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Abgekarterte Spiele 2.0 (Fortsetzung)

"Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time."
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Merci für die Kommis und Favos.
Schön, dass ihr euch noch für die Geschichte interessiert und ich hoffe, sie gefällt euch auch weiterhin. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank an dieser Stelle für die tollen Kommentare und die Tatsache, dass außer mir überhaupt jemand wissen will wie die Story endet. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

ihr spürt es sicher schon, wir nähern uns langsam dem unvermeidlichen Höhepunkt. Ich kann leider nicht genau sagen, wie viele Kapitel es noch werden bis diese Geschichte endlich ihr wohlverdientes Ende findet. Viele werden es mit Sicherheit jedoch nicht mehr.

Was mich allerdings sehr interessieren würde, ist wie ihr euch den Showdown bislang vorstellt.

Jetzt aber viel Spaß beim Lesen. Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,

ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich dieses Kapitel schreiben soll, warum, werdet ihr gleich lesen können. Letztlich habe ich mich dazu entschieden, es aus Rolands Sicht zu schreiben. Ich habe lange nicht mehr aus seinem Blickwinkel geschrieben und war daher etwas unsicher, aber ich hoffe, die Grundaussage kommt dennoch verständlich rüber.

Leider kann ich euch noch immer nicht sagen, wie viele Kapitel es noch werden. Was u. a. daran liegt, dass ich drei mögliche Endversionen im Kopf habe.

Aber ich hoffe, dass ihr die Geschichte auch weiterhin mit Freude und Spannung verfolgt.

Viel Spaß beim Lesen.

Mel Komplett anzeigen

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Operation "Quentin" Teil 2 (Kapitel 97)

Für einen kurzen Augenblick genieße ich es, wie sämtliche Farbe aus dem Gesicht von Grey´s Assistenten weicht und seine Wangen buchstäblich einfallen. Dann mustere ich den Mann vor mir zum ersten Mal eingehenden. Wirklich eingehend.
 

Seine Erscheinung kommt der Vorstellung, die ich von ihm hatte, recht nahe. Er ist hochgewachsen, durch trainiert, aber nicht über die Maße muskulös. Physisch betrachtet wirkt er nicht übermäßig eindrucksvoll, aber ich bin sicher, dass er seinen Körper im Kampf einzusetzen weiß. Der Anzug vermag nicht darüber hinwegzutäuschen.
 

Sein Profil ist typisch britisch vom Teint bis zu den Haaren und Augen. Ebenso seine Haltung und sein Blick.
 

„Dann muss ich mich ja nicht erst vorstellen“, sage ich mit einem leichten, kühlen Lächeln und er macht eine kleine, bestätigende Kopfbewegung, die mich in meinem Gedanken bestärkt, dass ich es hier nicht mit irgendeinem Briten zu tun habe. „Ja, das ist nicht notwendig“, pflichtet er mir bei und bestätigt mit seiner Aussage meine Vermutung, die ich nach dem ersten Telefongespräch hatte. Der Mann vor mir entstammt keineswegs der britischen Arbeiterklasse. Ich bin sicher, dass er in Oxford war und ich würde weiterhin vermuten, dass er aus einem angesehenen, wenn auch nicht adligen, Hause kommt. Alles an seiner Art deutet darauf hin. Seine Haltung ist perfekt. Seine Aussprache ebenso. Ich bin mir sicher, dass er mehrere Sprachen hervorragend beherrscht, genauso wie er sich zu beherrschen vermag.
 

Einen Augenblick sehen wir einander abschätzend an und ich bin sicher, dass er versucht, gedanklich meine nächsten Schritte vorauszuahnen. Ich kann es ihm förmlich ansehen.
 

„Die Kerle werden uns nicht mehr in die Quere kommen“, höre ich Odion neben mir sagen und werfe aus dem Augenwinkel einen Blick in die Ecke. Quentin´s Helfer sind fest verschnürt. Von ihrer Seite kann er also mit keinerlei Unterstützung rechnen. „Ihr Handy, wenn ich bitten darf.“ Ich lächele den Briten freundlich an.
 

Er zögert keine Sekunde. Seine Hand wandert sofort in die Anzugtasche und während Odion ihn aufmerksam beobachtet, weiß ich mit Sicherheit, dass der Mann keine Dummheiten machen wird. Wortlos bringt er sein Handy zum Vorschein und hält es mir hin, doch es ist der Ägypter, der es ihm aus der Hand nimmt.
 

„Ich nehme an, dass sie ihrem Auftraggeber Meldung machen müssen“, rede ich weiter und Quentin nickt. „Natürlich.“ entgegnet er schlicht. Nichts anderes war zu erwarten. Es ist klar, dass Grey einen Bericht wünscht und es war klar, dass er mir offen antworten würde. Er weiß, dass es keinen Sinn macht diesbezüglich zu lügen. „Wann sollen sie sich wieder bei ihm melden? In welchem Zeitintervall erwartet er ihre Anrufe?“, will ich wissen und meine Frage überrascht den Mann nicht im Mindesten. Allerdings überlegt er dieses Mal einen kurzen Augenblick ehe er antwortet. „In zwei Stunden“, sagt er schließlich. „Dann bekomme ich weitere Instruktionen.“
 

Er hält meinem Blick ruhig stand als ich ihn forschend weiter mustere. Wir wissen beide, dass er lügen könnte, aber da wir uns auch beide darüber im Klaren sind, dass es ihm keinen wirklichen Vorteil bringen würde, glaube ich seinen Worten.
 

„Schön, somit haben wir genügend Zeit für unsere Rückfahrt und eine kleine Unterhaltung“, befinde ich und nicke Marik zu. „Würdest du Alister herholen? Er wartet in einer kleinen Seitenstraße ganz in der Nähe.“ Der Ägypter nickt und macht sich umgehend auf den Weg. Sein Bruder sieht mich fragend an. „Wir fahren also zurück?“ Ich nicke. Er macht eine Kopfbewegung in die Richtung der Gefesselten. „Was ist mit ihnen?“
 

Ich überlege kurz. „Sobald wir zurück sind, schicken wir jemanden her“, erkläre ich dann. Odion nickt nur und ich wende mich wieder Quentin zu.
 

Auch er mustert mich jetzt eingehend und ich bin sicher, dass er mich einzuschätzen versucht. Im Gegensatz zu mir, weiß er mit wem er es zu tun hat. Ich vermute, dass er sich genauestens mit meinem Profil beschäftigt hat. So gesehen ist er mir gegenüber im Vorteil oder mag dies denken. So oder so, ich bin überzeugt davon, dass er bereits dabei ist seine Lage zu analysieren.
 

Unwillkürlich frage ich mich, ob er Instruktionen für einen solchen Fall bekommen hat. Als guter Stratege müsste Grey solch eine Entwicklung in Betracht gezogen haben. Ich zumindest hätte es.
 

„Sie wissen natürlich was ich von ihnen möchte.“ Ich schlage bewusst einen ausgesucht höflichen, teilweise beiläufigen Tonfall an. Er nickt und ich warte, denn ich ahne, dass er noch etwas zu diesem Punkt zu sagen hat. Er lässt damit auch nicht lange auf sich warten.
 

„Sie wollen Informationen. Genauer gesagt, sie wollen wissen wo sich mein Auftraggeber befindet“, sagt er in ebenso beiläufigem, neutralen Tonfall. „Allerdings kann ich ihnen jetzt schon versichern, dass sie diese nicht bekommen werden.“ Er macht eine kurze, vielsagende Pause und intensiviert dabei bewusst seinen Blick. Ich entgegne nichts. „Ich werde meinen Boss nicht verraten, gleichgültig was sie mit mir anzustellen gedenken. Aber es bleibt natürlich ihnen überlassen, das auf die Probe zu stellen.“ Er zuckt betont gleichgültig mit den Schultern und ich lächele. „Ich danke ihnen für den Hinweis“, entgegne ich galant und nehme aus dem Augenwinkel wahr, dass Odion die Stirn in Falten gelegt hat.
 

Vermutlich kann der Ägypter mir augenblicklich nicht ganz folgen. Ich für meinen Teil weiß nun zu welcher Strategie ich bei dem Briten greifen muss. Ich benötige nur noch eine winzige Information, um mir gänzlich sicher zu sein, aber ich bin zuversichtlich diese in Kürze zu bekommen.
 

Vor dem Lagerhaus höre ich einen Wagen vorfahren und einen Moment später betritt Marik auch schon das Gebäude. Ich nicke ihm knapp zu und wende mich dann wieder an Quentin. „Wenn sie uns bitte begleiten würden.“ Ich lächele kurz und für den Bruchteil einer Sekunde spüre ich, dass er zögert. Nicht aus Angst, oh nein, er hat keine Angst. Dessen bin ich mir sicher. Dann aber schreitet er an Odion und mir vorbei auf Marik zu.
 

Alister ist ebenfalls aus dem Wagen gestiegen und mustert den Fremden eingehend als wir das Gebäude verlassen. Seine Miene verrät Anspannung und Unruhe und ich vermute, dass beides mit Bakura zusammenhängt. Genau wie ich erhofft sich der Rothaarige Informationen über dessen Verbleib.
 

Ich deute Quentin an, auf dem Rücksitz des Jeeps Platz zu nehmen, was dieser auch umgehend tut. Ehe ich weitere Instruktionen erteilen kann, erklärt Odion: „Ich fahre mit dir. Marik kann das Auto alleine fahren.“ Ich nicke und der Ägypter nimmt neben unserer Geisel Platz. „Du kannst mit Marik fahren, wenn du möchtest“, sage ich an Alister gewandt. Er nickt und folgt Odion´s jüngerem Bruder zu dem anderen Wagen. Ich gehe zur Fahrertür des Jeeps und steige ein.
 

Ein Blick in den Rückspiegel und ich sehe, dass Quentin mich genauestens beobachtet. Seine Miene ist nach wie vor ausdruckslos, er bemüht sich sichtlich darum, keinerlei Regung zu zeigen und ich frage mich was gerade in seinem Kopf vorgeht.
 

Noch interessanter ist allerdings die Frage, in welcher Verbindung er genau zu Grey steht. Ich halte ihn keineswegs für einen blinden Gefolgsmann, aber auch nicht für einen Söldner. Er hat angegeben, seinem Auftraggeber gegenüber loyal zu sein. Ich vermute allerdings, dass dies mehr auf seiner Erziehung und Ausbildung beruhen als auf seinen Gefühlen.
 

Quentin ist ein Mann der alten Schule. Was auch immer ihn dazu bewogen hat, diesen Weg einzuschlagen, er fühlt sich einem gewissen Ehrenkodex verpflichtet. Etwas, dass ich respektiere. Etwas, dass mir jedoch einen größeren Einblick in seine Person erlaubt, als er es möchte.
 

Ich kann ihm deutlich ansehen, dass er nicht nur dabei ist, über seine Situation nachzudenken, sondern auch über die Gesamtsituation an sich. Er mag seine Regungen gut verbergen können, aber ich bin mit der Zeit ein Meister darin geworden, solche Regungen, ja, noch die Kleinste davon, zu deuten.
 

Und mir ist keineswegs die Art entgangen wie er Odion angesehen hat. Und Marik.
 

Die wichtigste Frage augenblicklich lautet allerdings: Was genau verbindet ihn mit Grey? Ist sie erst beantwortet, werden alle weiteren Fragen ein Kinderspiel sein.

Während der Fahrt spricht keiner ein Wort. Hin und wieder blicke ich in den Rückspiegel. Marik folgt uns und Quentin scheint in Gedanken versunken.
 

Ich weiß genau, was in ihm vorgeht.
 

Zum einen versucht er meine nächsten Schritte vorauszusehen. Das ist offensichtlich. Jeder würde dies in seiner Lage tun.

Zum anderen versucht er das Gesamtbild zu entschlüsseln.

Quentin ist ein loyaler Mann, er ist kein stumpfsinniger Söldner und bei weitem kein einfacher Befehlsempfänger. Aber bislang kannte er nur eine Seite. Grey´s Seite und wenn ich mich nicht irre, was ich ganz sicher nicht tue, versucht er diese gerade mit seinem eigenen Eindruck in Einklang zu bringen.
 

Am Haus der Ishtars angekommen, öffne ich dem Briten die Hintertür und er sieht mich einen Moment an. Dann steigt er aus dem Wagen und wirkt dabei keineswegs wie eine Geisel. Äußerlich scheint er mehr als gefasst, angesichts seiner Lage. Ein Zug, den ich nicht ohne eine Spur von Anerkennung registriere.
 

„Bring ihn erst einmal nach hinten“, fordere ich Odion auf. „Und gib ihm etwas zu trinken.“ Der Ägypter nickt und will schon nach dem Arm des Briten greifen als dieser sagt: „Ich folge ihnen auch so.“ Odion gibt ein undefinierbares Geräusch von sich, lässt es aber dabei bewenden und deutet auf die Tü, durch die Quentin gehen soll. Als beide verschwunden sind, sieht Marik mich fragen an. „Und was nun?“, will er wissen. Auch Alister beobachtet mich neugierig. „Jetzt werden wir uns unterhalten“, entgegne ich mit ruhig und keinen von Beiden scheint meine Antwort zu befriedigen.
 

Alister beäugt mich abschätzend. „Sollen wir irgendetwas vorbereiten?“ Ich schüttele den Kopf. „Noch nicht. ,entgegne ich. „Ich will erst einmal mit ihm reden. Wer weiß, vielleicht kooperiert er freiwillig.“ Alister´s Gesichtsausdruck verrät, dass er diese Möglichkeit für unwahrscheinlich hält, doch er sagt nichts. Von Bakura ist er definitiv eine andere Vorgehensweise gewohnt.
 

Bakura...
 

Wieder einmal muss ich an diesen dreisten Dieb denken.
 

Ich kann nicht umhin mir einzugestehen, dass ein Teil vom mir sich Sorgen um ihn macht. Ich hatte zwar keineswegs erwartet, dass er Grey im Alleingang dingfest machen würde, aber auch nie wirklich daran gedacht, dass er in die Hände des Feindes fallen könnte.
 

Und die Tatsache, dass Grey dieser Schachzug gelungen ist, sagt einiges über seine Fähigkeiten aus. Bakura ist keineswegs der Mensch, der jemandem leicht ins Netz geht. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist schon ein beträchtliches Maß an Zeit vergangen seit wir das letzte Mal von dem Dieb gehört haben. Hätte er sich zwischenzeitlich befreien können, hätte er sich entweder bei mir oder Alister gemeldet. Dessen bin ich mir sicher. Es ist also anzunehmen, dass er immer noch festgehalten wird.
 

Sofern man ihn nicht...
 

Ich verwerfe den Gedanken schnell.
 

Ich will mir nicht vorstellen, dass ein Mensch meinetwegen sein Leben verloren haben könnte.

Ich will mir nicht vorstellen, dass Bakura sein Leben verloren hat. Meinetwegen

Ich will mir nicht vorstellen, dass der Dieb...
 

Ich schüttele leicht den Kopf.
 

Ich will nicht daran denken, dass Bakura in diesem Moment alles auf eine Karte setzt. Nicht allein für Ryou, auch für mich.
 

Bakura... Etwas in mir zieht sich schmerzlich zusammen.
 

Der Dieb mit dem selbstgefälligen Grinsen.

Der Dieb, der... ja, welche Rolle nimmt Bakura in dieser Geschichte nun tatsächlich ein?
 

Muss ich mich das wirklich fragen? Weiß ich nicht längst, dass dieser weißhaarige Plagegeist mein Freund ist? Mehr als ein Freund?
 

Ja, das ist er. Ein Freund. Mehr als ein Freund. Mehr als...

Ich vermag es nicht den Gedanken, zu Ende zu denken.
 

Er ist Bakura, der Grabräuber, der König der Diebe...
 

Und alles in mir hofft, dass er Recht behält.

Mehr noch – und dieses Gefühl ist mir so fremd, dass ich es nicht einmal in Worte zu fassen vermag - ich hoffe, dass ich mich nicht geirrt habe, dass er tatsächlich -
 

Wieder schüttele ich leicht den Kopf, um diese Gedanken daraus zu verbannen.
 

Nein, Bakura wird mich nicht verraten. Genauso wenig wie Bakura je aufgeben wird.

Ich glaube daran und ich glaube nicht an vieles.
 

Und für einen kurzen Moment, vielleicht den Bruchteil einer Sekunde wird mir bewusst, wie viel mir an dem weißhaarigen Dieb liegt. Dass mir überhaupt etwas an ihm liegt. Dass er mir alles andere als egal ist und ich... ihm vertraue.
 

Ich schlucke hart.
 

Ist es nicht seltsam, wie sich die Dinge manchmal fügen?
 

Vor ein paar Wochen, Monaten, dachte ich noch, dass mir nichts und niemand etwas bedeutet außer Mokuba. Und Roland. Und der KC.
 

Und jetzt... jetzt weiß ich, dass Mokuba und Roland nicht die Einzigen sind, für die ich töten würde. Dass die Beiden nicht die Einzigen sind, die einen Platz in...
 

Ich greife mir instinktiv an die Nasenwurzel.
 

Wenn Joey etwas passieren sollte...

Oder Bakura...
 

Ich will nicht einmal daran denken.
 

Ja, ich will nicht einmal in Erwägung ziehen, dass ich einen von ihnen verliere. Allein der Gedanke, Joey...

Aber wenn ich ehrlich bin, wenn ich einen einzigen Moment lang ehrlich zu mir selbst bin, dann weiß ich, das sich keinen von ihnen verlieren will.
 

Bakura, Ishizu, Marik, Odion... Alister, ja, sogar Devlin und dieser verfluchte Kindergarten...
 

Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln.
 

Als ich mich wieder im Griff habe, wandert mein Blick noch einmal kurz zu Alister und ich vermute, dass ihm ähnliche Gedanken durch den Kopf schwirren, auch wenn er sich bislang nichts davon anmerken lässt. Ich weiß, dass er sich Sorgen macht.
 

Man kann in seinen Augen ablesen was der Dieb ihm bedeutet.
 

Hätte man mir vor ein paar Monaten gesagt, dass ich je diesen Punkt erreichen würde – ich! Dass Seto Kaiba je um einen anderen Menschen, außer Mokuba und Roland besorgt sein könnte... Ich hätte solch eine Aussage als lächerlich abgetan. Doch auch das hat sich geändert. Ich habe mich verändert. So weit sogar, dass ich mir ernstlich Sorgen um diesen nervtötenden Dieb mache. Oder um den Rest der Bande.
 

Wenigstens sind Joey und Mokuba in Sicherheit. Das ist augenblicklich der einzig tröstliche Gedanke, den ich habe.
 

Und die Hoffnung, dass ich vielleicht heute, hier und jetzt, diese ganze Angelegenheit zu einem guten Ende führen kann.

„Wartet hier.“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten lasse ich die Beiden stehen und begebe mich zu Odion und Quentin.

Zugzwang (Bakura)

Ich weiß nicht, was ich augenblicklich vergnüglicher finde, Wheelers leichenblasse Miene oder das entsetzte Gesicht des Gorillas. Dante hat also begriffen, was Sache ist. Sehr schön. Das macht das Ganze umso interessanter. Mit dem Pinguin habe ich ohnehin noch eine Rechnung offen. Allein für seinen nicht vorhandenen Humor hat er eine Abreibung verdient.
 

„Wie diese Nummer jetzt laufen wird, liegt allein bei dir“, teile ich meinem Opfer mit. Noch immer sieht es aus als würden seine Augen gleich aus den Höhlen hüpfen. Na, wenn er schon keinen Humor hat, so ist er doch in der Lage ehrliche, aufrichtige und kalte Angst zu empfinden. „Für den Anfang hätte ich gern ein paar Antworten,“ fahre ich fort und wende mich meinen Werkzeugen zu. Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, dass seine Augen tatsächlich noch größer werden. Ich überlege kurz, zu was ich als erstes greifen soll. Als ich nach einer der Zangen greife, keucht Dante auf. Scheint, als wäre seine Stimme schon dabei zu versagen. Und so was schimpft sich tatsächlich Gangster.
 

„So, womit sollen wir anfangen?“, frage ich und wende mich wieder zu ihm. Sein Blick ist voller Entsetzen auf das Werkzeug in meiner Hand gerichtet. Ich lächele. „Was meinst du, Wheeler?“
 

Natürlich gibt das Hündchen keine Antwort. Ich höre ihn nur laut schlucken und muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass auch er ein panischen Gesicht macht. Ich hoffe nur, dass noch in der Lage ist, die Kamera zu bedienen.
 

Mein Blick wandert zu Dante´s gefesselten Händen und ich ergreife seinen rechten Zeigefinger. Ich spüre wie er zusammenzuckt und sehe ihm jetzt direkt in die Augen. „Einen Finger mit einer Zange abzutrennen ist alles andere als leicht,“ erkläre ich ihm mit einem Seufzen. „Es bedarf viel Kraft und es geht auch nicht so schnell wie mit einem Messer oder einer Axt. Man sollte nicht meinen, wie schwer es tatsächlich ist, damit einen Finger zu entfernen.“
 

Langsam führe ich die Zange zu seiner Hand und wie erwartet versucht er seinen Finger aus meinem Griff zu befreien. Er windet sich auf der Liege und fängt erneut an zu schreien. Allerdings ist seine Stimme dieses Mal nicht ganz so laut, dafür aber etwas schrill. Ich verstärke meinen Griff und lege die Zange an seinen Finger. Er windet sich noch immer und jetzt sehe ich auch Tränen in seinen Augen. Seine Stirn ist mit Schweißperlen bedeckt und wieder einmal stelle ich amüsiert fest, dass die Reaktionen doch immer das Gleiche sind. Schon erstaunlich, wie der Körper in solch einer Situation reagiert.
 

„Wo ist Ryou?“, will ich wissen und jetzt ist meine Stimme kalt und hart. Jegliche Belustigung ist daraus verschwunden und ich spüre deutlich, dass Dante dieser Umstand nicht entgeht. Er schüttelt kaum merklich den Kopf. „Ich weiß es nicht“, keucht er und ich drücke die Zange ein klein wenig zu. „Ich weiß es wirklich nicht“, schreit er panisch auf und bemüht sich abermals sich meinem Griff zu entziehen.
 

Ich seufze. „Wenn das so ist, dann hast du wohl tatsächlich keinen Nutzen für mich. Schade, aber was will man machen?“ Erneut verstärke ich den Druck und gerade als ich den letzten Schritt tun will, stößt der Gorilla nahezu hysterisch hervor: „In Japan. Er ist... er ist in Japan. Einer alten Wäscherei.“
 

Ich locker den Griff etwas und er atmet sichtlich erleichtert auf. Jede Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen. Für ein paar Sekunden schließt er die Augen. „Wo genau?“, frage ich weiter und erneut schüttelt er den Kopf. „Ich weiß es nicht genau. Grey sagte nur, er wäre in einer Wäscherei... Ich war nicht... Ich habe ihn nicht dorthin gebracht.“ Er schluckt und ich verstärke den Druck wieder.
 

„Tja, das ist nicht sonderlich hilfreich“, sage ich bedauernd. „Ein paar Details wären wirklich besser.“
 

Nun scheint er fieberhaft zu überlegen. Ich sehe ihm förmlich an, wie es in seinem Kopf rattert. Ich glaube ihm, dass er tatsächlich nicht weiß wo genau der Kleine steckt. Aber irgendwas muss er sonst noch wissen. Jedes Detail ist hilfreich, gleichgültig wie gering es erscheinen mag.
 

Ich warte geduldig und nach kurzer Zeit scheint sich seine Miene aufzuhellen. Er strahlt mich fast schon an als er weiter redet. „Als sie ihn wegbrachten, waren sie nicht lange unterwegs,“ meint er und sein Blick erinnert mich an einen verzweifelten Hund, der bemüht ist alles richtig zu machen. Ich deute ihm an fortzufahren. Wieder überlegt er kurz. Seine Stirn ist jetzt geradezu schmerzhaft in Falten gelegt. Er ist sichtlich bemüht, das muss man ihm lassen.
 

„Sie waren nur eine halbe Stunde weg. Höchstens 40 Minuten,“ erklärt er dann und nickt eifrig. „Es muss also im Umkreis des Hauses sein. Irgendwo in der Nähe.“
 

Ich nicke zustimmend. Gut, damit habe ich einen Anhaltspunkt. Die nächste Frage ist nun, wo genau das Haus war, doch das müsste Duke inzwischen wissen. Meine Augen waren auf der Hin-und Rückfahrt verbunden, aber der Kater und der Rest der Gang haben das Haus geortet.
 

Zwar bin ich sicher, dass Grey sich dort längst nicht mehr aufhalten wird, dafür ist er zu klug, aber als Ausgangspunkt für die Suche nach Ryou... Ich verwerfe den Gedanken, dass man ihn bereits an einen anderen Ort gebracht haben könnte. Grey glaubt, er habe die Zügel nach wie vor in der Hand. Ich bezweifle daher, dass er den Kleinen woanders untergebracht hat.
 

Ich überlege kurz, was ich als nächstes unternehmen soll. Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, Wheeler zu sagen, er solle Duke anrufen. Aber so durch den Wind wie das Hündchen gerade ist, glaube ich kaum, dass er in der Lage ist, dem Kater klare Anweisungen zu erteilen.
 

Bei Ra, wenn man nicht alles selbst macht.
 

Ich lasse Dantes Finger los und wende mich an den Blondschopf. „Ich muss telefonieren,“ erkläre ich und für den Bruchteil einer Sekunde sieht er mich an als wäre ich komplett übergeschnappt. Dante atmet erleichtert auf. „Lass ihn nicht aus den Augen!“
 

Mein Handy aus der Tasche ziehend, entferne ich mich ein paar Schritte von den Beiden. Bereits beim zweiten Klingeln wird abgehoben. „Kura?“, höre ich Duke unsicher und besorgt fragen. „Höchstpersönlich“, entgegne ich grinsend und am anderen Ende der Leitung atmet der Kater erleichtert auf. Bevor er noch etwas sagen kann, beginne ich zu reden. „Ihr habt das Haus, in das man mich gebracht hat, geortet, oder?“, frage ich knapp. „Ja,“ ist die ebenso knappe Antwort.
 

„Gut. Findet heraus ob es im näheren Umkreis eine leerstehende Wäscherei oder ähnliches gibt. In einem Umkreis von höchstens 20 km plus/minus. Das Gebäude muss vom Haus her in ca. 20 Minuten erreichbar sein, vielleicht auch weniger“, erkläre ich kurz und präzise. „Ok, aber...“
 

Ich lasse Duke nicht ausreden. „Es ist möglich, dass man Ryou dorthin gebracht hat,“ fahre ich fort. „Eine Wäscherei, leerstehend, vermutlich ziemlich abseits. Auf keinen Fall in einer belebten Gegend.“
 

Ich höre wie Duke schluckt. „Und was soll ich tun, wenn wir so ein Gebäude finden?“, will er dann wissen. Erneut überlege ich. Fuck, wenn ich nur vor Ort wäre. Doch bis ich um den halben Erdball geflogen bin, könnte es zu spät sein. So gesehen habe ich keine andere Wahl als...
 

„Sucht erst einmal nach dem Gebäude, dann melde dich umgehend bei mir,“ sage ich nur und Duke scheint zu verstehen. Statt weiter nachzuhaken, fragt er: „Was ist mit Joey?“ Ich werfe einen Blick zu dem Hündchen. „Wohlauf, aber etwas zerzaust“, entgegne ich. „Meld dich, sobald du was hast.“
 

Damit ist das Gespräch beendet und ich gehe zurück zu Dante und Wheeler. Das Hündchen sieht mich fragend an. Ich ignoriere seinen bohrenden Blick und wende mich wieder an Dante.
 

„Gut, bislang hat unser Spielchen ja ganz gut funktioniert, oder?“ Ich schenke ihm ein vergnügtes Lächeln. „Kommen wir zur nächsten Frage und es wäre für uns alle einfacher, wenn du sie einfach beantworten würdest.“
 

Er scheint kurz nachzudenken. Scheinbar hat er sich auch wieder etwas beruhigt. Schließlich nickt er und ich klatsche zufrieden in die Hände. „Also gut, wie sehen deine weiteren Instruktionen von deinem Psycho-Boss aus?“, will ich wissen. „Ich schätze, er wird sich mit dir in Verbindung setzen, oder?“
 

Wieder nickt er. Allmählich kehrt auch wieder etwas Farbe zurück in sein Gesicht. „Er will um sieben anrufen“, meint er mit tonloser Stimme und ich werfe einen Blick auf die Uhr.
 

Ok, soweit so gut. Das war zu erwarten. Vermutlich wird Grey wissen wollen, wie weit meine Unternehmung fortgeschritten ist.
 

Wenn Dante den Anruf nicht annimmt, wird sein Boss sich denken können, dass etwas nicht stimmt. Folglich bleibt mir keine andere Wahl als den Gorilla telefonieren zu lassen. Natürlich zu meinen Konditionen. Zumindest, wenn ich nicht will, dass Grey erfährt, dass sein Plan gescheitert ist. Was dies für Ryou bedeutet, ist klar.
 

Im Grunde habe ich jetzt zwei Möglichkeiten.
 

Darauf setzen, dass Duke dieses Gebäude ausfindig macht, sich Ryou tatsächlich dort befindet und es riskieren, Duke und den Kindergarten zu seiner Rettung zu schicken. In dem Fall brauche ich kein Video mehr und Dante ebenso wenig.
 

Andererseits würde ich auf diesem Weg meinen Vorteil Grey gegenüber verlieren.
 

Sobald Ryou nicht länger in seiner Gewalt ist, muss ihm klar sein, dass ich seinen Auftrag auch nicht erledigt habe und keineswegs erledigen werde. Was ihm einen kurzen Rückschlag versetzen dürfte, doch wie ich den Mann einschätze, würde er sich etwas neues einfallen lassen, um an Wheeler heranzukommen.
 

Mein Blick wandert zu Kaiba´s Hündchen.
 

Es ist klar, dass er das aktuelle Ziel ist. Er, dann Mokuba und angesichts dessen, was Grey gesagt hat, würde er die Liste auch um weitere Freunde Kaiba´s erweitern. Die Tatsache, dass Kaiba Freunde hat, hat den Verrückten sichtlich irritiert. Und wenn ich seine Motivation richtige einschätze, dann würde es keineswegs bei Wheeler und Mokuba bleiben, dann stehe auch ich auf seiner Abschussliste.
 

„Hm.“
 

Irgendwie gefällt mir das Ganze gar nicht.
 

„Was denkst du?“, höre ich Joey fragen und zu meinem Erstaunen sieht er mich sogar ein klein wenig besorgt an. Ich grinse. „Ich wäge unsere Möglichkeiten ab, Hündchen. Kein Grund für Schwachheiten.“
 

Er quittiert meine Antwort mit einem giftigen Blick und mein Grinsen wird noch eine Spur breiter.
 

Dann wende ich mich wieder Dante zu. Er beäugt mich angespannt und skeptisch, aber ich vermute fast, dass er zu einem ähnlichen Schluss gekommen ist, wie ich. Von meinen nächsten Worten ist er auch nicht überrascht. „Tja, dann wirst du um sieben mit dem Boss reden müssen“, erkläre ich und seine Miene scheint sich zumindest ein klein wenig zu entspannen. „Natürlich werde ich dir sagen, was du ihm erzählen sollst. Versteht sich von selbst.“
 

Er entgegnet nichts, macht nur die Andeutung eines Nickens.
 

„Wie jetzt?“, fragt Wheeler sichtlich erstaunt. „Ich dachte, du willst ihn...“ Er beendet den Satz nicht, aber das ist natürlich auch nicht notwendig.
 

„Unser Filmchen wird noch ein klein wenig warten müssen, befürchte ich,“ entgegne ich ruhig. „Zuerst wird telefoniert. Wir wollen doch nicht, dass unser Feind erfährt, was wir vorhaben.“
 

Wheeler´s Blick ist nach wie vor verständnislos und ich vermute, dass ich ihm jetzt wirklich alles erklären muss.
 

Bei Ra, wäre doch Kaiba hier. Dem müsste ich nicht jeden Bissen vorkauen.
 

Kaiba...
 

Wie immer bei dem Gedanken an ihn, zieht sich etwas in mir zusammen. Fast instinktiv frage ich mich, was er nun tun würde. Welchen Zug würde er machen? Ich kenne seine wohl kalkulierte Art inzwischen sehr, sehr gut. Ich weiß sogar seine Denkweise. In gewisser Hinsicht sind wir uns darin sogar ähnlich. Abgesehen von der Tatsache, dass ich meine Emotionen nicht immer im Griff habe.
 

Also, was würde Kaiba tun, wenn er hier wäre?
 

Die Antwort ist offensichtlich.
 

Das Hündchen wartet immer noch auf eine Antwort.
 

„Zugzwang“, sage ich und jetzt ist er vollkommen verwirrt. Ich grinse erneut. „Gets down to what it's all about, doesn't it? Making the wrong move at the right time“ zitiere ich aus diesem alten Film, den ich irgendwann einmal nachts mit Ryou gesehen habe.
 

Irgendwie passend, wie ich finde.
 

Und mit einem Schlag sind all meine Zweifel verschwunden. Ich weiß, was ich tun muss. Wie ich vorgehen soll. Eigentlich ist es sogar ganz simple.
 

„Würdest du mir verdammt noch mal sagen, was du jetzt vorhast?“, herrscht mich Wheeler wütend an und auch Dante beäugt mich neugierig.
 

Ich straffe meine Schultern und richte mich gerade auf. „Nun, wir werden diesen Psycho mit seinen eigenen Waffen schlagen. Er wird seinen Anruf bekommen und sein Video und dann... tja, dann werde ich ihn langsam und mit großem Vergnügen töten“, erkläre ich süffisant und das Hündchen begreift nichts.
 

Dabei ist es im Grunde so einfach.
 

Dante wird mit Grey telefonieren. Ich bezweifle, dass er mich dabei hintergehen wird, nicht mit der Aussicht, die ihn erwartet. Danach werde ich das Gespräch übernehmen und diesem Möchtegern-Bösewicht meine Bedingungen zur Übergabe des Videos mitteilen. Natürlich wird er auf sie eingehen. Immerhin hat er nach wie vor Ryou in seiner Gewalt. Ein Flug zurück nach Japan, ein Treffen mit diesem Verrückten und sein Ableben.
 

Natürlich brauche ich nach wie vor dieses Video. Denn ich bin mir absolut sicher, dass Grey einem Treffen nur zustimmt, wenn ich ihm einen Beweis vorlege. Folglich werde ich ihm zumindest eine Kostprobe liefern müssen. Allerdings dürfte dafür das reichen, was wir bereits im Kasten haben.
 

Und natürlich wird das Hündchen erst einmal von der Bildfläche verschwinden müssen. Doch nicht nur das. Ich vermute, dass mein Gegenspieler sobald er seine Bestätigung hat, Kaiba unterrichten wird. Alleine schon um dessen Reaktion zu genießen. So würde ich es zumindest an seiner Stelle machen.
 

Das heißt, Kaiba muss von Joey´s Verschwinden erfahren. Das dürfte kein großes Problem darstellen.
 

Einzig Ryou macht mir Sorgen, aber ich bemühe mich den Gedanken zu verdrängen. Ich glaube nicht, dass Grey ihm weiterhin zusetzen wird. Es reicht, dass er ihn in der Hand hat und für den Notfall, nun, den Punkt werde ich mit Duke besprechen.
 

Schlagartig wende ich mich an Dante. „Heute ist dein Glückstag, mein humorloser Freund“, teile ich ihm fröhlich mit. „Du darfst weiterleben.“
 

Einen Moment sieht er mich ungerührt an, dann höre ich ihn erleichtert aufatmen. „Vorausgesetzt du hältst dich an meine Anweisungen“ fahre ich lächelnd fort. Wieder kann ich ihm ansehen, dass er nachdenkt, dann erwidert er: „Ich werde tun was du sagst.“
 

Sein Tonfall ist gleichermaßen wütend wie resignierend und ich liebe es.
 

Ich nicke gutmütig. „Dessen bin ich mir sicher.“ Ich greife erneut zu der Zange und ehe Dante und Wheeler reagieren können, habe ich sie auch schon an seinem Finger angelegt. Es braucht tatsächlich einige Kraft, um den Finger abzutrennen.
 

Ein Knacken hallt durch den Raum, dicht gefolgt von einem markerschütternden Schrei und ich beobachte fasziniert wie warmes Blut über die Liege strömt.
 

Das Gesicht des Gorillas ist schmerzverzerrt, noch immer schreit er und Wheeler keucht neben mir fassungslos.
 

„Du Verfluchter -“ Weiter kommt Dante nicht nachdem er endlich aufgehört hat zu schreien. Der Zorn in seinen Augen vermischt sich mit seinem Schmerz und ich lege den Kopf zur Seite als ich ihn ernst ansehe. „Wir wollen doch sicher sein, dass wir uns verstehen, oder?“, frage ich ihn und er starrt mich nur an.
 

Ich greife zu einem der Lappen, die herumliegen und wickele ihn um seine immer noch blutende Hand. „Keine Sorge, das wird schon wieder“, versuche ich ihn aufzumuntern. „Und solange du kooperierst, kannst du die restlichen Finger behalten.“
 

Völlig perplex starrt er mich weiterhin nur an.
 

Ich wende mich wieder dem Hündchen zu. „Grey mag gut sein,“ teile ich ihm mit. „Aber solange ich da bin, wird er immer nur der Zweitbeste sein und ich denke, es ist Zeit, ihm das unwiderruflich klar zu machen.“

Götterdämmerung Teil 1

Grey mag gut sein“, teilt mir Bakura ungerührt von seiner letzten Aktion mit. „Aber solange ich da bin, wird er immer nur der Zweitbeste sein und ich denke, es ist Zeit, ihm das unwiderruflich klar zu machen.“
 

Ich wusste immer, dass Bakura ein verfluchter Psychopath ist, schließlich bin ich mehr als nur einmal Zeuge seiner... Taten geworden und selbst unabhängig davon... Die ganze Situation, welche sich hier gerade in dieser Lagerhalle abspielt, bekräftigt diesen Umstand ein weiteres Mal.
 

Doch das was ich gerade in den Augen des Diebes sehe, lässt mich innerlich zurückschrecken. Etwas in seinem Blick, ich könnte nicht benennen was, jagt mir nicht nur einen Schauer über den Rücken, nie zuvor hat Bakura mir solche Angst gemacht wie in eben diesem Moment. Selbst nicht in jenem Moment in Schröder´s Haus als ich glaubte, er würde mein Leben auf´s Spiel setzen.
 

Ich schlucke hart und eigentlich widerstrebt es mir, ihn zu fragen, was er vor hat. Diese irren Augen lassen nichts Gutes erahnen und die Tatsache, dass er diesem Dante gerade den Finger abgetrennt hat, spricht für sich. Nicht, dass mich die Tat an sich so überrascht hätte, immerhin war ich bereits von Schlimmerem ausgegangen was sich hier in den nächsten Minuten abspielen sollte. Doch die Kaltblütigkeit, nein, diese gelassene Selbstverständlichkeit mit der er sie ausgeführt hat...
 

Für den Bruchteil einer Sekunde muss ich die Augen schließen und habe das Gefühl, dass mir schlecht wird.
 

Dann vernehme ich wieder seine Stimme, voller Spott und Belustigung zugleich. „Planänderung“, verkündet er und unsere Blicke treffen sich. Auch wenn er mir vor ein paar Minuten gesagt hat, was er tun will, verstehe ich nach wie vor nicht wirklich etwas.
 

Bevor ich etwas fragen kann, blickt er auf seine Uhr und verzieht kurz grüblerisch den Mund.
 

„Hm... ich denke, wir können die gute Mai erst einmal wieder zu uns bitten, was meinst du, Wheeler?“, meint er dann und ich runzle die Stirn. „Wärst du so freundlich?“
 

Ich brauche einen Moment bis ich verstehe, was er von mir will. Ich entgegne nichts, setze mich nur etwas unbeholfen in Bewegung und mache mich auf den Weg zur Tür. In meinem Kopf rumort es und ich habe keine Ahnung, was ich von all dem wirklich halten soll.
 

„Schon fertig?“, will Mai skeptisch wissen als ich die Tür geöffnet habe. Ich schüttele den Kopf und wiederhole Bakura´s Worte. „Planänderung.“ Einen Moment sieht sie mich abschätzend an, dann zuckt sie gleichgültig mit den Schultern. Ich deute ihr an mir zu folgen. Meine Kehle ist trocken und irgendwie bin ich augenblicklich nicht wirklich in der Lage zu sprechen. Sie versteht meinen Wink jedoch und folgt mir zurück ins Innere.
 

Bakura ist am telefonieren und ich vermute, dass Duke zurückgerufen hat. „Verstehe.“ Der Dieb nickt leicht, seine Miene ist ausdruckslos dabei. „Behaltet die Gebäude einfach im Auge. Sonst nichts, verstanden?“

Für einen kurzen Augenblick erkenne ich so etwas wie Anspannung in seiner Haltung. „Und sag den anderen Würmern, dass sie sich bedeckt halten sollen. Niemand darf euch sehen.“
 

Eine kurze Pause, dann fährt er fort: „Oh, und was für einen Plan ich habe, Katerchen.“ In seiner Stimme höre ich so etwas wie Begeisterung und das typische Grinsen erscheint in seinem Gesicht. „Natürlich ist er gefährlich und verrückt, was denkst du denn? Wird schließlich Zeit, dass ich für ein wenig Unfrieden sorge, oder? Aber ihr werdet mir noch alle die Füße dafür küssen.“
 

Bei diesen Worten zieht sich wieder alles in mir zusammen. Seine nächsten Worte kann ich nicht wirklich verstehen, dann verabschiedet er sich von Duke und wendet sich sichtlich zufrieden Mai und mir zu.
 

„Bereit für die nächste Phase?“, will er wissen und ich frage automatisch: „Wie sieht die aus?“ Scheinbar sieht er mir meine Besorgnis an, denn im nächsten Augenblick bekomme ich einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. „Keine Sorge, Hündchen, der Meister hat alles im Griff.“
 

Ich verdrehe unwillkürlich die Augen. „Und was heißt das?“, fragt Mai nun ungehalten. Ihr Blick ruht auf Dante, der nach wie vor mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Liege geschnallt ist und ich bin überrascht, wie locker sie den Anblick wegzustecken scheint. Aber Mai hatte schon immer starke Nerven. Bakura klatscht in die Hände. „Als erstes, möchte ich dich, liebste Mai, bitten, dir das bisherige Videomaterial anzusehen. Es muss so aussehen als wäre es ein Teilauszug aus einem Film“, erklärt er ihr mit einer solch honigsüßen Stimme, dass man kaum glauben kann, dass dieser Typ vor ein paar Minuten hier noch den Foltermeister gespielt hat. Ja, selbst der Blick, den er Mai schenkt, ist so dermaßen unschuldig und freundlich, dass ich es kaum fassen kann.
 

Mai zögert einen Moment. Dann nickt sie und holt die Kamera aus dem Stativ. Ich schließe die Augen als sie den Film abspielt. Ich weiß nicht, wie lange das Ganze dauert, verzweifelt versuche ich die Geräusche, auszublenden und atme erleichtert auf als es vorbei ist.
 

„Wo genau willst du den Schnitt?“ Mai´s Stimme ist belegt und als ich sie ansehe, ist sie weiß wie die Wand. Ich glaube sogar, dass die Finger, welche die Kamera halten, etwas zittern. Bakura zuckt mit den Schultern. „Nach meinem ersten Schnitt würde ich sagen“ meint er und zwinkert Mai zu. „Wie lange wirst du brauchen?“ Die Blondine überlegt einen Moment. „Vielleicht eine halbe Stunde,“ entgegnet sie dann und Bakura nickt. „Perfekt.“
 

Einen Augenblick sieht er mich unschlüssig an. „Ich würde ja sagen, dass du Mai begleiten kannst, aber ich habe doch bessere Verwendung für dich“. Ich verziehe angewidert den Mund, sage jedoch nichts.
 

„Ich mach mich dann auf den Weg. Soll ich anschließend wieder hier her kommen?“ Mai sieht fragend von mir zu Bakura. Der Dieb nickt und ohne ein weiteres Wort macht sie sich auf den Weg.
 

„Und nun, großer Meister, wie geht es weiter mit deinem hervorragenden Plan?“ Er übergeht den Spott in meiner Stimme galant. „Du kannst mir schon mal einen Flug zurück nach Japan klar machen“, meint er und reicht mir sein Handy. „Ich habe selbst eins, danke“, erkläre ich gereizt und krame es auch schon aus meiner Tasche. Mit einer blitzschnellen Geste nimmt er es mir jedoch aus der Hand. „Hey! Was ...“ Weiter komme ich nicht, denn Bakura erklärt mir scharf: „Ab jetzt ist nichts mehr mit telefonieren, Wheeler. Ich bin sicher, dass Grey dein Handy überwachen lässt und wir wollen ihn doch von deinem Ableben überzeugen, oder?“
 

Noch immer hält er mir sein Mobiltelefon hin. Ich nehme es entgegen und er grinst zufrieden. „Und was ist mit Kaiba?“
 

Wie immer, wenn ich seinen Namen erwähne, habe ich das Gefühl, dass etwas in Bakura´s Augen auflodert.
 

„Gerade mit ihm sollst du keinen Kontakt haben.“ Oh, ich bin sicher, dass der Dieb die Situation gerade genießt und mir liegt schon ein gehässiger Kommentar auf den Lippen als er fortfährt: „Wenn meine Vermutung richtig ist, dann wird Grey eine Bestätigung für dein Ableben verlangen bevor er bereit ist, sich mit mir wegen der Übergabe von Ryou zu treffen. Ich werde ihm also die kleine Anfangssequenz schicken müssen, die Mai gerade bearbeitet. Die wird ihn wie ich hoffe, von deinem Dahinscheiden und der Erfüllung meines Auftrages überzeugen.“
 

Sein Tonfall ist jetzt entschieden, ernst und erinnert mich automatisch an Kaiba, wenn er einen seiner Ansagen macht.
 

„Er wird mir die Kontaktdaten übermitteln und ich mich in den Flieger setzen. Doch wie ich diesen sadistischen Freak einschätze, wird er es sich bis zu meiner Ankunft nicht nehmen lassen, seine Spielchen mit Kaiba zu treiben. Ich vermute, dass er ihm die Nachricht von deinem Verschwinden zukommen lässt.“ Er hält einen Moment inne. „Oder sogar gleich soweit geht, ihm das Video zu schicken. In beiden Fällen ist es wichtig, dass Kaiba überzeugend reagiert, denn wie wir wissen, wird er beobachtet und wir können nicht sicher sein wie weit, Grey´s Netz in dem Punkt reicht.“
 

Wäre die Lage nicht so ernst und das würde das was er sagt keinen Sinn ergeben, ich würde jetzt etwas zu der Anmerkung über den sadistischen Freak sagen. Doch angesichts der Lage, verkneife ich mir die Frage, wer hier wohl der Freak ist und frage stattdessen unsicher: „Du willst Kaiba im Glauben lassen, dass mir was passiert ist?“
 

Bakura nickt und auch jetzt liegt nichts spöttisches in seiner Haltung. Er wirkt auch alles andere als vergnügt. Ich schlucke.
 

„Wenn wir Kaiba vorwarnen, besteht die Möglichkeit, dass Grey es irgendwie mitbekommt. Dann wird Ryou seinen Kopf hinhalten müssen und DAS, Wheeler, werde ich keinesfalls riskieren!“, erörtert mir der Dieb ungewohnt ernst. „Ich werde keinerlei Risiko eingehen, selbst wenn das bedeutet, dass Kaiba für kurze Zeit denkt, du wärst von uns gegangen.“
 

Ich überlege kurz. Der Gedanke, Kaiba könnte tatsächlich glauben, mir wäre etwas zugestoßen, behagt mir keineswegs. Ich kenne ihn nur zu gut, um zu wissen, was es in ihm auslösen würde. Vielleicht keinen totalen Zusammenbruch wie bei Mokuba, aber ohne falschen Stolz wage ich zu behaupten, dass die Gefühlsregung nahe daran käme. Andererseits hat der Dieb natürlich und verflucht noch einmal recht und genau wie er will ich nicht, dass Ryou unnötig leiden muss.
 

Ich fahre mir mit der Hand durch mein Haar und mein Kopf ist für einen Moment vollkommen leer.
 

Es scheint als habe Bakura tatsächlich einen Plan, doch ich bin unschlüssig ob ich auf diesen vertrauen soll. Verflucht, wenn Kaiba doch nur hier wäre! Was würde er an meiner Stelle tun?
 

Dann fällt mir etwas ein. „Er wird wissen, dass du es bist auf dem Video“, gebe ich zu bedenken und bin irritiert als Bakura mit fest aufeinander gepressten Lippen nickt. Für einen kurzen Moment sehen wir uns einfach nur an und ich versuche in seinen unergründlichen Augen zu lesen.
 

Und für eben diesen kurzen Augenblick entsteht eine Art unausgesprochener Konsens zwischen uns. Ich sehe ihm deutlich an, wie sehr es ihm missfällt, Kaiba könne ihn für einen Verräter, ja, für meinen Mörder halten, und ebenso weiß ich, dass er meine Sorge versteht. Doch ich sehe auch, dass er bereit ist, es zu riskieren, vielleicht sogar Kaiba´s Hass auf sich zu nehmen und auch, dass er in einer Zwickmühle steckt. Er will Kaiba nicht unnötig leiden lassen, aber er muss auch an Ryou denken.
 

Ich seufze und nicke dann. „Es geht nicht anders“, stimme ich ihm dann zu und wieder blitzt etwas in seinen Augen auf, dass ich nicht zu deuten vermag. „Das heißt ich muss untertauchen.“
 

Bakura nickt. „Und es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn wir es so drehen könnten, dass Kaiba noch vor Grey´s möglichem Schachzug erfährt“, meint er und ich sehe ihn fragend an. „Mokuba“, ist die schlichte Antwort, aber ich verstehe noch immer nicht. „Gibt es eine Möglichkeit, dem Kleinen irgendwie mitzuteilen, dass du verschwunden bist?“
 

Ich runzele die Stirn. „Wieso? Was soll das bringen? Er wird sich ohnehin Sorgen machen, wenn ich so schnell nicht mehr auftauche. Der Punkt gefällt mir übrigens auch nicht.“
 

Der Dieb stöhnt genervt auf. „Klar, wird er das früher oder später, aber früher wäre eindeutig besser.“ Er verzieht nachdenklich den Mund. „Gibt es jemanden, den du zu ihm schicken könntest? Jemanden, dem du vertraust und der überhaupt nichts mit dieser ganzen Sache zu tun hat?“
 

Ich kratze mich grübelnd am Kopf und überlege. So ganze checke ich immer noch nicht, worauf Bakura hinaus will. „Lucy“, sage ich schließlich. „Meine beste Freundin. Sie weiß nichts über diese Sache und Grey dürfte sie auch nicht auf ihrer Liste haben. Aber Mokuba kennt sie.“
 

Nun ist es an meinem Gegenüber nachzudenken. „Und du bist dir sicher, dass man ihr trauen kann?“ Ich nicke sofort. „Ohne den geringsten Zweifel!“

Einen kurzen Augenblick sieht er mich noch abschätzend an. Dann seufzt er. „Na, eine Alternative haben wir wohl nicht“, meint er dann.
 

Wieder herrscht Schweigen und ich höre geradezu wie es in seinem Kopf arbeitet. „Ok, wir machen es folgendermaßen. Als erstes bereiten wir unseren Freund hier auf sein Gespräch vor.“ Er macht eine leichte Kopfbewegung in Richtung Dante, der blass und noch immer von Schmerzen gezeichnet auf der Liege hängt. Erst jetzt fällt mir wieder ein, dass er überhaupt da ist. „Bis unser Gegenspieler anruft, müsste Mai zurück sein. Nach dem Telefonat wissen wir mehr.“
 

Bakura nickt langsam vor sich hin. „Was diese Lucy anbelangt... bestelle sie her.“ Mit dem letzten Punkt scheint er nicht wirklich zufrieden. „Ok. Aber gib mir kurz mein Handy wegen der Nummer.“
 

Widerwillig reicht er es mir und ich tippe die Zahlen in sein Telefon ein. Dann reiche ich ihm mein Gerät wieder und er lässt es in seiner Tasche verschwinden. Es läutet ein paar Mal und fast glaube ich schon, dass sie nicht abheben wird als ich endlich die vertraute Stimme vernehme.
 

„Ja?“ Sie klingt argwöhnisch. Natürlich. Sie kennt die Nummer ja nicht. „Ich bin´s“, sage ich schnell und höre wie sie überrascht aufatmet, doch bevor sie etwas sagen kann, rede ich schon weiter. „Hör zu, was ich jetzt sage, wird dir sicher verrückt vor kommen, aber ich brauche deine Hilfe. Kannst du auf der Stelle zu mir kommen?“
 

Sie zieht scharf die Luft ein. „Joey, was ist denn passiert?“ Ich übergehe die Frage. „Es ist wichtig. Kannst du kommen?“ Ein kurzes Zögern. „Ja, klar, aber...“ Ich unterbreche sie hastig. „Gut. Ich bin allerdings nicht zuhause. Ich befinde mich...“ Fragend sehe ich Bakura an und er nennt mir die Adresse. Ich wiederhole sie und bin keineswegs verwundert als Lucy sichtlich irritiert fragt: „Wo bist du? Joey, was ist los? Steckst du in Schwierigkeiten?“
 

Ich verziehe leicht den Mund. Wenn sie nur wüsste...
 

„Könnte man so sagen“, entgegne ich und bin bemüht neutral zu klingen. „Ich erkläre dir alles später, Lu. Wie schnell kannst du hier sein?“ Sie scheint kurz zu überlegen. „Kurz nach sieben, schätze ich, aber Joey...“
 

„Komm so schnell du kannst und keine Sorge, mir geht es gut.“ Mit diesen Worten beende ich das Gespräch und Bakura nickt. „Gar nicht mal übel, Wheeler“ meint er beinahe anerkennend. „Vielleicht können wir sogar...“
 

Er beendet den Satz nicht, schüttelt nur leicht den Kopf und ich frage auch nicht weiter nach.
 

Bakura hat sich nun vollenst Dante zugewandt. „Gleich ist showtime für dich, Genosse“, teilt er seinem Gefangenen mit. „Ich schätze, du weißt was ich von dir erwarte?“ Er wartet einen Augenblick, doch als Dante nichts erwidert, sondern ihn nur starr ansieht, fährt er fort: „Du wirst deinem Boss erzählen, dass wir seinen Auftrag zu seiner vollen Zufriedenheit erledigt haben. Wheeler ist Geschichte und ich war brillant, verstanden?“
 

Für einen Moment rührt sich der Mann nicht. Dann spukt er dem Dieb doch tatsächlich ins Gesicht und ich spüre wie Panik in mir aufsteigt. Besorgt beobachte ich Bakura, bereit ihn im Notfall zurückzuhalten, sollte er auf unsere Geisel losgehen und etwas unüberlegtes tun. Aber der Dieb wischt sich nur mit einer gleichgültigen Bewegung durch sein Gesicht und mit einem Schlag ist da wieder dieses sardonische Grinsen, dass mir Angst macht.
 

„Keinen Humor und keine Manieren.“ Er schüttelt tadelnd den Kopf. „Ich hoffe, du hast wenigstens verstanden? Und versuch erst keine Tricks.“ Grazil nimmt er erneut die Zange in die Hand und ein Ruck geht durch den gefesselten Körper. „Sonst sind dieses Mal deine Eier dran.“
 

Ich stöhne innerlich auf. Dante nickt sichtlich widerstrebend. „Verstanden“, kommt es dann heiser und gepresst aus seinem Mund und Bakura lächelt selig. „Mein Flug, Wheeler“, lautet seine nächste Ansage und ich nicke.
 

Während ich mich von der Vermittlung mit dem Flughafen verbinden lasse, höre ich wie die Tür zum Lagerhaus geöffnet wird. Es ist Mai. Mit der Kamera und einem Laptop unterm Arm kommt sie auf uns zu. „Ah! Dann lass mal sehen was wir schönes produziert haben.“ Die Laune des Diebes ist bestens und ich verdrehe die Augen. Mai entgegnet nichts. Sie tritt jedoch neben den Weißhaarigen und stellt den Laptop auf der Werkbank ab. „Ich denke, du wirst zufrieden sein.“ Mir entgeht nicht der angewiderte Unterton in ihrer Stimme, aber Bakura lässt sich davon natürlich nicht beeindrucken.
 

Ich wende mich ab und konzentriere mich auf die Stimme am anderen Ende der Leitung, derweil die Beiden sich dem Film zuwenden. Ich möchte ihn ohnehin nicht sehen. Schnell erkläre ich der Dame vom Flughafenpersonal mein Anliegen und warte geduldig während ihre Finger über die Tastatur rattern.
 

Mein Gespräch endet erfreulicherweise zeitgleich mit dem morbiden Film, dessen unfreiwillige Hauptrolle ich gespielt habe.
 

„Erledigt.“ Ich reiche Bakura sein Handy und teile ihm die Flugzeit mit. Dabei ignoriere ich geflissentlich das Bild auf der Laptopoberfläche.
 

„Zufrieden?“ Mai sieht Bakura abwartend an. Er nickt. „Ausgezeichnet.“ Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Mai erleichtert wirkt. Dann sieht sie mich besorgt an. Ich schenke ihr ein kleines, beruhigendes Lächeln und sie nickt verstehend. „Was jetzt?“ will sie wissen und versucht gekonnt, den Mann auf der Liege auszublenden. „Gleich wird telefoniert.“ Bakura macht den Eindruck als könne er es kaum erwarten. So viel zum Thema sadistischer Freak.
 

Mai blickt fragend zu mir. Ich winke ab. „Frag besser nicht.“
 

Neben mir vernehme ich das Klicken eines Feuerzeuges und höre Bakura tief inhalieren. Wortlos hält er mir eine Schachtel Zigaretten hin und ich fische eine heraus. Das Feuer wirft er mir spielerisch zu. „Entspann dich, Kleiner. Alles läuft nach Plan“, meint der Dieb selbstgefällig wie immer. „Du bist ohnehin tot.“ Er zwinkert mir zu und zünde mir die Zigarette an. Mai beäugt uns beide mit einer Mischung aus Faszination, Unglaube und Verstörtheit.
 

Ich bin nicht sicher, wie lange wir da stehen und schweigend rauchen, dann sieht der Dieb erneut auf die Uhr. Lässig beugt er sich über Dante und fischt sein Handy aus der Seitentasche seiner Hose, was dem Mann keineswegs behagt. Keine Sekunde lässt er den Bakura aus den Augen und ich kann es ihm nicht verübeln.
 

Mit der Zigarette im Mund löst er die unverletzte Hand aus ihren Fesseln und drückt dem Gorilla das Handy in die Hand. Dante schluckt und im nächsten Augenblick hat der Dieb die Zange auch schon wieder ergriffen. Nicht nur zu meinem Entsetzen platziert er sie dieses Mal zwischen den Beinen des Mannes, der augenblicklich keucht. „Dein Einsatz“, sagt Bakura bedrohlich und genau in dieser Sekunde beginnt das Handy auch schon zu vibrieren.
 

Ich halte die Luft an als Grey´s Handlanger den Anruf entgegennimmt. Leider höre ich nicht, was am anderen Ende der Leitung gesprochen wird. Dantes Blick ist einzig auf Bakura gerichtet und der lächelt ihn aufmunternd an.
 

„Ja.“ Dantes Stimme klingt wider Erwarten recht fest. „Der Auftrag wurde erledigt, Sir. Ich kann den Tod von Joey Wheeler bestätigen.“
 

Mein Magen zieht sich zusammen als ich meinen Namen höre. Dante zuckt nicht einmal mit der Wimper. „Der Dieb hat...“ Er schluckt kurz. „...erledigt, wie sie es wollten.“ Nun ist deutlicher Widerwille und Abscheu in seiner Stimme zu hören, aber ich schätze, dass ist gar nicht mal schlecht. „Ja, Sir. Den nächsten Flug. Ich gebe sie weiter.“
 

Der Handlanger wirkt erleichtert als Bakura ihm das Handy aus der Hand nimmt. „Zufrieden?“ Seine Stimme ist kalt wie Eis. Er wartet eine Erwiderung ab. „Ich bezweifele, dass Kaiba das Filmchen gefallen wird, aber sie werden sicherlich ihren Spaß daran haben.“ Jetzt vernehme ich ein Lachen am anderen Ende der Leitung und mein Abscheu gegenüber Grey wächst.
 

Bakura lauscht scheinbar geduldig während sein Gesprächspartner Instruktionen gibt. „Nichts anderes habe ich erwartet.“ Zufrieden blitzt es in seinen Augen auf. „Aber sie werden sicher verstehen, dass ich die Ware nicht einfach so frei Haus liefere. Wie war das noch? Quid pro quo?“ Erneut folgt eine Lachen und Bakura nickt. „Ja, so in etwa habe ich mir das auch gedacht“, entgegnet er. „Sobald ich im Flieger sitze, schicke ich ihnen den Trailer.“ Jetzt lacht auch der Dieb und ich spüre wie ich immer nervöser werde.
 

Dante scheint es nicht anders zu gehen. Sein Blick ist nach wie vor auf Bakura gerichtet, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern hat.
 

„Ich denke, ich brauche nicht zu betonen, was passiert, wenn Ryou auch nur ein Härchen gekrümmt wird.“
 

Die Erwiderung auf diese Drohung scheint dem Weißhaarigen zu gefallen. „Wir werden sehen“, meint er schlicht und damit ist das Gespräch auch schon beendet.
 

Bakura klappt das Handy zu und holt die Zange aus dem Schritt des Gefesselten. „Das war brav.“ Er tätschelt dem Mann leicht den Kopf und fast rechne ich damit, dass er ihn wieder anspuckt. Stattdessen fragt er: „Was nun?
 

Natürlich stellt er die Frage in Bezug auf seine Person. Es dürfte ihm kaum entgangen sein, dass der Dieb nur einen Flug buchen ließ und er nach diesem Telefonat seinen Nutzen für uns verloren hat.
 

„Gute Frage.“ Der Dieb scheint zu überlegen. Doch dann wechselt er schlagartig das Thema. „Den Laptop werde ich mitnehmen, wenn es recht ist.“ Mai wirkt nicht im Mindesten überrascht. Sie nickt nur und ganz ehrlich, jeder der Bakura heute so gesehen hat, würde es auch nicht wagen etwas anderes zu sagen. „Schätze, deine Freundin ist gleich da.“ Ich nicke ebenfalls und er legt den Kopf leicht schief. „Dann müssen wir sie nur noch instruieren und du kannst erst einmal von der Bildfläche verschwinden.“ Sein Blick wandert zu Mai. „Kannst du das Hündchen ein paar Tage aufnehmen?“
 

Sie blinzelt überrascht. „Sicher.“ „Und sichergehen, dass er keine Dummheiten macht?“ „Dummheiten?“, fragt Mai verständnislos nach. Bakura grinst. „Na, keine Telefonate, kein öffentliches Gassi gehen...“ Mai nickt nur und ich funkele ihn wütend an. „Kein Sorge, ich weiß schon was untertauchen heißt“, zische ich ihn an, was ihn aber keineswegs beeindruckt.
 

„Und was genau wirst du tun?“, fragt Mai den Dieb und er seufzt. „Na,uns allen den Arsch retten.“

O Fortuna (Grey)

Hervorragend.
 

Ich spüre wie ein euphorischer Schauder über meinen Rücken läuft. Für einen kurzen Augenblick zittern sogar meine Hände und fast automatisch betätige ich den replay-Button. Ich kann nicht anders. Ich muss es mir noch einmal ansehen und mein Herz schlägt vor Erregung erneut schneller als ich Joey Wheeler´s gefesselten Körper auf dem Bildschirm sehe.
 

Es ist... perfekt.
 

Fast zärtlich streichele ich über die angstverzerrten Konturen seines Gesichts, das der Laptop mir zeigt und das Einzige, das dieses Gefühl in mir noch steigern kann, ist die Vorfreude auf Seto Kaiba´s Reaktion, wenn er die Aufnahme sieht.
 

Unwillkürlich stelle ich mir das Gesicht des Brünetten vor. Welch herrlichen Anblick er liefern wird, wenn er diese Szene sieht. Ich sehe es geradezu vor mir. Sehe, wie seine Züge, die sonst so emotionslos und kalt sind, entgleisen bis seine kalte Maske gänzlich verschwunden ist und sein Gesicht nur noch Schmerz, Wut, Verzweiflung und Hass widerspiegeln. Schade, dass ich es nicht sehen werde.
 

Man sagt, dass Menschen bei solch einem Schock um Jahre altern können.
 

Ich frage mich, wie es sich bei ihm verhalten wird. Auf welche Weise wird es ihn zeichnen, dies zu sehen?
 

Der Dieb hat tatsächlich ganze Arbeit geleistet. Ich lächele als ich die Gestalt mit der Skimaske betrachte. Kaiba wird sich keine Sekunde davon täuschen lassen. Sobald er den ersten Schock überwunden hat, wird sein ach so genialer Verstand registrieren, wer seinen Liebsten aus diesem Leben gerissen hat und sein Herz wird erneut brechen, wenn es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gänzlich in Trümmern liegt.
 

Zwei Fliegen mit einer Klappe.
 

Ich greife zu meinem Glas Chardonnay und führe es genüsslich zu meinen Lippen.
 

Ob er einen Verrat von Seiten des Diebes einkalkuliert hat? Ich bezweifle es. Nein, Kaiba vertraut dem Weißhaarigen. Dessen bin ich mir sicher. Umso schmerzlicher wird für ihn die Wahrheit sein. Seto Kaiba, der niemandem außer seinem Bruder je vertraut hat, und doch Vertrauen aufbaute, wird erkennen, wie schmerzlich Liebe und Verrat sind.
 

Sicher, er wird, sofern er nach all dem wieder zu einem klaren Gedanken fähig ist, wissen, dass der Dieb nur wegen seines Freundes, wegen Ryou, so gehandelt hat, doch das wird nichts an seinem Schmerz ändern. Bakura hat Ryou über Kaiba gestellt. Nichts anderes war zu erwarten.
 

Herrlich...
 

Ich nippe an meinem Glas und genieße die kurze Szene, die der Dieb mir geschickt hat. Ich wusste, dass er mir nicht den ganzen Film übermitteln würde. So dumm ist dieser Bakura nicht, aber das macht nichts. Allein diese Szene wird genügen, um Kaiba alles wissenswerte mitzuteilen.
 

Der Rest wird das Sahnehäubchen sein.
 

Mein Blick wandert der großen Wanduhr. Vermutlich sitzen Dante und Bakura bereits im Flieger. Noch ein paar Stunden und der Dieb wird die Übergabe seines Freundes verlangen. Deal ist Deal. Ich werde mich daran halten. Warum auch nicht? Soll der Dieb seinen Preis bekommen. Es ändert nichts mehr. Kaiba wird ihm nie wieder vertrauen, nein, Kaiba wird ihn verachten, gleichgültig was geschieht. Bakura wird immer derjenige sein, der ihm seinen Liebsten genommen hat.
 

Genau wie er selbst es bei mir getan hat.
 

Mein Blick wandert zu dem Schachbrett auf dem Beistelltisch neben mir. Weiß hat schon einige Figuren verloren, stelle ich befriedigt fest. Ich überlege einen Augenblick, dann greife ich zu dem weißen Läufer und nehme ihn vom Schlachtfeld. Dann folgt der Turm und schließlich die Königin.
 

Die letzte Figur halte ich für einen Moment fest und betrachte sie zufrieden. Wie vergnüglich sich die Dinge doch entwickelt haben. Anfangs hatte ich Mokuba die Rolle der Königin zugeordnet, doch so wie sich die Dinge entwickelt haben, ist Joey Wheeler die Verkörperung dieser Figur. Das heißt, ich habe das Vergnügen, Kaiba um eine weitere wichtige Figur zu erleichtern. Ein Springer ist schon vom Feld. Bleibt noch der Zweite.
 

Doch ich werde klug verfahren müssen. Nicht zu schnell agieren. Geduld ist eine Tugend, oder?
 

Was würde es schon bringen, ihm seinen Bruder zu nehmen, wenn er noch betäubt ist von seiner Trauer um Wheeler? Nein, ich werde geduldig sein und warten. Und wie ich Kaiba kenne, wird das nicht lange dauern. Ja, dieser sonst so eiskalte, emotionslose junge Mann wird sich schneller fassen als man denkt und all seine Wut auf mich richten. Unwillkürlich muss ich lächeln bei diesem Gedanken.
 

Ob er den Dieb mit ebensolcher Härte verfolgen wird?
 

Nein, ich bin derjenige, den er will, auch wenn Bakura sicherlich nicht seiner Rache entgehen wird.
 

Für einen Moment frage ich mich, wie der Dieb diesen Umstand wohl betrachtet. Er wird ihn sicher bedacht haben. Alles andere würde mich enttäuschen und ich bezweifle, dass der Dieb mich enttäuscht. Was hat der Weißhaarige wohl einkalkuliert in dieser Beziehung?
 

Nun, in ein paar Stunden werde ich es vielleicht erfahren.
 

Und dann ist da natürlich das Mädchen, nein, die Frau, Ishizu. Welche Figur soll ich ihr zuordnen? Ein Bauer?

Im Grunde spielt es keine Rolle. Ich werde dem weißen König jede Figur auf seiner Seite nehmen. Stück für Stück. Und wenn ich mir seine Figuren recht betrachte, dann hat er nicht mehr viele. Sogar ein Pferdchen hat er schon verloren.
 

Armer Roland...
 

John wäre stolz auf mich.
 

Für einen kurzen Augenblick schließe ich die Augen und sehe ihn vor mir. Er lächelt.
 

Dann gebe ich mir einen Ruck, reiße mich von der Erinnerung los und konzentriere mich auf das Wesentliche.
 

Der Dieb hat mir nur einen Auszug aus dem Video geschickt. Wie gesagt, nichts anderes habe ich erwartet. Doch diese kleine Sequenz genügt, um Seto Kaiba´s Welt zu erschüttern. Für einen Moment frage ich mich, was ich tun soll. Warten, bis ich das komplette Video habe?
 

Nein, Kaiba weiß bereits, dass sein Liebster vermisst wird. Mokuba´s Anruf war unmissverständlich und seine Reaktion wunderbar vorhersehbar. Die Sorge in seiner Stimme ... die Angst... Ich konnte sie fast schon schmecken. Nein, ich kann nicht anderes. Ich muss ihm diese Szene schicken.
 

Ohne weiter darüber nachzudenken, stelle ich das Glas ab und im nächsten Augenblick rasen meine Finger auch schon über die Tastatur. Ich weiß, dass ich ursprünglich eine andere Vorgehensweise hatte. Eigentlich sollte Wheeler Senior den Auftakt zum letzten Akt einläuten, aber die Versuchung ist einfach zu groß. Ich kann nicht widerstehen.
 

Als ich die Email abschicke, fühle ich mich wie ein kleiner Junge an seinem ersten Schultag. Ich bin aufgeregt, gespannt und voller Vorfreude darauf die Schultüte mit all ihren Leckereien zu plündern. Nur vage verspüre ich ein anderes Gefühl... ein dumpfes, schmerzliches Gefühl. Ich versuche es zu verdrängen. Meine Mission ist fast erfüllt, das Ziel ist in greifbarer Nähe. All die Zeit des Wartens... nun endlich ist die Belohnung greifbar nahe und dieser Schmerz in meiner Brust, wenn ich daran denke, was ich tue...
 

Was bedeutet er schon? Ich blende ihn aus. Er ist mir gleich. Es gibt nur eins, was zählt.
 

Unwillkürlich und mit Widerwillen muss ich an Quentin´s Worte denken als ich diese Mission begonnen habe.
 

„Ist es das was sie wollen oder was er gewollt hätte?“
 

Eine nüchterne, emotionslose Frage. Es ging ihm nicht darum, mir ins Gewissen zu reden. Er wollte nur die Fakten kennen.
 

Heute wie damals verschließe ich mich vor dieser Frage. Ich will nicht darüber nachdenken. Ich kann es nicht. Es spielt auch keine Rolle mehr. Ich habe meine Wahl getroffen. Meine Züge gemacht.
 

Ich weiß, dass ich damit meinen Untergang besiegelt habe. Erneut muss ich an den Dieb denken. Er hat mir mit Konsequenzen gedroht. Er wird sie wahr machen. Aber zuerst, zuerst werde ich meine Rache vollenden, was dann kommt... es ist mir gleich.
 

Ich muss Seto Kaiba am Boden, am Nullpunkt sehen. Ihn so sehen wie ich bin. Leer, gefangen zwischen Leere und Hass. Erstarrt in seinem Schmerz genau wie ich es bin. Es gibt keinen anderen Weg.
 

Kollateralschäden inklusive.
 

Die Mail ist abgeschickt. Er hat sie inzwischen sicher schon geöffnet, das Videofragment gesehen. Zufrieden lehne ich mich in meinem Sessel zurück. Es wird nicht lange dauern bis Quentin mir seine Reaktion übermitteln wird. Wieder versuche ich sie mir vorzustellen, male sie mir aus, aber die Wirklichkeit wird um so viel befriedigender sein als meine Phantasie.
 

Beschwingt greife ich wieder zu meinem Glas.
 

Die Dinge fügen sich genauso wie ich es vorhergesehen habe.
 

Selbst der Dieb ist nun in meiner Hand. Ob er sich selbst als Verräter sieht? Wenn ich seine Gefühle für Kaiba richtig gedeutet habe dann ja. Für einen kurzen, sehr kurzen Augenblick verspüre ich fast so etwas wie Bedauern für den Weißhaarigen. Ich vermute, dass er Seto Kaiba liebt. Und doch hat er ihn wie Judas Jesus verraten.
 

„Judas war so anständig sich aufzuhängen, aber nur laut Matthäus, dem sentimentalsten aller Apostel“, sinniere ich laut. Was wird Bakura wohl tun? Ich glaube kaum, dass er zu Selbstmord neigt. Und was wird sein zarter Freund wohl zu dieser Entwicklung sagen?
 

Ich lächele vor mich hin als ich erneut zu dem Glas vor mir greife und erhöhe die Lautstärke der Musik.

Carmina Burana - O Fortuna. Angemessen wie ich finde.

Achterbahn

Der Brite blickt auf als ich den Raum betrete und beobachtete jeden meiner Schritte mit regungsloser Miene.
 

„Lässt du uns bitte alleine, Odion?“, frage ich an den Ägypter gewandt, der einen kurzen Augenblick zögert. Dann nickt er jedoch und entgegnet: „Ich bin direkt vor der Tür.“ Ich neige leicht den Kopf als Zeichen des Dankes, dann trete ich zu dem kleinen Tisch an dem unsere Geisel sitzt und nehme ihm gegenüber Platz.
 

Quentin wirkt äußerlich vollkommen ruhig, aber seine Augen verraten wie wachsam er ist und ich weiß, dass es in seinem Kopf unablässig arbeitet. Einen Moment lang sehen wir einander einfach nur schweigen an und versuchen dabei wohl beide, unser Gegenüber einzuschätzen. Er ist mir gegenüber im Vorteil, denn er weiß mit Sicherheit einiges über mich.
 

Doch auch ich vermag ein klein wenig in ihm zu lesen.
 

„Sie sind also Grey´s rechte Hand.“ Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung und er zuckt nicht einmal mit der Wimper. „So könnte man es ausdrücken“, ist die schlichte Erwiderung und ich verziehe spöttisch den Mund. „Dann haben sie sich offensichtlich den falschen Job ausgesucht.“ Wieder verzieht er keine Miene, sondern hält meinem Blick ruhig Stand. Doch dann macht er eine wegwerfende Geste und lehnt sich lächelnd auf dem Stuhl zurück. „Sollten sie darüber nachdenken, mir ein finanzielles Angebot zu unterbreiten, dann muss ich sie enttäuschen. Ich lasse mich nicht abwerben“, teilt er mir lässig mit und ich spüre allzu deutlich, dass er meine Reaktion studiert.
 

Ich bedenke ihn ebenfalls mit einem Lächeln und schlage die Beine übereinander, um meine Position gelöster erscheinen zu lassen als ich mich augenblicklich fühle. „Oh, ich hatte nichts dergleichen vor“, entgegne ich ohne Überstürzung. „Ich verhandele nicht mit Kriminellen.“
 

Mein Gegenüber lacht laut auf. Ein gespieltes, kaltes Lachen. „So viel ich weiß, sind sie der gesuchte Kriminelle von uns beiden“, meint er und jetzt ist es an mir zu lachen. „Ein Umstand, den ich ihrem Boss verdanke.“
 

Dieses Mal habe ich das Gefühl, eine kaum merkliche Regung in seinem Gesicht wahr zu nehmen. Zwar hält er meinem Blick nach wie vor Stand, doch etwas an seiner Mimik verändert sich minimal. Zudem zögert er ein paar Sekunden ehe er etwas erwidert. „So könnte man es ausdrücken.“
 

Sein Tonfall ist nach wie vor ungerührt, aber ich habe den Eindruck, dass er bei dieser Sache nicht so desinteressiert ist, wie er versucht sich zu geben. Er mag ein Söldner sein, aber es ist nicht nur Geld, dass sein Handeln bestimmt. Ein Punkt, an dem ich ansetzen kann. Denn Folter, da bin ich mir nach wie vor sicher, wird nur ihn nur wenig beeindrucken.
 

„Ich hatte kürzlich das Vergnügen, mit ihrem Boss zu reden“, teile ich ihm ruhig mit und wechsele damit das Thema. Er wirkt nicht erstaunt. „Ich gehe davon aus, dass sie wissen, warum er diesen Weg eingeschlagen hat.“
 

Wieder ist es keine Frage. Und ich umschreibe die Situation bewusst vage. Wir beide wissen schließlich, was ich damit meine. Erneut zögert mein Gegenüber und ich bin mir sicher, dass er gedanklich abwägt, was wohl die klügste Antwort ist. Soll er leugnen, die näheren Umstände zu kennen oder sie eingestehen?
 

Ich wende meinen Blick von ihm und betrachte nun meine Finger. Ein Manöver, dass ich mir von Bakura abgeschaut habe.
 

Grey ist der Ansicht, ich wäre am Tod von John Armstrong beteiligt“, fahre ich in einem leicht amüsierten Plauderton fort. „Ich habe ihn zwar darauf hingewiesen, dass ich nichts damit zu tun habe und bis vor kurzem nicht einmal etwas darüber wusste, doch ihr Boss scheint bedauerlicherweise anderer Ansicht zu sein.“
 

Noch immer sehe ich ihn nicht an. „Ehrlich gesagt, es hat eine Weile gedauert, bis ich überhaupt wusste, worauf er überhaupt anspielt. Persönlich habe ich John Armstrong nur zweimal getroffen und beide Treffen erschienen mir so belanglos, dass ich sie vergessen habe“, rede ich weiter und seufze. Langsam richte ich meinen Blick wieder auf Quentin. „Ich vermute, sie werden mir ebenso wenig glauben wie er, wenn ich ihnen versichere, nichts mit seinem Tod zu tun gehabt zu haben. Ich war noch ein halbes Kind als er starb.“ Ich zucke leicht mit den Schultern. „Im Grunde spielt es auch keine Rolle, was ich in der Hinsicht sage oder tue, oder? Die Entscheidung ist längst gefallen.“
 

Nun habe ich seine volle Aufmerksamkeit. Er bemüht sich nicht einmal mehr dies zu verbergen. Nein, jetzt mustert er mich eingehend und genau wie ich, versucht er in seinem Gegenüber zu lesen.
 

„Wissen sie, ich bin mit dem Konzept der Rache durchaus vertraut.“ Jetzt sehe ich ihm direkt in die Augen und fast habe ich den Eindruck, dass er ein klein wenig überrascht ist, aber vielleicht wünsche ich mir das auch nur. „Ich weiß, wie sich der Wunsch danach anfühlt.“ Ich mache eine kurze Pause, schließe für den Bruchteil einer Sekunde die Augen und bin sicher, dass er weiß, was ich damit meine oder an wen ich dabei denke. Grey wird ihm genug über mich erzählt haben und wenn er nur halb so klug ist, wie ich denke, dann hat er selbst seine Nachforschungen gemacht. Demnach kennt er die Geschichte um den großen Gozaburo Kaiba. „Konfuzius warnt uns. Wer auf Rache aus ist, der grabe zwei Gräber.“ Ich verziehe spöttisch den Mund. „Ich hatte meine Rache und es bedurfte nur eines Grabes. Geändert hat es nichts.“
 

Noch immer sieht er mich einfach nur an, aber ich spüre jetzt genau, dass er sich bemüht in mir zu lesen. Genauso wie ich weiß, dass ich seine volle Aufmerksamkeit habe.
 

„Rache ist die gefährlichste Motivation überhaupt“, fahre ich fort. „Nicht zuletzt deshalb weiß ich, dass ihr Boss zu allem fähig ist. Er denkt, er habe einen Grund, wütend auf mich zu sein und handelt, wie er handeln muss.“ Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. „Und ich weiß, dass er bereit ist, für seine Rache alles zu geben. Alles zu opfern. Was dies betrifft, kann ich ihn sehr gut verstehen, denn ich empfinde was ihn betrifft nicht anders.“
 

Wieder mache ich eine kurze Pause und ziehe das Päckchen Zigaretten aus meiner Tasche. Mit einer galanten Geste halte ich es ihm hin. Er betrachtet mich einen Augenblick lang unschlüssig, dann huscht ein wissendes Lächeln über sein Gesicht und er fischt sich eine der Zigaretten daraus. Ich tue es ihm gleich, zünde mir eine Zigarette an und schiebe ihm das Feuerzeug über den Tisch zu.
 

Grey und ich scheinen somit etwas gemeinsam zu haben“, setze ich von neuem an und inhaliere tief. „Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied.“
 

Er zieht an seiner Zigarette und bedenkt mich nun mit einem spöttischen Blick. „Lassen sie mich raten. Sie sind unschuldig“, entgegnet er sarkastisch, doch ich schüttele den Kopf. Eine Geste, die ihn scheinbar wirklich überrascht. „Nein.“ Meine Stimme ist ruhig und fest. „Der Unterschied ist, dass er Unschuldige mit hineingezogen hat.“
 

Quentin scheint über meine Worte nachzudenken. „Seine Rache hat sich nicht allein gegen meine Person gewandt. Er hat meinen Bruder mit in diese Sache gezogen. Einen unschuldigen Jungen. Was auch immer ich getan habe oder nicht getan habe, Mokuba war daran nicht beteiligt. Er ist unschuldig und doch musste er ebenfalls leiden“, entgegne ich scharf.
 

Etwas an seiner Haltung macht den Eindruck als würde er mir diesbezüglich zustimmen und ich habe den Eindruck auf dem richtigen Weg zu sein. Quentin ist sein Handlanger, aber er billigt nicht all seine Entscheidungen. Nichts an seiner Haltung oder Mimik bestätigt diesen Eindruck tatsächlich, aber ich habe dieses Gefühl und glaube nicht, dass ich mich irre.
 

„Mokuba wurde von heute auf morgen aus seinem gewohnten Umfeld gerissen. Er wurde einer perfiden Hasskampagne ausgesetzt, in ein fremdes Land gebracht... und nicht zuletzt bedroht. Mehrmals.“ Ich inhaliere erneut tief. „Daran war nichts gerecht. Nichts verständlich und er hat nichts dergleichen verdient. Und eben dieser Punkt unterscheidet mich von ihrem Boss. Er will mich. Geschenkt. Er hätte unzählige Wege erdenken können, mich zu vernichten, doch meinen Bruder zu benutzen...“
 

Ich beende den Satz nicht, aber Quentin versteht auch so und dieses Mal nickt er kaum merklich.
 

Somit bin ich tatsächlich auf dem richtigen Weg. Mokuba´s Schicksal lässt den Briten nicht kalt. Ich kann es ihm ansehen. Wie auch immer er zu Grey stehen mag, in diesem Punkt ist er nicht hundertprozentig auf dessen Seite.
 

„Sie werden also verstehen, warum ich meinerseits nach Rache sinne.“ Wieder nur eine Feststellung, doch dieses Mal regiert der Brite. Er strafft leicht die Schultern und blickt mir genau in die Augen. „Natürlich.“ Die Antwort ist schlicht, sagt jedoch mehr als tausend Worte. „Ich verstehe ihre Beweggründe durchaus, Seto Kaiba“, meint er ruhig. „Doch was bedeutet das nun für uns? Was gedenken sie zu tun?“
 

Ich ignoriere seine Frage und erwidere stattdessen: „Darüber hinaus wurden andere Unbeteiligte mit in diese Angelegenheit gezogen. Ryou, zum Beispiel. Joey, Bakura... Was denken sie sollte ich nun tun? Mich wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen?“
 

Nun ist es an mir überrascht zu sein, denn Quentin quittiert meinen fragenden Blick mit einem hämischen Lächeln. „Oh, ich denke nicht, dass der Dieb in dieser Angelegenheit unschuldig ist,“ bemerkt er spöttisch. „Und was Joey Wheeler anbelangt...“ Er zuckt leicht mit den Schultern und ich spüre wie sich alles in mir zusammen zieht.
 

Die Anspielung gefällt mir nicht im Geringsten. Weder was Joey noch was Bakura anbelangt und ich muss mit mir kämpfen, um mir nichts davon anmerken zu lassen. Dennoch scheint Quentin meine Anspannung nicht zu entgehen und für einen kurzen Augenblick wirkt er unschlüssig. Ja, fast habe ich den Eindruck, dass er besorgt ist oder zumindest irritiert und fragend ziehe ich eine Braue nach oben.
 

„Jeder muss seinen Preis bezahlen, oder?“ Quentin´s Stimme klingt zwar spöttisch, aber zum ersten Mal habe ich den Eindruck, noch etwas anderes in seinen Augen zu lesen. Und ja, als könne er meine Gedanken lesen, weicht er dieses Mal meinem Blick aus. Fast glaube ich so etwas wie Mitleid in seinen Augen zu erkennen und...
 

Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich spüre wie sich meine Kehle zuschnürt und es bedarf all meiner Selbstbeherrschung, mich nicht zu rühren. Ihn nicht zu packen und...
 

Als sich die Tür hinter mir öffnet, sehe ich meinem Gegenüber an wie es erstarrt. Für den Bruchteil einer Sekunde liegt Bedauern in seinen Augen, dann höre ich Odion auch schon sagen: „Du musst schnell kommen, Seto.“
 

Sofort weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Odion, der sonst so beherrscht und ruhig ist, selbst in Momenten der Gefahr, wirkt jetzt mehr als nur beunruhigt oder besorgt. Ich muss nicht den Kopf wenden, um ihn anzusehen, um zu wissen, dass der Ägypter mit der Fassung ringt. Mein Körper reagiert automatisch. Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und auch schon an der Tür und alles in mir ist auf Alarm eingestellt. Mit einem Schlag habe ich das Gefühl, der Boden unter meinen Füßen würde mir entgleiten.
 

„Es ist Mokuba“, teilt Odion mir mit ehe er mir ein Handy reicht und sich dann in den Raum zu Quentin begibt.
 

„Seto...“ Das Blut droht mir in den Adern zu gefrieren als ich die Stimme meines geliebten Bruders vernehme. Ängstlich, besorgt, aufgebracht... Es ist definitiv etwas passiert und meine Gedanken überschlagen sich. Ich weiß, was geschehen ist, noch bevor er es sagt und muss mich an der Wand abstützen, da meine Beine nachzugeben drohen. „... irgendjemand hat ihn... ich weiß nicht was... er wollte nur kurz... Seto... was machen... großer Bruder...“
 

Mokuba´s Worte dringen nur Bruchstückhaft zu mir durch, doch ich begreife sofort. Joey ist weg. Joey wird vermisst. Joey wurde vermutlich entführt.
 

Mein Denken setzt mit einem Schlag aus.
 

Ich weiß nicht einmal, wie ich es schaffe dem Kleinen zu antworten. Meine Stimme klingt monoton und fremd, doch irgendwie vermag ich es ihn zu beruhigen. „Alles wird gut, Mokuba.“ Eine leere Phrase. Wie oft habe ich sie ihm schon gesagt? Fast habe ich das Gefühl mich selbst zu beobachten während ich dieses Gespräch führe. Meine Fingernägel bohren sich in den Gips der Wand. Kleine, weiße Brocken rieseln zu Boden und dann ist da Roland, der sich besorgt über mich beugt.
 

„Seto?“
 

Ich erwidere nichts.
 

Ich registriere irgendwie, dass mein Assistent mir das Handy aus der Hand nimmt und anfängt zu reden. Er stellt kurze, präzise Fragen, wie ich es wohl tun würde, wenn ich Herr meiner Selbst wäre.
 

Fremd und unwirklich fühle ich mich während Roland Mokuba sagt: „Keine Sorge, Master Mokuba. Wir werden Master Joey finden... wir...“
 

Für eine Ewigkeit ist alles schwarz vor meinen Augen, dann packt mich jemand unsanft am Arm. „Reißen sie sich zusammen, Master Kaiba.“ Es ist Roland und ich nicke einfach nur. Aber nichts ist in Ordnung, nichts ist unter Kontrolle. Ich spüre es. Ich weiß es. Es ist genau wie in dem Moment als die Polizisten die Kaiba-Villa betreten haben und mir mit ihrer Verfügung unter der Nase herum wedelten. Der Moment ehe sie mir Mokuba entrissen und ich machtlos zusehen musste wie der Kleine fortgebracht wurde.
 

Es ist als würde mein Herz aufhören zu schlagen.
 

Ich sehe Quentin´s Grinsen vor mir und Joey...
 

Joey...
 

Dabei dachte ich, ich hätte alles unter Kontrolle. Ja, ich war mir dessen sogar sicher. Ich dachte, ich wäre es nun, der die Zügel in der Hand hält. Aber wieder einmal ist es Grey.
 

Roland hat das Gespräch mit Mokuba beendet und beugt sich nun über mich. „Master Seto?“ Ich kann deutlich die Sorge in seiner Stimme hören. Unwillkürlich schließe ich die Augen. Verflucht, Seto, reiß dich zusammen. Du kannst das. Du schaffst das. Und ja, natürlich schaffe ich es. Wieder einmal schaffe ich es meinen Körper meinem Geist zu unterwerfen. Ich gebe mir einen Ruck und sehe Roland fragend an.
 

Doch ehe er etwas sagen kann, erscheint Alister und seine Miene spiegelt pures Entsetzen wider.

Götterdämmerung Teil 2 (Bakura)

„Damit ich das richtig verstehe, sobald Lucy hier ist, erkläre ich ihr wie die Dinge liegen. Dann soll sie zu mir nach Hause fahren und Mokuba davon überzeugen, dass ich entführt wurde“, fasst Wheeler meinen Plan erneut zusammen. Gelangweilt betrachte ich meine Fingernägel. „Dieser wiederum wird Kaiba unterrichten, so dass er glaubhaft reagieren wird, wenn Grey ihn kontaktiert. In der Zwischenzeit tauche ich bei Mai unter und du fliegst zurück nach Japan, um diesen Verrückten endlich dingfest zu machen. So weit alles korrekt?“
 

Fragend sieht das Hündchen mich an. Er ist sichtlich bemüht, selbstsicher zu erscheinen, aber mir entgeht keineswegs sein unsicherer Unterton oder dass er sich wie beiläufig die vermutlich feuchten Hände reibt. Ich bedenke ihn mit einem spöttischen Blick.
 

Natürlich ist er nervös. Zum einen, weil er sich Sorgen um Kaiba macht, zum anderen weil er nicht sicher ist in wie fern er mir trauen kann. Beides verübele ich ihm nicht. Mein Blick wandert zu Dante, der inzwischen fachmännisch von mir geknebelt wurde. Das Gejaule war ja nicht mehr zu ertragen. Wie kann sich ein Gorilla auch nur so anstellen wegen eines kleinen Fingers? Da kann man mal wieder sehen wie schwierig es ist, heutzutage gutes Personal zu bekommen.
 

„Bakura?“, vernehme ich erneut Wheelers Stimme und verdrehe genervt die Augen. „Ja, ja, soweit alles korrekt“, erwidere ich säuerlich und er atmet tief durch. Ich wende mich als Nächstes an Mai, die meinen Blick mit ausdrucksloser Miene erwidert. Bislang hat sie sich bewährt und nicht allzu viele Nerven gezeigt, was mehr als erfreulich ist. Zudem scheint sie ein helles Köpfchen zu sein. Demnach hat sie begriffen, was auf dem Spiel steht und wird ihre Rolle in unserer kleinen Scharade wohl erfüllen.
 

Bleibt die Frage, wie ich die Sache mit dieser Lucy regele. Wheeler traut der Frau, doch für mich ist sie eine unbekannte Größe und genau wie das Hündchen selbst eine Variable, die sich schwer einschätzen lässt.
 

Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten, sinniere ich und bin mir bewusst, dass die anderen beiden mich argwöhnisch beobachten.
 

„Noch eins, Wheeler“, sage ich schließlich und sehe dem Hündchen direkt in die Augen. „Ich will nicht riskieren, dass mein schöner Plan wegen deiner kleinen Freundin auffliegt. Deshalb werden wir sie nicht gänzlich einbeziehen, verstanden?“
 

Der Blonde runzelt irritiert die Stirn. Offensichtlich, dass er nicht weiß, worauf ich hinaus will. „Was meinst du damit?“, fragt er auch schon und ich verziehe leicht den Mund. „Das heißt, dass wir ihr nicht sagen werden, dass diese Entführung ein Fake ist. Stattdessen werden wir sie von ihrer Echtheit überzeugen“, erkläre ich gleichmütig und weiß bereits wie er reagieren wird. Entsetzt reißt er die treudoofen Hundeaugen auf. „Was?“, fährt er mich an und macht einen leichten Satz auf mich zu. „Ich soll ihr was vorspielen? Spinnst du? Was denkst du, was sie dabei empfinden wird? Sie weiß doch gar nichts über die ganze Sache. Nein, das kommt nicht in Frage! Du hast vorhin gesagt...“
 

„Und ich sage jetzt, dass ich es nicht riskieren werde, dass irgendjemand oder irgendetwas meinen Plan durchkreuzt!“, unterbreche ich ihn scharf und registriere beiläufig, dass Mai ihre Hand auf Joeys Unterarm gelegt hat, scheinbar um ihn zurückzuhalten.
 

„Ich hasse es mich zu wiederholen, Wheeler, aber wenn wir diese Sache richtig durchziehen, könnte sie in zwei Tagen ein Ende finden, was sicherlich in deinem Interesse ist. Ich habe dir bereits erklärt, wie wichtig es ist, dass Grey mir die Nummer abnimmt“, teile ich ihm genervt mit. Noch immer funkelt er mich wütend an, macht aber keinerlei Anstalten sich mir weiter zu nähern. „Ja, verflucht, das habe ich kapiert, keine Sorge“, meint er bissig. „Deshalb weihen wir ja auch Kaiba nicht ein, aber Lucy und Mokuba ...“
 

Erneut falle ich ihm ins Wort. „Diese Lucy kenne ich nicht, daher weiß ich nicht, wie weit ich mich auf sie verlassen kann und ich werde es nicht riskieren, dass deine Freundin weich wird, wenn sie in die großen Augen von Kaiba´s kleinem Bruder blickt.“
 

Ich habe bislang jeden Zug genau durchdacht. Mein Plan muss einfach gelingen, doch er steht und fällt mit der Tatsache ob dieser Freak mir glaubt oder nicht. Es wird schon schwer genug sein, ihm Dantes Abwesenheit plausibel zu erklären. Und verflucht, mir behagt auch keineswegs der Gedanke, Kaiba auf diesen Horrortrip zu schicken, denn nichts anderes wird es für ihn werden.
 

Ich weiß, wie ich mich fühle und dabei ist Ryou bislang nur entführt worden, doch ich weiß auch genau wie ich reagieren würde, wenn ich von seinem Ableben erführe.
 

Meine Worte scheinen zumindest Mai zu denken zu geben. Sie nickt langsam. „Er hat recht“, sagt sie leise und widerstrebend und Wheeler sieht sie entgeistert an. Sie nickt erneut. „Nichts gegen deine Freundin, Ka – Joey, aber denk doch mal nach. Mokuba wird fertig sein, wenn er davon erfährt und glaub´ mir, ich würde es nicht über´ Herz bringen, den Kleinen leiden zu sehen, wenn ich nur ein Wort sagen müsste...“ Sie beendet ihren Satz nicht, aber sie blickt dem Blonden eindringlich in die Augen.
 

Ich sehe ihm an, wie er mit sich kämpft und seine Mimik bestärkt mich erneut darin, dass ich zu Möglichkeit Nr. 3 greifen muss. Wheeler ist einfach zu sensibel. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass er die Nerven behält. Doch meine Einschätzung was Mai anbelangt, hat sich zumindest bestätigt. Nun gut, also Tor Nr. 3. So ist es mir ohnehin am Liebsten.
 

Wheeler seufzt resignierend. „Ok... wie willst du das durchziehen?“, fragt er an mich gewandt und ich nicke Mai für ihre Unterstützung kaum merklich dankbar zu, dann erläutere ich den Beiden meinen Plan.
 

„Im Grunde ist es recht einfach... Sie taucht hier auf, ich spiele den bösen Entführer, eine Rolle, die ich perfekt meistern dürfte, und wir erklären ihr, dass sie zu dir fahren soll, um deinen Vater und Mokuba zu unterrichten sowie auf weitere Instruktionen zu warten. Du brauchst nur ein bisschen ängstlich auszusehen, doch das kriegst du sicher hin. Tja, und das war´s auch schon.“ Ich zucke leicht mit den Schultern und grinse Wheeler vergnügt an.
 

Er hat die Lippen fest aufeinander gepresst und scheint zu überlegen. „Und warum sollte ich mich nicht gleich an meinen Vater gewandt haben?“, wirft er ein und ich bedenke ihn mit einem zufriedenen Blick. „Sehr schön, du fängst an mitzudenken. Wird ja auch wirklich Zeit“, entgegne ich und spüre geradezu seinen Wunsch, mich am Kragen zu packen. „Wir konnten deinen alten Herrn nicht erreichen und Mokuba ist noch ein Kind und da ich ein ungeduldiger Entführer bin... Das reden kannst du ohnehin in erster Linie mir überlassen. Sieh einfach zu, dass du eine überzeugende Geisel bist. Wenn du willst, kann ich dich natürlich auch knebeln? Ja, ich denke, das sollten wir vielleicht auch tun. Gefesselt wirst du ohnehin gleich.“
 

Unsicher fährt sich das Hündchen durch die Haare. „Ok, ok, machen wir es so..., aber übertreib es nicht bei Lucy, verstanden? Spar dir deine Psychonummer!“, meint er und ich hebe zwei gekreuzte Finger in die Luft. „Pfadfinderehrenwort“ , versichere ich ihm. Ich werde es zumindest versuchen. Wer weiß, was bei einer solch freien Improvisation schon passiert?
 

Joey wirft Mai einen fragenden Blick zu und diese nickt zustimmen.
 

Ich blicke auf die Uhr. „Gut, dann sollten wir jetzt endlich ans Werk gehen, deine Kleine wird jeden Moment da sein. Wenn ich also bitten dürfte...“ Ich deute zu einem der Stahlrohrstühle. Er zögert einen Moment, lässt sich dann jedoch darauf nieder und ich wende mich erneut an Mai. „Wenn du so freundlich wärst, dich um den guten Dante zu kümmern“, fordere ich sie auf. „Am Besten ihr bezieht hinter diesen Folien Position. Gib Acht, dass er den Mund hält!“ Ich zeige auf die linke Seite der Lagerhalle und sie versteht sofort.
 

Langsam nähert sie sich der Liege und packt sie am Fußende, wobei sie den Gefesselten nicht aus den Augen lässt. Dann schiebt sie ihn in die vorgegebene Richtung und verschwindet hinter einer riesigen Plastikplane, die von der Decke hängt. Ich greife zu dem Kabelbinder und trete zu Wheeler. Es dauert nicht lange und er ist sicher verschnürt und ich betrachte mein Werk. Seine Haare sind schweißnass, sein Hemd noch immer voller Blut und sein Teint blasser als gewöhnlich. Ja, er liefert ein sehr überzeugendes Bild ab, aber ich bezweifle, dass ich mir für seine Freundin wirklich große Mühe geben muss.
 

Gerade als ich ihm den Mund mit Klebeband verschließen will, sieht er mich an. „Du weißt, dass ich dir vertraue, Bakura,“ meint er. „Und ich bin ehrlich, es behagt mir nicht im Mindesten. So viele Menschen täuschen zu müssen...“ Er schluckt schwer und ich weiß natürlich an wen er besonders denkt. „Ich hoffe, du weißt was du tust und ich hoffe, dass du uns alle nicht enttäuschst.“
 

Ich betrachte ihn einen Augenblick schweigend. Natürlich ist alles an ihm angespannt, aber seine Augen blicken in diesem Moment nicht nur ernst, sondern auch ein klein wenig flehend.
 

„Wenn du uns hintergehen solltest ...“, spricht er weiter, ehe ich in der Lage bin etwas zu erwidern. „Wenn du Kaiba das antust, dann ... Ich schwöre dir, ich werde einen Weg finden dich leiden zu lassen. Keine Ahnung wie, aber ich werde einen finden. Er vertraut dir, weißt du! Ich verstehe nicht warum, aber er tut es und ...“
 

Dieses Mal unterbreche ich seinen Redefluss. „Darüber bin ich mir im Klaren, Wheeler!“, fahre ich ihn wütend an. „Und glaube nicht, dass mir der Gedanke gefällt, ihn auf diesen Trip zu schicken. Oder ihn auch nur für eine Stunde denken zu lassen, dass ich ihn verraten habe! Aber es gibt keinen anderen Weg und ich bin bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Vielleicht wird er mir danach nie wieder vertrauen, vielleicht wird er mir nicht einmal mehr in die Augen sehen können, aber...“
 

Ich halte schlagartig inne und schlucke. Wheeler bedenkt mich mit einem undefinierbaren Blick, der mir alles andere als behagt und ich will im Grunde den Blickkontakt unterbrechen, doch ich möchte nicht als Erster ausweichen. Solch eine Blöße kann und will ich mir nicht geben.
 

Einen Moment sehen wir einander einfach nur an, dann legt Wheeler den Kopf leicht schief und meint mit gedämpfter Stimme: „Bakura, ich...“
 

Allein bei seinem Tonfall zieht sich alles in mir zusammen. „Vergiss es, Wheeler“, zische ich ihn mürrisch an. „Ich will nichts hören. Ich habe jetzt Wichtigeres zu tun. Falls es dir entgangen sein sollte, hier geht es um Ryou´s Leben.“ Energisch reiße ich ein Stück Klebestreifen von der Rolle und verschließe ihm den Mund ehe er noch etwas erwidern kann.
 

Wenn ich auf eines verzichten kann, dann auf Wheelers nachsichtigen Hundeblick und irgendeinen sentimentalen Scheiß. Hier geht es nicht um Gefühle, das hier ist eine knallharte Angelegenheit und ich es ist mir Schwanz ob das Hündchen mir vertraut oder nicht. Interessiert mich nicht die Bohne. Bei Ra, ich bin ja schon dankbar, dass der Köter nicht losheult. Alister würde jetzt sicherlich...
 

Ich schüttele leicht den Kopf. Ich will nicht an Alister denken und auch nicht an Kaiba oder Duke und Ryou.
 

Ich will mir nicht vorstellen, was ihnen durch den Kopf geht, wenn sie von dem Video erfahren. Das alles ist ein Mittel zum Zweck, nichts weiter. Ich tue, was ich tun muss und es ist mir gleich, was sie über mich denken werden. Wichtig ist nur, dass Ryou unbeschadet aus dieser Sache rauskommt und Kaiba ...
 

Ich wende Wheeler den Rücken zu, schließe die Augen und atme tief durch.
 

Im nächsten Augenblick höre ich, wie sich ein Auto der Halle nähert und es dauert nicht lange bis es zum Stehen kommt. Eine Tür wird geöffnet und unsichere Schritte hallen auf dem Kies vor der Halle wieder. Dann wird zaghaft an die Tür geklopft und ich grinse unwillkürlich.
 

Showtime!
 

Sofort verwerfe ich alle anderen Gedanken und konzentriere mich auf meinen Plan. Die Tür wird geöffnet und jemand, eine Frau ruft zögerlich in die Halle: „Hallo? Joey?“
 

„Hier drüben, meine Liebe“, entgegne ich und werfe einen Seitenblick zu Wheeler. Er nickt kaum merklich.
 

Langsame Schritte kommen auf uns zu und es dauert einen Moment, bis ich die Person gänzlich sehen kann, in der nur spärlich beleuchteten Halle.
 

Eine zierliche, kleine Frau in Jeans und Bluse nähert sich uns und automatisch setze ich meine Maske auf. Der Kleinen den bösen Entführer zu machen, wird ein Kinderspiel. Hoffentlich fällt sie nicht in Ohnmacht, wenn sie den Blonden sieht.
 

„Joey?“, fragt sie erneut unsicher und bleibt dann schlagartig stehen, als sie uns endlich zu erkennen scheint. Ich sehe wie sie entsetzt die Augen aufreißt und ihr Mund aufklappt, ohne das ein Ton heraus kommt und bin schon bereit meine Rede zu beginnen, als ich meinerseits kaum merklich erstarre.
 

Die Frau ...
 

Wenn mir jemand sagen würde, dass Seto Kaiba eine verloren geglaubte Zwillingsschwester hat, ich würde es in diesem Augenblick glauben.
 

Sie sieht dem Eisklotz so dermaßen ähnlich, dass ich einen Moment brauche, um mich von meiner Überraschung zu erholen.
 

„Schön, dass sie es einrichten konnten“, grüße ich sie freundlich und ihr Blick wandert von Wheeler zu mir. Ich sehe ihr ihre Fassungslosigkeit deutlich an und auch, dass sie irgendwas sagen möchte, ohne zu wissen was. Aber nichts anderes hatte ich erwartet. „Ich bedauere es, dass wir sie in diese Angelegenheit, besser gesagt Entführung, mit reinziehen müssen, aber Wheeler Senior ist leider nicht zu erreichen und ich habe nicht ewig Zeit.“
 

„Ich... was...“ Sie beginnt zu stammeln, wirft Wheeler einen besorgten und zugleich hilfosen Blick zu und ich lächele sie freundlich an. „Ich möchte sie bitten, mir einen kleinen Gefallen zu tun“, erkläre ich weiter. „Wie sie sehen, habe ich ihren Freund in meiner Gewalt und ich würde es sehr freundlich finden, wenn sie dies seinem Vater berichten könnten.“ Ich halte kurz inne, damit sie meinen Worten folgen kann. Immerhin steht sie unter Schock. Sie schluckt schwer.
 

„Und sagen sie ihm bitte, dass ich mich bezüglich weiterer Anweisungen, in zwei Stunden persönlich an ihn wenden werde“, fahre ich höflich fort und Wheeler sollte mir dankbar sein, dass ich mich hier ernsthaft bemühe, der Kleinen nicht zu große Angst einzujagen. Ich sehe sie erwartungsvoll an und mit einem weiteren Blick auf Wheeler nickt sie langsam. „Ja, ich... ich tue was sie verlangen, aber... bitte... tun sie Joey nichts.“
 

Zweifelsohne, sie ist eine echte Freundin. Ihre Sorge ist nicht gespielt. „Nun, das hängt davon ab, ob sie sich weiter an meine Anweisungen halten werden.“ Ihr Blick trifft meinen und ich stelle fest, dass sie genau die gleichen stechend blauen Augen hat wie Kaiba. Diese Ähnlichkeit kann Wheeler doch nicht entgangen sein, oder? Nein, man müsste schon blind sein...
 

Aber das spielt jetzt keine Rolle.
 

„Fahren sie zur Wohnung der Wheelers. Unterrichten sie seinen Vater darüber, dass ich ihn in absehbarer Zeit kontaktieren werde“, erteile ich ihr schlicht meine Anweisungen. „Keine Polizei, versteht sich. Und denken sie nicht, dass ich mich weiterhin hier aufhalten werde. Sobald sie losgefahren sind, bringe ich Wheeler junior an einen anderen Ort. Ach ja, und wenn ich um ihr Handy bitten dürfte. Wir wollen ja nicht, dass sie etwas unüberlegtes tun, oder?“
 

Sie hört mir aufmerksam zu und nickt. „Keine Polizei, sie werden Jack kontaktieren“, wiederholt sie und ich grinse zufrieden. „Braves Mädchen!“ Sie schluckt erneut und ich strecke galant meine Hand aus. Sie greift wortlos in ihre Tasche und drückt mir vorsichtig ihr Handy in die Finger. „Sie sollten sich jetzt besser in Bewegung setzen.“ Einen Moment zögert sie und Wheeler brummt irgendetwas. „Es wird alles gut werden, Joey. Ich beeile mich“, versichert sie ihm und er blinzelt. Scheint als hätte hier jemand seine Rolle begriffen.
 

Sie macht ein paar Schritte rückwärts wobei sie uns im Auge behält, dann rennt sie los und ist im nächsten Augenblick aus dem Lagerhaus verschwunden. Die Autotür wird dieses Mal energischer geknallt und sie würgt zweimal den Motor ab ehe sie ihn endlich startet.
 

„Ausgezeichnet“, befinde ich an Wheeler gewandt und lächele ihn an. „Na, das lief doch perfekt, oder? Wer weiß, vielleicht werden wir wirklich noch ein gutes Team.“
 

Er macht alles andere als einen vergnügten Eindruck und versucht irgendwas zu sagen, aber ich schüttele bedauernd den Kopf. Ich weiß natürlich, dass ihn losmachen soll. Doch ich mache keinerlei Anstalten dies zu tun. „Sorry, Kleiner, aber wie ich bereits sagte, ich gehe kein Risiko ein.“ Die großen, braunen Augen werden noch größer und wieder sehe ich Funken Entsetzen darin auflodern. Ich seufze bedauernd.
 

Dumm von ihm zu denken, ich würde ihn einfach so mit Mai weggehen lassen. Das Hündchen würde nicht einmal zwei Stunden ertragen können, Kaiba in dem Glauben zu lassen er wäre tot. Von seinem Vater, Mokuba und dem Rest der Gang ganz zu schweigen.
 

Ich ziehe ein kleines Fläschchen und eine Spritze aus meiner Tasche und ja, jetzt sieht er mich definitiv entsetzt an. Er versucht wieder etwas zu sagen und beginnt sogar an dem Stuhl zu rütteln. Ungerührt ziehe ich die Spritze auf und mache mich dann daran, den Ärmel seines Hemdes nach oben zu schieben. Er leistet natürlich Widerstand, aber so gefesselt wie er ist, bringt das nichts.
 

„Es wäre besser, wenn du dich entspannen würdest“, sage ich ernst während ich nach der richtigen Stelle suche, um die Nadel anzusetzen, und er gibt einen fast schon schrillen Laut von sich. Kurz wandert mein Blick zu der Plastikplane hinter der sich Mai befindet und stelle zufrieden fest, dass die Blondine sich nicht rührt. Gerade als ich die Nadel in seine Haut stechen will, rüttelt Wheeler erneut am Stuhl. Ich stöhne genervt auf und sehe ihm dann direkt in die Augen. „Entspann dich, Hündchen. Das ist nichts anderes als ein harmloses Beruhigungsmittel, dass dich ein paar Stunden außer Gefecht setzt. Ich kann nicht riskieren, dass du weiche Knie bekommst und meine Mission gefährdest, nur weil du Gewissensbisse hast“, erkläre ich ihm entschieden. „Kaiba hat nach wie vor mein Wort, dass dir nichts passieren wird und ich gebe dir nun mein Wort, dass ich diese Sache beenden werde. Koste es was es wolle. Und ich halte für gewöhnlich mein Wort!“
 

Einen Moment ist er wie erstarrt und sieht mich einfach nur an. Ich nutze diesen Augenblick und verabreiche ihm die Injektion. Ich sehe wie er schluckt und lege die Spritze beiseite, greife zur Werkbank und lasse das Fläschchen wieder in meiner Jacke in meiner Jacke verschwinden. Dann beuge ich mich zu Wheeler, der unwillkürlich zurückzuckt. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten?“, frage ich und es dauert ein paar Sekunden ehe er reagiert. Er blinzelt, was ich als Ja werte. „Du bist neben Ryou der liebste und treuste Kerl, der mir je begegnet ist!“, flüstere ich ihm zu und das meine ich tatsächlich ernst.
 

Und gerade deshalb, muss ich ihn ausschalten.
 

Danach wende ich mich ab und begebe mich zu Mai und Dante. Wheeler winselt hinter mir. Es wird nicht lange dauern, dann wird er friedlich schlafen.
 

Die Blondine sieht mich erwartungsvoll an. „Wir werden etwas improvisieren“, teile ich Mai mit, die zwar angespannt ist, aber keineswegs sonderlich überrascht wirkt. Sie sagt nichts und ich fahre fort. „Wheeler macht ein kleines Schläfchen. Ich schlage vor, wir bringen ihn jetzt zu dir.“ Sie zögert einen Augenblick, dann deutet sie auf Dante. „Was ist mit ihm?“, will sie wissen und ich lege in gespielt grüblerischer Manier meinen Zeigefinger auf meine Lippen. „Hm ...“ Mein Blick wandert zu Greys Gorilla. „Frei lassen können wir dich natürlich nicht, Kumpel, aber ich habe dir gesagt, heute ist dein Glückstag. Sterben musst du nicht.“ Ich sehe wie ein erleichterter Ruck durch den Körper des Mannes geht. „Allerdings...“ Ich mache einen Schritt auf ihn zu und beobachte vergnügt, wie seine Augen sich vor Schreck weiten und er beginnt den Kopf zu schütteln. „Niemand spuckt mich ungestraft an. Das zeugt von mangelndem Respekt“, erkläre ich und vernehme einen dumpfen Schrei, als ich ihm einen weiteren Finger abtrenne.
 

Mai hat scharf die Luft eingezogen und sämtliche Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen. „Dann schaffen wir mal Wheeler in deinen Wagen“, meine ich an sie gewandt. Fassungslos starrt sie mich an. „Hey, ich habe auch meinen Stolz!“, verkünde ich fröhlich. „Zudem muss man Prioritäten setzen.“

Eiseskälte

Noch bevor Alister etwas sagt, weiß ich, dass was immer aus seinem Mund kommen wird, meine Lage mit einem Schlag verändern wird. Das Gesicht des Rothaarigen spricht Bände. Angst, Entsetzen, Schmerz, Trauer, Wut... Die gesamte Bandbreite ist darin vertreten und mein Herz schlägt noch immer viel zu schnell. Mokubas ängstliche Stimme hallt in meinen Ohren wider und es bedarf all meiner Selbstbeherrschung, sie auszublenden.
 

Ich kann es mir nicht leisten, jetzt zusammenzubrechen. Ich muss funktionieren, handeln, die nächsten Schritte planen. Joey ist entführt worden und es besteht wohl kein Zweifel, wer dafür verantwortlich ist. Wie konnte ich nur so dumm sein? Hätte ich ich die Zwei doch nicht zurückfliegen lassen! Ich verwerfe diesen Gedanken schnell wieder. Es bringt nichts, wenn ich mir jetzt Vorwürfe mache. Ich muss denken, klar denken. Anders bin ich Joey keine Hilfe.
 

„Reiß dich zusammen, Seto!“, ermahne ich mich innerlich selbst. „Das ist ein Rückschlag, aber es ist nichts verloren. Mokuba hatte er auch schon in seiner Gewalt und wir konnten ihn befreien!“
 

Ich atme tief durch und will Alister gerade fragen, was passiert ist, als er seinerseits zu sprechen beginnt. „Er hat dir ein Video geschickt“, sagt der Kleine mit einer Stimme, die wie knirschendes Eis klingt. Er hört sich an als würde er jeden Augenblick zusammenbrechen, und auch wenn ich den Jüngern bislang immer als recht emotional wahrgenommen habe, erschreckt mich sein Tonfall augenblicklich doch nur noch mehr. Zudem weicht er meinem Blick aus. „Grey hat dir ein Video geschickt“, wiederholt er und ein paar Sekunden lang stehe ich einfach nur da.
 

Meine Gedanken überschlagen sich. Vielleicht hat dieser Verrückte doch irgendwie Wind davon bekommen, dass ich Quentin in meiner Gewalt habe und er hat sich deshalb Joey geschnappt. Vielleicht hatte er es von Anfang an darauf abgesehen und die ganze Geschichte um die vermeintliche Erpressung von Jack Wheeler war lediglich ein Ablenkungsmanöver?
 

„Zeig es mir!“, fordere ich Alister auf und er deute mir an, ihm zu folgen. Roland wirft mir einen besorgten Blick zu. „Alles in Ordnung, Roland. Ich habe mich wieder im Griff. Danke“, sage ich mit tonloser Stimme an ihn gewandt, bevor ich dem Jüngeren in den Nebenraum folge.
 

Alisters Laptop steht nun auf dem Esstisch in der Mitte des Raumes. Der Junge steht daneben und deutet auf den freien Platz vor dem Gerät. „Du solltest dich lieber setzen, Kaiba.“ Einen Moment sehe ich ihn abschätzend an, doch erneut weicht er meinem Blick aus. Noch immer pocht mein Herz viel zu laut und schnell. Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder. Die Mail ist noch geöffnet.
 

Rasch überfliege ich den Text.
 

„Mein lieber Seto,
 

`Den Schuldigen zu schonen, ist Grausamkeit gegen den Unschuldigen.´ - John Locke
 

Ich denke, Du wirst dieses Zitat besser verstehen können, wenn Du Dir den Anhang angesehen hast. Schade, dass ich Deine Reaktion in diesem glorreichen Moment nicht sehen kann. Aber ich werde Dich in absehbarer Zeit kontaktieren, dann können wir darüber sinnieren, wie es sich anfühlt. Ich will jedes Detail wissen. Wirst Du es mir erzählen?
 

Grey
 

PS: Jetzt herrscht Gleichstand., aber das heißt nicht, dass Du nun frei bist.
 

Ich lese die Mail drei Mal und meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ein Teil von mir fürchtet sich davor, den Anhang zu öffnen, mir anzusehen, was Alister bereits gesehen hat.
 

„Dieser kranke Bastard!“, sagt Roland, der zu meiner Rechten steht. „Entschuldigung, Sir, aber dieser Mann ist eine Bestie!“ Ich nicke stumm und meine Hand wandert zur Tastatur. Ich zögere kurz, dann bewege ich den Kursor und klicke auf den Anhang. Die Datei wird sofort geöffnet und das Video abgespielt.
 

Joey gefesselt auf einer Liege ...

Joey, der sich panisch windet, die braunen Augen weit aufgerissen...

Joey, dessen Mund mit Klebeband fixiert wurde ...

Ein Mann mit Skimaske, der sich über ihn beugt.

Ein Messer ...

Blut ...

Blut, Blut, Blut ...

...
 

Mein Herz hört für einen Moment auf zu schlagen. Ich spüre wie sich alles in mir krampfhaft zusammenzieht und sich meine Finger in die Tischplatte krallen. Vage nehme ich wahr, dass ich die Luft anhalte, während die Bilder an mir vorbeiziehen. Dann ist die Szene auch schon zu Ende. Ein krasser Schnitt und ein „Tbc“ erscheint auf schwarzem Hintergrund.
 

Für einen kurzen Augenblick setzt mein Verstand gänzlich aus und etwas in mir beginnt heiß zu brodeln. Wie Lava in einem Vulkan. Wieder habe ich das Gefühl neben mir zu stehen und mich selbst zu beobachten. Meine Hände zittern, mein Blick ist noch immer starr auf den Bildschirm gerichtet und mein Gesicht aschfahl.
 

Dann schließe ich langsam die Augen und versuche gegen dieses fürchterliche Brennen, dass immer heftiger wird, anzukämpfen. Es ist als würde es mich innerlich verzehren. Ich kann fast spüren wie es meine Organe verbrennt und Gott, dieser Schmerz ... Dieser Schmerz ist unbeschreiblich. Schlimmer als alles was ich je gefühlt habe. Wie alle Schmerzen, die ich je ertragen habe, auf einmal und noch mehr. Viel mehr.
 

Mein Verstand schreit geradezu, dieses Gefühl möge aufhören, aber es hört nicht auf.
 

„Master Kaiba“ Von weitem höre ich, dass jemand meinen Namen sagt. Ich weiß, es ist Roland, aber ich kann nicht reagieren. Ich vermag es nicht meinen Blick von dem Bildschirm zu lösen.
 

Das kann einfach nicht sein.
 

Nein, das kann nicht sein. Das was ich gesehen habe, kann – darf – nicht echt sein. Es ist ein Trick... Irgendein Trick von Grey. Joey geht es gut, er spielt nur mit mir. Ein weiteres seiner perversen kleinen Spielchen, nichts anderes. Ich schüttele energisch den Kopf, um die Bilder, die ich gerade gesehen habe, zu verdrängen. Doch es ist zu spät. Sie haben sich bereits in mich gebrannt.
 

„Das kann nicht sein“, höre ich mich selbst sagen und weiß es doch besser. „Seto.“ Roland hat seine Hand auf meine Schulter gelegt, aber ich fühle sie nicht wirklich. „Das ... es ...“ Ich schaffe es nicht, einen Satz zu formulieren und mit einem Mal verschwimmt alles vor meinen Augen. „Tränen...“, durchzuckt es mich und aus irgendeinem perfiden Grund muss ich daran denken, wann ich zum letzten Mal geweint habe.
 

Natürlich weiß ich es und ein Teil von mir erinnert sich auch daran, wie sehr ich mich dafür geschämt habe. Doch jetzt und hier, in eben diesem Moment, kümmert es mich nicht, wer mich weinen sieht. Es ist mir gleich, dass Roland mich erneut so schwach erleben muss und Alister Zeuge wird wie ich die Kontrolle verliere.
 

Dieses Gefühl ... es ist einfach zu groß ... zu überwältigend. Nichts in mir ist darauf vorbereitet. Keine meiner noch so strategisch errichteten Mauern vermögen, ihm Stand zu halten. Mokuba zu verlieren, hat sie schon fast komplett niedergerissen. Doch das hier...
 

Es ist endgültig.
 

Das wird mir mit einem Schlag bewusst.
 

Hier gibt es nichts mehr wofür ich weiter kämpfen kann. Gleichgültig welche genialen Pläne ich auch entwickele, es ändert nichts mehr. Es ist bedeutungslos ob ich Hilfe bekomme, es Menschen gibt, die mir zur Seite stehen.
 

Joey ist ...
 

Ich kann es nicht einmal denken, aber ich fühle es und mein Herz, es droht jeden Moment zu zerspringen. Ich weiß natürlich, dass dies rational betrachtet nicht passieren kann. Es kann höchstens aufhören zu schlagen und dennoch fühlt es sich in diesem Augenblick an als würde es in tausend kleine Teile zerbrechen.
 

Aber das kann doch einfach nicht sein! Es darf nicht sein! Ich werde es nicht zulassen...
 

„Master Kaiba!“
 

Roland´s energische Stimme schafft es, mich aus meinen Gedanken zu reißen und ich wende ihm automatisch den Kopf zu. Er hat seine Sonnenbrille abgenommen und sieht mich ernst und traurig an. „Ich weiß nicht, was ich sagen kann, um ihren Schmerz ...“ Er bricht ab und ich glaube Tränen in seinen Augen zu sehen. „Es tut mir so leid.“ Behutsam nimmt er meine Hände von der Tischplatte und erst jetzt sehe ich, dass sie blutig sind. Es kümmert mich nicht. Ich sehe meinem Assistenten an, dass er noch etwas sagen will, doch er scheint nicht die richtigen Worte zu finden.

Als ob es die in diesem Augenblick geben würde ...
 

„Es tut mir leid, Kaiba“, höre ich Alister sagen und er schnieft.
 

„Wenn ich irgendetwas tun kann...“ Noch nie hat Roland so hilflos geklungen. Mein Blick wandert zurück zu dem Bildschirm und bevor ich weiß was ich tue, spiele ich das Video ein weiteres Mal ab. „Master Kaiba, sie sollten sich das nicht antun“, meint Roland unsicher und fast rechne ich damit, dass er den Laptop zuklappt, aber er tut es nicht und ich starre mit fest zusammengepressten Lippen auf den Bildschirm.
 

Vielleicht gibt es doch einen Hinweis auf irgendeinen Trick? Vielleicht habe ich etwas übersehen? Irgendeine Kleinigkeit...
 

Ich bemühe mich mit aller Kraft, Joey´s Gesicht auszublenden und stattdessen auf alles weitere zu achten. Die Umgebung, die maskierte Gestalt, irgendetwas, dass mir sagen könnte, dass dieses Video ein Fake ist. Ich muss logisch denken. Es ist wichtig, dass ich alles genau analysiere. Ich darf mich nicht von meinen Gefühlen beherrschen lassen. Grey will schließlich genau das. Oder nicht? Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher was ich glauben oder denken soll. Meine Augen wandern über den Bildschirm und mit einem Schlag erstarrt dieses lodernde Feuer in mir zu Eis.
 

Ich keuche auf und rücke entsetzt mit dem Stuhl ein Stück zurück. „Bakura!“, entfährt es mir und ich starre fassungslos auf die maskierte Gestalt.
 

Nein, das kann einfach nicht ...
 

Aber es besteht nicht der geringste Zweifel. Es ist der Dieb, der sich mit einem Messer über Joey beugt. Ich kenne Bakura genau - seine Haltung, seine Bewegungen.
 

Ich wende mich an Alister und ein Teil von mir hofft, betet, fleht, dass seine Augen meinen Verdacht nicht bestätigen. Der Rothaarige kaut unruhig auf seiner Unterlippe und sein Blick sagt alles. Scharf ziehe ich die Luft ein und plötzlich ist alles in mir und um mich von Eiseskälte erfüllt.
 

„Ich verstehe das nicht“, vernehme ich Alister´s Stimme. Er klingt so fassungslos und gebrochen, wie ich mich fühle. Sämtliche Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen und seine Augen mit Tränen gefüllt. „Warum würde Kura...“ Er kommt nicht weiter, seine Stimme versagt und im nächsten Augenblick sehe ich wie er in die Knie geht. „Ryou“, ist alles was ich sagen kann. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
 

Oder doch?
 

Ich will nicht darüber nachdenken. Ich kann es nicht. Der Gedanke, dass Bakura mich verraten hat, dass er mir Joey genommen hat ... Eines davon ist schon zu viel. Der Dieb muss einen Grund haben und es kann sich dabei nur um Ryou handeln.
 

Aber was ändert das etwas?
 

Ich schließe für einen Moment die Augen, atme tief durch und versuche mich zu sammeln. Zum ersten Mal in meinem Leben schaffe ich es nicht, meine Emotionen gänzlich bei Seite zu schieben. Es sind einfach zu viele.
 

„Trinken sie das, Master Kaiba“, fordert Roland mich auf und drückt mir ein Glas in die Hand. Einen kurzen Augenblick sehe ich ihn verständnislos an. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er sich entfernt hatte. Dann nicke ich leicht und leere das Glas in einem Zuge. Die Flüssigkeit brennt in meiner Kehle, aber sie schafft es einen Teil der Kälte in mir für einen Moment zu verdrängen.
 

Bakura hat mich... Er hat Joey getötet. Das Warum spielt keine Rolle. Joey ist tot. Dessen bin ich mir sicher. Ich weiß, wie Bakura arbeitet und Grey hat es selbst bestätigt.
 

„Was werden sie jetzt tun?“ Roland beobachtet mich mit einer Mischung aus Sorge und Furcht und ich wünschte ich wüsste es. Gleichgültig was ich auch unternehme, es wird Joey nicht mehr lebendig machen. Aber noch habe die Möglichkeit, Grey büßen zu lassen. Womit ich mich auf seine Ebene begebe. Ist es das, was er von Anfang an wollte? Ich gebe mir einen Ruck und halte Roland das Glas hin. Er versteht sofort und schenkt mir erneut ein.
 

Wenn ich meine Emotionen schon nicht verdrängen kann, dann werde ich mich auf meine Wut konzentrieren, beschließe ich während ich das zweite Glas leere. Danach werde ich trauern, aber zuerst wird Grey bekommen, was er verdient.
 

Und noch viel mehr.
 

„Und was ist mit dem Dieb?“, fragt eine Stimme in meinem Kopf.

Laudatio

Als ich langsam wieder zu mir komme, brauche ich einen Moment, bis mir klar wird, dass ich mich nicht mehr in dem Lagerhaus befinde. Ich liege auf einem Bett und erst als ich mich aufrichten will, um mich umzusehen, bemerke ich, dass ich noch immer gefesselt bin. Meine rechte Hand wurde mit Handschellen am Bettpfosten festgemacht.
 

„Bakura ...“, fluche ich und weiß, dass es nichts bringen wird, an dem Ding zu rütteln. Der Dieb benutzt sicher keine 08/15 Karnevalshandschellen. Doch wohin hat er mich gebracht? Ich sehe mich in dem Raum, in welchem ich mich befinde, um. Ein Hotelzimmer ist es mit Sicherheit nicht. Dafür hat der Raum eine zu intensive persönliche Note. Die Einrichtung ist schlicht, aber sehr stilvoll. Etwas zu modern für meinen Geschmack, aber im Grunde sehr angenehm. Das Bett hat ein weißes Gestell und nichts an seinem Bezug verrät, um was für einen Menschen es sich handelt, der hier lebt. Die Bettwäsche ist einfach nur schwarz und stellt einen hübschen Kontrast zu den ansonsten weißen Möbeln im Raum da. Ein paar modernere Kunstdrucke, ebenfalls in schwarzweiß hängen an den Wänden.
 

Auf einer Anrichte stehen frische weiße Lilien und ein paar geometrische Kästchen. Zwei kleine Sessel, eine Stehlampe und ein Kleiderschrank mit riesigem Spiegel vervollständigen die Ausstattung. Neben einem der Stühle stehen Damenschuhe. High Heels. Ich seufze unwillkürlich. Wie es aussieht, befinde ich mich in Mais Wohnung. Wo sonst hätte der Dieb mich auch hinbringen sollen?
 

Vermutlich war es von Anfang an Bakuras Plan gewesen, mich außer Gefecht zu setzen und bei Mai festzusetzen. Allerdings frage ich mich insgeheim, wie er die Blondine dazu gebracht hat, ihm zu helfen. Mein Blick wandert zu der Uhr auf dem Nachtisch und ich erstarre. Scheinbar war ich mehrere Stunden außer Gefecht und Bakura ist sicherlich schon über alle Berge. Ich lasse mich zurück in die Kissen sinken und starre an die Decke.
 

Ob Kaiba schon von meinem angeblichen Ableben erfahren hat? Mit Sicherheit. Bakura wollte schließlich keine Zeit verlieren. Für einen Moment schließe ich die Augen und verdränge, das Bild von Seto, dass vor meinem inneren Auge aufsteigen will, mit aller Macht. Ich will nicht darüber nachdenken, wie es ihm in diesem Moment geht. Denn wenn ich das tue, dann werde ich verrückt.
 

„Hey“, vernehme ich plötzlich eine vertraute Stimme. Ich hatte nicht bemerkt, wie die Tür geöffnet wurde. Ich öffne meine Augen wieder und ja, Mai steht vor mir. Sie hält zwei Gläser und eine Flasche in der Hand. „Wie fühlst du dich?“, will sie besorgt wissen. Ich verziehe spöttisch den Mund. „Wie soll ich mich fühlen? Ich wurde in den letzten Stunden zweimal gekidnappt, gefoltert, betäubt und jetzt bin ich schon wieder gefesselt worden“, entgegne ich ungehalten und setze mich im Bett auf. „Also geht es dir soweit gut“, bemerkt sie trocken und reicht mir eines der Gläser. Grazil lässt sie sich neben mir auf dem Bett nieder und schraubt die Flasche, die sie mitgebracht hat, auf. Ohne mich anzusehen, schenkt sie mir ein und füllt dann auch ihr Glas.
 

„Ich würde ja sagen, lass uns auf unser Wiedersehen anstoßen, aber damit warten wir besser, bis die Lage sich wieder entspannt hat und es auch tatsächlich einen Grund zum feiern gibt“, meint sie und nimmt einen großen Schluck.
 

Ich lache freudlos auf. „Ja, ich denke auch, dass das warten kann“, entgegne ich und nippe ebenfalls an meinem Glas. Whiskey. Ein sehr Guter.
 

„Er ist bereits weg, oder?“, frage ich, obwohl ich die Antwort bereits kenne. Mai nickt. „Ja, er müsste sogar schon bald ankommen“, entgegnet sie und ich schüttele leicht den Kopf. „Dieser verfluchte Bakura!“, entfährt es mir wütend. „Und du hilfst ihm auch noch.“ Sie hält meinem Blick ruhig stand.
 

„Seine Erläuterungen klangen plausibel“, entgegnet sie zu meiner Überraschung und leert ihr Glas in einem Zuge. Ich sehe sie fragend an. Sie greift wieder zu der Flasche und schenkt uns beiden wortlos nach. „Ganz ehrlich, als Duke anrief, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Er hat mir auch nicht wirklich etwas erzählt, aber es war klar, dass diese Angelegenheit wichtig ist“, meint sie erstaunlich gelassen. „Wobei wichtig wohl die Untertreibung des Jahrhunderts ist, angesichts der jüngsten Entwicklungen, oder?“
 

Sie lacht kurz auf und schüttelt dann den Kopf. „Ich hatte ja immer damit gerechnet, zumindest den einen oder anderen aus der alten Gang wiederzusehen, aber unter diesen Umständen? Selbst nach allem was ich mit euch Jungs schon erlebt habe, die Sache hier sprengt wirklich den Rahmen.“ Sie nimmt erneut einen Schluck und sieht mir dann direkt in die Augen.
 

„Das erklärt nicht, warum du Bakura hilfst“, merke ich an und spüre, dass meine Wut längst wieder verflogen ist. Mai kann schließlich nur bedingt etwas für meine Lage. „Weil er recht hat“, erklärt sie und lacht erneut. „Wer hätte gedacht, dass ich so etwas mal über Bakura sagen würde, was? Aber so ist es, Joey. Er hat Recht.“
 

„Ach ja? Denkst du wirklich ich wäre so blöd, dass ich den ganzen Plan gefährden würde, nur weil ich es nicht aushalten könnte, Kaiba in dem Glauben zu lassen, ich wäre tot?“, zische ich sie ungehalten an. „Ich habe den Plan schon verstanden, keine Sorge und genau wie Bakura will ich, dass diese Sache endlich ein Ende hat. Sicher, der Gedanke, dass Seto ...“ Ich beende den Satz nicht, sondern seufze, denn ich will nicht daran denken. Wenn ich daran denke, dann stelle ich mir vor wie es ihm gerade geht und wenn ich das tue...
 

„Siehst du. Genau das ist der springende Punkt, Joey. Aber das heißt nicht, dass du blöd wärst, sondern nur, dass du ein gutes Herz hast,“ erwidert Mai ernst. „Und dass du ihn liebst.“ Bei ihren letzten Worten sieht sie mir direkt in die Augen und ich habe den Eindruck, dass sie meine Reaktion prüfen will.
 

Unwillkürlich muss ich daran denken, dass ich ihr über diese Entwicklung nicht wirklich etwas berichtet habe, doch ich vermute stark, dass es dem Dieb ein Vergnügen war, diesen Punkt zu übernehmen.
 

„Ja“, entgegne ich schlicht, auf die nicht gestellte Frage und halte ihrem Blick dabei stand. Was auch immer sie denken mag, es ist ihr nicht anzusehen. Für einen kurzen Augenblick sehen wir uns einfach nur an und ich erinnere mich an den Tag, an dem ich sie kennengelernt habe. Ob sie auch daran denkt? An unsere gemeinsame Zeit mit Yugi, Tea und den anderen?
 

„Wer hätte das gedacht, was? Seto Kaiba und Kats- Joey Wheeler. Wenn man mich damals gefragt hätte, ich hätte mir nur zwei zukünftige Szenarien für euch vorstellen können“, meint sie und lacht. „Und welche?“, frage ich neugierig und bin ehrlich gespannt darauf, was sie meint.
 

Sie zuckt leicht mit den Schultern. „Na ja, zum einen, dass du ihn im Affekt oder besser gesagt in einem deiner aufbrausenden Momente kalt machst oder dass er dich lebenslang hinter Gitter bringt“, antwortet sie amüsiert und ich kann nicht umhin zu lachen. „Ja, eine Zeitlang hätte ich dir da sogar zugestimmt“, entgegne ich grinsend. „Wir waren uns schließlich nicht unbedingt grüne.“
 

Mai reißt die schönen Augen auf. „Nicht grüne? Ihr konntet euch nicht auf zehn Meter nähern, ohne dass ihr verbal miteinander den Boden gewischt habt“, widerspricht sie ebenfalls grinsend und ich nicke. „Ja, so könnte man es auch ausdrücken“, gebe ich zu und muss unwillkürlich an die unzähligen Gelegenheiten denken, bei denen Kaiba und ich einander verbal die Kutte ausgeschlagen haben. Meistens war ich derjenige, der dabei den Kürzeren zog.
 

„Weißt du noch, wie er sich damals angestellt hat, vor dem BattleCityTurnier?“, fragt sie plötzlich und ich nicke. „Natürlich erinnere ich mich daran. Das war schon eine verrückte Zeit“, entgegne ich und wir beide lachen. „Aber nichts im Vergleich zu der aktuellen Nummer“, meine ich dann und werde schlagartig wieder ernst. „Wirst du mich jetzt losmachen, Mai?“
 

Die Frage überrascht sie nicht. Einen Moment sieht sie mich abschätzend an. Dann schüttelt sie den Kopf. „Tut mir leid, Joey, aber das kann ich nicht.“ Ihr Blick wandert zu der Uhr auf dem Nachttischschrank. „Nicht vor morgen Abend zumindest.“ Ich stöhne laut auf. „Verdammt, Mai, ich werde ihn nicht kontaktieren. Ich verspreche es. Ich werde mit niemandem Kontakt aufnehmen“, versichere ich ihr eindringlich und kann ihr ansehen, dass sie mit sich hadert. Bakura hat ihr sicherlich eindeutige Anweisungen gegeben, aber der Dieb ist nicht hier und ich denke auch keineswegs daran, seine Mission zu gefährden.
 

„Mai...“
 

Sie schüttelt erneut den Kopf. „Glaub mir, ich würde gerne und ich glaube dir auch, aber ich kenne dich. Du magst jetzt sicher sein, dass du es durchhältst, dich nicht bei ihm zu melden, aber bis Bakura Entwarnung gibt, ist noch eine lange Zeit und in Hinblick auf deine Gefühle für Kaiba … Tut mir leid“, erklärt sie betrübt und ich weiß, dass es keinen Sinn hat, sie jetzt weiter zu drängen. Vielleicht ist es sogar besser so, wer weiß? Ich seufze resignierend und spüre dann ihre Hand auf meiner.
 

„Es wird schon alles gut gehen, Joey. Ich weiß, Bakura ist normalerweise nicht gerade der Typ, auf den man sich verlassen kann, aber bei dieser Angelegenheit kann man ihm wie es scheint vertrauen“, meint sie aufrichtig. „Und er würde auf keinen Fall Ryous Leben riskieren. Du weißt, wie wichtig der Kleine ihm ist, auch wenn er eine merkwürdige Art hat, es zu zeigen und na ja, wenn es nach Duke geht, dann hat der verrückte Dieb auch noch eine ganz andere Seite. Zudem hat er gesagt, dass Kaiba sein Wort hat und was hätte er auch davon, uns alle zu hintergehen?“

Ich nicke widerwillig.
 

Im Grunde weiß ich, dass sie recht hat. Bakura hat schließlich auch mir sein Wort gegeben und ich zweifle nicht daran, dass er alles in seiner Macht stehende tun wird, um Grey auszuschalten. Alleine schon wegen Ryou, aber auch für Kaiba. Unwillkürlich verspüre ich einen Stich und mein Magen zieht sich zusammen.
 

„Kaiba hat nach wie vor mein Wort, dass dir nichts passieren wird und ich gebe dir nun mein Wort, dass ich diese Sache beenden werde. Koste es was es wolle. Und ich halte für gewöhnlich mein Wort!“, höre ich den Dieb wieder sagen und sein Blick bei diesen Worten hatte Bände gesprochen. „Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Du bist neben Ryou der liebste und treuste Kerl, der mir je begegnet ist!“
 

Nach wie vor weiß ich nicht, was ich von dieser Aussage halten soll, nein, eigentlich frage ich mich vielmehr, warum er diese Worte zu mir gesagt hat. Schließlich hat er mir seine Abneigung die ganze Zeit über mehr als deutlich gezeigt und die Tatsache, dass er eindeutig Gefühle für Kaiba hat, dürfte ebenfalls keineswegs dazu beitragen, dass er mich mag. Also warum hat er das gesagt? Bakura sagt schließlich nichts ohne Grund.
 

„Er steht auf Seto, weißt du.“ Ich bin mir nicht sicher, warum ich ihr das sage. Ja, ich weiß es wirklich nicht. Mai wirkt jedoch keineswegs überrascht. Sie nickt nur und meint: „Dachte ich mir schon irgendwie. Ich meine, es ist klar, dass er sich wegen Ryou so reinhängt, aber er ist ja nicht erst jetzt mit ihm Boot, oder? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hilft er Kaiba schon die ganze Zeit.“ Ich nicke.
 

Sie drückt kurz meine Hand. „Ein Grund mehr, ihm zu vertrauen. So verrückt das auch klingt.“ Ich verziehe leicht den Mund und will gerade etwas erwidern, als ich das Klingeln eines Handys vernehme. Mai wirkt sichtlich überrascht, scheinbar hatte sie mit keinem Anruf gerechnet und sofort schlägt mir das Herz bis zum Hals. Was, wenn es Bakura ist? Wenn irgendetwas schief gelaufen ist? Wenn...
 

Mai hat sich bereits erhoben und ist in den Nebenraum gegangen. Ich halte gebannt den Atem an, als sie sich mit einem knappen „Ja?“ meldet. Ihr Stimme klingt angespannt. Vermutlich sind ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen wie mir. Ich lausche und atme erleichtert auf, als Mai es ebenfalls tut.
 

„Duke!“, höre ich sie erleichtert und erstaunt zugleich sagen. „Was kann ich für dich tun?“
 

Für einen Moment herrscht Stille und ich frage mich nervös, was Duke wohl von ihr will. Ob der Schwarzhaarige etwas von Bakura gehört hat? Gar weiß, was dieser vorhat? Meine Nerven sind bis zum zerreißen gespannt und die Unruhe in mir wächst mit jeder Sekunde.
 

Ich muss an mir halten, um mich zu konzentriere, damit ich höre, was Mai sagt. Nach Dukes Worten hat sie scharf die Luft eingezogen. Ich schließe unwillkürlich die Augen. „Was? Das kann doch nicht wahr sein? Warum sollte er so etwas tun?“, vernehme ich Mais Stimme und schlucke hart. Ob sie von Kaiba redet? Mai klingt zumindest überrascht. „Nein, hat er nicht. Er wollte, dass ich ihm ein paar Programme erkläre, aber wozu hat er nicht gesagt. Und du bist dir wirklich sicher?“

Programme? Ich verstehe nur Bahnhof. Von wem verflucht redet sie? Bakura? Es muss sich um den Dieb handeln. Duke war es doch, der Mai geschickt hat, um Bakura zu assistieren.
 

„Wie geht es ihm?“, fragt sie und kann damit nur Kaiba meinen. Ich habe das Gefühl, mein Herz hört für einen Moment auf zu schlagen. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. „Was wollt ihr jetzt machen?“, will Mai wissen und zweimal vernehme ich ein leises, nachdenkliches „Hm“.
 

„Natürlich, Duke, und halt mich bitte auf dem Laufenden, ja?“ Damit ist das Gespräch offensichtlich beendet und ich kann es kaum erwarten, zu erfahren was Duke wollte. Es dauert jedoch einen Moment bis Mai zurückkommt. Sie ist eine Spur blasser als zuvor und weicht meinem Blick im ersten Augenblick auch aus. Wortlos setzt sie sich wieder zu mir, greift nach der Flasche und schenkt uns beiden nach. Ich sehe sie erwartungsvoll an. „Trink“, meint sie und drückt mir das Glas in die freie Hand. „Er weiß es.“ Sie nickt und leert ihr Glas in einem Zuge. Ich zögere einen Moment, dann tue ich es ihr gleich und Mai schenkt sofort wieder nach.
 

„Alister hat Duke angerufen. Kaiba hat den ersten Teil des Videos bekommen“, erzählt sie mir mit ernster Miene und ich seufze. „Alister ist ziemlich fertig. Sie haben Bakura erkannt.“
 

„Was ist mit Seto?“, frage ich mit tonloser Stimme. „Was denkst du denn?“, entgegnet sie. „Laut Alister steht er knapp vor einem Nervenzusammenbruch und ist wild entschlossen diesen Grey persönlich zu töten. Er hat irgendjemanden zusammengeschlagen.“, berichtet sie dann weiter und ich schlucke schwer. „Wen?“, will ich entsetzt wissen. Sie zuckt mit den Schultern. „Irgendeinen von Greys Handlangern. Er muss total ausgetickt sein. Roland und Odeon mussten ihn stoppen.“
 

Ich sehe die Szene direkt vor mir … Nur zu gut, erinnere ich mich, wie er den Entführern von Mokuba gedroht hat. Ein Glück, dass er nicht alleine ist. Roland ist ein besonnener Mann und weiß stets was zu tun ist. Und auch auf Odeon ist Verlass. Trotzdem behagt mir das Ganze gar nicht. Allein die Tatsache, dass Kaiba so die Kontrolle über sich verliert... Kaiba verlor nie die Kontrolle.
 

„Duke ist auch ziemlich mitgenommen. Er kann nicht fassen, dass du... und dass Bakura es getan hat. Er wollte wissen, ob er mir etwas gesagt hat. Irgendwas. Ich konnte natürlich nicht sagen, dass ich von dem Video weiß“, berichtet Mai weiter. Sie seufzt und nippt an ihrem Glas. „Was ist mit Mokuba?“ Meine Stimme ist nur noch ein Krächzen. Ich habe das Gefühl, dass mir das Herz in der Brust jeden Augenblick zerspringt. „Er weiß noch nichts.“ Ein Teil von mir ist erleichtert. Dann weiß auch mein Vater noch nicht Bescheid. Oh Gott, Jack... Wie lange habe ich nichts mehr von ihm gehört?
 

Ich hätte nie zulassen dürfen, dass der Dieb diese Nummer abzieht.
 

Was, wenn die Dinge sich nicht so entwickelten, wie Bakura sie geplant hat? Wenn er irgendeine Komponente falsch einschätzt?
 

Nein, ich hätte nie zulassen dürfen, dass es so weit kam.

„Joey!“ Mais Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Ich weiß, dass das hart ist. Glaub mir, ich verstehe dich. Denk nicht, es war leicht mit Duke zu reden und ihn in dem Glauben zu lassen, du wärst tot und Bakura ein Verräter. Aber das ist der Preis, den du zahlen musst. Den wir alle zahlen müssen, wenn wir wollen, dass die Sache ein Ende findet“, sagt sie mit eindringlicher Stimme und sieht mir dabei direkt in die Augen. „Es ist nur eine Frage von Stunden, wenn alles gut läuft, Joey.“
 

„Wenn!“, rufe ich verzweifelt und Mai packt mich unsanft am Arm.
 

„Du musst darauf vertrauen, Katsuya! Also reiß dich zusammen!“, fährt sie mich an. „Du lebst noch und wenn ich diese ganze Sache richtig verstanden habe, dann verdankst du das in erster Linie Bakura. Er hätte dich genauso gut wirklich kalt machen können, oder? Er hat es nicht getan, stattdessen riskiert er seinen Arsch für euch alle. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ Ihre Augen schleudern für einen kurzen Augenblick Blitze und ihr Griff um meinen Arm ist so fest, dass es sogar zu schmerzen beginnt. „Er begibt sich in die Höhle des Löwen für euch und du hast selbst gesagt, dass dieser Grey ein gefährlicher Irrer ist, nicht wahr?“ Ich nicke benommen.
 

„Wenn dieser verrückte Dieb den Mumm hat, diese Nummer durchzuziehen, dann erwarte ich auch von dir, dass du die Eier hast, die nächsten Stunden zu ertragen“, meint sie hart. „Du hast gesagt, er steht auf Kaiba. Denkst du, es macht ihm dann Spaß, wenn dieser ihn für einen Verräter hält? Oder Duke? Alister? Kaiba wird nichts passieren, darauf werden die anderen schon achtgeben. Du würdest also gut daran tun, Bakura die Daumen zu drücken!“

Ersticktes Matt (Roland)

Alister beendet sein Telefonat mit tonloser Stimme und blickt zu Master Kaiba, dessen Miene sich zu einer eisigen Maske verhärtet hat, was mich mit Sorge erfüllt. Der Rothaarige schüttelt den Kopf und macht den Eindruck, dass er jeden Augenblick in Tränen ausbrechen wird. Mein junger Herr zuckt nicht einmal mit der Wimper. Lediglich seine fest aufeinander gepressten Lippen zeugen von seiner Anspannung.
 

Auch als Alister zu reden beginnt, verändert sich Master Kaibas Miene nicht ein bisschen. Mit kalten, fast leeren Augen hört er dem Jungen zu, dessen Stimme mit jedem Wort mehr zittert und bebt.
 

„Duke sagt, dass Bakura einen Plan hatte und Wheeler das letzte Mal, als er mit ihm sprach, wohlauf war. Laut Kura.“
 

Ich sehe deutlich, dass Master Kaibas Verstand auf Hochtouren arbeitet. Seine Miene mag nichts verraten, aber ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass seine Gedanken sich gerade überschlagen, nur habe ich dieses Mal keinerlei Ahnung, in welche Richtung er denken könnte.
 

Und dieses Mal mache ich mir ernsthafte Sorgen, um seinen Zustand. Seit er sich von dem Laptop entfernt und erhoben hat, hat er kein Wort gesprochen. Zuvor hatte er dem Rothaarigen nur aufgetragen, Duke Devlin anzurufen, den Blick noch immer starr auf den Bildschirm gerichtet.
 

Auch jetzt erwidert er nichts auf Alisters Mitteilung. Er steht einfach nur da. Den Körper bis zum bersten gespannt, und obgleich er den Rothaarigen ansieht, bin ich sicher, dass er im Grund durch ihn hindurchblickt. Der kleine Freund des Diebes wirft mir einen unsicheren Blick zu und wirkt dabei genauso hilflos, wie ich mich augenblicklich fühle. Ich kann nur erahnen, was in Master Kaiba vorgeht.
 

Wie ich ihn kenne, bemüht er sich, alle in ihm tobenden Emotionen auszublenden, doch ein Teil von mir wünschte, er würde schreien oder in Tränen ausbrechen. Irgendeine Emotion zeigen. Ich vermute, dem Rothaarigen geht es ähnlich. Ihm stehen die Tränen bereits in den Augen. Ich sehe wie, er schluckt. Ich spüre, wie sich mir der Magen zusammenzieht. Noch immer kann ich nicht fassen, was ich in dem Video gesehen habe. Etwas in mir will es nicht wahr haben, auch wenn ich weiß, dass ich meinen eigenen Augen trauen kann.
 

Ich denke an den blonden, jungen Mann mit den warmen Augen, stets ein kleines Grinsen auf den Lippen und ein Kloß steckt mir im Hals.
 

Gerade als wir dachten, dass wir die Oberhand hätten … Wie konnte das nur passieren?
 

Ich weiß, dass ich etwas sagen sollte, dass ich für Master Kaiba da sein müsste, doch ich wage es nicht einmal, mich ihm zu nähern. Hilflos blicke ich auf meine Hände, als sich die Tür öffnet und Odeon den Raum betritt. Dem Ägypter scheint das bleierne Schweigen, das im Raum herrscht, und die angespannte Stimmung nicht zu entgehen. Fragend richtet sich mein Blick auf mich und ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch meine Stimme versagt. Ich gebe ein tonloses Krächzen von mir und Odeon reißt die Augen besorgt auf.
 

Erst beim zweiten Versuch schaffe ich es, etwas zu sagen.
 

„Master Joey...“ Meine Stimme bebt nun wie die von Alister. „Er ist ...“ Ich schaffe es nicht das Wort auszusprechen, aber der Ägypter scheint auch so zu verstehen. Vermutlich kann er die Wahrheit nur zu deutlich in meinem Gesicht lesen. Er starrt mich fassungslos an, dann wandert sein Blick voller Schmerz zu Master Kaiba.
 

Jetzt erst bemerke ich, dass er sich ein weiteres Glas eingeschenkt hat und es in einem Zuge herunterstürzt, dann wendet er sich ohne ein Wort um und hastet an Odeon vorbei. Ich sehe ihm kurz nach, dann gebe ich mir einen Ruck und setze mich ebenfalls in Bewegung. Mein Herz schlägt ein paar Takte zu schnell. Ich ahne wohin er will oder besser zu wem.
 

Und ich täusche mich nicht.
 

Er ist zurückgekehrt zu unserem Gefangen, der wie ich gerade noch sehe, ruhig da sitzt. Doch als Master Kaiba auf ihn zu stürmt, weiten sich die Augen von Greys Handlanger und er versucht scheinbar instinktiv zurückzuweichen. Aber zu spät. Master Kaiba hat ihn bereits am Kragen gepackt und hoch gerissen.
 

„Wo steckt er?“, zischt er diesen Quentin an und seine Stimme jagt mir einen Schauder über den Rücken. Die Geisel antwortet nicht, stattdessen scheint der Mann die Züge seines Gegenübers zu studieren.
 

„Er hat ihn also?“, will er dann mit emotionsloser Stimme wissen. Der Firmenchef antwortet ihm nicht, er packt lediglich den Kopf des Gefangenen und drückt ihn auf die Tischplatte vor sich. „WO IST ER?“ Ich zucke unwillkürlich zusammen und halte in meiner Bewegung inne. Odeon kommt hinter mir zum stehen. Besorgt beobachte ich Master Kaibas Miene und muss hart schlucken, als ich seine Augen betrachte.
 

Für einen kurzen Augenblick muss ich an meinen ehemaligen Arbeitgeber denken und ich habe das Gefühl, dass sich meine Organe langsam und schmerzhaft verknoten.
 

Quentin antwortet noch immer nicht, mit stoischer Miene sieht er den jungen Mann an, der sich voller Wut über ihn beugt. Vage nehme ich wahr, dass Master Kaibas Finger zittern und dann schleudert er den Mann von sich. Der Gefangene prallt gegen die Wand, schafft es jedoch sich auf den Beinen zu halten. Doch dann trifft ihn Master Kaibas Faust und er keucht laut auf. „WO IST ER?“
 

Erneut schlägt der junge Mann, den ich noch nie so gesehen habe, auf den anderen ein. Blut spritzt und ich will einen Satz auf die Beiden zumachen, als Odion mich am Arm packt und festhält. Fragend sehe ich den Ägypter an, doch er schüttelt nur den Kopf.
 

„Sag es mir oder ich schwöre dir, du stirbst hier und jetzt!“, zischt Seto Kaiba den Mann an, dessen Gesicht nun alles andere als stoisch ist. Blut läuft aus seiner Nase und ein Augenlid beginnt bereits anzuschwellen. Quentin hustet und spuckt Blut und ich halte gebannt den Atem an.
 

Warum spricht er nicht endlich?

„Was macht das noch für einen Sinn?“, höre ich Quentin nach einer Ewigkeit fragen und wieder trifft ihn Master Kaibas Faust. Dieses Mal kann der Brite sich jedoch nicht mehr auf den Beinen halten. Er sinkt langsam zu Boden. „WO IST ER?“
 

Seine Stimme ist jetzt nur noch ein animalisches Brüllen. Nichts an ihr erinnert an den unterkühlten jungen Mann, der stets bemüht war, seine Emotionen im Zaum zu halten. Abgrundtiefer Hass und unbändige Wut schwingen in ihr mit und ich ziehe scharf die Luft ein. Noch immer hält Odeon mich fest, allerdings hat der Druck auf einen Arm nachgelassen.
 

„Wir müssen was tun!“, sage ich an den Ägypter gewandt, doch erneut schüttelt er den Kopf. „Noch nicht, mein Freund“, entgegnet er ernst und traurig zugleich. „Er wird seine Wut nicht überwinden können, wenn er sie nicht herauslassen darf.“ Verständnislos sehe ich den Mann neben mir an, der emotionslos das Geschehen beobachtet.
 

„... wirst du … wie er …“, vernehme ich Quentin und schlucke angesichts des Wehmut, der in seiner Stimme mitschwingt. Beim nächsten Schlag, glaube ich, den Kiefer brechen zu hören und Quentin gibt einen gurgelnden Laut von sich. Wieder holt mein Herr aus und schlägt zu. Er ist nun ein blinder Berserker, der auf sein Opfer einprügelt und mir zerreißt es fast das Herz, als ich seine Augen sehe. Tränen strömen über seine Wangen und ich bezweifle stark, dass er Quentin überhaupt noch klar zu erkennen vermag. Nicht länger stellt er stoisch die gleiche Frage. Stattdessen verflucht er den Mann mit Ausdrücken, die ich zuvor nie aus seinem Mund gehört habe.
 

Aber aus dem von Master Wheeler in jungen Jahren.
 

Nun spüre ich, dass auch mir die Tränen über die Wangen laufen und reiße mich von Odeon los. „Master Kaiba!“, rufe ich und versuche den jungen Mann zu packen, aber besinnungslos schlägt er weiter auf den Mann vor ihm ein und scheint mit einem Mal die Kraft von zehn Männern zu haben.
 

Am Rande nehme ich wahr, dass Quentins Gesicht nicht nur blutüberströmt ist, es ist buchstäblich Brei und ich bin erleichtert, als der Gefangene einen Laut von sich gibt. Verzweifelt versuche ich Master Kaiba zurückzuziehen, doch erst als mir Odeon zur Hilfe eilt, schaffen wir es gemeinsam, ihn von seinem Opfer zu trennen. Noch immer versucht er um sich zu schlagen, doch wir halten ihn eisern fest.
 

Und dann …
 

Ganz plötzlich geht ein Ruck durch seinen Körper und seine Beine scheinen nachzugeben. Er gleitet uns förmlich aus den Händen und sinkt zu Boden.
 

Bestürzt sehe ich Seto Kaiba auf allen Vieren knien, die Hände voller Blut. Er weint, seine Schultern zucken und ich blicke hilflos zu Odeon. Der Ägypter bedenkt den jungen Mann am Boden mit einem traurigen Blick und ich habe das Gefühl, dass es mir das Herz nicht nur zerreißt, sondern dass es in unzählige kleine Stücke zerbricht. Nie zuvor habe ich meinen Herrn so gesehen und ich weiß besser als jeder andere, was er durchmachen musste. Selbst als Master Mokuba von uns genommen wurde und ich ihn zum ersten Mal weinen sah, war das nichts im Vergleich zu dem, was ich jetzt sehe.
 

Ich gehe automatisch in die Knie und ziehe ihn an mich. Zuerst rechne ich mit seiner Gegenwehr, doch ich spüre nur, dass er in meinen Armen weiter zittert und dann krallen sich die blutigen Finger in meinen Anzug. Heiße Tränen durchdringen mein Hemd und ich schließe unwillkürlich die Augen.
 

Wie gerne würde ich ihm sagen, dass alles gut werden wird, doch ich kann nicht lügen. Er würde es auch nicht wollen.
 

„Seto“, sage ich nur und ziehe ihn mit mir auf die Beine. Er lässt es geschehen und für einen kurzen Augenblick halte ich ihn wie eine Puppe in meinen Armen. Odeon nickt mir zu und gemeinsam führen wir ihn aus dem Raum. Während ich ihn weiter in das kleine Wohnzimmer führe, schließt der Ägypter hinter uns die Tür.
 

Ich begegne Alisters entsetztem Blick, als ich Master Kaiba behutsam auf den Diwan setze. Als ich neben ihm niederknie und seinen Blick seinen trifft, ist es wie ein Dolchstoß ins Herz. Diese unglaublich blauen Augen, die alles sein konnten von eiskalt bis liebevoll, sind nun leer. So unendlich leer, dass es mir den Atem verschlägt.
 

„Ich werde dafür sorgen, Seto, dass dieses Schwein bekommt, was er verdient“, sage ich zu ihm und nun bin ich es, der wütend wird. „Ich schwöre es dir, Seto.“ Für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, dass er meiner Stimme zu folgen vermag. Dann wende ich mich an Odeon. „Er braucht etwas zur Beruhigung“, erkläre ich entschieden. Der Ägypter nickt und will gerade antworten, als Alister das Wort ergreift. „Ich kümmere mich darum“, meint der Junge und ich nicke ihm knapp zu. Mein Herzschlag geht inzwischen so schnell, dass ich befürchte, dass das Organ es bald nicht mehr verkraften wird. „Bleib bei ihm“, sage ich zu meinem Freund und Odeon sieht mich fragend an. „Und was wirst du tun?“
 

Ich zögere für den Bruchteil einer Sekunde. Dann ziehe ich langsam mein Jackett aus, falte es ordentlich zusammen und lege es neben Master Kaiba auf den Diwan. Odeon beobachtet mich mit ernster Miene. Ich greife zu meiner Sonnenbrille und lege sie zu dem Jackett. Dann rolle ich meine Hemdärmel nach oben.
 

„Ich rede mit dem Gefangenen“, erkläre ich und Odeon wirkt erstaunt, sagt jedoch nichts. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begebe ich mich zurück zu Quentin. Er kauert noch immer in der Ecke, aber er atmet. Ich trete zu ihm und gehe in die Knie. Sein rechtes Auge ist so weit zugeschwollen, dass er damit sicher nicht mehr zu sehen vermag. Doch sein Linkes blickt mich geradewegs an.
 

„... gekommen … um... Rest … erledigen...?“, keucht er und ist sichtlich bemüht härter zu wirken, als er in diesem Augenblick ist. Ich schüttele kaum merklich den Kopf.
 

„Wenn ich die Dinge recht interpretiere, befinden wir beide uns in der gleichen Position“, sage ich und nehme wahr, dass sich sein linkes Auge geringfügig weitet. Er erwidert nichts, blickt mich nur unverwandt an. „Und wenn ich sie richtig einschätze, dann sind sie wie ich bereit alles für ihren Herrn zu tun, nicht wahr?“ Ich warte einen Moment und obgleich er nichts sagt, habe ich den Eindruck, dass er leicht mit dem Kopf nickt.

„Diese Sache ist schon viel zu weit gegangen. Ich denke, das wissen sie so gut wie ich.“ Wieder glaube ich ein geringfügiges Nicken wahrzunehmen. Ich seufze. „Was auch immer der Ursprung von all dem war, es kümmert mich nicht. Was mich kümmert, sind die Menschen, die aktuell unter all dem zu leiden haben. Sie eingeschlossen“, rede ich weiter und er beobachtet mich dabei genau. „Die Frage ist, wollen wir noch mehr unschuldiges Blut vergießen? Wollen sie das auf ihr Gewissen laden?“, frage ich ernst und sehe, dass er schluckt.
 

„Was mich betrifft, hat es bereits genug Tote und Verletzte gegeben.“ Ich blicke ihm ruhig in sein sehendes Auge. „Ihr Boss hat diese ganze Sache losgetreten. Ob nun aus guten Grund oder nicht. Ich denke, wir beide kennen die Antwort.“
 

Noch immer spricht Greys Handlanger kein Wort, aber ich bin sicher, nein, ich weiß, dass er mir genau zuhört. Jedem meiner Worte folgt.
 

„Und was hat es gebracht? Drei Menschen sind tot. Zwei kleine Jungen wurden ihrem Zuhause, ihrer Familie entrissen. Ich frage sie, ist das die Sache wert?“ Dieses Mal warte ich, bis ich ein eindeutiges Zeichen von ihm bekomme. Er neigt zwar kaum merklich den Kopf, aber ich deute es als ein Nicken. „Was geschehen ist, können wir beide nicht mehr ändern, aber sie vermögen es, dafür zu sorgen, dass es endlich ein Ende findet. Es liegt allein bei ihnen. Sie wissen, dass ihr Boss nicht aufhören wird. Für ihn wird es nie genug sein.“
 

Jetzt bemerke ich deutlich eine Veränderungen in seinem Gesicht. Er senkt das linke Lid und ich vermute, dass er nachdenkt. Vielleicht hadert er auch innerlich mit sich und ich bete zu allen Göttern, dass der Mann vernünftig sein wird.
 

„... will … ihn … töten …“, keucht er und sieht mich wieder an. „... aber erst … nach den anderen … Am Schluss...“
 

Ich nicke. Nichts anderes habe ich von diesem Bastard erwartet.
 

Er will Master Kaiba gänzlich am Boden sehen, ihm seinen Liebsten zu nehmen ist ihm nicht genug. Und welche Rolle dieser Dieb auch immer spielt, ich bezweifle, dass er Master Kaiba freiwillig verraten hat. Nein, der weißhaarige junge Mann mag zwar verschlagen sein, aber ich habe gesehen, wie er meinen Herrn angesehen hat. Ich habe gesehen, wie er Alister beim Abschied ansah und auch Duke Devlin. Was auch immer dazu geführt hat, dass er tat, was er tat. Es war sicher nicht sein freier Wille. Er ist ein weiteres von Greys Opfern. Vielleicht auch sein Freund Ryou.
 

„Wo können wir ihn finden?“, frage ich und mein Gegenüber schluckt. Noch immer ringt er mit sich. „Sie können es mir hier und jetzt sagen und ich garantiere ihnen, dass ihnen nichts weiter passieren wird, oder ...“ Ich beende den Satz nicht, wissend, dass er mich auch so versteht. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, das kleine Springmesser aus meiner Hosentasche zu ziehen, aber ich bezweifle, dass dies nötig sein wird.
 

Eine Ewigkeit scheint zu vergehen. Dann seufzt er resignierend und Blut sprüht dabei aus seinem Mund.

„... wird … nie aufgeben …“ Seine Stimme ist nur noch ein schwaches Gurgeln und ich glaube, eine Spur Traurigkeit in ihr zu vernehmen. Die nächsten Worte haucht er mir nur noch entgegen. Ich nicke. „Ich werde dafür sorgen, dass sie versorgt werden“, teile ich ihm mit und erhebe mich.
 

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verlasse ich den Raum. Draußen wartet Odeon. „Master ...“ , will ich gerade Fragen, doch er unterbricht mich. „Marik und Alister sind bei ihm. Er schläft“, sagt der Ägypter und ich nicke erleichtert. „Hast du erfahren, was du erfahren wolltest, mein Freund?“, fragt er dann. Ich nicke erneut. „Lass den Mann bitte versorgen“, bitte ich ihn und Odeon lächelt. „Du hast ein gutes Herz.“ Mit diesen Worten macht er auf dem Absatz kehrt und ich blicke ihm gedankenverloren nach.
 

Dann begebe ich mich zurück zu Master Seto, den man auf den Diwan gelegt hat. Er schläft und Marik kniet neben ihm. Der junge Mann ist dabei das Blut von seinen Händen zu waschen. Erneut verspüre ich einen schmerzhaften Stich. Dann trifft mich Alisters fragender Blick.
 

Ich bin unschlüssig was ich tun soll.
 

Ein Teil von mir, will nichts anderes als losstürzen und diesen verfluchten Bastard stellen. Doch etwas hält mich zurück. Odeons Worte kommen mir wieder in den Sinn: „Er wird seine Wut nicht überwinden können, wenn er sie nicht herauslassen darf.“ Und ich weiß, dass ich ihm keinen Gefallen tue, wenn ich alleine losgehe, um den Kampf zu beenden.
 

Nein, er muss dabei sein.

Um Joey Wheelers Willen.

Um seinetwillen.
 

Aber ich werde es am Ende sein, der es beendet. Ich werde nicht zulassen, dass der Junge sich die Hände schmutzig macht. Nicht wegen so einem Subjekt. Nicht nach all dem was er erreicht hat. Mein Blick wandert von Marik, der mit trauriger Miene neben ihm kniet, zu Alister, der noch immer aussieht, als würde er jeden Moment zusammenbrechen und ich schüttele den Kopf. Nein, ich werde nicht zulassen, dass er ihn tötet und sich selbst damit in den Abgrund stürzt. Nicht jetzt, wo er Freunde gefunden hat.
 

Vor all den Jahren habe ich ihm nicht beigestanden, aber dieses Mal werde ich ihn die Last nicht alleine tragen lassen.
 

Und während ich diesen Pakt in Gedanken mit mir selbst schließe, höre ich Odeon rufen: „Ishizu ist zurück!“

Endspurt (Bakura & Grey)

*** Bakura ***
 

Wieder klingelt mein Handy und Dukes Nummer erscheint auf dem Display. Der zwölfte Anruf in Folge. Für einen kurzen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, mich zu melden und verwerfe ihn sofort wieder.
 

Die Tatsache, dass Duke unermüdlich versucht mich zu erreichen, bestätigt mir, dass Kaiba das Video erhalten hat. Ich vermute, auch er und Alister haben bereits versucht, Verbindung zu mir aufzunehmen, aber nur Duke hat die Nummer von dem Handy, das ich bei mir trage.
 

Mein Blick wandert zu der kleinen Uhr auf dem Nachttisch neben dem schäbigen Motelbett. Noch habe ich Zeit. Grey erwartet mich erst mit dem nächsten Flieger. Folglich habe ich noch plus minus zwei Stunden, um mich vorzubereiten.
 

Unschlüssig sitze ich einen Moment da, dann greife ich zu der Flasche, die ich mir am Flughafen gekauft habe. Ich weiß, ich sollte jetzt nichts trinken, aber ich brauche etwas, um meine Gedanken, zu beruhigen. Während des gesamten Fluges konnte ich an nichts anderes denken, als an Kaiba, Duke und Alister.
 

Erneut frage ich mich, wie Kaiba auf das Video wohl reagiert hat? Ein Teil von mir kann es sich vorstellen, ein anderer möchte es nicht wissen. Ich kann mir jedoch sehr gut denken, was ihn ihm vorgeht, vor allem wenn er nun an mich denkt.
 

Als ich die Augen schließe, sehe ich Duke vor mir, der mich mit entsetzten, traurigen Augen ansieht und es kostet mich enorme Kraft, dieses Bild zu verdrängen. Vielleicht wird der rationale Verstand meiner Freunde nachvollziehen können, warum ich getan habe, was ich in ihren Augen offensichtlich getan habe. Kaiba wird sich denken können, dass Grey mich vor die Wahl gestellt hat und auch Duke und Alister sind mit Sicherheit zu diesem Schluss gekommen, aber das ändert nicht das Geringste.
 

„Es hätte einen anderen Weg geben müssen, Kura!“,höre ich meinen Kater sagen und vernehme dann Alisters Stimme: „Ein Leben für ein anderes, das ist nicht richtig. Du hättest einen anderen Weg finden müssen.“
 

Ich greife mir eines der schmutzigen Gläser, die auf der wackligen Anrichte stehen und schenke mir ein. Dann stürze ich die Flüssigkeit in einem Zuge hinunter und alles in mir hofft dabei krampfhaft, dass ich nicht auch Kaibas Stimme in meinem Kopf ertragen muss.
 

Gleichgültig wie diese Sache enden wird, er wird mir nie verzeihen, dass ich ihm das angetan habe. Dessen bin ich mir sicher. Vielleicht wird ein Teil von ihm mich verstehen können, aber verzeihen wird er mir sicherlich nicht. Ganz zu schweigen davon, dass er mir nie wieder vertrauen kann. Seto Kaiba verschenkt sein Vertrauen nicht leichtfertig. Ich weiß, wie viel Kraft es ihn gekostet hat. Er hat es mir mehr oder weniger sogar direkt gesagt. Nein, er wird mir nie vergeben.
 

Duke und Alister dagegen …
 

Vielleicht werden sie es können. Ich weiß es nicht und ich will auch nicht darüber nachdenken.
 

Ich leere ein zweites Glas, dann gehe ich in das kleine Bad, stelle die Dusche an und entledige mich meiner Kleider. Das heiße Wasser tut gut und für einen kurzen Augenblick entspanne ich mich tatsächlich. Ja, ich vergesse sogar fast, was hinter mir liegt, was mich erwartet.
 

Nur mit einem Handtuch um meine Hüfte, verlasse ich das Badezimmer und mein Blick geht erneut zu der kleinen Uhr.
 

Während ich mir ein weiteres Glas einschenke, greife ich nach meinem Handy. Ein neuer Anruf wird mir auf dem Display angezeigt. Ich muss nicht nachsehen, um zu wissen, von wem er stammt. Dieses Mal schaffe ich es nicht, das flaue Gefühl, das in mir aufzusteigen droht, gänzlich zu unterdrücken, aber der Whisky verdrängt es fast.
 

Fast …
 

Ich werfe das Handy achtlos auf das schmuddelige Bett und greife nach meiner Tasche. Wie einfach es doch ist, an ein wenig Spielzeug und gute Ausrüstung zu kommen. Nun ja, zumindest, wenn man die richtigen Leute kennt.
 

Und so nervtötend Skeet auch sein mag, er ist durchaus nützlich. Der kleine Penner hat mir alles besorgt, was ich ihm aufgetragen habe. Noch aus Amerika hatte ich ihm den Auftrag erteilt und bin mit seiner Ausführung mehr als zufrieden. Wie gewünscht, hat er mir das Zimmer besorgt und die Tasche hier deponiert und es ist sein Glück, dass er nicht auf die Idee gekommen ist, hier auf mich zu warten.
 

Langsam packe ich die Tasche aus und betrachte mir die verschiedenen Utensilien. Ok, der Hoodie ist vielleicht etwas zu sehr Gangster-Style, aber was soll´s? Der Rest ist dafür beste Ware und wird seinen Zweck erfüllen.
 

*** Grey ***
 

Zufrieden lege ich den Hörer zurück auf die Gabel und lehne mich in meinem Sessel zurück.
 

Wie erwartet, ist der Dieb früher als angekündigt in Japan angekommen und wie ich es vorausgesehen habe, hat er sich Dantes entledigt. Angesichts von Bakuras bisheriger Vorgehensweise war dies auch nicht anders zu erwarten.
 

Vermutlich ist der Dieb augenblicklich dabei, Vorkehrungen für unsere Begegnung zu treffen. Ein logischer Schachzug in seiner Situation. Immerhin kann er nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass ich mein Wort halten werde und ihn und seinen Freund einfach gehen lassen werde, auch wenn er meine Forderungen erfüllt hat.
 

Bakura ist schließlich kein Narr.
 

Und ich bin sicher, dass der Weißhaarige es alles andere als angenehm fand, Dante als Babysitter an seine Seite gestellt zu bekommen. Zumal ich mir vorstellen kann, wie diese unfreiwillige Partnerschaft abgelaufen ist. Mit Quentin hätte sich der Dieb sicher besser vertragen und meine Nummer Eins hätte sich auch sicher nicht von Bakura ausschalten lassen.
 

Ich vermute, er hat Dante gleich nach unserem Telefonat erledigt. Amüsiert frage ich mich, welche Erklärung Bakura für seine Abwesenheit finden wird. Nicht, dass mich das Ableben meines Handlangers groß kümmern würde. Kollateralschaden, nichts weiter. Ein Bauernopfer, das zumindest die Laune des Diebes verbessert haben dürfte, wie ich ihn einschätze.
 

Was Bakura nun allerdings in dem Motel treibt, vermag ich nicht vorherzusagen. Wer weiß, vielleicht braucht der Dieb etwas Entspannung? Insgeheim frage ich mich erneut, wie er mit der Tatsache umgeht, dass er zum Verräter geworden ist? Ich bezweifle zwar, dass es ihm groß etwas ausgemacht hat, Wheeler zu töten, aber es mit dem Wissen zu tun, Kaiba damit zu verletzen, dürfte sein sonst so unterkühltes Gewissen doch ein klein wenig berührt haben.
 

Während ich diesem Gedanken noch nachhänge, greife ich erneut zum Hörer und betätige die Kurzwahl. Es dauert nicht lange, bis eine bekannte Stimme sich meldet. Ich komme sofort zur Sache.
 

„Du kannst den Kleinen herbringen, aber pass auf, dass dir niemand folgt“, teile ich dem Mann am anderen Ende der Leitung mit und warte seine Antwort nicht ab. Ich weiß, dass Devlin noch immer im Lande ist und es wäre durchaus möglich, dass der Dieb es geschafft hat, ihm irgendwelche Anweisungen zukommen zu lassen und ich werde mich hüten, kurz vor dem letzten Akt noch Fehler zu begehen, nur weil ich meine Feinde unterschätze.
 

Mein Blick trifft die Uhr vor mir.
 

Ich denke, es ist an der Zeit, den guten Bakura anzurufen. Immerhin habe ich ihm ja gesagt, dass ich mich mit ihm in Verbindung setzen werde, um ihm weitere Instruktionen zu erteilen. Für einen kurzen Augenblick überlege ich. Soll ich es dabei belassen und ihm einen Wagen zum Flughafen schicken? Eine freundliche kleine Eskorte? Ich bin sicher, dass er genau dies erwartet.
 

Noch während ich darüber nachdenke, greife ich zu meinem Handy und wähle. Es dauert keine vier Sekunden und ich vernehme die ungehaltene, spöttische Stimme des Weißhaarigen und erneut kann ich nicht umhin zu grinsen.
 

„Ich grüße Sie, mein Freund, ich hoffe Ihre Reise verläuft bislang angenehm“, sage ich, wohl wissend, dass seine Reise bereits zu Ende ist, und kann mir fast schon bildlich vorstellen, wie der Dieb den Mund verzieht. „Sicher doch, aber ich hätte sogar geschlafen wie ein Baby bis zur Landung, wenn Sie mich jetzt nicht schon hätten stören müssen“, ist die sarkastische Antwort und ich grinse.
 

Der geborene Lügner
 

„Ich werde Ihnen einen Wagen zum Flughafen schicken. Der Fahrer wird Sie mit einem Plakat, mit der Aufschrift Mr. Smith am Gate erwarten“, teile ich ihm trocken mit und erwarte fast zu hören, wie er scharf die Luft einzieht. Doch das geschieht nicht. Stattdessen entgegnet Bakura spöttisch: „Smith? Echt jetzt? Wie einfallslos. Sie sollten sich mal ein paar bessere Krimis oder Thriller ansehen.“
 

Ich lache kurz trocken auf.
 

„Ich werde Ihren Rat beherzigen, sollte ich erneut eine ähnliche Unternehmung planen.“
 

Auch er lacht nun, aber genau wie bei mir ist es ein unechtes, kaltes Lachen.
 

„Ich hoffe, Ryou ist wohlauf, andernfalls dürfte es für Sie ungemütlich werden. Wie auch immer, wir sehen uns.“ Damit beendet er das Gespräch und ich bin für einen kurzen Augenblick wirklich baff. Man sollte meinen, er wäre derjenige, der die Trümpfe in der Hand hält.
 

Wirklich ein dreister, absonderlicher, junger Mann.
 

Ich schüttele lächelnd den Kopf. Nun, wir werden ja sehen, wie er sich verhält, wenn ich ihn erst in Gewahrsam genommen habe. Nicht, dass ich nicht vorhätte mein Wort zu halten. Im Gegenteil. Ich hege nach wie vor keinen Groll gegen den Dieb, aber ich werde ihn bedauerlicherweise auch nicht einfach gehen lassen können, wie er es sich vielleicht vorstellt.
 

Wobei …
 

Nein, so töricht ist er nicht. Er wird wissen, dass ich andere Pläne habe, aber vermutlich eher davon ausgehen, dass ich das Ablegen von seinem Freund und ihm in Erwägung ziehe. Allerdings irrt er sich in diesem Punkt. Ich habe nicht vor die Beiden zu töten. Wozu auch? Sie haben ihren Zweck erfüllt. Aber ich kann ihn nicht einfach von Dannen ziehen lassen. Er würde sich umgehend mit Kaiba in Verbindung setzen und auch wenn der ehemalige CEO ihm keinen Glauben mehr schenken wird, so heißt das nicht, dass dies meinem Plan nicht entgegen wirken könnte.
 

Bakura und Ryou werden also vorerst meine Gäste sein.
 

Wenn ich das komplette Video erst einmal habe, wenn Kaiba es gesehen hat, dann … Ach, ich freue mich schon darauf, dem unterkühlten Firmenchef zu sagen, wo er mich finden kann und ihn mit Ungeduld erwarten. Ich bezweifle, dass er nach wie vor so nüchtern und kühl zu sein vermag.
 

Ich lächele zufrieden, als erneut das Telefon geht. Dieses Mal überrascht mich der Anruf, zumal auf dem Display keine Nummer erscheint. Einen Moment zögere ich, ehe ich den Hörer abhebe und noch bevor ich ihn an mein Ohr halte, weiß ich wer der Anrufer ist.
 

„Ich denke, du weißt warum ich anrufe?“, fragt eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich schlucke. „Natürlich.“ Meine Stimme klingt mit einem Mal fremd und ich bin fast erleichtert, dass sie nicht auch noch meine Unsicherheit verrät.

„Dann weißt du, was ich erwarte.“
 

Ich nicke leicht vor mich hin. Natürlich weiß ich auch das. Nur hatte ich nicht jetzt mit diesem Anruf gerechnet. Ein Teil von mir hatte gehofft, dieses Gespräch noch eine Weile aufschieben zu können.
 

„Und? Was hast du mir zu sagen?“
 

*** Bakura ***
 

Mr. Smith?
 

Erneut schüttele ich den Kopf. Bei Ra, der Kerl ist so fantasielos. Aber das ließen seine Schachzüge ja schon immer erahnen, doch natürlich bedarf es nicht unbedingt großer Fantasie, um eine Schlacht oder einen Krieg zu gewinnen.
 

Es bedarf in erster Linie eines vorausschauenden Auges.
 

Und das, verflucht, hat dieser Wichser.
 

Daran besteht kein Zweifel. Sein Anruf hat es mir nur all zu deutlich bewiesen, sofern es noch eines Beweises bedurfte. Ich bin sicher, dass er weiß, dass ich längst hier bin und keineswegs mehr im Flieger sitze, gleichgültig was er am Telefon gesagt hat. Er hat gelogen, genau wie ich und ich würde meinen Arsch darauf verwetten, dass dieser Kerl längst weiß, wo ich mich aufhalte.
 

„Nicht schlecht … gar nicht übel ...“, sage ich laut und grinse. Ich schätze, deshalb hat er mir mitgeteilt, sein neuster Gorilla würde mich, mit einem Plakat am Gate erwarten. Allem Anschein nach genießt, Grey die augenblickliche Situation genau wie ich, aber wenn er annehmen sollte, dass diese Kleinigkeit ein Hindernis für mich darstellt, nun ja, dann unterschätzt er mich erheblich.
 

Ich für meinen Teil mache keineswegs den Fehler, diesen Verrückten zu unterschätzen.
 

Deshalb bin ich mir sicher, dass er unseren Deal nicht einfach so einhalten wird. Im Grunde kann er es nicht. Sobald er mich gehen lässt, werde ich zu einer Variablen, die er nicht mehr einzuschätzen vermag. Natürlich geht er davon aus, dass ich nicht die Eier habe, mich an Kaiba zu wenden, geschweige denn dass dieser mir glauben schenken wird. Grey geht schließlich davon aus, dass ich Wheeler gekillt habe. Ergo kann er auch davon ausgehen, dass Kaiba mir nie wieder vertrauen wird, unabhängig, was ich dem guten Seto auch erzähle. Trotzdem wird er dieses Risiko nicht eingehen. Nicht, wenn er sich auf der Zielgeraden vermutet.
 

Umso wichtiger, dass Kaiba tatsächlich glaubt, ich hätte Wheeler getötet.
 

Das verschafft mir Zeit.

Zeit, die ich dringend brauche, wenn ich das tun will, was ich vorhabe.
 

Kaiba …
 

Alles in mir zieht sich mit einem Schlag zusammen und ich muss für einen kurzen Augenblick die Augen schließen.
 

Noch immer weiß ich nicht, was es ist. Warum ich fühle, was ich fühle, ohne es wirklich zu wollen. Ist es seine Gestalt? Die Erinnerung an Seth? Vermische ich Gefühle, die ich einst hatte, mit der Realität? Spielt es letztlich eine Rolle?
 

Wieder steigen längst vergessene Erinnerungen vor meinem geistigen Auge auf. Ich sehe Szenen, Bilder, Bruchstücke … Auszüge aus einem längst vergangenen Leben. Ein Leben, das besser vor Jahrhunderten zu Ende gewesen wäre.
 

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn es einfach geendet hätte. Damals, vor so langer Zeit …
 

„Wenn du willst, dass man dich achte, so achte vor allem dich selbst, nur dadurch, nur durch Selbstachtung zwingst du andere, dich zu achten.“, höre ich Seth sagen und sehe sein trauriges, nachsichtiges und gleichermaßen entschiedenes Lächeln vor mir. Ich spüre sogar seine Hand auf meiner Schulter, wie damals als er mir diese Worte sagte.
 

Mein Blick fällt auf die halbleere Flasche.
 

Aberwitzig zu denken, dass ich mit dem Rest darin, Seth auszublenden vermag. Jeden anderen, aber nicht Seth.
 

Nicht Kaiba
 

„Zweifle nicht an dir, Kura, wenn deine Zeit kommt, dann sei gewiss, du wirst das Richtige tun. Ich weiß es.“
 

Wieder bemühe ich mich, das sanfte Lächeln des jungen Priesters auszublenden. Die Sicherheit, die Gewissheit, die in seinen Augen lag. Was würde Seth wohl von mir denken, wenn er mich jetzt sehen könnte? Ob ich immer noch Liebe in seinen Augen sehen würde? Hoffnung?
 

Instinktiv greift meine Hand zu der Flasche und dem Glas.
 

Das Richtige?
 

Wann habe ich je das Richtige getan? Ich habe getan, was getan werden musste oder von dem ich glaubte, was getan werden muss und …
 

Ich schlucke hart, als ich Kaiba vor mir sehe. Kaiba, der mich ernst ansieht, abwartend, welche Antwort ich ihm gebe. Kaiba, der mir vertraut, als ich ihm sage, dass ich die Lage im Griff habe. Kaiba, der nickt, als ich ihm sage, dass ich ihn nicht verraten werde.

Und als ich das nächste Glas leere, den Whisky in mich hineinschütte, weiß ich, dass Seth recht hat. Ich werde dieses Mal das Richtige tun. Vielleicht sind meine Weg um ans Ziel zu gelangen wie immer schlecht, aber in letzter Konsequenz werde ich das Richtige tun. Ich werde sie retten … sie alle. Ryou, Kaiba, Joey … vielleicht sogar mich selbst. Genau wie ich es Mai und Wheeler gesagt habe. Ich werde ihnen allen den Arsch retten, koste es was es wolle.
 

Und sollte ich dabei drauf gehen.

Grey wird Hölle fahren. Mit mir oder ohne mich. Das wird sich zeigen.
 

Ich werfe erneut einen Blick auf die Uhr.

19:41 Uhr

Gleich muss ich los, wenn ich die Dinge am Flughafen noch rechtzeitig regeln will.
 

„Du bist der Grund, warum ich bin, Kura!“, vernehme ich erneut Seths Stimme und verspüre einen schmerzhaften Stich.



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von:  night-blue-dragon
2019-09-22T17:29:59+00:00 22.09.2019 19:29
Hallo,

ich habe deine Geschichte regelrecht verschlungen. Den 'ersten
Antwort von:  night-blue-dragon
22.09.2019 19:37
Blöde Tastatur. *Seufz*

Also, was ich schreiben wollte war, dass ich vor einigen Tagen den ersten Teil dieser Geschichte gelesen habe und gestern zufällig den 2. gefunden.
Ich weiß, es ist sehr viel Zeit, aber besteht die Aussicht, dass du diese wundervolle, spannende und mitreißende Geschichte noch beendest?
Du hast so viele offene Fragen stehen lassen. Ich kann mir nicht im geringsten Vorstellen, wie es weiter geht. Zudem wünsche ich mir, dass du den armen Kaiba, den du wirklich bis an seine Grenzen geführt hast, sein Hündchen wieder in die Arme schließen kann. Wobei ich mich auch Frage, ob er dann wieder der 'Alte' werden wird, also nicht der ganz Alte, sondern der neue Alte.


glg night-blue-dragon
Von: Karma
2016-06-22T00:14:08+00:00 22.06.2016 02:14
Ich bin gerade - endlich mal - dazu gekommen, hier weiterzulesen und ich muss sagen: WOW! Eigentlich sollte ich schon seit einer Stunde im Bett liegen, weil ich morgen wieder arbeiten muss, aber ich konnte mich einfach nicht losreißen. Du schreibst so genial und ganz egal, aus welcher Sicht die Kapitel sind, man kann sich in jeden der Charas hineinversetzen. Besonders, muss ich gestehen, liebe ich deinen Roland. Und dein Bakura bringt mich dazu, auch endlich mal wieder was mit Bakura schreiben zu wollen - und das, wo ich absolut keine Zeit habe im Augenblick. Das ist echt doof.
>___<
Wie auch immer, ich würde mich riesig freuen, wenn hier irgendwann die nächsten (letzten?) Kapitel zu lesen wären. Die Story ist so irrsinnig spannend, dass ich am liebsten jetzt schon wüsste, wie's weitergeht. Aber keine Eile, ich kann auch geduldig sein und warten.
:)
Oh, by the way, deine Mai ist auch absolut genial. Und ich wüsste gerne, was es mit Lucy auf sich hat bzw. ob ihre große Ähnlichkeit mit Seto nur ein Zufall ist oder doch mehr oder oder oder ...
@.@
So, und jetzt geh ich ins Bett und träume von Dieben, Priestern, Hündchen, Katern, Pharaonen, CEOs, kleinen Brüdern, Ägyptern, psychopathischen Irren und loyalen Assistenten, die einfach nur zum Niederknien sind, weil sie verhindern wollen, dass ihr Boss etwas tut, was eigentlich niemand tun sollte.
*imaginäres Bakura-Plüschi schnapp und tröstknuddel, weil der arme Dieb mir so elend leidtut*
*winkend von dannen zieh*
Von:  Sammy5522
2015-10-02T13:50:43+00:00 02.10.2015 15:50
Mhh. Schade dachte das die Geschichte hier weiter geht. Aber leider auch nicht. Zwar lange her aber schreibst du noch weitet? Lg
Von:  Koinu
2015-02-11T16:42:21+00:00 11.02.2015 17:42
O//w//o; Also ähm ja.. nachdem ich die Story jetzt gerade zum 2. mal gelesen hab.. (ich liebe sie einfach so sehr xD)
muss ich sagen, dass ich das Ende nicht mehr erwarten kann. >/<
Man kann aber auch nicht wirklich herauslesen wie es jetzt ausgehen wird. Wer wohl am Ende Grey das Licht auspustet und ob das überhaupt passieren wird oder Grey es nicht doch irgendwie selbst tut. Oder vielleicht Quentin?
Ich hoffe Seto tut nichts unüberlegtes und schaltet Kura aus =x Das wäre mehr als gemein. Immerhin opfert der ja nun nicht gerade wenig um ihn und die anderen zu retten.

Nun liegt das letzte Update ja schon fast 1 Jahr zurück. =/
Ich würde mich wahnsinig über den Weitergang der FF freuen. Es sind ja deinen Angaben nach auch nur noch 5%.
So kurz vorm dem Abschluss wäre es echt schade, wenn die FF wirklich abgebrochen wird/wurde. ;A;
Von:  Onlyknow3
2014-03-05T19:38:14+00:00 05.03.2014 20:38
Der anfang vom ende, ob Bakura sein Ziel erreicht, hoffen wir um Setos willen und um des Frieden willens.Man muss kein hellseher sein um zu wissen was nun kommt, Bakura wird wohl seine Eskorte am Flughafen auch ausschalten, denn dann hat er noch einen Gegner weniger. Das ist es was er klären muss.Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Lunata79
2014-03-05T11:12:47+00:00 05.03.2014 12:12
Irgendwie ist es verstörend, zu wissen, dass Kaiba im vorigen Leben mit Bakura zusammen war, denn in der Gegenwart ist er mit Joey zusammen. Normalerweise müsste sich ja demnach auch die Vergangenheit wiederholen, aber mir ist es lieber, dass er mit Joey zusammen ist <3. Es ist einfach nur verstörend.
Aber, gut zu wissen, dass jetzt bald der Showdown beginnt.
Freu mich schon aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79
Von:  jyorie
2014-03-05T10:43:25+00:00 05.03.2014 11:43
Hey ( ˘▽˘)っ♨

Wenn Grey schon weiß, das Bakura wieder zurück ist, wieso weiß
er dann nicht auch den Rest – also das Joey noch lebt und Dante
auch. Die beiden sind wirklich wie Raubtiere die umeinander schleichen.

Ich hoffe das es für Bakura nicht zu knapp wird und das er Ryou wirklich
bekommt. Ich fände die Vorstellung traurig, wenn Bakura „mit Gray in die Hölle“
fährt um seine persönliche Rache zu vollenden. Aber wenn ihn die Erinnerungen
an Seth der ihn mal geliebt hat, so sehr plagen, das er es nicht ertragen könnte,
wenn Seto es ihm auf immer grumm nimmt, dann hat er ja momentan nichts
mehr zu verlieren, sobald Ryou frei ist.

Wie Seto darüber denkt, das er sich nicht die Finger schmutzig machen will und
das sowohl Roland als auch Bakura für ihn die Rache nehmen wollen...

CuCu, Jyorie

Von:  Lunata79
2014-02-20T11:18:31+00:00 20.02.2014 12:18
Boah, ich zittere immer noch leicht. Das war wirklich heftig, wie Seto reagiert hat. Er tut mir zum Zeitpunkt wirklich unendlich leid.
Bin neugierig, was noch passiert.

Lg
Lunata79
Von:  jyorie
2014-02-19T18:22:34+00:00 19.02.2014 19:22
Hey ٩(^ᴗ^)۶

das war wirklich heftig, wie Seto reagiert hat. Ich glaube unter normalen
Umständen hätte er nie einen gefesselten so zugerichtet. Ob Rolands
Ansprache etwas bewirkt hat bei Quentin? Der Anfang, das er in der gleichen
Stellung ist und seinen Chef/Herr treu untergeben ist war gut, für die gemeinsame
Grundlage, auch das Roland versteht, warum der Assistent so handelt, aber
danach appelliert er an den Gesunden verstand, und macht klar, dass er zwar
auch Loyal ist, aber es eben einen Punkt gibt ab dem das nicht mehr tragbar
ist, und das mit Joeys Tod dieser Punkt überschritten wurde. Ich finde die
Argumentation sehr gut, weil Roland ihm ja klar sagt, das er ihn nicht verurteilt,
weil er genauso handeln würde für Seto.

Seto Zusammenbruch und wie schlimm es für ihn ist hast du auch sehr gut dar-
gestellt. Und auch das es noch viel schlimmer ist, als das was damals mit der
Firma und mit Mokuba war. ...

CuCu, Jyorie

Von:  Onlyknow3
2014-02-19T16:56:58+00:00 19.02.2014 17:56
Das war wirklich wichtig das Seto dieses Ventil für seinen Hass und seine Wut. Nur so kann er dann auch wieder einen klaren Gedanken zu fassen möglich sein. Finde es stark wie Roland sich hier wieder für Seto einsetzt auch wenn es nicht viel ist was er gerade tun kann. Jetzt fehlt nur noch das Bakura Ryou befreit und Grey den Gar aus macht.Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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