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Wie die Zukunft wird

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Also, das ist diesmal um ein ganzes Stück länger geworden! Überschäumende Fantasie :)
Ich hoffe ihr findet gefallen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also erstmal vielen Dank an alle Kommi-Schreiber. Ich freue mich riesig über euer Interesse.
Und ich möchte mich entschuldigen, dass ihr auf dieses Kapitel so lang warten musstet, aber es wollte sich einfach nicht schreiben lassen und irgendwie gefällt es mir auch immer noch nicht so wirklich! Aber ich wollte euch nicht noch länger warten lassen!
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Verzeiht mir, dass ich nur langsam weiterschreibe. Die Idee ist da, aber die ZEIT fehlt, momentan weiß ich echt nicht wohin die verschwindet!
Jetzt wünsche ich euch erstmal viel Spaß beim lesen und ein schönes Weihnachtsfest! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also Special bedeutet in meinem Fall, dass ich aus der Ich-Perspektive einer der Figuren schreibe.
Dieses Mal darf Seto sprechen.
Allerdings vorsicht: ich bin mir nicht sicher wie ernst zunehmend dieses Kapitel ist! Kaiba leidet unter Schlafmangel und steht unter Medikamenteinfluss.
Ich hab ernsthafte Zweifel daran, was ich da verzapft habe, falls ihr aber anderer Meinung seid, lass ich mich gerne überzeugen. Viel Spaß beim Lesen Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, das war eines der ersten Kapitel, das ich zu dieser Story verfasst habe, deswegen musste ich es nur noch überarbeiten! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sodala, das hat zwar jetzt etwas gedauert und eigentlich war das Kapitel überhaupt nicht geplant, aber ich finde es passt ganz gut. Ich hoffe es gefällt euch.
Bevor ich es vergesse: Vielen Dank an meine Kommischreiber!!!!!! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und hier ist das nächste Kapitel!) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So hier ist das nächst Kapitel!
Dieses Kapitel besteht nur aus Kurzszenen, die ich allerdings unbedingt irgendwie reinbringen wollte. Weil ich die ganze Angelegenheit allerdings nicht noch länger ziehen wollte habe ich sie hier etwas gekürzt und in einem Kapitel veröffentlicht!
Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Danke für Über 50 Kommentare :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also es tut mir wirlich leid, dass das jetzt doch länger als erwartet gedauert hat.
Dafür ist das Kapitel extra lang und es gibt ein Fanartvon Seto in seinem neuen...
:P Dafür müsst ihr erst noch lesen :)
Naja auf jeden Fall heißt es Shoppingtour und ist bei meinen Fanarts zu finden. (Wenn das mit dem Hochladen so funktionieren würde wie ich möchte, aber ich probiere es weiter!!)
Jetzt wünsche ich euch auf jeden Fall noch viel Spaß beim Lesen
Eure kateling Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Naja ich weiß das dieses Kapitel etwas zu kurz geraten ist. Und ob das euren Erwartungen entspricht...
...keine Ahnung. Aber ich habe es geschrieben und ich hoffe es gefällt euch.
Auch wenn ich echt lange gebraucht habe!! Das tut mir echt leid!
Dafür gibt es das nächste Kapitel auch gleich noch!
Viel Spaß beim Lesen Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab echt irgendwo eine böse Ader! T.T
Keine Ahnung was ich da wieder verzapft habe...
so viel zum Thema Beziehungsklärung
Bite köpft mich nicht Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu, da bin ich mal wieder. Ich hoffe das neue Kapitel gefällt euch.
Viel Spaß beim Lesen!" Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So da ich die nächsten zwei Wochen im Urlaub bin, wird es erst mal kein neues Kapitel von mir geben. Ich hoffe dieses hier gefällt euch =) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So ich bin wieder da!
Und weil ich ja die letzten zwei Woche soooo viel Zeit hatte gibt es gleich da nächste Kapitel!
Ich hoffe ihr freut euch genauso wie ich. Denn das ist irgendwie mein Lieblings Kapitel, bis jetzt. Auch wenn Seto ganz schön unter meiner Fantasie zu leiden hat. Aber irgendwie schreibe ich immer über starke Frauen und Männer die eine starke Frau nötig haben. Keine Ahnung woher das kommt...
Naja, das mit der Unterwäsche... :D Ich brauchte einfach eine sinnvolle Erklärung, warum Jessie als weiblicher Singel Männerunterwäsche zuhause hat. Den Rest so mach ichs auch manchmal, also meinem Bruder stibitzen. Aber irgendwie find ichs jetzt wo ichs zu xten mal gelesen habe doch gar nicht mehr so sinnvoll. Aber egal, ich wollt nicht noch ewig über eine sinnvollere Idee nachdenken. bei meiner ursprünglichen Idee waren sie bei Seto zuhause gelandet und da gabs natürlich keine Kleiderfrage, aber jetzt...
Jetzt hab ich so viel geschwafelt und dabei hatte ich mir fest vorgenommen das nicht zu tun!!!!!
Ich wünsche euch viel Spaß und hoffe ich habe eure Erwartungen nicht enttäuscht ;)) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, da bin ich wieder. :)
Erst einmal, sorry das das jetzt so ewig gedauert hat. Aber ich wollte das Kapitel nicht Stückeln, bin allerdings so langsam im Abtippen, dass ich es einfach nicht früher geschafft habe. Aber jetzt ist es ja da!!!!
Viel Spaß beim Lesen

(Achtung: Erwartet jetzt bitte nicht, dass die nächsten Kapitel auch so lang werden. Denn eigentlich wollte ich das in zwei Abhandeln, habs aber nicht zu trennen geschafft. Das nächste wird dann allerdings wieder kürzer. Liegt mir irgendwie mehr, außerdem hört ihr dann öfters was von mir ;D ) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir unendlich leid, dass ich so lange nichts von mir habe hören lassen.
Aber ich habe irgendwie ein verdammtes kreaTIEF!! und das Kapitel finde ich auch irgendwie unrealistisch. Aber egal, wenn ich ewig an einem Kapitel hänge werde ich ja nie fertig, deswegen: Hier das neue Kapitel :-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Soviel zum Thema regelmäßig!!!!
Naja auf jeden Fall ist hier das neuste Kapitel.
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und es hat wieder länger gedauert, als geplant! :*(
Kurz zur Erklärung: Die Abschnitte in Jessies Geburtstagsliste sind nicht chronologisch geordnet, sondern einfach Momentaufnahmen der zwei Wochen zwischen dem Gespräch mit Moki und Setos Geburtstag.
Viel Spaß beim Lesen!!! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Irgendwie komme ich momentan echt nicht vorwärts. Aber ich gebe mein bestes!
Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht allzu übel und habt Freude an dem neuen Kapitel, obwohl es die Story nicht wirklich voran bringt! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Also hier ist das nächste Kapitel und wieder hat es so lange gedauert!
Und jetzt fahre ich erstmal drei Wochen in den Urlaub, da kann ich nichts neues hochladen!
Aber ich hoffe die nächsten Kapitel fertig zu bekommen! Damit ihr sie dann möglichst bald lesen könnt!
Aber jetzt erst mal viel Spaß bei diesem!
Eure kateling Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Das einzige was ich in vier Wochen produziert habe ist dieses Kapitel! Ich schäme mich T.T
und dabei läuft "Wie die Zukunft wird" jetzt schon über ein Jahr. Aus den ursprünglich 25 geplanten kapiteln wird knapp das doppelte und jetzt hab ich auch noch eine schaffenskriese!!!!!
Ich hoffe ihr lest trotzdem weiter und ich habe euch mit den langen Wartezeiten nicht vergrault!
Ich will das auf jeden Fall beenden, bevor das zweite Jahr vergeht!!!! Drückt mir die Daumen!
Und jetzt ein Trommelwirbel für das neue Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe es doch tatsächlich geschafft das neue Kapitel zu schreiben!
Das hätte ich selbst nie gedacht! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Erst einmal ganz lieben Dank für über 100 Kommentare. Das ist echt motivierend.
Deshalb habe ich auch dieses Kapitel geschrieben, weil an gewissen stellen Wünsche laut wurden...
und naja irgendwie hat mich das dann doch gereizt.
Allerdings ist das das allererste mal, dass ich etwas in diese Richtung schreibe und ich weiß nicht ob ich die Stimmung wirklich gut eingefangen habe. also...
lest es einfach! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So jetzt geht es mit der eigentlichen Story weiter...
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi,
also ich muss mich schon wieder bei allen entschuldigen, weil es einfach nicht vorwärts geht T.T
Aber momentan schaff ichs zeitlich einfach nicht.
Naja jetzt geht es ja weiter und ich hoffe euch gefällt es immer noch.
Und vielleicht kommt ja auch irgendjemand darauf wer der Entführer ist und was er von Seto will! In Kapitel 42 und 43 sind alle nötigen Hinweise enthalten!
Also viel Spaß beim Lesen!
Eure Kateling Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So und hier ist auch gleich noch das nächste Kapitel. Hab euch ja schließlich auch lange genug warten lassen.
Dabei habe ich das hier schon länger geschrieben.
Auch weil ich mal etwas anderes ausprobieren wollte.
Ich hoffe ihr findet auch an diesem Stil gefallen.
Viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder hat es länger gedauert als geplant T.T Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So das ist das letzte Kapitel zu diesem Fanfik.
Damit ist die Geschichte um Seto und Jessie abgeschlossen!
Diesmal ging es so schnell, weil ich das einfach endlich fertig bringen wollte! Komplett anzeigen

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Prolog

Prolog

Teil 1: Jessie zieht in die Stadt

Jessica stand in der ersten Kirchenbank neben ihren Eltern und sah nach vorne zum Altar. Sie trug ein dunkelgrünes, trägerloses Kleid und ihr langes dunkelblondes Haar war kompliziert hochgesteckt. Nur einzelne Strähnen fielen ihr ins Gesicht. In ihren grünen Augen schwammen Tränen. Heute war ein ganz besonderer Tag, denn vorne am Altar stand Mike seiner großen Liebe Claire gegenüber. ES war ihr großer Tag, der Tag ihrer Hochzeit. Jessie seufzte lautlos. Eines Tages würde sie ebenfalls hier stehen mit einem Mann an ihrer Seite, den sie über alles lieben würde. Allerdings lag ihr Traum noch in weiter Ferne, denn sie hatte noch nicht einmal ihren ersten Kuss bekommen. Geschweige denn einen Freund. Und da lag das Problem. Zum Heiraten brauchte man einen Mann und Jessie wusste nicht wie sie etwas daran ändern sollte, dass sie sich noch nicht verliebt hatte. In dem Ort in dem die aufgewachsen und zur Schule gegangen war gab es keinen Jungen in den sie sich verliebt hatte. Es war einfach nicht der richtige darunter gewesen. Noch dazu kam, dass sie in der letzten Woche ihr Abiturzeugnis erhalten hatte. Das machte es ihr nicht gerade leichter. Da war die Erwartung ihrer Eltern, dass sie nun auf dem elterlichen Hof arbeiten würde. Das allerdings wollte Jessie nicht. Mike würde den Hof eines Tages erben. Er hatte deswegen Agrarwissenschaften studiert und auch Claudia lag der Hof am Herzen. Irgendwie passte sie nicht mehr ganz hier hin. Sie wollte einen Beruf erlernen und ihren eigenen Weg gehen.

„…Sie dürfen die Braut jetzt küssen!“ Dieser Satz riss Jessie aus ihren Gedanken. Langsam hob Mike den zarten Schleier seiner frisch angetrauten Frau und beugte sich zu ihr hinab. Eine einzelne Träne rann Jessie über die Wange. Bevor sie auch nur die Hand heben konnte um sie wegzuwischen, hatte Charles sich bereits herumgedreht und die mit einem Taschentuch weggetupft. Er grinst sie breit an, als sie ihm einen bösen Blick zuwarf. Dabei murmelt er etwas, das sich schwer nach `Und ich dachte meine kleine Schwester wäre endlich erwachsen!´ Sie hieb ihm den Ellenbogen unter die Rippen, was ihm ein leises Stöhnen und ein geflüstertes „Hexe“ entrang. Jessie folgte währenddessen Mike mit dem Blick als er seine Frau den Mittelgang entlang zum Kirchenportal führte. Dann folgt sie dem Paar am Arm ihres Bruders. Charles war zwei Jahre älter als sie und wiederum zwei jünger als Mike. Er war, als klar war, dass Mike den Hof übernehmen würde, in die Armee eingetreten. Dementsprechend selten war er zu hause. Jessie stellte sich auf die Zehenspitzten um ihm etwas ins Ohr flüstern zu können.

„Du tanzt doch mit mir, oder?“ Von oben herab sah er sie an, inzwischen hatten sie die Kirche verlassen und die Hochzeitsgesellschaft sammelte sich auf dem Vorplatz.

„Damit du kleiner Rowdy mir auf die Füße steigen kannst? Nein, danke, ich verzichte!“ Wieder holte sie mit dem Ellenbogen aus. Diesmal konnte er jedoch ausweichen. Lachend gab er ihr einen Klaps auf den Po und sprang sofort zur Seite. Doch statt einer Rüge fiel Jessie ihm um den Hals. Wie hatte sie Charles doch vermisst. Er sah ihr über die Schulter.

„Ich glaube wir sollten los, sonst verpassen wir noch das Hochzeitsessen!“ Das wiederum brachte ihm einen Klaps auf den Hinterkopf ein.

„Dass du auch nur ans Essen denken kannst!“ Arm in Arm machten sich die Geschwister auf den Weg zu den Autos um mit den anderen im `Goldenen Hasen´ anzukommen, wo das Hochzeitsessen stattfinden würde.
 

Später am Abend, als das Brautpaar sich schon längst zurückgezogen hatte und auch viele der Gäste bereits nach Hause gegangen waren, saß Jessie auf der Schaukel und schaute auf die aufgestellten Tische. Es war eine fröhliche Hochzeit gewesen, voller Lachen und Freude.

„Was schaust du so traurig, Schwesterchen?“ Charles legte ihr von hinten die Arme um die Schultern, Jesse lehnte sich an ihn.

„Weißt du Charles, morgen, wenn wir hier aufgeräumt haben ist alles wieder beim Alten. Du bist wieder bei der Armee, die Arbeit ruft und man trifft jeden Tag dieselben Leute.“ Er sah ihr in die Augen.

„Ich dachte du willst nach dem Abi irgendwo Urlaub machen?“ Jessie schnaubte abfällig.

„Mum will nicht, dass ich alleine irgendwo hinfahre!“ Fragend hob er eine Augenbraue.

„Warum fährst du nicht mit Freunden?“ Jessie stand auf, streckte sich.

„Kannst du dir mich auf einer Sauffahrt vorstellen?“ Charles schüttelt den Kopf und legt ihr einen Arm um die Schultern.

„Du bekommst deine Chance noch Schwesterchen!“ Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Hause. Zu Fuß, schließlich waren es ja nur zehn Minuten. Sie schleichen sich in Jessies Zimmer um das Brautpaar nicht zu stören. Erleichtert warf Charles sein Jackett und die Krawatte auf den Schreibtischstuhl. Dabei rutscht ein Brief vom Schreibtisch. Er bückt sich.

„Du hast Post.“ Jessie kam zu ihm rüber.

„Oh, der ist von Joey!“ Den fragenden Blick ihres Bruders spürt sie lediglich, da sie gerade damit beschäftigt war den Brief zu öffnen.

„Serenity Wheelers Bruder. Er wohnt in Domino.“ Charles ließ sich auf sein Feldbett fallen, während Jessie sich in den Brief vertiefte. Joeys krakelige Handschrift bedeckte ein etwas zerknittertes Papier.
 

Hi Jess,

Glückwunsch zum bestandenen Abitur. Ich hoffe du bist zufrieden. Auch meine Zwischenprüfungen sind gut gelaufen, auch wenn ich jetzt auch nicht mehr Zeit habe, als während dieser blöden Lernphase. Deswegen ist mein Brief an dich auch so kurz geraten. Aber der eigentliche Grund warum ich dir schreibe ist der, dass ich dich gerne einladen würde mich hier in Domino zu besuchen. Immerhin hast du ja jetzt Zeit und ich würde dich gerne einmal wieder sehen. Überleg es dir und Ruf mich an.

Dein Joey
 

Jessie lies den Brief sinken und sah Charles erstaunt an.

„Er hat mich eingeladen ihn zu besuchen!“ Charles drehte sich auf den Bauch und sah sie an.

„Ist doch keine schlechte Idee. Und Mum kann nichts dagegen sagen. Ich meine du bist nicht alleine, kennst Joey schon seit ein paar Jahren und noch dazu ist Domino nicht so weit weg.“
 

Am nächsten Morgen sprach Jessie mit ihren Eltern über Joeys Einladung und zu ihrer Überraschung hatten sie wirklich keine Einwände. Also rief sie Joey an, der sich bereits riesig auf ihr Kommen freute. Bereits in zwei Tagen würde sie auf dem Weg nach Domino sein.
 

Teil 2: Kindermädchen
 

Seto Kaiba saß am Schreibtisch im Büro seiner Wohnung und rieb sich die Schläfen. Der Firmenbesitzer und jung Milliardär arbeitete ausnahmsweise einmal nicht. Auch wenn sein Laptop angeschaltet vor ihm stand und Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm flimmerten sah er es nicht. Seine Gedanken waren bei seinem kleinen Bruder Mokuba. Inzwischen war der junge dreizehn und aufmüpfig. Zumindest was das Thema Kindermädchen betraf. Sicher Kaiba verstand, dass Moki in seinem Alter keinen Aufpasser mehr wollte. Doch den ganzen Tag alleine lassen konnte und wollte er ihn auch nicht. Seufzend fuhr er sich über die Augen und fuhr den Computer herunter. Vielleicht hatte Mokuba sich ja mit dem neuen Kindermädchen arrangiert. Aus Richtung des Wohnzimmers ertönte ein Klirren und eine Frau schrie auf. Im nächsten Moment flog seine Bürotür auf. Eine Frau mittleren Alters stand darin, vor Wut schäumend.

„Ich kündige! Das Kind ist nicht zum aushalten!“ Seto schwieg. Aus Erfahrung wusste er, dass kein Wort etwas an der Entscheidung der Frau ändern würde. Er wartete bis die Haustür hinter ihr ins Schloss gefallen war, bevor er wütend nach seinem Bruder rief. Mokuba kam tatsächlich, allerdings mit vor der Brust verschränkten Armen und trotzigem Gesicht.

„Was war es diesmal?“ Verlangte Seto resigniert zu wissen.

„Ich brauche kein Kindermädchen!“ Müde lehnte Kaiba sich auf seinem Stuhl zurück, rieb sich wieder über die Augen.

„Ach Moki, es geht doch nur darum, dass du nicht den ganzen Tag alleine bist!“ Der Junge schluckte schwer. Er machte seinem großen Bruder nur ungerne Ärger. Besonders heute, wo er ihm ansah, dass er kaum geschlafen und Kopfschmerzen hatte. Seto war meistens überarbeitet und stand sowieso ständig unter Stress, da brauchte er nicht auch noch einen aufmüpfigen kleinen Bruder. Allerdings lag diese Angelegenheit Mokuba sehr am Herzen und ihm fiel keine andere Möglichkeit ein die Sache anzugehen. Er stellte ich lockerer hin, offener. Immerhin wollte er Seto einen Vorschlag machen.

„Bitte Seto! Stell doch jemanden ein, der jung genug ist Computerspiele und Sport interessant zu finden. Und der etwas mit mir unternimmt, was auch Spaß macht!“ Einen Moment sahen sich die Brüder an, dann seufzte Seto leise.

„Wie stellst du dir das vor?“ Jetzt setzte sich Mokuba auf den Stuhl Seto gegenüber.

„Ich weiß, dass dir meine Sicherheit wichtig ist. Also warum machen wir nicht ein offenes Vorstellungsgespräch. Du triffst die Vorentscheidung, wer qualifiziert ist und so. Und aus denen suche ich mir dann jemanden aus! Okay?“ Seto hatte die Brauen zusammengezogen. Seine Eisblauen Augen schauten skeptisch.

„Versprichst du mir, sie nicht wieder am ersten Tag zu vergraulen?“ Mokuba nickt sofort ernst.

„Okay, ich kümmere mich darum.“ Leise verlies Mokuba Setos Büro. Endlich hatte er ein Wort mitzureden.

Ankunft in Domino und Zeitungsannonce

Kapitel 1: Ankunft in Domino und Zeitungsannonce
 

Der Zug rollte in den Bahnhof ein. Die Bremsen quietschen. Die Fahrgäste stehen bereits mit ihrem Gepäck in den Händen in dem schmalen Gang bereit zum aussteigen. Auch Jessie hatte ihren Rucksack geschultert und wartete nervös, dass sie aus dem Zug herauskommt. Sie war in Domino, endlich. Und gleich würde sie Joey nach fast sieben Monaten endlich wieder sehen. Er hatte ihr versprochen, dass er sie am Bahnsteig abholen würde. Nun war sie draußen. Oh Gott, waren das viele Menschen. Sie fühlte sich in der Menge vorbeihastender und dahineilender Menschen fremd. Sie kam vom Land, kannte solche Menschenmassen nicht. Doch irgendwie war es auch aufregend. So viele fremde Menschen, eigentlich genau das was sie von ihrem Urlaub erwartete. Neues! Suchend sah sie sich um. Wo Joey wohl steckte, ob sie ihn in dem ganzen Trubel überhaupt entdecken würde. Langsam drehte sie sich im Kreis. Nichts von ihm zu sehen. Plötzlich schlang ihr jemand von hinten die Arme um den Bauch.

„Hallo Süße! Suchst du etwa mich?“ Jessie lachte und viel Joey in die Arme. Er hatte sich verändert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Das kindlich-jungenhafte war endgültig aus seinem Gesicht verschwunden. Es war schicker, erwachsener, männlicher. Sein Blondes Haar war länger, zerzaust und fiel ihm lockig in die Stirn. Nur seine braunen Augen funkelten noch genauso neckisch wie früher. Jessie schob ihn ein Stückchen von sich und betrachtete ihn noch einmal.

„Wow du hast ganz schön an Muskeln zugelegt. Du hast dich gemacht, Joey!“ Er lachte fröhlich, auch das war noch genauso wie Früher.

„Meine Liebe Jess, auch du hast dich gemacht.“ Er fuhr ihr durch die langen Haarsträhnen.

„Dein Haar gefällt mir so wie du es trägst! Und jetzt gib mir deinen Rucksack, damit du dich überzeugen kannst, dass diese Muskeln auch tatsächlich zu etwas zu gebrauchen sind!“ Lachend hakte sie sich bei ihm unter und gemeinsam verliesen sie den Bahnhof.

„Wie weit ist es bis zu dir?“ Joey sah auf seine Armbanduhr.

„Mit dem Bus sind wir in einer viertel Stunde da! Halt wir müssen da vor, dort fahren die Busse!“ Völlig perplex starrte Jessie auf den Busbahnhof. Das da überhaupt noch irgendjemand wusste in welchen Bus er einsteigen musste. Joey zog sie weiter zu einer Haltestelle über der die große Nummer 160 hing. Joey beobachtete sie sichtlich amüsiert.

„Mach dir keine Sorgen. In ein paar Tagen kommt dir das alles ganz normal vor! Dann weist du genau mit was du fahren musst um an dein Ziel zu kommen!“ In dem Moment kam ein rostroter Doppeldecker um die Ecke und Joey zog sie an den Fahrbahnrand.

„Das hier ist unserer!“ Er zahlte vorne beim Busfahrer und dirigierte mich dann die Treppe nach oben.

„Von dort hast du einen viel besseren Ausblick.“ Begeistert lässt sie sich auf den Platzt am Fenster fallen und bekommt vor Staunen während der Fahrt kein Wort heraus. Schließlich steigen sie in einer total zugebauten Wohngegend aus und Joey führt sie zu einem der Wohnblöcke. Dann kramt er den Schlüssel aus seiner Hosentasche und hält ihr die Tür auf. Das Treppenhaus wirkt düster und etwas heruntergekommen. Jessie ist ein wenig unbehaglich zu mute.

„Na los, wir müssen in den sechsten Stock!“ Also stapften sie los. Jessie vornweg, Joey hinterher. Vor der Wohnungstür blieb er nochmal stehen, sah ihr ins Gesicht.

„Mein Reich!“ Damit betraten sie die Wohnung. Joey stellte ihren Rucksack in dem kleinen quadratischen Flur ab und zieht die Schuhe aus. Jessie blickt sich um. Es wirkt einladend. Ein hoher Spiegel vor einer hellgelben Wand und ein Garderobenschrank, in dem Joey gerade seine Turnschuhe verstaut, stellen die einzige Einrichtung da. Jetzt deutet er auf die Tür Rechts von ihnen.

„Da geht’s zur Küche und Wohnzimmer. Die Tür uns gegenüber führt ins Bad und hier links ist mein Schlafzimmer.“ Joey streicht sich durchs Haar.

„Du hast die Wahl. Entweder ich schlafe auf der Couch, oder wir beide in meinem Bett. Und keine Widerrede. Du bist der Gast.“ Jessie schluckte ihren Einwurf, dass es doch sein Zuhause sei hinunter und fragte stattdessen:

„Wie groß ist dein Bett?“ Statt einer Antwort führte er sie in sein Schlafzimmer. Er hatte ein zwei auf zwei Meter Bett, das fast den ganzen Raum ausfüllte und lediglich noch Platz für einen Kleiderschrank bot.

„Damit wäre das wohl geklärt. Selbst wenn wir wollten kämen wir uns in diesem Bett nicht in die Quere.“ Joey grinste breit.

„Das Bett war das einzige, wo ich es wirklich groß brauche!“ Das leise Aha, das er darauf erhielt ließ ihn nur noch breiter grinsen.

„Komm ich zeig dir den Rest!“ Sie warfen einen kurzen Blick in ein einfaches, schlichtes und weißgekacheltes Bad bevor er sie ins Wohnzimmer führte. Der Raum wurde von einem mit Büchern vollgestopften Bücherregal aus dunklem Holz beherrscht, das eine ganze Wand einnahm. Und auf dessen Regalbrett in der Mitte der Fernseher zusammen mit ein paar DVDs Platz gefunden hatte. Gegenüber diesem Regal vor einer weiteren Tür stand eine ebenfalls dunkle Couch, die eindeutig ausziehbar war. Die Wand gegenüber der Tür, durch die wir eingetreten waren war von einem großen Fenster eingenommen durch das man einen atemberaubenden Blick auf die Skyline der Stadt hatte. Als letztes zeigte Joey ihr die Küche. Sie war in Beigetöne gehalten, hatte eine kleine Essnische und genug Platz, dass man zu zweit bequem darin kochen konnte.

„Und was sagst du?“ Wollte Joey neugierig wissen. Jessie legte den Kopf schief.

„Gemütlich und einladend!“ Fällte sie dann ihr Urteil und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Joey erleichtert aufatmete. Er hatte sich also Sorgen gemacht, dass es ihr nicht gefallen würde.
 

Später saßen sie zusammen in der Essnische und aßen Spagetti Bolognese. Joey lehnte sich schließlich zurück und schob seinen Teller zur Seite.

„Weißt du eigentlich schon was du machen willst, während du hier bist?“ Jessie nickte.

„Ja, ich suche mir einen Job. Ich meine, ich weiß ja noch nicht wie lange ich bleiben werde, aber irgendetwas werde ich schon finden!“ Joey sieht sie entsetzt an.

„Du weißt, dass ich dich eingeladen habe und dass du mir weder Unterkunft noch Essen zahlen musst!“ Sie verdreht die Augen und beugt dich ein wenig über den Tisch.

„Joey, darum geht’s doch gar nicht! Ich gehe davon aus, dass du trotz meiner Anwesenheit hier keinen Urlaub hast. Das heißt, dass ich mich während dieser Zeit selbst beschäftigen muss. Und der Vorteil wenn ich mir einen Job suche ist der: Ich kann viel öfter Shoppen gehen!“ Joey lacht so herzhaft, dass ihm Tränen über die Wangen laufen. Glucksend stellt er schließlich fest:

„Das klingt sehr vernünftig. Was willst du denn machen?“ Jessie zuckte mit den Achseln.

„Keine Ahnung, hast du eine Zeitung, dann können wir uns die Stellenangebote ansehen!“ Joey ging los die Zeitung holen, während Jessie das Geschirr spülte und es wieder im Schrank verstaute.

Gemeinsam breiteten sie die Doppelseite auf dem Tisch aus. Joey legte noch einen Maker dazu. Dann begannen sie zu lesen.

„Hier werden Kellnerinnen gesucht!“ Jessie beugte sich zu ihm hinüber und überflog die Anzeige.

„Schau dir mal die Arbeitszeiten an. Da fang ich ja an, wenn du gerade fertig bist!“ Sie machten weiter. Dann zeigte Jessie auf eine Annonce.

„Das klingt doch nicht schlecht!“ Beide lasen sie die Anzeige:
 

Kindermädchen gesucht

Junges, sportgegeistertes und zuverlässiges Kindermädchen gesucht.

Arbeitszeit: Mo-Fr 14.00-18.00, am Wochenende auf Abruf

Offenes Vorstellungsgespräch am 10.07. nach Anruf

Tel.: 060XXXXXXXX

Kaiba Corporation, Ansprechpartner Seto Kaiba
 

Joey zieht die Augenbrauen zusammen. Er wirkt skeptisch.

„Das klingt ja alles ganz gut, aber Kaiba Corporation?!“ Jessie zuckte mit den Achseln. Sie hatte zwar schon von dem Eisklotz Seto Kaiba gehört, aber da er ja bekanntlich zwanzig Jahre alt war, also zwei Jahre älter als sie selbst, müsste sie wohl kaum sein Kindermädchen spielen. Joey dagegen wirkte absolut nicht begeistert.

„Ich kenne Kaiba noch aus meiner Schulzeit und da war er meistens kaum auszuhalten. Er ist arrogant und überheblich. Ich glaube kaum, dass du dich in seiner Nähe wohlfühlen würdest!“ Sie verdreht die Augen.

„Er hat doch einen kleinen Bruder, nicht wahr? Ich gehe davon aus, dass diese Annonce sich auf ein Kindermädchen für ihn bezieht. Das heißt ich würde mich dann um Mokuba Kaiba kümmern, wenn sein Bruder keine Zeit hätte. Das wiederum würde bedeuten, dass ich ihn kaum zu Gesicht bekommen werde!“ Joey sieht noch immer nicht begeistert aus. Er guckt finster.

„Das ganze gefällt mir trotzdem nicht!“ Jetzt verdreht sie die Augen und lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück.

„Lass mich doch zu diesem Vorstellungsgespräch gehen. Wer sagt, dass ich genommen werde! Ich weiß ja nicht mal wie lange ich in der Stadt bleibe!“ Joey zögert noch einen Moment bevor er nachgab.

„Na gut probier’s, aber ich hab dich gewarnt!“ Ohne auf seine Worte zu reagieren eilte sie aus dem Zimmer um das Telefon zu suchen. Schließlich hatte sie es gefunden und zog sich damit in Joeys Schlafzimmer zurück, wo sie sich aufs Bett legte und wählte. Es klingelte mehrfach bevor sich eine freundliche Frauenstimme meldete.

„Kaiba Corporation. Marianne Müller am Apparat. Was kann ich für sie tun?“ Jessie wickelte sich eine ihrer Haarsträhnen um den Finger.

„Guten Abend. Mein Name ist Jessica Brown. Ich würde mich gerne für das Vorsprechen morgen anmelden!“ Einen kurzen Moment war es am anderen Ende still.

„Ich habe hier das Anmeldeformular. Wenn sie mir doch bitte ihr Geburtsdatum und ihre Momentane Adresse nennen könnten.“ Jessie tat wie ihr geheißen und wartete, während die Frau ihre Informationen wohl notierte.

„Vielen Dank Miss Brown. Ihr Termin ist Morgen um 17.00 Uhr, bitte seien sie pünktlich. Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Abend.“ Höflich bedankte sich Jessie und gab die Wünsche zurück, dann legte sie auf. Sie hatte ein Vorstellungsgespräch bei dem wohl weltbekannten Seto Kaiba und das gleich morgen!

Vorstellungsgespräch

Kapitel 2: Vorstellungsgespräch
 

Als Jessie am Morgen erwachte war das Bett neben ihr leer. Joey war bereits aufgestanden. Sie schielte auf den Wecker. Halb zehn. Dass hieß ihr Gastgeber war bereits in der Arbeit und sie ganz alleine in der Wohnung. Sie gähnte und streckte sich. Es war Dienstag, der 10.07 und sie war in Domino bei Joey. Und am späten Nachmittag hätte sie ein Vorstellungsgespräch bei Seto Kaiba. Dem Seto Kaiba, der die Arbeitswelt beherrschte, den Joey aus seiner Schulzeit kannte und absolut nicht leiden konnte und über den sie selbst kaum etwas wusste. Ihre Brust zog sich vor Nervosität zusammen. Schnell schob sie den Gedanken an das Vorstellungsgespräch zur Seite. Immerhin hatte sie bis dahin noch sieben lange Stunden Zeit, in denen sie sich irgendwie selbst beschäftigen musste. Aber erst einmal würde sie duschen gehen und dann frühstücken. Sie hatte Hunger.

Als sie die Küche betrat fiel ihr sofort der Zettel mit Joeys Handschrift darauf auf. Er hatte also heute Morgen an sie gedacht.
 

Morgen du Schlafmütze,

ich hoffe du hast gut geschlafen. Wie du dir wahrscheinlich denken kannst bin ich bei der Arbeit, aber mach dir keine Gedanken. Ich hab dich nicht vergessen. Im Wohnzimmer auf dem Couchtisch liegt ein Stadtplan, deine Busfahrkarte und ein U-Bahn Plan. Von der Wohnung aus fährst du mit der Buslinie 160 (Ja, die von gestern) bis zum Hauptbahnhof. Von dort kommst du mit der U-und S-Bahn an jeden Knotenpunkt der Stadt. Zur Kaiba Corporation sollte es kein Problem sein, die Haltestelle hat denselben Namen, also solltest du sie nicht verfehlen. Auch wenn ich dir nicht helfen kann vertraue ich darauf, dass du das hinbekommst.

Wegen dem Vorstellungsgespräch… Bin mir nicht so sicher ob ich dir Glück wünschen soll, immerhin würde Kaiba dein Chef. Aber ich bin mir sicher, dass du zumindest mit Mokuba sehr gut auskommen würdest. Also gib dein bestes. Ich drück dir die Daumen.

Joey

PS: Ich geb dir noch einen gut gemeinten Rat wegen Kaiba: Sei vorsichtig, er ist leicht reizbar und ziemlich bissig, wenn man ihn herausfordert. Also reize ihn bitte nicht unnötig, sonst wird das ganze ziemlich ungemütlich werden.
 

Jessie zog die Augenbrauen zusammen. Das war aber eine ganz schön lange Nachricht. Vor allem die Sache mit Kaiba, dass er mich ständig vor ihm warnte, ob er wirklich so schlimm war und wenn warum? Und würde das Gespräch wirklich so unangenehm verlaufen, wie Joey es vorhersagte?

Jessie schob diese Gedanken beiseite. Sie ging ohne große Erwartungen in dieses Vorstellungsgespräch hinein. Denn sie wusste, dass die wenigsten sie nur wegen den paar Wochen, die sie in der Stadt sein würde anstellen würden. Jetzt stellte sich allerdings eine ganz andere Frage. Was sollte sie zu dem Vorstellungsgespräch anziehen? Zögernd betrachtete sie ihre mitgebrachten Kleidungsstücke und entschied sich dann für Jeans und Bluse. Damit würde sie nicht auffallen, wenn sie vorher noch durch die Stadt schlenderte und sich vielleicht einen kleinen Überblick verschaffte. Ob es für das Treffen mit Kaiba angemessen war wusste sie nicht, allerdings hatte sie kein Kostüm dabei, geschweige denn besaß sie eines. Sie kämmte sich das Haar und band es zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen. Es war schließlich Hochsommer und da konnte sie das dichte Haar im Nacken nicht haben. Sie packte die von zuhause mitgebrachten und bereits vorbereiteten Bewerbungsunterlagen, Stadt- und U-Bahnplan in ihre Handtasche. Zusammen mit dem Schlüssel, der auf dem Wohnzimmertisch lag und mit einem Zettel: Damit du unabhängig bist versehen war, wanderte auch Handy und Geldbeutel mit hinein. Dann verlies sie das Haus Richtung Bushaltestelle, sie hatte Glück, gerade als sie sie erreichte fuhr ein Bus in die Haltebucht ein. Jessie zeigte die Fahrkarte vor und ging dann zu den oberen Sitzplätzen. Die Fahrt verging viel zu schnell und schon stand Jessie wieder am Hauptbahnhof in der Menschenmenge und hatte keine Ahnung wo sie hin musste. Orientierungslos sah sie sich um und ging dann auf das steinerne Hauptgebäude des Bahnhofs zu. Es musste schon älter sein. Dem Baustil nach zu urteilen so um 1900. Groß aus schwerem grauem Stein, in der Frontseite war jedoch ein großes, von vielen Streben unterbrochenes Fenster eingelassen. Das etwas Tageslicht in den Bahnhof ließ. Jessie trat ein und betrachtete die Schilder, die in verschiedene Richtungen wiesen. Sie kramte den Stadtplan heraus. Wenn sie zur Kaiba Corporation wollte musste sie die U5 nehmen. Der Hauptsitz der Firma war ein Turm mitten im Stadtzentrum. Führe sie also dorthin könnte sie zu Fuß die große Einkaufspassage locker erreichen. Sie sah wieder auf die Schilder. Und wie kam sie jetzt wieder zum Gleis der U5? Seufzend sah sie sich um und entdeckte einen Informationsschalter rechts von sich. Eilig ging sie darauf zu und stellte sich in die Warteschlange. Ein grauhaariger Mann sah sie abwartend an, als sie endlich an der Reihe war.

„Können sie mir bitte sagen wie ich zur U5 komme?“ Er erklärte ihr den Weg und tatsächlich fand sie das Gleis nach wenigen Minuten. Sie bestieg die nächste U-Bahn und schon war sie auf dem Weg Richtung Stadtmittelpunkt.

Jessie stieg langsam die Stufen der U-Bahnstation hinauf und genoss die Sonnenstrahlen, die nun wieder zu ihr vordrangen. Neugierig sah sie sich um, als sie die Erdoberfläche wieder erreicht hatte. Ihr gegenüber, am anderen Ende des großen Platzes stand ein gläserner Turm. KC stand in großen blauen Lettern über dem Eingang Dort würde sie später hineingehen. Aber erst später. Jetzt würde sie shoppen gehen und sich von ihrer Nervosität ablenken. Sie sah sich weiter um. Dort diese Straße sah vielversprechend aus. Sie schob sich den Träger ihrer Tasche höher und ging los. Tatsächlich war sie in einer Einkaufspassage gelandet, deren viele kleine Geschäfte geradezu nach Paradies aussahen.

Um halb fünf machte sich Jessie auf den Weg zur Kaiba Corporation. In der Hand hielt sie mehrere Einkaufstüten und zwischen all den Schlipsträgern den Büroturm zu betreten machte sie noch nervöser. Sie kam sich underdressed vor. Langsam, zögernd trat sie an den Empfangstresen.

„Guten Tag. Mein Name ist Jessica Brown. Ich habe einen Vorstellungstermin.“ Die Frau dahinter sah sie einen Moment skeptisch an, senkte dann jedoch den Blick um in ihren Unterlagen nach zusehen.

„Können sie sich ausweisen, Miss Brown?“ Jessie gab ihr ihren Ausweis. Die schwarzhaarige nickte knapp und reichte ihr mehrere Zettel.

„Hier diesen Fragebogen füllen sie bitte während ihrer Wartezeit aus. Das Vorstellungsgespräch findet im vierzehnten Stock statt. Sie warten bitte im Vorraum, bis sie aufgerufen werden. Die Aufzüge sind dort vorne.“ Damit war Jessie wohl entlassen. Mit klopfendem Herzen machte sie sich auf den Weg zu den Aufzügen und drückte den Knopf für den vierzehnten Stock. Als sie den Aufzug wieder verließ betrat sie einen großen in Weiß und Schwarz gehaltenen Raum in dem dunkle Ledersofas und ein Schreibtisch mit einer weiteren schwarzhaarigen Frau standen. Eine Handvoll anderer Frauen saßen in dem Raum verteilt, sahen sie hochnäsig an. Jede einzelne von ihnen trug Buissenes Kleidung oder Minikleid. Jessie kam sich fehl am Platz vor und lies sich auf ein freies Sofa direkt neben dem Aufzug nieder. Die Tür am anderen Ende des Raumes öffnete sich, eine zierliche Blondine kam heraus gestöckelt. Eine andere aufgetakelte Frau verschwand darin. Jessie wandte sich dem Fragebogen zu. Die ersten Fragen waren einfach. Name, Anschrift, Schulabschluss. Dann wurde sie nach ihren Hobbys, Vorlieben und Abneigungen gefragt. Sogar ihr Wunschreiseziel wurde verlangt. Jessie hatte gerade die letzte Lücke ausgefüllt als die Frau am Schreibtisch ihren Namen aufrief. Flüchtig sah sie auf die Uhr. Es war bereits halb sechs. Sie ging auf die Tür zu, klopfte kurz, bevor sie eintrat. Und dann stand sie in Seto Kaibas Büro.

Es war riesig und edel eingerichtet. Auch hier war alles in schwarz und weiß gehalten. Jessie näherte sich langsam dem Wuchtigen Schreibtisch, auf dem mehrere Computer und Unmengen an Papier lagen. Der Mann der dahinter saß hatte den Blick auf die Akte vor sich gerichtet und schien sie nicht zu bemerken oder sie zu ignorieren.

„Guten Abend, Mister Kaiba!“ Als er immer noch nicht reagierte setzte sich auf einen schwarzen Ledersessel ihm gegenüber und weil sie nichts Besseres zu tun hatte beobachtete sie ihn. Braune Haarsträhnen hingen ihm in ein ausdrucksloses Gesicht. Seine Augen waren unter den gesenkten Lidern und hinter einer schmalen Drahtbrille verborgen. Sein Mund zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Jessie sah lediglich seine Schultern und einen Teil seiner Brust und schloss, dass er für seine Größe sehr schlank sein musste. Nicht schmal, nein er hatte breite Schultern, aber er wirkte eher sehnig und dünn, als muskulös und kräftig. Er trug ein dunkelgraues Hemd, dessen oberster Knopf geöffnet war. Nach einer guten viertel Stunde, während der lediglich das rascheln von Papier zu hören gewesen war, hob er schließlich den Kopf und strich sich mit der Hand durchs Haar.

„Sie haben Geduld, Miss Brown.“ Sie sah ihm in die Augen und stellte fest, dass er müde wirkte. Kurz nickte sie und wartete ab wie das ganze weitergehen würde. War das hier etwa ein Test?

„Gut, haben sie den Fragebogen?“ Gemeinsam mit ihren Bewerbungsunterlagen reichte sie den Bogen über den Schreibtisch. Er legte den Fragebogen auf einen Stapel ohne einen Blick darauf zu werfen und verschränkt die Hände vor sich auf der Tischplatte.

„Sie sind erst achtzehn, haben gerade ihr Abitur gemacht. Wie viel Erfahrung haben sie mit Kindern?“ Jessie sah ihn überrascht an, woher wusste er, dass sie gerade erst ihr Abi gemacht hatte.

„Ich habe mehrere jüngere Cousinen und Cousins. Außerdem habe ich regelmäßig Babygesittet um mein Taschengeld aufzubessern seit ich sechzehn bin.“ Er notierte sich etwas.

„Ich gehe davon aus, dass sie keine längere Anstellung suchen. Was wollen sie jetzt nach ihrem Abitur machen?“ Seine Worte trafen direkt ins Schwarze. Jessie schluckte.

„Momentan wohne ich hier bei einem Freund, wie lange ich bleiben werde weiß ich noch nicht. Ich möchte gerne studieren, allerdings habe ich noch kein Fach gefunden, das mich zu hundert Prozent überzeugt hat. Wahrscheinlich lasse ich mir ein halbes Jahr Zeit um das zu überdenken und arbeite währenddessen auf dem Hof meiner Eltern.“ Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen, während er sich weitere Notizen machte. Sie wurde unsicher.

„Können sie kochen?“ Fragte er plötzlich und völlig zusammenhanglos. Verwirrt sah Jessie ihn an.

„Ja, warum fragen sie?“ Er legte Block und Stift zur Seite und nahm die Brille ab.

„Da draußen sitzen noch mindestens zehn Frauen, die mir ihre Vorzüge anpreisen wollen. Auf leeren Magen halte ich das nicht länger aus.“ Noch immer skeptisch erhob Jessie sich.

„Sie wollen, dass ich ihnen etwas koche?“ Müde rieb er sich über die Augen.

„Würde es sie stören?“ Überraschender Weise nicht wie Jessie feststellte, als er sich nun ebenfalls erhob. Er war wirklich sehr dünn. Und seine Saphir blauen Augen wirkten bei weitem nicht so kalt wie sie sie im Fernsehen empfunden hatte.

„Wo ist die Küche, Mister Kaiba?“ Der Blick den er ihr zuwarf wirkte überrascht, so als hätte er keine positive Antwort ihrerseits erwartet.

„Meine Sekretärin wird sie ihnen zeigen. Sie können ihre Einkäufe solange hier bei mir lassen.“ Hielt er sie davon ab die Tüten zusammenzuraffen und mit ihnen das Büro zu verlassen. Also stellte Jessie sie in einer Zimmerecke ab und ging dann zu seiner Sekretärin um sie nach dem Weg zu fragen.

Eine Viertelstunde Später betrat sie mit einem Tablett Kaibas Büro wieder. Sie hatte sich für Schinkennudeln entschieden, weil es schnell ging und sie Kaiba nicht zu lange warten lassen wollte.

Er war alleine, hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Jessie näherte sich seinem Schreibtisch und schob mehrere Dokumente zur Seite, sodass sie das Tablett abstellen konnte. Er blinzelte, sah dann zu ihr auf.

„Danke.“ Sie nickte und nahm den Teebeutel aus der Tasse, er hatte lange genug gezogen. Zögernd betrachtete er die Schüssel mit dem eingemachten Obst, bevor er das Besteck zur Hand nahm. Jessie musste grinsen.

„Keine Angst, es ist nicht vergiftet.“ Kaiba sah sie ernst an.

„Gehen sie nach Hause. Sie werden über das Ergebnis ihrer Bewerbung informiert werden.“ Jessie nahm ihre Tüten und ging zur Tür, bevor sie sie öffnete drehte sie sich ein letztes Mal um.

„Ich wünsche ihnen einen guten Abend. Und lassen sie es sich schmecken!“ Damit war sie verschwunden.
 

Kaiba sah noch einen Moment auf die geschlossene Tür, dann begann er zu essen. Es schmeckte tatsächlich gut. Auch Jessica selbst interessierte ihn. Sie war an diesem Tag das einzig normale Mädchen gewesen, das sein Büro betreten hatte. Sie war weder hier um ihn zu erobern, noch um in sein Bett zu kommen. Sicher sie war sehr jung und hatte keine Qualifikationen hinsichtlich dessen, was sie erwartete. Allerdings war er selbst erst fünfzehn gewesen als er die Firma übernahm. Und Mokuba würde sie sicherlich gefallen. Da blieb nur noch das Problem, das sie nicht lange in der Stadt bleiben würde. Dafür müsste er eine Lösung finden. Allerdings nicht jetzt. Seine Kopfschmerzen wurden immer schlimmer und er war erschöpft. Gott sei Dank hatte er die letzte Bewerberin bereits hinter sich gebracht, bevor Jessica ihm sein Abendessen gebracht hatte. Das bedeutete er konnte endlich nach Hause. Er nahm die Teetasse in die Hand und fuhr seine Computer herunter. Für heute war es wirklich genug.
 

Währenddessen stand Jessie unten auf dem Platz und dachte über das Vorstellungsgespräch nach. Kaiba war ganz anders gewesen, als sie erwartet hatte. Irgendwie nicht wie der kalte Geschäftsmann von dem man immer sprach und auch nicht arrogant und überheblich wie Joey ihn beschrieben hatte. Sondern eher überarbeitet und erschöpft. Und er trug eine Brille. Sobald sie zurück wäre würde sie Joey fragen, ob er das gewusst hatte. Schnell eilte sie zur U-Bahn um zu Joeys Wohnung zurück zu fahren.

„Und wie wars?“ Begrüßte sie Joey gleich. Jessie stellte ihre Tüten ab und lies sich neben ihm auf die Couch fallen.

„Seltsam. Er wollte so gut wie nichts von mir wissen. Aber ich sollte ihm ein Abendessen kochen und wusstest du, dass Kaiba eine Brille trägt?“ Joey zuckte mit den Schultern.

„So viel wie der immer vorm Computer hockt, wundert mich das weniger! Kaiba hat sich wirklich von dir bekochen lassen?“ Jessie nickte.

„Ja, hat mich auch gewundert! Aber ist doch egal. Lass uns auch etwas essen und danach eine DVD anschauen. Solange ich keine Zusage habe muss ich mir über Seto Kaiba keine Gedanken machen!“ Joey lag zwar noch die ein oder andere Frage auf der Zunge, die er allerdings herunterschluckte.

„Komödie oder Krimi?“ Jessie steckte ihren Kopf aus der Küche.

„Du siehst dir Komödien an?“ Joey schnalzte mit der Zunge.

„Gut, dann Krimi!“ Lachend kam sie mit zwei Sandwichs zurück und setzte sich neben ihn. Es wurde noch ein lustiger Abend, an dem sie nicht mehr an Kaiba dachten.

Köter und Kühlschrank

Kapitel 3: Köter und Kühlschrank
 

Joey lag bereits auf dem Bett, als Jessie aus dem Bad kam und sich auf ihre Seite fallen ließ.

„Jessie, würdest du wirklich für Kaiba arbeiten?“ Seine Frage war leise und trotzdem hörte Jessie mit welcher Spannung er ihre Antwort erwartete. Sie löschte das Licht und starrte an die Decke.

„Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Für ein Vorstellungsgespräch war das ganze irgendwie… weiß auch nicht seltsam. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.“ Die Decke raschelte, als er sich auf die Seite drehte.

„Erzähl doch endlich mal wie es war!“ Kurz seufzte sie.

„Als ich in sein Büro gerufen wurde, da saß ich erst einmal eine viertel Stunde unbeachtet vor ihm. Dann hat er irgendetwas davon geredet, dass ich Geduld hätte und mich gefragt, was ich jetzt nach dem Abitur machen will!“ Jessie starrte nachdenklich in die Dunkelheit.

„Und dann?“ Sie zögerte kurz.

„Hat er mich gefragt, ob ich kochen kann und ich habe ihm etwas gekocht. Danach hat er mich nach Hause geschickt!“ Leise pfiff Joey durch die Zähne.

„Du hast recht, das ist seltsam!“ Jessie drehte sich in seine Richtung und stützte den Kopf auf die Hand.

„Du hast gesagt er sei mit dir in die Schule gegangen, wie war er da so?“ Es war still auf der anderen Betthälfte, dann hörte sie ein leises Seufzen.

„Mit Kaiba war es nie einfach. Ich meine er hat die Firma mit fünfzehn übernommen. Vorher hatte er Privatunterricht und war auf irgendsoner Eliteschule. Nicht, dass ich mich besonders dafür interessiert hätte, aber es wusste eben jeder. Keine Ahnung, am Anfang waren alle begeistert, dass dieser reiche Pinkel auf unsere Schule gewechselt hatte. Aber Kaiba hat schnell dafür gesorgt, dass keiner etwas mit ihm zu tun haben wollte!“ Kurz holte er Luft.

„Er war unausstehlich, kalt, arrogant, ignorant und überheblich. Eben das perfekte Arschloch!“ Zählte Joey nachdenklich auf. Gespannt folgte Jessie seinen Worten.

„Ich konnte ihn nie besonders gut leiden. Vor allem auch, weil ich Mokuba oft gesehen habe und Kaiba ihn wegen der Firma oft vernachlässigte und das, obwohl er sich so gut wie nie in der Schule blicken ließ. Naja, solange ich ihn kenne sind wir immer aneinander geraten, so war das eben!“ Jessie beugte sich über ihn starrte ihm durch die Dunkelheit direkt in die braunen Augen.

„Da ist noch was anderes!“ Joey schob sie zur Seite und setzte sich auf. Schaltete das Licht wieder an. Ernst sah er ihr in die Augen.

„Wenn ich dir das erzähle musst du mir versprechen, dass du niemandem gegenüber ein Sterbenswörtchen erwähnst!“ Ihre Augen weiteten sich überrascht und sie nickte.

„Versprich es!“ Verlangte er noch einmal und sah sie dabei so eindringlich an, dass sie schwer schlucken musste.

„Ich verspreche niemals jemandem etwas davon zu erzählen, was du mir hier und jetzt anvertraust!“ Zufrieden nickte er, löschte das Licht und legte sich wieder zurück.

„Es war kurz vor unserem Abi…“
 

Joeys Erinnerung

Heute hatte ich endlich die letzte Abiturprüfung hinter mich gebracht. Englisch, mein absolutes Hassfach. Glücklicherweise haben wir einen sehr kulanten Lehrer, bei dem ich wenigstens eine geringe Chance habe zu bestehen. Ich atme tief durch und mache mich auf den Heimweg. Ich hoffe, das mein Alter noch nicht wieder zuhause ist und falls doch sich noch nicht vollkommen zugesoffen hat. Mit der linken Hand fahre ich mir durchs Haar und zucke zusammen. Der Bluterguss an meiner Schläfe pochte noch immer höllisch. Würde mich nicht wundern, wenn ich eine leichte Gehirnerschütterung von seinem letzten Schlag gestern erlitten hätte. Ich seufze tief und schreite mit gesenktem Kopf durch das Schultor. Und rannte prompt in jemanden hinein.

„Hast du keine Augen im Kopf, Wheeler?“ Warum musste ich auch ausgerechnet in Kaiba hineinlaufen. Ich schnaubte hart.

„Dein hässlicher Mantel hat mich geblendet!“ Ich frage mich ernsthaft, wie er es schaffte, dass das Ding zu jeder Tages- und Nachtzeit strahlend weiß war. Er strich sich den Kragen glatt.

„Tja dich in deinem dreckig braunen Köteroutfitt zu übersehen ist keine Schwierigkeit!“ Erwiderte er giftig. Ich konnte mir eben nichts anderes leisten, aber das verstand unser Multimillionär ja nicht. Immerhin waren die Sachen sauber, wenn auch nicht so blütenrein wie der Mantel unseres heiß geliebten Kühlschranks.

„Oh du hast registriert, was ich trage?“ Frage ich mir zuckersüßer Stimme. Er schob mir grob den Pony aus der Stirn.

„Hat dich da auch irgendetwas geblendet?“ Wich er meiner Frage aus. Meine blauen Flecken und Verletzungen waren allerdings kein Thema, das Kaiba etwas anging. Ich wich einen Schritt zurück und versuchte mich aus seinem Griff zu winden. Doch er packte mein Haar nur noch fester.

„Lass mich sofort los!“ fauchte ich wütend.

„Ich habe keinen Bock auf Frostbeulen!“ Er grinste süffisant zog ein wenig an meinem Schopf. Ich wimmerte auf, als er meine eh schon geschundene Kopfhaut weiter quälte.

„Ach weißt du Köter, meine Körpertemperatur unterscheidet sich nicht wesentlich von deiner!“ Ich verdrehte die Augen und rieb mir erleichtert den Schädel, als er mich endlich los lässt. Plötzlich war sein Blick ernst und eindringlich.

„Pass auf dich auf Wheeler!“ Damit betrat er den Schulhof und lies mich einfach stehen. Verwirrt machte ich mich auf den Heimweg. Schon von weitem höre ich die Polizeisirene. Vor unserem Haus standen zwei Polizeiwagen und eine Menschentraube hatte sich versammelt. Gerade als ich mich durch die Menge geschoben hatte, wurde mein Vater in Handschellen aus dem Haus geführt. Er fluchte und trat um sich, doch die beiden Beamten hatten ihn fest im Griff. Ich näherte mich einem Polizisten.

„Was ist hier passiert?“ Der Mann schob mich wieder Richtung Absperrung.

„Polizeiliche Ermittlungen!“ Ich riss mich los und fuhr zu ihm herum.

„Leider Gottes ist der Mann dort mein Vater!“ Der Mann sah mich erschrocken an.

„Sie sind Joseph Jay Wheeler?“ Ich nickte und sah ihn noch immer aus zusammen gekniffenen Augen an. Ich wollte wissen, was hier lief.

„Ihr Vater wurde anonym angezeigt. Wegen schwerer Misshandlung an ihnen!“ Mir fiel die Kinnlade herunter. Die Sirene hallte in meinem Kopf. Wer zum Teufel..? Es wusste doch keiner, oder? Zumindest hatte ich mit niemandem darüber gesprochen.

„Wir brauchen noch eine Aussage von ihnen!“ Ich folge dem Mann noch immer völlig verblüfft zum Einsatzwagen.
 

„Aber Joey, was hat das mit Kaiba zu tun?“ Unterbrach Jessie Joeys Geschichte. Er drehte sich ihr zu.

„Kaiba hat meinen Vater angezeigt!“ Die Überzeugung in seinen Worten überraschte Jessie.

„Warum bist du dir da so sicher?“ Wollte sie daher wissen.

„Kaiba war der einzige, der jeden meiner blauen Flecken bemerkt hat. Ich hätte zwar niemals erwartet, dass er die richtigen Schlüsse ziehen würde, aber Kaiba ist verdammt intelligent!“ Jessie war noch immer skeptisch und das brachte sie auch zum Ausdruck.

„Das beweist aber nicht, dass er deinen Vater auch tatsächlich angezeigt hat!“ Neben ihr bewegte er sich unruhig.

„Nein, das nicht. Aber an unserem Abschlussball hat er etwas gesagt, dass mich davon überzeugt hat!“ Neugierig wartete sie darauf, dass er weiter erzählte.

„Kaiba hat einen Abischnitt von 1,0. Er hat die Abschlussrede gehalten und jedem von uns Normalsterblichen zusammen mit dem Direktor das Zeugnis überreicht. Dabei hat er mir statt mir zu gratulieren etwas anderes gesagt. Und zwar: `Jetzt hast du das Arschloch los, also mach auch etwas aus deinem Leben! ´ Da ich niemandem von der Verhaftung meines Vaters etwas erzählt hatte, woher hätte er es sonst wissen sollen!“ Da gab Jessie Joey recht. Auch sie konnte es sich nicht anders erklären, woher Kaiba etwas davon gewusst haben konnte. Mehrere Minuten war es still, bis Jessie schließlich das Wort ergriff.

„Magst du Kaiba jetzt eigentlich, oder nicht?“ Doch sie erhielt keine Antwort. Joey war eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin. Jessie verdrehte die Augen und legte sich ebenfalls zurück und bald war auch sie im Land der Träume.

Anruf, Vorschlag und Überlegungen

Kapitel 4: Anruf, Vorschlag und Überlegungen
 

Auch an diesem Morgen bekam Jessie nicht mit, wie Joey zur Arbeit aufbrach. Es war Mittwoch, Wochenmitte und Jessie hatte absolut keine Ahnung, was sie machen sollte. Noch dazu brannte ihr die Frage vom Abend zuvor noch auf dem Herzen. Die, ob Joey Kaiba nun mochte, oder nicht. Indem er einfach eingeschlafen war hatte er sich einfach aus der Affäre gezogen. Das allerdings würde sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie nahm sich fest vor ihn am Abend wenn er wieder da war auszuquetschen. In diesem Moment klingelte ihr Handy, sie streckte sich, sodass sie an den Nachttisch kam und das Telefon zu fassen bekam.

„Hier Jessica Brown!“ Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment still, dann meldete sich eine dunkle Stimme.

„Guten Morgen, hier spricht Seto Kaiba. Es geht um das Vorsprechen gestern.“ Jessie sah an sich hinunter. Sie saß hier im Nachthemd in Joeys Bett, schlief noch halber und hatte Seto Kaiba am Telefon. Irgendwie eine unwirkliche Situation.

„Was kann ich für sie tun?“ Fragte sie unsicher und strich sich das wirre Haar aus der Stirn. Warum fühlte sie sich so unzulänglich? Er konnte doch nicht ahnen, dass sie noch im Schlafanzug auf dem Bett saß! Er räusperte sich kurz.

„Wir haben noch keine endgültige Entscheidung getroffen, allerdings sind sie in der engeren Wahl. Aus diesem Grund würde ich gerne noch einmal mit ihnen sprechen, bevor ich sie meinem Bruder vorstellen werde. Der dann die endgültige Entscheidung treffen wird.“ Jessie war verwirrt, sie hatte es tatsächlich in die engere Wahl geschafft.

„Okay, was schlagen sie vor wo wir uns treffen?“ Die Antwort kam nach einem kurzen zögern, so als hätte er erst einmal überlegen müssen.

„In der Empfangshalle der KC in einer Stunde.“ Und damit war das Gespräch beendet. Jessie sprang aus dem Bett und unter die Dusche. Das Frühstück ließ sie aus. Sie würden sich um halb zehn treffen. Danach konnte sie in ein Cafe gehen. Sie entschied sich für einen schlichten blauen Rock und ein weißes Top. Diesmal ließ sie ihr Haar offen und war bereits eine viertel Stunde später auf dem Weg zur Kaiba Corporation. Ihr Bus hatte Verspätung und so kam sie erst drei vor halb zehn an ihrem Ziel an. Kaiba stand am Empfangstresen und kam ihr entgegen, als er sie sah. Knapp nickte er ihr zu.

„Guten Morgen, Miss Brown!“ Sie erwiderte den Gruß und folgte ihm hinaus auf dem Platz. Heute trug er ein dunkelblaues Hemd, allerdings keine Brille. Er führte sie wortlos in eine kleine Seitenstraße und dort in ein unauffälliges Kaffee. Auch Jessie sprach kein Wort, als sie sich an einem kleinen Tisch niederließen und ein Kellner mit der Speisekarte kam.

„Kaffe, schwarz!“ Bestellte Kaiba, ohne auch nur einen Blick auf die Karte zu werfen. Jessie sah ihn an. Jetzt schleifte er sie schon ohne ein Wort zu verlieren in dieses Cafe und bestellte sich nicht einmal etwas zu essen? Da sie den abwartenden Blick des Kellners sah, warf sie einen raschen Blick auf ihre eigene Karte. Ihr Blick fiel auf die Pfannkuchenspalte. Süß oder deftig stand in geschwungenen Lettern darüber. Aus einer Laune heraus sah sie zu Kaiba auf.

„Mögen sie Pfannkuchen lieber süß oder deftig?“ Er zog fragend eine Augenbraue hoch, antwortete jedoch.

„Süß.“ Jetzt sah sie den Kellner wieder an.

„Ich hätte gern einen Frühstückstee, als Kännchen. Und die süßen Pfannkuchen für zwei!“ Dabei lächelte ich den Mann freundlich an. Er schien ein paar Jahre älter als ich und hatte ein rundes, freundliches Gesicht. Allerdings wirkte er, als sein Blick auf Kaiba gefallen war irgendwie verschreckt. Auch mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich den düsteren Blick meines Begleiters wahrnahm. Der allerdings wartete bis der Kellner den Tisch verlassen hatte, bis er mich kalt fragte:

„Was sollte das?“ Jessie zuckte mit den Achseln.

„Alleine Essen macht keinen Spaß. Außerdem bekommt man von Kaffee auf leeren Magen ziemlich schnell Sodbrennen.“ Kaibas Blick wurde noch eine Spur kühler, allerdings sagte er auch zu dem Thema nichts weiter. Als der Kellner ihre Getränke und einen großen Teller Pfannkuchen mit verschiedenen Soßen, Marmeladen und Obst vor ihnen abgestellt hatte, griff Kaiba doch tatsächlich zu. Nach dem ersten Bissen sah er zu ihr.

„Ich möchte ihnen ein Angebot machen!“ Jessie beobachtete wie er nach der Schokosoße griff und deren Inhalt auf seinem Pfannkuchen verteilte.

„Ich würde sie gerne anstellen, allerdings nur mit einer Versicherung, dass sie länger bei uns bleiben als die Zeit, die sie hier in Domino Urlaub machen!“ Jessie schluckte schwer.

„Mister Kaiba, ich…“ Er hob eine Langgliedrige Hand und unterbrach sie dadurch.

„Ich möchte ihnen heute lediglich ein Angebot unterbreiten. Sie haben natürlich Bedenkzeit. Am Freitag werden sämtliche Kandidaten der engeren Wahl Mokuba vorgestellt. Er trifft die Entscheidung wen er möchte. Informieren sie mich einfach vorher, wenn sie das Angebot annehmen möchten, oder nicht!“ Jessie nippte an ihrem Tee, während Kaiba sich bereits den zweiten Pfannkuchen nahm und kurz den Blick von ihr abwandte. Wieder nahm er die Schokosoße. Anscheinend mochte er Schokolade. Das sollte sie sich merken, falls sie wirklich bei ihm anfangen sollte.

„Was ist das für ein Angebot?“ Er schluckte erst den Bissen hinunter den er genommen hatte, bevor er antwortete.

„Das halbe Jahr, das sie bis zum Beginn des nächsten Semesters haben, verbringen sie statt bei ihren Eltern hier in Domino. Ich übernehme während dieser Zeit sämtliche Unterhaltskosten und sie erhalten zusätzlich das vorgesehene Gehalt. Und falls sie sich nach diesem halben Jahr dazu entscheiden, ein Studium hier in Domino zu beginnen und weiterhin etwas mit Mokuba unternehmen werde ich ebenfalls für ihr Studium aufkommen!“ Jessie saß mit offenem Mund da und starrte ihn vollkommen irritiert an.

„Ist das ihr ernst?“ Fragte sie leise und schockiert. Sie wusste, was eine Wohnung hier in Domino kostete und auch wie teuer das Studium werden würde und er wollte all das übernehmen. Sie wusste, dass er reich war, aber trotzdem. Das war unvorstellbar viel Geld, zumindest für sie. Und das war auch eine Chance für sie, die Entscheidung über ihre Zukunft vollkommen unabhängig von ihren Eltern treffen zu können.

„Wie hoch wäre mein Gehalt?“ Und nahm sich ein Stück Melone zu ihrem zweiten Pfannkuchen. Er lächelte wissend.

„Hoch genug, dass sie ihr Studium finanzieren können, auch wenn sie nicht in Domino bleiben werden!“ Vollkommen geplättet lehnte Jessie sich auf ihrem Stuhl zurück.

„Das alles würden sie bezahlen, wenn ihr Bruder sich für mich entschiede?“ Nonchalant nickte er und nahm sich einen dritten Pfannkuchen, diesmal allerdings zögerte er vor der Schokosoße. Warf einen unsicheren Blick zu ihr. Jessie lächelte.

„Eine Schwäche für Schokolade ist nichts Verwerfliches. Übrigens haben sie hier auch Heiße Schokolade im Angebot!“ Er schüttelte abwehrend den Kopf, nahm sich jedoch die Soße.

„Ich denke sie haben gute Chancen bei Mokuba.“ Leicht legte Jessie den Kopf schief und betrachtete ihn nachdenklich.

„Und wie stehen meine Chancen bei ihnen?“ Immerhin hatte sie ihn mit dem Essen herausgefordert. Er sah auf den Pfannkuchen vor sich, und musterte sie ein wenig überrascht.

„Ich denke die Chancen, dass wir miteinander auskommen sind gar nicht so schlecht!“ Und was zum Teufel hatte das jetzt mit den Pfannkuchen zu tun, die er so eindringlich betrachtete. Statt sich den letzten Pfannkuchen zu nehmen, hielt sich Jessie lieber an den Obstteller. Kaiba sah sie fragend an.

„Sie müssen ihren dritten Pfannkuchen noch essen!“ Jessie schüttelte den Kopf.

„Nehmen sie ihn sich ruhig! Ich habe mehr Lust auf etwas Obst!“ Sie registrierte das kurze Aufblitzen von Freude in seinen blauen Augen, bevor sie wieder ausdruckslos wurden. Auch wenn sie den Pfannkuchen gerne noch gegessen hätte, belohnte diese kleine Regung sie für ihren Verzicht. Schließlich rief Kaiba nach dem Kellner und verlangte die Rechnung. Jessie wehrte sich nicht dagegen, dass er zahlen wollte, immerhin war das hier ein Geschäftsessen, das er anberaumt hatte. Außerdem glaubte sie nicht, dass sie auch nur die geringste Chance hatte selbst zu zahlen. Gemeinsam verließen sei das Cafe.

„Ich muss los, ich habe gleich ein Meeting. Rufen sie mich an, wenn sie sich entschieden haben.“ Jessie nickte.

„Einen schönen Tag noch, Mister Kaiba!“ Rief sie ihm noch zu bevor er Richtung KC verschwand. Noch immer verwirrt von dem Gespräch ließ Jessie sich auf eine Bank fallen und blickte in den blauen Sommerhimmel auf. Hatte er ihr tatsächlich angeboten für ihr Studium aufzukommen? Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte Charles Nummer. Mittwoch war sein freier Tag, was für ein Zufall. Nach dem zweiten Läuten ging ihr Bruder ran.

„Hallo, Schwesterherz wie geht’s?“Jessie fuhr sich durchs Haar.

„Charly ich hab gerade ein verwirrendes Angebot erhalten.“ Kurz schwieg er. Anscheinend wartete er, dass sie weiter sprach. Als sie das nicht tat fragte er leise.

„Was für eins?“ Leise seufzte sie.

„Seto Kaiba hat mir gerade angeboten, dass er mir mein Studium finanziert, wenn ich die nächsten sechs Monate als Kindermädchen für ihn arbeite. Ich meine sein Bruder muss auch mit mir einverstanden sein. Aber trotzdem…das ist verdammt viel Geld!“ Charles schnalzte mit der Zunge.

„Wenn du von dem Kaiba redest, an den ich denke, dann kann er sich das allemal leisten. Und seriös ist das Angebot ebenfalls. Hast du schon mit Mum und Dad gesprochen?“

„Nein, ich habe immer noch das Gefühl ich träume!“ Jetzt lachte er.

„Glaub mir sowas kann man gar nicht träumen! Im Fernsehen ist er immer so kalt und überheblich. Ein solches Angebot hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Meine Zustimmung hast du auf jeden Fall. Jetzt ruf Mum und Dad an. Und Jess, auch wenn sie nein sagen, mach es trotzdem, eine solche Chance bekommt man nur einmal!“ Sie verabschiedeten sich. Doch statt gleich ihre Eltern anzurufen wählte sie Joeys Handynummer.

„Hi, Jess. Ich hab nicht viel Zeit, also fass dich kurz.“ Das tat sie und als sie fertig war pfiff Joey leise durch die Zähne.

„Kaiba hat auf jeden Fall eine gute Seite. Allerdings zeigt er sie seltenst. Wenn du also bereit bist das Risiko einzugehen, dann kannst du eigentlich nur gewinnen!“ Jetzt hatte sie zwei positive Stimmen, doch dass ihre Eltern nicht so reagieren würden wusste sie. Jessie seufzte leise und sah zum KC- Tower hinüber. Sie wollte das Angebot annehmen, jetzt musste sie es nur noch ihren Eltern beibringen. Und schon hatte sie das Drama.

„Nein, Jessica, du sagst diesem Mann ab! Egal wie viel er dir bietet. Du wolltest nur Urlaub machen und nicht gleich ausziehen!“ Ihre Mum reagierte über.

„Mum, für mich ist das eine riesen Chance! Und euch liege ich mit meinem Studium nicht auf der Tasche. Ich meine, Mikes Studiumsdarlehen ist ja auch noch nicht abbezahlt. Und so könntet ihr das Geld in den Hof stecken!“ Das war ein Argument, das Mum nicht einfach so vom Tisch fegen konnte. Nach den schweren Unwettern und der schlechten Ernte im letzten Jahr war das Geld für ihr Studium nicht da. Sie hörte ein schweres Seufzen am andern Ende der Leitung und konnte sich den gequälten Blick ihrer Mutter regelrecht vorstellen.

„Mum, mach dir keine Sorgen. Joey ist ja in der Nähe und ihr seid auch nicht weit weg. Außerdem soll Mokuba ganz nett sein und ich habe doch Erfahrung mit Kindern!“

„Mokuba?“ Fragt ihre Mutter plötzlich.

„Ja, ich hab doch gesagt, dass ich das Kindermädchen für Seto Kaibas kleinen Bruder werden soll!“ Einen Moment schwieg sie.

„Das heißt du bist nicht alleine mit diesem Mann?“ Jessie verdrehte die Augen. Was ihre Mutter wieder alles von ihr dachte. Himmel, sie wollte nichts von Kaiba. Ja er sah gut aus und so, aber erstens wäre er ihr Chef, zweitens kannte sie ihn noch nicht mal seit zwei Tagen und drittens er wäre ihr CHEF!!! Und wie solche Beziehungen normalerweise endeten konnte man tagtäglich in der Zeitung nachlesen. Nein, darauf hatte sie nun wirklich keinen Bock.

„Nein werde ich nicht. Ich passe auf Mokuba auf, solange Kaiba nicht zu Hause ist. Im Normalfall werde ich ihn höchstens kurz sehen, bevor ich gehe!“ Wieder ein gequälter Seufzer.

„Also gut, aber versprich mir uns hin und wieder zu besuchen!“ Jessie versprach es. Jetzt musste sie nur noch eins tun. Seto Kaiba anrufen. Allerdings hatte er irgendetwas von Meeting gesagt und da wollte sie ihn wirklich nicht stören, also würde sie das erst am Abend machen und bis dahin hatte sie Zeit. Joey war noch bei der Arbeit und sie hatte auch nichts vor, also machte sie die Einkaufsstraße wieder unsicher.

Um halb sechs rief sie Kaiba an. Sie saß gerade im Bus zurück zu Joeys Wohnung und starrte aus dem Fenster. Diese Stadt würde vielleicht ihr neues zuhause für die nächsten sechs Monate werden, wenn Mokuba Kaiba sich für sie entscheiden würde.

„Kaiba!“ Meldete er sich knapp, irgendwie klang er genervt.

„Jessica Brown hier, Guten Abend!“

„Ah, Miss Brown, wie haben sie sich entschieden?“ Sie holte tief Luft, vielleicht würde sie mit diesen wenigen Worten ihr ganzes Leben verändern.

„Ich nehme ihr Angebot an!“ Sie hörte etwas am anderen Ende der Leitung rascheln.

„Gut, dann kommen sie Freitag um 15 Uhr zur KC, dann lernen sie Mokuba kennen. Ach ja und bitte tragen sie Hosen und flache Schuhe. Mein Bruder besteht darauf.“ Ohne weitere Worte verabschiedeten sie sich und legten auf. Jessie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück. Freitag würde alles entschieden.

Mokuba und Entscheidung im Hochseilgarten

Kapitel 5: Mokuba und Entscheidung im Hochseilgarten
 

Pünktlich um 15 Uhr traf Jessica am Freitag in der KC ein. In der Empfangshalle warteten bereits neun weitere Frauen ein Mann und ein schwarzhaariger Junge. Der Junge kam grinsend auf sie zu.

„Du bist Jessica?“ Sie nickte. Dann musste das da vor ihr also Mokuba sein. Er drehte sich um.

„So, dann wären alle da, wir können los.“ Gerade, als die Gruppe sich in Bewegung setzen wollte kam Kaiba aus Richtung der Aufzüge. Mokuba rannte zu ihm und fiel ihm in die Arme.

„Seto!“ Der Ältere fing ihn auf.

„Sei Vorsichtig! Ich will keine Verletzten!“ Mokuba nickte und grinste ihn freudig an.

„Und du denkst noch daran, dass wir heute Abend Essen gehen wollen, damit ich dir meine Siegerin vorstellen kann?“ Knapp nickte Kaiba.

„Versprich mir, dass du da bist!“ Verlangte sein kleiner Bruder. Kaiba verdrehte die Augen, gehorchte jedoch und gab seinem Bruder einen Schubs in unsere Richtung.

„Na los, geh schon. Wir sehen uns heute Abend!“ Damit führte Mokuba uns in eine Tiefgarage und zu einem Kleinbus. Eine nach der anderen stiegen wir ein und Mokuba stellte sich in den Mittelgang.

„Also ihr wisset ja alle worum es geht. Mein Bruder hat mir die endgültige Entscheidung überlassen. Deshalb sind wir heute hier, weil ich mir ein paar Tests ausgedacht habe, um das Kindermädchen zu finden, das am besten zu mir passt. Unser Fahrer ist der Assistent meines Bruders, Roland. Keine von ihnen ist verpflichtet etwas zu tun, was sie nicht wollen. Ansonsten hoffe ich wir werden viel Spaß zusammen haben!“ Damit ließ er sich in der erste Reihe nieder und der Bus setzte sich in Bewegung. Wir fuhren durch die Innenstadt und Jessie langweilte sich keine der Frauen redete und ihre Nachbarin reagierte nicht einmal auf die Frage nach ihrem Namen. Seufzend stand Jessie auf und ging nach vorne zu Mokuba.

„Darf ich mich zu dir setzen?“ Einen Moment sah er sie überrascht an, dann nickte er.

„Natürlich Jessica!“ Sie ließ sich neben ihm auf den Sitz fallen.

„Nenn mich doch Jess, oder Jessie. Jessica ruft mich meine Mutter immer, wenn ich irgendetwas angestellt habe!“ Er grinst mich frech an.

„Stellst du oft etwas an?“ Jessie musste mit lachen.

„Nein, eigentlich nicht! Wo fahren wir eigentlich hin?“ Empört zog Mokuba eine schwarze Augenbraue über blauen Augen nach oben. Diese Geste erinnerte mich sehr an seinen Bruder. Eigentlich nicht verwunderlich, immerhin hatte Kaiba ihn ja erzogen.

„Meinst du nicht, dass das unfair gegenüber den anderen wäre, wenn ich dir das verraten würde?!“ Jessie zuckte mit den Schultern. Ließ das Thema jedoch fallen.

„Sagst du mir wohin ihr heute Abend essen geht?“ Diesmal zuckte Mokuba mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Seto hat das Restaurant ausgesucht. Roland fährt uns dann hin und es ist eine Überraschung, sagt er!“ Jessie musste lächeln, sie sah die Freude in den Augen des Jungen.

„Und wo würdest du gerne hin!“ Jetzt wurde er ernst.

„Zum Italiener!“ Aha.

„Ist du gerne italienisch?“ Mokuba schüttelte den Kopf, nickte dann.

„Naja, eigentlich schon, aber am liebsten mag ich die deutsche Küche. Schnitzel, Braten, Bratwürste, weißt du!“ Das sollte sie sich merken, falls sie den Job bekam.

„Und warum willst du dann zum Italiener?“ Er sah sie an.

„Das isst Seto gerne!“ Jetzt hatte sie noch etwas über Kaibas Geschmack erfahren. Neben Schokolade mochte er also auch italienisches Essen.

„Ich werde es mir merken!“ Mokubas Augen wurden groß und behielten Jessie fest im Blick.

„Warum?“ Ich wuschelte ihm durch die schwarze Haarmähne, überraschender Weise ließ er es sich widerstandslos gefallen.

„Damit ich weiß, was ich machen soll, falls ich jemals in die Verlegenheit kommen sollte ihm etwas kochen zu müssen!“ Mokuba lachte und Jessie sah aus dem Fenster. Inzwischen hatten sie die Stadt verlassen und fuhren auf ein Waldstück zu.

„Du setzt uns jetzt aber nicht im Wald aus oder?“ Fragte sie gespielt schockiert. Denn falls er es doch tun würde, hätte sie gute Chancen, immerhin war sie auf dem Land aufgewachsen. Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe euch hier herausgebracht, weil ich euch alle ermorden werde. Hier habe ich keine Zeugen!“ Auch jetzt sah Jessie ihn erschrocken an, diesmal war sie es jedoch wirklich.

„Wie kommst du auf sowas?“ Er zuckte mit den Achseln.

„Hab gestern einen Krimi geschaut!“ Entsetzt fragte Jessie:

„Alleine?“ Aber Mokuba schüttelte den Kopf, was sie zumindest ein bisschen erleichterte. Immerhin war der Junge erst dreizehn.

„Seto hat ihn mit mir zusammen geschaut.“ Okay, damit konnte sie leben und hoffen, dass der Film altersgerecht war. Bevor sie noch etwas sagen konnte, fuhr Roland auf einem Parkplatz und hielt an. Jessie ließ Mokuba beim aussteigen den Vortritt. Dann sah sie sich um. Das ganze sah ihr ganz nach einem Kletterpark aus und Mokuba bestätigte ihr das.

„Also wir sind hier in einem Hochseilgarten. Möchte jemand nicht mit klettern?“ Eine junge Frau trat vor. Sie war dick geschminkt und trug hautenge Kleider.

„Warum?“ fragte Mokuba höflich. Sie hob ihre manikürten Hände.

„Ich habe mir gerade erst die Nägel machen lassen, soll ich sie mir gleich ruinieren. Außerdem schadet das meiner Haut!“ Mokubas Blick verdunkelte sich sichtbar, wieder erinnerte er mich an seinen Bruder.

„Damit ist die Teilnahme an diesem Test beendet, Miss James. Wir danken für ihre Bewerbung müssen sie jedoch freundlich ablehnen!“ Gott, das klang ja wie auswendiggelernt. Mokuba ließ die vollkommen geschockte Frau einfach stehen und wandte sich uns anderen zu.

„Also, da das jetzt geklärt ist, können wir ja endlich anfangen.“ Die Mitarbeiter zeigten kurz wie wir die Sicherheitsgurte anzulegen hatten. Bevor wir zum Einsteiger Klettersteig gingen, kniete Jessie vor Mokuba nieder und überprüfte sein Geschirr.

„Okay, jetzt kann es los gehen.“ Er lächelte ihr zu und überprüfte nun im Gegenzug ihr Geschirr ebenfalls.

„Bei dir auch!“ Gemeinsam bestiegen sie nun die Bäume. Nach der ersten halben Stunde klagte bereits eine der Frauen über Muskelschmerzen und musste absteigen. Je schwieriger die Steige wurden, desto mehr Frauen stiegen aus. Nur Jessie folgte Mokuba bis auf die oberste Plattform. Dort setze er sich hin und deutete ihr an es ihm gleich zu tun. Er grinst sie an.

„Du bist noch im Rennen! Außerdem die beiden Frauen, die bis zum letzten Abstieg noch mitgehalten haben, alle anderen haben mir zu wenig Ausdauer. Jetzt hab ich noch ein paar Fragen an dich!“ Jessie lehnte sich gegen den Baum und sah hinunter zu den anderen Bewerberinnen, die um Roland herumstanden und sich mit Getränken versorgen ließen.

„Schieß los!“ Mokuba folgte ihrem Blick.

„Was hältst du von Innleinskating?“ Kurz sah sie zu ihm.

„Jederzeit gerne, allerdings muss ich mir neue kaufen, bei meinen alten sind die Riemen gerissen!“ Er nickte lediglich.

„Und Fußball?“ Das wurde ja ein richtiges Verhör.

„Bis jetzt hab ich immer mit meinem Bruder geschaut, wenn ich selbst spiele bin ich als Stürmerin allerdings eine Niete!“

„Und Kampfsport, also Karate, Judo, Taekwondo und so weiter?“ Jessie seufzte innerlich. Wollte er sie etwa nach jeder Sportart fragen? Sie zuckte mit den Achseln.

„Habe ich nie ausprobiert! Bei uns in der Nähe wurde das nicht angeboten!“ Mokuba sah zu ihr, traf dann eine leise Feststellung.

„Weißt du, dass du die Favoritin meines Bruders bist?“ Überrascht schüttelte sie den Kopf, da fuhr er fort.

„Und du warst mir bereits sympathisch, bevor ich dich kennengelernt habe!“ Sie zog die Augenbrauen zusammen. Er wand sich unter ihrem Blick.

„Naja, der Fragebogen kam von mir, ich wollte wissen, welche Interessen ihr so habt!“ Wieder wuschelte sie ihm durchs Haar.

„Das hab ich mir schon gedacht, als dein Bruder keinen Blick darauf geworfen hat. Aber das ist im Grunde eine gute Idee. So kannst du dir ein viel besseres Bild machen!“ Er grinste, hängte seine Karabiner dann in das Abfahrtsseil ein und sauste los. Als er ausgeklinkt war und zu Roland lief folgte ihm Jessie.

Sie saßen im Kreis beieinander und genossen ihre Getränke, als plötzlich ein Telefon klingelte. Roland sprang sofort auf und entfernte sich ein wenig von der Gruppe. Dann kam er zurück und hielt Mokuba das Telefon hin.

„Ihr Bruder, Sir!“ Freudig nahm er das Handy entgegen. Sein Lächeln verwandelte sich je jedoch in einen traurigen Blick.

„Aber Seto, du hast es mir versprochen!“ Anscheinend redete der Ältere auf ihn dein, denn Mokuba senkte den Kopf, eine einzelne Träne lief ihm über die Wange.

„Was ist?“ Jessie beugte sich zu ihm vor. Er sah auf. Seine Augen blickten enttäuscht.

„Seto ist etwas dazwischen gekommen! Er kann nicht mit Abendessen!“ Jessie nahm ihm das Handy ab und drückte ihn kurz an sich.

„Ich rede mit ihm!“ Sie ging weg von der Gruppe, außer Hörweite, bevor sie Ihn anfauchte.

„Was denken sie sich eigentlich? Wissen sie eigentlich, wie sehr ihr Bruder sich auf dieses Abendessen gefreut hat?“ Er atmete schwer, und es klang, als würde er rennen.

„Ich habe besseres zu tun als mir ihre Standpauke anzuhören.“ Kurz war er weg, unterhielt sich mit einem anderen Mann.

„Kaiba, egal was ist, ihr Bruder sollte ihnen wichtiger sein!“ Er knurrte.

„Wichtiger als eine Bombendrohung, mitten in der Innenstadt von Domino? Jetzt geben sie den verdammten Laptop schon her, wenn sie das Ding rechtzeitig finden wollen!“ Er klang stockwütend, wobei sie nicht sagen konnte, ob er wütend auf sie, oder wütend auf denjenigen mit dem Laptop war. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.

„Es tut mir leid aber ich schaff es wirklich nicht bis acht im Restaurant zu sein!“ Jessie atmete tief durch.

„Ich werde es ihrem Bruder erklären! Versuchen sie so bald wie möglich nach Hause zu kommen. Ich vermute er wird auf sie warten! Und bitte seien sie vorsichtig Mister Kaiba!“ Er atmete schwer und jetzt auch noch abgehackt. Viele Stimmen redeten im Hintergrund und sie hörte das leise Klicken einer Computer Tastatur.

„Nach heute, ist die Firma morgen zu. Wenn seine Auserwählte bleibt, dann frühstücken wir morgen früh gemeinsam!“ Jessie hoffte nur, dass es noch ein morgen früh geben würde. So wie er sich angehört hatte stand er mitten in der Gefahrenzone. Jessie gab Roland das Handy zurück und ging dann auf Mokuba zu, den die anderen Bewerberinnen gerade zu trösten versuchten. Sie kniete sich vor ihm auf den Boden.

„Mokuba, dein Bruder kann gerade wirklich nicht weg. Es gab eine Bombendrohung. Anscheinend für den KC-Tower und Seto versucht gerade zusammen mit den Einsatzkräften, die Bombe ausfindig zu machen! Er kommt sobald er kann nach Hause. Und er möchte morgen zusammen mit dir frühstücken!“ Mokuba warf sich in ihre Arme.

„Ich habe solche Angst, dass ihm etwas passiert!“ Tränen versickerten in ihrem T-Shirt und sie drückte ihn fester an sich.

„Es wird alles gut, dein Bruder spürt die Bombe rechtzeitig auf und kommt heil nach Hause!“ Er schluchzte auf. Hilflos streichelte Jessie über den Rücken.

„Wenn ihm irgendetwas passiert!“ Sie schob ihn leicht von sich, sah ihm eindringlich in die Augen.

„Ihm passiert nichts, du musst nur fest daran glauben!“ Er sah sie aus großen Augen an, nickte zögerlich, klammerte sich dann allerdings wieder an sie.

„Wartest du mit mir bis er wieder zu Hause ist?“ Entschlossen nickte Jessie.

„Natürlich!“ Eine der Frauen erhob sich und sah sie ausdruckslos an.

„Haben sie sich entschieden, Mister Kaiba?“ Hatte die Frau denn überhaupt kein Taktgefühl, empört zog Jessie die Augenbrauen zusammen. Diese Frage jetzt zu stellen… also wirklich!

Mokuba allerdings löste sich ein wenig von ihr und wischte sich die Tränen ab.

„Ich will dich als Kindermädchen Jessie, weil du keine Angst vor meinem Bruder hast und sehr, sehr nett bist!“ Die Frauen stiegen wieder schweigend in den Bus, teilweise resigniert, teilweise böse, doch Jessie interessierte das überhaupt nicht. Sie hielt noch immer Mokuba im Arm und versuchte ihn zu trösten. Das würde ein langer Abend werden.

Kaibas Wohnung und Wartezeit

Kapitel 6: Kaibas Wohnung und Wartezeit
 

Roland setzte die anderen neun, gescheiterten Bewerberinnen an dem etwas vom Stadtkern entfernten Busbahnhof ab. Denn die Innenstadt selbst war auf Grund der Bombendrohung für den Verkehr komplett gesperrt, ganze Bezirke sogar geräumt worden. Über allem erhob sich drohend der KC Tower in den strahlend blauen Himmel. Mittelpunkt der Stadt, eines Weltunternehmens und momentan auch aller Gedanken. Mokuba starrte aus dem Fenster des Wagens, den Blick starr auf den Tower gerichtet, die Augen angstgeweitet.

„Seto…“ flüsterte er leise. Hilflos strich Jessie ihm übers Haar, Roland drehte sich zu ihnen herum.

„Ich bringe sie nach Hause, Master Mokuba!“ Der Junge nickte resigniert, er wusste, dass er keine Chance hatte jetzt zu seinem Bruder zu kommen. Auch wenn er es sich mehr als alles andere wünschte. Auch Jessie war traurig und vor allem hilflos. Sie hatte Mokuba bereits jetzt in ihr Herz geschlossen, allerdings hatte sie keine Idee was sie tun konnte. Trübe schaute sie aus dem Fenster.

„Sag mal habt ihr nicht eine Villa?“ Fragend sah sie den Jungen an.

„Jupp, haben wir!“ Okay und warum fuhren sie dann in die entgegengesetzte Richtung, als die, in der das Villenviertel lag.

„Mhm… fahren wir dann aber nicht in die falsche Richtung?“ Merkte sie vorsichtig an. Mokuba kniff die Augen zusammen und sah sie direkt an.

„Nö, die Villa steht meistens leer. Für mich und meinen Bruder alleine ist sie viel zu groß. Außerdem ist sie viel zu protzig. Hin und wieder wird sie zu repräsentativen Zwecken genutzt ansonsten...“ Irgendwie klang das einleuchtend. Der Stadtbezirk in den sie gerade fuhren gehörte ebenfalls zu den besseren und sie vermutete, dass er auch wesentlich zentrumsnäher lag. Gerade fuhr Roland in eine Tiefgarage und zückte seine ID-Card die er durch ein Kontrollgerät zog um die Schranke zu öffnen. Ein Parkwächter in einer Kabine rechts von ihnen nickte ihnen freundlich zu und wandte sich dann wieder seiner Lektüre zu. Jessie pfiff leise durch die Zähne, als sie durch die Reihen der parkenden Wagen fuhren. Audi, Ferrari, Jaguar, Porsche und Rolls Royce. Das hier war eindeutig ein Hochhaus der Superreichen. Roland stoppte den Wagen vor dem Eingang zu den Aufzügen und drehte sich dann zu Jessie und Mokuba um.

„Machen sie sich keine Sorgen, Master Mokuba! Ihrem Bruder wird nichts geschehen!“ Der Junge nickte kurz, allerdings war ihm anzusehen, dass er ihm nicht so ganz glaubte. Gemeinsam mit Jessie stieg er aus, winkte Roland zum Abschied kurz zu und zog Jessie zum Aufzug. Auch Mokuba zückte eine ID-Card und rief damit den Aufzug. Das leise Pling, das beim öffnen der Türen erklang hallte laut in der zwischen ihnen entstandenen Stille. Staunend betrat Jessie den Aufzug. Die ihr gegenüberliegende Wand war komplett aus Glas und mit jedem Stockwerk das es nach oben ging wurde die Aussicht besser und besser.

„Wow, …das ist einfach nur WOW!“ Mokuba lächelte schwach.

„Von der Wohnung aus ist es fast noch besser, da hat man einen rundum Blick. Deswegen hat Seto die Wohnung gekauft!“ Wieder wirkte er sehr traurig, Jessie legte ihm einen Arm um die Schultern und drückte ihn an sich. Gemeinsam verließen sie auf dem 24.Stockwerk den Aufzug. Mokuba kramte einen Schlüssel hervor und musste seine ID-Card durch das Lesegerät an der Tür ziehen, damit sie sich öffnete. Sie betraten einen hellen Flur an dessen Wand Landschaftsfotografien im Großformat hingen und dem Betrachter das Gefühl vermittelten mitten in der Szenerie zu stehen. Mokuba stellte seine Schuhe in der kleinen Garderobe ab und wartete, dass Jessie es ihm gleich tat.

„Ich zeig dir kurz die Wohnung. Die vertraglichen Dinge regelt mein Bruder dann mit dir!“ Er ging den Flur entlang und deutete auf die beiden ersten Türen auf der rechten Seite.

„Das ist eines der beiden Gästezimmer mit Bad. Wenn du allerdings einmal hier schlafen solltest wirst du das andere nehmen, weil es näher bei meinem Zimmer liegt.“ Die nächste Tür rechts öffnete er und gab somit den Blick auf ein komplett weißes Zimmer frei in dem einzig ein schwarzer Flügel stand.

„Das ist das Musikzimmer!“ Jessie sah zu ihm hinunter.

„Spielst du Klavier!“ Er wandte sich ein wenig, nickte erst und schüttelte dann den Kopf.

„Ich habe zwar Unterricht, aber so wirklich überragend bin ich nicht. Seto ist richtig gut, aber er spielt viel zu selten. Mein Klavierlehrer ist immer ganz verzückt wenn er ihn zu einem Stück überreden kann.“ Sie gingen weiter und betraten ein riesiges zur Küche hin offenes Wohnzimmer. Begeistert lies Jessie den Blick schweifen, dunkle edle Möbel, die neusten Geräte. Aber was sie am meisten faszinierte war der Ausblick. Vom Boden bis zur Decke bestand die Wand nur aus Glas und sie konnte über die gesamte Stadt hinweg blicken.

„Komm mit, dann zeig ich dir auch die anderen Zimmer. Den Ausblick kannst du auch später noch genießen!“ Ohne auch nur einen Blick aus dem Fenster zu werfen durchquerte der Junge das Wohnzimmer. Erst als Jessie noch einmal hinaus sah fiel ihr auch auf warum. In der Ferne war der KC-Tower zu erkennen. Sie schluckte schwer und folgte ihm. Moki deutete auf die Tür die noch direkt vom Wohnzimmer abging.

„Das ist Setos Büro. Absolutes Sperrgebiet.“ Dann betraten sie einen zweiten Flur, der parallel zum ersten verlief. Auch hier hingen Landschaftsgemälde. Allerdings waren diese nicht so groß, denn es gab mehr Türen, die die Wand durchbrachen.

„Hier links kommt erst Setos Bad und dann sein Schlafzimmer. Rechts ist das zweite Gästezimmer.“ Er öffnete die Tür und zeigte ihr den in grüntönen gehaltene Raum. Für Jessie war es riesig, aber die hellen Holzmöbel gefielen ihr. Hier könnte sie sich vorstellen hin und wieder zu übernachten.

„Die zweite Tür hier führt ins Bad und auf der anderen Seite liegt dann mein Zimmer. Komm ich zeige es dir.“ Jessie folgte ihm zurück in den Gang und in das genannte Zimmer. Es war der Raum eines ganz normalen Teenagers. Die Wände waren mit Postern zugepflastert, auf dem Boden lagen Comics verteilt, der Schreibtisch war mit Schulsachen bedeckt und das Bett ungemacht. Alles in allem nichts außergewöhnliches. Moki ließ sich auf sein Bett fallen und sah sich um.

„Naja, vielleicht hätte ich aufräumen sollen.“ Jessie lächelte.

„Ach was, wenn ich an mein eigenes Zimmer denke…Das sah oftmals viel schlimmer aus!“ Grinsend sah der Junge zu ihr auf.

„Und was haben deine Eltern dazu gesagt?“ Jetzt ließ sie sich auf den Schreibtischstuhl fallen.

„Meine Mutter war immer kurz vorm durchdrehen und Dad hat dann einfach mit den Schultern gezuckte und gemeint, ich müsse ja darin leben!“

„Ich glaube Seto weiß überhaupt nicht wie es hier drinnen aussieht. Ich kann mich nicht daran erinnern wann er das letzte Mal in meinem Zimmer war!“ Langsam bekam Jessie den Eindruck, Seto kümmere sich überhaupt nicht um seinen Bruder.

„Es ist ja nicht so, dass er gar nicht zuhause ist.“ Beeilte sich der Kleine zu sagen.

„Aber er arbeitet immer sehr viel und naja, wenn dann etwas ist habe ich manchmal das Gefühl, dass ich für ihn alles noch komplizierter mache!“ Jessie fühlte sich unbehaglich. Sie stand auf und streckte sich.

„Mokuba ich kenne deinen Bruder so gut wie nicht. Trotzdem glaube ich, dass ihm sehr viel an dir liegt. Für ihn ist es nur schwer, seine Arbeit und dich unter einen Hut zu bekommen. Deshalb bin ich ja hier. Er möchte, dass du nicht ständig alleine bist, wenn er arbeiten muss.“ Beide schwiegen bis ein leises Knurren die Stille durchbrach.

„Was war das denn?“ Fragte Jessie überrascht. Schüchtern sah der Junge zu ihr auf.

„Mein Bauch, ich habe Hunger.“

„Na dann müssen wir wohl etwas dagegen tun. Komm mit!“ Gemeinsam gingen sie in die Küche und Jessie sah in den Kühlschrank.

„Was hältst du von Sandwichs?“ Mokuba nickte nur. Also gab es Sandwichs zum Abendessen. Als sie den Tisch wieder abräumten sah der Junge immer wieder aus dem Fenster, so als erwarte er, dass der KC-Tower in sich zusammenbrechen würde.

„Wollen wir noch ein paar Muffins backen?“ Überrasch sah er sie an.

„Was für Muffins?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Schokoladen-Muffins?“ Sie sah die Augen des Jungen aufleuchten.

„Seto liebt Schokolade.“ Sie lächelte, genau deswegen hatte sie es vorgeschlagen.
 

Um halb zehn saßen sie nebeneinander auf der Couch. Sie hatten zusammen gebacken, einen Teil der Muffins bereits wieder verdrückt. Karten gespielt, Playstation und Computerspiele. Langsam nahm Mokubas Nervosität zu. Den Fernseher hatte Jessie bewusst ausgelassen um den Jungen nicht mit irgendwelchen Halbwahrheiten zu belasten, die sich die Presse zusammenreimte.

Das Telefon klingelte und der Junge sprang sofort auf.

„Seto!“ So viel Erleichterung lag in der kindlichen Stimme. Er legte den Hörer auf den Wohnzimmertisch und schaltete auf laut.

„Jessie hört mit!“ Verkündete er.

„Moki, ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass keine Gefahr mehr besteht. Die Bombe ist entschärft, also mach dir keine Sorgen und geh ins Bett. Es dauert noch bis ich nach Hause komme.“ Mokuba rutschte unruhig auf der Couch herum.

„Warum kannst du nicht gleich nach Hause kommen?“ Kaiba seufzte schwer.

„Moki, ich… warte kurz. Marianne…“ Was er mit seiner Sekretärin besprach verstanden sie nicht, dann meldete er sich wieder am Telefon.

„Moki, es tut mir wirklich leid, aber es muss noch einiges geklärt werden!“ Kurz schwiegen alle.

„Jessie darf doch hier übernachten, oder?“

„Jessica ist es also!“ Murmelte Kaiba, wieder nahm er das Telefon vom Ohr und rief irgendjemandem etwas zu.

„Natürlich darf Jessica bleiben! Wir sehen uns morgen früh Moki. Bleib nicht zu lang wach und schlaf gut!“ Traurig sah Mokuba auf den Hörer.

„Bis morgen, Seto!“ Dann legte er auf, seufzte und stand auf.

„Ich gehe ins Bett. Gute Nacht Jessie!“ Sie sah ihn an.

„Machst du immer, was dein Bruder sagt?“ Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.

„Meistens, er hat schon genug Stress, ohne, dass ich etwas anstelle!“

„Dann gute Nacht, Mokuba!“ Er wandte sich noch einmal um.

„Wenn du willst darfst du mich Moki nennen!“ Damit verschwand er im Flur.

Nach der Bombendrohung

Kapitel 7: Nach der Bombendrohung

Es war mitten in der Nacht als Jessie aufwachte. 4.30 verkündete der Wecker auf ihrem Nachttisch mit seinen Leichtziffern. Einen Moment brauchte sie um sich zu erinnern wo sie war. In Kaibas Wohnung. Und was sie geweckt hatte waren Schritte auf dem Flur. Für Mokuba waren sie allerdings zu schwer, also konnte es eigentlich nur Kaiba sein, der um diese Zeit durch die Wohnung schlich. Trotzdem wollte sie nachsehen, deshalb erhob sie sich und schlüpfte aus ihrem Zimmer. Im Flur war es dunkel, nur aus Mokubas Zimmer drang ein schwacher Lichtschein. Langsam näherte sie sich der Tür, darauf bedacht keinen Mucks von sich zu geben. Vorsichtig stieß sie die Tür ein wenig weiter auf und blieb wie angewurzelt stehen. Seto Kaiba saß auf dem Bettrand neben seinem kleinen Bruder und strich dem schlafenden Bruder übers Haar. Er trug Hose und Hemd, das Jackett hatte er sich über den Arm gelegt.

„ES tut mir leid, Moki! Aber das war wirklich nicht vorhersehbar gewesen!“ Er seufzte schwer, fuhr sich kurz selbst durchs Haar.

„Ich mach’s wieder gut, versprochen!“ Ein letztes Mal strich er dem Jungen über den Kopf, dann stand er auf.

„Ich mach’s wieder gut!“ Schnell wich Jessie zurück und huschte ins Gästezimmer. Kaiba musste nicht wissen, dass sie diesen sehr privaten Moment beobachtet hatte. Ihm lag sehr viel an Mokuba, wenn sie daran gezweifelt hätte, wäre sie jetzt vollkommen überzeugt worden. Mit diesem Gedanken schlief sie wieder ein.
 

„Guten Morgen, Mister Kaiba!“ Er saß bereits am Esstisch, den Blick auf irgendwelche Dokumente gerichtet. In der Hand hielt er eine Tasse. Jessie ging an ihm vorbei in die Küche. Nebenbei warf sie einen Blick in seine Tasse. Schwarzer Kaffee, was hatte sie auch anderes erwartet. Sich selbst machte sie eine Kanne Tee und schnappte sich zwei Muffins. Einen stellte sie vor Kaiba ab und setzte sich dann ihm gegenüber an den Tisch. Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und nahm sich die nächste Seite vor. Den Muffin ignorierte er.

„Sie sollten etwas essen!“ stellte Jessie sanft fest und rührte in ihrer Tasse. Flüchtig sah er auf.

„Keinen Hunger!“ Sie zog fragend eine Augenbraue hoch und betrachtete ihn aufmerksam. Seine Augen wirkten düster, waren gerötet und von dunklen Schatten umgeben. Er murmelte leise vor sich hin, plötzlich schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch.

„Ich verstehe das einfach nicht!“ Er nippte an seiner Tasse, verzog das Gesicht und stand auf um die schwarze Brühe in den Abfluss zu kippen. Bevor er an der Kaffeemaschine angekommen war hob Jessie leicht die Teekanne.

„Wollen sie nicht lieber eine Tasse Tee?“ Er zögerte kurz kam dann jedoch mit einer frischen Tasse zurück und lies sich eingießen.

„Wann haben sie das letzte Mal etwas gegessen?“ Mit seinem eiskalten Blick fixierte er sie.

„Was geht ihr das an?“ Jessie verdrehte die Augen und beugte sich ein wenig vor.

„Ich gehe davon aus, dass sie die letzte Nacht so gut wie gar nicht geschlafen haben! Vermutlich haben sie gestern genauso wenig zu sich genommen!“ Wütend funkelte er sie an.

„Lassen sie mich zufrieden, oder sie können gleich wieder gehen!“ Abwehrend hob Jessie die Hände, trank ihre Tasse lehr und erhob sich.

„Ich habe Mokubas Wecker ausgeschaltet. Daher gehe ich davon aus, dass er mindestens noch drei Stunden schläft.“ Damit zog sie sich ins Gästezimmer zurück und lies Seto alleine.
 

Kaiba saß noch immer am Tisch, den Blick auf seine Tasse gerichtet. Er musste sich selbst eingestehen, dass Jessie recht hatte. Das letzte Mal bewusst etwas gegessen hatte er Donnerstagabend. Er rieb sich die Augen. Die Kontaktlinsen brannten, er trug sie bereits zu lange. Kurz warf er einen Blick auf die Dokumente, fluchte leise. Da gab es so vieles, das er noch zu erledigen hatte. Er musste mit der Polizei, dem Bürgermeister und der Presse sprechen, das Sicherheitssystem überprüfen, sich ein sinnvolleres System fürs Archiv überlegen , mit Moki Frühstücken und dann war da noch der Arzttermin. Bei dem Gedanken, was ihn an diesem Tag noch alles erwartete wurden seine Kopfschmerzen schlimmer. So unrecht hatte Jessica gar nicht, vielleicht sollte er sich wirklich etwas hinlegen.
 

Jessie hörte Kaiba den Flur entlang zu seinem Zimmer gehen. Sie erwartete, dass er sofort wieder zurückkäme und in seinem Arbeitszimmer verschwinden würde. Doch nichts dergleichen geschah. Sollte sie nach ihm sehen? Nicht das irgendetwas passiert war. Wenn es ihm allerding gut ging würde sie in seine Privatsphäre einbrechen, wieder! Und er würde sie feuern. Wenn ihm nun aber doch etwas zugestoßen war… Nach einer halben Stunde Abwartens erhob Jessie sich und trat zu Kaibas Tür. Sie klopfte. Erhielt keine Antwort und klopfte erneut! Wieder blieb alles still. Ganz vorsichtig drückte sie die Klinke hinunter und öffnete sie Tür einen Spalt breit. Das Zimmer das sie nun lautlos betrat war riesig. Die Einrichtung bestand lediglich aus einem langen Regal, einem Fernseher und einem breiten Bett. Und auf diesem lag Kaiba, tief und fest schlafend. Damit hatte sie allerdings nicht gerechnet. Vorsichtig, um ihn ja nicht zu wecken näherte Jessie sich dem Bett. Er sah aus, als hätte er sich einfach fallen lassen und wäre sofort eingeschlafen. Im Zimmer war es kühl und Kaiba lag lediglich in Boxershorts und einem hellgrauen T-Shirt auf der Decke. Jessie zerrte den dunkelblauen Stoff unter ihm hervor und über Kaibas schlanken Körper. Dann sah sie ihm ins entspannte Gesicht. Er trug sogar noch seine Brille. Achtsam nahm sie ihm diese ab und legte sie auf den Nachttisch, neben ein Muffinpapierchen. Sie lächelte leicht und schlich sich dann wieder aus dem Zimmer. Dabei ließ sie ihren friedlich schlafenden Chef zurück.
 

Als Kaiba aufwache war es bereits später Nachmittag. Er tastete nach seiner Brille und rieb sich mit der anderen Hand übers Gesicht. Er hatte den größten Teil des Tages verschlafen und war immer noch müde. Aber immerhin hatten seine Kopfschmerzen etwas nachgelassen. Müde erhob er sich, streckte sich kurz und schlüpfte dann in eine Jeans. Sein Magen knurrte. Kurz strich er sich das braune Haar glatt, bevor er auf den Flur hinaus trat und ins Wohnzimmer ging. Er erstarrte. Sein Wohnzimmer war mit Menschen gefüllt. Zwei Polizisten standen zusammen mit einer älteren Frau neben dem Fernseher. Didi, die einzige Journalistin, mit der er wirklich freiwillig sprach versuchte die beiden Männer gerade auszuquetschen. Am Küchentisch saß Roland zusammen mit Max Lieb, seinem Sicherheitschef, über den Dokumenten, die er selbst am Morgen noch betrachtet hatte. Sein Arzt stand vor dem Bücherregal und studierte die Buchrücken. Jessie saß am einen Ende der Couch neben dem Bürgermeister und unterhielt sich angeregt. Am anderen Ende saß Mokuba neben Didis Kammeraman und einem blonden Mann, der Kaiba zwar irgendwoher bekannt vorkam, aber gerade nicht zuordnen konnte. Das Trio lachte herzlich und Kaiba hätte sich am liebsten wieder im Bett verkrochen, denn bei all den Geräuschen kehrten die Kopfschmerzen in voller Stärke zurück. Kaiba räusperte sich. Plötzlich war es still, alle sahen ihn an. Als erstes setzten sich die Polizisten in Bewegung. Er seufzte leise und bedeutete ihnen ihm in sein Büro zu folgen. Auch mit dem Bürgermeister sprach er unter vier Augen. Dann lies er sich auf die Couch fallen.

„Los bringen wir es hinter und Didi!“ Die Frau ließ sich neben ihm nieder und Kaiba nahm die Brille ab.

„Mister Kaiba, was sagen sie zu der Bombe in ihrer Firma?“ Direkt wie immer, aber schließlich war es genau das, was er an der Frau mochte. Kaiba sah direkt in die Kamera.

„Menschen, die zu einer solchen Waffe greifen sind unzurechnungsfähig und eine große Gefahr für die Gesellschaft. Die Drohung, die im Grunde gegen mich persönlich gerichtet war, hätte einen großen Flurschaden angerichtet. Und im schlimmsten Fallvielen tausenden Menschen das Leben gekostet!“ Jessie sah ihn aufmerksam an. Sein Blick war ausdruckslos. Allerdings glaubte sie ein kleines, wütendes Funkeln in seinen Augen zu sehen.

„Sie sind der Held der Stadt! Wie fühlen sie sich dabei?“ Kaibas Blick wanderte langsam zu Didi.

„Ich habe getan, was nötig war! Die Männer des Bombenräumkomandos tun das Täglich.“ Dann erhob er sich und Didi wusste aus Erfahrung, dass Kaiba kein weiteres Wort dazu äußern würde. Sie verabschiedete sich und verließ gefolgt von ihrem Kammeramann die Wohnung. Nun sah Lieb von seinen Dokumenten auf.

„Wir haben sämtliche Systeme überprüft. Es ist niemand unbemerkt oder unbefugt eingedrungen!“ Kaiba näherte sich dem Tisch und warf einen Blick in die Thermoskanne, die dort stand. Tee. Trotzdem holte er sich eine Tasse und trank einen Schluck.

„Kai Anders, ein Mitarbeiter des Archives hat die Bombe gelegt. Er hat Geldprobleme und wollte mich erpressen! Trotzdem sorgen sie dafür, dass sämtliche Schlösser und Codes getauscht werden! Und Roland…“ Er wandte sich zu seinem Assistenten.

„Setz dich mit der Personalabteilung zusammen und überprüft, ob es noch weitere solcher Problemfälle gibt. Und sprich mit dem Archievleiter. Bis morgen will ich einen Vorschlag für ein neues Ordnungssystem. Es muss doch sinnvoller und übersichtlicher gehen!“ Auch die beiden Männer verabschiedeten sich und Kaiba ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Der Arzt trat vor und betrachtete skeptisch das blasse Gesicht des jungen Mannes.

„Wie geht es ihnen?“ Kaiba rieb er sich übers Haar.

„Ich bin einfach nur müde!“ Der Arzt nickte kurz.

„Ruhen sie sich aus und essen sie etwas. Wir sehen uns dann nächste Woche wieder!“ Jetzt waren nur noch Mokuba, Jessica und der junge Mann da. Langsam drehte Kaiba sich zu ihnen um. Blondes Haar, braune Augen und dieses verschmitzte Lächeln.

„Wheeler!“ Er hatte seien ehemaligen Klassenkameraden seit gut zwei Jahren nicht mehr gesehen. Joey war älter geworden.

„Lange nicht gesehen Kaiba!“ Joey erhob sich von der Couch und schlenderte in die Küche.

„Ich muss sagen, deine Wohnung gefällt mir!“ Kaiba saß verwirrt auf seinem Stuhl und starrte ihn einen Moment sprachlos an. Dann fragte er leise und kühl.

„Was machst du hier?“ Breit grinsend griff Joey nach einem Muffin, den Mokuba ihm jedoch sofort aus der Hand schnappte und zurücklegte.

„Vor dem Essen wird nicht genascht!“ Der Blonde zog eine Augenbraue in die Höhe gab jedoch nach.

„Jessie ist eine gute Freundin und wohnt momentan bei mir. Und tja ich dachte bevor sie sich in deiner Gegenwart noch verkühlt sehe ich lieber mal nach ihr!“ Bevor Kaiba etwas erwidern konnte knurrte sein Magen vernehmlich. Ihm wurde leicht schwindelig und er hielt sich vorsichtshalber mal Tisch fest. Er hatte seit Donnerstagabend nichts mehr gegessen, außer dem Muffin, den Jessica ihm heute Morgen gegeben hatte. Dementsprechend niedrig war sein Blutzuckerspiegel. Joey zog die Augenbrauen zusammen und stellte den Muffin, den Moki ihm abgenommen hatte vor ihm auf den Tisch.

„Iss, bevor du uns umkippst!“ Dann wuschelte er dem Jungen durchs Haar.

„Und wir belegen jetzt die Pizza, okay? Dann können wir so gegen halb acht Essen!“ Kaiba blickte auf die Uhr und war überrascht, dass es wirklich schon kurz vor sieben war und biss dann tatsächlich in den Muffin. Jessie setzte sich neben Kaiba und beobachtete die beiden Jungen.

„Warum hast du mich nicht geweckt, Moki? Ich hatte dir doch versprochen, dass wir gemeinsam Frühstücken!“ Schulterzuckend drehte sich der Junge zu seinem älteren Bruder um. Etwas Tomatensoße klebte an seiner Nasenspitze.

„Also erstens bin ich selbst erst um halb eines aufgestanden und zweitens… du kamst erst um fünf heute früh nach Hause. Du hast den Schlaf gebraucht!“ Kaiba sagte nichts weiterdazu, starrte in seinen Tee. Schließlich war die Pizza im Ofen und alle vier saßen am Tisch. Als das Schweigen sich in die länge zog räusperte sich Joey.

„Normalerweise würde ich jetzt fragen, was du die letzten zwei Jahre nach unserem Abi gemacht hast. Allerdings muss ich dazu nur die Nachrichten einschalten, oder Zeitung lesen!“ Kurz seufzt Kaiba leise, ohne den Blick zu heben.

„Was hast du die letzten beiden Jahre so alles getrieben?“ Joey griff nach der Wasserflasche hinter sich auf der Theke.

„Warum habe ich das Gefühl, dass es dich kein bisschen interessiert??“ Kaiba zuckte mit den Achseln. Sein Kopf brummte nur noch leicht und auch wenn sich der Schwindel inzwischen gelegt hatte fühlte er sich nicht wirklich wohl.

„Du scheinst es unbedingt loswerden zu wollen…!“ Joey blinzelt, während ihrer Schulzeit hatte Kaiba oft müde gewirkt und hatte sich von Joey dann besonders leicht reizen lassen. So erschöpft wie heute hatte er Kaiba allerdings noch nie gesehen. Zögernd drehte er sein Glas zwischen den Fingern.

„Ich mache eine Ausbildung zum Fotografen bei der Daily Domino!“ Joey sah auf, doch Kaiba hatte sich nicht gerührt. Mokuba stupste seinen Bruder in die Seite.

„Seto! Joey redet mit dir!“ Was ist denn los?“ Langsam sah er den jüngeren an.

„Ich habe ihn gehört, und? Soll ich den Köter etwa beglückwünschen, dass er jemanden gefunden hat, der ihn durchfüttert?“ Joey zog eine Augenbraue hoch und bedeutete mit einem leichten Kopfschütteln, dass Jessie sich raushalten sollte. Er wollte nicht, dass sie Stress mit ihrem neuen Chef bekam. Auch wenn er gerade giftig wurde.

„Seto…“ fuhr Mokuba auf, doch Joey ging dazwischen.

„Lass gut sein, Moki. Dein Bruder ist müde und der ganze Trubel vorhin muss ihm ziemlich auf die Nerven gegangen sein! Ich kann so ein Kommentar schon ab!“ Kaiba war dankbar, auch wenn es Joey war, der ihn verteidigte. Während des Essens liesen sie Kaiba außen vor, stellten ihm keine Fragen oder Forderungen. Ließen ihn schlicht und einfach zufrieden. Und Seto war das nur recht. Er war müde, hatte das Gefühl gleich einzuschlafen und bekam sowieso nichts mehr mit. Nach dem Essen verabschiedeten sich Jessie und Joey und machten sich auf den Heimweg. Mokuba brachte seinen Bruder währenddessen ins Bett und Seto Kaiba schlief fast auf der Stelle ein. Der Jüngere strich ihm durch die Haare und kuschelte sich dann neben ihm unter die Decken. Dann schlief auch er ein.

Der erste Arbeitstag

Kapitel 8: Der erste Arbeitstag
 

Es war 13.30 als eine schwarze Limousine vor Joeys Wohnblock hielt. Jessie war sich der neugierigen Blicke bewusst, die sie beim einsteigen beobachteten. Schnell ließ sie sich neben Mokuba auf die Rückbank fallen und schnallte sich an.

„Auffälliger ging es wohl nicht?“ Fragte sie etwas grummelig. Sie würde sich nicht mehr im Haus bewegen können ohne die Blicke der Anwohner auf sich zu ziehen.

„In Zukunft ist es ihnen überlassen, wie sie Mokuba abholen. Allerdings wird ihr Dienstfahrzeug kaum eine der Schrottkarren sein, wie man sie in diesem Viertel an jeder Straßenecke findet!“ Bei dieser herablassenden Antwort sah sie auf.

„Kaiba!“ Mit allem hätte sie gerechnet, nur damit, dass sie ihm so schnell wieder begegnen würde nicht. Er saß ihr seelenruhig gegenüber und tippte auf seinen Laptop ein. Bei ihrem Ausruf zog Kaiba eine Augenbraue in die Höhe sah jedoch nicht auf.

„Sag bloß der Köter hat mit seiner Unhöflichkeit bereits abgefärbt?“ Jessie kniff die Augen zusammen und funkelte ihn wütend an.

„Vielleicht sollten sie sich ein Beispiel an Joey nehmen! Er ist immerhin so höflich mich anzusehen, wenn er mit mir spricht!“ Jetzt hielt er inne und hob den Kopf.

„Wenn er ja so höflich ist, was hatte er dann gestern in meiner Wohnung zu suchen? Uneingeladen?“ fragte er spöttisch von oben herab. Mokuba murmelte ein leises `Seto´. Der eiskalte Blick seines Bruders brachte ihn allerdings sofort wieder zum verstummen.

„Er hat sich Sorgen gemacht! Das tun Freunde nun einmal!“ zischte Jessie zurück. Achselzuckend wandte er sich dem Stapel Dokumente zu, der neben ihm auf dem Sitz lag. Er nahm mehrere Bögen und hielt sie ihr hin.

„Hier, der Arbeitsvertrag, bis heute Abend liegt er unterschrieben auf meinem Schreibtisch.“ Kurz blätterte Jessie durch die Seiten, bei der Überschrift `Wohnung´ blieb sie hängen.

„Ich brauche keine eigene Wohnung!“ Kaiba tippte wieder auf seinem Laptop.

„Ich glaube kaum, dass Wheeler begeistert wäre die nächsten sechs Monate einen Mitbewohner in seiner Hundehütte zu haben!“ Auch wenn es sie ärgerte, dass er Joey schon wieder niedermachte, hatte er im Grunde recht. Joeys Wohnung war dafür einfach zu klein.

„Sie entscheiden selbst wohin sie ziehen, ich übernehme lediglich die Kosten!“ Sie blätterte weiter.

„Probezeit?“ ER seufzte genervt.

„Vier Wochen, sollten sie während dieser Zeit entlassen werden, wird der Vertrag nichtig!“ Das hieße, ade Studium. Jessie schluckte schwer. Sie würde sich allerdings erst nach diesen vier Wochen eine Wohnung suchen, denn wenn er ihr kündigen sollte brauchte sie ja schließlich keine. Plötzlich hielt die Limousine und Kaiba schob seine Papiere in seine Aktentasche, nahm seinen Laptop und stieg aus. Jessie warf einen Blick durch die geöffnete Tür. Sie standen direkt vor dem KC-Tower.

„Bis heute Abend, Moki!“ Damit wurde die Tür zugeschlagen und sie fuhren weiter. Die Stille im Wageninneren war bedrückend. Mokuba wirkte nervös und Jessie starrte noch immer geplättet auf den Vertrag in ihrer Hand. Kaiba war echt unfreundlich, Joey hatte sie ja gewarnt. Sie seufzte schwer.

„Gibt es irgendetwas, das ich über deinen Bruder wissen sollte?“

Mokuba fuhr sich durch die schwarze Mähne und blickte zögernd auf.

„Er ist gar nicht so schlimm, wie alle sagen!“ verteidigte der Junge seinen Bruder.

„Das habe ich doch gar nicht gesagt! Gibt es irgendetwas, was ich absolut vermeiden sollte, damit wir nicht aneinander geraten?“ Mokuba verstand.

„Naja, am besten widersprichst du ihm nicht! Und befiel ihm nichts, darauf reagiert er allergisch!“ Jetzt grinste er.

„Und wenn du ihn anfasst, solltest du das nicht ohne seine Erlaubnis tun!“ Jetzt war er wieder sehr ernst. Überrascht hob Jessie den Blick und sah Mokuba direkt in die Augen.

„Lässt er sich nicht gerne betatschen, oder was?“ Die Frage war eigentlich, als Scherz gemeint, als Mokuba allerdings eine Spur blasser wurde wusste sie, dass sie einen wunden Punkt erwischt hatte.

„Schon gut kleiner, du musst nicht antworten.“ Am liebsten hätte sie nachgefragt, aber sie glaubte kaum, dass Mokuba ihr eine Antwort geben würde. Deswegen atmete sie tief durch und fragte:

„Was machen wir heute?“ Moki zuckte mit den Achseln.

„Erst mal Hausaufgaben machen, dann mal schauen!“ Jessie nickte kurz.

„Hast schon was zu Mittag gegessen?“ Der Junge schüttelte den Kopf, gerade als die Limousine vor dem Gebäude hielt, in dem die Kaiba-Brüder wohnten.

„Gut, dann kümmern wir uns mal darum.“
 

Der Nachmittag war für Jessie sehr locker. Mokuba war mit Hausaufgaben eingedeckt und so verbrachte sie die meisten Zeit untätig. Erst gegen halb sechs kam Moki aus seinem Zimmer.

„Das hat aber lange gedauert.“ Stellte Jessie fest, als er sich erschöpft neben ihr auf das Sofa fallen ließ. Tief atmete er durch.

„Tja unsere Lehrer interessiert es keinen Deut, dass in drei Wochen die Sommerferien beginnen!“ Jessie erhob sich und streckte sich.

„Was hältst du von Abendessen?“ Mokuba stapfte hinter ihr in die Küche und lies sich auf einem Stuhl an der Theke nieder. Er stützte das Kinn auf die Unterarme.

„Wann kommt dein Bruder nach Hause? Isst er mit?“ Traurig schüttelte er den Kopf.

„Seto kommt selten vor zehn nach Hause! Was gibt’s?“ Jessie lachte.

„Wir Vespern, immerhin gab es heute Mittag etwas warmes!“ Einen Moment wirkte er enttäuscht, dann lächelte er und nickte.

„Aber wir essen ein Eis zum Nachtisch!“ Jessie wuschelte ihm durch das lange schwarze Haar und wunderte sich, dass er sich das in seinem Alter noch gefallen lies, immer hin war er schon vierzehn.

„Was hältst du von Erdbeerquark?“ Die Augen das Jungen leuchteten freudig auf.

„Au ja! Und wir lassen Seto etwas übrig!“

Als Jessie sich verabschiedete war es bereits halb neun und der CEO noch immer nicht zu hause. Gemeinsam mit Moki hatte sie sich Batman angesehen und eine riesige Schüssel Erdbeerquark verdrückt. Setos Portion stand mit einem gelben Klebezettel versehen im Kühlschrank und harrte seiner Heimkehr.
 

Setos Uhr zeigte dreiundzwanzig Uhr dreiunddreißig als er die Wohnungstür aufschloss und sich die Schuhe abstreifte. Leise Geräusche drangen aus dem Wohnzimmer. Seto strich sich durchs Haar und seufzte leise. Moki war wieder nicht zu Bett gegangen, stattdessen hatte er auf ihn gewartet, wie jeden Abend. Allerdings wunderte er sich, dass der Junge ihm nicht entgegengelaufen kam. Leise betrat er das Wohnzimmer. Der Fernseher flimmere und Moki lag zusammengerollt auf dem Sofa. Er schlief tief und fest. Ein Lächeln huschte über das ausdruckslose Gesicht des Älteren und er bückte sich zu seinem Bruder hinunter. Mokuba war ganz schön schwer, als er ihn vorsichtig anhob. Er spürte jeden seiner verspannten Muskeln. Mokuba drückte sich näher an den Körper seines Bruders. Langsam trug Seto ihn auf sein Zimmer, stieß gegen die Bettkante und fluchte leise. Moki blinzelte.

„Seto, was?“ Er legte den Jungen ab und setzte sich neben ihn auf die Bettkante.

„Du bist vor dem Fernseher eingeschlafen!“ Mokuba streckte sich und setzte sich wieder auf.

„Ich bin doch viel zu schwer, als dass du mich ins Bett trägst!“ Seto strich ihm übers Haar und stand wieder auf.

„Mach dir keine Sorgen Kleiner, dich pack ich gerade noch!“Moki verdrehte die Augen und sprach dann eine ganz andere Sache an.

„Hast du etwas gegessen?“ Seto antwortete nicht, was er als `Nein´ wertete.

„Ach, Seto…J!“ Das leise Seufzen des Älteren klang resigniert. Er ging zur Tür.

„Ist gut, ich mache mir etwas und du schlaf weiter!“ So leicht kam er allerdings nicht davon. Moki sprang wieder aus dem Bett und lief ihm nach.

„Jessie hat dir den Vertrag auf den Schreibtisch gelegt. Sie ist mit dem ein oder anderen Punkt nicht einverstanden!“ Seto seufzte, dafür hatte er jetzt überhaupt keinen Nerv.

„Geh ins Bett, Moki!“ Doch der Kleine schüttelte den Kopf.

„Erst wenn du etwas gegessen hat!“ Moki betrat vor seinem Bruder die Küche.

„Es sind noch Nudeln vom Mittagessen übrig. Ich wärme sie dir auf. Setz dich!“ Auch wenn er am liebsten einfach ins Bett wollte, gehorchte Seto. Er war still bis auf den noch immer laufenden Fernseher und er war zusammen mit den Lichtern der Stadt auch die einzige Beleuchtung.

„Hier Seto!“ Er sah auf den Teller, den Moki ihm hinschob und griff zur Gabel. Lustlos stocherte er in den Nudeln. Spürte den Blick seines Bruders auf sich ruhen und nahm einen Bissen. Mokuba lehnte sich zurück. Erst als Seto auch den letzten Bissen hinunter geschluckt hatte erhob sich Mokuba wieder und folgte seinen Bruder zurück in seine Zimmer. Dort kuschelte er sich unter die Decken. Er beobachtete wie der ältere das Licht löschte und mit einem leisen `Gute Nacht´ seine Zimmertür hinter sich zuzog. An Setos Schritten im Flur hörte Moki, dass er den Fernseher ausschaltete und dann in sein eigenes Zimmer ging. Hoffentlich um ebenfalls schlafen zu gehen.

Ferienbeginn

Kapitel 9: Ferienbeginn
 

Ferienbeginn war für Mokuba in diesem Jahr der erste August. Die Tage bis dahin verliefen für Jessie immer im selben Muster. Sie schlief aus, frühstückte gemütlich und schmiss Joey den Haushalt. Gegen vierzehn Uhr holte sie Mokuba dann von der Schule ab und zwar in ihrem Dienstfahrzeug. Ein nigelnagelneuer, knallroter Flitzer. Kaiba hatte den Wagen zwar bezahlt, aber nicht einmal persönlich übergeben. Das hatte Mokuba übernommen. Allerdings musste sie zugeben, dass Kaiba ihren Geschmack genau getroffen hatte und ihr der Wagen mehr als nur gefiel. Sie war hellauf begeistert. Mokuba hatte grinsend hinter ihr gestanden, als sie das Auto das erste Mal in Augenschein genommen hatte. Denn er hatte die Wahl seines Bruders unterstützt, auch weil das Auto bei weitem nicht so auffällig war wie die Limousine, die ihn sonst immer von der Schule abholte. Jessie als Gesellschaft zu haben war viel angenehmer, als die anderen Frauen, die zuvor auf ihn hatten aufpassen sollen. Allerdings fiel ihm auch auf, dass sein Bruder seit Jessie da war noch seltener zu Hause war als zuvor. Und jetzt war auch noch Ferienbeginn. Nicht dass er darüber traurig war. Nein wirklich nicht. Er konnte jeden Morgen ausschlafen, hatte viel mehr Freizeit und musste vor allem nicht jeden Tag lernen. Aber alle seine Freunde fuhren mit ihren Eltern und Geschwistern in den Urlaub. Er selbst wusste nicht mal ob sein Bruder sich überhaupt ein paar Tage freinehmen würde, geschweige denn ob sie auch wegfahren würden. Jetzt dachte er schon seit Tagen daran, dass er Seto gerne mal wieder für sich alleine hätte, aber er wusste auch, dass sein Bruder sehr viel zu tun hatte.

„Hey Moki, was ist denn los mit dir?“ Jessie sah kurz zu dem Jungen, der still auf dem Beifahrersitz saß und blicklos aus dem Fenster starrte. Und dass wo doch heute der erste Ferientag war.

„Nichts, es ist alles in Ordnung!“ Er wusste, dass sie ihm nicht glaubte und sie hakte auch sofort nach.

„Mokuba irgendetwas stimmt doch nicht!“ Der Jüngere seufzte leise.

„Naja, es ist nur… Alle meine Freunde fahren in den Urlaub. Und ich glaube Seto hat sich wieder keinen Tag freigenommen. Dabei würde ich so gerne mal wieder etwas mit ihm unternehmen!“ Irgendwie tat der Junge ihr leid. Vielleicht sollte sie mit ihrem Chef darüber reden. Immerhin hatte sie ja so etwas wie Informationspflicht Kaiba gegenüber und sein Bruder schien wirklich unglücklich mit der Situation.

„Vielleicht hat er ja etwas geplant und es dir nur noch nicht gesagt!“ Mokuba schnaubte abschätzig, daran hegte er nun wirklich Zweifel. Seto war ja kaum zuhause, wie sollte er dann in seinem straffen Zeitplan ein paar Tage freiräumen um mit seinem Bruder wegzufahren?! Jessie verstand seine Zweifel, auch wenn sie hoffte, dass Kaiba nicht so kalt wäre Moki links liegen zu lassen. Trotzdem nahm sie sich vor so bald wie möglich mit ihrem Chef darüber zu sprechen. Und diese Möglichkeit ergab sich noch am selben Abend. Denn Joey kam vorbei und lud Mokuba kurzer Hand ins Kino ein. Jessie überlies den beiden also ihren Wagen und nahm den Bus zur Kaiba Corp. Punkt neunzehn Uhr stand sie in der Eingangshalle des KC- Towers. Eine Gruppe Männer in teuren Anzügen kam ihr entgegen. Ihren Blicken nach zu urteilen waren sie sehr unzufrieden. Anscheinend war ein Geschäft nicht so verlaufen wie sie es sich vorgestellt hatten. Aber das interessierte Jessie nicht weiter. Sie näherte sich dem Empfangstresen hinter dem heute ein junger Mann saß und ihr bereits lächelnd entgegensah.

„Guten Abend, was kann ich für sie tun?“ Jessie reichte ihm ihren Bediensteten Ausweis, den sie zusammen mit dem Vertrag erhalten hatte.

„Ich möchte Mister Kaiba sprechen!“ Kurz sog er die Karte durch seinen Computer, dann nickte er kurz.

„Mister Kaiba ist noch in einer Besprechung, wenn sie möchten können sie oben bei Miss Müller warten!“ Er reichte ihr die Karte zurück und sah sie abwartend an, als sie sich nicht vom Fleck rührte.

„War das alles?“ fragte sie etwas überrascht, wieder nickte er.

„Ja, was haben sie denn erwartet, wenn man fragen darf?“ Unsicher zuckte sie mit den Schultern.

„Naja, dass sie ihn über mein Erscheinen informieren und nachfragen, ob ich überhaupt vorgelassen werden darf. Und naja vielleicht eine Kontrolle meines Persos und nach dem Vorfall letztens, sowas wie eine Leibesvisite?!“ Jetzt lachte der Mann leise.

„Sie sind wirklich ein außergewöhnliches Mädchen!“ Er deutete auf die Angestelltenkarte.

„Diese Karte in ihrer Hand gibt ihnen das Recht jederzeit bei Mister Kaiba vorzusprechen!“ Er schüttelte leicht den Kopf.

„Wahrscheinlich hat er ihnen das nicht mal gesagt! Naja, wissen sie Miss Brown sie halten schon erstaunlich lange durch. Die letzten Kindermädchen haben nach spätestens einer Woche das Handtuch geschmissen. Sie haben diese Karte nicht einmal benutzt.“ Jessie sah kurz auf die Karte in ihrer Hand, es war wirklich von Vorteil, dass sie nicht erst einen Termin brauchte um mit Kaiba über seinen kleinen Bruder reden zu können. Und dass ihre Vorgängerinnen es nie lange ausgehalten hatten hatte Mokuba ihr bereits gesagt.

„Vielen Dank, dass sie mich aufgeklärt haben. Jetzt werde ich den Vorteil dieser Karte doch nutzten!“ Entschlossen wandte sie sich den Aufzügen zu, als die Stimme des Angestellten sie innehalten lies.

„Sie werden doch nicht kündigen wollen? Das würde Master Mokuba sehr enttäuschen. Er schwärmt ständig von ihnen!“ Langsam drehte sie sich um und sah in das ehrliche Gesicht des jungen Mannes, dann lächelte sie.

„Nein, ich werde nicht kündigen!“ Dann stieg sie in den Fahrstuhl und machte sich auf den Weg zum Büro ihres Chefs. Marianne Müller saß an ihrem Schreibtisch vor Kaibas Büro und tippte auf ihren Computer ein. Als Jessie eintrat sah sie auf.

„Guten Abend, Miss Brown! Setzten sie sich doch, möchten sie etwas trinken?“ Jessie ließ sich auf einem der dunklen Ledersofas nieder und musterte die Frau vor ihr, die nur ein paar Jahre älter schien als sie selbst. Sie hatte ihr langes schwarzes Haar zu einem sauberen Knoten hochgesteckt und trug ein dunkelgraues, makelloses Kostüm. Ihr Gesicht war dezent geschminkt und sie hatte große violette Augen.

„Sie sind Mister Kaibas Sekretärin?“ fragte Jessie neugierig. Die andere nickte und schien das Dokument, an dem sie gerade gearbeitet hatte zu schließen. Dann erhob sie sich um sich Jessie gegenüber auf einem Sessel nieder zu lassen.

„Darf ich ihnen eine Frage stellen?“ Jetzt lächelte die Schwarzhaarige.

„Gerne!“

„Wer ist das unten am Empfang?!“ Einen Moment sah sie Jessie verwirrt an, dann erhellte sich ihre Miene.

„Ach sie meinen Robin?“ Jessie zuckte mit den Achseln, immerhin wusste sie nicht wie der Mann hieß.

„Er ist Rolands Sohn!“ Als Jessie sie noch immer fragend ansah, beugte Marianne sich etwas vor.

„Entschuldigen sie, ich habe vergessen, dass sie den Angestellten hier noch nicht begegnet sind. Roland ist Mister Kaibas rechte Hand, sein Stellvertreter und Assistent. Deswegen kann Robin auch hin und wieder etwas direkter sein als die anderen Angestellten. Wenn er mit ihnen geflirtet hat möchte ich mich natürlich dafür entschuldigen!“ Jessie lachte, als wenn sie es als schlimm empfände, wenn ein hübscher Mann mit ihr flirtete.

„Nein, nein. Er hat nur gemeint, dass ich es länger als meine Vorgängerinnen aushalte. Und mich gefragt ob ich kündigen wolle?!“ Kaibas Sekretärin wurde etwas rot um die Nase.

„Naja, einige der Angestellten machen sich einen Spaß daraus Wetten abzuschließen wie lange Mokubas Kindermädchen durchhalten! Nichts gegen sie persönlich!“ Misstrauisch sah Jessie die andere Frau an.

„Sie haben mit gewettet?“ Erst wand sie sich ein wenig, dann atmete sie allerdings tief durch und nickte.

„Ja, dieses Mal. In meinen Augen haben sie das Zeug dazu die Probezeit zu überstehen!“ Sie sahen sich tief in die Augen bis Jessie schließlich nickte und ihr die Hand hinhielt.

„Gut, nennen sie mich doch bitte Jessica, immerhin werden wir uns ja noch öfter begegnen!“ Marianne erwiderte den Händedruck.

„Und sie nennen mich dann aber Marianne!“ Plötzlich wurden hinter Kaibas Tür Stimmen laut und irgendwas krachte laut. Eine Frau schrie irgendetwas, das unverständlich war, weil sie sich dabei überschlug. Kaibas Stimme war dagegen umso besser zu verstehen.

„Raus hier, auf der Stelle raus hier.“ Er klang beherrscht und eiskalt. Wieder schrie die Frau, erneut polterte etwas. Marianne sprang auf und lief zu ihrem Schreibtisch. Dort schnappte sie sich das Telefon.

„Securtity sofort in Kaibas Büro!“ Keine Minute später stürmten zwei bullige Männer an ihnen vorbei und rissen die Bürotür ihres Chefs auf. Jessie war ihnen dicht auf den Fersen und erschrak. In Kaibas Büro herrschte ein einziges Chaos. Der Boden war von auseinander gefächerten Akten bedeckt. Sein Schreibtisch fast leergefegt, der Computer lag unter einem umgekippten Aktenschrank auf dem Boden und überall im Raum lagen beschriebene Papierbögen. Kaiba selbst stand an einer Wand, eine schlanke Blondine gegen ein Regal gedrückt.

„Mister Kaiba?“ Sprach ihn einer seiner Männer an. Daraufhin ließ er die Frau los und machte einen Satz rückwärts, was auch dringend nötig war, da sie sofort mit gekrümmten Fingern auf ihn los ging. Weit kam sie allerdings nicht, dann bekamen die Männer vom Sicherheitsdienst sie zu fassen.

„Schaffen sie sie hier heraus und rufen sie die Polizei, ich werde Anzeige erstatten!“ Kaibas Worte waren trotz dem schrillen Geschrei der Frau zu verstehen, die gerade aus dem Zimmer geschleift wurde. Jetzt drehte Kaiba sich zu Jessie. Scharf sog diese die Luft ein. Über der linken Augenbraue hatte er eine Platzwunde, seine Wange war blutüberströmt.

„Sie bluten!“ Stellte Jessie erstickt fest. Kalt sah er sie an.

„Ach, echt!“ Jetzt betrat auch Marianne das Büro und schlug vor Schreck die Hand vor den Mund.

„Mister Kaiba ist alles in Ordnung? Möchten sie sich setzten?“ Er sah sich in seinem Büro um, die Augen wütend zusammengekniffen. Dann fasste er sich an die Stirn und betrachtete seine Blutigen Finger. Jessie und Marianne wechselten einen Blick. Ein kurzes Nicken, dann ergriffen sie jeweils einen von Kaibas Armen und schoben ihn aus seinem Büro.

„Jetzt setzten sie sich erst mal und ich rufe ihren Arzt an, damit er sich die Wunde ansieht!“ Im Vorraum drückten sie ihn auf eines der Sofas, fast sofort riss er sich von ihnen los.

„Es ist alles in Ordnung!“ fauchte er die beiden Frauen an. Wieder sahen sie sich vielsagend an. Natürlich, das glaubten sie ihm doch aufs Wort. Marianne nahm ihr Telefon aus der Station.

„Das lassen wir einfach ihren Arzt entscheiden!“ Kaiba lehnte sich zurück und fixierte seine Sekretärin, da Jessie in Richtung Küche verschwand. Kurz darauf kam sie mit einer Wasserschüssel und einem Tuch zurück. Jessie ließ sich links von ihm auf das Sofa fallen und fasste vorsichtig nach seinem Kinn. Sie betrachtete die Wunde, die fast gar nicht mehr blutete.

„Was soll das?“ Verlangte Kaiba giftig zu wissen.

„Ich werde ihnen das Blut abwaschen, was sonst?!“ Jessie wrang das Tuch aus, als er ihr seinen Kopf entziehen wollte hielt sie ihn sanft fest.

„Ihr Bruder wollte sie abholen. Noch ist er mit Joey im Kino, aber der Film dürfte nicht mehr allzu lang dauern. Wenn sie ihm also so entgegentreten wollen…“ Er entriss Jessie das Tuch und fuhr sich selbst unwirsch übers Gesicht.

„Hört auf mich zu betüteln! Mir geht es gut!“ Er zuckte zusammen.

„Das sieht nach schönen Kopfschmerzen aus!“ Stellte seine Sekretärin fest, während er das Tuch auf die nun wieder blutende Wunde drückte.

„Die hatte ich schon, bevor dieses verrückte Weib in mein Büro kam!“ Jessie entwand ihm vorsichtig das Tuch und machte sich nun erneut daran ihm das Gesicht zu säubern.

„Was ist eigentlich vorgefallen?“ Fragte Marianne leise nach, Kaiba seufzte.

„Angeblich ist sie die Freundin von Kai Anders, dem Typen, der die KC in die Luft sprengen wollte. Sie macht mich für seine momentane Lage verantwortlich und möchte Gerechtigkeit, blablabla! Dann hat sie angefangen zu randalieren!“ Er schnaubte hart und schloss dann die Augen. Nach kurzer Stille kam Kaibas Arzt herein und beugte sich sofort über Kaiba. Die Platzwunde versorgte er mit Desinfektionsmittel und zwei Klammerpflastern.

„Ist ihnen schlecht?“ Kaiba sah ihn genervt an, bejahte dann allerdings.

„Kopfschmerzen?“ Wieder bekam er eine genervte Zustimmung. Dann machte er einige Tests, die Kaiba nur unter Murren über sich ergehen ließ.

„Also Mister Kaiba, sie haben eine leichte Gehirnerschütterung! Sobald hier alles geklärt ist sollten sie nach Hause gehen und sich hinlegen!“ Einen Moment hielt er inne und sah dann zu Jessie.

„Würden sie bitte aufstehen, damit er sich hier schon einmal hinlegen kann?“ Jessie gehorchte sofort. Kaibas eisigen Blick ignorierte der Arzt, drückte ihn leicht in eine liegende Position und hob seine Beine auf das Sofa.

„Ich gehe ihm einen Eisbeutel holen!“ Informierte Marianne Jessie kurz und verließ dann das Zimmer.

Kaiba nahm den Eisbeutel tatsächlich entgegen als sie zurückkam und hielt in sich gegen die Schläfe.

„Sie sind bis einschließlich Montag krankgeschrieben. Sollte sich die Symptome verschlimmern rufen sie mich an. Und meiden sie helles Licht. Dazu gehört auch ihr Computer!“ Kaiba sah aus als interessierten ihn die Anweisungen keinen Deut. Der Arzt gab Marianne das Artest und sammelte seine Instrumente wieder ein.

„Kann ich mich darauf verlassen, dass einer von ihnen Mister Kaiba später nach Hause fährt?“ Beide Frauen nickten und so verabschiedete er sich. Kaum hatte er den Raum verlassen als Kaiba bereits aufstehen wollte. Sofort waren Jessie und Marianne neben dem Sofa.

„Sie bleiben schön liegen!“ Wütend sah er sie an.

„Mein Büro sieht aus, als wäre ein Orkan hindurch gefegt, außerdem muss ich arbeiten!“ Demonstrativ setzte Jessie sich so an die Sofakante, dass er nur aufstehen konnte, wenn er sie hinunterstieß.

„Sie haben gehört, was ihr Arzt gesagt hat. Sie sind die nächsten drei Tage angeschriebenen!“ Mürrisch ließ er sich wieder zurücksinken.

„Was willst du eigentlich hier?“ Jessie zögerte einen Moment. Sollte sie wirklich jetzt damit anfangen, wo seine Laune eh schon im Keller war. Aber sie wusste nicht wann sie das nächste Mal die Zeit und vor allem den Mut finden würde erneut herzukommen. Also seufzte sie leise.

„Über Mokuba reden!“ Der Ältere sah sie abwartend an, etwas unsicher rang sie die Hände.

„Naja er hat doch jetzt Sommerferien und würde gerne ein paar Tage mit ihnen wegfahren.“

„Sie haben doch ab dem vierzehnten eine Woche Urlaub!“ Schaltete Marianne sich überrascht ein. Verwirrt sah Jessie sie an.

„Davon hat Mokuba gar nichts gesagt!“ Kaiba sah von einer zur anderen, fuhr sich dann durchs Haar und schloss die Augen.

„Wir hatte kurz vor dieser Bombendrohung darüber geredet. Wahrscheinlich habe ich einfach vergessen mit Mokuba darüber zu reden!“ Gab er leise zu. Die beiden Frauen schwiegen. Jessie war erleichtert, dass Kaiba auf die Wünsche seines Bruders einging.

In dem Moment stürmte Mokuba gefolgt von einem grauhaarigen Polizisten in den Raum.

„Seto! Was ist passiert? Geht es dir gut? Warum ist die Polizei da?“ Kaiba war sichtlich überfordert auf die Fragen seines kleinen Bruders zu antworten. Also erhob Jessie sich und nahm Mokuba am Arm.

„Komm mit Moki, ich erkläre dir alles. Dein Bruder muss erst noch mit der Polizei reden!“ Etwas störrisch folgte der Junge ihr in die Küche.

„Was ist jetzt mit Seto?“ Jessie seufzte leise und sah ihm in die besorgten Augen.

„Er hatte einen Zusammenstoß mit einer wütenden Frau!“ Sie wusste nicht wie sie es anders beschreiben sollte, aber Mokuba fragte nicht weiter nach.

„Naja, er hat eine leichte Gehirnerschütterung und ist bis Montag krankgeschrieben! Meinst du, du kannst auf ihn aufpassen, dass er sich ausruht und nicht arbeitet?“ Der Junge nickte hart.

„Ja, ich schließ einfach sein Büro ab und versteck den Schlüssel!“ Jessie lächelte und wuschelte ihm durchs Haar, dann gingen sie zurück zu Kaiba. Der hatte sich inzwischen doch aufgesetzt und sprach noch mit dem Polizisten. Etwas abseits stand Joey, dessen Miene sich sichtlich aufhellte als er Jessie entdeckte.

„Hier, deine Autoschlüssel. Ich verschwinde lieber, bevor Kaiba sich noch über meine Anwesenheit aufregen kann!“ Jessie umarmte ihn kurz und wandte sich dann dem Polizisten zu.

„Wenden sie sich an den Sicherheitsbeamten, der sie hergeführt hat, er wird ihnen die Überwachungsbänder aushändigen!“ Erklärte Kaiba gerade, dann schloss er für einen Moment die Augen.

„Wenn es ihnen nichts ausmacht würde ich gerne nach Hause!“ Er wirkte wirklich sehr blass und der Polizist nickte verstehend.

„Natürlich, Mister Kaiba. Wir melden uns, falls es noch Fragen gibt!“ Damit ging er, wohl um die Überwachungsbänder zu holen. Mokuba ging zu seinem großen Bruder.

„Komm Seto, Jessie fährt uns nach Hause und dann gehst du ins Bett!“ Der Ältere sah zu ihm auf und nahm den Eisbeutel von seiner Schläfe.

„In Ordnung Moki!“ Er sah kurz zu Jessie.

„Ach ja, bevor ich es wieder vergesse! Ich habe vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Urlaub!“ Mokubas Augen begannen zu leuchten und er warf sich in die Arme seines Bruders.

„Tja, und ich darf hier wohl aufräumen. Aber erst morgen!“ Damit reiche Marianne Kaiba einen neuen Eisbeutel. Jessie sah von den beiden Brüdern auf.

„Wenn du willst kann ich dir helfen! Ich gebe dir meine Nummer!“ Schnell diktiere sie ihr die Zahlen und ging dann hinter Kaiba und Moki zur Tür. Kurz winkte sie Marianne zu.

Jessie begleitete die beiden Kaiba Brüder bis in ihre Wohnung. Kaiba war still und hielt die ganze Zeit den Eisbeutel auf die Schläfe gedrückt und wirkte erschlagen. Umsichtig brachte Moki seinen großen Bruder ins Bett und versorgte ihn mit Kopfschmerztabletten und Tee.

„Ich passe gut auf ihn auf!“ Jessie nahm den Jungen in den Arm.

„Das weiß ich doch! Wenn du Hilfe brauchst, oder irgendetwas sein sollte, dann ruf mich einfach an!“ Mokuba nickte.

„Danke Jessie! Danke, dass du zu Seto gegangen bist und mit ihm geredet hast und dass du auf uns aufpasst!“ Jessie strich ihm durchs Haar.

„Kein Problem, Moki! Aber das mit dem Urlaub hat dein Bruder nur vergessen zu sagen!“ Er schmiegte sich noch ein wenig mehr an sie.

„Trotzdem!“ Dann verabschiedeten sie sich.

Samstag

Kapitel 10: Samstag

Jessie traf sich bereits am frühen Morgen mit Marianne in der KC um das am Vortag entstandene Chaos zu beseitigen.

„Danke Jessica, dass du mir hilfst!“ Gemeinsam betraten sie Kaibas Büro.

„Ach, das ist doch kein Problem!“ Erst einmal machten sie sich daran die ganzen am Boden verteilten Papierbögen aufzusammeln. Dann wuchteten sie den Aktenschrank wieder auf und betrachteten die Überreste des Computers.

„Da brauchen wir auf jeden Fall einen Neuen. Ich rufe einen der Computerspezialisten hoch, er soll sich um die Datenübertragung kümmern! Normalerweise würde das Kaiba selbst machen, aber bis er Dienstag wieder kommt soll alles wieder aufgeräumt sein.“ Sie tranken zusammen einen Kaffee, während sie darauf warteten, dass der Computer abgeholt wurde. Dann setzten sie sich nebeneinander auf den Boden. Marianne hielt eines der zuvor aufgesammelten Blätter hoch.

„Also hier Oben steht jeweils ein Buchstabe. Danach sortieren wir die Akten zuerst. Das ist auch das einfachste. Alles Andere läuft dann nach Vertragspartner und muss nach einer eigenen Ordnung sortiert werden!“ In kurzen Worten wartete eine heiden Arbeit auf die beiden Frauen. Es war bereits kurz vor eins als plötzlich Jessies Handy klingelte. Sie nahm ab und hielt sich den Hörer ans Ohr.

„Hey Jessie!“ Überrascht legte Jessie die gerade geordneten Papierbögen zur Seite und nahm das Handy in die andere Hand.

„Mokuba! Ist alles in Ordnung?“ Marianne sah fragend zu ihr hinüber.

„Naja, Seto hat heute Nacht gebrochen und der Arzt war noch mal da! Er meint, dass sein nichts besorgniserregendes!“ Der Junge saß in der Küche am Tisch und hatte die Arme aufgestützt.

„Momentan schläft er!“ Er klang erschöpft.

„Brauchst du Hilfe?“fragte Jessie einfühlsam.

„Nein! Ich bekomme das schon hin. Seinen Laptop habe ich in seinem Büro eingeschlossen, wie gesagt. Ansonsten gibt es nicht viel zu tun! Ich wollte eigentlich mit dir über Montag reden!“

„Was ist denn Montag?“ Jessie glaubte dem Jungen, dass er zurechtkam.

„Seto ist doch jetzt krankgeschrieben und da dachte ich, vielleicht wäre es besser wenn du nicht kommst. Ich bin ja nicht alleine und Seto hätte dann seine Ruhe!“ Mokuba klang ein wenig unsicher und wartete gespannt auf Jessies Antwort.

„Wenn du meinst, aber du kannst mich trotzdem jederzeit anrufen!“ legte sie ihm eindringlich nahe.

„Das weiß ich doch. Oh, Seto. Jessie ich muss schlussmachen, wir sehen uns dann Dienstag!“ Er legte auf und drehte sich ganz zu seinem Bruder um.

„Hey Seto, wie geht’s dir?“ Der Ältere stand in Jogginghose und T-Shirt im Durchgang zum Wohnzimmer, die blauen Augen matt glänzend. Kurz zuckte er mit den Achseln.

„Wo ist mein Laptop?“ Mokuba stand auf und steckte das Telefon in die Station.

„In deinem Büro!“ Ohne zurückzuweichen hielt er Blickkontakt. Seto strich sich durchs Haar und seufzte leise.

„Und wo ist der Schlüssel zu meinem Büro?“ Jetzt verschränkte der jüngere die Arme vor der Brust.

„Das werde ich dir nicht sagen! Du gehörst nämlich ins Bett!“ Genervt rieb Seto sich über die Augen, berührte dabei die Wunde und zuckte zusammen.

„Mokuba, ich kann meine Arbeit nicht einfach liegen lassen!“ Der Junge trat einen Schritt auf ihn zu und beobachtete ihn genau.

„Doch du kannst und du wirst auch! Komm schon Seto, du musst immer noch höllische Kopfschmerzen haben. Vorhin durfte ich ja nicht mal das Licht einschalten. Meinst du vor dem Computer wird das Ganze besser?“ Er bekam keine Antwort.

„Du setzt dich jetzt, dann mache ich uns etwas zum Mittagessen und danach legst du dich wieder hin!“ Abschätzig schnaubte der Ältere.

„Ich habe lange genug geschlafen! Und Hunger habe ich auch keinen!“ Irgendwie hatte Mokuba in diesem Moment das Gefühl er wäre der Ältere.

„Ist dir noch schlecht?“ Darauf erhielt er nur ein knappes Nein.

„Dann kannst du auch was essen! Und wenn du dich nicht wieder hinlegen willst können wir auch etwas spielen oder du liest etwas. Von mir aus bringe ich dir auch ein paar deiner dämlichen Akten, aber deinen Laptop bekommst du nicht!“ Resigniert ließ sich der Ältere am Tisch nieder, den Blick starr auf den Rücken seines Bruders gerichtet.

„Moki?“ Der Kleine drehte sich nicht um.

„Hhm?“ Er stellte Seto ein Glas Wasser hin und legte eine Kopfschmerztablette daneben, dann wandte er sich wieder dem Herd zu.

„Soll Jessica bleiben?“ Jetzt wandte er sich doch um.

„Ja, ich mag sie. Warum fragst du?“ Seto legte seinen Kopf auf den Unterarmen ab.

„Nur so. Immerhin musst du ja mit ihr auskommen!“
 

Währenddessen saßen Jessie und Marianne in der Firmenkantine bei ihrem eigenen Mittagessen. Nach Mokubas Anruf hatten sie sich entschieden eine Pause einzulegen.

„Mhm, irgendwie tut mir Kaiba leid!“ Stellte Jessie kauend fest.

„Er muss schlimme Kopfschmerzen haben!“ Marianne verzog das Gesicht.

„Dann solltest du ehr Mitleid mit Mokuba haben. Kaiba kann unerträglich sein wenn er Kopfschmerzen hat!“ Jessie biss ein weiteres Mal von ihrem Hamburger ab.

„Kommt das öfter vor?“

„Leider ja. Kaiba hat Migräne. An solchen Tagen ist seine Laune dann im Keller. Dann bin ich wirklich froh, dass ich für ihn arbeite und nicht irgendeinen Vertrag mit ihm abschließen muss!“ Sie nahm einen Schluck ihres Kaffees und sah sich in der fast leeren Kantine um.

„Seit wann arbeitest du schon für Kaiba?“ Marianne sah Jessie lächelnd an.

„Inzwischen sind es vier Jahre. Ich habe meinen Realschulabschluss gemacht, meine Eltern sind umgezogen. Naja ich wollte hier bleiben. Mit siebzehn einen gut bezahlten Job zu finden ist nicht einfach, aber Kaiba hat mich überraschenderweise genommen. Ich war ziemlich überrascht, immerhin hatte ich keine Erfahrung und bin nur gut ein Jahr älter als er. Er hat mir eine gute Ausbildung ermöglicht!“ Jessie schluckte ihren letzten Bissen hinunter.

„Ist Kaiba wirklich so knallhart wie es in den Medien immer heißt?“ Einen Moment blieb es still zwischen den beiden Frauen.

„Du musst dir selbst ein Bild über ihn machen! Aber merk dir, wenn du deine Arbeit ordentlich machst und ihm nicht zu sehr wiedersprichst ist gut mit ihm auszukommen. Kaiba ist ein fairer Arbeitgeber. Und das was dieser Kai Anders herumerzählt gelogen. Kaiba hat ihn sogar finanziell unterstützt. Dass er trotzdem weiter sein Geld mit Wetten verpulvert hat ist ja kaum Kaibas Schuld!“

Jessie hatte einiges zum Nachdenken als sie sich wieder an die Arbeit machten und die Akten weiter sortierten.

Probezeitende und Wohnungssuche

Kapitel 11: Probezeitende und Wohnungssuche
 

Die nächsten eineinhalb Wochen verliefen ruhig, zumindest für Jessie. Hauptsächlich lag das wohl daran, dass sie ihrem Chef nicht über den Weg lief. Denn Marianne und Mokuba erzählten da ganz andere Dinge. Kaiba musste zwar an dem Montag noch einmal mit seinem Arzt gesprochen, dessen Rat sich noch ein paar Tage frei zu nehmen allerdings ignoriert haben. Moki erzählte dass sein Bruder kaum schlief und wieder zu viel arbeitete. Marianne vertraute Jessie an, dass Kaiba wohl noch immer Kopfschmerzen hatte und bei weitem nicht vollständig belastbar war. Trotzdem war er nie zuhause wenn Jessie Mokuba abholte, heimbrachte oder besuchte. Nicht dass sie es besonders störte, so blieb ihr Verhältnis distanziert und sie musste sich keine Sorgen machen ihm irgendwie zu nahe zu treten und so ihren Job zu verlieren. Es war ein Dienstagnachmittag. Jessie saß mit Mokuba am Küchentisch und spielte Karten als ihr Handy klingelte.

„Jessica hier!“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung.

„Kaiba!“ Knurrte ihr Chef leise. Jessie zog die Augenbrauen hoch und wandte sich ein wenig von dem Jungen ab.

„Was kann ich für sie tun?“

„Sie sind morgen früh um zehn in meinem Büro, wir haben etwas zu besprechen!“ Damit verabschiedete er sich bereits wieder und ließ eine verwirrte Jessie zurück.

„Wer war das?“ Fragte Mokuba neugierig. Kurz schüttelte sie verständnislos den Kopf.

„Dein Bruder. Er hat mich für morgen in sein Büro zitiert! Weißt du was er will?“ Mokuba verneinte, er hatte keine Ahnung.

„Ich habe ihn in den letzten Tagen kaum gesehen. Er ist ständig in der Firma und wenn mal nicht hockt er zuhause in seinem Büro!“ Traurig sah er auf seine Handkarten und warf dann eine auf den Stapel.

„Stört dich das denn nicht, dass er nie zuhause ist und in der letzten Zeit noch weniger.“ Mokuba zuckte mit den Schultern und betrachtete die Herz zehn, die Jessie abgelegt hatte.

„Was soll ich schon machen? Seto ist nun einmal so. außerdem ist es immer kurz vor seinem Urlaub immer besonders stressig, weil er sich dann um alles kümmern muss! Mau!“ Er legte eine Blatt Zehn ab. Jessie konterte mit der gleichfarbigen sieben und Moki zog zwei Karten.

„Ihr seid doch nur eine Woche weg, soviel kann er da doch gar nicht zu tun haben!“ Das Blatt Ass wanderte auf den Tisch, gleich gefolgt vom Eichelass und der Eichelneun.

„Mau Mau! Die Kaiba Corp ist riesig, du würdest nicht glauben wie viele kleine Einzelfirmen noch unter Setos Leitung laufen und noch dazu hat er kaum Vertrauen in seine Angestellten. Besonders jetzt nach den beiden Anschlägen!“ Das war schon irgendwie verständlich, aber nicht wirklich das wahre.

Als Jessie am nächsten Morgen den KC-Tower betrat war es kurz nach halb zehn und sie ließ sich gegenüber von Mariannes Schreibtisch auf einen Sessel fallen und beobachtete die Ältere. Schließlich sah sie auf und lächelte.

„Hey Jessie! Kaiba ist noch in einer Besprechung und so wie es Momentan aussieht wird das Ganze noch etwas dauern!“ Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und griff nach der Kaffetasse.

„Außerdem sei vorsichtig, er ist heute extrem reizbar und er hat Kopfschmerzen!“ Skeptisch beugte Jessie sich vor.

„Wie kannst du das immer so genau sagen? Fragst du ihn?“ Die Antwort war ein abschätzendes Schnauben.

„Das wäre glatter Selbstmord. Nein, es gibt zwei ziemlich eindeutige Zeichen, zumindest hier in der Firma. Erstens trägt er dann in 99 von 100 fällen seine Brille und zweitens massiert er sich ständig die Schläfen.“ Marianne kannte ihren Chef ziemlich gut, sie hatte allerdings auch eine kleine schwäche für ihn. Jetzt seufzte sie leise und sah wieder auf die Arbeit vor sich.

„Naja, immerhin habe ich auch Urlaub solange Kaiba nicht da ist.“ Jessie stützte sich auf den Armlehnen ab.

„Weißt du schon, was du machst?“ Die Ältere schüttelte den Kopf.

„Nein. Wegfahren will ich eigentlich nicht. Vielleicht hast du ja Zeit etwas mit mir zu unternehmen?!“ Jessie nickte abwägend.

„Klar, warum nicht. Wenn ich die Probezeit bestehe kommt Charly mich besuchen, ich würde ihn dir gerne Vorstellen!“ Bevor Marianne antworten konnte stürmte Kaiba an ihnen vorbei und sie nickte Jessie nur verschwörerisch zu, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte. Jessie erhob sich und wollte gerade Kaibas Büro betreten, als der ihr bereits wieder entgegenkam und sie beinahe über den Haufen rannte. Erschrocken machte sie einen Satz rückwärts um ihn vorbeizulassen.

„Was stehen sie da? Wir müssen los!“ Fauchte er sie an und marschierte zum Aufzug. Jessie folgte ihm eingeschüchtert. Fünf Minuten später saßen sie in einer schwarzen Limousine. Roland fuhr und Kaiba starrte stumm aus dem Fenster. Er trug seine Brille und hin und wieder rieb er sich die Schläfen. Er schien wirklich Kopfschmerzen zu haben. Eine Zeit lang schwieg Jessie, dann wurde es ihr allerdings zu blöde.

„Wo fahren wir hin?“ Kaiba sah sie nicht mal an, nahm lediglich einen Papierbogen vom Sitz neben sich und hielt ihn ihr hin. Kurz überflog Jessie ihn.

„Das ist eine Wohnungsanzeige?!“ Jetzt wandte er sich doch ihr zu.

„Ja, Mokuba und ich haben entschieden sie fest einzustellen! Also brauchen sie jetzt eine Wohnung!“ Mit vor Überraschung geweiteten Augen sah Jessie ihn an.

„Soll das heißen ich habe die Probezeit bestanden?“ Er nickte knapp und machte Jessie dadurch sprachlos.

„Moki will, dass sie bei uns einziehen. Überlegen sie sich ein paar Argumente um ihm das auszureden. Er wird…“ In diesem Moment klingelte sein Handy. Er ging ran und hielt ihr dann das teure Gerät hin.

„Hallo?“ Ihre Stimme hörte sich viel zu leise und unsicher an.

„Hey Jessie, hat Seto dich schon gefragt?“ Sie runzelte die Stirn.

„Was?“

„Na ob du bei uns einziehst!“ Sie strich sich durchs blonde Haar und atmete tief durch.

„Mokuba hör mal ich halte das nicht für so eine gute Idee!“ Angestrengt wie sie ihn von seiner Idee abbringen konnte.

„Weißt du ich wäre euch sicher nur im Weg und wenn ich mal Besuch hätte könnte er euch stören!“ Versuchte sie es, wobei ihr Kaibas durchdringender Blick nicht entging.

„Ach das ist doch kein Problem. Seto ist doch so gut wie nie zuhause, warum also sollte es ihn stören?! Und ich fände das wirklich nicht schlimm!“ Jessie schloss die Augen und atmete tief durch.

„Moki, hast du mal darüber nachgedacht was das für eine Belastung für mich wäre. Ich habe keine Lust mich von der Presse in der Luft zerreisen zu lassen! Wenn ich bei euch einziehe steht morgen in jeder Zeitung: HAT SETO KAIBA JETZT EINE BEZIEHUNG MIT DEM KINDERMÄDCHEN SEINES BRUDERS! Dann kann ich mich nicht mehr frei bewegen, willst du etwa den ganzen Tag zuhause bleiben? Nur weil die Paparazzi vor eurer Haustüre auf mich lauern?“ Der Junge schwieg.

„Und deinem Bruder wird es nicht anders ergehen!“ Sie hörte ein leises Seufzten und öffnete die Augen wieder. Kaiba schien zufrieden.

„Na gut! Aber ich darf dich jederzeit besuchen! ... Oh ich muss los. Sag meinem Bruder einen schönen Gruß und er soll heute Abend nicht so spät heimkommen!“ Dann legte der Junge auf.

„Einen schönen Gruß ihres Bruders. Er lässt ausrichten sie sollen heute Abend nicht zu lange Arbeiten!“ Kaiba überging die Bemerkung und zeigte aus dem Fenster.

„Das Haus ist zehn Gehminuten von unserer Wohnung entfernt!“ Jessie folgte seinem Finger zu einem Gebäude mit hellgelber Fassade. Roland hielt die Limousine direkt vor dem Eingang und stieg aus um ihnen die Türe zu öffnen. An der Haustüre wurden sie bereits von einer älteren, etwas pummeligen Frau erwartet, die ihr graues Haar zu einem Knoten aufgesteckt hatte und ein blaues Blümchenkleid trug.

„Guten Tag Mister Kaiba, mein Name ist Marlene Chandler! Wir haben telefoniert!“ Kaiba nickte ihr lediglich kurz zu und ignorierte die ausgestreckte Hand. Jessie dagegen ergriff sie.

„Schön sie kennen zu lernen. Mein Name ist Jessica Brown. Sie sind die Vermieterin?“ Die Frau nickte und lächelte sie freundlich an.

„Ja, das Haus gehört mir und meinem Mann Albert. Wir wohnen jetzt schon seit zwanzig Jahren hier!“ Kaiba verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte die Frau mit einem eiskalten Blick, den auch die Brille nicht abschwächen konnte.

„Wir sind hier um uns die Wohnung anzusehen!“ Gab er brüsk zu verstehen. Die Frau wurde ein wenig blass und wollte schon die Treppe im inneren hinaufeilen als Jessie sie leicht am Arm festhielt.

„Lassen sie sich ruhig Zeit. Immerhin suche ich eine Wohnung und nicht Mister Kaiba. Also lassen sie sich nicht von ihm einschüchtern!“ Das wiederum brachte ihr einen bösen Blick ein, den sie allerdings entschieden erwiderte. Schließlich seufzte er leise und sah auf seine Armbanduhr.

„Ihr habt eine Stunde.“ Jetzt folgte Jessie der Frau in den Zweiten Stock wo sie einen Schlüssel aus ihrer Rocktasche kramte und eine dunkle Holztür öffnete. Sie betraten einen kleinen Flur.

„Hier links geht es ins Wohn-und Esszimmer.“ Sie führte die beiden Besucher in ein großes helles Zimmer mit Blickrichtung auf einen bepflanzten Hinterhof. Das Zimmer war lediglich mit einem Tisch, vier Stühlen und einem Mittelgroßen Sofa eingerichtet. Sie zeigte auf die Tür an der gegenüberliegenden Wand.

„Hier geht es in die Küche.“ Sie ließ Jessie den Vortritt. Die Küchenschränke waren aus hellem Holz. Alles in allem war der Raum nicht besonders groß, doch für Jessie erschien sie genau richtig. Die Arbeitsplatten hatten genau die richtige Höhe, die Wandfließen hatten ein diskretes Blumenmuster in Hellblau und durch das Naturholz wirkte das ganze heimelig. Sie sah die Skepsis in Kaibas Blick.

„Die Küche ist wunderschön.“ Sie lächelte Marlene Chandler freundlich zu, die sie darauf in ein schmales, aber edel eingerichtetes Bad und ein freundliches Schlafzimmer mit kleinem Balkon führte. Die ganze Zeit über war es unnatürlich still. So als würde Kaiba der älteren Frau Angst einjagen.

„Was ist wenn Mokuba mal hier übernachten sollte? Du bräuchtest ein weiteres Zimmer!“ Stellte Kaiba kalt fest. Jessie wandte sich ihm zu und fixierte ihn mit ruhigem Blick.

„Mir gefällt die Wohnung sehr gut. Und egal was sie sagen ich werde sie nehmen. Was Übernachtungsgäste betrifft werde ich mir eine ausklappbare Couch besorgen.“

„Mein Bruder wird auf keiner Couch schlafen!“ Jessie atmete tief durch um nicht auszurasten.

„Natürlich werde ich in diesem fall auf der Couch schlafen!“ Einen Moment hielten sie ihr Blickduell noch aufrecht dann wandte er sich Marlene Chandler zu.

„Gut holen sie den Vertrag, wir nehmen die Wohnung!“

Urlaub

Kapitel 12: Urlaub

Dienstagmorgen. Wie die letzten Wochen auch wachte Jessie gegen acht Uhr auf. Allerdings musste sie nicht aufstehen. Mokuba und sein Bruder waren irgendwann in der Nacht in den Urlaub geflogen. Also hatte sie jetzt eine ganze Woche frei. Sie rollte sich auf die andere Seite, stellte jedoch bald fest, dass sie nicht mehr weiterschlafen würde können. Jessie beschloss im Park joggen zu gehen. Als sie gegen halb zehn zurückkam stand Marianne bereits vor der Tür.

„Jessie!“ Sie schloss die Tür auf und gemeinsam betraten sie die Wohnung.

„Was ist denn los?“ Die Ältere fuhr sich durchs Haar, dann platzte sie heraus.

„Was soll ich heute Abend anziehen?“ Überrascht sah Jessie ihre Freundin an.

„Ähm, muss ich das jetzt verstehen? Ich stell dir doch nur meinen Bruder vor und wir machen uns einen gemütlichen Abend!“ Sie ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Wasser. Dabei behielt sie Marianne die ganze Zeit über im Blick, die nervös mit dem Fuß wippte.

„Naja… du hast mir doch Bilder von deinem Bruder gezeigt und ich…!“ Jetzt wurde sie auch noch knallrot.

„Du möchtest ihn beeindrucken?“ Jessie lachte leise auf. Damit hatte sie eigentlich nicht so gerechnet, aber jetzt wo sie darüber nachdachte war es eigentlich nur logisch. Die beiden würden echt ein schönes Paar abgeben. Daher wurde sie etwas ernster.

„Trage einfach etwas, in dem du dich wohl fühlst. Dazu zählen aber deine Kostüme nicht. Ich habe das Gefühl in denen könntest du sogar Kaiba Respekt abringen!“ Aber das wollte Marianne nicht. Ganz davon abgesehen, dass sie Kaiba ehr wie einen Bruder behandelte war es ihr wichtig ihn zu unterstützen wo sie nur konnte. Jetzt ging sie gar nicht weiter darauf ein, sondern schien noch mit der Kleiderfrage beschäftigt, bevor sie nickend ging. Jessie blieb kopfschüttelnd zurück und ging unter die Dusche.
 

Marianne war überpünktlich. In dunklen Jeans und einem cremefarbenen Pullover. Ihr dunkles Haar hatte sie locker aufgesteckt. Sie wirkte nervös.

„Mari? Was ist los mit dir?“ Sie ließ sich auf die Couch fallen.

„Ach weißt du, ich hatte schon so lange keine Zeit mehr auszugehen und jemanden kennen zu lernen. Und dass ich einen festen Freund hatte ist mehr als zwei Jahre her! Irgendwie bin ich ganz schön nervös.“ Jessie wollte gerade etwas erwidern, als es an der Tür klingelte. Sie stand auf und fiel kurz darauf ihrem Bruder in die Arme.

„Na Kleine. Schicke Wohnung hast du hier!“ Freudestrahlend zog sie ihn in den Flur.

„Ist die Sonnenblume für mich?“ Er wuschelte ihr durchs Haar. Es war dieselbe Bewegung, die sie selbst immer Mokuba zukommen ließ.

„Für wen den sonst?“ Sie küsste ihn auf die Wange und führte ihn dann ins Wohnzimmer.

„Also, das ist Marianne Müller, sie ist eine Kollegin und gute Freundin! Marianne, das ist mein Bruder Charles! Wenn ihr mich kurz entschuldiget, ich muss hierfür eine Vase holen!“ Sie hob kurt die Sonnenblume an und verschwand dann mit ihr in der Küche. Als sie zurückkam katten sich ihre beiden Gäste kein Stück bewegt. Sie standen sich einfach gegenüber und sahen sich in die Augen. Jessie lächelte leicht. Genau damit hatte sie gerechnet.

„Ich habe ja nichts dagegen, wenn ihr euch den ganzen Abend anstarrt, aber dann sagt mir Bescheid, dass ich mir ein Buch holen kann!“ Marianne wurde tiefrot und auch Charles Ohren nahmen eine dunklere Farbe an. Jessie klatschte in die Hände.

„Also, bestellen wir uns Pizza?“ Charles stellte seine Reisetasche ab und setzte sich neben Marianne auf die Couch.

„Sicher doch Kleines!“
 

Sie verbrachten einen lustigen Abend zu dritt und als Marianne sich dann verabschieden wollte brachte Charles sie zur Tür. Jessie folgte in einigem Abstand.

„Hey, hast du Lust, irgendwann die Woche mit mir auszugehen?“ Schüchtern nickte Marianne und sah nicht einmal zu Jessies Bruder auf.

„Was hältst du von Donnerstag um halb acht?“ Jessie sah wie sie tief durchatmete und dann nickte.

„Klingt gut. Ich geb dir meine Nummer, dann können wir alles klären?!“ Schnell tauschten die beiden ihre Nummern, dann trat Jessie doch vor und umarmte ihre Freundin.

„Danke!“ bekam sie leise ins Ohr geflüstert.
 

Freitagmorgen, Jessies Telefon klingelt.

„Jessica Brown!“

„Jessie, ich bins!“ flüsterte Marianne am anderen Ende der Leitung.

„Wie war euer Date gestern?“

„Ich glaub ich bin in deinen Bruder verliebt!“ schwärmte die Ältere, „Es war einfach nur wow. Wir hatten so viel Spaß gemeinsam und haben uns so gut verstanden!“

„Warum flüsterst du?“

„Weil Charly noch schläft!“

„Soll das heißen mein Bruder liegt in deinem Bett?“ fragte Jessie entsetzt und musste sich erst einmal setzten.

„Es ist nicht so, wie du denkst! Er wollte dich nur nicht wecken müssen! Da habe ich ihm angeboten, dass er hier schlafen kann!“ Jessie schloss die Augen.

„Du musst dich nicht rechtfertigen! Es geht mich auch überhaupt nichts an! Weißt du was macht ihr euch doch einen schönen Tag zusammen!“
 

Tja am Ende dieses Tages waren sie ein Paar und für die restlichen Tage, die Charles in der Stadt blieb unzertrennlich. Jessie freute sich für die beiden. Immerhin hatte sie die beiden ja irgendwie zusammengebracht und es war schon ein gutes Gefühl die Menschen, die ihr so nahe standen glücklich zu sehen!
 

Und auch Mokuba strahlte vor Glück, als er aus dem Urlaub zurückkam. Kaiba hatte während der ganzen Woche keinen Computer angerührt und viel mit seinem kleinen Bruder unternommen. Da Mokuba sich gewünscht hatte, dass Jessie sie vom Flughafen abholen sollte, hatte sie auch die seltene Gelegenheit einen erholten Kaiba zu Gesicht zu bekommen und als sein kleiner Bruder jauchzend auf Jessie zugestürmt kam lächelte er sogar. Und dabei sah er so jung aus wie er war, ohne die aufgesetzte Maske des strengen Firmenbosses. Jessie wünschte sich dieses sanfte, so liebevolle Lächeln öfter bei Kaiba zu sehen. Vielleicht hätte sie in Zukunft ja die Chance dazu.

Special: Love at first sight

Kapitel 13: Special: Love at first sight

Charles Sicht:

Es war ein Dienstagnachmittag, irgendwann Mitte des Sommers. Genauer gesagt am vierzehnten August. Warum ich das noch so genau weiß? Es war einer der wichtigsten Tage meines Lebens.

Er war in jenem Sommer in dem meine kleine Schwester ihr Abitur gemacht hat und nach Domino fuhr um einen Freund zu besuchen. In jenem Sommer traf sie mit Seto Kaiba, dem weltbekannten Unternehmer, eine Vereinbarung und begann für ihn zu arbeiten. Es war jener Sommer in dem sie erwachsen wurde.

Der vierzehnte August war ein Dienstag. Den ganzen Tag schien bereits die Sonne und ich hatte Urlaub. Jessie war jetzt schon über einen Monat in Domino und hatte mich eingeladen sie zu besuchen.

Ich war ein wenig spät dran, weil ich das Haus nicht gleich gefunden hatte. Jessie war das egal, sie fiel mir freudestrahlend in die Arme. Ich konnte gerade noch die Sonnenblume die ich ihr mitgebracht hatte aus der Fluglinie bringen, schon hing sie an mir. Lächelnd erwiderte ich die Umarmung. „Na, Kleine. Schicke Wohnung hast du hier!“ Sie zog mich in den Flur und nahm mir die Blume ab. Dann führte sie mich in das Wohnzimmer. Auf der Couch saß eine junge Frau, sie hab den Kopf als wir eintraten.

„Also, das ist Marianne Müller, sie ist eine Kollegin und gute Freundin…“ Was meine Schwester noch sagte bekam ich gar nicht mehr mit. Mein Blick war gefangen.

Sie trug dunkle Jeans und einen cremefarbenen Pullover, die ihre schlanke Figur umschmeichelten. Ihre Finger waren schmal und manikürt. Sie hatte die violetten Fingernägel in den Saum ihres Pullovers vergraben und ihr ganzer Körper war gespannt wie eine Feder. So als wäre sie bereit jederzeit aufzuspringen und davonzulaufen. Sie hatte ihr schwarzes Haar locker aufgesteckt, sodass einzelne Strähnen ihr schmales, weich wirkendes Gesicht umschmeichelten. An ihren Ohrläppchen baumelten kleine silberne Schmetterlinge. Mein Blick verfing sich an ihren ebenmäßigen roten Lippen. Sie waren leicht geöffnet und schimmerten feucht, so als wäre sie gerade erst mit der Zunge darüber gefahren. Ihre Wangen waren leicht gerötet und dann sah ich in ihre Augen…

Dunkelviolett mit einem Hauch von Blau. Eine solche Farbe hatte ich noch nie gesehen. Es erinnerte mich an einen Sonnenuntergang. Kurz bevor die Sonne endgültig versinkt und die Wolken lila färbt. Er war die Farbe von Glockenblumen in voller Blüte. Und leuchteten wie der Amethyst, auf den ein Lichtstrahl fällt.

Mein Herz begann schneller zu schlagen und mein Atem beschleunigte sich, während die Welt um mich herum zum stillstehen kam und ich weiter in ihren Augen versank. Wärme breitete sich im mir aus, zog in jede Ecke meines Körpers. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch.

Ich wusste auf den ersten Blick: Das ist Liebe!

Jessies Geburtstag

Kapitel 14: Jessies Geburtstag

Der 4. September Jessies Geburtstag fiel dieses Jahr auf einen Dienstag. Das hieß sie musste eigentlich Arbeiten. Nicht dass es sie störte, aber Mokuba fand es nicht besonders nett, dass sein Bruder ihr nicht freigegeben hatte. Wie um das auszugleichen ging er überall mit ihr hin. Einkaufen, ihren Bruder Mike und seine Frau vom Bahnhof abholen und natürlich half er das Abendessen zu kochen. Gegen halb sechs waren alle in Jessies kleiner Wohnung versammelt. Da waren Mike und Claudia, Marlene und Albrecht Chandler, Charles und Marianne und natürlich Joey Mokuba. Der Junge fühlte sich erstaunlich wohl zwischen den älteren und hatte innerhalb von Minuten die anderen Männer zum Kartenspielen überredet. Also verzogen die fünf sich in eine Ecke des Schlafzimmers.

„Der Junge ist echt nett, das hätte ich gar nicht erwartet!“ Stellte Claudia fest, und alle Frauen sahen zu Mokuba hinüber. Marlene strich sich ihren Rock glatt.

„Das ist wahr. Mokuba ist wirklich ein Engel. Sein Bruder ist da ein ganz anderes Kaliber. Wenn du die beiden siehst glaubst du kaum, dass sie wirklich Brüder sind.“ Marianne schüttelte den Kopf.

„Marlene, wie oft muss ich ihnen noch sagen, dass sie Kaiba einfach noch nicht richtig kennengelernt haben. Er kann ebenso charmant sein wie sein Bruder!“ Jessie nippte an ihrem Sekt.

„Wenn es sein Terminplan denn zulässt!“ Murmelte sie leise in sich hinein, Marianne hatte sie allerdings gehört.

„Du weißt doch, dass er sehr viel zu tun hat, noch dazu heute Abend, da er mir erlaubt hat früher zu gehen. Immerhin bin ich nur deswegen schon da!“ Die Vermieterin schaute grimmig.

„Und wo ist er? Ich weiß, dass Jessie ihn ebenfalls eingeladen hat!“

„Er meinte, dazu hätte er keine Zeit, aber er würde Mokuba später abholen kommen!“ Claudias Augen leuchteten auf. Sie wollte ihn unbedingt kennen lernen. Wann hatte man auch schon die Möglichkeit einen so bekannten Mann wie Seto Kaiba zu treffen.

Es ging bereits auf elf Uhr zu als es schließlich an der Tür klingelte. Jessie erhob sich von der Couch und öffnete. Vor ihr stand Kaiba. Statt des sonst so typischen Anzugs trug er dunkle Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Seinen weißen Mantel hatte er über dem Arm. Er nickte ihr leicht zu und sie trat zur Seite um ihn in die Wohnung zulassen.

„Soll ich den aufhängen?“ sie streckte die Hand nach seinem Mantel aus. Er fasste kurz in seine Tasche und zog sein Handy und eine kleine Schachtel heraus, dann reichte er ihr das Kleidungsstück. Jessie hängte es an die Garderobe.

„Komm mit, die anderen sind im Wohnzimmer!“ Sie wandte sich um, um voran zu gehen, doch er hielt sie leicht am Oberarm fest.

„Hier!“ Damit drückte er die kleine Schachtel in die Hand und ging einfach an ihr vorbei. Jessie blieb perplex im Flur zurück, den Blick auf das kleine schwarze Kästchen in ihrer Hand gerichtet. Vorsichtig als könnte es jeden Moment explodieren öffnete sie den Deckel und schlug sich die Hand vor den Mund. Auf schwarzem Samt lagen zwei winzige silberne Rosenblüten. Die Ohrstecker waren so filigran und lebensecht gearbeitet, dass Jessie die Luft weg blieb. Die mussten teuer gewesen sein, viel zu teuer. Sie konnte sie nicht behalten, er war ihr Arbeitgeber und schenkte ihr teuren Schmuck. Aber sie musste zugeben, dass sie wirklich wunderschön waren. Rasch schloss sie die Schachtel wieder und legte sie schnell im Schlafzimmer ab, bevor sie Kaiba folgte. Sie würde ihn später darauf ansprechen, wenn sie unter sich wären.

Kaiba saß auf dem Sessel auf dem zuvor Joey gehockt hatte. Anscheinend hatte der Blonde seinem ehemaligen Erzfeind Platz gemacht, denn er saß nun neben Mokuba auf dem Boden. Es war sehr still im Zimmer.

„Also Leute, das ist Seto Kaiba! Mister Kaiba meine Brüder Charles und Mike und Mikes Frau Claudia!“ Noch immer war es sehr still, bis Mokuba sich erhob um seinen Bruder zu umarmen. Jetzt kam wieder Bewegung in die versammelte Menge und sie nahmen ihre Gespräche wieder auf. Nur Kaiba schien außen vor zu sein. Jessie trat zu ihm und beugte sich ein wenig zu ihm hinab.

„Möchten sie etwas essen?“ Es schien als wolle er ablehnen bis er Mokubas Blick begegnete. Er seufzte leise.

„Nur, wenn es keine Umstände macht!“ Jessie schüttelte den Kopf und bedeutete ihm ihr in die Küche zu folgen.

„Natürlich nicht, kommen sie.“ Jessie wandte sich dem Kühlschrank zu, während er sich am Tisch niederlies und seine blauen Augen sie beobachteten.

„Zum Abendessen gab es griechischen Nudelauflauf mit Fetakäse und Hackfleisch, das kann ich aufwärmen, oder…!“

„Nudelauflauf ist in Ordnung!“ Unterbrach er sie leise und richtete den Blick auf die Tischplatte. Jessie sagte nichts weiter sondern wärmte die Mahlzeit auf und legte Besteck vor ihn. Er reagierte nicht.

„Anstrengender Tag?“ Wollte sie sanft wissen, da sah er auf. Irgendwie sah er ein wenig geknickt aus.

„Eigentlich wollte ich früher Feierabend machen, aber…“ Er zuckte mit den Achseln und spießte eine Nudel auf.

„Haben sie ihren Geburtstag schön gefeiert?“ Zögernd ließ sie sich ihm gegenüber nieder und stützte die Unterarme auf den Tisch.

„Es war schön ja, und Mokuba war mir eine große Hilfe. Und ich finde es schön, dass sie zumindest noch ein wenig bleiben!“ Er starrte weiter auf seinen Teller.

„Nur wegen dem Essen. Sie kochen sehr gut!“ Jessie hörte überrascht Humor in seiner Stimme mitschwingen. Und sie freute sich über sein Lob. Immerhin konnte er sich jeden Sterne koch leisten und fand ihr essen gut!

„Die Ohrringe, die sie mir mitgebracht haben sind wirklich wunderschön, aber doch viel zu teuer. Ich kann sie nicht annehmen.“ Kurz funkelte es beleidigt in seinen blauen Augen auf, dann waren sie wieder ausdruckslos.

„Sie waren ein Geschenk, was sie damit machen Jessica interessiert mich nicht weiter. Wenn sie so empfinden, dann spenden sie sie eben!“ Damit war das Gespräch beendet. Und Kaiba war auch für den Rest des Abends schweigsam, obwohl Claudia sich wirklich um eine Unterhaltung bemühte. Um kurz nach Mitternacht löste sich die Feier dann langsam auf. Zuerst gingen Marlene und Albrecht. Kurz darauf brachen auch Mike und Claudia in ihr Hotel auf. Jessie schaffte es Marianne zu überreden, dass sie am nächsten Morgen alleine oder gegeben falls mit Mokubas und Joeys Hilfe aufräumen würde. Charles begleitete Kaibas Sekretärin natürlich. Kaiba hatte eine seiner Limousinen gerufen und bald darauf waren nur noch Jessie und Joey in der Wohnung. Joey würde über Nacht bleiben, da er fast auf der anderen Stadtseite wohnte und der Heimweg dann doch etwas lang wäre.

Geschäftsreise und Fußball

Kapitel 15: Geschäftsreise und Fußball

Die Sommerferien neigten sich langsam dem Ende und schließlich begann für Mokuba die Schule wieder. Ein Freitag als erster Schultag, wer auch immer auf diese dämliche Idee gekommen war. Mokuba wollte nach der Schule zu seinem Bruder in die Firma, also verabredete er sich mit Jessie dort.

Jessie war ein wenig spät dran und als sie die Chefetage erreicht hatte hörte sie Mokuba schon vom Aufzug aus.

„Seto, das ist nicht fair!“ Sie hatte die Bürotür fast erreicht, als Mokuba ihr weinend entgegen gelaufen kam. Sie fing ihn ab und spürte wie er das Gesicht an ihre Schulter presste. Tränen durchweichten ihr Shirt.

„Moki, was ist hier los?“ Der Junge schüttelte nur den Kopf.

„Ich will hier weg!“ Unsicher sah sie ihm nach, wie er zum Aufzug stapfte.

„Moki…“ Seto stand in seiner Bürotür und rief streng nach seinem Bruder. Der Kleine fuhr herum.

„Was?“ Wut loderte in seinen blauen Augen auf, die denen seines Bruders so ähnlich waren.

„Du hast es mir versprochen, Arschloch! Versprochen!“ schrie er Seto an und stürmte dann davon. Jessie sah Kaiba zusammenzucken, in seinen Augen blitzte Schmerz auf.

„Meinst du ich mache das absichtlich, Kleiner?“ Er seufzte und fuhr sich durchs Haar. Dann sah er Jessie an.

„Er wird heute nicht nachhause kommen!“ sieh zu, dass du weißt wo er steckt!“ Damit schlug er die Bürotür hinter sich zu und lies eine vollkommen verwirrte Jessie zurück. Nach kurzem Zögern machte sie sich auf die Suche nach Mokuba. Sie fand ihn in der Tiefgarage neben ihrem Auto auf dem Boden sitzend.

„Moki, was ist denn los?“ Er stand auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Können wir bei dir reden?“ Jessie nickte und schloss das Auto auf.
 

„Also was ist los?“ Mokuba saß neben Jessie auf ihrer Couch, hatte die Beine angezogen und hielt eine Tasse heiße Schokolade in der Hand.

„Seto fährt Montag für sieben Tage auf Geschäftsreise nach LA!“ brachte er schließlich tonlos hervor.

„Das ist doch nicht so schlimm, oder?“ merkte Jessie vorsichtig an.

„Nein, aber wir haben doch nächsten Samstag dieses wichtige Fußballspiel und Seto hat mir versprochen, dass er zuschaut!“

„Und jetzt kann er nicht?“ Mokuba schüttelte den Kopf.

„Er kann ständig nicht! Ich spiele seit vier Jahren Fußball und er hat mir noch nicht einmal zugeschaut. Immer ist irgendetwas dazwischen gekommen! Ich habe keine Lust mehr regelmäßig von meinem eigenen Bruder versetzt zu werden!“ Jessie verstand den Jungen, aber sie hatte auch den Schmerz in Kaibas blauen Augen gesehen.

„Willst du nicht vielleicht doch nochmal mit ihm reden?“ Entschieden schüttelte Mokuba den Kopf und trank einen Schluck Schokolade.

„Ich glaube jetzt würde ich ihn nur anschreien!“
 

Die nächsten beiden Tage herrschte Funkstille zwischen den beiden Brüdern. Bis Sonntagabend Jessicas Handy klingelte. Kaiba stand in dicken Lettern auf dem Display. Sie schaltete den Fernseher stumm, hob ab und stellte das Handy laut.

„Ja?“ Einen Moment war es still.

„Kann ich Mokuba sprechen?“ Der Junge neben ihr schüttelte entschieden den Kopf. Jessie seufzte leise.

„Bevor wir dieses Gespräch führen: Ich werde keine Partei ergreifen! Habt ihr beiden das verstanden?“ Mokuba nickte und auch Kaiba antwortete mit einem leisen ja.

„Heißt das er ist bei dir?“ Fragte er gleich darauf.

„Ja!“

„Aber er will mich nicht sprechen!“ Seine Stimme klang resigniert und Jessie warf Mokuba einen fragenden Blick zu, wieder schüttelte dieser den Kopf.

„Nein will er nicht!“ Kaiba seufzte.

„Okay dann…“

„Sie fliegen Morgen, oder?“ Unterbrach Jessie ihn.

„Nein, in einer knappen viertel Stunde!“ Das hieß er saß bereits im Flugzeug und es musste ihn Überwindung gekostet haben anzurufen.

„Bleibt Mokuba die Woche bei dir?“ Jessie bejahte.

„Ich muss Schluss machen. Tschüss Mokuba!“ Er legte auf.

„Tschüss Seto!“ flüsterte Moki leise und wischte sich eine Träne weg. Jessie sah ihn lange an.

„Warum wolltest du nicht mit ihm reden?“ Mokuba zuckte mit den Achseln.

„Es kam mir irgendwie falsch vor!“
 

Auch die nächsten Tage sprachen die Brüder kein Wort miteinander, obwohl Seto täglich anrief. Und jedes Mal verlief das Gespräch mit Jessie gleich.

„Er will immer noch nicht mit mir reden?“ Jedes Mal spürte Jessie die leise Hoffnung, die sie mit einem einzigen Wort zerstören musste.

„Nein!“ Dann seufzte er leise.

„Geht es ihm gut?“ Jessie fasste ihm darauf Mokubas Tag kurz zusammen, bevor er sich nach kurzem Schweigen verabschiedete. Jedes Mal nach Ende dieses Gesprächs stand Mokuba im Türrahmen und wischte sich eine Träne von der Wange.
 

Es war Donnerstagmittag als Mokuba den Jahrgangsstufentest Mathematik zurück bekam. Stolz zeigte er Jessie seine Eins.

„Das muss ich Seto erzählen!“ Als Jessie ihm nicht antwortete fiel ihm wieder ein, das er ja nicht mit seinem Bruder sprach.

„Ich vermisse ihn!“ Murmelte er leise und packte den Papierbogen weg.

„Dann ruf ihn an!“ Kurz zögerte er dann streckte er die Hand aus und nahm das Handy von Jessie entgegen. Er wählte. Es dauerte bis Seto abhob.

„Kaiba!“ Mokuba warf Jessie einen unsicheren Blick zu, diese sah ihn aufmunternd an.

„Hallo Seto!“ Kurz blieb es still, dann fragte er vorsichtig.

„Mokuba?“

„Ja ich bins! Alles in Ordnung? Du klingst so seltsam!“ Mokuba wurde hellhörig.

„Ja du hast mich geweckt! Hier ist es erst kurz nach vier Uhr morgens!“ Mokuba schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

„Mist die Zeitverschiebung! Seto das wollte ich wirklich nicht!“ Jessie musste grinsen.

„Moki das macht doch nichts! Ich es tut mir leid, dass ich Samstag nicht kommen kann!“

„Lass gut sein Seto! Vergiss es einfach! Wir können es sowieso nicht ändern!“ Mokuba rutschte unruhig auf dem Sitz herum.

„Du ich hab in dem Mathe Jahrgangsstufentest eine eins!“ platzte er dann heraus. Jessie lies den Motor an und fuhr los, während sich die beiden unterhielten. Schließlich legte Mokuba das Handy zur Seite.

„Und war das jetzt so schwer?“ Der Junge schüttelte den Kopf.
 

Samstagmittag. Jessie setzte Mokuba am Sportplatz ab.

„Also wir sind dann um drei da, okay? Ihr gewinnt das Spiel!“ Mokuba grinste und verschwand mit seiner Tasche in der Kabine. Jessie fuhr noch einmal nach Hause um Joey und Marlene abzuholen. Viertel vor drei wollten sie gerade aufbrechen, als es an der Tür klingelte. Jessie öffnete und ein sichtlich erschöpfter Kaiba stand vor ihr.

„Hi!“ murmelte er leise.

„Hi!“ sie ließ ihn zur Tür herein.

„Ich dachte du bist erst Montag zurück?“ Irgendwie hatte Jessie das Gefühl ihn nicht mehr siezen zu müssen und er wiedersprach auch nicht.

„Es ging schneller als gedacht!“ Das hieß wohl Kaiba hatte gedrängt und wie es schien mehr als eine Nachtschicht eingelegt.

„Seit wann bist du wieder da?“ Er zuckte mit den Schultern und begrüßte Joey und Marlene knapp.

„Nicht ganz eine Stunde!“ Marlene sah Seto böse an, der wich ihrem Blick aus.

„Okay, dann gehen wir, sonst verpassen wir noch den Anpfiff!“ drängte Joey.
 

Sie betraten gerade das Sportplatzgelände als die Mannschaften aus der Kabine kamen. Mokuba entdeckte sie und kam herüber gelaufen.

„Seto!“ Er fiel seinem Bruder um den Hals. Der hielt den Jungen einen Moment fest, dann schob er ihn von sich.

„Ich dachte du willst hier ein Spiel gewinnen?!“ Moki streckte ihm die Zunge raus und rannte dann zu seiner Mannschaft. Seto lächelte.
 

Joey beobachtete Seto von der Seite. Der Ältere hatte dunkle Ringe unter den Augen und stützte sich müde auf die Bande.

„Alles in Ordnung Kaiba?“ Dieser strich sich durchs Haar und nickte. Auch wenn Joey anderer Meinung war ließ er es auf sich beruhen. Stumm folgten sie dem Spiel. Mokubas Team gewann eins zu null und wer war der Torschütze zum Siegtreffer? Mokuba natürlich. Der Trainer lud Mannschaft und Fans zu Cola und Pizza ins Vereinsheim ein. Joey fing Mokuba vor der Kabine ab.

„Hey Moki, vielleicht solltest du mal mit deinem Bruder reden!“ Überrascht sah der Jüngere ihn ah.

„Warum?“ Der Blonde zuckte mit den Schultern.

„Weil er den Eindruck macht, als schlafe er gleich im stehen ein!“ Kurz zögerte Mokuba, nickte dann allerdings und folgte Joey. Kaiba saß auf einer Bank, den Kopf in die Hände gestützt und die Augen geschlossen.

„Seto?“ Sein Kopf fuhr hoch.

„Was ist?“ Müde blinzelte er in die Nachmittagssonne, Mokuba setzte sich neben ihn.

„Weist du, ich finde es toll, dass du es doch noch geschafft hast zu kommen. Aber es wäre mir lieber, wenn du nicht wieder bis zur totalen Erschöpfung gearbeitet hättest. Deswegen lässt du dich jetzt von Jessie oder Joey nach Hause fahren und gehst ins Bett, okay?“ Nach kurzem Zögern nickte Seto und erhob sich.

„Okay, dann bis später, Kleiner!?“ Joey hörte überrascht die Unsicherheit in Kaibas Stimme und auch Mokuba schien sie zu bemerken, denn er umarmte seinen Bruder kurz.

„Bis später!“ sagte er fest.

Jessie fuhr Seto nach Hause und später dann auch Mokuba. Der Junge sprang grinsend aus dem Wagen, er freute sich, dass sein Bruder wieder da war. Kurz wandte er sich noch einmal Jessie zu und winkte.

„Bis morgen dann!“ Er ging zum Aufzug. Er wollte morgen mit Jessie und Joey in den Zoo und vielleicht würde Seto ja auch mit kommen!

Special: Brotherly love

Kapitel 16: Special: Brotherly love

Setos Sicht

Ich stand in LA am Fenster meines Hotelzimmers und blickte hinaus auf die nächtliche Stadt. Hell leuchteten die Lichter. Irgendwie kam mir all das unter mir unwirklich vor. Vielleicht lag das aber nur daran, dass ich weder Kontaktlinsen noch meine Brille trug. Alles war unscharf und verschwommen. Seufzend trank ich einen Schluck aus meiner Tasse. Tee. Seit Jessie da war stand in meinem Küchenschrank viel zu viel Tee. Pfefferminz, Apfel, Kirsche, Brennnessel, Früchtetee, Kamille, Fenchel… Aber irgendwie hatte ich mich daran gewöhnt, inzwischen trank ich mehr Tee als Kaffee. Eigentlich sollte ich ja schlafen, aber damit hatte ich so meine Probleme. Ich schlief von Hause aus nicht besonders viel, aber damit kam ich zurecht. Nur seit ein paar Tagen hatte ich kaum ein Auge zugetan. Sicher lag das zum Teil an dem Flug. Wir haben etliche Zeitzonen überflogen und wenn ich ehrlich bin kam ich damit noch nie gut zurecht. Aber den Großteil der Schuld muss ich mir wohl selbst geben. Ich war überarbeitet. Ich war gerade mal eine halbe Stunde zurück im Hotel, das Geschäftsessen hatte länger gedauert als geplant. Zwei Uhr nachts! Ich fuhr mir durchs Haar und setzte mich auf die Bettkante. Wahrscheinlich wäre ich schon längst im Stehen eingeschlafen, wenn da nicht die pochenden Kopfschmerzen wären, die mich einfach nicht zur Ruhe kommen lassen. Verdammt! Ich massierte mir die Schläfen, trank meinen Tee leer und legte mich dann auf den Rücken. Langsam begannen die Schmerzmittel zu wirken. Ich seufzte erleichtert und drehte mich auf die Seite. Mein Blick fiel auf das Foto auf dem Nachttisch. Mokuba. Ich hatte seit Freitag nicht mehr mit ihm gesprochen. Jessica erzählte mir zwar immer was er so tat, aber das war nicht das gleiche. Ich wollte seine Stimme wieder hören, sein fröhliches Lachen. Ich würde niemals einschlafen. Traurig betrachtete ich das Foto. Es stammte aus unserem Urlaub und Mokuba sah wirklich glücklich aus. Ich hatte es wieder mal vermasselt. Ich drehte mich auf die andere Seite um dem plötzlich anklagend wirkenden Blick meines Bruders zu entgehen. Tränen verschleierten meinen Blick, es tat weh Mokuba enttäuschen zu müssen. Aber welche Wahl hatte ich denn?

DU HAST ES MIR VERSPROCHEN ARSCHLOCH! VERSPROCHEN!

Mokubas Worte halten in meinen Gedanken wieder und ich zuckte zusammen. Er hatte recht! Ich konnte nicht einmal ein einfaches Versprechen halten. Aber ich wollte es trotzdem versuchen. Ich wollte bis Samstag drei Uhr Nachmittag wieder in Domino sein um meinem Bruder beim Fußball zuschauen zu können. Ich wusste, dass es unmöglich zu schaffen war. Irgendwann schlief ich dann doch ein.
 

Irgendwann mitten in der Nacht klingelte mein Handy. Mit geschlossenen Augen tastete ich auf dem Nachttisch danach und hob ab.

„Kaiba!“ murmelte ich leise in den Hörer.

„Hallo Seto!“ Ich saß ruckartig aufrecht im Bett. Meine Hand krallte sich ins Laken, mir wurde schwindelig. Verdammt mein Kreislauf spielte nicht mit! Ich wartete bis mein Körper wieder halbwegs im Gleichgewicht war, dann lehnte ich mich ans Kopfteil.

„Mokuba?“ Auch wenn ich die Stimme meines Bruders unter tausenden heraushören würde war ich mir unsicher. War das ein schlechter Scherz, wollte mich jemand verarschen?

„Ja ich bins! Alles in Ordnung bei dir? Du klingst so seltsam!“ Ich schloss die Augen und fuhr mir durchs Haar.

„Ja, du hast mich nur geweckt!“ Ich schielte auf den Wecker und musste mehrfach blinzeln bis ich die zahlen entziffert hatte. Wo hatte ich eigentlich meine Brille abgelegt? Ach egal.

„Hier ist es erst kurz nach vier Uhr morgens!“ Ich konnte mir vorstellen, wie er sich die Hand vor die Stirn schlug.

„Mist die Zeitverschiebung! Seto das wollte ich wirklich nicht!“ Ich glaubte Jessie im Hintergrund kichern zu hören war mir allerdings nicht sicher.

„Moki das macht doch nichts! Ich es tut mir leid, dass ich Samstag nicht kommen kann!“ Mir wurde schlecht, warum schaffte ich es einfach nicht Mokuba und die Firma unter einen Hut zu bekommen ohne immer Mokuba zu enttäuschen.

„Lass gut sein Seto! Vergiss es einfach! Wir können es sowieso nicht ändern!“ Seine Worte beruhigten mich nicht gerade, doch ich ließ es gut sein und legte mich wieder hin als Mokuba etwas von Noten und Schule erzählte. Ich war so müde und jetzt wo Mokuba und ich wieder miteinander redeten hatte ich das Gefühl wieder besser schlafen zu können. Ich dämmerte weg, hörte nur Mokubas Stimme. Irgendwann unterbrach er sich.

„Seto bist du noch da?“ Ich brummte nur irgendetwas Unverständliches in den Hörer.

„Okay ich glaube ich lass dich jetzt schlafen. Bis bald Seto!“ Ich schaffte es nicht mal das Handy wegzulegen, da war ich schon eingeschlafen.

Zoobesuch

Kapitel 17: Zoobesuch
 

Es war kurz nach acht, als Jessie an Kaibas Wohnungstür klingelte. Fast sofort öffnete Mokuba, und hielt einen Finger auf die Lippen.

„Sei leise! Seto schläft noch! Warum hast du nicht deinen Schlüssel benutzt?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Weil dein Bruder wieder zu Hause ist!“ Mokuba seufzte leise und winkte sie ins Wohnzimmer.

„Ich muss meine Sachen noch holen!“ Damit drehte er sich zum zweiten Flur um. Und rannte fast mit seinem Bruder zusammen. Kaiba stand verschlafen im Eingang. Um seinen Körper schlackerte ein viel zu großes T-Shirt und er hatte die Hände in den Taschen seiner Jogginghose vergraben.

„Was ist hier los?“ Erschreckt sah Mokuba ihn an.

„Tschuldigung, wir wollten dich wirklich nicht wecken! Ich gehe mit Jessie und Joey in den Zoo!“ Kaiba fuhr sich durchs Haar und seufzte.

„Warum hast du nichts gesagt?“ Unsicher sah der Kleine zu ihm auf.

„Naja, als ich gestern nach Hause kam, da hast du schon geschlafen und ich wollte dich nicht unbedingt wecken!“ Kaiba sah zum Fenster.

„Ich habe frei. Immerhin sollte ich noch in LA sein, also…“ Jetzt sah er Jessie in die Augen.

„Darf ich mitkommen?“ Überrascht sah sie ihn an, dann nickte sie. Er wandte sich ab.

„Okay gebt mir zehn Minuten, dann bin ich fertig!“
 

Joey saß am Steuer. Er war überrascht gewesen, dass Kaiba ihm einfach die Schlüssel in die Hand gedrückt hatte, als sie ihn abgeholt hatten. Vorsichtig lenkte er den teuren Wagen auf den Parkplatz. Kaum stand er, da sprang Mokuba schon aus dem Wagen und streckte sich. Jessie folgte ihm langsamer und öffnete den Kofferraum.

„Soll ich etwas nehmen?“ Sofort stand Moki an ihrer Seite.

„Hier zieh die an!“ Sie reichte ihm seine Jacke und wartete bis er hineingeschlüpft war.

„Und die gibst du deinem Bruder!“ Seto stand vorne am Wagen und starrte blicklos vor sich auf den Weg. Er war leger gekleidet. Trug Jeans und ein dunkelgraues Sweatshirt. Mit der Brille und den leicht verstrubbelten Haaren hatte er wenig Ähnlichkeit mit dem knallharten CEO, den die Öffentlichkeit kannte. Jessie nahm ihren Rucksack aus dem Auto und trat zur Seite, damit Joey seine Fototasche und Jacke nehmen konnte. Er war überrascht, dass Kaiba wirklich mitgekommen war. Das Moki seinen Bruder fragen würde, hatte er erwartet, aber dass dieser auch ja sagen würde. Und anscheinend auch sehr kurzfristig, da Mokuba nicht Bescheid gesagt hatte. Jetzt blickte Seto etwas überrascht zu Moki und nahm seine Jacke entgegen.

„Ich will unbedingt die Tiger sehen und die Elefanten und…“ Kaiba schob den Jungen Richtung Zooeingang.

„Wenn wir nicht reingehen, wirst du keines der Tiere sehen!“ Unterbrach er seinen Bruder trocken. Gemeinsam gingen sie zur Kasse, während Mokuba ständig ein neues Tier aufzählte, das er unbedingt sehen wollte. Kaiba seufzte leise.

„Ihr wartet hier. Ich gehe schnell die Karten kaufen!“ Zwischen den ganzen lachenden Familien wirkte er irgendwie verloren. Fünf Minuten später drückte er jedem ein Ticket in die Hand und wollte sich abwenden, als Joey ihn am Ärmel festhielt!

„Was bekommst du von mir?“ Blaue Augen fixierten ihn kalt.

„Nichts, fühl dich eingeladen!“ Fauchte Kaiba und wollte sich losmachen. Doch Joey hielt ihn fest, spürte wie Kaibas Muskeln unter seiner Hand hart wurden.

„Ich kann mir den Eintritt leisten!“ Damit ließ er den Größeren wieder los. Der vergrub die Hände in den Hosentaschen.

„Glaub ich dir! Trotzdem lade ich dich ein!“ Kaiba klang genervt und Joey lies es gut sein. Vorerst. So einfach würde er sich nicht geschlagen geben, er wollte Kaiba nichts schuldig sein.

„Okay!“ Kaiba entspannte sich sichtlich und deutete auf die Ticketkontrolle.

„Kommt, bringen wir es hinter uns!“
 

Mokuba hatte den Plan ausgebreitet und deutete auf den einzigen Weg, der vom Eingang wegführte.

„Da müssen wir lang!“ Sie stapften los und blieben am ersten Gehege stehen.

„Sieh mal Jessie, die Giraffe dort hinten hat ein Junges!“ Joey hatte seine Kamera gezückt und Kaiba hielt sich im Hintergrund. Und so ging das die erste halbe Stunde weiter. Mokuba redete munter drauflos, Jessie hörte ihm zu, Joey fotografierte und Kaiba trottete eher lustlos hinter ihnen her.

Schließlich betraten sie eines der Vogelhäuser. Mokuba lief zusammen mit Jessie vorweg. Joey dagegen war langsamer und knipste die bunten Paradiesvögel. Ein Mann rempelte ihn an, sodass die Verschlusskappe seines Objektivs zu Boden fiel. Kaiba bückte sich um sie aufzuheben. Er schwankte und nur Joey, der geistesgegenwärtig nach ihm griff hielt ihn auf den Beinen.

„Kaiba! Was ist los?“ zischte er leise. Der Ältere machte sich los und ging Richtung Ausgang.

„Die Luft hier drinnen! Ich warte draußen.“ Er war außer Hörweite, bevor Joey etwas erwidern konnte. Der holte schnell Jessie ein.

„Jess, ich glaube Kaiba ist schwindelig! Er ist fast umgekippt und meinte er würde draußen warten!“ Sie nickte knapp. Vielleicht lag es nur an der feucht warmen Luft, des tropischen Klimas, trotzdem wollte sie nach Kaiba sehen. Mokuba hielt sie auf.

„Wo willst du hin?“ Beruhigend lächelte sie den Jungen an.

„Deinem Bruder scheint die Luft hier drinnen nicht so zu bekommen, ich will nach ihm sehen! Schau dir mit Joey die Vögel an, wir warten draußen!“ Mokuba wirkte nicht allzu zufrieden mit der Antwort ließ sie allerdings gehen.
 

Kaiba hockte gegenüber dem Vogelhaus auf einer Holzbank, leicht nach vorne übergebeugt und hatte den Kopf in die Hände gestützt.

„Seto?“ Jessie hockte sich vor ihn.

„Alles in Ordnung!“ murmelte er leise, sah sie jedoch nicht an. Noch dazu war er blass und wirkte alles andere als fit.

„Seto, ich glaube du hast ernsthafte Schwierigkeiten mit deinem Kreislauf. Joey meint du wärst fast umgekippt. Und das liegt nicht alleine an der Luft da drinnen!“ Er reagierte nicht auf ihre Worte.

„Also, was ist los mit dir?“ Unter den Wimpern hervor sah er sie vorsichtig an.

„Mir ist schwindelig, schlecht und ich habe Kopfschmerzen!“ murmelte er schließlich kleinlaut.

„Und wann hast du zuletzt etwas gegessen? Und sei ehrlich, ich weiß, dass du nicht gefrühstückt hast!“

„Was geht dich das an?“ fuhr er sie an. Jessie legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, er verspannte sich.

„Willst du deinem Bruder den Tag verderben, indem du uns zusammenklappst und wir einen Krankenwagen rufen müssen? Er macht sich sowieso ständig Sorgen um dich!“ Er seufzte leise und lies die Schultern hängen.

„Keine Ahnung, wann!“ Jessie fehlten die Worte, er wusste nicht, wann er zuletzt etwas gegessen hatte. Sie holte ein belegtes Brötchen aus ihrem Rucksack und hielt es ihm hin.

„Hier iss!“ Abwehrend schüttelte er den Kopf.

„Das ist deins!“ Sie verdrehte die Augen.

„Ich habe acht belegte Brötchen, vier Muffins und vier Äpfel dabei! Also iss!“ Einen Moment zögerte er noch, dann gehorchte er. Nach einigen Minuten richtete er sich gerade auf.

„Besser?“ Er nickte leicht und nahm die Wasserflasche entgegen, die sie ihm hinhielt. Jessie stand auf und setzt sich neben ihn auf die Bank.

„Warum isst du nicht regelmäßig?“ Er wich ihrem Blick aus, schob die Brille etwas hoch und rieb sich über die Augen.

„Ich möchte nicht darüber reden!“ murmelte er erstickt. Jessie strich ihm sanft über den Arm. Er zuckte zusammen entspannte sich dann allerdings wieder.

„Okay! Aber sag mir Bescheid, falls es dir wieder schlechter gehen sollte!“Er nickte leicht und richtete sich wieder auf. Allerdings wich er noch immer ihrem Blick aus.

Ein paar Minuten später kamen Joey und Mokuba aus dem Vogelhaus. Joey hatte die Kamera erhoben und fotografierte Jessie und Kaiba. Mokuba rannte auf seinen Bruder zu.

„Seto, ist alles in Ordnung?“ Dieser lächelte leicht.

„Klar, Kleiner. Von der stickigen Luft da drinnen hab ich nur Kopfschmerzen bekommen!“ Der Junge ließ sich damit abspeisen, vor allem auch weil Jessie nicht widersprach. Der Rest des Tages verlief fröhlich. Seto beteiligte sich viel mehr an dem Ausflug und ihm war deutlich anzusehen, dass es ihm besser ging. Die vier hatten jede Menge Spaß!

Fotos und Narben

Kapitel 18: Fotos und Narben
 

Es war Montagabend. Joey kam erst gegen neunzehnuhrdreißig aus dem Büro. Die Besprechung bezüglich der neuen Fotos hatte länger gedauert, als geplant. Eigentlich hatte er vorgehabt kurz in seiner Wohnung vorbeizugehen bevor er zu Kaiba ging. Das fiel jetzt allerdings flach. Sollte er das Ganze auf ein andermal verschieben? Nein, immerhin ging es hierbei um Geld. Er blieb anderen nur ungern etwas schuldig, vor allem wenn es sich bei diesem anderen um Kaiba handelte. Also machte er sich auf den Weg zu Kaibas Wohnung und hoffte, dass dieser ausnahmsweise nicht bis Mitternacht in der Firma war. Der Pförtner ließ ihn ohne Probleme in das Hochhaus. Immerhin war er in den letzten Wochen oft bei Mokuba zu Besuch gewesen und daher kein Unbekannter. Er grüßte den Mann freundlich und fuhr dann mit dem Aufzug nach oben. Vor der Wohnungstür atmete er noch einmal tief durch. Dann klingelte er. Es dauerte etwas bis leise Schritte zu hören waren, dann wurde die Tür abrupt aufgerissen. Vor ihm stand Kaiba persönlich. Dunkle Jeans saßen tief auf seinen schmalen Hüften, sein Oberkörper war frei, nur um seine Schultern hing ein Handtuch. Er rieb sich mit einem Ende durch das nasse Haar, anscheinend kam er direkt aus der Dusche. Anscheinend war er nicht besonders begeistert von der Anwesenheit des Blonden, doch Joey bemerkte das gar nicht. Sein Blick hing an der nackten Brust seines Gegenübers. Dünn war der Ältere schon immer gewesen, aber dass er dermaßen abgemagert war, dass man jede Rippe erkennen konnte erschreckte ihn. Aber er war nicht nur dünn, sondern seine Haut auch von etlichen schrecklichen Narben bedeckt. Narben, die von keinem Unfall stammen konnten. Woher Joey das so genau wusste? Er trug ähnliche Narben. Die kleinen runden stammten von Zigarettenkippen und bedeckten seine empfindlichen Flanken. Seine Handgelenke waren rundherum vernarbt. Irgendjemand hatte ihn gefesselt, über längere Zeit. Kleine parallele Narben zogen sich fein über seine Arme. Narben, die er sich wohl selbst zugefügt hatte.

„Du wirst jetzt wohl kaum abhauen!“ murmelte Kaiba leise und drehte sich um, um Joey in die Wohnung zu lassen. Joeys Magen verkrampfte sich. Es war nicht das erste Mal, dass er mit …Missbrauch zu tun hatte. Aber der Zustand von Kaibas Rücken… Wer auch immer ihm das angetan hatte musste ihm regelrecht die Haut vom Rücken geprügelt haben.

„Kaiba…“ Seine Stimme klang erstickt. Kalt starrten die blauen Augen ihn über die Schulter hinweg an.

„Spar dir dein Mitleid, Wheeler!“ Doch der Jüngere dachte daran, dass ihm dasselbe Ausmaß an häuslicher Gewalt gedroht hatte. Allerdings hatte jemand sich seiner angenommen.

„Danke!“ Skepsis schlich sich in den kalten Blick.

„Wofür?“ Joey hielt Blickkontakt.

„Das warst du damals, der meinen Vater angezeigt hat, nicht wahr?“ Kaiba starrte blicklos vor sich hin.

„Ich meine, du kannst es als einziger gewesen sein. Du wusstest es, weil du das alles selbst erlebt hattest!“ Der Ältere wirbelte herum.

„Sei still!“ Er widersprach allerdings nicht, also war er es wohl wirklich.

„Danke!“ wiederholte Joey leise. Wortlos führte Kaiba ihn ins beleuchtete Wohnzimmer. Der Jüngere sog die Luft durch die Zähne, Kaiba hatte ein paar unschöne an Schultern, Oberarme und am rechten unteren Rippenbogen.

„Möchtest du etwas trinken?“ Joey schüttelte den Kopf und lies sich auf die Couch fallen. Kaiba tat es ihm gleich, allerdings wesentlich langsamer und mit einer Hand auf den Rippen.

„Was ist passiert?“ Blaue Augen fixierten Joeys Gesicht.

„Ich habe im Training ein paar Schläge nicht geblockt!“ Mokuba hatte irgendwann einmal erwähnt, dass sein BruderKampfsport betrieb. Allerdings konnte sich Joey an keine Details mehr erinnern. Sein Blick fiel auf die Kameratasche neben ihm.

„Ich würde gerne ein Foto machen!“ Kaiba fuhr auf.

„Was?“ Unsicher fuhr sich Joey durch das blonde Haar und wich dem Blick des Älteren aus.

„Als ich mit der Ausbildung angefangen habe, da habe ich Bilder für eine Reportage über eine Rehaklinik geschossen. Damals habe ich mit Menschen Bekanntschaft gemacht, die ähnliches erlebt hatten wie ich. Und ich hatte plötzlich das Gefühl diesen Menschen eine Stimme geben zu müssen. Ich habe ihre Geschichten gesammelt und Bilder gemacht!“ Er hob den Kopf ein wenig, da Kaiba ihn noch immer nicht unterbrochen hatte.

„Das Projekt heißt Narben und…“ Er holte tief durch, Kaiba schüttelte abwehrend den Kopf, rieb sich die Unterarme.

„Nein, ich werde nicht an die Öffentlichkeit gehen!“ Joey erhob sich nun ebenfalls.

„Das musst du nicht! Du musst auf den Fotos weder dein Gesicht zeigen, noch werde ich deinen Namen veröffentlichen. Ich werde dafür sorgen, dass keiner diese Bilder mit dir in Verbindung bringen wird, solange du das nicht möchtest!“ Lange sahen sie nur einander in die Augen, dann senkte Kaiba den Blick.

„Okay, du bekommst deine Fotos!“ Joey war ein wenig überrascht, als Kaiba ihn in das Klavierzimmer führte.

„Was soll ich tun?“ Kurz sah Joey sich um.

„Stell dich an das Klavier, den Rücken zu mir und schau nicht in die Kamera!“ Nach kurzem Zögern gehorchte Kaiba.

„Zeigen die anderen ihr Gesicht?“ fragte er schließlich leise und streckte eine Hand aus um leicht über den Flügel zu streichen. Joey fotografierte, änderte immer wieder den Standpunkt.

„Manche, aber viele wollen wie du nicht erkannt werden! Außerdem hat das eine ganz andere Wirkung. Wenn sie dein Gesicht nicht kennen, beurteilen sie dich nicht nach deinem Status oder Charakter. Der Betrachter sieht wirklich nur das, was dir in deiner Vergangenheit zugestoßen ist!“ Plötzlich klingelte es an der Tür. Kaiba seufzte und fuhr sich durch das inzwischen trockene Haar. Dann ging er die Tür öffnen. Joey packte seine Kamera ein, jetzt sollte er wohl gehen. Als er zurück ins Wohnzimmer kam um sich zu verabschieden stand Kaibas Arzt im Durchgang und betrachtete den geschundenen Körper seines Gegenübers.

„Da haben sie wieder einmal ein paar schöne Prellungen abbekommen! Vor allem diese beiden hier!“ Er deutete auf die linke Schulter und die bereits erwähnten Rippen. Kaiba zuckte mit den Achseln und verspannte sich dabei ein wenig. Anscheinend musste es wirklich weh tun, was auch der Arzt zu bemerken schien. Er dirigierte Kaiba auf einen Küchenstuhl und öffnete seinen Koffer.

„Sie bekommen einen Salbenverband und ich bandagiere ihnen Schulter und Rippen.“ Gesagt getan und zu Joeys Überraschung hielt Kaiba tatsächlich ohne zu murren still und lies den Arzt seine Arbeit verrichten.

„Halten sie den Arm ein paar Tage ruhig. Wegen den Schmerzen…nehmen sie ihre Schmerzmittel nicht auf leeren Magen, das tut ihnen nicht gut!“ Etwas unwillig nickte Kaiba und verabschiedete den Mann, dann sah er zu Joey.

„Warum bist du eigentlich hier Wheeler?“ Der Angesprochene rang die Hände.

„Naja, eigentlich wegen gestern. Ich meine, ich möchte dir den Eintritt bezahlen und…“ Kaiba winkte ab.

„Lass stecken, Wheeler, ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich dich einlade!“ Misstrauisch sah Joey ihn an.

„Von dir? Sicher, dass da kein Haken dran ist?“ Kaiba streckte sich vorsichtig und sah Joey ernst an.

„Wenn du dich dabei so schlecht fühlst kannst du uns ja ein Abendessen kochen. Ich hole mir etwas zum anziehen!“ Damit ließ er Joey alleine zurück, der damit begann die Küchenschränke zu durchsuchen und sich schließlich für gebackene Eier entschied. Er stellte gerade zwei Teller auf den Tisch, als Seto zurückkam.

„Ich hätte ja eigentlich damit gerechnet, dass du dich aus dem Staub machst!“ Joey deutete über seine Schulter Richtung Tür.

„Soll ich gehen?“ Doch zu Joeys Überraschung schüttelte Kaiba den Kopf.

„Schon gut, wenn du willst kannst du bleiben. Wir können und ja einen Film anschauen, oder so!“ Joeys Kinnlade fiel herab, war dieser Vorschlag gerade eben etwa aus Kaibas Mund gekommen?

„Ähm…geht’s dir gut Kaiba?“ Der Ältere schnaubte leise.

„Du musst nicht bleiben, Wheeler!“ Joey fiel auf, dass Kaiba ihn noch nicht einmal als Köter bezeichnet hatte, irgendwie verwunderlich.

„Schon gut, so war das nicht gemeint! Ich bleibe!“ Sie nahmen ihr Abendessen mit ins Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch.

„Wo ist eigentlich dein Bruder?“ Kaiba streckte sich langsam nach der Fernbedienung, dabei verzog er leicht das Gesicht.

„Bei einem Freund!“ Das war lange das letzte Wort, das die beiden gesprochen hatten. Irgendwann gegen Mitte des Films sah Joey zu Kaiba. Der Ältere war etwas herunter gerutscht, sein blaues T-Shirt allerdings nach oben. Der weiße Verband blitzte ein wenig hervor. Er hatte die Augen geschlossen. Kaiba war tatsächlich eingeschlafen. Joey holte seine Kamera und schoss noch ein Foto, einfach, weil der sonst so kalte und ernste Mann nun entspannt und friedlich wirkte. Dann beugte er sich vor und schüttelte ihn leicht an der Schulter.

„Kaiba?“ Er zuckte hoch, die Augen von Müdigkeit verschleiert.

„Was ist?“

„Du bist eingeschlafen! Und naja ich würde dann nach Hause gehen!“ Der Ältere erhob sich und streckte sich.

„Okay, ich fahr dich!“ Überrascht sah Joey ihn an, akzeptierte das Angebot aber.
 

Als Joey nach Hause kam war es bereits Zweiundzwanziguhr. Nach kurzem Zögern griff er nach dem Telefon und rief Jessie an.

„Hey Joey wie geht’s?“ Meldete sie sich fröhlich.

„Ich war gerade bei Kaiba!“

„Was ist passiert?“ Joey schluckte schwer.

„Vor ein paar Jahren gab es Gerüchte, Gozaburo hätte seinen Ziehsohn misshandelt! Kaiba ist von Narben übersät!“ Jessie war still am anderen Ende der Leitung, dann räusperte sie sich.

„Heißt das, er hat dasselbe erlebt wie du?“

„Soweit ich das sagen kann war es bei ihm wesentlich schlimmer! Warum verdammt nochmal passiert das in so vielen Familien? Warum tun Eltern das ihren Kinder an?“ Jessie wusste, dass er sich, wenn sie ihn jetzt nicht unterbrach, stundenlang da hineinsteigern würde.

„Joey, du kannst nichts daran ändern! Du kannst weder das, was dein Vater dir angetan hat, noch was Kaiba in seiner Vergangenheit erlebt hat rückgängig machen!“

„Was willst du mir damit sagen?“ fragte Joey unsicher.

„Du hast Kaibas Narben heute das erste Mal gesehen?“

„Ja, aber warum fragst du?“ Jessie atmete tief durch.

„Überleg doch mal Joey! Du warst wie lange in einer Klasse mit ihm und hast doch immer nur den reichen Firmenchef, aber nie die Person dahinter gesehen! Kaiba ist auch nur ein Mensch!“

„Ich weiß das jetzt auch! Ist dir aufgefallen wie dünn er ist?“ Jetzt schluckte Jessie schwer.

„Ja, als ihm gestern schwindelig wurde lag das daran, dass er nichts gegessen hatte!“ Jetzt war es still zwischen den beiden. Jessie saß in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett und starrte Löcher in die Luft. Ihr Herz schmerzte, wenn sie an Kaiba dachte. Wenn sie seine Gewichtsprobleme und seine Vergangenheit betrachtete hatte er es wohl nie wirklich leicht gehabt im Leben. Sie machte sich Sorgen. Selbst Mokuba war schon aufgefallen, dass mit seinem Bruder etwas nicht stimmte. Irgendwie musste sich etwas ändern. Sie würde etwas unternehmen.

„Ich lasse mir etwas einfallen!“ Damit beendete sie das Gespräch. Sie hatte lang genug am Rand gestanden und zugesehen. Jetzt würde sie zum Angriff übergehen!

Kriegsrat

Kapitel 19: Kriegsrat
 

Jessie hatte Kaiba den Krieg angesagt. Sie wollte etwas verändern, allerdings stellte sich die Frage wie? Sie hatte lange darüber nachgedacht bis sie schließlich eingeschlafen war, doch als auch als sie aufwachte war ihr noch immer nichts eingefallen. So zerbrach sie sich den ganzen Morgen den Kopf und als sie Mokuba von der Schule abholte war sie mit den Gedanken ganz wo anders. Natürlich fiel das auch dem Jungen auf.

„Jessie, woran denkst du?“ Erschreckt sah sie ihn an.

„Warum willst du das wissen?“ Mokuba zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster.

„Naja, du hörst mir nicht zu, oder weißt du, was ich dir gerade erzählt habe?“ Beschämt schüttelte Jessie den Kopf und überlegte, wie sie Mokuba antworten sollte, da sah er sie mit seinen blauen Augen ernst an.

„Es geht um meinen Bruder, nicht wahr?“ Überrascht sah sie ihn an und fuhr in die Tiefgarage.

„Warum glaubst du das?“ Wieder zuckte der Junge mit den Schultern.

„Seto hat gesagt, Joey wäre gestern bei uns gewesen. Und so nachdenklich wie er war muss irgendetwas zwischen den beiden passiert sein. Und dann wird Joey mit dir darüber gesprochen haben!“ Mokuba hatte einen messerscharfen Verstand. In diesem Punkt war er seinem Bruder wohl sehr ähnlich. Jessie wollte ihn nicht anlügen. Seto war immerhin Mokubas Bruder und in ihren Augen hatte er das Recht Bescheid zu wissen.

„Ja, ich denke über deinen Bruder nach!“ Gemeinsam betraten sie die Wohnung.

„Sagst du mir auch worum es geht?“ Sie setzten sich an den Küchentisch und Jessie zog ein Foto aus ihrer Handtasche.

„Das hat Joey gestern gemacht!“ Mokuba starrte lange auf das Bild. Seto stand am Flügel, den Blick ins Leere gerichtet. Die Brust von Narben bedeckt. Er wirkte einsam und verloren.

„Es geht um Setos Narben?“ Fragte der Junge tonlos, Jessie schüttelte den Kopf.

„Nein…zumindest nicht in erster Linie! Es geht darum, dass dein Bruder viel zu leicht ist!“Moki seufzte schwer.

„Ich weiß, dass er untergewichtig ist. Sein Arzt sagt das auch, aber Seto will einfach nicht zuhören!“ Er stützte den Kopf in die Hände und starrte wie blicklos auf das Bild.

„Weißt du warum er nicht regelmäßig isst?“ Fragte Jessie sanft, bekam allerdings nur ein Kopfschütteln zur Antwort.

„Okay ich möchte daran auf jeden Fall etwas ändern! Hast du eine Idee, was wir tun könnten?“ Moki sprang auf und holte das Telefon.

„Ich rufe seinen Arzt an! Vielleicht kann er uns helfen!“
 

Eine viertel Stunde später stand der Arzt vor der Tür. Er war groß, schlank und sein Haar bereits ergraut. Freundlich reichte er Jessie die Hand.

„Mein Name ist André Berg. Und sie müssen Jessica sein, Mokubas Kindermädchen, nicht wahr?“ Überrascht ergriff Jessie seine Hand.

„Das bin ich, aber woher wissen sie das?“ Seine dunklen Augen blitzten sanft.

„Ich habe schon das ein oder andere von ihnen erzählt bekommen!“ Jetzt wandte er sich Mokuba zu.

„So Moki, jetzt erklärst du mir bitte, warum du mich angerufen hast. Immerhin weißt du das ich nicht über Setos Angelegenheiten sprechen darf!“ Der Junge sah ihm ohne zu blinzeln in die Augen.

„Seto isst kaum, er ist untergewichtig! Ich möchte ihm doch einfach nur helfen, aber er blockt mich immer nur ab!“ Tröstend erwiderte der Arzt seinen Blick.

„Mokuba, ich rede mit ihm, wenn es das ist was du möchtest, aber mehr kann ich nicht tun! Das weißt du!“ Langsam schüttelte Moki den Kopf.

„Nein, es soll sich etwas ändern. Wir werde nicht mehr länger daneben stehen und zusehen!“ Entschlossenheit lag in seiner Stimme.

„Wen meinst du mit wir?“ Jessie legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Jessie und ich! Okay in erster Linie Jessie, aber ich werde helfen wo ich kann!“ Jessie setzte sich nun zu den beiden an den Tisch.

„Kaiba…Seto ist mein Boss. Aber das heißt nicht, dass das Geld das einzige ist was mich interessiert. Ich möchte ihm helfen!“ Doktor Berg sah von einem zum andern, dann lächelte er leise.

„Jetzt weiß ich, warum Seto so gut von ihnen spricht!“ Jessie sah ihn fragend an.

„Wissen sie warum er sie eingestellt hat?“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf.

„Er hat sie eingestellt, weil es sie nicht interessiert, wer er ist. Sondern ihn einfach so akzeptieren wie er ist! Sie gehören zu den wenigen Freunden, die Seto Kaiba hat!“ Jessies Augen wurden groß, doch bevor sie nachfragen konnte hob der Arzt abwehrend die Arme.

„Mehr kann ich dazu nicht sagen! Und über Setos Gewichtsprobleme darf ich aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht sprechen!“ Jessie sah auf ihre Hände.

„Dann hätten sie sich den Weg sparen können!“ Doch er schüttelte den Kopf.

„Ich kenne Seto schon seit fast zehn Jahren. Ich bin nicht als sein Arzt hier, sondern als sein Freund. Ich möchte ihm ebenfalls helfen und ich weiß, dass ich das von der medizinischen Seite her nicht kann!“ Fragende Blicke, dann sah Jessie ihn wieder an.

„Was wollen sie uns damit sagen?“ Er erwiderte ihren Blick ernst.

„Seto braucht jemanden, der ihm in den, verzeiht diesen Ausdruck, Arsch tritt. Ich möchte ihm keine Appetitanregenden Medikamente verschreiben, weil er sowieso schon genug nimmt! Als sein Arzt kann ihn also nur beraten, entscheiden wird er immer selbst!“ Jessie legte skeptisch den Kopf schief.

„Was glauben sie kann ich tun?“

„Sie sind eine der wenigen, denen ich es zutraue, dass sie es schaffen Seto zu helfen! Der einfache Grund ist, dass Seto sich von ihnen helfen lassen wird!“ Langsam nickte sie. Sie verstand den Arzt zwar nicht richtig, aber sie wollte es zumindest versuchen.

„Was soll ich ihrer Meinung nach also tun?“ Der Arzt lächelte erleichtert.

„Das wichtigste sind geregelte Mahlzeiten! Essen sie mit ihm zusammen! Erstens ist Gesellschaft nie zu verachten und zweitens ist es dann schwerer einen Rückzieher zu machen.“ Er fuhr sich durchs Haar.

„Und auch wenn ich nicht glaube, dass sie es schaffen… versuchen sie ihn dazu zu bringen weniger Kaffee zu trinken! Er schlägt ihm ziemlich auf den Magen!“ Mokuba legte den Kopf schief.

„Seit Jessie da ist trinkt Seto zumindest zuhause viel weniger Kaffee!“ Jessie nickte.

„Ich hab auch schon gemerkt, dass er von dem Tee trinkt, den ich gekauft habe!“ Der Arzt wirkte skeptisch.

„Wie können sie das sicher sagen?“ Sie erhob sich und öffnete einen der Küchenschränke. Die Teepackungen stapelten sich.

„Es sind genau zwei Sorten. Mokuba trinkt wenig Tee und außerdem waren die Packungen verschwunden als er in Amerika war. Die einzige Erklärung ist, dass er sie mitgenommen hatte!“ Das ergab Sinn und der Doktor Berg fragte nicht weiter.

„Was können wir sonst noch tun?“

„Lasst ihn entscheiden was und wie viel er essen möchte. Es ist ihm nicht geholfen wenn ihm davon schlecht wird! Er soll lernen gerne zu essen und es nicht als Zwang sehen! Ist das verständlich?“ Sowohl Jessie als auch Mokuba nickten, da erhob sich der Arzt.

„Okay, ich muss dann wieder los! Ihr schafft das!“ Die Tür war gerade hinter ihm ins Schloss gefallen, da wandte sich Jessie Mokuba zu.

„Wann steht dein Bruder auf?“ Der Junge zuckte mit den Schultern.

„So zwischen vier und fünf, kommt darauf an!“ Jessie nickte entschieden.

„Dann schlafe ich heute Nacht hier!“

„Warum?“ Sie sah Moki entschlossen an.

„Damit ich ihm das Frühstück machen kann!“

Die Initiative

Kapitel 20: Die Initiative
 

Jessies Wecker klingelte kurz nach vier Uhr Morgens. Müde grummelte sie und zog sich die Decke über den Kopf. Wer zum Teufel stand schon um diese Uhrzeit auf. Kaiba natürlich, wer auch sonst! Jessie seufzte und tastete nach dem Lichtschalter. Helligkeit flutete den Raum, schwerfällig rollte sie sich aus dem Bett. Naja sie hatte es sich selbst so ausgesucht. Also zog sie sich ein Sweetshirt über den Kopf und tappte hinaus auf den Flur. Die Wohnung war dunkel und Jessie schaltete nur in der Küche das Licht an, als sie an die Arbeitsplatte trat. Was zum Teufel tat sie da eigentlich. Sie hatte keine Ahnung, was Kaiba mochte. Sie würde sich jetzt erst mal einen Tee machen und dann weiter sehen. Während das Wasser kochte öffnete sie auf der Suche nach einer Inspiration eine Schranktüre nach der anderen.

„Was treibst du da?“ Kaibas dunkle Stimme ließ sie erschreckt herumfahren. Sie drückte die Hand auf ihr Herz. Er lehnte im Türrahmen zu seinem Büro und hielt eine Tasse in der Hand.

„Du hast mich erschreckt!“ Er schnaubte leise und kam näher.

„Sag mir nicht, dass du um diese Zeit frühstückst?!“ Jessie nahm seine Tasse entgegen und goss auch ihm einen Tee auf.

„Eigentlich nicht, du?“ Kopfschüttelnd legte er die Hände um seine Tasse, als wäre ihm kalt.

„Ehr selten, dazu ist es viel zu früh!“ Als Jessie sich an den Tisch setzte tat er es ihr nach kurzem Zögern gleich.

„Wann frühstückst du sonst?“ Wortlos zuckte er mit den Schultern, Jessie gähnte. Fragend sah er sie an.

„Warum bist du wach?“ Sie wollte gerade den Mund aufmachen, als er den Kopf schüttelte.

„Die Wahrheit bitte!“ Errötend senkte sie den Kopf.

„Naja, Moki hat gesagt, du würdest so früh aufstehen und… nach Sonntag… da… ich…“ Sie verstummte, während er leise seufzte.

„Du machst dir Sorgen?“ Stumm nickte sie.

„Klasse!“ murmelte er leise. Jessie blickte auf und sah, dass er sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen hatte.

„Könnt ihr mich nicht einfach zufriedenlassen?“ Verwirrt kniff Jessie die Augen zusammen.

„Womit sollen wir dich zufriedenlassen? Mit der Sorge um dich?“ Sie beugte sich vor und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er schrak zusammen, sah sie aus harten Augen an. Jessie ignorierte es, hielt seinem Blick stand.

„Das kannst du nicht verbieten! Nicht mir, nicht Mokuba! Und auch sonst keinem! Wir machen uns Sorgen und wenn du das ändern willst, dann solltest du vielleicht etwas an der Ursache ändern!“ Er fixierte sie kalt, dann richtete er den Blick allerdings auf ihre Hand, die noch immer auf seinem Arm lag. Mit einem seltsamen Gefühl zog sie ihre Hand zurück. Er fuhr sich durchs Haar.

„Was ist euer Problem?“ Er klang müde und resigniert, aber Jessie merkte, dass er doch angespannt war.

„Seto es ist nicht nur unser Problem, es ist ebenso deines!“ Er wirkte verschlossen, Jessie seufzte.

„Okay, es geht um dein Essverhalten!“ Kaiba sah sie kalt an.

„Aha und was geht dich das an?“ stellte er abschätzig fest und lehnte sich noch weiter in seinem Stuhl zurück.

„Naja, ich…“ Sie zögerte, unsicher was sie sagen sollte.

„Nichts, gar nichts!“ Langsam und elegant erhob er sich.

„Geh wieder ins Bett und lass mich zufrieden!“ Jessie sprang auf und lief ihm ins Wohnzimmer nach.

„Du alleine hast mir das Recht gegeben mir Sorgen um dich zu machen!“ Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen.

„Wie bitte?“ ´Sein Rücken war steif wie ein Brett und seine Stimme klang gefährlich leise.

„Dein kleiner Bruder macht sich Sorgen um dich! Himmel du hast mich eingestellt um Mokuba glücklicher zu machen. Meinst du es macht ihn glücklich zuzusehen, wie du dich selbst zugrunde richtest. Sicher ich sollte mich nicht einmischen, aber ich habe einen Vertrag unterschrieben. Und leider Gottes gehört zu Mokuba ein Arschloch von großem Bruder!“ Schweratmend stand Jessie vor ihm. Ihr war klar, dass er ihr für diese Worte sofort kündigen und sie aus seiner Wohnung werfen konnte. Doch es war ihr egal, irgendjemand musste ihm mal die Meinung sagen. Er fuhr herum und sah sie eiskalt an. Plötzlich stand er ganz nah vor ihr, sie berührten sich fast.

„Was willst du von mir?“ Überrascht sah sie zu ihm auf, begegnete seinen blauen Augen. Sie wusste nicht welche Reaktion er von ihr erwartete. Aber warum machte sie sich darüber eigentlich noch Gedanken, sie hatte sich doch sowieso schon um Kopf und Kragen geredet.

„Drei festgelegte Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen und Abendessen! Eine davon wirst du auf jeden Fall in Gesellschaft deines Bruders verbringen. Eine zweite mit Doktor Berg, Roland, Joey Marianne Mokuba oder mir! Allerdings darfst du dir aussuchen was und wie viel du isst!“ Er fixierte sie noch immer.

„Was hätte ich davon?“ Sie warf empört ihr Haar zurück.

„Gesundheit!“ Da schnaubte er belustigt.

„Falls ich wirklich darauf eingehen sollte, muss etwas mehr für mich herausspringen!“ Völlig perplex starrte sie ihn an. Verhandelten sie gerade wirklich über dieses Thema?! Als sie nicht antwortete verzogen sich seine Gesichtszüge zu einem fiesen Grinsen.

„Ich hätte da eine Idee! Weißt du Jessica, diese ganzen Reporter, die mich immer und immer wieder über meine angeblichen Freundinnen ausfragen wollen und die Frauen, die mir ständig hinterherlaufen gehen mir auf die Nerven… Jeden Tag, den du überzeugend meine Freundin spielst werde ich mich an deinen Ernährungsplan halten! Allerdings darfst du kein Wort über unsere kleine Abmachung verlieren. Nicht einmal Wheeler oder deiner Familie darfst du von der wahren Natur unserer Beziehung verlieren!“ Hart erwiderte Jessie seinen Blick. Das würde sie hinbekommen.

„Einverstanden. Allerdings habe ich zwei Bedingungen! Erstens werde ich keinen Sex mit dir haben. Und zweitens werde ich mich nicht herumkommandieren lassen!“ Kurz huschte Überraschung über seine Züge, als sie ihm die Hand hin hielt. Dann schlug er ein.

„Jetzt geh wieder ins Bett.“ Jessie nahm ihm seine Teetasse ab. Erst jetzt registrierte sie bewusst, dass er bereits einen Anzug trug.

„Sag bloß, du fährst um diese Uhrzeit in die Firma?“ Genervt wandte er sich ab.

„Waren wir uns nicht einig, dass dich das nichts angeht?“ Jessie räusperte sich leise.

„Als deine Freundin habe ich sehr wohl ein Recht darauf dich solche Dinge zu fragen!“ Jetzt könnte er argumentieren, dass sie das ja nicht wirklich war, allerdings seufzte er nur leise.

„Ich habe um Sieben einen Termin in einem kleinen Ort etwa zwei Stunden von hier!“ Das bedeutete er musste um Fünf los. Jessie sah auf die Uhr, also in etwa einer halben Stunde.

„Soll ich dir noch einen Tee machen?“ Nach kurzem Zögern folgte er ihr in die Küche zurück. Nach ein paar Minuten stellte Jessie die Tasse vor ihm ab. Wieder legte er beide Hände um die Tasse.

„Sag mal, ist dir kalt?“ Überrascht sah er sie an.

„Wie kommst du da drauf?“ Kurz zeige sie auf seine Hände und setzte sich ihm gegenüber. Er zuckte mit den Schultern.

„Ich habe fast immer kalte Hände.“ Jessie überlegte kurz, dann lies sie das Thema fallen.

„Bist du bis zum Mittagessen wieder da? Wann könntest du und wessen Gesellschaft ziehst du vor?“ Diesmal starrte er in seine Tasse.

„Gegen zwölf bin ich wieder in der Firma. Wenn du willst kannst du vorbeikommen!“

„Okay, dann kann ich etwas mit dir essen gehen, bevor ich Mokuba von der Schule hole. Wie sieht’s mit dem Frühstück aus?“ Etwas gequält suchte er ihren Blick.

„Muss das wirklich sein?“ Entschieden nickte sie.

„Ich pack dir eine Kleinigkeit ein! Was hältst du von einer Banane, Keksen und einer Thermoskanne Tee?“ Er sah aus als wollte er den Kopf am liebsten auf den Tisch schlagen, nickte dann allerdings ergeben.

„Also gut, ich nehme es mit!“ Erleichtert packte holte sie eine Brotdose und kochte den Tee. Irgendwann holte Kaiba seine Aktentasche und lies sein Frühstück darin verschwinden.

„Roland wartet. Wir sehen uns dann heute Mittag!“ Jessie folgte ihm zur Tür und sah zu wie er sich seinen Mantel anzog. Kurz bevor er die Tür öffnen konnte stellte sie sich auf die Zehenspitzten und küsste und auf die Wange. Er zog die dunklen Brauen zusammen.

„Was sollte das?“ Jessie grinste breit.

„Na, ein Abschiedskuss, ich muss doch auf heute Mittag vorbereitet sein.“ Ein kurzes Schmunzeln konnte auch Kaiba nicht unterdrücken, bevor er wortlos die Wohnung verließ. Jessie blieb nachdenklich zurück. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen?

Special: Thoughts of a young boy

Kapitel 21: Special: Thoughts of a young boy

Mokubas Sicht:

Schwer atmend lag ich auf meinem Bett und starrte an die Decke. Dabei fühlte ich mich einfach nur unwohl. Vorhin als ich Jessie und Seto miteinander hatte reden hören, hatte ich mich in den Flur geschlichen um sie besser zu verstehen. Jetzt wünschte ich mir ich hätte es nicht getan. Wie konnte Jessie sich nur auf Setos Angebot einlassen und wie konnte mein Bruder ihr dieses Angebot überhaupt machen? Ich biss mir auf die Unterlippe. Natürlich wusste ich, dass Seto momentan keine Freundin hat, eigentlich nie wirklich eine gehabt hatte. Und Jessie war wirklich eine gute Wahl, und es würde mir auch überhaupt nichts ausmachen. Wenn da nicht dieser Deal wäre. Jessie wollte dass mein Bruder regelmäßig aß und Seto wollte sie sozusagen als Puffer gegen die Presse. Eigentlich der perfekte Deal. Trotzdem, warum konnte das keine ganz normale Beziehung sein? Ich würde es Seto so wünschen. Immerhin ließ er sich auf Jessie ein, aber warum konnte da nicht mehr sein als ein Geschäft. Weil er Angst hatte. Die meisten Frauen waren nur hinter seinem Geld her, unserem Geld, wie er immer betonte. Jessie war das nicht, Jessie war es egal wie viel sie verdiente. Sicher ich wusste von Setos Angebot, dass er ihr das Studium bezahlen würde. Aber ich glaube Jessie hätte den Job auch mit einem normalen Gehalt angenommen. Sie hat mal gesagt, eigentlich war sie nur auf der Suche nach einem Aushilfsjob und sie hätte nie damit gerechnet, dass mein Bruder sie einstellen würde. Aber er hatte es getan. Manchmal fragte ich mich ernsthaft wieso. Jessie hatte keinerlei Erfahrungen, Seto hatte ansonsten immer nur ausgebildete Erzieherinnen eingestellt. Irgendwie glaube ich dass er sie mag. Also so richtig mag. Er lässt sich etwas von ihr sagen, hat anscheinend sogar mit Doktor Berg über sie gesprochen. Ich meine außergewöhnlich ist das nicht, Doktor Berg stellt für meinen Bruder so etwas wie eine Vaterfigur dar und er spricht mit ihm über so ziemlich alles. Allerdings war es so weit ich weiß nur gutes und das ist wirklich seltsam. Ich habe Seto noch nie so gut über jemanden reden hören. Vielleicht wird ja doch noch ein richtiges Paar aus den beiden. Vielleicht kann Jessie meinen Bruder aus seinem Eispanzer befreien. Er war nicht immer so. Also so richtig kann ich mich nicht an die Zeit vor Gozaburo erinnern, aber ich erinnere mich an Setos Lachen. Aber jetzt lacht er so wenig. Manchmal frage ich mich, was in den Jahren passiert ist als Gozaburo uns voneinander fernhielt. Was er meinem Bruder angetan hatte, woher die Narben kamen.

Ich lehnte mich über die Bettkante und zog einen schwarzen Schuhkarton unter meinem Bett hervor. Langsam öffnete ich ihn und nahm das oberste Foto heraus. Damals war ich noch ein Baby. Mutter hatte mich auf dem Arm. Vater hatte ihr einen Arm unter die Schultern gelegt und die beiden lächelten glücklich in die Kamera. Seto stand zwischen den beiden und strahlte übers ganze Gesicht. Es war eines der wenigen Fotos von uns vier, das ich hatte. Vorsichtig legte ich es neben mir auf die Bettdecke und nahm einen Stapel Zeitungsausschnitte aus dem Karton. Der oberste war die Todesanzeige unserer Eltern, dann der Artikel über unsere Adoption. Schon damals war Seto anders gewesen. Ernster, schweigsamer. Auf dem Schwarzweißfoto stieß er gerade Gozaburo König vom Schachfeld, er hatte gegen den amtierenden Schachweltmeiser gewonnen. Mit zehn Jahren. Wir hatten ein neues zu Hause bekommen, aber keine Familie. In den Jahren darauf sah ich Seto kaum, Gozaburo verbat es. Die einzige Informationsquelle die ich hatte war die Zeitung. Ich hatte alle Artikel ausgeschnitten in denen Seto erwähnt wurde.

„Gozaburo stellt seinen Ziehsohn der Öffentlichkeit vor. Seto meistert die Pressekonferenz mit Bravur…“

„Die Arbeit ist interessant, warum sollte ich sie also nicht tun?“ Dies sagte Seto Kaiba mit einem Lächeln. Der Elfjährige scheint ein wichtiger Teil der Firma seines Vaters geworden zu sein…“

„Seto Kaiba ist ein hochintelligenter Junge, aus anonymer Quelle haben wir erfahren, dass das neuste Produkt der Kaiba Corporation von ihm entwickelt wurde…“

„Blass steht der junge Kaiba hinter seinem Vater, übernimmt er sich mit der Arbeit und der Schule…“

Mit jedem Artikel wurden Setos Augen leerer, damals war mir das gar nicht aufgefallen. Aber jetzt nach Jahren wurde es mir so richtig bewusst, wie sehr ihn die Zeit bei Gozaburo mitgenommen hatte. Ich nahm den letzten Artikel zur Hand. Das Bild erschreckte mich am meisten. Seto war darauf etwa fünfzehn. Es war vor der KC aufgenommen worden, während er zusammen mit Doktor Berg das Gebäude verlässt.

„Mit Schrecken sieht die Stadt auf dieses Bild. Nach einem Zusammenbruch während einer Geschäftssitzung führt Kaibas Hausarzt den Jungen Seto Kaiba aus dem Gebäude. Er kann kaum gerade stehen wirkt blass und abgemagert. Was ist geschehen? Hat er sich nur überarbeitet oder geschieht etwas hinter geschlossenen Türen…“

Ich musste schwer schlucken, ich wusste es bis heute nicht! Seto wollte nicht darüber sprechen, ich akzeptierte das, doch ob es richtig war? Gesehen hatte ich meinen Bruder damals vielleicht vier Mal im Jahr, manchmal hatten wir auch telefoniert, aber dann ging es hauptsächlich um mich. Ich nahm den letzten Gegenstand aus dem Karton. Er steckte in einer Plastikfolie. Ich hatte es vor Jahren Seto geschenkt, als Gozaburo ihm all seine Karten abgenommen hatte. Es war der „Blue Eyes White Dragon“ den ich damals für ihn gezeichnet hatte. Seto hat ihn Jahrelang mit sich herumgetragen bis Gozaburo ihn zu fassen bekam. Ich habe ihn im kalten Kamin gefunden. Angesengt und verrußt. So wütend hatte ich Seto noch nie erlebt wie damals. Er hat ihn mir zurückgegeben, damit ich auf ihn aufpasse. Und dann hat er geschworen Gozaburo zu stürzen. Ich packte unsere Vergangenheit wieder zurück in den Karton und streckte mich auf dem Bett aus. Vielleicht änderte sich ja durch Jessies Anwesenheit etwas! Ich hoffte es für Seto!

Mittagessen

Kapitel 22: Mittagessen
 

Kurz vor zwölf Uhr betrat Jessie die KC. In der Eingangshalle war die Hölle los. Überall standen Menschen, die Lautstärke war ohrenbetäubend. Jessie sah sich kurz um. An den Aufzügen standen Sicherheitskräfte, der Empfang war von Menschen überrannt, sie konnte ich gar nicht mehr erkennen. Wo sie auch hinsah waren Kameras, Aufnahmegeräte und Notizbücher. Was machte die Presse hier? Etwas verloren stand sie im Raum und wusste nicht so genau wie sie reagieren sollte.

„Miss Brown?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und fuhr herum. Hinter ihr stand Robert, er beugte sich zu ihr herunter.

„Mister Kaiba erwartet sie in seinem Büro! Kommen sie bitte hier entlang!“ Jessie folgte ihm zu den Aufzügen, die ersten Kameras wurden gehoben. Und Fotos geschossen als sie die Sicherheitsbeamten problemlos passierten. Als die Aufzugtüren sich schlossen drehte sie sich zu Robert um.

„Ist irgendwas passiert?“ Er grinste leicht.

„Nein, es geht um den Vertragsabschluss von heute Morgen! Die Ergebnisse sollten eigentlich ist Ende des Monats unter Verschluss bleiben. Allerdings hat irgendjemand geplaudert. Mister Kaiba ist ziemlich wütend!“ Jessie seufzte schwer.

„Und ich darf jetzt in die Höhle des Löwen!“ Mitleidig sah Robert sie an.

„Ich kann dir leider nicht helfen!“ Locker zuckte Jessie mit den Schultern.

„Nicht schlimm. Ich schaff das schon! Immerhin…“ Bevor sie dem jungen Mann erzählen konnte, dass sie und Kaiba jetzt zusammen waren öffnete sich der Fahrstuhl. Was eindeutig gut war! Sonst hätte die Presse vielleicht bald einen Grund mehr den CEO der KC zu belagern. Den nach einer Belagerung sah der Empfangsbereich auch wirklich aus. Im Vorraum von Setos Büro war es erstaunlich still. Mariannes Schreibtisch war leer.

„Er sagt du kannst einfach hinein gehen!“ sagte Robert leise, als sie gerade die Hand zum Klopfen heben wollte. Kurz zögerte Jessie, dann öffnete sie resolut die Tür. Kaiba saß an seinem Schreibtisch, den Blick starr auf seinen Computer gerichtet. Er reagierte nicht auf ihr leises `Hallo´. Schwungvoll zog sie die Tür hinter sich ins Schloss. Er schrak zusammen und rieb sich die Schläfen.

„Musst du so laut sein Jesica?“ Seinen genervten Ton ignorierend trat sie um den Schreibtisch herum. Sie musterte ihn. Er hatte seine Krawatte gelockert und die obersten Knöpfe seines Hemdes standen offen. Sein Jackett lag auf einem der Aktenschränke zwischen den darauf verteilten Aktenstapeln. Kaiba wirkte blass und seine Augen waren ein wenig trüb.

„Hast du zufällig Kopfschmerzen?“ Er schnaubte nur als Antwort auf ihre sanfte Frage. Jessie seufzte leise und zog leicht an seiner Stuhllehne bis er sich zu ihr drehen lies.

„Was hältst du davon, dich eine halbe Stunde hinzulegen?“ Mit einer flüchtigen Geste deutete sie auf das Sofa am anderen Raumende.

„Das bringt nichts!“ Er wollte sich wieder dem Bildschirm zuwenden, doch Jessie hielt ihn davon ab.

„Hast du es denn schon ausprobiert?“ Nach kurzem zögern speicherte er seine Arbeit ab und stand auf.

„Marianne sollte gleich mit dem Essen hier sein. Danach können wir ja nochmal darüber reden!“ Ihm war anzuhören, dass er nicht daran glaubte, dass es helfen würde, aber immerhin hatte er sozusagen zugegeben, dass er Kopfschmerzen hatte. Fragend sah Jessie ihn an.

„Essen wir hier?“ Er schnaubte leise.

„Ja, außer du willst verfolgt werden von diesen ganzen Möchtegern Journalisten!“ Entschieden schüttelte Jessie den Kopf und sah ihn ernst an.

„Du setzt dich schon mal auf die Couch und ich hol uns etwas zu trinken.“ Sie nahm die leere Tasse von seinem Schreibtisch.

„Und zwar etwas anderes als schwarzen Kaffee!“ Also ging Jessie los um eine Kanne Tee und Wasser zu holen. Als sie die kleine Küche verließ, trat Marianne gerade aus dem Aufzug.

„Hi Jess, Kaiba hat gesagt, dass du vorbeikommst! Dann schickt er mich Pizza holen, was ist los?“ Jessie konnte ihrer Freundin nicht richtig in die Augen sehen, immerhin würde sie sie ja anlügen müssen.

„Naja, wir sind sozusagen zusammen. Das ging alles irgendwie ganz schnell. Und eigentlich wollten wir essen gehen, aber…!“

„Was?“ rief Marianne schockiert aus und ließ beinahe den Pizzakarton in ihrer Hand fallen.

„Warum erfahre ich das erst jetzt?“ Jessie wand sich etwas unter ihrem Blick.

„Weil das erst heute Morgen passiert ist! Ich habe bei Kaiba geschlafen, weil ich gestern mit Moki noch einen Film schauen wollte und heute Früh haben wir uns dann unterhalten!“ Sie legte eine Hand auf den Türgriff, doch Marianne hielt sie am Ärmel fest.

„Was war noch? Du musst mir alles erzählen!“ Jessie warf einen hilfesuchenden Blick auf die Tür, den Marianne allerdings anders interpretierte.

„Okay, später. Wir können deinen liebsten nicht warten lassen. Wo er doch sowieso so wenig Zeit hat!“ Kurz bevor Jessie die Tür öffnete drehte sie sich noch einmal zu ihrer kichernden Freundin um.

„Kannst du mir vielleicht eine Decke, ein Tuch und eine Schüssel mit kaltem Wasser bringen?“ Fragend sah die ältere sie an.

„Ich erkläre es dir später!“ Damit gab sie sich zufrieden. Vorerst.
 

Nach dem dritten Stück Pizza lehnte Seto sich zurück und rieb sich über die Augen.

„Komm leg dich ein bisschen hin!“ forderte Jessie ihn sanft auf, er sah sie skeptisch an. Seufzte dann leise und stand auf. Er hängte Hemd und Krawatte über seinen Stuhl und ging dann im T-Shirt zur Tür.

„Wo willst du hin?“ Kurz sah er über die Schulter.

„Die Kontaktlinsen herausnehmen!“

Fünf Minuten später kam er zurück und streckte sich auf der Couch aus. Sie hatte die richtigen Maße, allerdings vermutete Jessie, dass er öfter auf ihr schlief, wenn er bis tief in die Nacht arbeitete. Nach kurzem zögern legte er den Kopf in Jessies Schoss und sie zog die karierte Wolldecke, die Marianne gebracht hatte, von der Lehne über ihn. Dann griff sie nach der Wasserschale und wrang das darin eingeweichte Tuch aus. Vorsichtig platzierte sie es auf Kaibas Stirn. Er atmete tief durch und schloss langsam die Augen, während Jessie ihm liebevoll übers Haar strich.

„Nur eine halbe Stunde!“ murmelte er leise. Kurz hielt Jessie inne.

„Okay ich weck dich dann!“ Er antwortete schon nicht mehr, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Nach guten zwanzig Minuten begannen Jessies Beine zu kribbeln, allerdings wollte sie ihn nicht wecken und so blieb sie ruhig sitzen, sogar fünf Minuten länger als verabredet. Dann legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und rüttelte ihn sanft wach. Er blinzelte müde und richtete sich dann auf. Mit beiden Händen rieb er sich übers Gesicht.

„Wie geht’s deinem Kopf?“

„Besser!“ Er sammelte Hemd und Krawatte auf und verschwand dann Richtung Klo. Jessie streckte ihre Beine und stand dann auf. Rasch räumte sie die Reste ihres Mittagessens weg und legte die Decke zusammen. Als Seto wieder zurückkam war sein Blick wieder klar und er band sich die Krawatte.

„Ich rufe Robert, er soll dich nach draußen begleiten!“ Überrascht sah Jessie ihn an.

„Warum denn das?“ Seto seufzte und setzte sich an seinen Schreibtisch.

„In fünfzehn Minuten ist eine Pressekonferenz, wenn du also das Gebäude verlassen willst ohne Stellungnahme abzugeben…“ Sie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Okay hab schon verstanden! Ich komm dann Morgen wieder um dieselbe Zeit!“ Er nickte.

„Bis Morgen, Jessie!“
 

Mokuba stand mit seinen Freunden vor dem Schultor. Als sie den Wagen anhielt und der Junge auf ihn zu kam, pfiffen seine Kumpels und ein paar der anderen Schüler begannen zu tuscheln.

„Ich hasse das!“ Mokuba warf seinen Rucksack auf die Rückbank und schnallte sich an.

„Deswegen ist es mir lieber, wenn du später kommst!“ Jessie fuhr an, darauf wusste sie nichts zu erwidern. Eine Zeit lang bleib es still.

„Meinst du ich kann Seto fragen ob ich mit dem Bus fahren kann?“ Kurz sah Jessie ihn an.

Klar, warum nicht?“

„Weil er das letzte mal ziemlich dagegen war!“ Er seufzte leise.

„Wenn du nicht fragst, weißt du auch nicht was er dazu sagt! Aber ich denke, dass du alt genug bist, das selbst zu entscheiden!“

„Ich frage ihn heute Abend!“ Ihm war die Unsicherheit anzuhören.

„Können wir beim Asiaten anhalten?“ Jessie sah ihn überrascht an.

„Naja ich habe euch heute Morgen reden hören und du hast ja schon mit Seto zu Mittag gegessen.“ Sie suchten sich einen Tisch im hinteren Bereich des kleinen Restaurants.

„Jessie was empfindest du für meinen Bruder?“ Die Frage überraschte die junge Frau. Naja überrascht war noch gelinde ausgedrückt, sie verschluckte sich fast an ihrem Wasser.

„Warum willst du das wissen?“ Mokuba sah sie ernst an.

„Ich weiß dass du ihm nicht weh tun würdest! Zumindest nicht absichtlich! Aber Seto hatte noch nie eine feste Beziehung und ich glaube er mag dich wirklich. Ich meine sonst hätte er dich nicht eingestellt…“ Ruhig erwiderte Jessie seinen Blick.

„Moki, ich verstehe mich ganz gut mit deinem Bruder und ich denke wir sind sowas wie Freunde. Soweit er es eben zulässt. Aber ich habe ernsthaft Zweifel, ob das zwischen uns wirklich funktionieren würde!“ Moki lehnte sich vor. Sicher Jessie wollte ihm keine Hoffnungen machen, aber Seto war ihr immerhin nicht gleichgültig.

„Das heißt du magst ihn?“ Bedächtig nickte Jessie.

„Ja ich mag ihn, aber ob er das erwidert weiß ich nicht!“ Kurz schloss Mokuba die Augen.

„Seto vertraut dir voll und ganz, wenn er in deiner Gegenwart schlafen kann! Das sagt zumindest Doktor Berg und so wenig wie mein Bruder schläft, glaube ich das auch.“ Das gab Jessie zu denken. Immerhin hatte Seto mit dem Kopf in ihrem Schoss geschlafen!

Special: Press conference

Kapitel 23: Special: Press conference
 

Setos Sicht:

Ich saß in der Pressekonferenz und überließ das Wort Edward Lang, meinem Pressesprecher. Der Mann war Ende vierzig, sein Haar an den Schläfen bereits grau und sein Auftreten immer fröhlich. Solange ich ihn kannte habe ich ihn nie anders als lächelnd gesehen. Zugegeben er ging mir mit seinem Dauergrinsen gehörig auf die Nerven, aber er war gut in seinem Job. Und das ersparte mir eine Menge Arbeit. Mein Blick wanderte zu meinen Unterlagen auf dem Tisch vor mir. Das ganze hier war eigentlich völlig unnötig und warf wieder einmal meinen ganzen Tagesplan durcheinander. Aber irgendjemand hatte ja unbedingt Informationen an die Presse weitergeben müssen. Und bis jetzt hatte ich nicht einmal herausgefunden ob die Lücke in der KC oder der am Morgen aufgekauften Firma zu suchen war. Aber als ob mich das lange aufhalten würde. Spätestens heute Abend würde ich den Schuldigen gefunden haben und dann konnte derjenige etwas erleben. Und dabei war eine Kündigung sein kleinstes Problem. Wer sich mit mir anlegte kam nicht so einfach davon! Meine Augen schweiften langsam über die bissige Meute vor mir, anders konnte man diesen Haufen informationsgeiler Menschen nicht bezeichnen. Das einzige, was sie mir einbrachten waren Kopfschmerzen, und dabei waren sie vollständig weg gewesen. Das erste Mal seit Tagen. Und das hatte ich Jessie zu verdanken. Ich seufzte leise, unbemerkt. Wenn mir irgendjemand die Wahl gelassen hätte säße ich bestimmt nicht hier. Mein Blick blieb an einem blonden Haarschopf hängen. Wheeler. Er stand neben dem offiziellen Fotografen der „Daily Domino“ und er starrte mich schon die ganze Zeit an. Montag. Ich wusste nicht wo wir standen. Seit ich Joey kannte standen wir auf Kriegsfuß. Aber genau das war es gewesen, was ich schon immer an ihm gemocht habe. Ich weiß, das klingt suspekt, aber es ist wahr. Joey hatte nie Angst vor mir, er hat mich so oft aus der Arbeit herausgerissen. Wenn auch nur für einen Moment. Nach allem was passiert war, war Joey einfach da. Es interessierte ihn nicht, warum ich die Schule gewechselt hatte, warum ich Gozaburo Firma übernommen hatte. Für ihn war ich einfach der egoistische Kühlschrank und er für mich der bellende Köter. Dabei war ich neidisch auf ihn. Sicher er war ein aufmüpfiger Chaot mit schlechten Noten. Aber er hatte etwas, das ich nie hatte. Freunde! Yami, Yugi, Tea, Tristan… Sie alle wären für ihn durch die Hölle gegangen. Irgendwie war es schon Ironie des Schicksals gewesen, dass ausgerechnet mir aufgefallen ist, was sein Vater ihm antat. Aber vielleicht hatte ich auf das ganze einfach einen anderen Blickwinkel und Joey hatte es ja auch lange gut verborgen. Ich habe Wheelers Vater angezeigt. Anonym. Ich dachte nach dem Abitur würde ich nichts mehr von Joey hören, aber wir haben uns wieder getroffen. Und Wheeler war tatsächlich klar, dass ich seinen Vater damals… Jetzt waren meine Gedanken wieder bei Montag. Irgendwie drehten sich meine Gedanken im Kreis. Da ich momentan sowieso nichts Besseres zu tun hatte, konnte ich genauso gut auch darüber nachdenken. Wie war ich auf den Gedanken gekommen Joey diese Fotos machen zu lassen? Immerhin hätte er sie auch für ein Vermögen verkaufen können. Allerdings hätte er das dann schon längst getan, hat er aber nicht. Und er ist auch nicht abgehauen, als hätte er gewusst, dass ich nicht alleine sein wollte. Irgendwie hatte Joey schon immer ein Gefühl dafür gehabt wann er mich gefahrlos nerven konnte und wann nicht.
 

Rückblick

„Hey Wheeler, was ist heute los mit ihnen?“ Überrascht sieht Wheeler unseren Lehrer an. Außer uns beiden ist niemand mehr im Klassenzimmer. Langsam richte ich mich auf. Ich bin müde und meine Motivation für den Sportunterricht hält sich in Grenzen. Noch dazu habe ich höllische Kopfschmerzen. Der Köter zieht die Brauen zusammen und grinst den Lehrer frech an.

„War ich ihnen etwa wieder zu laut?“ Langsam, bedächtig schüttelt der Mann den Kopf.

„Nein und das wundert mich ja gerade. Sie sind nicht einmal mit ihrem Banknachbar aneinander geraten!“ Damit meint er dann wohl mich, immerhin sitze ich seit knapp zwei Wochen neben dem Köter. Unfreiwillig versteht sich. Ich seufze leise und hebe meinen Rucksack auf. Plötzlich spüre ich Joeys Blick auf mir liegen.

„Wenn Kaiba ein paar Stunden geschlafen und etwas gegen seine Kopfschmerzen genommen hat… Vorher wäre es Selbstmord ihn zu reizen!“
 

Das war Typisch für Joey gewesen. Über Jahre hinweg hat er ganz genau gewusst, wann es mir schlecht ging. Und irgendwie hatte ich angefangen ihm zu vertrauen. Das ist mir Montag erst so richtig aufgefallen. Ich bin vor dem Fernseher eingeschlafen. An sich ist das nicht wirklich außergewöhnlich. Aber ich bin noch nie neben jemandem anderen als meinem Bruder eingeschlafen. André sagt, es hätte etwas mir Vertrauen zu tun. Und jetzt hatte ich innerhalb einer Woche neben zwei Menschen geschlafen. Hieß das jetzt ich vertraute ihnen? Das Verwirrendere war das mit Jessie vorhin. Ich hasste es berührt zu werden, trotzdem hatte es mir nichts ausgemacht, dass sie mir übers Haar gestrichen hatte. Ganz im Gegenteil, es war angenehm gewesen. Und es hatte tatsächlich geholfen. Meine Kopfschmerzen waren weg gewesen, ohne Tabletten. Ich verstand es nicht. Sicher, Jessie war wirklich nett und sie kam super mit Moki zurecht. Aber eigentlich kam Moki mit jedem gut aus, wenn er wollte. Da war dann meistens eher ich das Problem. Wenn man mich fragen würde, was an Jessica Brown mich so faszinierte, dass ich sie in meinem Leben duldete. Ja sogar in meine Privatsphäre eindringen lies. Ich wüsste nicht so recht was ich antworten sollte. Es gab mehrere Gründe. Ich zog ein leeres Blatt aus den Akten vor mir und nahm meinen Stift zur Hand.

Jessie war

1. Ehrlich

Sie sagte immer klar, was sie von einer Sache hielt, dabei war es nicht von Bedeutung ob sie mit mir oder irgendjemand anderes Sprach. Außerdem war sie

2. Ungekünstelt

Jessie verstellte sich nicht, zeigte ihre Reaktionen ungeschminkt und

3. Offen

Jessie war

4. Aufmerksam

Ihr fiel auf, wenn Moki etwas berückte und auch, wenn es mir nicht gut ging. Und sie war

5. Mutig

Genug mich darauf anzusprechen. Dass sie mir damit

6. Oftmals nervig

War, fiel ihr gar nicht auf. Aber irgendwie tat es auch gut zu wissen, dass jemand da war, der sich wirklich für mich interessierte. Jessie konnte ebenso

7. Freundlich

Wie

8. Bestimmend

Sein. Doch es störte mich nicht besonders. Ich ließ es einfach zu, dass sie sich hin und wieder um mich kümmerte. Das war mit einer der Gründe, warum ich ihr heute Morgen diesen `Deal´ angeboten hatte. Und schon hatte ich den nächsten Punkt für meine Liste.

9. Selbstlos

Immerhin brachte ihr dieser `Deal´ nichts ein, außer Ärger mit der Presse. Denn es würde nicht lange dauern bis diese Aasgeier über unsere Beziehung Bescheid wüssten. Ob das wirklich eine gute Idee gewesen war würde sich noch zeigen. Ich blickte auf meine Uhr. Jetzt saß ich schon seit fast einer Stunde hier und folgte dem Hin und Her zwischen Lang und den Journalisten nur mit halbem Ohr. Fehler wären mir aufgefallen, aber mein Pressesprecher machte seinen Job perfekt wie immer. Nur könnte er diese Angelegenheit hier langsam beenden. Meine Kopfschmerzen waren wieder da und sie wurden schlimmer. Ich unterdrückte das Bedürfnis mir die Schläfen zu massieren. In einer halben Stunde hatte ich ein wichtiges Meeting. Mein Blick begegnete erneut Wheelers. Er wirkte genauso genervt wie ich mich fühlte. Ich schob meine Akten zusammen und lies das Blatt über Jessica in meine Hosentasche verschwinden. Ein eindeutiges Zeichen. Wenige Minuten später war die Pressekonferenz beendet und der Saal leer. Roland reichte mir eine neue Akte. Die für das Meeting. Ich atmete tief durch und stemmte mich hoch. Ich musste mich wohl oder übel wieder an die Arbeit machen.

Am selben Tag

Kapitel 24: Am selben Tag
 

Auf der Pressekonferenz

Joey lehnte an der Wand des Konferenzsaals und sah zu dem Tisch der auf einer Erhöhung am anderen Ende des Raumes stand. Kaiba saß zwischen seinem Pressesprecher, einem bereits ergrauten Mann ende vierzig, und einer Sekretärin, die eifrig auf ihren Laptop eintippte. Für Joey war es schon erstaunlich, dass Kaiba seinen nicht einmal vor sich hatte und anscheinend auch nicht bei der Sache war. Natürlich musste er selbst auch zugeben, dass es ihm nicht anders erging. Joey sah den Sinn seiner Anwesenheit nicht wirklich. Wegen den zwei Fotos die er von Kaiba geschossen hatte, hätte man keinen Fotografen herschicken müssen, auch keinen Azubi wie ihn. Es war einfach nur totlangweilig, es wurde über Aktien, Verkaufszahlen, Arbeitsplätze, und so weiter gesprochen. Themen die Joey nun wirklich nicht so interessant fand. Da war es ja noch interessanter Kaiba zu beobachten. Die dunklen Augen des Älteren schweiften langsam über die Menge. Für einen Außenstehenden wirkten sie kalt und hart wie eh und je. Joey wusste es allerdings besser. In den gemeinsamen Schuljahren hatte er gelernt jede noch so kleine Regung in Kaibas Gesicht zu erkennen. Und er langweilte sich definitiv genauso sehr wie er selbst. Er hielt sich nicht nur aus dem Gespräch zurück, er war vollkommen unbeteiligt und in Gedanken vermutlich ganz wo anders. Sicher Kaiba konnte man so schnell nichts Vormachen. Wenn auch nur ein Wort fallen würde, dass ihm nicht passte, wäre er sofort bei der Sache und würde eingreifen. Aber so war er nun einmal. Er musste die Kontrolle haben. Joey seufzte leise und sah auf seine Uhr. Die Angelegenheit zog sich immer mehr in die Länge und eigentlich wäre genau jetzt seine Mittagspause. Er hatte Hunger. Sogar Kaiba hatte bereits zu Mittag gegessen. Das wusste er von Jessie, sie hatte ihm eine SMS geschrieben, als sie aufgebrochen war Mokuba von der Schule abzuholen. Irgendwann hatte diese Pressekonferenz Gott sei Dank ein Ende und Joey folgte dem dicklichen Journalisten, der momentan sein Vorgesetzter war aus dem KC-Tower.

„Ich sag dir Bursche, der Kerl da drinnen ist eiskalt. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der Angesichts eines solchen Vertrages so ruhig war. Jeder andere hätte gefeiert, oder wäre zumindest so Stolz darauf gewesen selbst mit der Presse zu sprechen!“ Joey zuckte mit den Achseln.

„Vielleicht wollte er das noch gar nicht an die Presse dringen lassen!“ Das allerdings brachte ihm nur ein dumpfes Schnauben ein.

„Das ich nicht lache. Kaiba war schon immer so kalt und abweisend. Dabei scheint ihm fast alles zuzufliegen!“ Joey wollte widersprechen, aber dann hätte er zugeben müssen, dass er Kaiba aus der Schule kannte und seit kurzem wieder Kontakt mit ihm hatte. Und ausgefragt und später für das Gesagte von Kaiba verklagt zu werden, darauf hatte er nun wirklich keine Lust. Also folgte er dem anderen Schweigend und hoffte dass er jetzt Mittag machen und endlich etwas essen konnte.
 

Am frühen Abend bei Jessie

Marianne saß neben Jessie auf dem Sofa, die beiden Frauen hielten jeweils ein Sektglas in der Hand. Violette Augen fokussierten ihre Freundin fordernd.

„Los erzähl!“ Jessie seufzte leise, jetzt konnte sie endgültig nicht mehr ausweichen, sie musste eine Lügengeschichte aufbauen.

„Da war echt nichts Besonderes dran! Ich habe da geschlafen, weil ich versuchen wollte Seto zu geregelten Mahlzeiten zu überreden. Dann bin ich heute Morgen so gegen vier aufgestanden. Wir haben geredet und festgestellt, dass wir uns relativ gut leiden können, naja dann haben wir uns entschieden es einfach zu versuchen!“ Entgeistert sah Marianne sie an.

„Ist das dein Ernst, sonst war da nichts? Das glaube ich dir nicht! Seto würde sich nicht einfach so eine Freundin suchen! Das haben schon so viele versucht!“ Jessie verdrehte die Augen.

„Vielleicht bin ich ja einfach etwas Besonderes?!“ Dann nahm sie einen Schluck Sekt.

„Was ist so falsch daran?“ Hilflos zuckte die Ältere mit dem Schultern.

„Nichts, aber…“

„Nichts aber! Er ist ein Mann, ich bin eine Frau. Zusammen ergibt das ein Paar!“ Ein leises Seufzten.

„Wenn das wirklich ernst zwischen euch beiden ist, dann kann ich euch nur Glück wünschen! Ich mag euch beide sehr gerne. Seto Kaiba ist zwar nicht einfach, aber ich glaube du schaffst es schon dich durchzusetzen! Zeig ihm einfach wo der Hammer hängt!“ Damit war das Thema beendet und sie schoben einen Film ein. Kitsch vom Allerfeinsten!
 

Am späten Abend bei Kaibas

Mokuba und Seto saßen sich still schweigend am Esstisch gegenüber. Der Junge beobachtete seinen Bruder streng beim Essen. Der Ältere stocherte etwas lustlos in seinem Teller herum. Irgendwann hatte er genug.

„Moki, was starrst du mich die ganze Zeit so an?“ fragte er leicht genervt. Sein Nachmittag war Katastrophal gewesen und am liebsten wäre er ohne Abendessen ins Bett, allerdings hatte er ja den `Deal´ mit Jessie.

„Du isst das leer!“ Er seufzte leise.

„Natürlich! Aber das ist nicht das, was dir auf der Seele brennt!“ Sofort wich Mokuba seinem Blick aus. Jetzt war es an Seto ihn zu fixieren.

„Also was ist los Kleiner?“ Der Junge wurde rot, stotterte etwas herum.

„Naja, ich… also es… es ist so…“

„Jetzt rück schon raus mit der Sprache, vorher ess ich mein Abendessen nicht zu Ende!“ Demonstrativ legte der Ältere das Besteck zur Seite. Überrascht sah Moki ihn an.

„Das kannst du nicht machen, sonst sage ich Jessie, dass du dein Versprechen ihr gegenüber nicht gehalten hast!“ Langsam schüttelte Seto den Kopf.

„Wenn du willst, dass ich das hier zu Ende Esse, musst du mir nur sagen, was dir auf dem Herzen liegt!“ Einen Moment maßen sich die beiden Brüder mit Blicken, dann seufzte Mokuba leise.

„Na gut, ich sags dir! Ich möchte mit dem Bus zur Schule fahren! Ich meine ich bin doch jetzt alt genug und Jessie meint das auch und…“

„Aha Jessica sagt das also! Na gut!“ Überrascht sah Moki ihn mit großen blauen Augen an, so als glaubte er sich verhört zu haben. Dann sprang er auf und fiel seinem Bruder um den Hals.

„Vielen, vielen Dank, Bruder. Danke!“ Freudestrahlend hüpfte er um den Esstisch. Seto dagegen stieß seine Gabel wieder in die Bratwurst und schob sich ein Stückchen in den Mund. Mokuba wurde Älter, für ihn bedeutete das ihm mehr Freiraum zu geben.

Das perfekte Kleid

Kapitel 25: Das perfekte Kleid
 

Nach knapp einer Woche hatte sich das ganze eingependelt. Jessie stand jeden Tag Punkt zwölf Uhr mittags vor Seto und musste ihn dann fast schon von der Arbeit wegzerren. Auch am Wochenende. Selbst wenn sich das ganze um einige Zeit nach hinten verschob nahm er sich trotzdem schlussendlich die Zeit. Egal wie wichtig seine Arbeit auch war, die Stunde Mittagspause ließ er nicht ausfallen. Jessie war auch nicht mehr so unter Zeitdruck, da Mokuba ja mit dem Bus nachhause fuhr hatte sie gut eine halbe Stunde mehr Luft nach hinten. Und mit der Zeit stellte sich eine Art Ritual zwischen den beiden ein. Wenn Jessie kurz vor zwölf in Setos Büro kam, sah er auf, beendete seine Arbeit. Jessie trat hinter seinen Stuhl und legte ihm die Arme um die Schultern. Am Anfang zuckte er bei jeder Berührung zusammen. Irgendwann begann er allerdings sich zurück in ihre Arme zu lehnen. Mittwochmittags war allerdings alles etwas anderes. Kaiba blieb an seinem Computer sitzen und sah nicht einmal auf. Jessie trat hinter ihn und legte ihm die Arme um den Hals und das Kinn auf seinen Kopf. Er reagierte nicht auf ihre Berührung. Er blieb starr sitzen und arbeitete weiter. Jessie seufzte leise und versuchte die Zahlenketten auf seinem Bildschirm zu verstehen, das war allerdings verlorene Mühe. Jessie hatte keine Ahnung was er da gerade tat.

„Seto?“ Fragte sie sanft, er brummte nur etwas vor sich hin. Sie streckte ihre Arme aus und legte sie auf seine schlanken Finger um ihn abzulenken.

„Lass uns Mittagessen gehen!“ Doch er schüttelte den Kopf und schob ihre Hände zur Seite.

„Ich muss das erst noch fertig machen!“ Ohne aufzusehen tippte er weiter. Ein paar Minuten stand sie noch stumm hinter seinem Stuhl, die Arme um seine Schultern gelegt.

„Wie lang brauchst du noch?“ Jetzt hob er doch kurz den Blick und sah sie über die Schulter hinweg an.

„Eine halbe Stunde in etwa.“ Sie kniff die Augen zusammen.

„Mokuba kommt um halb zwei nach Hause! Das könnte knapp werden!“ Abwesend schüttelte er den Kopf.

„Er ist heute bei einem Freund, außerdem weiß er, dass du den Nachmittag mit mir verbringst!“ Überrascht zog Jessie seinen Schreibtischstuhl zurück, sodass sie ihm ins Gesicht sehen konnte.

„Was hast du denn mit mir vor?“ Er seufzte leise und lies von seinem Computer ab.

„Ich habe dich doch gestern gefragt, ob du mich Freitag auf die Preisverleihung der Stadt begleitest…“ Sie nickte abwartend.

„Du brauchst ein Kleid dafür, deswegen werden wir heute Nachmittag zusammen einkaufen gehen! Lässt du mich das jetzt fertig machen?“ Sie nickte überrascht und setzte sich ihm gegenüber auf den Sessel. Sie war überrascht. Sicher er hatte sie wegen der Preisverleihung gefragt. Und selbst wenn er das nicht getan hätte. Hätte sie damit gerechnet, dass sie ihn begleiten würde. Es wurden diejenigen geehrt, die der einen besonderen Dienst an der Allgemeinheit getan hatten. Und die Veranstaltung war die am meisten herbeigesehnte der Stadt. Dem Deal zufolge, den Jessie mit Kaiba hatte war sie seine Freundin, also würde sie ihn natürlich auch begleiten und er würde sie der Öffentlichkeit vorstellen. Jessie war nervös. Sie wusste, dass sie einen Teil ihrer Privatsphäre verlieren würde, aber sie hatte vor sich gut einzuführen und dazu gehörte auch ein passendes Kleid. Sie freute sich, dass Seto es anscheinend wirklich mit ihr zusammen aussuchen wollte. Viel eher hatte sie damit gerechnet, dass er die Entscheidung alleine treffen würde. Sie betrachtete ihn genau, erst jetzt fiel ihr auf, dass er für die Arbeit sehr leger gekleidet war. Statt dem sonst so typischen Anzug trug er eine Jeans und einen blauen Pullover. Nach knappen zwanzig Minuten fuhr er seinen Computer herunter und streckte sich. Gerade als er sich erhoben hatte, betrat Roland das Büro. Fragend sah er seinen Assistenten an, der einen Stapel Akten auf dem Schreibtisch ablegte.

„Diese beiden Akten hier sind dringend!“ Er schob sie Kaiba hin, der sich seufzend wieder auf seinen Stuhl sinken ließ und die Papiermappen aufschlug.

„Das ist die Produktionsfreigabe für das neue…!“ Bevor er seinen Satz beendet hatte, hatte der CEO die beiden Akten überflogen und unterschrieben. Roland nahm die Akten entgegen.

„Die Anderen werde ich fertig machen, es reicht, wenn sie morgen abgezeichnet werden!“ Kaiba nickte und bedeutete Jessie ihm zu folgen. Da sie ihm anscheinend aber zu langsam war nahm er ihre Hand.

„Lass uns gehen, bevor noch irgendjemand auftaucht mit einem Stapel Akten unter dem Arm!“ Im ersten Moment stolperte Jessie ihm überrascht hinterher, dann faste sie seine Hand fester und trat an seine Seite.

„Okay lass uns ein Kleid kaufen!“ An der Bürotür blieb Kaiba noch einmal kurz stehen und drehte sich zu seinem Assistenten um.

„Rufen sie mich nur an, wenn es einen Notfall geben sollte, Roland!“
 

Nach einem kurzen Mittagessen in einem kleinen griechischen Restaurant fuhren sie zu einem Modegeschäft in einem der Vororte Dominos. Die Fassade des Hauses war alt und durch die Geteilten Scheiben des Schaufensters blickte man in ein freundlich eingerichtetes Geschäft in verschiedenen Cremtönen. Als Seto die Tür aufdrückte klingelte ein kleines Glöckchen.

„Bitte warten sie einen Moment, ich bin gleich bei ihnen!“ Jessie sah sich um. Direkt neben dem Eingang mit dem Rücken zum Schaufenster stand eine breite Couch, auf der sich Seto fast sofort nieder lies. Der Raum selbst war größer als er von außen gewirkt hatte. An den Wänden standen verschiedene Puppen mit aufwendigen Kleidern oder maßgeschneiderten Anzügen. Dazwischen kleine Beistelltische mit Accessoires. Der Raum in der Mitte war leer. An der der Tür gegenüberliegenden Wand war zwischen zwei dunklen Holztüren ein raumhoher Spiegel angebracht und in der Ecke vor einer schmalen Wendeltreppe stand ein Tresen. Ein älterer Mann kam die Wendeltreppe herunter. Sein Schritt stockte als sein Blick sie streifte.

„Mister Kaiba, was verschafft mir die Ehre?“ Fragte er ein wenig überrascht, aber durchaus freundlich. Seto nickte ihm kurz zu.

„Mister Adams. Jessica braucht ein Kleid für Freitag!“ Der Mann zog eine braune Augenbraue hoch.

„Ah, für die Preisverleihung!“ Er ging um Jessie herum, musterte sie von oben bis unten.

„Ich habe genau das richtige für dich Mädchen, komm mit!“ Er führte sie durch die linke Tür in einen Angrenzenden Raum, der von mit unzähligen Kleiderständern gefüllt war, staunend sah Jessie sich um. Mister Adams zog verschiedene Kleider hervor und hing sie wieder weg, bis er anscheinend das richtige gefunden hatte.

„Hier, das ist es!“ Jessie sah die dunkelblauen Stoffbahnen etwas zweifelnd an. Mister Adams lächelte freundlich.

„Zieh es an, dann kannst du es besser beurteilen.“ Jessie benötigte seine Hilfe um sich in dem vielen Stoff zurechtzufinden.

„Darf ich ihnen eine Frage stellen?“ Ergriff er schließlich das Wort, als er sich daran machte das Kleid, an der Seite zu schließen. Jessie nickte,

„Wie stehen sie zu Mister Kaiba?“ Überrascht drehte sie sich zu dem Mann um.

„Warum interessiert sie das?“ Seine dunklen Augen waren auf das Kleid gerichtet, sodass sie nicht in ihnen lesen konnte.

„Es ist das erste Mal, dass Mister Kaiba in Begleitung meinen Laden betritt!“ Er zupfte den Stoff zurecht.

„Ich bin seine Freundin!“ Statt einer Antwort zog er einen fahrbaren Spiegel zwischen den Kleiderständern hervor. Jessie blieb die Luft weg. Das Kleid war schulterfrei, an der Brust bis zur Taille eng geschnitten und fächerte sich erst an der Hüfte zu einem Rock auf, der aus drei unterschiedlich langen Lagen bestand und fast bis zum Boden reichte. Der Dunkelblaue Stoff war mit Silberfäden durchzogen und schimmerte bei jeder Bewegung.

„Ich würde ihnen eine lockere Steckfrisur und dezenten Silberschmuck empfehlen!“ Merkte der Verkäufer an. Jessie drehte sich im Kreis.

„Das Kleid ist wunderschön!“ Rasch betrat sie den Vorraum um es Seto zu zeigen. Jetzt wusste sie auch, warum der Raum so leer war. Sie konnte sich problemlos um die eigene Achse drehen ohne die Einrichtung mit den schwingenden Stoffbahnen in Gefahr zu bringen. Setos blaue Augen leuchteten auf und er lächelte sanft als er sie sah.

„Mister Adams hat wieder einmal eine sehr gute Wahl getroffen. Was sagst du Jessica?“ Ihre Augen strahlten und sie sah sich noch immer selbst im Siegel an.

„Ich werde es nie wieder hergeben!“ beschied sie entschlossen. Seto sah den anderen Mann an.

„Haben sie den passenden Schmuck dazu hier?“ Kurz verschwand er die Treppe nach oben, dann kam er mit einer kleinen Schatulle zurück. Auf dunklem Samt lagen silberne Ohrringe mit kleinen blauen Tropfen und die dazugehörige Kette.

„Schlicht, aber er gefällt mir!“ Seto übergab Jessie das Kästchen, damit sie ihn zum Kleid probieren konnte. Es war einfach perfekt.

Ein ganz normaler Abend und der Morgen danach...

Kapitel 26: Ein ganz normaler Abend und der Morgen danach...
 

Nebeneinander verließen sie das Geschäft. Seto verstaute ihr Kleid im Wagen und sah dann Jessie fragend an.

„Was machen wir mit dem Rest des Tages?“ Überrascht sah sie auf ihre Armbanduhr. Es war erst Vierzehnuhr dreißig.

„Du willst nicht zurück in die Firma?“ Er schüttelte den Kopf und lächelte dann ein wenig angespannt.

„Moki meint wir sollen etwas gemeinsam unternehmen. Er meint je besser wir uns kennen, desto einfacher wird es die Presse zu überzeugen!“ Gespielt empört stemmte Jessie die Hände in die Hüften.

„Ach ist es so schlimm deine Zeit in meiner Gesellschaft zu verbringen?“ Seine blauen Augen wurden ernst und er schien einen Moment nachzudenken, dann grinste er und öffnete ihr die Autotür.

„Nein, eigentlich nicht! Meistens bist du ganz erträglich.“ Jessie verdrehte die Augen und trat ganz nahe vor ihn.

„Das wollen wir ja sehen! Du gehst jetzt mit mir shoppen!“ Er widersprach nicht und so fanden sie sich kurze Zeit später in der Einkaufspassage wieder. Jessie sah den Kleiderständer eines kleinen Geschäfts durch und drehte sich plötzlich grinsend zu Seto um.

„Sieh mal, das ist doch cool!“ Entsetzt betrachtete Seto das T-Shirt, das sie zuhielt. Es war hellblau mit einem stilisierten „Blue Eyes White Dragon“.

„Los probier es an!“ Gequält ließ er sich zu den Umkleiden schieben. Jessie lehnte sich davor an die Wand.

„Und wie sieht’s aus?“ Er grummelte irgendetwas vor sich hin.

„Es passt, das ist aber auch das einzige positive!“ Jessie lachte leise.

„So schlimm?“ Er trat aus der Kabine, alles andere als glücklich. Unruhig zupfte er an dem T-Shirtsaum.

„Es steht dir! Außerdem wirkst du darin viel jünger!“ Sie musterte sein Gesicht.

„Es gefällt dir nicht?“ Er zuckte mit den Schultern.

„Naja es geht. Ich meine, wann soll ich das bitteschön anziehen?“ Natürlich merkte Jessie, dass er nicht direkt widersprechen wollte.

„Du könntest darin schlafen, aber wenn du es nicht willst sehe ich noch, ob sie es in Mokubas Größe da haben. Er fühlt sich darin bestimmt wohler als du!“ Sie wollte sich gerade abwenden, als er sie am Arm festhielt.

„Lass sein, ich nehms. Aber du musst mir versprechen, dass ich es niemals außerhalb der Wohnung tragen muss!“ Skeptisch sah sie ihn an. Sein ernster Blick sagte ihr allerdings, dass er wirklich meinte was er sagte. Sie umarmte er freudig.

„Versprochen. Aber jetzt lass uns für Mokuba auch eines aussuchen!“ Gemeinsam sahen sie sich um bis Seto schließlich ein leises

„Das hier!“ von sich gab. Jessie trat zu ihm.

„Das ist perfekt!“ Ein kleiner brauner Welpe sah sie mit unwiderstehlichen Hundeblick an.

„Meinst du er zieht das an?“ Seto zuckte mit den Schultern.

„Er kann ja darin schlafen!“ Benutzte er ihre Worte von vorhin. Jessie lachte.

„Okay, nehmen wir es mit!“
 

Zwei Stunden später war Jessie um ein paar schwarze High Heels, Lidschatten passend zu ihrem Kleid und einer schwarzen Lederjacke reicher. Kaiba hatte trotz ihres Protestes gezahlt und trug ihr jetzt sogar die Tüten nach. Jessie sah ihm an, dass ihn langsam die Lust verging.

„Ich möchte noch schnell in die Buchhandlung, hältst du noch fünf Minuten durch?“ Er seufzte leise, folgte ihr allerdings. Plötzlich blieb er stehen.

„Was ist?“ Er nahm die Einkaufstüten in die andere Hand und schob die nun freie in die Hosentasche.

„Hast du heute Abend schon etwas vor?“ Überrascht sah sie ihn an.

„Nein, warum fragst du?“ Er setzte sich wieder in Bewegung.

„Jetzt hast du etwas vor! Ich hole dich in einer viertel Stunde im Buchladen ab.“ Total perplex sah Jessie ihm nach. Was sollte das denn jetzt? Sie fuhr sich durchs Haar und zuckte dann mit den Schultern. War das seine Art sich zu verabreden? Naja sie würde es schon herausfinden. Also betrat sie den Buchladen und begann zu stöbern. Sie hatte vollkommen die Zeit vergessen, al sich jemand hinter ihr räusperte. Langsam drehte sie sich um und sah dann auf.

„Oh Seto, du bist schon wieder da?“ Er zog eine Augenbraue hoch.

„Ich war über eine halbe Stunde in dem Weinladen gegenüber!“ Sie errötete leicht als sie einen Blick auf ihre Uhr warf.

„Und hast du etwas gefunden?“ Er hob eine der Tüten hoch und nickte.

„Lass uns gehen!“ Jessie stellte das Buch zurück ins Regal und ging Richtung Ausgang.

„Willst du keines?“ Lächelnd drehte sie sich zu ihm um und schüttelte den Kopf.

„Ich habe noch zwei ungelesene zuhause liegen. Ich stöbere nur gerne!“ Er folgte ihr wortlos aus dem Laden, Jessie hakte sich bei ihm unter.

„Was machen wir heute Abend eigentlich?“ Er sah sie von der Seite an.

„Abendessen?!“ Sie verdrehte die Augen, sie hätte sich denken können, dass er nicht wirklich mit ihr ausgehen würde.

„Okay, was soll ich kochen?“

„Gar nichts! Das mache ich!“ Jessie fiel die Kinnlade herab. Mehrmals musste sie blinzeln.

„Du kochst?“

„Wenn ich Zeit habe!“
 

Seto konnte wirklich kochen. Es gab nichts besonderes, Spaghetti Bolognese und einen teuren Rotwein, den er gekauft hatte. Seto hatte sich umgezogen, er trug eine Jogginghose und das neue T-Shirt. Sie saßen sich am Küchentisch gegenüber. Es war unangenehm still zwischen den beiden und schließlich seufzte Jessie leise.

„Wann kommt Moki wieder?“ Seto sah kurz auf seine Armbanduhr.

„In etwa zwei Stunden, warum? Vermisst du ihn?“ Was sollte sie denn darauf antworten? Wenn sie `Nein´ sagte würde das bedeuten Moki würde ihr nicht sooooo viel bedeuten. Und wenn sie mit `Ja´ antworten würde, beleidigte sie damit nicht ihn? Er könnte es so verstehen, dass sie die Gesellschaft des Jungen seiner vorzog. Sie nahm einen Schluck Wein.

„Warum machen wir uns nicht einen gemütlichen Abend und schauen uns einen Film an?“ Er grinste.

„Sehr Diplomatisch!“ Dann räumte er schnell den Tisch ab und nahm die noch halbvolle Weinflasche und ein Glas. Jessie tat es ihm gleich, blieb allerdings zögernd im Wohnzimmer stehen.

„Äh, Seto…wo willst du hin?“ Er sah über die Schulter hinweg zu ihr.

„Mein Zimmer, kommst du?“ Total perplex blieb sie noch immer wie erstarrt stehen. Hatte sie sich verhört? Wollte er wirklich in seinem Zimmer… Ja was wollte er eigentlich mit ihr? Als er merkte, dass sie ihm nicht folgte, drehte er sich um. Er schien ihr ihre Gedanken anzusehen, denn er verdrehte die Augen.

„Ich werde dir nichts tun! Ich möchte `Herr der Ringe´ schauen und Moki mag den Film nicht, also…“ Jessie machte einen zögerlichen Schritt in seine Richtung.

„Jessica, jetzt zier dich nicht so. Du benimmst dich als wollte ich dich in meine Höhle locken und vergewaltigen!“ Bei den letzten Worten war jeglicher Spott aus seiner Stimme gewichen. Er wirkte als wäre er in Gedanken weit weg. Jessie gab sich einen Ruck, natürlich würde sie nichts tun. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm.

„Alles Okay?“ Kurz zuckte er mit den Achseln und betrat dann den Flur.

„Kommst du jetzt?“ Wortlos folgte sie ihm. Er stellte die Weinflasche ab und sah sie dann an.

„Wenn du dir auch etwas bequemeres anziehen möchtest…“ Im Gästezimmer hatte sie immer Wechselkleidung liegen, falls sie kurzfristig übernachten würde. Also ging sie sich eine Jogginghose holen und flocht sich das Haar zu einem dicken Zopf. Als sie zurück in Setos Schlafzimmer kam saß er im Schneidersitz am Fußende des Bettes, er hatte die Kontaktlinse mit der Brille vertauscht und hielt die Fernbedienung in der Hand. Unsicher setzte Jessie sich ans andere Bettende. Jetzt waren fast zwei Meter Abstand zwischen ihnen. Etwas unwohl fühlte sie sich schon, aber das Seto einfach über sie herfallen würde, daran glaubte sie nicht so wirklich. Plötzlich sah er sie etwas zerknirscht an und Jessie musste zugeben, dass es ihm unheimlich gut stand.

„Ich habe gar nicht gefragt, ob du das überhaupt anschauen willst?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Klar, warum nicht?“
 

Setos Sicht

Jessica hatte sich zusammengerollt. Ihr Kopf lag auf meiner Brust, einige ihrer blonden Locken hatten sich aus ihrem strengen Zopf gelöst und hingen ihr ins entspannte Gesicht. Sie war schon nach der ersten halben Stunde eingeschlafen. Vielleicht war das dem Wein geschuldet, allerdings war es wahrscheinlicher, dass sie `Herr der Ringe´ einfach nicht so spannend fand. Ob ich ihr deswegen böse war? Nicht wirklich, warum sollte ich auch? Ich meine sie war hier und beschwerte sich nicht.

Das war das schlimmste an Beziehungen. Das ewige Meckern konnte einem gehörig auf die Nerven gehen. Jessica war anders, sie hatte ihre ganz eigene Art ihren Willen durchzusetzen. Und es störte mich überhaupt nicht, dass sie auf meinem Bett eingeschlafen ist.

Eigentlich durfte das nur Mokuba. Ich hatte schon die ein oder andere Beziehung. Doch dabei hatte stets das körperliche im Vordergrund gestanden. Ich hatte diese Frauen nicht einmal Mokuba vorgestellt, geschweige denn hatte eine von ihnen jemals dieses Zimmer betreten. Warum auch? Ich wollte nichts dauerhaftes. Ich hatte viel zu wenig Zeit eine Beziehung aufrecht zu erhalten und woher sollte ich denn wissen, ob die Frau nicht nur hinter meinem Geld her wäre? Mit Jessie hatte ich diesen Deal, sie arbeitete sozusagen für mich. Und sie verkaufte ihren Körper nicht! Sie hatte es zur Bedingung gemacht, nicht mit mir schlafen zu müssen. Als ob sie müsste. Es gab genug Frauen die sich mir an den Gals warfen. Vielleicht war ja genau das der Grund, warum ich Jessica so nah an mich heran ließ. Gerade weil sie sich mir eben NICHT an den Hals warf. Ich kann nicht einmal sagen wie sie es in mein Leben geschafft hat. Sie war plötzlich einfach da gewesen und wenn ich ehrlich bin freute ich mich auf unsere gemeinsamen Mittagessen. Und das hatte auch noch einen entscheidenden Vorteil.

André meint ich hätte zugenommen. Ich stellte mich nur ungerne auf die Waage, weil ich genau wusste, dass ich viel zu leicht war. André zwang mich trotzdem einmal in der Woche dazu. Ich schaute schon gar nicht mehr auf die Anzeige und Andrés besorgter Blick war auch nicht besser. Ich machte das ja nicht absichtlich, ich konnte es nur einfach nicht ändern. Gestern Morgen hatte er allerdings gelächelt und mich mit einem Gemurmelten `Ich liebe dieses Mädel!´ in seine Arme gezogen. Ich hatte tatsächlich ein Kilo zugenommen. Irgendwann hatte ich mich aus seiner Umarmung befreit. Das Ganze war mir unangenehm. Er war nicht eingeschnappt gewesen, war noch da geblieben um mit mir zu frühstücken und hatte immer wieder von Jessica geschwärmt.

Vorsichtig strich ich ihr eine seidige Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie kuschelte sich noch näher an mich. Ich schaltete den Fernseher aus und zog die Decke über uns. Sie würde heute Nacht hier schlafen. An meiner Seite. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem Bauch aus. Jessica war schon etwas Besonderes. Sie hat es in mein Leben geschafft und ich bin froh darum.
 

Jessies Sicht

Um mich herum war es mollig warm und ich hatte wirklich keine Lust schon aufzustehen. Ich wollte mich gerade auf die andere Seite drehen, als mir bewusst wurde, dass irgendetwas mich festhielt. Ich blinzelte in das Dämmerlicht. Ein Arm war um meine Taille geschlungen und hielt mich fest an einen warmen Körper gedrückt.

Wo zum Teufel war ich?

Was hatte ich gestern getrieben?

Ich war mit Kaiba shoppen und dann hatten wir eine Flasche Wein zum Abendessen getrunken. Ich hatte mich definitiv nicht auf den Heimweg gemacht. Das bedeutete, ich war noch immer bei Kaiba, in seinem Zimmer, seinem Bett. Also konnte das hinter mir nur Seto sein.

Halt.

Seto kuschelte sich gerade wirklich an meinen Rücken?

Der Seto Kaiba.

Mein Chef, der sich nur ungerne anfassen ließ?

Sein warmer Atem strich über meinen Nacken. Wie zum Henker war das denn passiert? Ich erinnerte mich noch daran, dass wir zusammen diesen Film angesehen haben. `Herr der Ringe´ glaube ich. Naja so spannend fand ich ihn jetzt nicht, aber das ist Geschmackssache. Aber ich vermute mal, dass ich irgendwann eingeschlafen bin. In Setos Bett. Was er dazu wohl sagte?

Allzu schlimm konnte er es ja nicht finden, sonst hätte er mich mit Sicherheit rausgeschmissen, oder?

Ich schloss die Augen wieder und kuschelte mich noch ein wenig näher an ihn. Irgendwie war das schön nicht alleine aufzuwachen. Ich döste vor mich hin, bis sein Wecker plötzlich anfing zu piepsen. Seto hinter mir grummelte irgendetwas unverständliches und drehte sich von mir weg um das nervige Ding auszuschalten. Jetzt rollte auch ich mich herum und sah ihm in die verschlafenen Augen.

„Guten Morgen!“ Er fuhr sich durch das verstrubbelte Haar und gähnte herzhaft.

„Morgen!“ antwortete er ein wenig brummig und schloss dann einfach die Augen wieder. Ich beobachtete ihn stumm. Die schmalen Lippen, die ein wenig offen standen, die gerade Nase, die pechschwarzen Wimpern, sein entspanntes Gesicht. Fünf Minuten später klingelte sein Wecker erneut. Diesmal setzte er sich auf und rieb sich übers Gesicht, bevor er ihn erneut verstummen ließ. Jetzt sah er mich an. Seine Züge waren weich und seine blauen Augen betrachteten mich neugierig. Ich lächelte ihn an und setzte mich ebenfalls auf.

„Wir müssen aufstehen, nicht wahr?“ Jetzt lächelte auch er, etwas wehmütig zwar, aber es war eindeutig ein Lächeln.

„Die Arbeit ruft!“ Damit stand er auf und verschwand im Bad. Ich ließ mich zurück in die Kissen fallen. Naja ich hatte noch Zeit. Aber wenn ich schon mal da war konnte ich ihm ja beim Frühstück Gesellschaft leisten. Also stand auch ich auf.
 

Jessie stand in der Küche und schnitt Obst als Seto frisch geduscht und in einem dunkelgrauen Anzug hinter sie trat und siech eine Tasse aus dem Schrank nahm.

„Was wird das?“ Erschrocken drehte sie sich zu ihm.

„Das kommt in den Naturjoghurt.“ Sie zeigte auf das Glas auf der Theke neben sich.

„Zusammen mit dem Müsli. Willst du auch?“ Kurz sah er in seinen Tee, dann erwiderte er ihren Blick.

„Gerne.“ Fünf Minuten später stellte Jessie zwei Schalen auf den Esstisch und setzte sich neben Seto. Sie sah ihn schief an, weil er mit gerunzelter Stirn die Zeitung las, als er plötzlich den Blick hob.

„Willst du auch ein Stück?“ Bevor sie antworten konnte kam Mokuba durch die Tür.

„Morgen!“ Er grinste breit, als er Jessie und seinen Bruder nebeneinander am Tisch sitzen sah. Er holte sich einen Apfel und setzte sich zu ihnen.

„Und habt ihr ein Kleid gefunden?“ Als ich gestern heimkam habt ihr schon geschlafen!“ Jessie nickte, ihre Augen leuchteten.

„Ja haben wir, es ist wunderschön! Ich zeige es dir wenn du heute Mittag von der Schule zuhause bist!“ Der Junge nickte und zog den Reisverschluss seines Pullovers auf.

„Schaut mal!“ Er trug das T-Shirt, das sie ihm gekauft hatten. Seto und Jessie wechselten einen überraschten Blick. Moki grinste.

„Den Mädels wird’s gefallen!“ Tadelnd sah Seto seinen Bruder an und stand dann auf.

„Wenn du dich beeilst nehm ich dich mit Moki!“ Der Junge rannte in sein Zimmer um seine Büchertasche zu holen. Währenddessen beugte sich Seto zu Jessie hinunter, die ebenfalls aufgestanden war und küsste sie auf die Stirn.

„Wir sehen uns zum Mittagessen!“ Sie begleitete ihn zur Tür. Mokuba schob sich an ihr vorbei um seinem Bruder zu folgen, Genau auf ihrer Höhe bleib er allerdings für einen Moment stehen. Da ist definitiv etwas zwischen dir und Seto, egal wie sehr du es leugnest!“ Sie sah den beiden hinterher. Vielleicht hatte der Junge recht.

Die Preisverleihung

Kapitel 27:
 

Es war Freitagabend. Jessie stand im Bad vor dem Spiegel und zog ihren Lippenstift noch einmal nach. Es war kurz vor sechs, Seto würde sie in ein paar Minuten abholen. Prüfend musterte sie sich ein letztes Mal und löschte dann das Licht. Mit zitternden Händen nahm sie ihren Mantel und die Handtasche. Sie war nervös, aber wer wäre das in ihrer Situation auch nicht? Sie würde sich als Seto Kaibas Freundin outen… Schwer schluckte sie und hob die Hand um sich durchs Haar zufahren, stoppte dann allerdings. Sie würde sich nicht so unbedacht sein die Mühe ihre widerspenstigen Haare zu zähmen und Hochzustecken zunichtemachen. Es klingelte an der Haustür sie ging um zu öffnen. Vor ihr stand Seto in einem schwarzen Anzug. In der Hand hielt er eine einzelne rote Rose. Jetzt sah er sie wortlos an. Seine blauen Augen glänzten fasziniert. Jessie legte den Kopf schief und sah ihn fragend an.

„Hey!“ Es schien als würde sie ihn mit diesem einen kleinen Wort aus den Gedanken reisen. Er lächelte leicht und hob die freie Hand langsam.

„Du siehst wunderschön aus!“ Seine Finger strichen federleicht über ihre Wange und nahmen dann vorsichtig eine Locke zwischen die Fingerspitzen.

„Ich mag diese Locken!“ Als er die Strähne losließ sprang sie zurück und kringelte sich wieder.

„So faszinierend?“ Fragte sie sanft, als er erneut nach einer Locke griff und diese aufzog. Wie ertappt zog er die Hand zurück, hielt ihr stattdessen die Rose entgegen. Vorsichtig nahm Jessie sie entgegen und trat dann zurück um ihn in die Wohnung zu lassen.

„Komm rein, ich suche schnell eine Vase!“ Er folgte ihr in die Küche und beobachtete sie, wie sie unter der Spüle verschwand. Dann tauchte sie wieder auf mit einer hohen, schlanken Vase in der Hand und füllte sie mit Wasser.

„Wie war dein Tag?“ Er zuckte mit den Achseln und schob die Hände in die Hosentaschen.

„Als ich vorhin heimkam saß ein jaulendes Hündchen in meinem Wohnzimmer und hat sich beschwert, dass Moki immer gewinnt!“ Jessie wollte gerade auffahren, als ihr auffiel, dass Seto das gar nicht so böse zu meinen schien.

„Warum bezeichnest du Joey immer als Hund?“ Er verdrehte die Augen und ging Richtung Tür.

„Weil er sich so benimmt. Lass uns gehen!“ Jessie folgte ihm rasch und schloss die Wohnungstür hinter sich ab. Vor dem Haus am Straßenrand stand eine tiefschwarze Limousine. Als sie auf die Straße traten stieg Roland aus und öffnete ihnen die hintere Tür.

„Guten Abend!“ grüßte Jessie und lächelte ihn an.

„Ihnen ebenfalls Miss Brown. Und wenn ich das sagen darf, das Kleid steht ihnen wirklich ausgezeichnet!“ Sie drehte sich einmal im Kreis und brachte ihn ebenfalls zum lächeln.

„Vielen Dank!“ Seto schnaubte leise.

„Können wir jetzt endlich gehen?“
 

Die Fahrt in die Stadthalle verlief sehr still. Jessie rieb die schwitzigen Finger am Polster und Seto starrte aus den getönten Fenstern. Irgendwann seufzte er leise.

„Du hast Angst!“ Das war keine Frage und er sah sie ein wenig traurig an.

„Noch kannst du dich anders entscheiden!“ Überrascht sah sie ihn an.

„Ich…“ Er schüttelte den Kopf.

„Du musst dir wirklich sicher sein! Du wirst mit mir keine einfache Beziehung haben, das muss dir bewusst sein. Du wirst in der Öffentlichkeit stehen, wenn du das durchziehst, dann werden alle versuchen über dich an mich heranzukommen!“ Jessie drehte sich ihm zu und sah ihn an. Er war ein wenig blass und seine Augen nicht so klar wie sonst.

„Wenn ich jetzt einen Rückzieher mache, was ist dann mit dir?“ Ein leises Schnauben, er sah wieder aus dem Fenster.

„Es ist nicht das erste Mal, dass ich ohne Begleitung auf einer Veranstaltung auftauche, also ist das nicht weiter von Belang!“ Entschieden schüttelte sie den Kopf.

„Das meine ich nicht! Seto, würdest du weiter regelmäßig essen? Und außerdem, du hast Kopfschmerzen, nicht wahr?“ Er biss sich auf die Unterlippe.

„Ich…wahrscheinlich…vielleicht…doch, ich denke schon. Und ja ich habe Kopfschmerzen, aber es sind nur die normalen Spannungskopfschmerzen.“ Jessie krampfte die Hände in ihr Kleid.

„Du lässt mir also wirklich die Wahl?“ Noch immer wich er ihrem Blick aus, dann nickte er.

„Ja, du hast die Wahl!“ Mehrmals atmete Jessie tief durch und streckte dann vorsichtig die Hand nach seiner aus. Vorsichtig umfasste sie seine kalten Finger.

„Ich lass dich nicht alleine da hin gehen und außerdem, wann habe ich schon einmal die Chance eine solche Veranstaltung zu besuchen?“ Er lächelte müde und nickte.

„Danke!“
 

Als Jessie den roten Teppich betrat blitzten die ersten Kameras auf. Unsicher sah sie sich zu Seto um, und hakte sich dann bei ihm unter. Aufmunternd nickte er ihr zu.

„Immer schön lächeln und antworte nur, wenn du es wirklich möchtest!“ Sie atmete tief durch und zauberte dann ein strahlendes Lächeln auf ihr Gesicht. Seto dagegen blickte ernst und distanziert, aber diesen Blick trug er stets wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegte. Jessie drückte seinen Arm sanft und sah zu ihm auf.

„Wir verschwinden, direkt nach den Preisverleihungen. Und nach dem du einmal mit mir getanzt hast, deal?“ Ein kurzes flüchtiges Lächeln huschte über seine Züge und erhellte sein Gesicht. Mehrere Kameras blitzten auf. Kurz schloss er die Augen, dann betraten sie das Gebäude.

Ihre Plätze waren ganz vorne, nahe der Bühne, aber am Rand. Sie saßen kaum, als ein etwas pummeliger Mann ende fünfzig auf sie zukam.

„Guten Abend Mister Kaiba, schön das sie gekommen sind! Und dann noch in so erfreulicher Begleitung!“ Er nahm ihre Hand und hauchte einen flüchtigen Kuss auf ihre Knöchel.

„Wenn sie später…oh, da hinten ist ja… ich muss weiter!“ Mit offenem Mund sah Jessie dem Mann nach, dann sah sie zu Seto.

„Wer um alles in der Welt war das?“ Setos Augen glänzten, es schien, als müsste er ein Lachen unterdrücken.

„Das, war unser von allen hoch geschätzter Bürgermeister!“ Er nahm einen Schluck aus dem vor ihm stehenden Wasserglas.

„Er ist wirklich freundlich und man kann gut mit ihm reden, wenn er denn mal Zeit hat!“
 

Während den Preisverleihungen sah Seto starr auf die Bühne und ignoriert die vier anderen Personen die mit ihnen am Tisch saßen und Jessie war mehr auf ihn fixiert als das, was um sie herum geschah. Seto sah wirklich nicht aus, als würde ihm das ganze Spaß machen und Jessie könnte schwören, dass er schon mehr als nur ein paar Gläser Sekt hatte. Er war bereits auf härteres umgestiegen. Er hatte Whisky bestellt.

„So schlimm?“ flüsterte sie ihm zu, als gerade ein weiterer Preisträger unter Applaus die Bühne betrat. Er zuckte mit den Schultern.

„Es geht, warum?“ Jessie wartete bis, der Mann unter Applaus die Bühne wieder verließ.

„Dann betrink dich nicht, oder hast du ordentlich zu Abend gegessen?“ Als nächstes bestellte er sich ein Wasser.

Irgendwann kurz vor Mitternacht war schließlich der letzte Preisträger geehrt worden und kaum war das Klatschen abgeebbt erhob Seto sich.

„Lass uns tanzen!“ Eng umschlungen drehten sie sich über die Tanzfläche, wortlos. Als das Lied zu Ende ging nahm er sie an der Hand und führte sie zur Tür. Roland fuhr mit der Limousine vor und öffnete ihnen die Tür.

„Wo soll ich sie hinfahren?“ Seto sah zu Jessie und dann zu seinem Assistenten.

„Zu Jessica bitte!“ Jessie rutschte näher an Seto heran und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er verschränkte seine Finger mit ihren und sah sie fragend an. Doch sie legte nur den Kopf an seine Schulter und schwieg. Als sie vor Jessies Wohnung hielten stieg sie nur zögernd aus. Seto folgte ihr.

„Ich bekleide dich nach oben!“ Gemeinsam betraten sie das Haus. Jessie schloss die Tür auf, er blieb auf dem Flur stehen.

„Möchtest du noch mit hereinkommen?“ Er zögerte einen Moment, senkte den Blick.

„Darf ich bleiben?“ Sie nickte und er griff nachseinem Handy.

„Roland, sie können nach Hause fahren!“ Er legte ihr einen Arm um die Hüften und küsste sie zuerst sanft auf die Lippen, dann wurde er stürmischer. Jessie warf noch die Tür hinter sich zu.
 

Währenddessen liefen die Seiten der Klatschzeitungen durch die örtlichen Druckerpressen. Auf der Titelseite ein Foto. Jessie und Seto auf dem roten Teppich. Darunter die Schlagseite:
 

Seto Kaiba lächelt, Liebe?

Wer ist die unbekannte Schönheit an seiner Seite?

Special: Newspaper

Kapitel 28: Special: Newspaper
 

Seto Kaiba lächelt, Liebe?

Wer ist die unbekannte Schönheit an seiner Seite?
 

Domino. Die Wagen halten vor dem Eingang der Stadthalle. Ein langer roter Teppich führt zu den breiten Toren. Hier wartet die Presse auf die Besucher der Preisverleihung. Es herrscht Chaos. Ich bin das erste Mal hier, erlebe zum ersten Mal die Aufregung, die Vorfreude. Meine Kollegen raten welcher Prominente wohl aus der nächsten Limousine aussteigen wird. Frauen in wunderschönen, edlen Kleidern schweben regelrecht über den Boden auf uns zu, Auslöser werden gedrückt, Blitzlichter gehen los. Ich blinzele angestrengt, berühmte Frauen in Kleidern von ebenso berühmten Designern. Mariah Maler in einem knielangen Traum aus hellgrüner Seide von Antonio Caran. Sylvana Rowan in einem langen tiefschwarzen Abendkleid von dem noch unbekannten designer Maximilio Marcavelli. Dann steigt der Bürgermeister aus dem nächsten Wagen, in seiner Begleitung seine wunderschöne Frau und die siebzehnjährige Tochter. Ihm auf den Fuß folgt Antonio Caran persönlich. Sämtliche anwesenden Frauen drehen sich nach ihm um und meine Knie werden weich. Er trägt einen schneeweißen Anzug, sein schwarzes Haar ist streng zurückgekämmt und seine dunklen Augen scheinen uns zu durchbohren. Die nächste Limousine hält am Straßenrand, ich achte nicht auf die Gäste, bin viel zu sehr von all dem hier gefesselt. Plötzlich werden meine Kollegen um mich herum still. Langsam wende ich mich um. Am anderen Ende des roten Teppichs steht ein Mann. Seto Kaiba, kalt wie stets wenn ich ihn sah. Die ersten Fotos werden geschossen. Hinter ihm aus dem Wagen steigt eine junge Frau. Sie trägt ein dunkelblaues schlichtes Kleid, dezenter Schmuck glänzt in ihrer Halsbeuge und in den Ohrläppchen. Ihr blondes Haar ist locker aufgesteckt, einzelne Locken fallen auf ihre Schultern. Unsicher sieht sie sich nach Seto Kaiba um, hakt sich bei ihm unter. Wer ist sie, ich habe sie noch nie in der Öffentlichkeit gesehen. Auch sonst scheint sie niemand zu kennen. Tausende Fotos werden geschossen, jeder will das Paar festhalten. Er scheint ihr etwas zuzuflüstern, denn sie zaubert ein strahlendes Lächeln auf ihr etwas unsicher wirkendes Gesicht und sieht zu ihm auf. Flüstert etwas zurück…

… und Seto Kaiba lächelt.

Wer ist diese fremde Schönheit, die es schafft, diesen kalten, distanzierten Mann zum Lächeln zu bringen. Gemeinsam gehen sie in das Gebäude ich folge ihnen kurz entschlossen. Betrete die riesige Halle. Goldene und Rote Stoffbahnen bedecken die Wände und fallen in sanften Wellen bis auf den Boden. Die Tische sind mit Blumengestecken und kompliziert Gefallteten Servierten geschmückt. Überall sind die Ober zu sehen, sie kümmern sich um das Wohlergehen der Gäste. Auch mir wird ein Glas Sekt in die Hand gedrückt. Suchend sehe ich mich um, ich habe Kaiba und seine Begleitung aus den Augen verloren. Doch stattdessen drängt sich ein anderer Mann in mein Blickfeld. Schüchtern steht er in einer Ecke der Halle, sein Anzug sitzt nicht richtig, er ist ein wenig blass um die Nase. Jeremiah Claude, er ist keine Musiker, kein Geschäftsmann, kein Designer. Er ist ein ganz normaler Mann. Arbeitet beim Bombenräumkomando, er ist als Vertretung seines Teams hier. Sie haben vor ein paar Wochen den Bombenanschlag auf die KC verhindert. Und damit die Stadt vor einer Katastrophe bewahrt. Jetzt wo ich mich umsehe, sehe ich noch andere Menschen, die nicht in diese Glamourwelt gehören. Dort ein junges Mädchen, sie hat ihre Nachbarin aus einem brennenden Haus gerettet. So viele Menschen die sich an der Gesellschaft verdient gemacht haben. Ist dieser Abend nicht eigentlich für sie? Wir sehen eigentlich immer nur den Glamour und den Glanz, doch sehen wir auch die Leistungen, die Taten derjenigen, die hier geehrt werden? Sie haben unseren Applaus verdient, unsere Begeisterung und die Ehrung durch die Stadt. An diesem Abend wird die Medaille der Stadt verliehen. Sie ist etwa handtellergroß auf der das Stadtwappen eingeprägt. Ein Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit.
 

Amy Sony, Stimmen zum Abend

Was wird aus uns?

Kapitel 29: Was wird aus uns?
 

Als Jessie die Augen aufschlug, schien die Sonne auf ihr Bett. Sie blinzelte. Seto lag neben ihr auf dem Bauch, das Gesicht ihr zugewandt. Die Decke war ihm bis auf die Hüften hinab gerutscht. Jessies Blick wanderte über seinen schmalen Körper, die fein definierten Muskeln, die Narben. Vorsichtig strich sie über seine Haut, errötete. Sie lag genauso unbekleidet im Bett wie er. Wenn sie an die letzte Nacht dachte…

Sie schloss die Augen.

Sie hatte mit ihrem Chef geschlafen.

Genau das was sie absolut nicht gewollt hatte.

Aber warum?

Sicher Kaiba sah gut aus, das braune Haar, die eisblauen Augen. Klar er war zu dünn, trotzdem war er muskulös.

Er hatte Geld, aber das war eigentlich ein Punkt, der Jessie nicht besonders interessierte.

Da war etwas anderes.

Er war freundlich zu ihr, hatte ihr ein Kleid gekauft, mit ihr getanzt, obwohl er keine Lust gehabt zu haben schien. Sie fühlte sich wohl in seiner Nähe. Sie freute sich auf ihre täglichen Treffen. Hatte Schmetterlinge im Bauch wenn er sie ohne diesen kalten, distanzierten Blick betrachtete.

Sie hatte sich verliebt. In Seto Kaiba, den wohl mächtigsten Geschäftsmann des Landes. In einen knallharten und abweisenden Mann. Aber was empfand er führ sie? Sie glaubte kaum, dass er sie liebte. Dass er überhaupt bereit war eine ernsthafte Beziehung egal welcher Art mit ihr zu führen. Überhaupt mit irgendjemandem eine Beziehung zu führen.

Langsam öffnete sie die Augen wieder, betrachtete sein entspanntes Gesicht. Er sah viel jünger aus als sonst. Er war gerade einmal einundzwanzig. Und er hatte schon so viel mitmachen müssen. Sie wusste, dass seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Damals war er gerade einmal acht Jahre alt gewesen. Mit zehn war er von Gosaburou adoptiert worden. Mit fünfzehn hat er seinen Stiefvater gestürzt und die Firma übernommen. Jessie wusste nichts über ihn was die Medien nicht in irgendeinem Artikel, Fernsehbeitrag oder Interview über ihn gebracht hatten. Sie wusste nicht warum er Gosaburou gestürzt hatte, woher die vielen Narben auf seinem Körper stammten, warum er nichts aß.

Langsam streckte sie die Hand nach ihm aus, strich vorsichtig über seine Rippen. Er war viel zu dünn. Was belastete ihn? War es die Arbeit? Hatte es etwas mit Mokuba zu tun? War es seine Vergangenheit? Sie wusste so wenig über ihn. Wie gerne würde sie ihm helfen. Doch dafür musste sie an ihn herankommen. Ob er das zulassen würde? Ob er sich auf eine Beziehung mit ihr einlassen würde? Sie wollte es auf jeden Fall versuchen. Denn sie liebte ihn. Sie liebte Seto Kaiba!

Doch genauso sicher war sie sich, dass er Zeit brauchte. Zeit darüber nachzudenken. Und sie musste ihm diese Zeit geben, durfte ihn nicht bedrängen. Am besten sie fuhr ein paar Tage zu ihren Eltern und lies ihm diese Zeit.

Sie rollte sich aus dem Bett und streckte sich.

„Was ist los?“ Seto regte sich hinter ihr und sah sie verschlafen an. Jessie seufzte leise. Er sah wirklich süß aus. Sein Blick schweifte über ihre nackte Haut, seine Augen weiteten sich leicht.

„Jessica, ich…!“ Sie schüttelte den Kopf.

„Ich möchte gerne Duschen, lass uns danach reden, okay?“ Zögernd nickte er, also schnappte sie sich frische Kleidung und verschwand im Bad.
 

Als Jessie aus dem Bad kam, war Seto nicht mehr in ihrem Schlafzimmer und auch seine Kleidung, die sie am vergangenen Abend im ganzen Zimmer verteilt hatten war verschwunden. Nur ihr Kleid hing feinsäuberlich über einem Bügel am Schrank. Jessie sah im Wohnzimmer nach, dann betrat sie die Küche. Er saß am Küchentisch, die Arme aufgestützt, die Augen geschlossen.

Wortlos kochte Jessie Tee auf und stellte die Tasse vor ihm ab. Dann setzte sie sich ihm gegenüber. Lange war es still zwischen ihnen, dann seufzte er leise und nahm die Tasse.

„Du willst reden?“ Stellte er fest. Es war keine Frage. Jessie schnaubte leise.

„Sollen wir es lieber totschweigen?“ Er schüttelte den Kopf.

„Nein…ich habe das erste Mal einen Deal gebrochen!“ Sein Lachen war freudlos.

„Wie meinst du das?“ Sie sah ihn überrascht an.

„Du hattest zwei Bedingungen! Du würdest dich nicht herumkommandieren lassen und Sex wäre ein Tabu. Das habe ich gerade gebrochen!“

„Meinst du nicht, dass ich da eine gewisse Mitschuld habe?“

„Nein!“ Sprachlos sah sie ihn an.

„Sag mal hast du sie noch alle? Ich entscheide mich frei mit wem ich schlaft!“ fauchte sie ihn an. Er sprang auf, das war das erste Mal, dass Jessie ihn anders als beherrscht erlebte.

„Als ob du wirklich darüber nachgedacht hättest. Du hast ja keine Ahnung!“ Auch Jessie war nun auf den Beinen und funkelte ihn wütend an.

„Keine Ahnung wovon? Davon dass du keine Beziehung willst? Dass du jeden abblockst, sogar Mokuba?“ Sie sah wie er zusammenzuckte, doch momentan interessierte es sie keinen Deut.

„Oder meinst du keine Ahnung von Sex? Weil ich Jungfrau war? Was geht dich das an?“ Langsam, traurig schüttelte er den Kopf und setzte sich niedergeschlagen wieder.

„Du bist zu naiv! Ich will nichts von dir!“ Jessie schluckte schwer, das bestätigte nur womit sie bereits gerechnet hatte.

„Das war mir von Anfang an klar! Trotzdem habe ich Gefühle für dich, sonst hätte ich niemals mit dir geschlafen!“ Er vergrub das Gesicht in den Händen.

„Das würde sowieso nichts werden!“ Entgeistert sah Jessie ihn an.

„Ist das dein Ernst, einfach so? Ohne es überhaupt zu versuchen?“ Er riss den Kopf hoch.

„Du hast überhaupt keine Ahnung!“ Er wiederholte sich.

„Das stimmt! Woher soll ich auch etwas über dich wissen? Du stößt jeden von dir! Du redest nicht über das was dich bedrückt! Und Gedanken lesen kann ich nicht! So leid es mir tut!“ Er schwieg, unruhig biss er sich auf die Unterlippe.

„Ich habe mich in dich verliebt Seto! Egal was auch geschieht, daran kann ich nichts ändern.“ Kalt musterte er sie.

„Ach auf einmal?“ Spott klang in seiner Stimme mit. Er blickte.

„Nein nicht auf einmal! Nur habe ich es erst jetzt erst realisiert!“ Er schnaubte gequält, ungläubig. Jessie schüttelte langsam den Kopf.

„Ich habe nachgedacht und ich weiß, dass ich dich damit in die Ecke dränge. Aber das möchte ich nicht. Deswegen werde ich bis Dienstag zu meinen Eltern fahren. Denke darüber nach. Ich möchte es gerne versuchen! Das mit uns.“ Vollkommen steif saß er an ihrem Küchentisch.

„Die Presse…“ Entschieden schüttelte sie den Kopf.

„Mir ist egal was die Presse über uns schreibt, wer von unserer Beziehung erfährt. Wichtig ist nur, was du von mir denkst, von uns!“

„Okay! Ich werde darüber nachdenken!“ Langsam stand er auf.

„Wo treffen wir uns Dienstag?“ Jessie überlegte kurz.

„Das Kaffee in dem du mir damals das Angebot gemacht hast. So gegen fünf?“ Ohne sie noch einmal anzusehen verließ er die Wohnung. Jessie starrte ihm nach, eine einzelne Träne lief über ihre Wange. Was würde jetzt aus ihnen werden?

Klar, wir sind doch Freunde!

Kapitel 30: Klar, wir sind doch Freunde!
 

Setos Sicht:

Ohne noch einmal zurückzusehen verließ ich Jessicas Wohnung. In meinem Kopf schwirrte alles. So viele Gedanken, so viele Fragen.

Meinte Jessica ernst, was sie gesagt hatte?

Liebte sie mich wirklich?

Unsicherheit machte sich in mir breit. Viele Frauen waren schon auf mich zugekommen, hatten mir einfach so aus dem Nichts ihre Liebe gestanden. Und das einzige wohinter sie her waren war mein Geld. Aber Jessie hatte noch nie eine Andeutung in diese Richtung gemacht und irgendwie glaubte ich auch nicht, dass sie es nur auf mein Vermögen abgesehen hat! Dazu war sie viel zu freundlich, zu selbstlos.

Müde strich ich mir durchs Haar und fischte mein Handy aus der Tasche meines Mantels. Nach kurzem Klingeln ging Roland ran.

„Holen sie mich ab!“ Roland fragte nicht nach, da ich nichts anderes gesagt hatte, würde er mich da abholen wo er mich raus gelassen hatte. Draußen lehnte ich mich an die Hauswand und legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel war bewölkt ein Regentropfen fiel auf meine Wange. Irgendwie passte es zu meiner Stimmung.

Hatte ich die Beziehung zwischen Jessica und mir gerade zerstört?

Es hatte ewig gedauert, bis ich angefangen habe ihr zu vertrauen. Sie hatte es geschafft an mich heranzukommen, irgendwie. Und ich fühle mich wirklich wohl bei ihr.

War es falsch mit ihr zu schlafen?

Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung. Jessica hat gesagt, wenn sie nicht mit mir hätte schlafen wollen, hätte sie es nicht getan. Das glaube ich!

Aber hätte ich das nicht verhindern sollen?

Unserer …Freundschaft wegen?

Für mich selbst?

Ich brauchte Zeit, Zeit zum nachdenken, Zeit um mir klar zu werden, ob ich bereit war für eine Beziehung. Gott allein, dass ich mir schon Gedanken darüber machte, zeigte mir, dass ich etwas für Jessica empfinde. Das sie mir etwas bedeutete! Mein Magen rebellierte. Ich drückte einen Arm auf meinen Bauch und seufzte leise. Hoffentlich kam Roland bald, ich wollte nach Hause. Aber was ich noch viel mehr wollte war jemand mit dem ich reden konnte.

Mokuba?

Nein, er war Jessicas größter Fan. Er wäre absolut für eine Beziehung zwischen uns beiden, mit ihm würde ich nicht wirklich reden können. Mit André verhielt es sich ähnlich. Seit sie mich dazu bringt regelmäßig zu essen, hält er sie für eine Heilige.

Roland?

Auch keine gute Idee. Er war ein Angestellter und ich würde ihn damit in einen Zwiespalt stürzen.

Marianne?

Sie war Jessicas Freundin und ebenfalls eine Angestellte.

Das hieß dann wohl ich musste alleine mit meinen Problemen zurechtkommen. In diesem Moment kam Roland in meinem Audi um die Ecke. Ohne ein Wort stieg ich ein und ließ mich nach Hause fahren. Mein Magen rebellierte immer mehr, mir war schlecht.

Mokuba kam mir im Flur entgegen.

„Hey Seto, wie…!“ Er verstummte sah mir besorgt ins Gesicht.

„Ich rufe den Doktor an! Und keine Widerrede!“ Ich widersprach nicht, er hatte ja recht. Mir ging es nicht gut.

André schrieb mich krank. Magen-Darm. Mit einer Wärmflasche und einer Kanne Tee steckte er mich ins Bett und fragte mich ob er Jessica herholen sollte. Nein das wollte ich nicht. Sie würde bestimmt kommen, aber ich wollte mir erst klar werden wie es mit uns weitergehen sollte. Aber ich musste mit irgendjemandem reden und der einzige der mir einfiel war seltsamerweise…

…Joey!

Klar er war mit Jessica befreundet, aber er würde nur das Beste für sie wollen. Und er würde mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten. Also ließ ich mir von Mokuba mein Handy bringen. Begeistert war mein kleiner Bruder nicht darüber, aber er schien froh, dass ich nicht nach meinem Laptop fragte. Aber für geschäftliches hatte ich gerade sowas von keinen Nerv. Ich brauchte jemandem zum reden und ich wollte Joey.

„Hi, hier ist Joey!“ Ich atmete tief durch.

„Joey ich bin´s!“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung. Ich rollte mich auf die Seite und zog die Beine an.

„Kaiba bist du´s wirklich oder habe ich nur einen verqueren Traum?“ Ich schnaubte.

„Von sowas könntest auch nur du träumen! Ja ich bin´s!“ Joey lachte leise, dann wurde er ruhig.

„Okay, jetzt mal ernsthaft, was ist passiert, dass du mich anrufst?“

„Also ich…“ Was sollte ich ihm sagen? In diesem Moment krampfte mein Magen sich zusammen, Galle stieg meine Kehle hinauf. Ich stöhnte leise und versuchte das würgen zu unterdrücken, was mir allerdings nicht gelang. Mokuba hatte vorsorglich einen Eimer neben das Bett gestellt und ich war froh darum. Denn ich konnte den Tee nicht bei mir behalten. Als ich mich erschöpft zurück ins Bett sinken ließ fragte Joey sofort.

„Hast du dich gerade übergeben Kaiba?“ Ich biss mir auf die Unterlippe.

„Ja, es geht mir nicht so besonders… und …!“ Das Geständnis an sich fiel mir schon schwer, aber Joey um einen Gefallen zu bitten war noch schwerer. Aber ich wollte das tun. Für Jessica. Und für mich selbst. Doch ich hatte lange geschwiegen.

„Kaiba was ist los? Warum rufst du mich an?“ Ich seufzte schwer.

„Würdest du vorbeikommen wenn ich dich darum bitte?“ Erneut biss ich mir auf die Unterlippe.

„Ich bin in einer viertel Stunde bei dir!“ Und schon hatte er aufgelegt. Verwundert schloss ich die Augen. Damit hätte ich niemals gerechnet. Dass er einfach so ohne nachzufragen kommen würde.
 

Es klingelte an der Tür, ich blickte auf meinen Wecker. Das würde wohl Joey sein. Mokuba schlich sich in mein Zimmer und setzte sich zu mir auf die Bettkante.

„Du Seto…!“ Ich drehte mich zu ihm und blinzelte ihn an.

„Was ist denn?“ Er strich sich unsicher durch die Haare.

„Naja, das war Joey, er will zu dir!“ Ich nickte kurz.

„Schon okay, Kleiner! Ich hab ihn angerufen, also kannst du ihn rein lassen!“ Überrascht musterte Mokuba mich.

„Ich dachte ihr versteht euch nicht so gut!“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Sowas kann sich ändern!“ Er nickte leicht.

„Ok, ich hole Joey!“ Keine Minute später klopfte es leise und Joey streckte seinen blonden Schopf durch den Türspalt.

„Hey Kaiba!“ Ihm war seine Unsicherheit anzusehen.

„Komm rein Joey!“ Er tat es, kam langsam näher und setzte sich wie Moki zuvor auf die Bettkante.

„Also was ist los? Warum hast du mich angerufen?“ Er klang sanft und sah mich offen an.

Ich wich seinem Blick aus. Irgendwie fiel es mir schwer seinen braunen Augen zu begegnen.

„Es geht um Jessica. Um gestern Abend!“ Joey entledigte sich seiner Jacke und warf sie ans Fußende des Bettes, dann zog er die Beine an.

„Okay, dann erzähl mal.“ Ich rutschte ein wenig zur Seite um Joey mehr Platz zu machen.

„Gestern war doch die Preisverleihung. Und Jessica und ich hatten einen schönen Abend und naja… wir sind im Bett gelandet. Heute Morgen hat sie mir dann gesagt, dass sie sich in mich verliebt hat und das sie es gerne versuchen würde.“ Irgendwie kam das ganze eher wie ein Finanzbericht der Firma rüber. Und Joey schien nicht allzu begeistert, was er auch deutlich machte.

„Schön und gut! Aber jetzt sag mir wie du dich dabei fühlst!“ Ich fuhr mir durchs Haar.

„Ich weiß es nicht. Ich meine dass ich überhaupt hier mit dir darüber rede ist schon seltsam. Ich habe mir nie so viele Gedanken über eine Frau gemacht!“ Ich lachte unsicher. Und sah Joey an.

„Ich habe Angst sie zu enttäuschen.“ Joey streckte sich neben mir aus und grinste leicht.

„Du kannst schon ein ziemliches Arschloch sein!“

„Das meine ich nicht! Ich kann Jessica nichts bieten, außer Geld und soziales Prestige!“ Ernst sah Joey mich an und schüttelte langsam den Kopf.

„Du meinst wegen den Narben, wegen dem was du erlebt hast?“ Langsam nickte ich. Meine Vergangenheit…

Joeys Hand legte sich auf meine Schulter, drückte sie sanft.

„Egal wie kalt und hart du dich gibst, du hast ein Herz, Kaiba!“ Kurz schüttelte er den Kopf.

„Nein, nicht Kaiba. Seto! Du hast viel für mich getan! Und nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Menschen. Die wenigsten wissen, dass du viele Hilfsorganisationen, Krankenhäuser und Kinderheime finanzierst. Aber damals, als du meinen Vater angezeigt hast und ich wissen wollte ob du es auch wirklich warst, da habe ich nachgeforscht. Und ich habe meine Meinung über dich geändert! Du bist nicht gefühllos! Egal was dir in deiner Vergangenheit passiert ist, du bist ein genialer Geschäftsmann, ein fürsorglicher Bruder! Du bist großzügig, fair, gerecht und lässt niemandem im Stich! Und jetzt sag mit noch einmal, dass du nichts zu bieten hast!“ Ich sah Joey an, sprachlos. Warum erzählte er mir sowas? Joey packte meine Schultern und schüttelte mich leicht.

„Glaub mir Seto, du würdest Jessie mehr enttäuschen, wenn du es gar nicht erst versuchst!“ Von einer Sekunde auf die andere war mir wieder kotzübel, ich würgte, aber es kam nichts außer ein wenig Galle. Joey strich mir über den Rücken, es war tröstend. Irgendwann hatte sich mein Magen wieder ein wenig beruhigt. Ich seufzte leise.

„Soll ich es versuchen?“ Ich stellte mir die Frage eher selbst als Joey, trotzdem antwortete er.

„Das kann ich nicht wissen. Es ist ganz allein deine Entscheidung! Aber weißt du, ich glaube eine Beziehung täte dir gut! Und bei Jessie lege ich beide Hände ins Feuer, dass sie nicht hinter deinem Geld her ist!“ Ich legte mich zurück und zog die Decke hoch.

„Das weiß ich! Und sie wird mich zu nichts zwingen, was ich nicht will! Du hast recht! Ich möchte es versuchen!“ Joey nickte entschieden.

„Okay, wann siehst du sie wieder!“

„Dienstag!“ Joey steckte die Decke um mich herum fest.

„Gut, dann versuch dich auszuruhen, damit du bis dahin wieder halbwegs fit bist!“ Ich nickte, schloss die Augen.

„Danke, dass du gekommen bist!“ Joey strich mir über die heiße Stirn, seine Finger waren angenehm kühl.

„Du kannst mich jederzeit wieder anrufen! Soll ich bleiben?“ Jetzt blinzelte ich ihn an.

„Es ist Samstag, hast du nichts Besseres zu tun als hier zu sitzen?“ Er lachte leise.

„Ich würde mit meinen Kollegen einen trinken gehen! Aber das kann ich auch ein anders Mal machen! Jetzt bist du wichtiger!“ Ich stützte mich auf.

„Ist das dein Ernst?“ Er lächelt mich an.

„Klar, wir sind doch Freunde!“

Wiedersehen

Kapitel 31: Wiedersehen
 

Die Tage seit Samstag waren nicht einfach für Jessica gewesen, sie machte sich vorwürfe Seto einfach so überrumpelt zu haben. Aber sie hatte es einfach los werden müssen. Es war einfach so über sie gekommen und von einer auf die andere Sekunde wollte sie ihm einfach ihre Gefühle gestehen und jetzt war sie ultra nervös. Unsicher wischte sie sich ihre nassgeschwitzten Hände an der Jeans ab und lies sich von der U-Bahn durchschütteln. Dann kam die Durchsage und sie stand auf, verließ den unterirdischen Bahnhof. Direkt gegenüber ragte der KC-Tower in den Himmel wie an dem Tag, an dem sie Seto Kaiba kennen lernte. Jetzt saß er bestimmt dort oben in seinem Büro und arbeitete. Hoffentlich vergaß er ihr Treffen nicht. Aber sie würde nicht hier auf ihn warten, sondern in dem Kaffe in dem sie sich verabredet hatten.

Langsam schlenderte sie durch die Einkaufspassage und betrachtete die Schaufenster. Sie war zu früh, aber so nervös wie sie war auch nichts anderes zu erwarten gewesen. Leise seufzte sie und betrat das Kaffee. Sie suchte sich einen leeren Tisch und setzte sich. Dieselbe Bedienung wie beim letzten Mal kam auf sie zu.

„Guten Tag, was kann ich ihnen bringen?“ Jessie lächelte ihn an.

„Eine heiße Schokolade, bitte!“ Unruhig sah sie zur Tür. Immer und immer wieder. Punkt siebzehn Uhr betrat Seto das Kaffee. Er trug Jeans und ein dunkelgraues Sweat-Shirt. Kurz schob er seine Brille ein wenig hoch und rieb sich übers Gesicht, dann sah er sich um. Selbst auf die Entfernung konnte Jessie sehen, dass er blasser war als sonst und auch seine Augen schienen etwas trüb zu sein. Er entdeckte sie und lies sich ihr gegenüber auf den Stuhl fallen.

„Hi!“ Jessie sah ihn genauer an, er sah wirklich nicht fit aus.

„Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?“

„Sind wir nicht hier um zu reden?“ würgte er ihre Fragen ab. Er wollte anscheinend nicht darüber reden. Typisch Seto.

„Schon, aber wenn es dir nicht gut geht…“ Entschieden schüttelte er den Kopf.

„Es ist okay!“ Jessie gab nach. Vorerst. Sie würde ihn später erneut darauf ansprechen… Wenn alles geklärt war…

„Okay, wenn du lieber darüber reden willst!“ Er kniff die Augen ein wenig zusammen und wich dann ihrem Blick aus. Sie sah in abwartend an, er müsste den ersten Schritt machen. Sie hatte ihm ihre Gefühle ja bereits gestanden. Mit der linken Hand fuhr er sich durchs Haar.

„Ich mag dich!“ murmelte er dann leise, sah ihr in die Augen. Unsicher.

„Ich weiß nicht ob das… ich weiß nicht was Liebe ist! Ich kann nicht genau sagen, was ich für dich empfinde. Aber neben Mokuba bist du der wichtigste Mensch in meinem Leben!“ Die Bedienung kam an den Tisch.

„Kann ich ihnen etwas bringen?“ Seto schüttelte den Kopf und sah sie kalt an. Rasch trat sie vom Tisch zurück und verschwand in der Küche. Seto sah zurück zu Jessie, biss sich auf die Unterlippe.

„Wenn du… ich weiß nicht ob das funktioniert, aber…“ Aufmerksam beobachtete sie ihn, er lächelte schüchtern.

„Aber…?“ Sie wollte es jetzt wissen.

„Ich habe dich vermisst! Ich hab das ganze Wochenende nicht gearbeitet, ich habe keinen klaren Gedanken fassen können. Und ich habe sogar Joey angerufen!“ Jessies Augen wurden groß. Joey? Er hatte tatsächlich Joey angerufen?

„Wenn du da bist fühle ich mich einfach wohl…“ Er brach ab, sah sie an. Mehr hatte Jessie gar nicht hören wollen. Dass er ihr frei weg seine Liebe gestand, davon hatte sie nicht einmal geträumt. Glücksgefühle fluteten über sie hinweg und ein breites Lächeln brachte ihr Gesicht zum Leuchten. Sie strich ihre Hand nach seiner aus.

„An meinen Gefühlen hat sich nichts geändert!“ Er verflocht seine Finger mit den ihren und seine Schultern entspannten sich sichtlich. Allerdings wirkte er immer noch unsicher.

„Du…Du hast Samstag gesagt, dass ich mich abkapsle und nicht über meine Gedanken spreche… Ich kann das nicht einfach ändern. Und es gibt Dinge über die…“ Er schluckte schwer. Sanft streichelte Jessica ihm mit dem Daumen über den Handrücken.

„Wenn es dir so schwer fällt musst du nicht darüber sprechen. Ich erwarte auch nicht von dir, dass du mir alles erzählst. Aber vielleicht fängst du mit Dingen an, die dir nicht so schwer fallen. Etwa wie es dir geht. Ich meine, ich sehe doch, dass irgendetwas nicht mit dir stimmt.“ Überrascht sah er ihr in die Augen und zögerte noch einen Moment, dann nickte er.

„Magen-Darm. Ich habe zu wenig geschlafen und noch weniger gegessen.“ Er wich ihrem Blick aus. Jessie streckte ohne zu zögern eine Hand aus und legte sie ihm auf die Stirn. Er schien ein wenig Fieber zu haben.

„Warum hast du mir nichts gesagt? Du hättest nicht kommen müssen, ich wäre auch zu dir gekommen!“ Er schüttelte den Kopf.

„Es ist in Ordnung, ich habe die letzten Tage nicht gearbeitet und Joey hat dafür gesorgt, dass ich im Bett bleibe. Mir geht es schon fast wieder gut. Außerdem tut frische Luft gut!“ Hieß das es ging ihm Samstag schon schlecht, als er ihre Wohnung verlassen hatte, warum hatte sie es dann nicht gemerkt. Aber anscheinend hat Joey sich gut um ihren Freund gekümmert, während sie bei ihren Eltern war.

„Du verstehst dich mit Joey besser?“ Er nickte.

„Ja wir sind Freunde!“ Jessica lächelte.

„Wollen wir gehen? Ich bin nämlich der Meinung du bist nicht ganz gesund und deswegen gehen wir jetzt zu dir oder mir und werden es uns gemütlich machen!“ Gemeinsam verließen sie das Kaffee und fuhren zu Jessies Wohnung.

Dort machten sie es sich auf Jessies Bett bequem. Sie hatte Seto Tee gekocht und eine Wärmflasche geholt. Nun lag er mit dem Kopf auf ihrem Bauch und hatte sich zusammengerollt. Seine Lieder hingen auf Halbmast und er war dabei weg zu dämmern. Sanft küsste sie ihn auf die Stirn.

„Schlaf gut, Seto!“

Alptraum

Kapitel 32: Alptraum
 

Als Jessie aufwachte war es stockdunkel. Irgendetwas stimmte nicht. Seto wand sich unruhig neben ihr unter der Decke. Sie beugte sich zu ihm.

„Seto, hey…“ Vorsichtig streckte sie die Hand nach ihm aus. Er bäumte sich auf, stieß sie von sich. Sie konnte sich gerade noch auf dem Bett halten, bevor sie heraus fiel. Blind tastete sie nach dem Lichtschalter. Kurz blinzelte sie in die plötzliche Helligkeit und sah dann zu Seto. Er hatte die Decke inzwischen von sich getreten und war schweißgebadet.

„Nein… Bitte…Nein!!“ Er wimmerte, Tränen liefen ihm über die Wangen. Vorsichtig rutschte Jessie näher, schüttelte ihn leicht an der Schulter.

„Seto? Wach auf!“ Er reagierte nicht, warf gequält den Kopf auf die andere Seite. Hilflos sah sie ihn an, dann eilte sei ins Bad, füllte ihren Zahnputzbecher mit Wasser. Zurück in ihrem Schlafzimmer versuchte sie noch einmal ihn anzusprechen. Ohne Erfolg. Kurzerhand kippte sie ihm das Wasser ins Gesicht. Erschrocken atmete er ein, keuchte, hustete. Langsam öffnete er die Augen, das Blau wirkte trüb und verschleiert. Er atmete schwer, so als wäre er noch immer in dem Traum gefangen. Jessie streckte die Hand nach ihm aus, er zuckte zurück, wurde von einer Sekunde auf die andere blass und schlug die Hand vor den Mund. Er sprang auf, taumelte und stürzte ins Bad. Jessie lief ihm nach, blieb allerdings vor der geschlossenen Tür stehen. Trotzdem konnte sie ihn würgen hören. Nein, sie würde ihm jetzt nicht nachlaufen. Für ihn würde das alles doch nur noch schlimmer machen. Sie eilte Richtung Küche. Sie würde erst noch Tee kochen und dann nach ihm sehen. Allzu lange hielt sie es allerdings nicht aus. Sie hängte nur schnell den Teebeutel in die Kanne und klopfte dann an die Badezimmertür.

„Seto?“ Keine Antwort, sie klopfte noch einmal.

„Kann ich reinkommen?“ Wieder keine Antwort, also öffnete sie die Tür und trat ins Bad. Sofort wurde ihr schlecht. Seto saß auf dem Rand der Badewanne. Leicht nach vorne gebeugt zog er sich eine Rasierklinge über den linken Unterarm. Ohne mit der Wimper zu zucken. Woher hatte er die Klinge?

„Scheiße Seto!“ Jessie machte einen Schritt auf ihn zu, hielt jedoch inne, als er sie mit kalten Augen musterte.

„Verschwinde!“ Seine Stimme klang rau und schwankte. Jessie schüttelte den Kopf und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Langsam streckte sie die Hand aus.

„Gib mir die Rasierklinge!“ Er umklammerte sie nur fester, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. Jessie machte noch einen Schritt.

„Seto bitte! Gib mir die Klinge!“ Er zitterte am ganzen Körper, fixierte sie.

„Hau ab, lass mich zufrieden!“ Wieder schüttelte sie den Kopf, blieb allerdings stehen.

„Ich werde dich jetzt nicht alleine lassen!“ Er starrte auf seinen Arm. Einzelne Blutstropfen perlten aus der Wunde. Sie schien nicht besonders tief zu sein. Wieder setzte er die Klinge an. Zog sie über seine blasse Haut. Noch bevor Jessie bei ihm war hatte er sich auch noch einen dritten Schnitt zugefügt. Jessie packte sein Handgelenk, er erstarrte, sah sie gehetzt an.

„Lass los!“ Eindringlich sah sie ihn an. Kurz schien es, als wollte er sich wiedersetzten, dann allerdings gehorchte er. Laut klirrte die Klinge in der Stille, als sie auf die Fliesen fiel. Langsam löste Jessie ihre Finger von seinem Handgelenk.

„Warum machst du das?“ Lange starrte er auf die blutige Klinge zu seinen Füßen.

„Der Schmerz holt mich zurück in die Wirklichkeit!“ murmelte er schließlich. Jessie setzte sich neben ihn, ohne ihn zu berühren. Er verspannte sich auch so schon genug.

„Machst du das nach jedem Alptraum?“ Er schüttelte den Kopf.

„Nein, nur nach den schlimmen!“ Er teilte seine Alpträume ein?

„Wenn ich das nach jedem machen würde…“ stellte er tonlos fest und umklammerte sein Handgelenk. Wie oft hatte er denn Alpträume?

„Möchtest du darüber reden?“ Er antwortete nicht, wich ihrem Blick aus. Das musste sie akzeptieren. Also stand sie auf und holte den Verbandskasten unter dem Waschbecken hervor.

„Lässt du mich die Wunden desinfizieren und verbinden?“ Lange sah er sie einfach nur an, bis er ihr seinen Arm hinhielt. So vorsichtig wie möglich nahm Jessie seine Hand und legte ihm einen sauberen Verband an. Seto ließ sie nicht aus den Augen. Als sie fertig war ließ sie ihre Fingerspitzen auf seinem Arm liegen. Langsam begann sie über seine verschwitzte Haut zu fahren.

„Warum hast du nicht meinen Arzt gerufen?“ Kurz hielten ihre Finger inne und sie erwiderte seinen fragenden Blick.

„Es ist mitten in der Nacht und die Wunden scheinen nicht allzu tief zu sein. Es reicht, wenn er sie sich morgen ansieht!“ Eine Zeit lang war es still, dann räusperte Jessie sich leise.

„ Du bist total verschwitzt. Ich geh dann mal schauen, ob ich ein paar trockene Klamotten für dich finde!“ Sie erhob sich, hielt dann allerdings inne.

„Versprichst du mir, dass du das nicht mehr in die Finger nimmst?“ Mit trüben Augen folgte er ihrem Blick.

„Versprochen! Die Rasierklinge bleibt wo sie ist!“ Jessie verließ das Bad und trat an ihren Kleiderschrank. Kurz wühlte sie in den Fächern, dann zog sie ein schwarzes T-Shirt mit dem knallroten Schriftzug `Traumprinz´ quer über die Brust heraus. Es gehörte eigentlich Charles, aber er hatte es bei seinem letzten Besuch vergessen. Nach kurzem Zögern nahm sie ganz hinten aus dem Schrank eine weiße Plastiktüte. Sie zog eine weiße Boxershorts mit grünen Fröschen heraus. Vor Jahren hatte sie Joey zum Gag eine schwarze mit roten Kussmündern geschenkt. Inzwischen war es zur Tradition geworden, wenn sie mal wieder ein lustiges Exemplar entdeckte, bekam er es zum nächsten Geburtstag. Er musste schon eine ganze Kiste voller außergewöhnlicher Unterwäsche haben. Sie grinste, ob Seto das überhaupt anziehen wird? Sie wollte gerade den Schrank schließen, als ihr ein dunkelblaues Sweatshirt entgegen fiel. Auch das gehörte eigentlich Charles, eigentlich! Sie hatte es stibitzt, weil es einfach nur bequem und total kuschelig war. Und es dürfte Seto passen. Unsicher huschte sie zurück ins Bad. Er saß noch immer so da wie sie ihn zurückgelassen hatte, hatte sich keinen Millimeter bewegt. Vorsichtig setzte Jessie sich neben ihn und breitete die Kleider aus.

„Froschkönig?“ Fragte Seto mit einem schwachen Lächeln. Jessie erwiderte es sanft und ein wenig entschuldigend.

„Was anderes habe ich leider nicht da!“ Wieder war es still zwischen ihnen, dann strich er sich unsicher durch die Haare.

„K…kann ich vorher duschen?“ Jessie sprang auf.

„Natürlich, ich gehe solange raus… Halt, warte…“ Sie kniete sich vors Waschbecken.

„Hier muss irgendwo Folie und Klebeband sein, damit ich den Verband abkleben kann.“

„Du musst nicht raus!“ Sie fuhr auf und stieß sich den Kopf am Waschbecken.

„Was?“ Sie rieb sich den Hinterkopf. Seto sah auf die Fließen zwischen seinen Füßen.

„Ich möchte jetzt nicht alleine bleiben!“ Jessie erhob sich und kniete sich dann vor ihn, bekam seinen Blick allerdings nicht zu fassen.

„Okay, ich bleibe. Gibst du mir deinen Arm?“ Er gehorchte und sie deckte den Verband wasserdicht ab. Dann stand er auf, zog sich sein T-Shirt über den Kopf. Jessie schluckte schwer.

„Seto, das…“ Weder die Fotos, noch die gemeinsame Nacht hatten ihr wirklich deutlich gemacht, was er alles hatte ertragen müssen. Erst jetzt in unter dem grellen Licht war alles zu sehen. Alles…

Die Narben.

Kleine, große.

Lange, kurze.

Seine schlanker, viel zu schmaler Körper.

Seine Rippen.

Langsam drehte er sich um, sah ihr in die Augen. Er wirkte verloren.

„Es ist meine Vergangenheit… die Welt…in der ich jahrelang gelebt habe…“ Seine Stimme zitterte. Er musste mehrmals tief durchatmen und doch kamen die Worte nur stockend.

„…und sie…sie verfolgt mich… egal wohin ich geh... egal was ich tue…“ Er griff sich an die Stirn. Schluckte krampfhaft, presste beide Arme auf seinen Magen. Plötzlich stürzte er zur Toilette, würgte. Alles was kam war Galle. Jessie eilte zu ihm, zögerte kurz, legte dann eine Hand vorsichtig um seine Schulter. Er zuckte zusammen, stieß sie allerdings nicht von sich.

„Kann ich irgendetwas tun?“ Er würgte erneut.

„Was… was würdest du… du tun, wenn jemand anderes… anderes hier knien und… du weißt schon!“ brachte er schließlich unter Keuchen hervor.

„Ihn in den Arm nehmen und festhalten! Nur weiß ich nicht… ob du das jetzt aushalten kannst!“ Er stöhnte leise auf, hielt sich den Bauch.

„Können… können wir es nicht… nicht einfach versuchen?“ Er krümmte sich zusammen, blickte sie mühsam an.

„Bitte!“ Sie zögerte keine Sekunde länger, zog ihn vorsichtig an sich. Er erstarrte. Locker lagen ihre Hände auf seiner Haut, ließen ihm die Chance sich jederzeit zu befreien. Doch das tat er nicht. Er blieb einfach so liegen.

Auf dem Boden.

In ihren Armen.

Als sein Herzschlag sich beruhigt hatte, lehnte er den Kopf an ihre Schulter und weinte still. Seine Tränen durchnässten ihr Shirt. Zärtlich begann sie seinen Nacken zu streicheln, fuhr ihm durch sein dichtes braunes Haar. Sein Atem wurde ruhiger. Sein Körper hörte auf zu zittern und er entspannte sich zumindest etwas.

„Seto…“ Er sah sie an, seine blauen Augen waren wieder klar und sie wirkten friedlich. Nichtmehr so aufgewühlt.

„Hhm?“ Sie strich ihm das Haar aus den Augen.

„…hier auf dem Boden ist es viel zu kalt. Du solltest duschen und dir etwas Trockenes anziehen!“ Etwas mühsam rappelte er sich auf und zog auch seine Shorts aus. Dann trat er unter die Dusche. Jessie kam es wie eine Ewigkeit vor, die er einfach nur da stand und sich von dem warmen Wasser berieseln lies. Aber sie unterbrach ihn nicht. Er brauchte die Zeit für sich. Irgendwann drehte er das Wasser ab und trat aus der Dusche. Jessie hielt ihm einen flauschigen Badeschal hin und wickelte ihn darin ein. Rasch rubbelte sie ihn trocken, da es nicht wirklich so aussah, als würde er das selbst in Angriff nehmen wollen. Dann reichte sie ihm die frischen Klamotten. Er murmelte irgendetwas von Froschkönig vor sich hin, während er sich anzog. Jessie verstand ihn allerdings nicht. Gemeinsam verließen sie das Bad. Jessie tappte Richtung Küche. Sie hatte den Tee vergessen. Rasch probierte sie ihn. Trotz dass er ewig gezogen hatte schmeckte er. Sie nahm zwei Tassen und sah dann zu Seto, der ihr gefolgt war.

„Was willst du machen? Wollen wir uns einen Film anschauen oder soll ich dir etwas vorlesen?“ Kurz leuchteten seine Augen auf.

„Hast du ein Märchenbuch?“ Sie nickte.

„Es steht im Wohnzimmer. Rechts oben im Regal, wenn ich mich richtig erinnere!“ Er holte das Buch und ging dann ins Schlafzimmer voraus. Nebeneinander setzten sie sich aufs Bett. Jessie schenkte ihm Tee ein.

„Hier trink etwas!“ Er schüttelte den Kopf. Sie strich ihm über die Schulter.

„Komm, deinem Magen tut das gut. Außerdem wirkt Tee beruhigend!“ Er verdrehte die Augen, nahm die Tasse dann allerdings aus ihrer Hand. Abwesend nippte er an dem Tee und blätterte in dem Buch auf seinem Schoß. Jessie sah ihm über die Schulter.

„Welches soll ich denn vorlesen?“ Er schob ihr das Buch hin.

„Der Froschkönig?! Irgendwie hat der dir das angetan, oder?“ Er zuckte mit den Schultern, stellte seine Tasse zur Seite.

„Passt doch irgendwie!“ Mit einem eindeutigen Blick sah er an sich hinab. Jessie lachte leise.

„ich küss dich aber lieber, als dass ich dich an die Wand klatsche!“ Sanft küsste sie ihn auf die Lippen. Er erwiderte ihren Kuss und kuschelte sich dann an ihre Schulter. Jessie löschte alle Lampen bis auf das Nachtlicht und begann dann zu lesen.

„ In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König. Seine Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, dass sogar die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hatte, sich wunderte, sooft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe beim Schloss des Königs…“

Erst am Ende des Märchens schlief Seto ein. Jessie zog die Decken höher und schaltete das Licht aus. Sanft strich sie Seto durchs Haar.

„Was hat man dir nur angetan?“ Er drückte sich noch näher an sie, erschauerte.

„Shhhhh. Ich bin ja da. Es ist alles gut!“ Beruhigend streichelte sie ihm weiter übers Haar. Schließlich entspannte er sich wieder.

„Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst!“

Arbeit und Vergangenheit

Kapitel 33: Arbeit und Vergangenheit
 

Das Klingeln eines Telefons weckte Jessie. Kurz lauschte sie. Das war nicht ihres und auch nicht ihr Handy. Sie gähnte und warf einen Blick auf die Uhr. Fünf nach sieben. Seto lag noch immer eng an sie gekuschelt, das Gesicht an ihrer Schulter bergraben. Sie hob eine Hand um ihm durchs Haar zu streichen, ließ sie dann allerdings wieder sinken. Er sollte schlafen, solange er konnte. Nur wurde er langsam unruhig. Das Klingeln ging immer noch weiter. Seufzend schlich sie sich aus dem Bett und strich sich durchs Haar.

„Wo zum Teufel kommt das her?“ murmelte sie leise.

„Mein Handy! Es steckt in meinem Mantel!“ stellte Seto ebenso leise fest. Überrascht drehte sie sich zu ihm um.

„Du bist wach!“ Das Klingen brach ab und ging sofort wieder von vorne los. Seufzend lief sie in den Flur und angelte Setos Handy aus seiner Manteltasche. Mit einem gemurmelten `Ja´ ging sie ran.

„Seto, wo zum Teufel steckst du? Ich habe mir Sorgen gemacht! Und…“

„Stopp Mokuba, ich bin`s!“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung.

„Jessie? Seto hat gesagt du wärst im Urlaub!“ Sie lächelte und ging langsam zurück ins Schlafzimmer.

„Ich war ein paar Tage bei meinen Eltern, stimmt!“ Sie setzte sich zu Seto auf die Bettkante. Er hatte sich wieder zusammen gerollt und die Augen geschlossen.

„Warum hast du eigentlich das Handy meines Bruders?“

„Weil er bei mir ist!“ Sie strich Seto sanft übers Haar. Er blinzelte müde und sah sie fragend an.

„Mokuba!“ flüsterte sie ihm leise zu und streckte sich neben ihm aus. Sofort kuschelte er sich wieder an sie.

„Ich will jetzt nicht wissen, was ihr gestern gemacht habt. Aber kannst du mir Seto mal geben?“ Sie hielt ihm das Telefon ans Ohr, er seufzte leise.

„Morgen Mokuba!“ Sofort wurde Mokuba hellhörig.

„Seto? Ist alles in Ordnung? Ist dir wieder schlecht?“

„Nein Moki, mir geht es gut! Bin nur noch nicht richtig wach!“ Er schloss die Augen wieder.

„Ich würde dich gerne schlafen lassen, aber du hast doch dieses wichtige Geschäftsessen…“ Seto stöhnte leise.

„Schon gut, ich steh ja schon auf!“ Mokuba tat es leid seien Bruder aus dem Bett jagen zu müssen. Allerdings bewegte sich dieser im Moment keinen Millimeter. Jessie streichelte ihm sanft den Nacken und nahm ihm dann das Handy ab.

„Was ist denn los Moki?“ Der Junge seufzte leise

„Er hat schlecht geschlafen, nicht wahr?“ Er brauchte Jessies leise Bestätigung nicht, dafür kannte er seinen Bruder viel zu gut.

„Um Neun landen wichtige Geschäftspartner, Seto will sie am Flughafen in Empfang nehmen, dann mit ihnen Mittagessen gehen und dann kommen die Verhandlungen in der Villa…“ Mitleidig sah Jessie auf ihren Freund, der gerade dabei war wieder einzuschlafen.

„Mach mal langsam, das kann ich mir eh nicht alles merken. Von mir bis zum Flughafen braucht man nicht ganz dreißig Minuten. Also reicht es, wenn dein Bruder in einer guten Stunde aufsteht. Allerdings braucht er frische Kleidung!“ Kurz zögerte Mokuba.

„Okay, ich schicke Roland so gegen acht vorbei! Und Jessie…“ Er schluckte schwer.

„…seid ihr jetzt richtig zusammen? Ich meine nicht nur wegen dem Deal?“ Ernst sah sie auf den friedlich schlafenden CEO neben sich.

„Ja. Ja das sind wir!“ Sie hörte den Jungen fröhlich auflachen bevor sie sich verabschiedete. Rasch stellte sie Setos Handy lautlos und legte es auf den Nachttisch. Dann stand die vorsichtig auf, blickte allerdings sofort in ein paar klare blaue Augen.

„Ich dachte du schläfst schon wieder?!“ stellte sie ein wenig überrascht fest.

„Fast. Warum stehst du auf?“ Sie strich ihm das Haar aus der Stirn.

„Ich geh duschen und mach dann Frühstück. Und später komme ich mit zu dem Geschäftstreffen!“ Er gähnte, schloss die Augen wieder, hielt sie allerdings am Handgelenk fest, als sie endgültig aufstehen wollte.

„Bleib noch ein paar Minuten!“

„Okay, bis du wieder eingeschlafen bist!“ Das dauerte auch nicht lange, dann stand sie auf und trat an ihren Schrank. Dort zog sie eine schwarze Jeans und eine hellblaue Bluse hervor. Dazu konnte sei dann Pumps und ihren Blazer anziehen, den sie sich vorsichtshalber gekauft hatte als sie den Job bei Kaiba bekommen hatte. Dann ging sie schnell duschen. Sie schminkte sich dezent und fasste ihre frisch geföhnten Locken zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen. Sie schlich sich zurück in ihr Schlafzimmer. Seto hatte sich ausgestreckt und beanspruchte das ganze Bett für sich. Die Decke war ihm bis auf die Hüften hinab gerutscht und seine verbundene Linke lag auf seinem Bauch. Jessie beugte sich über ihn und deckte ihn wieder richtig zu. Rasch nahm sie noch die Rosenstecker, die sie von Seto zum Geburtstag bekommen hatte, aus der Schmuckschatulle und schlich dann leise aus der Wohnung. Sie würde erst einmal frische Brötchen holen.
 

Als sie vom Bäcker zurückkam stand eine schwarze Limousine vor dem Haus. Jessie klopfte gegen das Fahrerfenster. Fast sofort wurde es heruntergelassen.

„Morgen, Roland!“ Setos Assistent sah auf seine Uhr. Viertel vor acht.

„Ich bin wohl etwas zu früh!“ Sie lächelte ihn an.

„Macht nichts! Wollen sie mit hoch kommen und noch einen Kaffee trinken?“ Er zögerte einen Moment und stieg dann aus. Aus dem Kofferraum holte er eine Reisetasche und aus dem Fahrgastraum zwei Anzüge. Einen grauen und einen schwarzen. Dann folgte er ihr hinein. Bevor sie die Wohnungstüre aufschloss drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

„Seien sie leise. Er schläft noch!“ Jessie nahm ihm die Tasche und die beiden Anzüge ab.

„Sollten sie ihn nicht langsam wecken?“ Kurz schüttelte sie den Kopf.

„In zehn Minuten reicht völlig!“ Roland folgte ihr in die Küche und setzte sich. Jessie deckte den Tisch und stellte ihm eine Tasse Kaffee hin. Dann sah sie auf die Uhr. Fast acht.

„Ich gehe schnell Seto wecken, bedienen sie sich…“ Leise betrat sie das Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Sanft rüttelte sie an seiner Schulter.

„Seto?“ Er grummelte und rieb sich die Augen. Dann sah er sie an. Seine blauen Augen waren noch ein wenig verschlafen und ihnen fehlte jegliche Kälte. Er wirkte mit den verstrubbelten Haaren viel jünger als sonst.

„Wie hast du geschlafen?“ fragte sie. Etwas ungläubig blinzelte er sie an.

„Erstaunlich gut, bis auf… naja du weißt schon!“ Er rieb sich den Nacken.

„Ich sollte wohl langsam mal aufstehen!“ Gähnend setzte er sich auf.

„Hast du meine Brille gesehen?“ Jessie nahm gesuchte vom Nachttisch und reichte sie ihm.

„Roland hat dir einen Anzug gebracht und so!“ Er musterte sie mit zusammengekniffenen Augen.

„Warum hast du dich eigentlich so schick gemacht.“ Sein Blick, blieb an ihren Ohrringen hängen. Überrascht sah sie ihn an.

„Ich hab doch gesagt, dass ich mit komme. Oder hast du etwas dagegen?“ Kurz schüttelte er den Kopf und stand dann auf. Streckte sich erst mal ausgiebig.

„Nein, ich dachte nur nicht, dass du das ernst meinst!“ Jessie verdrehte die Augen.

„Natürlich meine ich das ernst!“ Jessie deutete auf die Tasche, die sie in einer Zimmerecke abgestellt hatte.

„Da sind deine Sachen, ich bin in der Küche!“ Sie war schon fast zur Tür hinaus als sie noch einmal zu ihm sah.

„Ach ja, trödel nicht. Du musst noch frühstücken!“ Seto grummelte etwas, als ob er trödeln würde. Besonders viel Lust hatte er nicht, nicht das ihn das abhalten würde… Halt! Stopp! Was hatte Jessie da gerade gesagt?

„Ich muss frühstücken?!“ fragte er lauernd. Jessie grinste ihn an, doch in ihren Augen sah er wie ernst es ihr war.

„Du hast wieder an Gewicht verloren, also…“ Genervt seufzte er und zog einen Kulturbeutel und frische Unterwäsche aus der Tasche.

„Ich war krank! Musst du mir unbedingte unter die Nase reiben, dass ich kaum etwas hinunter bekommen habe?“ Das Thema gefiel ihm definitiv nicht!

„Das war kein Vorwurf. Ich mache mir doch nur Sorgen um dich!“ Darauf erwiderte er nichts, also wechselte Jessie das Thema.

„Sag mal, was hat Moki dir da eigentlich alles eingepackt?“ Statt einer Antwort reichte er ihr einen gefalteten Zettel, der anscheinend oben auf der Tasche gelegen hatte. Während Jessie ihn auffaltete verschwand er im Bad. Sie las:
 

Guten Morgen Seto,

da du und Jessie jetzt ja zusammen seid, also so richtig, brauchst du doch bestimmt ein paar Klamotten bei ihr. Also kannst du das ja gleich bei ihr lassen! (Dann kam ein dicker Smiley)

Arbeite nicht zu lange! Du bist immer noch nicht wieder ganz fit!

Bis heute Abend!

Moki
 

Das `Arbeite nicht zu lange!´ war ganze drei Mal unterstrichen und Jessie gab dem Jungen recht. Aber da sie ja mitging konnte sie ein Auge auf ihn haben und ihn notfalls auch nach Hause zerren. Die Sache mit den Klamotten entlockte ihr ein Lächeln. Der Kleine wollte also, dass sein großer Bruder öfter mal bei ihr übernachtete. Damit könnte sie leben und genug Platz im Schrank hatte sie auch. Also machte sie sich daran die Reisetasche auszuräumen. Und stieß dabei auf ein Tütchen mit Medikamenten. Da waren normale Aspirin und Imigran. Kurz sah Jessie zum Bad und holte dann den Beipackzettel aus der Packung. Es war ein Migränemittel. Das letzte war ein starkes Beruhigungsmittel. Wofür nahm er das? Wegen dem, was gestern Nacht geschehen war? Nahm er das normalerweise wenn er Albträume hatte? Allerdings war die Packung noch nicht angebrochen. Sie wusste so wenig über ihren Freund, über seine Geschichte. Nach kurzem zögern legte sie die Medikamente auf den Nachttisch. Später würde sie sie in den Arzneischrank im Bad stellen, aber jetzt gab es erst einmal Frühstück. Kurz nach Jessie betrat auch Seto die Küche und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Morgen Roland! Wissen sie, ob Mokuba meine Migränetabletten eingepackt hat?“ Vorsichtig nippte er an dem schwarzen Kaffee den Jessie ihm nach der durchstandenen Nacht und aufgrund der deutlich erkennbaren Müdigkeit in seinem Gesicht ausnahmsweise zugestand. Sein Assistent zuckte mit den Schultern.

„Der Kleine meinte, er hätte an alles gedacht!“ Jessie horchte auf.

„Ich hab sie auf den Nachttisch gelegt. Soll ich sie holen? Hast du Kopfschmerzen?“ Er musterte das Essen vor sich und nahm sich schließlich ein Brötchen.

„Nimm sie später mit, ich denke ich werde sie brauchen!“ Jessie nickte und nahm sich einen Apfel aus dem Obstkorb.

„Muss ich irgendetwas beachten? Oder sollte ich etwas wissen?“

„Raphael Mendez ist ein Familienmensch. Er geht immer mit seiner Frau auf Geschäftsreise und hat gerne eine lockere, ungezwungene Atmosphäre! Sei einfach du selbst. Und mit seiner Frau Clarice wirst du dich gut verstehen, sie ist wirklich nett!“ erklärte Seto leise.

„Außerdem dürfen sie ihren Freund…“ Dabei sah Roland seinen Chef vielsagend an. „…ruhig ein wenig umsorgen. Das schafft eine freundliche Atmosphäre. Und die ein oder andere kleine Pause tut ihm gut!“ Seto wiedersprach seinem Assistenten nicht. Der Ältere kannte ihn schon lange genug, dass er wusste wann es seinem Chef nicht so gut ging. Jessie kniff fragend die Augen zusammen.

„Sie meinen Tee bringen, oder sie überreden sich dem Garten anzuschauen?“ Die beiden Männer nickten.

„Okay, das bekomme ich hin!“ Sie sah auf die Küchenuhr und begann dann den Tisch abzuräumen.

„Langsam sollten wir uns fertig machen!“ Seto stand auf.

„Roland schieben sie noch irgendwo einen Arzttermin dazwischen!“ Sein Assistent nickte, während Jessie und Seto noch einmal in das Schlafzimmer gingen. Seto nahm sein Jackett vom Bügel. Er trug den dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und war gerade dabei sich die blaue Krawatte zu binden.

„Nimm das Beruhigungsmittel auch mit!“

„Warum?“ fragte Jessie überrascht, die gerade die Migränetabletten in ihre Handtasche hatte gleiten lassen.

„Es ist Gozaburo Villa!“ Damit ließ er sie stehen, als wäre das Erklärung genug. Was meinte er damit? Was sollte das heißen? Es ist Gozaburo Villa? Sie gehörte doch ihm? Oder? Jessie lief ihm in den Flur nach, wo er gerade seine Schuhe anzog. Sie wollte gerade nachhaken als ihr sein hartes Gesicht auffiel. Dass ließ sie wohl besser erst einmal bleiben. Stattdessen zog sie ihre Pumps an und griff nach seiner Hand. Drückte sie beruhigend. Schwach lächelte er sie an.
 

Die Fahrt zum Flughafen verlief schweigend. Seto blätterte in den Unterlagen für die kommende Verhandlung und Jessie beobachtete ihn. Sein konzentriertes Gesicht, seine zielsicheren Bewegungen. Dann wurde die Trennwand zur Fahrerkabine heruntergelassen.

„Master Kaiba, wir sind da!“ Zur gleichen Zeit bremste Roland ab und brachte die Limousine zum Stehen. Der Motor erstarb. Seto packte seine Unterlagen zusammen und stieg aus. Jessie folgte ihm. Sie standen mitten auf dem Rollfeld vor einer privaten Maschine, deren Türen gerade geöffnet wurden. Etwas unsicher sah Jessie sich um. Seit wann kam man so einfach auf ein Rollfeld? Als sie vor Jahren einen Schulausflug zum Flughafen gemacht hatten, da waren sie mit so einem Besucherbus über das Rollfeld gefahren. Aber vorher mussten sie auch durch sämtliche Sicherheitskontrollen durch. Sie wurden gefilzt und durchleuchtet. Und diesmal? Nichts! Nicht mal ihren Ausweis hatte man kontrolliert. Seto bemerkte ihren fragenden Blick und beugte sich ein wenig zu ihr hinunter.

„Das ist der Vorteil, wenn man Kaiba heißt!“ Woher wusste er worüber sie gerade nachgedacht hatte? Doch bevor sie sich darüber Gedanken machen konnte, verließ ein älteres Ehepaar den Flieger. Setos schlanker Körper straffte sich und er ging den beiden entgegen.

„Willkommen in Domino, Misses Mendez.“ Er gab der rotblonden Frau in dem schlichten Kostüm die Hand und wandte sich dann ihrem Mann zu.

„Mister Mendez.“ Auf dem Gesicht des Herrn mit dem bereits ergrauten Bart erschien ein breites Grinsen.

„Mister Kaiba! Lange nicht gesehen!“ Dabei klopfte er dem jüngeren auf die Schulter. Jessie sah wie Seto zusammenzuckte und sich der Berührung des Anderen entzog.

„Jessica?“ Sie trat an seine Seite und lächelte die Gäste freundlich an.

„Guten Morgen!“ Raphael Mendez Blick war voller Überraschung als Seto ihre Hand ergriff.

„Darf ich ihnen meine Freundin vorstellen? Jessica Brown!“ stellte Seto mit ruhiger Stimme vor.

„Jessica. Raphael und Clarice Mendez!“ Dann wandte er sich wieder seiner Limousine zu.

„Kommen sie, meine Mitarbeiter werden sich um ihr Gepäck kümmern!“ Das Ehepaar folgte ihnen zum Wagen. Roland hielt ihnen die Tür auf. Legte Seto allerdings eine Hand auf die Schulter.

„André schiebt dich so früh wie möglich dazwischen. Also in…“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.

„In fünfundvierzig Minuten!“ Kurz sah Seto zu Jessie, die bereits im Auto saß und nickte.

„Okay, sag ihm zu, aber dann musst du unsere Gäste ein wenig beschäftigen!“ Statt einer Antwort zückte Roland sein Handy.

„Ah, André…“ Er schloss den Wagenschlag und ging dann um die Limousine herum. Seto schnallte sich an und nahm Jessies Hand. Auf der Fahrt zurück in die Stadt war es sehr still im Wagen. Bis die Limousine hielt und Roland die Trennwand zur Fahrerkabine herabließ.

„Master Kaiba, wir sind da!“ Mister Mendez sah skeptisch aus dem Fenster.

„Das ist nicht ihre Villa!“ Seto schnallte sich ab und öffnete die Tür selbst.

„Nein, ich habe noch einen wichtigen Termin. Mein Assistent wird sich solange um sie kümmern. Jessica kommst du?“ Er war ausgestiegen, bevor irgendjemand etwas erwidern konnte. Jessica folgte ihm auf den Fuß.

„Was für ein Termin ist das denn?“ Er zog sie eine Straße weiter und blieb dann vor einem schlichten vierstöckigen Gebäude stehen.

„Eine Arztpraxis?“ Er atmete tief durch.

„Andrés Praxis!“ Oh. Jessie griff nach seiner Hand. Er wollte also wirklich wegen den Schnittwunden zu seinem Arzt! Gemeinsam betraten sie die Praxis, sofort kam ihnen eine der Empfangsdamen entgegen.

„Mister Kaiba, wenn sie bitte mitkommen!“ Sie führte sie in ein geräumiges Behandlungszimmer und bot ihnen einen Stuhl an.

„Doktor Berg wird gleich bei ihnen sein. Kann ich bis dahin irgendetwas für sie tun?“ Auf Setos knappes Kopfschütteln verließ sie das Zimmer. Seto setzte sich auf einen Stuhl, der gegenüber eines kleinen Schreibtisch in einer Ecke des Raumes stand und lehnte sich zurück. Jessie sah sich um. Da war ein großer Schrank hinter dem Schreibtisch mit einer Ablagefläche und einem Waschbecken. Mitten im Raum stand eine Behandlungsbank und an der Wand neben der Tür ein Regal mit Modellen des Menschlichen Körpers und Fachliteratur. Seto fuhr sich unruhig durchs Haar, Jessie trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Alles in Ordnung?“ Kurz nickte er, rieb sich den linken Unterarm.

„Ich mag das sterile nicht, deswegen kommt er meistens zu mir!“ murmelte er.

„Ich wäre auch diesmal zu dir gekommen Seto!“ Die Tür schloss sich hinter dem Arzt wieder und er setzte sich ihnen gegenüber.

„Wie waren in der Nähe!“ Seto lehnte sich in seinem Stuhl zurück und Jessie setzte sich auf den zweiten neben ihm.

„Wie geht es dir? Hast du immer noch Magenprobleme?“ Fragte der Arzt sanft und Seto biss sich auf die Unterlippe.

„Eigentlich nicht!“ Er fühlte sich sichtlich unwohl.

„Was soll das heißen?“ Seto wich seinem ernsten Blick aus, antwortete nicht.

„Hast du noch einmal gebrochen?“ Jetzt nickte der braunhaarige zögernd.

„Ja, aber…“ Er schluckte schwer, sah zu Jessie.

„Was aber, Seto?“ André lehnte sich über den Tisch zu ihm, suchte seinen Blick. Seto wich ihm aus.

„Wenn du nicht sagst was los ist, kann ich dir auch nicht helfen!“ Hilfesuchend sah er zu Jessica, die gerade antworten wollte, als Seto das Wort ergriff.

„Alpträume!“ murmelte er leise und stand auf um sein Jackett auszuziehen, er nestelte an seinem Hemdsärmel und krempelte ihn dann hoch. André wurde eine Spur blasser, als Seto ihm seinen verbundenen Unterarm entgegenstreckte. Mit zitternden Fingern wickelte er die Mullbinde ab. Erstaunt und sichtlich erleichtert sah er auf.

„Nur drei? Zeig mir deinen anderen Arm!“ Seto gehorchte.

„Was ist passiert? Du hast das schon ewig nicht mehr gemacht!“ Keine Antwort. Der Arzt verband die Wunden fachgerecht und Seto zog sich wieder vollständig an.

„Okay, sagst du mir wenigstens, warum es nur drei Schnitte sind?“ Seto zögerte, zeigte dann auf Jessie.

„Sie hat mir die Klinge abgenommen!“ Mit großen Augen sah André sie an.

„Du hast was?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Ich habe ihm die Klinge abgenommen!“ André sah die beiden ernst an.

„Das war gefährlich! Aber ich bin froh, dass du das getan hast Jessica. Du scheinst ihm seht geholfen zu haben!“ Sie nickte, aber was hätte sie auch anderes tun sollen? Ihn sich weiter selbst verletzen lassen?

„Und jetzt zurück zu dir!“ Er fokussierte Seto.

„Was hast du geträumt?“ Seto schluckte schwer und wurde ganz ruhig. Er starrte auf seine Hände, doch sein Blick war verschleiert. Und in Gedanken…
 

Ich laufe durch die Villa, wenn Gozaburo mich so erwischen würde, könnte ich mich auf etwas gefasst machen. Ich bin allerdings sowieso schon zu spät zum Frühstück. Schweratmend halte ich vor der Tür zum Speisesaal. Ich hole tief Luft und drücke die Akten fester an meine Brust, dann klopfe ich entschlossen an die Tür. Entkommen konnte ich sowieso nicht! Gozaburo saß am Tisch, für mich war nicht gedeckt, aber was hatte ich auch anderes erwartet? Ich bin zu spät zum Frühstück, also würde ich den ganzen Tag nichts bekommen, das war die erste Lektion, die ich hatte lernen müssen. Gozaburo hebt den Blick, sieht mich an. Seine Augen glänzen vor Vorfreude. Mein Magen zieht sich zusammen, ich versuche den Brechreiz zu unterdrücken. Mit starren, emotionslosen Augen erwidere ich seinen Blick. Ich werde ihm meine Angst nicht zeigen.

„Die Arbeit?“ Ich unterdrücke das Zittern meiner Hände und lege die Akten bedacht wortlos vor ihn auf den Tisch. Kurz blättert er sie durch.

„Da fehlt eine!“ Ich schweige, was soll ich auch antworten? Er würde keine Ausrede gelten lassen. Langsam steht er auf, die Fäuste geballt.

„Warum ist die Akte noch nicht fertig?“ Weil ich mit der Arbeit nicht hinterherkomme! Ich hatte die ganze Nacht an meinem Schreibtisch gesessen, und trotzdem… Das war einfach zu viel! Seine Ohrfeige trifft mich unvorbereitet. Ich hatte ihn nicht ausholen sehen. Aber eigentlich hatte ich nichts anderes erwartet. So fängt es immer an.

„Du kleinere Versager!“ Ich beiße mir auf die Unterlippe, als er meinen Arm packt. Die alten Prellungen sind noch nicht verheilt. Er versetzt mir einen Stoß ich stolpere zurück. Sein nächster Schlag trifft meinen Magen. Meine Knie knicken ein. Das leise Wimmern kann ich nicht unterdrücken. Wellenartig zieht der Schmerz durch meinen Körper.

„Steh auf!“ faucht er mich an. Noch bevor ich mich ganz aufgerappelt habe schickt er mich mit einem Tritt in die Rippen zurück auf den Boden. Es knackt. Mein Atem wird flach und unregelmäßig. Meine Rippen geben nach. Gut dass Mokuba im Internat ist! Ich will nicht, dass er jemals so etwas erleben muss! Gozaburo zerrt mich hoch und zur Tür. Ich stolpere ihm nach, halte mich nur mühsam auf den Beinen. Tränen schwimmen in meinen Augen, ich dränge sie zurück. Ich würde nicht weinen. Nicht vor ihm! Niemals! Er zieht die schwere Kellertür auf, stößt mich die Stufen hinunter. Ich beiße mir auf die Lippen, schmecke Blut. Am Fuß der Treppe bleibe ich liegen. Alles tut weh. Und trotzdem bin ich wie taub. Ich habe das schon viel zu oft erlebt. Schwer sind seine Schritte auf den Holzstufen über mir zu hören. Meine Muskeln verkrampfen sich. Ich kann kaum atmen! Wieder zerrt er mich hoch. Ich wehre mich nicht.

„Stell dich an die Wand!“ Ich gehorche, während er sich dem Tisch zuwendet. Ich stützte mich mit den Händen ab, schließe die Augen. Die Peitsche knallt nur wenige Zentimeter neben meinem Ohr. Ich fahre zusammen, der nächste Schlag würde mich treffen!

„Du zählst mit!“ Faucht er mich an! Ich schlucke schwer.

„Und wenn du schreist, schicke ich Mokuba in ein Ferienlager!“ Mokuba! Er soll heute Abend kommen. Für sieben Tage. Ich habe ihn schon so lange nicht mehr gesehen! Langsam, entschlossen nicke ich, kralle meine Finger in die raue Wand. Die Peitsche knallt, ich biege den Rücken durch, beiße mir auf die Lippen.

„Eins!“ flüstere ich mühsam.

„Lauter!“ Wieder schlägt er zu. Ich schließe die Augen, stelle mir Mokubas kleines lachendes Gesicht vor.

„Zwei!“ Meine Stimme zittert ein wenig. Ich bemühe mich es zu unterdrücken.

„Drei!“ Blut läuft über meinen Rücken drängt mein zerrissenes Hemd.

„Vier!“

„Fünf!“ Meine Knie geben nach. Ich kann mich nicht mehr auf den Beinen halten.

„Sechs!“ Hart schlagen meine Knie auf dem rauen Boden auf. Ich spüre es kaum.

„Sieben!“ Ich keuche, falle nach vorne. Meine Stirn donnert gegen die Wand.

„Acht!“

„Neun!“

„Zehn!“ Ich darf keine Schwäche zeigen!

„Elf!“ Nicht vor ihm!

„Zwölf!“ Niemals!

„Dreizehn!“

„Vierzehn!“ Die Wand vor mir verschwimmt. Ich blinzele mühsam.

„Fünfzehn!“ Mir wird schwarz vor Augen.

„Sechzehn!“
 

„S…Set…to!“ Irgendjemand ruft nach mir. Alles um mich herum ist dunkel.

„Seto! Wach auf!“ Mühsam zwinge ich meinen Geist zurück. Schmerzen überrollen mich. Ich würge. Eine Hand streicht mir sanft übers Haar. Ich blinzele angestrengt. Ich liege noch immer im Keller. Auf dem Boden. Der kalte Stein drückt in meine Seite. Mit zusammengebissenen Zähnen versuche ich mich aufzurichten, doch angenehm warme Hände halten mich zurück.

„Ruhig Seto! Ich will mir erst deine Rippen ansehen!“ André Berg, Gozaburo Hausarzt beugt sich über mich. Traurig sieht er mich an. Er hilft mir. Jedes Mal. Ich weiß, dass Gozaburo ihn mit seiner Familie zum Stillschweigen erpresst. Trotzdem hat er mir schon so oft angeboten ihn anzuzeigen. Ich will das nicht. Ich muss es alleine schaffen! Alleine! So wie immer! Seine Hände tasten sanft über meinen Brustkorb. Meine Augen fallen wieder zu, André rüttelt mich an der Schulter.

„Hey, sieh mich an! Du kannst schlafen sobald ich dich verarztet und ins Bett gebracht habe!“

„Gozaburo!“ Ich fahre auf, stöhne, halte mir unter Schmerzen die Rippen. André legt mir beruhigend einen Arm um die Schultern.

„Ruhig, er ist nicht da! Kannst du aufstehen?“ Ich nicke, brauche aber trotzdem seine Hilfe um mich auf den Beinen halten zu können. Als ich über die erste Stufe stolpere, nimmt er mich wortlos hoch und trägt mich in mein Zimmer. Ich widerspreche nicht. Ich weiß, dass ich es niemals ohne seine Hilfe schaffen würde! André legt mich auf meinem Bett ab. Vorsichtig zieht er mir die blutgetränkten Kleider aus. Ich beiße die Zähne zusammen. Mein Rücken brennt höllisch.

„Himmel Seto! Warum lässt du dir das immer wieder gefallen!“ Seine Stimme klang tonlos.

„Nicht mehr lange!“ murmele ich leise und keuche auf, als er beginnt, die Wunden zu desinfizieren. Ein paar Wochen, dann bin ich frei. André beendet seine Arbeit und schiebt mir ein Kissen so in den Rücken, dass ich mich nicht auf die Striemen rollen kann. Ich bin ihm dafür dankbar. Von den Schmerzen ist mir schlecht, trotzdem verweigere ich das Schmerzmittel, das er mir anbietet. André setzt sich neben mir auf die Bettkante.

„Ich kann das nicht mehr mit ansehen, Seto! Mit jedem Mal wird es schlimmer!“ Wieder streichelt er mir sanft über das Haar. Die einzige tröstende Berührung die ich von ihm dulde.

„Natürlich wird es das! Er weiß, dass er verliert!“ Kurz hält eine Hand inne. Langsam, mühsam öffne ich die Augen, sehe zu ihm auf. Blicke in sein verwirrtes Gesicht. André ist einer der wenigen denen ich vertraue. André und Roland.

„Was heißt er verliert?“ Meine Augen fallen wieder zu, sie offen zu halten ist viel zu anstrengend. Ich beginne weg zu dämmern. Mein Körper fordert die Ruhe, die ich ihm viel zu lange vorenthalten habe!

„Er wird alles verlieren!“ murmele ich in meine weichen Kissen.

„Weil ich stärker bin als er und weil er mich unterschätzt hat!“ Natürlich befriedigte ihn diese Antwort nicht, aber er fragt nicht weiter. Er streicht mir ein letztes Mal übers Haar und steht dann auf.

„Ruh dich aus, damit du halbwegs fit bist, wenn dein Bruder heute Abend kommt!“ Ich nicke schwach und überlasse mich dem Schlaf.
 

Seto atmete tief durch, versuchte das dumpfe Gefühl der Erinnerungen abzuschütteln. Er spürte etwas Warmes an seiner Hand, Jessie hielt sie leicht gedrückt, sah ihn aufmerksam an. Er zog sie an sich, vergrub das Gesicht in ihrem Haar. Sie hielt ihn fest in ihrer Umarmung. Er fühlte sich geborgen.

„Das letzte Mal!“ antwortete er André auf seine Frage. Der Arzt schluckte schwer. Er erinnerte sich an jedes einzelne Mal, dass er Seto verarztet hatte, aber damals war es wirklich schlimm gewesen.

Das letzte Mal.

Ja, es war tatsächlich das letzte Mal gewesen.

Gozaburo hatte verloren, wie Seto gesagt hatte.

Zuerst hatte er sein Ansehen verloren.

Dann seine Firma.

Sein Vermögen.

Und schließlich hatte er Selbstmord begangen.

Seto hatte gewonnen.

Wie er gesagt hatte.

Aber welchen Preis hatte der damals erst Fünfzehnjährige dafür bezahlen müssen.

Welchen Preis bezahlte er noch immer? Jetzt fast sieben Jahre danach.

André wusste es nicht. Er beobachtete wie Jessie ihrem Freund beruhigend über den Rücken strich. Ihrem Gesicht waren die Fragen anzusehen, doch sie stellte sie nicht. Hielt ihn nur schweigend im Arm.

Sie war ihm nahe.

Näher, als er Mokuba in seinen schwachen Momenten ließ.

Näher, als ihm jemals ein Mensch gekommen war.

Vielleicht wären sie ewig so verharrt, wenn nicht Setos Handy die Stille durchbrochen hätte. Ohne zu zögern ging er ran.

„Ja?“ Noch während er telefonierte erhob er sich und zog Jessie mit sich. Kurz nickte er André zu und verließ dann die Praxis.

Am Telefon war Roland.

Die Arbeit rief.

Geschäftsessen

Kapitel 34: Geschäftsessen
 

Gemeinsam verließen sie die Praxis und stiegen in die wartende Limousine. Raphael Mendez saß mit verschränkten Armen und ausdruckslosem Gesicht im Wagen. Seto ließ Jessies Hand nicht los, starrte blicklos aus dem Fenster. Unsicher sah Jessie zwischen den beiden Männern hin und her. Seto war abwesend und in Gedanken vielleicht immer noch bei seiner Vergangenheit. Sein Geschäftspartner dagegen wirkte beleidigt. Die Stille lastete über der Limousine. Jessie rutschte auf ihrem Platz herum, langsam wandte Seto ihr sein Gesicht zu. Fragend sah er sie an.

„Was ist?“ Sie schüttelte abwehrend den Kopf.

„Nichts!“ Wieder war es still. Jessie fühlte sich immer unwohler und irgendwann hielt sie es nicht mehr aus.

„Wo gehen wir eigentlich essen?“

„Royl´s Hall!“ antwortete Seto knapp.

„Von diesem Restaurant habe ich noch nie etwas gehört!“ Er lächelte sie leicht an.

„Es ist ein Restaurant der gehobenen Klasse.“ Murmelte Seto ein wenig abwertend.

„Es ist das bekannteste Restaurant der Stadt. Es hat erst im letzten Jahr eröffnet und bisher sehr gute Kritiken erhalten!“ warf Raphael Mendez ein, der Seto anscheinend nicht gehört hatte.

„Ein guter Freund war erst letzte Woche im Royl´s. Er war sehr begeistert!“ Seto verdrehte unauffällig die Augen.

„Du kochst besser!“ flüsterte er Jessie ins Ohr. Ein schönes Kompliment, aber so wirklich glaubte sie ihm das nicht. Er sah ihr ihre Skepsis an.

„Meine subjektive Meinung!“ Er hörte sich sehr ehrlich an. Jessie freute sich.

„Danke!“ Schließlich hielt die Limousine und sie stiegen aus. Sie betraten einen großen Gastraum und ein Ober führte sie zu ihrem Tisch. Jessie sah sich ein wenig entsetzt um. Der Raum war hoch, die Wände in einem hellen Weinrot gestrichen und überall waren überladende goldene Verzierungen. An Decken, Wänden, Lampen, Tischen…

„Ähm…wow!“ stellte sie an Seto gewandt fest.

„Mir gefällt es auch nicht!“ erwiderte er und nahm einer der Speisekarten zur Hand. Auch Clarice Mendez sah sich eher skeptisch um.

„Etwas überladen, findet ihr nicht auch?“ Raphael nickte zustimmend. Sie bestellten, dann wandte Seto sich seinem Geschäftspartner zu.

„Lass uns zum Geschäft kommen!“ Mendez nickte und nahm einen Schluck von seinem Wasserglas. Jessie sah von einem Mann zum anderen und wieder zurück. Sie verstand kein Wort von dem was sie da gerade redeten! Claire sah sie lächelnd an.

„Mach dir keine Sorgen! Wenn du ein paar Jahre an Setos Seite verbracht hast, wirst du verstehen worüber sie sprechen! Ich war etwa in deinem Alter, als ich Raphael geheitatet habe. Damals verstand ich auch nichts von dem Geschäft!“ Jessie riss den Blick von ihrem Freund los und sah die Ältere an.

„Wie haben sie ihren Mann kennengelernt?“

„Unsere Eltern haben uns aus Prestigegründen miteinander verheiratet. Damals war ich gerade einmal achtzehn. Und wir konnten uns am Anfang auf Gedeih und Verderb nicht ausstehen! Jeder gab dem anderen die Schuld für unsere Situation!“ Leise lachte sie.

„Allerdings hat es nicht länger gedauert bis wir uns näher kamen!“ Sanft griff sie nach der Hand ihres Mannes. Raphael unterbrach mitten in einem Satz und sah sie an.

„Alles in Ordnung Schatz?“ Fragend sah er sie an, Clarice nickte.

„Ich habe Jessica nur gerade erzählt wie wir uns kennengelernt haben!“ Raphael verdrehte die Augen und wandte sich Seto zu.

„Das war aber nicht besonders romantisch oder so etwas in der Art!“ Seto zuckte mit den Schultern.

„Nichts ist interessanter als Zwischenmenschliche Beziehungen! Deswegen reist sich ja auch die Presse so darum!“ Raphael nickte leicht.

„Bisher habt ihr eure Beziehung allerdings gut geheim halten können!“ Seto schnaubte kurz.

„Das wird nicht mehr lange dauern, nicht nachdem wir heute hier essen waren!“ Er seufzte schwer.

„Das ist eben der Nachteil wenn man in der Öffentlichkeit steht! Das einzige was man dagegen tun kann ist, nicht allzu viele Skandale zu provozieren!“ Clarice wechselte einen vieldeutigen Blick mit ihrem Mann und wandte sich dann Jessie zu.

„Du musst ziemlich gut aufpassen, vor allem da Seto Kaiba einer der reichsten Männer der Welt ist. So gut wie jeder kennt ihn, sämtliche Augen sind auf euch gerichtet und jeder Fehltritt eurer Seits wird sofort breit getreten!“ Geschockt sah Jessie die Ältere an und dann zu Seto. Der sah ein wenig geknickt aus.

„Sie hat recht! Die Presse wird sich auf uns stürzen wie Aasgeier!“ Schwer schluckte Jessie und nahm erst einmal einen Schluck Wasser. Dann atmete sie tief durch und nickte.

„Okay! Okay, wir schaffen das!“ Unauffällig griff Seto unter dem Tisch nach Jessies Hand und drückte sie leicht und er ließ sie auch nicht wieder los als er sein zuvor unterbrochenes Gespräch mit Raphael wieder aufnahm.

„Ich wollte dir keine Angst machen! Ich schätzte dich als recht vernünftiges Mädchen ein, also musst du dir keine Sorgen machen, solange ihr euch nicht in der Öffentlichkeit streitet oder etwas in der Art!“ Unsicher sah Jessica Clarice an, Seto drückte sanft ihre Hand, beruhigend. Da lächelte sie.

„Das haben sie nicht…Nicht wirklich zumindest! Mir war schon klar, dass mir keine großen Ausschweifungen erlauben darf!“

Dann wurde das Essen gebracht und das Tischgespräch wandte sich allgemeinen Themen zu. Es wurde über das Wetter, Politik und die neusten Skandale diskutiert, bis sie schließlich aufbrachen um die Verhandlungen in der Villa weiterzuführen. Jessie spürte, dass Seto sich immer mehr verkrampfte, je näher sie der Villa kamen und er zögerte sichtlich als die Limousine hielt und Roland ihnen die Türe öffnete. Jessie hielt ihn an der Hand und strich sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken.

„Auf ins Gefecht!“ murmelte er leise und stieg schließlich doch aus. Während Seto und Raphael in seinem Büro verschwanden standen Clarice und Jessie etwas unsicher in der großen Eingangshalle.

„Und was machen wir während unsere Männer sich mit Paragraphen, Akten und Verträgen herumschlagen?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Gute Frage. Ich bin auch das erste Mal hier!“ Die beiden Frauen sahen sich an und lachten herzhaft.

„Na das sind doch die besten Voraussetzungen!“ Jessie grinste und drehte sich dann einmal um die eigene Achse, bis sie schließlich Roland entdeckte.

„Ah Roland, sie sind unsere Rettung! Können sie uns vielleicht die Küche zeigen und wenn sie schon dabei sind vielleicht auch noch das Wohnzimmer?“ Der Mann lächelte und bedeutete ihnen ihm zu folgen. Jessie sah sich um, weniger staunend, sondern eher schockiert. Hier war alles überladen, noch überladener als in dem Restaurant und vor allem teuer. Wer um alles in der Welt konnte an so einem Ort leben ohne ständig Angst zu haben, eine der teuren Vasen, Bilder oder anderer Gegenstände herunter zu werfen oder anderweitig zu zerstören. Kein Wunder, dass Seto dieses Haus nicht mochte. Seine Wohnung in der Innenstadt war ja schon eher unpersönlich, aber es entsprach doch um einiges mehr Setos Charakter. Denn es war schlicht, ruhig. Ein Ort an dem man sich wohlfühlen konnte. Auch wenn eine weibliche Hand etwas fehlte, aber das ließ sich ja noch ändern. Jessie lächelte bei dem Gedanken, sah sich dann allerdings weiter Kopfschüttelnd um. Sie gingen gerade einen sehr hohen Gang entlang. Die Decke war mit stuck verziert, der teilweise vergoldet oder bemalt war. Auf etwa einen Meter hohe Säulen standen Figuren aus weißem Marmor in Lebensgröße. Männer und Frauen aus verschiedenen Epochen, Kulturen und Stilrichtungen. An sich war jede einzelne der Statue ja schön, aber so viele verschiedene Kulturrichtungen und das auch noch auf einem einzigen Fleck. Also da waren sogar in einem Überfüllten Museum die Stücke wirkungsvoller angeordnet. Sie betraten einen großen hellen Raum, ein mintgrün tapeziertes Wohnzimmer mit Porzellankronleuchter und überall standen kleine Porzellantierchen in etlichen Vitrinen. Vorsichtig setzten sie sich auf ein elegant geschwungenes Sofa in der Raummitte.

„Mal ganz ehrlich, ich könnte hier nicht wohnen!“ Clarice sah sich mit großen Augen um.

„Naja, Seto hat noch eine Wohnung in der Innenstadt. Sie ist näher an der Firma und Mokubas Schule. Und auch kleiner. Mokuba meinte die Villa wäre für sie beide alleine viel zu groß!“ Die Ältere Nickte.

„Das ist verständlich! Aber Gozaburo hatte einen etwas,… naja exquisiter ist das falsche Wort, sagen wir mal ausgefalleneren Geschmack!“ Jessie horchte auf.

„Kannten sie Gozaburo?“

„Nicht wirklich gut! Du weißt sicherlich, dass die Firma damals noch eine Waffenfirma war.“ Das hatte Jessie nicht gewusst, aber siewollte Clarice auch nicht unterbrechen, also nickte sie nur.

„Damals hatten wir noch keine geschäftlichen Kontakte mit der Kaiba Corp. Aber ich habe ihn einmal auf einer Gala getroffen. Er war kein angenehmer Zeitgenosse. Sehr Ich-bezogen. Er war manipulativ und hatte seine Finger auch in mehreren illegalen Geschäften. Als Seto die Firma dann übernahm gab es deswegen einen riesen Skandal. Naja, dein Freund ist allerdings ein genialer Geschäftsmann. Er hat sämtliche Vorwürfe der Firma gegenüber abschmettern können. Die Verbrechen wurden allerdings Gozaburo Kaiba angelastet, der seine Firma verlor, sein Vermögen und schließlich im Knast landete. Nach einem Missglückten Rachefeldzug an seinem Ziehsohn, beging er Suizid. Das ist jetzt sechs Jahre her!“ Jessie schwieg. Sie hatte ja schon geahnt, dass Seto keine einfache Vergangenheit hatte, aber so etwas… Leise seufzte sie und griff dann nach einer kleinen Figur vor sich auf dem Tisch. Die Stille zwischen ihnen war drückend und sie saßen lange so da, bis Roland mit einem Tablett mit Gebäck und Tee.

„Können sie mir einen Gefallen tun, Jessica?“ Überrascht sah sie auf und nickte.

„Natürlich!“

„Setos Büro ist den Gang hinunter, die letzte Tür links. Würden sie ihm den Tee bringen?“ Jessie stand auf und nahm ihm das Tablett ab, dabei fiel ihr Blick auf die Uhr auf einem kleinen Schränkchen. Es war bereits halb vier. Wie schnell doch die Zeit verging. Sie nahm das Tablett und verließ das Zimmer. An Setos Bürotür klopfte sie nicht, sondern trat einfach ein. Die beiden Männer sahen auf.

„Was ist?“ Seto sah blass aus, seine blauen Augen wirkten irgendwie stumpf.

„Ich bringe auch Tee!“ Sie stellte das Tablett auf dem freien Ende des großen Tisches ab und goss dann beiden ein. Dann trat sie hinter Seto und legte ihm die Arme um den Hals, brachte ihre Lippen ganz nahe an sein Ohr.

„Hey, ist alles in Ordnung?“ Fast unmerklich nickte er.

„Ja, es geht schon!“ wisperte er ebenso leise zurück und nahm sich auf Jessies auffordernden Blick einen Keks vom Tablett. Raphael war ganz in dem Dokument vor sich versunken und bekam nichts von ihrem kurzen Gespräch mit.

„Soll ich noch etwas bleiben?“ fragte sie immer noch leise, doch er schüttelte den Kopf.

„Schon okay, je eher wir mit der Arbeit fertig sind, desto eher kann ich hier weg!“ Das klang logisch. Sanft streichelte sie ihm über den Nacken und trat dann zurück.

„Na dann, lass ich euch weiter machen!“ Seto nickte und verfolgte wie sie zur Tür ging. Kurz drehte sie sich noch einmal um, sah ihn an. Sollte sie wirklich gehen? Doch er nickte ihr nur noch einmal zu und wandte sich dann seinen Akten zu.

Jessie ging zurück zu Clarice und die beiden Frauen machten sich einen schönen Nachmittag mit Tee, Kuchen und redeten über Gott und die Welt.
 

Jessie und Clarice betraten Setos Büro. Die beiden Männer saßen noch immer an dem großen Schreibtisch und brüteten über verschiedenen Dokumenten. Der Tisch bog sich bereits unter der Last der vielen Akten, Bücher und Setos Computer. Keiner reagierte auf ihr eintreten. Jessie räusperte sich und legte Seto vorsichtig von hinten die Arme um die Schultern. Er zuckte zusammen und sah dann zu ihr auf.

„Was gibt’s?“

„Es ist bereits halb zehn! Wollt ihr nicht langsam Feierabend machen?“ Etwas überrascht sah er auf die Uhr am unteren Rand des Laptops, dann fuhr er sich durchs Haar und grummelte leise.

„Ihr könnt das doch auch morgen noch beenden!“ Er seufzte leise und schüttelte den Kopf.

„Morgen sind Produktvorstellungen!“ Damit wollte er wohl sagen, dass er keine Zeit hatte. Jessie strich mit den Fingerspitzen über seine Brust.

„Wie weit seid ihr?“ Raphael erhob sich und schob ein paar Dokumente zusammen.

„Wir können auch an dieser Stelle abbrechen. Die Eckdaten des Vertrags sind geklärt, die Feinheiten überlassen wir unseren juristischen Abteilungen.“ Seto zögerte kurz und nickte dann.

„In Ordnung!“ Er erhob sich ebenfalls und schüttelte ihm die Hand. Roland betrat das Zimmer, wartete auf Anweisungen.

„Roland wird sie ins Hotel fahren, ich hoffe sie haben noch einen schönen Aufenthalt hier in Domino!“ Jessie umarmte Clarice zum Abschied kurz, dann war sie mit Seto alleine. Erschöpft ließ er sich zurück auf den Stuhl fallen und betrachtete mit müdem Blick das Chaos vor sich. Es war nicht alleine die Arbeit, die ihm so zugesetzt hatte. Er hatte selbst gesagt, dass es Gozaburos Villa war. Und Jessie war sich sicher, dass wohl viele schlechte Erinnerungen hier in diesem Haus stattgefunden hatten. Sie setzte sich neben ihn und betrachtete sein ausdrucksloses Gesicht.

„Du magst dieses Haus nicht?“ fragte sie sanft. Er schüttelte den Kopf.

„Nein!“ Er begann die verschiedenen Akten zu schließen und auf einzelne Stapel zu sortieren.

„Warum verkaufst du es nicht?“ Überrascht sah er zu ihr. Es war das erste Mal, dass ihm jemand einen derartigen Vorschlag machte.

„Es ist ein Statussymbol!“ Erwiderte er knapp und fuhr seinen Laptop herunter.

„Aber Gozaburos, nicht deines!“ warf Jessie sofort ein und sah wie er sich bei dem Namen seines Stiefvaters anspannte.

„Das Haus passt überhaupt nicht zu dir! Es ist zu groß zu prunkvoll, zu teuer!“ zählte sie auf.

„Ach wirklich?“ brummte er genervt. Als ob er das nicht längst wüsste! Automatisch packte er die wichtigsten Papiere und den Laptop in seine Tasche und sah sich noch einmal kurz um.

„Seto, warum behältst du es dann?“ Er seufzte leise und ging zur Tür.

„Sobald ich die Villa zum Verkauf anbiete, sind die Zeitungen morgen voll von Spekulationen ob die Kaiba Corp vor der Pleite steht!“ Jessie lief ihm nach und folgte ihm durch die dunkle Villa.

„Dann bau um!“ Abrupt blieb er stehen, sodass sie gegen seinen Rücken stieß.

„Ich werde nie wieder in diesem Haus wohnen!“ Sie schlang die Arme um seine Hüften, legte die Wange an seine Schulter. Er zitterte.

„Das musst du auch nicht!“ Beruhigend strich sie ihm über den Bauch.

„Ich dachte eher an eine Reha-Klinik für Missbrauchsopfer oder ein Kinderheim. Hier ist unglaublich viel Platz und man könnte so viel machen!“ Langsam drehte er sich in ihren Armen um.

„Meinst du das ernst?“ fragte er fast tonlos. Sie nickte.

„Klar, ich denke das täte dir sogar gut. Dann musst du nicht mehr hierher zurück wenn irgendwelche Geschäftstreffen anstehen! Zumindest nicht mehr in dieses Haus, so wie du dich daran erinnerst. Und…?“ Er küsste sie und brachte sie somit zum Schweigen.

„Sei still!“ murmelte er an ihren Lippen und umarmte sie nun seinerseits. Nach einer Weile löste er sich wieder von ihr, schob sie ein wenig zurück.

„Jessica. Ich kann das nicht! Die Presse wird ständig nachhaken und ich möchte mein Privatleben nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten!“ Nachdenklich sah sie zu ihm auf. Erwiderte ernst den traurigen Blick seiner blauen Augen. Dann nahm sie seine Hand.

„Ich werde mit Joey reden! Komm, lass uns nach Hause gehen!“ Er stolperte im ersten Moment, als sie ihn Richtung Tür zog.

„Warum willst du mit Joey reden?“ verwirrt folgte er ihr, sah ihr fragend ins Gesicht.

„Na, damit wir einen Weg finden aus diesem Haus etwas Sinnvolles zu machen, ohne deine Vergangenheit da hinein zu ziehen. Außer du willst das nicht?“ Langsam schüttelte er den Kopf.

„Nein, es ist in Ordnung… denke ich!“ Gemeinsam traten sie hinaus in die Dämmerung. Seto drehte sich um, sah an der Fassade der Villa hinauf.

„Du hast recht! Sie birgt viel zu viele Erinnerungen!“ Jessie bemerkte seinen traurigen, schmerzerfüllten Blick. Sie drückte seine Hand ein wenig fester.

„Hilfst du mir?“ fragte er plötzlich in die entstandene Stille hinein.

„Wobei?“

„Mit der Villa… und… vielleicht auch…“ Er atmete tief durch, sah sie ernst an.

„Vielleicht auch mit meiner Vergangenheit?“ flüsterte er leise, kaum hörbar. Hinter ihnen fuhr ein Auto die Einfahrt herauf. Jessie ignorierte es, erwiderte entschlossen seinen Blick.

„Ich werde dir helfen wo ich kann!“

Robin

Kapitel 35: Robin
 

Nebeneinander saßen Jessie und Seto auf der Rückbank eines VW Golfs. Vorne am Steuer saß Robin. Rolands Sohn. Als er vor ein paar Minuten neben ihnen in der Auffahrt der Villa gehalten hatte hatte er sich wortreich entschuldigt, dass er sie mit seinem Privatauto abholte. Aber sein Vater hätte ihn kurzfristig angerufen und er hätte keine Zeit gehabt noch in die Firma zu fahren und das Auto zu wechseln. Seto hatte ihn gar nicht erst zu Ende angehört, sondern war einfach eingestiegen. Und Jessie war mit einem kurzen Lächeln und einem leisen „Guten Abend“ an Robin dem Beispiel ihres Freundes gefolgt. Jetzt saß sie schweigend neben Seto. Ihre Hand auf seiner und sie strich mit dem Daumen leicht über seinen Handrücken. Dabei beobachtete sie ihn. Seto hatte den linken Arm seitlich auf die Tür gestützt und sein Kinn in der Hand abgelegt. Er starrte mit leerem Blick aus dem Fenster.

Woran er wohl dachte? Sie waren schon fast bei Setos Wohnung, als er plötzlich Jessie an sah.

„Wenn ich die Villa wirklich umbauen lassen sollte… Dann brauche ich ein anderes Haus.“ Stellte er nachdenklich fest. Jessie sah ihn überrascht an.

„Huh, warum denn das? Die Wohnung reicht doch, oder nicht?“

„Für mich und Mokuba, ja! Aber sie ist nicht das richtige für eine Familie. Ich möchte, dass meine Kinder in einem gemütlichen Haus aufwachsen. Mit einem großen Garten und Kindern in der Nachbarschaft. Vielleicht mit einem Hund oder ein paar Kaninchen!“ Wieder schien sein Blick leer. Aber vor seinem inneren Auge schien er dafür umso mehr zu sehen.

„Ich hätte gerne eine große Küche, damit alle zusammen kochen können! Und einen Wintergarten. Die Schlafzimmer sollten auf den Garten hinausgehen und vielleicht einen kleinen Balkon haben!“ Jessie drückte seine Hand leicht.

„Irgendwo sollte Platz für den Flügel sein. Vielleicht im Wohnzimmer und zumindest ein Teil der Fotografien aus dem Flur möchte ich auch aufhängen. Die Wände müssen warme Farben haben und auch die Möbel sollen freundlich wirken. Nicht so steril!“ Jessie schluckte schwer. Das was Seto da gerade beschrieb war ein zuhause. Ein richtiges Heim. Etwas, das er anscheinend nie wirklich hatte. Aber etwas, das er sich ganz tief drinnen schon immer gewünscht hatte. Vielleicht würden sie es schaffen, genau das zusammen aufzubauen. Vielleicht würde er mit ihr einmal in diesem Haus leben, so wie er es sich wünschte.

„Ich liebe dich!“ flüsterte Jessie leise. Seto sah sie an, immer noch in Gedanken.

„Wenn ich Zeit habe schaue ich mich mal nach einer passenden Immobilie um! Und ich werde mit einem Architekten reden! Ich werde die Villa umbauen lassen! Ein Kinderheim… das wäre einfacher vor der Presse zu erklären, aber…!“ Wieder starrte er vor sich hin. Murmelte leise etwas Unverständliches.

„Aber ein Rehazentrum… die Presse… nein… NEIN!“ Er entriss Jessie seine Hand und schlug beide vor die Augen. Er zitterte am ganzen Körper. Ohne zu zögern löste Jessie ihren Gurt und rutschte zu ihm hinüber, legte die Arme locker um seine Mitte und strich ihm beruhigend über den Rücken.

„Shh, ganz ruhig Seto.“ Er wimmerte, drückte sich an sie.

„Shh, ist gut!“ Langsam hob er den Kopf, sah sie aus seinen wunderschönen blauen Augen an, als wäre sie seine Rettung.

„Es ist alles in Ordnung! Du musst nicht an die Presse gehen. Du musst nicht darüber reden. Keiner zwingt dich dazu! Okay?“ Keine Reaktion, er lehnte sich einfach nur wieder an sie, legte die Wange auf ihre Schulter.

„Seto?“ Er antwortete nicht. Vorsichtig schob Jessie ihn ein wenig von sich und sah in sein entspanntes Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Er war einfach eingeschlafen. Sie ließ ihn zurück sinken und fuhr mit der Hand ganz vorsichtig durch die weichen Haarsträhnen.

„Ist alles in Ordnung?“ Robin sah fragend in den Rückspiegel.

„Ja, er schläft. Sein Tag war wohl sehr anstrengend!“ Murmelte Jessie leise.

„Sein ganzes Leben ist anstrengend. Ich weiß nicht ob ich an seiner Stelle so gut damit umgehen könnte!“ Sie standen an einer roten Ampel und so drehte er sich kurz um. Betrachtete seinen schlafenden Chef.

„Dad, hält sehr große Stücke auf ihn. Aber ich glaube, für ihn sind Seto und Mokuba ebenso seine Kinder wie ich und meine Schwester!“ Er fuhr wieder an.

„Nach Gosaborus Tod hat Dad die Erziehungsberechtigung für die beiden erhalten! Er hat ihnen angeboten zu uns zu ziehen, Maja und ich wären sogar zusammen in ein Zimmer gezogen und dabei haben wir damals fast nur gestritten! Seto ist nur ein Jahr jünger als ich. Damals war er fünfzehn. Er hat sich geweigert uns Umstände zu bereiten, hat stattdessen die Wohnung gekauft. Nur zwei Häuser von uns entfernt. Hin und wieder kommt er zum Essen vorbei. Wenn Dad ihn dazu überreden kann. Mum freut sich dann immer. In letzter Zeit kommt er aber noch seltener, als sonst. Ich glaube in den letzten drei Monaten war er gar nicht da. Mokuba ist da anders. Mum hat ihn richtig ins Herz geschlossen.“ Er fuhr in die Tiefgarage und parkte den Wagen.

„Seto hey, wir sind…“ Versucht Jessie ihn sanft zu wecken, doch Robin schüttelte den Kopf und öffnete Setos Tür.

„Lass ihn schlafen. Ich trage ihn nach oben!“ Überrascht sah sie zu ihm auf.

„Aber…“ Er beugte sich über Seto und löste den Gurt, dann schob er vorsichtig einen Arm unter seine Knie und legte den anderen um seinen Rücken.

„Mach dir keine Sorgen, ich habe ihn schon öfters getragen. Immerhin ist er so etwas wie mein Bruder!“ Vorsichtig hob Robin Seto an und Jessie folgte ihm rasch zum Aufzug.

„Seto hat nie…!“

„Nie von uns erzählt?“ Jessie nickte schüchtern.

„Er ist sehr verschlossen! Das war er schon als ich ihn kennenlernte. Am Anfang da war ich eifersüchtig auf ihn und seinen Bruder. Dad hat sie einfach eines Abends mit nach Hause gebracht und gesagt wir würden uns jetzt um sie kümmern. Es war mein sechzehnter Geburtstag!“ Er schnaubte leise und trug Seto zur Haustür, die Jessie ihm schnell öffnete.

„Plötzlich war es egal, dass ich Geburtstag hatte, alles drehte sich nur um die beiden! Ich bin wütend aus dem Zimmer gestürmt und habe die Tür hinter mir zugeknallt. Dad war deswegen ziemlich wütend. Und wir hatten einen heftigen Streit, vor allem, als er dann auch noch meinte Maja würde jetzt erst einmal bei mir im Zimmer schlafen bis alles geklärt wäre. Ich glaube das ganze Haus hat uns gehört! Mum hat versucht zu vermitteln und Maja saß in einer Ecke und war total verwirrt! Plötzlich stand Seto in der Tür, in einem viel zu großen Schlafanzug meines Dads und vollkommen übermüdet. Er sah aus, als würde er gleich umkippen!“ Vorsichtig legte er Seto auf seinem Bett ab, dann hielt er inne.

„Seine Kontaktlinsen?“ Er seufzte leise.

„Also müssen wir ihn doch wecken! Kannst du…?“ Also beugte Jessie sich über ihren Freund und schüttelte ihn leicht an der Schulter.

„Hey Seto!“ Er blinzelte müde.

„Was?“ Knurrte er leise und drehte sich auf die andere Seite.

„Hey, du kannst gleich weiter schlafen! Aber nimm schnell die Kontaktlinsen raus, okay?“ Er kämpfte sich auf die Beine und verschwand kurz im Bad. Als er wieder kam trug er nur noch T-Shirt und Boxershorts. Er ließ sich einfach wieder aufs Bett fallen. Jessie deckte ihn zu und strich ihm übers Haar.

„Gute Nacht!“ Aber das bekam er gar nicht mehr mit. Er schlief bereits wieder tief und fest. Seufzend erhob sie sich und sah Robin an. Gemeinsam verließen sie das Schlafzimmer und setzten sich an den Küchentisch.

„Ich mache mir einen Tee, möchtest du auch?“ Robin nickte. Ein paar Minuten später stand vor beiden eine dampfende Tasse Tee.

„Auf jeden Fall stand Seto da in der Tür und meinte. Er würde sofort gehen, wenn er im Weg wäre! Dad hat natürlich widersprochen, aber er hat die ganze Zeit mich an gesehen. Auf meine Reaktion gewartet. Und ich wusste einfach nicht was ich sagen sollte. Irgendwann habe ich mich dann an ihm vorbeigedrängt und ihm zugezischt, er könne bleiben, wenn er die Finger von meinen Sachen ließe!“ Er starrte auf den Tisch.

„Kurz darauf hat es an meine Tür geklopft. Seto stand mit einem Teller davor…
 

…Da steht er, dieser kleine… Ich fluche innerlich. Er hat mir meinen Geburtstag verdorben und jetzt kann er mich nicht einmal in Frieden lassen. Dieser kleine…

„Was willst du?“ blaffe ich ihn an. Er zuckt nicht einmal mit der Wimper, sieht mich nur mit seinen eiskalten blauen Augen an.

„Hier, das ist doch deiner!“ Er hält mir den Teller entgegen, auf dem ein Stück meines Geburtstagskuchens liegt. Den hat er bestimmt von Mum. Wie kommt sie dazu ihm ein Stück Kuchen zu geben. Und warum kommt er damit zu mir? Mag er ihn nicht, oder was?

„Sag bloß, du magst keine Süßigkeiten?“ Seine blauen Augen richten sich auf den Teller.

„Doch! Aber das ist nicht meins! Ich habe kein Recht deinen Kuchen zu essen, wenn ich dir deinen Geburtstag schon versaut habe!“ Genau das hatte er, meinen Geburtstag versaut! Ich schnappe mir den Teller und versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust. Er taumelt zurück, knallt gegen die Wand. Geht zu Boden. Erschreckt sehe ich ihn an. So fest habe ich ihn jetzt aber auch nicht geschuppst. Er atmet viel zu schnell und kleine Schweißtropfen bilden sich auf seiner blassen Haut. Das hatte ich nicht gewollt. Rasch gehe ich neben ihm in die Knie.

„Was ist los, wo hast du dir weh getan?“

„Rücken!“ presst er zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor. Ich greife nach dem Saum des Schlafanzugs.

„Lass mich mal sehen!“ Er versucht auszuweichen.

„Nein!“ flüstert er erstickt. Zu spät. Wie erstarrt sitze ich da und kann den Blick nicht von dem schlanken Rücken vor mir lösen. Blutige Striemen ziehen über die helle Haut. Einige waren wieder aufgeplatzt.

„Damit musst du zum Arzt!“ Ich bin entsetzt. Wie kann man nur jemanden so zurichten.

„Kein Arzt. André hat mir etwas mitgegeben, falls sie wieder aufplatzen. Dein Vater kann…“ Ich schüttele den Kopf.

„Wenn wir das Dad sagen, dann ruft er sofort Doktor Berg an! Was bestimmt auch besser wäre!“ Doch der Junge vor mir wirkt verzweifelt. Er zittert am ganzen Körper, hat den Kopf in den Armen vergraben. Ich seufze leise.

„Soll…soll ich mich vielleicht darum kümmern?“ Ich will das nicht machen. Da sag ich lieber noch Dad was ich angestellt habe! Aber es sieht aus, als wolle er partu nicht zum Arzt.

„Okay! Ich helfe dir jetzt auf mein Bett, dann hole ich deine Tasche aus Majas Zimmer und kümmere mich um deinen Rücken!“ Er reagiert nicht, also fasse ich ihn vorsichtig unter den Achseln um ihn hochzuziehen. Er rutscht mir weg. Seine Beine können ihn kaum tragen. Ich würde ihn ja einfach auf die Arme nehmen, aber wie ohne seinen Rücken…

„Leg deine Arme um meinen Hals!“ Er sieht mich unglücklich an, gehorcht dann allerdings. Vorsichtig drehe ich mich um und nehme ihn Huckepack. Mache ein paar Schritte auf mein Bett zu und halte dann inne.

„Was hältst du davon, wenn ich dich erst ins Bad bringe, dann kann ich dir das Blut besser abwaschen und du kannst dich bettfertig machen! Oder bist du das schon? Immerhin trägst du einen Pyjama meines Dads!“ Ich war total unsicher.

„Duschen wäre schön!“ murmelt er an meiner Schulter. Das dürfte mit seinem Rücken schwer werden.

„Ich weiß nicht so recht, lass uns erst mal schauen!“ versuche ich es. Er seufzt leise.

„Ich weiß, dass ich momentan nicht duschen kann!“ Aber er will sich waschen, das ist angekommen. Mal schauen, was ich tun kann. Also trage ich ihn ins Bad und setzte ihn dort auf den Badenwannenrand ab. Dann gehe ich seine Tasche aus Majas Zimmer holen. Meine Schwester liegt eng an einen kleinen schwarzhaarigen Jungen gekuschelt. Beide schlafen tief und fest. Mokuba heißt der kleine wenn ich mich richtig erinnere. Aber das ist jetzt erst einmal egal. Es gilt sich um seinen großen Bruder zu kümmern. Als ich zurück ins Bad komme. Kniet Dad vor dem Jungen und redet auf ihn ein.

„Soll ich dir beim Waschen helfen?“ Er schüttelt den Kopf, hat den Blick auf seine Hände gerichtet. Ich schiebe mich an Dad vorbei, setze mich neben ihn auf den Wannenrand.

„Ich mach das Dad!“ Erleichtert sieht er mich an. Dad dagegen ist überrascht.

„Robin?“ Ich zucke mit den Schultern. Ich kann ja selbst nicht erklären, warum ich ihm plötzlich helfe.

„Dürfen wir länger wachbleiben als sonst?“ Mit einem Blick auf den Jungen neben mir nickt Dad.

„Solange du morgen in die Schule gehst! Du Seto bliebst noch ein paar Tage zu Hause.“ Seto schüttelt den Kopf.

„Ich gehe auch!“ erklärt er entschieden.

„Aber Seto! Du…“

„Nein Roland! Das ist meine Entscheidung!“ Seine blauen Augen leuchten eiskalt.

„Ich habe das Sorgerecht für dich und deinen Bruder, also…!“ Ich lege Dad eine Hand auf den Arm. Diese Diskussion war doch total sinnlos. Vor allem jetzt und hier.

„Das könnt ihr morgen immer noch klären!“ Dad nickt nach kurzem Zögern und steht dann auf.

„Okay, Jungs! Falls irgendetwas sein sollte bin ich in der Küche!“ Und dann sind wir alleine. Ich helfe ihm vorsichtig aus dem Oberteil und versuche nicht auf seinen Rücken zu starren.

„Mh und wie machen wir das jetzt?“ Dann fällt mein Blick auf den kleinen blauen Hocker unter dem Waschbecken. Ich hole ihn und stelle ihn in den ebenen Teil der Badewanne. Seto beobachtet mich sehr genau.

„Also du setzt dich jetzt da hin!“ Er zieht sich die Hose aus und gehorcht. Ich gebe ihm die Duschbrause in die Hand und stelle ihm Seife hin.

„Beine, Brust und Arme solltest du so alleine hin bekommen. Den Rücken lässt du aus und bei den Haaren helfe ich dir, okay?“ Er nickt und ich drehe ihm das Wasser auf, relativ warm. Und dann wende ich mich ab, ich muss ihm ja nicht unbedingt zusehen. Also suche ich schon einmal das Verbandsmaterial und frische Kleidung aus seiner Tasche.

„Ich bin fertig!“ sagt er schließlich leise und ich trete neben die Wanne.

„Okay, du lehnst dich nah vorne, dann wasche ich dir die Haare!“ Er zögert kurz und tut dann was ich sage. Vorsichtig lege ich ihm ein Handtuch in den Nacken, damit das Wasser und vor allem die Seife nicht seinen Rücken hinab laufen kann. Vorsichtig wasche ich ihm die Haare und rubbel sie ihm dann mir einem weiteren Handtuch trocken. Dann helfe ich ihm aus der Wanne. Er trocknet sich selbst ab und zieht sich mühsam die Boxershorts über die ich herausgesucht habe, dann setzt er sich rücklings auf den Toilettendeckel, sodass ich gut an seinen Rücken herankomme.

„Was muss ich machen?“

„Desinfizieren, Salbe, Verband!“ murmelt er leise und krampft die Hände zu Fäusten. Vorsichtig tupfe ich die Striemen ab. Er zuckt nicht einmal. Aber ich merke wie die Spannung in seinen Muskeln nachlässt als ich die Salbe verteile und dann den Verband anlege.

„Wer war das?“ Er antwortet nicht. Ich helfe ihm wortlos in ein T-Shirt. Er reagiert immer noch nicht.

„Okay, wenn du nicht darüber reden willst! Lass uns in mein Zimmer gehen, wir können ja noch ein wenig zocken, wenn du Lust hast?“ Das war ein doofes Angebot. Zwei Stunden später sitzen wir nebeneinander vor meinem Fernseher und ich habe noch kein einziges Spiel gewonnen. Wir haben zusammen das Stück Kuchen verputzt und eine Flasche Limo getrunken. Langsam wird Seto aber immer unaufmerksamer. Es ist ja auch schon kurz vor ein Uhr morgens.

„Du, lass uns ins Bett gehen!“ Er zuckt zusammen, unsicher starrt er zu meinem Bett. Ich glaube nicht, dass er mit mir zusammen darin schlafen will. Geschweige denn überhaupt im selben Zimmer!

„Ich schlaf im Wohnzimmer auf dem Sofa, wenn dir das lieber ist?“ Er starrt mich an.

„Nein ich werde…“ Das kommt gar nicht in Frage! Kurzerhand schnappe ich ihn mir und lege ihn auf mein Bett. So dass er nicht auf seinem Rücken lag und deckte ihn zu.

„Vergiss es! Mit deinem Rücken lasse ich dich nicht auf der Couch schlafen!“ Er ist viel zu erschöpft um zu wiedersprechen und so lösche ich das Licht und schließe leise die Tür hinter mir…
 

„Wer hat ihm das angetan?“ Jessie sah Robin aufmerksam an. Doch der schüttelte traurig den Kopf.

„Ich weiß es nicht, er hat nie mit mir darüber geredet. Dad weiß es und ich denke Doktor Berg! Aber sie würden niemals etwas darüber erzählen!“ Jessie nickte. Robin stand auf und stellte seine Tasse in die Spüle.

„Ich geh dann mal nach Hause!“ Jessie begleitete ihn noch bis zu Tür und löschte dann die Lichter. Rasch machte sie sich Bettfertig und kroch dann zu Seto unter die Decken. Er drehte sich zu ihr und ehe sie sich versah hatte er beide Arme um sie geschlungen und sie fest an seine Brust gezogen.

Vorbereitungen

Kapitel 36: Vorbereitungen
 

Am nächsten Morgen verließ Seto schon früh die Wohnung, während Jessie noch mit Mokuba am Frühstückstisch saß. Er sah seinem Bruder nach und rührte dabei geistesabwesend in seinem Müsli.

„Warum ist er heute wieder so früh gegangen?“ Jessie gähnte.

„Produktvorstellungen!“ antwortete sie knapp. Moki seufzte.

„Du weißt schon, dass er dann frühstens um zehn nach Hause kommt, oder so?!“ Irgendwie war Jessie das schon klar gewesen. Immerhin hatte er, als er aufgestanden war, gemeint sie müsse nicht zum Mittagessen vorbei kommen. Er hatte sich zwar auf ihr drängen hin etwas eingepckt, aber Jessie war alles andere als begeistert. Wer garantierte ihr, dass er es auch aß? Sie vertraute ihm in dieser Sache nicht so wirklich, aber ändern konnte sie es jetzt auch nicht. Allerdings hatte sie ihn versprechen lassen, dass er anrief, wenn er die Firma verließ. Damit sie ihm das Abendessen machen konnte, egal wie spät es werden würde. Er hatte abgewehrt und gemeint sie müsse nicht extra wegen ihm wach bleiben. Jessie hatte ihn nur angesehen bis er den Kopf gesengt und leise geseufzt hatte. Dann hatte er nachgegeben und versprochen sie anzurufen, sobald er sich auf den Heimweg machen würde.

„Du Jessie?“ Fragend sah sie zu Mokuba.

„Ja, Moki?“ Der Junge hatte den Kopf auf die Hand gestützt und sah sie schief an.

„Jetzt wo du mit Seto zusammen bist… bist du trotzdem noch mein Kindermädchen?“ fragend betrachteten seine blauen Augen sie.

„Darüber habe ich mit deinem Bruder noch gar nicht gesprochen!“ Plötzlich wirkte er traurig.

„Du willst wirklich nicht mehr als mein Kindermädchen arbeiten!“ Jessie faste nach seiner Hand und hielt ihn vom Aufstehen ab.

„Ich will mich nicht mehr von deinem Bruder bezahlen lassen! Wenn wir weiterhin ein Arbeitsverhältnis haben wird das über kurz oder lang unsere Beziehung belasten! Es hat nichts mit dir zu tun! Wir können auch weiterhin viel zusammen unternehmen. Und ich suche mit eine Arbeit, die ich vormittags erledigen kann, damit ich nachmittags Zeit für dich und abends Zeit für Seto habe!“ Er ließ sich wieder in seinen Stuhl fallen.

„Meinst du Seto sucht mir dann schon wieder ein neues Kindermädchen? Eigentlich bin ich doch alt genug auf mich selbst aufzupassen!“ Jessie seufzte bei seinen Worten leise.

„Ich glaube darum geht es deinem Bruder nicht, Moki! Es ist etwas ganz andere, wenn man nach Hause kommt und keiner da ist, der einen begrüßt, mit dem man reden kann!“ Mokuba verdreht die Augen und schaufelt den Rest seines Müslis in den Mund.

„Ach ja? Super! Das war im Internat auch nicht anders!“ murrte er. Jessie sah ihn überrascht an.

„Du warst in einem Internat?“ Moki nickte.

„Ja, fast vier Jahre! Gozaburo hat mich in eines gesteckt, als ich gerade einmal sechs war! Er hat uns nur adoptiert, weil er in Seto einen Nachfolger für seine Firma gesehen hat! Und mich hat er nur genommen um ein Druckmittel gegen Seto in der Hand zu haben!“ Jessie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Die Vergangenheit der beiden war für sie immer mehr ein Rätsel, aber eines von der sie sich immer mehr wünschte es würde nicht existieren!

„Warum denkst du das?“ Mokuba fuhr sich durchs Haar, sodass es noch mehr zu Berge stand als eh schon.

„Ich habe sie reden hören. Seto hat sich wegen irgendetwas geweigert und da hat Gozaburo gedroht mich wegzugeben, wenn er nicht gehorcht. Und dann hat er ihm eine Ohrfeige verpasst. Seto hat wegen mir so viel durchgemacht! Ich weiß nicht was er alles erlebt hat. Woher er die Narben hat. Aber das ist alles wegen mir!" Jessie stand auf, zog Moki in ihre Arme und hielt ihn fest.

„Hey, mach dir keine Vorwürfe. Dein Bruder wollte nur das Beste für dich! Und du warst noch so jung!“

„Ich hätte trotzdem merken müssen wie schlecht es Seto ging!“ Jessie schüttelte entschieden den Kopf.

„Wie solltest du denn? Wenn du im Internat warst und ihn nie gesehen hast?“ Er lehnte den Kopf an ihre Schulter.

„Seto hat bald Geburtstag!“

„Huh?“ Jessie schob ihn ein wenig von sich. Das passte jetzt irgendwie nicht so ganz zum Thema.

„Ja, am fünfundzwanzigsten! Wir sollten vielleicht mal überlegen was wir machen wollen!“

„Da hast du recht. Seto hat mir aber gar nicht gesagt, dass er bald Geburtstag hat?“ Sie hatte die Augen leicht zusammengekniffen und sah ein wenig anklagend aus.

„Für Seto ist sein Geburtstag ein Tag wie jeder andere und meistens arbeitet er dann sogar noch mehr! Also was machen wir?“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung! Aber lass uns nach der Schule darüber nachdenken! Sonst verpasst du noch deinen Bus!“ Mokuba stürmte nach einem Blick auf die Uhr aus der Küche um seine Büchertasche zu holen und war dann mit einem kurzen Gruß zur Haustür hinaus. Jessie begann den Tisch abzuräumen, dabei dachte sie über Mokis letzte Bemerkung nach, Seto hatte also in zwei Wochen Geburtstag. Gut, dass sie das auch mal erfuhr. Jetzt musste sie sich Gedanken über ein Geschenk machen. Was schenkte man einem Mann, der alles hatte? Und der sich alles kaufen konnte, was er nicht hatte? Sie musste sich etwas einfallen lassen. Als sie fertig mit Abräumen war, schnappte sie sich Block und Stift und setzte sich an den Tisch. Dann begann sie zu schreiben:
 

Setos Geburtstag

• Geschenk besorgen

Jessie lief durch die Innenstadt, was sollte sie bloß Seto zum Geburtstag schenken. Sie hatte echt keinen Plan. Ein Laden zog sie regelrecht an. Es war ein Antiquariat. Allein schon das Schaufenster war einfach nur wow. So viele alte Bücher. Unten im Schaufenster hing ein Zettel: Aushilfe gesucht. Das wäre ein Job, den Jessie gerne machen würde. Sie beschloss einfach mal zu fragen. Immerhin hatte sie nach dem Gespräch mit Mokuba auch mit Seto gesprochen. Der war zwar nicht allzu begeistert davon, dass sie sozusagen kündigte, aber er hatte es akzeptiert. Ein kleines Glöckchen bimmelte als sie den Laden betrat. Der Raum war ein wenig dunkel, hohe Regale standen in jeder Ecke, alte Stühle standen dazwischen luden zum Schmökern ein. Es roch nach altem Papier, Tinte und Druckerschwärze. Am Tresen stand eine pummelige ältere Dame und sah Jessie durch ihre dicke Brille neugierig an.

„Kann ich ihnen helfen? Suchen sie etwas Bestimmtes?“ Erst schüttelte Jessie den Kopf, dann nickte sie.

„Ich habe im Schaufenster gelesen, sie suchen eine Aushilfe?!“ Die Frau nickte lächelnd.

„Ja, von acht bis zwölf Uhr am Vormittag von Montag bis Freitag! Was haben sie denn bisher so gearbeitet?“ Jessie sah ihr direkt in die Augen.

„Ich habe als Kindermädchen gearbeitet.“ Die Frau hielt ihr die Hand hin, Jessie schüttelte sie.

„Sie können sofort anfangen! Ich bin übrigens Sophia Hagen, die Besitzerin.“

„Ich bin Jessica Brown!“ Jessie legte ihre Tasche und Jacke in dem kleinen Hinterzimmer des Ladens ab und machte sich dann daran, die neu angekommenen Bücher auszupacken, zu katalogisieren und in die entsprechende Regale zu sortieren. Jetzt hatte sie zwar noch kein Geschenk für Seto, aber immerhin einen neuen Job. Dann musste sie eben noch weiter suchen!

• Tag freinehmen

o Marianne anrufen

Jessie wusste genau, dass Marianne Mittagspause hatte, als sie sie anrief. Und das hatte einen ganz einfachen Grund: Seto sollte nichts von dem erfahren, was sie plante. Er sollte sich diesen Tag, seinen Geburtstag freinehmen. Es war sein Geburtstag!

„Hey Jessie, wie geht’s dir so?“ Marianne nahm schnell ab.

„Hallo Mari, mir geht’s gut. Wo bist du gerade?“ Jessie drehte eine ihrer Locken zwischen den Fingern.

„In einem kleinen Kaffe in der Innenstadt, warum? Was ist los?“ Verwirrt sah die Ältere sich in dem kleinen Kaffe um.

„Ist Seto da?“ Stille.

„Warum?“

„Sag einfach, ist er da? Ja oder Nein!“ verlangte Jessie ungeduldig.

„Nein! Aber das weißt du doch sicher, dass er heute einen sehr engen Terminplan hat! Und jetzt sag mir endlich was um alles in der Welt los ist!“

„Es geht um Setos Geburtstag!“ erwidert Jessie.

„Ach so, deswegen willst du wissen ob er da ist! Hast du eine Überraschung geplant?“

„Ich bin grad dabei! Sag mal Mari, wie sieht sein Terminplan am fünfundzwanzigsten aus?“

„Ungefähr so wie heute, aber ich kann das bis auf einen Termin alles problemlos absagen oder verschieben!“ Marianne kannte ihre Freundin gut genug um zu wissen worauf sie hinaus wollte.
 

„Und was ist das für ein Termin?“ Wollte Jessie wissen.

„Mit einem gewissen Mark Parker. Es gab bereits unzählige Verhandlungen, dass man sich auf diesen Termin einigen konnte und ihn zu verlegen dürfte unmöglich sein!“

„Du kümmerst dich um diese anderen Termine und ich übernehme diesen Parker! Kannst du mir die Adresse geben?“ fragte Jessie entschieden. Sie würde diesen Mann schon dazu bringen den Termin zu verlegen.

o Termine absagen oder verschieben

Gehetzt sah Jessie sich auf dem breiten Gang um. Von hier konnte sie immer noch das rege Treiben hören, das in dem Großraumbüro herrschte, das sie gerade durchquert hatte. Nur vereinzelt kamen ihr Menschen entgegen, beachteten sie gar nicht. Dabei hatte sie - um genau zu sein-überhaupt kein Recht hier zu sein.

„Ohne Termin kann ich nichts für sie tun, Miss!“ Das hatte die Angestellte unten am Empfangsschalter verlauten lassen. Da hatte Jessie sich ganz einfach selbst eingelassen. Mark Parkers Büro zu finden sollte sich als nicht allzu schwierig gestalten. Chefbüros waren zu neunundneunzig Prozent im obersten Stockwerk. Allerdings hatte sie zu ihrer Schande keinen hartnäckigen Securitymann eingeplant, der sie über fünfzehn Stockwerke, quer durch mehrere Großraumbüros, eine Cafeteria und einen Konferenzsaal, der leider gerade voll besetzt gewesen war, verfolgte. Jetzt hatte sie ihn allerdings abgehängt und stand tatsächlich vor Mark Parkers Büro. Eine unscheinbare Tür im oberen Stockwerk. Kurz überlegte sie anzuklopfen, verwarf den Gedanken dann allerdings wieder. Was sollte das jetzt noch bringen? Also sah sie sich noch einmal kurz auf dem Gang um, keiner nahm Notiz von ihr, und schlüpfte in das Zimmer. Ein Mann Anfang der sechzig saß an einem großen Schreibtisch und telefonierte gerade mit grimmigem Gesichtsausdruck.

„Sie haben was?“ fauchte er gerade in den Hörer.

"Finden sie diese…“ Die Tür fiel hinter Jessie ins Schloss.

„Hat sich erledigt! Sie ist hier!“ Damit knallte er den Hörer auf die Gabel und fixierte Jessie mit seinen dunklen Augen kalt.

„Wer sind sie und was wollen sie hier?“ Sie zuckte kurz zusammen. Atmete dann jedoch tief durch und setzte sich ihm gegenüber auf den dort stehenden Stuhl.

„Eigentlich wollte ich nur mit ihnen reden!“ Er kniff die Augen zusammen.

„Dann machen sie sich einen Termin!“ Doch zu seiner Überraschung schüttelte sie bedächtig den Kopf.

„Tut mir leid, aber ich habe nicht die Zeit vier Wochen auf einen Termin zu warten, den sie dann aus Zeitmangel absagen würden. Dazu kenne ich euch Geschäftsmänner viel zu gut! Seto ist genauso!“

„Seto?!“ fragte Parker nach. Es schien als habe er sonst nichts von dem, was sie gesagt hatte, mitbekommen.

„Ja Seto! Mein Freund!“ antwortete Jessie verwirrt. Parker fuhr sich durchs Haar, soweit er wusste gab es in Domino nur einen einzigen Mann, der Seto hieß. Und das war Seto Kaiba. Saß da also tatsächlich die Freundin des einflussreichsten Mannes der Stadt vor ihm?

„Sie sind Seto Kaibas Freundin?“ fragte er noch einmal ungläubig nach.

„Äh…ja! Ist das so schwer zu glauben?“ Er seufzte leise, musterte die junge Frau kurz und schüttelte dann den Kopf. Dieses junge Ding mit den blonden Locken, den sanften grünen Auge, dem knielangen blauen Kleid und den weißen Stiefeln sollte tatsächlich seinen besten Sicherheitsmann abgehängt haben?“

„Eines muss man ihnen lassen! Sie sind genauso hartnäckig wie ihr Freund! Er lässt sich von meinem Personal auch nicht aufhalten!“ Plötzlich lachte er. Irgendwie fand er die junge Frau da vor ihm sympathisch.

„Also warum sind sie hier, Miss…!“

„Brown. Jessica Brown!“ Er erhob sich und hielt ihr die Hand entgegen.

„Mark Parker! Aber ich denke das wussten sie schon!“ Jessica lächelte und ergriff seine Hand.

„Ja, das wusste ich schon!“ Dann wurde sie ernst.

„Ich bin wegen dem fünfundzwanzigsten Oktober hier! Da haben sie einen Termin mit Seto, nicht wahr?“ Er nickte und Jessie atmete tief durch.

„Naja, es gibt ein kleines Problem! Seto hat am fünfundzwanzigsten Geburtstag. Und ich würde gerne etwas mit ihm unternehmen, allerdings kommt er mit Sicherheit nicht vor Mitternacht heim!“

„Sie wollen, dass ich den Termin absage?“ Mark sah sie skeptisch an, er hatte Wochen gebraucht um diesen Termin zu bekommen und es würde wieder Wochen dauern bis er einen neuen hätte.

„Nein! Natürlich nicht! Wenn es ihnen passt kann der Termin gleich am neunundzwanzigsten nachgeholt werden!“ Er öffnete seinen Terminplaner und sah seine Termine durch. Dann nickt er langsam.

„Okay, das geht!“ Erleichtert atmet Jessie auf. Sie hatte sich das Gespräch schwieriger vorgestellt. Rasch schob sie eine Visitenkarte über den Tisch.

„Das ist die Nummer von Setos Sekretärin! Es soll eine Überraschung werden!“

„Ich werde nichts verraten!“ versprach er und lächelte sie an. Die Tür in Jessies Rücken flog auf, als sie sich gerade erneut die Hand schüttelten. Herein kam ein klatschnasser Securitymann mit grünem Wackelpudding auf dem Hemd. Mark Preston begann zu lachen.

„Das…das waren sie?“ Brachte er glucksend hervor. Jessie nickte schuldbewusst.

„Lars bringen sie meinen Gast bitte hinaus und dann besorgen sie mir diese Überwachungsbänder. Ich will mir ihre Verfolgungsjagd ansehen!“ Jessie folgte dem leicht erröteten Mann zur Tür hinaus.

„Es tut mir wirklich leid!“ Lars seufzte.

„Anscheinend ist der alte Mann ihnen nicht wirklich böse! Und ich muss gestehen, sie waren echt eine ernstzunehmende Gegnerin!“

• Party

o Einkaufen für

 Schokoladentorte

 Kuchen

 Abendessen: Lasagne

 Knabberkram

 Partydeko

o Gästeliste:

 Mokuba, Jessie

 Joey

 Marianne und Charlie

 Roland und Familie

 André Berg

Setos Geburtstag

Kapitel 37: Setos Geburtstag
 

Jessie war kurz nach sieben Uhr wach. Vorsichtig um Seto nicht aufzuwecken, drehte sich in seinen Armen und betrachtete sein entspanntes Gesicht, das verwuschelte Haar. Dann warf sie einen Blick auf den Wecker, den sie bereits am Abend zuvor ausgeschaltet hatte. Es wunderte sie, Seto nicht von alleine aufgewacht war. Normalerweise funktionierte seine innere Uhr sehr genau. Vielleicht lag es ja an ihrer Gesellschaft, sie hatte festgestellt, dass er neben ihr durchschlief, zumindest meistens. Aber es könnte genauso gut auch daran liegen, dass er erst kurz nach Mitternacht nach Hause gekommen war. Und bis er schließlich zu Jessie unter die Decke gekrochen kam war es schon drei Uhr in der Frühe gewesen. Sie wusste nicht was er so lange getrieben hatte, aber er schien ziemlich fertig gewesen zu sein. Sanft strich Jessie ihm über das braune Haar und stand dann auf. Da war noch das ein oder andere, das es vorzubereiten galt. Sie gähnte. Am liebsten würde sie ja neben Seto liegen bleiben und bis in die Puppen weiterschlafen. Aber dann gäbe es kein Frühstück, keine Geburtstagsparty und vor allem auch keinen Kuchen. Und wenn sie in den letzten Wochen etwas gelernt hatte, dann dass Seto Süßes liebte. Also trauerte sie nicht lange dem Bett nach, sondern machte sich an die Arbeit. Mokuba hatte bei Joey übernachtet, und das aus zwei Gründen. Erstens damit er seinen Bruder nicht unbeabsichtigt aufweckte, wenn er zur Schule musste, und zweitens wollte er nicht unbedingt dabei sein, wenn Seto erfuhr, dass Jessie kurzer Hand einfach mal seine Termine verlegt oder abgesagt hatte. Auf jeden Fall bewirkte es, dass Jessie alle Ruhe der Welt hatte, denn Seto schien ausnahmsweise seine Zeit mal zum Schlafen zu nutzen.

Viertel nach neun störte allerdings das Läuten der Türklingel die Stille. Verwundert wischte Jessie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und öffnete. Der Mann auf der anderen Türseite war blond und trug eine schwarze Uniform mit dem Logo der Parkers GmbH. Fragend zog Jessie die Brauen ein wenig zusammen.

„Lars, oder?“ Er nickte, also war es tatsächlich der Sicherheitsmann mit dem sie sich eine Verfolgungsjagd durch die Firma von Setos Geschäftspartner geleistet hatte.

„Mr. Parker hat mich geschickt um ihrem Freund dies zu bringen!“ Er zog ein kleines flaches Päckchen aus seiner Jackentasche und gab es ihr. Dann wandte er sich zum Gehen, drehte sich allerdings noch einmal um.

„Und ihnen soll ich schöne Grüße ausrichten!“ Damit ging er zum Aufzug, Jessie lief ihm nach.

„Haben sie wegen mir Probleme bekommen?“

„Mr. Parker hat Humor, ich darf mir lediglich seine Späße anhören!“ Seufzte er leicht.

„Es tut mir leid!“ Jessie sah ihn ehrlich an. Seine blaugrauen Augen blickten sich freundlich an.

„Das glaube ich ihnen nicht! Sie lieben ihren Freund sehr! Sie würden alles für ihn tun. Das ist schön!“ Und damit ging er, ließ eine verdutzte Jessie zurück. Langsam ging sie zurück in die Wohnung und legte das Päckchen auf den Küchentisch. Kaum hatte sie sich wieder der fast fertigen Torte zugewandt.

„Warum hast du mich nicht geweckt?“ Sie zuckte zusammen und drehte sich langsam um. Seto stand im Türrahmen, in dem T-Shirt und den Boxershorts in denen er geschlafen hatte. Allerdings wirkte er alles andere als verschlafen, eher wütend. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt, die Augen hatte er zusammengekniffen und sie waren dunkel vor Zorn.

„Ich habe dich nicht geweckt, weil du Geburtstag hast!“ Er schnaubte, drehte sich um und ging Richtung seines Zimmers.

„Toll! Ich kann meine Arbeit nicht einfach liegen lassen nur weil ich Geburtstag habe! Das ist sowas von überflüssig! Ich habe Termine, die ich einhalten muss und außerdem…!“ Jessie hielt ihn am Arm fest.

„Seto das ist doch Quatsch! Dein Geburtstag ist doch nicht überflüssig!“

„Ich muss arbeiten!“ Erklärte er hart und wollte ihr seinen Arm entziehen, doch Jessie hielt ihn fest.

„Nein musst du nicht! Ich habe deine Termine verlegen lassen!“

„Du hast was?“ Entgeistert starrte er sie an.

„Ich habe deine Termine verlegen lassen!“ Jessie war ein wenig kleinlaut. Hatte sie etwas falsch gemacht?

„Sag mal spinnst du?!“ fauchte er.

„Du kannst doch nicht einfach meine Termine absogen!“ In seinem Gesicht stand mehr Unverständnis, als Wut. Jetzt wusste Jessie warum Moki bei Joey übernachtet hatte.

„Verlegt! Ich habe sie nur verlegen lassen!“ Verteidigte Jessie sich.

„Klar doch, als ob Parker dem zugestimmt hätte! Verdammt Jessica! Der Termin war wichtig!“ Jetzt sah sie ihm direkt in die Augen.

„Dir geht es nur um diesen einen Termin? Den mit Parker?“ Er schien nachzudenken, dann nickte er langsam.

„Ja!“ Jessie griff um seinen Arm lockerte sich.

„Der Termin ist am Montag um vierzehn Uhr!“ Seto wirkte als würde er ihr nicht glauben. Jessie zog ihn zum Küchentisch und nahm das Päckchen, das Lars gebracht hatte.

„Hier das ist von Parker!“ Bedächtig packte Seto es auf und nahm den Zettel der zusammen mit einer DVD darin lag.
 

Ihre Freundin ist außergewöhnlich!

Genießen sie ihren Geburtstag!

Parker
 

Verwirrt sieht er Jessie an.

„Was hast du gemacht?“ Sie weicht seinem Blick aus, ah auf die DVD. Die war unbeschriftet und anscheinend selbst bespielt.

„Ich war bei Parker! Am Telefon wollte er nicht verlegen, also musste ich persönlich mit ihm reden!“ Statt einer Antwort nahm Seto die DVD und schob sie in den Fernseher. Jessie folgte ihm. Kaum waren die ersten Sekunden gelaufen, schlug sie die Hände vor die Augen. Sie war knallrot. Parker hatte Seto die Überwachungsvideos geschickt. Vorsichtig linste sie durch ihre Finger. Seto saß mit leicht geöffneten Mund und großen Augen auf der Couch. Und dann fing er plötzlich an zu lachen. Unsicher rutschte Jessie neben ihm auf dem Polster herum.

„Jessica…“ begann Seto, sobald der Film fertig war, wurde er von einem Lachflash unterbrochen. Keuchend und erschöpft blickte er sie an, als er sich wieder beruhigt hatte.

„Ich geh wieder ins Bett!“ Er stand auf, Jessie legte ihm eine Hand auf den Arm.

„Bist du mir sehr böse?“ Lange sah er sie an, dann schüttelte er langsam den Kopf.

„Nein, bin ich nicht! Aber ich finde es nicht so toll, dass du ohne zu fragen meine Termine verlegt hast!“ Schuldbewusst senkte Jessie den Blick.

„Es ist dein Geburtstag! Hättest du ihn wirklich lieber in der Firma verbracht?“ Seto schwieg, Jessies Herz wurde schwer. Hätte er den Tag wirklich lieber mit Arbeit verbracht? Sie nahm ihre Hand von seinem Arm und wandte sich ab. Sie hatte sich solche Mühe gemacht. Umsonst. Und das wo er noch nicht einmal wusste, dass er auch die nächsten drei Tage frei hatte. Von hinten wurde sie fest in Setos Arme gezogen.

„Woher soll ich wissen, was sich lieber mache, wenn ich keinen Vergleich habe?“ Jessie blickte über die Schulter zu ihm auf. Fragend.

„Wie du hast keinen Vergleich?“

„Ganz einfach! Bisher habe ich an meinem Geburtstag immer gearbeitet!“ erklärte er leise. Jessie seufzte.

„Ab heute ändern wir das! Es ist jetzt halb zehn. Du hast die Wahl! Entweder du gehst nochmal ins Bett und ich bringe dir später das Frühstück. Oder es gibt gleich das Frühstück!“ Kurz überlegte er, dann gähnte er.

„Ich gehe noch mal ins Bett, es war letzte Nacht doch ziemlich spät.“ Er ließ Jessie los, sodass sie sich zu ihm umdrehen konnte.

„Was guckst du denn so?“ Sein Gesichtsausdruck war sehr ähnlich dem, den Moki immer machte, wenn er etwas wollte. Ein klassischer Dackelblick.

„Sag schon, was du von mir willst!“ Er senkte den Blick verschränkte seine Finger miteinander, löste sie wieder und fuhr sich über die Augen. Was war denn jetzt los? Da stand doch tatsächlich Seto und benahm sich wie ein kleines Kind, das unbedingt etwas haben wollte, sich aber nicht zu fragen traute. Und Jessie fand ihn unglaublich süß.

„Das ist nicht so wichtig!“ murmelte er leise. Jessie verdrehte die Augen.

„Geht es um den Kuchen? Die Party? Das Essen? Die Geschenke?“ Sie hatte genau gesehen, wann sein Kopf hoch geruckt war und seine Augen aufgeleuchtet hatten.

„Du bist mir schon einer! Denkst nur an die Geschenke!“ Verwirrt sah er sie an, legte den Kopf schief.

„Geschenke? Mehrere?“ Jessie lachte auf.

„Klar, mehrere!“ Sie sah wie es in seinem Kopf ratterte. Seine Augen waren leicht verengt, sein Blick nicht wirklich auf sie gerichtet.

„Muss die Party wirklich sein?“ Fragte er schließlich vorsichtig.

„Deine Freunde wollen dir doch auch gratulieren!“

„Wer kommt?“ wollte er schließlich wissen. Resigniert.

„Roland mit seiner Familie, Marianne und Charlie, Joey, André, dein Bruder natürlich und ich. Sie kommen um sechs zum Abendessen.“ Erklärte Jessie leise und seufzte dann.

„Nächstes Jahr frage ich dich vorher!“ Doch zu ihrer Überraschung schüttelte er den Kopf.

„Dann finde ich bloß einen Weg das Ganze zu umgehen! Ist schon in Ordnung so wie es ist!“

Und solange es Geschenke gibt…“ Er grinste sie an und streckte sich, Jessie verdrehte die Augen.

„Schon klar!“ Er wich ihrer Hand aus mit der sie ihm einen Klaps auf den Hintern geben wollte du verschwand Richtung Schlafzimmer. Jessie schüttelte den Kopf und ging zurück in die Küche. Alles in allem hatte er es ja doch ganz gut aufgenommen.

Zwei Stunden später fand Jessie es wurde dann doch mal Zeit Seto aus dem Bett zu werfen. Also stellte sie alles was man für ein Frühstück im Bett brauchte auf ein Tablett. Einen Teller mit Obst, ein Glas Saft, eine Tasse Kaffee und ein großes Stück Geburtstagskuchen. Mühsam drückte sie die Türklinke mit dem Ellenbogen herunter und stolperte eher durch die Tür, als dass sie ging. Seto saß im Schneidersitz auf dem Bett und sah sie überrascht an, dann wurde sein Blick schuldbewusst und er griff nach der Fernbedienung neben sich. Vorsichtig stellte Jessie das Tablett auf dem Nachttisch ab und wandte sich ihm zu.

„Was schaust du dir denn an?“ Dann entdeckte sie den Kontroller in seinem Schoß und den Blick neben ihm. Darauf hatte er in seiner gleichmäßigen Schrift Stichpunkte notiert.

„Naja, also… um genau zu sein…“ Warum wurde er jetzt so rot? Jessie nahm den Blick und überflog ihn kurz. Das sah genauso aus wie wenn Mokuba mal wieder ein Spiel für seinen Bruder testete. Normalerweise hatte er keine Zeit dafür. Jetzt nahm er ihr mit einer unsicheren Bewegung den Blick aus der Hand.

„Das ist Arbeit!“ Seufzte er leise. Jessie zog die Augenbraue in die Höhe.

„Du hast also keinen Spaß daran die Spiele zu testen?“

„Doch, natürlich! Aber meistens fehlt mir die Zeit!“ Jessie machte es sich neben ihm auf dem Bett bequem.

„Hast du auch einen Kontroller für mich?“ Seine blauen Augen begannen zu leuchten und er beugte sich zum Nachttisch.

„Hier, aber beschwer dich nicht, wenn du verlierst!“ Er hielt ihr den Kontroller hin und lächelte sie jungenhaft an. Jessie schnaubte.

„Denkst du! Dein Bruder hat mir schon so einiges gezeigt. Und so schlecht bin ich wirklich nicht!“

War sie doch. Zumindest im Bergleich mit Seto. Während er ein Level nach dem anderen durchspielte, hatte bei ihr schon mindestens zwölf Mal `Game over´auf dem Bildschirm aufgeleuchtet. Inzwischen war es halb vier. Sie hatten bereits den halben Geburtstagskuchen verputzt und eine Kanne Kaffee getrunken. Seto lag lang ausgestreckt auf dem Bett noch immer in den Schlafsachen, den Kopf auf Jessies Oberschenkel abgelegt.

„Ich gebs auf!“ Seufzte Jessie und legte den Kontroller zur Seite.

„Du bist einfach zu gut!“ Er grinste sie fröhlich an und wirkte so jung wie selten.

„Sollte auch so sein, oder? Immerhin habe ich das Spiel entwickelt!“ Sie schnaubt nur leise und streichelte ihm sanft übers Haar. Er drehte den Kopf ein wenig, so dass er ihr in die Augen schauen konnte.

„Danke!“ Ein einfaches kleines Wort und doch bedeutete es so viel. Jessie beugte sich zu ihm hinab und küsste ihn federleicht auf die Lippen.

„Wir können das bei Gelegenheit gerne mal wiederholen!“ Er nickte und rollte sich dann auf den Bauch.

„Eigentlich sollte ich ja mal aufstehen und etwas anderes anziehen!“ Das brummelte er mehr in sein Kissen. Jessie lachte leise.

„Vielleicht. Aber du kannst die Gäste auch gerne so begrüßen!“ Gespielt böse funkelte er sie an und richtete sich dann doch auf.

„Klar doch! Ich gehe duschen!“ Jessie sah ihm zu wie er sich streckte und sich dann durch das wirre Haar fuhr.

„Tu das! Und ich fang mal mit dem Abendessen an, dass wir dann um sechs essen können!“ Er verdrehte die Augen und verschwand ins Bad.
 

„Das riecht gut!“ Starke Arme schlangen sich von hinten um Jessies Hüften.

„Du warst aber ganz schon schnell beim Duschen!“

„Ich war gar nicht.“ Fragend drehte Jessie sich zu ihm. Er trug Shorts und ein dunkelgraues Sportshirt. Aber immerhin hatte er sich gekämmt.

„Was hast du denn vor?“

„Ich geh eine Runde laufen!“ Er küsste sie auf die Wange.

„Bis später!“ Jessie sah ihm nach.

„Sei pünktlich zum Essen wieder da!“

Das Geschenk

Kapitel 38: Das Geschenk
 

Natürlich waren die ersten Gäste vor Seto da. Zehn vor sechs stand Joey mit Mokuba vor der Tür.

„Wo steckt Seto?“ fragte Mokuba sofort, als Jessie die Tür öffnete.

„Er wollte laufen gehen und eigentlich sollte er schon längst wieder da sein!“ Moki zuckte mit den Achseln.

„Wenn Seto laufen geht, dann um seinen Kopf leer zu bekommen! Dann läuft er bis zur totalen Erschöpfung. Er sagt immer, bis er keine Kraft mehr zum Denken habe!“ Plötzlich sah Moi unheimlich ernst drein.

„Hast du ihm schon vom Wochenende erzählt?“ Jessie schüttelte den Kopf und trat zur Seite um die beiden herein zu lassen.

„Ich weiß nicht wie Seto darauf reagieren wird!“ murmelte sie.

„Worauf soll ich reagieren?“ Erschrocken wirbelte Jessie herum. Im Hausflur stand Seto. Er stand leicht vornüber gebeugt, die Hände auf den Knien abgestützt. Das braune Haar wirkte fast schwarz und klebte in seinem Gesicht. Sein T-Shirt war schweißnass.

„Wo kommst du denn auf einmal her?“ Fragte Jessie, denn den Aufzug hätte sie mit Sicherheit gehört.

„Treppe!“ schnaufte er und richtete sich mit den Händen in die Seite gestützt langsam auf.

„Ich hole dir etwas zu trinken!“ Seto folgte Jessie in die Küche und nahm dankbar die Wasserflasche entgegen, die sie ihm hinhielt. Erst als er sie zur Hälfte geleert hatte, fixierten seine blauen Augen sie.

„Also worauf soll ich reagieren?“ Sie hätte sich ja denken können, dass er das Thema nicht so einfach fallen ließ.

„Das wirst du sehen, wenn es so weit ist!“ Er hielt sie fest, als sie sich wegdrehen wollte.

„Komm schon Jessie, worum geht es?“ Süß lächelte sie ihn an, wenn er es so wollte.

„Um dein Geschenk, was glaubst du denn?“ Sie sah wie ein Funken in seinen Augen aufleuchtete.

„Aber du bekommst es erst, wenn du geduscht hast!“ Entrüstet sah er sie an.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du lässt mich schon seit dem Frühstück warten!“ Jessie legte den Kopf schief.

„Man sagt doch Vorfreude ist die schönste Freude! Also genieße es!“ Und dann passierte etwas seltsames, Seto schob die Unterlippe etwas nach vorne und sah sie schmollend an.

„Natürlich! Erst soll ich duschen, dann kommen die Gäste, es gibt essen und wenn ich Glück habe bekomme ich dann vielleicht meine Geschenke! Weißt du wie deprimierend das ist?“ Plötzlich wurden seine Augen unheimlich traurig.

„Vielleicht…“ Wartend sah Jessie ihn an, was war denn jetzt los?

„Vielleicht bekomme ich überhaupt kein Geschenk und ihr verarscht mich nur!“ Erschrocken wich sie einen Schritt zurück.

„Wie kommst du denn darauf?“ Er sah ihr nicht ins Gesicht.

„Ich habe nie von jemandem etwas bekommen außer von Mokuba!“ Jetzt tat es ihr unheimlich leid, dass sie es so lange heraus gezögert hatte, aber sie traute sich nicht es ihm alleine zu sagen.

„Seto, du bekommst wirklich ein Geschenk! Es ist nur so, dass es nicht von mir alleine ist, beziehungsweise mit den Geschenken der anderen zusammenhängt und deswegen wollte ich es dir nicht alleine übergeben! Aber wenn ich dich damit verletze… ich gehe es holen!“ Bevor sie allerdings loslaufen konnte, hielt er sie wieder am Arm fest.

„Warte! Ich glaube dir! Ich geh duschen und du gibst es mir dann, wenn alle da sind!“ Er lächelte und küsste sie zärtlich auf die Lippen.

„Ich hoffe das Ganze ist die Warterei wert!“ Sie stupste ihn auf die Nase.

„Wenn du nicht bald duschen gehst, dauert das mit dem Geschenk noch länger!“ Die ernste Stimmung war verflogen.

„Ich geh ja schon!“ Sie lachte, Joey betrat die Küche.

„Ihr seid echt ein süßes Paar!“ Jessie verdrehte die Augen und nahm einen Stapel Teller aus dem Schrank.

„Danke!“ Joey nahm ihr die Teller ab und ging damit zum Tisch.

„Das meine ich ernst!“ Er grinste.

„Zumindest für Setos Verhältnisse!“ In einvernehmlichem Schweigen deckten sie den Tisch.

„Du Jessie?“ Moki kam angestürmt und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Die Ellbogen auf den Tisch gestützt sah er Jessie neugierig an.

„Ja was gibt’s?“

„Was haben du und Seto heute alles getrieben?“ Jessie und Joey wechselten einen entsetzten Blick. War das gerade eine Anspielung gewesen, oder nur eine Unglückliche Wortwahl? Allerdings so wie der Junge dreinblickte…

„Ähm…Moki…ich denke du solltest dich nicht so in Jessies und Setos nachmittäglichen Aktivitäten…!“ Versuchte Joey dem Jungen eine nichts sagende Antwort zu geben.

„Konsolenspiele!“ Jessie grinste, als Seto sie von hinten umarmte.

„Was ihr wart hier ganz alleine und habt nur Spiele, statt…“ Joey hielt ihm den Mund zu und erstickte was auch immer der Junge gerade sagen wollte.

„Mokuba Kaiba! Was dein Bruder und seine Freundin während ihrer gemeinsamen Zeit tun und lassen geht dich keinen Deut etwas an!“ zischte er ihm ins Ohr und bevor sie dieses zweideutige Gespräch fortführen konnten klingelt es an der Tür.
 

Bald war die ganze Gesellschaft zusammen und saß zusammen am Küchentisch. Die Lasagne war gegessen, der Geburtstagskuchen angeschnitten, ein Ständchen gesungen.

„Also Seto…“ Jessie war aufgestanden um eine Tüte zu holen und sah jetzt ihren Freund ein wenig unsicher an.

„…jetzt darfst du auspacken!“ Zuerst stand Marianne auf und reichte ihm eine Papierrolle. Seto nahm sie entgegen, zog die Schleife ab und rollte sie auf. Ohne Kommentar las er. Alle sahen ihn abwartend an. Angespannt.

„Jetzt weiß ich, warum du nicht wusstest wie ich darauf reagiere!“ Erklärte er schließlich leise und sah Jessie in. Diese erwiderte seinen Blick.

„Und wie reagierst du?“ Er lächelte plötzlich.

„Ihr seid verrückt! Was soll ich mit drei freien Tagen anfangen?“ Alle atmeten erleichtert auf.

„Da bin ich dran!“ Jessie reichte ihm einen Briefumschlag. Er öffnete ihn ohne zu zögern.

„Flugtickets nach London? Und eine Hotelreservierung?“ Unter dem Tisch suchte seine Hand nach Jessies, diese drückte seine leicht.

„Wir machen einen Kurzurlaub!“ André reichte ihm ein Päckchen. Darin war ein Stadtführer.

„Damit ihr wisst, was ihr anschauen könnt!“ Bedächtig strich Seto über den Buchrücken.

„Danke.“

„Hey, wir sind noch nicht fertig!“ Erklärte Roland und zückte einen weiteren Umschlag.

„Der Höhepunkt fehlt doch noch!“ Verwirrt sah Seto zu Jessie, diese nickte ihm aufmunternd zu.

„Mach schon auf!“ Er gehorchte und erstarrte. Starrte mit großen Augen auf die Karten in seiner Hand.

„Konzertkarten…ich…woher…?“ Seto war sprachlos.

„Ein Klavierkonzert!“ Erklärte Roland und sah seinen Chef ernst an.

„Ich weiß, dass du den Flügel kaum noch anrührst, aber du hörst unglaublich gerne zu, wenn andere spielen, also dachten wir…!“ Noch immer brachte Seto kein Wort hervor, starrte auf die Karten in seiner Hand. Jessie stupste Mokuba an, der neben ihr saß.

„Na los, du bist dran!“ Der Junge schnaubte leise.

„Ist es nicht Geschenk genug, dass ich euch zwei alleine fahren lasse?“ Das weckte Seto aus seiner Starre und er grinste. Moki lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl zurück.

„Außerdem ist Joey dran!“ Der blonde junge Mann gab Seto ein weiteres Päckchen und dieser packte es bedächtig aus und hielt dann eine kleine hochmoderne Kamera in der Hand.

„Das ist eines der neusten Modelle, damit ihr Erinnerungsfotos machen könnt!“ Jetzt stellte Moki ein Foto auf den Tisch. Es zeigte Seto und Jessie eng aneinander gekuschelt auf der Couch. Sie schliefen tief und fest. Wann der Junge das wohl gemacht hatte. Seto sah in die Runde.

„Danke, ich…danke!“
 

Kurz vor Mitternacht lagen Jessie und Seto im Bett und sahen einander im schwachen Licht des Mondes in die Augen. Der Abend war noch lustig und fröhlich abgelaufen und Seto war richtig entspannt und glücklich.

„Freust du dich?“ fragte Jessie leise. Er streckte die Hand aus und strich ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Ja! Ja, das tue ich. Danke!“ Sie küsste ihn zärtlich.

„Bitte!“ Dann schwiegen sie wieder. Bis Seto das Wort ergriff.

„Du Jessie, ich habe ein Haus gefunden. Es muss noch eingerichtet werden und so, aber es ist wirklich schön!“ Sie lächelte.

„Das freut mich!“ Wieder war es still. Bis…

„Ziehst du mit mir in dieses Haus?“ Überrascht setzte Jessie sich auf.

„Was?“ Seto rückte ein Stück von ihr ab, setzte sich ebenfalls auf.

„Ich… Du musst nicht wenn du nicht willst, ich dachte nur… ich möchte dich immer in meiner Nähe haben! Aber wenn du…!“ Sie zog ihn in ihre Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Schließlich ließ sie keuchend von ihm ab.

„Natürlich will ich!“ Glücklich schlang er die Arme um sie.

„Lass es uns gleich morgen noch vor unserem Flug anschauen!“ Er ließ ihr nicht einmal die Chance zu antworten schon hatte er sie auf dem Rücken gedreht, lag über ihr und küsste sie stürmisch.

Warum nicht rosa?

Kapitel 39: Warum nicht rosa?
 

„Und?“ Seto sah Jessie aufmerksam an.

„Was sagst du?“ Sie standen nebeneinander im zukünftigen Schlafzimmer. Seto hatte die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben und wartete unsicher auf Jessies Reaktion. Er hatte sich beim ersten Anblick in das Haus mit der Gelben Fassade und dem großen Garten verliebt. Dabei war keines der Zimmer bezugsbereit, überall lag Schutt und zeugte von plötzlich unterbrochenen Arbeiten. Trotzdem hatte er es aus einer Laune heraus gekauft. Für einen Spottpreis, sicher. Aber er hatte weder Mokuba noch Jessica vorher gefragt. Und die beiden sollten ja schließlich auch mit einziehen. Jetzt wartete er auf Jessies Urteil. Vielleicht hätten sie doch erst nach ihrem Kurzurlaub herkommen sollen…

„Ich kann es auch wieder verkaufen!“ murmelte er resigniert, als ihr Schweigen sich in die Länge zog. Er ließ den Kopf hängen und wandte sich ab.

„Mir gefällt die Raumaufteilung und es ist alles sehr hell und wenn das alles fertig ist, ist es bestimmt wunderschön! Aber das sieht nach einer Menge Arbeit aus!“ Jessie trat an die große Fensterfront und sah hinaus in den Garten. Man konnte wirklich etwas aus dem etwas heruntergekommenen Gebäude machen.

„Ich…ich hab mich schon informiert. Im Grunde ist das Haus saniert. Es sind alle Leitungen gelegt und die entsprechenden Anschlüsse vorhanden. Es müssten lediglich die Wände neu verputzt werden und ein Boden gelegt werden. Und dann natürlich die Einrichtung, aber wenn dir das zu viel ist… dann engagieren wir einen Innenarchitekten und…“ Jessie ging schnellen Schrittes auf ihn zu und küsste ihn einfach.

„Jetzt mach mal langsam! Also auf den Innenarchitekten kann ich verzichten!“ Sie sah wie er erleichtert aufatmete

„Aber wenn sich jemand anders ums verputzen kümmert hätte ich nichts dagegen. Aber einrichten sollten wir es selbst! Und das streichen auch!“ Jetzt legte Seto den Kopf schief.

„Warum sollten wir selbst streichen?“ Jessie verdrehte die Augen.

„Weil es Spaß macht natürlich! Und jetzt komm, sonst verpassen wir noch unseren Flug!“ Jessie zog ihn wieder die Treppe hinunter und hinaus auf die kiesbestreute Auffahrt wo Roland mit dem Wagen wartete.

„Welche Farbe würde am besten zu den Kinderzimmern passen?“ Wieder verdrehte Jessie die Augen und schob Seto auf die Rückbank.

„Jetzt mach mal langsam! Damit können wir doch noch etwas warten!“ Ihr gefiel zwar wie begeistert Seto war, aber das Thema Kinderzimmer…klar wollte sie Kinder…irgendwann.

„Warum können wir damit noch warten?“ Fragte Seto verdutzt.

„Also erstens: Seto ich bin gerade mal neunzehn. Und ich möchte zumindest eine Ausbildung machen bevor ich Kinder bekomme! Und zweitens: Was ist, wenn du jetzt das eine Zimmer blau streichst für einen Jungen und das andere rosa für ein Mädchen und dann bekommen wir lauter Jungs? Und dann war die ganze Arbeit umsonst, oder sie wachsen in einem rosa Zimmer auf!“ Jetzt runzelte er die Stirn und brummte leise.

„Mmh, vielleicht ist es besser, wenn wir die erst später einrichten, aber du musst mir versprechen, dass es kein rosa Kinderzimmer gibt!“ Er erschauerte.

„Dann eben pink, so richtig schön Prinzessinnen like!“ lachte Jessie.

„Vergiss es!“ Seto verschränkte empört die Arme.

„Ich werde kein Kinderzimmer rosa, pink, rosé oder etwas ähnliches streichen!“ erklärte er entschieden. Aber Jessie fand es viel zu lustig und musste ihn einfach weiter ärgern.

„Ach komm schon Seto, was ist denn dabei ein Zimmer rosa, pink oder rosé zu streichen?“ Vor Entsetzen riss er die Augen weit auf.

„Was denn dabei ist…ich…Himmel…Roland sag was dazu!“ Roland sah nur in den Rückspiegel und grinste.

„Jessie hat recht! Was ist schon dabei eine Wand rosa zu streichen?“ Geplättet sank Seto tiefer in die Polster der Rückbank.

„Du hättest Majas Zimmer rosa gestrichen?“ fragte er schockiert.

„Ja, wenn sie mich darum gebeten hätte!“ erklärte Roland.

„Du wirst lernen, dass große Kinderaugen sehr überzeugend wirken können!“ Resigniert wendete Seto sich Jessie zu.

„Das ist nicht zu verhandeln?“ Sie legte den Kopf leicht schief, als würde sie nachdenken. Dabei musste sie sich auf die Zunge beißen um nicht loszulachen. Natürlich würde sie das Kinderzimmer nicht rosa streichen, schon allein deswegen nicht, weil Seto anscheinend etwas dagegen hatte. Aber sein Entsetzten bot einfach zu viel Angriffsfläche ihn zu necken, da konnte sie einfach nicht widerstehen.

„Was ist dein Gegenangebot?“ fragte sie also.

„Weiß und Flieder!“ antwortete er sofort. Jessie nickte langsam, dass sähe bestimmt hübsch aus.

„Okay, aber dann streichen wir unser Schlafzimmer pink!“ Setos Gesichtszüge entgleisten. Er wurde von einer Sekunde auf die andere blass und seine Augen spiegelten blankes Entsetzten.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“ flüsterte er leicht verzweifelt. Jetzt konnte Jessie nicht mehr und lachte bis ihr die Tränen kamen.

„Du hättest deinen Gesichtsausdruck sehen sollen!“ prustete sie.

„Unbezahlbar!“ Beleidigt verschränkte Seto die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster.

„Das war fies!“ grummelte er. Jessie wuschelte ihm durchs Haar, obwohl sie immer noch kicherte und auch Roland grinste bis über beide Ohren. Er erlebte es selten, dass sein Chef so auf den Arm genommen wurde.

„Ach komm schon Seto, nicht schmollen! Das war doch lustig!“ Er hielt seine Haltung bei.

„Für dich vielleicht!“ Jessie seufzte leise, aber eigentlich hatte er ja recht.

„Lächelst du wieder, wenn ich dir verspreche, dass wir keines der Zimmer rosa, pink, rosé oder einen in einem ähnlichen Ton streichen?“ Keine Reaktion.

„Obwohl du echt süß bist, wenn du schmollst! Wie ein kleiner Junge!“ Jetzt drehte er sich doch zu ihr um.

„Ich bin kein kleiner Junge!“

„Nein…das bist du nicht!“ Seine blauen Augen leuchteten, eine Strähne seines braunen Haares hing ihm ins Gesicht. Jessie strich sie ihm aus der Stirn.

„Du bist mein großer liebenswerter Seto!“

„Dein Seto?“ Er zog die rechte Augenbraue hoch. Jessie nahm seine Hand.

„Ja mein Seto! Und so schnell lass ich dich auch nicht wieder gehen!“ Jetzt lächelte er wieder und küsste sie sanft. Irgendwann räusperte sich Roland.

„Ich unterbreche euch zwei Süßen ja nur ungerne, aber wir sind da!“ Jessie löste sich von Seto und sah aus dem Fenster. Roland hatte den Wagen direkt vor dem Eingang des Flughafens geparkt und war schon dabei das Gepäck auszupacken. Sie drehte sich zu Seto und grinste ihn an.

„Los komm! London wartet auf uns!“

London und Vergangenheit

Kapitel 40: London und Vergangenheit
 

Jessie sah aus dem Fenster auf die dichte Wolkendecke unter ihnen. Es war das erste Mal im Leben, dass sie flog. Und es hatte etwas faszinierendes. Die Sonne strahlte und das weiß der Wolken leuchtete. Es war einfach atemberaubend. Zumindest für sie, schon seit das Flugzeug die Wolkendecke durchbrochen hatte sah sie aus dem Fenster auf die Welt unter ihr.

Seto dagegen war in ein Buch vertieft, das er mitgenommen hatte! Er hatte nur geschmunzelt, aber er kannte die Szenerie wahrscheinlich schon zur Genüge, sodass er den Ausblick nicht mehr als etwas Besonderes ansah. Allerdings war gerade die Durchsage gekommen, dass sie bald London erreichen würden und die Passagiere sich zu ihren Sitzen begeben und anschnallen sollen. Und das Flugzeug verlor spürbar an Höhe. Jessie griff nach Setos Hand, der sah von dem Reiseführer auf, den er von André bekommen hatte, und in ihre Augen.

„Was ist?“

„Wir sind bald da!“ freudestrahlend sah sie ihn an.

„Ähm, ja und?“ verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf schief. Was rutschte Jessie jetzt so auf ihrem Sitzt herum?

„Bist du gar nicht aufgeregt?“ fragte sie und wurde noch hibbeliger.

„Warum sollte ich aufgeregt sein?“ Er schloss sein Buch, auch wenn es noch etwas bis zur Landung war würde er kaum noch zum Lesen kommen. Nicht wenn er Jessie so betrachtete.

„Jessica im Gegensatz zu dir bin ich bestimmt schon hunderte Mal geflogen und ich war auch schon mehrfach in London!“

„Aber nur zu Geschäften!“ Sie sah ihn ungeduldig an und Seto verstand einfach nicht, was sie von ihm wollte.

„Na und?“ Sie verdrehte die Augen und sah wieder aus dem Fenster. Inzwischen hatten sie die Wolkendecke wieder durchbrochen und die Welt unter ihnen erschien nicht mehr ganz so winzig.

„Vergiss es! Du weißt doch überhaupt nicht was ich meine! Du warst bestimmt nie so aufgeregt, als du in deinen ersten Auslandsurlaub geflogen bist!“

„Natürlich nicht!“ Er schmunzelte.

„Da war ich kaum ein Jahr alt!“ Jetzt lachte Jessie und warf ihre blonden Haare in den Nacken.

„Aha! Na dann!“
 

Am Flughafen erwartete sie bereits eine schwarze Limousine und ein Fahrer in einer grünen Uniform mit einem Schild auf dem groß der Name Brown stand.

„Guten Abend Miss, Mister!“ Er öffnete die Tür zum Fahrgastraum und verlud dann das Gepäck. Dann stieg er selbst ein und der Wagen setzte sich geschmeidig in Bewegung und fädelte sich in den dichten Verkehr ein. An den verdunkelten Scheiben zog die Stadt vorbei. Jessie hatte Setos Hand auf ihren Schoß gezogen und strahlte von einem Ohr zum anderen.

„Wow! Ich bin wirklich in London!“ flüsterte sie überwältigt.

„Es ist auch nur eine Stadt!“ gab Seto ruhig von sich und lächelte stumm, während er die ganze Zeit ihr Gesicht beobachtete.

„London ist nicht einfach nur eine Stadt! London existiert schon seit über einem Jahrtausend! Im ersten Jahrhundert nach Christus gründeten die Römer Londinum. Im elften Jahrhundert wurde sie zur Hauptstadt! George der Erste hat hier geherrscht, er war Deutscher aus dem Haus der Welfen in Hannover und hat nie Englisch gelernt, wie sein Sohn. Henry der achte hatte sechs Ehefrauen, aber seine sechste Frau Catherine Parr hatte selbst vier Ehemänner inklusive Henry! Und um den Tower ranken sich Geschichten wie, dass das Empire fällt, wenn die Raben den Tower verlassen. Deswegen halten die Londoner ein paar Raben in Käfigen! Und…“ Seto hörte ihr einfach nur zu bis sie das Hotel erreichten und lächelte stumm. Auch wenn London für ihn nichts Besonderes war, so war da doch Jessies Freude die sein Herz erwärmte und ihn glücklich machte. Mit Jessie würde dieses Wochenende etwas ganz besonderes werden! Etwas ganz besonderes!
 

Die Suite war groß. Seto sah sich aufmerksam um. Sicher sie war nicht so groß wie er es gewohnt war, aber er hatte das Hotel ja auch nicht gebucht. Das hatte Jessie gemacht. Und sie hatte eine gute Wahl getroffen. Es war zentrumsnah, das Personal zuvorkommend, der Service gut und die Zimmer sauber und gemütlich eingerichtet. Aber wenn er sich Jessie so ansah würden sie sowieso eher wenig Zeit hier verbringen, sie brannte schon regelrecht darauf endlich los zu ziehen und sich die Stadt anzusehen.

„Also was möchtest du dir als erstes ansehen?“ wartend sah er sie an.

„Aber das ist doch dein Geburtstagsgeschenk! Außerdem hast du doch den Reiseführer!“ erwiderte sie, er lachte leise.

„Du kannst mir nicht weiß machen, dass du nicht geschaut hast, was wir uns anschauen können! Du kannst ja schon fast die ganze Stadtgeschichte auswendig!“ Er hatte ja Recht!

„Trafalgar Square, St. Pauls, den Tower und die Tower Bridge. Buckingham Palace und Westminster Abbey. Und natürlich Big Ben!“ rasselte sie also herunter und wirkte dabei ertappt.

„Na wusste ichs doch! Also dann mal los, dann könne wir uns heute noch ein wenig umsehen und morgen und Sonntag machen wir dann eine schöne große Tour!“ Gemeinsam verließen sie das Hotel und stürzten sich in das Getümmel der Großstadt. Sie machten eine Stadtrundfahrt in einem roten Doppeldecker und Jessie kaufte Souvenirs und Postkarten. Beladen mit etlichen Tütchen und erschöpft erreichten sie am Abend wieder ihr Hotel, aßen gemütlich im Hoteleigenen Restaurant zu Abend und gingen dann zu Bett.
 

Sie lagen nebeneinander. Seto hatte einen Arm um Jessies Taille geschlungen und sie hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt. Es war still, nur ihrer beider Atem war zu hören.

„Jessica, bist du noch wach?“ fragte Seto schließlich vorsichtig.

„Ja!“ antwortete Jessie leise und schmiegte sich näher an seinen warmen Körper. Wieder war es still. Bis…

„Als Mum und Dad starben war ich acht, Mokuba erst zwei!“ Jessie wurde hellhörig, wie kam er jetzt plötzlich darauf.

„Seto?“ Ihre Stimme klang zaghaft. Er streichelte leicht über ihren Bauch.

„Hör mir einfach nur zu, ich möchte dir von meiner Vergangenheit erzählen!“ Vertrauen! Er vertraute ihr, sonst würde er niemals mit einem solchen Thema anfangen. Stumm nickte sie, er atmete tief durch.

„Ich weiß nicht, ob er sich noch an unsere Eltern erinnern kann, an die glückliche Zeit die wir damals hatten. Aber ich kann es. Ich kann mich erinnern! An die Ausflüge, das Lachen! Die Wärme! An jenem Abend, als Mum und Dad bei diesem Unfall ums Leben kamen, da ging mit ihnen auch die Wärme und ich fühlte mich alleine. Mokuba verstand nicht was passiert war. Unsere Verwandten interessierte es einen Scheiß was mit uns geschah. Sie wollten nur Mum und Dads Geld. Sobald sie das hatten, schoben sie uns ab. Wir kamen in ein Waisenhaus. Dort wollten sie uns trennen! Moki zu vermitteln war einfach, aber wir wollten uns nicht trennen lassen! Und mich wollte keiner! Moki war ein kleiner, süßer Junge…ich dagegen war…kompliziert. Ich war verschlossen, rechthaberisch, rebellierte gegen jegliche Autorität. Sie bezeichneten mich als Problemkind, versuchten mich zu brechen. Es war das erste Mal, dass man mich schlug. Wegen Kleinigkeiten. Einem falschen Wort, einer zerbrochener Vase… Sie schickten mich ohne Essen ins Bett, verprügelten mich!“ Er atmete tief durch. Jessie wagte nicht etwas zu sagen, sie wollte ihn nicht unterbrechen. Aber auch weil sie ihrer Stimme nicht traute. In ihren Augen brannten Tränen, ihr Herz war schwer. Wie konnte man einem kleinen Jungen nur so etwas antun? Wie konnte irgendjemand sich so herzlos einem Kind gegenüber verhalten?

„Wir waren fast zwei Jahre in diesem Waisenhaus, bis Gozaburo kam um der von ihm mit Spenden unterstützten Einrichtung einen Besuch abzustatten. Ich wollte einfach nur da weg! Und habe ihn zu diesem Schachspiel herausgefordert. Ich habe gewonnen, aber dafür habe ich einen hohen Preis bezahlt. Mokuba bekam alles was er wollte, ging auf die besten Schulen, aber ich habe meinen Bruder kaum zu Gesicht bekommen. Ich hatte mich an Gozaburo verkauft. Wortwörtlich. Er wollte mich zu seinem Nachfolger machen, genauso hart, genauso skrupellos. Meine Tage bestanden nur aus lernen. Ohne Pause. Wenn ich das geforderte Pensum nicht schaffte wurde er wütend. Schlug mich! Das war ich ja bereits gewöhnt, aber als ich nicht mehr schrie, mich nicht mehr wehrte. Da wurde er immer brutaler. Schlug mich mit der Peitsche. Roland hat mich danach gefunden und dann André gerufen. Die beiden sind die einzigen, die wissen, woher all die Narben kommen, was Gozaburo Kaiba mit seinem Adoptivsohn angestellt hat. Er hat sie mit ihren Familien zum Stillschweigen gepresst. Ich kann ihnen niemals dafür danken, sie haben so viel für mich getan!“ er verstummte. Seine zittrige Stimme verklang. Jessies Finger strichen tröstend über seine glatte Haut.

„Danke! Danke dass du es mir erzählt hast!“ flüsterte sie als sie sich ihrer eigenen Stimme wieder sicherer war. Mehr sagen wollte sie nicht. Seto wollte kein Mitleid, wenn er das wollte dann hätte er es bestimmt schon anderen erzählt, aber so wie es geklungen hatte wussten noch immer nur Roland und André Bescheid. Selbst Mokuba hatte keine Ahnung, dass wusste sie.

„Es war an der Zeit!“ Wieder lagen sie still nebeneinander. Eng aneinander geschmiegt, gaben sich gegenseitig Halt. Vertraut, vertrauter als zuvor. Seto hatte Jessie von seinen größten Dämonen erzählt und Jessie hatte ihn einfach so angenommen wie er war. Ohne Bedingungen, ohne Forderungen.

„Ich liebe dich Seto!“ ER erwiderte nichts. Konnte es nicht. Noch nicht. Aber vielleicht bald. Bald.
 

Nebeneinander schliefen sie ein, hielten einander auch im Schlaf fest in den Armen. Genossen die Wärme des jeweils anderen. Das Wochenende würde wunderbar werden!

Samstagmorgen in London

Kapitel 41: Samstagmorgen in London
 

Es war kurz nach acht, als Jessie aufwachte. Müde blinzelte sie in den Raum. London. Das war das Hotelzimmer in dem sie mit Seto gestern eingecheckt hatte. Gähnend rollte sie sich auf den Rücken und tastete mit der linken über das Bett. Kein Seto.

Und die Bettlaken waren kalt, also musste er schon vor einiger Zeit aufgestanden sein. Jessie schloss die Augen wieder und seufzte leise. Das war wieder mal typisch Seto! Egal wann er ins Bett ging, oder wie schlecht er schlief zu 99% war er noch vor dem Morgengrauen auf den Beinen. Jessie war da ganz anders. Sie schlief gerne lange. Aber inzwischen passte sie sich immer mehr Setos Rhythmus an, einfach nur, weil sie spürte wenn er sich aus dem Bett schlich. Zumindest zu 99%.

„Gut und wo steckt er jetzt?“ brummelte sie leise und setzte sich auf.

„Wenn er arbeitet…!“ Die Drohung selbst ließ sie unausgesprochen, als sie langsam aus dem Bett krabbelte und sich erst einmal streckte. Dann machte Jessie sich auf die Suche. Im Wohnzimmer der Suite war er schon mal nicht, aber sie entdeckte seine Laufschuhe neben der Tür und dann hörte sie wie die Dusche aufgedreht wurde. Aha, dann war er also laufen gewesen. Jessie schlich zur Badezimmertür und drückte vorsichtig die Klinke hinunter. Ein Schwall feuchter warmer Luft kam ihr entgegen und sie schlüpfte durch den Türspalt. Seto stand ihr gegenüber in der offenen Dusch und hatte ihr den Rücken zugewandt. Den Kopf hatte er in den Nacken gelegt und das Wasser lief ihm übers Gesicht und die helle Haut. Über seine definierten Muskeln und den schmalen Körper. Er hatte in den letzten Wochen zugelegt. Hatte noch immer kein Normalgewicht, aber er war bei weitem nicht mehr so dünn. Jessie zog sich das dünne Nachthemd über den Kopf und zog den Haargummi aus ihrem geflochtenen Zopf. Dann betrat sie vorsichtig die Dusche und schlang ihre Arme von hinten um Setos schlanke Taille.

„Hey, warum hast du mich nicht geweckt?“ Er zuckt zusammen, dreht sich dann allerdings vorsichtig in ihrer Umarmung um und wischt sich erst mal das Wasser aus dem Gesicht.

„Du hast so schön geschlafen!“ murmelt er und streicht mit beiden Händen über ihre Schultern und den Rücken hinunter. Jessie lächelt und zwinkert ihm zu.

„Gut dass ich rechtzeitig wach geworden bin um dir beim Duschen Gesellschaft zu leisten.“ Sie greift hinter seinem Rücken nach dem Duschgel auf der Ablage und gibt etwas davon in ihre Hand. Dann legt sie ihre Hände flach auf seine Brust, streichelt mit den Daumen über seine Muskeln, zieht leichte Kreise bis hinauf zu seinen Schlüsselbeinen. Folgt der Biegung der beiden Knochen bis zu seinen Schultern und fährt dann über seine Schultern, umfasst den starken Bizeps. Seto folgt ihren Händen mit dem Blick. Seine blauen Augen funkeln. Jessie fährt über seine Ellenbogen, die Unterarme. Umfasst seine schlanken Handgelenke und hebt seine Rechte an ihre Lippen. Haucht einen sanften Kuss auf die Handfläche und auf jeden einzelnen schlanken Finger. Dann fährt sie wieder seine Unterarme hinauf. Nimmt denselben weg zurück bis zu seinen Schultern, streicht bis zu seinem Nacken, vergräbt ihre Schaumigen Hände in seinem nassen Haar und zieht seinen Kopf zu sich nach unten. Küsst ihn flüchtig sanft auf die Lippen, er seufzt. Sie löst sich wieder von ihm, ihre Hände wandern zurück seinen Rücken hinunter, haken sich in seine Schulterblätter. Ihre Fingernägel kratzten leicht über die Narben, als sie seinem Rückgrat weiter nach unten folgt, ihre Lippen auf sein Schlüsselbein drückt, sich von dort langsam über sein Brustbein nach unten küsst. Ihre Hände wandern weiter, bleiben auf seinem Po liegen. Kneifen ihn leicht. Er keucht, noch immer reglos. Sieht sie nur an, beobachtet wie sie sich langsam auf die Knie sinken lässt. Ihre Lippen liegen warm und weich auf seinem Bauch, wandern um seinen Bauchnabel, er erzittert. Ihre Hände wandern an die Innenseiten seiner Oberschenkel, streicheln zart darüber. Seine Knie werden weich. Und jetzt kann er nicht mehr reglos bleiben. Seine Hand krallt sich in ihre blonden Locken, zieht ihren Kopf sanft in den Nacken, sodass sie zu ihm aufsehen muss. Grün trifft blau. In beiden lodert Feuer. Heiß, zerstörerisch, leidenschaftlich. Mit einem Ruck zieht er sie zu sich hinauf, drückt sie mit seinem Körpergewicht an die Wand, verschließt ihre Lippen mit seinen. Seine Zunge stupst gegen ihre Lippen, Jessie öffnet ihre. Lässt ihn ein. ihr Herz schlägt schnell, Seto presste sich noch fester an sie. Reißt sich von ihren Lippen los, küsst sich ihren Hals hinab zu ihrem Schlüsselbein…

Und dann...

Kapitel 42: Und dann…
 

Um kurz vor Mitternacht verließen Seto und Jessie die Konzerthalle. Jessie trug ein cremefarbenes Kleid und darüber Setos Jackett. Ihre Kleine Hand hatte sie in seine große geschoben und sie lächelte zu ihm hinauf.

„Und was sagst du?“ Seto fuhr sich mit der freien Hand durchs Haar und brachte somit seine strenge Frisur durcheinander. Seine blauen Augen sahen nach vorne auf den großen Platzt auf dem viele Taxen warteten die Konzertgäste in ihre Wohnungen und Hotels zurückzubringen.

„War ganz gut!“ murmelte er leise. Jessie stupste ihn in die Seite.

„Was heißt hier ganz gut? Der Kerl war echt spitze.“ Seto zuckte mit den Schultern.

„Er hat ein paar falsche Töne gespielt!“ erklärte er ruhig. Ihr klappte der Kiefer nach unten.

„Ein paar falsche Töne?“ fragte sie überrascht und verwirrt. Für sie hatte sich das alles richtig angehört.

„Ja, aber du brauchst schon viel Erfahrung und ein gewisses Talent um das herauszuhören!“ Jessie verdrehte die Augen. Was war denn jetzt los!

„Und du hast natürlich beides?“ wollte sie etwas schnippisch wissen.

„Ich spiele seit siebzehn Jahren Klavier! Natürlich habe ich Erfahrung!“ gab er zurück und führte sie zu einem der Taxen.

„Warum spielst du kaum noch?“ Ihre Frage war leise, vorsichtig. Seto blieb abrupt stehen. Sah ihr in die Augen. Dann seufzte er leise.

„Der Flügel gehörte unserer Mutter. Ich saß immer bei ihr wenn sie spielte. Und Dad stand in der Wohnzimmertür, erst alleine, später dann mit Mokuba auf dem Arm. Vielleicht liegt es daran, dass es für mich immer eine heile Welt war. Der Moment wo mir Mum am nähsten ist! Ich war fünf, als sie mich das erste Mal spielen ließ. Ich hatte es schnell raus. Sie war stolz auf mich, dann hat sie gelächelt und mir durchs Haar gestrichen. Also wir ins Waisenhaus kamen hatten wir nichts, der Flügel blieb bei unseren Geldgierigen Verwandten. Und bei Gozaburo… im Musikunterricht musste ich Klavierspielen. Ich habe es gehasst, weil dieser Lehrer kein Gefühl für die Musik hatte. Für ihn waren es einfach nur Töne, sonst nichts. Mum hat mir etwas ganz anderes beigebracht. Musik, wenn du richtig spielst, dann legst du alles hinein was du hast, was du bist. Ich dagegen wurde in eine Vorgefertigte Meinung gepresst, das hat mir die Lust an der Musik verdorben. Ich hab den Flügel bei einem Händler gefunden, vor drei oder vier Jahren. Sie haben ihn für einen Spottpreis verkauft. Ich konnte einfach nicht anders ich musst ihn kaufen, auch wenn er die meiste Zeit ungenutzt herumsteht!“ Jessie legte ihm eine Hand auf den Arm.

„Das Verstehe ich. Es ist ein Erinnerungsstück und er bedeutet dir viel! Er steht nicht einfach ungenutzt herum. Oder würdest du ein Bild an der Wand als ungenutzt bezeichnen? Immerhin hängt es auch nur ungenutzt herum. Aber es ist doch von Bedeutung! Und was etwas Bedeutet ist niemals ungenutzt.“ Seto sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

„Das klingt total unlogisch!“ Jessie zuckte mit den Schultern.

„Wenn du meinst! Also mal abgesehen von den paar falschen Tönen, wie fandest du das Konzert?“ Er lächelte schwach.

„Es war schön. Er ist ein guter Pianist und er spielt mit Gefühl und Freude. Das letzte Lied. Es war Mums Lieblingslied! Da kamen Erinnerungen hoch… und…!“ Jessie nickte, sie verstand. Sie stiegen in ein wartendes Taxie und Seto nannte dem Fahrer die Adresse ihres Hotels. Dann lehnte er sich in das Sitzpolster zurück. Er war müde. Aber kein Wunder es war kurz nach null Uhr und er war bereits um sechs aufgestanden.

„Hey, was ist los?“ Jessie strich ihm sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er blinzelte und lächelte erschöpft.

„Es war ein langer Tag! Ich bin einfach nur müde!“ ER nahm ihre Hand und umschloss sie fest.

„Aber das Wochenende war einfach nur spitzte! Danke!“ Er beugte sich zu ihr hinüber und küsste sei sanft auf die Lippen.

„Verdammter Idiot, was soll das denn?“ Der Empörte Ausruf des Taxifahrers riss sie auseinander. Neben ihnen auf der Gegenfahrbahn fuhr ein weißer Transporter, genau auf ihrer Höhe. Plötzlich riss der Fahrer des Transporters das Lenkrad herum, hielt genau auf das Taxi zu. Jessie umklammerte Setos Hand. Der Taxifahrer trat auf die Bremse. Der Wagen kam ins Schleudern, verlor die Bodenhaftung. Kam von der Straße ab, rutschte einen Hang hinunter. Jessie sah die Bäume rasend schnell auf sich zukommen, spürte wie sie nach vorne geschleudert wurde und der Gurt sich in ihr Fleisch schnitt, dann war alles schwarz.
 

„…unverletzt! Anders wollte ihn unverletzt!“ Stimmen durchbrachen die Schwärze. Jessie stöhnte, ihr Kopf fühlte sich an, als würde er zerspringen.

„Was kann ich dafür, dass der verdammte Taxifahrer die Kontrolle verloren hat?“ Mühsam öffnete sie die Augen einen Spalt. Die Umgebung war verschwommen. Ihr tat alles weh. Was war passiert? Der Unfall! Seto! Abrupt riss sie die Augen auf. Versuchte sich aufzustemmen. Ihre Hände… irgendwas stimmte nicht. Fesseln! Man hatte ihr Handgelenke und Knöchel zusammengebunden. Und sie lag in einem Transporter. Was war hier los? Mühsam drehte sie sich auf die andere Seite, damit sie aus dem Transporter sehen konnte. Was sich ihr bot war ein Bild des Schreckens. Das Taxi hing ein paar Meter den Abhang hinunter an einem Baum. Total zerdrückt und nur noch ein Haufen Blech. Zwei Männer zerrten gerade Seto aus dem Frack. Er war bei Bewusstsein, wehrte sich gegen die groben Hände. Blut bedeckte seine linke Wange und sein Anzug war zerrissen. Sein rechtes Bein knickte immer wieder unter ihm weg. Trotzdem schaffte er es den einen der beiden abzuschütteln, indem er ihm vors Schienbein trat, doch bevor er sich auch nur dem zweiten zuwenden konnte, warf dieser sich mit vollem Gewicht auf ihn. Setos Schrei gefror Jessie das Blut. Tränen rannen ihr über die Wangen, als sie beobachtete wie sie ihm die Hände und Füße fesselten und ihn zum Transporter schleiften. Unsanft warfen sie Seto neben ihr auf die Ladenfläche. Er stöhnte erstickt auf. Einer der Männer leuchtete in den Transporter. Jessie blinzelte, sah zu Seto. Seine sonst so klaren blauen Augen waren matt und glanzlos und voller Schmerz. Dann war es dunkel, die Tür zugeschlagen.

„Seto!“ flüsterte sie leise, mit tränenerstickter Stimme. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Sie hörte Seto aufstöhnen und wie er versuchte sich zu bewegen. Ein wimmern. Anscheinend hatte er starke Schmerzen. Jessie rutschte näher und richtete sich mühsam auf, sodass sie sich an die Wand lehnen konnte.

„Heb den Kopf!“ brachte sie mühsam hervor und hörte wie Seto gehorchte. Sie schob ihre Beine noch ein wenig nach vorne, bis sie direkt unter seinem Kopf ruhten.

„Okay!“ Sie spürte das Gewicht als er zusammensackte. Keuchend.

„Jessie…wie…“ Er hustete keuchte. Sein Atem ging viel zu flach und unregelmäßig.

„Nur ein paar blaue Flecken! Aber was ist mit dir? Das hört sich nicht gut an!“ Er holte vorsichtig Luft.

„Geht schon, nur ein paar gebrochene Rippen!“ Nur? Jessies Augen weiteten sich entsetzt. In der Dunkelheit konnte sie nicht erkennen wie schlimm es wirklich um Seto stand, aber es hörte sich nicht gut an.

„Der Taxifahrer?“ fragte sie vorsichtig.

„Tot!“ keuchte Seto.

„Er hat den Unfall nicht überlebt!“ Eine Bodenwelle, er wimmerte. Jessie zog sich das Herz zusammen. Sie konnte ihn nicht einmal richtig trösten.

„Wer sind die?“ solange sie redete…

„Ich weiß… es nicht!“ Das Auto hielt an, die Klappen wurden wieder aufgerissen und die zwei bulligen Männer zerrten sie aus dem Transporter. Zitternd stand Jessie in der großen Halle und sah sich ängstlich um. ein halbes Dutzend Männer mit geladenen Waffen standen um den Wagen herum und zielten auf sie. Seto hing mehr in den Armen des Entführers, als dass er stand. Es war totenstill, sie hörte nur ihren Atem und den ihres Bewachers hinter ihr. Plötzlich kam Bewegung in das Ganze. Ein Mann trat vor. Klein rundlich mit einer Halbglatze.

„Das ist also der große Seto Kaiba?!“ Er kam näher, packte Setos Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen.

„Was… wollen… sie?“ brachte der CEO mühsam hervor. Versuchte dem Blick standzuhalten, was ihm schwerfiel. Denn er konnte die Augen kaum noch offen halten.

„Rache!“ Er trat ihm mit voller Wucht gegen das verletzte Bein. Seto biss sich auf die Lippen. Er würde nicht schreien! Und sackte zusammen. Nur noch von dem stämmigen Entführer aufrecht gehalten. Vor seinen Augen tanzten Sternchen. Er atmete gegen den Schmerz an.

„Wo…wofür?“ brachte er schließlich mühsam über die Lippen.

„Oh, das wirst du schon noch herausfinden!“ Fauchte der Dicke und wandte sich zu seinen Männern. „Ihr wisst, was ihr zu tun habt!“ Von der Decke wurde ein Haken herabgelassen, in den man Setos, nun vor dem Bauch gefesselten Hände einhakte. Dann wurde der Haken nach oben gezogen, bis gerade noch seine Fußsohlen den Boden berührten. Jessie beobachtete das mit vor schrecken geweiteten Augen während sie zu einem Metallkäfig gezerrt und hineingestoßen wurde.

Rache

Kapitel 43: Rache
 

Jessies Herz pochte, schlug ihr bis zum Hals. Starr hielt sie den Blick auf Seto gerichtet. Sie wusste nicht wie lange sie schon hier in dieser Lagerhalle festgehalten wurden. Die Spannung ihres Körpers hatte noch nicht nachgelassen. Seto dagegen hing in seinen Fesseln. Sein Kopf war nach vorne gesunken, das Haar dunkel vor getrocknetem Blut. Die Entführer hatten sie sich von ihnen ferngehalten, waren in einigem Abstand aber immer wieder um sie herumgeschlichen. Aber der Dicke mit der Glatze war auch nicht aufgetaucht. Vielleicht lag es ja daran? Doch jetzt änderte sich irgendetwas. Eine greifbare Spannung lag in der Luft. Und dann kam der Dicke gefolgt von seinen Männern. Hielt auf Seto zu, stieß ihn an. Keine Reaktion.

„Ach will unser großer Geschäftsmann nicht aufwachen?“ Er wartete ein paar Sekunden. Dann drehte er sich zu seinen Männern um.

„Kyle! Hol einen Eimer Wasser. Kalt!“ Einer der Männer lief los, während die anderen wieder begannen um Seto und den Dicken herumzuschleichen. Langsam, lauernd. Kaum war Kyle zurück nahm der Dicke den Eimer und kippte seinen Inhalt Seto über den Kopf. Seto holte keuchend Luft, sein ganzer Körper spannte sich. Wasser geriet in seine Atemwege. Er hustete. Sein Brustkorb fühlte sich an, als würde er zerrissen. Als hätte man ein Messer zwischen die Rippen gerammt und nochmal umgedreht. Schweratmend starrte er mit trübem Blick auf den Boden.

„Na, bist du wieder wach?“ Die zuckersüße Stimme schickte ihm einen Schauer über den Rücken. Doch er hielt seinen Blick gesenkt.

„Jetzt bist du nicht mehr so stark, nicht wahr? Ich habe dich in Verhandlungen gesehen… Da warst du so unnahbar, so… wie soll ich sagen… stolz, groß! Aber du bist nichts anderes als ein unwissender Junge. Du hast keine Ahnung von Rache.“

„Ich weiß genug über die Welt um zu wissen, dass du mit dieser Sache nicht durchkommen wirst.“ Setos Stimme klang unbeteiligt und als säße er in einem Meeting. Der Dicke rammte eine Faust in Setos Rippen, der krümmte sich zusammen und versuchte mühsam wieder zu Atem zu kommen.

„Du wirst noch schreien! Und um dein Leben betteln! Du bist nicht stark!“ Unsanft packte er Setos Kinn und zwang seinen Kopf nach hinten. Seto biss die Zähne zusammen und starrte ihm in die Augen. Kalt, gefühllos, hart. Gozaburo hatte ihm lange genug antrainiert diese Maske in jeder Situation aufrecht zu halten. Immer…

„Wofür ist diese ganze Aktion?“ Ein weiterer Schlag, von Seto kam nur ein Zischen.

„Ich habe doch gesagt… RACHE!“ Wortlos streckte der Dicke nach hinten, einer seiner Männer legte ihm eine Peitsche in die Hand. Setos Augen schlossen sich und er atmete einmal tief durch.

„Tu, was du nicht lassen kannst!“ murmelte er unbeeindruckt. Was nicht gerade half den Dicken milde zu stimmen, eine Ader schwoll an seinem Hals. Er trat einen Schritt zurück, die Peitsche entrollte sich und die Spitze strich über den staubigen Boden. Gefährlich. Lauernd. Jessie schluckte schwer. Den Blick fest auf Seto gerichtet. Wie in Zeitlupe sah sie den Dicken ausholen. Dann traf die schmale Lederpeitsche auf seinen Rücken. Kein Laut. Kein Zucken. Nichts. Auch als der Dicke erneut zuschlug. Nichts. Mit kalten blauen Augen hielt Seto Blickkontakt mit seinem Peiniger. Wütend ließ der Dicke die Peitsche schnalzen.

„Zieht ihm das Oberteil aus!“ Wie Geier stürzen die Männer sich auf Seto, schnitten ihm ohne Acht das Hemd vom Leib. Frisches Blut lief über seinen Oberkörper. Doch schon schnalzte die Peitsche erneut. Seto zuckte noch immer nicht. Hielt Blickkontakt. Ein Schlag und der nächste, wieder und wieder und… Jessie liefen Tränen über die Wangen. Sie hatte die Augen geschlossen, doch das Klatschen von hartem Leder auf Haut hallte in ihrem Kopf wieder. Sie konnte es nicht ausschließen.
 

Irgendwann war es plötzlich still. Unheimlich still. Vorsichtig blinzelte sie. Seto hing mehr in seinen Fesseln, als dass er stand. Er war vollkommen nackt. Der zerrissene Anzug lag zu seinen Füßen, überall war Blut. Frische Striemen zogen sich über seinen Rücken, kreuz und quer.

„Ich will Rache! Und die habe ich noch nicht bekommen! Mister Kaiba!“ Den Namen betonte er voller Hass. Seto schnaubte.

„Besonders angestrengt hast du dich ja nicht!“ Er grinste.

„Es gibt nichts, was ich nicht schon erlebt habe! Also…“ Jetzt grinste der Dicke dreckig. Seine Hände lagen auf dem Bund seiner Hose und zogen langsam den Reißverschluss auf.

„Ach wirklich!“ Dann packte er Setos Hüften und presste ihn an sein Becken.

„Ich werde meine Rache bekommen!“ Jessie blieb an Setos Blick hängen. Jetzt stand ekel in ihnen und Angst. Panische Angst. Dann schloss er die Augen, kniff sie regelrecht zusammen und Jessie tat es ihm gleich. Das konnte sie nicht sehen. Sie hörte nur noch das Schnaufen des Dicken und seinen wütenden Schrei.

„Du hast das Leben meines Bruders zerstört.“ Dann waren da noch andere Geräusche. Automotoren. Ein lautes Poltern und dann… ein lauter Knall… ein Schuss!“ Jessie riss die Augen wieder auf. Männer in schusssicheren Westen und mit Pistolen in der Hand. Schnell waren die Entführer überwältigt. Einer der Männer kam auf den Käfig zu und löste Jessies Fesseln. Sie sprang auf, zwängte sich an ihm vorbei und stolperte zu Seto, den gerade zwei andere herunterholten und stützten.

„Seto!“ Er hob schwerfällig den Kopf, seine blauen Augen voller Schmerz und Verzweiflung. Jessie fiel ihm um den Hals, drückte sich fest an seine Brust. Seto keuchte auf. Und schlang dann vorsichtig einen Arm um ihre Schultern.

„Geht es dir gut, Jessie?“ fragte er leise, mühsam und mit rauer Stimme. Sie schluchzte.

„Das müsste ich wohl eher dich fragen!“ brachte sie mühsam hervor.

„Geht… schon!“ Seine Knie knickten unter ihm weg und nur die Polizisten hielten ihn vom stürzen ab.

„Treten sie bitte zurück, Miss.“ Jessie drehte den Kopf und sah zu dem Sanitäter neben ihr. Gemeinsam bugsierten sie Seto auf die Trage und rollten ihn dann aus der Lagerhalle hinaus. Jessie hielt seine Hand. Blieb an seiner Seite. Während der ganzen Fahrt ins Krankenhaus. Seine Finger waren eiskalt. Seine Augen hatte er geschlossen. Zuckte bei jeder Unebenheit auf der Straße zusammen und umklammerte ihre Hand fester.

„Shh Seto, es wird alles gut!“ Beruhigend strich sie ihm mit der freien Hand übers Haar. Plötzlich stoppte der Wagen. Einer der Sanitäter legte ihr die Hand auf den Arm. Ein junger Mann Anfang zwanzig. Blond, irgendwie erinnerte er sie an Joey.

„Miss, kommen sie Bitte. Lassen sie sich von einem Arzt durchchecken. Ihr Freund ist in guten Händen.“ Sie starrte auf Setos große Hand in ihrer kleinen, dann beugte sie sich zu ihm hinunter, küsste ihn sanft auf die Stirn. Er blinzelte sah sie aus trüben Augen an.

„Es wird alles gut!“ Dann schoben die Sanitäter die Trage ins Krankenhaus. Der Blonde führte sie in einen kleinen weißen Raum, eine Ärztin checkte sie durch und mit mehreren Verbänden und sauberen Kleidern verließ sie das Untersuchungszimmer. Müde setzte sich vor den OP. Wartete. Irgendwann kam dann ein Arzt auf sie zu.

„Miss Brown?“ Sie sprang auf.

„Wie geht es Seto?“ Er legte er die Hände auf die Schultern und drückte sie zurück auf den Stuhl.

„Ganz ruhig. Ihrem Freund geht es den Umständen entsprechend gut. Wir haben ihn auf ein Einzelzimmer gelegt. Ich bringe sie gleich zu ihm! Keine seiner Verletzungen war lebensgefährlich. Wir haben ihn versorgt. Sein Knie war am schwersten verletzt. Aber das konnten wir beheben. Es wird noch etwas dauern bis ihr Freund aus der Narkose aufwacht. Brauchen sie irgendetwas?“ Einen Moment starrte sie ihn einfach nur an. Dann sackte sie zusammen.

„Gott sei Dank!“ Sie atmete tief durch und schloss die Augen.

„Haben sie vielleicht ein Telefon für mich?“ Der Arzt nickte und führte sie ins Schwesternzimmer. Dort rief Jessie ihre Mutter an und Mokuba. Erklärte ihnen so gut wie möglich, was geschehen war. Ihre Mutter entschied sofort, dass sie kommen würde. So schnell wie möglich. Zusammen mit Mokuba.

Dann wurde sie zu Setos Zimmer geführt. Ein Polizist stand vor der Tür und sah sie ernst an, als er ihr die Tür öffnete. Seto lag blass in den Kissen. Seine Arme und Brust waren bandagiert. Eine Nadel für den Tropf steckte in seinem rechten Handgelenk. Jessie setzte sich auf den grauen Plastikstuhl, neben dem Bett und umschloss seine Linke, lehnte ihre Wange dagegen und schloss. Mit der anderen Hand strich sie ihm durchs Haar. Immer und immer wieder.

Faden

Kapitel 44: Faden
 

Setos Sicht
 

Um mich herum ist es dunkel.

Bodenlos.

Schwarz.

Leer.

Tot.
 

Ich spüre nichts.

Keine Wärme.

Keine Kälte.

Ich höre nichts.

Keine Geräusche.

Keine Stille.
 

Leere.

Nichts als Leere um mich herum.

Und in meinem Inneren.

Leere.
 

Wer bin ich?

Was bin ich?

Wo bin ich?
 

Keine Antwort.

Ich höre nichts.

Keine Geräusche.

Keine Stille.
 

Mein Herz…

…selbst das ist stumm.

Ich spüre nichts.

Keine Freude.

Kein Schmerz.

Keine Liebe.

Kein Hass.
 

Leere.

Nichts als Leere um mich herum.

Und in meinem Inneren.

Leere.
 

Da…

…vor mir.

Da ist etwas…

Ein Schatten, eine Gestalt, ein Wesen.
 

Ich sehe es nicht.

Ich höre es nicht.

Ich spüre es nicht.
 

Und trotzdem ist es da!
 

Gesichtslos.

Körperlos.
 

Und trotzdem ist es da!
 

Streckt seine Hand nach mir aus.
 

Ich bliebe starr.

Bewegungslos.

Stumm.
 

„Komm!“

Nachdruck.

Härte.
 

Aber stumm.

Kein Laut.

Keine Stimme.

Keine Stille.

Nichts!
 

Ich bleibe starr.

Bewegungslos.

Stumm.
 

„Komm!“

Nachdruck.

Härte.
 

Lauter, aber doch… stumm.

Kein Laut.

Keine Stimme.

Keine Stille.

Nichts!
 

„Wohin?“

Ein Wort.
 

Aber stumm.

Kein Laut.

Keine Stimme.

Von mir?
 

Es starrt mich an.

Der Schatten, die Gestalt, das Wesen.

Augenlos.

Gesichtslos.

Körperlos.
 

Und trotzdem starrt es mich an.
 

„Zu mir!“

Gleichmütig.

Ruhig.
 

Aber stumm.
 

„Warum?“

Ein Wort.

Eine Frage.
 

Aber stumm.
 

„Ich kann dir Vollkommenheit schenken! Du musst nur loslassen!“

Sanft.

Mit Nachdruck.
 

Aber stumm.
 

„Loslassen?“

Ein Wort.

Eine Frage.
 

Ich halte nichts.

Ich sehe nichts.

Ich höre nichts.

Ich spüre nichts.

Ich bin nichts.
 

Seine Augen wandern zu meiner Hand.

Augenlos.

Gesichtslos.

Körperlos.
 

Ich folge seinem Blick.

Ein Faden.

Silber.

Matt.

Hauchdünn.
 

In meiner Hand.

Ich spüre nichts.
 

„Lass los! Und ich werde dir Vollkommenheit schenken!“

Lockend.
 

Aber stumm.
 

Vollkommenheit?

Nichts ist vollkommen.

Also ist nur das Nichts vollkommen.
 

Keine Trauer.

Kein Schmerz.

Kein Hass.

Keine Furcht.

Kein Leid.
 

Verlockend.
 

Und doch…

Was halte ich da in meiner Hand?
 

Ein Faden.

Silber.

Matt.

Hauchdünn.
 

Vollkommenheit?
 

Keine Freude.

Kein lachen.

Keine Liebe.
 

Leere.

Nichts.
 

Was halte ich da in meiner Hand?
 

Ein Faden.

Silber.

Matt.

Hauchdünn.
 

Wo mag er mich hinführen?

Wenn ich ihm folge…
 

Zurück?
 

Was bedeutet zurück?
 

Ohne Erinnerung.
 

Ohne Vergangenheit.

Ohne Gegenwart.

Ohne Zukunft.
 

Was gebe ich auf…

Wenn ich loslasse?
 

Wärme?

Was ist Wärme?

Geborgenheit?

Was ist Geborgenheit?

Liebe?

Was ist Liebe?
 

Da ist etwas.

Eine Berührung.

Hauchzart.

An meiner Hand.

Der Faden erzittert.
 

Etwas ruft nach mir.

Jemand.
 

„Nein!“

Ein Wort.

Entschieden.

Laut.
 

Der Schatten, die Gestalt, das Wesen.

Es ist weg.

Ich bin alleine.

Um mich herum ist es dunkel.

Bodenlos.

Schwarz.

Leer.
 

Doch ich spüre Wärme.

Langsam kriecht sie von meinen Fingerspitzen höher, breitet sich in meinem ganzen Körper aus.

Doch mit der Wärme kommt noch etwas anderes, durchbricht die Dunkelheit.

Schmerz.

Unerträglich.
 

Mein Kopf pocht.

Mein Rücken brennt.

Meine Tippen stechen.

Meine Handgelenke…

Mein Bein…

Unerträglich.
 

Eine Berührung.

Federleicht.

Unendlich sanft.

Wärme.

Geborgenheit.

Liebe.
 

Etwas tropft auf meine Wange.

Kalt, nass.

Es läuft auf meine Lippen.

Salzig.
 

Tränen.

Jemand weint.
 

Um mich?

Ich versuche die Lieder zu heben. Sie sind schwer wie Blei.

Etwas liegt auf meiner Hand.

Ich versuche es wieder. Diesmal öffnen sich meine Augen einen Spalt.

Zu hell.

Weiß.

Kahl.

Schmerz.

Doch ich gebe nicht auf.

Wer ist bei mir?
 

Mein Blick wird klarer.

Ein Raum.

Klein.

Leer.

Wie.

Geräte.

Ein Krankenhaus?
 

Ich drehe den Kopf.

Schmerz.

Eine Frau.

Blond.

An meinem Bett.
 

Sie umklammert meine Hand. Schmiegt ihre Wange an meine Haut.

Weint.
 

Ich kenne sie.

Wärme.

Geborgenheit.

Liebe.
 

Ich versuche ihre Hand zu halten.

Kraftlos.

Erschöpft.

Schmerz.
 

Doch sie scheint es zu spüren.

Hebt langsam den Kopf.

Grüne Augen.

Tränen.

Hoffnung.
 

Mein Engel.

Wärme.

Geborgenheit.

Liebe.
 

Sie lächelt.

Noch mehr Tränen.

Erleichterung.

Liebe.
 

Jessica.

Liebe.
 

„Oh Gott, Seto!“

Wie gerne würde ich die Hand ausstrecken und ihr die Tränen aus dem Gesicht wischen.

Aber ich bin schwach, kraftlos.

Schmerz.
 

Sie streicht mir durchs Haar, küsst sanft meine Stirn.
 

„Hör auf… zu …weinen… bitte!“

Ein Flüstern.

Rau, erschöpft.

Von mir!
 

Sie lächelt.

Jessica.

Mein Engel!
 

„Shh, Seto. Ich bin nur glücklich!“ Wieder fährt sie mir durchs Haar.
 

Glücklich. Ja das bin ich auch. Denn ich habe mich richtig entschieden.

Vollkommenheit bedeutet nur Leere.

Ich bin unvollkommen.

Wir sind unvollkommen, denn Unvollkommenheit lässt Glück zu, Wärme, Geborgenheit und Liebe.

Liebe.

Ja, Liebe!
 

„Jessica…“ Jetzt streichelt sie mein Gesicht. Meine Stirn, meine Wangen, …

„Rede nicht, dass muss dir doch Schmerzen bereiten!“

Schmerz.

Ja.

Alles schmerzt. Mein ganzer Körper. Jede Faser.
 

Und doch!
 

„Jessica… mein Engel… ich liebe dich!“

Schleppend.

Schwerfällig.

Unter Schmerzen.
 

Und doch…
 

Ihre grünen Augen weiten sich vor Überraschung. Wieder treten ihr Tränen in die Augen.
 

„Ich liebe dich!“ flüstere ich.

Matt.

Erschöpft.

„Von ganzem Herzen!“
 

Sie küsst mich.

Zärtlich. Sanft. Vorsichtig.
 

„Ich liebe dich auch Seto!“
 

Danke mein Engel.

Für deine Fürsorglichkeit und Wärme, für die Geborgenheit, die du mir gibst. Für den Halt. Und für deine Liebe.

Du bist mein Leben.

Der Faden.

Silbern.

Matt.

Hauchzart.
 

Aber stark und sicher.
 

Danke mein Engel.
 

Irgendwann werde ich dir davon erzählen. Irgendwann werde ich danke sagen!

Aber nicht jetzt.

Zu erschöpft, zu kraftlos. Schmerz.
 

Du siehst es mir an, greifst nach dem Rufknopf für die Schwester. Hältst noch immer meine Hand.

Warm, tröstend und sicher.

Hast sie nicht einmal losgelassen.
 

Danke mein Engel.

Danke Jessica.

Danke.

Die Lösung und Familie

Kapitel 45: Die Lösung und Familie
 

Jessie saß an Setos Bett und beobachtete sein blasses Gesicht. Er hatte sich noch nicht gerührt und es machte ihr Angst, auch wenn der Arzt ihr erklärt hatte, dass der Braunhaarige wohl noch einige Stunden schlafen würde. Er hatte ihr angeboten ins Hotel zu fahren und das Krankenhaus würde sie anrufen, sobald Seto aus der Narkose aufgewacht wäre. Doch das wollte sie nicht. Sie konnte Seto doch jetzt nicht alleine lassen! Was würde passieren, wenn er aufwachte und niemand wäre hier? Vor allem nach der letzten Nacht. Tränen rannen ihr über die Wange. Sie wischte sie nicht weg, ließ es zu, dass sie auf Setos Hand tropften und von dem weißen Mull aufgesaugt wurden. Langsam streicht ihr Daumen über seine Finger, dann hebt sie seine Hand an und schmiegt ihre Wange hinein.

„Ich liebe dich Seto! Ich liebe dich über alles!“ Ihre geschluchzten Worte verhallen ungehört in dem weißen, sterilen Raum, wurden von dem leisen Piepsen der Geräte fast noch übertönt. In der völligen Stille spürt Jessie plötzlich eine Bewegung. Waren das wirklich Setos Finger, die sich ein klein wenig fester um ihre Hand geschlossen hatten? Oder bildete sie sich das nur ein? Langsam drehte sie den Kopf. Sie wollte sich nicht zu viel Hoffnung machen. Doch er sah sie an. Seine Augen geöffnet, den Kopf leicht in ihre Richtung gedreht. Neue Tränen überschwemmten ihr Gesicht, tropften auf die Decke. Ein schwaches, erleichtertes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus.

„Oh Gott, Seto!“ Sie streicht ihm mit einer Hand durchs Haar, während die andere noch immer seine Hand fest gedrückt hielt. Sanft küsste sie seine Stirn.

„Hör auf… zu… weinen… bitte!“ Ein raues Flüstern kam von Setos aufgerissenen Lippen. Jessie verstand ihn kaum, noch mehr Tränen liefen über ihre Wangen benetzten sein Gesicht. Er schluckt schwer, angestrengt. Seine blauen Augen sind trüb und es fällt ihm sichtlich schwer sie offen zu halten.

„Shh, Seto. Ich bin doch nur glücklich!“ Wieder streicht sie ihm durchs Haar.

„Jessica…“ Ihre Finger wanderten über seine Stirn, seine Wangen, strichen tröstend über seinen Hals und blieben dann federleicht auf seiner Brust liegen.

„Rede nicht, das muss dir doch Schmerzen bereiten!“ Er schluckte mehrmals, holte mühsam Luft. Dann sieht er ihr in die Augen und plötzlich ist sein Blick völlig klar.

„Jessica… mein Engel… ich liebe dich!“ Die Worte kommen schleppend, schwerfällig. Jessie reißt überrascht die Augen auf, wieder kommen Tränen. Nie hätte sie mit diesen Worten aus seinem Mund gerechnet! Ihr wurde ganz warm ums Herz.

„Ich liebe dich!“ flüstert er wieder.

„Von ganzem Herzen!“ Jessie beugt sich zu ihm hinunter. Küsste ihn zärtlich, sanft und vorsichtig.

„Ich liebe dich auch, Seto!“ erklärt sie mit fester Stimme und wischt sich die Tränen aus den Augen. Betrachtet nur sein blasses Gesicht, dessen einzige Farbe von einigen Blutergüssen kam, die seine Schläfe und den Kiefer zierten. Der Schmerz stand ihm in den Augen, also griff Jessie nach dem Rufknopf für die Schwester und drückte. Keine Minute später kamen eine Schwester und der Arzt ins Zimmer geeilt.

„Oh, sie sind wach, Mr. Kaiba!“ Jessie rutschte ein wenig zur Seite um dem Arzt Platz zu schaffen. Der reichte Seto erst einmal die Hand.

„Ich bin Dr. White. Wie geht es ihnen?“ Seto blinzelte ihn mühsam an.

„Wie… soll… es mir… gehen?“ murmelte er leise. Der Arzt lächelte beruhigend und nahm das Wasserglas vom Nachttisch.

„Hier trinken sie erst einmal einen Schluck!“ Seto gehorchte, auch wenn DR. White seine Hand über Setos hielt, als er das Glas zum Mund führte.

„Danke! Wie sieht es… aus?“ Abwartend sah er den Arzt an, während die Schwester die Infusion wechselte und das Zimmer verließ.

„Sie haben mehrere Rippenfrakturen, dann die Weichteilverletzungen an ihrem Rücken, Hämatome im Brust und Bauchraum. Außerdem Schürfwunden an den Handgelenken von den Fesseln. Ihre Knieverletzung ist kompliziert, es wurden Bänder und die Menisken verletzt, allerdings konnte das in der OP alles behoben werden. Und dann sind da noch die Verletzungen im Intimbereich.“ Bei dem letzten Satz stockte der Arzt kurz und Seto kniff die Lippen fest zusammen.

„Sie bekommen über die Infusion ein Schmerzmittel, sodass sie einige Stunden schlafen können, danach werde ich sie noch einmal untersuchen und alles weitere mit ihnen besprechen!“ Seto nickte und schloss erschöpft die Augen.

„Miss Brown, sie sollten zurück in ihr Hotel und auch etwas Schlafen!“ Sofort riss Seto die Augen wieder auf und umklammerte Jessies Hand wieder fester.

„Nein! Jessie!“ Der Arzt beobachtete wie Jessie sich über ihn beugte und ihm beruhigend übers Haar fuhr.

„Unter den gegebenen Umständen, werde ich veranlassen, dass man ein weiteres Bett in dieses Zimmer stellt. Dann können sie hier bleiben! Aber nur heute Nacht!“ Dankbar sah Jessie dem Arzt in die Augen und Seto entspannte sich langsam wieder. In den frühen Morgenstunden schliefen Seto und Jessie dann ein. Jessie Seto zugewandt die Hand noch immer auf Setos.
 

Als sie erwachten war es schon später Nachmittag und Jessie fuhr erst einmal in ihr Hotel um sich umzuziehen und für Seto das nötigste zusammen zu packen. An der Rezeption erfuhr sie, dass Roland ihren Aufenthalt auf unbestimmte Zeit verlängert hatte. Sie war froh darum, denn sie hätte wohl nicht daran gedacht. Sie wollte Seto nicht allzu lange alleine lassen, also beeilte sich und fuhr zurück ins Krankenhaus. Gemeinsam mit einem Polizisten betrat sie Setos Zimmer. Der CEO saß von mehreren Kissen gestützt in seinem Bett, gut sah er nicht aus, aber er hatte etwas mehr Farbe, als am Abend zuvor. Sie setzte sich neben ihn auf die Bettkante und überließ dem Polizisten den Stuhl.

„Guten Tag, mein Name ist Collin Bernard. Ich bin der Einsatzleiter von letzter Nacht! Können sie mir erzählen, was gestern Nacht geschehen ist?“ Seto wich seinem Blick aus, verkrampfte sich ein wenig. Jessie griff nach seiner Hand und übernahm das reden. Detailliert erzählte sie was geschehen war und spürte wie Seto sich immer mehr verkrampfte. Der Polizist schrieb mit und sah dann die beiden an, als Jessie verstummte.

„Haben sie noch etwas hinzuzufügen?“ Seto schüttelte den Kopf und verbarg das Gesicht an Jessies Schulter.

„Wer war der Mann?“ fragte Jessie schließlich leise.

„Sagt ihnen der Name Kai Anders etwas?“ Jessie nickte.

„Das war der Kerl, der vor einigen Monaten die KC in die Luft sprengen wollte!“ Collin Bernard nickte.

„Ja. Der Entführer heißt Mikel Anders. Er ist Kai Anders älterer Bruder. Er hat gestanden, dass er Rache wollte für das zerstörte Leben seines Bruders. Und die Schuld daran hat er ihnen angelastet Mr. Kaiba!“ Jetzt sah Seto doch wieder auf.

„Kai Anders hat bereits für Gozaburo gearbeitet, er ist süchtig nach Glücksspielen. Ich habe versucht ihn zu unterstützen. Erfolglos! Er hat mich für meine Probleme verantwortlich gemacht. Das liegt anscheinend in der Familie!“ Nach einigen Minuten des Schweigens, verließ der Polizist das Zimmer und Jessie betrachtete Seto genau.

„Wie geht es dir mit dem was passiert ist?“ Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich in den Kissen zurück.

„Momentan beschissen, aber die Erinnerungen werden verblassen und irgendwann wird es nur noch eine dunkler Schatten mehr in meiner Vergangenheit sein. Ein paar Narben mehr auf meiner Haut! Ich möchte mich einfach nur an die schönen Dinge erinnern, die wir dieses Wochenende zusammen erlebt haben!“ Jessie beugte sich zu ihm.

„Gemeinsam schaffen wir das!“ Dann küsste sie ihn. Er legte ihr einen Arm um den Nacken und zog sie näher zu sich heran.

Plötzlich hallte ein lauter Knall durch das Krankenzimmer. Die beiden fuhren auseinander.

„Pff, also deswegen hätten wir nicht herfliegen müssen!“ Joey stand in der Tür und betrachtete die beiden mit einem gespielt angeekelten Blick. Hinter ihm Mokuba und Jessies Mum. Jessie sprang von ihrem Stuhl auf und fiel ihrer Mutter um den Hals. Tränen liefen ihr über die Wangen.

„Mum, Mum…!“ Mrs. Brown strich ihrer Tochter beruhigend über den Rücken und beobachtete wie ihre beiden Begleiter sich vorsichtig Seto näherten. Das war also der junge Mann in den sich ihre Tochter verliebt hatte. Sie musste zugeben, dass er schon sehr attraktiv war. Bis auf die blauen Flecken.

„Willst du mich nicht vorstellen?“ Jessie führte sie an das Bett.

„Mum, das ist Seto Kaiba! Seto, meine Mutter Helena!“ Seto richtete sich mühsam etwas auf und hielt ihr die Hand hin.

„Madam!“ Einen Moment sah Helena den jungen Mann an, dann breitete sie die Arme aus.

„Bei uns umarmt man sich, junger Mann!“ Jessie hielt die Luft an, würde Seto das zulassen? Einen Moment zögerte er, dann lies er es zu, dass Helena ihn an ihre Brust zog.

„Willkommen in der Familie!“ Einen Moment war er steif wie ein Brett, dann lächelte er leicht und erwiderte die Umarmung vorsichtig.

„Danke!“ Helena war ihrer Tochter sehr ähnlich, oder eher Jessie ihrer Mutter. Sie hatten die gleiche schlanke Statur, das gleiche blonde Haar, die gleichen grünen Augen. Er fühlte sich sofort wohl in der Nähe der Älteren.

„Wie lange musst du im Krankenhaus bleiben?“ fragte Joey schließlich leise in die entstandene Stille.

„Vierzehn Tage, wenn es keine Komplikationen gibt! Danach darf ich nach Hause, allerdings bin ich vier bis sechs Monate krankgeschrieben!“ Jessie wechselte einen vielsagenden Blick mit Joey und wie aus einem Mund antworteten sie.

„Sechs!“ Helena lachte.

„Tja, Seto den beiden würde ich nicht widersprechen!“ Seto lächelte. Er war glücklich. Jessie war bei ihm, sie liebte ihn. Er hatte eine neue Familie gefunden und sein bester Freund stand grinsend im Zimmer. Und auch Moki schien glücklich mit der ganzen Situation.

Wie die Zeit vergeht

Kapitel 46: Wie die Zeit vergeht
 

Seto hielt sich tatsächlich an die Vorschriften des Arztes. Er verbrachte viel Zeit zuhause gemeinsam mit Jessie. Sicher waren die Erlebnisse jenes Abends in London nicht einfach an ihm vorbei gegangen. Oft wachte er nachts nach Alpträumen Zitternd und total verschwitzt auf. Dann ging Jessie ihm einen Tee machen, während er duschte und danach kuschelte er sich eng an Jessie wieder unter die Decke und sie las ihm etwas aus dem Märchenbuch vor. So einfach war es mit den physischen Verletzungen allerdings auch nicht. Seto hasste die Krücken an denen er gehen musste und verfluchte den Physiotherapeuten, der alle zwei Tage zur Therapie vorbeikam. Manchmal musste Jessie alle ihre Überredungskünste einsetzen um ihn zum Mitmachen zu bekommen. Dabei war es weder die Therapie noch der Therapeut der ihn bei der ganzen Geschichte störte, sondern die einfache Tatsache dass er vieles nicht selbst machen konnte und vor allem, dass er Jessie nicht helfen konnte. Denn alles hatte sich verändert seit einem tristen Dezembernachmittag.
 

Jessie kam von einem Arztbesuch zurück, seit der Entführung war ihre Periode ausgeblieben. Der Arzt hatte es zuerst auf den Schock geschoben. Doch seit ein paar Tagen war ihr am Morgen immer schlecht und sie hatte sich bereits übergeben. Der Schwangerschaftstest war positiv gewesen. Sie hatte sich Gedanken gemacht wie sie es Seto am besten beibrachte. Immerhin war sie gerade erst neunzehn und er auch erst zweiundzwanzig. Das Geld war natürlich kein Problem. Aber es war doch irgendwo sehr früh. Klar Seto wollte Kinder… Den ganzen Nachhauseweg kämpfte sie mit ihren Gedanken. Als sie die Wohnung betrat lag Seto auf dem Sofa. Das verletzte Bein hochgelegt und ein paar Zettel in der Hand. Sein Haar ringelte sich feucht in seiner Stirn, der Therapeut packte gerade seine letzten Utensilien ein.

„Kuten Tag, Miss Brown!“ Jessie nickte ihm freundlich zu.

„Wie ist es heute gelaufen?“ Dabei strich sie Seto wie beiläufig über den Arm, aber es war ein Ritual, dass sie seit dem Krankenhaus durchführten. Eine kurze Berührung, ganz leicht, ein Ausdruck von Nähe und Sicherheit.

„Besser als die letzten Male, bis übermorgen!“ Dann verließ er die Wohnung.

„Was hat der Arzt gesagt?“ fragte Seto und sah sie aufmerksam an.

„Du musst noch duschen!“ Jessie legte ihre Handtasche ab und trat an die Fensterfront. Seto betrachte ihren schlanken Rücken. Dann erhob er sich schwerfällig vom Sofa, das Training war ziemlich anstrengend gewesen, und humpelte zu Jessie. Legte ihr von Hinten die Arme um die Taille.

„Was ist los, Mäuschen?“ Sie schluckte schwer.

„Ich bin schwanger!“ flüsterte Jessie erstickt und so leise, dass er nicht wusste, ob er sie richtig verstanden hatte.

„Was hast du gesagt?“ Anscheinend war seine Überraschung und auch ein leichter Schock in seiner Stimme zu hören, doch sie riss sich von ihm los, schlang die Arme eng um sich.

„Ich bin schwanger!“ wiederholte sie lauter, wich noch immer seinem Blick aus. Seto starrte sie nur an.

„Ich… Wann?“ wollte er schließlich leise wissen.

„In London. Unter der Dusche. Da haben wir nicht verhütet!“ Ihre Stimme war vollkommen gefühllos. Seto zuckte zusammen.

„Es tut mir leid!“ Verwirrt sah Jessie ihn an, sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er sich entschuldigen würde.

„Was tut dir Leid?“ Er senkte den Blick.

„Du hast selbst gesagt, dass du noch keine Kinder möchtest und jetzt…“ Jessie machte einen Schritt auf ihn zu, zögerte.

„Fast alle Kinder werden zu einem Zeitpunkt gezeugt, an dem die Eltern sich noch nicht bereit fühlen! Nur die wenigsten Paare entscheiden sich bewusst Kinder zu zeugen! Daran können wir nichts ändern…“

„…aber wir können das Beste daraus machen!“ beendete er ihren Satz. Er breitete die Arme aus und Jessie stürzte sich hinein.

„Zusammen schaffen wir das! Okay?“ Mit Tränen in den Augen lächelte sie ihn an und nickte.

„Wir schaffen das!“
 

Also musste in dem neuen Haus noch ein Zimmer mehr eingerichtet werden und das nahmen sie auch bald in Angriff. Jessies ganze Familie half und auch Mokubas Freunde machten beim Streichen mit. Dabei bekam Seto einen Stuhl, von dem er sich laut Jessie nicht wegbewegen durfte. Als ob er darauf hören würde. Mit Joeys Hilfe strich er einen Großteil der Zimmer selbst und so stand er mal wieder in Farbverkleksten Jeans und T-Shirt auf der Leiter. Es war Ende Januar. Er stand gerade in dem zukünftigen Kinderzimmer ihrer Tochter und malte Wolken an die Wand. Weiter unten erstreckte sich bereits eine Lichtung mit einem Schloss. Eine weiße Kutsche, gezogen von zwei Schimmeln hielt darauf zu.

„Seto! Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst nicht auf die Leiter steigen, bevor deine Verletzungen ganz verheilt sind!“ Bei Jessies anklagenden Worten blickte er hinunter. Dort stand sie in einem Schlabberpulli und hatte beide Arme in die Hüften gestemmt.

„Es soll fertig sein, wenn die Kleine kommt!“ erklärte er leise.

„Seto, der Geburtstermin ist der zehnte Juli! Meinst du nicht, dass du bis dahin noch etwas Zeit hast?“ Er wandte sich kommentarlos wieder dem Bild zu.

„Komm runter! Unsere Gäste sind da!“ Sie waren vor wenigen Tagen eingezogen und jetzt kamen ihre Freunde und Jessies Familie zur Einweihungsparty. Nur widerwillig stieg Seto vorsichtig von der Leiter und gab seiner Freundin einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.

„Na los, zieh dich um. Sie schubste ihn sanft und er gehorchte. Kurz darauf betrat er das Wohnzimmer. Jessie sah von ihrem Platz auf dem Sessel auf und streckte die Hand nach ihm aus. Joey reichte ihm ein Sektglas.

„Lasst mich einen Toast ausbringen!“ Er hob sein Glas und sah in die Runde.

„Lasst uns darauf trinken, dass diese beiden Menschen zusammengefunden haben! Darauf, dass sie trotz aller Widrigkeiten zusammenhalten und darauf, dass dieses Haus ein glückliches Heim für sie und ihre Kinder wird!“ Ein Einstimmiges Prost hallte durch das Haus. Jessie stellte ihren Sekt allerdings unberührt zur Seite. Seto griff nach ihrer Hand und hielt sie fest in seiner. Dann stand er auf.

„Wir haben euch etwas mitzuteilen!“ fing er feierlich an und sah sich aufmerksam in der Runde um. Alle sahen ihn an.

„Das mit den Kindern wird wohl eher sein als erwartet!“ Unterbrach Jessie ihn und zog ihn wieder zu sich auf die Sessellehne. Alle starrte sie mit offenem Mund an, bis Jessies Vater schließlich fragte:

„Was wollt ihr uns damit sagen?“ Seto sah zu seiner Freundin hinunter.

„Mein Engel ist schwanger!“ Und dann brach das Chaos aus, alle redeten durcheinander bis Joey mit einem lauten Pfiff alle zum Schweigen brachte.

„Das kam jetzt ein wenig überraschend! Aber wisst ihr was? Ich kann mir keine besseren Eltern als euch beide vorstellen! Und im Notfall kann der oder die Kleine ja immer noch zu mir kommen!“ Jessie grinste als er das Glas hob und darauf trank. Seto dagegen blieb ernst, sah den Blonden aus seinen unergründlichen blauen Augen an.

„Es wird ein Mädchen! Und wir möchten dich fragen, ob du die Patenschaft übernehmen würdest?“ Joeys Unterkiefer fiel zu Boden. Man konnte es ja schon fast klappern hören. Dann sprang er auf und warf sich Seto um den Hals.

„Wirklich? Wirklich? Wirklich? Wirklich?“ Diesmal kam die Antwort von Jessie.

„JA!“ Joey machte einen Luftsprung und umarmte nun Jessie. Während Seto das Ganze nur beobachtete. Genau das hatte er sich immer gewünscht. Eine glückliche große Familie.

Epilog

Epilog
 

Es ist Mitte April, die Sonne brennt heiß auf das kleine Küstenstädtchen herab. Hier am Strand, nahe des tiefblauen Ozeans ist es allerdings angenehm kühl. Ich habe den Blick gen Himmel gerichtet und beobachte die sich im sanften Wind wiegenden Möwen. Ein Schatten fällt auf mich. Ich richte mich auf, sehe das Pärchen, das da gerade an mit vorbei geht.
 

Sie trägt einen schwarzen Bikini unter einem fast durchsichtigen hellgrünen Strandtuch, das weder ihre schlanke Figur, noch ihren Babybauch verbergen kann. Ihr blondes Haar flattert im Wind. Sie hält die Hand ihres Begleiters in ihrer.

Er ist einen halben Kopf größer als sie und ebenfalls schlank. Er trägt ein dunkelblaues T-Shirt und graue Shorts. Seine Bewegungen sind kraftvoll und geschmeidig. Nur wenn man genau hinschaut fällt einem das leichte Hinken auf, das seinen Gang beeinträchtigt.

Jetzt bleiben sie stehen. Sie dreht sich zu ihm, hebt die Hand. Und streicht ihm eine braune Haarsträhne aus der Stirn. Sie lächelt. Im Hintergrund das Meer.
 

Ich hebe meine Kamera, betätige den Auslöser. Halte diesen Moment fest. Ich beschließe dem Pärchen zu folgen, denn ich kenne es. Aber wer tut das nicht? Langsam schlendern sie am Strand entlang in ihre Unterhaltung vertieft. Dass ich ihnen folge bemerken sie nicht.
 

Er bückt sich, hebt etwas auf und zeigt es ihr. Ein Stein, bräunlich-rot, geformt wie ein Herz. Langsam, fast zärtlich umschließt sie seine Hand, in der er den Stein hält, mit der ihren. Sie stellt sich auf die Zehenspitzen, haucht ihm einen Kuss auf die Lippen.
 

Wieder schieße ich ein Foto. Beobachte wie die beiden zu einem Strandtuch gehen. Sie lässt ihr Tuch fallen und sieht ihn auffordernd an. Er zögert, greift nach dem Saum seines T-Shirts, zögert wieder. Sie geht auf ihn zu, scheint ihm Mut zusprechen zu wollen. Doch das braucht es gar nicht, denn schon entledigt er sich des Kleidungsstückes.
 

Sein Rücken ist von Narben bedeckt. Von dicken und dünnen, langen und kurzen. Von neuen und alten. Trotzdem steht er aufrecht und stolz, die Schultern gestrafft, den Kopf erhoben. Die Leinwand seiner Vergangenheit. Einer schweren Vergangenheit.
 

Abermals hebe ich die Kamera, drücke ab. Jetzt nimmt sie ihn wieder an der Hand, zieht ihn zum Wasser.
 

Sie gehen nebeneinander, Hand in Hand. Sein Rücken ein Sinnbild für Schmerz und Leid. Der ihre rein und unbeschrieben. Eine strahlende Zukunft.
 

Ich mache ein weiteres Foto und senke dann die Kamera. Langsam wende ich mich ab, gehe zurück zu meinem Hotel. Sie sollen ihr Glück genießen.
 

Am Abend beim Abendessen sehe ich sie wieder. Sie sitzen auf der Terrasse, nebeneinander und blicken hinaus aufs Meer in dem gerade die Sonne zu versinken scheint.

Unerwartet erhebt er sich, tritt auf sie zu, geht vor ihr auf die Knie. Ihre Augen weiten sich überrascht, als er ein kleines schwarzes Kästchen aus der Hosentasche zieht.

„Jessica Brown, mein Engel! Seit dem ich dich kenne hat sich viel verändert, habe ich mich verändert! Und all das habe ich dir zu verdanken. Du hast mir gezeigt, was Geborgenheit ist, Wärme und Liebe. Du warst immer für mich da. Und ich möchte immer für dich da sein. An deiner Seite stehen, dir meine Liebe schenken. Ich liebe dich Jessica! Auch wenn ich nicht perfekt bin… Möchtest du meine Frau werden?“ Eine Träne fand ihren Weg ihre Wange hinab. Sie legte beide Hände an sein Gesicht. Strahlte förmlich.

„Du bist perfekt, Seto! Perfekt für mich! Ich liebe dich Seto und ja, ja ich möchte deine Frau werden!“ Er steckt ihr den Ring an den Finger. Dann springt er auf, wirbelt sie herum und küsst sie innig.
 

Während der ganzen Zeit schieße ich ein Foto nach dem anderen. Halte diesen wunderbaren Moment fest.

Der mir ein Vermögen einbringen könnte.

Jede Zeitschrift, Zeitung würde sich die Finger danach lecken.

Ich könnte ein Vermögen verdienen.

Die Verlobung des weltbekanten Seto Kaiba, dem reichsten und bekanntesten Junggesellen und seiner unbekannten Freundin, einem Jungen Mädchen vom Land, Jessica Brown.

Ich könnte…

…wenn ich wollte.

Aber warum sollte ich?
 

Mein Name ist Joseph Jay Wheeler. Ich bin Fotograf und habe gerade einen der glücklichsten Momente im Leben meiner besten Freunde festgehalten.

Seto und Jessie werden heiraten! Ich lache glücklich. Besser kann es gar nicht laufen. Das muss ich sofort Mokuba erzählen und Roland und Jessies Eltern und…

…vielleicht halte ich doch besser meine Klappe und überlasse es den beiden. Immerhin habe ich es ja auch geschafft niemandem zu erzählen, dass Seto in diesem Urlaub Jessie um ihre Hand bitten will. Woher ich das wusste? Ich bin Setos bester Freund und ich werde nicht nur der Patenonkel seiner kleinen Tochter, sondern auch sein Trauzeuge! Jetzt muss ich mit bis dahin nur noch eine Begleitung suchen…
 

Bevor ich gehe fange ich Setos Blick auf. Er hat eine Augenbraue in die Höhe gezogen, so als wolle er mich tadeln. Vielleicht hatte ich das auch ein wenig verdient, immerhin war ich ihnen ja heimlich gefolgt. Dann allerdings lächelte er. Er lächelte glücklich und zufrieden. Jessie war das Beste, das ihm je hatte passieren können. Ich wünsche den beiden alles Glück auf der Welt, denn sie haben es sich verdient.

Mal sehen wie die Zukunft wird.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So jetzt wisst ihr als was Joey arbeitet.
und für alle die sehnsüchtig das nächste Kapitel warten...
...geschrieben ist es schon, allerdings komm ich irgendwie mit dem abtippen nicht nach! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ha, habs endlich geschafft das 8. Kapitel abzutippen!!!!
Für alle, die keinen Erdbeerquark kennen: Suuuuuuuper lecker!!!! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe überlegt Marianne und Charles Geschichte parallel mitlaufen zu lassen. Das hieße immer mal wieder Kapitel wie diese. Wenn Interesse besteht sagt bescheid! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit diesem Kapitel hat mein Fanfic nun ganz offiziel ein Eigenleben entwickelt. Ab dem dritten Kapitel hatte ich ihn komplett durchgeplant und eigentlich sollte er auch nur zwanzig Kapitel haben. Jetzt hat er zwanzig und ich habe gerade mal die Hälfte und gerade erst richtig mit der eigentlichen Geschichte begonnen.
Ich danke daher allen Lesern, die treu dabei bleiben. Vielen Dank für eure Kommentare und eure Unterstützung. Ich hoffe ihr findet auch weiterhin Spaß an meinem Geschreibsel und verfolgt mit mir Jessies und Setos Geschichte! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls ihr Interesse habt: Ich habe eine Traumreise nach Atlantis verfasst, also falls ihr eine Fantasiereise machen möchtet. Ich würde mich über Leser freuen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So geschafft!!!
Und was haltet ihr von der Froschunterwäsche? "Kicher"
Wenn man sich unseren angetauten Eisklotz darin vorstellt...
Bis zum nächsten mal! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mmh, jetzt habe ich zwischendurch einfach aufgehört...
jetzt denkt ihr wahrscheinlich wie fies (wenn es euch gefallen hat) oder gott sei dank (wenn es euch nicht gefallen hat)
Dass ich an dieser Stelle nicht weiterschreibe hat zwei Gründe:
1. Haben Jessie und Seto ein recht auf ein bisschen Privatsphäre verdient. Ich meine hey, wer hat schon gerne Zuschauer bei seinen Intimsten Momenten!
2. Ihr wisst sowieso was jetzt passiert.... ("lach") und ich bin mir sicher, dass viele das hier besser schreiben würden als ich! und ganz ehrlich ich will so einen Moment der beiden nicht verhunzen!
Deswegen seid mir nicht böse, aber an dieser Stelle scheuche ich euch alle aus dem Bad der beiden! ;)

Ach ja der Zeitwechsel ist gewollt, ich fand das liest sich im Präsens einfach leichter als im Präteritum! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und habt ihr erraten wers war?
Ihr könnt mir ja eure Vermutungen mitteilen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, jetzt muss ich wieder weiter schreiben, ich bemühe mich, aber in der Schule haben wir momentan so viel Stress, dass ich leider nichts versprechen kann!
Bis Bald Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wer hat mit diesem Täter gerechnet? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So das wars, damit ist "Wie die Zukunft wird" abgeschlossen.
Ich hoffe ihr hattet alle Spaß am Lesen und habt vielleicht auch Interesse, wenn ich eine Fortsetzung schreibe, bei der dann Joey im Mittelpunkt steht, aber das weiß ich noch nicht sicher, kommt drauf an, wie viel Zeit und Lust ich habe!

Aber an dieser Stelle möchte ich erst einmal allen Kommischreibern und Lesern danken. Ich habe mich über eure Unterstützung immer sehr gefreut! Eure kateling Komplett anzeigen

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Von:  Roxi_13
2014-10-12T16:32:15+00:00 12.10.2014 18:32
Uch bin vegeistert von diesem ende
ich freue mich für seto und jessica das sie heiraten unde ein kind bekommen werden
ausereem hoffe ich das du witercso gute feschichten schreiben wirst
mach weiter so

Lg
Roxi_13
Antwort von:  kateling
12.10.2014 18:51
Dankeschön:-)
Von:  fahnm
2014-10-11T21:51:28+00:00 11.10.2014 23:51
Ein Schönes Ende^^
Antwort von:  kateling
12.10.2014 18:52
Danke:-)
Von:  fahnm
2014-10-11T21:46:28+00:00 11.10.2014 23:46
Spitzen Kapi^^
Von:  fahnm
2014-10-11T21:46:07+00:00 11.10.2014 23:46
Super Kapi^^
Von:  Lunata79
2014-10-11T15:49:40+00:00 11.10.2014 17:49
Schönes Ende.
Dieses Kapitel aus Joeys Sicht finde ich eine gute Idee, auch wenn ich zu Beginn nicht gleich drauf gekommen bin, habe ich es mir dennoch fast gedacht.
Eine Fortsetzung wäre mir auf jeden Fall recht. ^^
Mich würde nämlich auch interessieren, ob Joey eine Begleitung für die Hochzeit, und oder jemanden fürs Leben, findet. Muss ja nicht unbedingt Mai sein. Denn wenn ich ehrlich bin, passt die nicht wirklich zu unserem Joey. Erstens zu alt, zweitens zu eingebildet und zickig. Fast hätte ich nur kratzbürstig geschrieben. Und sie hat nicht unbedingt mit Joey etwas gemein oder ergänzt sich mit ihm. *mit schulter zuck*
Wäre auf jeden Fall ein Anreiz, mitzuerleben, wie sich das Leben von Joey und Seto mit Jessie und deren Tochter entwickelt.

Lg
Lunata79
Antwort von:  kateling
12.10.2014 18:51
Danke ;)
Und ich denke, dass ich auch für Joey einen eigenen Charakter als Freundin Erfinder. Also keine Angst, wegen Mai :-)
Von:  Lunata79
2014-10-11T15:27:09+00:00 11.10.2014 17:27
Tolles Kapitel.
Jetzt hat Seto wirklich alles, was er sich je gewünscht hat.

Lg
Lunata79
Von:  Lunata79
2014-10-11T15:12:41+00:00 11.10.2014 17:12
Wow, das ging aber schnell. Joey wurde echt schnell Seto´s 'bester' Freund. XD
Ein Glück, dass die Situation so schnell aufgeklärt werden konnte, durch den Polizist.
Jetzt kann es ja nur noch besser kommen.

Lg
Lunata79
Von:  Atina
2014-10-11T08:57:12+00:00 11.10.2014 10:57
Der Epilog gefällt mir wiederum besser. Nicht böse sein, aber mit Schwangerschaften, wenn man nichts hat (Seto schon, aber sie hat ja keine Ausbildung und nichts), habe ich meine Probleme.
Mir gefällt, dass der Epilog aus Joeys Sicht geschrieben ist. Ich mag Joey. So ein Spin-Off wäre cool - wie findet Joey eine Begleitung für die Hochzeit bzw. fürs Leben. ;-)
Antwort von:  kateling
11.10.2014 13:13
Ich verstehe dich da voll und ganz, aber Jessie ist niemand, die immer nur zuhause bleibt und die Hausfrau spielt. Deswegen wird sie ihren Weg auch mit Kind gehen. Und wenn ich eine Fortsetzung mit Joeys Suche nach der Großen Liebe schreibe erfahrt ihr auch wie es mit Jessie, Seto und ihrer Tochter weitergeht!
Von:  Atina
2014-10-11T08:52:16+00:00 11.10.2014 10:52
Nicht mein Lieblingsende, aber du bist ja schließlich die Schreibende. Wenn es Januar ist und sie im Juli erst den Termin hat, dann ist der dritte Monat noch nicht vorbei... eigentlich wartet man mit der Bekanntgabe diesen Zeitpunkt ab, weil bis dahin schneller Komplikationen auftreten könnten. Ich glaube auch nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt schon ein Geschlecht bestimmen kann, aber sicher bin ich mir nicht. Vielleicht einfach Januar in Februar oder März ändern...
Antwort von:  kateling
11.10.2014 13:09
Also das Kind wurde Mitte Oktober gezeugt, das heißt Ende Januar ist der Dritte Monat vorbei, also der Richtige Zeitpunkt um es bekannt zu geben. Wenn ich mich nicht verrechnet habe;)
Was das Geschlecht angeht, habe ich keine Ahnung ob man das zu diesem Zeitpunkt schon bestimmen kann, von daher kann die szene natürlich auch einen Monat später spielen.

Und was die Angelegenheit betrifft, dass Jessie so jung schwanger wird, ohne Ausbildung oder so...
...eigentlich bin ich auch dagegen so früh Kinder zu bekommen, aber manchmal kann man das nicht bestimmen und ich denke Seto hat auch mal verdient, seine Wünsche erfüllt zu bekommen! Nachdem ich ihn über ein Jahr gequält habe :-P
Antwort von:  Atina
11.10.2014 14:42
Ah okay. Dann hab ich einfach nen falschen Monat im Kopf gehabt. Irgendwie dachte ich an November...
Von:  Atina
2014-10-11T08:45:22+00:00 11.10.2014 10:45
Also, ich nicht. :-D
Das mit der Sprengung des Büros hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm... ist eben doch schon ein Jahr, seit die Story läuft. ^^
Antwort von:  kateling
11.10.2014 13:02
Ja, da hast du recht! Ist wahrscheinlich klarer, wenn man alles am Stück ließt unddd nicht über so lange Zeit stückelt.
In der Geschichte sind da ja nur knapp zwei Monate dazwischen.


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