Zum Inhalt der Seite

Ein Blick hinter das Eis 2.0 (Fortsetzung)

oder wie Joey nicht nur den Eisprinzen bezwang, sondern auch die letzte Schlacht überlebte...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich wollte ich die gesamte Story nur aus Joey´s Perspektive schreiben, aber irgendwie erschien es mir richtig, Kaiba´s Prüfung aus seiner Sicht zu schildern und nicht nur als Rückblick. Mit diesem Kapitel habe ich mich wirklich schwer getan.
Ich habe auch lange überlegt, was ich für ihn wohl am Besten als Aufgabe wählen könnte. Letztlich erschien mir diese Variante als logisch.
Ich bin nicht sicher, ob ich tatsächlich das was ich damit aussagen wollte, rübergebracht habe. Komischerweise ist es mir zum ersten Mal schwer gefallen, aus seiner Sicht zu schreiben. Ich hoffe, das Kapitel ist schlüssig und fügt sich in den Rest der Geschichte ein.
(Und vor allem, dass klar wird, worin ich Kaiba´s Aufgabe sehe.) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

sorry, dass ihr wieder etwas länger warten musstet, dabei bemühe ich mich gerade wirklich alle Stories in einem gleichen Intervall fortzusetzen. Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt und ihr habt auch weiterhin Spaß an der Geschichte.

Noch eine kleine Info vorab.
Ihr werdet feststellen, dass dieses Kapitel aus zwei Perspektiven geschrieben wurde. Den Anfang macht Atemu, dann folgt Kaiba und am Ende wird wieder aus Sicht des Pharaos erzählt. Ich hoffe, das ist nicht allzu verwirrend für euch!
Da es mehrmals wechselt habe ich es nicht beim Kapitel-Titel vermerkt. Wäre sonst wohl noch wirrer, oder?

Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Krieg (Kaiba) - (Kapitel 68)

Ich brauche einen Augenblick bis ich begreife wo ich bin. Für einen Moment stehe ich einfach nur da und starre auf das Gebäude vor mir.
 

Die Kaiba Corporation.
 

Dann wandert mein Blick über die nähere Umgebung. Ich bin mir nicht sicher was ich erwartet hatte, aber ganz sicher nicht, mich in Domino City, direkt vor der Kaiba Corporation wiederzufinden.
 

Ein Teil von mir weiß, dass das hier nicht wirklich real ist.

Dennoch ist es augenblicklich sehr real.

Es ist...
 

Alles wirkt vollkommen normal. Das Gebäude, die Umgebung, die Menschen, der Verkehr.
 

Nichts, absolut gar nichts deutet darauf hin, dass hier etwas Anormales von statten geht. Aber es kann einfach nicht real, nicht normal sein.
 

Welchen Sinn würde es ergeben, mich zurück nach Hause zu schicken?
 

Ich versuche mir Atemu´s Worte wieder in den Kopf zu rufen, mich an das zu erinnern was er über diese Prüfung gesagt hat. Es hieß, ich müsste eine bestimmte Sphäre betreten und mich einer Aufgabe stellen. Ich hatte dabei an irgendetwas mystisches gedacht, eine Art Traumwandlung, irgendwas surreales.
 

Doch hier ist alles einfach nur... normal.
 

Unschlüssig stehe ich da und frage mich, was ich tun soll.
 

Rein logisch betrachtet, muss es seinen Sinn machen, dass ich gerade vor meiner Firma stehe. Der Sinn mag sich mir verschließen, aber dieser Umstand muss eine Bedeutung haben.
 

„Ok, Seto, denk nach.“ sage ich zu mir selbst.
 

Das Portal hat mich hierher geschickt, genau hier her. Folglich hat meine Aufgabe etwas mit der Kaiba Corporation zu tun. Anderenfalls wäre ich irgendwo sonst in der Stadt herausgekommen. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es mehr als logisch, dass ich die Firma betreten soll.
 

Warum auch immer.
 

Ich zögere noch einen Moment, dann gebe ich mir einen Ruck und setze mich in Bewegung. Das hier ist vertrautes Gelände. Im Grunde sollte ich dankbar sein, dass ich nicht in irgendeiner mystischen Geisterwelt gelandet bin. Ja, diese Tatsache sollte mich eigentlich sogar beruhigen. Denn gleichgültig wie viel ich inzwischen erlebt habe, nach wie vor kann ich mich nur schwer mit all diesem okkulten Dingen anfreunden.
 

Sicher, es lässt sich nicht mehr leugnen, dass es dergleichen gibt.

So sehr mein sonst so rationaler Verstand sich dagegen sträuben mag, diese Dinge existieren und ich bin ein Teil davon.
 

Dennoch behagt mir das Ganze nicht wirklich. Nichts davon. Aber ich habe mich damit abgefunden. Ich wäre ein Narr, würde ich das Offensichtliche noch länger leugnen.

Und wenn Seto Kaiba eines nicht ist, dann kein Narr.
 

Ich atme tief durch und gehe auf das Gebäude zu. Wie schlimm kann diese Prüfung schon werden? Gemessen an all den Dingen, die ich bis jetzt erlebt habe, dürfte mich nichts mehr überraschen oder schockieren.
 

Es gibt keinen Grund zur Furcht.
 

Mein Schritt ist fest als ich die Kaiba Corporation betrete und bereits als ich die Schwelle überschreite, wird mir klar, dass alles um mich alles andere als real ist.
 

In der Eingangshalle hängt ein überdimensional großes Bild meines Stiefvaters. Seine stechenden Augen blicken geradezu höhnisch auf mich. Ich schlucke unwillkürlich. Also darauf läuft diese Aufgabe hinaus. Mit einem Schlag erkenne ich die Wahrheit.
 

Das hier ist nicht meine KC. Es ist seine.
 

Und auch wenn ich weiß, dass all das hier nicht real ist, spüre ich doch, wie sich mein Magen zusammen zieht.
 

Ich weiß, was mich erwartet, wem ich mich stellen muss und für den Bruchteil einer Sekunde komme ich nicht umhin bitter zu lächeln. Eigentlich hätte ich es mir doch denken können. Atemu sagte, dies wäre eine Prüfung des Geistes. Er hat mir erklärt, dass es bei dieser Aufgabe darum geht, sich dem zu stellen, was man am Meisten fürchtet.
 

Seinen Zweifel, seinen Ängsten, seinen eigenen Fehlern...
 

Oh, ich hätte wissen müssen, was dies in meinem Fall bedeuten würde. Dabei war es doch so offensichtlich. Genau genommen gab es nur diese eine Lösung. Wie dumm von mir, es nicht früher zu erkennen.
 

Langsam schreite ich auf den Fahrstuhl vor. Ich weiß nun wohin ich muss. Auf der obersten Etage werde ich bereits erwartet. Anderes kann es nicht sein. Der Fahrstuhl öffnet sich unmittelbar nachdem ich den Knopf betätigt habe und ich trete ein. Natürlich bin ich allein. Nichts anderes habe ich erwartet.
 

Ich drücke den Knopf, der mich in die oberste Etage bringen wird und verspüre für einen Moment ein seltsames Gefühl von Beklemmung als die Türen sich schließen. Monoton erklingt die standardisierte Fahrstuhlmusik, die mich schlagartig an meinen ersten Besuch in der Firma erinnert. Ich wäre ein Lügner, würde ich nicht gestehen, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft.
 

Ich erinnere mich genau an jenen Moment.
 

Auch damals war ich alleine im Aufzug. Die gleiche Musik drang durch die kleinen Lautsprecher an mein Ohr und das Herz schlug mir bis zum Halse. Ich glaube, sogar meine Hände haben seinerzeit gezittert, auch wenn ich das nie jemandem gestehen würde.
 

Und für einen kurzen Augenblick fühlt es sich genauso an wie zu jener Zeit. Für ein paar Sekunden bin ich wieder der kleine Seto, der zum ersten Mal die Firma betritt, die er einst leiten soll.
 

Der Seto, dessen Herz viel zu schnell schlägt, auch wenn er sich bemüht, ruhig zu bleiben.

Der Seto, der seine Angst runter schluckt und an Mokuba denkt.

Der Seto, der bereit ist, alles zu tun, was von ihm erwartet wird, damit sein Bruder niemals mehr...
 

Ich verdränge den Gedanken, die aufsteigende Erinnerung, und bemühe mich, das hier und jetzt zu fokussieren. All das hier ist nicht real. Es ist eine Illusion und ich bin mir dessen bewusst. Ich bin nicht mehr der kleine Junge, die Kaiba Corporation ist nicht länger im Besitz meines Stiefvaters.
 

Gozaburo Kaiba ist tot.
 

Trotzdem ist mir seltsam zumute und ein Teil von mir wünschte, dass Joey bei mir wäre. Für einen Moment schließe ich die Augen und denke an das linkische Grinsen, den blonden Wuschelkopf, seine Lippen auf meinen.
 

„Ich liebe dich, Seto“, höre ich ihn sagen und komme nicht umhin zu lächeln.
 

Wer hätte gedacht, dass jemand wie er mich je lieben würde? Dass überhaupt jemand mich lieben könnte?
 

Ich spüre wie mir warm ums Herz wird und wie immer überrascht es mich ein klein wenig, wenn das passiert. Fast so als könne ein Teil von mir noch immer nicht begreifen, dass es jemanden neben Mokuba gibt, der mich liebt.
 

Aber Joey Wheeler tut es. Ja, aus welchem Grund auch immer – darüber bin ich mir nach wie vor nicht im Klaren – tue es. Er liebt mich. Er vertraut mir. Er ist sogar mein Ba. Er ist...
 

Der Fahrstuhl hat sein Ziel erreicht und ich atme tief durch. Dann öffnen sich die Türen und ich betrete die Chefetage. Alles ist genauso wie damals. Jedes Detail stimmt. Sogar der Geruch ist der Gleiche. Es kostet mich Überwindung aus dem Fahrstuhl zu treten. Denn ich weiß, was mich erwartet.
 

Nein, wer mich erwartet. Atemu hat keineswegs untertrieben was diese Prüfung anbelangt. Sie verlangt einem alles ab. Aber vermutlich ist genau das eben der Sinn der Übung. Unwillkürlich muss ich an Bakura´s Grinsen denken. Ob der Weißhaarige wohl gewusst hat, was mich erwarten würde?
 

Wie ich ihn inzwischen kennengelernt habe, bin ich mir dessen sogar sicher.
 

Mein Blick fällt auf eine hagere, sichtlich nervöse Frau. Fräulein Yakamoto. Ich erinnere mich an sie. Gozaburos Sekretärin. Eine Frau, die Angst vor ihrem eigenen Schatten hatte, jedoch noch größere vor meinem Stiefvater.
 

Ich spüre wie sich ihr Blick auf mich legt. „Du wirst bereits erwartet“, sagt sie und irgendwie habe ich das Gefühl, dass Bedauern in ihrer Stimme mitschwingt. Ich nicke nur und wende mich jener Tür zu hinter der mein Büro liegt und jetzt wohl mein Stiefvater auf mich wartet. Erneut zögere ich einen Moment, aber ich weiß, dass ich keine andere Wahl habe als durch diese Tür zu gehen.
 

Also atme ich tief durch und lege meine Hand auf die Klinke. Für einen kurzen Moment kommt mir der absurde Gedanke anzuklopfen, doch dann drücke ich den Knauf auch schon nach unten und öffne die Tür.
 

Mit einem Schlag zieht sich alles in mir zusammen.

Mit einem Schlag bin ich wieder ein kleiner Junge.

Mit einem Schlag verspüre ich Angst, Wut, Sorge und Traurigkeit.

Gefühle, die ich verdrängt habe, zu vergessen geglaubt hatte, strömen über mich hinein als mein Blick auf die Person fällt, die in dem großen Drehstuhl sitzt und mir geradewegs in die Augen sieht.
 

„Da bist du ja endlich.“ Beim Klang seiner Stimme läuft mir ein Schauder über den Rücken. Er sieht mich abschätzend an und mustert mich von Kopf bis Fuß. Und genau wie damals als er mich zum ersten Mal so angesehen hat, spüre ich wie sich bleierne Unsicherheit auf meine Schultern legt.
 

Mit einem Mal fühle ich mich unzulänglich und klein.
 

Aber irgendwie schaffe ich des dem kalten Blick standzuhalten. Dieses Mal werden meine Hände nicht feucht und ich ermahne mich selbst, ruhig zu bleiben.
 

„Das hier ist nicht real. Er ist tot. Lange gestorben und längst verrottet“, sage ich in Gedanken zu mir selbst.
 

Er lacht kurz auf. „Tatsächlich?“, will er wissen und ich bin für einen kurzen Augenblick irritiert. „Hast du wirklich gedacht, dass du mich so leicht loswerden könntest, Jungchen?“ Er macht eine wegwerfende Geste. „Überheblich und arrogant wie eh und je“, befindet er sichtlich amüsiert und ich habe das Gefühl, dass sich mir die Kehle zuschnürt. „Gott, was bist du doch für eine Enttäuschung, Seto,“ fährt er auch schon fort. „Und so etwas habe ich meinen Namen gegeben. Das war der größte Fehler, den ich je begangen habe.“
 

Er erhebt sich gemächlich und ich kann nichts anderes tun als da zu stehen.
 

„Und jetzt denkst du, du könntest die Welt retten“, redet er weiter und blanker Hohn liegt in seinen Augen. „Ausgerechnet du.“ Er lacht schallend los und seine Stimme dröhnt in meinen Augen.
 

Ich schlucke und spüre wie sich meine Hände zu Fäusten formen.
 

Genau wie damals verspüre ich diese Mischung aus Wut und Hilflosigkeit, aber irgendwie schaffe ich es etwas zu erwidern.
 

„Das denke ich nicht nur, das weiß ich“, entgegne ich und meine Stimme klingt genauso unsicher wie ich mich fühle.
 

Gott, das hier ist nicht real. Er steht mir nicht wirklich gegenüber. Er ist tot und alles was er sagt, ist nichts anderes als eine Illusion. Ich weiß das und doch kann ich nicht leugnen, welche Wirkung seine Worte auf mich haben.
 

Wieder lacht er. „Ach ja?“ Spott schwingt in seiner Stimme mit. „Hast du dich in der letzten Zeit einmal angesehen? Gesehen, was aus dir geworden ist?“ Er tritt hinter dem Schreibtisch hervor, aber ich rühre mich nicht. „Du bist ein Verlierer. Ein verfluchter Versager“, teilt er mir gehässig mit. „Verbringst deine Zeit damit dümmliche Spiele zu spielen und verlierst dabei auch noch. Gegen einen Zwerg! Einen ZWERG!“ Er spuckt mir die Worte geradezu entgegen und ich ziehe scharf die Luft ein. „Und so etwas wollte ich tatsächlich zu meinem Nachfolger machen. Wie erbärmlich... was für eine bodenlose Enttäuschung...“
 

Meine Nägel bohren sich inzwischen schmerzhaft in meine Handflächen und noch immer bin ich nicht in der Lage, mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Ich kann ihn nur ansehen, bin vollkommen erstarrt.
 

Warum vermag es eine Illusion, mich dermaßen zu beeinflussen?

Er ist tot und selbst wenn er es nicht wäre... Ich habe keine Angst vor ihm. Vielleicht hatte ich die einmal, vor langer, langer Zeit, aber jetzt und hier... Ich bin ein erwachsener Mann, nicht länger das kleine Kind, das er als Spielball benutzen konnte.
 

Und dennoch...
 

Jetzt und hier, wohl wissend, dass all dies eine Illusion ist, bin ich nicht wirklich ich selbst.
 

Unwillkürlich muss ich an damals denken. Meine erste Begegnung mit ihm. Damals hatte ich mein Ziel fest vor Augen. Ich wusste, was ich wollte und wie ich mein Ziel erreichen würde. Ich wusste, was ich zu tun hatte und ich wusste, dass diese Adoption nicht das Ende des Weges sein würde.
 

Mir war klar, was für ein Mann Gozaburo Kaiba war und dass er keineswegs ein liebevoller Vater für Mokuba und mich werden würde. Er war mein Mittel zum Zweck. Der Ausweg, aber kein Lichtblick.
 

Doch ich wusste nicht, was dieser Mann wirklich für mich bedeuten würde.
 

Vom ersten Augenblick an habe ich ihn verabscheut, aber er war das notwendige Übel, das ich in Kauf nehmen musste, um Mokuba und mich aus unserem Dasein zu befreien. Wie hätte ich ahnen können, welche Konsequenzen dies haben würde?
 

Dass dieser Mann, meine Nemesis werden würde.
 

„Du bist tot“, sage ich und dieses Mal klingt meine Stimme um einiges fester. Mehr nach mir selbst.
 

Wieder lacht er. „Und du?“, kontert er und bedenkt mich wieder mit diesem abschätzenden, herabwürdigenden Blick. „Du bist eine Schwuchtel geworden. Treibst es mit diesem zurückgebliebenen Streuner und denkst dabei tatsächlich noch, dass du etwas Besseres bist. Der große Seto Kaiba... Das ich nicht lache. Eine Schwuchtel, nichts weiter. Ein jämmerlicher Junge, das bist du.“
 

Sein Gesicht ist inzwischen zu einer Fratze geworden. Eine lachende Fratze und inzwischen ist er mir so nah, dass ich seinen Atem spüren kann. „Und jetzt willst du die Welt retten... Was für ein Witz!“
 

Unwillkürlich spüre ich wie Wut in mir aufzukochen beginnt. Für einen Augenblick habe ich das Gefühl, dass die Zeit still steht und alles um mich in rot getaucht wird. Meine Hauptschlagader pulsiert und in meinem Kopf zucken Blitze.
 

„Er ist kein Streuner“, entgegne ich und jetzt klinge ich tatsächlich nach Seto Kaiba. „Und er ist 1000 Mal mehr wert als du es je warst.“
 

Die Wut in mir wird zu Hass, unkontrolliertem, unbändigem Hass und ich verspüre das Bedürfniss auf ihn einzuschlagen. Ja, ich will ihn schlagen. Ich will seinen Schädel spalten, ihm dieses spöttische Lachen aus dem Gesicht schneiden. Meine Hände zucken und im nächsten Augenblick habe ich ihn auch schon am Kragen gepackt.
 

„Ich bin lieber eine Schwuchtel als so wie du!“ Ich wirbele ihn herum und drücke ihn hart gegen die Wand. „Ich bin lieber erbärmlich und jämmerlich als so wie du.“
 

Noch immer grinst er und in seinen Augen blitzt es bösartig auf. „Und dabei bist du doch fast wie ich.“
 

Schlagartig erstarre ich.
 

Sein Blick hält meinen fest und in meinen Eingeweiden brodelt es. Noch immer drücke ich ihn hart gegen die Wand, aber er sieht mich herausfordernd an und ich, ich bin mit einem Mal unfähig mich zu rühren.
 

„Oh, das macht dir die meiste Angst?“ Seine Stimme dringt wie durch Watte zu mir durch. Zufrieden blitzt es in seinen Augen auf. „Dabei ist es doch das Einzige, was erträglich an dir ist“, fährt er fort. „Leugnest du es? Dass du genauso kalt und beherrschend bist wie ich?“ Er klingt ehrlich amüsiert. „Leugnet du, dass du deine Träume verraten hast, um an die Spitze zu kommen? Was wolltest du doch noch immer erreichen? Ach ja, du wolltest eine glückliche Zukunft für dich und dieses nervtötende Balg von einem Bruder. Was ist daraus geworden?“
 

Ohne mein tatsächliches Zutun wird der Griff, mit dem ich ihn am Hals habe, fester.
 

„Was ist daraus geworden, Seto? Bist du glücklich? Ist Mokuba glücklich?“
 

Ich vernehme seine Stimme aus weiter Ferne. Kalt und herzlos und...
 

… ich denke an Mokuba. An all die Träume, die wir hatten. Ich denke an sein besorgtes Gesicht, wenn ich wieder einmal viel zu lange in der Firma war. An all die Male, bei denen ich ihn vertröstet habe. Ich höre mich selber sagen „Nicht jetzt, Moki. Ich muss zuerst...“ Ich denke an die Momente, in denen sogar Roland mich besorgt ansieht und ich zu Kaffee und Schmerztabletten greife.
 

Mokuba, der mich traurig ansieht. „Wie du meinst, Seto...“

Roland, der leicht die Stirn runzelt. „Sind sie sicher, Sir?“

Yugi Muto mit seinen großen Kulleraugen. „Ich spiele um Spaß zu haben, du nicht?“

Tea Gardner. „Was hast du, wenn der Tag zu ende geht, Seto Kaiba?

Devlin, der Würfelfreak. „Fuck, Kaiba, bist du eigentlich wirklich ein Mensch oder ein Roboter?“
 

Und Joey...
 

Ich schüttele unwillkürlich den Kopf. „Ich bin nicht wie du!“ Schwingt da tatsächlich Unsicherheit in meiner Stimme mit?
 

Mein Stiefvater grinst nur. „Ah... langsam scheinst du zu begreifen.“ Er wirkt sichtlich zufrieden, unabhängig von der Tatsache, dass ich ihn gerade fast schon würge. „Du bist nichts!“, erklärt er mir. „Du bist mein Schatten, nicht mehr. Du hast keine Zeit für deinen ach so geliebten Bruder, weil du zu sehr damit beschäftigt bist, ich zu sein. Und Freunde... Welche Freunde, Seto? Du willst keine, brauchst keine. Hast keine. Du bist nichts weiter als eine emotionslose Hülle, die so tut als würde sie leben. Noah hatte mehr Leben in sich als du es je haben wirst.“
 

Er hält kurz inne und fährt dann auch schon fort: „Denkst du, dieser Wheeler-Junge wird daran was ändern? Wie lange wird er wohl brauchen, um zu erkennen was für ein verächtliches Wrack du bist? Wie lange wird er bei dir bleiben bis er sich darüber klar wird, dass du kein Herz hast?“
 

Ich spüre, wie etwas in mir aussetzt. Ich höre sogar ein dumpfes, bleiernes Klicken.
 

Und dann... dann ist alles um mich herum für einen Moment lang schwarz.
 

Ich sehe nichts mehr, ich fühle nur noch. Und alles was ich fühle ist Hass, Zorn, Wut... den Wunsch, ihn zu töten.
 

Ja, ich weiß, dass er längst tot ist, aber ich verspüre den Wunsch, ihn noch einmal zu töten. Seinen verfluchten Schädel so lange gegen die Wand zu knallen bis sein Hirn mir entgegen spritzt. Ich will ihm das spöttische Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Will ihn würgen bis sein Kopf blau ist und seine Augen aus den Höhlen treten.
 

Ich will...
 

Vor meinem inneren Auge läuft ein Horrorfilm ab. Ich sehe unzählige Szenarien, wie ich Gozaburo Kaiba töte, vor mir abspulen.
 

Und Gott, wie leicht es doch wäre, auch nur eins davon umzusetzen.
 

Hier und jetzt.
 

Meine Finger zucken und...
 

… ich höre Joey´s Stimme.
 

„Du bist besser als das, Seto. So viel besser“, sagt er. "Du bist so viel besser als das, mein Herz!"

Gift

„Was glaubst du, Joey?“
 

Ich denke für einen Moment nach, dann trifft mich die Erkenntnis auch schon wie ein Schlag und entsetzt starre ich den Pharao an. Bakura beginnt neben mir zu grinsen. „Bravo, Kleiner, der Groschen ist also gefallen“, meint er herablassend und Atemu bedenkt ihn mit einem warnenden Blick, den Bakura allerdings ungerührt quittiert.
 

„Gozaburo“, sage ich mit tonloser Stimme und es ist der Dieb, der meine Vermutung bestätigt. „Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet sein Stiefvater noch immer seine größte Angst verkörpert? Der große Seto Kaiba und sein ewiges Daddy-Trauma.“ Er lacht und ich verspüre den Wunsch, ihm eine reinzuhauen. Meine Hände ballen sich instinktiv zu Fäusten. „DU!“ Ich bin tatsächlich schon halb auf dem Sprung, um auf den Weißhaarigen loszugehen, als Atemu sanft meinen Arm packt und leicht den Kopf schüttelt.
 

„Lass ihn nur reden.“ Etwas an seiner Stimme schafft es tatsächlich mich zu beruhigen, auch wenn ich zu gerne, dieses Grinsen aus Bakura´s Gesicht schlagen würde. An den Dieb gewandt meint der Pharao: „Du weißt ebenso gut wie ich, dass sich die Prüfung nicht nur um die eigenen Ängste drehen muss.“
 

Bakura zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Und? Worum auch immer es geht, es hat mit Kaiba Senior zu tun, das weißt du so gut wie ich.“ Seine Augen funkeln boshaft. „Mal sehen, wie er sich schlägt.“
 

Wieder lodert Wut in mir auf und im nächsten Augenblick registriere ich, dass meine Hand in Flammen steht. „Joey!“ Atemu packt mich am Arm und dreht mich zu sich. „Beruhige dich. Lass dich nicht provozieren“, ermahnt er mich und ich schlucke hart. Ist ja nicht so, dass ich das gerade geplant hätte. Bakura´s Art, seine Stimme... alles an ihm – Gott, ich hasse diesen Kerl und noch mehr hasse ich den Gedanken, dass ich jetzt nicht bei Kaiba sein kann.
 

Wenn sich diese Prüfung tatsächlich um seinen Adoptivvater dreht, dann weiß ich, dass sie alles andere als leicht sein wird. Ich kann mich noch gut an Gozaburo erinnern und auch an die Wirkung, die er auf Seto hatte. Unwillkürlich muss ich an die Geschichten denken, die Mokuba mir über ihn erzählt hat. Seto war in der Hinsicht immer zurückhaltend, nur schwerlich ließ er sich Informationen entlocken und jedes Mal konnte ich ihm ansehen, dass er keineswegs mit der Sache abgeschlossen hatte. Gleichgültig ob Gozaburo tot ist oder nicht.
 

Verflucht, mir gefällt die Sache überhaupt nicht.
 

Was meine brennende Hand beweisen dürfte. Planlos blicke ich in das Feuer. Keine Ahnung, wie ich es abstellen soll. Ich meine, ich denke daran, dass es aufhören soll, aber es hört nicht auf und am liebsten würde ich jetzt auch eine Feuerkugel oder was ähnliches auf den Dieb schleudern.
 

„Es wird alles gut werden, Joey.“ Atemu zwingt mich dazu ihn anzusehen. Sein Blick ist ernst, aber nicht angespannt und auch keine Spur besorgt. Er sieht mich so eindringlich an, dass ich schlucken muss. „Er wird es schaffen. Ich habe keinerlei Zweifel daran“, erklärt er mir eindringlich. „Seto Kaiba verliert nicht. Das weißt du so gut wie ich. Was auch immer ihn genau erwartet, er wird sich der Sache stellen und er wird sie meistern. Ich vertraue ihm. Das solltest du auch!“
 

Ich nicke langsam. Es ist ja nicht so, dass ich ihm nicht vertrauen würde. Fuck, ich würde ihm mein Leben anvertrauen, jederzeit. Ich habe einfach nur so ein verflucht ungutes Gefühl und ihn allein zu wissen behagt mir auch nicht. Ich seufze resignierend und kann sehen, wie die Flammen sich zurückziehen. Atemu lächelt mich weiterhin beruhigend an.

Unwillkürlich muss ich an seine Worte denken, das Versprechen, das er mir abgenommen hat. Ich will ja auch keinen Unsinn machen, aber hier zu stehen und zu warten...
 

„Ja, entspann dich, Kleiner. Wenn der Eisklotz mit der Nummer nicht fertig wird, könnt ihr den Rest sowieso vergessen“, mischt sich nun wieder Bakura ein und bedenkt mich mit einem spöttischen Blick. „Aber letztlich ist es ohnehin egal.“ Er zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Ihr werdet am Ende unterliegen.“
 

Oh, dieser verdammte Bakura! Kann dieser Psycho nicht einmal die Klappe halten? Ich will gerade etwas erwidern als eine andere Stimme den Raum erfüllt. Ich zucke unwillkürlich zusammen. Es ist der Gott, der spricht. Zaghaft blicke ich zu Osiris. Sei Blick ist auf uns drei gerichtet und nichts an seinen Zügen lässt eine Regung erkennen. Was auch immer er gesagt hat, es klang keineswegs bedrohlich und als ich sehe, dass der Pharao sich ein klein wenig verneigt, bin ich mir sicher, dass der Gott nichts beunruhigendes gesagt hat.
 

Bevor mir Atemu dieses Mal die Worte übersetzt, richtet er nun seinerseits das Wort an den Gott und zu meiner Überraschung verzieht der Dieb dieses Mal nicht das Gesicht. Fast habe ich sogar den Eindruck, dass er einen unzufriedenen Eindruck macht. Auf jeden Fall wirkt er mit einem Schlag nicht mehr so selbstgefällig.
 

„Ein Mann, der protzig auftritt, wird sehr verachtet. Ein Mann, der bescheiden auftritt, erntet großes Lob“, übersetzt Atemu mir schließlich die Worte und ich brauche einen kurzen Augenblick um ihre Bedeutung zu verstehen. Dann grinse ich den Gott tatsächlich an. „Ähm... danke, Sir.“ Verlegen kratze ich mir am Kopf und Bakura verdreht die Augen, sagt jedoch vorerst nichts mehr. Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich den Anflug eines Lächelns über Osiris Gesicht huschen zu sehen, dann ist seine Miene wieder vollkommen regungslos und sein Blick auf das Sphärenportal gerichtet.
 

Scheint als wäre der Gott auch nicht gerade ein Fan von Bakura. Schade nur, dass er keine Position bezieht. Aber hey, immerhin hält der Dieb jetzt die Klappe und das ist schon mal etwas. Was allerdings nicht heißt, dass ich mich entspannen würde. Ich bezweifle, dass ich das überhaupt kann solange Kaiba nicht wieder bei uns ist.
 

Kaiba...
 

Was er wohl gerade durchmacht? Eigentlich will ich gar nicht daran denken. Das verstärkt mein unruhiges Gefühl nur noch mehr.
 

Bakura ist ebenfalls wieder zu dem Portal getreten und beobachtet das Geschehen genau wie der Gott. Ich zögere. Ob ich es mir auch ansehen soll? Ein Teil von mir hält das für keine gute Idee. Fragend blicke ich zu dem Pharao, aber seine Miene ist verschlossen. Gerade als ich ihn fragen will, ob es eine gute Idee ist, mir das Geschehen anzusehen, höre ich Bakura sagen: „Ist es nicht immer wieder ein Vergnügen, wenn man sich seinen Dämonen stellen muss?“
 

Wie ferngesteuert mache ich einen Schritt nach vorne. Nur ein Blick, ein kurzer Blick sage ich zu mir selbst. Ich will nur wissen ob Kaiba ok ist. Unsicher und mit dem Gefühl, dass sich alles in mir verknotet werfe ich einen Blick über die Schulter des Diebes.
 

„Du bist tot“, höre ich Kaiba sagen und mir entgeht nicht die unsichere Note in seiner Stimme. Er steht steif und kerzengerade in dem Raum, den ich als sein Büro in der KC kenne. Nur, dass es nicht sein Büro ist. Ihm Gegenüber, nur einen Schritt entfernt, steht Gozaburo und ein eisiger Schauder läuft mir über den Rücken. „Und du?“, entgegnet sein Adoptivvater so voller Verachtung und Hass, dass mein Herz einen Sprung macht. „Du bist eine Schwuchtel geworden. Treibst es mit diesem zurückgebliebenen Streuner und denkst dabei tatsächlich noch, dass du etwas Besseres bist. Der große Seto Kaiba... Das ich nicht lache. Eine Schwuchtel, nichts weiter. Ein jämmerlicher Junge, das bist du.“
 

Ich sehe wie Kaiba für den Bruchteil einer Sekunde zusammenzuckt. Ich spüre geradezu welche Kraft es ihn kostet, Gozaburo ins Gesicht zu blicken. „Und jetzt willst du die Welt retten... Was für ein Witz!“ Die Stimme ist so voller Hohn, so schneidend und kalt, dass ich kaum glauben kann, dass sie je einem Menschen gehört hat.
 

In Gozaburo´s Augen lodert es geradezu und Kaiba´s Schlagader beginnt zu pulsieren. Ich kann geradezu spüren, wie er die Beherrschung verliert und wie sehr er dagegen ankämpft. „Er ist ein Streuner. Und er ist 1000 Mal mehr wert als du es je warst.“ Dieses Mal klingt er ganz nach meinem Eisprinz. Seine Augen sind zu zwei Schlitzen geworden. Vielleicht würde jeder andere glauben, dass er sich selbst in diesem Augenblick im Griff hat. Ich weiß es besser. Ich sehe ihm an, dass er dabei ist, die Kontrolle über sich zu verlieren, gleichgültig wie sehr er dagegen ankämpft. Ich sehe wie sein Körper leicht zuckt und sich etwas in seinem Blick verändert. Im nächsten Augenblick packt er Gozaburo auch schon am Kragen und drückt ihn hart gegen die Wand.
 

„Ich bin lieber eine Schwuchtel als so wie du!“ Ich wirbele ihn herum und drücke ihn hart gegen die Wand. „Ich bin lieber erbärmlich und jämmerlich als so wie du.“
 

„Und dabei bist du doch fast wie ich.“
 

Ich sehe wie Kaiba erstarrt, in seiner Bewegung inne hält und ich weiß, was das bedeutet. Ja, ich bin weiß es. Diese Aussage von Gozaburo droht ihn über die Klippe in den Abgrund zu schicken. Besorgt und hilflos zugleich wandert mein Blick zu Atemu, der ihn zu verstehen scheint und an meine Seite tritt. Ein Blick genügt und auch er scheint die Lage zu verstehen. Doch was noch schlimmer ist, mit einem Mal habe ich das Gefühl, dass jetzt sogar der Pharao besorgt ist.
 

„Dieser Gozaburo war ja wirklich ein Herzchen.“ Bakura lacht vergnügt.
 

„Oh, das macht dir die meiste Angst? Dabei ist es doch das Einzige, was erträglich an dir ist“, fährt er fort. „Leugnest du es? Dass du genauso kalt und beherrschend bist wie ich?“ Er klingt ehrlich amüsiert. „Leugnet du, dass du deine Träume verraten hast, um an die Spitze zu kommen? Was wolltest du doch noch immer erreichen? Ach ja, du wolltest eine glückliche Zukunft für dich und dieses nervtötende Balg von einem Bruder. Was ist daraus geworden?“, vernehme ich die spöttische Stimme des Alten, die mich unwillkürlich an Bakura erinnert. Für den Dieb wäre dieser Arsch sicher der richtige Vater gewesen.
 

Ich kann Kaiba ansehen, wie sehr in diese Worte treffen und erneut steigt unbarmherzige Wut in mir auf. Ich verspüre den Wunsch den Alten zu packen, ihn zu schütteln, ihm eine rein zu donnern. Vor allem aber will ich ihn anschreien. Ja, ich will ihm sagen, dass es einzig seine Schuld ist, dass Seto so kalt und beherrscht geworden ist. Dass er ihn dazu gemacht hat, ihn fast zerstört hat damit. Vor allem aber will ich ihm sagen, dass er nicht mehr so ist. Unwillkürlich mache ich einen Schritt nach vorne und merke jetzt erst, dass ich meine Hände zu Fäusten geballt habe.
 

Wieder packt mich Atemu sanft am Arm und hält mich entschieden fest. Ich seufze frustriert. Warum muss ich das mitansehen? Warum kann ich verflucht noch mal nichts tun, während diese Gozaburo-Illusion weiter auf ihn einredet?
 

„Ah... langsam scheinst du zu begreifen. Du bist nichts!“, erklärt er mir. „Du bist mein Schatten, nicht mehr. Du hast keine Zeit für deinen ach so geliebten Bruder, weil du zu sehr damit beschäftigt bist, ich zu sein. Und Freunde... Welche Freunde, Seto? Du willst keine, brauchst keine. Hast keine. Du bist nichts weiter als eine emotionslose Hülle, die so tut als würde sie leben. Noah hatte mehr Leben in sich als du es je haben wirst.“
 

Kaum habe ich die Worte vernommen, spüre ich wie etwas in mir aussetzt. Keine Ahnung was genau passiert, es kümmert mich in dem Moment auch kein bisschen. Verdammt, mir ist sogar scheißegal, dass neben mir ein Gott steht und Atemu mich ermahnt hat, ruhig zu bleiben. Das alles spielt jetzt keine Rolle mehr.
 

Da ist nur dieser Klick in mir und diese Wut, die ich nicht mehr im Zaum halten kann. Ich will es nicht einmal mehr. Ich sehe nur Gozaburo´s abscheuliches Grinsen und ansonsten habe ich das Gefühl, dass sich alles um mich herum rot zu färben beginnt.
 

Mit einem Satz reiße ich mich von Atemu los und springe nach vorn. „Du verfluchter Drecksack!“, schreie ich das Sphärenportal an. „Du verdammter Hurensohn. Du weißt nichts über ihn, absolut gar nichts. Er ist nicht wie du.“
 

Mein Herz schlägt so schnell in meiner Brust, dass jeder Schlag in meinen Ohren wie ein Paukenschlag widerhallt. „Er ist nicht wie du!!“, wiederhole ich wütend. „Du bist die emotionslose Hülle. Seto ist so viel besser als du! Und er hat Freunde! Er hat mehr als du je haben wirst, du Riesenarschfurz. Nicht einmal dein eigener Sohn hat dich geliebt. Aber Seto wird geliebt und das kannst du nicht kaputt machen.“
 

Vage nehme ich wahr, dass mir Tränen über die Wangen strömen, aber auch das ist mir egal. Mein Blick wandert zu Kaiba, der seinen Adoptivvater nun ansieht als würde er ihn jeden Moment töten. Einen Moment überlege ich ob ich in das Bild vor mir hineinspringen soll. Dunkel erinnere ich mich an Yami´s Worte über die verschiedenen Sphären, aber all das kümmert mich in diesem Augenblick nicht die Spur. Nein, in diesem Augenblick ist mir gleich, was mit mir passiert. Das Einzige was zählt ist Seto Kaiba und dass ich nicht zulassen werde, dass dieser verfluchte alte Sack ihn wieder zu dem macht was er ist.
 

„Du bist besser als das, Seto. So viel besser. Du bist so viel besser als das, mein Herz!" schreie ich und setze auch schon zum Sprung an, bereit mich zwischen die Beiden zu werfen als ich unsanft an der Schulter getroffen werde. Mein Körper wird zur Seite geschleudert ehe ich überhaupt in der Lage bin zu begreifen was geschieht und im nächsten Moment wird alles um mich weiß. Von weitem höre ich Atemu aufschreien und schaffe es gerade noch den Kopf zu drehen. Bakura grinst mich grausam an und ich reiße die Augen auf.
 

Dann... dann ist alles nur noch weiß.

Tabula Rasa Teil 1

Ich habe keine Ahnung was gerade mit mir geschieht oder was hier überhaupt abgeht. Alles um mich herum ist so leuchtend weiß, dass ich die Augen schließen muss. Ich habe das Gefühl zu fallen oder zumindest, dass alles um mich herum sich dreht. Von weitem dringt Atemu´s Stimme zu mir durch, aber mit einem Mal scheint der Pharao unendlich weit weg.
 

Wie kann das sein? Und was zum Geier ist überhaupt passiert? Und warum klingt es als wäre er ganz wo anders, wenn er doch gerade noch neben mir stand?
 

Mein Hirn fühlt sich an als wäre es im Schleudergang. Alles wirbelt wild umher und ich kann mich überhaupt nicht richtig konzentrieren. Ein wenig erinnert es mich daran wie ich einmal mit Tristan im vollen Kopf Achterbahn gefahren bin. Verflucht mieses Gefühl. Was auch immer das ist, es gefällt mir nicht.
 

Plötzlich beginnt es um mich herum auch noch zu dröhnen und scheppern als würde jemand ein Auto mit einem Vorschlaghammer bearbeiten und erst jetzt merke ich, dass ich schreie. Ich schreie, ohne dass ein Ton aus meinem Mund kommt. Fuck, Joey, in was für ne kranke Scheiße bist du jetzt rein geraten?
 

Instinktiv strecke ich vorsichtig die Hände aus und versuche irgendwas zu ertasten. Noch immer habe ich das Gefühl ich befände mich im freien Fall und um mich herum scheint auch nichts zu sein.
 

Keine Ahnung wie lange das so geht. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor und langsam beginnt auch mein Magen zu rebellieren als es mit einem Schlag plötzlich endet. Das komische Gefühl ist weg und auch der Lärm ist verschwunden. Und ohne, dass ich bewusst den Boden unter meinen Füßen wieder berührt hätte, weiß ich doch, dass da wieder welcher ist. Gott, ist das mal verrückt. Ich blinzele vorsichtig und erwarte schon fast erneut von diesem abgefahrenen Licht geblendet zu werden, doch nichts. Meine Augen brauchen einen Moment bis sich sich meiner Umgebung anpassen, aber dann ist klar, dass ich mich nicht mehr in dieser Höhle befinde.
 

Wo ich allerdings jetzt bin, vermag ich nicht zu sagen. Die Umgebung ist zwar keineswegs beängstigend, aber wohl fühle ich mich deshalb auch nicht wirklich. Unsicher sehe ich mich um. Was schon mal klar ist, ich befinde mich in einem Raum. Einem recht normal aussehenden Raum. Erinnert mich irgendwie an unsere Schulkantine. Und ich bin allein. Keine Ahnung ob das gut oder schlecht ist.
 

Unschlüssig betrachte ich die zwei Türen, die scheinbar aus diesem Raum führen. Von irgendwoher dringen Kinderstimmen an mein Ohr. Ob mich das beruhigen sollte? Kinder sind schließlich harmlos, oder? Ich warte einen Moment, dann gebe ich mir einen Ruck und gehe auf die linke Tür zu. Die Stimmen werden lauter. Ich zögere einen Augenblick als meine Hand schon auf dem Türknauf liegt, aber hey, was soll ich machen? Hier abzuwarten scheint mir nichts zu bringen. Trotzdem ist mir mulmig zumute als ich die Tür langsam öffne und einen vorsichtigen Blick riskiere.
 

Vor mir erblicke ich eine Art Innenhof. In der Mitte ist ein kleiner Steinbrunnen und unzählige Kinder laufen spielend umher. Naja, das ist ja recht harmlos. Ich entspanne mich etwas und öffne die Tür ganz, um den Hof zu betreten. Gerade als ich noch dabei bin mich zu fragen, ob ich mich an eines der Kinder wenden soll, vernehme ich eine vertraute Stimme.
 

„Da bist du ja.“
 

Ich brauche einen Moment bis ich begreife, dass die Worte an mich gerichtet sind. Dann blicke auch schon in zwei große, strahlende Augen und atme erleichtert auf. „Mokuba!“, entfährt es mir. „Mann, bin ich froh dich zu sehen.“ Mann, meine Stimme klingt echt mal seltsam.
 

Der Kleine lächelt und schlingt im nächsten Augenblick auch schon seine Arme um mich. Eine Geste, die mich doch etwas überrascht. Ok, ich weiß, dass Moki mich mag, aber so was hat er noch nie gemacht. Also nicht so zumindest... Und überhaupt, warum ist der Kleine auf einmal so groß?
 

„Ähm...“ Verlegen kratze ich mir am Kopf. Der Junge hat sich wieder von mir gelöst und blickt mich nun fragend an. „Bist du fertig mit lernen, Seto?“, will er wissen und ich will ihn gerade fragen, was er damit meint als mir klar wird, wie er mich genannt hat.
 

Seto? Wieso nennt Mokuba mich Seto?
 

Ehe ich noch in der Lage bin, irgendwas zu erwidern, verspüre ich so eine Art Impuls und betrachte meine Hände. Tja, nur dass es nicht meine Hände sind. Entsetzt mache ich springe ich einen Schritt zurück. Also, das sind echt nicht meine Hände. Das weiß ich mit Sicherheit. Ich kenne doch meinen Körper.
 

Meinen Körper...
 

Mein Blick wandert zu meinen Beinen und Füßen und wow, hier geht echt irgendwas verflucht krasses ab, denn die Teile gehören definitiv nicht zu mir.
 

„Was hast du denn, großer Bruder?“, fragt Mokuba besorgt. Ich erwidere nichts, sondern taste nach meinem Kopf und schlucke hart. Das ist ganz eindeutig nicht mein Körper. Nichts davon. Ich spüre wie sich schlagartig alles in mir zusammen zieht. Mokuba beobachtet mich mit gerunzelter Stirn und ich erkenne echte Sorge in seinen Augen.
 

Unwillkürlich schließe ich die Augen. Ok, Joey, denk nach. Es muss eine Erklärung für das alles geben. Keine Ahnung was für eine, aber irgendwas läuft hier. Meine Gedanken überschlagen sich fieberhaft. Ich versuche mich zu erinnern was genau vorhin in der Höhle passiert ist.
 

Ich war drauf und dran in dieses Sphärenfeld zu springen, aber irgendwas hat mich aufgehalten.
 

Bakura! Ja, der Dieb. Ich kann sogar sein höhnisches Grinsen vor mir sehen. Der Pharao hat geschrien, dann war alles weiß und jetzt bin ich hier...
 

„Seto?“
 

Und auch wenn es vollkommen verrückt klingt, ich glaube ich stecke in Kaiba´s Körper. Was für eine anderen Grund sollte Mokuba haben, mich großer Bruder zu nennen? Und wenn ich meine Züge richtig ertastet habe, dann passen sie tatsächlich zu meinem Eisprinzen.
 

Genau genommen zu einer jüngeren Form von Seto.
 

„Oh Mann.“ Ich stöhne auf und muss mich am Türrahmen abstützen, um nicht umzukippen. Ich habe keinen Schimmer was das zu bedeuten hat, aber ich bezweifle, dass Kaiba begeistert sein wird, wenn er davon erfährt.
 

„Großer Bruder... geht es dir nicht gut?“ Mokuba ist direkt an meiner Seite und ich schlucke schwer. „Ähm... alles ok, Moki.“ Meine Stimme ist ein merkwürdiges Krächzen. Der Kleine mustert mich zweifelnd und ich bemühe mich um ein Lächeln. Unwillkürlich frage ich mich, ob Kaiba so reagiert hätte. Ich meine, ob er gelächelt hätte. Mokuba scheint sich jedenfalls zu entspannen und packt mich im nächsten Augenblick auch schon an der Hand. „Du lernst zu viel“, tadelt er mich und grinst. Ich erwidere nichts, aber das ist auch nicht nötig, denn jemand ist zu uns getreten und richtet das Wort an mich.
 

„Hat der Streber ausgelernt?“ Vor mir hat sich ein Junge aufgebaut, der mich – Seto – um einen Kopf überragt. Er grinst mich spöttisch an und zwei weitere Kinder, die hinter ihm stehen, lachen. Der Typ ist für sein Alter recht groß, bemerke ich beiläufig. Typ Riesenbaby. Ich richte mich langsam wieder auf und schiebe instinktiv Mokuba hinter mich. Der Junge scheint keine Antwort zu erwarten. Stattdessen gibt er mir einen leichten Schubs, der mich etwas ins taumeln bringt und lacht. „Denkst wohl, Streber werden schneller adoptiert, was?“
 

Den Blick, mit dem er mich bedenkt, kenne ich genau. Er erinnert mich an diverse Schläger, die sich mit mir angelegt haben, und ich ahne auch, was nun folgen wird. Der Kleine hier ist der Macker, die Beiden hinter ihm seine getreuen Helfer, die nur mit ihm befreundet sind, weil sie Angst vor ihm haben und keinen Bock darauf zu seiner Zielscheibe zu werden. Ich weiß nicht, wie oft ich so was schon erlebt habe.
 

„Seto...“ Mokuba´s Stimme ist ein ängstliches Flüstern und ich werfe ihm einen kurzen, beruhigenden Blick zu. „Alles in Ordnung.“
 

„Alles in Ordnung...“, werde ich nachgeäfft und frage mich, was Kaiba in dieser Situation wohl getan hätte oder besser gesagt, was er getan hat. Das hier scheint schließlich eindeutig seine Vergangenheit zu sein oder so was in der Art. Vielleicht eine seiner Erinnerung, was weiß ich.
 

Unschlüssig was ich tun soll, erwidere ich ruhig: „Ich will keinen Stress.“ Für einen Moment sieht der Junge mich verwundert an und ich schätze, es liegt an meiner Wortwahl. Klingt ja nicht gerade nach Kaiba, oder? Zumindest nicht nach dem Kaiba, den ich kenne. Keine Ahnung, wie er als Kind war und keine Ahnung was ich jetzt tun soll. Es heißt doch immer, man dürfe nicht in der Vergangenheit herum pfuschen oder so, weil das Konsequenzen hat und alles verändert. So kenne ich das zumindest von ein paar Star Trek Folgen.

Aber bin ich wirklich in der Vergangenheit?
 

Bevor ich überhaupt reagieren kann, werde ich wieder unsanft geschubst. War ja klar. Der Typ ist auf Ärger aus. Mokuba keucht neben mir auf, da er mit mir gegen die Wand gedrückt wurde und aus dem Augenwinkel sehe ich wie zwei Igors hinter dem Riesenbaby einander angrinsen.
 

Riesenbaby funkelt mich erwartungsvoll an. Was er allerdings erwartet, keinen Plan. Erneut frage ich mich, wie Kaiba in der Situation reagiert hat.
 

„Na, fängst du gleich an zu heulen?“
 

Der Satz genügt, um den Gedanken an Kaiba und seine Reaktion zu verdrängen. Ich meine, was denkt der Typ von mir? Dass er mich nur zweimal stupsen muss, um mich zum weinen zu bringen? Lächerlich!
 

Ich grinse ihn herausfordern an. „Nee, aber ich weiß wer gleich heult.“ Mit Triumph stelle ich fest, dass meine Antwort ihn überrascht, aber ich warte nicht bis er sich wieder gefasst hat. Dieses Mal versetzt ich ihm einen Stups und beobachte befriedigt, wie er ins taumeln gerät. Tja, Junge, wenn du auf einen fight aus bist, dann denk dran, auf sicherem Grund zu stehen am Absatz einer Treppe. Grundregel Straßenkampf. Mit so was kenne ich mich aus.
 

Er taumelt leicht nach hinten, wodurch seine Igors ins trudeln geraten. Einer davon geht sogar zu Boden. Ich sag´s ja. Vorsicht Treppe!
 

Wie erwartet, fasst sich Riesnbaby schnell wieder. Mit einer Mischung aus Wut und Schock funkelt er mich an, bereit sich auf mich zu stürzen, aber ich bin Joey Wheeler, ok, vielleicht nicht im Moment oder doch, ach egal. Jedenfalls weiß ich, was zu tun ist und hole mit der rechten aus ehe er mich fassen kann. Mein Schlag sitzt wie eine Eins. Ich erwische ihn genau auf der Zwölf. Da soll mal jemand sagen, ich hätte in Mathe nichts drauf! Dieses Mal taumelt er mehr als nur ein bisschen. Er keucht auf und geht schmerzverzerrt zu Boden. Seine Igors starren mich entsetzt an.
 

„Tja, Kleiner, leg dich nicht mit...“ Mein eigener Name liegt mir auf der Zunge, aber ich kann mich im letzten Augenblick stoppen, ihn auszusprechen. Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich was ich sagen soll. Seto Kaiba geht ja wohl schlecht, denn scheinbar ist das hier das Waisenhaus, in dem Mokuba und er waren und damals hieß er noch nicht Kaiba.
 

„... Mokuba und mir an!“, beende ich schließlich meinen Satz und zeige ihm das Victory-Zeichen.
 

Mein Zögern ist im zum Glück entgangen. Er ist viel zu sehr mit seiner Nase beschäftigt und seine Kumpels damit, ihm wieder aufzuhelfen. Seine Augen sind jetzt zwei kleine Schlitze und sie schleudern Blitze in meine Richtung, aber er macht keine Anstalten, sich erneut auf mich zu stürzen.
 

Gerade als ich noch ein paar Joey-Wheeler-Weisheiten von mir geben will, höre ich eine Frauenstimme rufen: „Was ist hier los?“
 

Riesenbaby steht inzwischen wieder, den Blick immer noch wütend auf mich gerichtet.
 

Eine Frau tritt zu uns und fragt erneut: „Was ist hier los?“
 

Keiner rührt sich, doch als Riesenbaby den Mund öffnet, erkläre ich schlicht: „Er ist gestolpert.“
 

Die Frau betrachtet mich einen Augenblick unschlüssig, wendet sich dann jedoch an die drei Blödmänner. „Ist das wahr?“, will sie wissen. Ihr Blick ist streng. Es dauert eine Ewigkeit bis mein Gegenüber langsam nickt. „Ja“, presst er mit tonloser Stimme hervor und ich muss mich bemühen, ein Grinsen zu unterdrücken. Die Frau gibt einen undefinierbaren Laut von sich und mustert uns erneut. Keine Ahnung ob sie uns glaubt. Für einen kurzen Augenblick wirkt sie unschlüssig.
 

Sie nickt leicht. „Gut.“ Ihr Blick wandert zu Riesenbaby. „Du musst ein bisschen besser aufpassen, Hayato!“, meint sie und eine bedenkt ihn mit etwas, dass ein Lächeln sein könnte. „Ihr wisst, dass wir morgen hohen Besuch erwarten. Also, benehmt euch!“ Ich nicke und die anderen tun es mir gleich. Die Frau betrachtet uns noch einen kurzen Augenblick, dann macht sie kehrt und lässt uns stehen.
 

Hayato sieht mich unschlüssig an. Ein Teil von ihm würde den Kampf, wenn man es überhaupt so nennen kann, sicher gern wieder aufnehmen. „Versuch es erst gar nicht“, sage ich und kann mir nicht verkneifen hinzuzufügen: „Auch nur eine Sekunde daran zu glauben, du könntest mich besiegen, ist Selbstbetrug.“ Es kostet mich echt Kraft, meine Mundwinkel im Zaum zu halten.
 

Ich ernte noch einen giftigen Blick, dann zischt Riesenbaby seinem Gefolge zu: „Kommt!“ und schreitet von dannen. Ich sehe ihm noch kurz nach, dann wende ich mich Mokuba zu. So recht vermag ich seinen Gesichtsausdruck nicht zu deuten. Etwas in seinem Blick gleicht der typischen Heldenverehrung mit der er Seto immer ansieht, aber ich merke ihm auch an, dass er leicht irritiert ist. „Alles ok, Moki?“, frage ich und werde im nächsten Augenblick auch schon wieder angestrahlt. „Das war toll, großer Bruder. Du bist der Beste“, verkündet der Kleine und ich lache.
 

Kein Wunder, dass Kaiba sich von klein auf dafür gehalten hat, wenn sein Bruder ihn immer schon so angesehen hat. Nicht, dass ich seine Meinung nicht teilen würde. Kaiba ist der Beste.
 

Unwillkürlich frage ich mich ernsthaft, wie Kaiba als Kind war, als er noch nicht DER Seto Kaiba war. Natürlich kenne ich die Geschichten um seine Person, aber mal ernsthaft, wie war er wohl wirklich? Irgendwie fällt es mir schwer, ihn als Kind zu sehen. Kinder sind schwach, naja, irgendwie zumindest. Und Kinder spielen, tollen herum... Keine Ahnung. Ich weiß wie ich als zehnjähriger war, aber ich glaube nicht, dass er so war.
 

Also, wie war er wohl?
 

Naja, eine Sache ist jedenfalls sicher. Sein Bruder war ihm auch schon damals das Wichtigste überhaupt.
 

Ich streiche Mokuba kurz über den Kopf und will gerade etwas erwidern als ich wieder diesen Lärm in meinem Kopf vernehme und leicht zusammen zucke. Fuck, was hat das denn jetzt zu bedeuten? Ich versuche mir die Ohren zu zuhalten, aber ohne Erfolg. Mokuba sieht mich besorgt an. „Was hast du, Seto?“, will er wissen.
 

Tja, wenn ich das wüsste. Es ist als hätte jemand meinen Kopf an einen Lautsprecher gebunden und die mieseste Musik aller Zeiten aufgelegt. Fuck, ist das fies. Sogar das Atmen fällt mir mit einem Mal schwer.

Und dann... dann wird alles weiß vor meinen Augen und ich spüre wie dieser Höllentrip erneut beginnt. Doch dieses Mal trifft er mich nicht gänzlich unvorbereitet. Als sich wieder alles um mich oder in mir zu drehen scheint, bin ich innerlich darauf eingestellt.
 

Zum Glück dauert dieser Zustand dieses Mal nicht ganz so lange. Allerdings könnte ich auch gut ganz darauf verzichten. Noch immer frage ich mich, was das überhaupt zu bedeuten hat, was hier mit mir geschieht und ich bin echt mal erleichtert als es so schlagartig aufhört wie es begonnen hat.
 

Dieses Mal brauche ich nicht so lange, um meine Augen meiner Umgebung anzupassen, aber als ich diese wahrnehme, wünsche ich mir fast, das blendende Weiß zurück.
 

Vor mir steht kein Geringerer als Gozaburo Kaiba und grinst diabolisch auf mich herab.
 

Das ist nicht gut, Joey, nein, das ist gar nicht gut!!

Tabula Rasa Teil 2

(Atemu)
 

„Du verfluchter Narr!“, fahre ich Bakura an und packe ihn am Kragen. Der Dieb blickt mir ungerührt in die Augen. „Was hast du, Pharao? Es war ein Versehen. Er wollte in Kaibas Sphärenfeld springen. Ich habe nur versucht ihn aufzuhalten!“, entgegnet der Dieb gespielt unschuldig und ich sehe nur allzu deutlich, dass seine Mundwinkel zucken. Er bemüht sich, ein Grinsen zu unterdrücken und ich weiß nur zu gut, warum.
 

Widerwillig lasse ich ihn los und muss an mir halten, um ihn nicht zu Boden zu schleudern. Doch ich spüre Osiris wachsamen Blick auf mir. Seit Joey in einem der Felder verschwunden ist, hat der Gott keinen Laut von sich gegeben und ich bin nicht sicher, ob er der gleichen Ansicht ist wie ich, nämlich, dass es kein Versehen war. Nein, Bakura hat Joey mit Absicht in das Feld gestoßen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran.
 

Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, mich an Osiris zu wenden. Doch was würde das ändern? Er ist neutral, steht weder auf meiner Seite noch der von Bakura. Aber es liegt in seiner Macht, Joey wieder zurückzuholen.
 

Ich schlucke meine Wut hinunter und versuche mich wieder zu fassen. Doch gerade als ich das Wort an den Gott richten will, beginnt er zu sprechen. Seine Miene ist nach wie vor ausdruckslos, doch für einen kurzen Augenblick habe ich den Eindruck, einen wissenden Funken in seinen Augen zu sehen.
 

„Die Sphäre wurde überschritten ob gewollt oder nicht gewollt“, sagt er und bedenkt bei den letzten Worten Bakura mit einem knappen Blick. Ich seufze. Damit ist klar, dass es für Osiris keine Rolle spielt, ob Bakura Joey nun absichtlich geschubst hat oder es ein Versehen war. „Aber ihr könnt ihn doch zurückholen?“, frage ich und bin erleichtert als der Gott nickt. „Wenn der Junge auf dem Pfad, der ihm vorbestimmt ist, gewandelt ist, ja, dann kann ich ihn zurückholen“, antwortet er und sein Blick wandert zurück zu den Sphärenfeldern.
 

„Wenn... Das heißt, er muss sich auch einer Prüfung unterziehen? Aber das ist nicht fair. Joey...“, protestiere ich und werde mit einem dröhnenden „Genug!“ zum Schweigen gebracht. Ohne die Augen von den Sphären zu wenden, spricht Osiris weiter. „Nichts passiert ohne Grund, junger Pharao. Jeder Weg ist vorgezeichnet, nur sein Ende liegt im Dunkeln.“
 

Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was er damit sagen will. Heißt das, er wusste, dass dies passieren würde? Dass Bakura... Gehört dies alles dazu? Ist es ein Teil der Prüfung? Aber nur Kaiba sollte doch geprüft werden, Joey ist doch nur …
 

Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag.
 

Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Die Zeichen waren doch so offensichtlich! Ich schüttele leicht den Kopf. Wie dumm ich doch war. Nun wandert auch mein Blick zu den Feldern.
 

„Tja, damit wäre wohl bewiesen, dass ich unschuldig bin“, höre ich Bakura neben mir vergnügt sagen und muss an mir halten, um ihn nicht erneut zu packen und kräftig zu schütteln. Ich werfe ihn einen wütenden Seitenblick zu und stelle befriedigt fest, dass der Dieb keineswegs mehr so entspannt ist, wie er vorgibt zu sein.

Also hat er mit dieser Entwicklung nicht gerechnet. Er wusste es genauso wenig wie ich. Ich wette, er bereut inzwischen, was er getan hat. Aber da es letztlich ohnehin geschehen musste, spielt es keine Rolle mehr.
 

Die entscheidende Frage ist, ob Joey versteht, was nun von ihm erwartet wird und richtigen Weg beschreitet.
 

(Kaiba)
 

„Nur zu, Junge, drück zu. Trau dich ruhig, töte mich. Das hast du dir doch schon immer gewünscht, nicht wahr? Jetzt hast du die Gelegenheit, es mit eigenen Händen zu tun oder fehlen dir dazu die Eier, Seto?“
 

Noch immer blickt er mich herausfordernd an und ich verstärke wütend den Druck auf seinen Hals.
 

Es wäre wirklich so einfach...
 

Für einen kurzen Augenblick sehe ich wie etwas in seinen Augen aufblitzt und ein zufriedenes Grinsen erscheint auf den wulstigen Lippen. „Komm schon, Seto. Drück zu“, drängt er mich weiter und alles in mir schreit danach es zu tun. Jede Faser meines Herzens, selbst meines Verstandes will zusehen, wie er durch meine Hände stirbt. Es ist mir gleich, ob er längst tot ist und dies alles nur eine Illusion. Ich will ihn sterben sehen.
 

Ich will, dass er büßt.

Für alles was er Mokuba und mir und jedem anderen je angetan hat.
 

„Du bist besser als das, Seto. So viel besser. Du bist so viel besser als das, mein Herz!" , vernehme ich erneut Joeys Stimme und weiß, was er von mir will, was er mir zu sagen versucht.
 

Aber bin ich wirklich besser?
 

Ich zögere und blicke erneut in jene verhassten Augen, die mich so oft noch im Schlaf verfolgen. Er grinst noch immer und allein dieses Grinsen macht mich unglaublich wütend.
 

„Du musst dich schon ein bisschen mehr anstrengen, Junge, oder fehlt dir auch noch dazu die Kraft? Erbärmlich...“
 

Dieses Mal lasse ich ihn nicht ausreden. Ich packe ihn und ehe ich überhaupt weiß was ich tue, schleudere ich ihn quer durchs Zimmer. Er prallt gegen die gegenüberliegende Wand und geht keuchend zu Boden. Das Grinsen ist verschwunden.
 

„Du bist tot, alter Mann“, sage ich mit kalter, harter Stimme. Meine Hände sind zu Fäusten geballt, aber noch immer zittern sie. „Du bist tot und vergessen. Niemand trauert dir nach. Niemand will sich an dich erinnern. Der große Gozaburo Kaiba ist am Ende einen bedeutungslosen, unbeweinten Tod gestorben.“
 

Langsam hebt er den Kopf, sieht mich an und öffnet den Mund, doch ich lasse ihn nicht dazu kommen, erneut das Wort an mich zu richten.
 

„Deine Firma ist jetzt meine Firma und erfolgreicher als sie zu deiner Zeit jemals war. Du bist ein Nicht, Gozaburo. Ein erbärmliches Häufchen Elend. Und ein Teil von mir wünschte, du wärst noch am Leben, damit du all das sehen könntest.“
 

Ich atme tief durch und mit einem Schlag ist die vertraute Sicherheit zurück. Ich straffe meine Schultern und richte mich kerzengerade auf. Joey würde jetzt sicher sagen, dass ich mit einem meiner Todesblicke auf die erbärmliche Kreatur zu meinen Füßen blicke.
 

„Du warst es nicht einmal wert, durch meine Hand zu sterben“, teile ich ihm nüchtern mit und sehe wie er entsetzt die Augen aufreißt. „Warum hätte ich mir an so etwas wie dir, die Hände schmutzig machen sollen? Es ist gleich, was du von mir hältst und was du je von mir gehalten hast. Du bist tot und ich lebe. Mokuba lebt.“
 

Ich bin nicht sicher, was nun genau geschieht. Gozaburo schreit schmerzerfüllt auf und ein Ruck scheint durch seinen Körper zu gehen. „NEIN...“, hallt seine Stimme entsetzt durch den Raum und im nächsten Augenblick windet er sich wie ein sterbendes Tier auf dem Boden. Irritiert blicke ich auf ihn herab, dann trifft mich die Erkenntnis wie einen Schlag. Es sind meine Worte, die ihm diesen Schmerz zufügen oder was auch immer es ist, was mit ihm passiert. Meine Worte haben diese Wirkung.
 

Ich schlucke hart, als mir klar wird, was es mit dieser Prüfung auf sich hat. Ich muss mich meinen Ängsten stellen, meiner größten Furcht und das ist nun einmal er. Ja, es kann nicht anders sein. Nur das ergibt Sinn. Doch da ist noch mehr … Ich muss mich ihm nicht nur stellen, ich muss auch meinen Hass überwinden.
 

Wenn ich ihn getötet hätte, wenn ich es auch nur wirklich versucht hätte, wäre die Prüfung vermutlich vorbei gewesen und ich wäre gescheitert. Nein, ihn zu töten, ob Illusion oder nicht, stand nie zur Debatte.
 

Nun verstehe ich auch Joeys Worte richtig.
 

Ihn zu töten, hätte mich nur zu etwas wie ihm gemacht. Auge um Auge, nichts weiter. Aber das ist der falsche Weg. Das wäre Bakuras Weg, der Weg von Seth, wie ich vermute. Um mich würdig zu erweisen, muss ich meinen Hass überwinden und loslassen. Gozaburo Kaiba ein für alle mal hinter mir zurück lassen, wie ich es immer wollte und doch nie getan habe, weil sein Vermächtnis wie ein Geist über mir schwebte.
 

Deshalb war ich nie frei.
 

Gleichgültig was ich auch tat.
 

„Deine Meinung kümmert mich nicht länger“, teile ich der Kreatur mit und dieses Mal schwingt kein Zweifel in meiner Stimme mit. „Es gibt andere Menschen, deren Meinung mir wichtig ist. Menschen, die größeren Wert besitzen als du jemals hattest. Du kannst zurückkehren in die Hölle oder wo auch immer sich dein Geist befinden und verrotten, wissend, dass du nicht länger von Bedeutung bist. Ich habe keine Angst mehr vor dir.“
 

Und als hätte ich eine Art Zauberformel gesprochen, beginnt die Illusion von meinem Adoptivvater sich vor meinen Augen langsam aufzulösen, genau wie das Zimmer, die gesamte Kaiba Corporation und ich stehe einfach nur da und sehe dabei zu.
 

Mein Herzschlag hat sich inzwischen wieder beruhigt und auch meine Hände zittern nicht länger. Zudem verspüre ich eine seltsame Leichtigkeit in mir, als wäre eine zentnerschwere Last von meinen Schultern gefallen. Für einen kurzen Augenblick ist mir sogar nach Lachen zumute. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich mich nicht mehr so frei gefühlt habe. Doch, im Grunde weiß ich es. Dieses Gefühl habe ich immer, wenn ich in Joeys Nähe bin. Und doch ist es jetzt noch intensiver, noch … Mir fehlen die Worte.
 

Jetzt erst bemerke ich, dass der Raum sich erneut verändert und registriere erleichtert die Struktur der Höhle, die der Ausgangspunkt zu diesem Abenteuer war. Einen Moment später sehe ich auch schon den Dieb, der mich grinsend ansieht und Osiris, der mir genau in die Augen blickt.
 

„Willkommen zurück, Kaiba. Ich hoffe, du hattest eine vergnügte Reise“, vernehme ich Bakuras spöttische Stimme und bedenke ihn mit einem kalten Blick. Dann wende ich mich um und suche nach Joey. Immerhin ist es ihm zu verdanken, dass ich diese Prüfung gemeistert habe. Doch statt meinem Hündchen, sehe ich nur den Pharao und sein Blick gefällt mir ganz und gar nicht. Von Joey ist keine Spur.
 

„Wo ist er?“, frage ich scharf an Atemu gewandt, der meinem Blick sichtlich unsicher ausweicht. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und wiederhole meine Worte, dieses Mal eine Spur eindringlicher. „WO IST ER?“
 

„Immer hübsch cool bleiben, Kaiba, es ist alles in Ordnung. Na ja, irgendwie zumindest. Es gab nur einen kleinen Zwischenfall ...“ Der Dieb, der zu uns getreten ist, kommt nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Ich packe ihn unsanft am Kragen und blicke ihn eisig an. „Überlege dir deine nächsten Worte gut, Bakura, ich warne dich“, zische ich den Weißhaarigen an, dem zumindest für einen kurzen Augenblick, das Grinsen vergangen ist.
 

Doch es ist Atemu, der mir antwortet. „Lass ihn los, Kaiba, und beruhige dich“, sagt der Pharao und sieht mich eindringlich an. Ich rühre mich nicht und mache vor allem keinerlei Anstalten, Bakura loszulassen. „Ich warte“, sage ich stattdessen und mein Tonfall dürfte dabei für sich sprechen. Atemu seufzt. Ich kann ihm ansehen, dass er am überlegen ist, und wie ich ihn kenne, sucht er nach den richtigen Worten, um mir das was er zu sagen hat, mitzuteilen. Das flaue Gefühl in meinem Magen nimmt schlagartig zu. Das bedeutet nichts Gutes. Dessen bin ich mir sicher.
 

„Wir konnten deine Prüfung durch die Sphären verfolgen“, teilt Atemu mir mit und ich will ihn schon ungehalten unterbrechen, als er bereits fort fährt: „Joey hat das emotional sehr mitgenommen, du kennst ihn ja.“ Der Pharao macht eine kurze Pause. Ich erwidere nichts. Natürlich weiß ich, wie emotional mein Hündchen manchmal sein kann.

„Wenn du mich bitte loslassen könntest“, vernehme ich die Stimme des Diebes, doch anstatt von ihm abzulassen, packe ich seinen Kragen nur etwas fester, ohne meinen Blick von Atemu zu nehmen.
 

„Er war drauf und dran in das Sphärenfeld zu springen, aber Bakura hat ihn davon abgehalten.“ Atemu zögert für den Bruchteil einer Sekunde, was mir jedoch nicht entgeht. „Dabei ist er in ein anderes Feld gefallen. Ich bin sicher, dass es ihm gut geht, Kaiba, aber er kann erst wieder hervorkommen, wenn er seine Aufgabe dort erfüllt hat.“
 

Der Pharao sieht mich eindringlich an, doch mein Blick wandert bereits zu dem Dieb. „DU!“, fahre ich ihn an und da ist sie wieder, diese unkontrollierbare Wut in mir. „Das ist dein Werk, oder? Du hast ihn...“
 

Weiter komme ich nicht, denn Atemu hat mir die Hand auf den Arm gelegt und fällt mir ins Wort. „Es ist wie es ist, Kaiba. Lass ihn los. Das ändert ohnehin nichts“, versucht er mich zu beruhigen und ich habe fast den Eindruck, dass er mir versucht, durch seinen Blick etwas zu sagen. Ich zögere einen Moment. „Das wird noch ein Nachspiel haben. Merk dir meine Worte“, zische ich Bakura an, ehe ich ihn von mir stoße. Der Dieb taumelt und geht zu Boden, doch das kümmert mich nicht weiter.
 

„Was soll das heißen, er kommt erst wieder hinaus, wenn er eine Aufgabe erledigt hat? Ich dachte, nur ich müsse geprüft werden. Das hast du selbst gesagt“, fahre ich nun Atemu an. Der Pharao nickt. „Ich weiß. Das habe ich gesagt“, gibt er zu und ich fahre mir mit der Hand durchs Haar. „Na, dann kann er ihn doch einfach zurückholen.“ Ich deute auf Osiris, der bislang keinen Ton von sich gegeben hat, die ganze Szene aber verfolgt haben dürfte. Der Gott bedenkt mich mit einem undefinierbaren Blick, sagt jedoch nichts.
 

Atemu seufzt. „So einfach ist das leider nicht, Kaiba.“
 

„Ach?“ Ich verziehe spöttisch den Mund. „Und warum nicht?“
 

Der Pharao hat die Lippen fest aufeinander gepresst und macht keinerlei Anstalten mir zu antworten. Ich mache eine wegwerfende Geste und wende mich an den Totengott. „Wheeler hat da drin nichts zu suchen“, erkläre ich ihm entschieden. „Er ist kein Krieger, folglich muss er nicht geprüft werden. Also hol ihn zurück.“ Meine Stimme duldet keinen Widerspruch, aber der Gott rührt sich nicht.
 

„Du solltest dich in deinem Ton mäßigen, Kaiba, du redest hier nicht mit einem deiner Untergebenen“, mischt sich wieder der Dieb ein und erneut verspüre ich das Bedürfnis, ihn zu packen und gegen die Wand zu schleudern. Doch ich rühre mich nicht. Stattdessen sehe ich Osiris weiterhin an. Ich blicke ihm direkt in die Augen und er hält meinem Blick regungslos stand.
 

„Kaiba, bitte ...“, versucht nun auch Atemu mich zu ermahnen, doch ich gehe nicht darauf ein.
 

Dann verändert sich mit einem Schlag die Miene des Gottes. Vage nehme ich wahr, dass Atemu mich erneut am Arm gepackt hat. Ich rühre mich nicht. Ich schüttele auch nicht seine Hand ab. Mein Blick ist nach wie vor auf Osiris gerichtet, der zu meiner Überraschung plötzlich anfängt zu lachen.
 

Ich höre wie Atemu neben mir scharf die Luft einzieht. Ihn scheint dieser Stimmungswechsel, nein, vielmehr das Zeigen einer emotionalen Regung seitens des Gottes, genauso zu überraschen wie mich. Ich vermute, dass sogar der Dieb, dergleichen nicht erwartet hat.
 

Osiris Lachen hallt durch die Höhle und für einen Augenblick, der mir vorkommt wie eine Ewigkeit, gibt es nur das. Sein Lachen.
 

(Atemu)
 

Fassungslos starre ich den Todesgott an, während meine Hand immer noch Kaibas Arm umklammert.
 

Nie zuvor habe ich solch eine Regung, überhaupt eine Regung, von dem mächtigen Osiris gesehen. Stets war seine Miene ausdruckslos, geheimnisvoll und streng. Doch jetzt lacht er tatsächlich. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen würde, ich würde es nicht glauben und ich frage mich, was es zu bedeuten hat.
 

Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass auch Bakura sichtlich irritiert ist. Gebannt starrt er den Gott an und ist genauso erstarrt wie Kaiba und ich.
 

Für einen Moment kommt mir der Gedanke, dass es etwas damit zu tun hat, wie Kaiba mit ihm geredet hat. Zwar dürfte Osiris klar sein, dass Kaiba kein Gläubiger ist, doch das heißt noch lange nicht, dass er in einem solchen Ton mit einem Gott reden kann. Innerlich verfluche ich mich für einen kurzen Augenblick, dass ich sowohl ihn als auch Joey nicht wirklich besser auf das Ganze vorbereitet habe.
 

Dann überlege ich, ob ich das Wort zu ergreifen und …
 

Doch bevor ich zu einem Entschluss komme, ist das Lachen verhallt und Osiris wieder gleich einer ernst blickenden Statue. Ich schlucke unwillkürlich. Sein Blick ruht nach wie vor auf Kaiba und dieser hält ihm genauso ernst Stand.
 

„Ra hätte keine bessere Wahl treffen können“, sagt der Gott und ich brauche einen Moment, um seine Worte zu begreifen. „Zwei, wie Tag und Nacht, Sonne und Mond, Feuer und Eis. Verschieden und doch eins. Aber so wie die Nacht zum Tag werden kann und die Sonne den Mond am Himmel trifft, können auch Feuer und Eis verschmelzen. Ra hätte keine klügere Wahl treffen können.“
 

Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich diese Worte vernehme. Fast habe ich den Eindruck, der sonst so neutrale Gott, ist nicht länger so neutral.
 

Fasziniert beobachte ich, wie er einen Schritt auf Kaiba zumacht und ebenso fasziniert bewundere ich den jungen Firmenchef, der nicht einmal mit der Wimper zuckt, als der Gott seine Hand auf Kaibas Schulter legt.

Osiris blickt noch immer direkt in Kaibas Augen.
 

„Ra hätte keine weisere Wahl treffen können“, spricht der Totengott und für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, dass hier etwas passiert, dass ich gar nicht wirklich begreifen kann. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich wirklich gänzlich verstehe, was gerade geschieht.
 

Ich sehe wie der Gott sich zu Kaiba hinunter beugt und sein Mund zu dessen Ohr wandert. Kaiba rührt sich nicht, doch er ist keineswegs erstarrt, wie ich feststelle.
 

„Liebevolle Demut ist eine gewaltige Macht, die Stärkste von allen, und es gibt keine andere, die ihr gleichkäme“, raunt der Gott in Kaibas Ohr und ich halte gebannt die Luft an. Neben mir atmet Bakura scharf ein.

Tabula Rasa Teil 3

Ok, irgendwas voll Mieses ist hier im Gange! Etwas Oberfieses sogar. Und das liegt nicht nur daran, dass Gozaburo Kaiba sich megaschurkenmäßig böse über mich beugt.
 

Ich bin scheinbar noch immer in Setos Körper, aber dieses Mal bin ich größer. Ist ja auch irgendwo logisch, oder? Ich meine, Gozaburo ist da, also muss Kaiba älter sein, als zu seiner Waisenhauszeit.
 

„Was bist du doch für ein außergewöhnlicher Junge.“
 

Der alte Mann grinst und leckt sich über die wulstigen Lippen. Ich schlucke unwillkürlich und erst jetzt fällt mir auf, dass ich auf einem Sofa sitze und schon soweit von ihm weg gewichen bin, wie ich nur kann. Schlagartig fühle ich mich in die Enge getrieben. Wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Nur dass die Schlange in dem Fall Gozaburo Kaiba ist und ich dem Typen noch weniger traue. Eine Schlange wäre dagegen schon fast angenehm.
 

Ich erwidere nichts, behalte ihn nur aufmerksam im Auge.
 

Fuck, wenn das eine Szene aus Kaibas Vergangenheit ist, in der ich mich befinde, dann ist sie so was von fies und sie gefällt mir mal gar nicht.
 

„Ja, ein wirklich außergewöhnlicher Jung, aber deshalb habe ich dich ja auch ausgewählt, nicht wahr?“
 

Sein Atem stinkt irgendwie nach Fisch und ich verziehe angewidert den Mund. Am Liebsten würde ich ihn von mir weg stoßen, weit weg, oder noch besser, ihm eines auf die Zwölf geben, aber ich schätze, dazu fehlt mir die Kraft. Zumindest in diesem Körper. Stattdessen zische ich ihn giftig an.
 

„Ausgewählt? So weit ich weiß, hab ich dir da keine Wahl gelassen, alter Mann, ich hab dich schließlich geschlagen!“
 

So war es doch schließlich, oder? Kaiba hat den ollen Sack besiegt und dazu gezwungen, ihn und Mokuba zu adoptieren.
 

Scheinbar passt Gozaburo meine Erwiderung keineswegs, denn seine Miene verfinstert sich und das Grinsen verschwindet. Ich schlucke, als sein Blick meinen trifft. Was ich genau da in seinen Augen sehe, weiß ich nicht, aber mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken.
 

„Und nun bist du in meinem Haus und wirst tun, was ich dir sage, Seto!“, entgegnet er harsch und ich spüre, wie er mich erneut mustert. „Du hast doch nicht gedacht, dass ich dir all den Luxus, die Annehmlichkeiten und die Ausbildung umsonst zukommen lassen würde? Geschweige denn, dass ich deinen nutzlosen Bruder ohne Gegenleistung durchschleppen würde.“
 

Mit einem Schlag verstehe ich, was sein Blick bedeutet, was genau ich da in den fiesen, dunklen Augen sehe und starre ihn entgeistert an. Sichtlich amüsiert über meine Reaktion leckt er sich grinsend über die Lippen.

„Ich wusste, du bist ein helles Köpfchen. Vielleicht sogar schon etwas zu klug, Seto.“
 

Ich bin unfähig mich zu rühren. Ich spüre nur, wie sich alles in mir zusammenzieht und meine Nackenhaare sich aufstellen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt und ich wüsste auch gar nicht, was ich erwidern soll.
 

Ich weiß ja nicht einmal, was ich hier eigentlich mache, was ich tun soll. Erlebe ich einfach nur eine von Kaibas Erinnerungen oder ist es etwas anderes, was gerade geschieht? Und was es auch ist, welche Konsequenzen hat mein Handeln hier und jetzt?
 

Zu meiner Überraschung lässt der Alte von mir ab, richtet sich auf und entfernt sich sogar minimal. Doch nach wie vor behält er mich im Auge und sein Blick ist nicht einfach nur böse, er ist … Ich kann es nicht beschreiben. Auf jeden Fall fühle ich mich schmutzig und mein Wunsch, weit weg zu sein, steigert sich mit jedem Atemzug.
 

Gozaburos Grinsen verschwindet erneut und er sieht mich stattdessen erwartungsvoll an. „Also, Seto, es wird Zeit, dass du deine Rechnungen begleichst.“ Ich schlucke erneut und meine Gedanken überschlagen sich. Es ist ja wohl offensichtlich, was er von mir, Kaiba, will und ich frage mich, was Kaiba damals getan hat. Wie hat mein Eisprinz reagiert? Die Optionen sind ja nicht gerade vielfältig.
 

Verflucht, wenn ich nur wüsste, was ich tun soll.
 

Was, wenn ich durch meine Handlungsweise irgendwas in der Gegenwart verändere? Wenn ich meinen – seinen – Körper richtig betrachte, dann ist dies eine Szene, die sich erst einige Zeit nach der Adoption ereignet hat. Aber das hilft mir nicht wirklich weiter. Fieberhaft überlege ich, was ich über Kaibas Lebenslauf weiß. Sicher, ich kenne die Story, wie er mit Mokubas Hilfe seinen Adoptivvater um die Firma brachte und dieser vermeintlich Selbstmord beging, aber was bedeutet das für diesen Augenblick?
 

So wie es aussieht, war Kaiba in diesem Moment noch der Willkür seines Adoptivvaters ausgeliefert. Ergo …
 

Mein Magen beginnt zu rebellieren.
 

„Worauf wartest du, Junge? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit! Bewege dich endlich oder soll ich es Mokuba überlassen, eure Schulden abzuarbeiten?“
 

Mit aller Macht sträube ich mich dagegen, mir das Offensichtliche einzugestehen. Kaiba hätte nie zugelassen, dass sich Gozaburo an Mokuba vergreift. Er wäre eher gestorben, als so etwas geschehen zu lassen. Und so wie die Dinge nun einmal liegen, bedeutet das, dass …
 

Blinde Wut steigt in mir auf und gleichzeitig schießen mir die Tränen in die Augen. Mein Herz pocht wie wild in meiner Brust und dann sehe ich mich selbst, genau genommen Kaibas Körper, wie er sich erhebt und der Alte zufrieden grinst. Setos Miene ist ausdruckslos und seine Augen … Sein Blick zerreißt mir fast das Herz.
 

„Na, endlich.“ Gozaburos wulstige Finger streichen über Kaibas Wange. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Er steht einfach nur da und lässt es geschehen und jetzt erst wird mir klar, dass ich mich nicht länger in seinem Körper befinde. Ich stehe daneben und beobachte die Szene. Nur für eine Sekunde wende ich den Blick von dem Geschehen ab und blicke auf meine Hände, ja, es sind meine eigenen.
 

Keine Ahnung was geschehen ist, warum ich jetzt wieder ich bin und hier stehe und von den Beiden scheinbar nicht bemerkt werde.
 

Instinktiv rufe ich seinen Namen, doch keiner von Beiden rührt sich, was wohl eindeutig beweist, dass sie mich weder sehen noch hören können.
 

„Knie dich hin“, befiehlt Kaibas Adoptivvater und für den Bruchteil einer Sekunde zögert Kaiba, doch dann lässt er sich langsam auf seine Knie sinken und entsetzt registriere ich, dass Gozaburo dabei ist, an seinem Gürtel zu nesteln. „Nein!“, rufe ich verzweifelt und versuche den Alten am Arm zu packen, doch meine Finger greifen ins Leere. Ich kann ihn nicht berühren.
 

Und ich kann nicht verhindern, was nun geschehen wird. Ich kann nichts anderes tun, als zu zusehen. Heiße Tränen fließen mir über die Wangen und bald kann ich die Beiden nur noch verschwommen sehen. Kaibas Miene ist noch immer ausdruckslos, aber ich kann vage erkennen, dass seine Halsschlagader pocht. Gozaburo ist nun dabei seine Hose zu öffnen. „Ich will kein Wimmern und kein Schreien hören, Seto, hast du verstanden? Und wenn ich Zähne spüre, dann ...“ Der Alte grinst nur. „Wer weiß, vielleicht gefällt es dir ja auch?“
 

Alles in mir schreit danach ihn zu packen und auf ihn einzuschlagen. Wie gerne würde ich sein Gesicht bearbeiten, bis niemand mehr erkennen kann, ob er Männlein oder Weiblein ist. Aber wie, wenn ich ihn nicht berühren kann?
 

Panisch wandert mein Blick wieder zu Seto und ein Teil von mir wünschte, dass ich an seiner Stelle wäre, obwohl das eigentlich keine Rolle spielt. Schließlich ist all das hier vor langer Zeit passiert und es würde nichts ändern, wenn ich nun … Ach, verflucht! Was soll dieser Scheiß nur? Warum muss ich mir das ansehen? Warum hat er nie etwas gesagt? Warum konnte so etwas passieren? Warum …
 

„Wenn du deine Sache gut machst, Seto, lasse ich dich danach kurz zu deinem geliebten Bruder!“, höre ich Gozaburo sagen und erkenne durch einen Tränenschleier, dass ihm seine Hose um die Beine hängt und er …
 

Ich will meine Augen schließen, als Kaiba seinen Kopf langsam vorbeugt, aber ich kann es nicht. Ich schaffe es auch nicht mich abzuwenden.
 

Und dann … Dann ist mit einem Schlag alles rot vor meinen Augen. Ich sehe nichts mehr als einen roten Schleier und habe das Gefühl, dass ich langsam zu verbrennen anfange. Mein ganzer Körper scheint in Flammen zu stehen und ich höre mich schreien, ohne dass ich den Mund wirklich öffne. Wut, Hass, Bedauern, Abscheu, Mitleid … Unzählige Gefühle erfüllen mich mit einem Schlag, doch alle das wird von diesem verzehrenden Feuer in mir überdeckt und plötzlich ist es, als würde ich explodieren. Der rote Schleier schwindet, wird für einen kurzen Moment leuchtend gelb und ich fühle und denke nichts mehr.
 

Nach einer Ewigkeit vernehme ich eine Stimme. Sie ist mir vertraut, doch ich kann sie im ersten Augenblick nicht richtig einordnen. Noch immer sehe ich nicht wirklich etwas, aber das Rot vor meinen Augen, scheint langsam zu verblassen. Es ist fast so, als würde man die Farbe langsam herunterdrehen. Keine Ahnung, was weiß ich. Auf jeden Fall passiert es nur sehr langsam, aber hören kann ich und erneut spricht diese bekannte Stimme.
 

„Master Seto ...“, höre ich sie sagen und weiß endlich, wem sie gehört. Roland, Kaibas Assistent. Aber wo kommt er denn nun wieder her? Bin ich wieder gesprungen? Ich meine, befinde ich mich jetzt in einem anderen Erinnerungsdingsbums? „Master Seto“, sagt Roland erneut und dieses Mal klingt er eindringlicher und langsam werde ich echt nervös. Es gefällt mir nicht, dass ich nichts sehen kann. Ich will wissen was passiert ist und als würde jemand meine Bitte erhören, fange ich langsam an Konturen zu erkenne. Ungeduldig warte ich, bis das Bild vor mir, mit jeder vergehenden Sekunde deutlicher wird.
 

Ich befinde mich noch immer in dem gleichen Raum wie vorhin. Kaiba kniet wie er erstarrt auf dem Boden und Roland direkt neben ihm. Der Mann hat ihn an der Schulter gepackt und schüttelt ihn sanft.
 

Und Gozaburo …
 

Der Alte liegt regungslos mit herunter gelassener Hose da. Ungläubig starre ich auf den leblosen Körper. Fuck, was ist passiert? Warum liegt er da? Ist er tot? Nein, das kann doch nicht sein, oder? Das ergäbe doch keinen Sinn.
 

„Seto!“
 

Endlich reagiert Kaiba, er wendet seinen Blick von seinem Adoptivvater ab und sieht Roland an. Dieser atmet erleichtert auf. Dann wendet er sich Gozaburo. Routiniert ergreift er die Hand des Mannes und fühlt seinen Puls. „Er lebt noch“, bemerkt er und seine Stimme, die mir inzwischen sehr vertraut ist und selten Emotionen erkennen lässt, klingt nicht erleichtert, sondern enttäuscht. Für einen Moment scheint Roland zu zögern, dann zieht er sein Handy aus seiner Jacketttasche und drückt eine Nummer.Dann klemmt er sich das Mobilfunktelefon zwischen Kopf und Schulter und beugt sich über Gozaburo.
 

Wiederbelegungsmaßnahmen
 

Kaiba sieht ihm noch immer regungslos dabei zu.
 

Allem Anschein nach hat der Assistent den Notruf gewählt. Irgendwo logisch, auch wenn ich es für dieses Schwein ganz sicher nicht getan hätte. Nur bruchstückhaft höre ich wie Roland der Person am anderen Ende der Leitung die Sachlage schildert.
 

Kaiba rührt sich erst, als der Alte kurz aufhustet. Seine Augen weiten sich kaum merklich und ein Teil von mir wünschte, dass Roland ihn einfach hätte liegen lassen. Verdient hätte er es allemal. Kurz öffnen sich die Augen von Gozaburo, dann scheint er ohnmächtig zu werden und ich sehe, wie Kaiba schwer schluckt. Sein Blick ist nun auf den Unterleib seines Adoptivvaters gerichtet und alles zieht sich in mir zusammen, als ich mitansehe, wie sich sein Blick mit einem Schlag verändert.
 

Waren seine Augen zuvor noch leer und ausdruckslos, so sind sie in diesem Moment voller Hass und Abscheu, doch auch noch etwas anderes darin. Sie sind kalt. Eiskalt.
 

„So ist es also passiert ...“, durchzuckt es mich mit Entsetzen und mein Herz macht einen Sprung. Auch Roland scheint die Veränderung nicht zu entgehen. Die sonst so stoischen Züge spiegeln deutlich Sorge wieder und ich habe fast das Gefühl, dass er Kaiba in diesem Augenblick gerne in seine Arme ziehen würde, aber dessen Haltung ist so starr, so kalt, dass er es nicht zu wagen scheint.
 

Stattdessen wendet er sich wieder seinem Boss zu. Erneut sehe ich ihn zögern. Dann macht er sich daran, Gozaburo die Hose wieder hochzuziehen. Sein Widerwille ist ihm deutlich anzusehen.
 

„Geh zu deinem Bruder, Seto!“ Rolands Stimme duldet keinen Widerspruch. Nie zuvor habe ich ihn so reden gehört. Vor allem nicht mit Kaiba. Der brünette Junge rührt sich nicht gleich. Er starrt noch immer auf die Gestalt vor ihm, schließlich nickt er jedoch langsam und erhebt sich. Wortlos und ohne einen weiteren Blick zurückzuwerfen verlässt er den Raum. Die Tür fällt leise hinter ihm ins Schloss und ich sehe, wie Roland tief durchatmet und für einen kurzen Augenblick wirkt er, als wäre er um Jahre gealtert. Dann scheint er sich einen Ruck zu geben und richtet sich auf.
 

„Ich werde es nicht zulassen, Gozaburo. Das schwöre ich“, vernehme ich die vertraute nüchterne Stimme und nun wendet sich auch Roland der Tür zu. Draußen ertönen die Sirenen eines näher kommenden Krankenwagens.
 

Mit finsterem Blick betrachte ich die bewusstlose Gestalt zu meinen Füßen. Wäre er doch bloß an diesem Tag gestorben! Aber vermutlich hatte er einfach nur einen Herzinfarkt und Roland hat ihm das Leben gerettet. Und damit indirekt Kaiba. Ich versuche mich gegen die Frage, die sich in meinem Verstand zu manifestieren versucht, zu wehren, aber ich vermag es nicht sie abzuschütteln.
 

Ein Teil von mir fragt sich, wie ich mit diesem Wissen, meinem Eisprinzen je wieder in die Augen sehen soll, ohne mich durch mein Mitgefühl zu verraten. Offenkundig, dass er über dieses Thema nicht reden möchte. Nicht einmal mit mir und ich bin sicher, dass er auch mit Mokuba noch nie darüber geredet hat. Wie immer hat er alles mit sich selbst ausgemacht und ich kann eigentlich nur hoffen, dass Roland seinen Schwur gehalten hat. Aber konnte Roland denn immer zugegen sein?
 

Nein, ich will nicht daran denken. Ich will mir nicht vorstellen, dass er …
 

Ich schüttele automatisch den Kopf und wünschte, ich hätte all das nie sehen müssen. Nein, ich wünschte mir, dass er nie bei Gozaburo gelandet wäre. Dann wäre seine Kindheit nicht so hart und kalt gewesen, dann wäre er …
 

Ein Paukenschlag reißt mich aus meinen Gedanken. Dieses fürchterliche Donnern ertönt erneut und ehe ich mich versehe passiert es erneut. Alles um mich beginnt sich langsam zu drehen und wird langsam wieder in dieses grelle, alles umhüllende Weiß getaucht. Ich atme tief durch und versuche mich auf das Gefühl einzustellen, dass dieses Was-auch-immer-es-ist vorzubereiten.
 

Insgeheim hoffe ich, dass ich nicht in eine weitere Erinnerung katapultiert werde. Ich weiß schließlich noch immer nicht, was ich tun soll. Ich will nur zurück und ich will, dass Kaiba auch zurückkehrt aus dieser abgefuckten, verrückten Freakshow. Ich will zu ihm, zu meinen Freunden und ich will …
 

„ … dann wäre er nicht er“, vernehme ich eine ruhige, tiefe Stimme und blinzele. Vor mir steht der ägyptische Totengott und blickt auf mich herab. Ich schlucke schwer. „Was?“, gebe ich verwirrt von mir und Osiris scheint mich anzulächeln. Dann registriere ich, dass ich wieder in der Höhle bin und höre Kaiba meinen Namen sagen.
 

Mein Herz macht einen Sprung und ich will mich gerade zu ihm umwenden, als der Gott mich mit seiner Stimme zurückhält.
 

„Die Zeit, Joey Wheeler, ist ein Fluss“, teilt er geheimnisvoll mir mit und ich kann ihn nur verständnislos ansehen.

Im Namen Gottes

Osiris sieht mich weiterhin mit ernster Miene an, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Gott mir etwas zu sagen versucht, aber ich verstehe nicht wirklich worauf er hinaus will. Dann höre ich ihn meinen Namen sagen und vergessen ist der Totengott. Vergessen ist diese ganze blöde Prüfungsgeschichte. In diesem Moment gibt es nur ihn und mich und als er mich in seine Arme zieht, kämpfe ich nicht länger gegen meine Tränen an. Sollen mich doch alle heulen sehen, was juckt es mich.
 

Er ist da, es geht ihm gut und das ist alles was zählt.
 

„Fuck, ich dachte … keine Ahnung was ich dachte … ich bin nur … verflucht, Seto ...“ Ich weiß gar nicht so recht was ich vor mich hin stammle. Ich weiß nur, es macht keinen großen Sinn, aber das ist egal. Er ist hier bei mir, das ist wichtig. Alles andere ist bedeutungslos.
 

Und meinem Eisprinzen scheint es ebenso zu gehen, denn er drückt mich fest an sich. „Schon gut, Joey“, höre ich ihn sagen und kann gerade noch so erkennen, dass er lächelt. „Alles ist gut.“
 

Wir wissen beide, dass es eine Lüge ist, denn nichts ist gut. Immerhin ist diese ganze Nummer noch nicht zu Ende, aber wir sind wieder zusammen und unwillkürlich muss ich an all das denken, was ich gerade erlebt habe. „Es tut mir so leid, Seto. Es tut mir so leid...“, schniefe ich an seiner Brust und er streicht mir beruhigend über den Kopf. „Mach dir keine Gedanken, Joey, es ist alles ok. Du hast es geschafft. Wir haben es geschafft. Ich weiß, warum du die Sphäre betreten hast, ich hätte es genauso getan“, vernehme ich seine Stimme und nichts an ihr ist eisig. Allerdings bezweifle ich, dass er wirklich versteht, wofür ich mich entschuldige, aber dies ist weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um über diese Dinge zu sprechen.
 

Kaiba würde nicht wollen, dass ich seine Vergangenheit in Anwesenheit der anderen anspreche. Also klammere ich mich einfach nur an ihn und halte ihn so fest ich kann.
 

„Herzzerreißend.“
 

Es ist Bakura, der spricht. Ich fühle geradezu sein spöttisches Grinsen und mit einem Schlag bin ich wieder wütend, aber Kaiba hält mich unbeirrt fest. „Ignoriere ihn einfach“, raunt er mir zu und ich nicke an seiner Brust. Dabei würde ich viel lieber etwas anderes mit dem Dieb machen. In Gedanken schleudere ich ein paar Feuerbälle nach dem Weißhaarigen und ich hätte nichts dagegen, seine wirre Haarpracht dabei anzukokeln.
 

„Wenn ihr beiden genug gekuschelt habt, könnten wir uns langsam wieder dem Wesentlichen zuwenden.“
 

Ich löse mich von Kaiba und will gerade etwas erwidern, als der Pharao mir zuvor kommt. „Halt dich daraus, Bakura. Du könntest im Grunde auch schon längst verschwinden. Immerhin ist hier fast alles erledigt und du weißt, dass die Prüfung stattgefunden hat.“
 

Aber der Dieb lacht nur.
 

„Das hättest du wohl gerne, Pharaonenmade“, entgegnet er spöttisch. „Die Prüfung ist vielleicht erledigt, aber es bleibt immer noch der Tribut und nun ja, ich habe gerade etwas Zeit.“ Er grinst Atemu abschätzig an, der resignierend seufzt. „Wie du willst.“
 

Mit diesen Worten wendet sich mein Freund dem Totengott zu und jetzt sehe ich das kleine hölzerne Kästchen in seiner Hand. Scheinbar ist Shadi zu ihm getreten und hat es ihm gereicht. Atemu verbeugt sich leicht und hält Osiris das Kästchen entgegen. Die Worte, die er zu ihm sagt, verstehe ich nicht wirklich, aber ich schätze mal, es geht um die Prüfung.
 

Nun sehen wir alle den Gott erwartungsvoll an, der allerdings keinerlei Anstalten macht, das Kästchen entgegen zunehmen oder sonst was damit zu tun.
 

„Welchen Tribut verlangt ihr, mächtiger Osiris?“, höre ich den Pharao fragen und halte die Luft an.
 

Bis vor kurzem wusste ich zwar nicht, was ein Tribut ist, aber nach ein paar Recherchen habe ich inzwischen so eine gewisse Vorstellung davon. Ein Tribut ist so was wie eine Abgabe oder Steuer, jedenfalls irgendwas, dass man blechen muss. In dem Fall schätze ich mal, dass es für die Aktivierung dieser Karte sein soll. Doch was der Totengott dafür wollen könnte, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Ich schätze mal, er ist nicht scharf auf Kohle oder Essen. Zumindest kann ich mir das nicht wirklich vorstellen.
 

Bleibt die Frage, was es ist.
 

Und irgendwie habe ich plötzlich so ein mulmiges Gefühl. Besonders, als Osiris dann auch noch Kaiba und mich eindringlich ansieht. Hoffentlich verlangt er nicht irgendwas … naja abartiges. Keine Ahnung, Götter sind doch irgendwie so … willkürlich, oder? Ich erinnere mich an die Story von dem einen Typen, der seinen Sohn opfern sollte. Irgendein Gott hat da echt verlangt, dass der Mann seinen eigenen Sohn anzündet. Keine Ahnung ob das als Tribut gemeint war, aber abartig war das schon. Und ich bin jetzt auch nicht unbedingt scharf darauf, irgendwelche Tiere zu schlachten, um sie als Opfergabe darzubieten. Auf so was stehen manche Götter ja auch. Oder auf Menschenopfer. Außerdem hat Atemu gesagt, dass Osiris den Tribut selbst bestimmen darf.
 

Ich schlucke unwillkürlich und Osiris blickt mir direkt in die Augen.
 

Ok, bislang war der Gott ja eigentlich ganz nett, aber er macht mir nach wie vor ein bisschen Angst und so wie er mich gerade ansieht, weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll. Aber hey, mich darf man doch nicht opfern, oder? Ich meine, ich muss doch mit Kaiba und Atemu in diese Schlacht ziehen? Doch vielleicht will er mich ja auch danach erst?
 

Gott, mir wird gerade echt komisch. Ich bin froh, dass Kaiba einen Arm um mich geschlungen hat, denn meine Knie werden irgendwie weich.
 

Mann, ich wäre echt froh, der Typ würde jetzt endlich etwas sagen. Ich mag es nicht, wenn ich nicht weiß was Sache ist.
 

Nicht nur zu meiner Überraschung fängt der Gott dann plötzlich an zu lachen. Sein Blick ruht noch immer auf mir und er lacht mir direkt ins Gesicht. Ich kann ihn nur verwirrt ansehen. Ist das ein gutes Lachen oder ein Böses? So genau lässt sich das nicht wirklich deuten, vor allem da sein Lachen durch die ganze Höhle dröhnt. Wieder schlucke ich unsicher und verspüre den Impuls mich entweder vor Kaiba zu stellen oder mich hinter ihm zu verstecken, was echt mal merkwürdig ist.
 

Osiris lacht noch immer und mein Blick wandert kurz fragend zu Atemu, der den Totengott allerdings ungerührt und erwartungsvoll ansieht. Ich bin echt erleichtert, als Osiris sich wieder zu fassen scheint und sich mit ernster Miene dem Pharao zuwendet.
 

„Der Tribut ist bezahlt“, verkündet der Gott und ich sehe wie Atemus Augen sich erstaunt weiten. Scheinbar weiß er genauso wenig wie ich, was Osiris damit sagen will und auch Bakura wirkt irritiert. „Was soll das heißen? Wie kann das sein?“ Der Dieb klingt verunsichert, sogar ein wenig besorgt, aber eigentlich spricht er wohl genau das aus, was wir alle denken.
 

Osiris steinerner Mund verzieht sich zu einer Art Lächeln. Er sieht nach wie vor den Pharao an, als er die Frage des Diebes beantwortet. „Ich habe meinen Tribut gewählt und er wurde entrichtet.“ Jetzt wandert sein Blick erneut zu mir. „Deine Gedanken, kleiner Ba, sind faszinierend und amüsant zugleich. Einige von ihnen werde ich bis in die Ewigkeit mit mir nehmen“, höre ich ihn sagen und runzele die Stirn.
 

„Hä?“, entfährt es mir verständnislos und ich blicke fragend zu Kaiba, der mich zu meiner Überraschung angrinst.
 

Ohne eine weitere Erklärung abzuliefern, nimmt Osiris nun das hölzerne Kästchen an sich und öffnet es. Dann sagt er etwas, was sich vielmehr wie eine Art Gesang anhört und ich beobachte fasziniert, wie das Kästchen oder vielmehr sein Inhalt anfängt zu leuchten. Erst ist es nur ein schwaches weißes Licht, doch dann wird es zu einem strahlenden Gold und ich höre mich selbst sagen: „Wow … krass.“
 

Der Gott schließt das Kästchen wieder und ich wette darauf, dass es im Innern weiter leuchtet. Dann reicht er es mit einem angedeuteten Nicken Atemu, der sich leicht verbeugt.
 

„Ob diese Macht euch den Sieg bescheren wird, hängt davon ab, wie weise ihr sie zu nutzen versteht. Bedenkt, ihr könnt ihre Kraft nur ein einziges Mal freisetzen“, sagt der Gott und sieht den Pharao bedeutungsvoll an. Dieser nickt und ich hoffe, dass er versteht, was Osiris damit sagen will. Hinter mir gibt Bakura einen spöttischen Laut von sich. „Nun geht.“
 

Wieder nickt der Pharao und verbeugt sich dieses Mal tiefer vor dem Herrn des Totenreich. Kaiba nickt Osiris leicht zu, was man vielleicht als die Andeutung einer Verbeugung ansehen könnte. Auch Shadi und Marik verneigen sich und sogar Bakura macht senkt leicht widerwillig den Kopf. Ich schlucke, denn erneut ruhen die Augen des Gottes auf mir. Verlegen kratze ich mich am Kopf, verneige mich dann ebenfalls. „Ähm … dann vielen Dank, Sir.“ Ich schenke dem Gott ein unsicheres Lächeln, dann werde ich auch schon von Seto am Arm gepackt und mitgerissen.
 

Den Rückweg beschreiten wir schweigend. Mein Blick wandert von einem meiner Gefährten zum anderen und schließlich auch zu Bakura, der alles andere als zufrieden aussieht. Im Gegenteil. Er wirkt äußerst missmutig, was ja auch verständlich ist. Immerhin führen wir bislang, wenn ich das Ganze richtig deute und es ist ja wohl klar, dass dies dem Dieb nicht sonderlich passt. Was natürlich nicht heißt, dass man ihn unterschätzen sollte.
 

Bakura ist immer für eine Überraschung gut und ein Teil von mir rechnet auch damit, dass er jeden Moment versuchen wird, das Kästchen an sich zu bringen, deshalb behalte ich ihn auch erst einmal genau im Auge.
 

„Ähm... lief doch ganz gut, oder?“, frage ich, als wir wieder an der Oberfläche sind und Bakura verdreht die Augen. Atemu dagegen lächelt mich an. „Ja, Joey. Das kann man so sagen. Was nicht zuletzt dein Verdienst ist.“ Ich erwidere sein Lächeln unsicher, denn ich weiß nicht so recht, warum das gerade mein Verdienst sein sollte. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass meine unüberlegte Aktion eher unnötiges Chaos angerichtet hat und wäre der Dieb nicht anwesend, ich würde Atemu auch direkt danach fragen, wie er das meint.
 

„Denkt nicht, dass dies etwas ändert.“ Bakura bedenkt uns mit einem diabolischen Grinsen. „Ihr habt jetzt vielleicht den Trumpf in eurer Hand, aber das heißt nicht, dass ihr siegen werdet. Apophis und ich haben diesen Umstand bereits in unsere Überlegungen mit eingeplant.“ In seinen Augen blitzt es kurz gefährlich auf und erneut rechne ich damit, dass er versuchen könnte, das Kästchen in die Finger zu bekommen, doch er macht keinerlei Anstalten einen derartigen Versuch zu unternehmen. Stattdessen bedenkt er uns alle kurz mit einem abschätzenden Blick und mein Magen zieht sich leicht zusammen, als er Kaiba mit einem Lächeln bedenkt, dass anders als sein Grinsen nicht spöttisch ist, sondern …
 

Ich bin mir nicht sicher, aber es gefällt mir keineswegs.
 

„Wir werden ja sehen, Bakura! Zieh dich besser warm an. Wir werde uns nicht einfach so geschlagen geben, egal was ihr tut“, verkünde ich und funkele den Dieb herausfordernd an, der mich nur belustigt ansieht. „Wird der kleine Ba wieder übermütig?“ Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er eigentlich noch mehr sagen will, aber stattdessen verkneift er sich seine Worte. Ich bin mir sicher, dass er ursprünglich etwas mehr sagen wollte. Ehe ich etwas erwidern kann, kommt Atemu mir zuvor.
 

„Haltet euch an die Regeln und wir werden sehen, wer am Ende den Sieg davon trägt. Du weißt, so gut wie ich, dass ihr automatisch verliert, wenn ihr zu unlauteren Mitteln greift.“ Die Warnung in der Stimme des Pharaos ist nicht zu überhören, aber Bakura lächelt nur. „Oh, mach dir deshalb keine Sorgen. Wir werden auch siegen, wenn wir uns an die Regeln halten.“
 

Mit diesen Worten wendet er sich von uns ab und ist im nächsten Augenblick auch schon verschwunden. Ich seufze frustriert. „Ich hasse dieses Kerl“, gestehe ich wütend und spüre im nächsten Moment Atemus Hand auf meiner Schulter. „Er spielt nur die Rolle, die ihm zugedacht ist, Joey“, sagt er mit sanfter, fast nachsichtiger Stimme. Ich verziehe leicht den Mund. „Ja und er spielt sie verdammt gerne.“ Einen Moment habe ich das Gefühl, dass Atemu mir noch etwas sagen will, doch er tut es nicht. Er sieht mich einfach nur an. Dann meint er schlicht: „Lasst uns gehen.“
 

„Wohin jetzt? Zurück?“, will Kaiba wissen. Der Pharao nickt. „Vorerst ja.“ Kaiba verdreht leicht die Augen, sagt jedoch nichts weiter. Aber ich stelle die Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt.
 

„Was hast du damit gemeint, es wäre vor allem mein Verdienst? Und was für ein Tribut war es denn jetzt, den er wollte?“
 

Atemu lacht. „Du weißt es wirklich nicht, oder?“ Ich schüttele den Kopf und nun lächelt sogar Kaiba ein klein wenig. Fuck, selbst Marik grinst und Shadi lächelt geheimnisvoll. Ich sehe meine Freunde fragend an. Mann, warum muss ich immer der Einzige sein, der nicht gleich versteht was Sache ist??
 

„Jetzt sagt schon!“ Der Pharao beäugt mich noch immer mit einem Lächeln. „Der Tribut, Joey, war ein Einblick in deine Gedankenwelt. Das hat Osiris als Abgabe gewählt“, erklärt er mir dann. „Und ich wage zu behaupten, dass er nicht nur mehr als zufrieden damit wahr, sondern es dir sogar gelungen ist, den Totengott zu beeindrucken.“
 

Skeptisch sehe ich meinen Freund an, unsicher ob ich seinen Worten Glauben schenken soll, aber Atemu spricht bereits weiter. „Ihr beide habt ihn beeindruckt und ich bin fast geneigt zu sagen, dass der sonst so neutrale Gott in diesem Fall nicht mehr ganz so neutral ist.“
 

Fragend blicke ich zu Kaiba, doch seine Miene ist mal wieder ausdruckslos. „Dem schließe ich mich an“, höre ich dann Shadi sagen und wende mich überrascht dem Ägypter zu. „Ihr habt vermocht, was bislang nur sehr, sehr wenigen gelungen ist. Ihr habt den Respekt Osiris errungen.“ Atemu nickt und auch Marik scheint dieser Ansicht zu sein.
 

Ich schlucke unsicher. „Und was heißt das? Ich meine, er darf doch in den Kampf nicht eingreifen, oder? Also auch wenn er beeindruckt war, das hilft uns nicht wirklich weiter, oder?“, frage ich nachdenklich. „Und was meinst du damit, er wollte nur einen Einblick in meine Gedanken? Heißt das, er hat meine Gedanken gelesen? Die ganze Zeit?“
 

Oh Mann, wenn dem wirklich der Fall ist, dann weiß er ja … Ich meine, dann weiß er, dass ich … Ich spüre wie meine Wangen zu brennen beginnen.
 

„Das heißt unter anderem, dass Osiris das bestätigt hat, was ich die ganze Zeit gedacht habe, du bist nicht bloß ein gewöhnlicher Ba, du bist vielmehr als das und wenn ich die Zeichen richtig deute, dann wird es an euch beiden, Kaiba und dir, liegen, die letzte Schlacht für uns zu entscheiden“, meint Atemu ernst und Shadi nickt zustimmend. „Der Pharao hat recht, Joey Wheeler, du bist kein gewöhnlicher Ba und ich glaube, dass du es sein wirst, der letztlich die letzte Entscheidung mit sich führen wird.“
 

Nach wie vor unsicher und nun auch etwas verwirrt sehe ich die Beiden an und weiß beim besten Willen nicht so recht, was ich von diesen Worten halten soll. Ich soll die Entscheidung erringen? Habe ich das richtig verstanden? Ich dachte, meine Aufgabe wäre es, auf Kaiba aufzupassen? Und was heißt hier kein gewöhnlicher Ba?
 

Bevor ich etwas sagen kann, höre ich Kaiba neben mir seufzen.
 

„Nun, es hätte doch von Anfang an offensichtlich sein müssen, dass Wheeler alles andere als ein gewöhnlicher Ba ist, oder?“, meint er nüchtern.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Merci für eure tollen Kommentare, das weiterlesen und mitfiebern und natürlich für die Favos.

Ich weiß, dieses Kapitel erscheint wie eine Art Lückenfüller, aber für die Story ist es essentiell. Keine Sorge, wir werden bald zur Haupthandlung zurückkehren.

Viel Spaß weiterhin! Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (25)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Alistor
2020-03-05T20:33:56+00:00 05.03.2020 21:33
Ich hoffe auch das die Geschichte noch beendet wird
Es war so spannend
Von:  night-blue-dragon
2019-09-22T17:43:43+00:00 22.09.2019 19:43
Hallo,

auch diese Geschichte habe ich mit genuss gelesen. Du hast einen super Schreibstil, der einen an die Geschichte fesselt... mich zumindest.
Aber auch hier gebe ich mich der Hoffnung hin, dass nach all den Jahren die Story vielleicht doch noch beendet wird.

glg night-blue-dragon
Von:  Lunata79
2014-03-13T16:57:52+00:00 13.03.2014 17:57
LOL
Sehr ernüchternd, würde ich mal sagen, wenn Joey keinen Plan hat.
Gut, jetzt wissen wir, dass Osiris auf Joeys Gedanken steht. *kicher*
Da bin ich doch glatt neugierig, was jetzt so besonders an Joey, als Ba, sein soll. Voriges Kapitel hegte ich ja schon den Verdacht, dass er vielleicht als Krieger in die Schlacht zieht, aber jetzt soll er für die Entscheidung beitragen? Na, ja.
Freu mich aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79
Von:  tenshi_90
2014-03-12T14:14:14+00:00 12.03.2014 15:14
Das war ein sehr amüsantes Kapitel :) Joey kann mit seiner Art halt jeden beeindrucken, selbst einen sehr bedeutenden Totengott ^^
Von:  jyorie
2014-03-12T10:53:27+00:00 12.03.2014 11:53
Hey ٩(^ᴗ^)۶

sieht ein bisschen so aus, als wenn Osiris das mit den Prüfungen nur
als Spaß seinerseits oder Unterhaltung angesehen hat. Mir kommt die
wahl seines Tributes ein wenig so vor, als wenn es ihm Langweilig war
und der Streit der Menschen ihm da etwas Kurzweil geboten hat.

Ich bin aber auch nicht darauf bekommen, was der Tribut gewesen ist.

CuCu, Jyorie

Von:  Onlyknow3
2014-03-12T08:42:47+00:00 12.03.2014 09:42
Das war ein Wendung die wohl keiner vermutet hat, auch Bakura nicht, der sich zwar nichts anmerken lies doch das er verstimmt war zeigt sein schneller Abgang und seine Drohung die er das gelassen hat. Sehr gutes Kapitel, mach weiter so, freue mich schon auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-02-24T17:44:42+00:00 24.02.2014 18:44
Das war sicher ein harter Schlag für Joey so zu erfahren wie Seto so Eiskalt wurde und es tut weh zu wissen das, der alte Kaiba sich an dem Jungen vergangen hat. Denn was anderes war es nicht.Klasse aber das Joey nun auch seine Prüfung beendet hat. Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Lunata79
2014-02-24T15:59:35+00:00 24.02.2014 16:59
Was für ´ne Hölle. Gozaburo ist echt ein Arsch. Da kann ich Joey voll verstehen und Seto mittlerweile auch.
Gott sei Dank, hat er das jetzt hinter sich.
Aber, was genau versucht der Totengott Joey mit diesem einen Satz zu sagen?
Konnten die anderen eigentlich sehen, was Joey durchgemacht hat?
Freu mich auf jeden Fall aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79
Von:  Aschra
2014-02-24T13:22:15+00:00 24.02.2014 14:22
Hey, wenn ich Gozaburo bisher nicht mochte, so hasse ich ihn jetzt erst recht!
Dafür mag ich Osiris unheimlich gerne!
Ich bin schon echt neugierig wie das weitergeht!
Also bis demnächst
Von:  jyorie
2014-02-24T12:33:31+00:00 24.02.2014 13:33
Hey ٩(^ᴗ^)۶

was ein Höllentripp für Joey, oh man, das war echt
heftig, was er da an Setos statt erlebt hat – ob das alles
wahr ist, mit dem Hinknien und das der Alte dann einen
Herzinfakt bekommen hat und Seto deswegen so kalt
geworden ist? Allein die Drohung ist ja schon unmenschlich
entweder du oder dein Bruder.

Was ein Glück das er es überstanden hat und einigermaßen
heil aus der Sache raus gekommen ist.

CuCu, Jyorie



Zurück