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Nur ein Mal ...

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Für die, die diese Story bereits angefangen hatten: Wie in der Beschreibung schon erwähnt wird diese Geschichte komplett überarbeitet.
Gerade die ersten beiden Kapitel waren mir ein Dorn im Auge, denn, ehrlich, die sind 2006 und ohne jegliche Planung entstanden und passten kein Stück zum restlichen Stil der Story.
Auch wollte ich inhaltlich noch ein paar größere Änderungen und Ergänzungen machen, um den Rest der Story besser gestalten zu können.
Es tut mir wirklich, ehrlich leid um die ganzen lieben Kommentare, aber sie würden einfach nicht mehr zu den Kapitelnummern und zum Inhalt passen, da ich die Kapitel jetzt nicht mehr in kleinere Teile aufspalten werde.

Trotz allem wünsche ich euch viel Spaß mit dem neuen "Nur ein Mal" und ich hoffe ihr könnt weiter an dieser Geschichte festhalten und sie mit Spannung verfolgen. Komplett anzeigen

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... eine Chance bekommen

Es war Montagmorgen. Um es genauer zu sagen, war es der erste Montag im Oktober. Die Sonne hatte sich bereits vor zwei Stunden schon dazu entschieden, aufzugehen und der Welt einen weiteren Tag anzukündigen. Die Temperaturen hatten sich über die letzten Wochen hinweg zwar stetig gesenkt, trotz allem war es noch nicht all zu kalt geworden, sodass man es tagsüber noch als angenehm bezeichnen konnte. Nichts desto trotz hatte sich der Herbst entschieden seine Anwesenheit zu demonstrieren. So kam es, dass in letzter Zeit verstärkt Regenfälle für Unmut gesorgt hatten. Auch an diesem Tag kündigte sich die unerwünschte Nässe durch ein dumpfes Grollen am Himmel an, bevor es erbarmungslos zu schütten begann.

Ein gedämpftes Fluchen drang durch das Rauschen des Regens und den Lärm der vorbeifahrenden Autos. Hastig eilte ein junger Mann die Straße hinunter. Einen Schirm hatte er nicht bei sich und die Häuser auf seinem Weg boten nur wenig Schutz vor der Nässe, die sich allmählich durch seine Kleidung fraß. Das blonde Haar klebte ihm im Gesicht und kleine Rinnsale rannen darüber hinweg, doch es schien ihn nicht zu stören. Unbeirrt rannte er weiter.

Wie ein Blick auf die Armbanduhr zeigte war es sieben Minuten vor acht Uhr. Eine Zeit zu der sich normalerweise jeder Schüler bereits auf dem Schulhof, wenn nicht sogar schon im Klassenzimmer befand.
 

Jeder, nur nicht er.
 

Jounouchi Katsuya wusste, er würde es wieder einmal nicht schaffen pünktlich im Unterricht zu sitzen, was für die Meisten nichts Ungewöhnliches oder gar Neues war. Hatten doch sogar seine Lehrer sich so langsam damit abgefunden, dass er permanent zu spät kam, was leider nicht bedeutete, dass er keine Strafe erhielt. So wie er die Lage einschätzte, würde er vor der Tür landen und die Gänge von den Wasserflecken befreien dürfen, die er hinterlassen hatte.

Doch zuerst musste er seine Runde beenden.

Wäre er nicht so sehr auf das Geld angewiesen, dann hätte er sich schon längst etwas anderes gesucht. Nur leider blieb ihm im Moment nichts anderes übrig. Da es verboten war neben der Schule zu jobben, wollte ihn niemand sonst einstellen. Das Risiko von seinen Lehrern oder Mitschülern entdeckt zu werden, während er in einem Café jobbte wollte er auch nicht wirklich eingehen. Niemand wusste von seinen morgendlichen Zeitungsrunden und das war auch gut so. Sollten sie in der Schule doch alle glauben, dass er faul war und immer verschlief. Es war ihm recht solange er arbeiten und sein Überleben absichern konnte.

Was ihn heute jedoch ärgerte war der Fakt, dass er wegen eben dieses Jobs nun maßlos zu spät kommen würde. Dabei wusste sein Chef doch, dass er zur Schule musste und nicht viel Zeit hatte. Trotz allem hatte er es sich nicht nehmen lassen und die Strecke des jungen Mannes heute Morgen unerwartet um etliche Blocks erweitert. Kaum hatte Katsuya seine eigentliche Tour beendet gehabt und wollte seine Tasche abgeben, drücke ihm sein Geldgeber eine erneute Fuhre in die Arme und schickte ihn wieder los, da ein Kollege ausgefallen war. Das war doch nicht gerecht!

Gerade heute war der falsche Tag, um ihn in unbekanntes Gebiet zu schicken! Dieser verfluchte Regen hatte ihn auf seiner eigenen Strecke schon kostbare Zeit gekostet. War er doch des Öfteren auf dem nassen Laub, auf den Bürgersteigen, ausgerutscht und nur knapp einem Sturz entgangen. Leider hatte seine Route keine wohl gepflegten Vorgärten und gekehrte Gehwege vorzuweisen, wie es doch beinah der ganze Rest von Domino tat. Nein, er durfte sich durch eines der ärmsten Viertel der Stadt kämpfen und dabei auch noch aufpassen, dass er nicht unvorhergesehen mit über Nacht entstandenen Müllansammlungen Bekanntschaft machte.

Eine andere Wahl hatte er leider nicht gehabt, lag diese Route doch am nächsten an seiner Wohnung. So musste er wenigstens nicht in aller Früh zwei Mal quer durch die Stadt hetzen, waren öffentliche Verkehrsmittel um diese undankbare Uhrzeit, zu der er das Haus verließ, ein reiner Wunschtraum. Mal abgesehen davon, dass er es sich gar nicht leisten konnte.

Wenn er seinen Job jedoch behalten und bezahlt werden wollte, dann sollte er so langsam fertig werden. Er hatte die Auflage alle Zeitungen bis Punkt acht Uhr in ihre zugehörigen Briefkästen verteilt zu haben. Normalerweise war das für ihn auch kein Problem, hatte er doch mit den Jahren eine gewisse Routine entwickelt. Er begann meist eine viertel Stunde vor der regulären Arbeitszeit, um noch genug Zeit für den Schulweg zu haben, so kam er meist nur zehn Minuten zu spät zum Unterricht.
 

Aber heute war definitiv nicht normal.
 

War die Karte mit der Wegbeschreibung schon schwer zu lesen, so erschwerte der stetige Regen die Sicht, sodass er nur halb so schnell vorwärts kam, wie er es sich gewünscht hätte. Immer wieder musste er anhalten und sich orientieren, bevor er weiterrannte. Er hatte noch genau fünf Minuten für eine Strecke, die im Normalfall, gut und gern, das Doppelte beanspruchen würde. Doch so viel Zeit hatte er nicht. Er musste pünktlich wieder auf der Matte stehen, oder sein Chef würde ihm den Lohn kürzen.

Gehetzt bahnte er sich seinen Weg von Haus zu Haus, seine Kleidung klebte an seinem Körper und seine Lungen brannten mit jedem Atemzug. Wenigstens war die Tasche mit den Zeitungen Wasserdicht und wurde mit jeder Tür, die er hinter sich ließ, leichter.

Abgekämpft und nach Atem ringend, stand er auch wirklich, pünktlich, wieder vor seinem Chef. Er hatte es geschafft und alle Zeitungen ordnungsgemäß verteilt. Katsuya gab die Tasche ab und während sein Chef seinen Lohn zusammensuchte, griff der Blonde nach einem Handtuch und seiner Schuluniform. Schnell war er wieder einigermaßen trocken und umgezogen, nahm sein Geld entgegen und sah zu, dass er fort kam. Vor der Tür blieb er kurz stehen.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass der Unterricht bereits begonnen hatte. Nachdem er jetzt gut eine dreiviertel Stunde am Stück durch die Straßen gehetzt war, teilte ihm sein Körper schmerzhaft mit, dass er die erste Stunde vergessen konnte. Wäre er jetzt noch in der Lage gewesen zu rennen, so hätte er eventuell noch die letzten zehn Minuten gehabt, vorausgesetzt er wurde nicht rausgeschmissen. Nun konnte er lediglich versuchen, nicht auch noch die zweite Stunde zu verpassen. Träge spannte er seinen Regenschirm auf und machte sich auf den Weg.

Müde trottete er die Straßen entlang. Die Nacht war zu kurz gewesen und er wusste genau wem er den Umstand zu verdanken hatte, dass er nicht viel Schlaf gefunden hatte. Vorsichtig betastete er seinen Bauch. Für gewöhnlich spürte er die Schmerzen kaum noch, hatte er sich doch schon längst an ein gewisses Maß gewöhnt. Heute, musste er leidlich zugeben, dass dem nicht so war. Hatte sein Alter es doch gestern Nacht für nötig gehalten, im Vollrausch sein Zimmer, auf der Suche nach Geld, vollkommen zu verwüsten. Und nur, weil der junge Mann versucht hatte, seinem Erzeuger zu erklären, dass er erst morgen Geld bekommen würde, war dieser ausgerastet. Hätte er doch bloß geschwiegen, dann hätte er lediglich ein paar wüste Beschimpfungen kassiert. So hatte der Alte es sich nicht nehmen lassen, dem Jungen, für seine Widerworte, ein paar saftige Tritte in den Magen zu verpassen.

Wieder strich er vorsichtig über die lädierte Stelle und nun meldete sich auch noch sein Magen. Er hatte heute Morgen kein Frühstück gegessen. Selbst wenn etwas da gewesen wäre, hätte er es wohl nicht hinunter bekommen. Ihm war mehr als schlecht gewesen und so hatte Katsuya die frische Morgenluft geradezu begrüßt und die Wohnung ein paar Minuten früher verlassen. Er hatte sich ausnahmsweise etwas mehr Zeit genommen, um zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Wozu das geführt hatte sah man ja nun.

Normalerweise kam er gut damit zurecht, kein Frühstück zu sich zu nehmen. Dass er heute so viel rennen würde, hatte er allerdings nicht geahnt, so verwunderte es ihn kein Stück dass sein Magen immer lauter rebellierte und nach etwas Essbarem verlangte. Da musste er sich wohl oder übel unterwegs noch etwas besorgen.

Seine Schritte waren schwerfällig. Trotzdem zwang er sich zügig zu gehen. Der Regen fiel immer noch unerbittlich, aus den grauen Wolken über ihm.

Nachdem der Blonde gut die Hälfte des Weges hinter sich gelassen hatte und seine Gedanken so langsam dem bevorstehenden Unterricht zu wandte, traf ihn eine Erkenntnis wie ein Blitz. Er blieb wie angewurzelt stehen.

Es war Montag und damit der Abgabetag des Aufsatzes, den sie schon vor Wochen in Sozialkunde aufbekommen hatten. Der Lehrer hatte ihnen extra mehr Zeit gegeben, da sie sich mit der aktuellen politischen Situation zu einem selbstgewählten Thema befassen sollten. Dazu waren umfassende Recherchen nötig gewesen. Immerhin sollten sie nicht nur ein paar Zeilen schreiben.

Sozialkunde gehörte nicht unbedingt zu seinen stärksten Fächern, aber Katsuya war dennoch bestrebt einigermaßen akzeptable Noten zu bekommen. Der Blonde hatte sich, so gut es ihm möglich war, mit seinem Thema befasst, denn seine Wahl gefiel ihm sehr. Er hatte sich wirklich bemüht und viel Zeit in der Bibliothek verbracht. Auch die Morgenzeitung hatte er während des Austragens gelesen. Ab und an hatte sein Chef ihm sogar etwas vom Überschuss überlassen, mit dem er dann Arbeiten konnte. Nicht einmal seine Freunde hatten bemerkt, wie eifrig er bei der Sache war. Der junge Mann hatte sich dafür so manche Nacht um die Ohren geschlagen. Er war gestern Abend erst damit fertig geworden.

Eben dieser besagte Aufsatz lag bei ihm zu Hause.

Genauer gesagt in seinem Zimmer.

Und seine erhoffte gute Note zierte nun, dank seines Erzeugers, in Form von Konfetti den Fußboden.

Ein gequälter Laut entrann der Kehle des Blonden.
 

Das Leben war nicht fair!
 

Was machte es jetzt noch für einen Sinn in die Schule zu gehen?

Die erste Stunde hatte er im Prinzip schon verpasst. Zwar musste er den Aufsatz erst in der 4. Stunde vorlegen, aber ihn jetzt noch einmal neu zu schreiben, dazu fehlte eindeutig die Zeit. Er war ohnehin todmüde und würde sich kaum darauf konzentrieren können, mal davon abgesehen, dass die Lehrer es wohl kaum zulassen würden. Das konnte er heute definitiv nicht ertragen. Dazu kam auch noch der Sportunterricht in den letzten beiden Stunden. Seiner Ansicht nach, hatte er für heute mehr als genug körperliche Ertüchtigung gehabt. Und dann sollte er sich auch noch das Geschrei der Lehrer, die Strafarbeit wegen des fehlenden Aufsatzes, Kaibas hochmütige Spötteleien und die Blicke seiner Freunde antun? Oh ja, sie würden ihn ansehen, mit diesen mitleids- und vorwurfsvollen Blicken. Er hasste es, noch mehr als Kaibas überheblichen Blick, so angesehen zu werden. Davon wurde ihm geradezu schlecht.

Wenn er es recht bedachte, war es also keine schlechte Idee, heute nicht in die Schule zu gehen. Sollten sie sich doch alle jemand anderen suchen, auf dem sie heute herumhacken konnten. Lieber setzte er sich in ein Café, wärmte sich etwas auf und brachte endlich seinen grummelnden Magen zum Schweigen. Danach würde er weiter sehen.

Mit diesem Entschluss begab er sich in die Innenstadt und suchte sich ein hübsches kleines Café in einer Seitenstraße. Er kannte es gut, war er doch schon des Öfteren hier gewesen. Um diese Uhrzeit würde kaum jemand da sein, denn die meisten waren auf der Arbeit, oder zumindest noch auf dem Weg dorthin und die Schüler saßen in der Schule.

Katsuya suchte sich trotzdem einen etwas abgeschiedenen Platz weiter hinten und bestellte sich ein kleines Frühstück. Er wollte seine Ruhe haben. Außerdem konnte er es irgendwie nicht leiden, wenn man ihm beim Essen zusah. Es war nicht so, dass er nicht kultiviert essen konnte. Er mochte einfach das Gefühl nicht, dabei beobachtet zu werden. Das Thema Nahrungsaufnahme war für ihn ohnehin ein heikles. Zu Hause aß er meist gar nicht und wenn, dann musste er zusehen, es heimlich zu tun. Wenn sein Alter ihn erwischte, dann hatte er meist zu kämpfen, um das Gegessene auch bei sich zu behalten. Nicht, dass er damit sowieso schon Probleme hatte. Deshalb und weil er sowieso wenig Geld hatte, aß er auch in der Schule nur sehr selten. Wenn seine Freunde ihn jedoch mal einluden, oder es etwas gratis gab, dann langte er auch mal gut zu, wenn auch mit schlechtem Gewissen. Meist fiel er dann schon wie ausgehungert über seine Mahlzeit her, so galt er bei den meisten Leuten schlechthin als verfressen.
 

Lustlos rührte er in seinem Tee und dachte nach.
 

Er gab sicher ein merkwürdiges Bild ab. Zwar war seine Uniform dank des Schirms vom Regen verschont geblieben, jedoch war sie, mittlerweile, ziemlich in die Jahre gekommen. Die Ärmel und Hosenbeine waren zu kurz, so manch ein Saum hatte angefangen, sich aufzulösen und ausgeblichen war sie auch schon langsam. sogar einige Knöpfe fehlten, weshalb er die Jacke eigentlich nie schloss. Leider hatte er kein Geld für eine Neue, also musste sie nun das letzte halbe Jahr noch durchhalten. Dazu kamen seine noch immer nassen Haare. Zwar klebten sie ihm nicht mehr pitschnass in der Stirn, aber, durch das vorherige Abrubbeln, standen sie immer noch recht wüst in alle Richtungen ab. Er sah sicher aus wie ein ausgestoßener, verlauster Straßenköter, um es mit Kaibas Worten zu beschreiben.

An manchen Tagen war Katsuya geneigt, ihm wirklich zuzustimmen. Sicher, er war nicht verlaust, aber wie ein geprügelter Hund kam er sich trotzdem vor. Das würde er dem Brünetten gegenüber jedoch nie zugeben, hätte er vor den Beleidigungen dann doch auf Ewig keine Ruhe.

Kaum dachte er an den jungen CEO, erschien sofort ein Bild dessen vor seinem inneren Auge, wie dieser ihn mit einem abschätzigen Blick von oben herab musterte und dieses typische überlegene Kaiba-Grinsen aufgelegt hatte. Katsuyas Hand verkrampfte sich um die Tasse und er knirschte leicht mit den Zähnen.

Was hatte er dem Brünetten eigentlich getan, um so eine Verachtung auf sich zu ziehen? Der Größere hatte, schon bei ihrer allerersten Begegnung, kein gutes Haar an ihm gelassen. Warum musste der Andere ihn selbst dann beleidigen und runtermachen, wenn Katsuya ihn in Ruhe ließ? Selbst andere Schüler, mit denen er nur wenig zu tun hatte, ja sogar Passanten auf der Straße bedachten ihn mit Blicken, als wäre er nichts Wert. Wildfremde Menschen! Niemand nahm ihn wirklich ernst. Hatte er nicht auch ein wenig Respekt verdient? Er hatte sich doch nichts zu Schulden kommen lassen, oder jemandem irgendetwas getan. Katsuya versuchte anderen stets, offen gegenüber zu treten. Warum also? Er gab sich doch Mühe!

Aber nicht einmal seine eigene Familie hatte ihn haben wollen.

Seine Mutter war kurz nach der Scheidung mit seiner Schwester nach Osaka gezogen und hatte Katsuya unmissverständlich klargemacht, dass sie ihn nicht wollte, dass er ihr egal war. Zwar hatte seine kleine Schwester versucht, den Kontakt zu halten, aber da er sie weder besuchen konnte oder durfte und ihre Mutter Telefonate strikt unterband, kam es nur selten zu einer Unterhaltung zwischen den zwei Geschwistern. Ab und an hatten sie sich Briefe geschrieben, doch selbst dafür reichte das Geld auf seiner Seite meist nicht aus. Erst, als er damals das Video von ihr erhielt, in dem sie sich wünschte, ihn noch einmal zu sehen, da versuchte er wirklich alles, um sie zu erreichen. Er hatte ihr ein Versprechen gegeben, vor vielen Jahren, am Strand. Und Versprechen hielt er für gewöhnlich, egal was es ihn kostete. Also hatte er alles für sie gegeben und am Königreich der Duellanten teilgenommen, nur, um das Geld für ihre Operation zu gewinnen. Und er hatte es geschafft.

Zu jener Zeit, als das Battle City Turnier begann, fand auch die Operation statt und er hatte sich, seine Mutter ignorierend, zu Shizuka begeben, hatte sie doch nach ihm verlangt. Seiner Mutter mochte er egal sein, aber nicht seiner Schwester. Sie hatte immer zu ihm gehalten, egal was war und dafür war er ihr überaus dankbar. In der Zeit seiner anderen Abenteuer mit Yuugi, hatte er allerdings wieder den Kontakt zu ihr verloren. Er war sich nicht einmal sicher warum. Er hatte zwar nicht überaus viel Zeit gehabt und auch kein Geld, um sie zu besuchen oder ihr zu schreiben, doch auch von ihr kam keine Nachricht. Sicher war seine Mutter daran wieder schuld gewesen. Aber war er denn besser? Er hatte ja nicht mal eine simple Karte vollbracht. Vielleicht machte er sich einfach etwas vor und sogar seine kleine Schwester konnte ihn mittlerweile nicht mehr leiden. Er hatte sie sicher enttäuscht. War es ihr also zu verdenken? Trotz allem, klammerte er sich mit aller Kraft an diesen kleinen Schimmer von Liebe und Zuneigung. Hoffte er doch, dass sie, egal wie weit sie voneinander getrennt waren, immer noch einander Kraft geben konnten. In letzter Zeit dachte er wieder häufiger an seine Schwester und versuchte Mut und Zuversicht zu schöpfen, um weiter zu machen, denn er war müde.

Müde, den Attacken seines Vaters weiterhin entgegen zu treten. Körperlich sowie psychisch.

Sein Leben war schon ganz schön beschissen, das konnte man nicht bestreiten und dabei wünschte er sich doch nur ein bisschen Liebe und Zuneigung, eine Familie, keine Schmerzen.

Ein tonloses Seufzen rann über seine Lippen und Katsuya biss von seinem belegten Brötchen ab, bevor er einen Schluck seines nun gut temperierten Tees trank. Er war herrlich und wärmte seinen ausgekühlten Körper wenigstens ein wenig auf. Ein schmales , kraftloses Lächeln zog an seinem Mund.
 

Nachdem er, eine Weile später, sein Essen erfolgreich vernichtet hatte und der Tee nun nicht mehr seine Hände, sondern sein Innerstes wärmte, entschied er sich, sich wieder auf den Weg zu machen. Er hielt es einfach nicht lange an einem Ort aus, mal von den ganzen unangenehmen Blicken abgesehen. Er zahlte und verließ das Café.

Wieder mit seinem Schirm und der Schultasche bewaffnet machte er sich auf den Weg zu seinem Lieblingsplatz. Es war ein kleiner Spielplatz, umgeben von ein paar Bäumen, der sich in einem Viertel befand, welches an seines grenzte. Es war nicht das Nobelviertel von Domino aber doch sauber. Er liebte diesen Platz, denn bis auf ein paar Kinder aus der Nachbarschaft kam dort eigentlich kaum jemand hin. Dort hatte er seine Ruhe, wenn er allein sein wollte.

Der immer noch stetig fallende Regen machte ihm mittlerweile kaum noch etwas aus, er konnte ja doch nichts daran ändern. Als er seinen Zielort nach etlichen Minuten der Wanderschaft erreichte, sah er dort zwei Jungen Fußball spielen und wie der Oberschüler erkennen konnte, handelte es sich um Zwillinge. Sie schienen, so an die 9 oder 10 Jahre alt zu sein.

Für eine Weile beobachtete er sie und erinnerte sich dabei an die Zeit mit seiner kleinen Schwester, als er noch so jung war und in der er oft mit ihr am Strand gewesen war oder auch auf Spielplätzen gespielt hatte. Es war eine schöne Zeit gewesen.
 

“Hey, du, willst du mitspielen?”
 

Durch die Frage aus seinen Gedanken geschreckt, blinzelte der Blonde leicht irritiert.

Aber nein, er hatte sich nicht verhört, die Kleinen hatten ihn wirklich zum Spielen eingeladen. Der Oberschüler musste nicht erst lange nachdenken, bevor er leicht lächelnd nickte, seine Schultasche, unter dem Regenschirm geschützt, auf einer nahegelegenen Bank abstellte und zu den beiden Jungen lief. Ein kleines Spielchen konnte schon nicht schaden, auch, wenn er weiterem Sport für heute eigentlich entsagen wollte.

Kurz stellten die Zwillinge sich als Taro und Jiro vor, wobei Taro der, um ein paar Minuten, Ältere war. Zu Katsuyas Glück trugen die Beiden nicht die gleiche Kleidung, sodass er sie leicht unterscheiden konnte und nachdem auch er sich kurz vorgestellt hatte, begann das Spiel.

Man hätte es vielleicht eher als Schlammschlacht bezeichnen sollen, denn mit einem Fußballspiel hatte es bei weitem nicht allzu viel gemein. Sie rutschten nur so üben den aufgeweichten Boden und der Ball war eher ein matschiges Geschoss als alles Andere. Nach kurzer Zeit schon, war der Blonde komplett durchnässt und eingedreckt und sah nicht besser als die beiden Jüngeren aus, die ja schon wesentlich länger bei der Sache waren. Keiner von ihnen störte sich daran, geschweige denn, dass es sie überhaupt im geringsten interessiert hätte.

Natürlich war der Oberschüler den beiden eigentlich überlegen, spielte er doch in der Schule auch regelmäßig Fußball, aber er wollte und musste den Beiden ja nichts beweisen. Klar, ab und an wollten sie mal einen speziellen Trick sehen, welchen der Große gern zeigte, aber im großen und ganzen war es ein spaßiges Miteinander. Das Tor stand leer und es ging vielmehr darum seinen Gegenspielern das Leder abzunehmen und es im Kasten zu versenken. Jeder spielte dabei irgendwie gegen und mit den Andreren. Mal arbeitete der Blonde mit einem der beiden zusammen, nur, um im nächsten Moment hinterhältig reingelegt zu werden, doch ausmachen tat es ihm nichts.

Trotz ihrer äußeren Gleichheit, fand der Oberschüler schnell gewisse Unterschiede bei den Beiden. Taro, als der Ältere, gab oft die Anweisungen und führte den Jüngeren. Man spürte, wenn auch nicht so stark ausgeprägt, das Verhalten als großer Bruder. Jiro hingegen war anfangs noch etwas zurückhaltender gewesen, allerdings sehr schnell Katsuya gegenüber aufgetaut. Es schien sich dabei also nur um die Scheu, Fremden gegenüber zu handeln, denn wenn es um flinke, freche und waghalsige Manöver ging, stand Jiro seinem Bruder in nichts nach. Die Zwei bildeten eine wunderbare Einheit und der Blonde war sich sicher, dass die Geschwister sich ohne Worte verstehen konnten.

Als Katsuya zum wiederholten Male rittlings im Matsch saß, da die Zwillinge ihn unerwartet attackiert und umgeworfen hatten und nun auf ihm saßen, als Regentropfen sein erhitztes Gesicht benetzten, der Stoff nur so an seinem Körper klebte, da fing er an unbeschwert zu lachen und die beiden Kleinen stimmten kurz darauf mit ein.

Es fühlte sich unbeschreiblich gut an.
 

Wann hatte er das letzte Mal so befreit lachen können?
 

In diesem Moment, hatten das miese Wetter, seine sonst stetig präsenten Sorgen und die leichten Schmerzen in seiner Magengegend keine Macht über ihn. Es war unwichtig. Der junge Mann genoss den Augenblick des Glücks und das Gefühl, wenn auch nur für jetzt, so etwas wie kleine Geschwister bei sich zu haben, wieder der große Bruder zu sein. Das Gefühl von Familie.

Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, kletterten die Zwillinge von ihm runter und Katsuya erhob sich ebenfalls. Grinsend verwuschelte er ihnen die nassen Haare und dann ging das muntere Spiel auch schon weiter.
 

Ein Außenstehender mochte sie für unverantwortlich und völlig verrückt, wenn nicht sogar lebensmüde erklären, denn sie spielten jetzt schon seit geschlagenen zwei Stunden im strömenden Regen. So langsam waren die Drei aber auch an ihren Grenzen. Der pampige Boden erschwerte das Laufen ungemein und trotz der vielen Bewegung waren ihre Körper ausgekühlt. Da sich bei dem Blonden innerlich so langsam der Beschützerinstinkt und große Bruder meldete, schlug er vor, für heute, Schluss zu machen, damit die Jungs sich zu Hause aufwärmen konnten. Mit leichtem Murren als Widerstand stimmten sie dann aber zu, jedoch kam der Große nicht drum herum noch eine letzte Runde mit ihnen zu spielen. Diese großen Kinderaugen waren wirklich eine gemeine Waffe.

Kurz darauf herrschte auf dem Platz schon wieder ein reges Treiben.

Katsuya passte den Ball zu Taro, welcher jedoch kurz vor der Annahme, im Schlamm ausrutschte und der Länge nach im Matsch landete. Das Rund hatte es sich unterdessen nicht nehmen lassen und war, undankbarer Weise, ein ganzes Stück entfernt, auf der Gegenüberliegenden Straßenseite gelandet, niemand hatte es bisher bemerkt. Die Aufmerksamkeit lag vorerst auf Taro, der sich auf die Knie geschoben hatte und sich die Nase rieb. Der Schlamm, welcher ihm im Gesicht klebte und nun auch noch verteilt wurde, bot einen mehr als lustigen Anblick und die beiden Anderen konnten sich vor Lachen kaum halten. Der Geschädigte nahm es mit Humor und sobald er bestätigt hatte, sich nicht verletzt zu haben, sahen sich alle Drei nach dem hinterhältigen Leder um.

Jiro war der Erste, der es erspähte und rannte los.
 

“Ich hol ihn!”
 

Katsuya starrte ein paar Sekunden lang auf den Rücken des Kleinen und etwas zog sich in ihm unangenehm zusammen. Dann setzte er dem Jungen nach, der bereits die Straße erreicht hatte.
 

“Jiro, warte!”
 

Doch das Rauschen des Regens, dämpfte seinen Ruf und der Jüngere nahm es in seinem kindlichen Eifer kaum wahr. Taro hatte sich inzwischen erhoben und folgte den beiden.

Aus dem Augenwinkel bemerkte der Zwilling zwei Lichter, die sich rasch näherten.
 

“Jiro!!”
 

Auch dem ihm hinterherjagenden Blonden blieb diese Tatsache nicht verborgen und als der jüngere Zwilling, wegen des Schlamms unter seinen Sohlen, ausrutschte und unsanft auf dem Asphalt der Gegenfahrbahn mit den Knien aufkam, blieb dem Oberschüler für eine Sekunde das Herz stehen. Der Kleine hatte sich schnell wieder aufgerappelt, wurde nun jedoch auf ein Geräusch neben sich aufmerksam.
 

Geweitete Kinderaugen starrten erschrocken in helle Scheinwerfer.
 

Das letzte was Katsuya wahrnahm, war das schrille Quietschen von Autoreifen auf nasser Fahrbahn und beißender Schmerz.

... l(i)eben

Laut keuchend fuhr der junge Mann in die Höhe und blickte sich unruhig im Raum um. Sein Atem ging schnell und stoßweise, er war schweißgebadet, sein Herz hämmerte unangenehm gegen seinen Brustkorb, seine Hände zitterten und er benötigte einige tiefe Atemzüge um sich einigermaßen zu beruhigen. Leicht desorientiert sah er sich um. Seine Augen tasteten das Zimmer ab und mit Erleichterung stellte er fest, er war allein. Langsam richtete sich sein Blick nach rechts. Sanft spielte ein leichter Luftzug, der durch das gekippte Fenster drang, mit den Vorhängen. Es war noch dunkel draußen und das Licht des Mondes schien nur sehr gedämpft durch den dunklen Stoff.

Erschöpft ließ er sich wieder in die Kissen fallen und fuhr sich, unter einem leisen Ächzen, mit der Hand durch die Haare und anschließend über sein Gesicht. Er hatte das Gefühl, die Schmerzen noch immer zu spüren. Für einen Moment schloss er wieder die Augen und ließ die eben gesehenen Bilder noch einmal durch seinen Geist wandern.
 

Es war nur ein Traum.
 

Ein hektisches, schrilles Piepen ließ den jungen Mann abermals erschrocken, plötzlich aus seinen Gedanken gerissen, in die Höhe fahren. Nachdem er sich, einigermaßen, wieder unter Kontrolle hatte, ruckte sein Kopf herum und sein Blick taxierte den Übeltäter, welcher auch kurz darauf zum Schweigen gebracht wurde. Vielleicht sollte er dringend darüber nachdenken, sich einen anderen Wecker zu zulegen. Das Stechen hinter seinen Schläfen war beinah Bestätigung genug.

Mit einem leisen Seufzen schob er sich zur Bettkante, setzte die Füße auf den kühlen Boden und verharrte noch für einen Moment, seine Nasenwurzel leicht massierend. Wie schön, dass er jetzt mit diesen blendenden Kopfschmerzen in den Morgen starten konnte. Aber es half ja alles nicht, es war Montag und er musste heute in die Schule. Immerhin hatte er den Aufsatz für Sozialkunde einzureichen. Kurz glitt sein Blick zum Schreibtisch, auf dem besagtes Objekt lag, dann stand er mit einem resignierten Seufzen auf und begab sich langsam ins Bad. Vielleicht würde eine Dusche den Kopfschmerzen wenigstens etwas entgegen wirken und in seinem verschwitzten Zustand, war sie allemal nötig.

Das Geräusch, leiser, platschender Schritte von nackten Füßen auf harten Fliesen erklang, gefolgt vom leisen Geraschel der Kleidung, die, kurz darauf, achtlos auf dem Boden landete. Träge stieg der Oberschüler in die Dusche. Er hasste Montage, kündigten sie doch immer den Beginn einer anstrengenden Woche an. Aber momentan verabscheute er nichts mehr als diese Alpträume, die ihn schon seit langer Zeit nicht mehr ruhig durchschlafen ließen, selbst jetzt verfolgten ihn die damaligen Erlebnisse noch, hatte er doch gedacht es hinter sich gelassen zu haben. Eigentlich hatte er angenommen die Träume hätten mittlerweile etwas nachgelassen, es wäre sicher nur eine Phase, doch seit einer Weile hatten sie wieder an Intensität gewonnen. Der Grund dafür war ihm schleierhaft und er weigerte sich wegen so etwas wie simplen Alpträumen einen Arzt oder gar Psychologen aufzusuchen. Ein abfälliges Schnauben war durch das Rauschen der Dusche vernehmbar. Niemand wusste davon oder würde es je erfahren.

Langsam begann er sich unter der warmen Flüssigkeit, die seinen Körper hinab rann, zu entspannen. Der junge Mann spürte, wie sich seine verkrampften Muskeln langsam lockerten, auch wenn dies, wie er wusste, nicht von langer Dauer sein würde. Im Moment jedoch, war es mehr als angenehm. Gemächlich griff er nach dem Duschgel, dann fuhren seine Hände seinen Körper entlang und er begann sich vom Schweiß der Nacht zu befreien. Nachdem die Seifenreste von seinem Körper durch das warme Wasser weggespült wurden, wusch er sich die Haare und blieb dann noch einige Momente in der angenehmen Hitze stehen.

Lange konnte er jedoch nicht mehr verweilen, da ihm dazu dann doch die Zeit fehlte, also stieg er aus der Dusche, griff nach einem Handtuch und begann sich zu trocknen. Der Rest seiner morgendlichen Routine im Bad wurde abgespielt und erst als er in seinem Zimmer angekommen, vor dem Spiegel seines Kleiderschrankes stand, hielt er wieder für längere Zeit inne und betrachtete sich, leicht in Gedanken versunken. Langsam wanderte der Blick des jungen Mannes von unten über seine langen, schlanken Beine höher, über den flachen, trainierten Bauch und weiter, über die leicht sichtbaren Rippenbögen und die straffe Brust. Dort verweilte er für einen etwas längeren Moment, sich die feinen, auf der hellen Haut kaum sichtbaren Narben betrachtend, welche sich teils auf seiner Brust und am Halsansatz, sowie seinen Schultern befanden, um sich von dort zu seiner Rückseite zu schlängeln. Er wusste nur zu genau um ihre Herkunft, war dies doch ein immer wiederkehrender Teil seiner nächtlichen Störungen. Seinen Rücken ließ er bei seinen weiteren Betrachtungen nun bewusst aus, wollte er doch nicht sehen, was sich dort schon seit Jahren befand, er wusste es ohnehin und es weckte nur schmerzhafte Erinnerungen. Also setzte er seine Erkundung fort und betrachtete sich das Gesicht seines Spiegelbildes.

Es war recht blass, was keine weitere Überraschung war, bedachte man den Schlafmangel, verursacht durch das ohnehin schon späte zu Bett gehen und die zusätzlichen Alpträume. Die helle Haut, die sich über seine Knochen und Muskeln spannte, war an den Wangen leicht eingefallen. Er hatte wohl schon wieder mehr abgenommen, als erwartet, was ihm auch der vorherige Anblick seiner Rippenbögen bestätigte. Doch wirklichen Appetit hatte er in letzter Zeit einfach nicht verspürt, was an dem Stress und den Träumen liegen mochte. Mit einem kleinen Seufzen wurde die Beobachtung fortgesetzt.

Das mittlerweile trockengeföhnte Haar glänzte leicht im Schein der Deckenlampe, war gut gepflegt und wie immer in perfekter Form gestylt. Es umspielte, in einem starken Kontrast, die markanten Gesichtszüge, die so oft hart und kühl wirkten, augenblicklich aber nur Erschöpfung zeigten, so wie auch die Augen.

Er blickte in die Seelenspiegel vor sich und müde war wohl ein passendes Wort, um den Ausdruck, der in ihnen lag zu beschreiben. Das sonst so scharf und kalt funkelnde Blau wirkte eher stumpf und matt, weniger wie Eis, mehr wie Wasser. Ob dieser ruhige, unbewegte See, in den man zu blicken glaubte, nun warm oder eiskalt war, vermochte man nicht zu sagen. Das Bedürfnis, hineinzusteigen und es herauszufinden, wollte jedoch auch nicht unbedingt aufkommen, erschien das Wasser doch viel zu ruhig, beinahe schon tot.

Als der Brünette diesen Ausdruck das erste Mal wahrgenommen hatte, war er leicht erschrocken, mittlerweile, hatte er sich einigermaßen daran gewöhnt in diese matten, fast leblosen Augen zu blicken. Er war sich nicht mehr sicher, wann genau es passiert war, doch mit der Zeit war etwas aus seinem Inneren verschwunden und sein Feuer zu einer matten Glut verglommen. Die Kraft, die Flammen wieder zu schüren, besaß er nicht, egal wie viel Macht er sonst sein Eigen nannte und wenn man ganz genau hinsah, dann konnte man auch den Grund erkennen. Es war Einsamkeit, die sich in diesen blauen Tiefen verbarg.
 

Seto Kaiba war einsam.
 

Doch niemand würde je davon erfahren, denn jeden Morgen, nachdem er in diese, seine, Augen geblickt hatte, zwang er sich die übliche Maske auf und diese würde bleiben, bis er, spät nachts, wieder allein in seinem Zimmer war und einschlief. Er hasste es, sein wahres Selbst verleugnen zu müssen, doch was blieb ihm schon anderes übrig? Der Firmenchef konnte seine wahren Gefühle nicht zeigen, denn es machte ihn schwach und angreifbar. Es könnte ihn alles kosten, nicht nur seine Firma, sondern auch seinen kleinen Bruder, für den er mühsam das Sorgerecht aufrecht erhielt. Seto wusste, dass er es sich nicht leisten konnte verletzt zu werden, auch um seiner selbst willen. Sein kleiner Bruder hatte allerdings keine Ahnung, von diesen Gedanken und so sollte es auch bleiben, denn der Kleine sorgte sich schon mehr als genug um ihn.

Zeit, weiterhin über sich nachzudenken, hatte er jetzt allerdings nicht mehr, mal davon abgesehen, dass er es auch nicht wollte, denn den besagten kleinen Bruder sollte er so langsam einmal wecken, also griff der Brünette in seinen Kleiderschrank, zog die Schuluniform heraus und kleidete sich an. Ein letzter Blick in den Spiegel folgte und die Maske aus Eis und Gleichgültigkeit war, gezwungenermaßen, aufgesetzt und alle störenden Gedanken abgestellt. Routiniert wurde die Schultasche gepackt und auch der Aufsatz darin verstaut, den er heute abgeben musste, dann machte er sich auf zum Zimmer des jüngeren Kaiba.

Wie jeden Morgen, war der Schwarzhaarige leicht mürrisch, wenn es ums aufstehen ging, aber trotz allem reagierte er ohne Umschweife auf die nahezu liebevolle Weckaktion seines großen Bruders und verschwand im Bad. Nur für Mokuba ließ Seto einen winzigen Teil seiner Maske fallen und zeigte ein paar Emotionen. Nachdem der Jüngere verschwunden war, um sich fertig zu machen, verließ der Brünette das Zimmer auch schon wieder. Es entsprach seiner morgendlichen Routine, vor dem Frühstück noch einmal in seinem Büro den Tagesplan durchzusehen. Da sein Bruder sowieso noch etwas Zeit benötigen würde, nahm er am großen Schreibtisch platz und las noch ein paar E-Mails auf seinem Laptop.

So wie es aussah, würde der Tag wieder lang und stressig werden, denn es standen diverse Konferenzen und Vertragsgespräche an, mal abgesehen von den unzähligen Telefonaten und dem nie endenden Papierkram. Er würde in der Schule wohl wieder einmal die Stunden damit verbringen müssen, sich auf die anstehende Arbeit in der Firma vorzubereiten, den Schulstoff beherrschte er ohnehin schon seit Jahren.

Nachdem er sich die notwendigen Akten und Papiere zusammengesucht und eingepackt hatte, meldete sich auch schon der Wecker seines Mobiltelefons mit einem leisen Signal, dass es Zeit wäre seinem kleinen Bruder beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Leicht irritiert, dass schon wieder mehr als eine halbe Stunde vergangen war, ohne dass er es wirklich bemerkt hatte, fuhr der Firmenleiter seinen Laptop herunter, verstaute ihn sicher in seiner Tasche und begab sich zur Küche.

Wie erwartet, saß dort auch schon Mokuba am Tisch und beschmierte sich eifrig seine Brötchen mit einer braunen, nussig süßen Schokoladenmasse. Doch mit dem Essen begann der Kleine erst, nachdem Seto sich mit einem Kaffee ebenfalls am Tisch niedergelassen hatte. Es war für beide selbstverständlich, dass der Eine auf den Anderen wartete, immerhin war das Frühstück einer der wenigen Momente in ihren Tagesabläufen, wo sie sich effektiv zu Gesicht bekamen und Zeit mit einander verbrachten. Das war auch der Grund, weshalb der Brünette sich im Büro zusätzlich einen Wecker stellte und auch wenn der Firmenchef es ungern zugab, eines der wenigen Dinge, für die er seine Arbeit einfach liegen ließ.

Kurz beäugte er die mit Braun bekleisterten Brötchenhälften auf dem Teller seines Gegenübers, unterließ es jedoch etwas zu sagen. Manchmal war es Seto schleierhaft, wie der Kleine es schaffte, sich so viel Zucker auf einmal einzuverleiben und das auch noch am frühen Morgen. Jeden Tag trank Mokuba zu seinen Brötchen noch einen viel zu süßen Kakao und verschlang neben der Nougatmasse auch noch Marmelade auf seinem hellen Gebäck. Dass er bisher noch nicht durch die Gegend rollte oder gar einen Zuckerschock erlitt, mochte wohl nur an der vielen Bewegung und der sonst gesunden Ernährung liegen.

Seto trank jedenfalls erst mal einen Schluck seines Kaffees und widmete sich dann eher halbherzig der Morgenzeitung. Mit einem Ohr lauschte er stets den Worten seines kleinen Bruders, der ihm von den Erlebnissen des Vortages und seiner heutigen Tagesplanung erzählte. Für einen Außenstehenden mochte er desinteressiert wirken, doch sie beide wussten, wie wichtig es dem Brünetten war, zu hören, dass alles in Ordnung sei, auch wenn er es nicht gut zu zeigen vermochte. Der Oberschüler hatte sich geschworen, dem Kleinen eine gute und vor allem fröhliche Kindheit zu ermöglichen.
 

Eine, die er selbst niemals hatte.
 

Während der kleinere Kaiba nun da saß und Brötchen um Brötchen vertilgte, begnügte sich der größere mit seinem schwarzen Kaffee und der Morgenzeitung. Man konnte sagen was man wollte, aber Seto Kaiba war einfach kein Frühstücksmensch. Zum einen verspürte er um diese Uhrzeit einfach noch keinen Hunger, da ihm die Müdigkeit noch in den Knochen steckte, zum anderen war er auch nicht gerade ein Verfechter der westlichen Frühstücksvariationen. Er konnte diesem ganzen unterschiedlichen Gebäck nichts abgewinnen, mochten es nun Brötchen, Toast oder Croissants sein. Die einzige Ausnahme bildete sein Kaffee, doch auch nur, weil dieser es vermochte, seine müden Lebensgeister einigermaßen zu wecken und ihn auch wach zu halten. Tee hatte er für dieses Unterfangen schon vor langer Zeit aufgegeben.

Hin und wieder glitt sein Blick gen Uhr und anschließend zu seinem Bruder, der gerade seine letzte, es war neben bei bemerkt die vierte, Brötchenhälfte aß und noch munter am Erzählen war. Allzu viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, also widmete er sich dem letzten Rest des Käseblattes in seinen Händen, während er hin und wieder an seinem schwarzen Getränk nippte. Dies erledigt, faltete er das Papier wieder ordnungsgemäß zusammen und legte es bei Seite, was für Mokuba gleichzeitig das Zeichen des Aufbruches war. Während Seto noch in Ruhe seine Tasse leerte, stopfte sich der Kleine die letzten Fragmente seines Schokomassakers in den Mund und spülte mit seinem Kakao anschließend alles hinunter.

Leicht musste der Geschäftsmann über das verschmierte Gesicht seines kleinen Bruders schmunzeln und schickte ihn mit einem leichten Nicken ins Bad, um sich fertig zu machen. Schnell war der Jüngere von seinem Stuhl gesprungen und wie der Wind verschwunden. Er selbst wanderte in sein Arbeitszimmer, griff seinen Koffer, der seinen Laptop, seine Schulsachen und die Unterlagen für die Arbeit beinhaltete, kontrollierte noch einmal alles auf seine Richtigkeit und fand sich beinahe zeitgleich mit Mokuba in der Eingangshalle wieder ein. Nur ein paar Minuten später schlug der Chauffeur die Tür zur Limousine zu, die auch sofort ihren Weg zu Mokubas Schule antrat.
 

Dem Brünetten war es mehr als recht, dass Mokubas Unterricht eine halbe Stunde vor seinem begann. Auf diesem Wege war er früh in der Schule und hatte noch ein wenig Zeit, um ungestört zu arbeiten. Nachdem sein Bruder abgesetzt wurde und der Wagen sich in Richtung Domino High bewegte, begann der Firmeninhaber nicht gleich wie gewohnt zu arbeiten, sondern verfiel, wie so oft in den letzten Tagen, in Gedanken. Sein Blick war dabei unfokussiert aus dem Fenster gerichtet. In einem tristen Grau zogen die Häuser an ihm vorbei und der Regen prasselte auf das Wagendach.

Er mochte dieses Wetter in keinster Weise. Die Nässe war unangenehm und kroch meist, trotz anständiger Bekleidung, auf seine Haut und hinterließ dort ein klammes Gefühl. Es ließ ihn leicht frösteln, obwohl die Temperaturen noch im angenehm warmen Bereich waren. Was ihn jedoch am meisten störte war dieses eintönige Grau. Es erinnerte ihn an sein monotones und einsames Leben.

Wenn es nach ihm ginge, würde er längst nicht mehr seine Zeit damit verschwenden, in die Schule zu gehen, doch leider machte ihm das Jugendamt einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Wollte er das Sorgerecht für seinen Bruder weiterhin behalten, dann musste er diesen Abschluss machen und sich, wohl oder übel, Tag für Tag in diese Lehranstalt quälen. Das Amt jedenfalls interessierte es kein Stück, dass er der reichste Mann Japans war und ein ganzes Imperium führte. Seine ganze Macht nutzte ihm in diesem Fall nicht das Geringste.

Zum Glück musste er nur noch ein gutes halbes Jahr hinter sich bringen und dieser kleine persönliche Alptraum wäre vorbei. Dass er sich schrecklich langweilte grenzte schon an eine Untertreibung. Was die Lehrkräfte dort vorn erzählten, beherrschte er bereits mit vierzehn Jahren im Schlaf, dank seines Adoptivvaters. Es war schlichtweg ermüdend, sich all das noch einmal anhören zu müssen. Die Klausuren gingen ihm flüssig von der Hand, ohne dass er groß nachdenken musste, immerhin beschäftigte er sich tagtäglich mit weitaus komplizierteren Dingen. Mündliche Mitarbeit forderten die Lehrer zum Glück von ihm mehr als selten ab und dann auch nur das Nötigste. Einer der wenigen Vorteile, in seiner Situation, war es, dass er wenigstens im Unterricht nahezu ungestört arbeiten konnte.

Der Wagen kam zum Stehen und der Brünette blinzelte leicht irritiert. Hatte er jetzt wirklich den Rest der Fahrt komplett verträumt? Als er das Schulgelände durch die abgedunkelten Scheiben erblickte, entrann ihm ein leiser Seufzer. Resignierend straffte er seine Schultern, nahm seinen Koffer und stieg, die gewohnte Eismaske noch einmal festigend, aus dem Auto. In der Zwischenzeit war sein Fahrer bereits um das Gefährt gehetzt und hielt ihm einen Schirm über den Kopf, welchen er auch sogleich entgegen nahm und sich anschließend ins Innere des Gebäudes begab.

Wie jeden Morgen suchte er seine benötigten Schulutensilien aus dem Koffer, zog seinen Laptop hervor und fischte, während das Gerät hochfuhr nach den benötigten Unterlagen seiner Firma. Ohne seine Umgebung weiter zu beachten, begann er mit der Arbeit. Wenn alles gut lief, konnte er heute Abend vielleicht mal etwas früher nach Hause und Zeit mit Mokuba verbringen.

In der Zwischenzeit füllte sich der Raum langsam mit den restlichen Schülern der Klasse, die sich munter tratschend in kleine Grüppchen aufteilten. Der Firmenchef interessierte sich dafür nur wenig und ging seiner Arbeit nach. Er hatte schon früh gelernt seine Umgebung auszublenden, um sich auf wichtige Dinge zu konzentrieren. Trotz allem, konnte er eine bestimmte Gruppe nicht so leicht ignorieren. Zwar tummelten sich die drei Schüler auf der anderen Seite des Raumes und behelligten ihn nicht weiter, doch bei diesen speziellen Individuen ließ er Vorsicht walten. Oft genug wurde er von Yuugi und seinem Kindergartentrupp in Dinge verwickelt, die er mehr als gern umgangen oder gar ignoriert hätte. Leider war der Junge mit der Stachelfrisur mehr als aufdringlich gewesen, wenn es darum ging Seto in die Gruppe einzureihen. Doch mittlerweile schien er es aufgegeben zu haben und er ließ den Brünetten weitgehend in Ruhe.

Ein Plagegeist fehlte allerdings der Vollständigkeit halber noch in der kleinen Gruppe und auch wenn der Unterricht in wenigen Minuten begann, so würde man ihn erst nach weiteren zehn bis fünfzehn Minuten zu Gesicht bekommen. Es war nicht ungewöhnlich, dass der blonde Querulant erst weit nach Beginn der Stunde eintraf und jedes Mal die lausige Ausrede des Verschlafens vorschob. Selbst die Lehrkräfte hatten es nach über zwei Jahren aufgegeben ihn zu maßregeln. Wahrscheinlich waren sie einfach froh, ihn bald los zu sein.

Der Brünette hatte sich mit dem Blonden noch nie verstanden. Schon bei ihrer ersten Begegnung waren sie sich an den Hals gesprungen und daran hatte sich bis heute nicht das Geringste geändert. Seto wusste, was den Anderen so maßlos an ihm aufregte und störte, gab dieser es doch lautstark jedes Mal von sich, wenn sie aufeinander trafen. Manchmal setzte der Firmenchef auch genau das, was den Chaoten so störte, gezielt ein um ihn aus der Haut fahren zu lassen. Auf die ein oder andere verquere Art und Weise machte es ihm sogar Spaß den Anderen auf die Palme zu bringen. Seto selbst konnte in ihren täglichen Streitereien Dampf ablassen und so etwas Stress der Arbeit abbauen. Doch das allein war nicht der Grund warum er so eine tiefgehende Abneigung seinem Mitschüler gegenüber empfand. Viel mehr lag es an der permanenten guten Laune des Blondschopfes. Egal was passierte, er lachte, grinste oder hatte irgend einen dummen Spruch auf Lager. Selbst dann, wenn er eine schlechte Note nach der anderen bekam, war seine Stimmung ungetrübt. Dem Firmenleiter kam es so vor, als würde es ihn nicht interessieren, als wäre so etwas wie Schule vollkommen unwichtig. Und genau dieses Verhalten stieß dem hart arbeitenden Oberschüler in einer Weise sauer auf, die er sich selbst nicht vollkommen erklären konnte. Etwas daran schien einfach falsch und machte ihn, auf eine verquere Art und Weise, ein wenig unruhig. Vielleicht hatte Seto auch deshalb so einen perfiden Spaß daran, den Blonden immer wieder zu reizen und anzustacheln. Er wollte ihn aus der Reserve locken, denn niemand konnte uneingeschränkt gute Laune haben. Nicht einmal Yuugi, der kleine Stacheligel, mit seinem Herz der Karten, schaffte das.

Je weiter der Unterricht jedoch voranschritt, ohne das Auftauchen Katsuyas, wurde die kleine Clique immer unruhiger. Die erste Stunde verstrich und nach der Zweiten begannen nun langsam auch die übrigen Schüler zu tuscheln und sich zu fragen, wo denn der Blonde nun blieb. Seto interessierte es nicht, wo sich der, von ihm so gern betitelte Straßenköter, wieder einmal herumtrieb. Aber die zunehmende Unruhe der Klasse und vor allem der Gruppe um Yuugi, ging ihm so langsam auf die Nerven und machte es schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.

Nach der dritten Stunde hieß der Firmenchef die lange Pause sehr willkommen. Die Schüler verließen in Scharen den Klassenraum, sodass er endlich etwas Ruhe bekam zum arbeiten und um seine gestressten Nerven etwas zu beruhigen. Normalerweise würde er jetzt draußen auf dem Hof sitzen und dort arbeiten, jedoch hatte er beim derzeitigen Wetter absolut kein Interesse daran. Zu seinem Unmut machte sich allerdings sein Mobiltelefon bemerkbar und das darauffolgende Telefonat ließ seine ersehnte Ruhe förmlich in verpuffen. Natürlich konnte in der Firma nicht mal einen Tag etwas ohne Probleme verlaufen. Nachdem er seinen Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung gehörig zurechtgewiesen und zur Sau gemacht hatte, legte der CEO mit einem Knurren auf. Gereizt rief er sein Kaiba Corp. internes Postfach auf und sah sich das angefallene "kleine Problem" genauer an.

Die Mine des Oberschülers verdunkelte sich rapide, als er die Nachrichten mit den Dateianhängen scannte. "Klein" würde er besagtes Problem nicht nennen. Seto stieß einen Fluch aus, kramte in seinem Koffer und zog ein paar Unterlagen hervor, die er recht unsanft auf den Tisch knallte. Zum Glück war niemand außer ihm hier im Raum, denn ein Seto Kaiba fuhr nicht so einfach aus der Haut. Ein Kaiba war immer kontrolliert und ruhig.
 

Er hasste diesen Tag.
 

Soeben hatte sich sein früher Feierabend und seine Freizeit mit Mokuba in Luft aufgelöst und stattdessen eine weitere Nacht im Büro angekündigt. Zu seinem Leidwesen, konnte er dieses Problem an niemanden in seiner Firma abschieben. Frustriert begann er, auf der Tastatur hämmernd, mit der Arbeit.

Nur wenige Minuten später verkündete die Schulglocke schon den Beginn der nächsten Stunde und die Schüler strömten wieder zurück in den Raum. Als sie sich jedoch mit dem gereizten und miesgelaunten Kaiba konfrontiert sahen, erstarb das fröhliche Getratsche rasch und jeder sah zu, dass er dem Blauäugigen keinen Anlass gab, ihn vielleicht doch in der Luft zu zerreißen. So manch einer wünschte sich im Stillen Jounouchi herbei, der Kaibas Zorn auf sich ziehen und so allen anderen das Leben retten würde. Doch der blonde Chaot wollte sie wohl heute nicht mit seiner Anwesenheit beglücken.

Seto hatte nun keinen freien Gedanken mehr für den Köter oder den langweiligen Sozialkundeunterricht. Seinen Aufsatz zog er nur beiläufig aus dem Koffer und reichte ihn an den verantwortlichen Schüler weiter. Sozialkunde war eines der Fächer, dass ihn am wenigsten interessierte. Er kannte sich gut genug mit der momentanen politischen Lage aus, da es für ihn und die Firma wichtig war. So lauschte er den Worten der Lehrkraft nicht weiter und vertiefte sich in seine Arbeit. Wenn er Glück hatte, würde er vielleicht noch ein paar Stunden Schlaf herausarbeiten können.

Den darauf folgenden Sportunterricht ließ der CEO geflissentlich, mit der Ausrede eines wichtigen Geschäftstermins, ausfallen. Lieber nutzte er die Zeit um kurz nach Hause zu fahren, sich umzuziehen und dann in die Firma zu verschwinden. Wollte er diese Nacht noch fertig werden, brauchte er jede erdenkliche Minute.

Zu seinem Leidwesen konnte er sich nicht komplett dem neuen Problem widmen, da auch noch ein sehr wichtiges Meeting auf ihn wartete. Jedoch war die durch den Sportunterricht gewonnene Zeit sehr willkommen. Während er also seinen Laptop malträtierte und von seiner Sekretärin mit Kaffee und den benötigten Informationen und Unterlagen versorgt wurde, verging Stunde um Stunde.

Die Konferenz gestaltete sich als anstrengender und nervenzehrender als er es sich ohnehin schon vorgestellt hatte. Wie Kaugummi zogen sich die Minuten und während jeder seine überaus wichtige Meinung kundgeben musste und das eigene Anliegen als oberste Priorität erachtete, wünschte sich der Oberschüler nichts sehnlicher als seine Ruhe in seinem Bett. Immer wieder musste er die streitenden Parteien zur Ordnung rufen und Dinge neu aushandeln, die eigentlich schon längst beschlossen gewesen waren. Es war ermüdend und doch auch nach diesen zermürbenden Stunden hatte der junge Mann noch lange keine Ruhe.

Er gönnte sich eine kurze Pause und würgte etwas von dem Essen hinunter, welches ihm seine Sekretärin hingestellt, oder viel eher aufgezwungen, hatte. Es war nicht viel, aber irgendetwas musste er ja zu sich nehmen. Von Kaffee allein konnte man leider nicht leben. Zeitgleich sortierte er allerdings schon die nächsten Unterlagen und verschaffte sich einen Überblick über die noch anstehende Arbeit. Es sollte noch ein langer Tag werden.
 

Leise öffnete sich die große Tür der Villa und ein müder Firmenchef betrat das Haus. Es war fast so spät wie erwartet geworden. Träge zog er sich die Schuhe aus und stieg die große Marmortreppe hinauf, unterwegs zu seinem Zimmer stoppte er allerdings noch einmal. Lautlos wurde der Koffer neben der Tür abgestellt, eben diese genauso geräuschlos geöffnet, bevor der Brünette sich hineinschob und an das Bett seines Bruders trat. Behutsam ließ sich der Ältere auf die Bettkante sinken. Fürsorglich wurde die Decke noch einmal zurecht gezogen und dem Schlafenden leicht über die lange Mähne gestrichen.
 

"Schlaf gut, Moki."
 

Noch einen kleinen Kuss auf die Stirn seines kleinen Bruders hauchend, zog sich Seto dann auch wieder leise zurück. Er war müde und würde von den paar Stunden die ihm noch blieben, gern welche zum Schlafen nutzen. Schnell war er daher auch in seinem eigenen Zimmer angekommen, stellte seinen Koffer weg und suchte sich seine Schlafsachen. Mit diesen verschwand er noch einmal kurz ins Badezimmer für eine kurze Katzenwäsche. Nachdem alles notwendige erledigt war, begab auch Seto sich endlich zu Bett. Kurz glitt sein Blick zur leuchtenden digitalen Anzeige des Weckers. Es war bereits drei Uhr morgens. Mit einem leisen Seufzen aktivierte er den Alarm und ließ sich dann in die Kissen fallen, bevor er seine Gedanken noch etwas wandern ließ.

Wieder einmal hatte er einen weiteren Tag überlebt. Anders konnte man es schwerlich nennen. Wie eine Maschine arbeitete er seinen Tagesablauf ab, musste immer perfekt funktionieren. Pausen waren selten und meist nur von sehr kurzer Dauer. Seto hatte das Gefühl, als wäre er die ganze Zeit in Bewegung, dabei wünschte er es sich auch einmal anhalten zu können und den Moment zu betrachten, durchzuatmen. Doch dies schien ihm im Augenblick verwehrt. Stillstand war nicht vorgesehen, denn eine Maschine brauchte keine Pausen. Eine Maschine benötigte auch keine Gefühle. So hatte Gozaburo Kaiba ihn erzogen.

Doch jedes Mal, wenn er spät nachts in seinem Bett lag und nachdachte, umfingen ihn mehr Gefühle als er fähig war zu verstehen. Er war keine Maschine, sondern ein Mensch. Er hatte sich von Gozaburo befreit und trotzdem hielt dieser ihn nach all den Jahren immer noch gefangen. Nacht für Nacht in seinen Träumen suchte dieses Monster den jungen Mann heim und ließ ihn die Qualen seiner Kindheit wieder und wieder durchleben.

Seto wollte diese Erinnerungen nicht. Am liebsten würde er es einfach so hinter sich lassen, sein eigenes Leben führen. Doch Gozaburo hatte sichergestellt, dass der Brünette nicht vergaß und durch das übernommene Imperium hatte Seto keine andere Wahl, als die eisige Maske weiterhin zu tragen. Zu seinem, aber vor allem, zu Mokubas Schutz. Er konnte und wollte es nicht riskieren, sein einziges, ihm noch gebliebenes Familienmitglied zu verlieren.

Tief in seinem Inneren, wusste Seto Kaiba, was er sich wünschte. Doch waren diese Wünsche nicht von Hoffnung getragen. Nicht seines Namens, oder Geldes halber wollte er geliebt werden. Seto wollte endlich als Mensch anerkannt und als die Person geliebt werden, die er war. Er wollte seine Gefühle offen zeigen können und frei sein. Nur gab es da das Problem, dass er nie wirklich gelernt hatte mit den ganzen auf ihn einwirkenden Emotionen umzugehen, hatte er sie doch bisher hinter einer festen Mauer aus Eis verbergen müssen. Er wurde erzogen, keine Fehler zu machen, doch bei Gefühlen passierte es so oft, dass man sich irrte, oder den Anderen falsch verstand. Er wusste nicht damit umzugehen und das bereitete dem Brünetten Unbehagen. Wer würde sich schon auf so etwas wie ihn einlassen? Wer würde sich die Mühe machen und versuchen hinter seine Maske zu blicken?
 

Die matt beleuchteten Zahlen des Weckers zeigten unterdessen halb vier, als der Oberschüler langsam in den Schlaf gefunden hatte. Sanft spielte ein leichter Luftzug mit den Vorhängen, durch welche das fahle Mondlicht zusätzlich gedämpft wurde. In zwei Stunden würde sein Wecker wieder klingeln und ein neuer Tag in Setos persönlichem Alptraum beginnen.

... den Schmerz vergessen

Langsam erwachten seine Sinne wieder zum Leben. Einer nach dem anderen schaltete sich ein und hieß ihn in der Realität willkommen.

Zuerst spürte Katsuya Wärme die ihn, von der Brust abwärts, umfing und es auf der weichen Unterlage sehr gemütlich machte. Lag er in einem Bett? Seine Glieder fühlten sich merkwürdig taub an. Auch hing dieser komische, ihm doch bekannte Geruch in der Luft, den er jedoch nicht identifizieren konnte. Sein Hirn schaffte es im Moment nicht, irgendwelche Verbindungen herzustellen. War er nicht draußen in der Stadt unterwegs gewesen? Wie kam er dann in ein Bett?

Die Grübelei erst einmal beiseite schiebend, öffnete der junge Mann träge seine schokobraunen Augen und zuckte wegen des grellen Lichtes zusammen, das seinen Kopf augenblicklich schmerzen ließ. Leise ächzend, biss er die Zähne zusammen und kniff die Augen schnell wieder zu. Er hätte es bleiben lassen und einfach weiter schlafen sollen. Fast zeitgleich, registrierte sein malträtiertes Hirn ein konstantes und penetrant lautes Piepsen, irgendeiner Maschine neben sich. Das war zu viel. Stockend drehte er sich auf die Seite, kroch in sich zusammen und presste seine Hände fest auf seine Ohren. Der schreckliche Ton hörte nicht auf, ging ihm durch Mark und Bein. Mit jedem weiteren "Piep", überrollte ihn eine neue Welle des Schmerzes. Zu allem Übel beschleunigte das Piepsen sich auch noch und verstärkte das pochende Gefühl in seinem Schädel, was ihm die Tränen in die Augen trieb. Der Blonde winselte leise, denn sein Kopf fühlte sich immer mehr danach an als würde er jede Minute explodieren. Der Klang dieses Höllengerätes war unerträglich und machte es nahezu unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Er wünschte sich, dass es einfach nur aufhören würde und er wieder seine Ruhe haben könne.

Die Tortur dauerte noch gute zehn Minuten, welche für den jungen Mann eher wie eine Ewigkeit erschienen, bis endlich jemand kam. Wage vernahm er das Öffnen der Tür und die Schritte, die im Raum widerhallten und sich ihm näherten. Auch dass er angesprochen und etwas gefragt wurde, bekam er mit, jedoch schaffte sein Verstand es nicht, die Worte zu verarbeiten. Um wenigstens eine Reaktion zu zeigen, wollte Katsuya den Fremden zumindest ansehen, wurde jedoch wieder kurz nach dem Öffnen seiner Augen dazu gezwungen sie zu schließen. Von außen betrachtet, brachte er gerade mal ein leichtes Blinzeln zu Stande, was von einem leisen, schmerzerfüllten Zischen begleitet wurde.

Wieder vernahm er Schritte an seinem Bett. Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, was mehr als schwer fiel, um herauszufinden, wohin sich die Person bewegte. Es schien, als wäre der Fremde eine Runde um das Bett herum gelaufen und nur ein paar Herzschläge später, ließen die Kopfschmerzen ein wenig nach. Zu seiner Erleichterung konnte Katsuya feststellen, dass das schreckliche Gerät ebenfalls endlich schwieg. Langsam begann sein Körper sich zu entspannen. Blieb nur noch das Problem der grellen Beleuchtung übrig. Da er nun aber die Hände wieder von seinen Ohren lösen konnte, hatte er sie frei, um seine Augen vor dem Licht abzuschirmen. Vorsichtig blinzelte er und nach ein paar Versuchen und einigen Wimpernschlägen war er in der Lage den Raum recht gut zu erkennen.

In seinem Sichtfeld erstreckte sich ein weißer Raum. Er war anscheinend recht groß und in mehrere Abschnitte unterteilt. Er konnte eine Art Trennwand sehen und ein paar Gerätschaften neben seinem Bett ausmachen. Trotz seines im Moment noch etwas verlangsamt arbeitenden Verstandes, begriff Katsuya allmählich wo er sich befand. Es musste sich um ein Krankenhaus handeln. Etwas anderes ergab keinen Sinn. Der Schreckliche Geruch konnte also nur vom Desinfektionsmittel stammen.

Jetzt stellten sich dem Blonden allerdings genau zwei Fragen: Wie kam er in ein Krankenhaus und warum lag er überhaupt in einem dieser Betten? Was war eigentlich passiert?

Bevor er sich jedoch den Kopf darüber zerbrechen konnte, was bei den noch präsenten Kopfschmerzen keine all zu große Herausforderung darstellen sollte, schob sich die fremde Person in sein Sichtfeld und erlangte somit seine Aufmerksamkeit. Dem weißen Kittel nach zu urteilen, handelte es sich um einen Arzt. Langsam ließ Katsuya seinen Blick über den Mann schweifen.

Dem Aussehen nach war der Herr vor ihm vielleicht Anfang 50, jedoch hatten ihn die Jahre als Arzt wohl auch gezeichnet. In seinem kurzen, dunkelbraunen Haar konnte man bereits die ersten grauen Strähnchen erkennen und sein Gesicht zierten ein paar Falten. Bisher war dieser Anblick für Katsuya nichts untypisches. Er hatte in den letzten Jahren schon den ein oder anderen Arzt gesehen. Was jedoch die Aufmerksamkeit des Blonden auf sich zog, waren die ihn freundlich anfunkelnden Augen hinter der Brille des Weißkittels. Fast sofort hatte er ein dumpfes, merkwürdiges Gefühl in seinem Magen. Es war unterschwellig und kaum vorhanden, doch etwas bereitete ihm Unbehagen, wenn er diesen Mann ansah. Er konnte sich nur noch nicht erklären was es war. Bevor der Blonde jedoch in Gedanken verfallen konnte, wurde er von eben jenem Mann wieder angesprochen und diesmal war er auch in der Verfassung die Worte zu verarbeiten und zu verstehen.

"Schön, dass du endlich wach bist. Ich hatte schon Angst, dass dein Kopf doch mehr abbekommen hat, als vermutet. Mein Name ist Nomura Sotaro und ich bin dein behandelnder Arzt. Du warst knapp eine Stunde nicht bei Bewusstsein. Wie fühlst du dich?"

In der Zwischenzeit hatte der Arzt eine kleine Klammer von seinem Finger entfernt, die für seine Pulsmessung zuständig gewesen war. Ein klein wenig Zeit benötigte Katsuya dann doch, um zu antworten. Immerhin rumorte es in seinem Schädel schon noch ganz schön und es fiel ihm nicht unbedingt leicht seine Gedanken beisammen zu halten. Seine Auskunft schien den Arzt aber einigermaßen zufrieden zu stimmen und so fuhr dieser mit seiner Fragerunde fort.

"Du hast dir ganz schön den Kopf gestoßen und dir dabei eine mittelschwere Gehirnerschütterung eingefangen. Ich stelle dir jetzt ein paar Routinefragen um zu sehen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist."

Nach einem zaghaften Nicken, von Seiten des blonden Patienten, zog sich Doktor Nomura einen Stuhl heran und begann die Befragung. Es wurde sich nach seinen Personalien erkundigt, welche der Arzt mittels des in der Schultasche gefundenen Personalausweises abglich. Diese und auch die Fragen zum heutigen Datum und Wetter konnte der Blonde ohne weitere Probleme beantworten. Je weiter sich der Arzt jedoch dem Unfall näherte, desto schwammiger wurden die Erinnerungen. Auf die Frage hin, was genau passiert war, konnte er nicht so recht eine Antwort geben.

"Mach dir deswegen keine Sorgen. Es ist nicht ungewöhnlich, die Geschehnisse nicht mehr zu wissen. Deine Erinnerungen sollten in den nächsten Tagen zurück kommen. Im Moment solltest du dich etwas entspannen und darauf konzentrieren dich wieder zu erholen, mit einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen."

Der Mediziner lächelte ihn warm an, was dem Blonden wieder eine leichte Welle des Unbehagens bescherte und griff dann nach der Akte die er auf dem Schoß hatte.

"Kommen wir also endlich zu deinen restlichen Verletzungen: Bis auf die Platzwunde am Kopf hast du wirklich Glück gehabt. Du hast dir ein paar Abschürfungen und Prellungen, vor allem auf der rechten Körperseite und am Rücken zugezogen. Zusätzlich wurde dein linkes Sprunggelenk verdreht. Was die Behandlung angeht...", Doktor Nomura sah ihn über den Rand seiner Brille etwas ernster an, "Wir konnten keine Versicherungsdaten von dir finden, daher konnte ich leider nicht mehr als nur das Nötigste machen."

Noch immer lag der leicht forschende Blick auf Katsuya. Dieser bevorzugte es im Moment dem Blickkontakt lieber auszuweichen.

"Ich bin nicht versichert", brachte der Blonde nur als leise Antwort hervor. Es war ihm mehr als unangenehm.

Nach einem leichten Nicken und einer kleinen Notiz in der Akte fuhr der Ältere, zu Katsuyas Erleichterung, ohne jeglichen Kommentar fort:

"Die Wunde an deinem Hinterkopf musste mit drei Stichen genäht werden. Lass den Verband am besten bis morgen Abend noch dran damit kein Dreck in die frische Naht kommt. Auf den größeren Schürfwunden hast du Pflaster. Wir haben alles desinfiziert und dir noch eine Impfung gegen Tetanus gegeben, das gehört zur Routine. Dein Sprunggelenk ist im Moment noch geschwollen. Es wurde mit einer kühlenden Salbe behandelt und mit einem Verband stabilisiert. Gegen die Kopfschmerzen habe ich dir vorhin etwas gegeben. Mehr war nicht drin. Ich kann dir nur für die nächsten Tage noch ein paar Schmerztabletten mitgeben. Außerdem bekommst du eine Krankschreibung und eine Sportbefreiung für die nächsten Tage ."

Noch immer hatte der junge Mann den Blick gesenkt und versuchte das Gesagte zu verarbeiten. In Gedanken versunken, hatte er sich leicht auf die Lippe gebissen. Doktor Nomura beobachtete ihn dabei aufmerksam bis Katsuya dann nach einem Moment der Stille nickte.

"Vielen Dank für Ihre Hilfe." Seine Worte waren leise, doch für den Arzt gut verständlich.

Damit richtete sich der Blonde langsam auf, schlug die Decke zur Seite und wollte das Bett verlassen. Im gleichen Augenblick, in dem er die Füße auf den Boden setzte, überrollten ihn jedoch mehrere Dinge gleichzeitig und ließen ihn keuchend stocken. Kaum hatte er sich etwas nach vorn gebeugt, um aufzustehen übermannte ihn ein unsagbares Schwindelgefühl. Dumpf kroch auch der Schmerz seines Fußes die Wade empor. Mit diesem zusammen kam eine Welle der Übelkeit, sodass er sich aus Reflex die Hand auf den Mund presste. Es war nicht seine erste Gehirnerschütterung, doch diesmal war es heftiger als sonst. Er versuchte ruhig und tief einzuatmen, kämpfte um die Kontrolle. Er konnte es sich nicht leisten jetzt umzukippen.

Kurz bevor er in sich zusammensacken konnte, griffen ihn zwei starke Hände an den Schultern und dirigierten ihn langsam zurück in die Waagerechte. Es kam ihm fast vor, als hätte der Arzt bereits damit gerechnet.

"Na na, nicht so voreilig. Ich sagte doch bereits, dass mit einer Gehirnerschütterung nicht zu spaßen ist. Du bleibst jetzt schön liegen und gönnst deinem Körper mal eine Pause. Schlaf noch eine Stunde, danach sehen wir weiter."

Katsuya konnte wage ein leichtes Grinsen über das Gesicht des Mediziners huschen sehen. Kaum befand er sich wieder in den Kissen, verschwanden auch der Schwindel und die Übelkeit langsam. Trotz allem wagte er den Versuch zu protestieren, welcher jedoch durch ein herzliches Lächeln zum Scheitern verurteilt war. Der alte Herr wusste eindeutig was er tat. So kam es, dass sein Patient sich unter leisem Grummeln ergab, die Augen schloss und schließlich einschlief.
 

Fast pünktlich auf die Minute, wurde er eine Stunde später von Doktor Nomura geweckt. Noch ein wenig verschlafen blinzelte Katsuya diesem entgegen. Es ging ihm um einiges besser. Die Kopfschmerzen hatten noch etwas nachgelassen und auch das widerliche Gefühl von Schwäche in seinen Gliedern hatte sich weitgehend gelegt. Als er sich dieses mal etwas vorsichtiger aufrichtete, kehrte der Schwindel zwar zurück, jedoch nicht in der gleichen Intensität wie zuvor. Es war erträglich und der Blonde hatte nicht das Gefühl, nach einem Schritt schon Bekanntschaft mit dem Fußboden zu machen. Damit konnte er leben.

Wie Katsuya bereits vermutet hatte, musste der Mediziner ihn jetzt aus dem Bett werfen. Es war nur all zu verständlich. Er war nicht versichert, also hatte das Krankenhaus kein Interesse daran ihn weiterhin kostenlos zu beherbergen. So wandte er sich dem Bettende zu, auf dem er seine restliche Kleidung vermutete, trug er doch nur sein T-shirt und ein paar Boxershorts. Was er sah, ließ ihn leicht erschrocken innehalten.

Seine Schuluniform hatte mehr als nur gelitten. Jacke sowie Hose waren komplett durchnässt und mit Schlamm bedeckt. Vom ehemaligen Blau ließ sich nur wenig erkennen. Die rechte Seite der Hose war löchrig und zerrissen. Der vorher schon leicht lädierte Jackenärmel hing nun nur noch an ein paar vereinzelten Fäden und war ebenfalls nicht mehr sehr blickdicht. Hinzukommend waren Ärmel und Kragen der Jacke mit Blut verschmiert. So konnte er doch keinesfalls zu Hause auftauchen, geschweige denn am nächsten Morgen in die Schule gehen.

Nach einem Moment der Stille in der sich keiner der Beiden regte oder etwas sagte, meldete sich Doktor Nomura schließlich zu Wort und Überraschte den Blonden dabei nicht gerade wenig.

"Für deine Schuluniform konnte ich leider nichts tun, aber ich habe dir aus der Kleidersammlung des Krankenhauses ein paar Sachen zusammengesucht, die dir passen sollten. Es sind nicht mehr die besten, aber sie sind sauber und halten dich erst einmal warm."

Damit drückte er dem Blonden einen Stapel Wäsche in die Hand und dieser sah mehr als überfordert aus. Hatte er doch in keinster Weise mit so einer Geste gerechnet. Unsicher blickte er den Mediziner an und suchte nach den passenden Worten um sich zu bedanken. Dieser kam ihm jedoch zuvor und ergriff wieder das Wort.

"Jetzt schau nicht so verwundert. In welcher Geschichte bekommt der Held denn nach seiner Genesung keine saubere Kleidung, um seinen Sieg zu feiern? Das ist das Mindeste, was ich tun kann."

"Held?", der Blonde sah den Mediziner mehr als ungläubig an. Beinah meinte er im falschen Film zu sein. Doch das verschmitzte Grinsen des Alten wollte nicht von dessen Gesicht weichen. Leicht klopfte er Katsuya auf die unverletzte Schulter und erhob sich.

"Also los, zieh dich an und dann komm mit. Es gibt da jemanden der nach dir gefragt hat und schon sehnsüchtig darauf wartet dich zu sehen."

Noch immer verwirrt, begann der Angesprochene sich langsam zu regen und zog sich die gereichte Kleidung über. Wenig später trug er eine schon etwas in die Jahre gekommene, ausgewaschene Jeans und einen dunkelbraunen Kapuzenpullover. Sogar ein Paar trockener Socken und Schuhe hatte Doktor Nomura für ihn aufgetrieben. Seine Schultasche inklusive Regenschirm hatte auch den Weg zu ihm aufs bettende gefunden. Während er sich anzog und dem Arzt dann folgte, hatte er fieberhaft überlegt, wer ihn denn unbedingt sehen wollen würde. Sein Erzeuger war es sicher nicht und Katsuya zweifelte stark daran, dass seine Mutter oder Schwester informiert worden waren. Seine Freunde konnten nichts wissen. Mit wem also hatte er vor dem Unfall Kontakt gehabt?

Plötzlich schossen ihm ein paar Bilder an seinem inneren Auge vorbei und er blieb stehen.

"Wie geht es Jiro?"

Leicht überrascht sah ihn Doktor Nomura an, bevor er mit einem Lächeln nach links in den Wartebereich des Krankenhauses verwies. Zögerlich wandte Katsuya sich in die ihm gewiesene Richtung.

Nicht weit von ihnen entfernt saß eine kleine Gruppe, die die beiden Neuankömmlinge schnell bemerkte. Der Blonde konnte einen überraschten Ausruf vernehmen und kurz darauf löste sich auch schon ein kleiner Körper von ihnen und kam auf ihn zu gerannt.

"Onii-chan!"

Der Gerufene hatte kaum Zeit um zu reagieren und wurde schneller als er sehen konnte fest um die Hüfte gepackt und umarmt. Gerade so war es ihm noch möglich sein Gleichgewicht zu halten und er blickte auf den jungen Körper vor sich, der sich fest an ihn drückte. Er brauchte ein paar Sekunden um sich zu fassen und die Person zu erkennen. Es war Taro.

Kurz warf er dem Arzt neben sich einen verunsicherten Blick zu, erhielt von diesem aber nur immer noch das gleiche warme Lächeln. Nun bemerkte er auch die anderen Menschen, die zu ihnen getreten waren. Einen Moment blieb er an den Gesichtern der Eltern hängen, spürte dann jedoch einen zusätzlichen Druck um seine Hüfte und blickte nach unten. Jiro kam dem Beispiel seines Bruders nach und umarmte ihn, wenn auch weniger fest.

"Gott sei Dank." Erleichtert atmete Katsuya auf und strich beiden Jungen über den Kopf.

Neben sich konnte er die gedämpfte Stimme von Doktor Nomura vernehmen: "Er hat ein paar kleinere Kratzer und einen leichten Schock. Ansonsten sind beide wohlauf."

Er brachte ein leichtes Nicken zustande und hielt den Blick weiter auf die Jungen gerichtet. Noch immer waren seine Erinnerungen etwas schwammig, was den Unfall betraf, aber er war mehr als froh, dass es den beiden Jungen gut ging. Die Eltern der Jungen richteten nun ebenfalls das Wort an ihn und bedankten sich ausgiebig bei ihm. Es war alles so warm und herzlich, dass Katsuya sich unwohl fühlte. Er sah sich nicht als großen Helden und wollte auch gar nicht so viel Aufmerksamkeit deshalb bekommen.

Doktor Nomura war in der Zwischenzeit kurz verschwunden und hatte Katsuya die Krankschreibung und Schmerztabletten geholt und reichte ihm diese nun mit ein paar Anweisungen. Der Blonde konnte jedoch nur mit einem halben Ohr zuhören und steckte sie in seine Schultasche. Parallel dazu versuchten die beiden Jungen ihren Eltern und dem Arzt aufgeregt zu erzählen, wie Katsuya Jiro gerettet hatte, dabei wurden sie jedoch vom eigenen Magengrummeln schnell unterbrochen. So schlugen die Eltern vor sich in die Kantine zu setzen und etwas zu essen. Katsuya luden sie gleich mit ein, der gar keine Gelegenheit mehr bekam höflich abzulehnen, da die beiden Jungs ihn bereits mit sich zogen. Nur kurz konnte er sich noch bei seinem Arzt bedanken, der nur lächelnd abwinkte und ihn gehen ließ.

Er fühlte sich mit der kleinen Familie am Tisch mehr als unwohl. Er saß hier, in fremder Kleidung und sollte sich etwas zu Essen aussuchen, dass er nicht bezahlen brauchte. Hätte es sich um seine Freunde gehandelt, hätte er vielleicht weniger gezögert, aber hier ging es um völlig fremde Menschen. Hinzu kam, dass er eigentlich gar keinen wirklichen Appetit hatte. Ihm war noch immer etwas schwindelig und daher befürchtete er, dass die Übelkeit schnell zurück kommen könnte. Er wollte sich nicht vor aller Welt übergeben müssen. Doch was hatte er schon für eine Wahl? Taro und Jiro waren ziemlich aufgedreht und versuchten ihm alles Mögliche an Essen aufzudrängen und ihre Eltern bestanden darauf ihm etwas auszugeben.

Schlussendlich hatte er doch klein bei geben müssen und rührte leicht in der Tasse Tee vor sich. Daneben stand ein Teller mit einem kleinen Sandwich. Wenigstens hatte er die Familie davon überzeugen können, dass er keinen all zu großen Hunger hatte und etwas Kleines mehr als ausreichend war. Während er dem Zucker beim Auflösen zusah lauschte er den Erzählungen der beiden Kinder. Diese berichteten eifrig davon, wie mutig sich der Blonde vor das Auto geworfen hatte, um Jiro von der Straße zu ziehen. Er war mit Jiro im Arm etwas über den Asphalt geschlittert und schließlich mit Kopf und Rücken gegen den Bordstein geschlagen. Dabei hatte er das Bewusstsein verloren. Der Fahrer des Wagens kam ein Stück weiter erst zum stehen, hatte aber gleich den Krankenwagen gerufen und erste Hilfe geleistet. Auch dieser hatte sich, während der Blonde noch geschlafen hatte, nach dessen Befinden erkundigt und seinen Dank und eine Entschuldigung ausrichten lassen.

Nachdem alle aufgegessen hatten und der Blonde seine Tasse gelehrt bedankte er sich noch einmal höflich für das Essen. Mittlerweile war es beinahe vier Uhr. Er hatte knapp vier Stunden hier im Krankenhaus verbracht, wenn einige Zeit davon auch schlafend. Er kannte die Entfernung zu seiner Wohnung. Mit zwei Stunden Fußmarsch musste er gut und gerne rechnen. Wenn er also heute noch ankommen und sich ausruhen wollte, dann sollte er bald losgehen. Auch die kleine Familie machte sich nun bereit zu gehen. Gemeinsam verließen sie das Krankenhaus und Katsuya wurde von den beiden Jungen noch einmal umarmt und verabschiedete sich von ihnen. Doch hier endete die Freundlichkeit der beiden Erwachsenen nicht einfach, wie er es vielleicht insgeheim gehofft hatte. Ihm wurde angeboten ein Taxi zu rufen und sich fahren zu lassen, war er mit seinem verletzten Fuß doch sehr eingeschränkt. Dieses Angebot schlug er aber so höflich wie es ihm nur möglich war aus. Er konnte den armen Leuten nicht noch mehr auf der Tasche liegen. Er hatte jedoch nicht mit der Sturheit von ihnen gerechnet. Zwar ließ die Mutter der Zwillinge die Idee mit dem Taxi fallen, doch bestand sie darauf, dass sie ihn wenigstens ein Stück in seine Richtung fahren konnten. Zu seinem Leidwesen sprangen Taro und Jiro auch sofort auf den Vorschlag an, sodass er kaum noch die Möglichkeit auf Widerspruch hatte. Natürlich hätten sie ihn auch direkt bis vor die Haustür gefahren, doch das wollte Katsuya auf keinen Fall. Er mochte es nicht, wenn Fremde die Umgebung sahen in der er lebte. Es war ihm schlichtweg peinlich.

So kam es also, dass er nun auch noch von ihnen die Hälfte des Weges gefahren wurde und eine viertel Stunde später den Kleinwagen wieder verließ. So viel Aufmerksamkeit war er gar nicht gewohnt und er verabschiedete sich mit einem dumpfen Gefühl in der Magengegend. Langsam zog er sich seine Schultasche über die Schulter und begab sich auf den Weg nach Hause. Der Regen hatte mittlerweile ein Ende gefunden. Sogar die Sonne schien und wärmte seinen Rücken ein wenig, als er durch die Straßen von Domino lief.

Auch wenn er vielleicht müde war, hatte er doch keine große Eile nach Hause zu kommen. Er hatte noch gut eine Stunde des Weges vor sich, mit dem Zustand seines Fußes vielleicht sogar etwas mehr. Der Stadtteil in dem er mit seinem Vater wohnte lag am Stadtrand.
 

Der Alte hatte damals seinen Job verloren, die Gründe kannte Katsuya nicht. Kurz darauf hatte seine Mutter auch schon die Scheidung eingereicht und war mit Shizuka über alle Berge. Er sollte bei seinem Vater bleiben.

Wo das alles geendet hatte, sah er jeden Tag, wenn er Heim kam. Sie hatten kein Geld, konnten die Wohnung nur dank des Jungen gerade so halten. Warmes Wasser hatte der Blonde schon lang nicht mehr aus den verrosteten Leitungen kommen sehen und auch die Zimmer waren nicht geheizt. Die Schimmelflecken ersetzten ganze Teile der Tapeten und überall standen Flaschen und Müll herum. Das Zimmer des Blonden war zwar klein und besaß kaum Einrichtung, jedoch war es sauber und aufgeräumt, solange sein Vater nicht alles auf den Kopf stellte.

Das alles machte ihm kaum etwas aus, hatte er sich über die Jahre hinweg daran gewöhnt. Etwas anderes fraß ihn innerlich auf und raubte ihm die Kraft.

Es waren nicht die regelmäßigen Anfälle seines Alten sein Zimmer auf der Suche nach Geld komplett auf den Kopf zu stellen und dabei nicht nur seine Hausaufgaben zu zerfetzen. Es waren auch weniger die Schläge, die er bei beinahe jeder Gelegenheit kassierte. Auch die andauernden Prügelattacken steckte er mehr oder weniger weg, wenn auch sein Körper immer mehr zu rebellieren schien.

Was ihn am meisten belastete und zerstörte war mehr verbaler Natur. Beschimpfungen. Schuldzuweisungen. Vorwürfe. Sie trafen ihn härter als jeder Schlag ins Gesicht es vermocht hätte und viel zu häufig in Momenten, in denen der Blonde ihnen schutzlos ausgeliefert war. Sein Herz konnte kaum noch Widerstand leisten. Er wollte diesen Worten keinen Glauben schenken, doch das war nur schwer machbar. Die Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen.
 

Nur noch gut ein halbes Jahr musste er durchhalten, dann würde es vorbei sein. Er wäre volljährig. Der Schulabschluss wäre in seiner Tasche. Er wäre seinen Erzeuger los.

Er wäre endlich frei.
 

Knapp 8 Jahre dauerte dieses Martyrium, dass ungefähr ein Jahr nach der Scheidung seiner Eltern begonnen hatte, schon an und der Blonde wusste, dass er es nicht noch viel länger durchhalten würde. Ihm fehlte schlichtweg die Kraft. Sein Wille zu leben, mochte man ihn sich als ein Seil vorstellen, war mittlerweile so rissig, dass es nur noch von ein paar einzelnen Fäden vom Zerreißen bewahrt wurde und es war nur noch eine Frage der Zeit bis auch dieser letzte Halt nachgab. Jeder Riss in diesem Seil schmerzte ihn, jedes verlorene Band.

Und es waren viele.

Diese wenigen Fäden, die ihn am Leben erhielten, waren seine Schwester, verbunden mit der Hoffnung auf ein bisschen Familie, seine Freunde und die Aussicht es bald geschafft zu haben. Wobei letzterer eher schwächlich gefertigt war. Der Faden der Zuversicht, bald frei zu sein, knüpfte an die anderen beiden an. Würde einer der anderen beiden reißen, wäre es auch um diesen geschehen. Er konnte der Last, unter der dieses zerrüttete Seil stand, nicht allein entgegentreten. Dies konnte jedoch auch das Band seiner Freundschaft nicht. Über die Jahre hinweg hatte es viele kleine Risse bekommen. Die anderen schienen es nicht bemerkt zu haben, doch für Katsuya, stellte es keinen wirklichen Rückhalt mehr dar. Wussten sie doch alle nicht um seine Probleme und Qualen. Er hatte diesen Strick über lange Zeit selbst in so einen Zustand versetzt, ungewollt, doch war es passiert und als er es bemerkt hatte, gab es für ihn keine Möglichkeit mehr es aufzuhalten oder wieder in Ordnung zu bringen. Es tat ihm Leid, doch die Kraft es zu ändern, war nicht mehr da und der Mut erst recht nicht. Was hielt es denn noch zusammen? Die Abenteuer und schweren Kämpfe, welche er in den letzten 2 Jahren mit seinen Freunden bestritten und die sie stärker zusammengeschweißt hatten. Gute Erinnerungen und Momente, die ihn von seinem wirklichen Leid ablenkten und Katsuya für eine Weile vergessen ließen. Er zweifelte daran, dass dieser Faden seines Lebens noch lange halten würde.

Er fürchtete sich vor dem Schulabschluss. Sicher, er wäre endlich frei, doch was wäre mit seinen Freunden? Jeder würde seiner Wege gehen und die eigenen Ziele verfolgen. Hatten sie sich alle vor langer Zeit schon entschieden, was sie nach dem Abschluss tun wollten. Alle, nur er nicht. Und er wusste, er wäre wieder allein, vermochte er diesen Gedanken jedoch, so gut es ihm möglich war, zu verdrängen. Er wollte noch nicht über die Zukunft nachdenken, konnte es gar nicht. Das momentan Wichtigste für ihn war es, das nächste halbe Jahr irgendwie zu überstehen und damit auch den heutigen Tag.
 

Nach seinem ausgiebigen Fußmarsch durch die halbe Stadt, kam er am späten Nachmittag an. Er wollte nur noch duschen und in sein Zimmer. Sein Vater war hoffentlich schon in irgend einer Kneipe, um sich voll laufen zu lassen. Vielleicht könnte er sogar noch ein paar der zerstörten Notizen retten und etwas lernen? Eigentlich müsste er seine Schuluniform waschen und versuchen so gut es geht zu flicken, doch seine schmerzenden Augen sagten ihm, dass es mit Lesen oder Nähen heute nichts mehr werden würde.

Trotz allem war er beruhigt. Er hatte die Tabletten vom Arzt und konnte sich auf ein paar schmerzfreie Tage freuen. In die Schule musste er auch nicht unbedingt. Er könnte ja zur Abwechslung mal auf die Worte eines Arztes hören. Er sah einem ruhigen Abend entgegen, bis er die Tür der heruntergekommenen Wohnung öffnete und eintrat.
 

Eine Flasche flog an seinem Kopf vorbei und zersplitterte neben ihm an der soeben geschlossenen Tür in tausende Teile.
 

"Wo bissu gewes'n du dreg'iger Bastard?! Was glaubst du eigentlich wer du bist?!"

... gerettet werden

Dem Beispiel des vergangenen Montags folgend, schien der Dienstag ebenfalls einer von der langweiligen Sorte für einen gewissen brünetten CEO zu werden. Wie gestern regnete es Bindfäden und der Himmel war grau und trist. Seto hatte kaum zwei Stunden geschlafen und fragte sich für einen Augenblick, warum er sich überhaupt hingelegt hatte. Er verspürte, schon als er das Bett verließ und unter die Dusche stieg, keine sonderliche Lust in die Schule zu fahren, aber das half ja alles nichts.

So saß er wie jeden Tag eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn im Klassenzimmer und erledigte ein paar erste Arbeiten an seinem Laptop. Gestern war wieder ein verdammt langer Tag gewesen und trotzdem hatte er es nicht geschafft, alles zu erledigen. Wegen diesen inkompetenten Idioten, die sich seine Angestellten schimpften, lagen seine Nerven jetzt schon blank.

Ein klein wenig hoffte der Brünette darauf heute eine gewisse Person in der Schule anzutreffen, hatte er doch ein wenig Spaß bitter nötig und wo konnte er sich den besser holen als bei seinem nur allzu bekannten blonden Mitschüler? Dieser hatte am gestrigen Tag ja zu seinem Leidwesen mit Abwesenheit geglänzt. Doch bis der Blondschopf den Raum betreten würde, hatte er noch mehr als genug Zeit ein paar Arbeiten zu erledigen und die ersten ankommenden Schüler durch seine bloße Präsenz zum Schweigen zu bringen.

Setos Platz befand sich ganz vorn in der ersten Reihe, direkt an der Tür. Zum Einen hatte es den Vorteil, wegen wichtiger Telefonate schnell den Raum verlassen zu können, zum Anderen bemerkte er jeden Neuankömmling sofort und konnte gleich eine Salve eisiger Blicke losschicken, um ihn zu verscheuchen. Bisher funktionierte diese Taktik recht gut, mal abgesehen von einer ganz bestimmten Person, die dagegen schon von Anfang an immun zu sein schien.

Entgegen jeder Routine, jeglicher Erwartung oder irgendeiner Wahrscheinlichkeit betrat eben besagte Person, von anderen auch als Jounouchi Katsuya bezeichnet, gerade das Klassenzimmer. Seto erkannte die Schritte des Blonden sofort und leicht irritiert suchte sein Blick die Uhr seines Laptops.

Der Köter war überraschender Weise pünktlich.

Saphirblaue Augen, die zuvor fest auf den Laptopbildschirm gerichtet waren, blickten flüchtig auf als Jounouchi die ersten Schritte in den Raum tat und sprangen dann in ihre alte Position zurück. Das schnelle Tippen der Finger auf den Tasten hatte nicht einen Moment ausgesetzt. Dieser flüchtiger Blick hatte gereicht um zu erkennen, dass der Junge vor ihm vollkommen durchnässt war. Doch etwas hatte ihn einen kleinen Moment irritiert. Etwas war anders.

"Hey Köter, sieht ganz so aus als wärst du das erste Mal in deinem Leben pünktlich im Unterricht. Hast wohl deine Hundehütte auf dem Schulhof gebaut, was? Dir hat aber wohl niemand verraten, dass man den Pappkarton nicht mit der Öffnung nach oben aufstellt."

Leicht gespannt wartete er auf eine Erwiderung seines Gegenübers, ließ sich äußerlich jedoch nichts anmerken und schrieb weiter an seinem High-Tech-Gerät. Als nach einem Moment des Wartens noch immer keine Reaktion des Blonden zu vernehmen war, wurde Seto stutzig. Sein Mitschüler hatte noch kein einziges Mal nicht auf seine Sticheleien reagiert. Sicher, seine Konter hatten in letzter Zeit an Kraft verloren, doch das nahm ihm nicht den Reiz an der ganzen Sache. Auch war die gesamte Klasse merkwürdig still geworden, seit der Blonde den Raum betreten hatte. Das war mehr als ungewöhnlich und der Brünette unterbrach nun doch für einen Augenblick seine Arbeit um seinen Gegenüber anzusehen. Dieser hatte sich seit dem Eintreten noch nicht von der Stelle gerührt. Für ein paar Sekunden konnte der Firmenleiter es nicht verhindern ihn einfach nur ungläubig anzustarren.

Jounouchi sah übel aus, sogar für seine Verhältnisse.

Seto wusste, dass der Blonde nicht gerade gesegnet war, was Finanzen betraf, das war ein offenes Geheimnis, aber so hatte er ihn noch nie gesehen, schon gar nicht in der Schule. Was ihn vorher bei seinem flüchtigen Blick schon irritiert hatte war die andersfarbige Kleidung. Er trug nicht wie sonst seine Schuluniform, sondern einen braunen, etwas zu großen Kapuzenpullover und eine ausgewaschene, leicht löchrige Jeans. Beide waren durch das viele aufgesogene Regenwasser dunkel verfärbt.

Jounouchi würde sich niemals freiwillig mit den Lehrern anlegen und aus reiner Provokation ohne Uniform erscheinen, das wusste er. Blieb also nur eine Erklärung übrig. Sie musste nach all den Jahren wohl auseinander gefallen sein, immerhin trug sein Klassenkamerad das alte Ding schon seit ihrem ersten Jahr an der Oberschule und für eine Neue fehlte es dem Blonden wohl schlichtweg an Zeit und vor allem Geld.

Die nicht vorhandene Uniform mochte es vielleicht sein, die alle anderen Schüler aufmerksam machte, doch der Brünette hatte viel eher Interesse am Haupt des Anderen. Die Kapuze des Pullovers schien er nicht benutzt zu haben. Die blonden Strähnen hingen nass und wirr herunter, klebten ihm in der Stirn und verdeckten teilweise seine Augen. Kleine Rinnsale von Regenwasser bahnten sich überall einen Weg über sein Gesicht und liefen zu seinem Kinn, von dem aus sie auf den Boden tropften, oder verschwanden seinen Hals hinab in seiner Kleidung. Jounouchi hielt seinen Kopf etwas gesenkt, doch als er sich nun langsam in Bewegung setzte und auf seinen Platz trottete, erhaschte Kaiba einen Blick auf sein Profil. Was er sah, ließ ihn seine vorherige Aussage noch einmal korrigieren:

Er sah mehr als schrecklich aus.

Sein Gesicht war blass und verschrammt, die Lippe aufgeplatzt. Seine Wange schien geschwollen und schimmerte in einem blassen blau-lila. Es sah aus als wäre er in einen Kampf geraten und hätte dabei den Kürzeren gezogen. Als Katsuya seinen Platz erreicht hatte, ließ er sich zuerst auf den Stuhl sinken und dann seine Tasche achtlos neben sich auf den Boden fallen. Danach legte er sich mit verschränkten Armen, den Kopf auf ihnen gebettet und gen Tischplatte gerichtet, auf die Bank und bewegte sich nicht mehr. Die meisten Schüler verloren schnell ihr Interesse an dem Blonden und die Gespräche im Raum kamen langsam wieder auf. Der Rest des Kindergartens schien ziemlich verstört vom Anblick ihres Freundes zu sein, doch selbst auf ihre Fragen reagierte er nicht mal mit einem Zucken. Als nun schließlich der Lehrer den Raum betrat, mussten sie wohl oder übel klein bei geben und verzogen sich auf ihre Plätze.

Eigentlich war es nicht seine Art eine Gelegenheit verstreichen zu lassen, um den Anderen aus der Reserve zu locken, doch fürs erste ließ Seto den Blonden vom Haken. Schien so, als würde er auf seinen Spaß heute wohl verzichten müssen. Mit einem kaum sichtbaren Schulterzucken, wandte sich der CEO wieder seinem Laptop zu und setzte seine Arbeit fort. Die machte sich ja leider nicht von selbst.
 

Die Stunde kam und ging, ohne dass man etwas aus Richtung des blonden Chaoten wahrgenommen hatte.

Bei der Anwesenheitskontrolle hatte ihr Lehrer den Blonden wohl komplett ignoriert und wieder als fehlend eingetragen. Allerdings war Herr Araki, ihr Japanischlehrer, auch dafür bekannt, nur Schüler mit akustischer Rückmeldung als anwesend zu notieren. Gemein hin, war er recht streng im Umgang mit seinen Schützlingen und so hatte sich anscheinend niemand gewagt auf Katsuya aufmerksam zu machen.

Seto konnte es nicht verhindern, ab und an zu ihm hinüber zu linsen und ihn zu beobachten. Als außerordentlich interessant stellte es sich allerdings nicht heraus, denn der Blonde bewegte nicht einen Muskel. Der weite Pullover machte es auch nicht einfach festzustellen, ob der Junge überhaupt noch atmete. Womöglich war er ja an Langeweile gestorben? Obwohl man im Falle des Blonden wohl eher von Überforderung sprechen musste, malten seine Noten dahingehend doch ein sehr aussagekräftiges Bild. Dieser Gedanke erschien jedoch selbst Kaiba zu absurd. Wahrscheinlich war sein Mitschüler nur mal wieder am Schlafen. Da sie sich die ganze Zeit nur mit Literatur des 17. Jahrhunderts beschäftigten und Herr Araki mit seinen Augen mehr an der Tafel und in seinem Lehrbuch hing, als in der Klasse, schien der Schlafende ihm auch nicht weiter aufzufallen.

Selbst der Kindergarten ließ den Blonden in Ruhe, was für Kaiba schon mehr als ungewöhnlich war. Er hatte erwartet, dass sie ihren Kameraden versuchen würden mit allen erdenklichen Mitteln zu wecken, doch nichts dergleichen war der Fall. Ein Mal hatte Muto es gewagt und seinen Freund angesprochen, ohne Erfolg. Danach schien er es wohl für besser zu halten, Dornröschen seinem weiteren Schicksal zu überlassen.

Seto stellte sich also darauf ein, dass von seinem Klassenkameraden heute nichts mehr zu erwarten war und widmete sich vollkommen seiner Arbeit. Zumindest hatte er dies vorgehabt, doch sie hatten als nächstes Geschichte und der Brünette kannte ihre Lehrerin genau. Zwar duldete sie, dass er in ihrem Unterricht arbeitete, jedoch riss sie ihn von Zeit zu Zeit aus wichtigen Gedankengängen, nur weil sie sehen wollte, ob er denn auch trotz allem noch dem Lernstoff folgte. Zu seinem Leidwesen besaß diese Frau obendrein ein Organ und erreichte dabei Tonlagen, dass er schon nach ein paar Sätzen, ein unangenehmes Ziehen hinter seiner Stirn verspürte. Teilweise hatte der Firmenchef das Gefühl, als täte sie dies, nur um ihn zu ärgern. Die Abneigung beruhte jedenfalls auf Gegenseitigkeit.

Auch heute ließ die Alte sich nicht bitten und folterte ihre Klasse wo sie nur konnte. Ein klein wenig wartete Kaiba ja darauf, dass der Blonde endlich auffliegen würde, wusste er doch wie allergisch die Kröte darauf reagierte, wenn jemand in ihrem äußerst interessanten Unterricht schlief. Gerade Jounouchi war ein heiß geliebtes Opfer ihrer Ausbrüche, was wohl daran liegen konnte, dass er derjenige war, der wirklich meist träumte.

Als der Brünette gegen Ende der Stunde schon fast glauben wollte, dass der Blonde heute damit durchkommen würde, geriet dieser doch noch ins Fadenkreuz der alten Hexe.
 

"Jounouchi Katsuya, ich rede mit Ihnen!!"
 

Sie hatte ihn offensichtlich dazu auserkoren die abgeschlossene Unterrichtsstunde noch einmal zusammen zu fassen. Gerade eben brüllte sie seinen Namen zum dritten Mal durch den Raum und endlich war bei dem Blonden eine Reaktion auszumachen.

Er war leicht zusammengezuckt und richtete sich allmählich auf, sah sich leicht irritiert im Raum um. Eigentlich starrte ihn jeder an, bis auf Kaiba, der seine Beobachtung gut zu verbergen wusste. Mittlerweile war ihre Lehrkraft zu seinem Tisch getreten und baute sich vor ihm auf.

"Was bilden Sie sich eigentlich ein in meinem Unterricht zu schlafen! Sie haben gestern bereits unentschuldigt gefehlt und eine wichtige Klausur verpasst. Sie besitzen nicht die Noten um faul herum zu lümmeln, also passen Sie gefälligst auf!"

Der Blonde blinzelte sie nur ein paar Mal an und rieb sich eines seiner Augen. Anscheinend war er immer noch nicht ganz wach. Anschließend schien er seine Umgebung noch einmal zu mustern, die fette Frau vor sich komplett ignorierend. Dieser fiel dabei auch die nicht vorhandene Uniform auf und ihr platzte wohl komplett der Kragen. Von seinem Platz aus konnte Seto sehen, wie sie tief einatmete und sich noch mehr als so schon aufblähte bevor sie seinem Mitschüler eine weitere Schimpftirade entgegen schleuderte und das in einer Lautstärke, die selbst die bisherigen übertraf.

"Was fällt Ihnen eigentlich ein hier ohne Uniform aufzukreuzen?! Ich habe es lang genug geduldet, dass sie immer wieder in meinem Unterricht schlafen. So langsam habe ich die Nase gestrichen voll von Ihren Dreistigkeiten! Ich werde Sie von der Schule verweisen lassen! Ich werde-!"

Just in diesem Moment erschallte die Pausenglocke und schnitt der Kröte das Wort ab. Man konnte ein erleichtertes Aufatmen durch die Klasse ziehen hören, denn sie konnten endlich vor dieser Hexe flüchten. Es war Mittagspause und so sah auch Kaiba zu, dass er den Raum verließ. Normalerweise wäre er geblieben um dort zu arbeiten, doch er wollte sich das Gezeter dieser schrecklichen Frau nicht weiter antun. Sie würden als nächstes Biologie haben und dafür so oder so den Raum wechseln müssen. Also ließ der Brünette sich einfach schon einmal auf seinen Platz im nächsten Raum sinken und setzte seine Arbeit dort fort.

Gut zehn Minuten später betrat Muto mit dem Blonden den Raum. Der CEO schenkte ihnen nur wenig Beachtung. Er hatte noch genug Arbeit vor sich und der Köter sah nicht so aus, als würde er ihn heute groß davon abhalten. Trotz allem spürte er unterbewusst bereits, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Verhalten des Blonden war mehr als seltsam, sogar der kleine Stacheligel schien damit überfordert. Nachdem Muto seinen Freund auf dem ihm zugehörigen Stuhl geparkt hatte, verschwand er auch schon wieder. Ein Seitenblick des Brünetten zeigte ihm auch warum. Mit Jounouchi war absolut nichts anzufangen. Wieder hatte er sich auf seine Bank gelegt und schien zu schlafen. Mit einem leichten Schulterzucken wandte sich Seto also wieder seinem Laptop zu.

Die restliche Pause verging schnell und der Biounterricht begann. Trotz der ganzen Arbeit, mit der sich der CEO befasste, zog sich der Tag unglaublich in die Länge. Man sollte meinen, wenn man beschäftigt ist vergeht die Zeit schneller, doch es schien sich für ihn nicht zu bewahrheiten. Als er das nächste Mal von seinem Laptop aufblickte, war gerade einmal die Hälfte der Biostunde vorüber. Ihr Lehrer ließ gerade diverse Zettel verteilen, was schon einmal kein gutes Zeichen war und mit nur einem Blick auf das Papier fühlte er sich umso mehr bestätigt. Die verbleibende Zeit sollten sie sich in einer Partnerarbeit vertreiben.

Kaiba schnaubte verstimmt. Er hatte keine Zeit für diesen Kinderkram. Am besten bearbeitete er die Aufgaben einfach schnell allein. Parallel hatte Herr Kimura begonnen die Gruppierungen vorzulesen.
 

"Jounouchi Katsuya und Kaiba Seto."
 

Eiskalte Saphire fixierten die Lehrkraft. "Das ist nicht Ihr Ernst, oder?"

"Sie haben mich schon verstanden, Herr Kaiba. Sie werden mit ihm zusammen arbeiten, immerhin sind sie der Beste der Klasse."

Und obendrein war der Köter hoffnungslos. Kaiba schien mit dem Gedanken nicht allein zu sein, hatte er das Gefühl. Er sollte also dem Blonden zu einer einigermaßen guten Note verhelfen. Der Tag konnte ja nicht mehr schlimmer werden. Irgendwie schien es heute so, als würde jeder Lehrer ihn ärgern wollen. Normalerweise hatte er ein recht positives Verhältnis zu ihrem Biolehrer gehabt. Was hatte er also wieder angestellt, um so bestraft zu werden?

Im Stillen mit seinem Schicksal resignierend, gab er nach und machte sich auf den Weg zum Platz von Katsuya. Dieser schien von seinem Glück noch nichts mitbekommen zu haben und immer noch im Traumland zu weilen. Vielleicht konnte er so ja doch die Aufgaben allein erledigen? Ein kurzer Blick zu seinem Lehrer prophezeite ihm jedoch das Gegenteil. Blieb ihm also nichts anderes übrig, als den Blonden zu wecken.

An dessen Platz angekommen blieb der Brünette vorerst stehen, verschränkte die Arme und betrachtete den Schlafenden. Er schien die vergangenen Stunden über ein wenig getrocknet zu sein. Zumindest klebten seine Haare nicht mehr nass an seinem Kopf sondern fielen, wie eigentlich immer, wirr in alle Richtungen. Auch der Pullover sah zwar noch sehr feucht aus, triefte jedoch nicht mehr vor Nässe. Unter dem Stoff konnte man näher betrachtet, die relativ ruhige Atmung des Jungen erkennen. War er also doch nicht tot. Zu schade, es hätte ihm diese Partnerarbeit erspart.

"Aufgewacht Köter, es gibt Arbeit. Du kannst ein andermal schlafen.", mit diesen Worten griff der Brünette beherzt nach der Schulter seines Gegenübers und rüttelte ihn aus dem Schlaf. Als er das Zusammenzucken des Körpers unter seiner Hand spürte, ließ er wieder los und wartete ungeduldig. "Beeil dich endlich! Ich hab nicht ewig Zeit."

Katsuya richtete sich langsam auf und blinzelte matt in den Raum, bevor sich sein Kopf in Richtung des Brünetten bewegte und er ihn mit müden und leicht glasigen Augen betrachtete, die außerdem eine Spur von Verwirrung und Schmerz trugen. Braune Iriden trafen auf kalte Saphire und man konnte dem Blonden ansehen, dass er einen Moment seine Sprache suchte.

"Was willst du?" Die Worte waren nichts weiter als ein leises, bissiges Zischen. "Wer bist du überhaupt?"

"Hör auf zu spinnen und komm endlich in die Gänge, Köter! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Im Gegensatz zu dir habe ich eine Firma zu leiten und wichtigeres zu erledigen, als mich mit diesem Kinderkram zu befassen." Frustriert blickte sich der Brünette um, nicht gewillt, dem Blonden mehr Beachtung als nötig zu schenken. Warum musste auch ausgerechnet er mit diesem Hohlkopf zusammenarbeiten? Alles was er gewollt hatte, war ein wenig Ruhe um seine Arbeit zu beenden und heute früher zu Hause zu sein, um Zeit mit seinem kleinen Bruder zu verbringen. Anscheinend wurde ihm sowas wohl nicht mehr gestattet.

"Nein ernsthaft, wer bist du? Und...", der Blonde sah sich um, "wo bin ich?"

Kaiba verengte gefährlich die Augen. Das war jetzt nicht wahr. Wie dumm konnte dieser Mensch eigentlich sein?

"Du bist in der Schule, wo sonst. Jetzt wach endlich auf und beweg deinen lahmen Hintern." Er würde sich von diesem Köter nicht verarschen lassen. Das war sicher nur irgend ein kranker Scherz mit dem der Jüngere ihn auf die Palme bringen wollte, aber nicht mit ihm. Er würde die Kontrolle behalten. Äußerlich völlig ruhig drehte er sich also um und machte sich auf den Weg zurück zu seinem Platz. Nach wenigen Schritten warf er einen prüfenden Blick über seine Schulter und blieb abrupt stehen. Seine Hand ballte sich zur Faust, er biss die Zähne zusammen und knurrte leise.

Dieser dreckige Hund schien nicht einmal zugehört zu haben!

Stattdessen hatte Katsuya seine Hände betrachtet, anschließend für eine Weile abwesend aus dem Fenster gesehen, nur um dann den Kopf zu drehen und den Brünetten erneut anzusehen, welcher gerade den Mund geöffnet hatte um mehr Beschimpfungen in seine Richtung zu schleudern.
 

"Wer bin ich?"
 

Die Frage war leise, kaum hörbar. Aber allem voran, schwang Unsicherheit in ihr.

Seto stutzte.
 

Zum ersten Mal war Seto Kaiba, der reichste Junge Japans, der ganze Firmen mit ein paar Worten in den Ruin treiben konnte, der mit einem einzigen Blick seiner Eisaugen zu töten vermochte und der wirklich immer einen spitzen Kommentar auf der Zunge hatte, einfach sprachlos.

"Wer bin ich?"

Die Worte wiederholten sich in seinem Kopf wieder und wieder.

War das immer noch ein dummer Witz des Blonden, den er einfach sorgfältig geplant hatte? Wenn ja, dann war er mehr als niveaulos. Aber zuzutrauen war es ihm.

"Ich habe dir gesagt, du sollst den Mist lassen, Köter!"

Der Firmenchef hatte sich mittlerweile komplett dem Blonden zugewandt, die Distanz zwischen ihnen überwunden und ihn an den Schultern gepackt. Er hatte im Zorn über diese Dreistigkeit die Stimme erhoben und beobachtete wie Katsuya zusammenzuckte und leise ächzte. Dabei vergrub er seine Finger tief in der blonden Mähne. Ein akkurat angelegter, weißer Verband wurde sichtbar und in Kaibas Inneren zog sich etwas unangenehm zusammen.

Es war kein Scherz. So gut konnte der Köter nicht schauspielern. Auch sein merkwürdiges Verhalten und die fehlende Schuluniform sprachen für sich. Etwas stimmte wirklich nicht.

Langsam löste Seto eine Hand von den Schultern des Jungen und griff nach dessen Kinn. Es bestimmend und dabei fast behutsam hochdrückend, studierte er das Gesicht des Blonden mit den schokobraunen Augen. Am Morgen hatte er nur einen flüchtigen Blick auf sein Profil erhaschen können, doch jetzt hatte er die Gelegenheit sich ein komplettes Bild zu machen. Zentimeter um Zentimeter des blassen Gesichtes wurde von den blauen Augen abgetastet und analysiert.

Blass war schon beinahe eine Untertreibung. Jounouchi war mehr als bleich. Nur ein paar Stellen wiesen Farbe auf und diese sahen nicht gerade gesund aus. Wie zuvor schon einmal festgestellt, war seine Lippe aufgeplatzt. Die geschwollene Wange, entpuppte sich als lädierter Wangenknochen mit rötlich-blauer Verfärbung. Die Verletzungen schienen noch relativ frisch zu sein.

Bei der Betrachtung der braunen Augen, ließ sich der Firmenchef etwas mehr Zeit, denn was er sah wollte ihm nicht so recht gefallen. Die Iriden seines Gegenüber hatten das übliche Funkeln verloren. Stattdessen wirkten sie glasig und stumpf. Hinzukommend erschien es Seto so, als würden seine Pupillen einen leichten Größenunterschied aufweisen. Zählte man alle vorhandenen Anzeichen zusammen, musste der Köter wohl eine Gehirnerschütterung erlitten haben.

Plötzlich spürte Seto, wie ein leichtes Zittern durch den Körper des Anderen lief, zeitgleich kniff dieser die Augen zusammen und brach somit den Blickkontakt ab. Irritiert löste der Ältere seinen Hand vom Kinn des Blonden.

"Du tust... mir weh." Es war nur ein leises Wimmern, doch die Stimme Katsuyas traf den Brünetten, als ob ihm die Worte entgegen gebrüllt worden waren. Überrascht, benötigte er einen kleinen Moment um die Situation zu analysieren und die Ursache zu entdecken. Seine linke Hand befand sich noch immer auf der Schulter des Blonden. Da Katsuya über die Zeit hinweg immer unruhiger geworden war und sich bewegt hatte, um sich aus dem Griff des Älteren zu befreien, hatte dieser wohl unbewusst fester zugepackt, um den Blonden an seinem Platz zu halten. Eben diesen Klammergriff lockerte Seto nun. Sie waren sich ziemlich nahe gekommen und der Brünette stellte nun auch fest, was für eine abnorme Wärme vom Kleineren ausging. Selbst durch den feuchten Pullover war sie spürbar.

Vorerst löste er sich komplett von dem Braunäugigen und richtete sich wieder zu voller Größe auf. Nachdenklich betrachtete er den zitternden Jungen vor sich, richtete dann wieder das Wort an ihn. Seine Stimme war diesmal ruhig und kontrolliert.

"Weißt du wer ich bin?"

Die Antwort war ein Kopfschütteln.

Hinter sich vernahm Kaiba, das Geräusch eines Stuhles und leise Schritte. Es war nicht schwer auszumachen, denn im Raum herrschte eine Totenstille. Er hatte seine Umgebung komplett ausgeblendet gehabt, sodass es ihm nicht aufgefallen war. Doch es war nicht weiter verwunderlich. Er und der Köter mussten die Aufmerksamkeit der kompletten Klasse erregt haben.

Ein Seitenblick zeigte ihm Muto, der nun zu ihnen trat. Wieder richtete sich der Brünette an den Blonden und deutete dabei auf Muto neben sich.

"Weißt du wer das ist?"

Erneut war die Antwort ein Kopfschütteln.

"Herr Kaiba, würden Sie mir erklären, was das soll?" Ihr Lehrer kam nun ebenfalls zu ihnen herüber. Der Brünette ignorierte ihn.

"Kannst du mir sagen, was für ein Tag heute ist?" Unbeirrt fuhr Seto mit seinen Fragen fort.

Kopfschütteln.

Langsam kroch der Blonde in sich zusammen und vergrub die Hände wieder in seinen Haaren.

"Weißt du, wo du dich befindest?"

Kopfschütteln.

"Kaiba?" Muto neben ihm wurde unruhig.

"Wie ist dein Name?"

Abwartend stand Seto da und ließ den Blonden nicht eine Sekunde aus den Augen. Dieser kroch immer weiter in sich zusammen und brachte nur ein leises Ächzen hervor. Sein Atem fiel immer schwerer und leicht stoßweise.

Nach einer weiteren Minute gab Seto das Warten auf. Er würde von ihm keine Antwort erhalten, dessen war er sich sicher. So sog er einen Moment grübelnd an seinen Zähnen, griff kurzerhand in seine Jackentasche, zog sein Mobiltelefon hervor und wählte eine Nummer. Es dauerte nicht lang bis am anderen Ende abgenommen wurde.

"Seto Kaiba hier. Schicken sie einen Krankenwagen zur Domino High. Es geht um einen Schüler. Hohes Fieber, Anzeichen einer Gehirnerschütterung und Amnesie. Weitere Verletzungen sind nicht auszuschließen. Er scheint starke Schmerzen zu haben, ist aber noch mehr oder weniger ansprechbar."

"Was?!" Ihr Lehrer, der bisher die ganze Szenerie recht verwirrt beobachtet hatte, schnappte leicht nach Luft. Als er jedoch den Blonden betrachtete, musste er dem Firmenchef wohl oder übel glauben. Der Junge sah wirklich nicht gut aus und auf die Urteilskraft von Seto Kaiba konnte man sich für gewöhnlich verlassen. Auch, wenn die beiden sich absolut nicht ausstehen konnten, Kaiba war immer noch Klassensprecher und trug eine gewisse Verantwortung seinen Mitschülern gegenüber. Über so etwas ernstes würde er keine Scherze machen.

Auch die Klasse begann nun immer unruhiger und lauter zu werden. Seto ignorierte sie und beantwortete die letzten Fragen am Telefon bevor er auflegte und sich zu seinem Lehrer wandte. Dabei ließ er das Handy wieder zurück in seine Jackentasche verschwinden.

"Kimura-sensei, ich halte es für das Beste, ihn vorerst auf die Krankenstation zu bringen." Der Angesprochene schien mit der aktuellen Lage ein wenig überfordert zu sein und nickte lediglich.

Bevor der Brünette jedoch wieder an den Blonden herantreten konnte, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, sah er sich plötzlich von der kompletten Klasse umringt. Jeder schien einen Blick auf Jounouchi erhaschen zu wollen. Es wurde gedrängt und geschrien. Jeder wollte wissen was los war. Allen voran der restliche Kindergarten. Muto stand immer noch neben ihm, wie Seto schnell bemerkte. Er hatte sich nicht gerührt und sah seinen Freund nur nachdenklich an. Ihr Lehrer sah ebenfalls nicht danach aus, als würde er etwas unternehmen.

Als die Menge um sie herum lauter und lauter wurde und Jounouchi immer mehr in sich zusammen kroch, dabei seinen Kopf haltend und vor Schmerz wimmernd, wurde es dem Firmenchef zu viel. Wenn diese Idioten so weiter machten, kippte der Blonde ihm gleich ohnmächtig vom Stuhl. Ohne groß zu zögern richtete sich der Brünette also zu seiner vollen Größe auf und setzte seinen gefährlichsten Eisblick auf.

"Lasst ihn endlich in Ruhe! Seht ihr Idioten nicht, dass er Schmerzen hat, weil ihr ihn die ganze Zeit anschreit und mit Fragen bombardiert?! Geht zurück auf eure Plätze und verhaltet euch gefälligst ruhig, anstatt nur sinnlos den Weg zu versperren und alles noch schlimmer zu machen!"

Das hatte gesessen. Ein großer Teil der Schülerschaft wich sofort zurück und machte dem Brünetten Platz. Vereinzelte versuchten zu protestieren, wurden aber von Setos eisigstem Blick zum Schweigen gebracht. Auch sie ließen sich langsam an ihren Tischen nieder. Blieb nur noch der Rest des Kindergartens. Doch als sich der CEO mit der kleinen Gruppe befassen wollte, stellte er fest, dass Yuugi die Sache bereits regelte. Es herrschte also wieder Ruhe im Raum und Kaiba wandte sich wieder dem Blondschopf zu.

Katsuya war noch blasser als zuvor, sofern dies denn überhaupt noch möglich war. Seine Atmung war etwas hektischer als zuvor. Eine kurze Berührung seiner Stirn bestätigte dem Älteren, dass sein Fieber ebenfalls angestiegen war.

Ohne lang zu zögern, griff er den Jungen und hob ihn von seinem Stuhl. Auf dem Weg zur Tür des Klassenzimmers gab er Muto noch ein paar Anweisungen. Dieser sollte Katsuyas Tasche zur Krankenstation bringen, für den Blonden gleich noch etwas trockenes zum anziehen suchen und danach draußen auf den Krankenwagen warten. Dann war er auch schon auf den Gang verschwunden und machte sich zügig auf den Weg zur Krankenstation. Die Hitze des fiebernden Körpers in seinen Armen drang durch seine Uniform. Der Blonde musste unter seinen nassen Sachen regelrecht brennen. Auch kam Seto nicht umhin zu bemerken, wie leicht der Junge eigentlich war. Viel zu leicht, wenn man die nasse Kleidung weg rechnete.

An der Tür der Krankenstation angekommen blieb Seto kurz stehen. Er wollte den Blonden gerade höher raffen um die Tür zu öffnen, da kam Yuugi bereits angestürzt und nahm ihm die Aufgabe ab. Ohne lang zu warten betrat der Brünette den Raum und legte den Kranken auf das erst beste, freie Bett. Anschließend wies er Yuugi an, in der Tasche des Blonden nach etwaigen Medikamenten zu suchen. Die immer noch verwirrt im Raum stehende Schwester, wurde kurz aufgeklärt und dann nach draußen geschickt, um auf den Krankenwagen zu warten. Seto wusste wie nervig diese Frau sein konnte und wollte sie gerade einfach nicht um sich haben. Währenddessen war sein Mitschüler fündig geworden und reichte ihm eine kleine Packung mit Tabletten. Kurz las er die Bezeichnung auf der Verpackung. Er kannte diesen Wirkstoff. Wie er seinem Mitschüler kurz erklärte, handelte es sich um ein recht starkes, verschreibungspflichtiges Schmerzmittel. Der Nachteil daran war, dass es ein Sedativ enthielt. Der Blonde wäre also nach der Einnahme für eine ganze Weile ruhig gestellt und das konnten sie im Moment nicht gebrauchen. Nebenbei öffnete er die Verpackung und kontrollierte deren Inhalt. Es waren noch alle Tabletten enthalten. Kurz wanderten in Irritation seine Augenbrauen nach oben, bevor sie sich nachdenklich zusammenzogen. Warum waren sie bisher unangerührt?

Seto konnte sich keinen Reim darauf machen, doch hatte er gerade wichtigeres zu tun, als darüber nachzudenken. Der Blonde brannte förmlich und benötigte dringend ein paar trockene Sachen. Da Muto auf die Schnelle keine auftreiben konnte, entschied sich der Brünette, seine Wechseluniform zu holen. Auf dem Rückweg griff er auch gleich seinen Aktenkoffer mitsamt Laptop aus dem Klassenzimmer und kam ein paar Minuten später, mit frischer Kleidung auf dem Arm, zurück ins Krankenzimmer.

In der Zwischenzeit hatte Yuugi den Raum etwas abgedunkelt. Wieder trat der Brünette an das Bett des Blonden. Dieser hatte sich zusammengerollt und hielt verkrampft seinen Kopf. Das Zittern des fiebernden Körpers war kaum zu übersehen.

"Muto, hilf mir ihn umzuziehen." Damit setzte Seto sich auf die Bettkante. Der Blonde schien kaum etwas um sich herum wahr zu nehmen und trotzdem erklärte der Brünette ihm ruhig, was er jetzt tun würde. Dabei löste er schon einmal die Hände aus dem blonden Haar. Der Protest blieb wie erwartet aus und so zog Seto ihn schließlich sanft in eine aufrechte Haltung. Er spürte wie der Körper vor ihm leicht in sich zusammen sackte. Er hatte bereits damit gerechnet beide Hände zu benötigen um den Jungen zu stützen. Von der anderen Seite des Bettes kam sein Klassenkamerad und half ihm zuerst den Pullover zu entfernen. Währenddessen sprach Seto leise mit Katsuya, um ihn einerseits zu beruhigen, andererseits um ihn etwas bei Bewusstsein zu halten. Das Bild, welches sich ihnen allerdings bot, ließ beiden für einen Moment den Atem stocken. Yuugi zog scharf die Luft ein und schien sichtlich erschüttert vom Zustand in dem sich sein Freund befand. Auch Seto betrachtete den Jüngeren nicht minder überrascht.

Hatten sie geglaubt das Gesicht des Blonden sähe übel aus, so wurde dies durch seinen Oberkörper noch weit übertroffen. Seine rechte Seite war von der Schulter abwärts bis hin zur Hüfte übersät mit Abschürfungen und blauen Flecken. Diese schienen jedoch anderen Ursprungs zu sein als die übrigen Prellungen und Hämatome, die den jungen Leib zierten. Nur knapp unterhalb des linken Rippenbogens prangte ein großer dunkler Fleck. Es sah beinah so aus, als hätte jemand kräftig zugetreten. Doch all die Verletzungen konnten nicht überdecken, wie abgemagert der Blonde eigentlich war. Da wunderte sich der Brünette nicht mehr über das fehlende Gewicht des Jungen.

Erneut rann ein Zittern durch den Körper in ihren Händen und sowohl Seto, als auch Yuugi, tauchten wieder aus ihren Gedanken auf. Ohne zu zögern zogen sie Katsuya ein frisches Hemd über und ließen ihn anschließend zurück ins Bett sinken. Auch die Hose war recht schnell gewechselt, wobei ihnen das stark geschwollene und verfärbte linke Sprunggelenk auffiel. Wie der Blonde es damit bis in die Schule geschafft hatte war Kaiba ein Rätsel.

Kurz nachdem sie ihr Vorhaben abgeschlossen hatten, vernahmen sie auch schon die Sirene des Rettungswagens. Die ganze Zeit über hatte Kaiba nicht aufgehört mit dem Blonden zu reden. Ab und an hatte er ihm eine Frage gestellt, nur um sicher zu stellen, dass er noch geistig anwesend war. Man merkte Katsuya deutlich an wie erschöpft er war, doch schlafen durfte er jetzt noch nicht.

In Begleitung der Krankenschwester betrat nun eine kleine Gruppe von Sanitätern den Raum und zwei von ihnen wandten sich sofort dem Blonden zu. Dieser war mittlerweile aufgrund des Fiebers und der Schmerzen kaum mehr in der Lage zu antworten, hielt sich aber tapfer wach, weshalb Seto und Yuugi die Fragen größtenteils übernahmen. Auch die Packung mit Tabletten überreichte der Brünette an einen der Sanitäter. Nebenbei kümmerten sich die anderen beiden darum, Katsuya auf den Transport vorzubereiten. Eine Bahre wurde geholt und der Patient sicher darauf platziert.

Als Jounouchi aus dem Raum geschoben wurde, spürte Seto, der die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte, wie jemand seinen Ärmel ergriff. Er brauchte nur kurz hinzusehen um zu erkennen, wessen Hand das war. Der Blonde hielt das Stück Stoff nur schwach fest, seine Hand zitterte immer noch und als der Brünette seinen Blick zu den Augen des Kleineren schweifen ließ, sah er wie verängstigt und unsicher dieser war. Der Anblick erinnerte ihn stark an Mokuba, als dieser sich einmal das Bein gebrochen hatte.

Viel Zeit zum nachdenken blieb ihm jedoch nicht. Sein Kopf war ohnehin wie leergefegt. Intuitiv reagierte sein Körper und Seto lief los, den Blonden zum Krankenwagen begleitend, immer noch gefangen von einem Paar brauner Augen und einer viel zu warmen, zittrigen Hand an seinem Ärmel.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel wird wohl wieder ein wenig Zeit benötigen. Ich hoffe es aber noch dieses Jahr fertig zu bekommen ;D Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (17)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2021-12-16T14:08:14+00:00 16.12.2021 15:08
Ich hoffe du schaffst es irgendwann weiter zu schreiben
Von:  Mia11
2017-01-25T07:28:57+00:00 25.01.2017 08:28
Hoffentlich geht es bald weiter, ich bin schon so gespannt.

Von:  xXRuriXx
2016-01-05T23:24:46+00:00 06.01.2016 00:24
hoffentlich kommt das nächste kapitel bald
die geschichte ist super

lg
Von:  Akikou_Tsukishima
2015-12-22T12:39:06+00:00 22.12.2015 13:39
Ui ist das rührend wie Seto sich um Joey kümmert

Da konnte man fast heulen...

Bitte schreibt schnell weiter
Von:  Onlyknow3
2015-12-20T20:16:14+00:00 20.12.2015 21:16
Habe die FF bis hier her gelesen, und freue mich das sie wohl jetzt nach der Überarbeitung weiter geht.
Freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von: Ivan
2015-12-10T09:28:20+00:00 10.12.2015 10:28
Bin durch Zufall auf deine Fanfic gestossen und mir geht gerade so das Herz auf!
Ich fühl mich zurückversetzt in die Zeit als der YGO Flash noch ganz frisch und ich SetoxJonouchi neu für mich entdeckt habe x////D

Ich liebe es wie du die beiden Charaktere beschreibst und gerade Seto, der meiner Meinung nach einer der schwierigsten Charaktere ist, wird sehr authentisch rüber gebracht, selbst in so Situationen in der er sich um den unliebsamen Köter kümmern muss.
Auch Jonouchi ist keine Heulsuse sondern wird sehr authentisch in seiner Situation dargestellt, wie er damit umgeht und über sein Leben denkt.

Ich mag auch den Bezug zur Serie total, dass du ihre Abenteuer mit einbeziehst. <3

Bin schon sehr gespannt wie es weiter geht! >\\\\\<
Antwort von:  Koinu
10.12.2015 10:38
Awwww danke!! >//< Ich freu mich riesig über jeden Kommentar und werd mir Mühe geben, die Story voran zu treiben.

Die FF-Idee und ersten Kapitel entstanden auch ursprünglich 2006, als der YGO-Flash noch etwas stärker war, vielleicht liegt es daran. xD Für mich hat er kein Stück nachgelassen, ich liebe die Beiden wie am ersten Tag <//3

Vielen Dank für die vielen lieben Worte!
Von: abgemeldet
2015-12-10T05:19:38+00:00 10.12.2015 06:19
Genial XD
Von:  Herzloser
2015-12-09T02:41:55+00:00 09.12.2015 03:41
Mega gut :3 Ich finds cool das du alles überarbeitest :3
Von:  ChailaMing
2015-12-04T08:59:18+00:00 04.12.2015 09:59
Eine wirklich tolle Fanfic!
Schön zu lesen und macht Lust auf mehr!
Joey tut mir Leid. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht! :)

LG Chaila

Von:  Seelendieb
2015-12-03T18:57:48+00:00 03.12.2015 19:57
*____________*

Na endlich geht's weiter!

Ein schönes Kapitel, was jedoch sehr unter die Haut geht! Joey tut mir so Leid. Ich könnte heulen! TT______TT


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