von Batman gesprochen, weswegen ich die Abmachung damit nicht breche.

"Hmmm ..."

Mit einem durchaus als anzüglich einzustufenden Lächeln lasse ich den Knopf los und dafür die flache Hand auf deiner Brust liegen.

"In dem Fall muss ich wohl oder übel einen Ortswechsel vorschlagen. Darf ich dich in mein Zimmer entführen? Natürlich nur, damit du diesen BH suchen kannst ..."

Ich bemühe mich um einen übertrieben unschuldigen Gesichtsausdruck.
 

"Natürlich nur deswegen ...", sage ich mit einem verschmitzten Lächeln und streiche dir vorsichtig eine zerzauste Haarsträhne hinters Ohr. "Allerdings müsstest du mich dahin geleiten, denn ich habe einen wahnsinnig schlechten Orientierungssinn und würde mich sicher auf dem Weg dahin verlaufen."
 

Mit klopfendem Herzen komme ich deiner Aufforderung nach.

"Dann will ich mein verlorenes Schäfchen mal nach hause bringen."

Ich greife nach deiner Hand und führe dich aus dem Wohnzimmer heraus, die Treppe nach oben und in mein Zimmer, wo ich mit wachsender Aufregung die Tür hinter mir zumache.

So schlimm sieht es hier nicht mal aus. In letzter Zeit habe ich mich dazu gezwungen, etwas ordentlicher zu werden. Trotzdem liegt hier und da noch etwas herum, weil ich seit Freitag nicht unbedingt die Nerven hatte, Ordnung zu schaffen.

"Also", raune ich und lehne mich abwartend mit dem Rücken gegen die Tür. "Da wären wir dann. Hier drinnen solltest du dich ja noch orientieren können?"

Meine Lippen formen sich zu einem verheißungsvollen Lächeln.

"Oder muss ich dir nochmal zeigen, wo alles ist? Da drüben zum Beispiel. Das wäre mein Bett."
 

Auch wenn mir das Flirten und die kleinen Anzüglichkeiten zwischen uns gefallen, nimmt meine Unsicherheit proportional zu, je näher wir deinem Zimmer kommen. Eigentlich ist das ja lächerlich, denn immerhin haben wir beide mehr oder weniger genau darauf hingespielt. Und trotzdem kann ich nicht verhindern, dass ich mich frage, warum ich es habe so weit kommen lassen.

Als du die Tür schließt, zucke ich bei dem leisen Klicken des Schlosses tatsächlich minimal zusammen und für einen kurzen Moment fühle ich mich hier drin wie gefangen. Ich lasse meinen Blick durch dein Zimmer schweifen und habe so die Gelegenheit, mich wieder zu fangen. Nicht auszudenken, wenn du meine Unsicherheit mitbekommst und deswegen Fragen stellst.

"Ja, definitiv ein Bett", kommentiere ich mit einem leicht verkrampften Grinsen und versuche dabei, nicht die Stimmung zu ruinieren.

Momentan bin ich wirklich froh, eine Brille zu tragen, denn sie verdeckt hoffentlich meinen unentschlossenen Blick. Ich bin zwar dazu bereit, ein paar Zärtlichkeiten mit dir auszutauschen, aber ich werde es ganz sicher nicht dazu kommen lassen, dass du deine Sachen ausziehst.

Um dir nicht zu zeigen, dass mir die Situation nicht mehr ganz so angenehm ist wie im Wohnzimmer - auch wenn das eigentlich total albern ist, da ich es ja genauso provoziert habe - komme ich wieder einen Schritt auf dich zu, so dass ich dicht vor die stehe.

"Du hattest doch sicherlich einen Plan, wie das hier weiter gehen soll, oder?"
 

Deine eher weniger begeisterte Reaktion auf meine Worte lässt Angst in mir aufsteigen. Wenn ich jetzt gleich die nächste Zurückweisung bekomme, gebe ich mir endgültig die Kugel. Noch mal werde ich das sicher nicht mitmachen.

Als du dich vor mich stellst, sehe ich dich mit großen Augen an und wage es nicht, mich zu bewegen. Atmen geht gerade so noch und sogar das versuche ich möglichst flach zu tun, aus Angst, dich irgendwie zu verjagen.

"Wenn dir das unangenehm ist, könntest du dann bitte jetzt gleich gehen?", flüstere ich, ohne dich anzusehen.

Die Bitte ist natürlich ziemlich lächerlich, da ich an der Tür lehne, als würde ich dich festhalten wollen. Aber mich davon wegzubewegen traue ich mich nicht, weil ich zur Salzsäule erstarrt bin. Meine Augen sind stur auf den Knopf gerichtet, den ich vorhin schon angefasst habe.

"Ich schaff das nicht noch mal ... Wie gestern, meine ich ..."

Nervös nage ich an meiner Unterlippe.

"Ich hatte nicht vor, mich jetzt auf dich zu werfen, wenn du das erwartet hast. Ich dachte nur ... na ja ... Weil du doch irgendwie mitgemacht hast ..."

Meine Stimme zittert ein bisschen und ich vermeide es noch immer, in dein Gesicht zu schauen. Ich habe Angst davor, was ich in deinen Augen sehen könnte.
 

Für einen Moment sehe ich dich ein wenig irritiert an, wie du einen Punkt unterhalb meines Kopfes anstarrst und hebe andeutungsweise eine Augenbraue an. Soviel dazu, dass ich meine Unsicherheit gut genug kaschiert habe, damit du es nicht bemerkst.

Zögerlich strecke ich eine Hand aus und berühre vorsichtig deine Wange. Langsam streiche ich mit den Fingern hinunter bis zum Kinn und drücke es denn ein kleines Stück nach oben, so dass du mich ansehen musst.

"Du hörst mir jetzt ganz genau zu, denn ich werde es nicht wiederholen ...", sage ich leise, aber bestimmt. "Ich habe nichts gegen diese ungezwungenen Spielereien zwischen uns, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du mehr erwartest als das. Ich weiß zwar nicht, was du erwartest, dass hier jetzt passiert, aber ich habe ganz sicher nicht vor, mit dir zu schlafen. Und es wird auch nicht darin enden, dass wir plötzlich eine Beziehung führen."

Ich mache eine kurze Pause und mustere die Regungen in deinem Gesicht.

"Völlig unverbindlich und ohne jegliche Verpflichtung", wiederhole ich das, was wir vor kurzem festgelegt haben. "Mehr kannst du nicht erwarten und ich möchte, dass du akzeptierst, dass ich auch nicht mehr will."
 

Als du meinen Kopf anhebst, schiele ich erst immer noch krampfhaft in eine andere Richtung. Ich habe noch immer eine Heidenangst vor dem, was ich sehen könnte. Erst, als du zu sprechen beginnst, bin ich gezwungen, dir in die Augen zu schauen, denn deine Stimme verlangt meine volle Aufmerksamkeit. Die Worte sind nicht unerwartet. Sie entsprechen in etwa dem, was wir zuvor festgelegt haben und sollten deswegen eigentlich nicht so wehtun.

"Keine Beziehung, das haben wir doch längst geklärt, Edward", presse ich ein wenig genervt hervor.

Reizend von dir, dass du es mir noch und nöcher unter die Nase reiben musst, obwohl ich schon gestern Abend ganz von mir aus dasselbe beschlossen habe. Wahrscheinlich merkst du gar nicht, wie sehr du hier ständig in der Wunde pulst.

"Und natürlich auch kein Sex."

Wieso auch?

Begehrenswert war gestern ...

Ich drehe den Kopf zur Seite, um ihn aus deinem Griff zu befreien, und mache einen Versuch, meine Arme zu verschränken, was mir jedoch nicht gelingt, weil du zu nahe stehst. Also lasse ich sie resignierend herunter hängen und sehe dich flehend an.

"Können wir nicht einfach ein einziges Mal das machen, was wir wollen, ohne ständig definieren zu müssen, was wir nicht wollen?"

Wenn du das nächste Mal einer Frau für irgendwelche Experimente Zärtlichkeit vorheuchelst, dann zieh es wenigstens bis zum Ende durch.

Natürlich entgeht mir die leichte Vibration in deiner Stimme nicht, die irgendwo zwischen genervt und enttäuscht liegt. Gut, es ist nicht auszuschließen, dass ich mal wieder mehr hinein interpretiere, als eigentlich ist - oder dass ich mir das einbilde. Es gelingt mir auch nur ganz knapp, zu verhindern, dass ich mit den Augen rolle.

Als du deinen Kopf zur Seite drehst, lasse ich automatisch dein Kinn los, aber mein Blick bleibt weiterhin an deinem Gesicht haften. Der Ausdruck in deinen Augen gefällt mir nicht sonderlich. Du wirkst auf mich tatsächlich so, als ob dich meine Worte enttäuschen.

Da ich die Befürchtung habe, dass du in deiner schwangerschaftsbedingten Emotionalität gleich wieder anfängst zu weinen, gebe ich mir einen Ruck, lege dir einen Arm um die Schultern und ziehe dich ein Stück zu mir, damit ich dich umarmen kann.

"Das können wir ...", murmle ich leise. "Die Frage ist nur, was willst du ..."
 

In deiner Umarmung versteife ich mich zuerst - allerdings hauptsächlich um dir zu zeigen, dass ich immer noch ein bisschen beleidigt bin. Aber wie das immer so ist, kann ich deiner Berührung sowieso nicht lange widerstehen und lege schließlich mit einem ergebenen Seufzen die Arme um dich.

"Ich will, dass wir jetzt kein Wort mehr über die Situation reden. Wenn ich es mir recht überlege, will ich überhaupt nicht mehr reden."

Ich vergrabe mein Gesicht etwas tiefer in deiner Halsbeuge und atme tief ein. Gott, sogar deinen Geruch habe ich vermisst. Zufrieden schließe ich die Augen und genieße den Moment.

"Lass einfach nicht los, okay?"

Die Worte sind kaum verständlich, weil ich sie gegen deine Haut murmle.
 

Ich bin erleichtert, dass ich diese Krise erfolgreich abwenden konnte und du mich nicht gleich zum Teufel jagen willst. Und da ich schon damit gerechnet habe, dass du meine Umarmung erwidern wirst, zucke ich auch nicht zusammen. Es ist mir sogar recht, dass du das tust, weswegen ich schließlich auch den zweiten Arm um dich lege und dir sogar - wenn auch noch ein bisschen zaghaft - mit einer Hand beruhigend über den Rücken streiche.

"Okay ...", erwidere ich leise. "Aber darf ich einen Verbesserungsvorschlag machen?"
 

"Beinhaltet der Verbesserungsvorschlag zufällig, dass wir uns hinsetzen, damit wir nicht die ganze Zeit mitten in meinem Zimmer stehen?", nuschle ich in deine Halsbeuge. "In dem Fall wäre ich nämlich stark dafür."

Trotz meiner Zustimmung bewege ich mich keinen Millimeter von der Stelle. Ich will auch nicht eine Sekunde lang aus dieser Umarmung heraustreten.

"Du darfst übrigens trotzdem nicht loslassen ..."
 

Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen, denn ich hatte nicht vor, dich loszulassen. Deswegen ist dieser Wunsch von dir eigentlich total überflüssig und erheitert mich, da wir anscheinend dasselbe gedacht haben.

"So ähnlich ...", sage ich vage und werfe einen kurzen Blick zu deinem Bett, bevor ich ein Stückchen in die Knie gehe, dich hochhebe und die paar Schritte zu deinem Bett trage.

Dort angekommen, lasse ich dich vorsichtig auf die Matratze sinken und muss zwangsläufig dieser Bewegung folgen, da du dich standhaft weigerst, mich loszulassen. Halb stehend, halb kniend hocke ich sowohl neben, als auch über dir und streiche dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nachdem ich du mich ein Stückchen losgelassen hast.
 

Ich lache überrascht auf, als du mich zum Bett trägst und wir mehr übereinander purzeln, als dass wir uns hinsetzen. Das ist doch schon viel besser als dämliche Gespräche über alles, was wir nicht wollen.

Glücklich lächle ich dich an.

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut es tut, mal wieder unbeschwert zu sein."

Am liebsten wäre mir, wenn dieser Moment nie enden würde. Inzwischen freue ich mich zwar auf das Kind, aber trotzdem macht mir die ganze Verantwortung Angst.

Ich bin nicht die Art von Mädchen, die unbedingt Mutter werden wollte. Ich bin eher die Sorte, die sich in hautenges Leder wirft und sich mit Mob-Bossen prügelt ...

"Das sieht nicht sonderlich bequem aus", murmle ich und ziehe dich nach oben, sodass du neben mir auf dem Bett sitzt.

Ich rutsche ans Kopfende, sodass ich mich anlehnen kann. Und weil du scheinbar heute in Kuschelstimmung bist, nutze ich die Gelegenheit und strecke meine Beine über deinen Schoß aus. Zumindest die beiden sind noch genauso hübsch geformt wie vor der Schwangerschaft und plötzlich kommen mir die kurzen Shorts doch zugute.

"Du hast gar keinen Kaffee", sage ich, weil es einfach das erste ist, was mir einfällt.

Abgesehen davon ist es ein absolut unverfängliches Gesprächsthema, bei dem nicht viel schief gehen kann.
 

Ein wenig überrascht bin ich schon, als du mich zu dir nach oben aufs Bett ziehst, aber ich wehre mich nicht dagegen. Warum auch, denn es ist eigentlich ganz angenehm, dir so nahe sein zu dürfen. Als du dann auch noch deine Beine über mich legst, werfe ich dir einen erstaunten Blick zu.

"Du denkst jetzt ernsthaft an Kaffee?", frage ich mit einem amüsierten Unterton in der Stimme und muss sogar kurz grinsend den Kopf schütteln.

Statt weiterhin darauf einzugehen, lege ich dir eine Hand auf ein Knie und streiche dir langsam über das Schienbein bis zum Knöchel. Dabei lasse ich dich nicht aus den Augen, um deine Reaktion sehen zu können.

Da du nicht abgeneigt zu sein scheinst, entschließe ich mich spontan dazu, meine Hand um deinen Knöchel zu legen und mit einem leichten Grinsen so an deinem Bein zu ziehen, dass du schließlich auf dem Rücken liegst. Eine Hand platziere ich neben deinem Kopf und beuge mich ein Stück über dich.

"Ist es für dich in Ordnung, wenn ich etwas ausprobiere?", frage ich leise.
 

"Na ja, dich ohne Kaffee zu sehen ist beinahe erschreckend."

Und bedeutet hoffentlich, dass ich interessanter bin als dieses blöde Gesöff.

Genießerisch lehne ich meinen Kopf nach hinten und lasse mir die kleine Streicheleinheit gefallen. Als du mich dann auf den Rücken ziehst, quietsche ich überrascht und blinzele dich etwas schüchtern an, als du dich über mich beugst. Du gehst ganz schön ran, dafür, dass du eigentlich nicht mehr wolltest als ein bisschen Spielerei.

Ich kann bereits spüren, wie mein Herz anfängt, zu rasen. Meine Wangen glühen und bei deinen Worten läuft mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Mir schießen mehrere Antwortmöglichkeiten durch den Kopf. Dinge wie »was immer du willst« oder »nimm mich jetzt und hier« scheinen sehr naheliegend.

Letztendlich strecke ich aber nur eine Hand aus und berühre sanft deine Wange, während ich nicke.
 

Erleichtert über deine positive Antwort schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen, ehe ich mich näher zu dir hinunter beuge. Für einige Sekunden verharre ich in dieser Position und frage mich, ob es wirklich das Richtige ist, was ich gerade vorhabe.

Letztendlich ist es doch schließlich völlig unverbindlich und auch nur ein Versuch, um herauszufinden, wie viel Nähe ich überhaupt noch ertragen kann, bevor es unangenehm für mich wird.

Mit einer schnellen Bewegung reiße ich mir förmlich die Brille runter, die mir in diesem Moment so unglaublich lästig erscheint und lasse sie neben deinem Bett auf den Boden fallen.

Dann gebe ich mir einen Ruck, überbrücke das letzten bisschen Distanz zwischen uns und küsse dich vorsichtig. Ich habe keine Ahnung, wie du darauf reagieren wirst, aber ich für meinen Teil spüre schon nach wenigen Herzschlägen, dass ich das hier wirklich vermisst habe.
 

Dein Kuss verschlägt mir regelrecht den Atem. Das hier ist nichts gegen den krampfhaften, erzwungenen Kuss gestern in der Küche. Dieser hier ist sanft und zögerlich und fühlt sich deswegen umso echter an, weil dir anzumerken ist, dass du ihn wirklich willst.

Um dich nicht zu überfordern halte ich mich zurück und erwidere deinen Kuss ebenso sachte wie du. Meine Hände kann ich allerdings nicht stillhalten, weswegen ich zumindest eine Hand locker auf deine Schulter lege. Meine Finger streichen sanft über die entblößte Haut direkt über deinem Hemdkragen.
 

Bei deiner vorsichtigen und sanften Berührung läuft mir ein angenehmer Schauer über den Rücken, der mich daran bestärkt, dass ich diesen Moment wirklich genießen kann und keine Angst davor haben muss, dass ich etwas tue, was mir später mal das Genick brechen kann. Deswegen intensiviere ich den Kuss ein wenig und streiche dir dabei mit der freien Hand, die ich nicht dazu brauche, um mich abzustützen, langsam über Hals und Schulter.
 

Den Impuls, mich sofort an dich zu klammern und stürmischer zu werden, unterdrücke ich, obwohl er wirklich stark ist. Am liebsten würde ich die Beine um dich schlingen und mich an dich drücken, aber ich lasse es bleiben. Die gestrigen Ereignisse haben recht tiefe Spuren in mir hinterlassen, weswegen ich mich nicht traue, irgendeinen Schritt vor dir zu machen.

Ich halte mich also brav zurück, tue, was auch du tust, und schmelze dabei langsam aber sicher dahin, weil ich eigentlich viel mehr will. Aber die Fronten sind ja bereits geklärt und viel mehr als diesen Kuss werde ich wohl nicht bekommen. Eigentlich schade. Trotzdem ist das mehr, als ich mir erträumt hätte, als ich vorhin nach unten gegangen bin.

Ich muss ganz automatisch in den Kuss hinein lächeln.

Wer hätte gedacht, dass das Wochenende doch noch so schön werden kann?
 

Obwohl es noch lange nicht unangenehm für mich ist und ich diese Situation wirklich anfange zu genießen, breche ich mein kleines Experiment an dieser Stelle abrupt ab - bevor du noch auf die Idee kommst, dass ich doch mehr will und du die Initiative ergreifst.

Als ich meine Lippen von deinen löse und mich wieder ein Stück aufrichte, kann ich in deinen Augen deutlich sehen, dass du fast schon enttäuscht bist, dass es das von meiner Seite aus war.

"Okay ...", sage ich langsam und schenke dir ein kurzes und vorsichtiges Lächeln, ehe ich nach meiner Brille angle und mich dabei über dich beugen muss, um überhaupt an sie heranzukommen. "Ich wollte nur etwas herausfinden", füge ich vage als Erklärung hinzu.
 

Mich schockiert nicht mal die Tatsache, dass es das schon für dich gewesen ist. Was mich wirklich enttäuscht, ist die schnelle Beendigung des Kusses. Eben noch passioniert dabei und mit einem Schlag rückst du von mir ab. Als ob du froh wärst, es hinter dich gebracht zu haben. Und dann kommst du auch noch mit dem, was eine Erklärung sein soll, sich aber anfühlt wie eine Ohrfeige.

Gekränkt setze ich mich auf und schwinge die Beine vom Bett.

"Nur was herausfinden also", wiederhole ich durch zusammengebissene Zähne. "Da bin ich aber froh, als Versuchsobjekt gedient zu haben. Hoffe, du hattest Erfolg."

Um mich abzulenken stehe ich auf und stapfe zu meinem Schrank, um mir endlich etwas Anständiges zum Anziehen zu nehmen. Ich bin so verletzt, dass ich sogar darauf hoffe, dass dich das zum Gehen animiert.

"Ich gebe dir mal einen kleinen Tipp, Edward: Wenn du das nächste Mal einer Frau für irgendwelche Experimente Zärtlichkeit vorheuchelst, dann zieh es wenigstens bis zum Ende durch. Ich bin tatsächlich der ungeheuren Ansicht, dass eine weniger lieblose Abfertigung dich nicht umgebracht hätte."

Mit einer Hose in der Hand knalle ich die Schranktür zu und ziehe ein Schubfach auf, aus dem ich den viel gerühmten BH hole.

"Das ich auch nur eine Sekunde lang angenommen habe, du würdest das tun, weil ich anziehend bin ...", murmle ich mehr zu mir selbst als zu dir und schüttle den Kopf.

Eigentlich will ich mich schon umziehen, aber aus gegebenem Anlass traue ich mich nicht, irgendein Kleidungsstück abzulegen. Du hast gerade erfolgreich die verbliebenen Reste meines Selbstbewusstseins zerstört. So wenig begehrenswert habe ich mich noch nie gefühlt.

"Ich möchte mich gern umziehen ...", flüstere ich und halte als Schutzreflex Hose vor mich.

Die Stimmung ist damit offiziell ruiniert.
 

Verblüfft sehe ich dir zu, wie du förmlich aufspringst und aus dem Bett flüchtest.

Was ist denn jetzt schon wieder kaputt?

Ich verstehe gerade die Welt nicht mehr, während du davon redest, ein Versuchsobjekt zu sein. Verwirrt runzle ich dir Stirn, als du dann auch noch anfängst, Klamotten aus deinem Schrank zu zerren. Als du dich dann noch weitere Schritte entfernst, setze ich mich auf die Bettkante und sehe dich weiterhin durcheinander an.

Was auch immer du gerade für einen Film schiebst, es erinnert mich sehr stark daran, wie du reagierst hast, als du an Silvester in meinem Unterschlupf an der Pioneer's Bridge warst. Und genauso wenig wie damals verstehe ich, was hier gerade schief läuft, aber ich bin mir keiner Schuld bewusst, denn ich hatte ja von vorne herein klar gemacht, dass es nichts Ernstes werden wird und dass ich etwas ausprobieren möchte. Und du warst einverstanden, weswegen sich mir nicht so ganz der Sinn erschließt, dass du jetzt schon wieder so zickig bist.

"Okay ...", sage ich langsam und stehe auf. "Ich gehe", füge ich hinzu und gehe zur Tür. "Von wegen völlig unverbindlich ...", murmle ich auf dem Weg dahin und habe schon den Türknauf in der Hand, als ich mich noch einmal zu dir umdrehe. "Ich habe keine Ahnung, was du schon wieder für ein Problem hast, aber ich bin nicht daran schuld. Wir hatten den Sachverhalt doch geklärt."
 

Ich muss kurz die Augen schließen und tief durchatmen, damit ich jetzt nicht schon wieder ausraste. Langsam drehe ich mich zu dir um und sehe dich ernst an.

"Das haben wir. Aber nur, weil eine Sache unverbindlich ist, muss man nicht so mit ihr umspringen."

Betrübt schüttle ich den Kopf.

"Dass ich nicht mehr sonderlich attraktiv bin, habe ich schon mitbekommen. Aber mir erst das Gefühl zu geben, ich wäre es und dann so aufzuhören ist einfach bösartig. Ich habe dir vorher gesagt, dass ich noch so ein ruppiges Ende nicht überstehe. Aber dir scheint es nichts zu bedeuten, was ich sage."

Grimmig sehe ich dich an.

"Oder du verstehst es einfach nicht. Gott, du hast wirklich keinen Plan von Frauen. Du bist das dämlichste Genie, das ich kenne."

Ich komme zu dir gestapft und versuche, nicht zusammenzuzucken, als ich dir den Türknauf aus der Hand nehme und unsere Hände sich berühren.

"Und jetzt raus hier."
 

Ich blinzle mehrmals verwirrt und verstehe trotz deiner Worte immer noch nicht so richtig, wo das Problem ist.

Wir hatten es doch geklärt.

Wir waren uns doch darüber einig, dass es nichts bedeutet.

Und jetzt das. Was dann wohl ziemlich sicher bedeutet, dass du dir mehr erhofft hast, als ich dir geben kann.

Kaum, dass du die Zimmertür geöffnet hast, trete ich hinaus in den Gang und setze an, etwas zu sagen, aber du knallst mir fast die Tür vor der Nase zu.

"Zicke!", fluche ich laut genug, damit du es trotz der geschlossenen Tür hören kannst und muss mich richtig zusammen reißen, um jetzt nicht noch frustriert gegen die Tür zu treten.

Bei ihren Stimmungsschwankungen bekomme ich noch ein Schleudertrauma.

Den restlichen Tag gehe ich dir gekonnt aus dem Weg - was nicht so schwer ist, da ich es bevorzuge, mich im Gästezimmer zu verkriechen und tatsächlich noch etwas Schlaf nachzuholen. Das Mittagessen lasse ich ausfallen und auch Jim, der zwar mehrmals nachfragt, ob Alles in Ordnung ist, ignoriere ich so gut es geht.

Erst am späten Nachmittag, als es an der Zeit ist, zurück nach Arkham zu fahren, verlasse ich das Gästezimmer wieder für mehr, als im Garten zu rauchen oder einen Kaffee zu holen.
 

Einen rührseligen Abschied gibt es nicht, als wir uns Richtung Arkham aufmachen. Barbara lässt sich nicht einmal blicken und auch du wirkst nicht gerade so, als wärst du erpicht darauf, sie zu sehen.

Du liebe Güte.

Was ist denn jetzt schon wieder kaputt?

Als ich heute Morgen ins Wohnzimmer gekommen bin, habe ich wirklich angenommen, dass Alles wieder gut ist. Was auch immer jetzt schon wieder los ist, ich wage zu glauben, dass es wegen irgendeinem völlig bescheuerten, nichtigen Ereignis passiert ist. Wahrscheinlich seid ihr bei eurer nächsten Begegnung wieder ein Herz und eine Seele ...

Als wir unsere Einfahrt verlassen, ist dein Mustang im Rückspiegel zu sehen. Der Wagen wird erstmal bei uns in der Garage bleiben. Die Schlüssel hast du mir anvertraut, allerdings mit der Bitte, sie für Babs aufzubewahren, bis die sich wieder eingekriegt hat. Weswegen sie sich diesmal einkriegen muss, hast du nicht erwähnt.

"Also ...", beginne ich zaghaft und werfe dir einen knappen Blick zu. "Wie, ähm, wie steht es denn so zwischen euch nach diesem Wochenende?"
 

Mit verkniffenem Gesicht sitze ich auf dem Beifahrersitz deines Dienstwagens, starre aus der Seitenscheibe und beobachte dabei wie erst mein Mustang in der Garage und dann euer Haus im Seitenspiegel immer kleiner wird und anschließend aus meinem Blickfeld verschwindet.

Auf der einen Seite bin ich froh, weg von Barbara zu kommen, doch auf der anderen Seite würde ich um Arkham gern einen großen Bogen machen.

"Sie ist eine elende Zicke ...", murmle ich als Antwort ohne dich anzusehen.

Sonderlich viel Lust auf ein Gespräch mit dir habe ich nicht und ich hoffe, dass mein abweisendes Verhalten ausreicht, um dir das auch klar zu machen.
 

Genervt seufze ich.

"Was ist es dieses Mal?"

Mir ist sicher anzuhören, dass ich eure ständigen Keilereien inzwischen schon gar nicht mehr ernst nehmen kann. In der nächsten Sekunde klebt ihr doch eh wieder aneinander.

"Hat sie dein Auto beleidigt? Über Batman geredet? Oder zu viel Zucker in deinen Kaffee getan?"

Wenn das Ganze sich nicht äußerst negativ auf den Haussegen auswirken würde, wäre es eigentlich ziemlich lustig. Babs hockt definitiv zu hause in ihrem Zimmer und schmollt. Tja. Und du sitzt hier neben mir und schmollst ebenfalls. Und ich bin natürlich wieder der Dumme, der die schlechte Laune von beiden Seiten abbekommt.

"Und was hast du gemacht? Ihren Fahrstil kritisiert? Oder mir irgendwas gesagt, was eigentlich ein Geheimnis war? Oder sie gemaßregelt, weil sie vorhin einen schiefen Ton gespielt hat?"
 

Langsam drehe ich den Kopf in deine Richtung und sehe dich mit zusammen gekniffenen Augen böse an. Es hebt nicht gerade meine Stimmung, dass du dich jetzt auch noch über mich lustig machst.

Vielen Dank aber auch.

"Nichts von alledem ...", knurre ich leise, verschränke die Arme vor dem Oberkörper und starre wieder missgelaunt aus der Seitenscheibe.

Nach dem ganzen Drama der letzten zwei Tage hat mir es gerade noch gefehlt, dass du mir jetzt auch noch mit dieser Tour kommst.
 

Mit einer hochgezogenen Augenbraue schiele ich zu dir und kann mir ein schnaubendes Lachen nicht verkneifen.

"Dir ist schon klar, dass Babs definitiv genauso zu hause hockt und dich als Idioten bezeichnen wird, wenn ich sie nach dir frage?", beginne ich und versuche, irgendwie vernünftig zu klingen. "Ich komm bei euch beiden echt nicht mehr mit. Ständig dieses hin und her, da wird einem ja beim zuschauen schwindelig ..."
 

Einen Moment lang mustere ich dich in der Reflexion in der Scheibe.

"Sag das nicht mir", sage ich dann und gebe mir sogar Mühe, nicht so schlecht gelaunt zu klingen.

Immerhin kannst du ja nichts dafür, dass Barbara mal wieder den Aufstand probt.

"Ich habe nichts gemacht und sie tut so, als hätte ich ihren Hamster umgebracht."

Langsam löse ich die Verschränkung meiner Arme wieder und sehe dich an.

"Bei ihren Stimmungsschwankungen bekomme ich noch ein Schleudertrauma."
 

"Krümel ist wohlauf und wohnt bei Jimmy und meiner Ex", seufze ich. "Und ganz ehrlich? Ich bezweifle, dass du vollkommen unschuldig bist. Aber ich verstehe, dass du es glaubst. Du bekommst in letzter Zeit nicht wirklich mit, wie du dich aufführst."

Ich werfe dir rasch einen entschuldigenden Blick zu.

"Was nicht heißt, dass Babs sich besser aufführt. Ihr habt beide einen Knall in letzter Zeit ... Also. Was zur Hölle ist passiert?"
 

Ich bin ganz kurz davor, dir mit nicht ganz so netten Worten meine Meinung darüber zu erzählen, wie ich mich denn aufführe, aber im letzten Moment kann ich mich davon abhalten. Es wäre sicherlich sehr abträglich für meine Situation, wenn ich jetzt dem Polizeichef gegenüber verbal ausraste. Trotzdem schenke ich dir einen bösen Blick.

"Wir haben uns einvernehmlich auf einen Deal geeinigt. Ich halte mich dran, ihr passt das plötzlich nicht mehr und sie fängt an, mich anzuzicken", gebe ich schließlich grummelig zur Auskunft.
 

Super.

Eindeutiger ging's wohl nicht, oder was?

Deine bösen Blicke ignoriere ich geflissentlich.

"Also, wenn du dich weigerst, mir anständig zu erklären, was los war, werde ich mich sicher nicht auf deine Seite schlagen."

Ich starre ein bisschen auf die Straße, ehe ich genervt stöhne und dich noch einmal ansehe.

"Ist dir schon mal aufgefallen, dass du dich permanent in die Rolle des armen kleinen Opfers drängst und dir nicht mal in den Sinn kommt, deinen Kopf zu bemühen, was eigentlich los ist?"

Nachdenklich zucke ich mit den Schultern.

"Ich wage sogar zu behaupten, dass viele Streitereien dadurch zustande kommen, dass du von vornherein die Schotten dicht machst und jede Kleinigkeit als Angriff gegen dich wertest."
 

Ich mache schon den Mund auf, um dir eindeutige Widerworte zu geben, lasse es aber bleiben. Stattdessen zupfe ich demonstrativ solange an meinem Hosenbein herum, bis die elektronische Fußfessel zu sehen ist.

"Ja, genau ...", sage ich sarkastisch. "Ich bin so wenig ein Opfer, wie der Joker nicht verrückt ist."

Ich seufze lautlose und freue mich fast schon darauf, in Arkham zu sein, denn es ist wirklich großartig, dass du jetzt auch noch so anfängst.

"Da gibt es nun mal nicht viel zu erklären. Das war das Wesentliche."
 

"Wisst ihr was?", brumme ich mehr zu mir selbst als zu dir.

Meine Hände schließen sich etwas fester um das Lenkrad.

"Ich habe euch beide so satt. Wenn ich zwei bockige Kinder haben will, die sich wegen jedem Scheiß in die Haare kriegen und danach zu mir gerannt kommen, um zu petzen, wie zickig und gemein der andere zu ihnen ist, dann kann ich in den Kindergarten gehen. Und sogar die Kinder da dürften mehr soziale Kompetenz haben als ihr."

Wütend deute ich auf dein Bein.

"Und wenn du jetzt auf die Tränendrüse drücken willst oder ein Leckerchen erwartest, weil du so ein braver Junge bist und dieses ungerechte Leid erträgst, dann kannst du dir das gleich abschminken."

Ich verdrehe die Augen.

"Das Wesentliche ist also, dass Barbara eine Zicke ist und du der arme kleine Spatz, der jetzt bitte Mitleid haben will?"

Okay, mir dürfte anzumerken sein, wie sehr ich die Nase voll habe.

"Das ist wirklich überaus erwachsen von dir. Bravo, Edward."
 

Für ein paar Sekunden sehe dich erstaunt an, ehe mein Blick einen fast schon mörderischen Ausdruck bekommst.

Wirklich ganz fantastisch.

Wütend und frustriert verschränke ich wieder die Arme und fixiere dich mit Mord im Blick.

"Vielen herzlichen Dank, Commissioner ...", sage ich betont ruhig und gefährlich leise. "Ich rechne es Ihnen wirklich hoch an, dass Sie mich nicht ernst nehmen. Das hat mir richtig gefehlt. Können wir das Ganze jetzt schnell hinter uns bringen. Ich vermisse meine Zelle in Arkham und ich würde gerne meine schlechte Laune an Crane auslassen."

Ich gebe mir nicht einmal Mühe, den Sarkasmus in meiner Stimme zu unterdrücken. Deswegen sieze ich dich auch mit voller Absicht und starre dann stur aus der Windschutzscheibe.
 

"Oh, aber selbstverständlich, Mr. Nashton", speie ich zurück. "Nachdem ich mir in den vergangenen Wochen für Sie den Arsch aufgerissen habe, ist es natürlich naheliegend, dass ich Sie eigentlich nicht ernst nehme. Überhaupt neige ich ja dazu, mich grundsätzlich zum Spaß um undankbare Tölpel zu sorgen, die austeilen aber nicht einstecken können. Am besten lade ich gleich den Pinguin in mein Auto und nehme ihn mit nach Hause. Nachdem Sie so pflegeleicht waren, könnte ich jetzt eine Herausforderung vertragen."

Grimmig presse ich die Kiefer zusammen. Das ist doch wohl die Höhe. Dass sich ein Mann deines Alters aufführt wie ein pubertärer Teenager ...

Ich schüttle fassungslos den Kopf.

"Kannst du dir eigentlich vorstellen, was für ein Schlag ins Gesicht dieses Benehmen ist, nachdem ich mich so für dich eingesetzt habe?", füge ich etwas leiser hinzu.

Ich blicke stur geradeaus. Auf keinen Fall werde ich dir zeigen, wie enttäuscht ich von der ganzen Sache bin.

"Ich habe so sehr versucht, es euch beiden einfacher zumachen. Ich habe versucht, zu vermitteln. Ich habe dir zugehört. Mir den Kopf zerbrochen und mich zu Tode gesorgt um dich. Aber wenn du dich stattdessen aufführen willst, wie der letzte Arsch, bitte. Irgendwann ist auch meine väterliche Geduld am Ende."
 

"Du bist aber nicht mein Vater!", kontere ich sofort lautstark, kaum dass du den Mund zugemacht hast. "Also hör verdammt nochmal auf so zu tun, als ob es wärst! Wenn du für jemanden den Vater spielen willst, dann mach das für deine Tochter! Die hätte das momentan nämlich nötig!"

Mir ist zwar klar, dass ich mich dir gegenüber - als Police Commissioner - nicht gerade richtig verhalte, aber das ist mir in diesem Moment sowas von egal.

"Aber du bist so dermaßen auf mich fixiert, dass du nicht einmal mitbekommst, wie sehr du Barbara vernachlässigst! Aber Hauptsache mir erstmal die Schuld dafür geben! Wirklich ganz großes Kino, Jim! Und dann erwartest du allen Ernstes noch, dass Barbara und ich uns auch noch darüber freuen, dass du uns verkuppeln willst, wo wir inzwischen doch wissen, dass das nicht funktioniert! Aber nein, du willst lieber Einen auf heile Familie machen!"

Ich habe mich mittlerweile richtig in Rage geredet und schreie dich fast schon richtig an.

"Ist doch scheißegal, ob Barbara und ich uns damit wohl fühlen! Solange der Chef des GCPD gut dasteht! Als ob die Welt untergehen würde, weil dein Enkel unehelich geboren wird! Finde lieber den verrückten Clown, als dich weiterhin in mein Privatleben einzumischen!"
 

"Ich bitte dich, Edward. Nach allem, was war, nicht mein Sohn? Aber so gut wie!"

Über das Ausmaß dieses Geständnisses denke ich erst viel zu spät nach.

Wozu es leugnen?

Ich benehme mich wie dein Vater, weil ich dich inzwischen tatsächlich als eine Art Sohn angenommen habe.

Deine folgenden Worte treffen mich allerdings wie der Schlag. Völlig fassungslos reiße ich das Lenkrad herum und trete auf dem Seitenstreifen auf die Bremse. In diesem Zustand würde ich uns wahrscheinlich gegen einen Baum fahren und das ist definitiv nicht Sinn der Sache. Ich kann förmlich spüren, wie das Blut mein Gesicht verlässt und ich aschfahl werde. Deine Worte tun weh und ich gebe mir nicht mal Mühe, das zu verbergen.

"Barbara ... was?"

Der Rest deiner Schimpftirade zieht erst einmal an mir vorbei, denn was du über meine Tochter sagst, fordert meine volle Aufmerksamkeit.

"Hat sie etwas zu dir gesagt? Was ist mit Barbara?!"

Fast panisch durchforste ich meine Erinnerung, was ich getan haben könnte, dass du so über meine Beziehung zu meiner Tochter redest.

Zornig funkle ich dich an und beuge mich zu dir herüber.

"Wenn du noch einmal behauptest, es ginge mir hier um mein persönliches Ansehen, dann vergesse ich mich, Edward."

Meine leise, zitternde Stimme erschreckt mich dabei selbst. Ich balle die Hände zu Fäusten.

"Ich versuche, meine Tochter vor dem Unglück zu bewahren, mit achtzehn Jahren ein Kind alleine aufziehen zu müssen. Du hast keine Ahnung, wie schwer es ist, mit einem Kind allein zu sein und sich ständig fragen zu müssen, ob man etwas falsch macht oder ob man ihm nicht genug bietet. Wenn ich Barbara das ersparen kann, dann stell dir mal vor - dann werde ich auch alles dafür tun. Du weißt nicht wie das ist ..."

Ich muss schwer an mich halten, um jetzt nicht komplett von meinen Emotionen überrannt zu werden.

"Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass diese Situation für mich auch schwer sein könnte?", ich flüstere, weil ich, wenn ich aufhöre, mich so zu kontrollieren, nur noch brüllen würde. "Seit zwei verdammen Jahren muss ich mit ansehen, wie unglücklich meine Tochter ist, weil sie sich in dich verliebt hat. Du bist nicht derjenige, der dabei gewesen ist, wenn sie zu hause zusammengebrochen ist, nachdem du mit ihr fertig warst. Ich war das!"

Energisch zeige ich auf mich selbst.

"Du bist auch nicht derjenige, der ihr wieder Mut machen musste, wenn du sie mal wieder in den Boden gestampft hast. Überhaupt hast du bisher unglaublichen Schaden angerichtet und ICH war derjenige, der die Scherben wieder aufheben musste. Und trotzdem liebt Barbara dich genug, um dir immer wieder zu verzeihen und sich dir wieder zuzuwenden. Und weil das so ist, habe ich genauer hingeschaut und ebenfalls bemerkt, das da drinnen …"

Wütend tippe ich gegen deine Brust.

"… etwas steckt, dass diese Mühe wirklich wert ist."

Zornig schnaube ich und verschränke die Arme.

"Und jetzt stehe ich plötzlich zwischen euch, keiner will meine Hilfe, aber trotzdem soll ich gefälligst jeden von euch verstehen und euch beiden zustimmen. Ich habe so die Nase voll davon. Du Idiot bist nicht mal in der Lage, dir einzugestehen, was du für meine Tochter empfindest. Aber weil trotzdem etwas da ist, kannst du dich nicht fernhalten. Und das sind diese Gründe aus denen du ihr wieder und wieder wehtust!"

Inzwischen sind meine Augen etwas feucht und obwohl ich mich dafür schäme, mache ich weiter.

"Ich versuche, das zu kitten! Ich versuche euch beiden die Augen zu öffnen für das, was eigentlich zwischen euch passiert! Wie man nämlich sieht habt ihr beide keinen blassen Schimmer, was eigentlich los ist und bekommt allein nichts auf die Reihe!"

Ich muss tief durchatmen, denn am liebsten würde ich vor Verzweiflung schreien.

"Also entschuldige. Entschuldige, wenn ich nicht auf Anhieb schaffe, den ganzen Müll unter einen Hut zu bringen, den ihr beide mir mit eurem Chaos hinterlasst. Ob du's glaubst oder nicht - ich habe nämlich niemanden, der trotz meiner Macken darauf besteht, mir dabei zu helfen."
 

Als du so abrupt rechts ran fährst, muss ich mich sogar kurz am Türgriff festhalten, um nicht der Schwerkraft folge zu leisten. Deine darauf folgenden Worte, die du mir um die Ohren haust, lassen mich erstaunlicherweise nicht kalt und ich verspüre einen starken Fluchtreflex.

"Ich brauche aber Niemanden, der sich als mein Vater aufspielt. Ich hatte einen - auch wenn der völlig ungeeignet dafür war", zische ich dir zu und halte dabei deinen Blick, während eine Hand sich zum Verschluss des Sicherheitsgurtes vortastet.

Und kaum, dass ich das gesagt habe, schnalle ich mich ab und reiße förmlich die Beifahrertür auf. Ich bin noch keine zwei Schritte vom Auto weg, da höre ich auch schon, wie du ebenfalls die Tür öffnest. Es würde mich nicht mal wundern, wenn du bereits deine Waffe in der Hand hast und mich gleich aufforderst, stehen zu bleiben, die Hände hinter dem Kopf zu verschränken und in die Knie zu gehen. Aber ich habe nicht vor, jetzt die Flucht anzutreten - auch wenn es gerade sehr verlockend ist. Nachdem ich mehrmals tief durchgeatmet habe, drehe ich mich langsam zu dir um.

"Ja, Barbara hat mit mir über dich gesprochen. Sie hat unter anderem gesagt, dass sie sich allein fühlt und niemanden hat, mit dem sie reden kann. Und sie ist eifersüchtig, weil du die ganze Zeit nur noch mit mir beschäftigt bist", sage ich, nachdem ich dich einen Moment lang angesehen habe.

Ich bin erstaunlich ruhig, aber vielleicht brauche ich es wirklich manchmal, angeschrien zu werden, wenn ich über die Stränge schlage.

"Und nein, ich habe keine Ahnung wie es ist, mit einem Kind alleine zu sein. Aber ich weiß wie es ist, wenn man als Kind alleine ohne Eltern ist. Das ist vielleicht nicht unbedingt miteinander vergleichbar, aber ich denke, ich kann zumindest nachvollziehen, wie es ist."

Meine Stimme ist einen Tick leiser geworden und ich bereue fast schon die Worte, die ich dir gerade noch an den Kopf geworfen habe. Fahrig greife ich in meine Jackentasche und zaubere eine Zigarettenschachtel daraus hervor.

"Ehrlich gesagt, nein, ich habe bislang nicht daran gedacht, dass die ganze Situation für dich schwer ist. Aber ja, ich hätte vermutlich dran denken müssen, immerhin hängst du irgendwie mit drin."

Ich tue mich etwas schwer damit, die Zigarette, die ich gerade aus der Schachtel gezogen habe, anzuzünden.

"Ich weiß ja, dass die letzten zwei Jahre nicht gerade optimal gelaufen sind. Und mir ist auch klar, dass ich es Barbara - und auch dir - nicht gerade einfach gemacht habe. Es tut mir auch wirklich leid, aber ich kann es nicht rückgängig machen. Ich würde gern Alles ungeschehen machen, wenn ich es könnte und glaub mir, wenn ich gewusst hätte, was passiert, hätte ich nie zugestimmt, Barbara ein paar Computertricks beizubringen."

Ich mache eine kurze Pause, um an der Zigarette zu ziehen.

"Ich bin mir nicht sicher, ob da wirklich etwas ist, was du gesehen haben willst. Aber ich bin zumindest bereit, der ganzen Sache eine Chance zu geben. Allerdings hilft es nicht, wenn ich ständig von dir und Barbara gesagt bekomme, was ich dieses Mal schon wieder falsch gemacht habe."

Vielleicht hat Babs Recht. Ein bisschen blöd bist du bei all deiner Genialität schon.

Die Aussage, dass du mich nicht brauchst, tut weh.

"Dafür ist es zu spät, Edward", sage ich, während ich zu dir herum komme. "Obwohl du es mir gerade echt schwer machst - ich mag dich. Und ich werde dich deswegen nicht einfach fallen lassen. Egal, was du dazu meinst."

Als du wiederholst, was Barbara zu dir gesagt hat, erstarre ich vollkommen. Der Drang, mich zu rechtfertigen, ist groß. Aber ich tue es nicht. Ich bin wütend auf dich und ich bin auch wütend auf Barbara. Aber das erlaubt mir noch lange nicht, die Gefühle meiner Tochter einfach kleinzureden.

"Oh, Gott", stoße ich aus.

Ich taste hinter mich, um mich am Auto festzuhalten und mich letztendlich dagegen zu lehnen.

"Ich hab's nicht gemerkt ...", flüstere ich und schlage die Hände vor das Gesicht. "Die ganze Zeit versucht, ihr Alles recht zu machen, aber ..."

Ich lasse den Satz in der Luft hängen und rutsche am Auto nach unten, sodass ich mich hinsetzen und es als Stütze benutzen kann.

"Barbara weiß auch, wie das ist", murmle ich.

Die Hände habe ich noch immer vor den Augen und mit den Daumen massiere ich mir die Schläfen, weil sie allmählich zu pochen beginnen.

"Nachdem ihre Eltern gestorben sind, war sie allein. Und ich hab sie immer vernachlässigt. Die gesamte Familie ..."

Ich schlucke schwer und trotzdem steigen mir die Tränen in die Augen.

"Ich habe es schon wieder getan. Damals, als die Sache mit dir zum ersten Mal schief gegangen ist, habe ich ihr geschworen, dass ich sie nie wieder im Stich lasse. Und was mache ich?"

Jetzt weine ich wirklich, auch wenn ich mir wie der unmännlichste Schlappschwanz aller Zeiten vorkomme. Das ist alles zu viel.

Dieses Wochenende.

Die ganze Situation.

Die Tatsache, dass mein Kind eher mit einer emotional instabilen Person wie dir über seine Probleme redet, als mit mir.

Mit fahrigen Bewegungen tue ich es dir gleich und stecke mir eine Zigarette zwischen die bebenden Lippen.

"Ich weiß nicht mehr, ob es das Richtige ist, wenn du es versucht ... Versteh mich nicht falsch, Edward. Ich bin so froh, dass du das tust. Aber jedes Mal, wenn sowas hier passiert, habe ich ein bisschen weniger das Gefühl, dass du das wirklich willst. Ich will nicht, dass du das machst, weil ich dich zwinge."

Verzweifelt reibe ich mir über das Gesicht.

"Und du musst auch verstehen, dass es schwer für uns ist, mit deiner Situation umzugehen. Du musst doch selbst bemerken, wie du oftmals bist. Wir können das nicht einfach alles weglächeln, weil du ja gar nichts dafür kannst. Ich vielleicht, aber nicht Barbara. Sie zickt dich nicht an, weil sie sich gerne an deinen Fehlern aufhängt. Sie zickt dich an, weil sie dich so sehr liebt, dass sie vor dir völlig schutzlos ist und Dinge, die für dich Kleinigkeiten sind, ihr so sehr weh tun."

Mit feuchten Augen sehe ich zu dir auf.

"Du hast diese Mauer um dich errichtet, die dich völlig unnahbar macht, weil du vor genau dem Zustand Angst hast, in dem Barbara ist. Weil sie dich liebt ist sie angreifbar und um das zu übertünchen beißt sie um sich."
 

Ich weiß nicht wirklich, was ich zu deinem emotionalen Ausbruch sagen soll. Fest steht aber auf jeden Fall, dass ich dich so noch nie erlebt habe. Wütend, ja. Damit komme ich auch klar. Aber momentan ähnelst du eher einem Häufchen Elend. Und damit komme ich nicht wirklich klar. Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Ich habe schon genug Probleme damit, mit meinen eigenen Gefühlen klar zu kommen.

"Weißt du ...", sage ich schließlich leise. "Ich habe selber keine Ahnung, was ich eigentlich will. Das Problem ist ..."

Ich mache eine kurze Pause, um tief durchzuatmen und an der Zigarette zu ziehen.

"Ich werde bei euch beiden einfach das Gefühl nicht los, dass ihr mehr von mir erwartet. Mehr, als ich euch momentan geben kann. Ich denke, deswegen ist Barbara ..."

Ich lasse diesen Halbsatz so stehen und mache eine wegwerfende Handbewegung.
 

Seufzend zünde ich die Zigarette in meinem Mund an und ziehe ein paar mal, um mich zu beruhigen, bevor ich antworte.

"Tut mir leid."

Ich zucke betrübt mit den Schultern.

"Ich kann mich nicht mal rechtfertigen, weil es schon stimmt. Ich erwarte viel. Aber Edward, du erwartest auch einiges. Du gehst davon aus, dass jeder von uns seine eigenen Wünsche auf deine Bedürfnisse und Launen zuschneidet. Aber das geht nicht. Ich will dich zu nichts zwingen und bin auch bereit, dich das selbst regeln zu lassen. Aber du kannst das nicht mit meiner Tochter abziehen. Du kannst nicht erwarten, dass sie dich in Ruhe lässt, wenn du mal wieder keinen Bock auf sie hast, aber dann sofort angesprungen kommt, wenn du entscheidest, dass jetzt gefälligst alles gut ist. Barbara ist auch nur ein Mensch. Und ein äußerst Junger und Emotionaler dazu. Sie kann sich für dich genauso wenig um hundertachtzig Grad drehen, wie du es für sie oder mich kannst."

Angestrengt reibe ich mir den schmerzenden Kopf.

"Es tut mir leid, dass ich mich so eingemischt habe. Ich hab einfach nicht gemerkt, wie sehr ich euch beiden zusetze ... In Zukunft werde ich euch das einfach unter euch regeln lassen. Aber was euch beide angeht ... Ihr müsst beide lernen, den anderen ein bisschen mehr zu akzeptieren, wenn ihr nicht mehr ständig aneinander geraten wollt."
 

"Vielleicht war es wirklich ein Fehler ...", murmle ich und nähere mich wieder dem Wagen. "Es überhaupt zu versuchen, diese ganze beschissene Situation auf die Reihe zu bekommen."

Ich zucke mit den Schultern und lehne mich neben dir ans Auto.

"Ich gebe nicht dir daran die Schuld, falls du das jetzt denkst. Vielleicht hat Barbara recht ... Ich bin wirklich das dämlichste Genie auf diesem Planeten, denn ich verstehe immer noch nicht, weswegen sie jetzt schon wieder sauer ist."

Ich schenke dir ein schiefes Grinsen und ziehe an meiner Zigarette.

"Es klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ... na ja ... Ich versuche wirklich, es ihr recht zu machen, aber das passt ihr auch nicht. Du hast das doch schon mal mitgemacht ... Ist das noch normal?"
 

"Dein Ernst?"

Ich sehe dich mit hochgezogenen Brauen an.

"Gegen meine Exfrau ist Babs das liebste Engelchen überhaupt ... Drück die Daumen, dass sich das in den nächsten Wochen nicht noch ändert."

Für einen Moment starre ich schweigend und nachdenklich vor mich hin, bis ich dir wieder den Kopf zudrehe.

"Vielleicht liegt das Problem einfach darin, dass ihr beide nicht anständig miteinander redet. So ganz offen und ehrlich, alle Details auf den Tisch, meine ich. Ihr beide macht euch verrückt damit, es dem anderen Recht zu machen. Aber irgendwie kommt das beim anderen nie an. Also gehe ich mal davon aus, dass ihr keinen Plan habt, was der andere eigentlich will, sondern nur irgendwas vermutet und dann dementsprechend handelt."

Ich schnippe meine Zigarette von mir weg und folge mit dem Blick ihrer Flugbahn.

"Was hast du denn gemacht, was sie in den falschen Hals bekommen hat? Vielleicht kann ich dir mit irgendwas Vergleichbarem aus der Schwangerschaft meiner Ex helfen ..."
 

"Ich weiß nicht ...", murmle ich und kratze mir den Nacken.

Eine zweite Meinung wäre vielleicht wirklich nicht schlecht, damit ich kapiere, was passiert ist. Aber ausgerechnet mit dir darüber zu reden wäre vermutlich ziemlich peinlich.

Ich nehme den letzten Zug der Zigarette und folge dann deinem Beispiel und schnippe sie weg.

"Okay ... Auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt peinlich wird ..."

Ich atme tief durch, ehe ich anfange, zu erzählen.

"Wir haben uns darauf geeinigt, Alles unverbindlich und ohne Verpflichtungen zu halten. Es war sogar ihre Idee, wenn man's genau nimmt. Jedenfalls haben wir dann ein bisschen zwanglos miteinander geflirtet. Barbara hat mich dann mit hoch in ihr Zimmer geschleppt und da ich - wie gesagt - das Gefühl nicht los werde, dass sie mehr will, habe ich ihr nochmal verdeutlicht, dass da nicht mehr laufen wird. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen und ich habe sie in den Arm genommen. Und dann wollte ich nur etwas ausprobieren, womit sie einverstanden war. Und direkt danach fing sie wieder an, rumzuzicken."

Ich beende meinen kleinen Monolog mit einem Schulterzucken.
 

Ein leises Lächeln umspielt meine Lippen.

"Also erstens braucht dir das nicht peinlich zu sein. Es gab Zeiten, da hast du mir Anekdoten von Schreibtischen und Rückbänken erzählt ... Und zweitens: Du musst schon etwas detaillierter werden, wenn ich dir erklären soll, warum sie so reagiert."

Seufzend erhebe ich mich und klopfe mir die Hose ab.

"Was ich dir schon mal sagen kann, ist Folgendes: Wenn das ihre Idee war, dann hat sie dir zuliebe zurückgestellt, was sie eigentlich von ganzem Herzen will. Was im Grunde bedeutet, wenn du doppelt und dreifach darauf herumreitest, kränkst du sie, weil du ihr das Gefühl gibst, dass dir das eigentlich nichts wert ist. Hast du dich schon mal bei ihr bedankt, dass sie solche Rücksicht auf dich nimmt, oder hast du sie nur mehrmals dran erinnert und dadurch Salz in die Wunde gegossen?"

Vielleicht hat Babs Recht. Ein bisschen blöd bist du bei all deiner Genialität schon. Zumindest was das Zwischenmenschliche angeht.

"Und jetzt hörst du mal auf hier rumzudrucksen und erzählst mir, was du ausprobiert hast und an welchem Punkt meine Tochter gezickt haben soll."
 

Verlegen räuspere ich mich und möchte am liebsten im Erdboden versinken.

"Ähm ... Also diese Anekdoten ... Ich wollte dich damit nur provozieren und habe sie ein wenig ausgeschmückt ..."

Unsicher werfe ich dir einen Blick zu und ein schiefes Lächeln umspielt meine Lippen.

"Ehrlich gesagt, nein", gebe ich dann nach kurzem Überlegen zu. "Ich habe eigentlich angenommen, dass damit die Fronten endlich geklärt wären und hielt es für das Richtige, sie gelegentlich daran zu erinnern, bevor sie auf dumme Ideen kommt."

Wieder zucke ich fast ein bisschen hilflos mit den Schultern. Ich muss tief durchatmen, um weiter sprechen zu können, denn jetzt ist der Punkt gekommen, an dem es wirklich unangenehm wird.

"Ich wollte eigentlich nur heraus finden, ob und wie angenehm mir ihre Nähe noch ist ...", murmle ich leise und richte dabei meinen Blick auf den Boden. "Also eigentlich, wie viel Nähe mir überhaupt noch angenehm ist ... Und ... Na ja ... Ich hab sie geküsst ..."
 

"Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Vergeben und vergessen."

Ich winke wie beiläufig ab und konzentriere mich lieber auf den Rest deiner Worte.

"Siehst du? Genau das ist das Problem. Du hasst es doch selbst, von anderen nicht für voll genommen zu werden. Genau dieses Gefühl gibst du Barbara. Sie kommt dir entgegen, aber anstatt das zu würdigen, gibst du ihr das Gefühl, total bescheuert zu sein und eh nichts hinzu bekommen, ohne dass du sie zehnmal erinnerst. Und da wunderst du dich, dass sie sich aufregt? Du wärst an ihrer Stelle wahrscheinlich noch eher und heftiger an die Decke gegangen. Bestes Beispiel vorhin im Auto. Da bist du aus genau demselben Grund völlig ausgerastet - weil ich dich nicht ernst genommen habe."

Ich werfe dir einen anerkennenden Blick zu. An sich ist es schon mal nichts Schlechtes, dass du deine Grenzen austesten willst. Das würde es wohl für uns alle einfacher machen.

"Vermutlich hast du ihr genau das aber nicht erklärt", sage ich.

Ich kenne dich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass du das nicht tun würdest.

"Was an sich schon heikel ist, wenn es um sowas geht. Und jetzt weiter. Der Kuss dürfte sie nicht gestört haben. Wie war er und was ist dann passiert?"
 

Langsam nicke ich mit dem Kopf, während ich deinen Worten zuhöre.

"Na ja ... Ich denke einfach nur, dass Barbara unsere Abmachung sonst vergisst, wenn ich sie nicht hin und wieder daran erinnere. Ich hielt sie eigentlich für klug genug, dass zu kapieren, zumal ich seit zwei Jahren davon rede. Es war im Prinzip mit das Erste, was ich ihr gesagt habe, als sie damals plötzlich damit anfing ... Lassen wir das ..."

Ich seufze lautlos.

"Okay ... Also ... Ich habe sie gefragt, ob sie etwas dagegen hat, wenn ich etwas ausprobiere. Sie hatte nichts dagegen, also habe ich sie geküsst. Allerdings nicht lange, da ich mir ziemlich sicher war, dass sie trotz der Vereinbarung mehr erwartet. Ich habe das Ganze dann frühzeitig abgebrochen und damit ging das ganze Theater los."

Ich zucke mit den Schultern.

"Sie sagte, wenn ich das nächste Mal jemanden für ein Experiment Zärtlichkeit vorheuchle, soll ich es auch bis zum Ende durchziehen. Und dann hat sie mich rausgeschmissen."
 

Mit offenem Mund starre ich dich an. Ich blinzle verwirrt und versuche, mich zusammenzureißen. Letztendlich breche ich aber doch in schallendes Gelächter aus und brauche eine Weile, eh ich mich wieder beruhigen kann.

"Ihr beide seid beinahe niedlich, so unbeholfen wie ihr durch dieses Beziehungs-was-auch-immer stolpert ...", lache ich.

Nachdem ich mich halbwegs eingekriegt habe, beginne ich grinsend mit der simpelsten Erklärung überhaupt.

"Barbara ist in ihrem weiblichen Stolz gekränkt. Frauen neigen schon ohne Schwangerschaft dazu, wegen ihrem Äußeren sensibel zu sein. Du hast ihr erfolgreich vermittelt, dass sie so dick und unattraktiv ist, dass du es nicht mal fertig bringst, ihr zu rein experimentellen Zwecken einen richtigen Kuss zu geben. Scheinbar denkt sie jetzt, du hältst sie für so abstoßend, dass du mitten im Kuss aufhören musstest. Theoretisch ist das Ganze ein riesiges Missverständnis, weil ihr beide völlig unterschiedliche Dinge im Kopf hattet, die dem anderen nicht mal in den Sinn gekommen sind."

Obwohl ich mich zurückhalten möchte, muss ich an dieser Stelle schon wieder losprusten.

Und deswegen der ganze Stress gerade?

Weil du ein unsensibler Klotz bist und Babs unsinnige Komplexe hat?
 

Meine Augenbraue wandert zu neuen Höhen, als du zu lachen anfängst. Ich schwanke irgendwo zwischen Verständnislosigkeit, weil ich nicht verstehe, was gerade so lustig ist und Wut, weil du mich mal wieder nicht wirklich ernst nimmst. Letztendlich überwiegt das Unverständnis, als du dich erklärst und ich höre dir mit großen Augen zu.

"Okay ...", sage ich langsam, nachdem du geendet hast. "Das erklärt zumindest schon mal Einiges ..."

Es erklärt auch, warum Barbara »Das ich auch nur eine Sekunde lang angenommen habe, du würdest das tun, weil ich anziehend bin ...« gemurmelt hat.

"Aber das heißt ja dann auch, dass sie eigentlich gar nicht vor hat, sich an unsere Vereinbarung zu halten."

Ich seufze und raufe mir die Haare.

"Na ganz große klasse ..."
 

"Das heißt es nicht, Edward", sage ich ernst und verfalle schon wieder in den väterlich-mahnenden Tonfall. "Du hältst Barbara wirklich für irgendein schwaches kleines Mädchen, oder?"

Traurig schüttele ich den Kopf.

"Das ist sie nicht. Sie übernimmt unglaublich viel Verantwortung in dieser Sache - und du musst zugeben, auch mehr als du. Wenn sie sich entscheidet, mit dir nichts Verbindliches einzugehen, dann kannst du mir glauben, dass sie dafür Gründe hat, die triftig genug sind, dass sie sich daran hält. Dass du trotzdem irgendwelche Experimente mit Küssen machst, sieht um ehrlich zu sein eher danach aus, als würde es dir relativ schwerfallen, dich fernzuhalten."

Ich hebe beschwichtigend die Hände.

"Aber das kann und will ich nicht mehr beurteilen. Lass dir einfach gesagt sein, dass eine schwangere Frau sensibel wegen ihres Körpers ist."

Mein Blick wird etwas eindringlich.

"Du bist ein toller Kerl, aber auch Barbaras Selbstbewusstsein ist nicht ausschließlich an dich gebunden. Auf mich reagiert sie genauso, wenn ich einen Kommentar zu ihrem Gewicht mache. Und ich habe keine Beziehungs-Vereinbarung mit ihr. Und ich kann dir versichern, dass sie auch auf jeden Anderen gleich gereizt reagieren würde. Die gute Nachricht: Zur Abwechslung hat das tatsächlich mal nichts damit zu tun, dass sie dir angeblich einen Ring anstecken und dich nie wieder gehen lassen will. Die schlechte Nachricht …"

Ich klopfe dir grinsend auf die Schulter.

"Du hast keine Ahnung von Frauen."

Ach Johnny ... Zier dich doch nicht so wie ein jungfräuliches Schulmädchen ...

Es fühlt sich sehr seltsam an, nach diesen zwei Tagen in so etwas wie Freiheit zurück nach Arkham zu kommen. Während ich mich mit Jim fast die gesamte Fahrt erstaunlich gut unterhalten konnte, werde ich beim ersten Hinweisschild auf Arkham stumm wie ein Fisch. Meine Begeisterung, wieder in diesen Laden zurückzukommen, hält sich sehr stark in Grenzen. Noch weniger freue ich mich darauf, dich wiederzusehen. Ich glaube fast, mein Fluchtinstinkt war nie größer als zu dem Zeitpunkt, als wir uns der Insel nähern. Während das Tor der Anstalt immer näher kommt, frage ich mich, wie gefährlich es wäre, jetzt aus dem fahrenden Auto zu springen.

Aber anscheinend bin ich wirklich verrückt, denn ist bleibe einfach stocksteif auf dem Beifahrersitz sitzen und starre das näher kommende Hauptgebäude an. Ich bin zwar erleichtert, dass du nicht schon am Eingang wartest, aber ich weiß, dass es nur ein trügerisches Zeichen von Sicherheit ist. Wie die Ruhe vor dem Sturm. Ich bezweifle, dass ich wirklich so viel Glück habe, dass du mich verschonst. Dafür interessiert es dich doch viel zu sehr, was in den letzten achtundvierzig Stunden passiert ist. Mir allerdings graut es davor, dich wiederzusehen.

Nur zögerlich - und mit Jims guten Zureden, der natürlich nicht kapiert, weswegen ich mich sträube, das Gebäude zu betreten - durchschreite ich mit der Sporttasche das große Eingangsportal, Jim immer dicht bei Fuß. Ich will gar nicht wissen, was du davon hältst, dass Jim sich so väterlich aufführt und wieso ich andere Kleidung trage als noch vor zwei Tagen. Aber ich weiß jetzt schon, dass unsere Begegnung - von der ich weiß, dass sie passieren wird - nur oberflächlich gesittet ablaufen wird.
 

Mein Blick ist seit einer gefühlten Ewigkeit auf die Uhr gerichtet, die an der Wand neben der Tür hängt. Bedauerlicherweise möchten die Zeiger sich nicht ganz so schnell bewegen, wie ich das gern hätte. Ungeduldig klopfe ich mit meinem Kugelschreiber auf die Tischplatte. An Arbeit ist nicht zu denken, weil ich mit dem Kopf ganz woanders bin. Im Haus der Gordons, um genau zu sein.

Wie jedes Mal, wenn draußen ein Motor ertönt, ruckt mein Kopf zum Fenster und ich verrenke mir beinahe den Hals, um von hier aus den Parkplatz jenseits des Freigeländes sehen zu können. Tatsächlich. Diesmal ist es der Dienstwagen unseres lieben Commissioners.

Ohne mich bremsen zu können schieße ich aus dem Stuhl nach oben und streife mir hastig meinen Kittel über. Den Sitz des Kragens korrigiere ich eilig, als ich schon halb aus der Tür heraus bin. Natürlich könnte ich dich auch nachher in deiner Zelle willkommen heißen, aber dann würde ich die Chance verlieren, einen Blick auf das Verhältnis zwischen dir und Gordon zu werfen. Und wie das nach dem vergangenen Wochenende ist, interessiert mich brennend.

Mein Gang ist etwas zu beschwingt, als ich durch die Anstalt rase, um dir entgegenzugehen. Ich bin so aufgeregt, wie schon lange nicht mehr. Und endlich, als ich um eine Ecke biege, kommst du mir entgegen, Gordon klebt wie ein Schatten an dir. Aha. Ich versuche das diebische Grinsen, das sich in meinem Gesicht breit macht, zu zügeln.

"Commissioner Gordon! Edward! So ein Zufall, dass wir uns über den Weg laufen."

Ich mustere dich eingehend. Neue Sachen, Augenringe, unrasiert und ein Gesicht, als würdest du mir am liebsten an die Kehle gehen. Großartig. Während ich Gordon höflich die Hand schüttle, zwinkere ich dir amüsiert zu.

"Dann kann ich Edward ja gleich mitnehmen."
 

Es war ja so klar. Noch keine fünf Schritte im Gebäude, da tauchst du plötzlich auf. Als ob du darauf gewartet hast. Als ob ich eine Lichtschranke passiert habe. Jim bemerkt es natürlich nicht, als er dir freudig die Hand schüttelt, dass sich mein ohnehin finsterer Gesichtsausdruck noch weiter verschlechtert. Dieser Zufall ist ja so unglaublich ... zufällig. Pah! Erzähl das deinem Friseur.

"Ich werde sofort in meine Zelle verschwinden", knurre ich dir missgelaunt zu und hätte gerade nicht übel Lust, dich hier an Ort und Stelle vor Jims Augen zu erwürgen. "Besorg dir endlich ein Haustier, das du nerven kannst."
 

"Edward!", mahnt Gordon und stemmt die Hände in die Hüften.

Er blickt dich streng an wie ein - ach Gottchen - Vater. Das ist ja herzallerliebst. Ihr beiden seid wirklich goldig.

Mit kaum verhohlenem Grinsen winke ich ab.

"Ach, sorgen Sie sich nicht, Commissioner. Edward ist manchmal etwas launisch. Und in die Anstalt zurückkehren zu müssen verstimmt ihn natürlich."

Gordon ist ganz begeistert davon, wie umsichtig ich bin. Er lächelt freundlich und klopft dir auf die Schulter.

"Dann mache ich mich mal auf den Weg zurück", sagt er. "Du weißt ja, ich muss mit Babs sprechen."

Er macht Anstalten, dich kurz zu umarmen, lässt es aber bleiben, offenbar unsicher, weil du so einen Flunsch ziehst.

"Richten Sie Barbara doch meine wärmsten Grüße aus", bitte ich, als ich ihm zum Abschied die Hand schüttle.

Gordon verspricht, die Grüße zu überbringen und verabschiedet sich endgültig. Ich blicke ihm über deine Schulter nach.

"Sie werden erst einmal mit mir kommen, Edward. Ich muss Ihr Gepäck durchsuchen und Ihnen die Fessel abnehmen. Damit Sie sich hier wieder ganz heimisch fühlen können", beginne ich geschäftig.

Erst als Gordon außer Hörweite ist, sehe ich dich direkt an und verschränke amüsiert die Arme.

"Ich hoffe, du hast diesen Hauch von Freiheit genossen. Das traute Familienleben scheint dir ja zu gefallen."
 

Bei Jims Ermahnung verdrehe ich unwillkürlich die Augen und sehe demonstrativ an die nächste Wand. Diese geheuchelte Freundlichkeit lässt mir sonst das nicht vorhandene Mittagessen wieder hochkommen.

Gott, wie kann Jim nur so dämlich sein und nicht mitbekommen, was für ein scheinheiliger Mistkerl du bist. Wenigstens hält ihn mein miesepetriger Gesichtsausdruck davon ab, irgendwelche Rührseligkeiten abzuziehen. Das hat mir gerade noch gefehlt.

Ich bin richtig erleichtert, als Jim sich endlich verabschiedet, doch dich fixiere ich mit Mord im Blick.

Diese Spitze musste wieder sein, was?

Na für diese Spielchen hast du dir definitiv den richtigen Tag ausgesucht.

"Geh mir einfach nicht weiter auf den Keks und halt dich von mir fern", murmle ich mit einem leicht aggressiven Unterton in der Stimme. "Ich bin richtig schlecht gelaunt, klar?"
 

"Merkt man", pruste ich los und rücke meine Brille zurecht. "Also. Kommst du jetzt brav mit, damit wir die Formalien unter uns klären können, oder muss ich einen Trupp Wachleute holen und dann die ganze Zeit einen auf fürsorglichen Arzt machen?"

Du weißt inzwischen genug über mich, dass ich keinen Grund habe, irgendetwas vorzuheucheln, wenn wir allein sind. Vor der Belegschaft muss das allerdings sein, immerhin bin ich ja der kompetente Dr. Crane.
 

Erneut rolle ich genervt mit den Augen und seufze lautlos. Ich habe also die Wahl zwischen der Pest und Cholera. Wirklich ganz fantastisch. Ich bin richtig begeistert.

Gott, warum habe ich nicht die Möglichkeit zur Flucht genutzt?

"Meinetwegen", knurre ich und entscheide mich damit für das kleinere Übel.

Lieber ertrage ich dich für eine Weile, als mich mit dem aufdringlichen Wachpersonal herumzuärgern und mich von ihnen antatschen zu lassen.
 

"Dann komm mal mit, Sonnenschein", sage ich.

Ich bin wirklich in Hochstimmung. Nachdem ich mir das gesamte Wochenende über den Kopf zerbrochen habe, wie es mit dir und den Gordons läuft, könnte man fast behaupten, ich hätte dich vermisst. Zumindest brenne ich darauf, dich jetzt anständig zu analysieren.

Ich führe dich in das Therapiezimmer, in denen wir für gewöhnlich unsere Sitzungen abhalten. Mein Büro darfst du erst für unser nächstes Experiment betreten. Nicht, dass du mir eine Panikattacke bekommst, ehe du überhaupt durch die Tür bist.

"Tasche nach oben stellen", weise ich dich an.

Ich habe vor, absolut alles zu konfiszieren, was ich finde. Und im besten Fall finde ich einen Liebesbrief der kleinen Barbara ...
 

Alleine für das »Sonnenschein« möchte ich dir den dürren Hals umdrehen, doch ich beherrsche mich und folge dir missmutig in das Therapiezimmer, dass ich ja nun schon zur Genüge kenne.

Nach diesen zwei Tagen kommt mir nicht mal der Gedanke, dass ich eigentlich netter zu dir sein sollte, aber das wirklich tiefgreifende Erlebnis mit dir und deinem Experiment habe ich momentan erfolgreich verdrängt.

Mit einem genervten Augenrollen und einem Blick, als ob ich dich für verrückt halte, lasse ich die Sporttasche mit einem gelangweilten Schulterzucken auf den Stuhl fallen, auf dem du für gewöhnlich sitzt.

"Ich wusste gar nicht, dass so etwas zum Studium gehört", kommentiere ich gehässig.
 

"Tut es gar nicht", murmle ich schulterzuckend, während ich mich daran mache, deine Tasche auszuräumen.

Ich beginne damit, zwei Stapel auf der Liege aufzubauen. Der rechte, mit den Sachen, die ich einziehen werde, ist deutlich größer.

"Eigentlich sollten das hier diese grobschlächtigen Holzköpfe von Wachpersonal übernehmen. Aber das würde ich mir doch um keinen Preis nehmen lassen ..."

Ich mustere den Stapel.

"Gordon hat dich scheinbar eingekleidet. Wie lieb von ihm. Er kümmert sich ja richtig gut um die Verbrecher Gothams. Was kommt als nächstes? Eisessen mit Oswald?"

Lachend widme ich mich den kleineren Seitentaschen und werde auch gleich fündig. Neugierig ziehe ich einen Umschlag heraus, dessen Inhalt sich doch tatsächlich als ein Bündel Scheine entpuppt.

"Aha ..."

Ich schiebe ihn kommentarlos in die Innentasche meines Kittels.

"Na dann. Raus aus dem zerknitterten Zeug und rein in wahre Mode."

Grinsend überreiche ich dir einen Satz Anstaltskleidung, der schon für dich bereit liegt.

"Und deine Kippen bleiben da, wo sie sind. Die brauchst du gar nicht in die andere Hose schmuggeln."
 

"Also wenn du es genau wissen willst, habe ich mich selbst neu eingekleidet", erwidere ich nicht sonderlich gut gelaunt.

Ich finde es nicht sonderlich toll, dass du noch mehr von meinen Besitztümern wegschließt. Und ich bin mir absolut sicher, dass du das nur machst, um mir eins auszuwischen. Aber selbst, wenn mir das jetzt noch nicht klar wäre, spätestens, als du den Umschlag mit dem Bargeld einfach in deinen Kittel wandern lässt, würde es selbst der größte Idiot kapieren. Das ist kein Wink mit dem Zaunspfahl, das ist ein ganzer Zaun.

Du willst dich doch wohl nicht bereichern, oder?

Als du mir dann auch noch die todschicke Anstaltskleidung überreichst, hebe ich automatisch eine Augenbraue an und verziehe meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.

"Das kannst du dir gleich wieder abschminken", sage ich und befördere den Stapel demonstrativ auf die Liege.
 

War ja klar. Völlig hilflos bist du nicht. Auch wenn du mir hier drinnen ausgeliefert bist, scheinst du draußen ja deine Ressourcen zu haben. Reizend.

Mein Blick folgt der Flugrichtung der Kleidung.

"Oh, Edward", seufze ich und schüttle den Kopf, wobei ich Gordons väterlichen Tonfall nachahme. "Nun mach uns doch nicht beide unglücklich. Du kennst mich, ich so ein friedlicher Mann. Es widerstrebt mir, dich zu sedieren und dich von irgendeinem Pfleger umziehen zu lassen."
 

Mein spöttisches Grinsen wird eine Spur breiter und als wäre ich die Ruhe selbst, ziehe ich die Zigarettenschachtel aus einer Tasche meines Sportsakkos und stecke mir einen Klimmstengel an.

"In dem Umschlag müssten noch etwa dreihundertfünfzig Dollar sein. Ich schenk sie dir. Sie sind von dem Ausflug nach Vegas noch übrig. Geh damit in einen Strippclub, wenn du so ein starkes Bedürfnis hast, nackte Haut zu sehen."

Demonstrativ ziehe ich an der Zigarette und puste den Qualm in den Raum.

"Ich werde ganz sicher nicht für dich strippen."
 

"Ach?"

Obwohl es mir gehörig auf den Keks geht, dass du dir gerade eine Zigarette angezündet hast, bleibt mein Grinsen bestehen.

"Vegas? Du bist mir aber ein fürsorglicher Vater. Fliegst mit deiner schwangeren Geliebten die weite Strecke. Schleppst sie dahin, obwohl sie nicht mal einundzwanzig ist ... Aber na ja."

Ich zucke mit den Schultern.

"Ich hatte sowieso von vornherein darauf gewettet, dass du in Sachen Verantwortung ein totaler Versager bist."

Seelenruhig packe ich die Sachen, die ich konfisziere wieder in deine Sporttasche.

"Wenn du dich so für deinen Körper schämst, kann ich natürlich rausgehen, während du dich umziehst. Dann kann ich in der Zwischenzeit den Kram hier entsorgen."

Ich lächle dich fröhlich an.

"Ups. Ich meine natürlich verwahren."

Lässig hänge ich mir die Sporttasche über die Schulter.
 

Ich lache kurz amüsiert auf, ehe ich einen tiefen Zug von der Zigarette nehme und dir einen kunstvollen Kringel ins Gesicht puste. Es erheitert mich ungemein, dass du vorläufig den Anschein erweckst, mir zu glauben. Allerdings kaufe ich dir das nicht ab.

"Wer sagt denn, dass Barbara mit in Vegas war? Du brauchst dir keine Sorgen über deine Chancen bei ihr machen. Ich für meinen Teil habe das Wochenende dazu genutzt, mich zu amüsieren und habe eine Stripperin geheiratet."

Ich schenke dir ein breites Grinsen.

"Ohne Beweis kann Barbara schließlich viel behaupten, wenn der Tag lang ist."

Demonstrativ gelangweilt hocke ich mich auf die Liege und grinse dich herausfordernd an.

"Die Klamotten kann ich leicht ersetzen. Tu damit, was du nicht lassen kannst. Allerdings wirst du so schnell wohl keine Markenklamotten zu Gesicht bekommen, wenn ich mir deinen Stil so ansehe."

Betont gehässig lasse ich meinen Blick an dir auf und ab gleiten.

"Gleiches mit gleichem würde ich sagen. Also runter mit den Klamotten."
 

Beiläufig wedle ich den Rauch zur Seite und verdrehe die Augen.

Gehst du davon aus, dass ich dir deine Geschichte abkaufe?

Scheinbar bist du übers Wochenende verdummt ...

"Na, das klingt doch großartig!", sage ich mit gespieltem Enthusiasmus. "In dem Fall werde ich dein Geld vielleicht benutzen, um die Kleine mal auszuführen. Das wäre doch irgendwie wunderbare Ironie. Ich meine, eins ist schon mal klar."

Ich mustere dich abfällig von oben bis unten.

"Der bessere Schwiegersohn wäre schon mal ich, nicht wahr?"

Ich verenge die Augen, als du von den Klamotten anfängst.

"Fühlst du dich jetzt gekränkt, weil ich mich für dich nicht jeden Tag schick mache?", frage ich mitleidig. "Bitte um Vergebung. Ich laufe zur nächsten Sitzung im Smoking auf."

Als du mich doch tatsächlich aufforderst, meinerseits blank zu ziehen, muss ich dann doch die Stirn runzeln.

Geht's noch?

"Aber, Edward", raune ich schmunzelnd. "Doch nicht vor dem ersten Kuss ... Solche voreiligen Aktionen bringen dich nochmal in Teufels Küche. Erst Barbara, jetzt ich. Du kannst deine Libido ja wirklich gar nicht zügeln."
 

Mein Grinsen bleibt wie festgetackert in meinem Gesicht, während ich dir zuhöre und dich dabei nicht aus den Augen lasse. Natürlich glaube ich dir nicht, dass du mir diese offensichtlichen Lügen abkaufst.

Was also führst du im Schilde?

"Klar, tu das", erwidere ich mit nicht weniger gespieltem Enthusiasmus. "Vielleicht funkt es ja richtig zwischen euch. Damit würdest du mir einen riesengroßen Gefallen tun und ich wäre sie endlich los."

Ich asche betont lässig auf den hässlichen Teppich ab und ziehe dann gleich wieder an der Zigarette.

"Vielleicht solltest du die Kohle gleich in einen schicken Ring investieren. Mach doch gleich Nägel mit Köpfen. Der Commissioner wäre sicher hellauf begeistert und würde dir dann sicher öfters mal einen Besuch abstatten und dir sicher auch bei der »Arbeit« …"

Ich betone dieses Wort mit voller Absicht extra.

"… über die Schultern gucken wollen. So gewissenhaft wie er ist."

Mein Grinsen wird wieder einen Tick breiter.

"Und das sagt ausgerechnet der Typ, der gleich beim ersten Date auf Tuchfühlung gehen wollte?"

Ich lache kurz humorlos auf.

"Ach Johnny ...", säusle ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Zier dich doch nicht so wie ein jungfräuliches Schulmädchen ..."

Was ist mit der großen Klappe passiert? Den Provokationen? Wird ja richtig langweilig ohne das Alles.

Das ist der Moment, in dem ich die Tasche wieder sinken lasse. Es wird spannend.

"Du kennst den guten Jim ja inzwischen recht gut, was? Wo wir gerade von ihm reden, meine ich ..."

Betont unschuldig schlendere ich zu dir und setze mich mit meinem Fürsorglicher-Doktor-Gesicht neben dich.

"Liegt das an deinem Vater? Du bist doch sicher froh, dass du jetzt einen neuen Daddy hast, der dich ganz arg doll lieb hat, hm?"

Ich mustere dich eingehend. Mir ist noch nicht ganz klar, was du hier provozieren willst. Ich werde dich sicher nicht küssen oder mich ausziehen, um dir hier irgendwas zu beweisen.

"Dabei stehst du doch so auf jungfräuliche Schulmädchen", erinnere ich dich.
 

Mein Grinsen verblasst nur minimal, während ich fast schon misstrauisch eine Augenbraue anhebe, als du dich neben mich setzt. Nur mit äußerster Selbstbeherrschung kann ich es verhindern, ein Stück zur Seite zu rücken. Aber ein kleiner Schauer läuft mir trotzdem über den Rücken.

"Gordon ist ganz sicher nicht mein neuer Vater", erwidere ich mit deutlich mehr Ernst in der Stimme. "Aber wenn er sich dafür halten will, lasse ich ihn in dem Glauben."

Betont desinteressiert zucke ich mit den Schultern und lasse zum wiederholten Mal die noch glühende Zigarette auf den hässlichen Teppich fallen, damit ein weiterer Brandfleck entsteht.

"Es schadet ja nicht, sich mit dem Chef der Polizei gut zu stellen."

Ich schlage lässig die Beine übereinander und drehe dir ein Stück den Oberkörper zu.

"Tja, das liegt daran, dass ich im Gegensatz zu dir bei dieser Bevölkerungsgruppe Chancen habe. Aber ich könnte dir vielleicht ein paar Tipps geben, wie du auch mal zum Zug kommst."
 

Ob du Gordon tatsächlich als Mittel zum Zweck siehst, kann ich nicht vollkommen beurteilen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass da mehr dahinter steckt. Freiwillig zugeben würdest du das natürlich niemals.

Aber wozu habe ich dich denn als neue Versuchsperson übernommen?

Das wird sich alles noch finden.

"Da hast du allerdings Recht."

Ich nicke zustimmend.

"Übrigens schadet es auch nicht, sich mit dem leitenden Psychiater gutzustellen. Aber das hast du leider nicht rechtzeitig kapiert. Schade, schade. Gut für mich."

Ich zwinkere dir verheißungsvoll zu.

"Oh, deine Tipps zu dieser Bevölkerungsgruppe kannst du stecken lassen. Meine pädophilen Anwandlungen halten sich stark in Grenzen. Ich persönlich bevorzuge Frauen, die nicht mehr mit Puppen spielen."
 

Als du wie beiläufig erwähnst, dass ich mich lieber rechtzeitig mit dir gutgestellt hätte, erstirbt mein selbstsicheres Grinsen schneller, als ich etwas dagegen unternehmen kann.

Mit einem Schlag ist sie wieder da, die bis eben erfolgreich verdrängte Erinnerung an das, was in deinem Büro geschehen ist. Ich muss richtig mit mir kämpfen, um wieder ein Grinsen auf meine Lippen zu packen, auch wenn es jetzt deutlich unsicherer ist. Diese Andeutung und dein Zwinkern gefallen mir nicht. Ganz und gar nicht. Es war der wenig dezente Hinweis, dass ich ab jetzt richtig aufpassen muss, was ich sage und tue, um nicht wieder dein Versuchskaninchen zu werden.

"Der Joker", sage ich unvermittelt um meine Unsicherheit zu überspielen und um das Thema zu wechseln. "Willst du ihn nun haben oder nicht?"
 

Bevor ich dir auf deinen billigen Versuch, dich wieder einzuschleimen, antworte, lache ich erst einmal laut und schallend.

"Schon besser, Edward. Viel besser, um genau zu sein."

Es fühlt sich herrlich an, am längeren Hebel zu sitzen. Vor allem weil man dir anmerkt, wir sehr dir das auf den Senkel geht.

"Ja, ich hätte ihn gerne. Gratis und mit einer hübschen Schleife auf dem Kopf, hier auf meiner Liege. Wenn du das also bitte einrichten würdest."
 

Unwillkürlich zucke ich sichtbar zusammen, als du plötzlich zu lachen anfängst. Mit zusammengebissenen Zähnen und zugekniffenen Augen wende ich den Kopf von dir ab. Diese ganze Situation ist furchtbar demütigend für mich und ich bin mir sicher, dass dir das mehr als bewusst ist. Es fällt mir gerade unsagbar schwer, hier sitzen zu bleiben und nicht aufzuspringen, um so viel Raum wie möglich zwischen uns zu bringen.

Ich hasse dich.

Ich hasse dich so sehr, dass es mir fast schon körperliche Schmerzen bereitet, dass du genau weißt, dass ich in solchen Momenten absolut nichts gegen dich ausrichten kann.

Und ich fühle mich erniedrigt.

Verletzlich.

Fast genauso wie damals bei meinem Vater.

Ich schlucke schwer und öffne langsam wieder die Augen, nur um festzustellen, dass meine Hände zittern. Um das vor dir zu verbergen, schiebe ich sie in die Hosentaschen und starre die Wand an.

"Meine Informationen sind nicht umsonst ...", murmle ich bei Weitem nicht so selbstsicher, wie ich es gerne hätte und am liebsten würde ich mir dafür eine kräftige Ohrfeige geben.

Gott, wie sehr ich es hasse, dass du genau weißt, welche Worte du beiläufig fallen lassen musst, um mich genau dorthin zu manövrieren, wo du mich gern hättest.
 

Grandios.

Wunderbar, wie leicht du dich heute in die Knie zwingen lässt.

Vor unserem kleinen Stelldichein in meinem Büro hättest du mir noch stundenlang kontra bieten können. Aber scheinbar habe ich mit nur einer Sitzung anständig Eindruck bei dir hinterlassen. Du hast Angst davor, den Bogen mit mir zu überspannen. Gut ...

"Ich weiß."

Beiläufig zucke ich mit den Schultern und erhebe mich.

"Glücklicherweise weiß ich aber auch, dass ich dich nicht mehr um Informationen bitten muss. Wir haben immerhin einen hübschen Weg gefunden, wie die Worte förmlich aus dir heraus sprudeln."

Grinsend nehme ich wieder die Tasche auf und deute auf den unordentlichen Haufen Anstaltskleidung.

"Denk doch mal drüber nach, während du dich umziehst. Und Edward ..."

Ich sehe dich eindringlich an.

"Keine Spielchen mehr. Dann konnten wir beide uns eventuell vertragen."
 

Schweigend lausche ich deinen Worten und wie du darauf hin grinsend den Raum verlässt.

Ich hasse dieses Wissen, dass du recht hast.

Du bist wirklich nicht auf meine Kooperation angewiesen, um Informationen von mir zu bekommen. Fast noch schlimmer ist es, dass du genau weißt, dass ich das weiß. Du hast es mir ja eindrucksvoll demonstriert.

Auch wenn es mir widerstrebt, habe ich gar keine andere Wahl, als mich zu fügen. Mit immer noch zitternden Fingern leiste ich deiner Aufforderung folge und tausche meine Kleidung gegen die Sachen der Anstalt. Ich glaube, ich habe mich noch nie so mit dem Umziehen beeilt wie jetzt, denn schließlich kannst du jederzeit wieder reinkommen.

Als du dann ein paar Minuten später wieder auftauchst, habe ich mich zum Glück wieder ein wenig gefangen. Ich bin zwar noch lange nicht wieder so selbstsicher, wie es mir lieb wäre, aber wenigstens hat das Zittern aufgehört.

"Du kannst den Joker bekommen. Aber nicht ohne Gegenleistung", sage ich und versuche den Anschein zu erwecken, dass ich keine Angst vor möglichen Repressalien von dir habe.
 

Als ich wieder zurück komme stelle ich zufrieden fest, dass du meiner Anweisung Folge geleistet und dich umgezogen hast. Scheinbar hast du beschlossen, erst einmal brav zu sein. Gut. Wenn auch ein bisschen schade. Die Diskussionen werden mir wahrscheinlich sogar fehlen.

"Da ich heute meinen sozialen Tag habe, werde ich darüber nachdenken", entgegne ich gönnerhaft.

Du kannst ruhig wissen, dass es ein großzügiges Geschenk ist, wenn du von mir irgendetwas bekommst. Im Moment bin ich in der Position, mir die Informationen, die ich will, auch zu nehmen.

"Dann werde ich dich mal in deine Zelle begleiten. Die Sachen kannst du hier lassen. Und die Zigaretten auch. Die bekommst du wieder, wenn du dich gut benimmst."
 

Bei der Erwähnung der Zigaretten werfe ich der Schachtel, die auf dem Stapel Kleidung liegt, einen kurzen Blick zu. Es ist zwar irgendwie komisch, aber es macht mir gerade nicht mal etwas aus, dir meine Kippen zu überlassen. Ich verspüre momentan nicht das geringste Bedürfnis nach einer Zigarette. Sicher wird das morgen schon wieder anders sein, trotzdem nicke ich knapp und folge dir schließlich zurück zu meiner Zelle.

Dort warten schon zwei Sicherheitskräfte, die mich auf dein Signal hin dazu zwingen, mich mit den Händen an der Wand abzustützen, damit sie mich wirklich gründlich abtasten können. Gezwungenermaßen muss ich das über mich ergehen lassen, auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt. Mit einem "Er ist sauber" rücken sie schließlich wieder von mir ab.
 

Ich nicke den Wachen zu, als Zeichen, dass sie verschwinden können. Den Beiden scheint es nicht zu gefallen, dass ich sie nicht dabei haben will. Aber das Folgende möchte ich doch lieber in trauter Zweisamkeit mit dir erleben.

Beschwingt öffne ich die Tür deiner Zelle und halte sie dir grinsend auf.

"Nach Ihnen, der Herr", sage ich mit einer einladenden Handbewegung.

Meine Laune wird wirklich jede Sekunde besser, zumal sich jetzt auch noch Vorfreude dazu mischt. Am liebsten würde ich mir aufgeregt die Hände reiben.

"Ich hoffe, es ist Alles zu deiner Zufriedenheit."
 

Auf den ersten Blick sieht meine Zelle noch genauso aus, wie ich sie verlassen habe. Die Bücher, die mein Anwalt regelmäßig mitbringt und die ich erstaunlicherweise sogar behalten durfte, stehen noch in Reih und Glied. Alles wirkt unauffällig, trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmt. Dein fast raubtierhaftes Lächeln verstärkt meinen Eindruck. Ich traue dir auf jeden Fall zu, dass du in meiner Abwesenheit hier Alles auf den Kopf gestellt hast. Aber noch habe ich kein Indiz dafür gefunden, dass du es wirklich getan hast.
 

"Du hast es dir ja schon sehr gemütlich hier gemacht", plaudere ich los, während ich die Tür hinter dir schließe.

Noch ist nicht abzusehen, wie du reagieren wirst. Und für alle Fälle ist es wohl besser, auf der anderen Seite der Zelle zu stehen.

"Mir gefällt dein Literaturgeschmack."

Lässig lehne ich mich mit einer Schulter gegen die Tür.

"Shakespeare zählt zu meinen liebsten Autoren, musst du wissen."
 

Das ungute und flaue Gefühl in meinem Magen wird stärker, als mein Blick von dir zu den Büchern hinüber flackert und dann wieder zu dir zurück. Der Blick, mit dem du mich ansiehst, gefällt mir nicht, denn er verheißt mit Sicherheit nichts Gutes.

"Shakespeare hat ein paar gute Stücke geschrieben ...", erwidere ich unsicher.

Du wirst doch wohl nicht ...?

Mein Blick huscht wieder zu den Büchern und bleibt einen Moment am Buchrücken von Hamlet kleben. Meine Hände fangen wieder leicht an zu zittern.
 

"Oh, das hat er tatsächlich", erwidere ich in selben unverfänglichen Tonfall.

Das verschmitzte Grinsen auf meinen Lippen wird immer breiter.

"Sie sind so vielseitig und voller Überraschungen. Ich vage zu behaupten, jedes Mal, wenn man eines dieser Bücher aufschlägt, entdeckt man etwas Neues."
 

Deine Worte fühlen sich an wie ein Schlag in die Magengrube. So unverfänglich sie auch klingen, sie verdeutlichen mir, dass du geschnüffelt hast. Und dass du es gefunden hast. Bei dieser sehr unheilvollen Erkenntnis spüre ich, wie ich blass werde. Der Drang, sofort zu den Büchern zu stürzen, ist so stark, dass ich ihn nur sehr mühsam unterdrücken kann. Wenn ich das jetzt mache, würde ich dir nur bestätigen, dass du einen wunden Punkt getroffen hast. Und diese Genugtuung darf ich dir nicht geben. Du hast schon auch so schon genug gegen mich in der Hand.
 

Dir ist anzusehen, dass meine Worte gesessen haben, auch wenn du es nicht zeigen willst. Betont unschuldig lasse ich eine Hand in die Innentasche meines Kittels wandern. Ich mache extra langsam, um den Blick auszukosten, mit dem du mich ansiehst.

"Und manchmal ... da findet man sogar etwas, das sicher nicht von Shakespeare ist."

Ich ziehe das Bild hervor, das ich inzwischen schon zu genüge betrachtet habe, und tue so, als würde ich es eingehend studieren.

Man erkennt noch nicht viel, immerhin ist Gordons Kleine noch am Anfang der Schwangerschaft. Aber es reicht aus, um zu erkennen, dass sie definitiv die Wahrheit gesagt hat.
 

Als du betont langsam in deinen Kittel greifst und das Bild heraus holst, zieht es mir endgültig den Boden unter den Füßen weg. Das Bedürfnis, mich hinzusetzen, ist stark, doch ich kann es im letzten Moment vermeiden, dir dieses Zeichen der Schwäche zu zeigen. Stattdessen stolpere ich zurück und lehne mich an die Wand. Zwar ist das auch nicht viel besser, aber hoffentlich nicht ganz so verfänglich.

Ich kann dich in diesem Moment nur sprachlos anstarren, obwohl ich gern sagen würde, dass ich das Bild wieder haben will. Aber mir ist mit einem Schlag klar, dass du es als Druckmittel einsetzen willst und es vollkommen egal ist, was ich dazu sage. Und dass du jedes Wort, was ich sage, gegen mich verwenden wirst.
 

Feixend schiele ich von dem Bild nach oben und mustere dich, wie du zur Wand zurückweichst.

"Willst du mir jetzt weiter vorlügen, dass dich die ganze Sache nicht interessiert?", frage ich amüsiert. "Mir erzählen, dass das hier nur ein ausgefallenes Lesezeichen ist? Oder ... reden wir gleich mal Klartext."

Mit einem gespielt freundlichen Lächeln lasse ich die Hand sinken und sehe dich direkt an.

"Du bekommst das hier wieder, sobald ich den Clown auf meiner Couch habe."
 

Ich habe bis zu diesem Moment nie gedacht, dass ich wirklich mal in eine Situation komme, in der ich so offensichtlich erpressbar bin. Aber genau das bin ich gerade. Und weil du das ganz genau weißt, nutzt du es natürlich gnadenlos aus. Und du weißt auch, dass ich durch dieses Ultraschallbild, was ich hüte wie einen Schatz, seitdem ich es habe, verwundbar bin.

Dir ist deutlich anzusehen, dass du es genießt, am längeren Hebel zu sitzen. Mir bleibt ganz offensichtlich keine andere Wahl, als auf diesen Deal einzugeben, weswegen ich zögerlich nicke. Wohl fühle ich mich dabei nicht, aber wenn ich dieses Bild wieder haben will, muss ich es tun.
 

Ein leises Lachen entweicht mir.

"So sprachlos, Edward?"

Triumphierend lasse ich das Ultraschallbild in dieselbe Tasche wandern wie den Umschlag mit dem Geld.

"Was ist mit der großen Klappe passiert? Den Provokationen? Wird ja richtig langweilig ohne das Alles."
 

Ich senke kurz den Kopf, schließe für einen Moment die Augen und atme tief durch. Als ich dich wieder ansehe, bin ich zwar noch kein Bisschen selbstsicherer als zuvor, aber das ist mir sogar gerade egal.

"Glückwunsch ...", sage ich leise und schüttle andeutungsweise den Kopf. "Du hast mich in der Hand. Aber irgendwann werde ich dir das heimzahlen ..."
 

Der mörderische Blick, mit dem du mich betrachtest, ist köstlich.

"Das, mein lieber Edward, werden wir noch sehen", zische ich dir zu, dann mache ich auf dem Absatz kehrt und stapfe erhobenen Hauptes davon.

Ihr seid beide so stur, dass ich manchmal das Gefühl habe, ihr wollt euch gar nicht vertragen.

Nachdem ich meinen Dienstwagen in der Einfahrt geparkt habe, zögere ich noch einen Moment, ehe ich aussteige, den Wagen abschließe und ins Haus gehe. An einem Gespräch mit dir führt natürlich kein Weg vorbei, doch obwohl du meine Tochter bist, würde ich lieber einen Schwerverbrecher verhören.

Im Haus werfe ich nur schnell meine Jacke über die Lehne der Couch und gehe die Treppe hoch in den ersten Stock. Im Vorbeigehen habe ich gesehen, das du nicht in der Küche bist, also bist du sicher in deinem Zimmer. Vor deiner Tür zögere ich erneut einen Moment, ehe ich vorsichtig anklopfe.

"Babs?", frage ich laut genug, damit du es durch die geschlossene Tür hören kannst. "Können wir reden?"
 

Als du an die Tür klopfst, zucke ich zusammen. Seit Edward mein Zimmer verlassen hat, habe ich hier gelegen und mir den Kopf darüber zerbrochen, warum nicht ein einziges Mal alles in Ordnung sein kann.

"Jetzt nicht, Dad", antworte ich geknickt. "Ich will gerade lieber allein sein."
 

Ich seufze lautlos und öffne trotz deines Widerwillens die Tür. Als ich dich so auf dem Bett liegen sehe, kann ich einen mitleidigen Blick ganz nicht verhindern. Es schmerzt, dich - mal wieder - so sehen zu müssen.

"Hör zu ...", sage ich leise. "Ich weiß ja, dass das Wochenende ziemlich blöd gelaufen ist, aber ich habe es gut gemeint."
 

"Du kannst nichts dafür", murmle ich.

Noch immer liege ich auf dem Rücken, eines meiner alten Stofftiere in Arm, und starre an die Decke, ohne dich anzusehen.

"Du wusstest es nicht besser. Edward und ich ... das wird nichts mehr."
 

Kurz lasse ich den Kopf hängen und raufe mir die Haare. So desinteressiert habe ich dich lange nicht mehr erlebt.

Dann schnappe ich mir deinen Schreibtischstuhl, ziehe ihn in meine Richtung und damit näher an dein Bett und setze mich darauf.

"Es ist zum Teil meine Schuld", gebe ich zu.

Und es stimmt ja auch.

"Ich hätte vorher mit dir darüber reden sollen. Aber ich habe es nicht getan, damit du nicht von vorne herein ablehnen kannst und der Sache keine Chance gibst."
 

Müde schließe ich die Augen und schüttle den Kopf.

"Kannst du dir vorstellen, wie verletzend es ist, wenn der eigene Vater nach allem, was vorgefallen ist, mit diesem Typen vor der Tür steht? Und dann der Meinung ist, ich würde dafür auch noch dankbar sein?"
 

Schuldbewusst senke ich den Kopf. Deine Worte tun weh, aber sie entsprechen leider der Wahrheit.

"Es tut mir leid", murmle ich und schenke dir ein entschuldigendes Lächeln. "Ich wollte dir damit nicht zu nahe treten. Und ich hätte dir besser zuhören müssen. Aber das werde ich jetzt nachholen. Wir müssen mehr miteinander reden und ich muss dir mehr und vor allem aufmerksamer zuhören."
 

Zaghaft öffne ich ein Auge und blinzle dich an.

"Dad ...", beginne ich, weiß aber gar nicht, was ich eigentlich sagen will. "Ich weiß einfach nicht mehr, wo mir der Kopf steht."

Angestrengt reibe ich mir über das Gesicht.

"Das ist alles zu viel für mich. Ich habe keine Ahnung, wie ich das durchstehen soll ..."
 

"Hör zu ...", beginne ich zögerlich.

Es fällt mir nicht gerade einfach, weiter zu sprechen, aber ich weiß, dass es sein muss. Ich bin es dir einfach schuldig.

"Ich weiß, dass ich bei dir einige Fehler gemacht habe. Und ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, dass ich es in Zukunft besser machen werde."

Ich seufze leise.

"Ich möchte nicht, dass du dich vernachlässigt fühlst. Deswegen bitte ich dich: Sag mir was du möchtest. Und vor allem sag direkt, wenn dich etwas stört, okay?"
 

Gerührt sehe ich dich an. Ich kenne dich sehr gut und weiß, dass solche Gespräche noch nie dein Ding waren. Mit Schwerverbrechern kommst du zurecht, aber Vater-Tochter-Gespräche fallen dir schwer. Kein Wunder, dass du es genießt, in Edward so etwas wie einen Sohn gefunden zu haben.

"Ich will nur, dass du nicht alles über meinen Kopf hinweg entscheidest", sage ich leise und setze mich im Bett auf.

Ich drehe mich so, dass ich die Beine über die Kante baumeln lassen kann.

"Ich möchte das Gefühl haben, dass ich mit meinen Problemen zu dir kommen kann. Und das geht nicht, wenn du die ganze Zeit damit beschäftigt bist, Edward zu bemuttern oder uns zu verkuppeln ..."
 

"Tja ...", erwidere ich und zucke knapp mit den Schultern. "Ich habe einfach das Gefühl, dass Edward es nötiger hat als du. Aber anscheinend habe ich es ein wenig zu gut gemeint. Ich möchte, dass er sich bei uns wie zu hause fühlen kann."

Ich seufze leise.

"Aber ich möchte auch, dass du dich nicht so fühlen musst, als ob es mich nicht interessiert, was mit dir ist. Ich möchte, dass du mit mir redest, wenn dich etwas bedrückt."
 

Schwermütig blicke ich auf meine Hände. Am liebsten würde ich dir jetzt ein bockiges »Ich habe es auch nötig« an den Kopf werfen, aber wie so oft schlucke ich es. So ist es doch immer. Bei dir gibt es immer Irgendjemanden, der es nötiger hat als deine Kinder. Ob das nun Gotham ist oder Eddie - du bist ein schrecklicher Gutmensch, der immer Alles in Ordnung bringen will, aber du erkennst nicht, dass du dich Vielem so inbrünstig zuwendest, dass du anderes auf der Strecke lässt. Und das ist so gut wie immer deine Familie.

Traurig lasse ich mir die Haare vor's Gesicht fallen. Komisch. Vor Edward weine ich ständig, aber vor meinem eigenen Vater schäme ich mich dafür.

"Ich habe einfach das Gefühl, dass du dich schon wieder abwendest. Mom und Jimmy sind weg. Und ich habe dich inzwischen in so vielerlei Hinsicht enttäuscht, dass es nicht mal wirklich verwunderlich ist, dass du dich jemand Besserem zuwendest."

Ratlos zucke ich mit den Schultern.
 

Bei deinem traurigen Gesichtsausdruck seufze ich lautlos. Ich habe mich eigentlich immer für einen guten Vater und Familienmenschen gehalten. Aber alleine die Tatsache, dass ich geschieden bin und meinen Sohn nur noch aller zwei Wochen sehe, spricht ja wohl Bände, dass ich in dieser Hinsicht versagt habe. Und mir das selbst einzugestehen, ist schwer.

Ich gebe mir einen Ruck, setze mich neben dich auf das Bett und nehme dich in den Arm.

"Ich bin als Vater eine ziemliche Niete, oder?", frage ich leise. "Ich habe es mit deiner Mom versaut und jetzt mache ich denselben Fehler auch bei dir. Ich weiß, dass es dafür keine Entschuldigung, aber als Police Commissioner habe ich nicht gerade weniger Arbeit."
 

Als du die Arme um mich legst, ist die Fassade natürlich sofort dahin und ich klammere mich an dich und vergrabe das Gesicht an deiner Schulter.

"Du bist nicht unbedingt ein schlechter Vater ... Du bist einfach ein viel zu guter Mensch und vergisst deine Familie ständig über all die anderen Dinge, die du in Ordnung bringen willst. Aber, Dad ..."

Ich schniefe verhalten und sehe dich eindringlich an.

"Ich brauche meinen Vater im Moment. Du hast gesagt, wir wollen das zusammen hinbekommen. Aber momentan sieht es so aus, als wärst du der Meinung, dass du es ganz allein hinbekommen kannst und Edward und ich uns einfach fügen müssen. Ich versuche wirklich, alles auf die Reihe zu kriegen und stark zu sein. Aber du machst mir das nicht sonderlich einfach. Und Edward zieht bei dem Mist auch noch mit. Ich bin diejenige, die dieses Kind bekommt. Und trotzdem kommt es mir so vor, als würdet ihr beide euch gegen mich verbrüdern, um alles alleine zu regeln."
 

"Von verbrüdern kann da nicht gesprochen werden. Absolut nicht", sage ich und gebe mir erst gar keine Mühe, das schiefe Grinsen zu unterdrücken. "Als ich ihn vorhin zurück nach Arkham gebracht habe, hat er mir erst einmal ordentlich den Kopf gewaschen. Und ich fürchte, ihr habt beide recht. Ich habe den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen."

Ich seufze leise und tätschle dir ein wenig den Rücken.

"Ich kann zwar nichts versprochen, aber ich versuche bei der Arbeit ein wenig kürzer zu treten. Ich dachte wirklich, ich würde das Richtige machen, aber anscheinend war das der falsche Weg."

Ich zucke kurz mit den Schultern.

"Okay, gerade aus gefragt: Wie wäre es, wenn wir in den nächsten Tagen mal zusammen shoppen gehen?"
 

"Wie bitte?"

Überrascht rücke ich von dir ab, um dich richtig ansehen zu können.

"Du bist hier, weil ... Eddie mit dir geredet hat?"

Es schockiert mich regelrecht, dass Edward nach diesem Wochenende noch mit dir gesprochen und irgendetwas bewirkt hat. In diesem Moment verspüre ich so tiefe Dankbarkeit, dass ich darüber doch glatt vergesse, den Idioten zu hassen.

"Die Arbeit ist nicht das Problem, Dad. Versuch einfach beim nächsten Mal mit mir zu sprechen, bevor du Entscheidungen triffst, die mein Leben betreffen. Und frag mich doch gelegentlich mal, wie es mir geht."

Ich schenke dir ein versöhnliches Lächeln.

"Und obwohl ich nicht bestechlich bin, stimme ich zu - die Klamotten werden nämlich allmählich eng."
 

"Im Prinzip schon ...", gebe ich leicht pikiert zu. "Und ich bin immer wieder erstaunt, was er manchmal für einen Durchblick hat. Und auch wenn es dir jetzt vielleicht zum Hals raushängt: Ich denke nicht, dass bei euch schon Hopfen und Malz verloren ist. Und ich verspreche, dass ich in Zukunft vorher Alles mit dir abspreche. Und falls ich es mal nicht mache, erwarte ich, dass du es mir sagst, okay?"

Ich mach eine kurze Pause.

"Wie geht es dir? Nein - euch?"
 

Gerührt lächle ich dich an und springe dir förmlich um den Hals.

"Danke, Dad. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich gerade bin."

Ich mache mir nicht die Mühe, dich loszulassen, als ich weiter spreche.

"Uns geht es ganz gut", flüstere ich. "Aufgewühlt von dem Wochenende. Traurig, dass alles so verlaufen ist. Und noch ein bisschen verletzt, aber das gibt sich schon wieder. Ratlos. Ich habe keine Ahnung, wie das alles weitergehen soll. Und das ist schrecklich, weil ich das ganze Chaos beseitigen will, bevor mein Kind auf die Welt kommt."
 

"Ich fürchte, ich habe nicht gerade dazu beigetragen, das Chaos zu verkleinern, was?", frage ich mit einem schiefen Grinsen. "Ich kann zwar zwischen euch vermitteln, aber ihr seid beide so stur, dass ich manchmal das Gefühl habe, ihr wollt euch gar nicht vertragen."

Ich mach eine Pause und zucke mit den Schultern.

"Versteh mich jetzt nicht falsch, aber ich hatte teilweise das Gefühl, dass ihr ... na ja ... Ich habe euch in der Küche gesehen. Und am Klavier. Und - erklär mich meinetwegen für verrückt - aber das ist definitiv noch etwa zwischen euch."
 

Deine Worte ringen mir ein trauriges Lächeln ab. Da hast du wohl Recht. Edward und ich brauchen den Streit scheinbar. Und genau das macht es unmöglich, dass wir beide als Eltern zusammen funktionieren können.

"Dad ... Das ist nicht so einfach. Natürlich ist da was. Das weiß ich und ich vermute mal, dass auch er das weiß. Jedenfalls in manchen Momenten glaube ich es. Aber ..."

Hilflos schüttle ich den Kopf.

"Ach, ich weiß auch nicht. Was auch immer dieses Etwas ist, es ist wohl nicht stark genug, um das Alles zu kitten."
 

"Dann macht es wohl nicht viel Sinn, das zu wiederholen, oder?", frage ich leise und sehe dich ein wenig unsicher an. "Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich denke, dass sich das noch einrenkt. Allerdings müsst ihr beide es auch wollen. Oder wie wäre es mal an einem neutralen Ort ganz ohne Zwang? Vielleicht hilft das ja, dass ihr euch mal in Ruhe aussprechen könnt."
 

"Dad, ein neutraler Ort würde auch nicht verhindern, dass wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen", seufze ich.

Ich mache mir da nichts vor. Edward und ich würden uns auch in aller Öffentlichkeit zoffen und dabei keine Rücksicht auf Umstehende nehmen. Am Ende würden wir noch irgendwelche kleinen Kinder oder unschuldigen alten Leute zu Tode verstören ...

"Aber ich will auch nicht wirklich, dass wir jetzt Alles hinschmeißen. Das Kind hat verdient, dass wir es weiter versuchen. Wir müssen uns eben zusammenreißen und ich darf mich nicht mehr ständig zu irgendwas hinreißen lassen."

Ich lächle dich tapfer an.

"Und wer weiß - wenn wir endlich anfangen, an einem Strang zu ziehen, schaffen wir es vielleicht."

Oh Gott, was habe ich mir da nur wieder eingebrockt.

Auch wenn es nicht gerade ein Kinderspiel war, habe ich die letzten Tage in Arkham relativ sinnvoll genutzt.

Nun ja ...

Wie man es nimmt zumindest ...

Crane hat mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit daran erinnert, dass er etwas hat, was ich wieder haben will. Deswegen hatte ich eigentlich keine andere Wahl, als ihm letztendlich nachzugeben - auch wenn es mir nicht sonderlich gefällt.

Über meinen Anwalt konnte ich die Informationen, die ich brauche, damit Crane seinen Willen bekommt, nicht bekommen, also blieb mir keine andere Wahl, als einen der Wachleute zu bestechen. Glücklicherweise habe ich aufgeschnappt, dass Mr. Carver, der Mann, der vor einer Weile noch gelacht hatte, als ich Crane nach seiner Gummipuppe gefragt habe, eine Leidenschaft für die Rennbahn hat und so konnte ich unauffällig einen Deal mit ihm aushandeln. Ich zahle seine Wettschulden und er sieht weg, wenn ich gelegentlich nachts meine Zelle verlasse.

Einen dieser Ausflüge habe ich dazu genutzt, in Cranes Büro zu schnüffeln. Sein Schrank war zwar abgeschlossen und eigentlich wäre es für mich kein Problem gewesen, das Schloss zu knacken, aber da ich kein Interesse daran habe, seine Maske wiederzusehen, habe ich es lieber bleiben lassen. Stattdessen habe ich mich in seinen Computer gehackt und konnte so meine Informationen bezüglich des Aufenthaltsortes des Jokers überprüfen. Erstaunlicherweise hing der Clown immer noch im Industriegebiet herum.

Es hat mir zwar sehr widerstrebt und ich habe sicherlich minutenlang die Daten angestarrt, bevor ich mich dazu überwinden konnte, die Informationen über den Hauptserver des GCPD verschlüsselt weiterzuleiten. Was die Fledermaus nun damit anfängt, liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich kann jetzt nur noch hoffen, dass die Informationen nicht zu mir zurück verfolgt werden können, ansonsten wird der Joker nicht besonders gut auf mich zu sprechen sein.

Und jetzt, zwei Tage später, sitze ich auf einer Bank auf dem Freigelände von Arkham. Es ist ein sonniger Nachmittag, ich vertreibe mir die Zeit mit Shakespeare und bin froh, dass sich Cobblepot von mir fern hält. Allerdings wirft er mir misstrauische Blicke zu. Aber solange er Abstand hält, ist Alles gut. Mir persönlich reicht es schon, dass wir in derselben Abteilung untergebracht sind und ich ihn deswegen öfters sehe, als mir lieb ist.
 

Meine Hände sind so fest um das Steuer des Batmobils geschlossen, dass unter den Handschuhen sicherlich die Knöchel weiß hervorstehen. Neben mir sitzt der Joker, in Handschellen, und kichert in sich hinein. Obwohl unsere erste Begegnung nun eine Weile her ist, kann ich mich immer noch nicht an den Clown gewöhnen. Er ist anders, als die übrige Bande Verrückter, die Gotham ständig heimsuchen. Anders auf eine Art, die mir nicht gefällt. Er scheint durchgedrehter als alle Anderen zu sein. Und dadurch gefährlicher und - leider - auch charismatischer. Das beste Beispiel für diesen Umstand ist die quirlige Blondine, die hinter dem Batmobil in Gordons Dienstwagen sitzt. Komplett anders als die Psychiaterin, als die ich sie kennengelernt habe.

Es ist wirklich die Ironie des Schicksals, dass ich sie und den Joker jetzt an den Ort zurückbringe, an dem sie den Verstand verloren hat. Seinetwegen. Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, dass das vielleicht der Grund ist, aus dem der Kerl so lacht.

Wir halten auf dem Parkplatz vor dem Hauptgebäude an, Gordon direkt hinter mir. Dr. Crane erwartet uns bereits mit guten zwei Dutzend Wachen. Wie viele davon für den Clown und wie viele für seine Freundin gedacht sind, bleibt abzuwarten.

Und auch das danebenliegende Freigelände ist gut besucht. Scheinbar bekommt Joker heute seinen ganz großen Auftritt, wie ich grimmig feststelle. Und er weiß das auch. Als ich ihn ruppig aus dem Batmobil zerre, winkt er grinsend in die Menge wie ein Prominenter vor seinen Fans.
 

Ich hebe den Kopf, als ich das Sondersignal mehrere Streifenwagen höre und nur wenige Augenblicke fährt erst das Batmobil vor, dann die Wagen des GCPD. Viele meiner Leidensgenossen hier draußen lassen Alles stehen und liegen und nähern sich neugierig dem Zaun. Selbst Cobblepot geht ein paar Schritte. Ich allerdings bleibe regungslos sitzen. Ich weiß ja schon, wen du gleich aus deinem gepanzerten Schlitten zerren wirst.

Und tatsächlich betritt gleich darauf der Joker seine große Bühne - und er benimmt sich, als ob ihm die Hütte hier gehört.

Oh Gott, was habe ich mir da nur wieder eingebrockt.

Crane, der mit einem Trupp Sicherheitskräfte schon wartet, hat schon wieder dieses raubtierhafte Lächeln auf den Lippen, bei dem sich mir der Magen umdreht, weswegen ich es bereue, das Mittagessen nicht ausgelassen zu haben.

Aus dem Wagen direkt hinter dem Batmobil steigt Gordon aus und befördert die Freundin des Jokers ans Tageslicht. Bei ihrem Outfit muss ich unwillkürlich eine Augenbraue anheben. Man kann sagen was man will, aber der Joker hat definitiv ganze Arbeit bei ihr geleistet. Und wenn jemand nach Arkham gehört, dann dieses Pärchen.
 

Ich unterdrücke ein Seufzen, als Gordon Miss Quinzel heranführt. Die Frau scheint ebenfalls übertrieben gut gelaunt zu sein, denn sie schwatzt munter vor sich hin. Gordons leidender Blick lässt vermuten, dass sie ihm die gesamte Fahrt über ein Ohr abgekaut hat. Gerade brabbelt sie etwas über Matrosen und wie niedlich sie diese blauen Kragen findet. Ich sehe Gordon fragend an, aber er winkt nur ab, anstatt zu erläutern, wie zur Hölle sie auf dieses Thema gekommen ist.

Während Gordon zu Crane geht, um die Situation kurz zu besprechen, behalte ich das verrückte Duo im Auge. Joker beachtet sein Mädchen nicht mal, er mustert aufmerksam und feixend die Zuschauer jenseits des Zauns. Miss Quinzel versucht sich, so gut es ihre Handschellen erlauben, an seinem Arm festzuklammern und ihr Gesicht an ihn zu schmiegen, wird aber von einem der Wachleute, die den Empfang stellen, weggerissen.

Weil die beiden vom Sicherheitspersonal fixiert werden, erlaube ich mir, meinen Blick loszureißen und stattdessen die Lage einzuschätzen.

Hauptsächlich kleine Fische, dazwischen Cobblepot, der noch unschlüssig zu sein scheint, was er von alledem halten soll - und du. Mit säuerlichem Gesichtsausdruck. Dir scheint schon klar zu sein, dass der Clown Ärger bedeutet. Und da ist noch etwas in deinem Blick. Etwas, dass meinen Verdacht bestätigt.

Weder Alfred noch ich konnten die Informationen zurückverfolgen. Vielleicht hätte Babs es mit Mühe und Not geschafft, immerhin hat sie vom Besten gelernt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie dann auf dich stoßen könnte, war uns zu hoch, da wir dich bereits dahinter vermutet haben. Sie muss sich schon auf privater Ebene mit dir auseinandersetzen, weswegen ich sie beruflich definitiv von dir ferngehalten werde. Wenn man das überhaupt beruflich nennen kann ... Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit zu hoch, dass es wieder in einer Katastrophe enden würde.

Noch bin ich unsicher, ob du damit irgendeinen Plan verfolgst. Oder ob du es einfach getan hast, damit wir quitt sind für Weihnachten. Was auch immer der Grund ist, im Moment hast du Gotham einen Gefallen getan. Deswegen fange ich deinen Blick ein und nicke dir knapp zu. Damit du weißt, dass ich es weiß.
 

Ich bin froh, dass da dieser stabile Sicherheitszaun zwischen dir und mir ist, denn ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du noch das eine oder andere Wort mit mir wechseln willst. Allerdings bezweifle ich, dass Crane dass zulassen würde. Der scheint sich jedenfalls gut mit Jim zu unterhalten. Und das gefällt mir fast noch weniger, als der Blick, den du mir zuwirfst. Eigentlich habe ich meine Spur gut verschleiert, allerdings drängt sich mir der Gedanke auf, dass ich aufgrund des Equipments in Cranes Büro vielleicht doch ein wenig schlampig war.

Und spätestens, als du mir zunickst, weiß ich, dass du es weißt. Fast hätte ich das Buch in meinen Händen fallen gelassen. Ich werfe Cobblepot, der in meiner Nähe steht und dich anstarrt, einen schnellen Blick zu. Hoffentlich hat er nichts gemerkt. Ein weiterer schneller Blick zu Crane, dessen Lächeln mittlerweile davon zeugt, wie glücklich er von der Ankunft des Jokers ist. Und dann wirft er mir einen Blick zu. Am liebsten würde ich jetzt aufspringen und mich in meine Zelle flüchten.
 

Besonders begeistert scheinst du nicht zu sein, dass ich es weiß. Tja. Da habe ich mich wohl geirrt, dass das so etwas wie eine nette Geste von dir war. Was bedeutet, dass ich dich von jetzt an im Auge behalten muss. Scheinbar führst du etwas im Schilde. Und das, obwohl du schon hinter Schloss und Riegel sitzt.

Mein Blick wandert zu Gordon. Er ist dir gegenüber zu weich. Lässt dir zu viel durchgehen. Wenn du nicht der Vater von Barbaras Kind wärst, wäre ich längst dabei, das zu unterbinden.

"Commissioner Gordon."

Er wirft mir einen knappen Blick zu, dann verabschiedet er sich eilig von Crane.

"Es gibt noch viel zu tun."

Joker und seine Gespielin haben anständig Chaos hinterlassen, beim Versuch, sich rauszuboxen. Nicht nur der irre Clown, auch die ehemalige Psychologin scheinen ungeahnte Ausdauer und einen faszinierenden Einfallsreichtum zu besitzen. Also fahren wir jetzt aufräumen und Spuren sichern, während die beiden hier von Dr. Crane verwahrt werden.

Als ich ins Batmobil einsteige, folgt mir das irre Lachen des Jokers zusammen mit dem hohen Gekicher von Quinn, bis ich die Tür endlich geschlossen habe.

Kann es vielleicht sein, dass der Clown und ich tatsächlich was dich betrifft auf derselben Wellenlänge sind?

Zu meinem Glück scheint Cobblepot Nichts mitbekommen zu haben und gibt nur ein paar gehässige Kommentare zum Besten, als sich Batman und Gordon vom Acker machen. Bei einigen Sprüchen, für die der Pinguin zustimmendes Gemurmel von den Umstehenden bekommt, bin ich fast versucht, zu nicken. Man kann über Cobblepot sagen, was man, will: Ganz doof ist er zumindest nicht, weswegen ich froh bin, dass er Abstand zu mir hält. Anscheinend hat ihm die gebrochene Nase schon gereicht.

Tja, und du scheinst ganz begeistert davon zu sein, dass du endlich den Joker und seine verrückte Freundin in deinen heiligen Hallen hast. Misstrauisch beobachte ich dich, wie du versuchst, ganz unverfänglich mit dem Clown ins Gespräch zu kommen. Dass allerdings deine ehemalige Kollegin sofort anfängt, auf dich einzureden, animiert mich zu einem kurzen Schmunzeln.

Viel Spaß mit diesen beiden Verrückten. Du wolltest sie, hier hast du sie. Werde glücklich damit.
 

Obwohl ich Nichts dagegen gehabt hätte, ein paar Worte mit unserem Dark Knight zu wechseln, bin ich froh, als ich die Neuankömmlinge endlich für mich habe und die Polizisten abziehen. Am liebsten würde lachend in die Hände klatschen, aber ich beherrsche mich und schiebe mich stattdessen durch die Wachen zu den beiden durch. Quinzel würdige ich keines Blickes. Die Frau interessiert mich nicht mal halb so sehr wie ihr Liebster.

"Joker. Schön, dass Sie uns wieder beehren in unserer Heil -"

"Mein Gott, Jonathan, du hast dich ja verändert seit dem letzten Mal!", werde ich von der Seite angequietscht.

Oh, reizend. Joker ist anzusehen, dass er die Situation amüsant findet. Langsam drehe ich mich zu Quinzel um, die sich mir so überraschend entgegenstreckt, dass eine Hand mein Haar berührt, bevor sie weggerissen wird.

"Wann hast du die das letzte Mal schneiden lassen?", blubbert sie unbeirrt weiter, obwohl sie im Schwitzkasten eines Wachmannes ist. "Du solltest dich wirklich nicht so gehen lassen. Jetzt bin ich ja wieder da, vielleicht kann ich dich doch noch mit Susie aus der Kantine verkuppeln!"

Ich verdrehe genervt die Augen. Und ich war so froh, als sie weg war. Jetzt ist sie zurück und ungefähr zehnmal so schlimm.

"Die werte Frau Kollegin, die so scharf auf mein Büro war", kommentiere ich trocken und sehe Joker an. "Versucht sich jetzt scheinbar andernorts hochzuschlafen."

Joker begegnet mir mit einem erhabenen Lächeln, das völlig undurchdringlich ist. Daran werden wir noch arbeiten.

Und das habe ich doch tatsächlich dir zu verdanken. Automatisch grinse ich dich an, was dem Clown natürlich nicht entgeht. Er lacht erfreut auf und stiefelt auf dich zu. Und weil das unfähige Personal hier natürlich Schiss hat, rennen sie ihm wie angestochen hinterher, trauen sich aber erst, als er fast am Zaun steht, ihn zu packen.
 

"Hey, nicht den Anzug zerknittern", kommentiert der Joker den festen Griff des Wachpersonals und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd.

Ich beobachte die Szene mit einer hochgezogenen Augenbraue und Cobblepot zieht schnatternd mit seinem Gefolge ein paar Schritte von Dannen.

Wunderbar.

"Hey Brillenschlange!", ruft der Joker dann mir zu und grinst gleich noch ein Stück breiter.

Mir wird er immer unsympathischer.

"Schicke Klamotten! Hab ich nicht in der Zeitung was von dir gelesen! Irgendwas mit R ..."

Der Joker legt den Kopf schief und macht den Eindruck, als ob er angestrengt nachdenken muss.

"Riddler ...", helfe ich ihm nett wie ich nun mal bin zähneknirschend auf die Sprünge.

"Gesundheit!", erwidert der Clown grinsend und prompt bricht Cobblepot in quakendes Gelächter aus.

Großartig.

Warum bin ich heute überhaupt aufgestanden?
 

Meine Genugtuung wächst ins Unermessliche, als der Joker dich ins Visier nimmt. Und weil's so schön ist, bedeute ich den Wachen, ein Stück zurückzubleiben. Wollen wir doch mal sehen, was passiert, wenn man euch beide aufeinander loslässt.

Quinzel lacht begeistert über ihren Liebsten und hüpft so enthusiastisch auf und ab, dass der Sicherheitsbeamte, der sie festhält einen blonden Zopf ins Gesicht gepeitscht bekommt. Dann hält sie allerdings inne und beugt sich nach vorn, um dich zu betrachten. Diesmal bekommt ihr Aufpasser ihr Hinterteil gegen die Hüfte gestoßen und zuckt zusammen.

"Hm ... Also, nun sei mal nicht so, Schatz. Dass sind doch jetzt unsere neuen Mitbewohner!"

Sie scheint ganz begeistert zu sein, hier in Arkham »wohnen« zu dürfen.

"Ich bin Harley", sagt sie höflich und schickt einen schrecklich verliebten Blick zum Joker. "Und das ist mein Schatz."

"Ja, Miss Quinzel, alle sind unglaublich verknallt", unterbreche ich sie Augen rollend, als sie schon zu größeren Lobreden ausholen will. "Wir alle wissen, wer Ihr Freund ist."
 

Kurz huscht mein Blick zu der blonden Quietscheente, die anscheinend Alles in den Himmel lobt, was der Clown macht und sagt. Und dabei fand ich sie sogar ganz attraktiv. Und ich frage mich, wie eine so offensichtlich dumme Person den Abschluss am College geschafft hat.

Mein Blick wandert zurück zum Joker, der mich mit einem stechenden Blick fixiert. Es gefällt mir überhaupt nicht, wie er mich ansieht. Und Cobblepots Gequake neben mir macht die Sache auch nicht besser.

"Halt den Schnabel, Oswald!", zische ich ihm zu und augenblicklich verstummt er.

Er kann sich anscheinend noch gut genug an mich erinnern, um sich weitere Schritte zu entfernen.

Gut.

Dann mustere ich den Clown von oben bis unten mit einer skeptisch angehobenen Augenbraue.

"Bist du aus dem Zirkus ausgebrochen oder gegen eine Wand gerannt? Ernsthaft, du siehst aus, als ob du aus Frankensteins Gruselkabinett kommst. Und dann das blonde Dummchen."

Mitleidig schüttle ich den Kopf.
 

Mühsam unterdrücke ich ein schnaubendes Lachen, als Quinzel empört nach Luft schnappt.

"Jetzt hör mal zu, Schätzchen!", echauffiert sie sich. "Mein Mr. J sieht ganz wunderbar aus! Besser, als du halbes Hemd jemals aussehen wirst!"

Scheinbar dringt nicht mal die Beleidigung gegen sie selbst zu ihr vor, so eifrig ist sie dabei, den Clown zu verteidigen. Sogar ich muss zugeben, dass du attraktiver bist als dieser Chemieunfall. Nun wird sie für den Arzt in mir doch interessant.

Was muss in dieser Person kaputt sein, dass sie sich in diesen Kerl verguckt?

Quinzel wettert unaufhörlich weiter und ich lasse sie machen. Ich gehe unterdessen dazu über, mich einzumischen.

"Tja, Edward. Du weißt doch ganz genau, was mit ihm passiert ist."

Feixend wende ich mich an den Joker.

"Immerhin ist Edward derjenige, der uns so tatkräftig dabei unterstützt hat, dich ausfindig zu machen."
 

Auch wenn ich eigentlich nicht wirklich in fröhlicher Stimmung bin, schleicht sich doch ein Grinsen auf meine Lippen, als die mittlerweile berühmt berüchtigte Harley Quinn anfängt, mir eine Standpauke zu halten. Allerdings entgeht ihr, dass ihre Worte bei mir in einem Ohr rein gehen und im anderen wieder raus.

Doch als du dann den Mund aufmachst und dem Joker direkt auf die Nase bindest, dass ich etwas mit seiner Festnahme zu tun habe, fällt mein Grinsen wieder in sich zusammen.

Super.

Absolut fantastisch.

Im letzten Moment kann ich es mir verkneifen, mir die flache Hand ins Gesicht zu schlagen und den Kopf hängen zu lassen.

Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich dich hasse?

Du genießt es anscheinend richtig, mich in noch mehr Schwierigkeiten zu bringen, als ich sowieso schon habe.

Na danke aber auch.

Das Gesicht des Jokers nimmt einen fast schon mörderischen Ausdruck an.

"Was du nicht sagst, Doc ...", sagt er leise mit einem raubtierhaften Glitzern in den Augen.
 

Während Joker so aussieht, als würde er bereits auf Rache sinnen, braucht seine Gespielin ein bisschen länger. Man sieht die Zahnräder in ihrem hübschen Köpfchen förmlich arbeiten, doch dann schaut sie schockiert von Joker zu dir, zu mir und wieder zu dir. Und dann prescht sie vor zum Zaun und nietet dabei gleich drei Wachen um. Und das, obwohl sie in Handschellen steckt. Da versteht man doch plötzlich, was der Clown an ihr findet.

Die gezogenen Waffen, die nun auf sie gerichtet sind, ignoriert sie geflissentlich. Stattdessen legt sie so richtig los, schimpft dich einen Verräter und erinnert dich an deine Verpflichtung gegenüber deinen Mitverbrechern da draußen - eine Verpflichtung, von der ich als Teil des Systems definitiv gehört hätte, wenn es so etwas absurdes denn unter Mördern und Mafiosi gäbe.

Ich höre mir ihre Schimpftirade eine Weile lang an, dann greife ich seelenruhig in meine Kitteltasche und hole dein heißbegehrtes Bild hervor.

"Wissen Sie, Miss Quinzel. Er kann gar nichts dafür. Er hat es aus väterlicher Fürsorge getan."

Gemächlich falte ich das Bild auseinander, betrachte es ein letztes Mal mit einem gespielt melancholischen Seufzen und schmeiße es durch den Zaun, sodass es dir entgegen segelt.
 

Quinns Schimpftirade interessiert mich herzlich wenig, denn was sie von meiner angeblichen Verpflichtung faselt, ist mir vollkommen egal. Was interessieren mich die anderen Verbrecher in der Stadt schon groß, solange sie mich in Ruhe lassen. Ich arbeite grundsätzlich allein und brauche keine Pseudo-Kriminellen, die sich aufspielen.

Doch der Blick des Jokers lässt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Leider ist er nicht so doof wie seine Freundin und so weit ich es mitbekommen habe, auch sehr nachtragend. Da kommt sicherlich noch einiges auf mich zu.

"Gerade erst neu im Geschäft und schon legst du dich also mit den ganz Großen an. Na du bist mir ja Einer", sagt der Clown grinsend.

Als du dann auch noch deinen Senf dazu gibst und das Ultraschallbild, weswegen ich das überhaupt gemacht habe, in meine Richtung wirfst, kann ich dich nur noch sprachlos und schockiert anstarren. Und ich kann dir ansehen, dass du gerade einen Mordsspaß dabei hast.

Dass nutzt Cobblepot sofort aus und schnappt sich das Bild, bevor ich überhaupt von der Bank aufstehen kann. Er wirft einen Blick darauf und grinst mich dann süffisant an.

"Immer schön einen Fuß in der Tür vom GCPD was?", fragt er mit einem quakenden Lachen.

Und auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass ich jetzt das Falsche tue, kann ich in diesem Moment gar nicht anders und werfe dem Pinguin zielsicher Shakespeare an den Kopf. Er lässt das Bild fallen, sieht mich erstaunt an und macht ein paar Schritte zurück, als ich mich erhebe und das Bild an mich nehme. Dabei werfe ich dir einen Blick zu, der töten kann.
 

Die Situation wird sogar noch herrlicher, als sich Oswald einschaltet. Der hat ja sogar Gordons Augenstern schon live miterlebt. Kein Wunder, dass jetzt die Neugier siegt und er sich wieder an dich heran traut.

Überrascht ziehe ich die Brauen nach oben, als du Oswald dein Buch an den Kopf schmeißt. Ich kann mir ein leises Auflachen nicht verkneifen, weil der Pinguin mit seinem bedröppelten Blick und der roten Beule an der Stirn einfach ein urkomisches Bild abgibt.

"Dr. Crane, sollen wir -"

"Nein, nein. Oswald wird jetzt gehen und Edward lässt ihn in Ruhe", unterbreche ich die Wache. "Stimmt doch, oder?"

Der Pinguin nutzt die Gelegenheit und trollt sich stolpernd. Zufrieden sehe ich ihm nach und erwidere deinen mörderischen Blick dann mit einem kühlen Lächeln.

Das ist ungefähr die Zeitspanne, die Quinzel zum nachdenken nötig hatte. Jetzt legt sie los.

"Ist das ein Ultraschallbild?"

Sie drückt ihr Gesicht so in den Zaun, dass sie danach wahrscheinlich einen Abdruck haben wird.

"Oh, sieh doch Mr. J! Ist das nicht niedlich? Er wird Daddy!"

Sie wirft dem Joker einen derart begeisterten Blick zu, dass ich beschließe, die beiden so weit voneinander entfernt unterzubringen wie möglich. Bevor Quinzel auf die Idee kommt, in meiner Anstalt an der Produktion von eigenem Nachwuchs zu arbeiten.
 

Fast hätte ich wütend die Fäuste geballt und dabei das Ultraschallbild in meiner Hand verknüllt. Quasi im letzten Moment kann ich mich selber davon abhalten, hebe stattdessen betont ruhig Shakespeare auf und stecke das Bild zwischen die Seiten - auch um zu verhindern, dass die nervtötend neugierige Harley Quinn irgendetwas sehen kann.

Misstrauisch werfe ich dem blonden Quälgeist mit einer hochgezogenen Augenbraue einen Blick zu, als sie so begeistert ist. Ich schätze sie zwar verrückt genug ein, dass sie wirklich mit dem Clown ins Bett geht, aber ich bezweifle stark, dass er so dumm ist, sich ein Kind mit ihr anzuschaffen. Eher klaut er einen Kinderwagen, bevor er eins mit Quinn fabriziert.

Was ich vom Blick des Jokers halten soll, weiß ich nicht. Auf der einen Seite sieht er mich an, als ob er mich bei der ersten Gelegenheit einen Kopf kürzer machen will, weil er jetzt hier in Arkham ist. Auf der anderen Seite wirkt er ein wenig so, als ob es ihn brennend interessiert, wie ich es hinbekommen habe, ihn zu verpfeifen. Ich sollte wohl aufpassen, nicht mit ihm alleine zu sein. Ich traue ihm Alles zu.
 

Quinzel schwebt förmlich zu ihrem Liebsten hinüber und versucht umständlich, ihn trotz ihrer Handschellen zu umarmen, während er dich immer noch eingehend mustert, als würde er dich einem Scan unterziehen und die Informationen abspeichern. Oh, das ist fantastisch. Euch beide sollte man zusammen in einem Raum einsperren und eine Kamera aufstellen.

"Mr. J?"

Ich weise einen Wachmann an, sie von Joker wegzuziehen, bevor sie es schafft, an ihm hochzuklettern, ohne die Hände zu benutzen.

"Sei nicht so streng mit ihm, okay? Er hat es doch für sein Kleines gemacht."

Genervt verdrehe ich die Augen. Diese Frau hat aber auch das Bedürfnis, Alles und Jeden zu bemuttern ...
 

Kurz folgt mein Blick Quinn, die sich darüber echauffiert, dass sie nicht bei ihrem Liebsten sein darf und fast hätte ich dem Joker einen mitleidigen Blick geschenkt, weil er diese kleine Klette bislang ertragen hat. Wie er das geschafft hat, ist mir im Augenblick noch ein Rätsel. Ich hätte sie wohl schon nach zehn Minuten mit einem Kissen erstickt, damit sie endlich den Mund hält.

Du jedenfalls scheinst auch nicht gerade hellauf begeistert über ihre Anwesenheit zu sein. Na ja, du wolltest ja eigentlich auch nur den Clown haben, der aber anscheinend - dank deiner Hilfe - mehr Interesse an mir hat, als an dir.

"Du arbeitest also mit dem Quacksalber zusammen", murmelt der Joker in diesem Moment und ich sehe ihn ein paar Sekunden lang verwirrt an, ehe ich die Tragweite seiner Worte begreife.

"Mit Sicherheit nicht", zische ich ihm leise zu und werfe dir wieder einen frustrierten Blick zu.

"Ah, dann ist es Erpressung. Und ich dachte, dass wäre dein Spezialgebiet, wenn man der Presse glauben darf", erwiderte der Joker kichernd.

"Du hast ja keine Ahnung ...", sage ich, bevor ich mich davon abhalten kann.

Der Clown folgt meinem Blick zu dir.

"Mhm ...", macht er übertrieben wissend und nickt dabei. "Als Chef von diesem Laden macht es ihm ein bisschen zu viel Spaß. Find' ich gut!"

Der Joker grinst mich breit an und ich erwidere seinen Blick mit einer hochgezogenen Augenbraue. Klar, dass er das Chaos liebt, aber irgendwas in seinen Worten sagt mir, dass du ihn nicht an der Nase herum führen kannst.

Kann es vielleicht sein, dass der Clown und ich tatsächlich was dich betrifft auf derselben Wellenlänge sind?
 

Mir gefällt eure kleine Plauderei nicht sonderlich. Klingt viel zu einvernehmlich nach meinem Geschmack. Und dass der Joker mich genauso wissend ansieht wie du, als du das erste Mal über die Schwelle der Anstalt gestolpert bist, ist ... interessant. Solange er den Mund hält, kein Problem. Und da der Clown sicher keine Informationen an das GCPD verkaufen wird, dürfte ich außer Gefahr sein.

"Wenn ich die Herren unterbrechen darf", schalte ich mich ein. "In meinem Beruf sollte man grundsätzlich mit ... Herz an die Sache herangehen. Stimmt's, Miss Quinzel?"

Die Blondine nickt eifrig.

"Sonst wird man ja verrückt, wenn's keinen Spaß macht!", kichert sie.

Scheinbar hält sie sich selbst nicht für verrückt. Typische Psychologenkrankheit. Kein Blick auf sich selbst.

"Und ganz am Rande", fahre ich fort. "Erpressung ist das nicht. Edward und ich greifen einander nur ein bisschen unter die Arme."

Ich zwinkere dir mit einer gehörigen Portion Gehässigkeit zu.

"Man sollte immerhin grundsätzlich ein vertrauliches Verhältnis zu seinen Patienten pflegen."

Wieder sehe ich Quinzel an.

"Stimmt's?"

Sie grinst zurück.

"Aber sicher, Doc!"
 

"Am Arsch, du scheinheiliger Wichtigtuer ...", murmle ich so leise, dass es nur der Joker hören kann.

Der sieht mich daraufhin breit grinsend an.

"Wir müssen unbedingt mal eine Gruppentherapiesitzung machen!", ruft er begeistert und sieht dich freudestrahlend an. "Ich will meinen neuen besten Freund ja schließlich besser kennen lernen."

Der Blick, den der Clown mir schenkt, lässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

Fantastisch.

Einfach nur fantastisch.

Die Fledermaus, du, Cobblepot und jetzt noch der Joker.

Können mir eigentlich noch mehr Leute auf den Keks gehen?
 

"Oh, ich denke das lässt sich einrichten", sage ich zufrieden.

Wenn der Clown es schon so nett vorschlägt.

Quinzel ist natürlich sofort Feuer und Flamme. Begeistert hüpft sie auf und ab.

"Au ja!"

Sie grinst mich überglücklich an.

"Und Johnny und ich leiten die Sitzung! Das wird super."

So enthusiastisch wie sie ist, wäre es beinahe niedlich. Wenn es nicht so unglaublich nervig wäre ...

"Wir werden sicher alle beste Freunde! Und ganz viel Spaß haben!"

Ich werfe dem Joker einen Blick zu, der ihm deutlich zu verstehen gibt, dass ich ihn für vollkommen beknackt halte, diese Frau an seiner Seite zu dulden.

So ... Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja ... Du wolltest ja strippen.

Ein paar Tage lang hatte ich Ruhe vor dir und deiner bescheuerten Freundin. Keine Ahnung, wo Crane euch weggeschlossen hat, aber ich persönlich hoffe, dass es ein tiefes, dunkles Loch irgendwo ganz weit weg war.

Leider war es nur nicht weit genug weg, denn als du freudestrahlend den Speisesaal betrittst, dir ohne genau hinzusehen einen Teller schnappst und zielsicher auf den Tisch zukommst, an dem ich alleine sitze, hätte ich fast die Gabel fallen lassen.

Nachdem, was du durch Crane über mich erfahren hast, verwette ich meinen Mustang, dass du mich trotz - oder gerade wegen - der Anwesenheit der Wachleute damit konfrontieren wirst, dass du mehr oder weniger meinetwegen hier drin bist.
 

Ah, ja. Der süße Duft der Freiheit. Oder eher der Geruch von schlecht gekochtem Kantinenfraß, nachdem ich tagelang in einer Zelle gehockt habe. Ich lasse mir von einem Mädchen mit hässlichem Überbiss einen Teller über die Ausgabe schieben und kümmere mich nicht groß um das Essen darauf. So oder so beschäftigen sie hier keine Spitzenköche. Amüsiert stelle ich fest, dass auf dem Namensschild der Kleinen Susie steht. Harley hat Recht, das hässliche Ding passt zu Crane.

Deinen Tisch habe ich schon beim Betreten des Raumes ausfindig gemacht und jetzt komme ich zielgerichtet zu dir und lasse mich dir gegenüber auf die Bank sinken. Natürlich Alles ordnungsgemäß in Boden verankert. Falls wir mit dem Mobiliar aufeinander losgehen. Der Gedanke bringt mich zum Lachen. Wäre schön, hier dem ein oder anderen mit einem Stuhl den Schädel einzuschlagen.

"Guten Morgen, Sternenglanz", grüße ich dich und schaue auf deinen Teller. "Die Welt sagt Hallo."

Außerdem scheint die Welt der Meinung zu sein, dass sie mir weder Besteck, noch eine Hähnchenkeule mitsamt Knochen anvertrauen können. Mein Fleisch ist bereits in mundgerechte Stücke zerlegt. Vielleicht sind hier tatsächlich ein paar Leute am Werk, die gar nicht so blöd sind. Crane vermutlich ...
 

Genervt rolle ich mit den Augen, als du mich so reizend begrüßt. Toll, und schon ist der ganze Tag versaut. Ich werfe dir einen kurzen Blick zu und begegne deinem Grinsen mit stoischer Gelassenheit. Die ist zwar größtenteils vorgespielt, aber bluffen kann ich.

Während ich betont desinteressiert nach der Plastikflasche Wasser greife - so einen Luxus wie Gläser oder Tassen gibt es hier nicht, weil wir Verrückten ja unsere Mitinsassen damit massakrieren könnten - rechne ich gedanklich aus, wie wahrscheinlich es ist, dass du über den Tisch hechtest und mich einen Kopf kürzer machen willst, wenn ich dir jetzt Sarkastisch komme.

"Morgen ist gut ...", murmle ich schließlich. "Wir haben Mittag, du Blitzmerker."

Eigentlich hatte ich vor, noch mehr zu sagen, aber meine Aufmerksamkeit wird kurz von deinem blonden Schatten beansprucht, die fröhlich hüpfend nun ebenfalls die Speiseraum betritt und direkt anfängt, mit dem Kantinenpersonal zu plauschen. Unwillkürlich muss ich den Kopf schütteln. Wer dieser Frau ein Diplom ausgestellt hat, muss eindeutig bekifft gewesen sein.
 

"Frühaufsteher, was?", lache ich und gähne dir demonstrativ ins Gesicht.

Meine Augen wandern nur ganz kurz prüfend zu Harley. Sie sieht in Ordnung aus. Die Anstaltskleidung ist nicht gerade der neueste Trend und ohne das hübsche Make-up wirkt sie langweilig, aber zumindest hat sie keine Blessuren, die nicht von meiner Hand stammen.

Zufrieden widme ich mich meinem Essen. Ich schiebe mir das Fleisch mit den Fingern in den Mund und lege großen Wert darauf, dabei möglichst angestrengt und unbeholfen auszusehen. Ich hätte so gerne eine Gabel. Ein Plastiklöffel täte es auch schon. Der Stiel ließe sich abbrechen ... und kleinen Ratten wie dir in ihre viel zu wachsamen Augen rammen.

"Also. Du. Lange nicht gesehen. Hab den Namen schon wieder vergessen."

Grinsend schlecke ich mir die Finger ab.

"Jedenfalls war es nichts, das fliegt oder watschelt."
 

Angewidert sehe ich dir zu, wie du dir mit bloßen Fingern das kaum genießbare Zeug, was sie Essen nennen, in den Mund stopfst und spüre dabei, wie die paar Bissen, die ich bislang runter gewürgt habe, mir noch einmal durch den Kopf gehen wollen.

Angeekelt schiebe ich den Teller von mir und nippe an der Wasserflasche, um die aufsteigende Magensäure im Zaum zu halten. Für einen anständigen Kaffee würde ich jetzt sogar einen Mord begehen.

"Nicht lange genug ...", erwidere ich und sehe demonstrativ an dir vorbei.

Deine Tischmanieren sind wirklich zum davon laufen.

"Cobblepot ist da drüben", füge ich hinzu und nicke in die entsprechende Richtung.
 

Mit einiger Genugtuung stelle ich fest, dass ich dir scheinbar den Appetit verdorben habe. Das tut mir jetzt aber leid. Ich schmatze kichernd und widme mich meinem Gemüse, schrumpeligen Möhrchen aus der Dose. Wie ... lecker.

"Ich weiß", informiere ich dich mit vollem Mund, ohne überhaupt zu meinem Waffenlieferanten zu sehen.

Stattdessen tausche ich über deine Schulter hinweg einen kurzen Blick mit Harley und lasse meinen Kopf kaum merklich in Richtung des Pinguins zucken. Harley ist sofort mit dem üblichen Enthusiasmus dabei und trippelt mit ihrem eigenen Teller zu Cobblepots Tisch. Natürlich nicht ohne mir ein paar überschwängliche Kusshände zuzuwerfen. Zur Belohnung für ihren Diensteifer bekommt sie ein Zwinkern zurück und errötet.

"Tja, mein Freund."

Ich konzentriere mich jetzt ganz auf dich, während meine reizende Handlangerin ihren Teller neben Cobblepots abstellt und ihm beinahe die Brüste in das hässliche Gesicht drückt, als sie sich umständlich zu ihm auf die Bank quetscht.

"Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, bin ich hier, weil du so ein großer Fan bist, dass du mich unbedingt herholen musstest."
 

Ich wünschte, ich hätte in diesem Augenblick meine Melone, um sie mir tief ins Gesicht zu schieben. Aber die liegt sicher mit meinem Anzug irgendwo in der Asservatenkammer des GCPD. Ich würde fast Alles tun, damit du mir nicht auf die Nerven gehst. Vielleicht sollte ich einfach eine kleine Schlägerei anzetteln oder so etwas in der Art. Irgendwas, was die Sicherheitsleute dazu bewegt, den Raum zu räumen. Momentan würde ich sogar eine Isolierzelle vorziehen.

"Wie wär's, wenn du einfach jemand anderem auf den Keks gehst? Wir sind sicher keine Freunde und ein Fan bin ich noch weniger. Lass mich einfach in Ruhe. Ich will mit deinem Mist nichts zu tun haben."

Ich habe schließlich mehr als genug eigene Probleme. Und du bist der Letzte, den ich auch noch auf diese Liste setzen will.
 

Mein Grinsen bleibt wie immer bestehen, aber ich spare mir die Mühe, meinen wütenden Blick zu verbergen.

"Hör mal, Puzzle-Junge."

Mit einem mörderischen Feixen beuge ich mich über den Tisch zu dir und lasse mein Essen links liegen. Stattdessen strecke ich eine Hand aus und ziehe deinen Teller weiter zu mir heran.

"Seit du deine süße kleine Klappe nicht halten konntest und Batsy unseren Aufenthaltsort gesteckt hast, ist das hier auch dein Mist."

Meine Hand schließt sich um die lächerlich kleine Plastikgabel, die noch in deinem Gemüse steckt.

"Versteh mich nicht falsch, ich bin ein sehr verträglicher, lieber Kerl."

Kichernd spiele ich mit der Gabel in meiner Hand. Nein, nicht Gabel. Waffe. Das bereitet mir ein geradezu irres Vergnügen.

"Aber wenn man mich ärgert, kann ich ein bisschen ... ungehalten werden. Und du, Schätzchen …"

Die Gabel zeigt nun anklagend auf dich.

"… bist wie der Typ auf dem Schulhof, der mir mein Pausenbrot und das Geld für die Milch weggenommen hat."
 

Nur ganz knapp kann ich es vermeiden, dass ich mich ein Stück zurück lehne, als du dich über den Tisch beugst. Dass mit dir nicht gut Kirschen essen ist, ist mir schon lange klar, aber wie du mich ansiehst zeigt mir deutlich, dass du eindeutig verrückt bist. Verrückt genug, um hier unvermittelt auf mich loszugehen. Deswegen muss ich meine Worte besser wählen und mit ein bisschen Glück kann ich doch sogar davon abbringen, dass ich Schuld daran bin, dass du jetzt hier in Arkham bist.

"Keine Ahnung, was der tolle Dr. Crane -"

Ich betone den Namen extra abfällig.

"- dir erzählt hat, aber warum sollte ich etwas damit zu tun haben, dass du hier bist? Ich kann die Fledermaus genauso wenig leiden wie du. Allerdings redet Crane schon seit Wochen davon, wie gerne er dich auf seiner Couch hätte."

Ich mache eine kurze bedeutungsschwangere Pause.

"Denk mal scharf nach ... Wer hätte den mehr Gründe, dich hierher zu bringen?"
 

"Der Doc hat mir gar nichts erzählt", sage ich.

Das stimmt natürlich nicht ganz. Ich bin inzwischen sehr gut darüber im Bilde, dass Crane alles andere als ein fürsorglicher Arzt ist. Und ich weiß auch, dass er meine Tür nach draußen sein kann. Allerdings noch nicht jetzt. Er freut sich nämlich so richtig, dass ich da bin, das ist ihm anzumerken. Was auch immer er will, durch ihn komme ich hier erst raus, wenn er es hat. Bedauerlicherweise wird er sich wohl nicht in mich verlieben und mich rauslassen, wie gewisse andere Personen. Dabei bin ich doch so reizend.

Ich lehne mich wieder ein Stück zurück und mustere dich eingehend. Sonderlich gefährlich siehst du ja nicht aus. Wahrscheinlich könnte Harley dich mit einem einzigen Schlag ausknocken. Deine Augen sind allerdings klug und wachsam, du bist kein vollkommen hoffnungsloser Fall für Gothams Unterwelt.

"Mir ist das alles eigentlich ziemlich egal", flöte ich achselzuckend. "Ist doch toll hier. Man muss nicht selbst putzen oder kochen, das Bett machen sie einem und Pillen sind auch ganz super."

Ich kichere leise in mich hinein. Dir den Schädel einschlagen würde ich trotzdem sehr gerne, denn wenn du glaubst, dass ich mich verarschen lasse, bist du eindeutig verrückter, als du scheinst.

"Außerdem ist Arkham ein wunderbarer Ort für einen kleinen Zwischenstopp, um ein bisschen Tratsch aufzuschnappen."

Feixend nicke ich in Cobblepots Richtung. Harley spielt inzwischen am Kragen seines Overalls herum und mimt die bewundernde Zuhörerin, während der gute Oswald ihr Informationen einflüstert, die er lieber unter Verschluss halten sollte.
 

Andeutungsweise hebe ich eine Augenbraue an, als du meinst, dass Crane dir nichts erzählt hat. Fast hätte ich sogar noch die Lippen zu einem ironischen Grinsen verzogen.

Wen willst du denn damit bescheißen?

Ich jedenfalls glaube dir kein Wort, denn wenn Crane irgendwie einen Vorteil ziehen kann, dann macht er es auch. Allerdings hoffe ich noch wie vor, dass der Quacksalber dich ordentlich durch die Mangel dreht. Und ich hoffe, dass du ihm das Leben richtig schwer machst.

Beim Stichwort Tratsch wandert meine Augenbraue sogar noch ein Stückchen höher und misstrauisch folge ich deinem Blick zu Cobblepot. Es gefällt mir nicht ein bisschen, wie du über den Pinguin sprichst, denn unterschwellig gibst du mir damit zu verstehen, dass er anscheinend interessante Informationen hat. Ich muss schlucken bei dem Gedanken, dass du durch ihn erfährst, was da mit Barbara ist.

"Tratsch ist aber noch lange nicht die Wahrheit", erwidere ich, als ich dich wieder ansehe. "Lass dir von Gerüchten keinen Bären aufbinden."
 

Kurz blinzle ich verdutzt, dann breche ich in schallendes Gelächter aus. Um uns herum wandern die Hände einiger Wachen zu ihren Waffen. Spaßbremsen ...

"Oh, das ist ja wirklich großartig", gluckse ich und wische mir demonstrativ eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

Man würde doch meinen, dass du schlauer bist. Na ja. Vielleicht bist du auch einfach ein bisschen verzweifelt.

"Der liebe Oswald weiß also was über dich, das ich nicht glauben soll", schlussfolgere ich amüsiert. "Du bist richtig süß, weißt du das?"

Ich hoffe, Harley führt gerade eine nette Unterhaltung über dich. Das ist sehr viel spaßiger als Pinguins schnöde Waffengeschäfte.

"Was ist es, hm? Kriminelle Machenschaften? Einflussreiche Angehörige? Ist die Haarfarbe nicht natürlich?"
 

Kurz zucke ich tatsächlich zusammen, als du plötzlich ohne Vorwarnung anfängst zu lachen. Schlimm, wie schreckhaft ich in letzter Zeit bin. Da kann ich nur hoffen, dass du nicht die richtigen Schlüsse daraus ziehst und das am Ende noch gegen mich verwendest. Ich sollte vielleicht einfach auf harmlosen Wirtschaftskriminellen machen. Es ist vermutlich das Beste, wenn du keine Gefahr in mir siehst.

"Oswald weiß gar nichts", sage ich, nachdem du dich wieder ein wenig beruhigt hast und lege wert darauf, dass meine Stimme ehrlich und selbstbewusst klingt.

Da ich nicht genau weiß, was Cobblepot weiß, muss ich bluffen.

"Er glaubt nur, dass er was weiß."

Ich mache eine kurze Pause und mustere dich skeptisch.

"Die Frage nach der Haarfarbe müsste ich eigentlich eher dir stellen ..."
 

"Oswald weiß immer irgendwas", berichtige ich dich. "Und auch das, was er nur zu wissen glaubt, ist grundsätzlich brauchbar. Allemal zur Unterhaltung."

Ich lächle dich erhaben an. Natürlich weiß Oswald etwas über dich und natürlich befürchtest du, dass er auch die ganze Wahrheit kennt. Noch einmal schaue ich zu Harley, die sich immer mehr ins Zeug legt. Scheinbar hält Oswald die wirklich brauchbaren Sachen noch unter Verschluss. Aber ich mache keine Sorgen. Meine reizende kleine Harl kann sehr überzeugend sein. Sie knöpft gerade ihren eigenen Overall ein Stückchen auf. Und im Ernstfall kann sie ihn mit ihrer Gabel bedrohen, weil alle Wachen auf mich achten.

"Das ist natürlich meine Naturhaarfarbe."

Ich fahre mit einer Hand durch mein Haar und werfe mich für dich in Pose.

"Willst du einen Beweis? Ich lasse gern die Hose runter ..."
 

Okay, anscheinend komme ich mit bluffen nicht allzu weit bei dir. Du bist wirklich nicht so doof, wie du aussiehst und ich werde wohl aufpassen müssen, was ich in deiner Gegenwart sage.

Ich folge wieder deinem Blick zu Oswald. Ich muss etwas tun, damit Cobblepot seinen Schnabel hält, denn so wie deine kleine Klette ran geht, fliegt ihm jeden Moment das Monokel weg. Aber es scheint ihm ja zu gefallen, dass die Kleine sich so an ihn ran wirft.

Kurz sehe ich wieder zu dir und erwidere dein Grinsen. Zusätzlich wippe ich kurz mit den Augenbrauen, denn ich habe eine grandiose Idee.

"Entschuldige mich kurz ...", murmle ich dir zu, ehe ich aufstehe, zu Oswald gehe und ihm einige Worte ins Ohr flüstere.

Harley spitzt zwar die Ohren, aber anhand ihres Gesichtsausdruckes weiß ich sofort, dass sie nichts versteht und deswegen frustriert ist.

Oswalds Gesichtsausdruck entspricht jedenfalls meiner Vorstellung. Er rückt augenblicklich ein Stück von Quinn weg und ich schenke ihr ein selbstgefälliges Grinsen, was selbst ihr deutlich machen sollte, dass der gute Oswald kein weiteres Wort mehr sagen wird.

Gemächlich schlendere ich wieder zurück zu dir und lasse mich lässig wieder auf die Bank sinken.

"So ... Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja ... Du wolltest ja strippen."

Ich grinse süffisant.

"Okay, fang an. Amüsiere mich."
 

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich zu, wie du dem Vogel irgendwas einflüsterst. Mögen die Spiele beginnen, denke ich mir und schlucke die Wut fürs erste.

Harley bedeutet mir mit einem Blick, dass sie nichts verstehen konnte. Scheint, als müsste ich es aus Oswald heraus prügeln. Das lässt sich einrichten. Der hübsche blaue Schatten um seine Nase schreit ja förmlich danach, um ein paar Blessuren ergänzt zu werden.

Als du wiederkommst, lache ich fröhlich über deine Aufforderung, aber mein Blick dürfte deutlich machen, dass du dich vorsehen solltest. Ohne dich aus den Augen zu lassen, erhebe ich mich und beginne gemächlich, meine Hose nach unten zu streifen. So einen schicken Overall haben sie mir nicht gegeben. Reißverschlüsse oder Knöpfe will Crane mir nicht anvertrauen. Deswegen habe ich eine Hose mit Gummizug an.

Ich bin noch nicht mal aus dem ersten Hosenbein heraus, da werde ich schon von einem Wachmann angeschrien.

"Hose hoch, Clown! Du bist ja völlig bekloppt!"

Während die Wachen mich packen und wieder ordnungsgemäß anziehen, lässt Harley ein anzügliches Pfeifen durch die Kantine hallen.

"Vorsicht, Jungs. Ich bekomme ganz schnell blaue Flecken", mahne ich die Aufseher. "Hab doch nichts gemacht."

Ich funkle dich direkt an.

"Ich hätte ihn höchstens mit der Hose erdrosselt. Kein großer Verlust, was?"

Ein Kichern entweicht mir.
 

Auch wenn es sicher nicht das Klügste ist, was ich in diesem Moment tun kann, fange ich an zu lachen, als du dich tatsächlich ausziehen willst, die Wachen aber noch rechtzeitig einschreiten. Es ist wirklich ein Bild für die Götter, wie die Jungs dir wieder die Hose hochzerren. Aber es ist einfach perfekt. Die Wachen haben dich immer schön im Auge und sicher bist du auch das neuste Lieblingsobjekt von Crane. Gut für mich, dann habe ich endlich mal wieder ein bisschen Luft.

"Wirklich hocherotisch", kommentiere ich deine Vorstellung und ignoriere deine Drohung geflissentlich. "Mit der Show solltest du im Fernsehen auftreten."

Grinsend mustere ich dich.

"Na ja, doch lieber im Zirkus."
 

"Ah, ich liebe den Zirkus", schwärme ich, während ich mich wie ein nasser Sack zwischen den Wachen hängen lasse.

Fluchend hieven sie mich zurück auf die Bank. Einer drückt ruppig meinen Kopf nach unten und nimmt mir die Gabel weg.

"Iss deinen verdammten Fraß auf, du Irrer", zischt er.

Dann sind wir wieder allein am Tisch und ich grinse dich breit an.

"Ich weiß, dass du dich jetzt angezogen fühlst. Aber ich habe eine Freundin", erinnere ich dich bedauernd. "Eigentlich ist sie auch die einzige, die mich so anpacken darf wie die Jungs. Aber manchmal muss man eine Ausnahme machen."

Ich lege eine Faust auf den Tisch und präsentiere dir ganz kurz die Schlüsselkarte, die ich vom Gürtel eines Wachmannes habe.

"Tada."
 

"Du bist nicht mein Typ", erwidere ich ebenfalls grinsend. "Außerdem würde deine kleine Klette vermutlich nur komplett durchdrehen, wenn wir jetzt auf einmal beste Freunde sind."

Prompt werde ich wieder ernst und werfe einen skeptischen Blick auf die Schlüsselkarte.

"Für einen Taschenspielertrick nicht schlecht."

Gespielt anerkennend nicke ich dir zu.

"In zwei Stunden ist Schichtwechsel. Dann merken selbst die Idioten hier, dass die Karte weg ist - und dann werden sie die Zellen durchsuchen."
 

"Ach, was Harley vertraut mir."

Ich winke beiläufig ab. Harley ist nicht nur eine hingebungsvolle Handlangerin, sondern auch so wunderbar blauäugig, dass ich mir nicht mal Mühe geben muss, sie bei der Stange zu halten.

Zufrieden lasse ich die Schlüsselkarte vorn in meinem Hosenbund verschwinden und ziehe das T-Shirt darüber.

"Da müssen sie mich wohl oder übel abtasten."

Ich reibe mir erwartungsfroh die Hände.

"Eine Weile her, dass ich jemanden zum ... Spielen hatte."

Ich lache verheißungsvoll. Wird Zeit, in dem Laden für ein bisschen Chaos zu sorgen.

Das ist kein Wink mit dem Zaunspfahl mehr. Das ist schon ein ganzer Zaun.

Nachdem du dich bei den letzten Sitzungen zurück gehalten hast - und ich mehr oder weniger kooperativ war - habe ich eigentlich angenommen, dass auch unsere heutige Sitzung relativ locker und entspannt laufen wird. Du hast endlich den Joker auf deiner Couch.

Eigentlich sollte ich damit endlich aus dem Schneider sein.

Uneigentlich wird mir schon bewusst, als du mich höchstpersönlich in meiner Zelle abholst, dass heute irgendetwas anders ist.

Was das genau ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Mein Bauchgefühl aber sagt mir, dass diese Sitzung nicht gut laufen wird.
 

Als wir nebeneinander den Gang entlanggehen, halte ich dich davon ab, den Weg zu unserem üblichen Therapiezimmer einzuschlagen. Nicht heute.

Stattdessen führe ich dich in mein Büro, wo ich dir wieder den Stuhl vor meinem Schreibtisch anbiete, während ich die Tür verriegle. Heute ist das Experiment geplant und geschieht nicht im Affekt, deswegen bin ich besser vorbereitet.

Trotzdem ist meine Laune ziemlich schlecht.

Du spielst den Kooperativen, aber die Dinge, die ich wirklich wissen will, erfahre ich nicht.

Quinzel ist bei unseren Sitzungen dazu übergegangen, mir dämliche Gegenfragen zu stellen, als würde sie mich therapieren und nicht anders herum. Am schlimmsten ist, dass ihre Fragen manchmal sogar ins Schwarze treffen.

Der Clown ist eine Plage. Zwei Wachen haben seinetwegen gekündigt, drei sind tot und Erfolge in den Sitzungen gab es keine.

Alles in allem ist der momentane Stand der Dinge unglaublich frustrierend.

"Also, Edward."

Grantig stapfe ich zu meinem Stuhl und lasse mich darauf sinken.

"Überspringen wir das übliche Geplänkel, wir sind ja unter uns."

Ich sehe dich über den Rand meiner Brille hinweg an.

"Du hast mir immer noch nicht erzählt, wie es nun mit Barbara und dir weitergeht."
 

Schon alleine die Tatsache, dass du mich abhältst, den Weg zum Therapiezimmer einzuschlagen, lässt mich ahnen, dass heute etwas anders ist. Aber selbst wenn das noch nicht gereicht hätte, spätestens als wir in deinem Büro sind und du die Tür abschließt, ist es kein Wink mit dem Zaunspfahl mehr. Das ist schon ein ganzer Zaun.

Als ich das leise Klicken des Schlosses höre, fühle ich mich augenblicklich gefangen und ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich fühle mich hier mit dir in deinem Büro mehr als nur unwohl, denn die Erinnerung an meinen letzten Aufenthalt hier drin ist nach wie vor sehr präsent. Und ich gehe jede Wette ein, dass dir das auch bewusst ist. Irgendetwas planst du doch und ich habe einen leisen Verdacht, was das ist.

Während du dich hinter deinen Schreibtisch setzt, bleibe ich misstrauisch an der Tür stehen. Theoretisch ist es kein Problem, dass Schloss auch ohne Schlüssel aufzubekommen, allerdings bezweifle ich ernsthaft, dass du mir die Zeit dafür gibst. Am besten spiele ich wohl erst einmal mit.

"Mein Privatleben geht dich nichts an", erwidere ich leise und mit Vorsicht in der Stimme.
 

"Ich bin dein Therapeut, Edward", seufze ich.

Tatsächlich bin ich die Diskussionen inzwischen leid. Weil sie sich immer wiederholen, ohne Ergebnisse zu liefern.

"Setz dich hin."

Der Befehlston in meiner Stimme ist kaum zu überhören und ich nehme die Brille ab, schlage die Bügel ein und lege sie vor mich auf den Tisch.

"Deine ewige Aufmüpfigkeit geht mir ehrlich gesagt auf den Zeiger", gestehe ich sauer und sehe dich eindringlich an.

Warnend.

Viel fehlt nicht mehr dazu und ich werde mit drastischen Methoden für einen Fortschritt in der »Behandlung« sorgen.

"Tu dir selbst einen Gefallen und kooperiere. Und ich meine wirklich kooperieren. Denkst du wirklich, ich merke nicht, wie du mir ständig irgendwas auftischst, was eigentlich völlig nichtssagend ist? Hältst du mich ernsthaft für so blöd?"
 

Der Ton in deiner Stimme lässt mir erneut einen Schauer über den Rücken laufen. Ich muss jetzt ganz gewaltig aufpassen, was ich mache, ansonsten bin ich wirklich am Arsch, denn ich habe absolut kein Interesse daran, wieder Teil deines Experimentes zu werden. Also füge ich mich notgedrungen und nähere mich langsam deinem Schreibtisch.

Im Prinzip habe ich jetzt nur zwei Möglichkeiten. Entweder tue ich genau das, was du von mir willst oder ich kratze alles an Selbstbewusstsein, was ich noch habe, zusammen und biete dir die Stirn. So oder so wirst du mich durch die Hölle gehen lassen, also kann ich es genauso gut auch mit Würde tun.

Während ich mich auf den Stuhl dir gegenüber setze, atme ich tief durch und erwidere deinen Blick.

"Ehrlich gesagt, ja, ich halte dich für ziemlich dämlich. Aber das tut nichts zur Sache, denn ich habe nicht vor, weiterhin mit dir zu kooperieren."

Ich mache eine kurze Pause.

"Du hast deinen Willen bekommen und den Joker auf deiner Couch. Herzlich Glückwunsch. Damit sind wir quitt."
 

"Es ging nie darum, quitt zu sein."

Aufmerksam mustere ich dich. Ich glaube dir aufs Wort, dass du nicht vorhast, zu kooperieren. Das ist nicht dein Stil. Und es zeigt mir, dass ich mich mehr ins Zeug legen muss, wenn ich deinen Willen wirklich brechen will.

"Ich halte dich auch nicht für besonders helle, wenn ich mir dein Verhalten so ansehe."

Langsam erhebe ich mich und gehe zu meinem Schrank hinüber.

"Aber sei's drum. Wir wissen beide, was jetzt kommt. Also mache ich mir nicht die Mühe, dich vorzubereiten."

Schwungvoll öffne ich den Schrank, schnappe mir eine Dosis meines Toxins und nehme die Maske. Der Stoff unter meinen Fingern hat schon jetzt eine geradezu beruhigende Wirkung. Ich setze mir die Maske auf und drehe mich enthusiastisch zu dir um.

"Wollen wir dann?"
 

Unwillkürlich erschaudere ich, als du aufstehst und zu deinem Schrank gehst. Ganz kurz steigt Panik in mir hoch und mein Blick flackert zur Tür.

Abgeschlossen.

Den Schlüssel trägst du bei dir. Und solange du dieses psychoaktive Zeug in den Händen hast, tangiert meine Chance gegen Null, ihn dir abzunehmen.

Ganz toll.

Die Chancen, die Tür anderweitig zu öffnen sehen auch nicht viel besser aus. Der Brieföffner auf deinem Schreibtisch sieht zwar verlockend aus, aber mir ist klar, dass die Zeit nicht reichen wird. Also muss ich die einzige Möglichkeit nutzen, die ich noch habe: Dich solange reizen, bis du einen Fehler machst.

Betont ruhig erhebe ich mich wieder und verberge meine jetzt schon zitternden Hände hinter dem Rücken.

"Du weißt, dass du unglaublich albern mit dem hässlichen Ding aussiehst, oder?", frage ich spottend, auch wenn meine Stimme leicht zittert.

Ich lehne mich mit dem Becken an deinen Schreibtisch, während ich deinem Blick standhalte - was mir richtig schwer fällt - und schaffe es sogar, den Brieföffner in die Finger zu bekommen, ohne dass du es mitbekommst.

"Gut ...", sage ich dann ergeben, stecke die Hände in die Hosentaschen und lasse so auch gleich unauffällig den Brieföffner verschwinden. "Bringen wir es hinter uns ..."

Dieses Mal bin ich besser vorbereitet und ich werde sicher nicht kampflos aufgeben.

Nicht bei dir.
 

Dir ist anzumerken, dass du nicht so selbstbewusst bist, wie du dich gibst.

Du hast Angst.

Wunderbar.

Gelassen lehne ich mich gegen den Schrank mit dem Toxin. Dadurch befinde ich mich zwischen dir und der Tür, was dir den Fluchtweg versperrt. Nicht dass du noch Gelegenheit zum fliehen bekommen würdest.

"Zumindest ist sie nicht knallgrün mit einem komischen Hut", sage ich ungerührt. "Und wenn sie so albern ist - warum hatte der kleine Edward denn dann beim letzten Mal so viel Angst?"
 

"Immer noch besser als das, was du hier zur Schau stellst", erwidere ich und höre selber, wie wenig selbstbewusst meine Stimme klingt.

Tja ... Leider muss ich zugeben, dass du vollkommen recht damit hast, dass ich wirklich Angst habe.

"Aber hey ...", füge ich hinzu und bringe sogar ein kleines spöttisches Grinsen zustande, um damit zu überspielen, dass die Panik in mir immer stärker wird.

Betont lässig verschränke ich die Arme vor dem Oberkörper.

"Alles sieht besser aus als dieser Kartoffelsack, du Vogelscheuche."
 

Das Wort Vogelscheuche lässt mich herzhaft lachen, auch wenn du sicher anderes im Sinn hattest.

"Hey ... gar nicht mal so schlecht", murmle ich.

Tatsächlich hast du da einen interessanten Einfall gehabt.

"Scarecrow ...", flüstere ich nachdenklich und grinse begeistert.

Einen Moment lang bin ich so mit diesem Wort beschäftigt, dass ich dich kurz aus den Augen lasse, dann aber sofort wieder zu dir sehe.

"Ich habe mir ja schon gedacht, dass du nützlich für meine Forschungen sein wirst. Trotzdem überraschst du mich immer wieder. Also. Auf zur nächsten Runde."

Mit einem leisen Lachen stoße ich mich vom Schrank ab und komme auf dich zu.
 

Ich schenke dir einen seltsamen Blick, als du plötzlich anfängst zu lachen und frage mich, wie verrückt du eigentlich wirklich bist. Nun ja, definitiv verrückter als ich, so viel steht schon mal fest.

Doch als du dann auf mich zu kommst, verkrampfe ich sofort und auch meine Atemfrequenz erhöht sich deutlich. Auch wenn ich versuche, souverän zu wirken, bezweifle ich ernsthaft, dass mir das auch gelingt. Ich weiß ja selber, dass ich selbst mit verschränkten Armen das Zittern meiner Hände nicht mehr unterdrücken oder verstecken kann.

Egal, was jetzt auch kommt, es ist nicht real, sage ich mir in Gedanken. Ich bin intelligent genug, um über dem zu stehen, was mir mein Verstand bedingt durch deine Drogen gleich vorspielen wird.
 

Es ist köstlich zu sehen, wie die Panik allmählich Oberhand gewinnt. Angst.

Mehr will ich ja gar nicht.

Nur sehen, wie du ein bisschen zitterst. Vielleicht schreist.

Oder den Verstand völlig verlierst.

Ich komme immer weiter auf sich zu, dränge dich völlig zurück gegen den Schreibtisch und strecke im letzten Moment die Hand aus, um dir mein Toxin ins Gesicht zu sprühen.

"Dann wollen wir mal sehen, was dich bedrückt, Edward. Ich will dir ja nur helfen ...", lache ich.
 

Auch wenn ich mir wirklich die größte Mühe gebe, dir meine Angst nicht zu zeigen, bin ich mir ziemlich sicher, dass mir das nicht gelingt. Starr vor Schreck kann ich dich nur mit weit aufgerissenen Augen ansehen wie du den Arm hoch reißt und mir wieder dieses Zeug ins Gesicht sprühst. Entgegen jeder Vernunft und dem Selbsterhaltungstrieb hebe ich nicht einmal die Arme, um mich irgendwie davor zu schützen. Wahrscheinlich, weil mir klar ist, dass es keinen Schutz gibt. Oder weil ich schon zur Salzsäule mutiert bin.

Wie auch beim letzten Mal zeigt dieses Zeug sofort Wirkung, doch dieses Mal kann ich es wenigstens verhindern, dass ich auf den Boden sinke. Stattdessen reiße ich die Arme nach hinten und kralle mich fast schon an deinem Schreibtisch fest, als meine Knie nachgeben, und versuche, auf den Beinen zu bleiben. Mit einem panischen Blick und bebenden Lippen starre ich deine groteske Maske an, aus deren Öffnungen undefinierbare Kreaturen zucken.

"Nicht real ...", flüstere ich stockend vor mich hin.

Ich zittere mittlerweile am ganzen Körper und kann den Blick nicht von deiner hässlichen Fratze lösen.
 

"Nicht real, papperlapapp."

Gelangweilt winke ich ab.

"Das hatten wir doch beim letzten Mal schon."

Diesmal rücke ich nicht von dir ab und verziehe mich hinter den Tisch. Stattdessen bleibe ich direkt vor dir stehen und packe dich an den Schultern.

"Noch einmal, Edward: Wie war dein Wochenende?"
 

Ich zucke heftig zusammen, als du mich an den Schultern anfasst. Für einen Moment vergesse ich sogar das atmen, weil ich dich nur noch mit großen Augen panisch anstarren kann. Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe das Gefühl, dass meine Unterlippe bereits anfängt zu zittern. Ich bin starr vor Schreck und realisiere nicht einmal wirklich, was du gerade von mir willst.
 

Genervt verdrehe ich die Augen. Es wäre so viel einfacher, wenn du einfach tun würdest, was man dir sagt. Aber nein, jetzt machst du natürlich einen auf Salzsäule. Du hast ja keine Ahnung, wie frustrierend du bist.

"Edward", sage ich barsch und schüttle dich ein bisschen. "Antworte. Jetzt!"
 

Es ist wie, als ob du durch das Schütteln einen Schalter in mir umgelegt hättest, denn mit einem Mal wirkt sich meine Panik so aus, dass ich meine Arme nach vorne reiße und dich ein paar Schritte von mir weg schubse. Ich atme heftig und es grenzt fast an ein Wunder, dass ich nicht panisch zur Tür stürze.

"Geh weg von mir ...", hauche ich mit deutlicher Panik in meiner dünnen Stimme.
 

Überrascht stolpere ich zurück. Das ist doch zumindest eine Verbesserung.

"Dann tu doch einfach, was ich sage ..."

Langsam komme ich wieder auf dich zu, mir darüber im Klaren, dass ich dadurch deine Panik steigere. Mein Grinsen unter der Maske wird immer breiter, als ich wieder die Hände nach dir ausstrecke.

"Komm schon, Eddie …"

Deinen Spitznamen betone ich abfällig.

"Was siehst du diesmal? Daddy? Ein Kind ohne Zukunft? Beides?"

Ich lache gehässig.
 

Es ist wieder wie beim letzten Mal. Immer deutlicher verwandelt sich deine hässliche Fratze in das gehässig grinsende Gesicht meines Vaters. Und ich fühle mich in die Ecke gedrängt und in der Falle. Wieder bin ich handlungsunfähig, weil ich dir - ihm - gegenüber stehe.

Dunkel erinnere ich mich daran, dass ich es doch schon einmal geschafft habe, dir die Stirn zu bieten und ganz automatisch verschwindet eine Hand in der Hosentasche und umklammert den Brieföffner.

Und ganz tief in mir drin bin ich mir trotz dieser furchtbaren Halluzinationen bewusst, dass ich mich selbst aus dieser Lage befreien muss. Es wird nur aufhören, wenn ich mich dagegen wehre.

Was ich eigentlich antworten will, habe ich völlig vergessen. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dich leiden zu lassen.

"Was ist, hm?"

Leise lache ich dich aus.

"Du bekommst den Mund nicht auf, aber sonst machst du auch nichts. Das war doch wohl nicht alles, dieser läppische kleine Schubser?"

Ich schüttle den Kopf und spiele meine Trumpfkarte.

"Du bist so eine Enttäuschung, Edward."

Ruckartig mache ich einen Schritt nach vorn, um wieder deine Schultern zu fassen zu bekommen.
 

Kaum, dass du den Schritt auf mich zu machst, zucke ich wieder heftig zusammen und meine Hand klammert sich so fest um den Brieföffner, dass es weh tut. Aber eigentlich spüre ich den Schmerz gar nicht richtig, da ich viel zu sehr auf dich fixiert bin.

Durch die Panik, die stärker wird, je näher du mir kommst, ziehe ich reflexartig die Hand aus der Hosentasche und gehe mit dem Brieföffner auf dich los. Ich erwische durch meine recht unkoordinierte Bewegung deine ausgestreckte Hand und ziehe den Brieföffner durch deine Handfläche.

Da du durch den Angriff perplex bist, versuche ich diese kleine Chance zu nutzen und stürze in Richtung Tür.
 

Der plötzliche Schmerz in meiner Hand trifft mich so unvorbereitet, dass ich erschrocken keuche, um einen kleinen Schrei zu unterdrücken.

"Du mieser Hund", stoße ich aus und halte meine Hand mit der anderen fest, um das Blut daran zu hindern, auf den Teppich zu tropfen.

Es hilft nicht viel.

"Das kriegst du zurück", zische ich.

Was ich eigentlich antworten will, habe ich völlig vergessen. Jetzt kommt es nur noch darauf an, dich leiden zu lassen.

Während du versuchst, dich aus dem Büro zu befreien, stapfe ich zu meinem Schrank, ohne mich darum zu kümmern, dass ich eine dünne Blutspur hinter mir herziehe. Ich reiße zwei weitere Dosen Toxin an mich, drehe mich zu dir um und bin innerhalb weniger Sekunden bei dir. Damit du dich von der Tür anwendest, ramme ich dich mit der Schulter und entleere die beiden Dosen gleichzeitig in dein Gesicht.

"Wie gefällt dir das?"
 

Ich kann gar nicht so schnell reagieren, als mich gegen die Tür schubst und mir noch mehr von diesem psychoaktiven Zeug ins Gesicht sprühst. Es dauert auch nur Sekunden, bis ich die Wirkung spüre und panisch nach Luft schnappe.

Völlig unkoordiniert versuche ich dich irgendwie von mir weg zu bekommen, aber meine Knie geben nach und ich rutsche apathisch an der Tür runter, während ich dich anstarre. Mittlerweile zittere ich am ganzen Körper und muss fest die Kiefer aufeinander pressen, um keine Laute von mir zu geben.

Diese ganze Situation ist erschreckend real und schlimmer - viel schlimmer - als das letzte Mal.
 

Zufrieden, aber reichlich außer Atem gehe ich vor dir in die Hocke und sehe eine Weile zu, wie du versuchst, gegen die Panik anzukämpfen. Schließlich strecke ich meine Hand aus und packe dein Kinn, um dich zu zwingen, mich anzusehen. Dabei schmiere ich etwas Blut in dein Gesicht, was mir herzlich egal ist.

"Wovor hast du Angst? Daddy ist tot. Viel realer ist doch die Chance, dass du deinem Kind gegenüber genauso wirst, wie er zu dir war. Ist es das? Oder fürchtest du die Bindung an Barbara? Wer will schon mit einer Frau zusammen hocken, die so eine schreckliche Klette ist?"
 

Auch wenn es mir zutiefst zuwider ist, dass du mich anfasst, bin ich gar nicht in der Lage, mich irgendwie dagegen zu wehren.

"Nein ...", hauche ich tonlos mit zitternder Stimme und drücke mich noch näher an die Tür. "Ich ... Ich will ihr nicht weh tun ..."

Ich schlucke schwer und merke nicht mal, dass mit langsam aber sicher Tränen in die Augen steigen.
 

"Awww, sag bloß, du magst das naive kleine Ding wirklich?"

Amüsiert tätschle ich dir die Wange.

"Dann muss es sicher schlimm für dich sein, dass sie da draußen ist und versucht, ihr Leben auf das Kind vorzubereiten ... Und du bist hier drin und kannst nichts machen."

Ich lache schnaubend.

"Das tut mir aber leid, Edward."
 

Deine Berührung an meiner Wange lässt mich zusammen zucken und automatisch versuche ich mich, so klein wie möglich zu machen. Da du aber immer noch mein Kinn in deinem Griff hast, habe ich momentan nicht den Hauch einer Chance, von dir wegzukommen.

"Sie ist mir wichtig ...", gebe ich schließlich leise zu und merke dabei nicht einmal, wie ehrlich ich eigentlich zu dir bin.
 

Begeistert lasse ich die Hände sinken und lege sie auf den Oberschenkeln ab. Na endlich kommen wir hier voran.

"So so. Kein Wunder, dass du dieses Ultraschallbild so behütet hast. Könnte mir ja fast leid tun, dass ich es dir weggenommen habe."

Ich lache leise in mich hinein.

"Fast."
 

"Ich will es besser machen ...", sage ich leise vor mich hin und nehme dich immer weniger richtig wahr. "Ich will es richtig machen ..."

Ich merke nicht einmal, dass die Tränen mittlerweile über meine Wangen laufen.

Unwillkürlich sehe ich vor mir, was ich Barbara in den letzten Wochen an den Kopf geworfen habe und muss schluchzen. Ich wollte dass doch Alles nie. Ich wollte nie, dass es soweit kommt, dass ich ihr mit purer Absicht weh tue. Aber genau das habe ich getan. Und es tut mir unendlich leid.
 

Zu sehen, wie du vor mir völlig zusammenbrichst, bereitet mir unglaubliche Freude. Die ganze Frustration der letzten Tage fällt angesichts dieses süßen Erfolges von mir ab und ich kann den Moment so richtig genießen.

"Aber natürlich willst du das", sage ich feixend. "Nur mit wollen ist es nicht getan. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du das hinbekommst. Du richtest doch bloß jeden Tag mehr Schaden an."
 

"Ich weiß ...", schluchze ich und versuche nicht besonders erfolgreich, die Tränen wegzublinzeln. "Deswegen soll sie sich von mir fernhalten ..."

Meine Stimme ist dünn, brüchig und weinerlich. "Aber das will ich gar nicht ..."

Ich schluchze erneut, kneife die Augen zusammen und lasse den Kopf hängen, weil die Tränen unaufhörlich laufen und mich mittlerweile fast so sehr schütteln wie das Zittern.
 

Eine Sekunde lang empfinde ich sogar ein kleines Fünkchen Mitleid für dich. Aber zu wenig, um dir zu helfen. Zu wenig, dass ich es überhaupt realisiere. Die diebische Freude, dich gebrochen zu haben, überwiegt und treibt mir ein leicht sadistisches Glitzern in die Augen.

"Das ist natürlich ein Dilemma...", raune ich. "Du bist dir also darüber im Klaren, dass es besser für wäre, sie in Ruhe zu lassen. Aber wie immer bist zu egoistisch, ihr diesen Gefallen zu tun. Und die arme Barbara muss darunter leiden. Oder hoffst du immer noch, dass alles wieder gut wird? Was willst du machen? Plötzlich ein langweiliges Familienleben führen? Im hübschen Vorstadthäuschen der Gordons?"
 

"Ich ... weiß es nicht ...", bringe ich stockend und unter Tränen hervor, während ich den Boden unter mir anstarre. "Ich ... will ihr nicht weh tun ..."

Ich habe inzwischen kaum noch Kontrolle über meinen Körper und zittere unkontrolliert. Einen klaren Gedanken kann ich auch nicht mehr fassen. Alles, was ich weiß, ist, dass ich jetzt unbedingt bei Barbara sein will.
 

"Was weißt du eigentlich...", murmle ich gehässig.

Ständig markierst du den Allwissenden und tust so, als wärst du vollkommen unantastbar. Von wegen.

Das hier ist, wie du wirklich bist.

Dieses bemitleidenswerte Häufchen Elend zeigt, wie es in dir tatsächlich aussieht. Eigentlich bist du unsicher und geplagt von Selbstzweifeln und versuchst das alles hinter deiner Arroganz zu verstecken. Das hat sich dann jetzt wohl erledigt.
 

"Ich ...", schluchze ich unter Tränen und fühle mich so klein und nichtig unter deinem Blick und den Worten.

Wie mein Vater.

Genau wie mein Vater.

"Es ... tut mir ... leid. Ich wollte das doch nie ..."

Inzwischen realisiere ich nicht einmal mehr, wo ich bin und wer du bist. "Ich habe ... alles ruiniert", murmle ich apathisch vor mich hin. "Ich hatte Pläne ... Ich wollte die Fledermaus ..."

Ich muss mich unterbrechen, um zu schluchzen.

"Ich habe meinen Vater aus dem Weg geräumt ... Ich will eine richtige Familie ..."
 

Unter der Maske verdrehe ich die Augen. Blablabla. Du armes Ding. Du merkst nicht mal, dass du ausgerechnet mir deine traurige Situation vorjammerst.

In Momenten wie diesen wird es doch offensichtlich, warum du hier eingewiesen bist. Du hast Probleme. Schwerwiegende. Pech für dich, dass mir nicht der Sinn danach steht, sie zu beheben. Mich interessiert eher, wie du reagierst, wenn ich dafür sorge, dass alles noch viel, viel schlimmer wird.

"So gehst du also an deine Probleme ran? Du tötest sie? Was bedeutet das für Barbara, wenn du ihrer irgendwann überdrüssig wirst? Oder das Kind? Wenn es ein Teenager ist und anfängt, Schwierigkeiten zu machen?"
 

"Nein ...", hauche ich tonlos und schüttle dabei apathisch den Kopf. "Ich kann ... ihr nichts antun ... Nicht ihr ..."

Kurz muss ich die Augen schließen, als eine neue Welle Tränen auf mich zurollt.

"Ich habe ihr schon ... so viel angetan ... ohne es zu wollen ... Dabei liebe ich sie ..."
 

"Was?"

Ich lache lautstark auf. Und obwohl ich dich nicht mal richtig auslachen will, kann ich es einfach nicht zurückhalten. Ich breche in schallendes Gelächter aus und kann mich gar nicht mehr halten. Unter der Maske laufen mir die Lachtränen herunter.

"Das ... Das ist so süß, Edward", kichere ich.

Einfach köstlich. Dieses Geständnis bedeutet mir unglaublich viel - weil es das Ausmaß der Angriffsfläche zeigt, die Barbara für dich bietet. Jede Aktion gegen sie ist eine Aktion gegen dich. Und jede Annäherung meinerseits an sie, wird dich in den Wahnsinn treiben. Die Möglichkeiten sind grenzenlos.
 

Bei deinem Gelächter schlage ich mir die Hände vor die Augen und fühle mich wieder wie der zehnjährige Junge, der sich im Schrank versteckt und sich dabei die Ohren zugehalten hat, um nicht das Geschrei seines Vaters hören zu müssen. Ich fühle mich so unglaublich klein, dass ich am liebsten im Boden versinken möchte.

Schluchzend lasse ich den Kopf hängen.

"Ich muss es ihr sagen ...", murmle ich hinter meinen Händen zu mir selbst. "Dann bekomme ich vielleicht noch das, was ich will ..."
 

"Das kann schon sein", sage ich nachdenklich. "Oder du bekommst das, was du verdienst: Eine Zurückweisung. Vielleicht gibt sie dir einen Korb. Denk doch mal nach. Warum sollte sie dich wollen? Was für einen Grund hast du ihr bisher gegeben, dich zu lieben? Wenn ich an all die Tränen denke, die sie deinetwegen schon vergießen musste, bezweifle ich, dass du ihre Liebe überhaupt wert bist."

Lachend zucke ich mit den Schultern.

"Aber bitte. Versuch dein Glück. Jetzt hast du ja nichts mehr zu verlieren, wenn ich dich so ansehe. Du bist schon am Boden."

Und es ist mir ein Vergnügen, noch einmal richtig zuzutreten.
 

Meine Tränen fließen mittlerweile so unaufhörlich, dass ich nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen kann. Ich lasse meinen Kopf noch tiefer hängen, so dass meine Hände auf ihm zum liegen können. Automatisch raufe ich mir die Haare.

Ich kann schon lange keinen klaren Gedanken mehr fassen, aber inzwischen ist es so schlimm, dass ich nicht mal mehr weiß, wo ich bin. Ich kann wohl froh sein, dass ich noch weiß, wer ich bin.

Um mich herum fängt die Welt an, sich immer schneller zu drehen. Der Fußboden direkt unter mir verschwimmt zu einer konturenlosen Masse. Und mein Kopf schmerzt. Es fühlt sich an, als ob ich eine Migräne-Attacke bekomme.

Ohne es überhaupt zu realisieren, nehme ich mir die Brille ab, lasse sie auf den Boden fallen und presse mir die Handballen an die Schläfen, während ich krampfhaft die Augen zusammen kneife. Und in dem Moment, als der Kopfschmerz fast unerträglich wird, umfängt mich endlich eine wohltuende Schwärze.
 

Nachdem der dumpfe Aufschlag deines Körpers verklungen ist, hocke ich noch einen Moment lang da und betrachte deine reglose Gestalt.

Meine Hand tut weh und der Schnitt ist ein bisschen weiter aufgerissen, weil ich sie weiter benutzt habe. Aber das ist egal.

Gemächlich erhebe ich mich und ziehe mir die Maske vom Kopf. Fahrig versuche ich, Ordnung in mein zerzaustes Haar zu bringen.

"Hat Spaß gemacht, an deiner Heilung zu arbeiten, mein Freund", murmle ich.

Die Maske verschwindet wieder in meinem Schrank. Ich setze mir die Brille auf und breite deine Akte auf dem Schreibtisch aus, einen Stift daneben. Dann zerre ich dich von der Tür weg und arrangiere dich neben dem Schreibtisch. Deine Brille lege ich neben dir auf den Boden.

Bevor ich Wachen uns ein paar Pfleger rufe, wische ich dir mein Blut aus dem Gesicht. Du hattest eine Panikattacke, hast mich angegriffen und bist zusammengebrochen. Nichts weiter.

Wer würde schon etwas anderes erwarten?

Du hättest mich ruhig zu der Party einladen können. Ich hätte dir hilfreich zur Seite gestanden.

Schon vor einer Woche war Jim Gordon kurz hier in Arkham gewesen um wieder von Crane die Erlaubnis zu bekommen, mich erneut für ein Wochenende hier rauszuholen. Ich bin nicht großartig gefragt worden, ob ich das überhaupt will. Einzig eine kurze Information habe ich dazu bekommen, dass Jim mal wieder seinen Willen bekommen hat.

Großartig.

Ich gehe stark von der Annahme aus, dass er der Überzeugung ist, dass er mir damit einen Gefallen tut. Ich bin da anderer Ansicht.

Cranes Experiment ist inzwischen schon mehr als eine Woche her und trotzdem nagt es immer noch gewaltig an mir. Das letzte, an was ich mich erinnern kann, ist, dass ich ihn mit einem Brieföffner angegriffen habe. Alles, was danach war, liegt vollkommen im Dunkeln. Ich habe wie einen Filmriss, einen richtig Blackout, aber dieses wissende Grinsen im Gesicht des Pseudo-Psychiaters sagt mir jedes Mal, wenn ich es sehe, dass mir sicher nicht gefallen wird, was in seinem Büro passiert ist. Das ungute Gefühl, dass ich ihm Dinge erzählt habe, die ich ganz tief in mir begraben habe, ist auch nach Tagen immer noch präsent.

Wann genau Jim vorhat, mich heute abzuholen, weiß ich nicht. Und auch Crane hat sich garantiert mit voller Absicht bedeckt gehalten, was diese Information betrifft. Ich kann also nur warten.

Schon seit dem Mittag steht meine fertig gepackte Sporttasche neben meiner Pritsche. Das Mittagessen habe ich wie in den letzten Tagen oft wieder ausfallen lassen. Schon alleine die Tischmanieren des Jokers, der es einfach nicht lassen kann, mich beim Essen zu belästigen, verderben mir jeglichen Appetit.

Crane hat erst vor ein paar Tagen wie beiläufig bei einer »Therapie-Sitzung« erwähnt, dass er wohl bald damit anfangen muss, mich zum Essen zu zwingen, wenn ich weiterhin abnehme. Na ja, ganz unrecht hat er nicht. Der Arkham Overall schlappert mittlerweile und ich habe inzwischen schon mehr als fünf Kilo an Gewicht verloren. Eigentlich ist das mehr Gewicht, als ich mir leisten kann.

Ich weiß nicht, wie lange ich reglos auf meiner Pritsche sitze, die gegenüberliegende Wand anstarre und mich frage, ob sie mit einem grünen Fragezeichen besser aussehen würde. Irgendwann höre ich aber wie die schwere automatische Tür zu meinem Zellentrakt geöffnet wird und Schritte durch den Gang hallen. Schritte von mehr als einer Person. Unwillkürlich läuft mir ein Schauer über den Rücken, wie jedes Mal, wenn Crane hier auftaucht.
 

Während Dad sich mit Dr. Crane über Belanglosigkeiten unterhält, trotte ich händeringend hinter den beiden her. Ich sollte nicht hier sein. Du wirst dich schrecklich aufregen. Ganz sicher. Aber ich konnte einfach nicht mehr warten. Wer weiß, was auf der Fahrt nach hause zwischen dir und Dad passiert.

Seit ich dich vor einer halben Ewigkeit aus meinem Zimmer geschmissen habe und Dad danach zu mir kam, muss ich dir etwas sagen und ich werde dieses Gespräch nicht gefährden, indem ich dir Zeit gebe, dich mit Dad zu streiten. Oder ihm die Chance lasse, sich wieder einzumischen. Auf keinen Fall. Ich will das vorher hinbekommen.

Als wir in den Gang mit deiner Zelle einbiegen, ertönt neben mir ein lautes Quietschen, das mich erschrocken zusammenfahren lässt. Wie sich herausstellt, handelt es sich um eine hübsche Blondine im Arkham Overall. Harley Quinn. Bruce hat mir von ihrem Fall erzählt.

"Oh mein Gott! Mr. J! Sieh doch!"

Sie springt jauchzend auf und ab.

"Schau, wer da ist!"

Ihr Blick ist auf die Wölbung meines Bauches geheftet. Scheinbar weiß sie irgendwas.

"Das ist sie! Eddie, du hast gar nicht erzählt, dass sie so ein hübsches Ding ist."

Schon allein die Tatsache, dass sie dich Eddie nennt, macht sie mir ungemein unsympathisch.

Mit einem gequälten Seufzen schließe ich rasch zu Dad und deinem Arzt auf und komme schuldbewusst vor deiner Zelle zum stehen. Dein abgemagertes Äußeres und die tiefen Augenringe treffen mich wie der Schlag.

Was ist nur los mit dir?

Dr. Crane begrüßt dich fröhlich und öffnet die Tür zu deiner Zelle.
 

Kaum, dass die quietschige Stimme von Harley Quinn im Gang ertönt und an den kahlen, teils gekachelten Wänden widerhallt, zucke ich zusammen und werfe der Gittertür meiner Zelle einen vorsichtigen Blick zu. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck lege ich den Kopf in den Nacken und starre ich Decke an.

Warum habe ich gleich nochmal wirklich geglaubt, dass du dich an unsere Vereinbarung hältst?

Erst als ich höre, wie der Schlüssel in das Schloss meiner Zelle gesteckt wird, sehe ich wieder zur Tür und würde Crane bei seinem schleimigen Grinsen am liebsten sofort ins Gesicht springen. Oh Gott, wie ich diesen Typen mittlerweile hasse. Sogar noch mehr als die Fledermaus.

Jim sieht halbwegs gut gelaunt aus, auch wenn man ihm ansehen kann, dass er nicht gerade gerne hier ist. Verdenken kann ich es ihm nicht. Und daneben stehst du. Schuldbewusst, verängstigt und hältst dich so nah wie es geht an der Seite deines Dads.

Ich schenke dir nur einen kurzen müden und teilnahmslosen Blick und erhebe mich dann von der Pritsche, als Crane mir mit einer Geste zu verstehen gibt, dass ich zu euch raus kommen soll. Mein Kopf ist leicht gesenkt, als ich meine Zelle verlasse und wie als ob er darauf gewartet hat, ertönt Oswalds quakende Stimme.

"Die kleine Miss Gordon. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen."

Als ob er den besten Witz des Jahres gerissen hätte, fängt er zu allem Überfluss auch noch an zu lachen.

"Die Tochter vom Police Commissioner", mischt sich nun auch der Joker ein, der anscheinend nur auf dieses Stichwort gewartet hat, wenn ich mir mit einem schnellen Seitenblick sein Grinsen ansehe. "Kein Wunder, dass du hier eine Sonderbehandlung hast."
 

Sofort fliegt mein Kopf zu Cobblepot herum.

"Noch ein Wort und es wird diesmal nicht bei der gebrochenen Nase bleiben", blaffe ich ihn an und schicke auch dem Joker einen bösen Blick.

Allerdings traue ich mich nicht, ihm in dem Zustand die Meinung zu geigen. Nicht ohne hautenges Leder.

Seine Freundin trällert irgendwas von wegen romantisch wie bei Romeo und Julia. Wo sie recht hat ... Mindestens genauso tragisch ist es.

Dad macht gerade einen Schritt auf dich zu und setzt dazu an, zu erklären, warum er mich mitgebracht hat, aber ich bedeute ihm, zu schweigen.

"Ich wäre nicht hier, wenn es nicht wichtig wäre", sage ich leise. "Aber ich hatte Angst, dass eine Autofahrt mit Dad wieder alles anders macht."

Dad gibt sich demonstrativ empört.

Mit einem letzten, tiefen Atemzug trete ich zu dir und schlinge dir die Arme um den Hals. Meine nächsten Worte flüstere ich dir so leise ins Ohr, dass nur du sie verstehen kannst.

"Danke, dass du mit Dad geredet hast. Danke, dass du die Sache gekittet hast. Und danke, dass du das getan hast, obwohl ich so ein fieses Miststück war."

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und drücke dir einen Kuss auf die Wange.

"Es tut mir leid. Ich habe mal wieder überreagiert und verdiene eigentlich gar nicht, dass du trotzdem so was für mich tust. Das bedeutet mir viel."
 

Auch wenn es gerade der denkbar schlechteste Zeitpunkt dafür ist, verkrampfe ich prompt, als du mich umarmst und lasse gleichzeitig meine Sporttasche mit einem dumpfen Knall auf den Boden fallen. Für einige Herzschläge halte ich sogar den Atem an, während ich zur Salzsäule mutiere und krampfhaft auf den Boden starre. Auch wenn ich es nicht sehe, kann ich mir lebhaft das hämisch grinsende Gesicht von Crane vorstellen. Zum Teufel mit diesem Quacksalber!

"Uih! Die Kleine geht ja richtig ran!", trällert der Joker und man kann sein süffisantes Grinsen deutlich aus seinem Tonfall heraushören. "Nehmt euch ein Zimmer!", wirft er noch hinterher, ehe er in Gelächter ausbricht.

Oswald hält zwar seinen Schnabel, aber er kichert quakend vor sich hin.

Ganz vorsichtig, als ob ich mich jeden Moment verbrennen würde, berühre ich dich an der Schulter und drücke dich so ein Stück von mir weg, ohne dich auch nur eine Sekunde lang anzusehen. Aber auch den anderen Anwesenden schenke ich keinen einzigen Blick.

Am liebsten möchte ich jetzt im Erdboden versinken oder mich alternativ zurück in meine Zelle flüchten.
 

Gequält kneife ich die Augen zusammen, als du mich wegschiebst. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen. Ich bin vielleicht bereit, mich zu versöhnen - du aber nicht. Wahrscheinlich habe ich es mir endgültig verscherzt.

Seufzend rücke ich von dir ab und falte die Hände über dem Bauch.

"Entschuldige ...", flüstere ich kaum hörbar.

"Edward Nashton!", tönt Jokers Liebchen plötzlich los. "Behandelt man so eine Dame? Und dann noch die Mutter deines Kindes! Schäm dich. Das ist so typisch Mann."

Joker bekommt einen bösen Blick. Ich kann mir vorstellen, dass auch Harley Quinn weiß, wie es ist, ständig zurückgewiesen zu werden und trotzdem noch an dieser Liebe festzuhalten. Eine Sekunde lang empfinde ich Sympathie mit ihr.

Ist das mein Schicksal?

Niemals von dir loszukommen und mich im Wirrwarr deiner Probleme zu verrennen?

Bis ich eines Tages in der Zelle neben dir hocke und noch immer an dich gebunden bin, ohne mich loseisen zu können?

Ich schlucke schwer. So will ich nicht enden ...

Ich fühle mich noch elender als vorher, als ich mich zurück zu Dad und Dr. Crane stelle.

"Mach dir nichts draus, Barbara", versucht Crane mich zu trösten.

Er drückt freundlich meine Schulter und mein Blick fällt auf seine Hand. Die steckt in einem dicken Verband, der ziemlich unpraktisch aussieht.

"Was ist mit Ihrer Hand passiert?", frage ich leise.

Irgendwie habe ich ein ganz mieses Gefühl dabei.

Crane betrachtet seine bandagierte Hand.

"Oh, das. Nichts Schlimmes. Bloß ein kleiner Zwischenfall in einer Sitzung."

"Was?"

Mein Blick flackert sofort zu dir.

"War das ...?"

Ich schaue zurück zu Dr. Crane und sehe ihn eindringlich an.

"Hat er ...?"

"Ich werde dir darüber zum Schutz meiner Patienten keine Auskunft geben", sagt Crane streng, aber in seinen Augen kann ich sehen, dass die Antwort ja lautet.

Ich wusste es.
 

Bei Harleys quietschiger Stimme zucke ich mal wieder zusammen. Immer wenn sie plötzlich los schreit - was öfters am Tag vorkommt - geht mir ihre schrille Stimme durch Mark und Bein.

Wie der Joker das aushält, ist mir wirklich ein Rätsel. Ich an seiner Stelle hätte ihr schon längst einen Maulkorb verpasst. Vor allem deswegen, weil das, was ihren Mund verlässt, nicht sonderlich intelligent ist. Aber irgendwas muss sie an sich haben, wenn der Clown sie an seiner Seite duldet. Nun ja ... Zumindest mehr oder weniger, wenn man bedenkt, wie oft er sie schon ziemlich grob angefasst hat - egal, ob Jemand in der Nähe war oder nicht.

Als sich dann auch noch Crane einmischt, kann ich gar nicht anders, als mit den Augen zu rollen. Es ist ja so klar, dass er sich keine Gelegenheit entgehen lässt, sich bei dir und Jim einzuschleimen.

Wie gerne würde ich irgendwo kopfüber von der Decke baumeln lassen ...

Zu allem Überfluss kommt ihr auf den Verband an Cranes Hand zu sprechen. Super. Während Jim mich deswegen ein wenig seltsam ansieht, hast du direkt wieder Mitleid mit dem Kittelträger.

Kann es eigentlich noch schlimmer werden?

Ich seufze lautlos, unterdrücke mit Mühe das Bedürfnis, mir die flache Hand ins Gesicht zu schlagen und sehe stur auf den Boden. Sollt ihr doch denken, was ihr wollt. Ihr würdet mir ohnehin kein Wort glauben, also brauche ich mich gar nicht erst rechtfertigen.
 

Natürlich kommt von dir kein Kommentar dazu. Du musst auch nicht mehr viel sagen. Mir ist schon klar, dass du es warst. Ansonsten bliebe nur Joker - und der würde sich definitiv damit brüsten, wenn es seine Schuld wäre.

Gequält seufze ich.

"Was hast du denn jetzt gemacht, Eddie?"

Ich schüttle enttäuscht den Kopf.

"Du wolltest doch versuchen, dich anständig zu benehmen. Die Therapie zu nutzen ..."

"Tatsächlich ist Edward seit diesem Vorfall sehr kooperativ", wirft Crane ein, aber ich winke ab.

Es ehrt ihn, dass er sich so für dich einsetzt. Ich bin trotzdem traurig, dass du keine Fortschritte machst. Dabei hatte ich mich auf das Wochenende gefreut.

Aber jetzt sieht es fast so aus, als würden die nächsten drei Tage genauso schlimm werden, wie das letzte Wochenende.

"Na, kommt. Bringen wir's hinter uns."

Auffordernd deute ich auf dich und deine Tasche. Es bringt uns auch nichts, weiter blöd hier herumzustehen. Das bringt den Clown nur auf dumme Gedanken.
 

"Eddie …", prustet der Pinguin los und man hat das Gefühl, als ob du gerade den besten Witz des Jahres gerissen hättest, denn Oswald geht ein Stück in die Knie und klopft sich demonstrativ auf die Oberschenkel.

Ich werfe ihm nur einen kurzen, undeutbaren Blick zu. Wenn er meint, dass er sich so profilieren muss, bitte. Ich werde ihn sicher nicht davon abhalten, hier so eine Show abzuziehen.

"Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du das mit dem Doc warst, Eddie?", mischt sich wieder einmal der Joker ein und so, wie er meinen Spitznamen ausspricht, kann ich ein lautloses Seufzen nicht vermeiden.

Ich hasse diesen bestimmten Tonfall, der mir das Gefühl gibt, dass ich nicht ernst genommen werde.

"Du hättest mich ruhig zu der Party einladen können. Ich hätte dir hilfreich zur Seite gestanden."

Crane wirft dem Joker einen strengen Blick zu, der den Clown zwar verstummen lässt, aber dafür grinst er nun bis über beide Ohren zu uns herüber und wackelt zu allem Überfluss auch noch mehrdeutig mit den Augenbrauen, als er mich mustert.

Ganz große klasse.

Anscheinend bin ich einen weiteren Platz auf seiner Abschussliste nach oben gerutscht.

Schließlich seufze ich ergeben, greife nach meiner Tasche und sehe dich und deinen Dad kurz an. Jims Gesichtsausdruck ist wohl am besten mit verkniffen zu beschreiben und ich bin mir sicher, dass er im Moment noch gute Miene zum bösen Spiel macht.

Sobald wir Arkham verlassen haben, werde ich mir wohl eine Standpauke anhören dürfen, wieso ich Crane angegriffen habe. Aber ich bin schon froh, dass er es sich hier verkneift. Nicht auszudenken, wenn er plötzlich vor den anderen Insassen anfängt, den Vater herauszukehren.

Es reicht ja schließlich schon zu, dass du viel zu viel geplaudert hast. Da werde ich mir von Crane, Oswald und dem Clowns-Duo ja was anhören dürfen, wenn ich ihnen wieder über den Weg laufe. Ich bin jetzt schon restlos begeistert.
 

Crane wirft dem Joker einen grimmigen Blick zu und ich empfinde Mitleid mit dem unscheinbaren Arzt. Er macht hier sicherlich Einiges mit. Du gehst auf ihn los und lässt generell kein gutes Haar an ihm, die anderen Patienten scheinen auch nicht gut auf ihn zu sprechen zu sein. Ich würde mich hier nicht alleine mit all diesen Problemen herumschlagen wollen.

Ich schenke Crane ein aufmunterndes Lächeln, sage aber nichts weiter. Das wäre doch nur wieder gefundenes Fressen. Ich will hier weg, damit nicht weiterhin jeder meiner Schritte von einem Geisteskranken kommentiert wird.

Ich setze mich in Bewegung, ohne dich großartig anzusehen. Ich habe einfach nicht die Energie dazu - und das schon jetzt. Das Wochenende hat noch nicht mal angefangen. Dad, der reichlich verkniffen wirkt, bedeutet dir mit einem Kopfnicken, dass es Zeit zum Gehen ist. Dr. Crane folgt schweigend, behält dich aber im Auge.

"Viel Spaß euch Süßen!", quietscht uns Harley Quinn hinterher.

Vernünftig reden kann man mit dir nicht, aber über die blöde Karre erreicht man dich.

Schweigend folge ich dir mit Crane und Jim links und rechts jeweils einen Schritt hinter mir und kaum, dass wir den Zellenblock verlassen habe, seufze ich lautlos. Ehrlich gesagt bin ich ziemlich erleichtert, diese ganzen Verrückten die nächsten zwei Tage nicht mehr sehen zu müssen. Cobblepot habe ich zwar mittlerweile ziemlich gut unter Kontrolle, allerdings sind sowohl Crane als auch der Joker unberechenbare Faktoren.

Während wir durch die vielen endlosen langen Gänge gehen, weiß ich schon, wie ich dieses Wochenende gewinnbringend nutzen kann. Ich hatte ja sowieso vor, mir Jims Büro mal näher anzusehen und warum nicht gleich die Gelegenheit nutzen und versuchen, Informationen besonders über Crane herauszufinden. Jede Wette, dass der Pseudo-Psychiater noch viel mehr Leichen im Keller hat - und die werde ich ausbuddeln.

Als wir schließlich die Schleuse erreichen, hinter der das Eingangsportal liegt und die rund um die Uhr von zwei Sicherheitsbeamten bewacht wird, damit niemand Unbefugtes rein oder raus kommt, muss ich es wieder über mich ergehen lassen, dass Crane mir höchst fürsorglich und für meinen Geschmack ein wenig zu eng die elektronische Fußfessel anlegt.
 

Mit einem unguten Gefühl starre ich auf die Fußfessel, die du verpasst bekommst. Ihr weiß, dass es eine Notwendigkeit ist, weil man bei dir nie wissen kann. Trotzdem gefällt es mir nicht, dich so zu sehen.

Dr. Crane begleitet uns noch bis zum Wagen und überwacht dort, wie Dad dir die Tasche abnimmt und im Kofferraum verstaut. Er mustert mich kurz.

"Nimm es nicht so schwer", sagt er plötzlich und ich frage mich, wie elend ich gerade aussehe. "Das wird schon alles."

Er drückt freundlich meine Schulter und ich ringe mir ein dankbares Lächeln ab.

"Du packst das, Barbara."

Ich betrachte die bandagierte Hand auf meiner Schulter.

"Passen Sie mal lieber auf sich auf."

"Oh, keine Angst. Mir passiert so schnell nichts."

Bei diesen Worten wirft er dir einen vielsagenden Blick zu. Vermutlich ist euer Verhältnis nach diesem Vorfall noch angespannter als vorher.

Crane schüttelt Dad höflich zum Abschied die Hand und zwinkert mir aufmunternd zu, ehe er sich an dich wendet.

"Wir sehen uns Sonntag wieder. Tu mir den Gefallen und benimm dich anständig, Edward. Du weißt, was für ein tolles Mädchen sie ist. Das willst du dir doch nicht verscherzen."

Geschmeichelt blicke ich ihm nach, als er in das Gebäude zurückkehrt. Ich frage mich, ob er in den Sitzungen auch über mich mit dir spricht. Mein Blick wandert weiter zu dir. Andererseits will ich wahrscheinlich gar nicht wissen, was du über mich sagst, wenn ich nicht dabei bin.
 

Ich hoffe sehr, dass man mir nicht ansehen kann, wie sehr es mir gegen den Strich geht, dass Crane es mal wieder nicht lassen kann, sich an dich ranzuschmeißen und mich damit zu reizen. Denn auch wenn ich es niemals öffentlich zugeben würde, es nagt ganz gewaltig am Ego, dass du diesen Quacksalber tatsächlich magst. Am Ende muss ich mich wirklich noch richtig zusammen reißen und einen auf Eitel-Sonnenschein machen.

Jedenfalls werfe ich euch beiden argwöhnische Blicke zu und lasse vor allem Crane nicht aus den Augen. Ich traue ihm nicht mal so weit, wie ich einen Kühlschrank werfen kann. Nicht auszudenken, wenn er dich und Jim endgültig um den kleinen Finger wickeln würde.

Mit ausdruckslosem Gesicht sehe ich »meinen Arzt« an, als er sich von mir verabschiedet, aber ich würdige ihn nicht einmal mit einer Antwort. Generell habe ich keine Lust, irgendetwas zu sagen. Am allerwenigsten zu ihm. Und je weniger ich von ihm sehen muss, desto besser.

Kaum, dass die massive Eingangstür hinter Crane ins Schloss gefallen ist, lasse ich mich wortlos auf die Rückbank fallen und starre demonstrativ aus dem Seitenfenster.
 

Dad und ich tauschen einen erschöpften Blick. Mit einem Seufzen nimmt er seinen Platz hinter dem Lenkrad ein. Ich bleibe unschlüssig vor dem Wagen stehen.

Zu dir nach hinten?

Kaum merklich schüttle ich den Kopf. Du willst nicht angefasst werden. Ich möchte mir die Demütigung ersparen, zu sehen, wie du so weit es geht von mir wegrückst.

Entschlossen öffne ich die Tür zum Beifahrersitz, halte dann jedoch inne. Das hier ist Dads Dienstwagen. Wenn ich mich vorne hinsetze, kommst du dir garantiert vor wie ein Verbrecher, der mit Fußfessel um den Knöchel zu seinem neuen Gefängnis überführt wird.

"Barbara? Wir werden hier drin alt", meckert Dad.

"Ja, ich mach ja schon", entgegne ich und werfe die Tür wieder zu.

Stattdessen setze ich mich zu dir auf die Rückbank, achte aber darauf, so nah an der Tür zu bleiben wie möglich. Zwischen uns hätte problemlos eine weitere Person Platz gehabt, ohne dass wir ihn großartig berühren würden.

Kaum ist der Motor angelassen, legt Dad auch schon los. Ich zucke erschrocken zusammen und blicke besorgt zwischen dir und seinem Gesicht im Rückspiegel hin und her.

"Sag mal, was denkst du dir eigentlich dabei, deinen Arzt anzugreifen, Junge?!"

Dad schaltet so rabiat, dass man um die Gesundheit des Autos fürchten muss.

"Was hast du eigentlich gegen Menschen, die versuchen, dir zu helfen?!"
 

Aus den Augenwinkeln beobachte ich, während ich stur aus der Seitenscheibe sehe, wie du unschlüssig überlegst, ob du dich nun auf den Beifahrersitz setzt oder nicht.

Ist die Entscheidung jetzt wirklich so schwer?

Meine Güte, es ist nur der Dienstwagen deines Vaters und nicht das verdammte Batmobil!

Als du dann endlich auf der anderen Seite der Rückbank platz genommen hast, gebe ich mich betont desinteressiert. Doch als Jim plötzlich loswettert, zucke ich sichtbar zusammen und werfe dem Rückspiegel, in dem ich sehr gut sein Gesicht sehen kann, einen verunsicherten Blick zu, obwohl mir ja klar war, dass diese Standpauke kommt.

"Notwehr ...", sage ich einsilbig und lasse den Kopf hängen.

Es ist eigentlich von vorne herein klar, dass weder er noch du mir das glauben werden - auch wenn es die Wahrheit ist. Komischerweise kommt mir genau in diesem Moment die Fabel mit dem Hütejungen in den Sinn, der einmal zu oft gerufen hat, dass die Wölfe kommen. Aber wenn ich jetzt versuchen würde, mich rauszureden, würde es genauso wenig bringen.
 

Während Dad dich aufgebracht tadelt, was denn das schon wieder heißen soll und dass eine Therapie sicher nichts ist, gegen das man sich wehren sollte, runzle ich die Stirn. Eigentlich sehe ich das ziemlich ähnlich. Trotzdem verwirrt mich die Aussage.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum du dich gegen Crane wehren müsstest. Er ist ein anständiger Kerl. Wahrscheinlich hat er eine persönliche Frage zu viel gestellt und du bist ausgerastet. Das würde dir ähnlich sehen.

Dad steuert den Wagen zeternd auf die Straße. Ich beobachte eine Weile, wie du kommentarlos Alles über sich ergehen lässt.

Resignierend.

Mir kommen Zweifel, ob diese Standpauke wirklich das ist, was du jetzt brauchst.

Du siehst mindestens so elend aus, wie ich mich fühle. Spindeldürr, unrasiert, übermüdet, nicht gesund.

Bist du einfach zu ausgelaugt, um zu antworten?

"Dad", unterbreche ich ihn streng. "Lass gut sein."

Er will protestieren, aber als ich ernst den Kopf schüttle, lässt er es gut sein. Er hält sich daran, dass er sich nicht einmischt.

Unsicher schaue ich dich wieder an. Eigentlich würde ich gerne über deinen Zustand sprechen, aber es scheint mir ratsamer, erst einmal den Wogen zu erlauben, sich zu glätten.

Ich räuspere mich verhalten.

"Also ..."

Leise seufze ich und lasse den Satz in der Luft hängen. Alles, was mir einfällt, ist über das Wetter zu reden.

"Dad? Kannst du das Radio anmachen?"
 

Ich werfe dir ganz kurz aus den Augenwinkeln einen fragenden Blick zu, als du Jim sagst, dass er es gut sein lassen soll. Meinetwegen kann er ruhig weiter reden, bis wir bei euch sind. Es interessiert mich eh nicht sonderlich, was er sagt. Ich überhöre es zwar nicht, aber wirklich ankommen tut es auch nicht. Es hat ja eh keinen Sinn, deswegen großartig mit ihm oder dir zu diskutieren.

Einfach stur lächeln und nicken.

Als ich dann wieder aus dem Seitenfenster starre und sehe, dass wir das Geschäftsviertel langsam aber sicher verlassen, fällt mir wieder ein, dass ich noch unbedingt etwas brauche, um dieses Wochenende zu überstehen. Doch dazu muss ich zu einer Apotheke. Zu einer ganz bestimmten Apotheke, da Crane mein Bargeld eingezogen hat und ich meinem Anwalt nicht bescheid sagen konnte, weil ich nicht wusste, wann ihr heute in Arkham auftaucht.

"Können wir einen Abstecher zum Drugstore in der 68. Straße machen?", frage ich - der längste Satz, den ich in den letzten Tagen von mir gegeben habe - leise und mir ist klar, dass die Chancen für ein Ja denkbar schlecht stehen, da besagte Straße nicht gerade auf dem Weg liegt.

Aber da ich in der letzten Zeit - seit Cranes letztem Experiment - schon froh bin, wenn ich mal drei Stunden am Stück schlafen kann, ohne durch einen Albtraum eine heftige Panikattacke zu bekommen, ist diese Apotheke die einzige Chance, die ich zur Zeit sehe, um nicht komplett durchzudrehen.
 

Verwirrt runzle ich die Stirn. Dad guckt ebenfalls ziemlich kritisch, scheint aber wirklich vorzuhaben, mir das Reden zu überlassen.

"Was willst du denn im Drugstore?", frage ich.

Auch wenn ich mir Mühe gebe, das Misstrauen kann ich natürlich nicht aus meiner Stimme verbannen. Eigentlich würde ich dich lieber ohne Zwischenstop nach hause bringen.
 

Jim, der es inzwischen aufgegeben hat, einen vernünftigen Sender im Radio zu finden und einfach den Sender lässt, der gerade läuft, sieht mich ziemlich misstrauisch über den Rückspiegel an. Verdenken kann ich es ihm nicht einmal. Auch dein Misstrauen kann man deutlich aus deiner Frage heraus hören.

Einen Moment lang sehe ich dich zweifelnd an und überlege, ob ich jetzt bluffen soll oder nicht. Letztendlich seufze ich lautlos und entscheide mich für eine Halbwahrheit.

"Ich brauche etwas Bestimmtes und bei diesem Drugstore kann ich die Rechnung direkt an meinen Anwalt schicken lassen, da Crane meinen gesamten Besitz eingezogen hat und Goldberg heute nicht aufgetaucht ist."
 

Dad ist anzusehen, dass er absolut gar nichts von der Idee hält. Der Polizist in ihm ist sicher kurz davor, eine Befragung durchzuführen.

Ich runzle die Stirn.

"Crane wird deinen Besitz nicht ohne Grund eingezogen haben, Eddie."

Ich zucke etwas hilflos mit den Schultern.

"Ich bezweifle, dass es deinen Ärzten gefällt, wenn du dir selbstständig irgendwelche Medikamente besorgst. Du solltest es denen überlassen, was sie dir verschreiben."
 

"Ich will mir keine harten Medikamente besorgen", erwidere ich seufzend und reibe mir die Schläfen. "Ich will Nikotinpflaster - und was gegen Kopfschmerzen ..."

Resigniert lasse ich mich in die Rückenlehne fallen und sehe die Chance, an das zu kommen, was ich will, immer weiter schwinden.

Natürlich will ich weder das Eine noch das Andere. Was ich wirklich brauche, sind hochkonzentrierte Koffeintabletten, um wach zu bleiben und das Wochenende nicht schlafen zu müssen. Nicht auszudenken, wenn ihr etwas von den Albträumen und den anschließenden Panikattacken mitbekommt.
 

"Eddie, Kopfschmerztabletten haben wir auch und -"

Ich halte inne, überdenke deine Worte und sehe dich verdutzt an.

"Warte. Willst du mit dem Rauchen aufhören?"

Das überrascht mich wirklich sehr. Du und deine Zigaretten sind eigentlich unzertrennlich. Das kann ja nur heißen ...

"Hörst du wegen dem Baby auf?"

Ein strahlendes Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. Das ist das erste Schöne, das ich heute zu hören bekomme.
 

Deine Reaktion entlockt mir zwar kein Lächeln, als ich dich ansehe, aber zumindest ein kurzes Zucken der Mundwinkel bekomme ich zustande. Mir ist zwar absolut nicht danach, aber ich lasse dich einfach mal in dem glauben. Schlimmer kann es ja ohnehin nicht mehr werden. Letztendlich lasse ich mich sogar zu einem zaghaften Nicken hinreißen, in der Hoffnung, dass mir mein Wunsch nun doch noch erfüllt wird.
 

Mit einem breiten, gerührten Lächeln sehe ich dich an. Am liebsten würde ich jetzt kurz deine Hand drücken, aber ich habe immer noch Angst davor, wie du darauf reagieren könntest.

"Okay. Wir fahren vorbei", sage ich nach einiger Überwindung.

Dad scheint irgendwo zwischen Freude und Misstrauen zu sein, nickt aber ergeben.
 

Eigentlich sollte ich froh sein, dass ich letztendlich meinen Willen mehr oder weniger doch noch bekommen habe. Man konnte Jim zwar deutlich ansehen, dass er nicht begeistert war, mich nun auch noch zur Apotheke kutschieren zu müssen und zu allem Überfluss auch noch mit rein zu kommen, damit ich ja nicht abhaue. Aber wenigstens hatte ich genug Privatsphäre, um an das Zeug zu kommen, was ich wirklich haben wollte. Die Nikotinpflaster habe ich mir auch gleich noch mit einpacken lassen. Ich kann es ja zumindest mal probieren. Dann wäre ich auch nicht mehr so abhängig von Crane. Zigaretten habe ich jetzt ohnehin nicht dabei und ich wüsste auch gar nicht, wie ich unauffällig an Kippen kommen soll, solange ich bei euch bin.

Die restliche Fahrt zu euch verläuft dann relativ entspannt. Ich habe mich zwar aus dem Gespräch zwischen dir und deinem Dad raus gehalten, aber großartig gestört scheint es euch auch nicht zu haben.

Die Garage ist geschlossen, als wie dann endlich in eure Einfahrt rollen.

Mhm ...

Wie soll ich dann sehen, ob der Mustang noch da ist?

Deswegen werfe ich dem Garagentor einen fast schon sehnsüchtigen Blick zu, als wir als geschlossene Gruppe zur Haustür gehen.
 

Als wir endlich zu hause in der Einfahrt stehen, bin ich regelrecht erleichtert. Das Haus kommt mir vor wie ein sicherer Hafen, den wir endlich erreicht haben. Eigentlich will ich mich nur noch hinsetzen und ausruhen. In letzter Zeit bin ich immer unglaublich schnell müde. Ein nerviger Umstand, wenn man bedenkt, dass ich vor Kurzem noch stundenlang von Dach zu Dach gesprungen bin.

Als ich deinen wehleidigen Blick bemerke, muss ich mir ein Lachen verkneifen.

"Bringst du Eddies Tasche schon mal rein, Dad?"

Er dreht sich überrascht zu mir um und ich nutze die Gelegenheit, mir den Autoschlüssel von ihm zu schnappen, an dem auch der Schlüssel für das Garagentor hängt.

Dad verzieht sich mit einem Lächeln ins Haus und ich öffne dir das Tor, um dir den Blick auf den glänzenden Mustang zu gewähren.

"Ich habe ihn gewaschen", merke ich an. "Natürlich nicht in der Anlage, sondern per Hand. Dad hat mich gezwungen alle paar Minuten Pause zu machen."

Ich verdrehe die Augen.

"Er ist überfürsorglich."
 

Ich weiß nicht wirklich was ich davon halten soll, dass du wirklich das Garagentor öffnest und Jim im Haus verschwindet. Mein Gesichtsausdruck ist in diesem Moment sicherlich sehr interessant.

Zögerlich nähere ich mich meinem Schmuckstück und lege vorsichtig eine Hand auf die Motorhaube, die durch die metallische Kühle eine beruhigende Wirkung auf mich hat.

"Du hast die Schramme ausbessern lassen", erwidere ich leise, während ich den Lack inspiziere und dich dabei nicht einmal ansehe.

Das kommt mir ehrlich gesagt nicht einmal in den Sinn, denn die Tatsache, dass der Mustang wieder in einem tadellosen Zustand ist, ist wichtiger.
 

Mit einem gerührten Lächeln beobachte ich etwas abseits, wie du dich deinem Wagen näherst. Wenn ich das so sehe, war es die Mühe definitiv wert. Eigentlich ist es typisch Mann. Vernünftig reden kann man mit dir nicht, aber über die blöde Karre erreicht man dich.

"Ob du es glaubst oder nicht, manchmal nehme ich mir das zu Herzen, was du sagst", informiere ich dich mit einem Schmunzeln. "Du hast Recht, ich bin mit dem Wagen nicht sonderlich toll umgegangen. Ich wollte es wieder gut machen."

Verhalten räuspere ich mich und komme ein kleines Stück näher.

"Solange du nicht kannst, passe ich auf ihn auf, das habe ich dir versprochen. Und ich will, dass du weißt, dass ich das auch gut mache. Du hast genug andere Sorgen."
 

Bei deinen Worten halte ich überrascht in meiner Bewegung, wie ich fast schon ehrfürchtig über das Dach streiche, inne, drehe mich langsam zu dir um und sehe dich für einige Sekunden lang erstaunt an. Ich muss zugeben, dass ich wirklich ganz schön perplex bin, dass du dich so gut um den Wagen gekümmert hast.

Während ich dich sprachlos ansehe, kommen mir die Worte von Jim wieder in den Sinn, die er mir vor wenigen Wochen auf dem Rückweg nach Arkham gesagt hat.

"Danke ...", sage ich leise und vorsichtig und senke schnell den Blick.
 

Vor lauter Rührung schnürt sich mir fast die Kehle zu, als du dich bei mir bedankst. Ich hätte damit gerechnet, dass du mir einen blöden Spruch nach dem Motto »Das ist ja wohl das Mindeste« um die Ohren knallst. Dass du tatsächlich Dankbarkeit zeigst, macht mich überglücklich.

"Danke ...", hauche ich meinerseits. "Ich meine ... Danke, dass du das nicht einfach abtust. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet."
 

Nur ganz kurz verziehe ich meine Lippen zu einem knappen Lächeln, während ich dir erneut einen Blick werfe und dann mit einem Ruck meine Hand vom Dach des Mustangs nehme.

"Tja ...", sage ich dann langzogen. "Bevor Jim das CSI ruft ..."

Mit einem Kopfnicken deute ich auf die Tür, die die Garage mit dem Haus verbindet.

Nicht, dass ich am Ende mit den Informationen noch die Stadt in die Luft jage oder so.

Ein bisschen stört es mich, dass du scheinbar nicht mit mir allein sein willst. Aber ich lasse es unkommentiert. Du hast gerade einen so wahnsinnig großen Schritt auf mich zu gemacht, dass es ungerecht wäre, dir jetzt irgendwelche Vorhaltungen zu machen.

"Dad hat seine eigene Marke", erinnere ich dich mit einem Augenzwinkern. "Er hat die Befugnis selbstständig hier reinzukommen und Ermittlungen anzustellen."

Bevor Dad auf die Idee kommt, das wirklich zu machen, schließe ich das Garagentor - damit der Mustang in Sicherheit ist - und halte dir die Tür zu Küche auf.

"Nach Ihnen, der Herr."

Drinnen steht Dad schon mit dem breitesten Grinsen aller Zeiten am Kühlschrank und versucht, das fröhliche Gesicht zwischen den Lebensmitteln zu verbergen. Es macht mich nach unserer Aussprache nicht mal wütend, dass er scheinbar die Ohren gespitzt hat. Irgendwie ist es rührend, dass er sich für uns freut. Na ja. Scheinbar bin ich heute in einer Stimmung, in der mich absolut alles rührt.
 

Als wir die Garage verlassen und zusammen die Küche betreten, weiß ich bei Jims Grinsen nicht, ob ich mich nun zurück nach Arkham wünschen soll oder nicht. Mein Bauchgefühl sagt mir jedenfalls, dass er es anscheinend immer noch nicht aufgegeben hat, dich und mich zu verkuppeln.

Und was das Schlimmste ist: Ich bin immer noch unschlüssig, ob ich das überhaupt will.

Während du dich zu deinem Vater gesellst und ebenfalls einen Blick in den Kühlschrank wirfst, fühle ich mich gerade ziemlich fehl am Platz in eurer Küche. Dann aber fällt mein Blick auf den Küchentisch, auf dem die heutige Tageszeitung liegt. Die wichtigsten Nachrichten bekomme ich zwar über meinen Anwalt mitgeteilt, aber eine Zeitung hatte ich das letzte Mal bei meinem letzten Besuch bei euch in der Hand.

Um nicht weiter wie bestellt und nicht abgeholt herumzustehen, gebe ich mir einen Ruck, gehe zum Tisch und schnappe mir die Zeitung. Ich erwarte nicht, dass großartig spannende Neuigkeiten darin stehen, da der Joker ja in Arkham in Gewahrsam ist, aber auf dem Laufenden möchte ich mich trotzdem halten.
 

Während Dad sich zielgerichtet ein Bier aus dem Kühlschrank nimmt, kümmere ich mich lieber darum, das Gemüse herauszunehmen.

"Ich habe mir ein paar Rezepte angeguckt", sage ich über die Schulter. "Vegetarische, meine ich. Damit wir dich nicht immer zum Kochen verdonnern, wenn du da bist."

"Abgesehen davon ist ihre Hauptbeschäftigung momentan sowieso essen, weswegen das nahe lag und - au!"

Dad fängt die Tomate, die ich nach ihm geworfen habe, gerade so noch auf. Mit einem entschuldigenden Lächeln bringt er sie mir zurück und gibt mir einen Kuss auf die Wange.

"Ich meine natürlich: danke, dass du in letzter Zeit immer kochst."

Besänftigt verdrehe ich die Augen und widme mich wieder dem Essen. Natürlich habe ich mir das alles angeeignet, um dir zu zeigen, dass ich mich wirklich bemühen will, alles richtig zu machen. Und wenn ich lernen muss, Sahnetorten für dich zu verzieren, ich will dafür sorgen, dass wir miteinander auskommen.

Dad ist schon halb zur Tür heraus, als ich ihn zurückrufe.

"Wo willst du denn hin?"

"Ins Büro ..."

Dafür erntet er einen strengen Blick von mir.

"Wir haben Besuch, Dad. Und es ist Wochenende."

Sein Ausdruck wird etwas flehend.

"Hol den Kram doch wenigstens her."

Hauptsächlich geht es mir darum, dass ich nicht mit dir allein sein will. Ich habe Angst davor, dass du mir deine Abneigung zeigst, indem du einfach aufstehst und gehst. Solange Dad dabei ist, kann ich mir einreden, dass es nicht an mir liegt, wenn es dir zu viel wird.

Mit einem ergebenen Nicken geht Dad in sein Büro und kehrt mit einem Stapel Akten zurück, die er neben seinem Bier auf dem Tisch auffächert. Er schielt kurz zu mir herüber.

"Das Leben war leichter, bevor du angefangen hast zu lernen, wie man einen Haushalt führt."

In seinen Augen kann ich sehen, dass er sich eigentlich darüber freut, dass ich mir Mühe gebe, Verantwortung zu übernehmen und die Dinge mehr im Griff zu haben. Wenn ich bald Mutter bin, muss ich es immerhin auch schaffen, so etwas wie ein Familienleben auf die Beine zu stellen. Ob nun mit dir oder ohne dich.
 

Eigentlich habe ich mich bereits hinter der Zeitung verschanzt, was normalerweise ein deutliches Zeichen dafür ist, dass ich meine Ruhe haben möchte. Trotzdem klappe ich den oberen Rand bei eurem Gespräch um und sehe euch leicht irritiert mit einer andeutungsweise angehobenen Augenbraue an.

"Wegen mir müsst ihr nicht so einen Aufstand machen", sage ich leise hinter der Zeitung, als dein Dad gerade runter in den Keller zu seinem Büro gegangen ist. "Ich habe eh keinen Appetit ...", füge ich noch leiser hinzu.

Als Jim dann seine Akten auf dem Tisch ausbreitet, klappe ich erneut die Zeitung um und werfe einen skeptischen Blick darauf. Es sind eindeutig alte Fälle, wie ich - auch kopfüber - am Aktenzeichen sehen kann.

"Cold Cases?", frage ich an Jim gerichtet.
 

"Oh, Gott", stoße ich aus, während ich das Gemüse putze. "Fachleute unter sich ..."

Mit einem milden Lächeln beginne ich, die Tomaten zu schneiden und spitze die Ohren. Ein paar Informationen über die kalten Fälle können nicht schaden, denn über die erfährt Bruce nichts, wenn er den Polizeifunk abhört. Und überhaupt habe ich mich damit bisher nicht viel beschäftigt - weder Batman noch Batgirl haben ihre Fälle bisher ungeklärt gelassen.

"Allerdings", höre ich Dad sagen. "Da ich momentan dabei bin, im GCPD anständig aufzuräumen, nehme ich mir die Fälle nochmal vor, bei denen ich Korruption vermute."

"Was so ziemlich alle wären", werfe ich grimmig ein und hacke eine Tomate in zwei Hälften.

"Na gut. Stimmt. Ihr nehme mir die Fälle vor, wo die Korruption himmelschreiend war."

Das wären dann alle Fälle, die nicht von Dad oder Harv gehandhabt wurden. Aber das behalte ich für mich. Es ehrt Dad, dass er sich die ganzen Fälle noch mal vornimmt, obwohl er nicht müsste.
 

Langsam lasse ich die Zeitung sinken und sehe skeptisch zwischen den Akten und Jim hin und her. Ich weiß gerade wirklich nicht, was ich davon halten soll.

"Ähm Jim ...", fange ich vorsichtig an, während er bereits die erste Akte aufgeklappt hat. "Du weißt schon, dass ich ein gemeingefährlicher Verrückter bin, ja? Hältst du es wirklich für so eine gute Idee, den Kram vom GCPD vor meiner Nase durchzuarbeiten? Nicht, dass ich am Ende mit den Informationen noch die Stadt in die Luft jage oder so."

Auch wenn mir nicht wirklich danach ist, kann ich gar nicht anders, als meiner Stimme einen sarkastischen Unterton zu verleihen.
 

Das ist allerdings ein interessanter Einwurf. Ich lasse das Gemüse kurz links liegen, um einen Blick auf Dads Gesicht zu werfen. Der winkt jedoch nur ab.

"Das hier sind keine großen Dinger, die Cobblepot mal gedreht hat."

Er zuckt mit den Schultern und zieht eine Akte aus seinem Sammelsurium.

"Überfall auf eine Fastfoodkette. Ein paar gelangweilte Jugendliche, denen man seltsamerweise nichts genaues nachweisen konnte, obwohl es ursprünglich Überwachungsbänder gab."

"Einer von denen ist über Ecken mit Branden verwandt", werfe ich ein. "Er geht auf meine Schule, macht sich bis heute über das GCPD lustig."

Dad seufzt schwer und zeigt auf eine andere Akte.

"Mord an einer Prostituierten. In dem Fall glaube ich, wurde die Akte geschlossen, weil es einfach Niemanden genug interessiert hat."
 

Jims und deine Erklärung habe ich mir mit einer hochgezogenen Augenbraue angehört und mich zwangsläufig gefragt, wer von uns drei mehr nach Arkham gehört. Dann falte ich die Zeitung jedoch zusammen und lege sie neben mich auf den Tisch.

"Darf ich?", frage ich und greife im selben Augenblick nach der Akte mit dem Überfall auf die Fastfoodkette.

Mit gerunzelter Stirn fange ich an, in der Akte zu lesen und springe dabei immer wieder zwischen dem Polizeibericht, den Zeugenaussagen und den Tatortfotos hin und her. Fast rechne ich damit, dass Jim mit jeden Moment die Akte aus den Händen reißt, aber nichts dergleichen passiert.

"Die Jugendlichen waren es nicht", sage ich dann fast schon gelangweilt nach ein paar Minuten und reiche die Akte zurück zu Jim. "Also nicht direkt zumindest", füge ich schulterzuckend hinzu.
 

Wieso wundert es mich eigentlich so gar nicht, dass du dir die Akte unter den Nagel reißt?

Nicht mal, dass du Informationen über den Fall zu haben scheinst, überrascht mich sonderlich. Es wäre verstörender gewesen, wenn du nichts dazu gewusst und das Ding wieder weggelegt hättest.

"Was meinst du damit?"

Dad blickt von der Akte auf, mit der er eben noch beschäftigt war.

"Haben sie im Auftrag von einem der großen Jungs gehandelt?"

Ich wende mich wieder dem Gemüse zu, damit ihr meinen aufmerksamen Blick nicht bemerkt. Eines habe ich mir von dir abgeschaut: Den Wert von Informationen sollte man auch dann nicht unterschätzen, wenn sie einem beiläufig vom Küchentisch aus übermittelt werden. Bruce dürfte das Alles interessieren.
 

Mit dem besten Pokerface, was ich gerade zu bieten habe, erwidere ich Jims fragenden Blick und unwillkürlich schleicht sich ein kleines, wissendes Lächeln in mein Gesicht. Irgendwie ist diese Situation gerade recht amüsant.

"Nein ...", sage ich nach einem kurzen Moment lang gezogen und überlege, ob ich ihm meine Erkenntnisse, die ich aus der Akte gewonnen habe, einfach so mitteilen soll.

Letztendlich überwiegt meine Dankbarkeit Jim gegenüber. Ich bin einfach zu nett für diese Welt.

"Die Jungs waren es nur indirekt", fange ich mit einem lautlosen Seufzen an zu erklären. "Sie sind vom Inhaber dafür bezahlt worden, den Laden zu überfallen. Das ist nur eine logische Schlussfolgerung, wenn man bedenkt, dass der Laden vorher rote Zahlen geschrieben hat und dass der Inhaber nur wenige Wochen nach dem Überfall plötzlich eine neue Filiale eröffnet hat."

Ich zucke nichtssagend mit den Schultern.

"Versicherungsbetrug. Kann man alles der Akte entnehmen."
 

Genervt verdrehe ich die Augen. Wenn ich Bruce mit so etwas ankomme, zeigt er mir einen Vogel. Scheinbar hat Dad wirklich die nichtssagendsten Fälle angeschleppt, die er finden konnte.

"Hervorragend", brumme ich und wende mich nun den Paprika zu. "Den Typen werde ich beim nächsten Mal was husten. Brüsten sich ständig damit, wie gefährlich es war, das Ding zu drehen. Arrogante Arschlöcher ..."

Meine fragwürdigen Schulkameraden scheinen Dad allerdings nicht zu interessieren. Er nimmt dir die Akte ab und liest sich eine Weile schweigend in die Informationen ein, ehe er zustimmend nickt.

"Eindeutig."

Frustriert wirft er die Akte auf den Tisch.

"Was wetten wir, dass Branden seiner entzückenden Verwandtschaft die Hälfte von ihrem Gewinn abgeknöpft hat, damit der Fall einfach beiseite geschoben wird?"

"Ich würde Eddies Mustang drauf verwetten, so offensichtlich ist das."

Ich schüttle sauer den Kopf.

"Wahrscheinlich hat er gleich noch den Inhaber erpresst und sich Schweigegeld auszahlen lassen. Eine Stadt wie Gotham braucht eigentlich gar keine Mafia. Bei den Polizisten."

"Ich bin auch Polizist", grummelt Dad.
 

Ich will gerade protestieren, weil du meinen Mustang einfach so als Wetteinsatz einsetzen willst, verkneife mir aber im letzten Moment, das zu sagen, was mir auf der Zunge liegt. Die miese Stimmung, die sich hier gerade breit macht, ist mir nicht ganz geheuer, weswegen ich abwechselnd zwischen dir und deinem Dad hin und her sehe. So war das eigentlich nicht gedacht, als ich meine Schlussfolgerung aus der Akte erzählt habe.

Unsicher werfe ich der Zeitung einen kurzen Blick zu. Eigentlich bin ich damit noch nicht ganz durch. Mein nächster Blick flackert kurz zur Hintertür in den Garten. Ich könnte jetzt wirklich gut eine Zigarette gebrauchen. Blöd nur, dass ich keine habe. Nur diese dämlichen Nikotinpflaster.

"Wo habt ihr die Kopfschmerztabletten?", frage ich dann schließlich, nur um überhaupt etwas zu sagen.

Aber auf die Idee, dass es für Alle besser wäre, wenn es kein Witz wäre, kommt auch Keiner ...

Deine Frage lenkt meine Aufmerksamkeit sofort von kalten Fällen und korrupten Polizisten ab und ich drehe mich besorgt zu dir um.

"Alles in Ordnung mit dir?", frage ich und betrachte einmal mehr deine ausgemergelte Gestalt. "Ich hole sie dir, die sind im -"

"- Bad", fügt Dad hinzu und erhebt sich. "Lass nur, ich mach schon. Schenk ihm ein Glas Wasser ein."

Bevor er ins Badezimmer geht, stapelt er die Akten übereinander und wirft jedem von uns einen warnenden Blick zu. Er vertraut mir mit so etwas nicht mehr, seit er weiß, dass ich einige Nächte lang als Batgirl unterwegs war.

Ich komme seiner Aufforderung nach, nehme ein Glas aus dem Schrank und schenke dir Wasser ein.

"Hier."

Ich stelle es vor dich auf den Tisch, wobei ich gezwungen bin, ziemlich nah heranzukommen. Mein Impuls ist es, dir eine Hand auf die Schulter zu legen oder dir über die Stirn zu streichen. Was man halt so tut, wenn es jemandem schlecht geht. Aber ich lasse es bleiben, weil du mich dann doch nur wieder wegschieben würdest.

Stattdessen kehre ich zur Anrichte zurück, wo ich mich an meinem Gemüse festklammern kann, um nicht durchzudrehen.

"Du siehst schrecklich aus, Eddie ...", flüstere ich.
 

Mit müdem Blick folge ich mit den Augen deinem Dad, wie er die Küche verlässt. Und nachdem du mir das Glas Wasser hingestellt hast, stütze ich meine Arme mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab und vergrabe mein Gesicht in den Händen.

Leider muss ich zugeben, dass du mit deiner Einschätzung absolut recht hast. Ich fühle mich auch schrecklich und bin ehrlich gesagt froh, dass ich seit Tagen keinen Blick in einen Spiegel geworfen habe.

"Deswegen gibt es in Arkham keine Spiegel ...", murmle ich leise. "Deswegen und wegen der Verletzungsgefahr ..."

Okay, wirklich witzig war das nicht gerade. Anscheinend bin ich wirklich schon so runter mit den Nerven, dass ich nicht mal mehr Witze reißen kann. Zumindest keine guten.

Langsam drehe ich den Kopf so, dass ich dich ansehen kann und mich trotzdem noch auf den Handflächen abstützen kann und sehe dich müde und niedergeschlagen an.

"Sagen wir es so ...", sage ich nach einem kurzen Moment leise. "Ich hatte schon mal bessere Zeiten ..."
 

Da du scheinbar wirklich gewillt bist, zumindest ein paar Worte darüber zu verlieren, lasse ich das Essen links liegen. Damit du dich nicht noch mieser fühlst, ringe ich mir ein Lächeln ab, aber wirklich amüsant finde ich den Witz nicht wirklich.

"Ist es schlimmer, jetzt wo der Joker da ist?", frage ich erstickt. "Batm -"

Ich schließe hastig den Mund, bevor mir der Name ganz heraus rutschen kann.

"Ich meine, ich habe gehört, dass du geholfen hast, ihn festzusetzen. Quält er dich?"

Meine Hände sind zu Fäusten geballt. Wenn Bruce mich durch die Schwangerschaft nicht zu schnöder Computerarbeit verdonnert hätte, hätte ich darauf bestanden, zumindest im Batmobil zu sitzen und im Fall der Fälle die Clowns damit an der Flucht zu hindern.
 

War ja klar, dass Batman weiter tratscht, dass ich etwas mit der Festnahme des Jokers zu tun habe. Wahrscheinlich hat er dir sogar brühwarm alles aufgetischt.

Fantastisch.

Einfach großartig.

Frustriert schließe ich kurz die Augen und kann ein resigniertes Seufzen nicht verhindern.

"Der Joker ist -"

Ich muss mich unterbrechen und hart schlucken. Fast wäre mir tatsächlich raus gerutscht, dass der Joker gegenüber anderen Zeitgenossen fast schon harmlos ist. Ich kann ja schlecht einfach so sagen, dass mein eigener Psychiater mich dazu bringt, wirklich langsam aber sicher den Verstand zu verlieren.

"- nicht gerade ein Fan von mir ...", beende ich den angefangenen Satz schließlich.

Nicht gerade komplett unverfänglich, aber immer noch besser, als mich total zum Depp zu machen.

Für einen Moment schweige ich, ehe ich den Kopf anhebe und dich niedergeschlagen ansehe.

"Ich werde in Arkham wirklich noch verrückt ...", murmle ich leise.
 

"Den Kerl hätten sie gleich in den Todestrakt stecken sollen", entfährt es mir.

Die Tatsache, dass er und seine Freundin bei ihrem Fluchtversuch an die dreißig Menschen umgebracht haben, hat ihn in meiner Achtung nicht unbedingt steigen lassen. Und dass er dir das Leben schwer macht, rückt ihn ganz nach oben auf meiner Abschussliste.

Ganz automatisch rücke ich näher an dich heran, als du mich so ansiehst und meine Arme zucken in deine Richtung. Dann erstarre ich, mache wieder einen Schritt und gehe letztendlich einen zurück.

Der Drang, dich einfach in den Arm zu nehmen, ist stark.

Die Angst, wie du darauf reagieren könntest, ebenso.

"Eddie ...", flüstere ich rau. "Was kann ich machen? Ich habe gerade überhaupt keine Ahnung, was richtig wäre ..."
 

Ich runzle leicht die Stirn bei deinem reichlich merkwürdigen Versuch, dich zu entscheiden, ob nun stehen bleibst, wo du gerade bist, oder doch nicht. Ehrlich gesagt kann ich im Moment nicht mal sagen, ob es mir recht wäre, wenn du dich mir näherst.

Vorhin im Auto hatte ich kein Problem damit. Hier in eurer Küche bin ich mir nicht mehr so sicher. Vor allem nicht, wenn ich an das letzte Wochenende denke, als ich bei euch war.

"Du könntest deinen Dad ablenken, damit ich mir mit seiner Dienstwaffe die Kugel geben kann ...", erwidere ich vollkommen humorlos, lasse den Kopf hängen und reibe mir die Schläfen.

In letzter Zeit machen mir die Kopfschmerzen wirklich zu schaffen. Vermutlich eine weitere Nebenwirkung von Cranes Experiment. Als ob die Albträume und Panikattacken nicht schon reichen würden ...

"Aber ernsthaft ...", fahre ich müde fort. "Du kannst nichts machen ... Keiner kann das ..."

Meine Stimme ist beim Sprechen so leise geworden, dass es nicht mehr als ein Flüstern ist.
 

Bei dem Kommentar über die Dienstwaffe weicht alles Blut aus meinem Gesicht und ich schnappe nach Luft. Meine Hände krallen sich in den Stoff über meinem Bauch, ohne dass ich es wirklich mitbekomme.

Panik.

Mit einem Schlag verspüre ich blanke Panik.

Ich traue dir zu, dass du ernst machst. So wie du aussiehst und wenn man die Vergangenheit bedenkt ... Ein leichtes Zittern erfasst mich und ich muss mir einen Stuhl heranziehen und mich hinsetzen.

"Edward ..."

Ich habe keine Ahnung, was ich noch sagen soll. Ich will dir helfen, aber ich weiß nicht wie. Und du bist der Überzeugung, dass ich nichts tun kann.

"Edward, wenn du das machst ..."

Ich merke selbst, dass ich bei dem Gedanken langsam hysterisch werde. Das Bild von dir in diesem Krankenhausbett steht mir wieder vor Augen. Damals hast du nicht mal viel schlimmer ausgesehen, als jetzt.

"Ich -"

"So, da bin ich wieder."

Dad kommt mit einer Packung Kopfschmerztabletten herein geschlendert und wirkt relativ gut gelaunt. Als er uns sieht, erstarrt er.

"Was ist los."

Weil meine Kehle gerade so zugeschnürt ist, dass ich das Gefühl habe, ersticken zu müssen, schüttle ich nur hastig den Kopf.

Dad wirft dir die Tabletten zu und legt mir eine Hand auf den Rücken, um mich zu beruhigen.
 

Ich hätte Nichts sagen sollen.

Ich hätte einfach die Klappe halten sollen und gut wäre es gewesen.

Aber nein, ich musste ja unbedingt den Scherzbold raushängen lassen und nun habe ich den Salat. Du siehst mich an, als hätte ich bereits eine Waffe in der Hand und halte sie mir an die Schläfe. Tja, das ist zwar wirklich ein ausgesprochen verlockender Gedanke, aber so feige bin ich dann doch nicht.

In meinen ziemlich wirren Hirnwindungen lege ich mir bereits ein paar Worte bereit, die ich dir sagen will, da schlendet Jim wieder rein und wirft mir die Tabletten zu, die ich mehr schlecht als recht fangen kann. Na ja, in Sport war ich schon immer eine Niete, was diese klägliche Leistung mal wieder eindrucksvoll beweist.

Seufzend drücke ich mir zwei Kopfschmerztabletten aus der Packung und spüle sie mit ein paar Schlucken Wasser hinunter. Das Beste wird sein, wenn ich jetzt einfach die Klappe halte und gar nichts mehr sage. Und ich muss mir unbedingt mindestens eine Koffeintablette einwerfen. Ich muss um jeden Preis wach bleiben.
 

"Was zur Hölle ist denn passiert? Ich war keine fünf Minuten weg!"

Dad kniet sich neben meinem Stuhl hin und versucht, mir in die Augen zu sehen, aber ich wende verbissen den Blick ab.

"Es ist nichts ...", presse ich hervor und versuche, ruhig zu atmen.

Wie es mir der Arzt gesagt hat. Bloß nicht aufregen.

"Edward hat nur einen ganz blöden Witz gemacht."

Ich sehe dich direkt an, damit du siehst, dass ich es für alles andere als einen Witz halte. Wenn du es wagst, noch einen Suizidversuch zu starten, dann belebe ich dich wieder und reiße dir danach persönlich den Kopf ab.

"Über ein Versprechen, dass er mir gegeben hat. Über Versprechen macht man keine Witze ..."

Dad blinzelt verwirrt, dann streicht er mir seufzend übers Haar.

"Wegen sowas solltest du dich nicht gleich so aufregen, Babs. Das ist nicht gut für das Kind."

Er schaut dich an.

"Keine dummen Witze mehr. Nimm ein bisschen Rücksicht auf die werdende Mutter."
 

Jim scheint es dir abzukaufen, dass ich einfach nur einen dummen Witz gerissen habe. Ich allerdings glaube dir keine Sekunde lang, dass du es wirklich für einen Witz hältst. Dafür ist deine Mimik viel zu offensichtlich. Klar habe ich dir das Versprechen gegeben, nicht noch mal zu versuchen, mich umzubringen. Und bislang habe ich mich auch daran gehalten. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass es nie wieder so weit kommen wird.

Ich seufze ergeben und hebe beschwichtigend die Hände.

"Ja ja ...", murmle ich leise, greife mir die Zeitung und erhebe mich langsam. "Aber auf die Idee, dass es für Alle besser wäre, wenn es kein Witz wäre, kommt auch Keiner ...", sage ich hauptsächlich zu mir selbst, während ich zur Tür gehe.

Ich will jetzt einfach nur noch meine Ruhe haben, mir im Gästezimmer eine ordentliche Koffeindröhnung geben und meinen Hirngespinsten freien Lauf lassen.

I've become so numb


 

I'm tired of being what you want me to be

Feeling so faithless, lost under the surface

I don't know what you're expecting of me

Put under the pressure of walking in your shoes ...
 

Frustriert werfe ich die Tür des Gästezimmers hinter mir zu, lasse die Zeitung achtlos auf den Fußboden fallen und werfe mich dann rücklings auf das Bett, um einfach nur die Zimmerdecke anzustarren.

Das ist ja mal wieder ganz große Klasse gelaufen ...

Ich bin erst ein paar Stunden in eurem Haus und prompt habe ich es mal wieder geschafft, dass der Haussegen schief hängt.

Klar war es ein äußerst mieser Witz, dass ich mir einfach so die Dienstwaffe von Jim nehme, die er verantwortungsbewusst immer brav gesichert im Safe in seinem Büro verschlossen hat, wenn er sie nicht am Körper trägt. Aber nur weil der Witz so schlecht war, ist dass doch noch lange kein Grund, gleich so die Fassung deswegen zu verlieren, wie es Barbara getan hat.

Aber wenn ich genau darüber nachdenke, kann ich nicht einmal garantieren, dass ich mir nicht wirklich irgendwann mal die Waffe aneigne und meinem Elend endlich ein Ende mache.

Seit Weihnachten halten sich meine Selbstmordgedanken zwar in Grenzen, aber schon alleine durch die "Sondertherapiesitzungen", die Crane mit mir veranstaltet hat, habe ich mir bereits mehrfach gewünscht, es endgültig zu beenden.

Aber dann würde ich wie ein Feigling einfach davonlaufen und ich habe mir geschworen, dass ich nie mehr schwach und feige sein werde. Ich habe schon mit meinem alten Herrn kurzen Prozess gemacht, also muss ich das durchstehen, bis Crane das Interesse an mir verloren hat.
 

(Caught in the undertow, just caught in the undertow)

Every step that I take is another mistake to you ...

(Caught in the undertow, just caught in the undertow)
 

Ich muss Crane mit seinen eigenen Waffen schlagen, so viel ist mir klar. Doch wie ich das anstellen soll, steht noch in den Sternen. Er hat in Arkham wesentlich mehr Handlungsspielraum als ich. Und weil er diesen Laden kontrolliert, kann er sich nach Herzenslust austoben mit seinen kranken Experimenten.

Das muss ich ihm unbedingt austreiben. Meinetwegen kann er mit dem Joker spielen oder mit den armen Seelen, die bereits völlig den Verstand verloren haben und die er irgendwo in einer anderen Abteilung weggesperrt hat.

Ich für meinen Teil werde ihm Alles heimzahlen. Jeden einzelnen gehässigen Kommentar, jede böswillige Handlung die mir schaden soll, jede Beruhigungsspritze und ganz besonders das psychoaktive Gas, welches er benutzt. Ich werde ihm Alles doppelt und dreifach heimzahlen.

Vielleicht ist dieses Zeug sogar der Schlüssel, um Crane einen Denkzettel zu verpassen, den er nie wieder vergessen wird.

Und nachdem, was er mir angetan hat, ist es doch völlig rechtens, wenn ich mich gegen ihn zur Wehr setze.
 

I've become so numb, I can't feel you there,

Become so tired, so much more aware.

I'm becoming this all I want to do,

Is be more like me and be less like you.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich über das Crane-Problem gegrübelt habe, nachdem ich mich an den Koffeintabletten bedient habe, die ich tief in meiner Sporttasche vergraben habe, damit weder Jim noch Barbara sie finden, falls sie einen Blick in die Tasche werfen. Aber langsam nimmt mein Plan Gestalt an.

Ich habe immerhin schon den Wachmann Carver auf meiner Seite, der meiner Meinung nach einen guten Deal mit mir gemacht hat. Immerhin finanziere ich ihm seine Besuche auf der Rennbahn. Seine Kollegen haben sicherlich auch Dreck am Stecken. Dass zu finden sollte nicht allzu schwer sein und wenn ich es gefunden habe, werde ich diese Informationen dazu nutzen, sie ebenfalls in meinen Plan einzuspannen.

Ich werde ein bisschen basteln müssen und ich brauche noch die Gebäudepläne von Arkham, aber dass sollte relativ einfach zu bewerkstelligen sein. Das größere Problem ist, wie ich unauffällig an genügend Gas komme, damit mein Plan letztendlich auch aufgeht.

Ich bezweifle, dass Crane so viel von dem Zeug in seinem Büro gebunkert hat, dass ich eine zufrieden stellende Rache an ihm nehmen kann.
 

Can't you see that you're smothering me?

Holding too tightly, afraid to lose control.

Cause everything that you thought I would be

Has fallen apart right in front of you ...
 

Das dringendere Problem, welches ich angehen muss, ist aber Barbara. Ja, sie stellt in gewisser Weise ein Problem für mich dar, da ich wegen ihr schon so viele meiner Grundsätze über den Haufen geworfen habe.

Wenn ich sie damals, beim ersten Anzeichen, dass sie mehr als nur Lernen im Sinn hat, einfach aus meinem Büro geworfen hätte, hätte ich jetzt viele meiner Probleme nicht. Dann hätte mich Batman nicht geschnappt nur nach Blackgate gebracht. Und dann würde ich jetzt nicht in Arkham sitzen mit einem Haufen Verrückter.

Aber vielleicht auch nicht, wer weiß das schon.

Was Barbara betrifft, kann ich mir mittlerweile selbst nicht mehr trauen. Sie hat mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt und das Seltsame daran ist, dass es mich nicht einmal groß stört. Irgendwie ist es schön, dass sie und Jim sich solche Mühe geben. Und um ehrlich zu sein gefällt mir der Gedanken, eine richtige Familie zu haben.

Wie erklärt man etwas, das man nicht einmal selbst verstehen kann?
 

(Caught in the undertow, just caught in the undertow)

Every step that I take is another mistake to you

(Caught in the undertow, just caught in the undertow)

And every second I waste is more than I can take!
 

Ich war immer stolz darauf, unabhängig zu sein und Niemanden zu brauchen. Es war nicht immer leicht, aber so war es mir am liebsten. Doch schon seit Monaten ist mir zumindest unterschwellig bewusst, dass ich mich damit nur selbst belüge. Was der Auslöser dafür war, kann ich nicht mit Gewissheit sagen, aber wenn ich wetten müsste, würde ich auf den fünfzehnten Todestag meiner Mutter an Weihnachten tippen.

Es war wie der Anfang vom Ende ...

Batman, der mir unbedingt das Leben retten musste, obwohl ich ihn nicht darum gebeten habe.

Barbara, die plötzlich wieder auf der Bildfläche erschienen ist, obwohl sie fast ein Jahr lang erfolgreich ignoriert habe.

Mein Vater, der mich auf der Intensivstation vor den Augen von Jim zutiefst gedemütigt hatte, was mir endlich den Mut verliehen hat, ihn unter die Erde zu bringen.

Die verhängnisvolle Silvesternacht …
 

I've become so numb, I can't feel you there,

Become so tired, so much more aware.

I'm becoming this all I want to do,

Is be more like me and be less like you.
 

Silvester …

Auch jetzt, fünf Monate später, könnte ich immer noch vor Scham im Boden versinken, weil ich so dermaßen verantwortungslos war, dass es jeder Beschreibung spottet.

Statt auf meinen Kopf zu hören, habe ich meinem Bauchgefühl nachgegeben. Im Nachhinein betrachtet war das vielleicht sogar der Moment, an dem ich angefangen habe, sogar meinem Bauchgefühl zu misstrauen. Ab da war meine beginnende Paranoia wohl kaum noch aufzuhalten.

Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob ich mal eine Familie gründen will, da ich für so etwas keine Zeit hatte und ich es auch für klüger hielt, mich niemals fortzupflanzen. So verkorkst, wie ich bin, kann nichts Gutes dabei heraus kommen.
 

And I know I may end up failing, too.

But I know you were just like me

When someone disappointed in you ...
 

Nachdenklich betrachte ich das Ultraschallbild, was ich in Hamlet verstecke. Dieses Wochenende lasse ich das Bild nicht aus den Augen, um Crane keine Gelegenheit zu geben, noch mehr Druckmittel gegen mich in der Hand zu haben.

Seit Barbara mir vor zwei Monaten zum ersten Mal ein solches Bild gezeigt hat, bin ich noch verwirrter. Verwirrter, als ich es jemals zuvor war.

Ich habe bis dahin nie einen Gedanken daran verschwendet, Vater zu werden, dann hat Barbara mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Vielleicht tue ich ihr unrecht damit, aber meine Meinung dazu hat sich anscheinend nicht sonderlich interessiert.

Und trotz allem konnte ich es nicht verhindern, dass ich leise Gefühle für dieses kleine unförmige schwarz-weiße Ding, was in ein paar Wochen ein Mensch ist, entwickelt habe.
 

I've become so numb, I can't feel you there,

Become so tired, so much more aware.

I'm becoming this all I want to do,

Is be more like me and be less like you.
 

Doch nicht nur für das Baby, für dessen Existenz ich mitverantwortlich bin, wie ich tief im Unterbewusstsein weiß. Nein, auch für Barbara habe ich mittlerweile eine für mich beängstigende Zuneigung entwickelt. Und das macht mir ehrlich gesagt Angst.

Ich war noch nie gut darin, mit Gefühlen umzugehen. Noch weniger Ahnung habe ich, was ich mit diesen starken ungewohnten Emotionen anfangen soll.

Vielleicht sollte ich mir einfach einen Ruck geben, über meinen Schatten springen und ihr einfach sagen, was ich für sie fühle.

Was kann schon dabei schief gehen …?
 

I've become so numb, I can't feel you there,

(Tired of being what you want me to be)

I've become so numb, I can't feel you there,

(Tired of being what you want me to be)
 

Ich hasse dich ... Weil du dir sogar nach dem, was du soeben gesagt hast, sicher sein kannst, dass ich gerade gelogen habe ...

Der gestrige Abend war die Hölle. Du hast das Gästezimmer nicht mehr verlassen und ich habe versucht, mir nicht vorzustellen, wie deine Leiche in einer einsamen Zelle auf dem Boden liegt und langsam ausblutet.

Oder an einem Deckenbalken baumelt.

Oder …

Lassen wir das.

Das Abendessen zwischen mir und Dad verlief schweigend und bedrückend. Wir beide stocherten in unserem Essen herum und schielten gelegentlich hinüber zu dem unbenutzten Teller, den ich für dich gedeckt hatte. Genau wie das erste Wochenende verspricht auch dieses hier ein totaler Reinfall zu werden.

Als ich in die Küche komme, sitzt du bereits am Tisch, die Kaffeetasse, die ich dir immer gegeben habe, vor dir. Du siehst gelinde gesagt aus wie der Tod auf Latschen.

"Hi", ringe ich mir ab.

Einen guten Morgen zu wünschen wäre wohl für uns beide eine glatte Lüge.
 

Wie ich die Nacht überstehen konnte, ich mir auch um acht Uhr morgens ein Rätsel. Den ganzen gestrigen Abend habe ich das Gästezimmer nur verlassen, um kurz im Bad zu verschwinden. Das Essen habe ich ausfallen lassen, was somit die zweite größere Mahlzeit an diesem Tag war. Aber das wirklich merkwürdige an der Sache ist, dass ich nicht einmal Appetit verspürt habe. Vielleicht ist diese Anorexie auch eine Nebenwirkung von Cranes Zeug.

Die Nacht habe ich mir damit um die Ohren geschlagen, dass ich mir ordentlich Koffeintabletten eingeworfen und das große Bücherregal im Wohnzimmer durchforstet habe. Einige gute Bücher sind sogar dabei gewesen und zwei habe ich bis zum Morgengrauen geschafft. Auch dein Laptop lag auf dem Couchtisch und ich war wirklich versucht, einen genaueren Blick darauf zu werfen, aber letztendlich habe ich es sein gelassen.

Und seitdem bin ich nun hier in der Küche, habe bereits eine Kanne Kaffee getrunken und die Zweite schon angefangen. Die heutige Zeitung ist nicht besonders spannend. Wie ich aussehe, will ich lieber gar nicht wissen, aber vermutlich könnte ich ohne Zweifel in einem Zombiefilm mitspielen. Kurioserweise bin ich sowohl müde als auch aufgeputscht zur selben Zeit.

Als du in die Küche kommst, nippe ich an meiner Tasse und mache mit der anderen Hand einige Zeichnungen auf einem Block, der im Wohnzimmer lag. Ich hatte die Nacht eine großartige Idee, für deren Umsetzung ich diese Zeichnungen brauche.

"Mhm ...", brumme ich zur Begrüßung und sehe nicht einmal auf.
 

Wow.

Wenn das mal nicht die wortreichste Unterhaltung aller Zeiten war ...

Keiner von uns scheint in der Stimmung zu sein, jetzt ein Gespräch zu erzwingen, also halte ich ebenso wie du den Mund und gehe dazu über, deine Anwesenheit zu verdrängen. Stattdessen widme ich mich dem Kühlschrank. Frühstück ist bekanntermaßen die wichtigste Mahlzeit des Tages. Damit habe ich überhaupt kein Problem, denn momentan habe ich sowieso immer Hunger.

Ich reihe ein paar Zutaten auf der Anrichte auf. Wir haben Röstzwiebeln, Ketchup, saure Gurken und Wurst. Das schreit nach Hot Dogs.

Schweigend richte ich mir mein eher unkonventionelles Frühstück her, ohne dich anzusehen. Bevor ich zu dir an den Tisch komme, nehme ich schulterzuckend noch ein Glas Nussnugatcreme aus dem Schrank. Ein bisschen Zucker am Morgen soll immerhin gut sein. Kurzkettige Kohlenhydrate, würde mein Arzt sagen.

Noch immer unsicher, wie ich mit dir umgehen soll, suche ich mir den Platz, der am weitesten von dir weg ist und staple mein erbeutetes Essen vor mir auf dem Tisch. Ich angle mir den Sportteil, den du bereits zur Seite geschoben hast und fange aus purer Gewohnheit an, die Spielergebnisse durchzusehen, während ich an meinem Hot Dog nage.

Gedankenverloren zupfe ich eine der Gurken heraus und werfe dem Glas Nugatcreme einen Blick zu. Ach, was soll's. Ich bin schwanger, ich darf das. Ich tunke die saure Gurke beiläufig in das Glas und schiebe sie mir in den Mund, während ich die Zeitung umblättere.
 

Vielleicht bin ich wirklich der unsozialste und unkommunikativste Mensch in dieser Stadt, aber ich finde es sogar angenehm, dass du kein weiteres Wort verlierst und mich versuchst, in ein Gespräch zu verwickeln. Großartig viel zu sagen habe ich eh nicht. Außerdem ist es wichtiger, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Crane wird sich noch wundern. Er wird Alles doppelt und dreifach zurück bekommen.

Da ich viel zu vertieft in meine technischen Zeichnungen bin, ignoriere ich, was du alles aus den Schränken holst und mit was zu herum klapperst. Erst als du dich an den Tisch setzt, sehe ich kurz auf und werfe dir einen Blick zu.

Ein Hot Dog?

Zum frühen Morgen?

Normalerweise würde ich mich darüber wundern, aber da ich die Zeit in Arkham zum Teil sinnvoll genutzt habe und tatsächlich ein Buch über Schwangerschaft gelesen habe, wundere ich mich nicht.

Doch als du dann wirklich eine der Gurken in die Nussnugatcreme tunkst, hebe ich mit einem leicht angewiderten Gesichtsausdruck eine Augenbraue.

Das ist jetzt nicht wirklich dein Ernst?

Ich verkneife mir zwar jeglichen Kommentar, der mir auf der Zunge liegt, aber mein Gesicht spricht sicherlich Bände. In diesem Moment bin ich wirklich sehr froh, dass meine letzte Mahlzeit gestern Morgen in Arkham war.
 

Dein Blick ist wirklich überaus aussagekräftig, als ich versonnen an meiner zweiten Gurke nuckle.

"Was?", frage ich betont streng.

Daran ist nichts verwerflich. Andere Leute tauchen Pommes in Milchshakes.

"Ich bin schwanger, Eddie, ich darf das. Eigentlich ist es sogar ziemlich lecker ..."

Ich tunke mein Gürkchen noch mal ein und werfe es ein Stück nach oben, um es mit dem Mund aufzufangen. Vielleicht kann ich durch den Bauch nicht mehr trainieren, aber dafür reichen meine Reflexe noch. Bedächtig kaue ich.

"Wegen gestern ...", sage ich dann und würde mich am liebsten selbst ohrfeigen.

Warum genau fange ich jetzt damit an?

"Es tut mir leid, dass ich so heftig reagiert habe. In letzter Zeit fahre ich die emotionale Achterbahn - was dir eventuell schon aufgefallen sein könnte."

Leise seufzend widme ich mich dem Rest meines Hot Dogs.

"Aber du musst verstehen, dass es mich in Panik versetzt, wenn du so etwas sagst."

Ich sehe dich mit einem leichten Lächeln an, das meine Augen nicht erreicht.

"Es ist vielleicht komisch, aber ich habe die Leute, die mir nahe stehen, lieber lebendig ..."
 

Mir ist relativ egal, ob du der Meinung bist, dass du, nur weil du schwanger bist, deinen komischen Essensgelüsten frönen darfst. Ich für meinen Teil wende demonstrativ den Kopf ein Stück ab, als du die Gurke erneut in der Nussnougatcreme versenkst und dann isst. Nicht einmal, wenn ich in Topform wäre, würde ich mir das freiwillig antun.

"Ja ja ...", sage ich zu deiner Erklärung und winke ab.

Dann greife ich nach der Kaffeetasse, trinke den letzten Schluck aus und gehe zur Kaffeemaschine. Bevor ich mir allerdings neu einschenken kann, zupfe ich an meiner Hose herum. Erstaunlicherweise hat Crane mir die Sachen, die ich beim meinem letzten Aufenthalt bei euch gekauft habe, frisch gewaschen ausgehändigt. Ich vermute, dass Jim da ein Machtwort gesprochen hat. Jedenfalls sind mir die Sachen mittlerweile fast eine Nummer zu groß und die Hose rutscht ein bisschen, weswegen ich ständig daran herum ziehe.

"Weißt du ...", sage ich dann, nachdem die Tasse wieder mit Kaffee gefüllt ist und ich einen Schluck genommen habe. "Erst jammerst du rum, weil ich nicht mit dir rede. Aber wenn ich es mache, ist dir das auch nicht recht."

Ich mache eine kurze Pause und sehe dich über den Rand meiner Brille an.

"Könntest du dich bitte mal entscheiden, was du willst."
 

Mein Blick folgt dir auf deinem Weg zur Kaffeemaschine. Natürlich fällt mir auf, dass du in deinen Klamotten hängst wie ein Schluck Wasser. Das ist nicht gut.

Hast du eigentlich schon etwas gegessen, seit du aus Arkham gekommen bist?

Ich bezweifle es. Zaghaft schiele ich auf das Essen, das ich vor mir aufgehäuft habe. Wahrscheinlich ist dir jetzt erst recht nicht mehr danach, etwas zu dir zu nehmen.

"Natürlich will ich, dass wir reden", seufze ich und sehe dich flehend an. "Ich wünsche mir, dass du ehrlich bist. Aber ich muss auch ehrlich sein können, Eddie. Und wenn du mir so etwas sagst, soll ich dir dann vorspielen, dass es für mich keine große Sache ist? Soll ich so tun, als würde es mir nicht nahe gehen, dass es dir so schlecht geht?"

Ich schüttle den Kopf.

"Das kann ich nicht. Das will ich auch gar nicht. Vielleicht realisierst du es nicht, aber es würde dich verletzen, wenn ich so tun würde, als ob mir das alles am Arsch vorbeigeht."

Plötzlich habe ich so gar keinen Appetit mehr. Ich schiebe genervt meinen Teller von mir und schraube die Nussnugatcreme zu.

"Es bricht mir das Herz, wenn ich dich so sehe. Jedes Mal, wenn ich dich anschaue, ein bisschen mehr. Und es macht mich völlig fertig, dass ich dir nicht helfen kann. Ich versuche ja, stark zu sein und das nicht auch noch auf dich abzuwälzen. Aber ich werde das nicht in jeder Sekunde perfekt hinbekommen. Dafür bin ich viel zu emotional und impulsiv und was weiß ich nicht alles. Du kennst mich doch gut genug, um das zu wissen ..."
 

"Oh Gott ...", murmle ich frustriert und nehme einen großen Schluck Kaffee. "Jetzt tu bloß nicht so, als ob es dich wirklich interessiert, wie es mir geht."

Ein wenig unsanft stelle ich die Kaffeetasse auf die Theke und verschwinde für ein paar Sekunden in den Flur. Als ich die Küche wieder betrete, habe ich die Zigarettenschachtel aus Jims Trenchcoat in der Hand.

"Und bevor du fragst: Mir geht es bestens. Arkham ist wie Urlaub in einem Kurhotel. Ich amüsiere mich dort blendet und habe bereits Freundschaften fürs Leben geschlossen."

Ich betone meine Worte betont sarkastisch und werfe dir einen kurzen missbilligenden Blick zu, ehe ich die Kaffeetasse nehme und mit ihr und den Zigaretten in der Hand zur Hintertür gehe. Dort drehe ich mich noch einmal kurz zu dir um.

"Tu doch einfach so, als ob ich nicht da wäre. Dieses zwanghafte nette Getue von dir kann ich echt nicht ab."

Ich öffne die Tür und trete hinaus auf die Terrasse und da es bereits angenehm warm draußen ist, lasse ich die Tür offen stehen.
 

Mit offenem Mund starre ich dir nach. Ich gebe mir gerade wirklich Mühe, nicht wütend zu werden.

Du kannst nichts dafür, rede ich mir ein.

Das ist dein innerer Schutzreflex, sage ich mir.

Eigentlich meinst du es nicht so, gaukle ich mir vor.

Trotzdem ist da diese kleine, nagende Stimme, die mir einflüstern will, dass du wirklich diese Meinung von mir hast. Dass du denkst, du interessierst mich nicht, und dass dieses Gefühl für dich auf Gegenseitigkeit beruht.

Wer sagt denn, dass du das hier machst, weil du es wirklich willst?

Kann doch auch sein, dass Dad und ich einfach nur deine Chance sind, ein paar Tage im Freien zu verbringen ...

Zwar halte ich dich eigentlich nicht für Jemanden, der so etwas tut, aber ich habe dir bereits des Öfteren Dinge nicht zu getraut, die du dann genauso abgezogen hast.

Traurig schüttle ich den Kopf, erhebe mich und gehe langsam zur Tür.

"Für den Fall, dass du das gerade ernst gemeint hast: fahr zur Hölle."

Ich schlucke schwer.

"Sollte das aber gerade deine traditionelle Trotzreaktion gewesen sein, wenn ich dir zu nahe komme, dann lass dir gesagt sein, dass ich da bin, falls du es dir anders überlegst und nicht allein sein willst."

Ohne dich anzusehen lege ich eine Hand auf die Verandatür.

"Der Qualm zieht herein. Das ist schlecht für unser ... für mein Kind."
 

"In der Hölle bin ich bereits ...", murmle ich leise mit der Zigarette zwischen den Lippen und starre stur gerade aus in den Garten, während ich mitten auf der Terrasse stehe und dir mehr oder weniger den Rücken zuwende.

Ob du meine Worte überhaupt hörst, ist mir egal. Wenn ja, kannst du dir deinen Teil denken. Wenn nicht, auch gut.

"Ich habe gemerkt, wie du da bist", sage ich dann ein wenig lauter und drehe mich langsam zu dir um. "Im Gotham General hat es dich nicht interessiert, ob ich lebe oder sterbe. Und in Arkham bist du auch nur aufgetaucht, weil du Jemanden gebraucht hast, der die Vaterschaft anerkennt."

Demonstrativ nicke ich in Richtung deines Bauches. Natürlich ist mir bewusst, dass meine Worte nicht gerade nett sind. Selbst in meinen Ohren klingen sie alles andere als sozialverträglich. Aber sei's drum. Ich bin übermüdet und ziemlich fertig mit den Nerven. Was du davon hältst, ist mir in diesem Moment sogar egal. Sicher werde ich es im Nachhinein bereuen, aber ich kann gerade gar nicht anders.

"Und wenn es dich stört, kannst du gerne gehen. Oder zwinge ich dich gerade, hier rumzustehen?"
 

"Wie bitte?"

Was du mir gerade vorwirfst, trifft mich härter als alles, was du je zu mir gesagt hast. Als Klette bezeichnet zu werden, ist dagegen noch ein Kompliment gewesen. Da hast du wenigstens anerkannt, dass ich immer um dich herum war.

Aber das?

Zutiefst enttäuscht schüttle ich den Kopf.

"Das sagst du wirklich zu der, die sich in diesem beschissenen Wartezimmer die Nächte totgeschlagen hat, weil sie in deiner Nähe sein wollte? Die mehr Tränen um dich vergossen hat, als manche Menschen in ihrem ganzen verdammten Leben weinen? Die sogar jetzt, obwohl es für sie und ihr Kind und ihr ganzes Leben einfacher wäre, dich fallen zu lassen, noch an dir festhält?"

Meine Fingerknöchel am Türknauf treten inzwischen weiß hervor.

"Ich hasse dich", flüstere ich erstickt. Dann füge ich leise hinzu: "Weil du dir sogar nach dem, was du soeben gesagt hast, sicher sein kannst, dass ich gerade gelogen habe ..."

Mit einem Gefühl, als würde ich nie wieder froh werden, schmeiße ich die Tür zu. Ich kehre zitternd zum Küchentisch zurück und setze mich, versuche, ruhig zu atmen. Ein psychischer Zusammenbruch wäre jetzt wirklich unangebracht ...

Manchmal verliebt man sich ganz unerwartet in Jemanden, obwohl man das gar nicht will. Das macht die Sache aber nicht falsch.

Vermutlich bin ich wirklich emotional abgestumpft, denn deine Worte lasse ich schweigend und größtenteils interesselos über mich ergehen. Ganz unvorhersehbar ist es schließlich nicht, dass du so reagierst. Und mir ist klar, dass ich deine Reaktion mit meinen Worten provoziert habe.

Nachdem du die Hintertür zugeworfen hast, sehe ich sie für einige Sekunden lang an, ehe ich frustriert seufze. Das habe ich ja mal wieder schön hinbekommen. Dabei will ich mich doch gar nicht mit dir streiten und trotzdem muss ich immer wieder Öl ins Feuer gießen.

Ich nehme einen tiefen Zug der halbaufgerauchten Zigarette, ehe ich sie im Aschenbecher ausdrücke und nähere mich dann mit der Kaffeetasse in der Hand der Tür. Dort verharre ich einen Moment und frage mich, ob ich mich jetzt entschuldigen oder es einfach sein lassen soll. Letztendlich entscheide ich mich für Ersteres, da ich immer noch Jims Worte im Ohr habe.

Mit einem lautlosen Seufzen öffne ich die Tür, betrete die Küche und schließe sie leise hinter mir. Zögernd trete ich an die freistehende Theke und werfe dir einen vorsichtigen Blick zu, wie du so am Küchentisch sitzt.

"Tut mir leid ...", murmle ich dann leise und senke den Blick. "Das war nicht so gemeint. Ich bin zur Zeit ziemlich runter mit den Nerven ..."
 

"Mh ...", mache ich nur und versuche nach wie vor, jetzt nicht zu einem zitternden Bündel zusammenzuschrumpfen.

Tränen fließen keine. Wahrscheinlich sitzt der Schock über das, was du mir diesmal an den Kopf geworfen hast, so tief, dass ich es gar nicht mehr beweinen kann. Andererseits ist das doch auch gut. Vielleicht ist das ja endlich der Punkt, an dem ich keine Tränen mehr für dich übrig habe. Hysterische Heulkrämpfe sind für die Schwangerschaft sowieso eher kontraproduktiv.

Mit bebenden Händen reibe ich mir kurz über das Gesicht und fahre weiter durch meine Haare. Meine Wut ist verraucht. Ich habe keine Energie mehr, um wütend zu sein.

"Vergiss es einfach ...", sage ich schließlich und werfe dir einen knappen Blick zu. "Ist schon gut."

Immer noch wacklig auf den Beinen erhebe ich mich und gehe an dir vorbei zur Kaffeemaschine, um den letzten, inzwischen sicher kalten Schluck wegzuschütten und neuen anzusetzen.

"Ich mache Dad Kaffee, er arbeitet unten. Du willst bestimmt auch welchen", presse ich in erzwungenem Plauderton hervor.

Viel lieber würde ich mich allerdings jetzt in eine dunkle Ecke hocken, die Hände vor das Gesicht schlagen und laut schreien.
 

"Nein, es ist nicht gut ...", widerspreche ich leise und vorsichtig.

Auch wenn ich nicht gerade die sozialste Person in diesem Haus oder dieser Straße - ja noch mal dieser Stadt - bin, entgeht mir nicht, dass dich meine Worte tief getroffen haben. Mal wieder. Ich seufze lautlos und beobachte dich einen Moment lang schweigend, wie du mit der Kaffeemaschine hantierst.

Unsicher spiele ich mit der Kaffeetasse in meiner Hand herum. Die Entscheidung, die ich in der Nacht getroffen habe, fühlt sich momentan nicht mehr so gut an.

"Auch wenn es sich jetzt ziemlich blöd anhört ...", beginne ich zögernd. "Ich sage manchmal Dinge, die ich eigentlich gar nicht so meine und die ich hinterher bereue. Ich habe keine Ahnung, warum ich das mache und Sachen im Affekt sage, die teilweise wirklich weit unter der Gürtellinie sind ..."
 

"Tja ...", schnaube ich nur und schnalze mit der Zunge.

Mir ist klar, dass das gerade eine wirklich gemeine Reaktion ist. Aber ich bin gerade so beschäftigt mit meinem eigenen Schmerz, dass ich dafür noch nicht wirklich ein Ohr habe.

"Einsicht ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Lösung des Problems."

Ich muss die Kanne mit zwei Händen festhalten, als ich Wasser in die Maschine fülle. Am liebsten würde ich dich darauf hinweisen, dass du, wenn du denn so gar keine Ahnung hast, dieses Thema eventuell mit deinem Therapeuten erörtern könntest, anstatt den Mann anzugreifen. Aber ich bin gerade nicht in der Verfassung, mich zu streiten. Also bleibe ich lieber kurz angebunden und konzentriere mich auf den Kaffee. Eine Ablenkung, damit ich nicht schluchzend auf dem Küchenboden ende. Bisher schlage ich mich doch ganz gut.

"Ich mache Dad ein Sandwich. Willst du auch eins?"
 

"Ich habe keinen Hunger ...", lehne ich dein Angebot ab und trinke stattdessen meinen Kaffee aus, ehe ich die Tasse auf die Theke stelle und zögernd ein paar Schritte näher komme. "Ich ...", beginne ich, breche aber sofort wieder ab.

Du wirkst im Moment nicht unbedingt so, als ob du das, was ich dir eigentlich sagen möchte, sonderlich gut auffassen wirst. Du machst eher den Eindruck, dass du es nur für einen gut ausgeklügelten Plan von mir halten wirst.

"Vergiss es ...", sage ich schließlich. "Du bist zu recht sauer. Ich lasse dich am besten in Ruhe."

Ich werfe dir einen letzten Blick zu, ehe ich mich umdrehe. Es ist vermutlich wirklich das Beste, wenn ich das Gästezimmer nicht mehr verlasse, bis es Zeit wird, wieder nach Arkham zu fahren. Außerdem sollte ich langsam aber sicher wieder eine Koffeintablette nehmen.
 

"Eddie", sage ich sofort, als du gehen willst und drehe mich zu dir herum.

Den Mund habe ich bereits geöffnet, um etwas zu sagen, aber ich bringe es nicht über die Lippen. Also entscheide ich mich stattdessen für etwas Unverfängliches.

"Kannst du bitte kurz hier warten? Die Kellertreppe ist ziemlich steil. Ich habe schon Probleme, da runter zu kommen, ohne dass ich zwei Tassen Kaffee und einen Teller balanciere. Und meine Beine sind gerade wie Pudding ...", gestehe ich dann doch.

Ich räuspere mich, um den Kloß in meinem Hals loszuwerden.

"Und du musst mich nicht in Ruhe lassen ... Nur ... Ich kann gerade nicht darüber reden. Ich muss mich nur kurz beruhigen. Der Arzt hat gesagt, ich darf mich nicht ständig aufregen." Etwas kleinlauter füge ich hinzu: "Wenn du mich jetzt allein lässt, breche ich komplett zusammen. Bitte bleib hier."
 

Ich halte mitten in der Bewegung inne, als du mich bittest, hier zu bleiben. Nach kurzem Zögern drehe ich mich langsam wieder zu dir um und sehe dich einen Moment lang schweigend an. Schließlich nicke ich und komme wieder näher.

"Wenn du das möchtest ...", füge ich mit knappen Zucken der Mundwinkel hinzu.

Es fühlt sich gerade reichlich seltsam an, mit dir im selben Raum zu sein bei dieser Spannung, die sich wieder einmal zwischen uns aufgebaut hat.

"Glaubst du mir wenigstens, dass es mir leid tut?", frage ich vorsichtig.

Mir ist klar, dass ich die Situation entschärfen muss, denn dass du wieder einmal wegen mir anfängst zu weinen, ist das Letzte, was ich will. Allerdings weiß ich nicht, ob das, was ich dir eigentlich sagen möchte, der richtige Weg dafür ist.
 

Einen Moment lang sehe ich dich schweigend an und denke über die Frage nach. Ich bin mir nicht wirklich sicher, was ich derzeit glaube und was nicht und was ich besser glauben sollte. Schließlich zucke ich mit den Schultern.

"Ich glaube dir, dass es dir leid tut", sage ich gedehnt. "Aber ich bin mir noch unschlüssig, ob es dir leid tut, dass du mich mit einem blöden Spruch verletzt hast ... oder ob dir leid tut, dass du mir die Wahrheit ins Gesicht gesagt hast und ich sie schlecht aufnehme."

Ich wende mich wieder der Aufgabe zu, Dad sein Sandwich zuzubereiten.

"Aber du musst dir keine Gedanken machen. Gib mir eine Stunde und ich komme sowieso wieder angekrochen. Egal, zu welchem Schluss ich bis dahin gekommen bin."

Ich sage das mit einem bitteren Lächeln und bin dabei nur wütend auf mich selbst.

"Ich habe wirklich keine Ahnung, was du an dir hast, das mich so an dich bindet."
 

Bei deinen Worten lasse ich kurz den Kopf hängen, ehe ich tief durchatme, um die Theke gehe und neben dir stehe bleibe. Ich bleibe für ein paar Sekunden unschlüssig so stehen und sehe dir zu, wie du das Sandwich machst.

Dann nehme ich dir entschlossen das Messer weg und lege es außerhalb deiner Reichweite. Es ist besser, wenn ich jetzt keine Waffe in der Hand hast, denn es steht noch in den Sternen, wie du meine folgenden Worte aufnehmen wirst.

"Auch auf die Gefahr hin, dass du mir jetzt kein Wort glauben wirst ...", beginne ich vorsichtig. "Ich habe in Arkham gezwungenermaßen viel Zeit zum nachdenken und das habe ich in letzter Zeit auch viel getan ..."

Ich mache eine kurze Pause und betrachte nachdenklich den Boden unter meinen Füßen. Es fällt mir ohnehin schon schwer, weiter zu sprechen. Dich dabei auch noch anzusehen, schaffe ich noch weniger.

"Es gibt da eine Sache, die ich dir sagen möchte ... Das Problem ist nur, dass ich nicht so recht weiß, wie ich das machen soll. Kannst du also bitte einfach nur zuhören und dir jeden Kommentar verkneifen, bis ich fertig bin?"
 

Verwirrt schaue ich von meiner Hand zu dir und wieder zu meiner Hand.

Hast mich gerade ernsthaft entwaffnet?

Auweia ... Da kann ja nichts Gutes dabei herauskommen.

"Ich setze mich dazu mal lieber hin ...", murmle ich und schiebe mich an dir vorbei, um an den Küchentisch zurückzukehren.

Ich rechne mit dem Schlimmsten. Wahrscheinlich erzählst du mir gleich, dass du es dir anders überlegt hast. Dass nach diesem Wochenende Schluss ist und du dich mit mir und dem Kind nie wieder abgeben willst ...

"Also. Schieß los."
 

Ich folge dir mit den Augen bis zum Küchentisch, ehe ich tief durchatme. Augen zu und durch heißt jetzt die Devise. Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, da da immer noch ein Rest Zweifel ist, dass das, was ich hier vorhabe, wirklich das Richtige ist, aber ich weiß, dass es sein muss. Ich muss jetzt endlich mal reinen Tisch mit dir machen.

Ich bleibe mit dem Rücken zu dir an der Theke stehen und starre aus dem Fenster. Wenn ich dich jetzt ansehe, bekomme ich sicher kein einziges Wort über die Lippen.

"Okay ...", beginne ich leise zu sprechen. "Wie gesagt ... Ich habe viel nachgedacht und mir ist dabei Einiges klar geworden ..."

Ich muss eine Pause machen, da meine Stimme droht, zu versagen. Um das und meine eigene Unsicherheit zu überspielen, greife ich nach meiner leeren Kaffeetasse und beginne, nervös damit herumzuspielen.

"Ich weiß nicht, was Jim dir erzählt hat, aber ich bin freiwillig hier. Weil ich es will. Weil ich es besser machen will als mein ... mein Vater ..."

Wieder muss ich eine Pause machen, da meine ohnehin schon dünne Stimme fast wegbricht. Deswegen räuspere ich mich ein wenig umständlich, ehe ich weiter sprechen kann.

"Jedenfalls ...", setze ich wieder an, doch ich scheitere an dem Versuch, etwas zu sagen.

Meine leise Stimme zittert. Ich war noch nie besonders gut darin, über meine Gefühle zu reden und das, was ich hier mache, kostet mich bei jedem Wort ganz schön Überwindung.

"Manchmal verliebt man sich ganz unerwartet in Jemanden, obwohl man das gar nicht will. Das macht die Sache aber nicht falsch. Ich weiß nur nicht, wie ich damit umgehen soll ..."

Mittlerweile zittert nicht nur meine Stimme, sondern auch meine Hände. Ich halte mich krampfhaft an der Kaffeetasse fest und starre stur aus dem Fenster.

"Was ich damit sagen will, ist ..."

Wieder unterbreche ich mich und bin versucht, den Satz einfach so stehen zu lassen.

"Du hast recht damit, wenn du sagst, dass ich eifersüchtig bin, weil ..."

Wieder schaffe ich es nicht, weiter zu sprechen und innerlich verfluche ich mich selbst. So schwer kann das doch eigentlich gar nicht sein.

"Ich habe festgestellt, dass ich dich vermisse, wenn du nicht da bist ...", gebe ich leise zu, nachdem ich tief durch geatmet habe. "Dass es mir besser geht, wenn du um mich herumschwirrst ... Dass ich es nicht bereue, dass ich dir nachgegeben habe ... Und das jagt mir eine Heidenangst ein ..."
 

Während du da stehst und sprichst und tausend Tode zu sterben scheinst, werden meine Augen immer größer. Ich habe mit allem gerechnet. Aber nicht damit. Nie und nimmer hätte ich erwartet, solche ehrlichen Worte einmal aus deinem Mund zu hören. Und dann auch noch diese Art von Worten.

Das war gerade ein Liebesgeständnis, wird mir klar, als ich deinen Rücken mit offenem Mund anstarre. Gerade hast du mir das gesagt, was ich mir immer so sehr zu hören gewünscht habe. Du magst mich. Liebst mich ... Die Formulierung klingt noch immer neu und seltsam. Du hast nichts dagegen, wenn ich bei dir bin.

Was ist daraus geworden, dass du nichts Ernstes willst?

Oder willst du das trotz deiner Gefühle nicht?

Millionen Fragen schwirren mir durch den Kopf, aber ich schiebe sie alle beiseite. In diesem Augenblick zählt keine einzige davon. In meinen Augen sammeln sich Tränen. Freudentränen. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit weine ich, weil ich glücklich bin.

Langsam stehe ich auf und nähere mich dir. Du tust mir fast leid, wie du da stehst, den Rücken zu mir und dich an deine Tasse klammerst, als wäre sie das einzige, was dich vorm Verzweifeln bewahren kann. Als ich direkt hinter dir bin, halte ich kurz inne.

"Nicht erschrecken", warne ich dich vor, dann schlinge ich von hinten die Arme um dich - was sich dank meines Bauches als recht umständlich erweist - und schmiege mich an dich. "Ich kann mir wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was für eine Überwindung dich das gerade gekostet hat. Ich bin stolz auf dich, dass du den Mut aufgebracht hast, mir das zu sagen. Und ich bin dankbar. Und gerührt. Und ... ich liebe dich. Egal, wie du manchmal bist. Und egal, wie ich manchmal bin. So schnell werde ich damit auch nicht aufhören."
 

Trotz deiner Vorwarnung, zucke ich zusammen, als du mich umarmst. Fast hätte ich sogar die Tasse, die ich mit zitternden Händen halte, fallen gelassen und für ein paar Herzschläge lang vergesse ich sogar zu atmen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit entspanne ich mich ein wenig und schlucke schwer.

"Ja ... Nein ... Ich ...", stammle ich vor mich hin.

In meinen Hirnwindungen kann ich in diesem Moment keinen einzigen zusammenhängenden Satz finden. Wahrscheinlich führe ich mich gerade auf wie der letzte Idiot. Auf der einen Seite will ich nichts lieber, als es zu genießen, dass du mir so nah bist. Aber auf der anderen Seite habe ich eine Scheißangst davor, so verletzlich zu sein.

"Ich habe keine Ahnung, was du jetzt von mir erwartest ...", flüstere ich heiser, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden habe.
 

Es ist gut, dass du mich jetzt nicht sehen kannst, denn ich verdrehe genervt die Augen. Du hast ja so ein Talent dafür, schöne Momente zu ruinieren, indem du mir irgendwelche Erwartungen unterstellst.

"Tja, da sind wir schon zwei. Ich wüsste nämlich nicht, was ich jetzt erwarten soll. Bis vor zwei Minuten habe ich gedacht, dass du mich vielleicht nur als Freifahrtsschein für Arkham-freie Wochenenden benutzt. So gesehen ... Erwartungen übertroffen."

Ich lächle zufrieden in deinen Rücken hinein.

"Okay. Eine Erwartung habe ich schon. Du musst Dad immer noch sein Frühstück bringen."

Vorsichtig ziehe ich die Arme zurück und trete zur Seite, um mit dem Sandwich weiterzumachen. Vielleicht ist es das Beste, wenn ich das, was gerade passiert ist, nicht an die große Glocke hänge. Du scheinst schon so deine Schwierigkeiten zu haben, mit deiner eigenen Ehrlichkeit zurechtzukommen.
 

Unwillkürlich schleicht sich ein schiefes Grinsen auf meine Lippen, als du dich selbst als Freifahrtsschein bezeichnest. Deswegen schüttle ich andeutungsweise den Kopf. Als ich dann den Kopf ein Stück senke, sehe ich erleichtert, dass das Zittern meiner Hände endlich nachlässt.

Als du dann zur Tagesordnung übergehst und weiter mit dem angefangenen Sandwich machst, fühle ich so etwas wie Enttäuschung. Vermutlich sehe ich dich auch mit dieser leichten Enttäuschung an, auch wenn ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Darum nicke ich einfach kurz.

"Okay ...", füge ich hinzu, auch wenn sich meine Lust, mich jetzt auch noch mit Jim auseinander zu setzen, in Grenzen hält.
 

Durch zusammengekniffene Augen mustere ich dich.

"Sag mal ... um den Spieß herumzudrehen: Hast du jetzt irgendwas erwartet?"

Ich schmunzle leicht.

"Oder warum schaust du drein, als ob ich deinen Geburtstag abgesagt habe?"

Grinsend staple ich Salat, Wurst und Käse auf Dads Toast.

"Wenn du gehofft hast, dass ich dir jauchzend um den Hals falle und dich abknutsche, dann sag es nur. Dann muss ich mir nicht weiter Mühe geben, so zu tun, als wäre es keine große Sache ..."
 

Irritiert halte ich in meiner Bewegung inne, mich an dir vorbei zur Kaffeemaschine vorzukämpfen, und sehe dich einen Moment lang sprachlos an. Man könnte jetzt durchaus sagen, dass du den Nagel auf den Kopf getroffen hast, denn gegen meinen Willen habe ich tatsächlich mehr Reaktion von dir erwartet. Mittlerweile kenne ich dich und deine Emotionalität gut genug, um so etwas fast schon zu erwarten.

"Ich ... Ähm ...", stammle ich und habe keine Ahnung, was ich eigentlich sagen will.

Ich möchte ja auch nicht, dass du dich gleich wieder schlecht fühlst, weil es mir dann doch wieder zu viel Nähe ist, wenn ich jetzt ja sage.

"Ich ...", setze ich erneut an, schüttle dann aber knapp den Kopf, um noch einmal neu anzusetzen.

"Auch wenn es jetzt ziemlich blöd klingt, aber ... Ich weiß nicht, ob ich das schaffen würde ...", sage ich leise mit gesenktem Kopf.
 

"Ach, Eddie ..."

Ich schenke dir ein beruhigendes Lächeln.

"Das weiß ich doch. Deswegen halte ich mich ja zurück. Und es ist wirklich kein Problem - vor allem, wenn du mir das so ehrlich sagst."

Ich lege die fertigen Sandwichs auf einen Teller und lehne mich mit der Hüfte gegen die Theke.

"Ich muss gestehen, dass ich in letzter Zeit richtig Panik hatte, dich anzufassen, weil ich nicht wusste, wie du reagieren würdest. Ich hab keine Ahnung, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll, was dich aufregt, was dich beruhigen würde. Also ... wenn du mir einfach so wie jetzt sagst, was ich tun kann und was ich lassen sollte, dann ist das eine wirklich große Hilfe."

Das hier ist jetzt aber nicht eine Art verdrehter Beschäftigungstherapie, oder?

Vorsichtig balanciere ich den Teller auf der Kaffeetasse und klopfe an der Tür zu deinem Büro. Es fühlt sich ein wenig komisch an, hier zu stehen und darauf zu warten, dass du mich herein bittest. Zumal du ja nicht einmal mit mir rechnest, sondern sicher deine Tochter erwartest. Ich war bisher noch nie in diesem Raum, auch wenn die Verlockung wirklich groß war, mir selbst Zutritt zu verschaffen. Doch aus Respekt dir gegenüber habe ich bislang darauf verzichtet. Deswegen bin ich ehrlich gesagt auch sehr neugierig, wie es hinter der Tür aussieht.
 

Als es an der Tür klopft, schaue ich auf.

"Herein!", murmle ich und lasse meinen Blick weiter zu der Uhr auf meinem Schreibtisch wandern. Es ist schon nach zehn Uhr. Barbara hatte eigentlich schon vor einer Weile versprochen, mir etwas zu essen herunterzubringen.

Mir ist nicht mal aufgefallen, wie schnell die Zeit verflogen ist. Kein Wunder, denn ich stecke gerade bis zum Hals in Arbeit. Auf dem Tisch vor mir sind nach wie vor die stillgelegten Fallakten ausgebreitet. Zwar bin ich mit einigen inzwischen weitergekommen, aber der Vorrat an neuen Akten scheint schier unerschöpflich zu sein.

Kurz nach Zehn am Samstagmorgen und ich fühle mich, als wäre ich bereits reif fürs Bett.
 

Vorsichtig öffne ich die Tür zu deinem Büro und werfe dir einen fast schon zaghaften und entschuldigenden Blick zu. Deinem erstaunten Blick nach zu urteilen hast du ganz sicher nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet ich Einen auf Kellner mache. Zumal ich in deinem Büro nicht wirklich etwas zu suchen habe. Wahrscheinlich fühle ich mich deswegen immer unwohler.

Wortlos nähere ich mich deinem Schreibtisch und stellte dir ebenso kommentarlos die Tasse und den Teller hin, während ich mit einem flüchtigen Blick dein Büro mustere.

"Die Verzögerung geht auf meine Kappe", sage ich dann entschuldigend, denn dein forschender Blick schreit geradezu nach einer Erklärung.
 

Ich runzle kurz die Stirn, noch immer etwas verwirrt, dass ausgerechnet du hier herunter kommst, um mir mein Frühstück zu bringen.

Was kann ich jetzt daraus schließen?

Tust du Babs einen Gefallen?

Oder versuchst du, dich wirklich aktiv ins Familienleben einzuklinken?

Oder sind das einfach nur zwei Sandwiches und ein Kaffee und es ist vollkommen ohne Bedeutung?

"Kein Problem", sage ich und schenke dir ein Lächeln. "Guten Morgen erst mal."

Die Frage kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen.

"Ist bei Barbara alles okay oder warum bist du hier?"
 

Ich weiß nicht wirklich, was ich zu deinem durchaus als neugierig zu bezeichneten Blick sagen soll. Und auch den sarkastischen Kommentar, der mir zu deinem »Guten Morgen« auf der Zunge liegt, verkneife ich mir. Du bist schließlich nicht der Joker. Trotzdem - oder vielleicht eher gerade deswegen - werfe ich der Uhr mit einer hochgezogenen Augenbraue einen eindeutigen Blick zu.

"Nur die üblichen Stimmungsschwankungen ...", beantworte ich deine Frage mit einem Schulterzucken.

Zwar hast du mich vor vier Wochen motiviert, reinen Tisch mit Barbara zu machen, aber es fühlt sich immer noch seltsam an, ausgerechnet mit dir über die Beziehung zwischen mir und ihr zu sprechen.

"Sie war sich nicht sicher, ob sie unfallfrei die Treppe runter kommt", füge ich noch hinzu.
 

Ein leichtes Auflachen kann ich mir nicht verkneifen.

"Tja ... Sie hört es zwar nicht gern, aber ein bisschen aufgegangen ist sie schon ..."

Auch das amüsierte Grinsen kann ich nicht unterdrücken. Ich habe das Ganze ja bereits mit Barbaras Mutter durchgemacht. Und gegen meine Exfrau ist Babs ja beinahe noch gelassen, was ihr Äußeres angeht. Kaum verwunderlich, sie ist ja auch um einiges jünger.

"Aber na ja. Wie geht es dir heute?"

Der belustigte Ausdruck weicht aus meinem Gesicht und macht echter Sorge Platz. Den vergangenen Abend haben wir ja nicht sonderlich viel von dir zu sehen gekriegt.
 

Mit einem Blick, der irgendwo zwischen »Was du nicht sagst« und »Sag ihr das bloß nicht« liegt, sehe ich dich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Ganz blöd bin ich schließlich nicht und habe sehr wohl mitbekommen, dass deine Tochter ein wenig aus den Nähten gegangen ist - was allerdings in ihrem Fall vollkommen normal ist. Dass sie deswegen trotzdem Komplexe hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen, aber okay. Frauen eben ...

"Alles Bestens ...", murmle ich dann mit einem schiefen, humorlosen Grinsen und winke ab.

So nett du auch bist, sobald ich ein Wort gegen Crane sage und über meine Probleme wegen ihm rede, wirst du mir wieder eine Standpauke halten. Und darauf habe ich absolut kein Interesse.

"Ich habe mich vorhin übrigens an deinen Kippen bedient", gebe ich dann noch mit einem entschuldigenden Schulterzucken zu.

Ich habe mich schon umgedreht, um dich weiter arbeiten zu lassen, als ich dich wieder ansehe.

"Barbara hat irgendwo ein neues Kochbuch mit ziemlich ausgefallenen Rezepten aufgetrieben und hat darauf bestanden, sie selbst auszuprobieren. Das wäre dann vielleicht ein guter Moment, um in den Versicherungsunterlagen nachzusehen, ob Küchenunfälle abgedeckt sind."
 

Deine Mimik sieht wirklich alles andere als überzeugend aus. Von wegen, alles bestens. Ich bin zwar tatsächlich alles andere als ein einfühlsamer Kerl und bekomme von vielen Dingen nichts mit, aber dir ist gerade ganz klar anzusehen, dass es dir nicht sonderlich blendend geht. Und damit meine ich nicht, dass du ein bisschen Schlaf nachholen könntest. Du siehst schon aus, als könntest du in einem Zombiefilm als Komparse mitwirken, ohne vorher in die Maske zu müssen.

Ich winke ab.

"Kein Problem. Ohne dir zunahetreten zu wollen, aber ich habe keine Sekunde lang geglaubt, dass du das durchziehen kannst. Nicht in dieser Situation. Aber hey. Der Gedanke zählt."

Mein Gesicht nimmt einen leidenden Ausdruck an.

"Das ist mal wieder eine ihrer fixen Ideen. Du warst nicht dabei, als sie damals mit dem Kickboxen angefangen hat und der Überzeugung war, sie könne selbstständig einen verdammten Boxsack in ihrem Zimmer montieren. Ihre Mutter hat nach dem Desaster drei Tage lang nicht mehr mit ihr geredet ..."
 

Ich schenke dir ein schiefes Grinsen. Auch wenn ich nicht wirklich versucht habe, mit dem Rauchen aufzuhören, gefällt es mir komischerweise nicht besonders, dass du mir nicht zutraust, dass ich das auch schaffen kann.

Und der Blick, mit dem du mich ansiehst, gefällt mir auch nicht. Ich vermute stark, dass du mir kein Wort glaubst. Okay, dann muss ich wohl besser schauspielern.

"Dann sollte ich ihr vielleicht auf der Stelle den Kochlöffel aus der Hand reißen, um zu verhindern, dass sie das Haus abfackelt", sage ich und erwidere deinen leidenden Gesichtsausdruck. "Falls es gleich laut scheppert, hat sie mir vermutlich einen Topf über den Schädel gezogen."
 

"Ach, was, lass ihr doch den Spaß."

Lachend schüttle ich den Kopf.

"Solange sie sich an die Rezepte hält und bei der Wahl der Zutaten bedenkt, dass sie hier die einzige Schwangere ist ..."

Nach kurzem Zögern winke ich dich zu mir heran.

"Warum leistest du mir nicht beim Frühstück Gesellschaft? Um ehrlich zu sein könnte ich bei ein paar dieser Akten dein geschultes Auge gebrauchen."

Ich bin noch immer mit den »kleinen« Fällen beschäftigt. Die Motivation, mich mit denen auseinanderzusetzen, ist ziemlich gering, da ich nicht mal die Aussicht habe, einen großen Fang wie Cobblepot an Land zu ziehen.
 

"Ähm ...". sage ich langsam und werfe erst der Tür und dann dir einen misstrauischen Blick zu. "Hältst du das wirklich für eine gute Idee?"

Ich bezweifle nämlich, dass es das ist. Du bist zwar der Polizeichef, aber selbst ich weiß, dass es keine gute Idee ist, Jemanden wie mich auf Fallakten des GCPD loszulassen - selbst wenn es nur kalte Fälle sind.

"Du weiß schon, dass ich ... na ja ... total bekloppt bin?"

Demonstrativ tippe ich mir an die Stirn und schenke dir ein schiefes Grinsen, bevor ich zögerlich näher an deinen Schreibtisch komme und mir den Stuhl an der Wand schnappe.

"Aber okay ...", füge ich schulterzuckend hinzu. "Um was geht's?"
 

"Ich habe ja nach wie vor nicht den Plan, dir Jokers Fallakten in die Hand zu drücken", sage ich mit einem Augenrollen und deute auf einen Stuhl bei meinem Schreibtisch. "Du bekommst nur das zu sehen, was so langweilig ist, dass ich keine Lust darauf habe."

Mit einem belustigten Grinsen ziehe ich einen Stapel Akten zu mir heran und sehe ihn rasch durch.

"Hier", seufze ich dann und schiebe dir den ganzen Haufen entgegen. "Was immer das Herz begehrt. Such dir einen aus."

Vielleicht bin ich wirklich zu rechtschaffen, dass ich überhaupt angefangen habe, den Kram noch mal durchzuarbeiten. Aber wenn schon, dann mache ich nicht nur halbe Sachen. Wühle ich die wichtigen Fälle noch einmal auf, verdienen die kleinen dasselbe.
 

"Die Akte von Cobblepot würde mir schon reichen", erwidere ich mit Galgenhumor und bekomme tatsächlich ein richtiges Grinsen zustande, ehe ich den Stapel, den du mir zuschiebst, mit einer hochgezogenen Augenbraue skeptisch mustere.

Das nenne ich doch mal eine tolle Wochenendbeschäftigung.

"Blöde Frage ...", setzte ich an und schlage die erste Akte auf. "Aber wie willst du es rechtfertigen, dass ausgerechnet ich dir dabei helfe? Ich meine ..."

Ich mache eine Pause und sehe dich direkt an.

"Ich sitze in Arkham, habe nicht gerade einen guten Stand im GCPD und bin nicht vertrauenswürdig."

Ich mache wieder eine Pause und mein Gesicht nimmt von einer Sekunde auf die andere einen misstrauischen Ausdruck an.

"Warte ... Das hier ist jetzt aber nicht eine Art verdrehter Beschäftigungstherapie, oder?"

Könnte gar nicht besser sein. Arkham ist toll. Ich fühle mich dort so wohl, dass ich da nie wieder weg will.

Dein Kommentar über den Pinguin entlockt mir ein gehässiges Grinsen. Oh, ich hasse den Kerl. Noch viel stolzer bin ich auf meine Tochter, dass sie damals als eine der ersten etwas gegen ihn unternommen hat, auch wenn es nicht gerade anständig war, sich Zugang zu polizeilichen Informationen zu verschaffen und diese an einen selbsternannten Verbrecherjäger im Fledermauskostüm weiterzuleiten.

"Ach, komm schon", schnaube ich. "Der Großteil meiner Kollegen arbeitet hinterrücks mit viel schlimmeren Gestalten zusammen. Ohne es an die große Glocke zu hängen, versteht sich. Also warum sollte ich das tun?"

Ich zwinkere dir verschwörerisch zu. Auf die Frage hin schenke ich dir nur einen knappen Blick. Dass das hier eher der Versuch ist, eine halbwegs ungezwungene Atmosphäre zu schaffen und dich ein bisschen auszuhorchen, muss ich dir ja nicht unbedingt unter die Nase reiben ...
 

"Mhm ...", brumme ich misstrauisch und bedenke dich mit einem langen Blick, ehe ich mich schließlich doch der Akte widme, die allerdings nicht sonderlich interessant ist.

Ein Überfall auf eine Tankstelle. Und wenn ich die vorliegenden Beweise und Zeugenaussagen richtig deute scheint es sich beim Täter um den Sohn einer Angestellten und dessen Freunde zu handeln.

Während ich die Akte überfliege, werfe ich dir hin und wieder einen skeptischen Blick zu. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass du irgendwas im Schilde führst, allerdings kann ich im Moment noch nicht sagen, was das ist.

Steckst du am Ende wirklich noch mit Crane unter einer Decke und das hier ist nur ein ausgeklügelter Plan von euch beiden?

"Mal eine andere Frage ...", sage ich langsam, als ich die Akte wieder zuschlage und dich ansehe. "Das Gartenhäuschen ... Was hast du da Alles drin?"
 

"Ähm", gebe ich erst einmal sehr intelligent von mir.

Die Frage ist nun so ziemlich das Letzte, womit ich gerechnet habe.

Was willst du denn im Gartenhäuschen?

Jetzt sag bloß du hast in Arkham so mir nichts dir nichts eine Leidenschaft für Gartenarbeit entwickelt?

Irgendwie bezweifle ich stark, dass du der Typ Mann bist, der in seiner Freizeit Rosen züchtet und Unkraut zupft.

"Werkzeuge, Gartengeräte, Pflanzendünger - wobei die Pflanzen alle tot sein dürften, seit meine Exfrau ausgezogen ist - ein paar ausrangierte Gartenmöbel ..."

Ich verenge die Augen.

"Edward, warum fragst du? Und jetzt erzähl mir nicht, du willst uns ein Gemüsebeet anlegen, um uns Fleischfresser zu bekehren."
 

Der seltsame Blick, mit dem du mich bedenkst, entlockt mir tatsächlich ein Schmunzeln.

"Wenn es dich beruhigt, ich mache einen großen Bogen um den botanischen Garten in Arkham. Grünzeug überlebt nicht lange bei mir."

Ich mache eine kurze Pause und sehe dich in der Zeit ruhig an.

"Na ja ...", setze ich dann an. "Ich hatte eigentlich gehofft, dass du vielleicht Holz hast. Oder Metall. Schrauben, Nägel, Trennschleifer, Kombizange, Seitenschneider, Wasserwaage ... So einen Kram eben."

Mir einem schiefen Grinsen zucke ich knapp mit den Schultern.

"Ich bastle eben gern ..."

Um deinen Blick, der mehr als deutlich zeigt, dass du mich gerade für vollkommen verrückt erklärst, schiebe ich dir die Akte hinüber.

"Es war der Sohn dieser Amber Solanis und seine Kumpel."
 

"Da sind wir schon zu zweit ...", murmle ich. "Ich bezweifle, dass da draußen im Garten irgendwas noch lebendig ist. Aber ich weiß es nicht sicher, weil ich seit mindestens einem Jahr nicht mehr nachgesehen habe."

Mit einem Stirnrunzeln sehe ich dich an. Obwohl mir der Gedanke, dir bei deiner Vorgeschichte Werkzeuge in die Hand zu geben, nicht so recht zusagen will, ist es doch eigentlich ganz gut zu hören, dass du dich beschäftigen möchtest. Um einiges besser, als wenn du dich in deinem Zimmer verkriechst und vor dich hin brütest.

Ich nehme die Akte entgegen und schlage sie auf, um mir selbst einen kurzen Überblick zu verschaffen.

"Mh-hm. Tu dir keinen Zwang an. Nur weiter."
 

Misstrauisch hebe ich eine Augenbraue an und mustere dich, wie du dir selbst die Akte noch einmal ansiehst. Irgendwas ist doch hier ganz gewaltig faul. Unschlüssig nehme ich die nächste Akte in die Hand, die ganz oben auf meinem Stapel liegt, ziehe sie zu mir und schlage sie auf, nur um sie gleich wieder zu schließen.

"Warum sollte ich das tun?", frage ich, bevor ich mein vorlautes Mundwerk daran hindern kann. "Versteh mich jetzt nicht falsch …", werfe ich schnell hinterher, um irgendwie Schadensbegrenzung zu betreiben. "Aber warum sollte ich Fälle fürs GCPD lösen?"
 

Mit gerunzelter Stirn sehe ich dich an.

"Vielleicht weil du in deiner Laufbahn ein paar kriminelle Dinger gedreht hast und es deswegen eine Art Wiedergutmachung wäre", schlage ich nachdenklich vor. "Oder weil du unterfordert in einer Zelle hockst und das hier deine grauen Zellen endlich wieder ein bisschen anstrengt."

Mein Blick wird eindringlicher.

"Oder vielleicht sogar weil weniger Verbrecher auf den Straßen weniger Gründe für meine Tochter bedeuten, da rauszugehen und Jagd auf sie zu machen. Such dir was aus."
 

Nachdenklich nicke ich bei deiner Aufzählung und halte deinen Blick. Mit zwei der drei Dinge hast du schon mal recht. Mit einem lautlosen Seufzen lehne ich mich auf dem Stuhl zurück, nehme mir die Brille ab und reibe mir kurz über die geschlossenen Augen.

"Hör zu ...", sage ich nach einem Moment des Schweigens und spiele mit den Bügeln der Brille herum. "Ich halte nicht besonders viel von dieser Beschäftigungstherapie oder was auch immer du hier veranstaltest. Ich habe mit dem GCPD nichts mehr am Hut. Und du brauchst mir auch gar nicht erst erzählen, dass du diese Fälle nicht alleine lösen könntest. Ich bin nicht blöd."

Ich mache eine kurze Pause und sehe dich ernst an.

"Also was soll dieses Theater hier?"
 

Mit einem angestrengten Seufzen staple ich die Akten wieder ordentlich und schiebe sie zur Seite. Hauptsächlich, um meine Hände zu beschäftigen.

"Ich weiß nicht ... Es schien mir eine galantere Lösung zu sein, als dich einfach mit Fragen zu löchern, die du wahrscheinlich gar nicht hören willst."

Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und ziehe mir mein Frühstück heran. Die Sandwiches sehen lecker aus. Schon mal nicht so, als hätte Barbara sie aus irgendeinem zwielichtigen Kochbuch.
 

Unwillkürlich schleicht sich ein knappes, schiefes Grinsen auf meine Lippen, was sich aber nur für wenige Sekunden hält.

"Na ja ...", sage ich dann langsam. "Kommt ganz auf die Fragen an ..."

Ich zucke kurz mit den Schultern und mustere dich.

"Aber sag bitte vorher bescheid, falls ich dafür meinen Anwalt brauche, wenn du mich verhören willst, ja?"

Mit einem ironischen Grinsen schüttle ich den Kopf und richte den Blick wieder auf den Stapel Akten vor mir. Bevor ich dir beim Essen zusehe, kann ich auch genauso gut etwas Sinnvolles tun. Deswegen greife ich nach ein paar Notizzetteln und einem Kugelschreiber, der auf dem Schreibtisch in deiner Nähe herum liegt.

"Okay, ich sehe mir die Fälle an. Aber ich mache das weder für dich, noch das GCPD oder Gotham."
 

"Oh, keine Angst, ein Verhör soll das nicht werden ... Eher ein Versuch, etwas über deine Verfassung zu erfahren, ohne dass Barbara das Gefühl hat, ich würde mich schon wieder einmischen."

Ich schenke dir ein entschuldigendes Lächeln.

"Aber ich bin nicht blöd. Ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Und das macht mir Sorgen. Ich will mich nicht aufdrängen ... Aber ... ist alles in Ordnung?" Mit einem Kopfschütteln füge ich hinzu: "Ich meine ... den Umständen entsprechend."

Kurz erwidere ich dein Grinsen.

"Nur zu. Überhaupt ist es vielleicht ganz gut, wenn du mal wieder etwas für dich selbst machst."
 

Ich sehe von der Akte auf, mit der ich mich gerade beschäftigen wollte und mustere dich einen Moment lang skeptisch. Wenn ich meine Brille in diesem Moment auf hätte, würde ich dich sogar mit einer angehobenen Augenbraue über deren Rand hinweg ansehen. Aber sie liegt nur wenige Zentimeter von mir entfernt auf dem Schreibtisch.

"Klar ist alles in Ordnung", erwidere ich dann mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus in der Stimme. "Arkham ist wie ein Kurhotel. Könnte gar nicht besser sein. Mach dir bloß keinen Kopf."

Mit einem lautlosen Seufzen widme ich mich wieder der aufgeschlagenen Akte.

"Ich mache das nur, weil ich gerade nichts Besseres zu tun habe", füge ich noch leise hinzu.
 

Leicht genervt verdrehe ich die Augen. War klar, dass du einen dummen Kommentar abgibst. So viel also dazu.

"Prima", murre ich. "Ihr beide meint es wirklich ernst damit, dass ich mich komplett da raushalten soll, oder? Von Barbara bekomme ich ähnlich ... liebreizende Antworten."

Ich nehme einen großen Bissen von meinem Sandwich und kaue gemächlich.

"Auch gut. Du kannst Ablenkung gebrauchen."

Ich zwinkere dir zu.

"So funktioniert Beschäftigungstherapie, weißt du."
 

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und sehe dich resigniert an.

"Was willst du denn hören? Soll ich Crane vielleicht in den Himmel loben, oder was?"

Bis eben war meine Stimmung noch ziemlich gleichgültig, aber kaum, dass ich an diesen Pseudo-Psycho-Doc denke, könnte ich schon wieder die Wände hochgehen. Deswegen schlage ich die Akte zu und fange an, vor dem Schreibtisch auf und ab zu tigern.

"Also wenn du es genau wissen willst, werde ich in Arkham wirklich noch verrückt. Nur Bekloppte um mich herum. Das ist echt nicht zum aushalten da! Und mir ist es relativ egal, ob das GCPD mich für verrückt hält. Fakt ist, dass ich es nicht bin."
 

"Nein. Ich will überhaupt nichts von Crane hören. Ich will wissen, wie es dir geht, nicht deinem Arzt."

Ergeben hebe ich die Hände.

"Weißt du was, ist schon gut. Ganz offensichtlich willst du nicht drüber reden. Und ich will bestimmt nicht für den nächsten Zoff sorgen. Also lassen wir das doch einfach." Grimmig füge ich hinzu: "Wenn ich dich für verrückt halten würde, würde ich dich sicher nicht in meinen Haus lassen, ohne dich permanent zu beaufsichtigen."
 

"Mir ging es nie besser!", zische ich dir leicht aggressiv zu, ehe ich mir meine Brille schnappe. "Könnte gar nicht besser sein. Arkham ist toll. Ich fühle mich dort so wohl, dass ich da nie wieder weg will."

Der triefende Sarkasmus in meiner Stimme ist sicherlich nicht zu überhören.

Mit einem letzten frustrierten Blick sehe ich dich kurz an, ehe ich mich abrupt umdrehe, dein Büro verlasse und die Tür hinter mir lautstark zuwerfe.
 

Völlig baff, das Sandwich halb auf dem Weg zum Mund, starre ich dir hinterher.

"Okaaay ...", stoße ich aus.

Es macht mich nicht mal sonderlich wütend, dass du so davon gerauscht bist. Scheinbar gewöhnt man sich mit derzeit an deine extremen Stimmungsschwankungen. Auch wenn sie mir nach wie vor Sorgen bereiten, ist es wohl falsch, wenn ich dich jetzt weiter bedränge. Du würdest bloß noch wütender werden und das Wochenende würde wieder in einem Desaster enden.

"Da fragt man sich, wer in diesem Haus schwanger ist ...", brummle ich und widme mich weiter meinem Essen und den Akten.

Wenn ich Spaß vortäusche, könnte ich ja versehentlich welchen haben.

Barbara war eifrig damit beschäftigt, zu kochen, als ich durch die Küche auf Terrasse hinter dem Haus gestürmt bin. Was sie davon gehalten hat, war mir zu diesem Zeitpunkt vollkommen egal. Ich war einfach nur froh, dass sie mir nicht hinterher bekommen ist, da ich jetzt einfach nur meine Ruhe haben wollte. Die Zigarette aus Jims Schachtel hat richtig gut getan und danach war ich tatsächlich ein wenig ruhiger und ausgeglichener. Ich hätte am liebsten meinen Kopf gegen die Wand geschlagen, dass ich mich schon wieder so habe gehen lassen. Und dann auch noch vor Jim. Ich muss mich in Zukunft definitiv mehr am Riemen reißen.

Nach der Zigarette bin ich wieder ins Haus gegangen und habe Barbara weiterhin ignoriert. Sicherlich nicht besonders nett, aber an irgendwelchen Gesprächen darüber, was los ist, hatte ich einfach kein Interesse. Stattdessen bin ich kurz ins Gästezimmer und habe mir eine der Koffeintabletten eingeworfen und noch weitere eingesteckt. Dann habe ich mir oben in der Küche meine technischen Zeichnungen geschnappt und habe mich kommentarlos ins Gartenhäuschen zurück gezogen. Nach einer gründlichen Sichtung des vorhandenen Materials konnte auch endlich mein Plan langsam Gestalt annehmen.
 

Heute habe ich wirklich mit vielem gerechnet, aber nicht mit einem Anruf von Harv, der auf äußerst verdächtige Weise nachfragt, »was denn so los ist bei uns«. Auf meine wahrheitsgemäße Antwort, dass die Stimmung ziemlich leidet, hin, musste er natürlich unbedingt beschließen, für einen Pokerabend vorbeizukommen. Ablehnen wollte ich letztendlich aber doch nicht, denn in einem Punkt hat Harv Recht: Spaß kommt hier in letzter Zeit wirklich zu kurz.

Deswegen steht also knappe zwei Stunden nach dem Anruf ein gut gelaunter Harvey auf der Matte, dem unter der fröhlichen Fassade allerdings anzusehen ist, dass er sich Sorgen macht. Gut möglich, dass Pokern nur eine Ausrede ist, um nach dem Rechten zu sehen. Harv ist ein guter Freund, kein Wunder, dass er sich Sorgen um uns macht. Dass er trotz der Ereignisse unseres letzten gemeinsamen Wochenendes versucht, die Stimmung zu retten, rechne ich ihm hoch an.

Ich führe Harv in die Küche, wo ich allerdings nur Babs antreffe, die uns verrät, dass du dich in den Schuppen verkrochen hast. Sie erklärt sich bereit, dich zu holen, während Harv den Tisch vorbereitet und ich mich darum kümmere, ein paar Bier kaltzustellen.
 

Irritiert hebe ich den Kopf, als es kurz an der Tür des Gartenhäuschen klopft und Barbara kurz darauf zaghaft den Kopf herein steckt. Vermutlich gebe ich ein kurioses Bild ab, wie ich auf einer Holzkiste sitze und mit einer Kippe zwischen den Lippen gerade versuche, zwei schmale Vierkanthölzer mit einem Winkel zu verschrauben.

"Ähm ... Harvey ist da ...", sagt sie und sieht irritiert zwischen mir und meinem »Werk« hin und her.

"Aha ...", erwidere ich äußerst wortreich und beschäftige mich lieber damit, die Schrauben festzuziehen.

Ich habe zwar einen Akkuschrauber in der erstaunlich aufgeräumten und gut bestückten Werkzeugecke gefunden, aber ich mache das dann doch lieber per Hand. Von Nichts, kommt schließlich auch Nichts.

"Kommst du rein oder willst du lieber weiter auf Einsiedlerkrebs machen?", fragt Barbara.

Allein an ihrem Tonfall kann ich erkennen, dass sie mich mit einer hochgezogenen Augenbraue ansieht. Kein Wunder, da ich das Mittagessen habe ausfallen lassen und seit Stunden hier drin hocke.

"Keine Ahnung ...", entgegne ich schulterzuckend ohne sie überhaupt anzusehen. "Soll ich denn?"

Barbaras Antwort besteht aus einem angestrengten Seufzen, was mich zu einem kurzen Zucken der Mundwinkel animiert. Manchmal ist es zu einfach, sie zu nerven.

"Wäre ich sonst hier?", fragt sie dann nach einer kurzen Pause. "Dad und Harvey wollen pokern. Du kannst ja rein kommen, wenn du Lust hast", fügt sie noch hinzu, ehe sie die Tür schließt.

Einen Augenblick lang sehe ich die geschlossene Tür an.

Pokern?

Ernsthaft?

Ein paar Sekunden lang sehe ich meine Konstruktion an, ehe ich mit den Schultern zucke.

Tja, warum eigentlich nicht?

Ich habe zwar ewig nicht mehr gepokert, aber das verlernt man ja genauso wenig wie das Fahrrad fahren. Deswegen lege ich meinen Holzbau zur Seite und folge Barbara, die gerade die Küche betritt, ins Haus.
 

"Eddie kommt", verkündet Babs, als sie zu uns stößt. "Und er ist halbwegs vernünftig drauf. Seid nett. Ich gehe nach oben."

Sie ist genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen ist. Vermutlich hat der letzte Abend mit Harv sich ziemlich in ihr Gedächtnis gebrannt, weswegen sie es vorzieht, gar nicht erst anwesend zu sein, wenn wir drei uns unterhalten. Um ehrlich zu sein, stört mich das nicht mal sonderlich. Einen richtigen Männerabend hatte ich lange nicht mehr, weil die letzte Zeit es einfach nicht erlaubt hat. Und Harv hat immerhin Recht: Etwas Spaß kann nicht schaden.

"Edward", grüßt Harvey, als du hereinkommst. "Schön, dass du mitmachen willst. Immer rein mit dir." Er deutet auf den Tisch. "Jim versorgt uns gerade noch mit ein bisschen Knabberzeug und dann geht's los."

"Das erklärt einiges. Du bist nur hier, um dich über meine Chips und Erdnüsse herzumachen", stichele ich grinsend, hole aber zwei Schüsseln aus dem Schrank, um Harv mit den gewünschten Fressalien zu versorgen.

Er nickt lachend. "Kann man so sagen. Wie geht's, wie steht's, Edward? Alles paletti bei dir?"

Obwohl er es locker sagt, ist sein Blick ernst und besorgt, als er deine dürre, erschöpfte Gestalt mustert.
 

Ich bin noch nicht einmal richtig zur Tür rein, als Harvey bereits anfängt, mich vollzutexten, weswegen ich wirklich versucht bin, auf der Stelle kehrt zu machen und mich wieder im Geräteschuppen zu verkriechen. Wenn der Abend schon so anfängt, dann kann ich mir lebhaft vorstellen, dass Harvey und du im Duo versucht, irgendwelche Informationen aus mir heraus zu kitzeln. Und darauf habe ich noch weniger Lust, als sinnlose Diskussionen mit dem Joker zu führen.

Bei eurem Gespräch kann ich dann auch gar nicht anders, als eine Augenbraue anzuheben. Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber ich fühle mich ein wenig unwohl mit euch beiden alleine. Mit einem knappen Kopfschütteln ignoriere ich mein Bauchgefühl und schiebe es einfach darauf, dass ich wirklich langsam aber sicher anfange, paranoid zu werden.

"Alles bestens ...", beantworte ich dann Harveys Frage halbherzig und zucke nichtssagend mit den Schultern, ehe ich dem Küchentisch einen misstrauischen Blick zuwerfe.

Und weil ich mich fühle wie bestellt und nicht abgeholt, schenke ich dir einen fragenden Blick.
 

Natürlich entgeht mir dein leidender Blick nicht, als ich die Knabbereien vor euch auf den Tisch stelle und mich setze. Aber was soll ich schon groß machen. Du musst immerhin irgendwann lernen, dass dich schlecht die ganze Welt mit Samthandschuhen anfassen kann. Wenn es dir zu viel wird, kannst du meinetwegen wieder abhauen, aber ich werde dir bestimmt nicht das Händchen halten, nachdem du mich vorhin so angefahren hast, obwohl ich nur nett war.

"Hast du Karten mitgebracht, Harv?"

"Aber sicher." Harv zaubert ein einfaches Deck Karten hervor und öffnet es, um die Karten zu mischen. "Wollen wir doch mal sehen, ob unser Schlaumeier hier auch Karten zählen kann."

Grinsend verdrehe ich die Augen. "Karten zählt man beim Black Jack, Harv."

"Wie auch immer." Harvey zuckt mit den Schultern. "Wir verzichten besser darauf, um Geld zu spielen, oder?"

Ich nicke nur zustimmend. Das wäre nicht unbedingt ratsam. Erstens hast du soweit ich weiß kein Geld dabei und zweitens ist mir die Gefahr, dass du uns völlig abziehst, dann doch ein bisschen zu hoch.
 

Immer noch leicht irritiert sehe ich Harvey kurz zu, wie er die Karten mischt und alleine seine Technik, die mich eher an Mau Mau erinnert, als an Poker, entlockt mir eine skeptisch angehobene Augenbraue. Mit einem ergebenen lautlosen Seufzen nähere ich mich dem Küchentisch und lasse mich auf einen der Stühle sinken.

Ich sitze noch nicht mal richtig, da habe ich Harvey bereits die Karten förmlich aus der Hand gerissen und beginne mit einem Gesichtsausdruck, der vermutlich ziemlich deutlich macht, dass ich Harvey in diesem Moment für nicht besonders kompetent halte, die Karten mit der riffle shuffle Methode zu mischen.

"Welche Variante wollt ihr spielen?", frage ich während des Mischens geschäftsmäßig. "Draw, Hold'em oder Stud?"

Ich beende das Mischen und sehe sowohl dich, als auch Harvey abwechselnd fragend an.

"Ich schlage Draw vor, da es sich zu Dritt einfach besser spielt. Aber der Hausherr hat das letzte Wort."
 

Ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen. Wie es aussieht, haben wir dich tatsächlich ein bisschen abgelenkt. Zumindest hast du gerade etwas zu tun, wirkst geradezu geschäftig beim Kartenmischen und Varianten abwägen. Vielleicht schaffen wir es ja tatsächlich, dich ein paar Stunden lang deine Situation vergessen zu lassen.

"Ich schließe mich der Meinung des Gastes an", sage ich mit einem fröhlichen Zwinkern. "Wie sieht's aus, Edward. Machst du gleich den Dealer?"

Harvey und ich tauschen einen Blick und er nickt zustimmend.

"Bevor du er mir an die Gurgel geht, weil ich zu ungeschickt mische ...", fügt Harv mit gespielter Beleidigung hinzu, aber er hat ein breites Grinsen auf den Lippen.

Er beugt sich über den Tisch und zieht eine Schüssel mit Erdnüssen an sich heran. Pfeifend beginnt er, Nüsse auf drei Stapel zu sortieren, ein Ersatz für die Pokerchips oder Geld.

"Bitte sehr." Er schiebt jedem sein Nuss-Häufchen zu. "Ohne Einsätze geht es ja wohl nicht."
 

Ich kann förmlich hören, wie die Falle, in die ich gerade fröhlich hinein getappt bin, über mir zuschnappt. Na ganz große Klasse …

Jede Wette, dass Harveys Unfähigkeit beim Kartenmischen nur gespielt war und es am Ende sogar ein ausgeklügelter Plan von euch beiden war. Und ich Depp habe es erst jetzt gemerkt, als es schon zu spät ist. Aber wenn ich jetzt einen Rückzieher mache, stehe ich noch dämlicher da, als ohnehin schon, also muss ich da durch.

Aber wer weiß … Wenn ich Spaß vortäusche, könnte ich ja versehentlich welchen haben.

Einen Moment lang sehe ich erst dich und dann Harvey an, ehe ich ergeben mit den Schultern zucke und anfange, die gerade gemischten Karten bei dir angefangen offen und einzeln im Uhrzeigersinn auszuteilen, um so herauszufinden, wer der Geber der ersten Runden ist. Als ich die dritte Runde bei dir beginne, kommt der Bube und somit ist klar, dass du geben musst, was du auch ohne zu zögern tust, nachdem ich die eingesammelten Karten noch einmal gemischt habe, und jedem von uns einzeln und verdeckt fünf Karten gibst.

Noch bevor ich mir meine Karten ansehe, schiebe ich den Haufen Erdnüsse näher zu mir und sehe ihn ein paar Sekunden lang skeptisch an.

"Ich schlage einen Grundeinsatz von zwei Erdnüssen vor", murmle ich und sehe mir dann meine Karten an.

Es ist inzwischen schon eine Weile her, dass ich Poker gespielt habe. Damals war ich noch beim GCPD angestellt. Aber solange es nur um Erdnüsse geht, soll es mir recht sein.

All In. Ich will sehen.

Das Spiel entwickelt sich wie erwartet. Während Harvey wie immer kein sonderlich großes Glück geschweige denn ein sonderlich gutes Pokerface hat und stattdessen seine Erdnüsse dezimiert, indem er sie verliert oder isst, schlage ich mich noch verhältnismäßig gut. Ich war schon immer ein recht vorsichtiger Spieler, der seinen Schaden begrenzt, in dem er keine allzu großen Risiken eingeht. Gegen dich komme ich mit dieser Technik allerdings nicht an.

Es war nicht anders zu vermuten: Du bist ein hervorragender Spieler. Deine Mimik ist schwer zu durchschauen. Im Gegenzug beobachtest du Harv und mich aber ganz genau und weißt, wann du etwas riskieren kannst und wann du Vorsicht walten lassen musst.

Eigentlich ist es mir ziemlich egal, dass du die ersten paar Runden ständig gewinnst. Ich erhoffe mir einfach, dass dich das Pokerspiel von deinem Trübsal ablenkt und du dich endlich mal entspannst. Um ehrlich zu sein, würde das nicht nur dir, sondern auch mir und Barbara gut tun.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, lenkt Harv das Gespräch auf mein Töchterlein, während er sich ein paar Erdnüsse in den Mund schiebt.

"Wie geht es eigentlich der Dame des Hauses?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Die meiste Zeit bewegt sie sich irgendwo zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Wobei sie heute überraschend gut drauf ist. Im Vergleich zu gestern fast eine Hundertachziggrad-Drehung."

Und natürlich ist es nicht auszuschließen, dass du irgendetwas damit zu tun hast ...
 

Für mich läuft das Spiel erstaunlich gut - ganz im Gegensatz zu Harvey, der seinen Haufen schon deutlich dezimiert hat. Meine Erdnüsse haben sich mittlerweile verdoppelt, wobei das Meiste tatsächlich von Harvey gekommen ist. Er spielt ziemlich riskant, aber leider hat er das Pokerface nicht so gut drauf wie ich.

Mit einer hochgezogenen Augenbraue schiele ich über den Rand meiner Brille zu Harvey, der sich gerade wieder eine Erdnuss in den Mund schiebt und frage mich unwillkürlich dabei, wie viel Einsatz er noch essen will. Man könnte bei dem Eifer, mit dem er die Erdnüsse vernichtet, fast auf den Gedanken kommen, dass er das mit Absicht macht.

Knapp schüttle ich den Kopf und gebe mir eine mentale Ohrfeige. Dass hier ist nicht der richtige Moment für Paranoia. Ich sollte die ganze Sache einfach als unverfängliches Pokern ansehen und nicht schon wieder nach Hintergedanken bei euch beiden suchen.

Viel geredet haben wir bisher nicht, außer ein bisschen oberflächliches Geplänkel. Doch als Harvey dann plötzlich nach Barbara fragt, rutsche ich augenblicklich ein Stückchen auf dem Stuhl nach unten. Betont desinteressiert versuche ich die Erdnüsse auf meinem Haufen zu zählen und rechne schon fest damit, dass sowohl du, als auch Harvey jetzt versuchen, mich über die Beziehung zu Barbara auszuquetschen.

Fast hätte ich deine Antwort mit »Sie ist schwanger, klar hat sie da Stimmungsschwankungen« kommentiert, doch im letzten Moment verkneife ich es mir. Stattdessen stehe ich wortlos auf, gehe zur Kaffeemaschine und fülle meine Tasse mit der schwarzen Brühe, die für meinen Geschmack viel zu dünn ist. Die Müdigkeit nagt gewaltig an mir und ich wünsche mir, dass der Löffel im Kaffee stehen bleibt.

Um mich weiter aus dem für mich eher unangenehmen Thema herauszuhalten, starre ich aus dem Küchenfenster und nippe an meiner Tasse. Unbewusst zupfe ich dabei an meiner Kleidung herum, besonders an der Hose, die eigentlich nur noch von den Hüftknochen auf Position gehalten wird und wünsche mir eine Zigarette.
 

Ich verkneife mir ein Seufzen, als du die Flucht ergreifst, nur weil Babs erwähnt wird. Bei all den Dingen, mit denen sich dein hyperintelligentes Köpfchen beschäftigt, scheint noch immer nicht bei dir angekommen zu sein, dass sie meine Tochter ist und rein zufällig hier wohnt, wodurch es vorkommen kann, dass ich über sie spreche, ohne eure Beziehung analysieren zu wollen. Jetzt darf ich mich nicht mal mehr freuen, wenn mein Kind gut gelaunt ist, weil der Herr dann gleich eine Panikattacke bekommt.

Ich werfe Harv einen Blick zu und verdrehe die Augen. Er lacht schnaubend.

"Na, ist doch schön, dass es ihr gut geht", meint er beiläufig. "Komm wieder her, Edward, kein Grund die Flucht zu ergreifen. Mann, ich hab nicht vor, dich mit Handschellen an den Tisch zu fesseln und zu verhören."

Seine übliche Direktheit lässt mich kurz auflachen. Da ich wieder mit dem Dealen an der Reihe bin, schnappe ich mir den Stapel. Du kommst schon wieder dazu, wenn du keine Gefahr mehr witterst.
 

Mit gerunzelter Stirn drehe ich den Kopf ein Stück in Harveys Richtung und sehe ihn aus den Augenwinkeln skeptisch an.

Wie kommt er denn jetzt auf dieses schmale Brett?

Ich wollte mich doch nur nicht an diesem Thema beteiligen und eine Tasse Kaffee. Das hat doch nichts mit Flucht zu tun.

"Ich wollte eigentlich nur mal eine Pause machen und ...", erwidere ich vorsichtig und deute knapp auf die Hintertür, während du mit den Karten beschäftigt bist. "Aber gut, nächste Runde ...", füge ich hinzu und nähere mich mit der Kaffeetasse wieder dem Tisch.

Ich muss zugeben, dass ich eine Pause wirklich gut gebrauchen kann. Durch den nicht vorhandenen Schlaf fühlt sich mein Hirn wie zu weich gekochte Nudeln an und die Koffeintabletten helfen auch nur bedingt. Ein paar Stunden schlafen ist gerade wirklich sehr verlockend, aber da ich nicht das geringste Interesse verspüre, wieder einen der heftigen Albträume zu haben, muss ich da wohl oder übel durch.

Während ich mir mein Blatt ansehe, was erstaunlich gut ist, reibe ich mir müde über den Nacken und recke den Hals, um die Verspannungen loszuwerden.
 

Deine Aussage, dass du nur »Pause machen« wolltest, lasse ich unkommentiert. Rein zufällig natürlich genau dann, wenn das Gespräch heikel für dich wird. Ich beschließe, das Thema einfach ruhen zu lassen und weiterzumachen. Meine Lust, jetzt den nächsten Streit anzuzetteln, hält sich gelinde gesagt in Grenzen. Es wäre viel zu schade, wenn wir den Abend, der bisher eigentlich sehr angenehm verläuft, so einfach gegen eine Wand fahren würden.

Nach einem Blick auf meine Karten ist mir schon klar, dass ich in dieser Runde recht schnell folden werde. Viel zu schlecht, um auf Risiko zu spielen oder zu bluffen. Harvey hingegen hat mal wieder ein breites Grinsen im Gesicht, das sein gutes Blatt wie immer verrät. Wenn er sich doch nur etwas beherrschen würde. Selbstverständlich ist dir nichts anzusehen. Es dauert nicht lange, da hat Harv seinen Einsatz zweimal selbstsicher erhöht, ich bin ausgestiegen und nur ihr beide seid noch übrig.
 

Bei Harveys selbstsicherem Grinsen, was er hinter seinen Karten versucht zu verstecken, würde selbst der letzte Dorftrottel merken, dass er ein gutes Blatt hat. Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass er beim Kartentausch Glück hatte und jetzt einen Flush in der Hand hält.

Mit einer andeutungsweise angehobenen Augenbraue betrachte ich meine Karten, werfe dann Harvey einen Blick zu und dann meinen restlichen Erdnüssen. Harv hat bereits zweimal großzügig erhöht, weswegen sein Haufen nur noch aus wenigen Erdnüssen besteht. Ich habe noch wesentlich mehr Einsatz über.

Das Beste wäre, wenn ich jetzt das Spiel beende, damit ich meine Pause bekomme. Mit meinem Blatt, einem Vierling, stehen die Chance sehr gut, dass ich gewinne. Deswegen zuckt kurz mein Mundwinkel, als ich alles auf eine Karte setze und meinen Haufen Erdnüsse mit den Worten "All In" in die Mitte schiebe. "Ich will sehen", füge ich hinzu und sehe Harvey über den Rand meiner Brille mit meinem besten Pokerface an.
 

Amüsiert sehe ich zu, wie Harvey genervt grunzt, als die Karte offen auf dem Tisch liegen. Tja, das war wohl nichts. Da hat er sich mal wieder übernommen.

"Vielleicht solltest du ihm mal Unterricht im Pokerface Halten geben, Edward", stichele ich grinsend und ernte einen angesäuerten Blick von Harv, den er allerdings genauso wenig halten kann wie sein Pokerface.

Er beginnt zu lachen und ich falle mit ein. "Das war wohl ein Satz mit x", feixt er und zweigt sich eine Handvoll Erdnüsse von deinem Gewinn ab, die er sich ungerührt in den Mund steckt. "Aber beim nächsten Mal kriege ich dich."

Diese Drohung ist natürlich mehr als lächerlich. Es scheint nahezu unmöglich, dass einer von uns gegen dich gewinnt. Schon gar nicht Harv.
 

Eigentlich ist es fast schon amüsant, wie Harveys Grinsen in sich zusammen fällt, als ich mein Blatt offenbare. Aber mehr als ein kurzes Zucken der Mundwinkel bekomme ich gerade nicht mehr zustande. Mit einem lautlosen Seufzen schiebe ich die Erdnüsse zu mir und ignoriere dabei, dass Harvey sich eine Handvoll davon genehmigt.

Da ich jetzt mit Geben dran bin, kann ich mir jetzt erstmal die Pause gönnen, die ich inzwischen wirklich dringend nötig habe. Ein bisschen frische Luft tut mir sicherlich gut, wenn ich meinen Verstand weiterhin benutzen möchte.

"Gebt ihr mir ein paar Minuten ...?", frage ich an niemand bestimmten gerichtet und warte die Antwort gar nicht erst ab, als ich mir erhebe und zielstrebig die Küche durch die Hintertür verlasse.

Die Zigarettenschachtel, die ich Jim aus seiner Manteltasche entwendet habe, liegt noch genauso auf dem Fensterbrett, wie ich sie zurück gelassen habe. Und trotz der Nikotinpflaster ist das Bedürfnis nach einer Zigarette im Moment ziemlich groß. Deswegen genieße ich es richtig, mit geschlossenen Augen auf der Holzbank zu sitzen und zu rauchen.

Doch leider ist dieses Vergnügen viel zu schnell wieder vorbei und da es sicher sehr auffällig wäre, muss ich wohl oder übel wieder zurück in die Küche. Allerdings wandert der Rest in der Kaffeekanne in meine Tasse, ehe ich mich wieder an den Tisch setze, die Karten mische und dann austeile.

Dieses Mal ist mein Blatt ziemlich mies und auch nach dem Kartentausch habe ich nicht mehr als ein Paar zu bieten.
 

Harvey und ich nutzen deine Abwesenheit, unser Gespräch über Babs ein wenig zu vertiefen. Ich erzähle ihm von der momentanen Situation und wie es mit der Schwangerschaft steht. Harv ist ein guter Gesprächspartner, da er selbst Kinder hat und weiß, wie anstrengend eine Frau sein kann, wenn sie schwanger ist. Er klopft mir mitfühlend auf die Schulter, als ich ihre Stimmungsschwankungen schildere.

"Sieh's positiv. In ein paar Wochen ist sie wieder normal", erinnert er mich.

"Na ja. Dann haben wir stattdessen ein kleines Kind im Haus, das jede Nacht schreit", kontere ich lachend.

Aber eigentlich freue ich mich auf mein Enkelkind. Nicht zuletzt, weil ich die Hoffnung hege, dass du in deiner Entscheidung vielleicht um einiges klarer wirst, wenn du deinen Sohn oder deine Tochter erst mal im Arm hältst.

Als das Spiel weitergeht, fängt es für mich eher mau an. Auch Harvey guckt nicht allzu fröhlich, was bei ihm grundsätzlich auf ein mittelmäßiges Blatt schließen lässt. Die Runde plätschert so dahin, bis wir schließlich alle unsere Karten auf den Tisch legen.
 

Das Ergebnis des ersten Spiels nach meiner Pause ist wie vorgesehen ziemlich mies. Mit meinem Pärchen kann nicht viel ausrichten und spätestens zu dem Zeitpunkt, als wir alle die Karten auf den Tisch legen, bereue ich es, dass ich nicht ausgestiegen bin. Dass ist dann wohl auch der Moment, an dem ich mir eingestehen muss, dass ich mich derzeit nicht auf mein Bauchgefühl verlassen kann.

Deswegen werfe ich bei den nächsten Spielen direkt nach dem Pflichteinsatz meine Karten weg und begnüge mich damit, an meiner Tasse zu nippen, die sich viel zu schnell leert, und euch beiden zuzusehen, wie ihr die Sache unter euch ausmacht. Und anscheinend ist das Glück nun auf Harveys Seite, denn sein Erdnusshaufen wird zusehends höher.

Als ich nach ein paar Runden wieder ein gutes Blatt auf der Hand habe, setze ich nur zögerlich, auch wenn meine Chancen gut stehen. Zumindest glaube ich das, aber darauf wetten würde ich nicht. Ich bin kaum in der Lage, die Gewinnchancen im Kopf auszurechnen. Und so kommt es, wie kommen muss, dass ich mit meinem Drilling gegen Harveys Full House verliere.
 

Deine Niederlage gegen Harv ist geradezu schockierend. Erst halten wir sie für einen glücklichen Zufall, allerdings häufen sich solche Ereignisse. Deine Gewinne werden deutlich geringer, bis du irgendwann komplett mit dem Kopf woanders zu sein scheinst.

Harv und ich tauschen einen Blick. Bei uns beiden könnte man eine solche Verschlechterung vielleicht auf den Alkohol schieben, denn wir haben beide dem Bier recht gut zugesprochen. Du hattest allerdings nichts außer Kaffee, weswegen man dich kaum als betrunken bezeichnen könnte. Eigentlich müsstest du uns von Runde zu Runde mehr abziehen können.

Als du schließlich ein weiteres Mal haushoch gegen ein Blatt von Harv verlierst, das nicht mal sonderlich beeindruckend ist, schüttle ich den Kopf.

"Ich glaube, uns verlässt allmählich die Konzentration", sage ich und achte absichtlich darauf, im Plural zu sprechen. "Was haltet ihr davon, wenn wie das Spiel für beendet erklären?"
 

Eigentlich ist es schon peinlich, wie einfach Harvey und auch du gegen mich gewinnen können, je länger wir pokern. Aber es ist kein Wunder, da sich meine Hirnwindungen immer mehr verknoten und ich zweimal hinsehen muss, um einen Drilling zu erkennen. Mehr als das bekomme ich auch nicht mehr zustande, denn ich werfe beim Kartentausch nur noch die falschen Karten ab und verpasse sogar mehr als einmal den Moment, um auszusteigen.

Deswegen bin ich sogar ganz froh darüber, als du vorschlägst, dass wir das mit dem Pokern für heute lassen. Am liebsten würde ich mich jetzt hinlegen und bis morgen Abend durchschlafen. Allerdings ist das für mich keine Option, die mir gefällt. Kurz frage ich mich, ob ich es riskieren kann, ins Gästezimmer zu verschwinden, um mir mehr als eine Koffeintablette einzuwerfen, doch es wäre wohl zu auffällig.

Der Blick, mit dem du mich bedenkst, gefällt mir auch nicht sonderlich. Anscheinend bin ich doch nicht so gut im schauspielern wie ich dachte. Ich wollte, dass Keiner in diesem Haus etwas von dem mitbekommt, was momentan mit mir los ist. Aber so, wie du mich ansiehst, ist dieser Plan ganz grandios gescheitert.

Stand By Me

Jetzt heißt es, dafür zu sorgen, dass die Stimmung nicht kippt. Wie einfach wäre doch alles, wenn wir dir ein paar Bier verabreichen könnten, damit du lockerer wirst. Aber ich bezweifle, dass du dich bereitwillig abfüllen lassen wirst.

Deshalb denke ich fieberhaft nach, was man machen könnte. Uns einfach nur zu unterhalten, scheint mir etwas zu riskant. Im Augenblick ist es sehr schwer zu sagen, bei welchen Themen du sensibel reagierst, weswegen eine Unterhaltung eher gezwungen wirken würde.

Harv ist derjenige, der uns zuhilfe kommt.

"Sag mal, Jimmy."

Ihm ist anzuhören, dass er inzwischen ein bisschen lallt.

"Ihr habt doch noch das Klavier von deiner Verflossenen, oder?"

Kurz runzle ich die Stirn, bis mir einfällt, dass Harv dich auf einer Weihnachtsfeier mal spielen gehört hat. Damals nur Weihnachtslieder, zu denen einige gesungen haben, aber immerhin. Tatsächlich könnte es dich vielleicht ablenken, wenn du dich auf die Musik konzentrierst.

"Stimmt. Was meinst du, Edward? Spielst du eine Runde?"
 

Ungläubig sehe ich zwischen dir und Harvey hin und her und hebe dabei irritiert eine Augenbraue.

Habe ich mich gerade verhört?

Bin ich gerade unwissentlich in die Dreharbeiten zur versteckten Kamera gelandet?

Wollt ihr mich auf den Arm nehmen?

Oder meint ihr das tatsächlich ernst?

"Bitte was?", krächze ich verdutzt und kann kaum glauben, was ich gehört habe.

Das kann doch nur ein ganz mieser Scherz sein. Gut, vor knapp anderthalb Jahren habe ich auf der Weihnachtsfeier vom GCPD tatsächlich für die Kollegen gespielt, aber auch nur, weil sich sonst kein Dummer dafür gefunden hat. Momentan bereue ich es, dass das halbe Revier weiß, dass ich Klavier spielen kann.

"Ich bin nicht besonders gut", versuche ich mich aus der Sache rauszureden, auch wenn ich weiß, dass das nicht viel helfen wird.

Du warst damals auf der Weihnachtsfeier ganz begeistert gewesen (was zu siebzig Prozent am Eierpunsch lag) und hast zusammen mit einigen Kollegen enthusiastisch bei den Weihnachtsliedern mitgesungen - nachdem ich mich dazu breit schlagen lassen hatte, sie zu spielen.
 

"Edward, das ist eine ziemlich miese Ausrede, wenn man bedenkt, dass du vor Kurzem erst für Babs gespielt hast", mahne ich schmunzelnd.

Wundert mich eigentlich, dass du dich jetzt so zierst. Dabei würde man doch erwarten, dass du die Gelegenheit, mit deinem Können zu prahlen, gleich beim Schopfe packst. Andererseits tust du das vielleicht nur bei Dingen, die du perfekt beherrschst, weil du sonst Angst hast, dich zu blamieren.

"Wir sind doch unter uns", fügt Harv augenzwinkernd hinzu. "Abgesehen davon, können Jim und ich sicherlich nicht beurteilen, was gut gespielt ist und was nicht."

Demonstrativ zieht er sein Bier an sich heran und nimmt einen Schluck, bevor er dramatisch zur Tür zeigt.

"Auf auf gen Wohnzimmer!", ruft er theatralisch und setzt sich in Bewegung, so dass wir uns beeilen müssen.

Ich boxe dich aufmunternd gegen die Schultern.

"Na, komm schon, Junge. Gönn uns den Spaß."
 

Seufzend und mit einem dünnen krampfhaften Lächeln auf den Lippen komme ich deiner Aufforderung nach und folge Harvey ein wenig widerwillig ins Wohnzimmer, wo er sich schon demonstrativ ans Klavier gelehnt hat und uns erwartungsvoll ansieht. Ich nähere mich dem Instrument eher verhalten und werfe euch beiden einen skeptischen Blick zu, ehe ich mich auf den Hocker setze und die Ärmel meines Polohemdes hochkremple.

"Okay …", sage ich dann lang gezogen. "Aber keine Volksmusik, Country oder ähnliches. Ansonsten muss ich das Klavier in Brand stecken", füge ich mit einem schiefen Grinsen hinzu und unwillkürlich muss ich dabei daran denken, dass mir Pyromanie schon mehrmals vorgeworfen wurde.

Nach kurzem Zögern lege ich meine Hände auf die Tasten und stimme »Stand by me« von Ben E. King an. Ich habe zwar keine emotionale Bindung an dieses Lied, aber trotzdem fange ich beim Refrain tatsächlich an, leise mitzusingen.
 

Harv ist natürlich sofort hellauf begeistert, als du diesen Klassiker anstimmst. Er steigt mit ein und seine Stimme um ein Vielfaches lauter als deine. Man merkt, dass er dem Alkohol gut zugesprochen hat und demnach nicht so zurückhaltend ist wie du. Er schmettert den Text in einer Weise, die die dramatische Stimmung des Liedes weitgehend ruiniert.

Vermutlich hört man sein Gegröle auch oben bei Babs. Ich hoffe einfach, dass sie darüber hinwegsehen und uns diesen Abend gönnen wird. Sie war heute ja immerhin gut gelaunt. Und wenn sie bemerkt, dass sogar du mit uns Spaß hast, wird sie vielleicht zufrieden sein.

Tja, und wie hat man solchen Spaß wie Harv?

Genau, man trinkt so viel wie er. Mit diesem Hintergedanken gehe ich kurzer Hand zu dem Schrank, in dem ich die Spirituosen aufbewahre. Der Schlüssel dafür liegt in einer Schale, die auf dem Schrank steht - auch wenn es lächerlich ist, denn inzwischen kommt Babs erstens an diese Schale heran und ist zweitens intelligent genug, um das Versteck zu kennen. Ich besehe mir den Bestand und entscheide mich schließlich für eine Flasche Whiskey.

Während Harv sein Liedchen schmettert und sich alle Mühe gibt, dein Klavierspiel zu übertönen, gieße ich jedem von uns einen Drink ein und stelle eure fingerbreit gefüllten Gläser auf dem Klavier ab.

"Wohl bekomm's, Jungs", sage ich amüsiert und erhebe mein Glas.
 

Als Harvey ohne Vorwarnung mit einstimmt, bin ich im ersten Moment so schockiert, dass ich fast den Text vergesse. Gut, ich hätte vielleicht damit rechnen müssen, dass Harvey, der schon mehrere Flaschen Bier getrunken hat, auf seine eigene, ganz spezielle Art und Weise leicht lallend singt. Immerhin hat er diese Show auf der Weihnachtsfeier schon gebracht und musste schwer angeheitert, weil ihm der Eierpunsch so gut geschmeckt hat, von seiner Frau abgeholt werden. Bei diesem Gedanken werfe ich Harvey einen skeptischen Blick zu.

Ob seine Angetraute ihn auch heute wieder abholen wird?

Oder wird er die Nacht hier auf der Couch verbringen und dann morgen mit einem Kater zu hause auftauchen?

In jedem Fall wird er sehr wahrscheinlich eine Standpauke über sich ergehen lassen müssen.

Meine Augenbraue wandert zu neuen Höhen, als Harvey sich die größte Mühe gibt, das Klavier zu übertönen und dabei ziemlich schief singt. Und wenn ich nicht spielen würde, wäre ich sogar versucht, mir die Ohren zuzuhalten, denn die schiefen Töne, die Harvey fabriziert, sind alles andere als eine Wohltat für die Ohren. Harvey scheint es nicht zu stören, dass er furchtbar klingt, aber vermutlich würde jeder mit diesem Promillegehalt im Blut nicht mehr wie eine Nachtigall klingen.

Mehr als einmal den Refrain singe ich nicht, da es bei Harveys Lautstärke einfach keinen Sinn macht. Ich bin schon froh, dass ich mich nicht verspiele, während ich Harvey mit einem Blick ansehe, als ob er an meiner Stelle nach Arkham gehört.

Aber bitte, wenn es ihm Spaß macht, werde ich ihn nicht davon abhalten. Zumindest, solange die Hunde in der Nachbarschaft nicht in das Gejaule mit einsteigen.

Du scheinst ebenfalls gute Laune zu haben, wenn ich mir dein zufriedenes Lächeln so ansehe, als du mit den Gläsern ans Klavier kommst. Harvey schnappt sich sein Glas ganz begeistert und prostet dir zu, ohne mit dem Singen aufzuhören. Da ich noch spiele, verzichte ich vorläufig darauf, ebenfalls nach meinem Glas zu greifen, auch wenn es gerade äußerst verlockend ist. Vielleicht bist du der gleichen Ansicht wie ich, dass man Harveys momentane Laune nur erträgt, wenn man ebenfalls Alkohol konsumiert hat.

Eure Gläser sind bereits leer, als ich das Lied beende. Ich werfe euch beiden einen skeptischen Blick zu, ehe ich knapp mit den Schultern zucke, nach meinem Glas greife und den Inhalt mit einem Schluck vernichte.

Whiskey, und nicht mal ein Schlechter. Nicht übel. Wer hätte schon gedacht, dass der Police Commissioner so einen guten Geschmack hat was Spirituosen betrifft.
 

Überaus zufrieden sehe ich zu, wie du dein Glas austrinkst. Vielleicht sollte es mich besorgen, dass du es in einem Zug hinunter stürzt, aber in dieser Sekunde - in dieser Alkohol angereicherten Sekunde, um genau zu sein - bin ich einfach nur froh, dass du dich darauf einlässt, ein bisschen Spaß zu haben.

Klar, morgen werden wir wahrscheinlich Kopfschmerzen haben und uns über den Abend ärgern, aber für heute dürfen wir es uns doch wohl erlauben, mal alle Konsequenzen zu vergessen. Unser Leben ist momentan ohnehin von viel zu vielen Konsequenzen bestimmt.

"So gefällt mir das!", freut sich Harv und klopft dir anerkennend auf den Rücken.

Seine Bewegung ist so unkoordiniert, dass ich mich frage, ob du jetzt eine Prellung an der Wirbelsäule hast.

"Jim, schenk dem Mann nach. Edward, spiel weiter."

Harv lehnt sich schwerfällig an das Klavier, damit er nicht umkippt. Lachend komme ich seiner Aufforderung nach. Schaden kann es ja nicht, wenn wir dich ein bisschen lockerer machen. Hauptsache, Babs kommt nicht herunter und sieht, welchen Schabernack wir mit ihrem Herzblatt treiben ...
 

Ich habe das Glas noch nicht richtig zurück auf das Klavier gestellt, da spüre ich bereits Harveys Pranke auf dem Rücken. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, da sich meine Begeisterung für diese Art von Anerkennung stark in Grenzen hält. Schon gar nicht, wenn es auch noch Körperkontakt involviert. Natürlich bekommt Harvey meinen Blick nicht mit, da er viel zu begeistert ist. Dass ist dann so ein Moment, an dem ich mich ins Gartenhäuschen zurück wünsche, wo ich meine Ruhe habe.

Du scheinst ebenfalls deinen Spaß zu haben und ich bin mir fast sicher, dass das zum größten Teil am bisher konsumierten Alkohol liegt. Was dieses Thema betrifft bin ich zwar auch kein Kind von Traurigkeit, doch als du nachschenkst, hebe ich skeptisch eine Augenbraue.

Gegen Whiskey in der richtigen Umgebung ist zwar im Allgemeinen nichts einzuwenden, doch ich bezweifle ernsthaft, dass ich das lange durchhalte. Auch wenn ich sonst recht trinkfest bin und einiges an Whiskey und ähnlichen Alkoholika vertrage, auf nüchternen Magen wie aktuell in meinem Fall ist das einfach keine gute Idee.

Um dir den Spaß und den Abend nicht zu verderben, entschließe ich mich schweren Herzens und nur widerwillig dazu, dass ich etwas unternehmen muss, wenn ich diesen Abend nicht volltrunken erleben will. Deswegen gehe ich wortlos in die Küche und komme kurze Zeit mit einem Apfel und einer Banane zurück. Die Banane vernichte ich schon auf dem Rückweg und muss dabei erstaunt feststellen, dass ich Nahrung anscheinend nötiger habe, als gedacht.

Den Apfel platziere ich auf dem Klavier und greife stattdessen nach meinem inzwischen wieder gefüllten Glas, was ich umgehend leere. Banane und Whiskey sind zwar eine sehr merkwürdige Kombination, aber was soll's. Schulterzuckend stelle ich das Glas zurück und setze mich wieder auf die Klavierbank.

"Okay, irgendwelche Wünsche?"
 

Dass du dir extra etwas zu essen holst, damit du uns nicht von der Bank kippst, entlockt mir ein Schmunzeln. Umsichtig wie immer. Jeder andere - und damit meine ich allen voran Harv - hätte wahrscheinlich ungeniert weitergebechert, ohne sich darum zu kümmern, wann seine letzte Mahlzeit war.

Aber irgendetwas muss meine Tochter ja an dir finden. Die Tatsache, dass du eigentlich immer mitdenkst, ist ganz deutlich einer deiner Vorzüge. Unweigerlich werde ich wieder an die Zeugung meines Enkelkindes erinnert Na ja ... FAST immer ...

"Spiel was Fröhliches!", fordert Harv lallend und schenkt sich selbst nach.

Diesmal wird das Glas deutlich voller, als es sich geziemt.

"Und Dramatisches!"

Ich hebe eine Augenbraue.

Fröhlich und dramatisch zugleich?

Am Ende verlangt er noch sanftes Heavy Metal.

"Wie wäre es mit »It's all coming back to me now«? Jede Wette, du kannst Meatloaf."

Harvey schlägt theatralisch eine Hand über die Brust, als wäre er zutiefst gerührt.

"Awww. Dazu hatte der alte Jimmy seinen ersten Tanz bei der Hochzeit, musst du wissen."

"Ja ja, ist gut, Harv. Ich mag das Lied eben ..."

Möglicherweise werde ich ein kleines bisschen rot. Aber das liegt definitiv am Alkohol ...

It's All Coming Back to Me Now

Ich weiß nicht, was mich in diesem Moment mehr erstaunt: Harveys Musikwunsch oder dass du dich für Meat Loaf begeistert. Meine Augenbraue wandert unwillkürlich zu neuen Höhen und ich muss kurz den Kopf schütteln, um die Bilder deiner Hochzeit, die sich unwillkürlich vor meinem inneren Auge abspielen, wieder lozuwerden. Barbara hatte mir mal ein paar eurer Hochzeitsfotos gezeigt und wenn ich nicht aufpasse, steige ich am Ende noch bei dieser leicht sentimentalen Stimmung mit ein.

Letztendlich zucke ich knapp mit den Schultern, nachdem ich einen Moment überlegen musste, wie dieses Lied gleich wieder ging. Meat Loaf ist nicht unbedingt mein Favorit, aber ich kenne ihn und ich bin auch nicht gleich versucht, mir irgendwas Spitzes in die Ohren zu stecken. Ob ich richtig spiele, kann ich nicht sagen, da ich den Song nur vom Hören kenne, aber zumindest verzieht keiner von euch das Gesicht. Also scheine ich es ganz gut hinzubekommen.

Nach Ende des Songs greife ich nach dem Apfel, denn auch wenn es mir nicht gefällt, macht sich die mangelnde Nahrungsaufnahme der letzten Tage schon nach den zwei Gläsern Whiskey bemerkbar.
 

Ich seufze schwer, als die letzten Töne unseres Liedes verklingen. Vielleicht hätte ich mich doch für etwas entscheiden sollen, was weniger Erinnerungen wachruft. Aber ich habe einfach nicht widerstehen können. Barbara und ich haben uns damals zu diesem Lied das erste Mal geküsst und es demnach auch als ersten Tanz für unsere Hochzeit gewählt. Sie hat es gern auf dem Klavier gespielt - überraschenderweise auch besser als du. Wahrscheinlich hast du Recht und Klavierspielen ist nicht unbedingt dein größtes Talent. Aber es klingt immer noch gut genug, um meine Stimmung rapide zu senken.

"Schau nicht so traurig, Jim", mahnt Harv. "Die Sache ist jetzt doch schon eine Ewigkeit her."

Das ist sie nicht, aber ich sehe davon ab, ihm eine genaue Zeitangabe zu nennen. Wenn ich eine Uhr hätte, könnte ich ihm auf die Stunde genau sagen, wann Barbara ihre Sachen und unseren Sohn gepackt hat und gegangen ist.

Harvey füllt eilig mein Glas auf.

"Fang jetzt nicht an, zu flennen, das haben wir hinter uns."

Ich schicke ihm einen bösen Blick, dass er das so einfach heraus posaunt. Wirklich wütend sein kann ich aber nicht, solange er in diesem Zustand ist.

"Was macht denn eigentlich Sarah?"

"Ich hab nichts mehr von ihr gehört, seit sie Gotham verlassen hat ...", brumme ich und greife nach meinem Glas.
 

Irritiert hebe ich eine Augenbraue und sehe dich unsicher an. Die Stimmung ist während des Liedes merklich gekippt und ich fürchte, dass ich nicht ganz unschuldig daran bin, weil ich ja zugestimmt habe, dir deinen Musikwunsch zu erfüllen. Deswegen fühle ich mich auch unwohl mit euch beiden und rutsche ein wenig auf dem Hocker hin und her.

Ich kenne die Geschichte von dir, deiner Exfrau und deiner ehemaligen Kollegin größtenteils vom Hörensagen. Ein bisschen was davon habe ich oberflächlich im GCPD mitbekommen, aber da es mich bisher nicht interessiert hat, habe ich mich damit auch nicht beschäftigt. Auch Barbara hat hin und wieder davon erzählt, trotzdem halte ich es für besser, wenn ich mich aus diesem Thema raus halte. Am Ende kommst du nur auf die Idee, dass ich in deinem Privatleben herum geschnüffelt habe.

Da ich nicht besonders gut darin bin, mit solchen Situationen umzugehen, weiß ich nicht, was ich jetzt machen soll. Ich könnte natürlich irgendwas Fröhliches spielen, aber das wirkt dann sicher zu aufgesetzt. Ich könnte euch natürlich auch alleine lassen - was mir ehrlich gesagt sogar am liebsten wäre - aber dass wäre auch nicht das Richtige.

"Sie hat sich nach New York versetzen lassen", werfe ich ein, ehe mir bewusst wird, dass ich genauso wie Harvey mit Anlauf und Begeisterung in dieses Fettnäpfchen gesprungen bin. "Habe ich gehört", werfe ich deswegen schnell hinterher, nachdem eure Köpfe zu mir herum geflogen sind.
 

Am liebsten wäre ich jetzt sauer auf euch beide. Aber ihr könnt nichts dafür und eigentlich ist es meine eigene Schuld. Ich räuspere mich leise.

"Kommt ihr mit raus? Ich könnte eine Zigarette vertragen und wir dürfen drinnen nicht mehr rauchen."

Etwas sagt mir, dass du diesem Vorschlag nicht ganz abgeneigt sein dürftest. Eigentlich habe ich ihn aber gemacht, weil ich nicht will, dass Babs zufällig die Treppe herunterkommt und hört, wie wir über Sarah reden. Ich will sie damit nicht aufregen.

Als wir uns draußen versammelt haben, lasse ich eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug herum gehen. Die Gläser und die Flasche haben wir mitgenommen.

"Sarah hat es in Gotham nicht mehr ausgehalten. Außerdem hat ihr die Sache mit uns zu schaffen gemacht. Die Gerüchteküche hat ziemlich gebrodelt -"

"Oh, und wie!", wirft Harv ungeniert ein. "Die wildesten Geschichten hab ich gehört ..."

Er lacht schmutzig, bemerkt dann meinen pikierten Blick und schweigt beschämt.

"Ich war der Kerl, der sich die Vorgesetzte geangelt hat. Aber Sarah war das Flittchen, das eine Ehe zerstört hat. Das hat ihr sehr zu schaffen gemacht."

Ich seufze gequält und lasse mich auf die Bank sinken.

"Manchmal frage ich mich, ob alles anders gekommen wäre, wenn ich so klug gewesen wäre wie Sarah: Diese verdammte Stadt verlassen. Vielleicht hätte ich meine Familie dann noch ..."
 

Ich bin ehrlich gesagt sehr erleichtert, als du vorschlägst, nach draußen zu gehen. Für Mitte Mai ist es mittlerweile recht kühl draußen, weswegen ich die Ärmel relativ schnell wieder runter schiebe.

Mit einem dankbaren Nicken nehme ich die Zigarette entgegen und bin froh, dass ich so nicht mehr gezwungen bin, irgendein weiteres Wort über Sarah Essen zu verlieren.

Als ich noch im GCPD gearbeitet habe, kannte ich sie vom Sehen, aber wirklich Kontakt hatte ich mit ihr nicht. Man hat sich höchstens mal am Kopierer getroffen oder wenn einer der Polizisten Probleme mit seinem Computer hatte, die ich dann wieder beheben durfte. Im Nachhinein betrachtet habe ich als Leiter der Cyber Crime Unit erstaunlich viel Zeit damit verbracht, die großen und kleinen Wehwehchen der IT zu beheben, die hauptsächlich auf die unzureichenden Kenntnisse der Benutzer zurückzuführen sind, anstatt mich um Internetkriminalität zu kümmern.

Harvey scheint Freude daran zu haben, von einem Fettnäpfchen ins Nächsten zu hüpfen, aber das liegt vermutlich größtenteils am Alkohol. Ich jedenfalls versuche mich aus diesem Gespräch rauszuhalten und denke mir meinen Teil. Mir sind natürlich auch einige Gerüchte zu Ohren gekommen und auf der Weihnachtsfeier damals war die erotische Spannung zwischen dir und Sarah fast schon greifbar.

"Zu so etwas gehören immer Zwei ...", sage ich leise, während ich mich krampfhaft an meinem Glas festhalte. "Ich meine ... Du wirst sicherlich einen Grund gehabt haben, um ... na ja ... dass zu machen, was du gemacht hat ..."
 

"Das ist allerdings wahr", stimme ich zu und werfe dir einen vielsagenden Blick zu. "Meine Ehe stand vor dem Aus, weil ich ständig bis zum Hals in Arbeit gesteckt habe. Meine Frau konnte aber nicht verstehen, warum diese Arbeit so wichtig war. Sarah schon. Ihr ging es ja genauso ..."

Betrübt starre ich in mein Glas.

"Im Nachhinein ist mir klar, dass ich Barbara und die Kinder schrecklich vernachlässigt habe und ich hasse mich dafür. Aber zu diesem Zeitpunkt, habe ich nicht nachgedacht."

Harv betrachtet uns eine Weile. Sein leichtes Schwanken will nicht so ganz zu seinem grüblerischen Gesichtsausdruck passen.

"Ihr beide seid euch wirklich ähnlich", lallt er schließlich und lässt mich die Stirn runzeln. "In schweren Zeiten sucht ihr Trost bei Frauen, die eindeutig nicht gut für euch sind."

Seine Stimme wird fast väterlich, wenn auch nach wie vor betrunken.

"Und ihr denkt nicht über die Konsequenzen nach, wenn ihr einfach über diese Frauen herfallt."

Er sagt es mit einem belustigten Grinsen, trifft damit aber so ziemlich ins Schwarze. Ich bin mit Sarah im Bett gelandet und habe meine Familie endgültig kaputt gemacht. Du bist mit Babs im Bett gelandet und nun ist sie mit gerade mal achtzehn Jahren schwanger und das von einem Mann, der andere Sorgen als Kindererziehung hat.
 

Da ich nicht wirklich weiß, was ich zu deinen Worten sagen soll, lasse ich es. Ich habe ohnehin schon viel zu viel zu diesem Thema gesagt und das Beste wird es sein, wenn ich ab jetzt die Klappe halte. Ich fühle mich dabei sowieso schon unwohl genug und muss es nicht noch weiter steigern, bloß weil ich mich nicht beherrschen kann.

Unsicher starre ich in mein Glas, in dem noch eine kleine Pfütze Whiskey ist, als Harvey das Wort ergreift und mich dazu veranlasst, ruckartig den Kopf anzuheben und ihn erstaunt und fragend anzusehen. Seine Worte lassen mich mit einem Schlag noch unwohler fühlen und ich wünsche mir in diesem Moment, dass ich bloß nichts gesagt hätte. Aber nun habe ich den Salat und es bringt sicherlich herzlich wenig, wenn ich jetzt sage, dass nicht ich die Initiative ergriffen habe, sondern Barbara. Aber ganz unschuldig bin ich auch nicht an der Situation, schließlich habe ich ja mitgemacht.

Eigentlich bin ich versucht, mich irgendwie zu verteidigen, aber in meinem Hirn herrscht gähnende Leere, weswegen ich nur ein unintelligentes "Ähm ... Ich ..." zustande bekomme, ehe ich den letzten Rest Whiskey trinke und an meiner Zigarette ziehe. Nur nichts mehr sagen, sage ich mir selbst in Gedanken. Einfach Klappe halten und stur lächeln.
 

Harv und ich sehen erst dich und dann einander an, ehe wir in amüsiertes Gelächter ausbrechen.

"Jetzt guck nicht so bedröppelt", meint Harv lachend und auch ich nicke.

"Wir haben das doch inzwischen zur Genüge ausdiskutiert", füge ich hinzu. "Ich habe nicht mehr vor, dir deswegen den Kopf abzureißen. Wenn man's genau nimmt ... Du bringst momentan wenigstens Alles in Ordnung und kämpfst dafür, dass die Dinge ins Reine kommen. Das habe ich nicht gemacht. Ich habe einfach aufgegeben. So gesehen habe ich mir mehr vorzuwerfen als du, Edward."

Ich schenke dir ein aufmunterndes Lächeln.

"Und ich bin froh, dass meine Tochter einen Kerl abbekommen hat, der sie besser behandelt, als ich mit meiner Frau umgesprungen bin."

Harv tut so, als würde er sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.

"Ihr beide seid ja so süß. Und jetzt nehmt euch in den Arm und knuddelt!"

Er macht einen Versuch, mich in deinen Arm zu schubsen, der aber nur darin endet, dass er sich an der Hauswand festhalten muss, um nicht umzukippen.
 

Als ihr zu Lachen anfangt, zucke ich unwillkürlich kurz zusammen und sehe euch unsicher an. Eigentlich sollten eure Worte eine beruhigende Wirkung haben, doch irgendwie bewirken sie eher das Gegenteil und ich möchte vor Scham im Boden versinken. Auch deine Worte machen es nicht besser, doch als du dann meinst, dass Barbara »mich abbekommen« hat, hebe ich irritiert eine Augenbraue und blinzle dich verwirrt an.

Habe ich etwas verpasst oder seit wann bist du der festen Überzeugung, dass ich mit deiner Tochter eine feste Beziehung führe?

Ich setze in dem Moment an, etwas zu sagen, als Harvey dich in meine Richtung schubsen will und automatisch mache ich einen Schritt rückwärts. Ich schenke Harvey einen mitleidig angehauchten Blick, ehe ich ihn am Oberarm zu fassen bekomme und ihn dann ein wenig umständlich dazu bringe, sich auf die Bank zu setzen.

"Ich würde sagen, dass du erst mal genug hast", sage ich, drücke meine Zigarette im Aschenbecher aus, stelle mein Glas ab und gehe vor Harvey in die Hocke gehe.

Er sieht mich mit verklärtem Blick an und ich schnippe abwechselnd links und rechts neben ihm mit den Fingern, um seine Reaktion zu testen.

Du hast in der Zwischenzeit geistesgegenwärtig ein Glas Wasser aus der Küche geholt, welches du Harvey in die Hand drückst.

"Er ist nicht besonders trinkfest, oder?", frage ich an dich gewandt und stehe wieder auf. "Geben wir ihm eine halbe Stunde, um wieder klar im Kopf zu werden. Seine Frau wird begeistert sein ..."

Ich sehe dich prüfend an, ehe ich mir seufzend durch die Haare fahre.

"Ich weiß nicht was Barbara dir gesagt hat, aber da läuft nichts Festes", sage ich leise und komischerweise verursachen diese Worte ein kleines Stechen in meinem Herzen.
 

Seufzend beobachte ich, wie Harv glucksend sein Wasser süffelt.

"Darf ich mal ganz ehrlich sein?"

Ich werfe dir einen ernsten Blick zu, der deutlich zeigen dürfte, dass jetzt nicht unbedingt Nettigkeiten zu erwarten sind.

"Deine ständigen Beteuerungen, dass du nichts Festes mit Barbara willst, sind nicht nur unglaublich nervig, weil man seine Worte ständig zehn mal überdenken muss, damit der Herr sich nicht zu sehr bedrängt fühlt, sie sind auch schlichtweg geheuchelt. Ich habe es verstanden, Edward. Babs ebenfalls, das kannst du mir glauben."

Ich verschränke die Arme vor der Brust und fixiere dich mit einem strengen Blick.

"Ich glaube, der einzige hier, der noch nicht verstanden hat, dass er nichts Festes will, bist du. Ich habe nämlich allmählich das Gefühl, dass du nicht uns, sondern dich selbst überzeugen willst, wenn du das alle paar Sätze so betonen musst."

Die Worte sind nicht nur ungemein ehrlich und für deinen momentanen Zustand vielleicht viel zu kritisch, sie klingen auch noch so hart, dass sogar Harv die Klappe hält und uns gebannt anstarrt. Im Moment fällt es mir schwer, Mitleid zu empfinden, was sich wohl nur zur Hälfte auf den Alkohol schieben lässt. Es stimmt, was ich sage. Inzwischen ist es einfach nur noch nervig und meine Lust, dich permanent mit Samthandschuhen anzufassen, hält sich derzeit in Grenzen.

Ich bin vieles, aber bestimmt nicht der Typ, den du gerade beschrieben hast …

Unter deinen Worten kann ich förmlich spüren, wie ich immer kleiner werde und wie mein Fluchtinstinkt sprunghaft ansteigt. Hätte ich doch nur den Mund gehalten, schelte ich mich selber in Gedanken und starre stur auf den Boden der Terrasse. Dabei atme ich tief durch und versuche deine Worte nicht zu persönlich zu nehmen - was mir nicht gerade leicht fällt. Sie sind hart und gehen mir durch Mark und Bein, weswegen ich unbewusst anfange, die Hände zu kneten und mit den Fingern zu spielen.

Ganz unrecht hast du, sehr zu meinem Leidwesen, nicht damit. Dass ist mir sogar schon länger klar.

Doch wie soll ich dir nur erklären, weshalb meine Worte und Taten oft so widersprüchlich sind, dass selbst du inzwischen mit deiner Geduld am Ende bist?

Ich kann ja schlecht lang und breit erzählen, weswegen ich möglichst viel Abstand zwischen mich, Barbara und dich bringen will, obwohl ich eigentlich nichts lieber möchte, als genau das Gegenteil.

Vielleicht ist es der Alkohol auf nüchternen Magen, der mich dazu bringt, mir angespannt den Nasenrücken zu reiben, dabei ein Gesicht zu machen, als ob mir übel wird und mich dann resigniert neben Harvey auf die Bank plumpsen zu lassen.

Vielleicht ist es auch der Wahnsinn, der langsam aber sicher überhand bei mir nimmt.

"Ich weiß ...", gebe ich dann leise zu und selbst in meinen Ohren klingt meine Stimme weinerlich.
 

"Aha!"

Harv zeigt anklagend auf dich, als wäre gerade die größte Bombe aller Zeiten geplatzt. Na ja. Wenn man bedenkt, was du dir soeben eingestanden hast, mag das stimmen, aber eigentlich hast du nur etwas zugegeben, was ich und wahrscheinlich jeder andere, der dich mal im Umgang mit Barbara gesehen hat, bereits weiß.

Ich strafe Harvey also mit einem mahnenden Blick ab und gehe vor dir in die Hocke. So viel zu einem feuchtfröhlichen Abend, an dem wir uns keine Gedanken über die Situation machen. Aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn dieses Gespräch endlich geführt wird. Noch dazu unter Alkoholeinfluss, sodass du vielleicht endlich mal redselig bist.

"Und ich weiß, dass du es weißt, Junge. Du kannst also damit aufhören, ständig so zu tun, als würdest du Babs am liebsten loswerden. Du hast dich so sehr darauf versteift, nichts Ernstes zu wollen, dass du inzwischen in Alles, was wir tun oder sagen, den Hintergedanken interpretierst, dass wir dich für immer an sie binden wollen. Das will niemand hier. Warum sollte Barbara einen Vater für ihr Kind wollen, der nicht aus freien Stücken an ihrer Seite ist?"

Harv nickt zustimmend und hält sich dann den Kopf, als würde ihm von der Bewegung schwindlig werden.

"Babs ist nett zu dir, weil sie dich gern hat. Sowas kann vorkommen. Nicht jede liebe Geste oder jedes freundliche Wort sind ein Versuch, dich vor einen Traualtar zu zerren. Und nur, weil ich oft über Babs spreche, wenn du dabei bist, heißt das nicht, dass ich euch permanent verkuppeln will. Ob du es glaubst oder nicht: Väter neigen gelegentlich dazu, von ihren Kindern zu sprechen. Ich rede auch oft über Harv, deswegen will ich nicht, dass ihr beide heiratet."

Harvey blickt kurz auf, um dir eine Kusshand zuzuwerfen.
 

Fast wäre ich durch Harveys Äußerung fluchtartig aufgesprungen, doch im quasi letzten Moment kann ich mich selbst davon abhalten. Irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein weiß ich, dass ich endlich mal richtig ehrlich und aufrichtig zu dir sein muss, wenn ich nicht wirklich verrückt werden will durch das ganze Zeug, was mir tagtäglich durch den Kopf spukt.

Trotzdem - oder gerade deswegen - zucke ich kurz zusammen, als du dich vor mich hinhockst und ich kann bei deinen Worten gar nicht anders, als zustimmend zu nicken. Eigentlich weiß ich ja, dass weder du noch Barbara mich dauerhaft an euch binden wollt, doch ich kann diese kleine nagende Stimme nicht einfach so ausschalten. Schon gar nicht nach den ganzen Ereignissen der letzten Monate.

Bei Harveys Kusshand muss ich unwillkürlich grinsen, auch wenn mir im Moment gar nicht danach zumute ist. Egal, wie doof Harvey manchmal ist, er schafft es mit seiner erfrischend unkomplizierten Art immer wieder, die Menschen in seiner Umgebung aufzumuntern.

"Ich kann das nicht ...", murmle ich leise und lasse den Kopf hängen. "Diesen ganzen Familien- und Beziehungskram ...", füge ich hinzu und traue mich gar nicht, dich anzusehen. "Dabei möchte ich es besser machen ... Und ich hätte gern eine richtige Familie ... Es passiert im Moment so viel, dass ich eigentlich gar nicht weiß, wo ich überhaupt anfangen soll ..."

Ich mache eine Pause, seufze leise und hebe dann mit einem fast schon verzweifelten Blick den Kopf, um dich anzusehen.

"Ich habe es ihr gesagt ... Heute Morgen ... Mehr oder weniger zumindest ..."
 

Eigentlich wollte ich gerade dazu ansetzen, dir gut zuzureden, dir meine Unterstützung zuzusichern und dir zu versprechen, dass keiner von uns dich zu irgendetwas drängen wird, da nimmt mir dein letzter Satz den Wind aus den Segeln. Ich blinzle dich kurz mit offenem Mund an, während Harv mir durch überschwängliche Gesten zu verstehen gibt, dass das ja wohl der Wahnsinn ist. Da kann ich ihm nur Recht geben.

Ein leises Lächeln macht sich auf meinen Lippen breit. Das erklärt schon mal, weshalb mein Töchterlein heute so eine ausgesprochen gute Laune hat.

"Das war definitiv das Richtige. Für euch beide wird vermutlich Vieles einfacher, wenn Barbara weiß, wie es in dir aussieht. Dann muss sie nicht mehr ängstlich um dich herumschleichen, weil sie nicht weiß, was überhaupt los ist."

Weil du wirklich, wirklich hilfsbedürftig aussiehst, fülle ich dein Glas noch einmal auf. Dann kannst du dir Mut zur Ehrlichkeit antrinken - und vor allem halten wir so den Redefluss in Gang. Und das, was du uns gerade erzählst, ist wirklich längst überfällig.

"Babs und ich wissen, wie schwer dir das alles fällt. Aber für sie ist es sehr schwierig, mit dir umzugehen. Mal gibst du ihr das Gefühl, dass du dich keinen Deut um sie scherst, dann behandelst du sie wieder ganz normal. Sie ist ziemlich verwirrt gewesen, die letzte Zeit. Du hast es genau richtig gemacht. Wenn das noch länger so weitergegangen wäre, hätte sie sich bald überhaupt nicht mehr getraut, in deiner Gegenwart den Mund aufzumachen."
 

Das Glas, welches du mir reichst, umklammere ich mit leicht zitternden Händen, als ob es mein Rettungsanker in dieser für mich sehr ungewohnten und unangenehmen Situation ist. Ich atme mehrmals tief durch, ehe ich einen großen Schluck Whiskey nehme. Scheiß drauf, dass mir der hochprozentige Alkohol mehr die Sinne vernebeln wird, als gut für mich ist.

"Es fühlt sich nur nicht richtig an ...", murmle ich leise und starre in das Glas, in dem ich den Whiskey langsam kreisen lasse. "Vielleicht werde ich einfach nur paranoid, aber ..."

Ich muss mich unterbrechen und trinke noch einen Schluck.

"Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass das der Anfang vom Ende ist ...", fahre ich fort und schüttle dabei langsam den Kopf. "Als ob ich mich damit nur noch mehr in die Scheiße reite ..."

Ruckartig hebe ich den Kopf und sehe dich an.

"Wer garantiert mir denn, dass ich die ganze Sache nicht fürchterlich vor die Wand fahre und letztendlich Alles nur noch schlimmer mache? Und wer garantiert mir, dass ich das Alles nicht vollkommen umsonst mache und am Ende heraus kommt, dass ich mir es hätte sparen können?"

Jetzt bin ich mir sicher, dass es am Alkohol liegt, dass ich so verdammt ehrlich und redselig bin. Ich habe meinen letzten Satz noch gar nicht richtig beendet, als mir bewusst wird, dass ich schon wieder mit dem verhängnisvollen Thema um die Vaterschaft anfange.

Frustriert über meine eigene Blödheit raufe ich mir kurz die Haare und leere dann mein Glas mit einem Zug.
 

Ich versuche, mein Mitleid nicht allzu sehr in meiner Mimik zu zeigen. Das ist jetzt das Letzte, was du brauchst. Es rührt mich, dass du noch immer so viele Gedanken machst, ob du alles ruinieren könntest.

"Edward, du hast eines noch immer nicht verstanden: Du bist nicht allein. Babs und ich werden nicht zulassen, dass du irgendetwas gegen die Wand fährst. Wenn du einfach so ehrlich bist wie jetzt und uns mitteilst, wenn dir etwas zu viel wird oder dir etwas Angst macht, dann werden wir das berücksichtigen und dich unterstützen. Du tust ja so, als würden wir dir dieses Baby in die Hand drücken und dann lachend davon rennen."

Dein letzter Satz gefällt mir nach wie vor nicht sonderlich, aber inzwischen hatten sowohl Barbara als auch ich genügend Einblick in deine Probleme, dass deine Unsicherheit nicht mal mehr überraschend ist.

Ich seufze leise.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass du genauso gut wie ich weißt, dass sämtliche Zweifel an der Sache totaler Quatsch sind. Aber trotzdem: Babs hat dir doch zugesichert, dass du deine Gewissheit bekommen wirst. Du kannst mir aber glauben, dass kein Aufwand umsonst sein wird."

Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.

"Und eines kann ich dir versichern. Barbara liebt dieses Kind schon jetzt so abgöttisch, dass du gar keine Chance haben wirst, irgendeinen massiven Fehler zu machen. Sie wird dir die Ohren langziehen, wenn du auch nur Gefahr läufst, das falsche Babypuder zu benutzen. Du darfst also beruhigt sein, sie wird dich davon abhalten, irgendwelchen Schaden anzurichten."
 

Ich weiß im ersten Moment gar nicht, was ich zu deinen Worten sagen soll. Sie gehen mir so sehr zu Herzen, dass ich mich richtig zusammen reißen muss, um jetzt nicht auch noch rührselig zu werden. Von meinem Vater - nein Erzeuger - habe ich nie irgendwelche netten Worte zu hören bekommen, was vielleicht der Grund ist, weswegen es mir so sehr zu Herzen geht, dass du immer so nett zu mir bist. Dabei habe ich das gar nicht verdient.

Um zu verhindern, dass mir zu allem Übel jetzt auch noch die Tränen in die Augen schießen, senke ich schnell den Kopf und starre in das leere Glas, was ich unsicher in den Händen drehe.

"Als Barbara damals immer öfter bei mir im Büro war, habe ich ziemlich schnell mitbekommen, dass es von ihrer Seite mehr als Nachhilfe war ...", gebe ich leise zu und muss bei meinen nächsten Gedanken unweigerlich schief grinsen. "Ich kapiere bloß bis heute nicht, warum. Ich weiß selber, dass ich nicht gut für sie bin."

Ich seufze leise und schenke mir selber nach.

"Es hat mir geschmeichelt, dass sie sich zu mir hingezogen gefühlt hat und ich hätte das nicht ausnutzen dürfen. Ich hätte sie beim ersten Anzeichen vor die Tür setzen müssen. Aber ich habe es nicht getan ..."

Ich nehme einen großen Schluck Whiskey und zucke mit den Schultern.

"Ich wollte nie, dass das Alles passiert. Ich hatte Pläne und eine Familie stand da nicht darauf. Ich habe so viel versaut, dass es einfach nur noch peinlich ist."
 

"Weißt du ... Ich habe mir oft genug den Kopf darüber zerbrochen, was Babs dazu geritten hat, so eine - und versteh mich jetzt nicht falsch - Dummheit zu begehen. Inzwischen glaube ich, dass es meine Schuld ist."

Ich zucke betrübt mit den Schultern. Weil die Position allmählich unbequem wird, lasse ich mich vollends auf den Boden plumpsen, sodass ich vor dir sitze. Wenn man betrunken ist, ist bekanntlich sogar der Fußboden bequem.

"Ich habe Babs völlig vernachlässigt. Sie hat so viel mitgemacht durch die Scheidung ... Plötzlich waren ihre Mutter und ihr Bruder weg und weil ich das nicht ertragen habe, hab ich mich in die Arbeit gestürzt. Vermutlich hatte sie das Gefühl, dass sie völlig allein gelassen ist und Niemanden interessiert."

Ich sehe dich mit einem dankbaren Lächeln an.

"Und dann warst du da. Und du hast dich für sie interessiert."

Ich spüre selbst, dass ich gerade verdammt emotional werde, was sicherlich durch den Alkohol gefördert wird. Aber ich werde den Teufel tun und jetzt aufhören, nur weil ich wie ein harter Kerl aussehen will. Wir hatten inzwischen beide unsere kleinen - und großen - Zusammenbrüche. Nichts mehr zu verstecken.

"Du hattest nicht nur ähnliche Interessen wie sie, du hast dir auch noch Zeit für sie genommen. Und das mitten auf der Arbeit, während ich ihr das Gefühl gegeben habe, meine Arbeit mehr zu lieben als sie."

Meine Augen werden ein bisschen feucht, also beschäftige ich mich hastig damit, mein eigenes Glas aufzufüllen und halte dir dann fragend die Flasche entgegen. Harv biete ich nichts an, der scheint sowieso schon halb im Delirium zu sein.

"Du hast Babs wieder aufgerichtet, als es ihr wirklich schlecht ging. Ich schätze, das ist auch einer der Gründe, warum sie jetzt so an dir festhält. Sie sieht, wie schlecht es dir geht und will alles daran setzen, dasselbe für dich zu tun. Edward ..."

Ich schiefe wie ein verdammtes Baby und sehe zu dir auf.

"Ich habe dich so oft verteufelt für das, was du mit meiner Tochter gemacht hast. Aber im Endeffekt warst du für sie da, als ich es nicht war. Vielleicht hast du sie davor bewahrt, irgendwelche Dummheiten zu machen. Sich ständig zu betrinken oder Drogen zu nehmen oder sonst welchen Mist aus Einsamkeit zu tun. Und ich danke dir dafür. Ich glaube Babs hat noch gar nicht realisiert, dass genau das einer der Gründe ist, aus denen sie dich so liebt. Aber du hast sie wahrscheinlich davor bewahrt wirklich abzurutschen."

Traurig zucke ich mit den Schultern.

"Gotham ist ein sehr schlechter Ort für einsame Menschen. Hier einsam zu sein geht selten gut, wenn man niemanden hat, der einen da rausholt. Und genau deswegen sind wir hier. Du hast sicher oft genug das Gefühl, dass wir dich zu sehr bedrängen. Das tut mir leid. Aber das liegt einfach nur daran, dass wir es nicht zulassen wollen, dass du weiter einsam bist."
 

Bei deiner Erklärung kann ich gar nicht anders, als dich mit großen Augen anzusehen. So nett wie deine Worten auch klingen mögen, in meinen Ohren hören sie sich eher nach blankem Hohn an. Schuldbewusst senke ich den Blick und winke knapp ab, als du mir die Whiskeyflasche anbietest. Wenn du wüsstest, wie es wirklich war, würdest du mir die Flasche vermutlich über den Kopf ziehen.

Es war keine uneigennützige Nettigkeit, weswegen ich Barbara überhaupt gestattet habe, fast jeden Nachmittag in meinem Büro zu verbringen. Es war viel mehr die Tatsache, dass sie deine Tochter ist. Schlicht und ergreifend eine Art Vetternwirtschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Angestellten und Beamten im GCPD war mir damals schon klar, dass du es irgendwann bis zum Commissioner schaffst. Und für diesen Fall wollte ich einfach einen Fuß in der Tür haben.

Sicherlich wäre es moralisch richtig, wenn ich dir das auch sagen würde, aber das kann ich nicht. Schon gar nicht, wenn du gerade so emotional bist und ein Gesicht machst, als ob du jeden Moment in Tränen ausbrichst.

"Nein …", widerspreche ich dir leise und schüttle dabei langsam den Kopf. "Du stellst mich gerade als moralisch integer dar, aber ich fürchte, du hast ein völlig falsches Bild von mir. Ich bin vieles, aber bestimmt nicht der Typ, den du gerade beschrieben hast …"

Ich zucke knapp mit den Schultern und atme tief durch, ehe ich dich ansehe.

"Die Wahrheit ist, dass ich der falsche Umgang für Barbara bin und dass ich das auch sehr genau weiß."

Fast wäre mir noch rausgerutscht, dass sie erst durch eine unbedachte Aussage von mir auf die Idee gekommen ist, Batman unter die Arme zu greifen, aber zum Glück kann ich mir vorher auf die Zunge beißen. Aber die Tatsache, dass ich mit ihr, als sie erst sechzehn war, Dinge mit ihr gemacht habe, für die sie zu dem Zeitpunkt nicht annähernd alt genug war, reichen auch schon.
 

Ich hole Luft, um dir zu widersprechen, lasse es aber letztendlich gut sein. Du hast Recht. Ich habe dich gern und meine Tochter liebt dich, deswegen vergesse ich gern, dass du nicht der beste Mensch der Welt bist. Und obwohl ich deine Hintergründe kenne, sollte ich nicht vergessen, dass diese auch nicht Alles gut machen, was du dir geleistet hast. Sie bieten aber zumindest Gründe, dir noch eine Chance zugeben und das tue ich gerade. Und es fühlt sich kein bisschen falsch an.

Ich beschränke mich darauf, dir ein Lächeln zu schenken.

"Aber du bemühst dich, ein besserer Umgang zu werden. Und das macht einiges wieder gut."

Ich zwinkere dir zu.

"Und jetzt sollten wir aufhören Trübsal zu blasen. Wir haben noch eine sehr amüsante Szene vor uns. Harv wird nämlich sicher nicht auf meiner Couch schlafen. Ich werde seine Liebste anrufen."

Harv sieht plötzlich so aus, als wäre ihm so richtig schlecht.
 

Kurz zucken meine Mundwinkel, aber ich bekomme es schnell wieder unter Kontrolle. Am liebsten würde ich sogar ein bisschen mitleidig den Kopf schütteln, aber ich belasse es dabei, den Blick zu senken. Deine Worte klingen verdächtig nach »zweite Chance«. Äußerst verlockend, aber ich bezweifle, dass du dir über die Tragweite dieser Aussage bewusst bist.

Nicht, dass ich absichtlich versuche, mich einem normalen, politisch korrekten Leben ohne Kriminalität zu verwehren, aber es gibt Dinge, die müssen einfach sein. Eines davon ist, Crane in seine Schranken zu weisen. Und dass wird garantiert nicht gut bei dir ankommen. Aber ich werde meinen Plan durchziehen - komme was wolle.

Ich werfe Harvey einen kurzen Blick zu und mustere ihn skeptisch. Er hat definitiv zu tief ins Glas geschaut. Seine Frau wird hellauf begeistert sein, aber mein Mitleid ihm gegenüber hält sich in Grenzen. Ich bin nicht sonderlich eng mit ihm befreundet, weswegen ich sicherlich nichts tun werde, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Dann wandert mein Blick nach oben, dorthin, wo sich die Fenster von Barbaras Zimmer befinden und frage mich, wie hoch die Chancen stehen, dass sie von diesem Abend nichts mitbekommt.

"Um was wetten wir, dass auch wir morgen früh eine Standpauke bekommen, wenn wir total verkatert sind?", frage ich leise an dich gewandt, ohne dich anzusehen.

Dann schleicht sich ein Grinsen in mein Gesicht und ich greife nach der inzwischen halbleeren Whiskeyflasche.

"Damit es sich auch lohnt ...", füge ich hinzu und schenke uns beiden nach.
 

Amüsiert lache ich auf. Ja, es kann gut sein, dass Babs das Ganze nicht gefallen wird. Andererseits würde sie es vielleicht verstehen, wenn wir ihr erklären würden, dass ein wenig Mut-mach-Alkohol für ein ehrliches Gespräch nötig war ... Wobei ich bezweifle, dass du morgen noch zugeben wirst, dass dieses Gespräch jemals stattgefunden hat.

"Kann gut sein. Aber so ist das mit den Frauen", feixe ich und stemme mich nach oben, um Harveys Frau anzurufen.

Sie ist nicht sonderlich begeistert, erklärt sich aber bereit, ihren Gatten abzuholen. Wahrscheinlich will sie sich die Chance nicht entgehen lassen, ihrem Ärger sofort Luft zu machen. Wir können uns garantiert auf eine hübsche Szene gefasst machen. Ich hoffe bloß, dass du davon nicht gleich wieder abgeschreckt wirst, weil du denkst, eine Beziehung mit Babs würde genauso sein. ... Na ja. Die Chancen, dass sie zumindest ähnlich wäre, stehen gar nicht schlecht. Allerdings würdest du dich auch nie sinnlos betrinken. Sogar jetzt gibt es einen guten Grund dafür, den sogar Babs absegnen dürfte.

Ich kehre zurück und nehme mein Glas auf.

"Dein Engelchen von Ehefrau ist ein bisschen sauer", informiere ich Harv, der gleich besonders leidend guckt.



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von: abgemeldet
2014-08-02T23:11:22+00:00 03.08.2014 01:11
Diese Fanfiction ist jetzt schon so unglaublich lang und jedes einzelne Kapitel lohnt sich zu lesen! Es ist unglaublich, wie viel Liebe ihr in diese Story steckt und es gibt Kapitel, die lese ich, weil ich gefesselt bin, Kapitel, die ich wirklich fresse und Kapitel, die ich LEBE. Das schöne an dieser Fanfiction ist, dass sie nie langweilig wird. Die Spannung wird dauerhaft gehalten und es ist immer wieder schön zu lesen, wie detailverliebt ihr die Gefühlswelt der Charaktere beschreibt. Meine absoluten Lieblinge sind einfach Babs und Eddie. Aber auch Harv ist mir sowas von ans Herz gewachsen, wie er geschrieben wird!
Isa möchte ich sagen, dass sie ihren Hauptchara Babs perfekt rüberbringt. Genauso stellt man sich eine junge Babs vor und ich habe sie lebhaft vor Augen, während ich in ihrer Stimme ständig die Passagen von ihr lese.
Choga... Wie du Ed spielst ist der Wahnsinn. Ich bin unglaublich wählerisch, was das angeht, aber du bringst ihn perfekt rüber. Ich war schon von Anfang an verliebt in deinen Eddie, aber ich verliebe mich mit jedem Kapitel mehr in ihn.

Weiter so, ich freue mich darauf noch viiiiiiiiiiiel mehr von euch zu lesen!
Cheers
Euer Boss ;)
Antwort von:  ChogaRamirez
03.08.2014 01:44
Oh Lord ... So viel Lob. Da werde ich ja direkt rot. ^^" Das ist mir ja richtig peinlich, denn ein schriftstellerisches Meisterwerk ist das nun nicht gerade. Ich freue mich zwar sehr darüber, dass es dir gefällt, aber ganz nachvollziehen kann ich es nicht. ^^"
PunkinPie und ich geben uns natürlich sehr viel Mühe, die Storyline realistisch und die Handlungen, Gedanken und Gefühlen der Protagonisten nachvollziehbar zu halten. Es gibt im Schaffensprozess Momente, die uns schwer fallen und dann wieder Szene, die locker-flockig von der Hand gehen.
Den meisten Spaß haben wir beide tatsächlich mit unserem Lieblings-Psychiater. :D Natürlich geben wir uns mit allen Charakteren Mühe (du willst gar nicht wissen, wie viel Blut und Wasser ich schwitze, wenn ich Jim oder Alfred schreibe), aber das Hauptaugenmerk liegt schon auf unseren jeweiligen Hauptcharakteren.
Zur weiteren Handlung kann ich jetzt nicht viel sagen, außer dass wir gerade mal bei knapp der Hälfte sind und es noch viel Stoff gibt. Und irgendwie habe ich das blöde Gefühl, dass wir vor der AniMaCo nicht fertig werden - was bei dem geplanten Ende vielleicht auch besser ist. ^^"
Von:  TheJoker
2014-06-14T19:33:55+00:00 14.06.2014 21:33
Kurze Anmerkung beim lesen.
"Ich halte mich nicht nur für toll - ich bin toll":
So geil, ich lach mich schlapp :D
Also echt, sowas kannst du mir doch nicht antun *lach*
Von:  TheJoker
2014-06-14T17:59:54+00:00 14.06.2014 19:59
Huch, also so langsam erwische ich mich sogar dabei, wie ich über Crane's Sprüche und Gedanken schmunzeln muss.
Da wird man ja richtig zwischen die Fronten gedrängt hahaha

Sorry Eddie, aber der Kerl hat auch was auf dem Kasten :P
Von:  TheJoker
2014-06-14T17:36:23+00:00 14.06.2014 19:36
Jetzt dachte ich doch echt für nen kurzen Moment er würde die Maske aus dem Schrank nehmen...
Satz mit x das war wohl nix :D
Menno...ich warte ja so gespannt darauf O.o...hihi
Antwort von:  ChogaRamirez
18.06.2014 02:13
Die Maske kommt. Versprochen. ;)
Von:  TheJoker
2014-06-12T19:27:13+00:00 12.06.2014 21:27
Ach da is er ja wieder! Der eingeschnappte Eddie...
*kopfschüttel*
Seine Stimmungsschwankungen sind ja schlimmer als die des Jokers :D
Antwort von:  ChogaRamirez
18.06.2014 02:17
Unser Eddie ist schon eine kleine Diva. Und die Prinzessin auf der Erbse. ;)
Von:  TheJoker
2014-06-12T19:12:35+00:00 12.06.2014 21:12
Hach man man man...wenn doch Gordon nur wüsste wie Crane wirklich ist.
Er meint es ja wirklich nur lieb, aber es regt einen voll auf grrr...
:D
Antwort von:  ChogaRamirez
14.06.2014 23:15
Crane ist leider nicht so blöd, wie er auf den ersten Blick wirkt. ;) Er weiß schon, wie er dafür sorgt, dass seine "Versuchskaninchen" die Klappe halten.
Von:  TheJoker
2014-06-11T21:11:49+00:00 11.06.2014 23:11
Awwwwwww <3
Ich liebe Gordon. Er ist einfach nur zum knuddeln und könnte bei der ersten Begegnung schon die Rolle des Vaters einnehmen. Einfach auf den Schoß setzen, ankuscheln und Gutenachtgeschichten lauschen. thihi
Und er hat ja soooo Recht, Eddie ist wie ein eingeschnappter, kleiner Junge im Supermarkt, der sein Überraschungsei zurück legen soll. #Facepalm (obwohl ich seine Abneigung gegenüber Crane doch verstehen kann. Der Kerl ist einfach nuuur creepy *schüttel*)
Packen, schütteln und anschreien!
Aber naja...trotzdem ist er ja sooo haaach jaaa *sabber* *hächel* :P

Und noch Lob an euch: Finde es so schön, wie ihr jede Gestik, Mimik und die Wortwahl in Gesprächen so realistisch darstellt. Man merkt richtig, wie ihr in eurer eigenen kleinen Welt dabei seit, so dass man gleich mit reintauchen kann. Ist wie Film gucken und macht deshalb echt Spaß zu lesen. ;)
Antwort von:  ChogaRamirez
14.06.2014 23:10
Danke für die Blumen. ^^ Wir legen bei der Reihe wirklich viel Wert auf die Gefühle und Gedanken der Charaktere, aus deren Sicht es gerade ist.
Und wir haben Gordon auch ganz doll lieb - auch wenn er ein bisschen auf dem Schlauch steht. ^^
Von:  TheJoker
2014-06-10T07:53:14+00:00 10.06.2014 09:53
Hahahahaaa...Selbstmord...hahaha
Da müssen die aber ne ganz schön makabere Fantasie haben, um das als Selbstmord abstempeln zu können :D
Wirklich gut das Eddie ja so gar nicht, für andere, wie ein Mörder erscheint *grins*
Antwort von:  ChogaRamirez
14.06.2014 22:53
Eddie hat einfach nur das Talent, einen Mord nach einem Selbstmord aussehen zu lassen. Stille Wasser und so. ;)


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