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Canis Lupus

von

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Prolog

Schnell und lautlos bewegten sich etwa zwei Dutzend Gestalten durch den Wald, waren nur schemenhaft zu erkennen. Das Ziel der Gruppe war nicht mehr weit entfernt, der beißende Gestank von Feuer und Rauch reizte bereits ihre empfindsamen Nasen.

Das Ziel des Inu no Taisho und seinen Begleitern war das Anwesen eines seiner Feudalherren. Yasuo hatte ihnen über einen Boten die Botschaft zukommen lassen, dass er einen Angriff der RyoYoukai fürchtete – und er hatte recht behalten.

Schräg hinter seinem verehrten Vater lief der Prinz des Westens, Sesshomaru. Er war nicht aus Sorge um die anderen Inus mitgekommen – lediglich die Aussicht auf einen guten Kampf, der all seine Stärke und sein Geschick fordern würde, trieb ihn dazu an, seinem Vater zu folgen.

Der Inu no Taisho hatte indessen andere Beweggründe als sein Sohn. Zum einen handelte es sich bei Yasuo um einen langjährigen, treuen Untergebenen von ihm und zum anderen hatte dessen Gemahlin Matsu vor wenigen Tagen einer Tochter das Leben geschenkt, was diese zu einem leichten Ziel machte.

In der Ferne kam derweil endlich das weitläufige Anwesen in Sicht.

Von den Mauern war nichts mehr vorhanden, das Gebäude brannte lichterloh.

Langsamer geworden näherten sie sich, suchten mit ihren Augen die Umgebung nach Feinden ab, während sich der Himmel langsam abendlich rot färbte.

Es waren keine Drachen mehr da, nur die brennenden Überreste, die Spuren des Kampfes und die Leichen der Inus.

„Sucht nach Überlebenden.“

Fürst Taro hatte kaum Hoffnung, hier noch etwas Lebendiges zu finden, dennoch sah er es als seine Pflicht an, es zumindest zu versuchen.

Seine Männer verteilten sich, machten dabei einen Bogen um die Flammen.

Im Gegensatz zu den Kriegern zog es Taro augenblicklich zu den Flammen hin, einem Gefühl folgend sprang er in die Luft, verschaffte sich einen Überblick und flog dann auf die andere Seite. Genauer gesagt auf die Rückseite des Ortes, der früher einmal die Gemächer der Familie seines alten Weggefährten beherbergte.

Wieder mit festem Boden unter den Füßen sah er sich um – entdeckte hinter einem halb herabgefallenen Balken ein schwaches, bläuliches Glimmen zwischen den Flammen.

Aufmerksam näherte er sich der Stelle, alle Sinne zum Zerreißen gespannt, um einer möglichen Falle zu entgehen.

Was er dann aber sah, ließ Schmerz und Trauer über das ernste Gesicht des kampferprobten Mannes huschen.

Neben dem winzigen Bannkreis lag das, was wohl von Matsu übrig war. Denn hinge dort nicht der Hauch ihres Geruches in der Luft, er würde die verkohlte Leiche nicht dieser schönen, stolzen Frau zuordnen können.

Viel interessanter und wichtiger war aber, was neben ihr, beschützt von dem Bannkreis, auf dem Boden lag.

Den Flammen keine große Beachtung schenkend hielt er sich einen Arm vor Mund und Nase, ging näher heran.

Dort, beschützt von dem Bannkreis, den die Mutter wohl im Moment ihres Todes noch über ihr Kind legte, befand sich das kleine Mädchen, dass vor wenigen Tagen geboren wurde.

Mit seiner freien Hand berührte der Youkai den Bannkreis, der kurz aufleuchtete und sich dann auflöste. Schnell nahm er den Welpen an sich und verließ diesen Ort, um sich und das Junge nicht länger als nötig den zahlreichen Gefahren eines brennenden Schlosses auszusetzen.
 

Zurück an der frischen Luft sah er die kleine Waise in seinen Armen an. Was sollte er jetzt mit ihr machen?

Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als seine scharfen Augen eine Bewegung, ganz in seiner Nähe ausmachten. Einer seiner Männer hatte das Gebäude umrundet und kam gerade um die Ecke „Mein Herr, es gibt keine Überlebenden.“

„Geh zurück zu den anderen. Wartet, bis ich zurück bin.“

Der andere Mann nickte und verschwand.

Taro hatte indes eine folgenschwere Entscheidung gefällt.

Schützend wickelte er das Junge in sein Schulterfell und rannte so schnell ihn seine Beine trugen los, er hatte ein gutes Stück zu laufen und wenig Zeit. Auf seinem Schloss gab es keine mögliche Amme, aber das Mädchen brauchte eine. Wenn sie nicht in wenigen Stunden Muttermilch bekam, würde das Kind in Gefahr schweben.

In einer ebensolchen Gefahr, wie wenn bekannt wurde, dass sie überlebt hatte.

Ihm fiel nur eine Person ein, die ihm helfen konnte und so wandte er sich in die Richtung ihres Berges, all seine Hoffnungen auf die alte Youkai setzend.

Taka.
 

Als er Stunden später ohne Welpen zu seinen Männern stieß, war es längst Nacht.

Taro gab den Befehl zum Aufbruch, zurück zum eigenen Schloss. Ein Krieg mit den Drachen war bereits vor diesem Angriff absehbar gewesen, aber nun garantiert.

Seine Männer eilten voran, doch er verharrte noch einen Moment, blickte auf die Ruine, in der an manchen Stellen noch Glutnester vor sich hin glommen. „Ayumi ist in Sicherheit, deiner Tochter wird es gut gehen, Matsu…“

Sesshomaru, der ein paar Meter entfernt stand und auf seinen Vater wartete, bekam die gemurmelten Worte vom Wind zugetragen, verstand deren Sinn jedoch nicht.
 

Sieben Jahre später sollte erst der finale Kampf stattfinden, indem die Ryos endgültig besiegt wurden. Nach diesem letzten, großen Kampf kam Taro in den Flammen eines zerstörten Schlosses ums Leben, als er seinen jüngeren Sohn InuYasha und dessen Mutter rettete.

Das Versprechen, welches er Taka gab, hatte er nicht halten können.
 

~ 210 Jahre später ~
 

Erhobenen Hauptes saß die stolze Wölfin auf einem Felsen, den Blick hoch auf den Sternenhimmel gerichtet, von dem aus der Vollmond herab schien.

Ihr Fels befand sich an der Spitze eines kleinen, steinigen Berges, der von Höhlen durchzogen war. Unter ihr, entlang des steinigen Hanges, befand sich ihr Clan und immer wieder erhob einer der silbernen, weißen oder grauen Wölfe seine Stimme und andere fielen mit ein. So besangen sie gemeinsam den Mond. Sie, das Rudel der Silberwölfe.

Ein stolzes Rudel waren sie, die auch die Schwächeren unter ihnen wandeln ließen. Ihr Rudel hatte alles zu bieten, einfache Wölfe, die nicht viel mehr Verstand hatten als das Wild, welches sie jagten – aber auch stolze WolfsYoukai, die ihre Gestalt wechseln konnten.

Doch nur wenige hatten je ihre menschliche Form angenommen, denn sie bevorzugten wie ihre ‚Mutter‘ – sie war natürlich nicht von allen die leibliche Mutter, aber das war unwichtig – die Wolfsgestalt.

Auch die Leitwölfin warf den Kopf in den Nacken und stimmte in den Gesang ihrer ‚Kinder‘ ein.

Heute war eine dieser Nächte, in denen sie alle beisammensaßen, ausnahmslos, jedes Mitglied ihres Rudels war anwesend. Sie liebte diese Abende, wenn sie ihren ganzen Clan um sich hatte – wenn sie alle eins waren.

Dann, so schien es ihr, waren auch die Geister der Verstorbenen anwesend, standen ihren Verbliebenen bei. Auch ihr verehrter Gatte schien dann wieder an ihrer Seite zu sein, und ihr Halt zu geben.

Beistand konnten sie gut gebrauchen, ihr Revier war Niemandsland, gehörte keinem der zwei Fürstentümer an, zwischen denen es lag – hart umkämpftes Land, dass die Wölfe sich nicht nehmen ließen und regelmäßig verteidigten.

Ihre Stimme ebbte ab und mit ihren weißen Augen wanderte ihr Blick über ihre Schar, blieb an einer ihrer Töchter hängen. Ihr Mädchen fiel zwischen ihren Brüdern und Schwestern sofort auf, mit ihrem sattem, rotbraunem Fell und ihren grünen Augen.

Sofern es ihr in dieser Gestalt möglich war, seufzte die alte Wölfin.

Ihr Mädchen!

Dort unten saß eine erwachsene Frau, eine kräftige Wölfin! – Im selben Moment schnaufte sie abfällig über sich selbst. So weit war es also schon gekommen, selbst sie vergaß in Gedanken, dass das Mädchen nicht auf ewig hier bleiben und so leben konnte!

Links von ihr gab es Bewegungen und drei braune Wölfe näherten sich ihr, die Routen ebenso wie die Köpfe ehrfurchtsvoll eingezogen.

Stumm lauschte sie den Berichten und bedankte sich bei den Boten der drei Rudel, die ihr die gewünschten Informationen beschafften und zutrugen. Ebenso unauffällig, wie die Wölfe gekommen waren, verschwanden sie wieder, liefen den Hang hinab in den umliegenden Wald – verließen auf dem schnellsten Weg das Revier der Silberwölfe.

Die weißen Augen wanderten wieder zu ihrem Problemkind, welches nicht im Geringsten ahnte, dass sie dies für ihre Mutter war.

Bald würde sie ihre Kleine losschicken. Es musste sein, so sehr es sie auch schmerzte. Es war an der Zeit, sie musste handeln.

Unwillig schüttelte sich die Wolfsmutter, warf den Kopf in den Nacken und heulte auf.
 

Matsu = Der Kieferbaum

Yasuo = das Ruhige

Taka = Hoch, achtbar

Ayumi = die ihren Weg geht

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

(saubere Version)

Nachdenklich saß die Wölfin am Eingang einer der zahlreichen, kleinen Höhlen. Von dort aus sah sie gen Osten, verfolgte, wie sich der Himmel langsam verfärbte und der Morgen die Nacht verdrängte.

Wie für einen Wolf üblich trug sie in ihrer menschlichen Gestalt Felle am Körper, die das nötigste bedeckten – natürlich alle silbern, immerhin gehörte sie zum Rudel der Silberwölfe.

Dass sie im Gegensatz zu ihren Brüdern und Schwestern ihre zweibeinige Gestalt bevorzugte, war nicht der einzige Punkt, indem sie sich voneinander unterschieden – denn ihr Aussehen wollte nicht so ganz zu dem ihrer Familie passen. Ihr Haar, welches knapp bis an ihre Schultern reichte, war rotbraun, was eher selten war für einen Wolf ihres Rudels. Ebenso wie der smaragdgrüne Ton ihrer Augen, der sich deutlich von dem blau, grau oder weiß, der anderen abhob. Und sie war auch die Einzige mit Dämonenmalen, die silbrigen, gezackten Streifen auf ihren Wangen waren in dieser Gestalt nicht zu übersehen.

Doch kümmern tat sie dies nicht und auch ihr Rudel scherte sich nicht darum.

Hinter ihr in der Höhle erklang ein Schnarchen und mit hochgezogener Augenbraue drehte sie den Kopf, sah sich den Kitsuné an, mit dem sie die letzte Nacht verbracht hatte. Als Liebhaber war er noch ganz in Ordnung, aber schnarchen? Der Junge kam ihr nicht mehr in die Höhle!

Einer der weißen Wölfe kam auf sie zugelaufen und ignorierte den Fuchs gekonnt – wenn sie in diesem Rudel eines konnten, dann wegsehen, wenn irgendwer seinen Spaß hatte. Wäre der Mann dort in der Höhle nicht ihre Vergnügung für die Nacht gewesen, hätten die Wölfe ihn längst von ihrem Berg vertrieben. So aber durfte er noch etwas verweilen, bevor er seine Beine in die Hand nehmen und von ihrem Berg verschwinden musste.

„Schwester, unsere Mutter erwartet dich an ihrem Felsen.“

„Danke, Bruder. Schaffst du den bitte hier raus?“, sie deutete mit dem Daumen nach hinten, zu dem Kitsuné, denn so, wie es aussah, würde der noch eine Weile schlafen und sie hatte nicht vor, ihn noch den halben Tag dort ruhen zu lassen. Wie sah das denn aus? Dass auch ausgerechnet sie sich so eine Schlafmütze aufs Lager holen musste! Wenn der da noch eine Weile lag und schnarchte, war sie das Gesprächsthema schlechthin – etwas, worauf sie keine Lust hatte.

Der Wolf nickte zu ihrer Erleichterung und sie erhob sich, lief leichtfüßig den Hang hinauf, vorbei an ihren Brüdern und Schwestern, grüßte ab und an einen und verzog bei der Frage, ob sie den Fuchs weiter empfahl, vielsagend das Gesicht.
 

Oben angekommen verlangsamte sie ihre Schritte, beugte etwas den Kopf und erwies ihrer verehrten Mutter den nötigen Respekt, den sie als Leitwölfin verdiente.

Taka – wie man es nicht anders von ihr kannte, in Wolfsgestalt – lag auf dem Felsen und hatte ebenfalls den Sonnenaufgang beobachtet. Jetzt aber richtete sie ihr Augenmerk auf die jüngere Youkai. „Tochter, ich habe einen Auftrag für dich, der sehr wichtig ist!“

Sie, die sich mittlerweile vor der Älteren hingekniet hatte, erwiderte ohne zu zögern: „Alles, was du verlangst, Mutter!“

Die Leitwölfin hatte nichts anderes erwartet und fuhr fort: „Dein Vater ist bereits bei diesen vermaledeiten Kämpfen gefallen. Wir müssen dem ein Ende setzen, haben wir auf der einen Seite doch die Hunde des Westens, die uns zwar nicht ständig angreifen, aber auch nicht unsere Verbündeten sind und auf der anderen die verdammten Katzen, die uns nicht in Ruhe lassen.“

Allen im Rudel war dieser Umstand bekannt, also nickte die Tochter als Zeichen, dass sie ihrer Mutter zustimmte.

„Unser Rudel braucht jeden Kämpfer hier und einen unserer weniger dämonischen Verwandten“, damit waren die fast normalen Wölfe gemeint „möchte ich der Gefahr einer Reise nicht aussetzen. Daher schicke ich dich, mein geliebtes Kind. Du bist stark, du kommst alleine klar. Suche den jungen Fürsten, der den Westen regiert, und führe ihn zu mir, ich will mit ihm sprechen. Er reist ständig umher, du musst ihn also suchen. Von anderen Rudeln weiß ich, dass Sesshomaru in Begleitung eines Kappas und eines zweiköpfigen Drachen reist und zuletzt weit im Norden gesichtet wurde. Mehr Informationen kann ich dir nicht geben, um deine Suche zu vereinfachen. Laufe schnell, aber sei wachsam. Dort draußen lauern viele Gefahren und verlasse dich nicht darauf, dass dir jemand helfen wird, egal ob Wolf oder nicht.“

Entschlossen nickte die auf dem Boden kniende Youkai. Ihre Mutter vertraute ihr diese wichtige Mission an, dies war eine große Ehre für die Frau. Stolz erfüllte sie, dass die Leitwölfin ihr diese Aufgabe zuteilte und ihr damit großes Vertrauen bewies. „Ich werde dich nicht enttäuschen, Mutter!“

Der Blick Takas wurde weicher, sie erhob sich, sprang von dem Felsen und blieb direkt vor ihrem Sorgenkind stehen. „Ich weiß, Ayu. Gib gut auf dich acht.“ Mit ihrer Schnauze stieß sie die Stirn ihrer Tochter an.

Es würde das erste Mal sein, dass die junge Frau den Wald ihrer Heimat, das Revier ihres Rudels verließ. Ayus Arme schlangen sich um den Hals der großen Wölfin, ihre Finger klammerten sich in das weiche und dennoch robuste Fell „Ich komme wieder Mutter, versprochen!“
 

Eine Stunde später atmete Ayu tief durch, sah kurz nach hinten, wo zwei ihrer Schwestern standen – sie hatten sie bis zur Grenze ihres Reviers begleitet. Vom Rest des Rudels hatte sie sich bereits verabschiedet.

Jetzt war der Moment gekommen. Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie ganz auf sich alleine gestellt sein. Kein Rudel, das sie umsorgte und ihr half. Doch sie hatte keine Angst, denn sie war jung und stark und hatte wie jedes Mitglied des Rudels, die gute Ausbildung Takas genossen.

Sie war der Welt dort draußen gewachsen!

Damit lief Ayu los, auf in eine Welt, die ihr noch vollkommen fremd war.
 

Ayus Reise zog sich dahin und jeden Tag entdeckte sie etwas Neues, dass sie noch nie zuvor gesehen hatte – seien es Reisfelder, die Menschen die darauf arbeiteten, ihre Hütten oder andere ihrer Errungenschaften.

Die Neugier der jungen Youkai brachte sie dazu, sich allem ihr Unbekanntem zu nähern, sich anzuschleichen und es einer genauen Musterung zu unterziehen.

Im Stillen wunderte sie sich über die stumpfen Sinne der Menschen, denn diese bemerkten sie nie. Natürlich hatte man ihr gesagt, wie unterentwickelt diese Spezies war, aber es mit eigenen Augen zu sehen war eine neue Erfahrung…

Bei anderen Youkai lagen die Dinge schwieriger, aber sie schaffte es, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, auch wenn es teilweise verdammt eng war.

Regelmäßig lief sie ein Stück im Wasser, um ihre Spur zu verfälschen – den Rat hatte ihr eine ihrer älteren Schwestern gegeben, die einmal das Rudel verlassen hatte, um sich einem anderen anzuschließen. Dort hatte sie es aber nicht lange ausgehalten und war zurückgekehrt, hatte den Jüngeren so einiges von der Welt außerhalb ihres Gebietes erzählt. Von diesem Wissen konnte Ayu jetzt profitieren.

Des Nachts jedoch saß sie oft irgendwo auf einem Felsen, der sie an ihre geliebte Mutter erinnerte, und blickte zum Himmel. Sie vermisste ihr Rudel, die Gesellschaft ihrer Familie … und die eines Mannes.

Das wäre in diesen Momenten genau die richtige Ablenkung und auch sie war nur eine Frau mit Bedürfnissen, aber wie lagen die Dinge außerhalb ihres Waldes? Dort kannte sie sich aus, wusste, an welche Orte sie sich zurückziehen konnte und hatte die Gewissheit, sollte sie in Bedrängnis kommen, wäre ihr Rudel nicht weit und würde ihr helfen.
 

Traurig seufzte Ayu auf, denn selbst nach sechs Wochen fehlte jede Spur von dem DaiYoukai.

Wie es ihrem Rudel ging? Hatte es während ihrer Abwesenheit weitere Verluste gegeben?

Mit einem Knurren stand sie auf. Nicht noch eine Nacht wollte sie sich selbst mit diesen und anderen Fragen quälen!

Ihre Klauen bohrten sich in ihr eigenes Fleisch, als sie die Hände zu Fäusten ballte und fest zudrückte.

So allein.

Blut tropfte auf das Gras unter ihren Füßen.

Sie stand mitten im Wald, hatte nur eine grobe Ahnung davon, wo sie sich befand. Irgendwo an der nördlichen Grenze des Westens? Gut möglich aber auch egal.

Das einsame Herumstreunen machte sie noch wahnsinnig!

Missmutig hob sie beide Hände vor sich. Toll gemacht, ihr Blut war sicherlich sieben Meilen gegen den Wind zu riechen!

Aber war sie nicht erst vor Kurzem an einem Fluss vorbei gekommen? Denn Wasser brauchte sie, um den Blutgeruch loszuwerden und ein kaltes Bad würde ihr helfen, ihre Gedanken zu klären.

Guter Dinge wandte sie sich um, wollte zurück in die Richtung, in der sie irgendwo das kühle Nass vermutete.

Links von ihr raschelte es und sogleich fuhr ihr Körper herum, automatisch beugte sie die Knie, bereit sofort anzugreifen oder wegzulaufen.

Aus den Büschen heraus rannte ein hochgewachsener Stierdämon mit gefährlich langen Hörnern am Kopf. Seine irren, roten Augen fixierten Ayu und er stieß ein bedrohliches Schnauben aus. „Verdammter Wolf!“

Mit einem Sprung nach links wich sie aus. Schon wieder hatte ihr Wolfsgeruch einen Youkai zu ihr gelockt und dieses Mal hatte sie nicht das Glück gehabt, ein Aufeinandertreffen vermeiden zu können. Ihre Gedanken machten sie zu unaufmerksam für ihre Umgebung – etwas, wofür sie sich ohrfeigen könnte!

Von einem Knurren begleitet sprang die Braunhaarige auf den Angreifer zu, die Klauen nach vorn gestreckt, streifte aber nur seinen Arm.

Wie zwei Tänzer umrundeten sie sich, trafen aufeinander, nur um sich wieder zu trennen.

Ayu war mies gelaunt. Verdammt mies. Man könnte meinen, dass ein Kampf genau das Richtige für sie war, um sich abzureagieren, doch das Gegenteil war der Fall.

Mit den verdammten Hörnern am Kopf ihres Gegners war nicht zu spaßen, und wenn sie eine seiner Fäuste traf, wären ihre Rippen wohl Matsch – all das waren gute Gründe, nichts zu riskieren und zogen den Kampf in die Länge.

Irgendwie schaffte sie es schließlich, hinter den anderen Youkai zu kommen, sprang auf seinen Rücken und riss ihm mit ihren Krallen die Kehle auf.

Schnell löste sie sich von dem toten Körper und sah an sich herab … ein nicht allzu tiefer Kratzer am Oberschenkel, als sie eines der Hörner streifte, ansonsten ein paar blaue Flecken, die bald verheilt wären.

In dieser Hinsicht hatte sie also Glück gehabt, aber sonst… Jetzt brauchte sie dringend ein Bad, musste den Gestank von Blut und Stier loswerden! Ihre Felle würde sie wohl oder übel richtig durchwaschen müssen, um möglichst viel Wolfsgeruch loszuwerden, immerhin schien dieser den anderen Youkai überhaupt erst zu ihr geführt zu haben.

Genervt blies sie sich eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht und stapfte Richtung Fluss.
 

Am Ziel angekommen sah sie sich um, suchte nach unerwünschten Gästen, konnte aber niemanden ausmachen.

Die Bäume standen keine drei Meter von dem seichten, klaren Fluss mit dem Steinbett entfernt und boten Deckung. Ein guter Ort.

Gezwungenermaßen entledigte sie sich ihrer Felle, ging mit ihnen auf dem Arm ins Wasser, das ihr an der tiefsten Stelle gerade bis zum Bauchnabel reichte und tauchte als Erstes komplett unter.

Herrlich erfrischend streichelte die leichte Strömung des Wassers ihre Haut, die Kälte nahm Ayu nur am Rande wahr, machte ihr als Youkai so etwas doch wenig aus.
 

Fein säuberlich reinigte sie ihre Felle, roch immer wieder daran und legte diese, als sie zufrieden war, ans Ufer zum trocknen, blieb aber selbst noch im Wasser, um ihren Körper zu reinigen.

Ohne dass die Braunhaarige es merkte, verbrachte sie über eine Stunde im Wasser.

Kauerte sich irgendwann unweit des Ufers und ihrer Kleidung zusammen, schlang die Arme um ihren Körper – das Wasser reichte ihr trotz dieser Position kaum über die Brust.

Nicht weil sie fror, nahm sie diese Position ein, sondern einfach weil sie so alleine war. Was würde sie dafür geben, jetzt diesen Schnarchsack von Fuchs hier zu haben! Wenigstens etwas Gesellschaft!

Das Gefühl von Einsamkeit überrollte sie so stark wie noch nie in diesen Wochen.

Ihr Kopf ruckte hoch, ihre grünen Irden versuchten etwas im Dunkel zwischen den Bäumen auszumachen. Da war jemand, ganz sicher!
 

Sesshomaru hob den Kopf, sog prüfend die Luft ein.

Diese Handlung blieb von seinen Reisegefährten unbemerkt – der Kappa schlief ebenso tief und fest wie der Drache, an dessen Körper er lehnte, gelegentlich war auch deutlich das Schnarchen des kleinen Youkai zu vernehmen.

Es roch nach Wolf, Stierblut und … Hundeblut? Hundeblut ohne Hund?!

Das weckte nun doch sein Interesse und er erhob sich von seinem Platz an einem Baum, glitt lautlos durch die Nacht.

Es dauerte nicht lange und er fand einen frisch-toten Stierdämon mit zerfetzter Kehle. Eine Tötungsmethode, die typisch für Wölfe war, dennoch lag neben dem Wolfsgeruch klar der Blutgeruch eines Inus in der Luft.

Er folgte also dieser Spur und erreichte schließlich den seichten Fluss, an dem Jaken sich am Abend noch Fisch fing.

Aus den Schatten der Bäume heraus beobachtete er die nackte Frau im Wasser, die sich gerade Blut von der Haut wusch. Ohne etwas dagegen tun zu können – und zu wollen – erregte es den DaiYoukai, wie die Frau mit ihren Händen über ihren trainierten Körper mit den dennoch weiblichen Kurven strich.

Wolf konnte er kaum noch riechen, stattdessen roch es eindeutig nach nassem Hund.

Kurz konnte er einen Blick auf ihr vom Mondlicht beschienenes Gesicht werfen – diese Augen kamen ihm bekannt vor, ebenso wie die Gesichtszüge und die Streifen. Aber er war sich sicher, dieser kurzhaarigen Hündin bisher nicht begegnet zu sein. Also an wen erinnerte sie ihn?

Die Frau selbst war in der Zwischenzeit damit fertig, ihren Körper zu reinigen und kauerte sich immer mehr zusammen, als ob es ihr nicht gut gehen würde.

Plötzlich drehte sie das Gesicht in seine Richtung, die klaren, smaragdenen Augen suchten eindeutig jemanden – ihn.

„Wer da?!“

Er hatte mit Angst oder zumindest Unsicherheit gerechnet, stattdessen hörte er nur eine schlecht gelaunte Frau, die sich über die Störung ihres Bades ärgerte.

Selbstbewusst – und das, obwohl sie komplett nackt war! – erhob sie sich, stemmte ihre beiden Hände in die Hüften und kümmerte sich keinen Deut darum, dass er einfach ALLES an ihrem Körper sehen konnte.
 

Mit dem Geruch nach Inu in der Nase war sich Ayu ganz sicher – sie wurde beobachtet. Und bei ihrer Unachtsamkeit bestimmt nicht erst seit gerade eben. Also hatte der unerwünschte Besuch eh schon alles an ihr gesehen – einfach wunderbar! Sie saß hier nackt im Wasser und ein Hund sah ihr zu!

Sie machte keinen Hehl daraus, wie sehr sie dies störte, und bellte ein „Wer da?!“ in den Wald.

Da der oder die Fremde eh schon mehr gesehen hatte, als er sollte, konnte sie auch aufstehen und klarmachen, wie unerwünscht er war – also tat sie genau das und ging in die typische Haltung, die sie sonst einnahm, wenn sie mit einem Welpen schimpfte.
 

Das Weib war entweder verdammt dumm oder mutig. Ein netter Zeitvertreib, entschied er und allemal besser als Jakens Geschnarche.

Daher trat er vor, damit sie ihn sehen konnte, sagte nichts sondern wartete ab, wie die Dame darauf reagierte.
 

Die blinzelte etwas und musterte den ungebetenen Gast. Gut und vor allem gefährlich aussehender Inu. Das silberne Haar erinnerte sie an ihre Familie, ein Pluspunkt für den Kerl, hatte er doch etwas, das ihr vertraut war in dieser fremden Welt.

Faszinierend hingegen befand sie die kühlen, goldenen Augen, in denen ein leichter Schimmer lag…

Leider trug er eine Rüstung am Körper, sodass sie nicht abschätzen konnte, wie er gebaut war.

Wirklich Schade.

Als Gefahr stufte sie ihn derzeit nicht ein, so viel war sicher, immerhin konnte sie längst tot sein, läge dies in seinem Interesse.
 

Noch immer konnte Sesshomaru keine Spur von Furcht an ihr wahrnehmen, stattdessen fühlte er sich so, als ob er derjenige war, der hier unbekleidet stand und unter die Lupe genommen wurde und nicht umgekehrt.

Abermals keimte in dem Fürsten das Gefühl auf, dass er sie irgendwoher kannte, diese stolz funkelnden, grünen Irden…

„Ich möchte ja nicht meckern, aber hast du noch anderes zu tun als Frauen beim Baden zu beobachten? Wenn ja, dann würd ich mich darum kümmern!“

Woher kam sie ihm bekannt vor? Es ließ ihn einfach nicht los! Er kannte sie!

Da von ihm immer noch keine Antwort kam, stapfte sie auf und bei der Bewegung wippten ihre Brüste auf und ab „Halloho?!“

Unwillkürlich war sein Blick unterhalb ihres Schlüsselbeins haften geblieben. Alles an der Frau war gerade eine Einladung für ihn, stellte er ganz nebenbei fest.

So langsam schien es ihr zu bunt zu werden, da einfach nichts von ihm kam, denn sie plusterte die Backen auf und meinte entnervt: „Junge, entscheide dich, ich hab noch was vor. Willste jetzt was von mir oder nicht?“

Ihre direkte Frage brachte ihn dazu, wieder in diese ihm bekannten Augen zu sehen „Wie kommst du darauf, dass ich Interesse an dir habe.“

Beim Klang seiner Stimme musste Ayu einen Schauder unterdrücken – verdammt heiß der Kerl, ein ganz anderes Kaliber als das, was ihren Wald durchquerte. Kalt, gefährlich und sich dessen auch noch bewusst!

„Nun, dich hat keiner gezwungen, hier zu bleiben und mich anzustarren! Dir gefällt also, was ich zu bieten habe!“, immerhin war auch sie sich ihrer Reize bewusst – und der Hund war genau das, was sie gerade brauchte: Ablenkung!

Tatsächlich spielte Sesshomaru mit dem Gedanken, sich etwas mit der Youkai zu vergnügen – aber wer konnte sagen, dass sie danach nicht wie eine Klette an ihm hängen würde? Obwohl sich dieses Problem auch schnell beseitigen ließe… Sein Blick wanderte an ihrem Hals hinab. Ob die Haut so weich war, wie sie aussah?

„Zwei Dinge. Es gibt keine Verbindlichkeiten, nichts! Auch keine Namen! Zweitens: kein Küssen.“

Das waren Ayus Regeln, wer sich nicht daran hielt, konnte gehen.

Ihre ‚Forderungen‘ fanden bei dem Mann derweil nur Zustimmung – so stellte er sich das auch vor. Ein knappes Nicken war daher die Antwort.

Ziemlich sicher in dem, was sie tat, verließ Ayu das Wasser und blieb erst knapp vor ihm stehen, sie war lediglich einen halben Kopf kleiner als er. „Lass mich dir helfen“, hauchte sie ihm ins Ohr, während Ayu mit schnellen Handgriffen, die verrieten, dass sie nicht zum ersten Mal mit einer Rüstung in Berührung kam, diese löse und auf den Boden legte – ihrem gemächlichen Tempo nach hatte sie keinerlei Probleme mit dem Gewicht.

Etwas, das er bei einer Frau selten vorfand.

Sein Schulterfell gesellte sich zur Rüstung am Boden.

Weiter würde er ihr die Führung aber nicht überlassen und innerhalb eines Wimpernschlags fand sie sich mit dem Rücken an einem Baum wieder, die Zunge des Mannes leckte an ihrem Schlüsselbein entlang das Wasser von ihrer, wie vermutet, samtweichen Haut...
 

Irgendwann als die Sonne aufging, hatten sie genug und beschlossen wortlos sich nun zu trennen, damit jeder wieder seiner eigenen Wege gehen konnte.

Sesshomaru zog sich an und wollte als Letztes seine Rüstung anlegen, als sein Blick auf die Braunhaarige fiel, die bereits komplett angekleidet an einem Baum lehnte und ihm augenscheinlich amüsiert zusah.

Ihre paar Felle waren eben deutlich einfacher und schneller anzuziehen – und waren alle an einem Ort gelegen. Ayu hatte also in aller Ruhe beobachten können, wie der Mann sich seine Kleider zusammensuchen musste.

Wolfskleidung?! War der erste Gedanke, der Sesshomaru durch den Kopf schoss. Sie war ganz sicher eine Hündin, warum war sie aber wie ein Wolf gekleidet?

Von weiter oben am Fluss wehte Jakens nervige Stimme heran, als dieser seinen Herrn suchte.

„Sesshomaru-sama!“

Das war für die beiden Youkai ganz klar zu verstehen und Ayu wurde hellhörig.

„Bitte sag jetzt nicht, du bist DER Sesshomaru?!“

Eine Augenbraue des Silberhaarigen wanderte in die Höhe und war Antwort genug.

Sich innerlich über den abrupten Wandel bei dem Weibchen wundernd beobachtete Sesshomaru – während er seine Rüstung anlegte – wie sie ihn erst geschockt ansah und leichenblass wurde, bevor das Blut wieder in ihren Kopf schoss und sie knallrot werden ließ.

„Oh Kami! Das … das …!“

Von der selbstsicheren Youkai war gerade nur sehr wenig zu sehen, fast schon hysterisch griff sie sich mit beiden Klauen ins Haar, jammerte und fluchte.

Jaken hatte ihn nun endlich gefunden, brach mit Ah-Uhn im Schlepptau aus einem Gebüsch hervor und strahlte, als er seinen Herrn erblickte „Sesshomaru-sama! Endlich habe ich euch gefunden!“, er schien noch mehr sagen zu wollen, entdeckte nun aber auch die wie wild herumlaufende Frau. „Was ist das für ein Weib?“

Für diese Worte erntete er einen mörderischen Blick von eben diesem ‚Weib‘.

Dass sie ihm nicht eins überzog, das hatte genau zwei Gründe: Zum einen gehörte er zu Sesshomaru und zum anderen hatte er sie zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Mit ihrer beginnenden Panikattacke würde sie eh alles nur noch schlimmer machen. Sie musste sich beruhigen!

Gut. Sie hatte mit dem Herrn der Hunde, den sie eigentlich zu ihrer Mutter bringen sollte, eine verdammt heiße Nacht verbracht, ohne zu wissen, wen sie da vor sich hatte. Hatte sie ihn nicht geduzt?! Bei den Göttern musste ausgerechnet IHR so was passieren?! Das war so … peinlich! Aber immerhin war sie noch am Leben, wenn man bedachte, wie respektlos sie sich verhalten hatte, war das viel wert!

Hastig holte sie mehrere Male tief Luft – räusperte sich schlussendlich. „Ehm, ich würd mal sagen, was bisher geschah vergessen wir ganz schnell…“, sie verbeugte sich vor dem DaiYoukai und sprach dann bemüht sicher und bestimmt: „Ayu vom Rudel der Silberwölfe. Unsere Leitwölfin Taka schickt mich zu Euch. Sie bittet um eine Unterredung, ich soll Euch zu ihr führen.“

So langsam verstand Sesshomaru gar nichts mehr an der Frau vor ihm. Nicht nur, dass sie ihm immer noch so bekannt vorkam, nein die Hündin gehörte auch noch zu Taka?! Wie passte das zusammen? Im Grunde gar nicht!

Er hatte zwar das Gerede seiner Soldaten auf dem Schloss gehört, dass bei den Silberwölfen einer mit braunem Fell herumlief, aber hatte dem bisher nie viel Beachtung geschenkt… Nun, jetzt wusste er, dass da etwas dran war.

„Wie kommst du darauf, dass mein verehrter Herr einfach einer daher gelaufenen Wölfin gehorcht!?“

Jaken unterbrach damit die Gedankengänge seines Herrn und erntete einen weiteren tödlichen Blick seitens der Frau. „Ich glaube dein Herr kann für sich selbst sprechen, Kröte!“

Der Kappa fuchtelte mit seinem Stab herum „Was fällt dir ein, Weib?! Ich bin Jaken, der Diener-“

„Schon klar! Spiel dich nicht so auf, Kleiner! Wenn du nur einen Funken Ahnung hättest, wüsstest du, dass meine verehrte Mutter Taka sehr wohl das Recht hat, eine Unterredung mit einem Fürsten zu fordern!“

Die Nicht-Erwähnung einer Person ließ Sesshomaru hellhörig werden und den beginnenden Streit unterbrechen. „Meiyo.“

Jaken blickte verwirrt zu ihm auf, während Ayu den Blick senkte „Mein geschätzter Vater wurde vor sechs Monden getötet, als er mir half, zwei übermütige Welpen in Sicherheit zu bringen. Mutter führt das Rudel seither alleine an.“

Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie dieser Verlust schmerzte. Doch ihr Vater war nicht der Erste, der getötet wurde und das Rudel versank auch dieses Mal nicht in Trauer – sie kämpften weiter, auf dass ihre Brüder und Schwestern nicht umsonst ihr Leben ließen!

Sesshomaru wandte sich um und schritt voran, hörte wie sich Jaken und Ah-Uhn ebenfalls in Bewegung setzten. Mit etwas Verzögerung folgte auch Ayu, hielt aber ein paar Meter Abstand zu der Dreiergruppe.

Ayu selbst benötigte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass sich der Fürst grob Richtung Süden wandte – offenbar hatte er entschieden, Takas Ruf zu folgen.

An sich war auch nichts anderes zu erwarten gewesen, denn der Wald der Wölfe war für die Hunde des Westens schon immer ein angenehmer Puffer gewesen – das Rudel hielt im Zweifelsfall zu den Artverwandten Inus und nicht zu den Nekos. Sollte dieser wegfallen, wäre die direkte Grenze der Ländereien nicht nur länger, sondern auch unübersichtlicher. Mal davon abgesehen, dass sie dann eines der größten Wolfsrudel Japans umherstreifen hatten, auf der Suche nach einem neuen Revier!

Es lag also in Sesshomarus eigenem Interesse, das Wohl des Rudels im Auge zu behalten, denn nur so lange die Wölfe stark waren, nahmen sie ihm Arbeit ab, statt ihm welche zu bescheren.

Wie Ayu richtig annahm, waren dies die Gründe dafür, dass Sesshomaru sich sogleich auf den Weg zum Revier ihres Rudels machte. Bisher war er nur wenige Male dort gewesen, immer nur am Rand, wo er sich mit Taka oder Meiyo austauschte. Den Wald selbst oder gar ihren Berg hatte er nie betreten.

Daher brauchte er Ayu, um zum Berg zu gelangen, denn dessen genaue Lage war ihm folglich nicht bekannt.

Dies brachte ihn aber auf einen anderen Gedanken. Ayu – was war das für ein Name? Nichts an diesem Weib passte zusammen! Jeder Hund wäre sofort zu tiefst beleidigt, wenn man ihn Wolf nannte, aber sie? Jakens Ausspruch hatte sie in keinster Weise gestört.

Der Stolz, mit dem sie von Taka und Meiyo als ihre Eltern sprach, brachte ihn nicht weiter – die alten Wölfe wurden oft als Eltern bezeichnet, egal ob der Betreffende tatsächlich von ihnen abstammte oder nicht.

Er spürte sie etwa zehn Meter hinter sich, keinerlei Anzeichen von Unruhe waren auszumachen – sie hatte sich gut im Griff, von dem kleinen Ausbruch mal abgesehen.

Hatte er in der Nacht nicht noch befürchtet, dass ihm dieses Weib folgen würde?

Zwar waren die Umstände andere, aber seine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Er nahm jedoch an, dass sie ihn nicht behindern würde – wenn sie zu den Silberwölfen gehörte, hatte sie eine Ausbildung hinter sich, die sich durchaus mit der von seinen Soldaten vergleichen ließ.

Wenigstens etwas, um das er sich keine Gedanken machen musste!

Jedenfalls konnte er die Zeit besser nutzen, als über sinnlose Dinge nachzudenken.
 

Ayu betrachtete eine Weile den Rücken Sesshomarus – erfolgreich darin, zu verdrängen, dass sie wenige Stunden zuvor noch ihre Krallen in eben jenen gebohrt hatte bei einer ihrer wilden Vereinigungen.

Er konnte offenbar einfach ignorieren, was sie getan hatten – also schien es keine Bedeutung für ihn zu haben. Damit konnte auch sie die Sache abschließen.

Innerlich nickte sie sich selbst zu. Sie würde ganz normal sein, ihn mit dem nötigen Respekt behandeln, bis sie zurück bei ihrem Rudel war, wo sich ihre Wege wieder trennen würden. Ganz einfach!

Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Die genaue Lage.“

Es dauerte mehrere Sekunden, bevor sie zwei Dinge verstand – zum einen, dass sie gemeint war, und zum anderen, dass er sich auf das Problem mit den Nekos bezog.

„Schwer zu sagen. Das schaukelt sich schon seit Jahren hoch, am Anfang waren es nur Kleinigkeiten – vermehrt Nekos an der Grenze, dann stieß der ein oder andere in unser Gebiet vor… Vor vier Jahren begannen die Raufereien immer ernster zu werden, arteten zu richtigen Kämpfen aus. Wir vermuten, dass sie es absichtlich in die Länge ziehen, um uns zu zermürben. Jedenfalls, vor drei Jahren gab es den ersten Toten unseres Rudels. Vater mit eingerechnet haben wir bisher zwei Dutzend Wölfe unterschiedlich starken, dämonischen Geblütes und zehn Youkai, die auch die Gestalt wechseln konnten, verloren. Zu offenen, größeren Auseinandersetzungen kam es nie, man wollte wohl keine Aufmerksamkeit erregen“, endete sie ihren Bericht, ehe sie sich entschied, noch etwas hinzuzufügen „Gebietsverluste gab es keine und Katzen aller Gattungen ist der Zutritt zu unserem Wald komplett verwehrt.“

Durchaus erwähnenswert, denn zu früheren Zeiten hatten die Wölfe einzelnen Personen die Durchreise gestattet, egal welcher Art sie angehörten. Heute traute sich nicht einmal mehr ein Katzenwelpe in ihren Wald, denn beide Seiten unterschieden längst nicht mehr zwischen Geschlecht und Alter.

In Gedanken ging sie durch, was sonst noch von Belang für ihn sein konnte, aber ihr fiel nichts ein – also schwieg sie.

Das war also der Beginn ihrer gemeinsamen Reise.
 

Vier Tage später hatte sich nicht wirklich etwas geändert, sie sprachen so gut wie überhaupt nicht miteinander und kamen gut voran. Noch besser wäre es ohne Jaken und Ah-Uhn, aber man konnte eben nicht alles haben, die beiden brauchten ihren Schlaf und regelmäßig Nahrung.

Apropos Nahrung.

Ayus Magen zog sich unangenehm zusammen, sie selbst hatte seit gut einer Woche nichts zu sich genommen, es wurde also langsam Zeit, wieder zu jagen – Fisch, wie Jaken ihn aß oder gar Beeren kamen absolut nicht infrage für die Frau.

Sie hob den Kopf, um sich zu orientieren. Die Gruppe befand sich irgendwo mitten im Wald, fünf Meter von ihr entfernt waren die Überreste des Feuers, das Jaken entfacht hatte und neben diesem saß besagter Kappa, stocherte etwas in der Glut herum. Etwas weiter links von ihm graste Ah-Uhn. Also alles wie jeden Abend…

Von Sesshomaru fehlte jede Spur.

Am Anfang hatte es sie gewundert, dass er einfach so verschwand, aber die beiden anderen Youkai schienen dies gewohnt zu sein, daher hakte sie nicht weiter nach. Ihr konnte es auch egal sein.

Entschlossen stand sie auf, was Jaken zusammenzucken ließ. „Bin jagen.“

Mehr sagte sie nicht, sondern verschwand zwischen den Bäumen, ohne die Reaktion des Kappas abzuwarten.
 

Etwa eine halbe Stunde lief sie durch den Wald, hob immer wieder witternd den Kopf in dem Versuch, etwas Genießbares auszumachen. Bisher ohne Erfolg. Im Rudel jagen war echt einfacher…

Der Wind trug ihr einen bekannten Geruch zu, den sie nicht sofort zuordnen konnte – dann machte es aber ‚klick‘ und sie wusste, wem er gehörte. Ihre letzte Begegnung war ein paar Jahre her und sie roch auch andere Wölfe. Sollte sie es riskieren? Aber ein Blick konnte doch nicht schaden…

Wachsam folgte sie dem Geruch und war zehn Minuten später am Ziel.

Ayu kauerte sich hinter einem Busch zusammen und blickte vorsichtig vor, achtete penibel darauf, dass der Wind ihr entgegen wehte, damit das fremde Rudel sie nicht witterte.

Und da saß sie, das kleine Mädchen. Auch wenn sie mittlerweile weder klein, noch ein Mädchen, sondern eine erwachsene Frau, war – Ayu erkannte die andere Wölfin sofort.

Ihre alte Bekannte saß vor dem Eingang einer großen Höhle – obwohl sie wie Ayu auch eine braune Wölfin war, trug die silbernen Felle, die sie damit als eine Nachkommin der Silberwölfe auszeichneten. Ihr Großvater war aus diesem Rudel, hatte sich aber wegen eines Weibchens, einem anderen Rudel angeschlossen – aber das hatten sie beibehalten. Hinter der weit jüngeren Wölfin, drinnen in der Höhle, befand sich wohl der Rest ihres derzeitigen Rudels.

Noch einmal sondierte Ayu die Umgebung.

Die beiden Frauen waren alleine vor der Höhle…

Das war es ihr Wert!

Mit diesem Gedanken stand sie auf und trat ins Sichtfeld der Wölfin, die bis eben gedankenverloren ins Nichts gestarrt hatte.

Ihre Blicke trafen sich – Smaragdgrün auf Dunkelgrün.

„Du bist groß geworden, Ayame!“

Besagte sprang auf und verengte die Augen – man konnte förmlich hören, wie die Rädchen in ihrem Kopf ratterten…

„AYU!!!“, schrie sie auch schon und war in Windeseile bei ihr und fiel ihr um den Hals. Ayu erwiderte die stürmische Umarmung nicht weniger fest.

„Schön mal ein bekanntes Gesicht zu sehen, Kleine!“

Ayame ließ sofort von ihr ab und stemmte die Hände auf die Hüften „Wer ist hier klein?!“

„Na du!“, Ayu grinste und genoss es sichtlich, die Jüngere zu necken.

„Ayame, ist etwas?!“, von der Höhle her kamen mehrere WolfsYoukai und Wölfe auf sie zu – und fixierten Ayu sofort feindselig. Allen voran ein schwarzhaariger Wolf mit hübschen, blauen Augen – er war auch der Sprecher.

Ayame stellte sich neben Ayu und legte ihr einen Arm über die Schultern „Alles in Ordnung, Kouga! Das ist Ayu, eine alte Freundin und quasi ein Mitglied der Familie! Eine Tochter von Taka und Meiyo, den Alphatieren von Großvaters Geburtsrudel.“

Ayu legte den Kopf zur Seite, rüber zu Ayame „Der sieht gut aus, ist er noch zu haben?“

„Das ist MEIN Mann, Ayu!“, rief die Jüngere sofort aus.

In Ayus Ohren klingelte es bei dieser Lautstärke und sie murrte sofort „Nicht so laut… Bin doch nicht taub… Und kein Problem, wenn es dein Gatte ist, lass ich die Finger von ihm.“

Der Wolf, um den es ging, sah zwischen den beiden Frauen hin und her. Irgendetwas störte ihn an diesem Bild!

„Sag mal Ayu, warum stinkst du eigentlich so nach Köter?“, erst jetzt fiel Ayame der penetrante Gestank von Hund auf und sie schnupperte an der anderen Frau herum.

Die Gefragte zuckte mit den Schultern „Ich reise mit einem und naja … könnte sein, dass wir gewisse Körperflüssigkeiten ausgetauscht haben.“

„Du hast echt einen miserablen Männergeschmack! Das war schon vor acht Jahren so und hat sich bis heute nicht geändert“, war Ayames schlichte Feststellung.

Wieder ein Schulterzucken „Was kann ich denn dafür, dass ich es krank finde, mit einem meiner Brüder zu schlafen? Ist doch nichts bei, wenn ich mich mit einem anderen Youkai vergnüge, solange ich keine Welpen anschleppe. Wo wir bei Spaß sind – ist dein Kouga denn gut?“

Ihre zuvor recht lockere Unterhaltung wurde ernst, als Ayame verkündete „Verdammt gut!“

Kougas Ohren zuckten. Sprachen die gerade ernsthaft über ihn, als ob er nicht hier wäre und dann auch noch über so etwas?!

Er wollte sich gerade in die Unterhaltung der Frauen einmischen, da hatte Ayame ihre damalige Aufpasserin am Handgelenk gepackt und mit sich zur Höhle gezogen.

„Was soll das?“, knurrte er, als auch ihm eine Woge von Hundegeruch entgegen kam, als Ayu an ihm vorbei gezogen wurde.

Seine Frau erwiderte mit ihrem liebsten Lächeln: „Ich darf doch wohl eine alte Freundin einladen und mit ihr reden?“

Ayu befreite sich aus dem Griff ihrer alten Freundin „Ayame, ich will keinen Ärger machen und außerdem hab ich Hunger – ich war gerade am Jagen, als ich dich gerochen habe. Eigentlich wollte ich nur kurz Hallo sagen und dann-“

„Nichts da, wir haben uns seit acht Jahren nicht gesehen! Wir haben noch Trockenfleisch da, das kannst du essen und dann reden wir!“ Kein Erbarmen kennend zog Ayame die andere Frau weiter.
 

Wenig später hatte sich Ayu ihrem Schicksal ergeben und saß neben Ayame auf einem der Felle, die in der Höhle verteilt auf dem Boden lagen und diesen bequemer machten.

Kouga ließ sich unweit von ihnen nieder, beobachtete misstrauisch, wie seine Frau der Fremden ein Stück Fleisch reichte und diese sich knapp bedankte, bevor sie auch schon anfing, sich darüber herzumachen.

Zwischen zwei Bissen hörte man die Frage: „Sag mal, Kleine, wie biste denn hier gelandet?“

„Mich würde eher interessieren, woher ihr euch kennt!“, mischte sich Kouga ein, bevor Ayame eine Antwort geben konnte.

Nach einem kurzen Blickwechsel hielt Ayu erst mal die Klappe und aß bemüht leise weiter, während sich Ayame ihrem Mann zuwandte „Wie gesagt, Ayu gehört zu Takas Rudel. Ich weiß heute noch nicht genau, warum, aber vor acht Jahren ist Großvater für mehrere Wochen zu seinem alten Rudel zurück und hat mich mitgenommen. War ganz schön unheimlich, zwar waren alle nett zu mir, aber so ganz allein unter lauter hellen Wölfen… Ich wollte zurück zu unserem Rudel und hab mich davon geschlichen, war bereits an der Grenze des Waldes … und bin den Grenzposten in die Arme gelaufen. Unter den Wölfen, die gerade Wache hatten, war auch Ayu. Sie hat mich zurück zum Berg gebracht und ihre Mutter gebeten, eine ihrer Schwestern zur Grenze zu schicken, damit sie beim Rudel bleiben konnte. Taka hat das gemacht und Ayu hat eben auf mich und die anderen Jungen aufgepasst.“

Die Erzählung wurde von Ayu unterbrochen „Du bist wie eine Klette an mir gehangen…“

Ayame überging den Einwand einfach „Während den fünf Wochen hab ich einiges von Ayu gelernt, ich fand es damals sehr beeindruckend, dass sie keinerlei Probleme damit hatte, anders als ihr Rudel zu sein. Und ich steh dazu: Ich hab dich damals vergöttert“, endete sie mit einem Seitenblick auf ihren Überraschungsgast.

Dieser zuckte lediglich mit den Schultern „Erzähl mir was, dass ich noch nicht weiß. Ich wüsste auch schon, womit du anfangen kannst: Wie bist du an deinen Kouga geraten? Und sag bloß ihr seid die Leitwölfe, oder warum sagt keiner was dagegen, dass du mich rein geschleppt hast?“

„Lange Geschichte.“

Nach einem Blick nach draußen äußerte Ayu: „Ein paar Stunden hab ich noch, bevor ich zurück zur Gruppe sollte.“

Jetzt wurde Ayame hellhörig „Stimmt, was machst du eigentlich hier? Und warum bist du mit einem Hund unterwegs?“

„Mutter hat mich vor sechs Wochen losgeschickt, damit ich Fürst Sesshomaru zu ihr bringe – was ich gerade mache.“

In der Höhle wurde es still, als der Name des herrschenden Inu no Taisho fiel.

Ayu legte den Kopf schief und besah sich leicht besorgt ihren früheren Schützling „Alles in Ordnung, Kleine?“

„Eh…“, die Angesprochene atmete tief durch „Hast du nicht gesagt … du hättest mit deinem Begleiter … soll heißen du hast-“

„Kami, ja, ich hab mit Sesshomaru geschlafen! Hör auf zu stottern und sag’s doch einfach!“, Ayu verdrehte die Augen und einigen ihrer Zuhörer fiel die Kinnlade auf den Boden.

Damit fing ihre Unterhaltung erst so richtig an…
 

Kurz vor Sonnenaufgang kehrte Sesshomaru zum Lager zurück und blickte sich um. Jaken und Ah-Uhn waren aufbruchsfertig, aber von dem Weib fehlte jede Spur, selbst ihr Geruch war nur schwach vorhanden.

Der Silberhaarige lief einfach los, sein Gefolge dicht auf den Fersen.

Wo sie wohl abgeblieben war? Er hatte in der Nacht keinerlei Anzeichen einer Auseinandersetzung bemerkt, also passiert war ihr sicherlich nichts…

Er würde mit seinen Begleitern zum Waldrand gehen und dann weiter sehen.

An sich trug er keinerlei Verantwortung für Ayus Sicherheit, aber … er brauchte sie nun mal und Taka wäre sicherlich zuvorkommender, wenn er mit ihrer Tochter kam, anstatt diese irgendwo verloren zu haben.

Wie er eine knappe Stunde später, als sie das Ende des Waldes erreichten, feststellen durfte, hatte er sich völlig umsonst Gedanken um den Verbleib der Frau gemacht.
 

Nachdem sie noch eine Weile geruht hatten, hatte Ayame ihrer Freundin angeboten, sie noch zu der Stelle am Wald zu führen, an der Sesshomaru diesen wahrscheinlich verlassen würde.

Da es Kouga nicht gefiel, seine Frau alleine mit einer Fremden in die Nähe des DaiYoukais zu lassen, schloss er sich den Frauen an, die Seite an Seite zwischen den Bäumen hindurch schossen.

Er musste dringend mit Ayame alleine reden, sobald diese Wölfin – oder Hündin? Er war sich nicht sicher, ob der Hundegeruch wirklich nur von Sesshomaru kam – weg war.

Als sich vor ihnen der Wald lichtete, verlangsamten die Youkai ihre Schritte und verließen den Schatten der Bäume schließlich in normalem Schritttempo.

Ayame und Kouga orientierten sich kurz und wandten sich nach rechts, denn sie waren gute hundert Meter zu weit links aus dem Wald gekommen. Ayu folgte ihnen und musste grinsen. In ihren Augen gaben die Zwei ein klasse Paar ab, und waren, soweit sie das beurteilen konnte, auch gute Alphatiere.

Während sie so dahin liefen, trat eine andere Dreiergruppe zwischen den Bäumen hervor – Sesshomaru mit Jaken und Ah-Uhn.

Als sie nur noch gute fünf Meter trennten, blieben die Wölfe stehen.

„Also Kleine, machs gut und Danke fürs Essen“, die Frauen nahmen sich zum Abschied in den Arm und Ayame versicherte noch: „Ich komme euch bald besuchen!“

Während des Wortwechsels war Sesshomaru einfach weiter gegangen, denn was auch immer die Wölfe da zu reden hatten – es ging ihn nichts an.

Ayu folgte der Gruppe um den Youkai hastig und ohne zurückzublicken.
 

Meiyo = Ehre

Zwei Tage später hatten sie bereits den nächsten Wald durchquert und vor ihnen öffnete sich eine weite Ebene – Ayu seufzte innerlich.

Sie mochte offene Flächen nicht, dort konnte sie sich nicht gut verstecken. Auf der anderen Seite, seit sie mit Sesshomaru reiste war es zu keinerlei Zwischenfällen gekommen, es schien so, als würde jeder Youkai einen Bogen um ihren Anführer machen.

Ihr konnte es recht sein.

Sesshomaru blieb derweil stehen und wandte sich ihnen halb zu „Ihr wartet hier.“

Jakens eilige Versicherung zu gehorchen, wurde von Ayu im Keim erstickt „Ich möchte Eure Entscheidungen keinesfalls infrage stellen – aber welchen Grund seht Ihr, hier zu bleiben? Es ist erst Mittag.“

Für gewöhnlich liefen sie durch und Ayu war damit sehr zufrieden – also warum jetzt dieser Wandel?

Ihre Blicke trafen sich und abwartend sah sie ihm in die Augen.

Der InuYoukai ließ sich dazu herab, zu antworten „Westlich von hier befindet sich das Anwesen von einem meiner Feudalherren.“

Der Kopf der Frau neigte sich zur Seite. Was wollte er ihr damit mitteilen? „Ihr wollt mir also sagen, dass Ihr dort etwas zu erledigen habt. Können wir nicht einfach zu dritt weiter? Das spart Zeit und Ihr werdet uns bei dem Tempo von Jaken eh schnell einholen.“

Der Kappa war sofort tief beleidigt und setzte zu einer Beschwerde an, kam aber wieder nicht dazu, etwas zu sagen.

„Ihr macht, was ich euch sage.“

Für Sesshomaru war die Unterhaltung beendet und ohne sich um die alles andere als begeisterte Frau zu scheren, wandte er sich gen Westen.
 

Wenn Blicke töten könnten, wäre der DaiYoukai längst erdolcht zu Boden gegangen, so aber verließ er die Gruppe unbehelligt.

„Wenn du jetzt den Schnabel aufmachst, setzt es was, Kröte.“

Jakens Körper erzitterte – die absolute Ruhe in ihrer Stimme war beängstigend. Da hielt sogar er, wie sie es genannt hatte, den Schnabel.
 

Da sie nichts Besseres zu tun hatten, gingen sie ein paar Meter zurück und ließen sich unter den vordersten Bäumen nieder.

Ayu seufzte leise auf, doch nur einen Moment später hellte sich ihre Miene auf. Es hatte kein Verbot gegeben, sich umzusehen!

Innerhalb weniger Sekunden war sie wieder auf den Beinen, ein zufriedenes Grinsen im Gesicht, ehe sie sich auch schon in Bewegung setzte, um die Umgebung zu erkunden.
 

Aus den Augenwinkeln heraus nahm Jaken eine Bewegung wahr – mehr bekam er von Ayus Verschwinden nicht mit, so starrte er auf den Platz, ein paar Meter von ihm entfernt, an dem bis eben noch die Wölfin saß.

Der Kappa ließ den Kopf hängen und beglückwünschte sich im Stillen selbst für die neue Reisegesellschaft, die seinem Meister in manchen Dingen in Nichts nachstand… Beide verschwanden sie einfach so und tauchten urplötzlich wieder auf, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, warum sie weg waren.
 

Ah-Uhn hatte zunächst etwas gegrast, jetzt – eine gute Stunde nach dem Verschwinden der zwei Youkai – lag der Drache zufrieden dösend neben Jaken auf dem Boden.

Dort, wo es tiefer in den Wald ging, flogen Vögel auf.

Misstrauisch beäugte der Kappa die gefiederten Tiere – irgendwas musste dort sein, das die Tiere aufgeschreckt hatte.

Rascheln im Gebüsch verriet, dass sich ihnen etwas oder jemand näherte.

Angespannt starrte der kleine Youkai in die Richtung, aus der die Geräusche kamen – er betete zu den Göttern, dass es nur Ayu war, auch wenn er es besser wusste – die Youkai verursachte nicht solchen Lärm.

Den Blick nicht abwendend, um jede Gefahr sofort zu sehen, rutschte Jaken nach hinten, bis er an den Hals des Drachen stieß. Mit der einen Hand seinen Stab fest umklammernd, schob er die andere nach hinten und klopfte auf die Schuppen des Drachen, um ihn auf die kommende Bedrohung aufmerksam zu machen.

Unwilliges Brummen kam vonseiten Ah-Uhns, dann schien auch er der nahenden Gefahr gewahr zu werden. Überraschend schnell hatte sich der Drache aufgerichtet und sein Schwanz schwang unruhig hin und her.

Jaken stand daneben und hielt seinen Kopfstab einsatzbereit vor sich.
 

Endlich konnten sie sehen, was im Wald für Unruhe sorgte – hoch zu Ross kamen etwa zehn Banditen heran geritten.

Jaken schluckte schwer, denn egal ob es nur Menschen waren oder nicht, sie waren klar in der Überzahl.

Die Männer hatten die Youkai ebenfalls entdeckt und es dauerte keine fünf Sekunden, da trieben sie ihre Pferde an, zückten ihre Waffen und griffen die leichte Beute an.
 

Ayu beobachte diese stinkenden Menschen auf ihren Pferden bereits eine ganze Weile und mit gewissem Unbehagen bemerkte sie, dass sich diese ihren Reisegefährten näherten.

Unwissend, wie sie war, konnte sie nicht einschätzen, was passieren würde. Aber da ihre Instinkte sie vor den Männern warnten, entschied sie sich dazu, diesen unauffällig zu folgen.
 

So konnte sie auch sehen, wie die Reiter auf die zwei Youkai trafen und diese angriffen.

Was sie dann tat, geschah aus einem inneren Impuls heraus, denn die zwei gehörten gerade zu ihrer Gruppe – und ein Wolf beschützte die schwächeren Mitglieder der Gemeinschaft, egal was kam.

Innerhalb weniger Sekunden hatte sie in ihre pferdgroße Wolfsgestalt gewechselt und sprang wild knurrend, mit gefletschten Zähnen dazwischen – die Reittiere scheuten sofort und bäumten sich auf.

Ayu drehte den Kopf halb nach hinten, ihre Augen suchten den Blickkontakt zu Jaken.

Der Kappa konnte sich anhand der grauen Fellteile im Gesicht und der grünen Augen denken, wer da schützend vor ihm stand.

Schon bekam er ein „Haut ab!“ zugeknurrt, ehe Ayu einen Satz nach vorne machte und eines der Pferde riss.

Der Kappa fackelte nicht lange, kletterte auf den Rücken des Drachen und lenkte diesen in die Richtung, in der irgendwo sein Herr sein musste.

Ah-Uhn flog nur wenige Meter über dem Boden und Jaken blickte zurück – Ayu hatte sich abgewandt und folgte ihnen, lief dabei immer wieder in den Wald und zwischen den Bäumen hindurch im Zickzack, um ihre Verfolger abzuhängen.

Erfolgreich war sie darin nicht, die verbliebenen neun Reiter hatten ihre Pferde wieder im Griff, und während drei sie vorantrieben, gingen die restlichen links und rechts entlang. Von den zwei Reitern auf der Ebene und denen hinter ihr abgelenkt entging Ayu, dass die anderen die Deckung der Bäume nutzten, um sie zu überholen.
 

Da Jaken gegen die Reiter kaum etwas ausrichten konnte, trieb er den Drachen dazu an schneller zu fliegen – er musste zu seinem Meister gelangen!

Zwei der Banditen, die durch den Wald geritten waren, schnitten Ayu den Fluchtweg ab.

Sie rannte dennoch weiter, direkt auf die Fluchttiere zu – die zu ihrem Pech nur nervös tänzelten, aber nicht zurückwichen.

Ihre Zähne vergruben sich im Hals von einem der Tiere, aber sie musste schnell wieder loslassen, denn der Reiter hieb mit seinem Katana nach ihr und verletzte sie an der linken Schulter.

An ihrer rechten Flanke fühlte sie einen kurzen Stich und ein Blick in diese Richtung zeigte, dass einer der Reiter mit einem Blasrohr irgendwas auf sie abgeschossen hatte.

Wütend heulte sie auf und stürzte sich in den unausweichlichen Kampf.
 

Vor Jaken tauchte ein weitläufiges, von einer Mauer umgebenes Anwesen auf – das musste es sein!

Er lenkte den Drachen nach unten und landete auf dem Hof, direkt vor dem Eingang des Hauptgebäudes, sprang ab und sah sich schon vier Wachen gegenüber, die ihre Waffen auf ihn und Ah-Uhn gerichtet hatten.

„Geht aus dem Weg, ich muss sofort zu Sesshomaru-sama!“, schnauzte er die Männer an.

Diese wechselten einen Blick und einer verschwand ins Innere des Gebäudes, die anderen rührten sich keinen Millimeter.
 

Sesshomaru selbst saß in einem der Konferenzräume an einem niedrigen Tisch, auf der anderen Seite befand sich der Herr des Hauses Benjiro, der seine beigefarbenen Haare zu einem kurzen Zopf im Nacken zurückgebunden hatte. Die schwarzen Augen waren derzeit nicht zu sehen, denn er hatte diese zum Nachdenken geschlossen.

An der Tür klopfte es, dann wurde sie auch schon einen Spaltbreit aufgeschoben und eine Stimme erklang „Mein Herr, auf dem Hof ist soeben ein Drache mit einem Kappa gelandet, der äußerte, dass er unverzüglich mit Sesshomaru-sama sprechen muss.“

Die InuYoukai sahen beide zur Tür und Sesshomarus Augen verengten sich kaum merklich – was tat Jaken hier?!

Wortlos erhob ich der DaiYoukai, der Herr des Hauses tat es ihm gleich und sie verließen den Raum, um gemeinsam zum Eingang zu gehen.
 

Dort angekommen konnte er einen völlig aufgelösten Jaken und einen unruhig wirkenden Drachen ausmachen – das Gesicht des Kappas hellte sich im selben Moment auf, in dem er seinen Herrn sah.

„Sesshomaru-sama, ein Glück! Ich-“

Jemand fehlte, stellte Sesshomaru fest und unterbrach Jaken „Ayu.“

„Kämpft gegen eine Horde Banditen die mich und Ah-Uhn angegriffen haben sie ist dazwischen gegangen und wollte abhauen, nachdem ich mit Ah-Uhn wegfliegen konnte aber ich glaube nicht, dass sie entkommen konnte“, der Kappa hatte schnell und ohne Luft zu holen gesprochen, was er jetzt hastig nachholte.

Ein „Ihr bleibt hier!“ war noch zu hören, dann war der Silberhaarige auch schon davon geschossen.

Benjiro runzelte die Stirn und sah seinem Herrn nach.

Mit einer Handbewegung gab er schließlich seinen Wachen zu verstehen, dass sie Kappa und Drache nicht mehr bedrohen mussten, und gab dann den Befehl, das geschuppte Tier zu den anderen Reittieren zu bringen, damit es trinken und sich ausruhen konnte.
 

Sesshomaru lief schnell, seine Füße berührten dabei kaum den Boden.

Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Jetzt hatte er auch noch die Unterredung mit Benjiro unterbrechen müssen! Dennoch hoffte er, dass er sich umsonst aufgemacht hatte und mit dem Weib alles in Ordnung war, denn er hatte kein Bedürfnis danach, wegen ihr die Reise unterbrechen zu müssen, bis sie sich erholt hatte.

Der Wind trug ihm bereits ihren Geruch zu – vermischt mit dem von Blut. Dass ihre und das von Menschen und Pferden.

Mit seinen scharfen Augen konnte er die Kämpfenden ausmachen. Zwei tote Pferde am Boden, deren Reiter, ihre Begleiter vom Boden aus unterstützten – sie hatten einen weiten Kreis um Ayu geschlossen, den sie nun enger zogen.

Noch etwas nahm er wahr – die langsamen, schwerfälligen Bewegungen der Hündin, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und dennoch verbissen weiter kämpfte.

Gerade als er den Ort des Geschehens erreichte, schoss einer der Männer wieder mit seinem Blasrohr etwas auf Ayu ab und traf.

Dies sollte seine letzte Handlung gewesen sein, denn wenige Sekunden später hatte Sesshomaru ihm den Kopf vom Rumpf abgetrennt.

Die Giftpeitsche des Youkai sauste mit tödlicher Präzision durch die Luft und machte auch mit dem Rest der Banditen kurzen Prozess.
 

Ein dumpfer Aufprall veranlasste Sesshomaru dazu, den Blick von den davonlaufenden Pferden zu wenden und sich stattdessen seiner Begleiterin zu widmen.

Ayu hatte kaum die Zeit, erleichtert aufzuatmen, als sie erkannte, wer ihr zur Hilfe gekommen war.

Ihre Sicht verschwamm und mit dem letzten Bisschen ihrer Konzentration schaffte sie es, ihre menschliche Gestalt anzunehmen – dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie kippte zur Seite.

Die Kollision mit dem Boden bekam sie schon nicht mehr mit.
 

Sesshomarus Blick wanderte über den blutbesudelten Frauenkörper und er stellte dabei fest, dass das meiste von den Angreifern stammte und sie selbst nur oberflächliche Schnittwunden hatte – ihr Fell hatte sie vor Schlimmeren bewahrt.

Sein Augenmerk fiel auf die dünne Nadel, die in ihrer Seite steckte. Mehrmals zog er die Luft ein und konnte zwischen all dem Blut etwas Weiteres riechen – zerriebene Kräuter und noch andere Substanzen, die zusammen eine effektive Methode ergaben, um Youkai ruhig zu stellen.

Seine goldenen Irden fanden vier andere Stellen, an denen sie mit Nadeln getroffen wurde – die Dosis, welche Ayu abbekommen hatte, war bedenklich.

Er legte einen Arm um ihren Körper und warf sie sich über die Schulter.

Ohne die Leichen eines zweiten Blickes zu würdigen, machte sich Sesshomaru auf den Weg zu Benjiro, dessen Heiler er jetzt brauchte.
 

Unbeeindruckt schritt Sesshomaru an den Wachen am Tor vorbei, überquerte den Hof, bis er den Eingang erreicht hatte – dort stand Benjiro und etwas abseits befand sich Jaken.

Der Hausherr ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken, sondern fragte lediglich: „Einen Heiler?“

Sesshomaru nickte knapp, legte die Frau dabei neben sich auf den Boden.

Benjiro besah sich die Begleiterin seines Herrn und seine Irritation über ihre Bekleidung – sofern man diese paar Fellfetzen so nennen konnte – konnte er dieses Mal nicht verbergen.

In der Zwischenzeit war einer seiner Bediensteten ins Innere gelaufen und kam jetzt mit zwei anderen Youkai zurück. Diese hatten eine Trage bei sich, die sie neben Ayu legten. Schnell und geübt wurde die Frau darauf gelegt und die Männer hoben Trage samt Frau hoch, um sie rein zum Heiler zu bringen.

„Jaken, du bleibst bei ihr.“

„H-Hai Meister!“, eilig folgte der Kappa mit seinen kurzen Beinen den schnellen Schritten der Männer.

„Eine interessante Begleitung, Sesshomaru-sama.“

Der Fürst ging nicht auf die Aussage des anderen Mannes ein, sondern warf ihm lediglich einen fragenden Blick zu, welcher sofort verstanden wurde. „Euer Drache befindet sich bei den Ställen, es wird sich um ihn gekümmert.“

Ein knappes Nicken und Sesshomaru ging an Benjiro vorbei und betrat das Gebäude.

Hinter ihm stieß der Feudalherr einen lautlosen Seufzer aus und gab dann die Anweisung: „Richtet für Sesshomaru-sama und sein Gefolge Zimmer für die Nacht.“
 

Zwei Stunden später war die Unterredung beendet und Sesshomaru ließ sich von einer Dienerin in den Gästeflügel führen.

Die junge Youkai blieb irgendwann vor einer Tür stehen und verbeugte sich vor ihm „Hier sind Eure Räume, Herr. Eure Begleitung wurde eine Tür weiter untergebracht.“

Eine knappe Kopfbewegung signalisierte der Frau, dass sie gehen konnte, was sie nach einer weiteren, tiefen Verbeugung auch tat.

Sesshomaru ging weiter, bis er an der nächsten Tür angekommen war, und öffnete diese.
 

Er fand sich in einem hellen Raum wieder, an der gegenüberliegenden Wand war eine Fensterfront. Rechts befanden sich ein Kleiderschrank und ein niedriger Schminktisch und links war der breite Futon des Zimmers.

Das Einzige, was unter der Decke hervor lugte, war der Kopf der Frau, ihre ruhige Atmung verriet ihm, dass sie tief und fest schlief. Man hatte sie anscheinend gewaschen, denn er roch kein Blut mehr und konnte auch keines sehen.

Eine Bewegung ließ ihn zu Jaken sehen, der bis eben an der Wand gelehnt hatte, bei seinem Erscheinen aber aufgesprungen war und nun auf ihn zu lief.

In einer stummen Frage wanderte eine Augenbraue des Silberhaarigen nach oben. Jaken verstand sofort und gab die gewünschte Auskunft: „Sie war am Ende, ihr Körper hatte starke Probleme mit dem Gift. Der Heiler hat ihre Wunden verbunden und ihr ein Gegenmittel verabreicht. Es wird dennoch dauern, bis sie aufwacht, denn er hat ihr noch etwas anderes gegeben, damit sie durchschläft und ihrem Körper die nötige Erholung gönnt.“

„Wann?“

„Er rechnet nicht vor morgen früh mit ihrem Erwachen, Meister.“

„Du lässt sie morgen nicht aus den Augen!“

„Hai!“

Die weiteren Versicherungen, dass Jaken diesem Befehl nachkommen würde, hörte der Youkai nicht mehr, da er den Raum längst wieder verlassen hatte. Er war sich nicht sicher, wie Ayu auf die fremde Umgebung reagieren würde – ob sie überhaupt jemals ein Gebäude von innen gesehen hatte. Da war eine vertraute Person, die da war, wenn sie erwachte, sicherlich von Vorteil.

Und außerdem war Jaken so beschäftigt.
 

Der Kappa selbst seufzte, nachdem sein Meister einfach gegangen war, und blickte mürrisch zu dem Weib. Nichts als Ärger brachte sie…

Auch er verließ den Raum, um in seinem eigenen Zimmer zu schlafen, bevor er morgen wieder neben ihrem Futon Stellung bezog. Was sich sein Meister wohl dabei dachte? Hinterfragen würde er gewiss nicht, denn Befehl war eben Befehl.
 

Ihre Nase zuckte.

Es roch so … sauber. Holzig. Einfach seltsam!

Ayu versuchte weiter, sich von der Schwärze zu befreien, die ihren Geist gefangen hielt.

Ihre Ohren bewegten sich etwas, konnten aber keine anderen Geräusche, außer ihrem eigenen Atmen, wahrnehmen.

Was war da noch… Stoff? Sehr viel Stoff. Überall an ihrem Körper, über und unter ihr. Was war das überhaupt für eine weiche Unterlage, auf der sie lag? Fell war es nicht, dazu war es nicht hart und rau genug. Stroh oder Blätter auch nicht, das roch muffiger und raschelte mehr.

Ayu zwang sich dazu, die Augen zu öffnen – und blickte hoch an eine Decke, die komplett aus Holz bestand.

Augenblicklich saß sie aufrecht und blickte panisch hin und her. Wo war sie? Und damit meinte sie nicht, wo in Japan, sondern was das für ein … ein Raum war!

Und bei den Göttern, worauf lag sie hier?!

Ein Schaudern lief über ihren Körper. Vom Aussehen her erinnerte es sie an dieses komische Ding namens Futon, dass ein Reisender mal dabei hatte… Seiner war aber kleiner gewesen und zum Zusammenrollen – und nicht so bequem.

Die nächste Frage, die sich ihr stellte: Was hatte sie an?

Sie hob einen Arm und besah sich den weißen Stoff, der ihren Körper bedeckte. Wie nannte man diese Kleidung noch? Yukata? Warum trug sie so etwas?!

Augenblicklich fühlte sie sich noch unwohler.

Sie wollte hier nicht sein, in diesem komischen Raum aus Holz, in dem es so anders roch, als in der freien Natur – und am wichtigsten: Sie wollte ihre Felle anhaben und nicht dieses Ding!

Es war so … surreal.

In ihrem Kopf rasten die Gedanken… Was war das Letzte, woran sie sich erinnern konnte? Die Sache mit den Reitern, die sie eingekesselt hatten… Und dann war da Sesshomaru, der ihr geholfen hatte.

Dann hatte er sie vermutlich hierher gebracht – wo auch immer ‚hier‘ war.

Etwas Weiteres wurde ihr bewusst, dass sie in ihrer Aufregung bisher verdrängt hatte – der Schmerz an einigen Körperstellen. Ayu schob den Yukata etwas von ihrer Schulter und erblickte weiteren weißen Stoff, der um ihre verletzte Schulter gewickelt war.

Mit der rechten schlug sie den Stoff der Decke ganz zur Seite und nahm sich selbst unter die Lupe, entdeckte weiterer Stellen, die verbunden waren. Probeweise bewegte sie die betroffenen Körperteile und stellte dabei fest, dass ein Großteil der Wunden bereits komplett verheilt war und die restlichen ein paar Stunden auch verschwunden wären.

Langsam erhob sie sich und tapste nach links, zu der Wand mit den Öffnungen … wie nannte man die noch mal? Fenster oder so… Jedenfalls konnte sie hinaussehen und dabei feststellen, dass die Sonne gerade am Aufgehen war. Wie lange sie wohl nicht bei Bewusstsein gewesen war?

Hinter ihr hörte sie ein Schaben, fuhr sofort herum und ging in eine geduckte Haltung – bereit jederzeit vorzupreschen und anzugreifen.

Jaken blinzelte ihr entgegen und stellte überflüssigerweise fest: „Du bist ja wach.“
 

Benjiro = Genieße den Frieden

Zehn Minuten und einen um eine Beule am Kopf reicheren Jaken später hatte dieser Ayu darüber informiert, wo sie sich befanden und wie sie hierhergekommen war.

Während der ganzen Zeit war Ayu nervös auf dem Boden gesessen und hatte an ihrem Yukata herumgezupft.

„Jaken, wie lange werden wir hier bleiben? Und weißt du, wo meine Kleider sind?“, stellte sie nach seiner Erklärung ihre dringlichsten Fragen.

Auf beides wusste der Kappa keine Antwort.

Stumm blickten sie sich an, bis Jaken entschied: „Bleib hier und ruh dich weiter aus, damit wir bald weiter können! Ich informiere Sesshomaru-sama über dein Erwachen!“

„Mach das…“, murmelte Ayu lediglich und sah interessiert zu, wie der kleine Youkai zu der Öffnung ging, durch die er rein gekommen war und diese aufschob.

So etwas nannte man also Tür… Sie musste sich unbedingt merken, dass man diese Dinger aufschob, das war sicher nützliches Wissen, wenn sie hier noch länger blieben.
 

Nachdem sich ihre erste Aufregung gelegt hatte und sie sich damit abfand, in diesem Zimmer zu sitzen und dieses Gewand zu tragen, machte sich Müdigkeit in ihr breit.

Jaken hatte ihr erklärt, dass sie eine hohe Dosis von einem lähmenden Gift abbekam und dass der Heiler ihr etwas Einschläferndes verabreicht hatte – es war also nicht weiter verwunderlich, dass sie sich so schlapp fühlte.

Schlafen wäre jetzt angebracht.

Ayus Blick ging zu dem Futon. Bequem war es ja, aber so ungewohnt…

Daher gab sie der Schlafstädte keine zweite Möglichkeit, sie von sich zu überzeugen und rollte sich auf dem Boden unter den Fenstern zusammen.
 

In der gleichen Position befand sie sich, als ein paar Stunden später der Heiler und eine Dienerin den Raum betraten. Beide starrten auf die Begleiterin des Herrn der Hunde und verstanden nicht, warum sie auf dem Boden, anstatt auf dem Futon lag.

Sie näherten sich ihr und von einem Moment auf den anderen lag die Verletzte nicht mehr am Boden, sondern war alarmiert aufgesprungen und knurrte die ihr unbekannten Inus an.

Augenblicklich blieben diese stehen.

Der Heiler hob langsam die Hände und äußerte versöhnlich: „Alles in Ordnung. Ich bin der Heiler und möchte mich lediglich nach Eurem Zustand erkundigen.“

Ayu nahm eine entspanntere Haltung ein und musterte die fremden Youkai. Der Mann hatte kurzes, braunes Haar und rote Augen, während die Frau neben ihm gräuliches Haar und grüne Augen hatte. Beide schienen in der Tat keine Gefahr zu sein, daher nickte sie dem Heiler knapp zu, bevor sie sich der Grauhaarigen zuwandte „Und Ihr?“

Die Angesprochene verbeugte sich „Mein Name ist Satomi und ich bin Euch als Dienerin zugeteilt. Ihr braucht mich nicht derart respektvoll anzusprechen.“

„Wenn ich mir nun Eure Wunden ansehen dürfte?“

Der Mann deutete auf den Futon – Ayu blickte unwillig auf das Lager und rührte sich keinen Zentimeter.

Satomi verstand diese Weigerung falsch „Ich kann gerne eine Frau rufen, falls Ihr-“

Ayu machte eine abwehrende Handbewegung „Warum denn? Ich bin doch sicher nicht die erste Frau, von der er etwas mehr zu sehen bekommt!“

Die Dienerin und der Heiler wechselten einen Blick. So ein Gast kam ihnen bisher noch nie unter die Augen!

Mit einem Seufzer ging Ayu zum Futon und ließ sich dort nieder – das ihr Problem an dem Lager selbst lag, war dabei nicht zu übersehen, so zögerlich, wie sie sich darauf bewegte.

Der Mann folgte ihr und nahm einen Verband nach dem anderen ab, untersuchte die noch vorhandenen Verletzungen und ließ dann verlauten: „Die Wunden sind alle so weit geschlossen, dass ich sie nicht mehr verbinden muss. Einem Bad steht auch nichts im Wege, Ihr solltet nur nicht zu lange im Wasser bleiben und Euch danach gut abtrocknen.“

Ayu nickte nur und genoss es, dass sie zumindest einen Teil von dem ganzen Stoff los war – jetzt musste nur noch der Yukata weg und sie hier raus, dann wäre die Welt wieder in Ordnung!
 

Satomi und der Heiler gingen wieder, damit Ayu ihre Ruhe hatte – was sie nicht wirklich genießen konnte.

Sie stand eine gute Stunde lang vor diesen Fenstern und überlegte, wie man diese öffnete, kam aber zu keiner Lösung. Schieben, wie bei der Tür, funktionierte jedenfalls nicht, das hatte sie bereits probiert.

Dabei brauchte sie frische Luft!

Das ihr mittlerweile bekannte Scharren erklang und ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass es Jaken war, der sich zu ihr bequemte. „Wir brechen morgen früh auf“, war die knappe Information, die er ihr zukommen ließ, ehe er auch schon wieder ging.

Ayu seufzte auf.

Noch eine Nacht in diesen Gemäuern! Wenn sie hier draußen war, würde sie die nächsten hundert Jahre einen großen Bogen um alle erbauten Behausungen machen!
 

Ein Klopfen erklang und Ayu zuckte zusammen. Was sollte das nun wieder?!

Misstrauisch sah sie zur Tür. Wer hatte das gemacht und warum?

Satomi betrat den Raum und verbeugte sich. „Ich habe Euch ein Bad eingelassen.“

Ayu legte den Kopf schief „Ahja…“

Die Grauhaarige schien zu begreifen, dass ihr Gast mit dieser Information nichts anzufangen wusste, und sprach daher geduldig: „Kommt einfach mit.“

Auch wenn sie nicht verstand, was das sollte, ging Ayu zur Tür und folgte der InuYoukai hinaus auf den Gang.

Ihre grünen Irden zuckten hin und her, bemüht darum, alles schnell zu erfassen – es war ihr schleierhaft, warum man so lange Gänge mit so vielen Türen baute. Und dann immer alles aus Holz!

Verstand einer die Hunde, sie tat es nicht!
 

Ein paar Ecken und etliche Türen weiter blieben sie stehen und Satomi zog eine Tür auf, bedeutete Ayu einzutreten – was diese auch tat.

Sie befanden sich in einem eher kleinen Raum, an der Wand links von ihr befand sich ein Regal, indem zusammengefaltete Stoffe lagen. Direkt gegenüber der Tür stand eine weitere Wand, nur das diese nicht an die Seitenwände anschloss und aus dünnerem Holz zu sein schien.

Außerdem roch Ayu Wasser und noch andere Dinge…

Ein komischer Ort entschied sie in Gedanken.

Nach einigen Sekunden, die Satomi ihrer derzeitigen Herrin gab, um sich umzusehen, schob sie diese mit sanftem Druck hinter das Paravent – dort befand sich eine große, hölzerne Wanne, die mit heißem Wasser gefüllt war. Auf einer Ablage daneben befanden sich Öle und andere Flüssigkeiten, sowohl für das Wasser als auch für Haut und Haare.

Überfordert ließ Ayu zu, dass sie ausgezogen wurde.

Fragend sah sie zu Satomi, die auffordernd in Richtung Wasser nickte.

Noch nie hatte Ayu in heißem Wasser gebadet – sie hatte zwar gehört, dass es so etwas wie heiße Quellen gab, aber solche gab es in ihrem Wald nicht. Konnte man da überhaupt rein?

Sie steckte erst mal eine Hand ins Wasser und stellte voll Erstaunen fest, dass es durchaus angenehm war. Vielleicht hatten die Hunde doch eine gute Sache in ihren komischen Behausungen…

Langsam, Stück für Stück, ließ sie sich in der Wanne nieder. Das war durchaus … entspannend!

Mit einem zufriedenen Seufzer lehnte sie sich zurück und schloss die Augen.

Ein ‚plump‘ neben ihr, ließ sie zu der Ablage schielen. Satomi hatte eine der kleinen Flaschen geöffnet und ein penetranter, unnatürlich starker Gestank nach Rosen zog in Ayus Nase, die sofort das Gesicht verzog. „Was wird das, wenn‘s fertig ist?“

Die Dienerin hielt in ihrer Bewegung inne und blickte sie fragend an „Mögt Ihr keine Rosen?“

Eine von Ayus Augenbrauen wanderte nach oben „Ich habe nichts gegen diese Pflanzen, aber was soll das?“, mit ihrem Kinn deutete sie zu dem Fläschchen.

Satomis Augen wurden groß und sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass es Ayu wirklich nicht wusste. „Ich wollte Eure Haare waschen. Es verursacht einen schönen Geruch.“

Jetzt war es an Ayu, ihr Gegenüber dumm anzublicken „Auf was für Ideen ihr kommt… Ich brauch das jedenfalls nicht!“

Gehorsam, wie sie war, verschloss die Grauhaarige das Gefäß wieder und griff nach einem Kamm, um die ungezähmte Haarpracht zu ordnen.

Ayu brummte, als es an ihrem Kopf zu ziehen begann, aber sie ließ Satomi einfach mal machen. Gegen geordnete Haare hatte selbst sie nichts einzuwenden – auch wenn sie selbst oft zu bequem war, sich bei einer ihrer Schwestern einen Kamm zu leihen und dies gerade bitter bereute.
 

Gefühlte Stunden später war das Bad beendet und Ayu nahm das Tuch entgegen, welches Satomi aus dem Regal geholt hatte und ihr reichte. In diesem eingewickelt kam sie ganz hinter dem Paravent vor und verfolgte, wie Satomi aus einer weiteren Ablage ein Stoffpaket hervor holte.

„Was ist das?“, wollte Ayu sofort wissen und der einzige Grund, warum Satomi sie nicht wieder anstarrte war der, dass sie sich mittlerweile mit der Unwissenheit des Gastes abgefunden hatte.

„Ein Kimono“, lautete daher ihre sachliche Antwort.

„Ieh!“, ein Schauder lief Ayus Rücken herab und unwillkürlich schüttelte sie sich.

„Herrin…?“

Ihre Smaragdenen Irden funkelten ungewohnt ernst, als Ayu das Wort ergriff „Bevor ich so etwas trage, bellen NekoYoukai und Wölfe schnurren! Wo sind MEINE Kleider?“

Satomi zuckte etwas zusammen „Aber, Ihr-“

„Nichts aber! Ich werde garantiert keinen Kimono anziehen!“

„Nun, wir haben auch schöne Yukatas-“

Dieses Mal unterbrach Ayu sie mit einem gefährlich leise geknurrten: „Meine Felle und nichts anderes. Ich habe kein Problem damit, hier nur in ein Tuch gewickelt oder ganz nackt herumzulaufen, wenn ich meine Felle nicht bekomme.“

Man konnte Satomi hart schlucken sehen „Ich werde nachfragen. Wenn Ihr so lange den Kimono-“

Die aggressive Haltung Ayus ließ Satomi abbrechen und dann stammeln: „War-artet doch ku-kurz hier!“

Wie ein verschrecktes Kaninchen verließ Satomi den Raum und huschte durch die Gänge, um zu den Räumen der Heiler zu gelangen. Irgendwo dort musste die Bekleidung der Frau liegen…

Hatte sie sich nicht noch gefreut, dass sie nicht dem Inu no Taisho, sondern seiner Begleitung zugeteilt wurde?!

Der Herr war unangenehm, aber die Frau stand ihm in nichts nach! Solch ein Funkeln in den Augen erwartete man bei einem wilden Tier, aber nicht bei einer InuYoukai!
 

Ayu atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen.

Was dachten die denn bitteschön? Sie war eine Wölfin und stolz darauf! Da würde sie ganz sicherlich nicht die Kleidung ihres Stammes ablegen und diese Gewänder tragen!

Wie konnte man überhaupt so entfremdet von der Natur leben?!

Fehlte nur noch, dass diese verwöhnten Hunde kein rohes Fleisch aßen, sondern ihre Nahrung abkochten… Oder gar pflanzliche Kost zu sich nahmen!

Das war doch alles wider die Natur!
 

Es dauerte, bis die Tür wieder geöffnet wurde und Satomi eintrat.

Die Frau hatte lange gebraucht, um die Felle zu finden und diese erst einmal durchgewaschen, um das eingetrocknete Blut raus zu bekommen. Doch selbst jetzt, nach mehreren Waschgängen, stanken die Stücke noch nach unberührter und ungezähmter Natur, so tief war der Geruch in ihnen eingezogen – haftete daran, als wäre er ein Teil davon.

Vollkommen verständnislos beobachtete Satomi, wie sich die Miene ihrer Herrin deutlich aufhellte – und schon wurde ihr die silbernen Pelze aus der Hand gerissen und von Ayu untersucht, die vor sich hin murmelte „Na wenigstens haben sie sie ganz gelassen…“

Offenbar vollkommen zufrieden damit, ihre Kleidung zurückzuhaben, schlüpfte Ayu schnell in diese und lächelte selig. „Jetzt fühl ich mich schon viel besser!“, verkündete sie bester Laune und strich über ein paar Stellen, genoss das Gefühl des rauen und robusten Materials. Und endlich mal etwas, das natürlich roch!

Die andere Frau riss Ayu aus ihrer Begeisterung „Möchtet Ihr einen Yukata darüber ziehen, um zumindest etwas angemessen gekleidet zu sein?“

„Angemessen für was?“, mit verschränkten Armen und hochgezogener Augenbraue baute sich die Braunhaarige auf.

„Für das gemeinsame Abendmahl.“

„Abend-was?“, Falten bildeten sich auf Ayus Stirn.

Satomi musste einen Seufzer wegen ihres schwierigen Gastes unterdrücken „Es gibt gleich Essen. Dieses wird gemeinsam im Speisesaal eingenommen.“

„Sag das doch gleich! Essen hört sich gut an, also worauf warten wir?!“, Ayu war beim Wort ‚Essen‘ sofort Feuer und Flamme – ihr Körper hatte durch die Verletzungen und deren Heilung Energie verloren, die sie in Form von Nahrung wieder zuführen sollte.

Der soeben unterdrückte Seufzer fand nun doch seinen Weg nach draußen. „Wenn Ihr mir folgen würdet…“
 

Wenig später waren sie in einem anderen Gebäudeflügel angelangt und standen vor einer weiteren Tür.

Satomi klopfte an und öffnete die selbige einen Spaltbreit „Mein Herr, entschuldigt die Verspätung.“

Von drinnen erklang eine eindeutig männliche Stimme. „Lass sie rein“, war die schlichte Antwort, ohne auf die Entschuldigung einzugehen.

Wie befohlen zog die Dienerin die Tür ganz auf, damit Ayu eintreten konnte – was diese auch sofort tat.

Hinter ihr wurde die Tür geschlossen, während Ayu sich ein Bild von diesem Raum machte. Er war verdammt groß und in der Mitte stand ein langer, niedriger Tisch, neben dem Sitzkissen lagen.

Am Kopfende des Tisches saß ein InuYoukai mit schwarzen Augen, das musste ihr Gastgeber Benjiro sein. Links von ihm befand sich Sesshomaru, der Platz neben ihm war leer und auf dem darauf folgenden saß Jaken.

Rechts von Benjiro saß wahrscheinlich dessen Frau – wie hatte Jaken sie genannt? Itsuko? Ihr langes, glattes und nachtschwarzes Haar war hochgesteckt und bei dem schwarzen Kimono mit dem roten Muster – welches ganz nebenbei die Farbe ihrer Augen widerspiegelte – erschauderte Ayu. Das Teil sah verdammt unbequem aus!

Ihre Gastgeber besahen sich die Unbekannte nicht minder interessiert, wie diese sie.

Nur ihrer guten Erziehung sei Dank, schnappte Itsuko nicht empört nach Luft – es war ihre Anweisung gewesen, Ayu angemessen einzukleiden. Und nun stand diese dort am Eingang und trug doch wieder ihre Felle, die jeden Zentimeter ihrer Beine zeigten, ebenso ihren straffen Bauch und ihr Dekolleté. Mit anderen Worten, sie zeigte mehr Haut, als es sich für eine Hündin gehörte!

Benjiro räusperte sich und deutete auf den Platz neben Sesshomaru.

Ayu folgte dieser stummen Aufforderung und ging erhobenen Hauptes dorthin, ließ sich ebenso lautlos nieder, wie sie gelaufen war. Ihrer Gastgeberin war dabei aufgefallen, dass Ayu barfuß ging – noch eine Sache mehr, die sie nicht nachvollziehen konnte.

Den Fürsten selbst verwunderte der Auftritt seiner Begleitung nicht im Geringsten – er hatte genug Zeit, um zu merken, wie selbstbewusst und stolz diese war. Im Gegenteil, es hätte ihn überrascht, wenn sie sich tatsächlich gefügt und andere Kleidung angenommen hätte.
 

Die Türen wurden abermals geöffnet und Diener traten ein, füllten den Tisch vor den Youkai mit allen möglichen Speisen – Reis, Fisch, Gemüse… Anders gesagt: Die Befürchtungen Ayus wurden bestätigt.

Sehr zu ihrem Missfallen war kein anständiges Stück Fleisch dabei – anmerken ließ sie sich dies aber nicht. Immerhin hatte Taka ihren Kindern zumindest etwas Anstand und gutes Benehmen beigebracht und dazu gehörte auch, den Gastgeber nicht bloß zu stellen.

Stattdessen sah sich Ayu mit einem anderen Problem konfrontiert – zum einen war alles heiß und zum anderen wurde mit Stäbchen gegessen. Sie hatte zwar gesehen, wie man diese benutzte, aber selbst nie welche in der Hand gehalten… Ebenso, wie sie heiße Nahrung kaum kannte.

Ein unauffälliger Blick zur Seite ließ ihre Laune noch weiter sinken – der verdammte Kappa hatte keinerlei Probleme und konnte mit den Stäbchen ebenso geschickt umgehen, wie Benjiro und dessen Frau.

Auf ihrer anderen Seite hatte Sesshomaru keinerlei Anstalten gemacht, das Essen anzurühren. So war sie wenigstens nicht die Einzige, die nichts aß…

Wobei, Itsuko hatte eine der Schüsseln, von denen vor jedem von ihnen eine stand und mit einer dampfenden Flüssigkeit gefüllt war, in die Hand genommen und trank einen Schluck. Tee war es nicht, der stand in kleineren Bechern da, also war es Suppe. Etwas, dass auch sie zu sich nehmen konnte, ohne sich zu blamieren.

Mit einem letzten, fast unbemerkten Blick, erfasste sie, wie die andere Frau das Gefäß hielt, und griff dann nach ihrem eigenen, um einen Schluck zu nehmen.

Benjiro hielt das eisige Schweigen nicht mehr aus – sie befanden sich in seinem Haus, also konnte der Fürst nichts dagegen sagen, wenn er ein Gespräch begann. „Ich hoffe, es schmeckt Euch.“

Sich wage an eine Regel erinnernd, stellte Ayu die Schüssel ab, bevor sie antwortete: „Das tut es.“

Nun meldete sich auch die Schwarzhaarige zu Wort „Ihr solltet mehr Essen, nach diesen Verletzungen braucht Euer Körper die Kraft.“

Da hatte Itsuko recht, aber Ayu war nicht gewillt, die wahren Gründe für ihre Essensverweigerung zu nennen – der eine war unhöflich und der andere peinlich. „Ich habe genügend geruht und die Suppe reicht mir.“

Die Hausherrin faltete die Hände auf ihrem Schoß und lächelte etwas „Außergewöhnlich – wie vieles an Euch.“

Ayu zuckte mit den Schultern „Liegt alles im Auge des Betrachters, wie mein verehrter Vater sagen würde.“

Diese Möglichkeit, mehr über den ungewöhnlichen Gast herauszufinden, ließ sich Itsuko nicht entgehen. „Euer Vater? Wessen Tochter seid Ihr denn? Euer Name ist im Übrigen auch ungewöhnlich. Es ist doch sicher nur eine Abkürzung.“

Ihr Gefährte hatte die ganze Zeit interessiert gelauscht und jetzt stellte auch Sesshomaru die Ohren auf.

„Ich bin eine Tochter von Taka und Meiyo. Was meinen Namen angeht, so nennen mich alle nur Ayu, also warum sollte ich mich anders vorstellen?“, vollkommen selbstverständlich hatte der erste Teil ihren Mund verlassen. Auch der Stolz war nicht zu überhören – ebenso wie der Trotz bei ihrer Gegenfrage.

Sowohl Itsuko, als auch Benjiro starrten die InuYoukai an. Das konnte nie und nimmer sein!

Benjiro fand die Sprache zuerst wieder. „Doch nicht die Alphas der Silberwölfe?“

Ein gefährliches Funkeln erschien in Ayus Augen. „Habt Ihr ein Problem damit?“

Hastig schaltete sich Itsuko ein „Gewiss war mein Gemahl nur etwas irritiert, denn Ihr scheint nicht ganz zu diesem Rudel zu passen.“

Ein zustimmendes Nicken folgte vonseiten ihres Mannes.

„Wollt Ihr gerade andeuten, dass jene Wölfe, die mich von klein auf aufzogen, nicht meine Eltern sind?“

Der lauernde Tonfall entging keinem und Jaken kauerte sich zusammen, um bloß keine Aufmerksamkeit zu erregen. Um die Wogen zu glätten, sprach Benjiro versöhnlich: „Natürlich nicht, verzeiht.“

Ayu nickte knapp, um zu zeigen, dass die Entschuldigung angenommen war – dennoch, jetzt hatte keiner mehr das Bedürfnis nach einer Unterhaltung!
 

Als das Essen endlich beendet war, zog sich Itsuko zurück und Ayu und Jaken wurden zu ihren Zimmern gebracht, während Sesshomaru und Benjiro noch etwas verweilten.

In ihrem Zimmer angekommen hinderte Ayu Satomi daran, zu gehen, indem sie diese ansprach „Öffne eines der Fenster.“

Ohne weitere Fragen befolgte Satomi die Anweisung und ließ Ayu danach alleine zurück.

Die ging ans Fenster, legte die Hände an den Rahmen und holte tief Luft.

Es roch nach Regen, die Luft war geladen… Sie streckte den Kopf aus dem Fenster und sah sich die Außenwand an – bemerkte dabei, dass sie sich vom Sims aus gut aufs Dach schwingen konnte.

Keine Minute später hatte sie sich aufs Dach gelegt und die Augen halb geschlossen.

Hier ließ es sich viel besser aushalten, als in dem Zimmer! Einschlafen sollte sie hier oben aber nicht, sie sollte also nicht zu lange liegen bleiben…
 

Sesshomaru schickte den Diener weg, als sie den Gästeflügel erreicht hatten. Vor seiner Tür hielt er inne – in Ayus Zimmer war keine Präsenz zu fühlen. Aus diesem Grund ging er weiter und betrat den Raum – schon fiel sein Blick auf das offene Fenster und er trat heran.

Leise Atemgeräusche verrieten ihm ihren Aufenthaltsort und er schwang sich aufs Dach – blickte auf die braunhaarige Frau, die zufrieden da lag und die Nacht genoss.

Die grünen Irden, deren Wildheit ihm immer wieder auffiel, waren halb unter ihren Lidern verborgen. Überhaupt, so musste er zugeben, war sie eine interessante Persönlichkeit.

Plötzlich blickte sie ihn an „Ihr habt es gemerkt.“

„Dass du nie ein Haus betreten hast.“

Ayu nickte und dieselbe Kopfbewegung von ihm bestätigte ihre Vermutung. Leise seufzte sie auf „Naja, was soll‘s… Falls Ihr nicht nass werden wollt, solltet Ihr reingehen, es wird bald ein Gewitter geben.“

Sesshomarus Blick schoss zum Himmel. Tatsächlich zogen Wolken auf und jetzt, wo er darauf achtete, deutete auch alles andere auf ein Gewitter hin.

„Du solltest schlafen.“

Schwungvoll stand sie auf „Ich weiß, nur kann ich diesem Futon einfach nichts abgewinnen und der Boden ist auf Dauer unbequem.“ In einer alles sagenden Geste rieb sie sich den Rücken, bevor sie auch schon vom Dach verschwand. Sesshomaru folgte ihr zurück ins Innere und durchquerte den Raum, um zu gehen.

Ein Blick über die Schulter verriet ihm, dass Ayu mit dem Rücken an das Fenstersims gelehnt stand und die Arme vor der Brust verschränkt hatte – eine Geste, bei der ihr Vorbau hervorgehoben wurde.

Unwillkürlich tauchten in seinem Kopf Bilder ihrer gemeinsamen Nacht auf – ließen in ihm das Verlangen aufflammen, sie ein weiteres Mal zu nehmen.

Die Frau, um die seine Gedanken kreisten, war indes an den Futon herangetreten und blickte missmutig auf das Lager.

Einen Wimpernschlag später lag sie mit dem Rücken darauf, während Sesshomaru ihre Hände neben ihren Kopf drückte und auf ihren Beinen saß. Er beugte das Gesicht runter zu ihrem Hals und spürte ihre Worte unter seinen Lippen, als sie fragte: „Was wird das?“

Er entschied sich dazu, zu antworten: „Dir den Futon schmackhaft machen.“

Ayu unter ihm war unsicher, ob das so eine gute Idee war – nicht, das sie abgeneigt war, aber dass hier war verdammt noch mal Sesshomaru, Fürst des Westens und Herr der Hunde!

Die Entscheidung wurde ihr aus der Hand genommen, als sie seine Zunge über ihre Haut streichen spürte.

Ein zweites Mal konnte doch nicht schaden…

Wohlig räkelte sich Ayu im Halbschlaf unter der Decke.

Durch das nach wie vor offene Fenster kam permanent frische Luft in den Raum und trug zu ihrem allgemeinen Wohlbefinden einen großen Teil bei. So ließ es sich leben!

Am Rande nahm sie wahr, wie es an der Tür klopfte und jemand eintrat.

Ein Auge öffnete sich einen Spaltbreit und betrachtete Satomi, die nach drei Schritten in den Raum hinein stehen blieb, während sich ihre Augen weiteten.

Warum konnte sich Ayu denken – Sesshomarus Geruch hing am Stoff ihres Futons. Dazu kam noch, dass ihre Felle neben ihr lagen… Man musste schon verdammt naiv sein, um nicht zu verstehen, was hier in der Nacht gelaufen war.

Unwillkürlich zogen sich ihre Mundwinkel nach oben. Der Köter hatte was! Und damit meinte sie nicht nur seine Qualitäten auf dem Lager, die keinesfalls zu verachten waren!

Ayu entschied sich dazu, die Dienerin aus ihrer Starre zu reißen und richtete sich auf, um ausgiebig zu gähnen und sich zu strecken. Damit fertig griff sie nach ihren Fellen und fragte gelassen: „Was gibt’s so früh am Morgen?“

Ein Blick nach draußen hatte Ayu verraten, dass die Sonne gerade erst am Aufgehen war – viel Schlaf hatte sie, dank des Fürsten, nicht bekommen.

Satomi riss sich zusammen und verbeugte sich leicht „Ihr werdet gebraucht.“

„Ehm, was?“, Ayu legte den Kopf zur Seite und verstand nicht wirklich, was die andere Frau von ihr wollte.

Die erklärte sogleich: „Wölfe sind am Tor und scheinen irgendwas zu wollen. Sesshomaru-sama sagte, man solle Euch holen.“

„Na dann gehen wir mal!“

Die Dienerin nickte und zeigte ihr den Weg nach draußen.

Ayu hinter ihr fragte sich, warum Wölfe am Tor sein sollten. Was taten die hier? Warum gingen sie zum Anwesen eines Inus?

„Welche Farbe haben die Wölfe?“

Satomi musste kurz nachdenken. „Ich glaube es sind zum Großteil braune, aber auch ein schwarzer und weiße sind dabei.“

In Ayus Kopf rasten die Gedanken nur so dahin. Gemischte Rudel gab es, aber so ein wilder Mix? Wahrscheinlich hatten sich Vertreter verschiedener Rudel zusammengetan, um sicher zu reisen… Nun, bald würde sie es wissen!
 

Während Ayu grübelte, hatten sie mittlerweile das Gebäude verlassen und liefen über den Hof vor zum Tor. Dort konnte sie neben Benjiro und Sesshomaru noch vier Wachen ausmachen – und mehrere Wölfe, die ungeduldig umeinander liefen und von den Inus nicht aus den Augen gelassen wurden.

Unter ihnen war, wie Satomi bereits gesagt hatte, ein schwarzes Exemplar. Sie konnte zwei weiße Tiere ausmachen und die anderen vier waren braun.

Man hatte ihr näher kommen mittlerweile bemerkt und man sah den hier heimischen InuYoukai an, dass sie sich fragten, warum der Fürst Ayu rufen ließ.

Aus dem allgemeinen Fellgewusel lösten sich die weißen Tiere und liefen auf Ayu zu – diese erkannte ihre Brüder sofort und kam ihnen entgegen.

Schon kniete sie auf dem Boden, um mit ihnen auf einer Höhe zu sein und ließ sich ab schlabbern, während sie ihnen übers Fell strich. Fröhlich lachend meinte sie schließlich: „Jungs, lasst das!“

Die Wölfe hörten augenblicklich auf und rieben die Köpfe an ihr, einer sprach sie an: „Schwester, wie geht es dir? Wir haben Spuren eines Kampfes gefunden und dein Blut war dabei.“

Die anderen Wölfe waren ebenfalls näher gekommen und umkreisten Ayu, schnupperten an ihr herum und rieben ihre Schnauzen an ihr.

Satomi wurde zur Seite gedrängt und verfolgte ebenso wie die anderen Hunde verständnislos das Gehabe der Besucher.

Was sie alle am meisten erstaunte: Ayu brummte und knurrte ebenso wie die Wölfe – sie verstand also, was die Tiere sprachen und konnte mit ihnen kommunizieren.
 

So ging es einige Minuten, bis sich Ayu aufrichtete und an Sesshomaru wandte „Meine Brüder“, sie sah kurz zu den weißen Wölfen, die sich zu ihrer rechten und linken Seite hingesetzt hatten „und die anderen sind Boten verschiedener Rudel, deren Reviere am Grenzgebiet liegen. Mutter hatte bei anderen Rudeln Informationen eingeholt, damit ich Euch schneller finde, daher wussten diese, dass Mutter mit Euch sprechen muss. Sie haben sich zusammengeschlossen. Die Rudel fürchten eine Eskalation der Situation, wenn sich die Lage in meiner Heimat nicht beruhigt. An den Grenzen wird es unruhig. Man lässt Euch ausrichten, das sollte es zu kämpfen kommen, die Wölfe auf der Seite der Inus kämpfen werden. Die Leitwölfe erwarten entsprechende Anweisungen von Euch an Eure Untergebenen an der Grenze.“

Neben ihr winselte die schwarze Wölfin und Ayu knurrte etwas zurück – so ging es ein paar Mal, bis sie sich wieder an Sesshomaru wandte „Die Wölfe hier werden umgehend zu ihren Rudeln zurückkehren, jetzt da sie ihre Botschaft überbracht haben. Wenn Ihr etwas ausrichten wollt – sie sind ganz Ohr.“

Sesshomaru ließ seinen Blick von einem Tier zum anderen wandern und dachte über die neuen Informationen nach.

„Der Westen wird Maßnahmen ergreifen“, war alles, was er dann sagte.

Ayu sah zu den Wölfen „Ihr habt’s ja gehört. Richtet euren Anführern noch ein Dankeschön für die Informationen aus“, sie suchte den Blickkontakt zu ihrem Bruder auf der rechten Seite „Seine Begleiter sind langsam, ihr werdet vor uns zurück beim Rudel sein. Ihr könnt Mutter versichern, dass wir auf dem Weg zu ihr sind.“

Interessiert sahen die Inus zu, wie die Braunhaarige noch etwas mit den Wölfen ‚sprach‘ und die weißen kurz in den Arm nahm, dann liefen die Tiere auch schon an ihnen vorbei und machten sich offensichtlich auf den Weg zurück zu ihren Rudeln.
 

Eine Stunde später verabschiedete sich auch die Gruppe um den DaiYoukai und ging wieder ihres Weges. Sesshomaru hatte mehrere Boten ausgeschickt, um die Informationen der Wölfe zu überprüfen und die Inus nahe der Grenze zur Wachsamkeit zu ermahnen.

Benjiro und dessen Frau sahen zu, wie sich die ungewöhnliche Gruppe, mit dem Fürsten an der Spitze, immer weiter von ihnen entfernte.

Irgendwann blickten sie sich an und der Mann murmelte: „Eine komische Frau. Sie erinnert mich an jemanden…“

Itsuko nickte bestätigend „Ich frage mich, was da zwischen ihnen ist.“

Jetzt wurde sie verwirrt angesehen „Was meinst du?“

Sie klärte ihren Gemahl sofort auf „Als Ihr bei Sesshomaru-sama wart, wegen der Boten, erfuhr ich von Satomi, dass der Fürst die Nacht mit dieser Ayu verbracht hat.“

Der Feudalherr schüttelte den Kopf „Das geht uns nichts an!“

„Wie Ihr meint“, Itsuko neigte etwas den Kopf und ließ es darauf beruhen.
 

Erst am Abend schlug die kleine Reisegruppe ihr Lager auf. Kaum hatten sie dies getan, verschwand Ayu, um zu jagen. Sie brauchte etwas Anständiges zu essen!

Nach erfolgreicher Jagd und ziemlich zufrieden mit sich und der Welt, legte sie sich auf einer Wiese ins Gras, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und starrte hoch in den Himmel.

Es hatte verdammt gut getan, mit ihren Brüdern zu reden und zu hören, dass es in ihrer Abwesenheit keine Verluste zu betrauern gab… Und beide hatten es sich nicht nehmen lassen, sie wegen ihres Hundegeruchs aufzuziehen – irgendwann würde sie sich dafür noch revanchieren.

Jemand gesellte sich neben sie.

Von ihr folgte keine Reaktion auf Sesshomarus Auftauchen.

Ayu schloss die Augen und atmete tief durch. Irgendwie schade, dass sich ihre Wege bald trennen würden – sie musste zugeben, sie fing an, Sympathien für den Köter zu hegen. Seine Nähe war durchaus angenehm und für einen Inu roch er annehmbar. Vom Aussehen ganz zu schweigen – ein Wunder, dass der noch auf dem Markt war!

Das brachte sie dazu, die angenehme Stille zwischen ihnen nun doch zu durchbrechen „Es geht mich zwar nicht an, aber warum ist einer wie Ihr es seid noch nicht vergeben?“

Wegen der plötzlichen Frage sah er nun zu ihr und schwieg, was ihr wiederum nur einen Seufzer entlockte. Schließlich dann: „Du hast dich noch nicht gebunden.“

Etwas drehte sie den Kopf, um zu ihm sehen zu können „Hai. Mir ist bisher noch keiner über den Weg gelaufen, mit dem ich längere Zeit hätte verbringen wollen. Ihr seid im Übrigen der Erste, dessen Gesellschaft ich auch über die Nacht hinaus genieße.“

Sie wandte sich wieder ab und so bemerkte sie nicht, wie sich etwas im Blick des Fürsten veränderte.

Er hatte heraushören können, dass der letzte Satz keine reine Floskel war, sondern sie die gemeinsame Reise tatsächlich als angenehm empfand. Etwas, dass er durchaus nachvollziehen konnte, denn die selbstständige Frau war auch für ihn eine gute Begleitung. Keine Belastung, wusste sich selbst zu helfen, konnte auch die Verantwortung für den Rest der Gruppe übernehmen … und dennoch hatte er ihr das Leben retten müssen. Seinem männlichen Ego tat dies ungemein gut.

Und der wohl größte Pluspunkt – sie ließ ihn ran, ohne mehr als ein paar schöne Augenblicke zu verlangen. Auch wenn ihm dies ungemein zusagte, gleichzeitig missfiel es ihm auch… Ebenso wie die Vorstellung, dass er in dieser Hinsicht nur einer von vielen für sie war.

Dennoch hatte er die Finger nicht von ihr lassen können, und sah dem Ende ihrer gemeinsamen Reise bereits jetzt mit einem gewissen Bedauern entgegen.

Eine Bewegung am Boden riss ihn aus seinen Gedanken, zurück zu der Frau, die sich aufgesetzt hatte und nachzudenken schien, bevor sie laut aussprach, was sie beschäftigte.

„Mir gefällt das alles nicht. Dass unser Wald für die Katzen interessant ist, ist verständlich – aber warum sollte an der restlichen Grenze Unruhe herrschen? Wir Wölfe leben frei und nur in unseren Rudeln organisiert, aber ein richtiges Oberhaupt von allen, so wie bei euch Inus, gibt es bei uns nicht, auch wenn wir untereinander zusammenarbeiten – oder auch nicht. Wenn sich die Rudel jetzt derart absprechen und aufeinander abgestimmt handeln, muss da wirklich einiges im Argen liegen. Mehr als nur ein bedrohtes Stammrevier. Da steckt doch etwas Größeres dahinter.“

Sesshomaru verengte etwas die Augen. So viel Sachverstand bei einer Frau?! Ihm fielen auf Anhieb Dutzende Adelstöchter ein, die dies nicht bemerkt hätten, aber keine Einzige, die zu diesem Schluss gekommen wäre. Im Kopf hatte seine Begleitung also auch etwas!

Diese schnalzte mit der Zunge „Man müsste mal versuchen, sich bei denen einzuschleichen und sich ein paar ihrer Briefchen durchlesen.“

Jetzt horchte er auf „Du kannst lesen?“

Ayu wandte sich zu ihm um „Hai, meine Eltern haben darauf bestanden, dass ich zumindest etwas lesen und schreiben lerne. Rechnen auch ein wenig“, sie verzog das Gesicht „Keine Ahnung, warum. Ich war die Einzige, die den Kram lernen musste. Überhaupt haben sie bei mir immer stärker darauf geachtet, dass ich lerne, mich zu benehmen und so weiter, als bei den anderen“, nachdenklich kratzte sie sich am Kopf und tat es dann mit einem Schulterzucken ab.

Im Kopf des Silberhaarigen machte sich ein Gedanke breit – konnte es sein, dass Taka und Meiyo die Hündin auf ein Leben außerhalb vorbereiten wollten? Aber warum? Und warum war Ayu überhaupt bei ihnen?

Er schob diese Überlegungen beiseite. Letzten Endes war es nicht seine Sache.

Zurück zum eigentlichen Thema – den Katzen.

Ihm kam ein weiterer Gedanke und er entschied sich, darüber mit Taka zu sprechen. Wenn die Wölfe tatsächlich so kooperationsfreudig waren, wie sie vorgaben, konnte er dies zu seinem Vorteil nutzen…

Ayu rieb sich die Schläfen „Hoffentlich wissen wir bald mehr…“

Es hatte sich so angehört, als liefen noch weitere Dinge im Hintergrund, daher blickte sie der Fürst auffordernd an.

Die Frau erläuterte sofort: „Mutter hat vier Wochen nach meinem Aufbruch bei anderen Rudeln darum gebeten, dass diese Wölfe ins Gebiet der Nekos schicken und sich bei den dortigen Wolfsrudeln umhören. Braune Wölfe sollten nicht so auffallen wie Mitglieder meines Rudels. Theoretisch müssten bereits Informationen eingetroffen sein. Ich wollte das vor den anderen Inus nicht sagen, man weiß ja nie…“

Damit hätte sich der Gesprächspunkt mit Taka ebenso schnell erledigt, wie er kurz zuvor gekommen war.

Eigentlich keine große Überraschung, dass die Wölfin von alleine auf diese Idee gekommen war. Taka war sogar älter als sein Vater und hatte viel von der Welt gesehen, ehe sie sich irgendwann an Meiyo band und nur noch für ihr Rudel lebte. Sein Vater war einer der wenigen Auserwählten gewesen, die den Wald jederzeit betreten konnten, ohne mit Problemen rechnen zu müssen – eine alte Freundschaft hatte die beiden Youkai verbunden.

Jedenfalls war Taka sehr erfahren und wusste souverän mit kniffligen Situationen umzugehen – wie sie einmal mehr bewiesen hatte. Und Ayu schien ihr in nichts nachzustehen.

Ayu bewegte sich und ließ sich vor ihm im Schneidersitz auf dem Boden nieder, sah ihn mit schief gelegtem Kopf an und schien wegen irgendetwas zu grübeln.

Fragend wanderte eine Augenbraue nach oben und die Frau schüttelte den Kopf „Nicht so wichtig.“

Mit ausgeschreckten Armen ließ sie sich nach hinten kippen und nahm ihre alte Position wieder ein.

Schweigend verbrachten sie die Nacht nebeneinander, dachten nach und ganz nebenbei genossen sie die pure Anwesenheit einer anderen Person.
 

Jakens dumme Blicke ignorierten beide, als sie gemeinsam zu dem Kappa und dem Drachen stießen.

Bevor auch nur ein Wort den Mund des kleinen Youkais verlassen konnte, hatte Sesshomaru ihn bereits über den Haufen gerannt, weil er im Weg stand. Ayu hinter ihm grinste und sprang mit einem leichtfüßigen Satz über den platten Kappa.

Der rappelte sich eilig auf, schnappte sich die Zügel von Ah-Uhn und beeilte sich, seinem Herrn zu folgen.
 

In der folgenden Nacht fand Ayu keine Ruhe und strich umher. Sie mochte diese Ebenen nicht, wo es kaum Deckung gab und man leicht zu entdecken war.

Daher entschied sie sich, etwas umherzustreifen und sich mit der Umgebung vertraut zu machen.

Der Geruch des Grases, das Rascheln, wenn der Wind in einer sanften Brise hindurchfuhr… Hier und da ein paar Tiere in ihren Verstecken, die sich vor der kommenden Gefahr in Sicherheit brachten… Aus dieser Perspektive war dieser Ort doch ganz schön.

Mit einer Hand fuhr sie über die Spitzen des kniehohen Grases.

Die Idylle wurde vom Hinzukommen eines gewissen DaiYoukai gestört, der interessiert betrachtete, wie sich die Frau mit geschlossenen Augen und dennoch vollkommen sicher in dieser fremden Umgebung bewegte.

InuYoukai und Wölfe waren sich in vielen Dingen ähnlich, aber der große Unterschied lag in ihrer Lebensweise. Während die Wölfe gerne frei waren und die Natur möglichst unverfälscht genossen, hatten viele Inus diesen Draht zu ihrer Umgebung längst verloren – sicher, sie waren der Natur mehr verbunden als die Menschen, aber weit weniger stark als die Wölfe. Dadurch ergab sich ein weiterer Unterschied – Wölfe waren wild und gaben sich, wie sie waren, denn dies war eine natürliche Sache.

Etwas, das die meisten InuYoukai nicht ansatzweise verstehen konnten.

Und jetzt stand hier vor ihm eine InuYoukai, die anscheinend den gleichen Zugang zur Natur hatte, wie ihn eigentlich nur die Wölfe hatten – die ebenso wild war. Erstaunlich, dass dies überhaupt möglich war. Anscheinend doch eine reine Sache der Erziehung und nicht, wie viele behaupteten, angeboren.

„Erkläre es.“

Ayu verstand gleich, was er meinte „So etwas kann man nicht erklären, man kann es nur selbst fühlen. Sich fallen lassen und die Umgebung in all ihren Facetten aufnehmen…“, sie atmete tief durch „Man braucht die Augen nicht, um die Umgebung zu sehen. Wenn man nur genau auf die Gerüche achtet und den Klang der eigenen Schritte, die Vibrationen im Boden, das Streichen des Windes… All das sind ebenso Boten. Etwa fünf Meter weiter links ist ein alter, verdorrter Baumstumpf. Es hört sich anders an, wenn die Luft um ihn weht, anstatt über das Gras. Außerdem ist da der Geruch nach Holz und Modrigkeit.“

Die goldenen Irden gingen in die genannte Richtung und fanden, was sie genannt hatte.

Sesshomarus Nasenflügel bebten, als auch er versuchte, diesen Hauch von einem Duft aufzunehmen.

Allem voran roch er Ayu, ihr Geruch füllte seine Nase aus und er musste sich konzentrieren, um diese angenehme Note auszublenden. Nachdem er dies endlich geschafft hatte, konnte auch er wahrnehmen, was sie beschrieben hatte – auch die Geräusche.

Durchaus faszinierend und solchermaßen geübte Sinne ließen sich auch schwer täuschen. Was das anging, konnte selbst er noch etwas lernen.

Ein zufriedener Laut vonseiten Ayus ließ seine Aufmerksamkeit wieder zu ihr wandern.

Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Arme leicht von sich gestreckt, so als ob sie in irgendetwas baden würde.

Was sie auch tat, wie ihm im nächsten Moment klar wurde – sie badete im Mondlicht.

Auch er hob den Kopf und blickte zu der matten Scheibe am Himmel, konnte aber nicht nachvollziehen, was daran so besonders oder gar schön war.

Das Einzige schöne gerade, hatte wunderbar die Kehle entblößt und die Augen geschlossen und ließ sich seltsamerweise nie von seiner Anwesenheit stören. Etwas, das auch nur selten vorkam und ihn beeindruckte – jeden weiteren Gedanken in diese Richtung verbat sich der Fürst.
 

Die folgenden vier Tage vergingen ereignislos. Tagsüber wanderten sie, nachts jedoch kam es, dass Sesshomaru und Ayu manchmal Stunden damit zubrachten, einfach nur schweigend nebeneinanderzustehen. Keinen der beiden störte es sonderlich, im Gegenteil, es wurde ein festes Ritual, das sie unbewusst sehr schätzten.

Diese Stunden nutzte der DaiYoukai gleichzeitig dafür, seine Sinne zu schärfen und sich seiner Umgebung bewusst zu werden – von Nacht zu Nacht fiel es ihm leichter, auch wenn die Frau ihm darin noch überlegen war.

Noch etwas bemerkte er hierbei: Ayu schien von einer innerlichen Unruhe erfasst zu werden. Ihr Verhalten und ihr Auftreten hatten sich nicht geändert, aber dennoch verrieten kleine Gesten, dass etwas nicht stimmte, sie fest im Griff hielt und beschäftigte.

Sesshomaru dachte jedoch nicht daran, sie darauf anzusprechen, es ging ihn nichts an – versuchte er sich zumindest einzureden, auch wenn das Tier in ihm etwas anderes behauptete.

Was er nicht im Geringsten ahnte: Er war ein nicht unerheblicher Faktor, der Ayus Gedanken rasen ließ.

Ihr Ziel, ihr Revier, rückte immer näher heran und damit auch das Ende ihrer Reise. Taka würde was auch immer mit Sesshomaru besprechen, er würde gehen und sie bleiben. Auf nimmer Wiedersehen.

Wahrscheinlich würde das Problem mit den Katzen bald geklärt sein und alles wäre wieder wie früher, vom Fehlen ihres Vaters abgesehen.

Diese Vorstellung gefiel Ayu nicht. Etwas war falsch daran!

Nur was? Sie kam einfach nicht darauf!
 

Desinteressiert beobachtete Ayu den Kappa dabei, wie er sich sein Lager für die Nacht aufschlug und sich an einem Feuer sein Essen briet – er hatte zuvor irgendwelche seltsamen Wurzeln gefunden, die anscheinend genießbar waren.

Sie selbst lehnte an einem Baum und wusste nichts mit sich anzufangen.

Die Gruppe befand sich in einem schmalen Waldstreifen. Am Morgen würden sie diesen verlassen und gegen Mittag die Grenze zum Revier der Silberwölfe erreichen. Je nachdem, wie sie dann vorankamen, würden sie spätestens am frühen Abend ihren Berg erreichen.

Ayu wäre endlich wieder zu Hause.

Dies hieß aber auch: Ihre Reise wäre morgen zu Ende.

Ruhelos stieß sie sich vom Baumstamm ab und strich ziellos durch das kleine Wäldchen.

Erst als es zu spät war, bemerkte sie, dass sie unbewusst einem Geruch gefolgt war. SEINEM Geruch.

Der Inu no Taisho befand sich auf dem breiten Ast eines Baumes und betrachtete durch eine Lücke im Blätterdach den klaren Nachthimmel.

Ayu blieb stehen und fragte sich selbst, warum sie seiner Spur gefolgt war – und stellte ganz nebenbei fest, wie gut es aussah, wie der Herr dort im Dunkeln stand und vom weichen Licht der Gestirne beschienen wurde.

Der Frau kam ein Gedanke und nur kurz wog sie ab, ob es wirklich klug war, diesem nachzukommen – aber was hatte sie schon zu verlieren? Nichts!

Daher setzte sie sich in Bewegung und stand wenig später vor dem DaiYoukai. Der Blick seiner goldenen Seen ging nach unten und fixierte ihre grünen Augen, in denen ein entschlossenes Funkeln stand.

Wie sie mittlerweile wusste, konnte man den Blick, den sie gerade bekam, als ein „Was willst du?“ auffassen.

Sie neigte etwas den Kopf zur Seite, blickte ihn gezielt von unten herab an „Unsere Wege werden sich bald trennen.“

Darauf folgte keine Reaktion, was hätte Sesshomaru erwidern sollen? Zumal er das Gefühl hatte, das da noch mehr kam. Der Fürst sollte damit recht behalten, denn Ayu setzte wieder zum Sprechen an.

„Ich persönlich bin ja der Meinung, dass aller guten Dinge drei sind.“

Herausfordernd sah sie ihm in die Augen und hatte ein hauchfeines Lächeln aufgesetzt. Sie war sich sicher, dass der Fürst verstand, was sie andeutete.

Die Bestätigung, dass er ihr hatte folgen können, kam sogleich „Du scheinst dir deiner Sache sicher zu sein.“

Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter „Wir zwei sind erwachsen und an niemandem gebunden. Für gewöhnlich würde ich mich nicht derart anbieten, aber dies ist der letzte Abend. Ihr könnt es als kleines Abschiedsgeschenk sehen, wenn Ihr so wollt.“

Sesshomaru musste zugeben: ihr Angebot war verlockend. Zudem hatte sie recht, es gab keinen Grund, der dagegen sprach, eine weitere Nacht mit der Frau zu verbringen.

Ein letzter Blick in diese funkelnden, grünen Irden und er nahm ihr Angebot gerne an.

Lautlos näherte sich Ayu von hinten und brachte Jaken dazu, erschrocken aufzuschreien, als sie auf einmal neben ihm auftauchte. Ah-Uhn reagierte lediglich mit einem fröhlichen Schnauben.

Sesshomaru war vor ihr zur Gruppe zurückgekehrt und mit dieser aufgebrochen, während Ayu noch etwas an einem kleinen Fluss blieb, bevor sie ihre Reisegefährten einholte.

Ein kalter Blick zur Seite ließ den Kappa, der zu einer Standpauke ansetzte, sofort wieder den Mund schließen.

Nein, sie hatte gerade keinerlei Bedürfnis nach Konversation dieser Art.

Ayu sah an Sesshomaru vorbei, weiter in die Ferne. Am liebsten würde sie einfach loslaufen und erst wieder anhalten, wenn sie zu Hause war. Sie freute sich ungemein darauf, wieder bei ihrer Familie zu sein – und noch mehr darauf, ihre Mutter zu sehen.

Unwillkürlich schwoll ihre Brust an vor stolz. Sie hatte den Auftrag ihrer Mutter mit Bravour gemeistert! Von kleinen Ausrutschern – wie mit dem Fürsten MEHRMALS zu schlafen oder ihrer fast-Niederlage gegen die Menschen – natürlich abgesehen.

Und komme was wolle, sie würde ihrer Mutter als aller erstes um den Hals fallen! Ayu war nicht bewusst gewesen, wie sehr sie Taka vermisst hatte. Ihre gute, alte Mutter, auf die einfach immer Verlass war!

Irgendetwas tief in ihr trübte ihre Freude, doch schob sie dieses Gefühl einfach beiseite.
 

Eine halbe Ewigkeit später – so kam es Ayu jedenfalls vor – blieb Sesshomaru stehen. Zwei Meter vor dem Fürsten wuchs der erste Baum, somit stand er jetzt direkt an der Grenze.

Der DaiYoukai drehte sich halb um und trat einen kleinen Schritt nach hinten.

Für Ayu war die Aufforderung, die Führung zu übernehmen, klar zu verstehen und bestimmt lief sie an dem Fürsten vorbei. Als sie die Baumgrenze passierte, legte sie den Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Heulen aus – zeigte damit an, dass sie zurück war.

Sesshomaru folgte ihr in angemessenem Abstand und dicht hinter diesem lief Jaken mit Ah-Uhn.

Von links näherten sich mehrere Gestalten, deren Youki unterschiedlich stark war.

Ayu hob lediglich kurz witternd den Kopf und ging dann unbesorgt weiter, während sie riet: „Ihr solltet etwas mehr Abstand halten, wenn Ihr gleich nicht mitten drin sein wollt.“

Der kleine, grüne Gnom lief in seinen Herrn rein, vollkommen perplex darüber, dass dieser der Aufforderung Ayus Folge leistete. Sofort setzte Jaken zu zahlreichen Entschuldigungen an, traf aber auf pure Ignoranz.

An den Beinen Sesshomarus vorbei, sah er zu, wie Ayu von mehreren Wölfen angesprungen und unter ihnen begraben wurde. Die vier normalen Wölfe, zwei niedere Wolfsdämonen und der WolfsYoukai sprangen in einem wilden Durcheinander hin und her.

Wäre Sesshomaru nicht stehen geblieben, wäre auch er irgendwo in dem Gewusel aus Wolfsleibern.

Die, um die sich gerade alles drehte, freute sich nicht minder als ihre Brüder und Schwestern, lachte und umarmte jeden von ihnen.

Es fühlte sich so verdammt gut an, wieder zu Hause zu sein!

Die kalte Stimme des Fürsten machte dem Wiedersehen ein jähes Ende: „Ayu.“

Eine deutliche Aufforderung, dass er endlich weiter wollte. Daher richtete sich die Braunhaarige auf und meinte nur „Wir reden später, ja?“

Der größte der Wölfe – der vollwertige Youkai, der auch die Gestalt wechseln konnte – nickte zur Bestätigung und führte seine kleine Gruppe zurück auf ihren Grenzposten. Dies tat er aber nicht ohne die Begleiter seiner Schwester warnend anzuknurren.

Glücklich lächelnd sah Ayu ihnen kurz nach, bevor sie sich umwandte und weiter lief.
 

Der Wald lichtete sich zusehends und vor ihnen erhob sich ein einziger, steiniger Berg.

Sesshomarus Blick schoss hin und her, hier wimmelte es geradezu vor WolfsYoukai in ihrer wahren Gestalt und ihren tierischen Artgenossen – dabei erkannte er sehr wohl, dass es sich zum Großteil um Jungtiere oder Ältere und somit schwächere Exemplare handelte.

Er hatte die Größe dieses Rudels bisher eindeutig unterschätzt.

Das gesamte Rudel geriet in Aufruhr und strömte auf Ayu zu, um sie zu begrüßen. Die Freude war, wie nicht zu übersehen und -hören war, auf beiden Seiten groß.

Eine Bewegung am Berg ließ den Fürsten nach oben sehen und Taka erkennen, die flink und behände nach unten lief.

Doch auch die Leitwölfin dachte nicht im Traum daran, zuerst ihren hohen Gast zu begrüßen – ihre Tochter hatte Vorrang, hatten ihr die zwei Wölfe doch berichtet, dass diese in einen Kampf verwickelt war und verletzt wurde.

Kaum hatte Ayu das Oberhaupt ihrer Familie erblickt, rief sie bereits freudig aus: „Mutter!“ Und fiel ebendieser um den Hals. Die Schnauze der Wölfin lag an ihrem Rücken, als diese sie so an sich drückte „Willkommen zurück, mein Kind.“

Unwillkürlich hatten die Rangniederen Platz gemacht, sodass die Besucher das Wiedersehen beobachten konnten.

Sesshomaru machte einen kleinen Schritt nach vorne und zog damit alle Aufmerksamkeit auf sich.

Augenblicklich wandten sich Wölfe zu ihm um, duckten sich und knurrten ihn an.

„Lasst ihn!“, befahl da auch schon Taka und unterband damit jeden weiteren Konflikt. Nicht ohne dem Fremden argwöhnische Blicke zuzuwerfen, ging das Rudel auf Abstand.

Mit sanfter Gewalt löste sich Taka aus Ayus Umarmung „Ayu meine Liebe, du bleibst hier. Und später kannst du mir alles erzählen.“

„Hai, Mutter!“, leicht neigte Ayu den Kopf und zog sich mit den Mitgliedern ihres Rudels in Richtung Höhlen zurück. Dass ihre Mutter zuerst alles hören wollte, bevor sie mit dem Rudel sprach, hatte sie herausgehört.

Taka blickte zu dem Kappa „Von hier aus im Osten ist ein Fluss, dort wirst du Nahrung für dich finden.“

Eine unmissverständliche Botschaft und nach einem Blick zu seinem Meister, der ihm nur einen kurzen, eisigen Blick zuwarf, trollte sich Jaken und nahm Ah-Uhn mit sich.

Erst als diese Zwei etwas entfernt waren, senkte Taka als Ersatz für eine Verbeugung ihr Haupt „Es freut mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid, Fürst Sesshomaru.“

Dieser stieß ungehalten die Luft aus: „Genug der Höflichkeit, ihr Wölfe seid doch sonst auch so direkt!“

Amüsiert zog Taka die Lefzen nach oben „Ich wollte Euch nur den nötigen Respekt entgegenbringen, da ihr Inus doch solchen Wert darauf legt. Nun, lassen wir das und gehen ein Stück, ich kann keine Zuhörer gebrauchen.“

Vonseiten des Fürsten kam eine knappe Kopfbewegung als Zustimmung und beide Youkai setzten sich Seite an Seite in Bewegung.
 

Erst als sie etwas weiter weg vom Berg waren und Taka prüfend in der Luft geschnuppert hatte, begann diese: „Wie man mir sagte, hat Ayu Euch über die aktuelle Lage informiert.“

Daraufhin erwiderte Sesshomaru nichts, was Taka als Zustimmung nahm.

„Von den Tieren, die in das andere Fürstentum geschickt wurden, kam bisher keine Rückmeldung. Wir wollen noch etwas abwarten und das Beste hoffen. Aber auch ohne die Absichten der Katzen zu kennen, muss sich etwas ändern.“

Der Silberhaarige kannte diesen Tonfall und äußerte daher nur ein: „An was dachtet Ihr?“

Neben ihm erklang ein erheiterter Laut, der entfernt an ein Kichern erinnerte „Und Ihr sagt, wir Wölfe wären direkt!“, leicht schüttelte das Oberhaupt des Rudels den Kopf, ehe es ernst fortfuhr. „Dieses Land hier gehört keinem von euch Fürsten. Wenn Ihr mich fragt, wollen die Kätzchen Ansprüche auf dieses erheben. Die Konsequenzen muss ich Euch mit Sicherheit nicht erläutern. Aber was wäre, wenn dieses Land bereits einem Fürsten gehört? Um genau zu sein, Euch?“

Der Angesprochene blieb stehen und betrachtete Taka aus verengten Augen. Was hatte die Alte dieses Mal ausgeheckt? Als ob sie ihm so einfach ihr Land überlassen würde!

Auch die Youkai war stehen geblieben und drehte sich zu ihm „Hai, Ihr versteht richtig. Ich wäre bereit, Euch mein Land anzuvertrauen. Natürlich unter gewissen Bedingungen, aber ich glaube, dass Ihr mit diesen Leben könnt. Mein Rudel bleibt hier! Wir werden dieses Land weiterhin bewachen und für Euch die Grenze hier im Auge behalten. Wir bleiben weiterhin in unserem Rudel organisiert, auch wenn wir als solches unser Handeln mit Euch abstimmen werden“, sie hielt inne und blickte direkt in seine goldenen Augen „Den Rest werde ich einem klugen Mann wie Euch nicht erklären müssen. Lasst Euch nicht zu viel Zeit mit Eurer Entscheidung, die Lage ist ernst.“

Was Taka da andeutete, lag für den Fürsten klar auf der Hand. Im Grunde würde sich nichts ändern, außer, dass er informiert werden würde, wenn hier etwas Nennenswertes geschah. Und natürlich würde ihm dieses Land gehören – auf dem Papier zumindest.

„Wer sagt mir, dass Ihr dieses Land in meinem Interesse verwaltet?“

In den weißen Augen Takas blitzte es auf – der Junge kam sehr nach seinem Vater, handelte ebenso mit Bedacht. „Was wollt Ihr?“

„Beobachter.“

„Ihr wollt also, dass wir hier Inus dulden, die in Eurem Dienste stehen.“

Ein knappes Nicken seitens Sesshomarus ließ die weiße Wölfin die Lefzen hochziehen „So wenig Vertrauen in eine alte Freundin der Familie – Ihr beschämt mich!“

Darauf antwortete er nicht – er musste dieser Wölfin mit Sicherheit nicht erklären, dass Inus ein Recht hatten hier zu sein, wenn dieses Land zu seinem Reich gehörte. Ebenso wenig, wie dass Taka nicht immer die Leitwölfin sein würde und auch wenn sie ihr Wort hielt, wer wusste schon, wie es ihre Nachfolger halten würden?

Nein, er war nicht so leichtsinnig, in dieser Richtung etwas offen zu lassen.

Wie nicht anders von ihm erwartet, war sich Taka all dessen bewusst. Es gab da aber eine Sache, die dann ebenfalls geklärt werden musste.

„Hier werden dennoch zum Großteil Wölfe leben. Ihr habt mein Rudel gesehen, dieser Wald wird nicht viel mehr Bewohner ernähren können, und wenn Ihr ihn rodet, werdet Ihr damit uns Wölfen unsere Lebensgrundlage nehmen. Es wird nicht möglich sein, dass ihr Inus hier eine eurer Prachtbauten hinsetzt.“

„Solide Hütten werden reichen.“

Ein nachdenkliches Brummen war zu hören, ehe Taka ihre Schnauze leicht senkte und somit ihre Zustimmung gab.

Schweigen legte sich über sie, dass nach einigen Minuten von der Leitwölfin gebrochen wurde „Ihr und Euer Gefolge seid eingeladen, die Nacht bei mir und meiner Familie zu verbringen. Natürlich verstehe ich, dass Ihr noch Bedenkzeit benötigt.“
 

Sie hatte kaum eine Pfote nach vorne gesetzt, um zurück zum Berg zu laufen, da sprach Sesshomaru ein Wort aus, welches sie sofort innehalten ließ.

„Ayu.“

Warum er nun doch Taka darauf ansprach, war dem Fürsten selbst nicht klar – er tat es einfach.

Die Angesprochene setzte sich hin und sah ihn lange an „Was ist mit meiner Tochter?“

Sesshomaru zog kaum merklich eine Augenbraue nach oben, was Antwort genug war.

Die Augen zu Schlitzen verengt funkelte ihn die Wölfin warnend an „Sie ist meine Tochter! Ich habe sie groß gezogen!“

„Sie gehört nicht hierher.“

Die Youkai warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend auf „Was wisst Ihr schon? Nichts! Denkt Ihr, weil Ihr mit Ayu geschlafen habt – ich rieche es doch deutlich! – habt Ihr irgendwelche Rechte an meinem Kind? Was wollt Ihr mit ihr machen? Sie in Euer Schloss holen, in die Gewänder Eures Volkes stecken und als eine von euch Inus leben lassen? Als irgendeine Dienerin oder Eure persönliche Hure, wenn Ihr denn im Schloss seid?“, ruckartig ließ sie den Kopf nach vorne fallen und sprach ungerührt weiter „Wir wissen beide, dass das nicht funktionieren wird. Das Mädchen wird sich das nicht gefallen lassen, denn sie ist als eine von uns aufgewachsen.“

Sesshomaru stand unbewegt an Ort und Stelle.

Nie würde es jemand wagen, so mit ihm zu sprechen und wenn doch, würde es die Person bitter bereuen.

Seine Finger zuckten, doch er hielt sich unter Kontrolle. Mit Taka persönlich legte sich niemand gerne an. Diese Frau war eine lebende Legende unter den Männern auf seinem Schloss und in seinen jungen Jahren hatte auch er zu spüren bekommen, warum selbst sein Vater mit großem Respekt von ihr sprach.

Also kein unnötiger Kampf mit der Wölfin, die ihn gewiss an seine Grenzen treiben würde. Denn auch wenn er sich sicher war, sie mittlerweile schlagen zu können – es wäre dennoch schwer, würde viel Energie kosten und ihn schwächen.

Alles in allem, waren das genug rationale Gründe, um nicht auf sie loszugehen.

Zumal ihre Worte der puren Wahrheit entsprachen.

Taka veranlasste ihn dazu, aufzusehen „Was interessiert Euch meine Ayu überhaupt? Solltet Ihr ernsthafte Absichten hegen, so solltet Ihr dessen gewahr sein, dass sie sich ihrer Herkunft nicht bewusst ist. Doch habt Ihr keine, so haltet Euch von ihr fern! Ich werde die InuYoukai wie mein eigen Fleisch und Blut behandeln und beschützen, so wie ich es seit über zweihundert Jahren mache!“

Mehr hatte die alte Youkai zu diesem Thema nicht mehr zu sagen, daher wandte sie sich ab. Während sie ging, äußerte sie noch: „Ich werde mein Rudel anweisen, Euch ab jetzt uneingeschränkt hier zu dulden.“

Was bedeutete, er durfte ähnlich wie sein Vater ohne um Erlaubnis zu bitten den Wald durchqueren oder zu ihrem Berg. Diese Geste irritierte den Silberhaarigen – sie hatte keinerlei Anlass dazu, ihm dieses Zugeständnis zu machen, solange er ihr Angebot nicht angenommen und das Recht dazu hatte.

Was also hatte Taka vor? Warum tat sie das? Denn das ihr Handeln einen guten Grund hatte, das stand für ihn außer Frage.

Er würde es noch früh genug erfahren, daher setzt auch er sich in Bewegung und war wenige Augenblicke später wieder an ihrer Seite.
 

Der Fürst saß auf einem hohen Stein auf halber Höhe des Berges, links hinter ihm befand sich der Eingang zu jener Höhle, die Taka ihm und seinen Begleitern zur Verfügung gestellt hatte. Besagtes Gefolge hatte sich am Boden niedergelassen und an den Stein angelehnt, auf dem sein Herr saß.

Alle vier Augenpaare beobachteten den Trubel, der um sie herum herrschte.

Die misstrauischen Blicke, die ihnen immer wieder zugeworfen wurden, ignorierte der Silberhaarige geflissentlich und Jaken gab sich alle Mühe, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Dass sich unweit von ihnen ein grauer Wolf niedergelassen hatte und sie beobachtete, trug nicht zur Beruhigung des Kappas bei.

Doch ansonsten ließ sich das Rudel nicht von seinem Alltag ablenken.

Sesshomaru hätte gedacht, dass es hier ruhiger wäre, da die Erwachsenen zum Großteil irgendwo im Wald unterwegs waren. In diesem Punkt hatte er sich klar geirrt.

Die alten Wölfe, deren Rüstigkeit er alles andere als hoch eingestuft hatte, waren ständig in Bewegung und beschäftigten die Jüngeren, die noch nicht alt genug waren, um ihre Familie im Kampf oder bei der Jagd zu unterstützen. Die Einzigen, die wirklich ruhig dalagen, waren die Verletzten.

Von seiner ungewöhnlichen Reisebekanntschaft fehlte jede Spur.

Seine Gedanken schweiften ab, hin zu Takas Angebot. Wenn sie sich zu diesem Schritt entschied, musste die Lage verdammt ernst sein. Auf der anderen Seite konnte es ebenso gut sein, dass sie der Verlust ihres Gefährten schwerer getroffen hatte, als es den Anschein machte.

Ihre Gründe konnten ihm letztlich egal sein. Dieses Land hier war fruchtbar und es würde sich gut in seine Besitztümer einfügen. Ein weiterer positiver Aspekt wäre, dass er es den Nekos quasi vor der Nase wegschnappen würde.

Zudem wäre ihm das Rudel auch gewissermaßen verpflichtet, und wenn das hier nur der schwache Kern war, wie viele starke Kämpfer gab es hier erst? Dieses Rudel auf seiner Seite zu haben konnte einfach nur nützlich sein.

Im Grunde bot dieses Bündnis einige Vorteile und er war geneigt, anzunehmen. Vorher musste er aber zu seinem Schloss und dort noch ein paar Dinge abklären. Außerdem musste ein Vertrag aufgesetzt werden – ohne einen solchen wäre jede Abmachung ungültig.
 

Freudige Willkommensrufe ließen ihn aufschauen. Es war etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang und mehrere Gruppen kehrten zu ihrem Heim zurück, teilten sich auf und vermischten sich mit denen, die hier geblieben waren.

Würgelaute veranlassten ihn dazu, mit den Ohren zu zucken.

Angewidert zog er die Mundwinkel nach unten, als sich mehrere Tiere erbrachen, damit die Jungtiere und Alten fressen konnten. Etwas, dass er als InuYoukai nicht nachvollziehen konnte. Sicherlich, es war der einfachste Weg, um die Nahrung von A nach B zu bringen, dennoch… Es war ihm zuwider.

Weitere Wölfe kehrten zurück und dem Fürsten fiel dabei auf, dass es hier, im Vergleich zu den niederen Wölfen, eher wenige, vollwertige Youkai gab. Auf einen, der die Gestalt wechseln konnte, kamen bestimmt zwei gewöhnliche Tiere, von den niederen Youkai gab es auch alles andere als wenige.

Der Grund dafür wurde ihm klar, als er beobachtete, wie die Jungen zu ihren Müttern gingen – die Youkai hatten deutlich weniger Nachwuchs, auch wenn sie mit zwei bis drei Welpen mehr Junge hatten, als andere Dämonen. Dies war mit größter Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen, dass sie eigentlich nie ihre menschliche Gestalt annahmen und ihre Körper dementsprechend mehr nach der tierischen Seite funktionierten. Mit der Vermehrungsrate der niederen Youkai und den Wölfen konnten sie dennoch nicht mithalten.
 

Ayu hatte sich mit der Entschuldigung, sich von der Reise erholen zu müssen, in die Höhle ihrer Mutter zurückgezogen, um den Fragen der anderen auszuweichen.

Trotz all ihrer Aufregung war sie tatsächlich in einen leichten Schlaf gefallen, aus dem sie die feuchte Zunge ihrer Mutter riss, die ihr einmal über den Nacken leckte.

Schon stand sie aufrecht und schüttelte sich „Mutter, musste das sein?!“

„Entschuldige, Kindchen. Es war zu verlockend.“

Das ‚Kindchen‘ brummte nur und blickte zu ihrer Mutter, die sich auf ihrem Lager aus weichem Laub und Moss niederließ. Fragend sah sie in die weißen Augen Takas, die ihr mit einem einladenden Wink des Schwanzes ihre Erlaubnis gab.

So schnell, wie sich Ayu zwischen den Vorderpfoten ihrer Mutter niedergelassen hatte und mit dem Rücken an den großen Körper drückte, konnte diese kaum sehen. Dies wiederum ließ ihren Brustkorb vibrieren, als sie lachte „Dafür, dass du dich mit einem der gefürchtetsten Youkai überhaupt vergnügt hast, bist du ziemlich anhänglich!“

Auch wenn Taka die Inu nicht sehen konnte, sie spürte, wie sich diese kurz verspannte.

Die weiße Wölfin bewegte etwas eine ihrer Pfoten und drückte ihre Tochter näher an sich heran. Ihr fiel es schwer, es zuzugeben, doch sie hatte ihr Hündchen vermisst. Schmerzlich wurde sich die Wölfin bewusst, wie wichtig ihr ihre Pflegetochter überhaupt war.

„Mutter?“

„Hm?“

„Es ändert doch nichts, oder?“

„Nein Ayu, es ändert nichts. Was soll auch schon sein? Ihr hattet euren Spaß, mehr nicht. Das hat nichts mit den Belangen unseres Rudels zu tun.“

Ayu atmete erleichtert aus, dass ihre Mutter nach ihrer Bemerkung in Schweigen verfallen war, hatte sie befürchten lassen, mit ihrer Tat irgendetwas verbrochen zu haben. Umso besser war es zu hören, dass es Taka so einfach hinnahm, nicht der geringste Vorwurf oder ein Urteil war herauszuhören gewesen.

„Genug davon, erzähl mir alles von deiner Reise. Aber vorher…“

„Hai?“

„Gut gemacht, Ayumi!“

Die Braunhaarige war sprachlos. Ihre Eltern hatten sie immer nur Ayu genannt – Ayumi wurde sie nur gerufen, wenn es ihnen verdammt ernst war. Das letzte Mal war sie furchtbar leichtsinnig gewesen und wäre fast gestorben – das war über siebzig Jahre her! So lange schon hatte niemand ihren Namen voll ausgesprochen!

Taka war also mehr als zufrieden mit ihr!

Dadurch bestärkt zögerte Ayu nicht länger, sondern berichtete ihrer Mutter von der gesamten Reise.
 

Ein kurzes Heulen erklang und immer mehr Köpfe gingen hoch, folgten dem Hinweis ihres Artgenossen und stießen erfreute Willkommensrufe aus.

Auch Sesshomaru folgte diesen Blicken und sah Ayu an der Seite von Taka beim Eingang einer der größten und weit oben liegenden Höhlen. Da hatte sie sich also verkrochen und anscheinend mit der Leitwölfin geredet.

Jetzt aber kam sie gemeinsam mit Taka nach unten und gesellte sich zum Rest ihrer Familie.

Bis spät in die Nacht konnte er hören, wie sie sich unterhielten – und es störte ihn ungemein, dass er kein Wort verstand.

Unwillkürlich missfiel dem Fürsten noch eine weitere Sache: Ayu schenkte ihm keinerlei Beachtung.

Sie verschwand in der Nacht, ohne ihn auch nur ein einziges Mal angesehen zu haben, zusammen mit Taka in deren Höhle.

Angespannt kauerte sich Ayu nieder, machte sich möglichst klein und war dennoch bereit, jederzeit vorzupreschen.

Sie hatte in ihre tierische Gestalt gewechselt und war zusammen mit fünf anderen Wölfen auf der Jagd.

Ihre Gedanken wanderten wieder eine Woche zurück. Wie zu erwarten gewesen war, hatte Sesshomaru ihren Berg kurz nach Sonnenaufgang verlassen und sich mit seinen Begleitern auf den Weg zu seinem Schloss gemacht.

Ayu hatte am Eingang von Takas Höhle gesessen – sie hatte ausnahmsweise dort schlafen dürfen – und ihm nachgesehen, bis er im Wald verschwunden war. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, den DaiYoukai gehen zu sehen.

Rascheln riss sie aus ihren Erinnerungen und sie schalt sich selbst für ihre Unachtsamkeit. So etwas durfte nicht passieren, sie durfte sich nicht ablenken lassen!

Unwillkürlich spannten sich ihre Muskeln noch weiter an, als sie sah, wie die anderen Wölfe geschickt eine Sikahirschkuh von ihrer Gruppe trennten und in ihre Richtung trieben.

Geduldig wartete sie den richtigen Moment ab, bevor sie ihre Deckung verließ und ihrer Beute an die Kehle sprang.

Da sie selbst nicht wirklich Hunger hatte, löste sie sich von dem toten Tier und ließ die Anderen fressen, da diese die Nahrung nötiger hatten als sie selbst.
 

Während ihre Begleiter sich also die Bäuche vollschlugen, verwandelte sich Ayu zurück in ihre menschliche Form und ließ sich auf dem Boden nieder.

Ein kaum hörbarer Seufzer entkam ihr.

Es fehlte einfach etwas!

Jetzt, da sich ihre Freude über die Heimkehr gelegt und dem Alltag Platz gemacht hatte, machte sich oft ein seltsam leeres Gefühl in ihr breit. Was sie vermisste, konnte sie allerdings nicht wirklich sagen.

War es die Gesellschaft des Fürsten? Gut, er war ein ausgezeichneter Liebhaber, aber das konnte doch nicht der Grund sein? Sicherlich nicht, denn auch vorher war sie Männern begegnet, die nicht zu verachten waren und denen sie dennoch nicht dermaßen nachgetrauert hatte.

Das konnte es also nicht sein.

Der nervende Kappa schied ebenfalls aus. Warum war der Kerl eigentlich bei Sesshomaru? Wäre Ayu an dessen Stelle, sie hätte die Kröte längst ins Jenseits befördert oder irgendwo im Wald sitzen gelassen.

Ah-Uhn war ebenfalls auszuschließen. Der Drache war nett, keine Frage, aber nicht wichtig genug, um seine Abwesenheit als schmerzlich zu empfinden.

Was blieb noch?

Dass in der Welt herumstreunen? Ayu musste zugeben, es hatte ihr gefallen, die Weiten Japans zu sehen – aber hier war ihr zu Hause, diesen Wald und seine Bewohner liebte sie über alles.

Und dennoch sagte ein Teil von ihr, dass dies hier nicht der Platz war, an den sie gehörte.

Etwas Feuchtes stieß gegen ihre Wange und sie blickte auf, direkt in eisblaue Augen. Die Braunhaarige rang sich ein Lächeln ab und fuhr ihrer Schwester über die Schnauze „Alles in Ordnung. Ich hab‘ nur nachgedacht.“

Die graue Wölfin winselte leise und leckte sie hinter den Ohren, was Ayu ein echtes Lachen entlockte.

Nein, hier war sie zu Hause, hier gehörte sie hin und nirgendwo sonst.
 


 

Ayame stand unsicher an der Grenze, Ginta und Hakkaku hinter sich. Kouga hatte das Rudel nicht alleine lassen wollen und darauf bestanden, dass die Zwei sie begleiteten – was für die Frau gerade ein echtes Problem war.

Sie selbst konnte damit rechnen, dass einer der Älteren sie erkannte und sie daher ohne Weiteres zum Berg kam, aber wie sah es mit den zwei Männern aus?

Nun, alles Grübeln brachte nichts, sie musste es einfach probieren!

Entschlossen setzte sie sich in Bewegung, wurde aber nach einem Schritt von Hakkaku aufgehalten „Du willst da doch nicht wirklich einfach so rein marschieren?!“

Sein Freund stimmte dem Weißhaarigen sofort zu „Das geht nie und nimmer gut!“

Genervt seufzte die WolfsYoukai auf und drehte sich halb zu den beiden um: „Also, entweder ihr kommt mit oder bleibt hier. Ich geh jetzt jedenfalls.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand sie zwischen den Bäumen und die zwei anderen starrten ihr hinterher. Dann rissen sie sich aus ihrer Starre und liefen ihr schnell nach.

Das „Ayame, jetzt warte doch!“ von Ginta und „Nicht so schnell!“ von Hakkaku war laut und deutlich zu hören.

Jetzt musste sich Ayame wenigstens keine Sorgen darüber machen, wie sie sich bemerkbar machen sollte, denn das hatten ihre Begleiter, die hinter ihr auftauchten, bereits übernommen.

Konzentriert schloss sie die Augen und hörte mehrere Pfotenpaare, die direkt auf sie zu hielten.

„Ich bin Ayame, mein Großvater war einer eurer Brüder! Meine Begleiter und ich kommen in friedlicher Absicht!“

Benannte versteckten sich halb hinter ihrem Alphaweibchen, die, die Hände nach oben hielt und damit zeigte, dass sie unbewaffnet war.

Tatsächlich wurden die Wachen langsamer und im normalen Schritttempo traten zwei Youkai in tierischer Gestalt auf sie zu, hinter ihnen waren fünf gewöhnliche Wölfe zu erkennen.

Ayame sah direkt in ein ihr bekanntes, weißes Augenpaar. „Kyo, schön dich wohlauf zu sehen. Ayu war vor knapp zwei Wochen bei meinem neuen Rudel und hat mir erzählt, was hier so los ist. Da dachte ich, komm ich doch mal vorbei und besuch deine Schwester!“

Dieses Mal stimmte die Bezeichnung Schwester sogar, Kyo war aus demselben Wurf Takas wie Ayu.

Auch er hatte das einstige Anhängsel seiner Schwester wiedererkannt und nickte ihr zu: „Und die zwei Trottel, die sich hinter dir verstecken wie feige Hunde?“

„Hey!“, empörten sich die ‚Trottel‘ wie aus einem Munde.

Mit einem Grinsen erklärte die Besucherin: „Mein Gefährte hat sie mir mitgeschickt, damit sie auf mich aufpassen. Sie sind zwar nicht die Mutigsten, aber auf sie ist Verlass. Ginta“, sie zeigte über ihre linke Schulter auf den Mann mit dem grau-schwarzen Haar „und Hakkaku“, ein Fingerzeig über die andere Schulter „werden euch sicherlich keinen Ärger machen.“

Kyos Schwanz schlug unruhig hin und her „Wenn nur du es wärst, Ayame…“

„Ich weiß.“

Zum ersten Mal äußerte sich eines der Tiere „Soll ich zu Mutter laufen und sie fragen?“

„Ich lege für die Zwei meine Hand ins Feuer!“, fuhr Ayame dazwischen, bevor einer der hier heimischen Youkai antworten konnte.

Kyo sah ihr lange in die Augen und entschied dann: „Ihr geht auf direktem Wege zum Berg und werdet euch Mutter vorstellen, sie soll entscheiden! Und ich rate euch, nicht vom Weg abzuweichen und nichts anzustellen!“

Die junge Rudelführerin verbeugte sich leicht: „Ich danke dir, Kyo.“

Dieser nickte lediglich und warf den zwei braunen Wölfen noch einen warnenden Blick zu. Dass seine Schwester neben ihm vielsagend ihre Fänge präsentierte, trug ebenso dazu bei, dass diese eilig beteuerten, zu tun, was ihnen befohlen wurde.
 

Die Wege der zwei Gruppen trennten sich und zielsicher suchte sich Ayame einen Weg durch das Dickicht. Es war zwar Jahre her, dass sie hier gewesen war, aber dennoch war sie sich sicher, zu wissen, wo sie sich befanden.

Tatsächlich erreichten sie gegen Mittag den Berg und an dessen Fuße blieb die Frau stehen und rief laut und deutlich „Ayame, Ginta und Hakkaku. Man sagte uns, dass wir mit Taka sprechen sollen.“

Sie wurden bereits feindselig angeknurrt, aber einige erkannten den weiblichen Gast wieder und blieben daher entspannt. Es dauerte nicht lange und ein niederer Youkai mit silbernem Fell kam zu ihnen: „Ayame, lange nicht gesehen.“

Verwirrt und fragend blinzelte Angesprochene die Wölfin an. Diese kicherte, soweit es ihr möglich war: „Ich bin eine Nichte deines Großvaters!“

„Yori! Mutter sagt, sie sollen zu ihr kommen!“, erklang der Ruf von einer der Höhlen auf halber Höhe.

Beim Klang des Namens fiel es Ayame wieder ein – Yori war damals noch ein Welpe, daher hatte sie diese nicht erkannt.

„Haihai!“, bellte diese zurück und bedeutete den Besuchern, ihr zu folgen.
 

Bei den letzten Höhlen blieb Yori stehen, während Ayame einfach weiter lief. Ginta und Hakkaku hinter ihr waren derart nervös, dass es sie fast wahnsinnig machte.

Wie es sich gehörte, senkte sie den Blick und verbeugte sich vor Taka, die gelassen auf dem großen Felsen lag.

„Ayame, ich hätte nicht so schnell mit dir gerechnet. Ayu erzählte mir bereits, dass du kommen wolltest. Mein Beileid zum Tod deines Großvaters, ich war sehr bestürzt dies über solche Umwege und ganz nebenbei von Ayu, zu erfahren. Und wer sind überhaupt diese zwei Angsthasen hinter dir? Ach ja, nicht so tief verbeugen, du bist eine Leitwölfin und mir damit nicht länger untergeordnet.“

Die freundliche und ehrliche Stimme der berühmt-berüchtigten Wölfin brachte Ginta und Hakkaku zum Stutzen – sie hatten mit Vielem gerechnet, aber nicht mit einem so herzlichen Empfang!

„Danke, Taka. Ich werd‘ mir Mühe geben, aber du weißt doch, die Macht der Gewohnheit“, Ayame grinste schief. „Die hinter mir sind Ginta und Hakkaku, sie sollen auf mich aufpassen.“

Offensichtlich amüsiert funkelte Taka die zwei Jungspunde an: „Indem sie dir den sichersten Fluchtweg zeigen?“

Die Frau kicherte darüber nur und die zwei Männer waren zunehmend verwirrt. Warum hatten alle solchen Respekt vor einer so heiteren Persönlichkeit?!

Den Grund erfuhren sie im nächsten Moment, denn alle Wärme verschwand aus den weißen Augen und ihr kalter Blick jagte ihnen Schauer über den Rücken. „Ayame ist uns ein willkommener Gast, daher seid auch ihr willkommen. Ich rate euch beiden aber, euch nichts zuschulden kommen zu lassen!“

Die einhergehende Drohung war nicht zu überhören gewesen und beide nickten hastig, versicherten, dass ihre Anwesenheit nicht auffallen würde und sie auch gerne bei der Jagd oder so halfen.

Das hiesige Familienoberhaupt verdrehte etwas die Augen und meinte nur: „Nervt einfach niemanden. Jetzt seht zu, dass ihr Land gewinnt, ich will mit Ayame alleine reden!“

Unsicher sahen sie zu ihrer Leitwölfin und diese nickte ihnen zu, weshalb sich beide zurückzogen.
 

Als sie verschwunden waren, fragte Ayame: „Was willst du, Taka?“

Ihr war der forschende Blick nicht entgangen, den sie von der Älteren zugeworfen bekam. „Du bist nur wegen Ayu hier?“

Nicht ahnend, worauf ihr Gegenüber hinaus wollte, nickte Ayame und wartete ab, was als Nächstes kommen würde.

Die weiße Wölfin jedoch schwieg einige Minuten und dachte nach. Ayame und Ayu verstanden sich schon immer sehr gut – vielleicht war es ein Wink der Götter, dass Ayame gerade jetzt eingetroffen war. Ayu war auf der Jagd und sollte danach die Grenze entlang laufen, um bei den Posten Neuigkeiten einzuholen…

Sie wäre also noch eine ganze Weile unterwegs – genug Zeit, damit Ayame verarbeiten konnte, was sie nun erfahren würde.

Mit diesem Gedanken nickte sie sich selbst zu und sprach dann laut: „Ayame, was ist dir aufgefallen, als Ayu bei dir und deinem Rudel war?“

Die Gefragte runzelte die Stirn und legte den Kopf schief „Sie hat nach Hund gerochen, aber das kam gewiss vom Fürsten.“

„Wie hat dein Rudel auf sie reagiert?“

So langsam verstand Ayame immer weniger, was Taka eigentlich wollte, doch ihr Respekt vor der Alten war zu groß, als, dass sie es gewagt hätte, die Antwort zu verweigern. „Unterschiedlich. Zu aller erst natürlich misstrauisch, aber auch verwirrt wegen des Hundegeruchs“, sie hielt inne „Und wegen ihres Aussehens. Mein Mann Kouga hat nach ihrer Weiterreise nachgefragt, ob ich mir wirklich sicher bin, dass sie eine von deinen Töchtern ist.“

Unsicher blickte sie zur anderen Leitwölfin auf, die die Augen halb geschlossen hatte. „Hat einer von ihnen in Ayus Gegenwart etwas gesagt?“

„Nein.“

Die Ältere seufzte leise und schloss einen Moment ganz die Augen, bevor sie ihre Gesprächspartnerin ernst anblickte. „Ich werde dir etwas verraten und du wirst Stillschweigen darüber wahren. Gehe mit diesem Wissen weise um und lass mich diese Entscheidung nicht bereuen.“

Ayame legte ihre Rechte auf die Stelle ihrer Brust, unter der ihr Herz schlug und verbeugte sich leicht „Du hast mein Wort!“

„Ayumi“, Taka zog die letzte Silbe heraus „Sie hat nicht wegen Sesshomaru nach Hund gerochen.“

Die Braunhaarige sah Taka nur an, ihr Hirn weigerte sich, zu verstehen, was die Folge von deren Aussage war.

Ebenso leise, wie den letzten Satz, fuhr die Ältere fort: „Sie ist weder die leibliche Tochter von mir, noch von Meiyo, sondern zweier InuYoukai“, mehr von ihrem spärlichen Wissen wollte Ayumis Ziehmutter zu diesem Zeitpunkt noch nicht preisgeben.

Jetzt, da es Taka ausgesprochen hatte, konnte sich Ayame nicht mehr dagegen wehren – diese Information brannte sich in ihr Gedächtnis und ein Teil ihrer Welt stand gerade Kopf. Alles, was sie herausbrachte, war ein geflüstertes: „Warum?“

Wonach sie fragte, war ihr selbst nicht klar. Warum Taka ihr dies sagte oder warum Ayu hier war.

Die Wölfin wandte sich ab und meinte nur leise „Wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, dann das: Kommt Zeit, kommt Rat. Sag ihr nichts. Es ist noch zu früh.“

„Sie weiß es nicht!“

Eine Feststellung, von der Ayame nicht gedacht hätte, dass sie diese in ihrem momentanen Schockzustand machen konnte.

Abwesend nickte Taka, bevor sie nun doch zur Jüngeren sah „Du solltest dich von deiner Reise erholen!“

„Hai…“
 

Sofern es ihr in dieser Gestalt möglich war, runzelte die Wölfin ihre Stirn und sah zu, wie sich Ayame – geistig eindeutig nicht anwesend – von ihr entfernte und von Yori weggeführt wurde. Die junge Frau hatte ihr Wort gegeben, zu schweigen und Taka glaubte ihr, dass sie dieses auch halten würde.

Zweifel, ob es richtig gewesen war, ihr diese Information zu geben, blieben dennoch.

Auf der anderen Seite aber wusste sie, dass es unabwendbar gewesen war. Ihr Gefühl hatte sie in ihrem langen Leben noch nie betrogen, also warum auch immer – es war nötig, dass Ayame es wusste.

Abermals verließ ein Seufzer ihr Maul – in letzter Zeit tat sie dies viel zu häufig!

Was hatte sie sich damals nur aufgehalst! Nur vor 210 Jahren hatte niemand auch nur im Geringsten geahnt, wie es heute aussehen würde und das Taka allein vor der Aufgabe stand, zu beenden, was Taro angefangen hatte – und das auch noch möglichst schonend für ihre kleine Ayumi.

Fast schon frustriert fuhr sie sich mit einer ihrer Pfoten über die Schnauze.

Wenn Taro nicht längst tot wäre, spätestens jetzt würde sie ihn dafür umbringen!
 


 

Schnell und geschickt lief Ayu einen der vielen, schmalen Wildwechsel entlang, der nicht so häufig benutzt wurde.

Die halbe Strecke hatte sie bereits hinter sich und sie lag gut in der Zeit – wenn sie so weiter machte, käme sie weit früher als gedacht zum Berg zurück.

Ein fremder Geruch veranlasste sie dazu, ihre Schritte zu verlangsamen und die Quelle zu suchen.

Welche sie wenig später in Form eines Youkai fand, der auf einem anderen der Pfade lief – seinen Geruch konnte sie nicht zuordnen, seine Art nicht bestimmen. Das Einzige, was sie feststellen konnte, war, dass es sich um eine den Wölfen verwandte Gattung handeln musste.

Der Unbekannte hatte einen ungewöhnlich dunklen Hautton, bräunlich-gelbe Augen und wirres, braungraues Haar mit schwarzen Strähnen. Alles, was er trug war ein Lendenschurz aus hellem Leder, ansonsten hatte sie freie Aussicht auf einen schlanken und gut gebauten Krieger.

Auch er hatte sie bemerkt und verbeugte sich leicht: „Man hat mir gestattet, den Wald deines Rudels zu durchqueren.“

Daran zweifelte die Frau nicht – an diese Stelle des Waldes kam niemand unbemerkt, und da sie keine Warnrufe gehört hatte, hatte er sich auch nicht gewaltsam Zutritt verschafft. Was sie weit mehr irritierte, war der seltsame Akzent, mit dem er sprach.

Ein ehrliches Lachen erklang, als sie nicht antwortete. „Nein, ich komme nicht von hier, sondern von einem Land im Westen, auf der anderen Seite des Meeres. Um gleich die nächste Frage zu beantworten: Man nennt meine Art Schakal, wir zählen zu den Wildhunden und ja, wir sind mit euch Wölfen verwandt.“

Interessiert zuckten Ayus Ohren, als sie dies hörte und sie legte den Kopf schief. „Warum bist du so weit gereist?“

Er zuckte mit den Schultern „Ich suche.“

„Und was?“

„Weiß ich nicht. Vielleicht den Ort, an den ich gehöre? Oder eine Frau? Ich habe wirklich nicht den geringsten Hauch einer Ahnung.“

Die Braunhaarige legte die Stirn in Falten. Ein ruheloser Geist also? Ging es ihm so ähnlich, wie ihr gerade?

Der Mann indes hatte sich ein Bild seiner neuen ‚Bekanntschaft‘ gemacht. Ihm war bereits aufgefallen, dass die Frauen hier weit weniger freizügig und sehr viel zurückhaltender als in seiner Heimat waren – die Dame vor ihm tanzte eindeutig aus der Reihe.

Er beobachtete, wie sie den Blick hob und den Stand der Sonne prüfte, bevor sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen legte.

Ayu hatte einen Weg gefunden, um herauszufinden, ob ihr nur ein Mann zwischen den Schenkeln fehlte.

„Du reist also alleine.“

„So ist es.“

Die Youkai trat näher an ihn heran, bis sie nur noch ein Schritt voneinander trennte – er war ebenso groß wie sie – und ließ ihn nicht aus den Augen. „Wie hält man es bei deinem Volk zwischen den Geschlechtern?“

Eine Ahnung tauchte im Kopf des Mannes auf, doch er ließ sich nichts anmerken: „Wer nicht gebunden ist, kann tun und lassen, was und mit wem er will. – Wie mir gerade auffällt, haben wir uns noch nicht vorgestellt. Mein Name ist Xo-“

Ein klauenbewährter Finger auf seinen, für ihre Verhältnisse ungewöhnlich vollen, Lippen, ließ ihn verstummen. „Keine Namen, keine Verbindlichkeiten und kein Küssen.“

Einen Moment lang, war er überrumpelt. SO direkte Frauen war er nun auch wieder nicht gewohnt – dann aber nickte Xola.

„Dann komm mal mit, wir wollen doch unsere Ruhe…“, Ayu zwinkerte ihm zu und wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern übernahm die Führung zu einer ruhigeren Stelle. Diese lag gleichzeitig so, dass sie immer noch nach Hilfe beim nächsten Posten rufen konnte und diese schnell eintreffen würde.

Die Zeit für ein Stelldichein hatte sie noch, auch wenn es bei einem Mal bleiben musste.
 


 

Die Sonne berührte gerade den Boden, als Ayu zu ihrem Heim zurückkehrte und ihrer Mutter noch schnell Bericht erstattete.

Danach stand sie etwas unschlüssig da und ließ ihren Blick über ihr Rudel wandern – dabei fielen ihr zwei ihr unbekannte Youkai auf, die umringt wurden und anscheinend irgendwas erzählten.

Neuigkeiten von außerhalb waren gern gehört und so wie es aussah, amüsierten sich Zuhörer als auch Erzähler.

Kannte sie diese Zwei nicht irgendwoher…?

Nachdenklich näherte sie sich und wurde nun auch von dem, mit der stacheligen Frisur bemerkt. „Ah, du bist doch Ayu, nicht? Ayame wartet schon den ganzen Tag auf dich, sie ist in einer der Nebenhöhlen.“

Ayame war hier und die Zwei gehörten zu ihr? Dann kamen ihr die Gesichter wohl bekannt vor, weil sie diese bei Ayames Rudel gesehen hatte.

Sie nickte dem Kerl zu und entfernte sich wieder, konnte sie sich doch denken, in welcher der Höhlen ihr früherer Schützling saß.
 

Ihre Vermutung bewahrheitete sich und sie fand ihren einstigen Schützling in der Höhle, in der sie und ihr Großvater immer genächtigt hatten.

Die Jüngere saß auf den Fellen, hatte die Beine angezogen und ihre Arme auf den Knien abgestützt. Wegen irgendwas schien sie nachdenklich.

„Ayame?“

Angesprochene Frau fuhr zusammen und ihr Kopf ruckte hoch: „Ach, lässt du dich auch mal Blicken, Ayu?“

Mit einem breiten Grinsen ließ sich Ayu neben Ayame nieder „Viel zu tun, viel zu tun.“

Die jüngere der beiden Frauen verdrängte einfach, was ihr Taka gesagt hatte, damit Ayu keinen Verdacht schöpfte. Da ihr etwas auffiel, war es auch nicht schwer, ein anderes Thema zu finden. „Nach was riechst du denn?“

„Schakal.“

„Scha-was?“

„Ist so was wie ein Wildhund oder so. Ich lag halt gut in der Zeit und nein, keine Ahnung, wie der Kerl hieß.“

Zur Abwechslung mal hatte Ayu kein Bedürfnis danach, über ihre neuste Männerbekanntschaft zu reden.

Der Grund hierfür… War ihr selbst nicht klar. Der Mann war gut, keine Frage – und dennoch, selbst wenn sie die Zeit gehabt hätte, sie hatte kein Verlangen nach einer zweiten Runde verspürt. Ihr Körper hatte es genossen, während sich ihre wilde Seite in die dunkelste Ecke ihres Bewusstseins verzogen hatte. Vermisste sie es also, von Sesshomaru berührt zu werden? Oder gar seine Nähe allgemein?

Kami, er war ein verdammter Köter! Was war sie denn für eine Wölfin, die sich von einem HUND den Kopf verdrehen ließ?! Das konnte doch nicht wahr sein!

Sie würde ihn mit großer Wahrscheinlichkeit eh nie wieder sehen!

Und selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintraf, dass er tatsächlich ein weiteres Mal hierher kam, konnte sie ihm einfach aus dem Weg gehen.

Ihr stolz als Wölfin ließ einfach nicht zu, dass sie in irgendeiner Weise tiefere Gefühle für den Inu entwickelte, Ende der Diskussion!

„Deine zwei Trottel haben sich ganz schön schnell eingelebt.“

Ayame neben ihr nickte leicht.

Sie und Ayu beobachteten Ginta und Hakkaku, die mit ihrer offenen und ehrlichen Art schnell Anschluss fanden und sich mit deutlich mehr Sicherheit als am vorherigen Tage hier bewegten.

Natürlich hielt sich die Freundlichkeit ihnen gegenüber in Grenzen – die Zwei mussten verdammt aufpassen, dass sie keinem Verletzten oder Welpen zu nahe kamen oder einem der Höhleneingänge.

Taten sie dies doch, wurden sie sofort vom nächstbesten, ansässigen Wolf angeknurrt und wenn sie nicht schnell genug waren in die Beine gezwickt.

Ansonsten schien es aber so, als wären die Zwei nicht zum ersten Mal hier.

Ayu streckte sich, lehnte sich etwas nach hinten und stützte sich dabei mit den Händen ab. Mit geschlossenen Augen genoss sie das Gefühl der warmen Sonne auf ihrer Haut.

Ihr Gast brach das Schweigen zwischen ihnen: „Hat Taka jetzt mit der Töle geredet?“ Dass sie damit irgendwie auch ihre alte Freundin beleidigte, hatte die Jüngere erfolgreich in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins verdrängt und ignorierte es.

„Hai. Aber sie ist mit ihm in den Wald gegangen, damit keiner von uns zuhören konnte.“

Ein nachdenkliches Brummen war seitens Ayame zu vernehmen. „Ihr wisst also nicht, was sie von ihm wollte?“

„Nein, Mutter schweigt sich aus.“
 

Ein lautes Heulen beendete ihre Unterhaltung.

Von oben war Takas laute Stimme zu hören „Kyo, Ayu, nehmt eure Gruppen und los! Ihr wisst, was ihr zu tun habt!“

Ayame legte den Kopf in den Nacken – die weiße Wölfin war nicht zu sehen, sie hatte also einfach von oben herab ihre Befehle gegeben „Taka, darf ich mit?“

„Meinetwegen, aber mach uns keine Scherereien!“

„Keine Sorge, ich kann auf mich selbst aufpassen!“

Während des weithin hörbaren Dialoges war Ayu längst aufgesprungen und hatte am Fuße des Berges auf ihre fünf Wölfe gewartet, während Kyo neben ihr stand und Gleiches mit seiner Gruppe tat.

Daher hatten sie auch mitbekommen, dass die Besucherin sie begleiten wollte, und warteten noch auf diese, bevor sie auch schon lossprinteten.

Ginta und Hakkaku sahen verdutzt hinterher.

Neben ihnen tauchte Yori auf – sie hatte vor wenigen Tagen selbst Junge bekommen und war daher noch nicht wieder auf die Jagd gegangen oder in den Kampf gezogen.

Abermals war Heulen zu hören, aber dieses Mal eindeutig von der Spitze des Berges – eine Nachricht der Herrin dieses Waldes.

Yori erklärte den Gästen: „Es gibt einen Kampf an der Grenze, das Heulen war ein Hilferuf. Das von Mutter gerade war die Bestätigung, dass Verstärkung unterwegs ist.“

Ginta hatte eine Hand an sein Kinn gelegt und ernst gelauscht „Also werden die, die jetzt aufgebrochen sind zum Ort des Geschehens gehen und eingreifen.“

Ein zustimmendes Brummen erklang. „Nicht nur das. Sie werden auch gleich die Grenze zu den Kratzbürsten ablaufen, und wenn sich jemand zu nahe am Revier aufhält, diesen vertreiben. Vor morgen früh werden sie nicht zurückkommen, denn der nächste Angriff wird nicht lange auf sich warten lassen. Die kommen immer schubweise, müsst ihr wissen. Tagelang nichts und dann meistens vier Stück innerhalb weniger Stunden. Ist ganz schön nervig“, sie schüttelte sich, bevor sie sich auch schon abwandte.

„Eh, Yori?!“

„Hai?“, diese blieb stehen und drehte den Kopf, um zu ihnen nach hinten zu sehen.

„Was sollen wir jetzt machen? Wir sollten doch bei Ayame bleiben…“

Yori legte den Kopf schief und sah den mit der stacheligen Frisur ob seiner Frage zweifelnd an „Dazu seid ihr zwei echt zu langsam. Bleibt eben hier.“

Endgültig wandte sich die niedere Youkai ab und ließ zwei verdatterte Männer stehen.

Hier lief wohl einiges anders als bei ihnen…
 


 

Ayu seufzte leise und strich sich ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht – dass sie sich dabei mit dem Blut an ihren Klauen selbst beschmierte, war ihr Einerlei.

Es war doch jedes Mal dasselbe, seit Jahren schon!

Ayame trat neben sie „Und das läuft immer so?“

Kyo, auf der anderen Seite von Ayu, nickte „Hai. Das war Nummer drei. Wenn in den nächsten zwei Stunden nichts passiert, steht sehr wahrscheinlich kein Vierter an. Wir werden dennoch bis zum Morgen bleiben.“

„Teilen wir uns auf? Dann ist die Kontrolle leichter.“

Zustimmend nickte der männliche Wolf seiner Schwester zu und gab ein kurzes Knurren von sich, damit seine Gruppe ihm folgte. Ayu lief mit ihren Wölfen und Ayame in eine andere Richtung.

Die Wachen, denen sie zur Hilfe gekommen waren, hatten zwei Schwerverwundete zu beklagen und waren hoffentlich längst am Berg.

So lange, bis für diese Ersatz da war, mussten sie hier bleiben – mindestens. Denn auch wenn meistens nur vier Angriffe kamen, ein Fünfter war nicht auszuschließen, weshalb sie auch die restlichen sieben Stunden bis Sonnenaufgang wachsam sein mussten.

Und das, obwohl sie bereits seit dem Mittag auf den Beinen waren, nie lange rasteten und drei ordentliche Auseinandersetzungen hinter sich hatten…

Die Anführerin der kleinen Gruppe brach die Stille „Wir machen einen Abstecher zur Quelle“, verkündete sie gerade laut genug, dass es alle verstanden.

Keiner der ihr zugeteilten Wölfe hatte ernsthafte Verletzungen, höchstens ein paar Prellungen und Kratzer – diese wollte sie säubern, um Entzündungen vorzubeugen.

Eigentlich hatte sie auch das Bedürfnis, sich vom Blut der Katzen zu reinigen – aber gerade war der Gestank noch von Vorteil, vermischte er sich doch mit ihrem Wolfsgeruch und machte es ihren Feinden schwieriger, sie rechtzeitig zu wittern. Ihr Bad musste also warten.
 

Bei besagter Quelle, einem kleinen, versteckten Wasserbecken, angekommen säuberten beide Frauen mit geübten Handgriffen die oberflächlichen Wunden der Tiere.

Danach entschieden sie sich, noch ein paar Minuten hier zu bleiben, zu trinken und sich etwas auszuruhen, bevor es weiter ging.

Ihr Vorhaben wurde von einem kurzen Jaulen unterbrochen.

Ohne dass es einer weiteren Aufforderung bedurfte, sprangen alle auf und folgten bemüht leise dem augenscheinlichen Hilferuf.
 

Als sie schließlich den Ort des Geschehens erreichten, erwartete sie Chaos.

Ein kurzer Blick genügte, dann hatten sich alle einen groben Überblick verschafft.

Kyo war an den Rand abgedrängt worden und musste aufpassen, nicht in die Nähe der zwei Doppelschwerter seines Gegners zu geraten. Die fünf gewöhnlichen Tiere wurden von drei anderen Nekos in Schach gehalten – und das, was Ayus Blut augenblicklich hochkochen ließ, waren die letzten beiden Angreifer, die eine ihrer kleinen, leiblichen Schwestern in der Mangel hatten und ihr, den roten Flecken im Fell nach, übel mitspielten.

Kurze Blicke genügten und jeder wusste, was er zu tun hatte.

Ayame war mit wenigen Sätzen bei Kyo und dessen Gegner und erwischte diesen am Arm, da er seine neue Gegnerin zu spät bemerkte.

Drei von den fünf Wölfen bei Ayu kamen ihren Artgenossen von Kyos Gruppe zur Hilfe und der Rest – Ayu und zwei weitere normale Tiere – eilten zur verletzten Nara.

Ohne Rücksicht auf Verluste sprang Ayu einen der Nekos an und rammte ihm ihre Schulter in die Seite, um ihn so von ihrer Schwester wegzudrängen.

Vom anderen Mann war ein Schrei zu vernehmen, denn der eine Wolf hatte sich fest im Unterarm seiner Schwerthand verbissen und der andere vergrub seine Zähne im Fleisch seiner Wade.

Um die Zwei musste sie sich also keine Sorgen machen und den Schmerzenslauten nach, die von den anderen Angreifern kamen, waren diese auch in starker Bedrängnis.

Tja, ein einzelner Wolf war schwach, aber in der Gruppe waren sie unschlagbar!

All das nahm Ayu innerhalb der wenigen Augenblicke auf, in denen sie sich geschickt abrollte, nur um sogleich knapp einem Katana ausweichen zu müssen.

Ihr Gegner hatte sich verdammt schnell erholt, schoss es ihr durch den Kopf, während sie ihm die Zähne zeigte und er sie überheblich angrinste.

Der dachte wohl, er hätte leichtes Spiel mit ihr.

Weiteren Angriffen wich sie aus und sah aus den Augenwinkeln, wie Nara versuchte, sich aus der Gefahrenzone zu bringen – direkt neben ihr, rangen die zwei Wölfe mit ihrem Gegner, der sich trotz seiner Bisswunden viel zu gut hielt und einfach das Katana mit der anderen Hand führte. Diese Angreifer waren leider keine Laien, wie es meistens der Fall war.

In diesem Moment der Unachtsamkeit streifte die Klinge ihres Gegners ihren Arm.

Wieder dieser überhebliche Gesichtsausdruck. Dem würde sie Manieren beibringen!

Die Möglichkeit dazu kam schneller als erhofft und Ayu zögerte keinen Moment, diese wahrzunehmen. Flink tauchte sie unter einem Hieb ab und grub ihm die Klauen ihrer rechten Hand in den Hals.

Vor Schock geweitete Augen starrten sie an. Unbarmherzig wurde ihr Griff fester und dann zog sie die Hand zurück, riss ihm damit ein tödliches Loch in den Hals.

Der Körper des Kriegers sackte in sich zusammen.

Ihren Sieg großartig auskosten konnte Ayu nicht – ein Winseln ließ sie zu einem Wolf sehen, der gegen einen Baum geschleudert wurde und benommen liegen blieb.

Der Kater, dem dies zuzuschreiben war, sprang über den anderen Wolf hinweg – eine beeindruckende Leistung, mit seiner Beinverletzung!

Sein Ziel war klar und Ayu setzte sich sofort in Bewegung, hechtete auf Nara zu, um sie vor dem Angriff zu schützen.

Sie war zu langsam, in dem Moment, indem sie ihren neuen Gegner erreichte, bohrte dieser seine Waffe von oben hinab in Naras Flanke, trieb den Stahl bis zum Ansatz in den Körper seines Opfers, welches schmerzerfüllt aufjaulte und zu Boden sank.

Ayu riss ihn von ihrer Schwester fort, landete mit dem Kerl zusammen auf dem Boden und sie rollten mehrere Meter. Noch während sie dies taten, hieben beide mit den Klauen nach dem anderen.

Er schaffte es, ihr eine Wunde in die Seite zu schlagen und vom Schmerz nur weiter angetrieben bohrte Ayu ihre Hand tief in die rechte Schulter des Katers.

Endlich kamen sie zum Liegen – in einer für die Braunhaarige ungünstigen Position. Sie lag unter ihm, wurde von der puren Körpermasse des Mannes am Boden gehalten.

Sie versuchte ihm das Knie in den Schritt zu rammen, aber hatte erst den halben Weg geschafft, als ihr Blut ins Gesicht tropfte.

Ein Knacken war zu vernehmen, als der Wolf nachbiss und dem Kater das Genick brach. Ohne loszulassen, ging er zurück, zog den toten Körper mit sich und somit von seiner Schwester runter.

„Danke“, flüsterte diese und rappelte sich auf.
 

Die Angreifer lagen allesamt tot am Boden.

Ayu war nicht die Einzige, die etwas abbekommen hatte – aber ebenso wie sie, scherte sich auch sonst keiner um die eigenen Verletzungen, sondern eilte zu Nara.

Ayame hielt sich diskret im Hintergrund – auch wenn sie mit dem Rudel kämpfte, in diesem Moment hatte sie nichts bei den Silberwölfen verloren, die sich um ihre sterbende Schwester versammelten.

Die beiden Geschwister waren am Kopf Naras und Ayu hatte sich hingekniet, streichelte die Schnauze ihrer kleinen Schwester und versuchte, ihre Gefühle im Zaun zu halten. In ihr tobten Schmerz und Trauer – aber ebenso stark die Wut.

Ihrem Bruder ging es nicht anders, er saß neben der Braunhaarigen und ließ den Kopf hängen, stieß mit seiner Schnauze die Naras an und winselte nicht minder als die restlichen Wölfe.

Leise knurrte die Sterbende: „Ich will euch nicht allzu bald wiedersehen, klar?“

Tapfer nickte Ayu, traute sich nicht zu sprechen und Kyo knurrte leise, was eine ebenso eindeutige Antwort war. Sie würden ihrer Schwester nicht allzu bald in die Unterwelt folgen, sondern weiter für das Kämpfen, wofür Nara gerade ihr Leben ließ!

Damit zufrieden schloss die jüngste der drei Geschwister die Augen und noch ein paar schwache Atemzüge waren zu hören, bevor diese verstummten und auch das letzte bisschen Spannung aus Naras Körper wich.

Ayame beobachtete all das und schluckte den Kloß in ihrem Hals. Am liebsten würde sie jetzt weinen, doch dies wollte sie nicht tun. Wenn hier jemand das Recht dazu hatte, Tränen zu vergießen, dann Naras Familie.

Leicht senkte die junge Anführerin eines anderen Rudels den Kopf. Es war nicht zu übersehen, wie gerne gerade alle ihrer Wut und ihrer Trauer Luft machen wollten – und es nicht durften.

Eine Bewegung lenkte ihre Aufmerksamkeit zu Kyo, der sich erhob und vor dem Leichnam seiner jüngeren Schwester den Kopf neigte „Dein Tod war nicht umsonst, dafür werden wir sorgen!“

Auch Ayu hatte sich aufgerichtet und verbeugte sich „Mögest du in Frieden ruhen, kleine Schwester.“

Mehr wurde nicht gesprochen, stattdessen wurde die Verstorbene so gut es eben ging bestattet und die Leichen der Nekos weggezerrt, damit diese nicht direkt neben der letzten Ruhestätte Naras lagen.

Danach ging es ebenso wortlos zur nächsten Wasserquelle, wo die Wunden gereinigt wurden.

Sie mussten immer noch bis zum Morgen ausharren und dann bei ihrer Rückkehr die traurige Botschaft dem Rudel mitteilen.
 


 

Mit unleserlicher Miene trat Ayu aus dem Schatten der Bäume, hinter ihr die anderen.

Es war bereits vier Stunden nach Sonnenaufgang – sie waren äußerst spät dran, aber aufgrund der Verletzungen einiger Mitglieder konnten sie nicht schneller laufen.

Es hatte noch einen fünften Angriff gegeben, der zum Glück nicht von solch gut ausgebildeten Männern ausgeführt wurde wie der Vierte und den sie ohne weiteren Verlust zurückdrängen konnten.

Die lange Nacht hatte dennoch ihre Spuren hinterlassen, in den Fellen der Wölfe waren viele rote Stellen und auch Ayame hatte neben einigen Kratzern eine Fleischwunde am Oberschenkel abbekommen. Ayu selbst, die die Führung übernommen hatte, gab sich alle Mühe, nicht zu zeigen, wie sehr sie die Wunde an der Seite schwächte.

Der Rest der Gruppe äußerte sich nicht dazu. Die Wunde brach durch die Bewegung ständig erneut auf und heilte dementsprechend nicht. Es war also nicht schwer zu erraten, wie es um die braunhaarige Frau wirklich stand.

Alle hoben den Blick und stellten dabei mit Überraschung fest, dass Taka nicht wie sonst üblich oben an der Spitze war, sondern unten und ihnen sofort entgegen kam. Man hatte sich wohl einige Sorgen um sie gemacht.

Der Rest des Rudels folgte seiner Leitwölfin in angemessenem Abstand und ging ebenso wie sie die Heimkehrer durch.

„Wo ist Nara?“, wollte die Alte sofort wissen.

Kyo antwortete: „Sie ist bei uns.“

Mit den Silberwölfen waren auch Ginta und Hakkaku herangelaufen gekommen und letzterer fragte dumm nach: „Hä? Aber-“

Sein grauhaariger Freund hatte im Gegensatz zu ihm verstanden, was der Wolf damit meinte – das Nara im Geiste bei ihnen war – und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. Ginta warf dem Weißhaarigen einen vielsagenden Blick zu und auch bei diesem machte es Klick „Oh…“

Beide wurden kaum beachtet, stattdessen hatte Taka jeden der Heimkehrer prüfend angesehen und gab auch schon ihre Befehle „Ayame und Ran“, eine Wölfin aus Kyos Gruppe „Ihr habt am wenigsten abbekommen – mitkommen. Der Rest kommt mir erst unter die Augen, wenn eure Wunden versorgt sind.“ Naras Verlust schmerzte, aber als Oberhaupt der Familie hatte ihre erste Sorge nun mal den Lebenden zu gelten.

Gehorsam folgten die zwei Wölfinnen der Weißen zu ihrem Platz oben am Berg, um dort Bericht zu erstatten, während sich der Rest des Rudels daran machte, die Verletzten zu versorgen.
 

Im Gehen drehte Ayame den Kopf zu den zwei braunen Wölfen „Seht nach Ayu, ich glaube ihr könnt ihr besser helfen, als die Wölfe.“ Nicht etwa, weil sie mehr Ahnung hatten, sondern ganz einfach, weil sich ein menschlicher Körper von einem solchen besser behandeln ließ.

„Wird gemacht, Ayame!“, kam es sofort wie aus einem Mund und beide Männer hielten auf Ayu zu.

Diese wurde bereits von einem Wolf gestützt, der die Mitglieder des fremden Rudels anknurrte.

„Schon gut“, flüsterte Ayu und nahm die Stütze von Hakkaku an, indem sie ihm einen Arm über die Schultern legte. So war es wirklich einfacher als bei dem Tier.
 

Während Hakkaku sie so stützend zu ihrer Höhle brachte – beiden entging in diesem Moment, dass sie gerade etwas durften, was ihnen sonst immer verwehrt wurde – besah sich Ginta bereits ihre Seite. Ausgewaschen war die Wunde bereits, aber das würde nicht reichen.

„Hakkaku, leg sie auf die Seite, damit kein Schmutz hineinkommt.“

Ginta wartete gar nicht erst auf die Antwort seines Freundes, sondern trat wieder nach draußen, suchte nach der Einzigen, von der er wusste, dass sie auch jetzt die Ruhe selbst sein und ihm zuhören würde.

Kaum hatte er sie gefunden, lief er schon zu der Wölfin, die mehrere, neugierige Jungtiere davon abhielt, zu den Neuankömmlingen zu gehen. „Yori!“

Die reagierte gewohnt gelassen „Hai?“
 

Ayu beobachtete, wie Ginta nach einer Weile zurückkam, in den Händen einige Kräuter.

Nur kurz schnupperte sie und stellte fest, um was es sich handelte, dann ließ sie den Kopf zurück auf ihre Unterlage aus Fell sinken und schloss etwas die Augen. Nur ganz kurz, um sich zu sammeln…

Hakkaku half seinem Freund dabei, die Kräuter zu zermürben und die Wunde vorsichtig damit einzureiben. Danach improvisierte der Grauhaarige mit einigen breiten Blättern eine Art Verband, damit die Kräuter wirken konnten, und fixierte alles mit den schmalen Lederriemen, die Yori aufgetrieben hatte. Der Rest der Paste wurde noch auf die kleineren Schnittwunden verteilt.

Während sie all das taten, sprachen sie kein Wort, denn ihnen war nicht entgangen, dass ihre Patientin eingeschlafen war und sie wollten sie nicht wecken.

Zufrieden besahen sie sich ihr Werk und grinsten – sah doch ganz gut aus!

Vom Eingang her störte sie eine bekannte, weibliche Stimme „Ayame ist noch bei Taka, ihr könnt aber bei den anderen helfen. Achtet dennoch darauf, wann Ran und Ayame runter kommen. Ihr solltet eure Leitwölfin gleich abfangen. Sie scheint mir niemand zu sein, der sich gerne umsorgen lässt, aber auch sie wird Pflege und Ruhe brauchen und es von euch eher annehmen als von uns.“

„Hai, Yori.“
 

Als die Braunhaarige erwachte, lag sie immer noch auf der unverletzten Seite.

Vorsichtig richtete sich die Frau auf und besah sich das Werk der zwei Männer – die hatten sie wirklich gut versorgt.

Ein Blick zum Ein- und Ausgang ihrer Unterkunft verriet ihr, dass es bereits Abend war. Soviel zu ‚kurz die Augen zumachen‘…

„Willst du aufstehen?“

Erst jetzt bemerkte die Verwundete ihren früheren Schützling und schenkte Ayame ein müdes Lächeln. „Was hab ich verpasst?“

Die jüngere der beiden Frauen hatte sich auf der anderen Höhlenseite an den Stein gelehnt und die Knie angezogen, legte ihr Kinn darauf ab und seufzte. „Einer der Schwerverletzten, die in der Nacht hierher gebracht wurden, ist kurz vor Sonnenaufgang seinen Verletzungen erlegen. Er wurde bereits beigesetzt. Dem anderen haben meine zwei ‚Trottel‘ helfen können“, einen Moment hielt die Sprecherin inne, bevor sie ihre Gedanken dazu preisgab: „Mir wird erst jetzt klar, wie ernst die Lage hier ist. Es ist grausam zu sehen, wie routiniert ihr Silberwölfe mit dem Tod eurer Kameraden umgeht. Taka sagt, das muss sein. Irgendwo hat wie ja recht, aber dennoch…“

„Wir haben uns das nicht ausgesucht.“

„Ich weiß“, ein tiefer Seufzer „Jedenfalls, dem Rest geht es den Umständen entsprechend gut. Deine Mutter ist mit eurer Leistung zufrieden. Ach, und Ginta und Hakkaku haben sich einiges an Anerkennung verschafft, weil sie deinem Rudel ohne zu zögern bei der Versorgung der Wunden geholfen haben. Soweit ich es mitbekommen habe, sind viele der Meinung, dass man sie zu Freunden des Rudels erklären soll.“

„Deine zwei Trottel haben also auch ihre Stärken“, fasste Ayu zusammen und veranlasste Ayame dazu, leise zu lachen. „Hab ich doch gesagt!“
 

Ein Räuspern, das mehr nach einem Knurren klang, ließ beide zur einzigen Öffnung sehen.

Ihnen entgegen blickte niemand Geringeres als Taka.

„Ayu?“

„Mir geht es so weit ganz gut, Mutter“, antwortete diese auf die mitklingende Frage.

Die weiße Wölfin musterte sie kurz und ordnete an: „Du wirst dich weiter ausruhen. Sobald Nacht ist, werden wir unseren Gefallenen den nötigen Respekt erweisen. Iss vorher noch etwas“, das Augenmerk der weißen Augen richtete sich auf Ayame „Übrigens werden nicht nur deine zwei Begleiter zu Freunden des Rudels, sondern auch du.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand Taka und ließ die alten Freundinnen allein.

„Ähm, Ayu…?“

Da sich diese bereits denken konnte, was die andere Frau wollte, erklärte sie ohne, auf die Frage zu warten: „Ihr gehört einem fremden Rudel an, aber erhaltet die gleichen Rechte wie einer von uns. Ihr werdet sobald die Sonne den Boden berührt vor allen und von allen quasi als Familienmitglieder anerkannt. Danach werden wir für die Verstorbenen singen und ja, ihr dürft mitmachen.“

Mit ‚singen‘ war natürlich das Wolfsgeheul gemeint, aber da sie eh unter Wölfen waren, war es wohl unnötig, dies zu erwähnen.

Während der Erklärung waren Ayames Augen immer größer geworden – es war ein ungemeiner Vertrauensbeweis ihr und ihren Kameraden gegenüber!

„Das…“, weiter kam sie nicht, denn Ayu unterbrach sie einfach „Du hast mit uns gekämpft, als ob es deine Sache wäre.“

Ayame verstand, was ihr die andere Frau damit mitteilte. Sie hatte ihr eigenes Leben für ein fremdes Rudel riskiert und sich damit deren Respekt verdient, so wie es Ginta und Hakkaku durch ihre sofortige Hilfsbereitschaft taten.

Wenn Kouga das mitbekäme… Da würde sie sich sicher noch so einiges anhören dürfen, wenn sie zurück war!

Noch bevor Ayame sich weiter Gedanken über ihren Mann machen konnte, zog ihr Gegenüber ihren Blick auf sich, als sie versuchte aufzustehen.

„Du sollst dich ausruhen!“

„Ich hab aber Hunger!“

Die Antwort darauf bestand aus verdrehten Augen, bevor sich die Jüngere erhob, um etwas Essbares für Ayu aufzutreiben.

Mit gemächlichen Schritten betrat die InuYoukai den Wald der Silberwölfe.

Ihr dunkelbraunes Haar reichte bis an ihre Hüfte und war in einem hohen Zopf zurückgebunden. Lediglich zwei Strähnen waren frei und umrahmten das hübsche Frauengesicht mit den grünbraunen Augen. Sie trug für eine Frau eher ungewöhnliche Kleidung – ihr Körper wurde von einem mintgrünen Haori samt passendem Hakama verhüllt.

Neben einem, an ihrem Obi befestigten, Katana, trug sie noch eine kleine Tasche bei sich. Auch wenn sie mit Ersterem durchaus umgehen konnte, hoffte sie doch, ihre Klinge nicht ziehen zu müssen.

Von außen war ihr nichts von dem Aufruhr anzumerken, der in ihrem Inneren tobte.

Warum, bei allen Göttern, hatte der Taisho ausgerechnet sie schicken müssen?! Natürlich, es gab keine große Auswahl an geeigneten Frauen und es war verständlich, dass er zur Leitwölfin lieber eine Person des gleichen Geschlechtes schickte – nur warum sie? Da ging sie lieber als Diplomatin zu den Katzen!

Aber nein, stattdessen wurde sie in einen tiefen Wald geschickt, in welchem ein wirklich eigensinniges Rudel herrschte und von einer noch schlimmeren Youkai beherrscht wurde!

Ehe sie noch weiter in Selbstmitleid versinken konnte, standen ihr bereits drei niedere Youkai und vier Wölfe gegenüber. Abwartend. Lauernd.

„Mein Name lautet Takehiko und Sesshomaru-sama schickt mich als seine Vertreterin.“

Genau der Wortlaut, den Jaken ihr vorgab. Anscheinend erhoffte sich ihr Herr dadurch, dass ihr das gleiche Recht wie ihm zugestanden wurde. Ein logischer Gedankengang – nur war fraglich, ob es die Wölfe ähnlich sahen.

Ihre Sorgen stellten sich als unbegründet heraus, denn sie wurde nur warnend angeknurrt, bevor man ihr den Weg freimachte.

„Danke.“
 

Am Vormittag schließlich verließ sie den Wald und fand sich vor einem steinigen Berg wieder.

Eines musste man dem kleinen, grünen Gnom lassen: Seine Beschreibungen waren verdammt zuverlässig!

Wie es sich gehörte, wartete sie ab, bis sich jemand an sie wandte, was auch nicht lange dauerte. Sie wiederholte, was sie bereits den Tieren im Wald gesagt hatte und wenig später wurde der Neuankömmling hinauf zu Taka geführt.

Zwei Meter vor dem weißen Tier hielt Takehiko inne und verbeugte sich leicht.

Die InuYoukai könnte schwören, ein leises, gebrummtes „Hunde…“ gehört zu haben, war sich aber nicht sicher.

„Na, was will dein Herr?“

Da fiel ihr wieder ein, was das Gute an den Wölfen war – man wusste immer woran man bei ihnen war. Jetzt zum Bespiel wurde ihr klar gezeigt, dass sie für ihr Gegenüber nicht mehr als ein halbes Kind war, das sich duzen zu lassen hatte.

Einfach wunderbar, dieser Auftrag… Innerlich rollte Takehiko mit den Augen.

„Es geht um Feinheiten des Vertrages, die Grenze betreffend und den Wald an sich. Da Ihr sorgfältig über diesen Ort herrscht, liegen uns kaum Daten vor.“

„Bürokratischer Kram also, der in den hohen Häusern ach so wichtig ist.“

Auch wenn die Herrin es Waldes kaum etwas heraus hören ließ – etwas Abfälligkeit gegenüber dem Ganzen hatte mitgeklungen. Augenblicklich trat ein Funkeln in die Augen der Hündin. „Ihr scheint zu vergessen, dass Ihr selbst um dieses Bündnis gebeten habt und es auch vor den anderen Fürsten bestehen muss!“

Taka knurrte das junge Ding vor sich warnend an „Rede nicht mit mir, wie mit einem kleinen Kind! Sag mir lieber, was dein genaues Anliegen ist!“

Ein tiefer Atemzug, um ruhig zu bleiben, erst dann: „Ich soll mir ein genaues Bild machen und danach zum Hofe zurück, damit Weiteres geklärt und ergänzt werden kann.“

„Das kostet unnötig Zeit, die wir nicht haben!“

Die Inu runzelte leicht die Stirn. Was war das für ein Tonfall…? Ihr kam in den Sinn, dass sie gestern Abend nahe des Waldes genächtigt hatte und hin und wieder das Heulen von Wölfen gehört hatte. Hieß das… „Es gab weitere Angriffe?“

„Was sonst? Ich habe gestern zwei meiner Kinder verloren.“

Nachdenklich blickte Takehiko auf den Boden und widerstand dem Drang, auf ihrer Unterlippe, zu kauen.

„Eine der angreifenden Gruppen war gut ausgebildet. Besser als gewöhnlich.“

Nun begann sie doch ihre Unterlippe zu malträtieren. Das war schlecht. Verdammt schlecht!
 

„Mutter?“

Die angesprochene Wölfin hob den Kopf und auch Takehiko wandte sich um. Der Wolf, der ihre Unterhaltung gestört hatte, nahm das Schweigen als Aufforderung, fortzufahren. „Sie wollen aufbrechen.“

„Wenn sie wollen, dann sollen sie das tun. Begleitet sie aber bis zur Grenze. Nicht, dass etwas passiert und wir schuld sind.“

„Hai.“

Schon waren die Beiden wieder allein und fragend blickten braungrüne Augen in die Weißen ihres Gegenübers, das erklärte „Wir haben kurz vor deiner-“

Takehiko reicht es, sie konnte es nicht ständig schlucken „Mit Verlaub, ich zähle an die sechshundert Jahre und werde schon lange nicht mehr mit ‚du‘ angesprochen!“

Augenblicklich bereute sie ihre unbedachten Worte, aber zu ihrer Erleichterung schien es die Alte locker zu nehmen und ging nicht darauf ein „Wir haben kurz vor Eurer Ankunft endlich Rückmeldung bekommen, was die Tiere angeht, die in das andere Fürstentum geschickt wurden. Viel haben sie nicht herausbekommen. Die Wölfe im anderen Gebiet wissen nichts, sie konnten nur vage sagen, dass es wohl um eine bessere Ausgangslage geht, sollte es zu einem Krieg kommen. Irgendwas Politisches eben, wo der hohe Adel seine Finger im Spiel hat. Die vermehrte Präsenz an den Grenzen allein ist laut ihnen darauf zurückzuführen, dass die Nekos diese selbst gerne im Auge haben wollen.“

Die InuYoukai stieß hörbar die Luft aus. Ja, diesen Auftrag musste Frau einfach mögen! Kaum da und schon solche Nachrichten! Kami, sie hätte sich einen Mann suchen und eine Familie gründen sollen, anstatt sich in einer Männerdomäne behaupten zu wollen!

Jetzt wurde ihr auch klar, warum die Wölfe so ein Problem in der Zeit sahen. Es würde dauern, bis sie alle Informationen hatte, die ihr Herr wollte… Oh verdammt, wo war sie hier nur hineingeraten?!

Taka beobachte stumm die ‚Vertreterin‘ Sesshomarus. Eine interessante Frau, das musste sie schon zugeben. Obgleich mit sechshundert Jahren eher noch jung… Weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn die Hündin nickte sich selbst zu, ehe sie der Leitwölfin direkt in die Augen sah.

„Ihr habt recht, die Zeit drängt und bis ich alle Erhebungen gemacht habe, die mein Herr wünscht, wird es dauern. Zumal auch die Zeit für das Hin und Her der Boten vermieden werden muss, bis beide Seiten mit dem Vertrag einverstanden sind. Einer von Eurem Rudel muss zum Schloss und direkt an den Verhandlungen teilnehmen – Ihr kennt diesen Wald am besten, wisst um die genauen Zahlen-“

„Ich kann hier nicht weg um Verhandlungen beizuwohnen, deren Dauer nicht abzusehen ist und die sich ziehen können.“

„Eines Eurer Kinder-“

„Keines von ihnen-“, Taka brach ab.

Auch ihrem Gegenüber wurde ihr Denkfehler klar – die Wölfe waren alle eher ungebildet.

Forschend sah sie die WolfsYoukai vor sich an. Nur warum hatte diese ihren Satz nicht beendet? Zudem schien sie äußerst nachdenklich und zunehmend unzufrieden…

Die laute Stimme der Wölfin ließ die InuYoukai zusammenzucken: „Ayu!“ Kaum hörbar kam hinterher: „Es geht wohl nicht anders…“
 

Eine Weile geschah nichts, bevor schließlich einer der Youkai auftauchte „Sie ist mit Ayame am See. Sollen wir sie holen?“

„Nur die Zwei?“

„Hai.“

Geschmeidig stand das Oberhaupt des Rudels auf und sprang auf den Boden „Takehiko, folgt mir.“

Zielsicher setzte sich die Wölfin in Bewegung.

Sie konnte hier nicht weg und das Rudel alleine lassen und jetzt bereute sie es, so wenig Wert auf die Bildung ihrer eigenen Kinder gelegt zu haben. Diese Erkenntnis kam reichlich spät… So wenig es ihr also gefiel, sie musste Ayumi schicken.

Ausgerechnet sie und das in ein Schloss voller InuYoukai!

Da blieb Taka nichts übrig, als zu allen Göttern zu beten, dass dort alles gut ging! Nicht auszudenken, was alles passieren konnte!

Unwillkürlich knurrte sie kaum hörbar auf. Oh, wenn sie irgendwann einmal den Tod fand und Taro in der Unterwelt treffen würde, sie würde dem Kerl noch ordentlich den Marsch blasen!
 

Takehiko folgte der anderen Youkai und ließ sie nicht aus den Augen. Jeder Schritt strahlte pure Kraft aus. Auch der restliche Körperbau ließ sie erahnen, warum ihr Vater immer zu schwärmen anfing, wenn er von dieser Frau sprach. Zu gerne würde sie Taka mal in Aktion sehen!

Nach ein paar Minuten strengen Fußmarsches nahm sie bereits wahr, wie die Luftfeuchtigkeit zunahm und wenig später standen sie auch schon an einem schmalen Ufer, das an einen kleinen See grenzte.

Ihre Begleitung hob den Kopf, schnupperte und wandte sich dann nach rechts.

Auch die Hündin blickte nun dorthin und hielt einen Moment in ihrer Gehbewegung inne.

War sie wirklich beim richtigen Rudel oder hatte sie etwas verpasst?!

Denn dort, ein paar Meter von ihnen entfernt, saßen zwei braunhaarige Frauen, die sich leise unterhielten, während die mit den zwei Zöpfen der mit den kurzen Haaren eine fast verheilte Wunde an der Seite auswusch.

Die Frauen hatten sie auch erspäht und zwei grüne Augenpaare blickten ihnen abwartend entgegen.

Alles, was die in Grün Gekleidete davon abhielt, an ihrem Verstand zu zweifeln, war das graue Fell, dass bei der einen mehr, und bei der anderen eindeutig weniger, die Haut bedeckte.
 

„Mutter, was ist denn?“, fragend sah Ayu aus ihrer sitzenden Position zur Angesprochenen auf.

„Was macht deine Verletzung?“, kam die Gegenfrage.

„Geht. Sie schränkt mich noch etwas in der Bewegung ein, aber ansonsten sieht’s gut aus.“

„Gut. Takehiko“, leicht drehte Taka ihren Kopf nach rechts, zu der Frau, ehe sie sich wieder an die Freundinnen wandte „dies sind Ayame, eine Freundin des Rudels und meine Tochter Ayu.“

Höflich nickte die Fremde den anderen zwei Frauen zu, die sie interessiert unter die Lupe nahmen.

„Ayu, ich befürchte, ich muss dich ein weiteres Mal zu Sesshomaru schicken.“

Sofort fuhr Ayus Kopf von der InuYoukai zu ihrer Mutter: „Warum?!“

Das durfte nicht wahr sein! Sie wollte dem Köter doch aus dem Weg gehen! Und jetzt sollte sie wieder zu ihm? Das war überhaupt nicht gut!

„Weil du die Einzige bist, die vernünftig lesen kann und auch sonst in den Genuss von Bildung kam.“

„Hä? Was hat das mit dem“, fast wollte Ayu ‚Köter‘ sagen, besann sich dann aber auf die Anwesenheit eines solchen und suchte kurz nach einer anderen Fortführung des Satzes, was eine verräterische Pause mit sich brachte „-Fürsten zu tun?“

Ein weiteres Mal hielt Taka prüfend die Schnauze in den Wind, bevor sie die zwei Mädchen über ihre Pläne informierte.

Ayu wurde dabei klar, wie wichtig all das war. Sie musste ihre persönlichen Probleme hinter die Belange des Rudels stellen. Doch selbst die Tatsache, was für eine Ehre es war, dass ihre Mutter ihr derart vertraute – ein ungutes Gefühl blieb.
 

Während die Leitwölfin die zwei Frauen informierte, lag Takehikos Blick weiterhin auf diesen.

Genau genommen auf dieser Ayu. Das sollte eine Tochter Takas sein? Nie und nimmer!

Die unsichere Stimme Ayames richtete die Aufmerksamkeit der Inu zum Gespräch hin. „Ich weiß nicht recht…“

„Also ich finde, das klingt einleuchtend!“, warf Ayu ein und schlug ihrer Freundin leicht mit der Faust auf die Schulter „Na komm, du kannst mich doch nicht im Stich lassen!“

„Ayu! Wenn Ayame nicht will, dann will sie nicht. Sie hat immerhin auch Verpflichtungen ihrem eigenen Rudel gegenüber!“

Ein unwilliges Brummen seitens der Tochter Takas folgte. Mit ihrem früheren Schützling würde sie sich um einiges besser fühlen…

„Ayu, weißt du was? Geh du doch schon zum Berg und ich werde noch etwas mit Taka reden. Ein paar Kleinigkeiten nur, damit ich mich richtig entscheiden kann.“

„Wie du meinst…“

Ihre Mutter bestätigte Ayu, dass sie gehen konnte, was diese auch schnell tat. Dass sie kein Wort gegenüber den anderen Rudelmitgliedern verlieren durfte, war unnötig zu erwähnen.
 

Kaum das Ayu außer Hörweite war, ignorierte Ayame die dritte Frau im Bunde und wollte von Taka wissen: „Was willst du wirklich?“

Sie musste einfach in Erfahrung bringen, was die Weiße sich dabei dachte! Deren wahre Beweggründe für die Bitte, dass Ayame mitging, konnte sie vermuten – wollte es aber sicher wissen.

„Ein Schloss voller Inus und Ayu mittendrin… Du weißt, was das bedeutet.“

„Ja. Aber soll ich etwa verhindern, dass ES auffällt? Das ist nahezu unmöglich!“

„Nach Möglichkeit, ja. Auch wenn ich wie du, bezweifle dass es lange funktionieren wird. ER weiß es im Übrigen bereits.“

Nachdenklich nickte Ayame „Verstehe.“

„Aufgrund von Ayus Verletzung werde ich sie erst morgen früh gehen lassen. Genug Zeit, damit du dir alles nötige Wissen, das die fehlt, aneignen kannst.“

Jetzt schüttelte die jüngere Leitwölfin den Kopf „Mir gefällt das nicht. Und das nicht nur, weil ich damit länger als geplant weg sein werde und mein Gefährte durchdrehen wird.“

„Soll ich ihm einen Boten schicken, dass du deinen Aufenthalt verlängern willst? Deine Trottel können gerne hier bleiben. Daran soll es nicht scheitern. Die offiziellen Gründe für deine Anwesenheit habe ich bereits genannt.“

Noch rang Ayame mit sich. Es ging um Ayu, es war wichtig und ein großer Vertrauensbeweis von Taka… Nur musste sie dafür hinter dem Rücken ihres Mannes agieren, denn wenn dieser von alldem erfuhr…

Sie machte den Fehler, in die weißen Augen ihres Gegenübers zu sehen und erkannte, dass sie gerade die einzige Person war, die helfen konnte.

Verdammt!

„Einverstanden“, erklang es auch schon ergeben von der braunhaarigen WolfsYoukai.
 

Neben, der in Grün Gewandeten lag deren geöffnete Tasche. Der Inhalt derselben stand neben ihr beziehungsweise, lag auf ihrem Schoß. Die InuYoukai versuchte gerade zu erfassen, wie viele Mitglieder das Rudel hatte.

Abermals strich sie eine Zahl durch und begann von Neuem mit dem Zählen.

Warum mussten hier auch alle als Tiere herumlaufen?! Sie konnte die Viecher kaum voneinander unterscheiden! Sie war sich sicher, dass sie manchen Wolf dreimal gezählt hatte, weil er jedes Mal an einer anderen Stelle war und sie nicht erkannte, dass sie ihn bereits hatte.

Konnten die hier nicht für zwei Minuten stillhalten?!

Nach drei weiteren Versuchen war Takehiko davon überzeugt, eine halbwegs zutreffende Zahl zu haben, wollte schon zufrieden das Schriftstück beiseitelegen…

Als doch tatsächlich vier Gruppen zu ihrem Heim zurückkehrten und Chaos ausbrach.

Sie konnte wieder von vorne anfangen!

Ein, leises, frustriertes Knurren verließ ihre Kehle.

Das war genug Ärger für ein ganzes Leben! Und warum nur waren Wölfe auch immer so … ungehobelt?! Erst wurde sie geduzt, nicht wirklich ernst genommen und dann vollkommen ignoriert! Verstand einer, was hier vor sich ging! Oh, wenn sie den Auftrag hinter sich hatte, würde sie sich einen Mann suchen und nur noch Kinder hüten, ganz klar!

„Was wird das denn?“

Die Hündin sah nach links, zu einem grauen Tier mit blauen Augen. Nach einer kurzen Musterung erkannte sie, dass es sich um einen der richtigen Youkai handeln musste. Offensichtlich aber noch recht jung…

„Ich zähle, wie viele Mitglieder dein Rudel hat“, erklärte sie und hoffte, dass das Weibchen sie nun in Ruhe ließ – doch diese legte verwirrt den Kopf schief.

„Das ist egal.“

Bedeutete das etwa… „Ihr wisst selbst nicht, wie groß euer Rudel ist?!“

„Nein. Wir zählen so etwas doch nicht, was hätten wir davon? Zumal hier die wenigstens weit genug zählen können.“

Die Hündin atmete tief durch. War das wirklich so eine Überraschung? Eigentlich nicht…

Ihre Bekanntschaft schien das Interesse an der Fremden verloren zu haben und verschwand wieder.

Gerade entschied sich die Frau dazu, einfach mal beim Familienoberhaupt nachzufragen – die musste das doch wissen! – als etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

Zwei Männer in braunen Fellen, mitten unter den Silberwölfen. Wo kamen die denn her? Die Zwei schienen dazuzugehören, so wie mit ihnen umgegangen wurde…

„Interessant, nicht?“

Fast, aber auch nur fast, wäre Takehiko erschrocken aufgesprungen. Lautlos hatte sich diese Ayame neben sie gesellt.

Ohne auf eine Antwort zu warten, redete die Grünäugige weiter „Dürfte ich etwas fragen?“

„Kommt drauf an, was.“

Die WolfsYoukai seufzte leise „Wie lange wird es Eurer Meinung nach dauern?“

Im ersten Moment wollte die ‚Vertreterin‘ des Herrn der Hunde nicht antworten, aber immerhin war die andere, für einen Wolf, höflich gewesen. Da antwortete sie doch gerne.

„Das kommt ganz auf die Vertragspartner an.“

„Dachte ich mir… Danke.“

Leichtfüßig entfernte sich Ayame auch schon von der anderen Youkai und ging zur Herrin dieses Rudels.

Ayu war bereits vorgegangen – sie sollten noch genaue Anweisungen bekommen, auf was sie beim Vertrag achten sollen.
 


 

Ein Paar goldene Augen starrten auf den Tisch vor ihm, oder besser gesagt, auf die Dokumente darauf.

Obenauf, eine mehr als lückenhafte Karte des Wolfsreviers. So klar, wie die Grenze zu seinem Reich eingezeichnet war, so grob war der Rest.

Die Männer auf der anderen Seite des Tisches diskutierten unnötig laut, jeder meinte etwas ganz genau zu wissen – wo lag ein See, wo ein Berg und wo eine andere Grenze… Und da jeder eine andere Meinung hatte, gab es vier verschiedene Ansichten.

Mit anderen Worten: Die vier Männer waren ihm keine Hilfe. Und dabei hatte er schon die zu ihm gerufen, die noch unter seinem Vater gedient hatten und folglich mehr Wissen, als die Jüngeren über dieses Gebiet hatten.

Es war bereits Abend, seit fünf Stunden saßen sie hier ohne irgendein Ergebnis.

Ein leises Klopfen erklang und augenblicklich herrschte Stille.

„Was?“

Da dies quasi die Erlaubnis zum Eintreten war, öffnete sich die Tür und Jaken verbeugte sich „Mein Herr-“

Weiter kam er nicht, denn eine Sesshomaru nur allzu bekannte Person lief rücksichtslos über den kleinen, grünen Körper in den Raum, stemmte eine Hand in die Hüfte und sprach mit einem breiten Grinsen „So schnell sieht man sich wieder, Fürst Sesshomaru!“

„Ayu“, stellte er lediglich, in einem neutralen Tonfall, fest.

Hinter der Frau tauchte ein weiterer braunhaariger Schopf auf, den der Herr des Hauses kannte. Nur diese schien im Gegensatz zu ihrer Begleiterin etwas zurückhaltender: „Ayu, jetzt übertreib doch nicht.“

Ayame machte einen Schritt um den am Boden liegenden Diener herum und stellte sich neben ihre alte Freundin. Leicht verbeugte sie sich: „Was Ayu eigentlich sagen will: Taka hat entschieden, die Sache etwas zu beschleunigen und uns daher hergeschickt, um mit Euch zu verhandeln.“

Eine Augenbraue des Fürsten wanderte nach oben, wusste er doch genau, dass Ayame kein Mitglied der Silberwölfe war.

Es war nicht schwer zu erraten, was der Fürst mit dieser kleinen Geste wissen wollte, daher erklärte die Wölfin „Ich bin eine Freundin des Rudels und mein Großvater stammt aus diesem, daher habe ich das Recht, hier zu stehen und seine Belange zu vertreten. Ayu hat die Ortskenntnisse und weiß, was ihr Rudel will – und ich, die ich selbst eine Leitwölfin bin, kann aus dieser Sicht einiges beitragen.“

Dass sie als solche auch geübter darin war, Dinge nicht ganz so direkt anzusprechen, wie es Wölfe unter Ihresgleichen taten, ließ Ayame unerwähnt.

Neben ihr plapperte Ayu weiter „Eure Takehiko ist vor zwei Tagen bei uns aufgetaucht. Soweit ich das verstanden habe, macht sie dennoch, was Ihr aufgetragen habt.“

Einer der InuYoukai stieß einen anerkennenden Laut aus: „Ihr seid schnell!“

Beide Frauen zogen synchron die rechte Augenbraue hoch und sahen den Mann kampflustig an. Als ob sie dessen Lob bräuchten!

Vollkommen unbeachtet hatte sich Jaken aufgerappelt und rieb sich den Rücken. Diese Frau...

Ayame ließ als Erstes von dem augenscheinlichen Krieger ab und wandte sich wieder an Sesshomaru: „Wir sind gestern noch vor Sonnenaufgang aufgebrochen und ohne Pause durchgelaufen.“

Ayu blinzelte ihren früheren Schützling an und verstand nicht, warum sie dies sagte und das auch noch mit einem so komischen Tonfall…

„Jaken, lass zwei Zimmer richten und sorge dafür, dass es unseren Gästen an nichts mangelt.“

Ehe der Kappa versichern konnte, den Befehlen sofort nachzukommen, fuhr abermals Ayame dazwischen „Ein Zimmer reicht uns beiden.“

Damit wollte die Wölfin sicherstellen, dass Ayu möglichst lange nach Wolf roch und keiner hinter ihre wahre Natur kam – und wie konnte das besser gehen, als wenn sie möglichst immer in ihrer Nähe war?

Denselben Gedanken hatte Sesshomaru bei der Bitte der Frau – aber was ging es ihn an? Daher nickte er Jaken knapp zu und gab diesem damit die Zustimmung, dass nur ein Raum hergerichtet wurde.

Dies wiederum nahm Ayame erleichtert zur Kenntnis. Eine Hürde war geschafft!

Trotzdem blieb ihr ungutes Gefühl erhalten und sie ahnte, dass hier noch so einiges geschehen würde…

Am folgenden Morgen klopfte es an der Tür zu jenem Zimmer, das die zwei Neuabkömmlinge bezogen hatten, bevor der Diener eintrat.

Besagte Frauen hatten – da Ayu ja mittlerweile wusste, wie man Türen und anderes in einer solchen Behausung öffnete – sämtliche Fenster aufgerissen und es sich mit den Decken unter diesen bequem gemacht.

Mit einem kurzen Blick auf das Tablett in seinen Händen schluckte der Mann nur. Nun, wer so etwas aß, konnte auch keine normalen Schlafgewohnheiten haben… Wölfe eben.

Unter interessierten Blicken stellte er alles vor den Gästen ab und verbeugte sich: „Ich werde Euch in einer halben Stunde abholen und zu meinem Herrn führen.“

„Gut, danke“, äußerte Ayame knapp und der Mann verschwand eilig.

Sie als auch Ayu schauten erfreut auf das, was der Diener ihnen gebracht hatte – frisches, rohes Fleisch, welches sogar noch blutig war. Wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass man es ihnen aufs Zimmer gebracht hatte, denn kein Inu wollte so etwas auf dem Tisch haben. Oder einem Wolf beim Essen zusehen.

Der Gedanke ließ beide grinsen und sich über ihr Frühstück her machen.
 

Gestern Abend hatten sie, als man sie fragte, ob sie noch etwas zu sich nehmen wollten, dankend abgelehnt und es vorgezogen, sich zur Ruhe zu legen. Während Ayame ziemlich schnell eingeschlafen war – nach dem Dauerlauf auch kein Wunder! – hatte Ayu noch etwas wach gelegen, weil sie einfach keinen Schlaf fand.

In gewisser Hinsicht war sie stolz auf sich, denn sie hatte das erste Aufeinandertreffen mit dem Fürsten gut überstanden.

Doch es brodelte auch in ihr, sie war wütend auf sich selbst. Dieses seltsame Gefühl, welches sie schon so lange plagte, war irgendwie schwächer, aber gleichzeitig stärker geworden. Schwächer insofern, dass sie ahnte, dem Grund hierfür nun näher zu sein. Gleichzeitig aber war ihr dies nicht genug, sie wollte endlich die Ursache finden und dieser Drang hatte um einiges zugenommen, seit sie das Schlossgelände betreten hatte.

Das war alles so verdammt kompliziert und unlogisch!

Sie verstand sich selbst nicht mehr und genau das war ihr Problem.

„Ayu, ich glaub das Tier ist schon tot…“

Angesprochene schreckte auf und sah zur Seite. Ayame erklärte sogleich „Du hast das letzte Stück so angesehen, als ob du es umbringen willst.“

Darauf erwiderte die Ältere nichts, sondern schnappte sich das Fleisch.

Der Tag fing ja wunderbar an!
 

Wie angekündigt hatte sie der Diener abgeholt und zu Sesshomarus augenscheinlichem Arbeitszimmer gebracht. Zusammen mit drei anderen Männern, deren Funktion den Frauen nicht so ganz klar war, hatte der Fürst sie bereits erwartet.

Sie hatten ihn erst einmal auf den neusten Stand gebracht und danach wurde die sehr ungenaue Karte von einem der Männer unter Anweisung von Ayu vervollständigt. Es wäre zwar einfacher gewesen, hätte sie alles direkt aufzeichnen können – nur konnte sie die Schreibutensilien nicht handhaben und gab daher genaue Vorgaben, nach denen alles eingezeichnet wurde.

Zur Überraschung der Männer hatte die Frau dabei keinerlei Probleme damit, umzudenken und alles maßstabsgetreu zu übertragen.

Weit schwieriger war der nächste Punkt: Die Größe des Rudels.

Beide Frauen mussten überlegen und Ayu ging im Kopf ihre Familie durch, nahm schließlich auch die Finger zur Hilfe und konnte am Ende doch nur eine ungefähre Zahl nennen.

Dafür lieferte sie aber auch eine plausible Erklärung: Die normalen Wölfe hatten eine weit kürzere Lebensspanne und starben so relativ schnell, so wie auch viele Würfe kamen. Das sorgte dafür, dass ihre Anzahl mal höher, mal niedriger war. Die Youkai machten sich natürlich nicht die Mühe, das genau im Auge zu behalten, regulierte sich ihre Anzahl doch selbst durch Nahrungs- und Platzangebot, Krankheiten und anderes.
 

Stunde um Stunde verstrich und so langsam übernahm Ayame das Wort, als es an vertragliche Dinge ging – davon verstand sie nach wie vor mehr als ihre Begleiterin. Die warf hin und wieder etwas ein, das Ayame nicht übers Rudel wissen konnte und ansonsten schwieg sie.

Hin und wieder erwischte sich Ayu dabei, wie sie Sesshomaru verstohlene Blicke zuwarf.

Das war doch nicht zum Aushalten! Was hatte dieser verdammte Hund mit ihr angestellt?!

Die Youkai zwang sich dazu, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
 

Gegen Nachmittag trennten sich die verschiedenen Parteien, es hatten sich noch mehrere Streitpunkte ergeben, über die sie sich beraten mussten.

Sofern sich Sesshomaru beraten ließ, schoss es Ayu durch den Kopf. Er ließ die anderen Männer zwar das Wort führen, aber dass er den Ton angab, war mehr als offensichtlich.

Am folgenden Tag würden sie hoffentlich mehr wissen.

Ihre Position war klar, nachgeben würde sie nicht.

„Ayu meinst du nicht, dass wir ihnen etwas entgegen kommen sollten?“

„Du hast Mutter doch gehört, das Waldstück im südlichen Bereich ist tabu, dort machen wir die meiste Beute-“

„Ich meinte nicht das, sondern eher, was die Umleitung des Baches angeht, zwecks Wasserversorgung.“

Ayu brummte leise und ihre Freundin seufzte „Ich weiß, mir gefällt das auch nicht, immerhin ist es ein Eingriff in die Natur. Aber ich denke, wenn sie schon nur in dem Bereich bauen und ein paar kleine Felder anlegen dürfen, sollten wir ihnen dieses Zugeständnis machen. Und Taka hat gesagt, dass sie kleine Veränderungen dulden würde.“

„Ich weiß“, war alles, was Ayu dazu sagte und die Wölfin nahm dies als Zustimmung.

Während dieses Dialoges waren beide am Fenster ihres Zimmers gestanden und hatten raus geblickt.
 

„Man hat uns nicht verboten, uns umzusehen…“, murmelte die Ältere irgendwann.

„Dir ist langweilig?“

„Nein. Ich brauch Bewegung, und wenn ich noch länger in einem Zimmer festsitze, bekomme ich Komplexe.“

„Recht hast du. Der Garten sieht von hier oben ganz in Ordnung aus, ich glaub den seh ich mir mal genauer an“, Ayame ließ ihren Blick über die Fläche unter ihnen schweifen. Tatsächlich sah alles recht einladend aus…

„Das wirkt alles so künstlich“, stellte Ayu fest und schüttelte den Kopf, „Vielleicht komm ich später dazu. Ich guck mich lieber drinnen um.“

Auch wenn es ihr nicht gefiel, die Jüngere konnte nichts dagegen sagen und nickte nur.

Es war also beschlossene Sache und beide verließen das Zimmer. Ayame fing den erstbesten Diener ab und ließ sich den schnellsten Weg zum Garten nennen, während Ayu einfach mal drauf loslief.

Schon seltsam, irgendwie interessierte sie es, wie das Leben hier in Sesshomarus Heim lief…

Sofort biss sie sich selbst auf die Lippe. Nein, nicht an den Kerl denken! Das war absolut tabu!
 

Ziemlich orientierungslos schritt sie gerade eine Treppe nach unten, als aus einem der Gänge einer jener InuYoukai kam, die auch bei den Verhandlungen zugegen waren.

Wenn sie sich nicht irrte, müsste der Mann mit dem dunklen, grauen Haar und den violetten Augen Kisho heißen.

Ebendieser hatte auch sie erkannt und blieb stehen, wartete, bis sie das untere Ende der Treppe erreicht hatte und sprach sie an: „Ayu, richtig?“

„Genau…“, wegen der Frage sah sie ihn komisch an und er erklärte sogleich, „Ihr und Ayame seht euch sehr ähnlich, da wollte ich nur sichergehen.“

Beide hatten braune Haare und grüne Augen – aber in verschiedenen Nuancen. Und sie hatte ihre grauen Streifen auf den Wangen, dann noch die unterschiedlichen Frisuren… Wie konnte man sie da denn verwechseln?!

Der Grauhaarige versuchte indes, einen Ansatz zu finden, mit der Dame ins Gespräch zu kommen.

Schon seit sie am Vorabend den Kappa niedergetrampelt hatte, hatte er das Gefühl, sie zu kennen. Die Gesichtszüge, die Augen und Haare… Aber er konnte die Frau einfach nicht zu ordnen!

Mit dem Namen konnte er ebenso wenig anfangen, daher hatte er sie so gefragt, in der Hoffnung, dass sie ihm vielleicht ihren vollen verriet. Da hatte er sich aber verschätzt.

Noch etwas kam ihm an ihr so furchtbar bekannt vor: Das stolze Funkeln in den klaren Augen, die wie Smaragde wirkten.

Wenn er es richtig interpretiert hatte, war sie eine leibliche Tochter Takas – er kannte die Wölfin und auch deren verstorbenen Gefährten, er wusste also, dass es unmöglich der Wahrheit entsprechen konnte.

Also musste er auf sie zugehen und versuchen, etwas heraus zu bekommen.

„Verzeiht, ich wollte Euch damit keinesfalls beleidigen!“

Ayu winkte ab: „Passiert eben.“

„Wenn ich fragen darf, was führt Euch in diesen Bereich des Schlosses?“, versuchte Kisho weiterhin eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

Dieses Mal war sein Vorstoß erfolgreicher.

„Nichts, ich wollte mich nur etwas umsehen. Man kommt ja nicht alle Tage in das Schloss eines Fürsten“, der Blick der Frau wanderte von ihrem Gegenüber über den kleinen Saal, von dem aus in verschiedene Richtungen Gänge abzweigten und eine weitere Treppe noch weiter runter führte.

Eine verdammt große Hütte hatten die Inus da hingestellt.

„Oh, wenn Ihr wollt, führe ich Euch gerne etwas herum“, bot der InuYoukai sofort an.

Nur kurz überlegte Ayu, bevor sie nickte.
 

Gemeinsam wanderten die Zwei durch die Gänge und Ayu war durchaus beeindruckt davon, dass der Mann tatsächlich jeden Winkel hier kannte und sich in den endlosen Gängen nicht verlief.

Von seinen Erklärungen über bestimmte Räume und anderes unterbrochen tauschten sie sich auch über ein paar allgemeine Dinge aus – mit gewissem Erstaunen bemerkte Kisho dabei, dass die Frau zu seiner Rechten weit mehr von Politik verstand, als es bei den Verhandlungen den Anschein machte.

Nur zeigte sie auch typische Anwandlungen der Wölfe: Sie nahm vieles auf die leichte Schulter oder tat es als unwichtig ab. Auf der anderen Seite war ihre einfache Sicht der Dinge auch herrlich erfrischend…

Viel mehr über Ayu selbst fand er aber nicht heraus. Lediglich, dass sie etwa zweihundertzehn Jahre zählte und bis zu jener Aufgabe ihrer Mutter, den Fürsten zu suchen, noch nie ihren Heimatwald verlassen hatte.

Das wiederum brachte sie auf ein anderes Thema – Taka selbst.

Hier war der Krieger nicht mehr zu bremsen, er begann sofort von der Frau zu schwärmen, die eine ausgezeichnete Kämpferin war und einst an der Seite des verstorbenen Fürsten Taros gekämpft hatte.

Ayu schluckte unwillkürlich, als er ihr aus der Vergangenheit ihrer Mutter erzählte. Die hatte nie ein Wort darüber verloren und somit war es für die Youkai eine Überraschung, zu hören, wie bekannt ihre Mutter hier überhaupt war.

Unglaube darüber machte sich ebenso in ihr breit.

Ihrem Gesprächspartner entging dies nicht und kurzerhand schlug er einen anderen Weg ein, als den geplanten der nach draußen führte, und peilte einen Gang an, in dem ein ganz bestimmtes Bild hing.
 

Davor blieb er stehen und deutete mit der Hand darauf „Dieses Bild ließ Taro einst von ihr anfertigen und hier aufhängen. Eine große Ehre und wie sollte es anders sein: Taka hat darüber nur gelacht und gemeint, wenn er unbedingt wolle, solle er es doch tun – aber sie würde nicht stundenlang Modelsitzen. Wie man sieht, hat es der Zeichner dennoch geschafft, sie treffend darzustellen.“

Der Erläuterung hatte Ayu nur mit halbem Ohr gelauscht, denn sie starrte aus großen Augen auf das Bild.

Dort war keine Wölfin zu sehen.

Da stand tatsächlich eine Frau!

Ihre Mutter in ihrer menschlichen Gestalt! Auch in dieser hatte Taka weiße Augen und ihr Haar, das sie zu einem kurzen, hohen Zopf zurückgebunden hatte, war wie ihr Fell weiß.

Sie trug außerdem keine Felle wie Ayu, sondern eine seltsame Mischung aus Hakama und Haori und der wölfischen Bekleidung. Der Haori war ärmellos, aber zweifelsohne ein solches Kleidungsstück. Der graue Stoff reichte ihr knapp über die Hälfte ihres Bauches und überall am Saum war ein schmaler, weißer Fellrand. Mit kleinen, am Saum befestigten Bändchen wurde das Teil geschlossen gehalten.

Ihr ebenfalls grauer Hakama reichte gerade nur bis an die Knie und war nicht ganz so ausladend geschnitten wie normalerweise.

Was Ayu am meisten irritierte: Das Schwert, welches an dem breiten Fellgürtel des Hakamas befestigt war.

Bis es ihr Kisho erzählt hatte, wusste sie nicht einmal, dass ihre Mutter ein Schwert besaß und damit umgehen konnte. Und das der Mann ganz nebenbei erwähnte, dass diese Klinge keine gewöhnliche Waffe war, sondern ebenso starke Energiewellen, wie die Schwerter Taros aussenden konnten, machte die Sache nicht besser.

Da von seiner Begleiterin nur schweigen kam, wandte sich der Inu vom Bild ab und ihr zu – und blinzelte verwirrt.

Ayu stand da, starrte aus großen Augen auf das Bild und ihr Mund stand offen.

Vorsichtig berührte er ihren Oberarm, „Stimmt etwas nicht?“

Von der Bewegung endlich zurück in die Realität gerissen, ruckte sie zu dem Krieger herum: „Alles in Ordnung. Es ist nur, dass Mutter nie etwas darüber gesagt hat. Ich sehe sie auf diesem Bild gerade zum ersten Mal in ihrer humanoiden Form.“

„Stimmt, man sagt über Euer Rudel, dass seine Mitglieder nur sehr selten diese Gestalt annehmen.“

Eine bestätigende Kopfbewegung Ayus folgte: „Das stimmt. Wir werden in tierischer Gestalt geboren, und erst wenn wir älter sind, bekommen wir erklärt, wie man die Form wechselt. Das üben wir so lange, bis wir es einmal in einem akzeptablen Zeitraum geschafft haben und … das war’s dann auch. Ich bin die Einzige, die diese Gestalt bevorzugt. Beim Rest ist es schon häufig, wenn sie einmal in hundert Jahren auf zwei Beinen unterwegs sind.“

Jetzt war es an dem Mann, ungläubig vor sich hinzustarren. Dass es so extrem war, hätte er nicht gedacht!

Zögerlich sprach er ein weiteres Thema an, das ihn irritierte – jetzt, mit dieser Information, mehr als zuvor. „Wenn das so ist, wie habt Ihr dann lesen, schreiben und rechnen gelernt?“

Das Gesicht der Braunhaarigen verfinsterte sich wenig begeistert. „Also rechnen hat mir Mutter beigebracht, aber nur mündlich. Fürs Lesen hat sich Vater dazu bequemt, menschliche Gestalt anzunehmen und dann haben wir im Sand geübt, weil Papier, Tinte und den anderen Kram gibt’s bei uns ja nicht. Ist doch überflüssig“, schloss sie mit einem gleichgültigen Schulterzucken.

Damit wären sie zurück bei dem Punkt, wie furchtbar ignorant Wölfe sein konnten…
 

„Hey, Ayame!“, die Gerufene drehte sich um und blickte Ayu entgegen, die mit diesem Kisho zusammen näher kam.

Ebenjener InuYoukai verabschiedete sich auch gleich von ihnen, um seinen eigenen Pflichten nachzukommen.

Zurück blieben zwei Frauen, von der eine die andere mit verschränkten Armen prüfend ansah. „Was ist zwischen euch gelaufen?“, war auch gleich Ayames erste Frage, kaum dass der Mann weit genug weg war.

Die rechte Augenbraue Ayus zuckte: „Ich bin doch keine Hure!“

Abwehrend hob die Leitwölfin die Hände. „Das hab ich auch nicht behauptet! Ich mein ja nur…“, vielsagend wackelte sie mit dem Kopf.

„Keine Sorge Kleines, meine Beine sind zusammengeblieben“, klärte die Ältere auf.

Wirklich übel nehmen konnte sie es ihrer Freundin nicht. Bei ihren Männergeschichten war es wirklich ein Wunder, dass sie mit Kisho nicht in einer Kammer gelandet war… Eigentlich hätte nichts dagegen gesprochen, er schien frei zu sein und war für einen Köter sogar ganz in Ordnung…

Nur irgendwie reizte sie der Gedanke, mit ihm zu schlafen, nicht im Geringsten.

Um vom Thema abzulenken, erzählte Ayu der Jüngeren lieber, was sie von Kisho über ihre Mutter erfahren hatte.
 

„Kisho-san, Sesshomaru-sama wünscht Euch umgehend zu sehen“, wurde ebenjener Inu im Schloss bereits von Jaken empfangen.

Ohne den Kröterich weiter zu beachten, folgte er dieser Anweisung und klopfte wenige Minuten später an die Tür seines Herrn.

Kaum war die Erlaubnis zum Eintreten erklungen, tat er dies auch sogleich und verbeugte sich tief – wartete auf das, was kommen würde. Nachfragen würde eh nichts bringen.

Was der ältere Inu nicht wusste, war, dass Sesshomaru gesehen hatte, wie dieser mit Ayu in den Garten gegangen war. An sich konnte dies dem Fürsten egal sein – und dennoch war er in gewisser Weise erleichtert darüber, dass Kisho nicht so stark nach Ayu roch, wie es der Fall wäre, wäre zwischen den beiden etwas gelaufen. Das ärgerte ihn, es ging ihn nichts an!

„Du hast mit Ayu geredet.“

Fünf kleine Worte, eine Feststellung und doch stand so viel dahinter, wie der Grauhaarige wusste.

„Hai. Wie Ihr wisst, sind mir ihre Eltern nicht unbekannt, daher habe ich meiner Neugier nachgegeben und versucht, mehr über sie herauszufinden.“

Vorsichtig blickte Kisho aus den Augenwinkeln zu seinem Herrn, der diesen Blick sofort bemerkte und ihm zu verstehen gab, dass er weiter sprechen sollte.

Wie es sich gehörte, gab er seinem Herrn eine umfassende Zusammenfassung dessen, was er erfahren hatte.
 

Vermutlich wollte Sesshomaru dies alles wissen, um das Rudel besser einschätzen zu können, dachte sich Kisho – denselben Grund schob der Fürst vor, um vor sich selbst sein Interesse zu rechtfertigen.

Dass es einfach nur daran lag, dass er mehr über diese junge, wilde InuYoukai wissen wollte, ignorierte er geflissentlich.

Nachdem Kisho geendet hatte wurde er entlassen und verließ den Raum.

Zurück blieb der Herrscher des Westens, der sich erhob und ans Fenster trat.

Unwillkürlich suchte und fand er im Garten Ayu und Ayame.

Er biss die Kiefer fest aufeinander.

Dort unten lief sie umher, gut sichtbar für alles und jeden und das in ihrer knappen Bekleidung. Nicht, dass er die Aussicht nicht genoss, nur irgendwas in ihm forderte, dass niemand außer ihm sie so sehen sollte.

Wenigstens bewahrte ihn seine Selbstbeherrschung davor, ihr aufs Dekolleté – oder tiefer – zu starren, wenn sie sich mal wieder vorbeugte, um irgendwas besser sehen oder zeigen zu können. Verlockend genug war es, insbesondere da er sehr genau wusste, wie wunderbar sich die Haut dort anfühlte…
 


 

Es vergingen weitere Tage, die immer gleich abliefen. Am Morgen trafen sich alle, arbeiteten sich weiter durch den Vertrag, um sich dann am Nachmittag wieder zu trennen.

Ziemlich ermüdend fanden Ayame als auch Ayu.

Aus purer Langeweile heraus fingen sie schließlich an, Stück für Stück das gesamte Gelände zu erkunden. Dabei fanden sie sogar eine Stelle an der Schlossmauer, über die man leicht abhauen konnte, wenn man nur schnell genug war und im angrenzenden Wald verschwand.

Das testeten sie auch selbst aus und verbrachten hin und wieder etwas Zeit im Wald, wenn auch immer nur kurz, damit es nicht auffiel.

Was beide Frauen ebenso interessant fanden, war der Übungsplatz. Wenn sie also gerade keine Lust darauf hatten, herumzustreunen, dann saßen sie dort auf dem Boden und beobachteten die Männer.

Als ihnen dies auch zu eintönig wurde, wurde das Schloss ebenso gründlich erforscht, wie zuvor das Gelände, auf dem es stand.
 

An einem ihrer Lieblingsplätze befanden sich die zwei Frauen gerade.

Es war einer der Türme, von dem aus sie alles wunderbar im Blick hatten. Die Arme auf das Geländer gestürzt beobachteten sie den Trubel am Boden. Hier war einfach immer etwas los!

Sie waren jetzt sechs Tage hier und es ging mal schneller, mal langsamer voran.

Zeitgleich seufzten sie auf.

Ayame vermisste ihren Kouga. Das Einzige, was dieses Gefühl überbot, war die wachsende Sorge wegen Ayu. So viel Mühe sie sich auch gab, die andere roch immer schwächer nach Wolf. Wenn sie an einem der anderen Youkai vorbei gingen, drehten manche bereits den Kopf nach Ayu um.

Und das bestimmt nicht wegen ihrer knappen Bekleidung – als sich zwei Tage nach ihrer Ankunft einer der Herren an sie rangemacht hatte, hatte Ayu ihm das Knie in den Schritt gerammt und das nicht gerade schwach.

Es war immer noch unklar, ob der Mann je Vater werden würde. Das hatte gereicht, um allen jegliche Gedanken in diese Richtung auszutreiben.

Sie rochen es also auch, eine andere Erklärung gab es nicht.
 

Die ältere Youkai indes war wegen etwas anderem in sich gekehrt.

Der Vorfall mit dem jetzt wohl nicht mehr ganz so männlichen Mann war ihr dabei einerlei – gut, sie war kein Kind der Unschuld und hatte keine Hemmungen, mit wildfremden Männern zu schlafen, aber eine Hure ohne Geschmack war sie nicht. Außerdem war sie hier als Abgesandte ihrer Mutter. Da konnte sie sich nicht durch die Belegschaft vögeln, das warf kein gutes Bild auf sie und ihr Rudel – mit ein Grund für Ayames Sorge Kisho betreffend.

Alle Männer konnten sich das also derzeit abschminken.

Mal davon abgesehen, dass sie nach wie vor keiner reizte.

Von Sesshomaru abgesehen.

Sie hatte Mühe, nicht zu erschaudern. Am ersten Tag ging es noch, aber mittlerweile… Es war nicht zu vermeiden, dass sie mal einen Mann streifte – nur als ihr dies bei dem DaiYoukai passierte, waren von der Stelle an ihrem Arm aus tausend, kleine Blitze durch ihren Körper gezuckt. Wenn seine goldenen Augen einmal kurzzeitig auf ihr ruhten, musste sie eine Gänsehaut unterdrücken und ihm in die Augen sehen war absolut unmöglich geworden.

Das war regelrecht unheimlich, wie stark sie auf den Köter reagierte!

Ihre Gedanken wanderten – nicht zum ersten Mal – in eine ganz bestimmte Richtung und bei der Vorstellung, wie es wäre, wenn er sie wieder auf diese eine Art berührte…

Ayu biss sich auf die Lippe, um ihre eigenen Gedanken zu unterbrechen.

Das war überhaupt nicht gut, woran sie da dachte!

Ihr Blick verfinsterte sich, denn sie hatte da so eine gewisse Vorahnung, dass dieses seltsame Gefühl, welches sie so ruhelos machte und die Tatsache, wie sie auf den Silberhaarigen reagierte, nur bedeuten konnte, dass ebendieser der Auslöser war.

Eine gottverdammte Töle.

Wieder einmal verging eine der Unterredungen.

Wenigstens kamen sie so langsam voran. Noch ein oder zwei Tage, dann konnte eine erste Version des Vertrages aufgesetzt werden. Theoretisch zumindest. Die Inus warteten nach wie vor auf Rückmeldung von Takehiko und begannen langsam aber sicher, die Sache mit Absicht hinauszuzögern.

Den Frauen fiel zwar auf, dass die Gegenseite Zeit schinden wollte, aber wirklich etwas dagegen machen konnten sie nicht. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben.

Da reichte es ihnen bald nicht mehr aus, für eine halbe Stunde oder so zu verschwinden.

So langsam schlug die Stimmung also um, und das nach nur neun Tagen im Schloss.

Was Ayame noch weit mehr auf den Magen schlug, war die Tatsache, dass Ayu seit zwei Tagen eindeutig mehr nach Hund als nach Wolf roch.

Bisher hatte sich noch niemand dazu geäußert und die junge Leitwölfin betete zu den Göttern, dass dies auch so blieb.

Sehr zu ihrem Leidwesen hatte Ayu aber auch noch angefangen, sich regelmäßig mit Kisho zu treffen.

Was die beiden trieben, blieb ihr Geheimnis.
 

Auch Sesshomaru wusste davon, dass sich Kisho und Ayu seit mehreren Tagen immer für ein, zwei Stunden zurückzogen. Nur leider war ihm der Grund ebenso unbekannt.

Er hatte längst aufgegeben, zu bestreiten, wie sehr ihm dies missfiel. Was brachte es ihm, sich selbst zu belügen?

Dieses eigenköpfige Weib hatte es tatsächlich geschafft, dass er sich für sie interessierte.

Immer wieder kamen ihm auch Takas Worte in den Sinn, seine Absichten betreffend. War es also nur, dass er es genoss, wie diese eigenwillige Frau unter seinen Händen fügsam wurde? Oder mehr?

Wenn da tatsächlich noch mehr eine Rolle spielte, hatte er ein klitzekleines Problem. Eine alte WolfsYoukai, die ihm ganz klar zu verstehen gab, wie die Dinge standen und wie ihre Position war.

Und natürlich, das sollte er auch nicht vergessen, war da noch die Tatsache, dass Ayu nicht im Traum daran zweifelte, eine Wölfin zu sein.

Es würde ihn jetzt wirklich brennend interessieren, was sein Untergebener mit der Frau trieb!
 

Wenn er und Ayame gewusst hätten, was die beiden taten, wäre die Überraschung wohl groß gewesen.

Ayu wollte sich kein weiteres Mal fast blamieren, daher ließ sie sich von dem Mann den Umgang mit den Essstäbchen beibringen und, wo sie schon dabei waren, auch gleich noch, wie man mit Tinte auf Papier schrieb.

Zugeben wollte sie dies natürlich nicht, daher bestand sie darauf, dies heimlich zu machen.

Da saß sie nun also, vor einem niedrigen Tisch und übte sich im Umgang mit Tinte.

„Vorsicht!“

Die Warnung Kishos kam zu spät und ein weiterer dunkler Fleck war auf dem Bogen zu sehen. Resigniert seufzte Ayu auf: „Das ist hoffnungslos!“

Ihr Sitznachbar schien allmählich auch nicht mehr weiter zu wissen und kratzte sich unterm Kinn. „Lassen wir das für heute.“

Damit begann er, alles zusammen zu räumen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Frau zu seiner Linken, die mehr als unzufrieden wirkte. „Dafür, dass Ihr noch nicht lange übt, läuft es doch gut“, versuchte er sie aufzumuntern.

Die Braunhaarige brummte leise: „Nicht gut genug.“

„Dafür merkt man Euch bei den Stäbchen kaum noch an, dass Ihr noch vor ein paar Tagen nicht wusstet, wie man diese überhaupt hält.“

Er bekam ein Lächeln zur Antwort. „Bei einem Lehrer wie Euch auch kein Wunder“, sie klatschte in die Hände. „Ihr habt recht, ich sollte wirklich nicht so viel meckern! Und aufgeben werde ich schon zweimal nicht!“

„Darf ich etwas fragen…?“

Es gab da ein paar Dinge, auf die er schon länger eine Antwort suchte…

„Kommt drauf an.“

Da dies für Ayus Verhältnisse einem ‚Ja‘ gleichkam, fing er möglichst unverfänglich an: „Ich weiß, es kommt spät, aber… Ich muss zugeben, dass mich Eure Bitte doch überrascht hat. Hat es einen speziellen Grund, warum Ihr diese, in den Augen Eures Volkes unnützen, Fähigkeiten erlernen wollt?“

Ihr Blick wanderte von ihm auf die Tischplatte vor sich, „Weiß nicht. Ich wollts einfach lernen.“

Nicht wirklich schlauer als zuvor entschied sich Kisho dazu, direkt zu dem Thema vorzustoßen, das ihn weit mehr interessierte. Dass er es hier mit einer sehr direkten Persönlichkeit zu tun hatte, kam ihm entgegen. So musste er wenigstens nicht lange herumreden.

„Es gibt da noch eine Sache, die mich sehr an Euch irritiert…“

Der Grauhaarige machte eine Pause und beobachtete ihr Gesicht, bemüht jede noch so kleine Regung zu erfassen.

Auffordernd blickte sie ihn wieder an und er sprach weiter: „Wie Ihr mittlerweile wisst, kannte ich Taka und Meiyo und mit Verlaub – Ihr seht keinem der beiden ähnlich. – Nein, damit möchte ich nichts sagen, es war lediglich eine Feststellung!“, den letzten Satz hängte er eilig an, denn ihm war das verärgerte Aufblitzen in ihren Augen nicht entgangen.

Schnell sprach er weiter, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, selbst das Wort zu erheben. „Euch ist doch sicher selbst aufgefallen, dass Euch so manch einer hinterher sieht. Nicht ohne Grund, denn wie auch ich merke, riecht ihr immer weniger nach Wolf, sondern-“

Ein leises, aber dennoch bedrohliches Knurren unterbrach ihn.

Da er kein Bedürfnis danach hatte, sich mit der Frau zu streiten, hielt er versöhnlich die Hände nach oben: „Nun, auch nicht so wichtig…“

Ohne ihm eine Antwort zu geben, stapfte Ayu aus dem Raum. Die Luft um sie herum war derart geladen, dass ihr auf dem Gang jeder aus dem Weg ging.
 

In dem Zimmer selbst fuhr sich Kisho mit der Hand über die Stirn. Das sie empfindlich reagieren würde, war ihm klar gewesen, aber gleich so?!

Wegen des Geruches war er zur Überzeugung gelangt, dass sie eine InuYoukai sein musste – was nur noch mehr Fragen aufwarf, anstatt welche zu beantworten.

Wie aus dem Nichts heraus dachte er an jenen Abend zurück, an dem er mit dem früheren Inu no Taisho und anderen Männern am niedergebrannten Anwesen von einem der Feudalherren angelangt war.

Rasch schüttelte er den Kopf und verwarf den Gedanken. Warum kam ihm dies in den Sinn? Da konnte es keinen Zusammenhang geben.
 

Während Ayu durch die Gänge wanderte, nahm sie zum ersten Mal richtig wahr, dass man ihr tatsächlich verwirrt hinterher sah.

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet.

Was fiel diesen Kötern überhaupt ein?!

Oh, hoffentlich konnte sie hier bald weg! Das war doch einfach nicht zum Aushalten!

Sie war noch immer so in Rage, als sie um eine Ecke bog, dass sie die ihr entgegen kommende Person nicht bemerkte.

Es war also nicht weiter verwunderlich, dass sie in den anderen Youkai hinein lief.

Ihr Körper traf auf seinen und sofort erschauderte sie.

Der unverkennbare Geruch Sesshomarus schlug ihr entgegen und ihr Kopf schoss hoch. Sie beging doch tatsächlich den Fehler und starrte aus ihren wütend funkelnden Augen in seine Goldenen, die sie seltsam maßen.

Ayu schluckte, um sie herum schien die Zeit stillzustehen.

Das. War. Nicht. Gut.

Ihre Wut verrauchte und sie starrte ihm weiterhin direkt in die Augen. Warum musste er auch so schöne, goldene Irden haben?!

„Meister?“, Jaken zerstörte mit seiner Frage den Moment und bewahrte Ayu davor, sich selbst zu vergessen.

Hastig trat sie zurück, verbeugte sich kurz und brabbelte dabei irgendeine Entschuldigung, bevor sie ihr Heil in der Flucht suchte.

Sesshomaru wandte sich halb um und sah ihr hinterher. Nur mühsam unterdrückte er den Drang, ihr hinterher zu setzen und sie wieder an sich zu ziehen. Das Gefühl ihrer Brust an seiner, wenn auch nur für einen Moment…

So langsam wurde die Frau zu einem echten Problem für ihn und er war froh darüber, dass Jaken hinter ihm war und sie gestört hatte.

Ansonsten hätte er für nichts mehr garantieren können.

Warum war sie überhaupt so in Aufruhr gewesen? Er hatte ganz klar in ihren Augen Wut gesehen, ehe diese bei ihrem Blickkontakt verschwand. Reagierte sie etwa ebenso stark auf seine Nähe, wie er auf ihre?

Endlich schenkte er seinem kleinen Diener, der auf ihn einredete, seine Aufmerksamkeit – in Form eines Blickes, der selbst einen Vulkan vereist hätte.
 

Ayu wich knapp Dienern und anderen Schlossbewohnern aus, die ebenfalls auf den Gängen unterwegs waren.

An ihrem Ziel angekommen riss sie die Tür zu ihrem Raum auf, knallte sie viel zu laut zu und sank zu Boden.

Was war heute nur für ein Tag?!

Erst diese Andeutung von Kisho und dann musste sie auch noch in Sesshomaru rein laufen!

Was hatte sie getan, dass die Kamis sie derart hassten? Denn einen anderen Grund konnte es doch nicht geben!

Die Youkai zog die Beine an und schlang die Arme darum.

Ihr ganzer Körper zitterte.

Die extremen Reaktionen ihres Körpers auf Sesshomaru machten sie fast wahnsinnig. Zum ersten Mal war sie froh darum, dass die Kröte bei dem InuYoukai war – denn ohne die von ihm verursachte Unterbrechung, hätte sie sich noch zu etwas verdammt Dummen hinreißen lassen, daran zweifelte sie keinen Moment.

Ayus Schultern sackten nach unten. Viel länger konnte sie es nicht mehr leugnen.

Dieser dumme Hund gefiel ihr weit mehr, als er sollte.
 

Als Ayame die Tür aufzog, wäre sie fast in die auf dem Boden dahinter kauernde Ayu gelaufen.

Da sie die andere Frau aber noch früh genug bemerkte, trat sie an ihr vorbei und schloss den Durchgang hinter ihnen wieder.

Danach ging sie in die Hocke und legte Ayu eine Hand auf die Schulter: „Hey, was ist denn los?“

Nur langsam drehte die Ältere den Kopf und sah ihre Freundin an, sagte lange nichts, ehe dann doch schließlich kam: „Ich weiß es nicht.“

Mit einem Plumpsen ließ sich die Jüngere auf ihre vier Buchstaben fallen und setzte sich neben Ayu, den Körper ebenfalls dem Raum zugewandt. „Dann anders: Was hat Kisho gemacht?“ Mit dem musste es etwas zu tun haben, anders konnte sich Ayame den Zustand der anderen nicht erklären.

Es dauerte wieder eine Weile, bis sie eine Antwort bekam: „Ich bin nicht wegen Kisho so. Wegen ihm bin ich stocksauer.“

Ayame legte den Kopf schief „Du siehst gerade nicht so aus, als wärst du auf irgendwen wütend.“

Dieses Mal bekam sie auch nach mehreren Minuten keine Antwort.

„Wenn du nicht mit mir redest, kann ich dir nicht helfen.“

„Ich weiß“, Ayu stieß hörbar die Luft aus und schloss resigniert die Augen. Als ob sie, dass nicht selbst wusste, aber sie war sich nicht sicher, ob sie der Jüngeren wirklich DAS sagen konnte. Nach einigem hin und her fing sie langsam an: „Es liegt an ihm.“

Obwohl sie da so eine Ahnung hatte, wen die andere damit meinte, hakte die Leitwölfin nach, „Wen meinst du?“

„Sesshomaru“, nur schwer verließ der Name Ayus Lippen, und da sie ihre Gesprächspartnerin nicht ansah, bemerkte sie nicht, wie diese die Lippen zusammenkniff. Ayames Befürchtung hatte sich bewahrheitet.

„Du magst ihn“, flüsterte sie leise. Es war keine Frage, sondern eine reine Feststellung.

Aus den Augenwinkeln sah sie das schwache Nicken ihrer Freundin.

Wo deren Problem lag, konnte sich Ayame denken. Ayu war zwar eine InuYoukai, aber vom Kopf her eine stolze Wölfin. Als solche war es fast schon eine Schande, sich in einen Hund zu vergucken.

Für einen Moment zog die junge Frau in Erwägung, der Älteren zu sagen, was sie von Taka erfuhr.

Ebenso schnell, wie ihr der Gedanke kam, verwarf sie ihn aber wieder. Nicht, weil sie der anderen Rudelführerin ihr Wort gegeben hatte, nichts zu sagen, sondern weil sie wusste, dass es der falsche Zeitpunkt war.

Es gab da aber etwas anderes, das sie tun konnte – auch wenn sie dafür ihren Stolz als Wölfin schlucken musste. Aber was war der schon wert, wenn sie eine InuYoukai als Mitglied der Familie sah? Nichts. Von daher war es bis zum nächsten Schritt auch nicht weit.

„Na immerhin ein ansehnlicher Hund. Das ist hundert Mal besser als ein verschrobener Kater!“

Ayu zuckte zusammen. Damit hätte sie jetzt nicht gerechnet! Eher damit, dass sie sich anhören durfte, dass sie die Töle vergessen sollte – aber das?!

Irgendwie hatte Ayame ja recht. Sesshomaru war alles andere als ein schlechter Fang, rein sachlich betrachtet und wenigstens ein Vertreter einer ihr verwandten Gattung…

Dass ihre Freundin sie nicht verurteilte, war ihr ungemein viel wert.

Blieb ein anderes Problem. Sie beide lebten in zwei verschiedenen Welten, und auch wenn sie ein gewisses Interesse danach verspürte, die Hunde zu verstehen – so weit, dass sie sich auf einen einlassen konnte, ging es nicht.

Wenn vonseiten Sesshomarus überhaupt etwas zu erwarten war. Es war ja nicht so, als hätte er ihr irgendwie den Hof gemacht und sie umworben oder so. Da war nichts. Sie hatten miteinander geschlafen, und dass er sich mehrmals darauf einließ, bedeutete zwar, dass es ihm ebenso gefiel wie ihr… Nur war fraglich, ob er an mehr als einer rein körperlichen Beziehung interessiert war.

Denn nur dafür da sein, das wollte sie auch nicht. Soweit erniedrigen konnte sie sich nicht, um nur die Bettgespielin zu sein – womöglich auch noch eine von vielen.
 

Stunden später hatte sich Ayu halbwegs gefangen.

Draußen verfärbte sich der Himmel langsam und die Nacht brach herein. Links neben ihr lag Ayame und döste vor sich hin.

Sie musste etwas tun! Lediglich hier herum sitzen machte sie noch wahnsinnig!

Ein letzter, prüfender Blick auf die andere Youkai und lautlos huschte sie durch den Raum und verließ möglichst leise ihr gemeinsames Gemach.

Auf dem Gang sah sie sich nur kurz um und stellte zufrieden fest, dass außer ihr niemand mehr unterwegs war.

Wo sie überhaupt hin wollte, das wusste Ayu nicht wirklich.

Daher überließ sie sich einfach ihrem Gefühl und achtete nicht darauf, wo dieses sie hinführte.
 

Erst als sie vor dem Arbeitszimmer des Hausherrn stand, realisierte sie, wo ihre Beine sie hingetragen hatten. Dies war der einzige Raum, von dem sie wusste, dass er dort regelmäßig war.

Um diese Uhrzeit war dies natürlich nicht der Fall.

Nur kurz zögerte die Youkai, sah sich noch einmal um, damit sie auch wirklich niemand erwischte, und verschwand eilig in dem Raum.

Zielstrebig ging sie weiter, umrundete den leeren Tisch und blieb knapp vor dem Sitzkissen des Fürsten stehen.

Mit geschlossenen Augen ging Ayu in die Hocke und atmete tief ein. Hier roch es sehr stark dem Mann – genau deswegen war sie wohl hier, sie wollte das Gefühl haben, ihm nahe zu sein, wollte ihn riechen…

Ein frustriertes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie wurde verrückt, eindeutig.

Trotz dieser Feststellung konnte sie nicht anders und fuhr mit ihrer Hand über den Stoff.
 

Minutenlang saß sie so da – bis sie das Geräusch der Tür aufschrecken und zu eben dieser blicken ließ.

Ayu schluckte hart und sah dem Mann entgegen, wegen dem sie überhaupt hier war.

Wenn das nicht in einer Katastrophe endete…

Sesshomaru war noch im Schloss unterwegs gewesen, als er bemerkte, dass außer ihm noch jemand herumschlich. Dass die andere Person Ayu war und in seinem Arbeitszimmer saß, verwirrte ihn – was er sich natürlich nicht anmerken ließ.

Hinter sich zog er die Tür zu und ließ die Hündin nicht aus den Augen.

„Ehm… Das ist jetzt nicht so, wie‘s aussieht… Also…“, sie hob eine Hand und kratzte sich hinterm Ohr. Peinlich, peinlich… Und ihr wollte einfach keine plausible Erklärung einfallen! Die Wahrheit würde er nämlich garantiert nicht erfahren!

Mit jedem Schritt, den der Silberhaarige auf sie zu machte, wurde Ayu nervöser. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, suchte nach irgendeiner Regung, die ihr verriet, was er vorhatte.

Ihre Suche sollte erfolglos bleiben.

So starrte sie also aus ihrer hockenden Position aus hoch, vermied es dabei tunlichst, Augenkontakt herzustellen. Eine Nummer wie auf dem Gang heute wäre gerade ganz schlecht.

Schließlich blickte Ayu nach unten, auf seine Schuhe vor ihr. Wartete ab, was er tun würde.

Sesshomaru aber rührte sich nicht. Dass sie hier nirgends etwas gesucht oder angefasst hatte, war ihm längst klar.

Was war nur los mit der Frau? Sonst trat sie doch auch immer sehr selbstsicher auf.
 

Unendlich langsam stellte sich die Braunhaarige auf und hielt den Kopf gesenkt, sodass er nicht sah, wie aufgewühlt sie gerade war.

Ganz alleine mit dem Fürsten in einem Zimmer. Und wieder schlugen ihre Gedanken Wege ein, die sie nicht nehmen sollten.

Im gleichen Tempo wie zuvor setzte sie einen Fuß nach hinten. Gerade hatte sie Abstand verdammt nötig.

Eine klauenbewährte Hand schoss vor, packte sie am linken Handgelenk und hinderte Ayu daran, zurückzuweichen.

Unter der Berührung konnte sie ein Zittern, das ihren gesamten Körper durchlief, nicht unterdrücken.

Dem Silberhaarigen entging dies keineswegs und so langsam ahnte er, warum sie hier war.

Hier beruhte wohl etwas auf Gegenseitigkeit.

Den Drang, diese Frau zu besitzen, konnte er kaum noch ignorieren. Und dabei wollte er weit mehr, als nur eine Nacht mit ihr. Er wollte sie nicht teilen, mit niemandem! Weitere Heimlichkeiten mit Kisho würde er auch nicht länger dulden!

Sein Daumen strich über die dünne Haut an der Innenseite ihres Handgelenks, bevor er mit den Spitzen seiner Klauen ihren Arm hoch wanderte – genau beobachtete, wie sich die Härchen auf ihrer Haut aufstellten.

Ayu malträtierte derweil ihre Unterlippe mit den Zähnen. Sie wollte Klarheit! Nur die hauchfeinen Berührungen lenkten sie ziemlich ab…

Da sie das Gesicht immer noch gen Boden gewandt hatte, sah sie, wie er jetzt den linken Arm bewegte, um ihre Taille schlang und näher zu ihm zog.

Wieder erschauderte sie, denn so langsam sickerte bei ihr durch, auf was die Nummer hier hinauslief – und verdammt noch mal, sie wollte es! Wollte es so sehr!

Aber nicht so. Nicht ohne zu wissen, woran sie bei dem Inu war!

Mühsam klaubte sie das letzte Bisschen Verstand zusammen, das sich in ihrem Kopf finden ließ. „Was soll das, du Hund?“, das Letzte betonte sie besonders.

Die Hand, die durch seine Aktion auf ihrer Hüfte zu liegen gekommen war, ging etwas höher, um über ihre Haut streicheln zu können.

Gequält musste Ayu die Augen zukneifen. Was machte er nur mit ihr?! Wenn das so weiter ging, würde kein gerader Satz mehr aus ihrem Mund kommen, sondern etwas ganz anderes!
 

Sesshomaru genoss die Macht, die er über diese wilde Youkai vor ihm hatte – fast hätte er dabei etwas vergessen, aber ihr letztes Wort erinnerte ihn daran.

Er begann über ihre Haut zu streichen, wohl wissend, dass das, was er gerade wirklich wollte, warten musste.

„Ich Hund?“

Krampfhaft darum kämpfend, die Lider wieder zu heben, nickte Ayu. „Hund, Köter, Töle… Such dir was aus“, ihre Stimme klang nicht halb so fest, wie sie es sich erhofft hatte.

Die goldenen Augen verengten sich zu Schlitzen. Es wurde aller höchste Zeit, dass der Frau jemand die Augen öffnete!

„Du beleidigst dich selbst! Wie lange willst du deine wahre Natur noch leugnen?“

Ayu erstarrte. All die schönen Gefühle, die seine Berührungen ausgelöst hatten, verschwanden mit einem Schlag. Einem Schlag, der sie wie ein Hieb mit voller Wucht im Gesicht traf.

Das hatte er gerade nicht wirklich gesagt, oder?!

Was erlaubte sich der Köter?!

Ruckartig befreite sie sich aus seinem Griff und sprang einen Meter zurück.

Sesshomaru sah sie einfach nur an, keine Regung im Gesicht.

Ihr wurde flau im Magen. Der Inu meinte es ernst!

Zum wiederholten Male heute erzitterte ihr Körper.

War es das, was Itsuko, Benjiro und heute auch Kisho angedeutet hatten?

Gerne würde sie widersprechen, sich einreden, dass sich die Drei und auch die anderen hier im Schloss irrten – nur konnten das so viele Personen und das unabhängig voneinander?

In ihrem Kopf brach Chaos aus. Von so vielen Seiten waren Bemerkungen gekommen, die sie überhört und ignoriert hatte. Noch länger, jetzt, da es ihr jemand ins Gesicht gesagt hatte, ging das nicht mehr.
 

So langsam beschlich Sesshomaru das Gefühl, die Sache etwas falsch angegangen zu sein. Ihr aschfahles Gesicht, das Flackern ihrer Aura… Ihre Klauen, die sie sich in ihre eigenen Hände bohrte, ohne es zu merken…

Er machte einen Schritt auf sie zu.

Danach ging es selbst für ihn, mit seinen Sinnen, zu schnell.

Von einem Moment zum nächsten hatte Ayu einen Satz nach vorne gemacht, dann zur Seite und war mit vor dem Kopf verschränkten Armen durch das Fenster gebrochen.

Schnell wie der Wind war sie in der Nacht verschwunden.

Es wusste nicht, wie sie es schaffte, aber bereits eine knappe Minute später hatte sie das Schlossgelände verlassen und ihr brodelndes Youki war im nächsten Wald zu spüren.

Entfernte sich immer weiter.

Es wäre ein Kinderspiel für ihn, sie einzuholen, aber er zweifelte daran, dass das gerade klug wäre.

Die Frau konnte gut auf sich alleine aufpassen und würde schon zurückkommen, wenn sie sich wieder im Griff hatte.

Ihre Beine trugen sie so schnell sie konnten durch den Wald. Ohne Ziel vor den Augen lief sie einfach weiter.

Warum eigentlich? Vor was rannte sie davon?

Vor der Wahrheit.

Nicht vor Sesshomaru flüchtete sie – sondern vor dem, was er und die anderen sagten.

Ayu wollte es nicht hören, wollte es einfach nicht wahrhaben.

Ihr ganzes Leben sollte eine Lüge sein?

Aber wer war sie dann? Wer waren ihre Eltern, was war mit ihrer Familie? Wieso hatte ihre Mu- Taka sie zu sich genommen? Schmerzhaft zog sich ihre Brust zusammen. Ihre über alles geliebte Mutter war in Wirklichkeit eine Fremde.

Für sie brach gerade mehr als nur eine Welt zusammen, ihr bisheriges Leben war eine einzige Lüge.
 

Irgendwann zwischen Mitternacht und den ersten Sonnenstrahlen erreichte Ayu einen Fluss und zwang sich dazu, stehen zu bleiben. Jegliches Zeitgefühl hatte die Youkai verloren.

Zögerlich ließ sie sich am Ufer nieder und blickte ihr Spiegelbild an. Es war eine wolkenlose Nacht und der Mond warf sein silbriges Licht über alles.

Wie ein schlechter Scherz der Götter.

Nie hatte sie darüber nachgedacht, warum sie anders war als der Rest des Rudels.

Jetzt wurde ihr klar, warum. Weil sie nie ein Teil davon war. Ihr Äußeres sprach Bände.

Wie schon einige Stunden zuvor zog die InuYoukai die Beine an und schlang die Arme darum.

In diesem Moment fühlte sie sich so einsam und verlassen wie noch nie.

Verzweifelt ballte sie ihre Hände abermals zu Fäusten – den Schmerz, als sie sich so selbst verletzte, nahm sie nicht wahr. Selbst wenn sie es bemerkt hätte, es wäre ihr dennoch egal gewesen.

Sie wollte weinen, wollte schreien und toben – aber sie konnte sich nicht rühren. War wie gelähmt.

Eine bleierne Schwere hatte ihren Körper erfasst, während sie sich immer und immer wieder die gleichen Fragen stellte und ins Nichts starrte.
 

Schritte ließen sie aufsehen und nach rechts blicken. Wer da kam, war im Grunde doch egal… Nur etwas Überlebenswillen besaß sie noch und ebendieser ließ sie reagieren.

Unter anderen Umständen würde sie sich wohl wundern, denn es war kein geringerer als der Schakal, der sich ihr nährte. Drei Meter entfernt blieb er stehen und legte den Kopf schief, zog mehrmals die Luft ein und sah dann zu ihren Händen.

Mit einem Kopfschütteln überwand er den restlichen Abstand und kniete sich ebenfalls auf den Boden.

Ayu sah einfach nur zu. Die Frage, was der Kerl da tat, kam ihr kurz in den Sinn, nur um dann wieder zu verschwinden. Es hatte schlichtweg an Relevanz verloren.

Stumm ließ sie zu, dass er ihre Arme lockerte und ihre verkrampften Finger löste.

Kurz besah er sich die Einschnitte, bevor er mit der Linken ihre eine Hand festhielt und mit der Anderen, Wasser schöpfte, um damit das Blut abzuwaschen. „Was ist nur passiert, dass du dich selbst verletzt?“

Leicht legte die Inu den Kopf schief und beobachtete weiterhin, wie er ihre Hände säuberte.

„Warum machst du das?“, brüchig und schwach war ihre Stimme.

Der Mann setzt sich neben sie und grinste schief, „Weil ich es will.“

Ein nachdenklicher Laut war von Ayu zu hören. Das war schon ein komischer Kauz…

Einer plötzlichen Eingebung folgend flüsterte sie: „Was riechst du?“

„Eine Hündin im Wolfspelz“, kam ohne Zögern oder irgendeinen Zweifel in der Stimme die Antwort.

Ihr Kopf sank wieder nach unten. Es gab keinen Zweifel mehr, all das, was sie dachte zu sein, war eine Lüge.

„Wie war dein Name?“

Er ließ sich Zeit, musterte sie wieder. Diese Frau war also der Grund, warum er hier war. Schon immer hatte ihn der Wille der Götter dorthin geführt, wo er gebraucht wurde – sie würden ihn wohl erst Ruhe finden lassen, wenn er alle ihrer Aufgaben bewältigt hatte.

Aber das war eine andere Geschichte, jetzt musste er dieser verirrten Frau einen Schubs in die richtige Richtung geben.

„Du kannst mich Xola nennen.“

„Ayu…“, eigentlich hatte sie Ayumi sagen wollen, doch die letzte Silbe brachte sie nicht über die Lippen. Woher sie den Namen wohl hatte? Von Taka und Meiyo oder von den Inus, die ihre richtigen Eltern waren?

„Na, sagst du mir auch noch, warum du hier und nicht bei deiner Familie bist?“

Sofern es überhaupt möglich mehr, sackte Ayu noch mehr zusammen. Ihre Reaktion war für ihn bereits genug, um sich zu denken, wo der Hund begraben lag – bei diesem Wortspiel musste er unwillkürlich schmunzeln.

„Es geht mich zwar nichts an und ich weiß nicht genau, was los ist – aber ich an deiner Stelle würde versuchen wollen, die Wahrheit zu erfahren.“

Von diesem überflüssigen Rat tatsächlich etwas gereizt knurrte sie leise: „Wär ich ja nie drauf gekommen!“

Gelassen streckte Xola die Beine aus, lehnte sich zurück und stützte sich dabei mit den Händen ab. „Und warum sitzt du dann noch hier?“

Eine berechtigte Frage… Sie wollte Antworten und es gab nur eine Person, die ihr diese geben konnte. Und was tat sie? Herum sitzen und sich selbst bemitleiden! Kami, sonst war sie doch auch nicht so trübselig, sondern machte immer weiter!

Entschlossenheit breitete sich in Ayu aus. Sie würde Taka zur Rede stellen!

Mit diesem Entschluss stand sie auf und nickte dem anderen Youkai zu, „Danke, bist echt in Ordnung. Ich hoffe, du findest, was du suchst.“

„Hört sich an, als hättest du es bereits gefunden.“

Abermals legte Ayu den Kopf schief „Vielleicht.“

Für die Inu war die Sache beendet und zum Abschied hob sie noch die Hand, ehe sie auch schon loslief. Auch wenn sie nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sie war.

Zufrieden blickte Xola der Hündin hinterher. Der Rest würde sich alleine finden, er hatte seinen Teil beigetragen.
 


 

Die Schritte der in grün gekleideten Inu verlangsamten sich und sie versuchte ihre Atmung, zu beruhigen. Da es eilte, war sie so schnell gelaufen wie noch nie in ihrem Leben und diese Anstrengung spürte sie.

Nur noch wenige Hundert Meter trennten sie von ihrem Ziel – dem Herrschersitz des Westens.

Ihre Zeit bei den Wölfen war doch besser ausgefallen als zu Anfang erwartet.

Trotzdem freute sie sich, endlich wieder in der Zivilisation zu sein und – ganz wichtig – in heißem Wasser baden zu können!

Sofort stoppte sie ihre Gedanken. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!

Sie musste umgehend ihre Ergebnisse vortragen und erst danach konnte sie sich Hoffnungen auf ein entspannendes Bad machen!

Kurz schoss ihr Blick gen Himmel und sie erkannte, dass der Tag noch jung war. Dass in dem Schloss vor ihr dennoch bereits reges Treiben herrschte und ihr Herr garantiert schon an der Arbeit war, wusste sie aus Erfahrung.
 

Takehiko irrte sich mit ihrer Vermutung nicht, im Arbeitsraum des Fürsten saß Besagter, um sich herum die geschrumpfte Runde der Verhandlungspartner. Ayu war noch nicht wieder aufgetaucht.

So langsam machte sich Unruhe in Sesshomaru breit, sie war in der Nacht sehr aufgelöst gewesen… Andererseits sagte ihm sein Gefühl, das es ihr gut ging.

Zumal er eh nicht einfach verschwinden konnte, um einer – zugegeben äußerst anziehenden – Frau nachzurennen. Seine Anwesenheit war hier von Nöten.

Mit derselben Begründung saß auch Ayame am Tisch und zwang sich zur Konzentration auf das Wesentliche. Sie machte sich große Sorgen um ihre Freundin, aber konnte gleichzeitig nicht weg.

Abermals blickte sie zu dem DaiYoukai. Die Wölfin wurde das Gefühl nicht los, das er etwas mit Ayus Verschwinden zu tun hatte.

Gegenüber den anderen Inus im Raum hatte sie ausweichend geantwortet, dass Ayu aus rudelinternen Gründen früher als gedacht das Schloss verlassen musste. Nicht die beste Ausrede, aber besser als keine.

Es klopfte und nur wenig später gesellte sich eine weitere Frau zur Runde.

Takehiko war zurück.
 

So schnell, wie es dann weiter ging, konnte Ayame nicht fassen. Nach einem ausführlichen Bericht und auch schriftlichen Vorlagen dauerte es nicht mehr lange, bis sie sich einig waren.

Natürlich musste Taka die vorläufige Fassung gebracht werden, damit sie sich dazu äußern konnte und gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden konnten.

Takehiko wurde entlassen und durfte sich erholen, ehe man sie am nächsten Tag zurück zum Wolfsrevier schicken würde, um der dortigen Herrin die Dokumente zu bringen.

Es war schließlich später Nachmittag, als Ayame mit einigen Kopfschmerzen die letzte Seite zum Rest legte und mit einem Nicken ihre Zustimmung gab. So konnte alles an die weiße Wölfin gehen.

Der Reihe nach verließen die drei Inus den Raum, aber die Frau blieb sitzen.

Kaum waren sie allein, funkelte sie Sesshomaru an: „Was habt Ihr mit Ayu gemacht?“

Der InuYoukai lehnte sich etwas zurück und betrachtete die jüngere Youkai eingehend. Dann ließ er sich zu einer Antwort herab, „Ich habe getan, was längst hätte geschehen sollen.“

Schlagartig verschwand jegliche Farbe aus Ayames Gesicht und sie blickte ihn aus geweiteten Augen an. So wie sie den Eisklotz einschätzte, war er alles andere als einfühlsam vorgegangen.

„Oh Kami…“, die Braunhaarige starrte auf ihre Hände, die auf ihren Oberschenkeln lagen. „Ich hoffe für Euch, dass ihr nichts passiert. Ansonsten werdet Ihr ein weit größeres Problem als mich haben.“

Deutlicher wollte sie ihm nicht drohen und das brauchte sie auch nicht. Das Taka dem Herrscher des Westens garantiert an die Kehle gehen würde, wusste jeder der Anwesenden.

Bevor sie noch etwas Unbedachtes tat, verließ die WolfsYoukai den Fürsten und ging auf direktem Wege zu den Soldaten raus. Regeln hin oder her, sie musste irgendwo Dampf ablassen und wo ginge das besser als bei diesen?
 


 

Ayus Lungen brannten wie noch nie in ihrem Leben und dennoch zwang sie sich, weiter zu laufen.

Sie hatte viel Zeit verloren, bei dem Versuch, sich zu orientieren. Einen guten Tag hatte sie verschwendet.

Seitdem sie aber wusste, wo sie war und wohin sie musste, befasste sich ihr Verstand wieder mit anderen Dingen.

So vieles war in so kurzer Zeit geschehen und einfach alles stand Kopf!

Die Sache mit Sesshomaru und, noch viel wichtiger, sie selbst.

Nach Langem hin und her hatte sie es geschafft, zu akzeptieren, dass all das Grübeln nichts brachte und sie warten musste, bis sie bei Taka war.

Was ihre Beziehung mit dem DaiYoukai anging, kam sie auch nicht weiter. Warum hatte er es ihr gesagt? Was hatte er davon? Er hätte sie einfach nehmen können, denn Widerstand hätte sie nicht lange leisten können – nicht bei diesen Empfindungen, die er in ihr auslöste.

Sesshomaru hatte es nicht ausgenutzt. Stattdessen konfrontierte er sie mit der Wahrheit, wohl wissend, dass er deswegen nicht bekommen würde, was er von ihr wollte.

Das machte einfach keinen Sinn!

Abermals meldete sich ihr schlechtes Gewissen, denn sie hatte Ayame durch ihre Flucht im Stich gelassen. Ein Glück war das meiste eh geklärt, sodass es nicht allzu dramatisch war… Ihre Freundin war trotzdem bestimmt wütend auf sie – und das war ihr gutes Recht.

Dies wäre eigentlich ein guter Grund, um umzudrehen und sich erst darum zu kümmern – nur konnte Ayu dies einfach nicht.

Die Youkai wollte Antworten und das möglichst schnell!
 

Erst am Abend des dritten Tages nach ihrem übereilten Aufbruch, wie sie es leichthin nannte, erreichte sie die Grenze jenes Waldes, in dem sich ihr bisheriges Leben abspielte.

Dieses Mal hielt Ayu nicht inne, sondern lief stur weiter.

Nur nebenbei registrierte sie, dass man ihr Eindringen bemerkt hatte und ihr folgte – nachdem sie aber erkannt wurde, verschwanden die Wölfe wieder.
 

Gerade als sich der schützende Mantel der Nacht endgültig über den Wald legte, erreichte Ayu ihr Heim.

Dieser Gedanke war seltsam…

Nie hätte sie gedacht, dass sie hierher kam und es komisch finden würde, diesen Ort als ihr Zuhause zu betrachten. Hier war sie aufgewachsen, hatte mit den anderen Jungen getobt und gelernt, hier war sie von den Erwachsenen gescholten worden – und doch war dies eigentlich kein Ort für jemanden wie sie.

Auch jetzt schenkte sie den Wölfen keinen Blick, sondern kontrollierte erst die Höhle Takas, um dann auf dem Felsen nach ihr zu sehen. Doch die Alte war nicht da.

„Mutter ist am See, Ayu. Aber was ist denn…“

Den Rest der Frage Shos – einem der ältesten Söhne Takas – hörte Ayu schon nicht mehr, denn augenblicklich begab sie sich dorthin.
 

Umso näher sie kam, die andere Youkai immer stärker wittern konnte, umso langsamer wurde Ayu. Nervosität machte sich in ihr breit.

Sie wusste nicht, wie sie der Weißen gegenübertreten sollte.

Unaufhaltsam trugen sie ihre Füße dennoch weiter, bis ihre Ziehmutter in ihr Sichtfeld kam.

In diesem Moment blieb Ayu stehen.

Taka wandte den Kopf um und erblickte ihre Tochter.

Die Wölfin hatte am Ufer gelegen und die Wasseroberfläche beobachtet, jetzt erhob sie sich aber und kam auf Ayu zu.

Während sie dies tat, erkannte sie durchaus, dass etwas mit der InuYoukai nicht stimmte und in Anbetracht dessen, dass sie hier alleine stand und aus dem Schloss des Herrn der Hunde kam…

Zwei Meter vor der Braunhaarigen setzte sich die weiße Wölfin hin und stellte leise fest: „Jetzt weißt du es also.“

Nur ganz knapp senkte die Jüngere den Kopf zu einer zustimmenden Kopfbewegung. Ihre Zunge fühlte sich schwer an und so dauerte es, bis sie es schaffte, den Mund zum Sprechen zu öffnen – da kam ihr aber bereits Taka zuvor.

„Du wurdest mir und Meiyo anvertraut, als du noch keine Woche alt warst. Ich kann dir nicht sagen, was mit deinen Eltern geschah. Uns wurde lediglich gesagt, dass du so lange bleiben sollst, bis man dich wieder abholt. Wie du siehst, geschah dies nie. Meiyo und ich haben dich wie unser eigen Fleisch und Blut aufgezogen und dich geliebt wie jedes andere unserer Kinder. Auch wenn ich nicht für ihn sprechen kann, so bin ich sicher, dass er ebenso wie ich wohl froh war, dass du uns erhalten bliebst. Denn egal wer dich zur Welt gebracht hat – wir haben dich aufgezogen und dich in unserer Familie aufgenommen. Und zu dieser wirst du immer gehören. Du wirst immer meine kleine, tapfere Ayumi sein.“

Jene Tränen, die sie zuvor nicht vergießen konnte, drangen jetzt nach draußen.

Zitternd musste Ayu durch den Mund Luft holen, ehe sie endlich etwas heraus brachte. „Ihr hättet es mir sagen müssen!“

„Ich weiß, Kind.“

Wie so oft in letzter Zeit war die InuYoukai kurz davor, ihre eigenen Hände zu verletzen.

Dazu sollte es aber nicht kommen, denn Taka stellte sich wieder auf, schloss den Abstand und legte ihre Schnauze an Ayus Rücken, drückte sie damit zu sich.

Schwach wehrte sich die Frau, „Lass mich! DU“, hier musste sie sich unterbrechen und der erste Schluchzer ihres Lebens entrang sich ihrer Kehle. Nicht einmal als ihr Vater starb, hatte die Hündin so weinen müssen, wie jetzt gerade. Dabei hatte ihr Meiyo viel bedeutet.

In ihrer Verzweiflung begann sie auf den großen Körper vor sich einzuschlagen und, zu kratzen.

Die Wölfin blieb stehen und ließ zu, dass die Jüngere sie so berührte. Unter anderen Umständen würde die Weiße so etwas nie dulden. In diesem Moment aber sollte sich Ayu auslassen können. Es war ja nicht so, als ob ihr die unkoordinierten Schläge ernsthaft Schaden zufügen konnten.

Und irgendwie hatte die Alte das Gefühl, das sie es nicht besser verdient hatte.

Schon viel früher hätten sie es Ayu sagen sollen, aber es war einfach nie dazu gekommen.

Ein weiterer Fehler, den sich Taka eingestehen musste.

Zwischen den einzelnen Schluchzern ihrer Tochter waren immer wieder Wortfetzen zu hören. Sätze ergaben sie keine.

Was ihr die Inu gerade an den Kopf werfen wollte, konnte sich Taka trotzdem zusammenreimen.

Nur wenn Ayu dachte, dass sie nicht mehr zur Familie gehörte, irrte sie sich gewaltig. Damals hatte sie es Taro versprochen und selbst ohne dieses Versprechen, würde sie sich immer um Ayu sorgen und versuchen sie zu unterstützen.
 

Das Geräusch, wie wenn etwas zu Boden fiel, war zu hören.

Es war die Hündin, die auf die Knie gefallen war, weil sie ihre Kräfte endgültig verließen. All das war einfach zu viel für ihren Körper.

Obwohl sich alles in Ayu dagegen sträubte, fielen ihr die Augen zu, ihr Oberkörper sackte zur Seite, sollte aber nie den Boden berühren.

In einer schnellen Bewegung hatte Taka den Kopf gedreht und sich nach vorne gebeugt, sodass die Jüngere gegen ihren Hals fiel.

Mit der einen Pfote schob sie den entkräfteten Frauenkörper nach oben, bis er halbwegs sicher auf ihr zu liegen kam, und machte sich auf den Weg zurück zum Berg.

Der steile Hang stellte sich als ein größeres Hindernis heraus, als gedacht. Zu Takas Zufriedenheit aber bemerkten sie Ayames Trottel und kamen, ohne dass es einer Aufforderung bedurfte heran geeilt.

Links und rechts je einen von den Männern, die Ayu am Runterfallen hinderten, ging die Leitwölfin zu ihrer eigenen Höhle und wies Ginta und Hakkaku an, Ayu auf ihr Lager zu legen.

Am Höhleneingang waren indes zwei andere Köpfe zu sehen – Sho und Kyo.

Ihre Mutter legte sich neben Ayu und brummte leise, „Es ist alles in Ordnung, es gibt keinen Grund zur Sorge.“

Wenig überzeugt zögerten ihre Söhne und schließlich brummte Sho: „Ich möchte deine Entscheidungen nicht anzweifeln, Mutter… Aber es sieht nicht danach aus, als ob alles gut wäre.“

Ebenso leise wie die anderen Wölfe mischte sich Kyo ein, „Ayu war, seit sie zurück ist, so komisch. Was ist los? Seit wann verschweigen wir hier irgendwelche Dinge vor dem Rest der Familie?“

In dem Gang, der zwischen Höhleneingang und der schlussendlichen Höhle lag, blickten Ginta und Hakkaku zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern hin und her. Wo waren sie denn nun hineingeraten?

Zögerlich sprach Sho einen Gedanken aus, den er schon seit über zwei Jahrhunderten hatte. „Es hat etwas mit dem alten Fürsten, Taro, zu tun, oder?“

Die weißen Augen Takas verengten sich zu Schlitzen. Ihr Sohn hatte sich einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht…

„Selbst wenn es so wäre, würde es etwas ändern?“, griff Taka das Gespräch wieder auf.

Die Antwort kam schnell und einstimmig: „Nein!“

Ihr Zusammenhalt als Rudel und Familie würde nie brechen, dessen waren sich die Geschwister sicher. Ihre Mutter hatte das Rudel immer gut geführt und wusste, was sie tat. Fehler passierten dieser Wölfin nie.

„Dann denk mal nach, mein Sohn“, erwartungsvoll fixierte sie die grauen Augen eines ihrer ältesten Kinder.

Sho warf indes nervös den Kopf hin und her, „Sie ist nicht unsere Schwester, richtig?“

Eine unangenehme Spannung lag in der Luft und die zwei Männer starrten zu der weißen Wölfin, die nur etwas den Kopf schief legte.

Ihr Schweigen war Antwort genug, aber sie schien auf noch mehr von ihren Kindern zu warten.

Diese hüllten sich aber in Schweigen, denn auch wenn zumindest einer ab und an Gedanken in diese Richtung gehabt hatte – die Bestätigung, musste erst einmal verkraftet werden.

Hakkaku lehnte sich zu seinem Freund und flüsterte so leise wie möglich, „Kommst du da gerade mit?“

Der Gefragte nickte: „Ayu ist keine Tochter von Taka. Also keine Leibliche, aber sie sieht sie dennoch als ihr Kind und erwartet Gleiches von ihren Kindern.“

Verstehend nickte Hakkaku und wollte etwas erwidern, als Sho raunte: „Ich verstehe…“, er machte eine kurze Pause, ehe er weiter sprach „Sie ist und bleibt meine kleine Schwester.“

Jetzt hob Kyo den Kopf und ließ seinen Blick durch den Raum wandern, bis dieser bei Ayu hängen blieb. „Es ändert sich nichts.“

Sein großer Bruder ergänzte: „Das werden die anderen auch so sehen. Sonst noch etwas, dass du uns verschwiegen hast, Mutter?“

Die Lefzen zu einem Grinsen verzogen, das eine Reihe spitzer Zähne entblößte, sagte Taka nur: „Alles zu seiner Zeit. Ich sage nur so viel: Es wird sich etwas verändern, für das Rudel aber zum Besseren. - Und jetzt alle raus hier, Ayu braucht Ruhe!“

Das brauchte die Weiße nicht zweimal sagen und wenige Sekunden später war sie alleine in der Höhle, an ihrer Seite ruhte nach wie vor ihr liebes Hündchen.

Wenn Ayumi wach war, hatte sie sich hoffentlich so weit gefangen, dass ein vernünftiges Gespräch möglich war.

Eine unangenehme Schwere lastete auf ihrem Körper und ließ Ayu nur langsam zurückfinden. Die Augen hielt sie geschlossen, holte stattdessen tief Luft.

Ihre Mundwinkel zuckten kurz nach oben.

Sie spürte unter sich eine weiche Unterlage, der Geruch von Laub lag in der Luft, ebenso wie der des Gesteins, in dem sich die Höhlen befanden. Ein weiterer Duft beherrschte den Raum – ganz klar der ihrer Mutter.

Bei dieser Erkenntnis riss Ayu die Augen auf und ihr Oberkörper schoss in die Höhe.

Ein kurzer Blick reichte ihr, um ihre Vorahnung zu bestätigen. Sie befand sich in der Höhle der Leitwölfin.

Nur Bruchstücke ihres Aufeinandertreffens mit Taka tauchten in ihrem Kopf auf. Einer Sache war sie sich aber sicher – der Wärme, die die Wölfin ausgestrahlt hatte, während sie einfach nur da war und Ayu den Halt gab, den sie in diesem Moment gebraucht hatte.

Ausgerechnet die Weiße, der Grund für ihr Leid, hatte sie getröstet!
 

Nach ein paar Minuten des Unschlüssigen vor sich hin Starrens richtete sich Ayu auf. Ihre Beine fühlten sich seltsam schwach an. Dem Rest ihres Körpers erging es nicht besser.

Trotz dieses Umstandes schaffte sie es leise zum Ein- und Ausgang zu laufen und blieb dort stehen.

Es war früh am Morgen, die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich am sonst noch dunklen Himmel vor.

Dementsprechend war alles noch eher ruhig, die meisten Tiere befanden sich in ihren Höhlen und die Wölfe, die draußen waren, saßen oder lagen träge herum und genossen diesen Moment der Stille.

Einer der Wölfe drehte seinen Kopf und schon erhob er sich, als er Ayu erblickte.

Diese rang sich ein wenig überzeugendes Lächeln ab, „Guten Morgen, Kyo.“

Der, von dem sie immer dachte, dass er ihr richtiger Bruder sei, stieß seine feuchte Schnauze gegen ihre Wange, „Du hast schon besser ausgesehen, Schwesterchen.“

Augenblicklich legte sich ein dunkler Schatten auf das Gesicht der Braunhaarigen, aber sie kam nicht dazu, Einspruch zu erheben.

Weitere Youkai kamen auf sie zu und begrüßten sie ebenso wie Kyo es zuvor getan hatte. Keiner sprach sie direkt auf ihren Zustand an, aber dennoch konnte sie jedem Einzelnen seine Sorge anmerken.

Ein dicker Kloß entstand in ihrem Hals, umso länger sie von ihrer vermeintlichen Familie umringt wurde.

Es war Kyo, der die anderen mit einem kurzen Knurren zum Schweigen brachte, einen bedeutungsvollen Blick mit ihnen wechselte, bevor er wieder zu ihr sah. „Mutter hat es uns gesagt, Ayu. Aber für uns macht das keinen Unterschied.“

Zustimmendes Gebrumme war zu hören.

Die, um die es ging, weitete ungläubig die Augen: „Aber… Ich … aber… Ihr…“

Eine der Wölfinnen verdrehte die Augen, „Hund hin oder her, du bist unsere Schwester. Da kann man über so eine Kleinigkeit hinwegsehen!“

„Hunde und Wölfe können sich zwar nicht sonderlich leiden, aber hey – Regeln bestätigen die Ausnahmen!“, warf einer der niederen Youkai ein.

Alles seufzte und Kyo meinte: „Es heißt: Ausnahmen bestätigen die Regel, nicht umgekehrt!“

„Kommt doch aufs Gleiche raus!“, nicht verstehend wo das Problem der anderen lag, legte das Tier den Kopf schief.

Dieser kleine Disput, der einfach zu diesem Rudel dazugehörte, brachte Ayu dazu, richtig zu lächeln. Das war schon ein schräger Haufen hier… Und genau dafür liebte sie dieses Rudel und seine Mitglieder, mit all ihren Ecken und Kanten.

„Danke!“

In diesem kleinen Wort lagen so viele Gefühle – die Erleichterung und Freude darüber, dass sie hier dennoch akzeptiert wurde, die Dankbarkeit gegenüber den Wölfen, das Wissen, hier willkommen zu sein – und das hörte man.

Nicht wenige Schnauzen wurden an ihr gerieben und Ayu strich über jede entlang, lehnte ihren Kopf an den Kyos… Fast wäre sie wieder in Tränen ausgebrochen, so glücklich war sie in diesem Moment.

Wie hatte Ayu auch nur einen Moment daran zweifeln können, nicht zu diesem Rudel zu gehören? Sie wusste doch selbst, wie groß hier der Zusammenhalt geschrieben wurde. Es wäre eine Überraschung gewesen, hätten die Wölfe anders reagiert.

Genau das machte sie gerade so glücklich, denn auch wenn sie mit keinem der Anwesenden verwandt war – hier bei ihnen war sie als eine von ihnen aufgewachsen. So etwas verging nicht von einem Tag auf den anderen.
 

Schlussendlich entfernten sich alle bis auf Kyo wieder von Ayu, wollten sie ihr doch ihren Freiraum lassen.

Der verbliebene Wolf setzte sich neben seine Schwester, „Besser?“

Die Hündin hob die rechte Hand und strich dem Wolf durch das Fell, „Etwas.“

„Willst du drüber reden?“

Nachdenklich runzelte die Frau ihre Stirn. Eine gute Frage war das… Sie vertraute Kyo ungemein, aber sie war sich nicht sicher, inwieweit er sie verstehen konnte. Nicht, dass er dumm war oder sie an ihm zweifelte… Nur verstanden Männer nicht immer unbedingt, was in einer Frau vorging.

„Ich glaube, ich rede mit…“

„Mutter?“, bot Kyo an und Ayu nickte. So richtig wollte ihr dieses Wort noch nicht wieder über die Lippen kommen.

„Sie ist an ihrem Felsen und redet gerade mit Sho und noch ein paar anderen unserer älteren Geschwister. Wir müssen etwas umstrukturieren, was die Aufteilung der Gruppen angeht…“

Besorgt blickte Ayu dem anderen in die Augen, eine stumme Frage stand zwischen ihnen, welche auch gleich beantwortet wurde: „Ja, es gab weitere Angriffe. Zwei normale Wölfe wurden getötet. Darunter eine Wölfin, die gerade zum ersten Mal wieder rausging. Ihre Jungen haben noch immer nicht verstanden, warum ihre Mutter nicht mehr kommt.“

Ayu schluckte. So etwas war besonders hart. Wenn die Muttertiere wieder mit raus geschickt wurden, waren die Jungen zwar alt genug, um auch ohne sie zu überleben… Dennoch waren sie noch so verdammt jung! Es war einfach nur grausam, dass ihnen bereits in diesem jungen Alter die Mutter genommen wurde. Das Rudel würde für sie sorgen, keine Frage, aber das war nun mal nicht dasselbe.
 

Eine Bewegung am Rande ihres Sichtfeldes erregte die Aufmerksamkeit der beiden und zeitgleich drehten sie ihre Köpfe zur Seite.

Sho und noch ein paar andere Wölfe kamen gerade runter, ihren schnellen Schritten nach mit Anweisungen für den Rest des Rudels.

Nur kurz hielt Sho bei seinen jüngeren Geschwistern an und stieß seine Schnauze gegen Ayus Brust: „Schön, dass du wieder da bist, Schwester. Mutter erwartet dich bereits.“

Schon hatte er sich abgewandt und eilte weiter den Hang runter.

„Ich seh mal nach, was so los ist“, auch Kyo setzte sich in Bewegung und ließ Ayu alleine zurück.

Die beobachtete noch eine gute Minute lang, wie so langsam auch die Bewohner dieses Berges erwachten und sich austauschten, ehe sie sich abwandte und weiter nach oben ging.
 

Taka lag auf ihrem Felsen, hatte nachdenklich den Blick in die Ferne gerichtet und richtete ihr Augenmerk erst auf Ayu, als diese vor ihr zu stehen kam. „Komm hoch zu mir, Kind.“

Ein paar Sekunden zögerte Ayu – die Leitwölfin hatte auf ihrem Platz noch nie jemand anderen außer ihrem Gefährten geduldet. Dann aber folgte sie der Aufforderung und ließ sich links von der alten Wölfin nieder.

„Ayu.“

„Hai?“, fragend legte die Braunhaarige den Kopf schief.

„DU musst entscheiden, was du tust. Ob du versuchen willst, unter Inus zu Leben oder bei uns bleibst. Solltest du dich für Ersteres entscheiden, so sei dir gesagt, dass du jederzeit hierher zurück kannst.“

Nach dieser kurzen Ansprache musste die Jüngere die Augen schließen. Es war seltsam, jetzt da sie wusste, dass sie keine Wölfin war, dennoch von diesen als eine der ihren behandelt zu werden. Es fühlte sich aber auch verdammt gut an, zu wissen, wohin sie gehen konnte, sollte sie Rat brauchen.

Da von der Frau nur Schweigen kam, ergriff Taka abermals das Wort. „Entschuldige, Ayumi. Wir hätten es dir viel früher sagen müssen.“

Sofort schoss der Kopf der Frau nach oben und ihr Kiefer klappte nach unten. Hatte sich die Wölfin gerade entschuldigt?! DIE Taka, die niemals einen Fehler machte und sich vor niemandem zu rechtfertigen hatte?!

Mehrere Male musste Ayu beginnen, bevor ihre Lippen endlich Worte formten. Da sie nicht wusste, wie sie mit dieser Entschuldigung umgehen sollte, fragte sie einfach das Nächstbeste, das ihr in den Sinn kam. „Aber warum habt ihr geschwiegen?“

Das Haupt etwas schräg gelegt murmelte Taka: „Das ist alles nicht so einfach…“

Falten bildeten sich auf der Stirn der Braunhaarigen. Das war ja sehr ergiebig… Wenn sie aber so darüber nachdachte… Nein, nach dem Motto ‚Kind, du bist eine InuYoukai die nur rein zufällig von uns Wölfen großgezogen wurde‘ hätte das nicht funktioniert. Auch konnte sie sich nicht vorstellen, wie sie auf so etwas vonseiten ihrer Eltern reagiert hätte…

„Willst du mir erzählen, was passiert ist?“, die Frage der Alten riss Ayu aus ihren Gedanken.

„Was meinst du?“

„Alles. Dir geht es nicht gut, etwas belastet dich“, während dieser Feststellung stellte ihre Ziehmutter das erste Mal heute Blickkontakt her.

Unter diesem eindringlichen Blick musste Ayu seufzen. Die Wölfin würde sie wohl immer im Handumdrehen durchschauen…

Vielleicht würde es ihr mal ganz gut tun, jemandem ihr Herz auszuschütten.

Irgendwie war Taka ja doch ihre Mutter…

Es dauerte noch ein paar Minuten, in denen Ayu mit sich rang, bis sie schließlich zu sprechen begann.

Doch als sie erst mal angefangen hatte, ging es immer weiter und weiter und schon bald achtete sie nicht mehr darauf, was sie sagte, sondern redete sich einfach alles von der Seele.

Die alte Wölfin schwieg die ganze Zeit, machte keinen Einwurf, nichts und zeigte auch sonst kaum eine Regung. Einzig das Zucken ihrer Ohren hin und wieder verriet, dass sie sehr genau lauschte.
 

Mit einem frustrierten und gleichzeitig auch erschöpften Laut fiel Ayus Kopf nach vorne, als sie endlich am Ende ihres Monologes angelangt war.

Irgendwie fühlte sie sich besser. Befreit.

Wie Takas Schwanz unruhig von einer Seite zur anderen schlug bekam sie nicht mit.

Was die Weiße gehört hatte, gab ihr so einigen Stoff für weitere Sorgen. Immerhin war sie es gewesen, die Ayu die ganzen Jahre über mit dieser gravierenden Lüge leben ließ und sie dann zu Sesshomaru schickte. Quasi das Schicksal herausforderte und haushoch verlor.

Auf Kosten von Ayu, die nun darunter zu leiden hatte.

„Ich weiß einfach nicht mehr weiter…“, flüsterte die InuYoukai leise.

Damit meinte sie alles. Sie wusste nicht, ob sie hier bei den Wölfen bleiben sollte, oder versuchen, mehr über ihre eigene Art zu lernen – und das ging nur, wenn sie den Wald verließ und sich anderen Hunden anschloss.

Oder besser gesagt, einem bestimmten Hund, dem sie sich partout nicht entziehen konnte. Obwohl ihr nach wie vor schleierhaft war, warum er sie nicht genommen hatte. Es wäre so einfach für ihn gewesen…

Taka indes hatte nach einem Blick zu ihrer Tochter entschieden, in deren Interesse zu handeln und nicht in ihrem eigenen. Die Mutter in ihr verlangte danach, ihr Mädchen zu schützen und von allem Leid fernzuhalten, sie hier zu behalten, wo sie Ayu immer im Auge hatte.

Aber das wäre nicht richtig, sie war schon viel zu lange egoistisch gewesen.

„Du hast wirklich keine Ahnung, warum Sesshomaru so gehandelt hat?“

Eine langsame Kopfbewegung seitens der Frau bestätigte dies.

„Der Fürst macht nichts ohne Grund, dies war schon vor Jahrhunderten nicht anders.“

„Was willst du mir damit sagen…?“

Eine kurze Pause folgte, in der sich Taka ihre nächsten Worte zu Recht legte. Auch sie konnte nur vermuten, aber sie war sich sicher, auf einem guten Weg zu sein.

„Er hätte mit dir schlafen können, so wie zuvor als einfaches, unverbindliches Vergnügen“, aufmerksam lauschte Ayu jedem Wort ihrer Ziehmutter „Hat er aber nicht. Er wollte, dass du dich selbst erkennst. Und davon hätte er nur etwas, wenn er an mehr als einer Nacht interessiert wäre. Vermute ich. Die Wahrheit aber wirst du nur von ihm erfahren können.“

Ein tiefer Seufzer, „Und wie soll ich noch irgendwem unter die Augen treten, nach dem, was ich gemacht habe?“

„So, wie ich dich erzogen habe.“

Was hieß, selbstbewusst und sich der Konfrontation stellend, egal wie unbequem es war.

Taka hatte leicht reden… Mit diesem Gedanken zog die jüngere Youkai die Beine an und schlang die Arme darum. Dabei konnte sie nicht sagen, vor was es ihr mehr graute. Der Wut ihrer alten Freundin oder der Antwort des Fürsten. Sofern er ihr überhaupt eine gab.

Ayu hatte keine Ahnung, was sie machen sollte, denn auch wenn sie wusste, dass Taka recht hatte – diese Entscheidung zu fällen, kostete einiges an Überwindung, welche sie gerade nicht aufbringen konnte.

Von der Weißen kam nichts weiter, denn sie wollte die Jüngere nicht noch mehr beeinflussen.
 


 

Wie gewohnt grün angezogen lief Takehiko durch den Wald. Hoffentlich hatte diese sture Leitwölfin nicht zu viel auszusetzen, denn wenn das noch ein paar Mal so ging… Dieses Dauerlaufen schlauchte ganz schön!

Nach ihrem wohl verdienten Bad hatte sie noch etwas gegessen und war danach sehr schnell eingeschlafen. Als man sie am nächsten Morgen weckte, fühlte sie sich nicht ansatzweise genug ausgeruht um die ganze Strecke ein weiteres Mal zurückzulegen.

Alles Meckern half da aber nichts, daher litt sie stumm vor sich hin und freute sich schon darauf, das Heim der Silberwölfe zu erreichen. Dies bedeutete immerhin eine Pause vom Laufen!

Nur kurz hatte sie ihr Tempo gedrosselt und das war an der Grenze gewesen, damit die Posten sie dort erkennen und durchlassen konnten. Danach war sie wieder in ihrer vorherigen Geschwindigkeit zwischen den Bäumen hindurch gejagt.

So ungeschickt, wie bei ihrem ersten Besuch, stellte sie sich dabei längst nicht mehr an, sondern benutzte wie die Wölfe auch die Wildwechsel, anstatt querfeldein zu laufen.

Jedenfalls konnte sie ein erleichtertes Aufatmen nicht unterdrücken, als sie endlich den Schatten des Waldes verließ und den Berg erreichte.

Und, oh Wunder, wurde sie erst einmal daran gehindert, näher zu kommen, während die Leitwölfin informiert wurde.

Während sie wartete, drehte die Inu den Kopf und stellte fest, dass es Vormittag war. Sie hatte etwas mehr Zeit gebraucht, als bei ihrem Weg von hier zum Schloss.

„Ihr sollt zu Mutter, sie ist an ihrem Felsen“, informierte sie einer der niederen Youkai und die Hündin nickte diesem knapp zu.

Den Weg musste man ihr nun wirklich nicht mehr zeigen und leichtfüßig, wie es ihre Art nun einmal so an sich hatte, erklomm Takehiko den Hang.
 

Überrascht musste sie mehrmals blinzeln, denn neben der Leitwölfin saß diese Ayu, die vor guten vier Tagen verschwunden war.

Ihre Irritation ansonsten verbergend trat die Abgesandte des Fürsten vor den Felsen und verbeugte sich, „Ich habe hier die vorläufige Fassung des Vertrages für Euch.“

„Ayu, meine Liebe.“

Mehr brauchte Taka nicht zu sagen, ihre Ziehtochter verstand auch so, was sie tun sollte.

Ohne ein Wort zu verlieren, landete die jüngste der drei Damen vor der anderen Inu und hielt ihr eine Hand entgegen. Ebenso stumm griff Takehiko in ihre Tasche und zog einen versiegelten Umschlag hervor, den sie Ayu reichte.

Die nahm alles entgegen, war mit einem Satz vor der Leitwölfin und zeigte dieser das Siegel, ehe sie es aufbrach und die Papiere heraus holte.

Taka konnte in dieser Gestalt natürlich schlecht selbst die Blätter nehmen und umschlagen, also hielt ihre Tochter alles so, dass es die Wölfin gut lesen konnte. Mit einer knappen Kopfbewegung gab die weiße Wölfin zu verstehen, dass sie mit dieser Seite durch war und Ayu nahm das vorderste Blatt, tat es ans hintere Ende des Stapels, sodass Taka weiter lesen konnte.

Was diese dabei von dem hielt, was sie zu sehen bekam, war ihr nicht anzumerken.

Das Einzige, was man nach drei Seiten hörte, war ein: „Jetzt setz dich hin, Mädchen! Du kannst ja kaum noch stehen.“

Damit war eindeutig Takehiko gemeint, und auch wenn sie gerne widersprochen hätte –Taka hatte recht, also setzte sie sich auf den Boden. Ihre Beine dankten es ihr.
 

Schlussendlich waren sie wieder auf der ersten Seite angelangt und Ayu ließ die Arme sinken, die ihr dank der permanenten, erhobenen Haltung etwas schmerzten.

Langsam schloss Taka die Augen und begann offensichtlich über etwas nachzugrübeln.

Ein nachdenklicher Laut war zu hören, ehe sie wieder aufblickte und die zwei InuYoukai vor sich musterte.

„Ayu, hast du dich entschieden?“

Diese vollkommen aus dem Kontext gerissene Frage brachte die Angesprochene etwas aus dem Konzept. Ihre Gedanken überschlugen sich. Der Tonfall verriet ihr, dass Taka ihre Entscheidung jetzt hören wollte.

„Ich… Ich weiß nicht so recht, aber ich …“, sie schluckte, „denke ich will es versuchen… Irgendwie.“

„Bist du dir sicher?“

Hatte sie gerade eben noch zu Boden gesehen, hob Ayu jetzt den Kopf. „Hai.“

„Takehiko, steckt den ganzen Kram bitte wieder ein und dann mitkommen ihr Zwei.“

Ohne abzuwarten, erhob sich Taka und machte aus dieser Bewegung heraus noch einen Satz über die zwei Inus hinweg, die sich beeilten, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Was hieß, auch Ayu ging vom Felsen und gab alles zurück an Takehiko, die es abermals in ihrer Tasche verstaute.

Die weiße Wölfin setzte sich wieder in Bewegung und beide Frauen folgten ihr, dabei sahen beide unbewusst zur jeweils anderen, sodass sich ihre ahnungslosen Blicke trafen.

Zu ihrer Überraschung verschwand Taka in ihre Höhle, und als die Frauen vor dieser stehen blieben, kam von drinnen ein geknurrtes: „Ich sagte mitkommen!“

Sich nicht wirklich im Klaren darüber, was dies alles zu bedeuten hatte und ob sie es wirklich wissen wollten, folgten die Frauen dieser Aufforderung.

Taka saß an der linken Wand der Höhle und drehte den Kopf nach links, zeigte somit auf einen kleinen Felsbrocken, der scheinbar nur so in der Höhle herumlag. „Ayu schieb den mal zur Seite.“

Gehorsam wie sie war folgte Besagte auch dieser Aufforderung und dahinter kam eine Felsspalte zum Vorschein, in der eine Kiste stand.

Ein kurzer Blickwechsel mit ihrer Mutter genügte und die Youkai zog das gute Stück hervor. Das Holz war sauber gearbeitet und scheinbar recht edel… Dass ihre Mutter so etwas besaß!

„Jetzt mach schon auf“, erklang die Stimme der Wölfin.

Der Deckel ging ohne Probleme auf, und wenn Ayu genauer darüber nachdachte, so schien es, als läge ein Bann über Kiste samt Inhalt, der verhinderte, dass der Zahn der Zeit daran nagte. Äußerst praktisch.

Zum Vorschein kamen graue Kleidungsstücke, die ähnlich wie auf dem Bild im Schloss zu sehen, zum Großteil oder sogar komplett aus Stoff bestanden.

Die weiße Schnauze der Wölfin schob sich neben Ayus Kopf und bestimmend meinte sie: „Das zweite Oberteil und vom anderen Stapel das vorletzte. Takehiko, helft meiner Tochter bitte beim Umziehen, damit es auch wirklich richtig sitzt. Ich erwarte euch unten.“

Bevor noch jemand eine Frage stellen konnte, verschwand Taka aus der Höhle, nur noch ihr Ruf „Sho!“ war zu hören.
 

Auch wenn sie nicht wusste, was im Kopf der Leitwölfin gerade vor sich ging, Ayu vertraute darauf, dass sie wusste, was sie tat. Seltsam, dass sie nach alldem trotzdem einfach gehorchte… Das nannte man wohl die Macht der Gewohnheit!

Wenige Minuten später stand Ayu schließlich in ihrer neuen Kleidung da.

Der Haori, den sie trug, hatte kurze Ärmel, die ihr kaum bis zum Ellenbogen reichten und ging bis an ihre Hüfte. Der Stoff wurde vorne überschlagen und zuerst musste der kleine Stoffstreifen des Teiles, das innen war, mit dem an der Innenseite des Außenteiles verknotet werden, bevor sie dieses wiederum an ihrer rechten Seite mit zwei weiteren Bändern verknotete. Alleine wäre sie da nicht so schnell darauf gekommen.

Der Hakama war dagegen wirklich schnell und leicht anzuziehen und reichte ihr knapp über die Knie.

Beides war ziemlich locker und schien aus einem leichten Stoff zu sein, sodass sie sich darin weit weniger unwohl fühlte, als in dem Yukata, den sie bei Benjiro hatte tragen müssen. Gleichzeitig war es aber weit weniger anstößig, als das, was sie sonst trug und würde bei den Hunden nicht ganz so sehr auffallen.

Damit konnte Ayu in der Tat gut leben.
 

Als die Frauen schließlich ins Freie traten, war das Rudel in Aufruhr und der Grund dafür stand am Fuße des Berges und sah ungeduldig zu den zwei Frauen. „Nicht trödeln ihr Zwei!“

Neben Taka, die gesprochen hatte, stand Sho und musterte seine Schwester. Bei allen Göttern, was hatte seine Mutter vor?!

Eben jene schenkte ihm wieder ihre Aufmerksamkeit, „Ich verlasse mich auf dich, mein Sohn!“

„Und ich werde dich nicht enttäuschen“, war alles, was er sagte. Was sollte er auch sonst tun? Er wusste doch selbst nicht, warum sie ihm auf einmal die Leitung des Rudels für die Zeit ihrer Abwesenheit übertrug. Wohin wollte sie überhaupt gehen und warum?! Fragen über Fragen!

„Jetzt regt euch ab, ihr erfahrt noch früh genug, was los ist!“, knurrte Taka ihr Rudel an und verschwand gefolgt von den beiden InuYoukai im Wald.
 

Kaum dass sie diesen verlassen hatten, hielt Taka an und drehte sich halb zu ihnen um. „Auf meinen Rücken, wir haben es eilig und können es uns nicht leisten, zu trödeln!“

Jetzt waren die Frauen wirklich baff und erst auf erneutes Drängen von Taka hin stiegen sie auf deren Rücken – nicht ohne gehöriges Zögern samt Herzklopfen. Man saß ja nicht alle Tage auf dem Rücken einer lebenden Legende…

Dann lief die alte Wölfin los und das so schnell, dass keine der beiden Frauen hätte folgen können.

Unwillkürlich krallten sich Ayu als auch Takehiko mit ihren Händen im Fell der Weißen fest, jegliche Skrupel vergessend. Anders würden sie sich nicht auf dem Rücken des Tieres halten können.

Taka selbst blieb davon vollkommen unbeeindruckt und lief stur weiter. Hindernisse wie Wälder oder auch ein Dorf, dass sie unter anderen Umständen umrundet hätte, wurden von ihr schlichtweg überflogen.

Das Einzige, was ihre Reiterinnen gemeinsam hatten, waren ihre schmerzenden Hände. Ansonsten dachten sie an komplett verschiedene Dinge.

Takehiko kam nicht umhin, die Wölfin zu bewundern und auch stolz darauf zu sein, auf dieser zu sitzen – und das auf dem Weg zu ihrem Herrn! Das würde ihrer Laufbahn sicher einen ordentlichen Schub nach oben verpassen!

Oder sollte sie ihr Glück doch nicht weiter herausfordern, sondern sich einen Mann suchen? Mit diesem Erfolg hatte sie bestimmt Chancen auf eine gute Partie… Und müsste kein weiteres Mal einen solchen Auftrag durchstehen!

Die zweite Inu dachte indes über anderes nach.

Sie war auf dem Weg zurück zum Schloss der Inus. Und dieses Mal nicht im Auftrag ihrer Mutter, sondern weil sie… Ja, was wollte sie dort überhaupt? Als aller erstes musste sie mit Ayame reden! Die war bestimmt stocksauer auf sie…

Nicht minder wichtig war aber auch Sesshomaru. Nicht nur, dass sie mit ihm sprechen musste, wenn sie bei den Hunden bleiben wollte, da gab es noch andere ‚Kleinigkeiten‘ zu klären…

Davor graute es ihr sogar noch mehr als vor der Wut ihrer alten Freundin. Was sollte sie nur tun, wenn er ablehnend reagieren würde? Denn eines musste sie sich eingestehen: Er bedeutete ihr etwas und eine Zurückweisung würde sie nur schwer verkraften können.

Unwillkürlich schmiegte sie sich noch mehr an den Körper ihrer Mutter an. Wenigstens auf ihre Familie war Verlass. Egal was kommen würde, sie hatte einen Ort, zu dem sie immer zurückkehren konnte.
 

Obwohl sie sich hauptsächlich darauf konzentrierte, zügig voranzukommen, grübelte auch Taka ein wenig nach. An sich war sie mit dem Vertrag zufrieden, ihr waren nur ein paar Formulierungen zu schwammig.

Weit bedeutender und auch der Grund, warum sie ihren Wald verließ, war Ayumi.

Hoffentlich tat sie das richtige… Tief in sich hinein horchend stellte sie fest, dass sie ein gutes Gefühl bei der Sache hatte. So als ob sich bald alles klären würde.

Ob sie etwas beitragen konnte? Immerhin war ihr alter Freund sehr sparsam gewesen mit dem, was er ihr und ihrem Gatten verriet…

Nun, in naher Zukunft würde sie wissen, was die Götter noch für sie bereithielten!
 

Letztendlich brauchten die drei Damen nur die Hälfte der üblichen Reisezeit und nach etwas mehr als einem Tag kam das Schloss des westlichen Herrschers in ihr Blickfeld.

Von Takas Rücken aus waren zwei Seufzer zu hören, denn beiden Hündinnen schmerzte der gesamte Körper.

Wer hätte gedacht, dass reiten so anstrengend sein konnte… Und das Skurrile an der ganzen Nummer war, dass es ihnen wohl schlechter als der Wölfin ging, denn deren Atmung hatte sich nur geringfügig erhöht und auch sonst zeigte sie kein Anzeichen von Erschöpfung.
 

Aufregung machte sich in Ayu breit und auch Nervosität. Nicht mehr lange und sie würde sich gewissen Personen stellen müssen. Wie man wohl überhaupt auf die Reisegruppe reagieren würde?

Ein Blick nach hinten zeigte ihr, dass auch Takehiko etwas angespannt zu sein schien.

Ayus Ziehmutter machte keinerlei Anstalten langsamer zu werden und stürmte weiter auf das Anwesen, oder besser gesagt die dazugehörige Mauer samt geschlossenem Tor, zu.

Hoffentlich verstand das niemand falsch! Was sollte das überhaupt werden?!
 

Auf der Mauer indes hatten die Wachen bemerkt, dass sich ihnen etwas oder jemand mit hoher Geschwindigkeit näherte.

Augenblicklich kam Bewegung in die Männer und einige legten die Hand bereits auf den Knauf ihrer Waffen, bereit diese sofort zu ziehen, sollte dies ein Angriff sein.

Nur wer war schon so dumm und griff alleine dieses Schloss an?
 

Auf dem Hof hinter der Mauer wurde es auch unruhig und wer dort stand, drehte den Kopf hoch zu den Wachen und rätselte, was diesen Aufruhr verursachte.

Unter jenen Personen waren auch Ayame und Kisho, die sich gerade über ein paar unverfängliche Dinge unterhalten hatten. Jetzt aber wurde beider Blicke besorgt.

„Was da wohl los ist?“, äußerte die Wölfin ihrer beider Gedanken laut und erntete ein Schulterzucken als Antwort.

Etwas Ernstes konnte es nicht sein, sonst würden die Soldaten längst Alarm schlagen…
 

Während all dies vorging, war Taka immer näher gekommen und in ihren Augen blitzte der Schalk auf, denn ihr entging nicht, welche Wirkung ihr Auftauchen bei den Hunden hatte. Das waren Momente, in denen sie ihr altes Leben vermisste, wenn sie irgendwo etwas Unruhe stiften konnte.

Den Ernst dieser Situation hatte sie aber keineswegs vergessen, dennoch wollte sie die Hunde noch etwas necken.

Ihr erster Auftritt nach so vielen Jahren im selbst gewählten Exil sollte denen immerhin in Erinnerung bleiben!

Ohne wirkliche Anstrengung erhob sie sich in die Luft und schoss einfach über das Tor hinweg, kam erst auf der Mitte des Hofes wieder auf den Boden auf und dort auch abrupt zu stehen.

Dass ihre Reiter bei dieser Aktion nicht von ihr runter geschleudert wurden, war dabei ein kleines Wunder.

Auf ihrem Rücken richtete sich Ayu auf: „Kami, musste das sein?!“

Ihre Mutter brummte nur: „Ich bin kein Gott, sondern deine Mutter!“

Ayame, deren Kinnlade Richtung Boden gegangen war, als sie Taka erkannte, wurde durch die lautstarke Beschwerde Ayus und der Antwort darauf aus ihrer Starre gerissen.

Die Soldaten wussten nicht recht, was sie tun sollten, aber die Tendenz schien eindeutig in Richtung angreifen zu gehen. Daher rief die jüngere Wölfin laut: „Lasst die Waffen unten, das ist Taka, die Alpha der Silberwölfe!“

Hinter Ayu richtete sich eine zweite Frauengestalt auf, die von allen sofort als Takehiko erkannt wurde.

Erst jetzt ließen alle von ihren Waffen ab und Ayame lief dicht gefolgt von Kisho zu der Weißen hin, die anderen auf dem Hof hielten doch lieber Sicherheitsabstand.

Zeitgleich kletterten die zwei Frauen von Takas Rücken, und während die grün gekleidete nur etwas die Hände bewegte, hatte Ayu überhaupt kein Problem damit, sich mitten auf dem Hof ausgiebig zu strecken und sich die schmerzenden Glieder zu reiben.

Eine Bewegung links von den beiden ließ sie den Kopf zu Taka drehen, deren Körper sich verformte.

Augenblicklich hielt Ayu in ihrer Bewegung inne.

Träumte sie oder was war hier los?! Ihre Mutter nahm gerade nicht wirklich…

Doch, sie tat es! Nach wenigen Sekunden hatte sich Taka zum ersten Mal seit einigen Jahrhunderten wieder in ihre menschliche Gestalt verwandelt.

War bis eben noch getuschelt worden, so war es nun so still, das man eine Nadel hätte fallen hören.

Allen Anwesenden war das Bild der Wölfin nur zu bekannt und genau so, wie sie der Zeichner abgebildet hatte, stand sie nun mitten unter ihnen.

Eine Hand stemmte Taka in die Hüfte und sah sich um: „Hier hat sich ja einiges getan, aber nicht nur zum Besseren…“ Ihre weißen Augen fixierten Kisho, „Lange her.“

Der Mann brachte ein abgehacktes Nicken zustande. Dass sie sich noch an ihn erinnern konnte, dabei war er niemand von großer Bedeutung und hatte auch nie direkt mit ihr zu tun gehabt…

Keiner von den Jüngeren wusste so recht, was er jetzt machen sollte – was auch nicht nötig war, denn Taka hatte längst für alle entschieden. „Also Kinderchen, dann wollen wir mal zu Sesshomaru gehen!“

Zielstrebig, immerhin kannte sie sich hier noch von früher aus, schritt sie voran und mit ein wenig Verzögerung folgten die drei Inus gemeinsam mit Ayame.

Mit gehörigem Abstand hinter Taka gingen Kisho und Takehiko, danach Ayame und Ayu bildete das Schlusslicht. Sie traute sich einfach nicht, neben ihrer Freundin zu gehen.

Das musste Ayu auch nicht, denn ihr früherer Schützling ließ sich neben sie fallen und strich ihr mit einer Hand über den Arm: „Schön, dass du wieder da bist. Ich habe mir echt Sorgen um dich gemacht.“

Ungläubig weiteten sich die Augen der Hündin und sie starrte die andere Frau an. Ayame war nicht wütend auf sie?! „Du…“

Schon hatte Ayame eine Hand erhoben und bedeutete Ayu so, still zu sein. „Nein, ich bin dir nicht böse. Ich kann es sogar verstehen. Also ja, ich weiß es. Die Kleider von Taka stehen dir übrigens.“

Jetzt war Ayu egal, wo sie sich befanden, sie blieb einfach stehen und zog Ayame in eine feste Umarmung, „Danke!“

Nur kurz hielten sie sich so, ehe sie sich voneinander lösten und Ayame ihrer Freundin zunickte, ihr somit zeigte, dass sie hinter ihr stand, egal was noch geschehen würde.
 

Wenig später durfte Kisho feststellen, von wem Ayu ihre direkte Art hatte.

Taka hatte das Arbeitszimmer des Fürsten erreicht und schob kurzerhand die Tür auf und trat unaufgefordert ein.

Sesshomaru, der über einigen Berichten brütete, sah auf – die gerade noch wegen der Störung eisigen Augen weiteten sich ungläubig, als er sah, WER da einfach so rein spaziert kam.

Warum hatte man ihn nicht informiert, dass die Alte auf dem Weg zu ihm war? Was tat sie überhaupt hier? Das war absolut untypisch für Taka!

Hinter dieser traten jetzt auch ihre vier Verfolger ein und Ayu schloss die Tür, was ihr sofort die Aufmerksamkeit des Silberhaarigen einbrachte.

Die zweite Überraschung an diesem Tag! Sie wohlbehalten und offensichtlich bei bester Gesundheit wieder zu sehen war ungemein beruhigend für ihn. Fragte sich nur, was zum Henker sie da trug.

Nur warum wich sie seinem Blick aus? Sobald er die Möglichkeit hatte, musste er ein Gespräch unter vier Augen mit ihr suchen und daran würde ihn auch Taka nicht hindern!

Besagter war nicht entgangen, dass der Fürst ihre Tochter im Blick hatte und sie für ihn in den Hintergrund gerückt war, daher räusperte sie sich vernehmlich.

Damit hatte sie umgehend die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.

„Bringen wir’s schnell hinter uns, ich muss zurück zum Rudel. Punkt eins, etwas am Vertrag nachbessern. Einwände? Nein? Sehr gut.“

Nach dieser einseitigen Unterhaltung rührte sich niemand, alle warteten auf die Reaktion des Herrn des Westens. Mit einem Nicken gab dieser sein Einverständnis.

Ayu und Ayame hielten sich ebenso wie Kisho im Hintergrund, während sich Taka und Takehiko gegenüber von Sesshomaru niederließen.

Letztere der Frauen holte den Vertrag heraus und es folgte eine recht kurze Unterhaltung, in denen die Formulierungen verändert wurden.

Danach durfte sich Takehiko zurückziehen, um ungestört die endgültige Version zu Papier zu bringen.
 

Die im Raum zurückgebliebenen blickten alle auf Taka, die sich erhoben hatte und ans Fenster getreten war.

Irgendetwas hatte sie noch vor, dessen waren sich alle bewusst

„Ich vermute, die hier Anwesenden würden alle gerne wissen, wie es dazu kam, dass Ayu meine Tochter wurde.“

Damit schloss sie auch Kisho ein, wusste sie doch von ihrer Tochter, dass dieser ebenso großes Interesse daran hatte wie alle anderen auch. Und er hatte unter Taro gedient, konnte so vielleicht etwas dazu beitragen, alles zu entwirren.

Jeder der hier saß sollte erfahren, was auch sie wusste.

Sich an die Geschehnisse vor zweihundertzehn Jahren erinnernd schloss die einstige Kriegerin die Augen, rief sich alles ins Gedächtnis, um es möglichst Wort für Wort wiedergeben zu können…
 

Ein Sturm tobte über dem Wald, in dem sie mit ihrem Rudel lebte. Bereits seit Stunden war der Himmel wolkenverhangen und ließ keinen einzigen Sonnenstrahl auf die Erde treffen geschweige denn den Mond oder die Sterne erkennen.

Das gesamte Rudel hatte sich in die Höhlen zurückgezogen, sich auf ihren Schlafstätten zusammen gekauert und jeder der konnte, schmiegte sich an seinen Mitbewohner.

Der Wind pfiff draußen durch die Bäume und drinnen kuschelten sich Welpen an ihre Eltern, kannten sie dieses Geräusch doch nicht und waren von der Naturgewalt die draußen tobte eingeschüchtert.

Zu jenen Müttern, an deren Bauch ihr Nachwuchs lag, gehörte auch Taka. Keinen Tag alt waren die zwei Jungen, die sich an ihr wärmten. Ihr Gefährte lag seitlich zu ihr, dem Höhleneingang den Rücken zugewandt und schirmte die noch so empfindlichen Kleinen von dem kalten Wind ab, der regelmäßig hereinwehte.

Mitten während des Sturmes hatte ihr Nachwuchs auf die Welt gewollt und außer dem stolzen Elternpaar wusste noch niemand von dem neusten Zuwachs im Rudel.

Die eisblauen Augen des Leitwolfes wanderten abermals von seiner Gattin zu ihren jüngsten Sprösslingen. Für das Mädchen hatten sie längst einen Namen, doch für dessen Bruder noch nicht.

„Kyo, und das ist mein letzter Vorschlag.“

Seine bessere Hälfte schnaubte nur: „Besser als die anderen. Dann soll er Kyo heißen.“

Ihre Blicke trafen sich und er erkannte, dass ihre schlechte Laune lediglich daher rührte, dass sie von der Geburt müde war und nicht über Namen diskutieren wollte.

Wie eigentlich bei jedem Wurf, daher beschwerte sich Meiyo nicht.

Ein den beiden nur zu bekannter Geruch wurde herangetragen und beider Köpfe wurden von ihren Pfoten erhoben. Meiyo brachte sich in eine sitzende Position. „Riechst du das auch?“

Eine bestätigende Kopfbewegung folgte, „Bei dem Wetter? So verrückt kann selbst Taro nicht sein!“

Gespannt lagen ihre Blicke auf dem Höhleneingang.
 

Nach ein paar Minuten des Wartens trat eine schemenhafte Gestalt in ihr Blickfeld, die sich umso näher sie kam tatsächlich als Herr der Hunde entpuppte.

Wie bei dem Unwetter nicht anders zu erwarten war er zügig unterwegs und trat hastig ein, beide Arme um irgendwas geschlungen, das in seinem Fell versteckt war.

„Holla, was führt dich hier her? Hättest ruhig Sonnenschein mitbringen können!“

Gerade hatte Taro aber keinen Nerv für den Humor seiner alten Verbündeten, sein Gesicht blieb ernst. Außerdem besah er es auch als überflüssig darauf hinzuweisen, dass es mitten in der Nacht war.

Das Wolfspaar wechselte einen Blick. Bei allem Vertrauen, Meiyo war nicht wohl dabei, irgendjemanden in die Nähe seiner Welpen zu lassen.

Ein kurzes Blickduell zwischen den frischgebackenen Eltern und er gab sich, wie so oft, geschlagen.

Damit auch der Fürst des Westens es etwas bequemer hatte, schob sich der graue Wolf hinter seine Gattin, blieb aber sitzen. Die Wölfin selbst bewegte sich nur etwas und schirmte ihre Jungen mit den Hinterbeinen und ihrem Schwanz ab, während Taro das stumme Angebot annahm und sich auf die so frei gewordene Stelle setzte.

„Entschuldigt dass ich einfach so herein platze. Es ist sehr wichtig“, die goldenen Seen sahen von Taka zu deren Jungen und ein kleines Lächeln war auf seinen Lippen zu erkennen. „Man darf also gratulieren.“

Meiyo knurrte leise: „Warum bist du hier?“

Das Misstrauen ihres Gatten überging Taka ebenso, wie es der Fürst tat. „Wenn ich dir gegen die Drachen helfen soll, das kannst du vergessen.“

Abwehrend hielt der Inu eine Hand hoch, „Nein, nicht deswegen bin ich hier. Aber du hast recht, ich benötige deine Hilfe. Eure Hilfe.“ Bei den letzten zwei Worten trafen sich die Blicke der beiden Männer.

Der Blauäugige senkte die Schnauze etwas: „Unsere?“

Eine direkte Antwort bekam er nicht, stattdessen löste Taro seinen Griff um was auch immer und schälte es aus seinem Fell hervor.

Die Wölfe waren beide überrascht, als sie erkannten, was ihr Besucher dabei hatte.

Beider Nasen bebten, versuchten mehr in Erfahrung zu bringen… Die Leitwölfin sprach als Erste wieder, „Die Kleine riecht nach Feuer und Rauch.“

„Sie ist Weise. Ihre Eltern kamen vor wenigen Stunden ums Leben.“

Wachsam zuckten Meiyos Ohren: „Was hat das mit uns zu tun?“

Der Fürst antwortete fest und ohne zu zögern, „Es wird Krieg geben, ich brauche einen Ort, an dem sie in Sicherheit ist. Und nein, ich kann sie nicht zu mir aufs Schloss nehmen, es gibt keine geeignete Amme dort. Wenn ich eine Alternative hätte, wäre ich nicht hier, Meiyo“, vorsichtig wurde das Mädchen auf den Boden gebettet und Taro legte seine nun freien Hände auf seine Oberschenkel.

Was dann folgte, brannte sich der Wölfin auf ewig ins Gedächtnis.

Der unbestritten mächtigste Youkai Japans verbeugte sich. „Ich bitte euch, nehmt sie auf und kümmert euch um sie. Eigentlich dachte ich daran, dass eine deiner Wölfinnen sie nehmen kann, denn eine hat immer Junge, aber unter diesen Umständen… Nirgends wäre sie in besseren Händen.“

Zum wiederholten Male wechselte das Paar Blicke, tauschte sich stumm aus. Niemals hätten sie damit gerechnet, dass sie Taro einmal um so etwas bitten würde. Und dann auch noch so?

Wer konnte da Nein sagen?

Dennoch, irgendetwas musste an der Sache faul sein, warum sonst sollte er zu ihnen kommen?

Der Silberhaarige richtete sich wieder auf, „Niemand weiß, dass sie überlebt hat, geschweige denn, dass ich sie hierher gebracht habe. Ich möchte nur, dass sie sicher aufwachsen kann.“

„Wie stellst du dir das vor? Sie ist eine Inu!“, warf Meiyo ein.

Schon allein die Tatsache, dass er nicht sofort ablehnte, war ein gutes Zeichen.

„Ihr habt mein Wort, dass ich sie abholen werde, sobald dieser Krieg beendet ist. Von euch erwarte ich nur, dass ihr euch gut um sie kümmert und darauf vorbereitet.“

Wie als ob sie wüsste, dass es gerade um ihre Zukunft ging, begann sich das kleine Mädchen zu regen und gab leise Laute von sich.

Etwas, dass die Wölfe nicht ignorieren konnten. Ein kleiner, hilfloser Welpe…

Bei Taka meldete sich der ihr nur allzu bekannte Mutterinstinkt. „Sie ist schwach, hat lange nichts getrunken…“

Ihre weiße Schnauze schob sich näher an das kleine Bündel heran. Ihr Gatte hintendran wusste dieses Verhalten sehr wohl zu deuten, stellte aber ein anderes Problem fest: „Wenn sie hier leben soll, kann sie nicht in dieser Gestalt bleiben.“

„Ein Umstand, der sich ändern lässt. Also?“, erwartungsvoll wurde das Paar ins Auge gefasst.

Ein kurzer Blickwechsel und beide senkten zur Zustimmung den Kopf.

Taka fügte an: „Ich verspreche dir, ihr wird es an nichts Mangeln und wir werden sie wie eines unserer eigenen Kinder behandeln. Sie soll eine richtige Familie haben.“

„Ich danke euch beiden“, damit senkte auch der Fürst das Haupt und es war beschlossen.

Blieb lediglich eine Sache zu erledigen, der er auch sogleich nachkam.

Der InuYoukai schlug den Stoff beiseite und legte das Mädchen ganz frei. Er berührte ihre Haut und stellte fest, dass sie bereits etwas unterkühlt war. Es wurde aller höchste Zeit, dass sie Nahrung bekam und sich aufwärmen konnte!

Darauf bedacht, sie nicht zu verletzen, legte er den Zeigefinger seiner rechten Hand auf die Stirn des Säuglings mit dem rotbraunen Haar und den kleinen, grauen Streifen auf den Wangen. Ihre smaragdgrünen Augen waren offen – und lagen auf der Schnauze ihrer neuen Mutter, so als ob sie schon wisse, was sie dieser zu verdanken hatte.

Länger hielt diese Stille nicht, denn kaum, dass Taro begann, mit seinem Youki das Kind zu beeinflussen, winselte dieses auf und begann zu zappeln.

Die Wölfin legte bei diesem Laut unwillkürlich die Ohren an, schon jetzt meldete sich ihr Instinkt, wollte die Kleine schützen. Dass all dies zu deren wohl geschah, musste sich Taka bewusst ins Gedächtnis rufen.

Der kleine Körper verformte sich und nur wenig später wurde ein kleiner, brauner Welpe von Taro an den Bauch der Wölfin gelegt, so, dass die Kleine direkt an deren Gesäuge konnte.

Noch ein paar Minuten verfolgten die drei Erwachsenen schweigend, wie die Kleine gierig trank und sich dann zwischen die zwei anderen Welpen fallen ließ, so als ob sie schon immer dazugehören würde.

Zufrieden mit dem Erreichten stand Taro auf und ging auf den Ausgang zu. Auf halber Strecke blieb er aber stehen und drehte sich halb um. „Ach, noch etwas. Sie hat bereits einen Namen. Sie heißt Ayumi.“ Damit ging er endgültig.

Dies waren die letzten Worte, die er an sie richten sollte, bevor er den Tod fand.

Davon noch nichts ahnend beobachteten die Wölfe ihren Zuwachs.

Meiyo ließ sich ganz zu Boden sinken und bettete den Kopf auf der Schulter seiner Gefährtin, sodass er ebenso wie sie die Welpen beobachten konnte.

Leise brummte er: „Willkommen in der Familie, Ayu.“

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.

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„Wie ihr euch alle denken könnt, wurde Ayumi nie von Taro abgeholt. Was bei alldem für ein Debakel herausgekommen ist, sehen wir ja gerade.“

Taka wandte sich erst jetzt wieder um und blickte in den Raum. Ihre Tochter war bedenklich blass geworden und starrte vor sich auf den Boden, während Ayame ihr mitfühlend über den Rücken strich.

In Sesshomarus Kopf jagte ein Gedanke den nächsten. Zwei traten dabei immer wieder auf. Zum einen drei kleine Wörter.

Feuer und Rauch.

Hinzu kamen noch ein paar bestimmte Sätze seines Vaters.

Ayumi ist in Sicherheit, deiner Tochter wird es gut gehen, Matsu.

Vor seinem geistigen Auge setzte sich ein Bild zusammen.

Matsu, die stolze Hündin mit dem feinen, rotbraunem Haar und den funkelnden, grünen Augen. Ihr Gatte Yasuo, der im Gegensatz zu seiner Frau schwarze Haare hatte und dessen graue Augen gleichzeitig die Farbe der Streifen auf seinen Wangen widerspiegelten.

Es war so simpel! So offensichtlich!

Ayumi war ihrer leiblichen Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten! Daher war sie ihm immer so bekannt vorgekommen, erinnerten doch nur die grauen Streifen an ihren Vater!

Somit ergaben auch endlich die Worte seines Vaters einen Sinn!

In jenen Stunden, in denen er verschwunden war, hatte er die Tochter von Matsu und Yasuo zu Taka in Sicherheit gebracht. Letztere hatte für eine verhältnismäßig gute Ausbildung Ayumis gesorgt, da diese ursprünglich schon viel früher hierher zurückkehren sollte.

Obwohl dem einzig anderen männlichen Wesen im Raum das Wissen um die Worte des verstorbenen Fürsten fehlte, so zog auch er die richtigen Schlüsse. Seine geflüsterten Worte waren für alle zu verstehen. „Yasuo und Matsu…“

Aller Augen lagen auf ihm und die Frauen runzelten die Stirn, eine nicht laut ausgesprochene Frage hing im Raum.

Kisho zögerte und sah dann seinen Herrn an, der ihn mit einer knappen Kopfbewegung bestätigte und gleichzeitig die Erlaubnis zu reden gab.

Der Inu hüstelte kurz, ehe er erklärte: „Vor zweihundertzehn Jahren brach Fürst Taro gemeinsam mit einer kleinen Gruppe, der auch Sesshomaru-sama und ich angehörten, auf, um einem seiner Feudalherren zur Hilfe zu eilen. Er hieß Yasuo und seine Frau Matsu hatte erst vor wenigen Tagen einer Tochter das Leben geschenkt. Als wir ankamen, war es bereits zu spät, alles stand in Flammen und es gab keine Überlebenden. Die Drachen hatten ganze Arbeit geleistet. Der alte Fürst wies uns an zu warten und verschwand für mehrere Stunden. Wohin erfuhren wir nie. Bis gerade eben.“

Bei seinen letzten Sätzen wandte er sich nach rechts zu den beiden Braunhaarigen.

Ayame hatte längst einen Arm um ihre alte Freundin gelegt und hielt diese fest.

Für diesen Halt war ihr diese unglaublich dankbar, denn endlich hatte sie die Wahrheit erfahren. Natürlich hatte sie gewusst, dass ihre richtigen Eltern tot waren, aber das, was sie gerade eben erfahren hatte…

Es war erschütternd auf der einen Seite, doch auch… Ihre Rechte ging hoch und legte sich auf ihr Herz.

Ayumi hatte die Gewissheit bekommen, die sie wollte. Bestimmt würde man ihr auch noch mehr über ihre leiblichen Eltern erzählen können.

Im gleichen Moment fühlte sie sich schlecht. Denn auch wenn sie trauern sollte – sie tat es nicht. Nicht so, wie bei Meiyo, ihrem geliebten Vater. Dem sie anscheinend auch ihren Rufnamen Ayu zu verdanken hatte.

Ihre Herkunft zu kennen war eine Sache, und dennoch waren diese zwei Youkai Fremde für sie und würden dies auch immer sein.

War das nicht falsch? Aber was konnte sie dafür? So empfand sie nun mal.

„Ayu…?“

Erst bei der geflüsterten Frage ihrer Freundin sah die Angesprochene wieder auf und ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Es ist alles gut“, danach richtete sie das Wort an die anderen im Raum, oder besser gesagt, an Taka und Kisho. „Danke, dass ihr mir die Wahrheit gesagt habt.“

Nach einem tiefen Atemzug nickte sich Ayumi selbst zu. Bis sie mit den ganzen Ereignissen und Erkenntnissen der letzten Tage vollkommen abschließen konnte, würde es noch dauern, aber mit dem jetzigen Stand der Dinge konnte sie leben, akzeptierte es so, wie es war.

Ihr Blick traf den ihrer Mutter, die minimal den Kopf zur Seite neigte. Auf diese Frage kam ebenso nur eine angedeutete Antwort, die aus einer minimalen Senkung ihres Hauptes bestand.

Entschieden schritt die Weiße in Richtung Tür: „Kisho und Ayame, kommt, wir sehen nach, wie weit Takehiko ist.“

„Geh nur“, sagte Ayumi, als die jüngere Wölfin zögerte. Die blickte kurz zwischen ihrer Freundin und Sesshomaru hin und her, dann hatte auch sie verstanden und verließ als letzte das Zimmer.
 

Kaum das sie alleine waren, stand Ayumi auf und trat bis vor den niedrigen Tisch.

Nur kurz biss sie sich auf die Lippe, ehe sie Sesshomaru fest in die Augen sah. „Nur um es zu betonen: Ich steh hier gerade freiwillig in einer verdammt großen Hundehütte und hab eure komischen Fetzen an“, sie hob eine Hand und deutete auf besagte ‚Fetzen‘.

War Sesshomaru vorher schon verwirrt darüber, dass Taka ihm so problemlos die Möglichkeit gab, mit ihrer Ziehtochter zu sprechen, so wusste er nun erst recht nicht, etwas mit dieser Ansprache anzufangen. Er schwieg also weiter und wartete ab, was noch kommen würde.

Was ihn dann noch mehr erstaunte, war das sich diese stolze, sture Frau nun vor ihm verbeugte: „Danke.“

Danke dafür, dass du mir die Augen geöffnet hast, du verdammter, heißer Köter, hätte Ayumi zwar lieber gesagt, aber sie wollte ihr Glück nicht zu sehr strapazieren. War sich unsicher, wie sie mit ihm sprechen sollte, was sie sich erlauben konnte und was nicht. Dafür stand zu vieles offen im Raum.

Kaum das die Braunhaarige wieder aufrecht stand, fuhr sie fort, sah ihm dabei aber nicht in die Augen. „Nur eines verstehe ich nicht. Warum?“

Dieses warum schloss alles ein. Warum er es ihr gesagt hatte und warum er nicht das getan hatte, was beide in diesem Moment wollten und stattdessen riskierte, dass sie auf nimmer Wiedersehen verschwand.

Bis eben noch hatte er still und regungslos gelauscht. Stellte sich dabei die gleiche Frage, wie sie ihm. Kannte er die Antwort nicht längst? Er müsste es nur noch in Worte fassen… Etwas, das ihm nicht leicht fiel und auch widerstrebte.

Lautlos stand er auf, umrundete den Tisch und blieb erst kurz vor der Frau stehen.

„Warum bist du hier her gekommen?“, stellte er eine Gegenfrage, war dies doch schon immer die beste Taktik gewesen, um nicht antworten zu müssen.

Kurz blickte sie verärgert zu ihm auf, fixierte dann aber wieder ihre Füße und trat von einem Bein auf das andere, dachte nach.

Wollte sie ihn einfach so davon kommen lassen? Aber seine Beweggründe waren wichtig für sie! Sie musste es wissen!

Nur würde es etwas bringen, darauf zu bestehen? So wie sie ihn kennenlernen durfte, eher weniger.

Ein Seufzer entrang sich ihren Lippen und Ayumi entschied sich dafür, auf volles Risiko zu gehen. Was hatte sie denn groß zu verlieren? Außerdem, wenn sie das hier tat, dann auch richtig!

Überrascht von ihrer eigenen Entschlossenheit, verringerte die Frau den Abstand zwischen ihnen zusätzlich und blickte ihm direkt und gefasst in die Augen. Wie sehr sie dieses Gold doch mochte!

Etwas richtete sie sich auf und kam ihm noch näher.

Dann hielt sie inne, wartete ab, ob er etwas machen würde, doch dies war nicht der Fall.

Sesshomaru stand unbewegt an Ort und Stelle und wartete gespannt ab, ob sie wirklich das tun würde, was er gerade vermutete.

„Weil ich dich sehr mag“, Ayumi flüsterte diese Worte nur und nahm dann ihren gesamten Mut zusammen, überwand den Abstand zwischen ihnen und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

Kaum, dass sie sich berührten, jagte beiden ein wohliger Schauer durch den Körper und Ayumis Ansatz, sich hastig von ihm zurückzuziehen, wurde von Sesshomaru unterbunden. Den linken Arm fest um ihren Körper geschlungen und die andere Hand an ihrem Nacken drückte er sie näher an sich, nahm den Kuss wieder auf und vertiefte ihn.

Fast schon automatisch legten sich ihre Arme um seine Schultern und zogen ihn noch dichter heran.

Ein unglaubliches Gefühl des Glücks breitete sich in Ayu aus und ließ sie aufbrummen.

Er hatte sie nicht von sich gestoßen! Und das, obwohl sie ihn aus dem Nichts heraus geküsst hatte – etwas, das für ihn doch eigentlich ein ebenso großes Tabu war wie für sie. Aber es fühlte sich auch einfach zu gut an!

Schwer atmend lösten sie sich voneinander, blieben dennoch in dieser Umarmung stehen.

Worte brauchten sie keine, ihre Blicke und das eben Geschehene sprachen Bände.
 

~ ein halbes Jahr später ~
 

Von seinem Platz am Stamm eines Baumes aus beobachtete Sesshomaru, wie Jaken sich einen Fisch über dem Feuer briet, während Ayumi ein Stück hintendran Ah-Uhn die Maulkörbe abnahm, damit dieser noch etwas grasen konnte.

Sie bemerkte seinen Blick und grinste ihn kurz an, ehe sie sich wieder voll und ganz dem Drachen widmete.

Ayame hatte sich, als alles geklärt war, recht schnell verabschiedet und war zurück zu ihrem Gatten gegangen – den gab es ja auch noch. Nebenbei hatte sie natürlich Ginta und Hakkaku eingesammelt.

Wie Kouga auf die lange Abwesenheit seiner Frau reagiert hatte wussten sie noch nicht, wenn auch sich eine gewisse Frau in den Kopf gesetzt hatte, dies bald persönlich in Erfahrung zu bringen…

Taka war ebenfalls längst zu ihrem Wald zurückgekehrt und in der Zwischenzeit hatten sich dort auch eine Handvoll InuYoukai niedergelassen. Zur Überraschung aller hatte die Leitwölfin all ihre Kinder dazu verdonnert, sich von den Hunden unterrichten zu lassen, damit sie nicht noch einmal in solch eine missliche Lage aufgrund mangelnder Bildung kamen.

Allgemein hatte sich alles wieder beruhigt, denn jetzt, wo die Besitzverhältnisse geklärt waren, hatten auch die Nekos Ruhe gegeben. Es war ja nicht so, als hätten sie wirklich eine Wahl gehabt.

Ayumi war bei Sesshomaru geblieben und wich ihm auch nicht mehr von der Seite. Und er müsste lügen, wenn er behauptete, dass er dies nicht genoss. Auch wenn die Frau alles andere als einfach war…

Ihre Sturheit hatte sie keinesfalls abgelegt, und dass sie lieber im Freien als in einem Gebäude war, würde sich wohl auch nie ändern. Aber war es nicht gerade das, was ihn so an ihr faszinierte? Und da er eh zu meist auf Reisen war, störte ihre Eigenart dies betreffend nicht weiter.

Es war auch immer wieder aufs Neue amüsierend die Reaktionen anderer Youkai auf die Frau an seiner Seite zu sehen, war Ayumi doch nicht gerade eine klassische Vertreterin ihrer Art und würde dies auch nie sein. Das fing schon bei ihrer Kleidung an, denn etwas anderes als die gemischte Variante, wie sie auch Taka einst trug, wollte sie partout nicht anziehen.

Was auch immer wieder für Verwirrung sorgte, war die Tatsache, dass sie beide natürlich nach dem anderen rochen und Ayumi ihn immer begleitete, aber nicht seine offizielle Gefährtin und somit Fürstin des Westens war.

Zwar hatte er von Taka indirekt deren Segen dafür bekommen, aber sie beide hatten es nicht eilig und wollten erst abwarten, was die Zeit noch für sie brachte.

Denn egal wie eng sie miteinander verbunden waren, so wusste keiner von ihnen derzeit, ob Ayumi dazu imstande wäre, eine so gehobene Stellung dauerhaft einzunehmen. Zu sehr hing ihr Herz an der Natur und das Denken einer Wölfin war fest in ihr verankert. Vielleicht sogar zu fest.

Daher waren sie darin übereingekommen, erst einmal so zusammenzubleiben. Wenn Ayumi irgendwann bereit dazu wäre, konnte er sie immer noch zur Gefährtin nehmen.

Bis dahin hatte sie hoffentlich mehr Übung darin, sich in der gehobenen Gesellschaft zu bewegen. Zwar gab sie sich alle Mühe, aber ihre direkte Art schlug des Öfteren durch und damit machte sie sich nicht nur Freunde. So war sie eben, stolz, stur und nicht auf den Mund gefallen…

Ein gemurmeltes „Alte Schnarchnase…“, ließ den Silberhaarigen aufblicken.

Jene Frau, um die gerade seine Gedanken kreisten, stand kopfschüttelnd hinter dem im Sitzen schnarchenden Kappa, der wie so oft schneller eingeschlafen war, als es für einen Youkai gut war.

Ayumi überwand den Abstand zu Sesshomaru und ließ sich kurzerhand auf seinen Schoß sinken, den Kopf an seiner Schulter. In weiser Voraussicht lag sein Brustpanzer neben ihm auf dem Boden, sodass sie sich gemütlich an ihn lehnen konnte und sofort von seinen Armen umfangen wurde.

Schweigend saßen sie da und genossen das hier und jetzt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das wars...
Leider kein prefektes HappyEnd, wie es so viele gerne lesen, aber ich bin eben niemand, der so etwas schreibt...
Danke an alle, die bis hier her gelesen haben :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (30)
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Von:  Mimiteh
2013-11-09T16:38:19+00:00 09.11.2013 17:38
Na also. Geht doch.
Moderne Partnerschaft würde ich sagen. Kein Wunder, dass das im Feudalzeitalter misstrauisch beäugt wird. Aber für Sess und Ayu ist es vermutlich die beste Lösung. So haben sie beide was davon.
Aber es war echt witzig, wie Taka alle aus dem Raum geschleust hat. Die Frau ist eine geniale Marionettenspielerin, fürchte ich^^
Es ist eigentlich schade, dass an dieser Stelle Schluss ist, aber irgendwie passt es auch. Gerade zu Ayu und ihren Eigenheiten hätte ein festgelegten Happyend nicht gepasst. Da ist die aufgelockerte Lösung echt besser.
Antwort von:  Avialle
10.11.2013 15:20
Ja, Taka ist manchmal etwas... herrisch *hust* Aber sie meints ja nur gut und will das Beste für ihre Kinder
Es freut mich, dass ich mit diesem Ende es wohl getroffen habe^^ War mir nicht sicher, weil es eben wirklich nicht perfekt ist, selbst für meine Verhältnisse ist es sehr offen, aber... Wie du schon sagtest, es passt einfach
Von:  Mimiteh
2013-11-09T01:28:55+00:00 09.11.2013 02:28
Ich liebe Taka, ich liebe sie einfach. Vor nix und niemandem Respekt, aber gleichzeitig die führsorgliche Rudelchefin. Ich mach das mal, kommt ihr nur mit. Herrlich!
Nun, jetzt wissen wir also, was damals geschah.
Übrigens fällt mir gerade auf, dass Takas Gefährte ja einen nicht gerade netten Namensvetter hat, oh, oh, ich sollte aufpassen, dass Taka meine FF nicht in die Pfoten bekommt - oder besser in die Finger, wo sie doch jetzt gerade mal in Menschengestalt herumrennt.
Aber gut, dass Ayu mit Ayame jemanden hinter sich weiß. Das könnte eine große Hilfe sein, denke ich. Das letzte Kapitel wird sicher sehr... erfüllt sein.
Antwort von:  Avialle
09.11.2013 15:23
o.o Du magst sie echt so gern? Wow... Von irgendwem muss Ayu ja ihre große Klappe haben^^
xD^^ Ja, ich glaube, das würde nicht so gut bei ihr ankommen...
Inwiefern erfüllt? So viel kommt da nicht mehr...
Antwort von:  Mimiteh
09.11.2013 17:35
Vom 'Papa' den Spitznamen und von 'Mama' die große Klappe. Herrliche Zusammenstellung.
Von:  Mimiteh
2013-10-14T14:34:43+00:00 14.10.2013 16:34
Au ja, Regeln bestätigen die Ausnahmen, den Spruch merke ich mir^^
Aber langsam bildet sich ein Pfad heraus, der zur Lösung des ganzen Schlamassels führen könnte - wobei mich aber weiterhin interessiert, welche Steine der Truppe noch im Weg liegen. Taka kehrt zurück in die Zivilisation? Sie hat Ayu ihre Kleider vermacht? Das könnte noch interessant werden...
Antwort von:  Avialle
14.10.2013 22:03
Das war eigentlich ein vertipper, den ich dann einfach stehen ließ... *hust*
Steine? An was für Steine denkst du denn? Es interessiert mich echt brennend, was du da für Gedanken hast!
Aber du bist die erste, der auffällt das Taka a) ihren Wald verlässt und b) auch noch ihre Klamotten rausrückt - und dass das nicht ohne Grund passiert!
Antwort von:  Mimiteh
15.10.2013 11:10
Mit Sprichwörtern müsstest du ja jetzt vertraut sein. Was weiß ich, welche Felsklumpen namens Verzögerungen, Wirrungen und Problemen dir noch alles einfallen. Ich verlasse mich da ganz auf dich^^
Aber ich bin echt die Erste? Seltsam. Das weicht doch völlig von Takas Art ab. Wenn Ayu sie bis zu dem Tag im Schloss vor dem Gemälde noch nie in menschlicher Gestalt gesehen hat, wenn Taka, als es um die Zukunft ihres Rudels geht, nicht selbst zu den Verhandlungen geht, sondern Ayu schickt, wenn... sie hätte so viele Möglichkeiten gehabt, aufzubrechen, wenn sie nur gewollt hätte. Das sie es jetzt tut, ist ein ganz schöner Bruch mit ihren Gewohnheiten und da muss einfach etwas hinterstecken - nehme ich an...
Von:  Mimiteh
2013-10-06T14:01:05+00:00 06.10.2013 16:01
Warum werde ich aus dem Herrn Schakal nicht schlau? Aber gut, ansonsten war das Kapitel ebenso aufwühlend - für alle Beteiligten - wie amüsant - für mich als Leser. Ob sich jetzt wohl klären wird, wie viel Taka genau weiß?
Antwort von:  Avialle
11.10.2013 16:55
Weil der Herr Schakal ungeplant war und ungeplant undurchsichtig wurde^^
Wichtig war ja nur, dass er der guten einen Stups in die richtige Richtung gegeben hat...
Ich frage mich aber, was an dem Kapiel amüsant war... Weil beabsichtigt war das nicht
So viel verrate ich dir, bevor iwann das nächste Kapitel geschaltet ist: Taka hat noch nicht ganz ausgepackt und wird dies auch nicht im nächsten Kapitel machen
Antwort von:  Mimiteh
11.10.2013 19:25
Und ich dachte, hinter dem steckt noch mehr... naja.
Amüsant wurde es durch das Hin- und Her und durch die Konfrontationen. Wie Ayame Sess zur Rede stellt und sowas.
Dann kann man sich ja langfristig auf was freuen - und fröhlich spekulieren, was Taka da noch verschweigt...
Von:  Mimiteh
2013-09-28T16:24:57+00:00 28.09.2013 18:24
Mal davon ausgehend, dass Jaken inzwischen wieder aufgetaut ist... der Kerl tut mir Leid. Da tut er ausnahmsweise mal etwas Richtes und dann wird er trotzdem bestraft.
Aber das Hin und Her zwischen Ayu und Sess, Ayames Gewissensbisse und auch Kishos Rolle passen richtig gut zusammen. Ich frage mich nur, wie du das Gewirr wieder auflösen willst. Ich bezweifle ja, dass Ayu ein bisschen Abreagieren und Nachdenken reicht, um die Tatsachen hinzunehmen, oder? Da muss vermutlich härteres Geschütz aufgefahren werden...
Antwort von:  Avialle
03.10.2013 22:10
Jo, schon nen armer Kerl der Gute... Aber selbst schuld, es hat ihn keiner gezwungen sich Sess anzuschließen *gg*
Welches Gewirr? Also wenn ich mir die Situ gerade so anseh... Im Vergleich zu dem, was ich sonst so abzieh, ist das doch nichts...
Was das härtere Geschütz angeht... Lass dich überraschen :D
Antwort von:  Mimiteh
04.10.2013 00:24
Klingt vielversprechend^^
Von:  Mimiteh
2013-09-08T20:54:46+00:00 08.09.2013 22:54
Uhu-hu-hu... jetzt zieht die Geschichte wieder an. Ayu sitzt also in der Höhle des Löwen äh, des Hundes, ohne die Gefahr zu kennen und Ayame darf das aussichtslose Unterfangen beginnen, Ayu trotz all der guten Nasen rundherum als Wölfin gelten zu lassen - herrlich ist das.
Ich bin sicher, nicht nur Jaken, sondern auch Ayame und Sess werden noch ihre helle Freude haben.
Und ehrlich gesagt würde ich zu gerne gefahren, was Taro zu den verspäteten Morddrohungen Takas zu sagen hat^^
Antwort von:  Avialle
21.09.2013 13:16
Jop, einfach wunderbar. Ein absoluter Jackpot, nich?^^

Hm... Sehr gute Frage! Vielleicht sollte ihn mal jemand fragen...
Von:  Mimiteh
2013-08-30T20:02:33+00:00 30.08.2013 22:02
Deine Ankündigung, Ayu bekomme keine Zeit, vorerst weiter über Sess nachzudenken, trifft jedenfalls vollauf zu - auch wenn es traurig ist, dass das mit zwei Todesopfern einher geht. Ayame und ihre beiden "Trottel" sind unheimlich schön dargestellt und ich finde die Idee gut, ihnen ihren Einsatz so zu vergelten - wobei mich ja interessieren würde, was Kouga an der Sache stören würde.
Antwort von:  Avialle
05.09.2013 14:36
So ist das Leben eben...
Naja, Kougas Problem dürfte eher sein, dass Ayame einfach mal so ihr Leben riskiert hat ;)
Antwort von:  Mimiteh
05.09.2013 16:18
Achsooo... na das ist wenigstens nachvollziehbar xD
Von:  Mimiteh
2013-08-26T17:15:57+00:00 26.08.2013 19:15
Ich glaube ja eher, die Dikussion fängt gerade erst an, Ayu.

Was das wohl nach sich zieht, dass Ayame jetzt bescheid weiß...

Und du, Taka, du bist deiner Ziehtochter in Sachen Logik auch nicht gerade ein leuchtendes Beispiel. Wenn du Taro jetzt umbringen würdest, wäre er dir sicherlich auch keine Hilfe mehr.

Dafür war die Anekdote mit dem Scha-was? (um Ayame zu zitieren) mal wieder typisch Ayu. Bin ja mal gespannt, ob sie sich jetzt den nächstbesten Inu schnappt, nur um herauszufinden, ob es die Rasse ist, die sie so zu Sess hinzieht xD
Antwort von:  Avialle
29.08.2013 21:13
Welche Diskussion denn? Bei ihrem Image hakt da doch keiner nach oder hält ihr eine Moralpredigt xD^^
Was Ayames Wissen zu bedeuten hat... Gute Frage... Da hab ich noch verschiedene Szenarien im Kopf

Duhu? Wenn Taro noch am Leben wäre, hätte sie das Problem überhaupt nicht *gg*

lol! Damit hast du eines der Szenarien, die ich im Kopf durchspiel, erfasst! Zumindest vom Grundgedanken her... Aber du hast Recht, es würde perfekt zu Ayu passen.
Nur sie hat jetzt erstmal andere Sorgen als herauszufinden, was ihr so fehlt...
Antwort von:  Mimiteh
29.08.2013 21:25
Die Diskussion aus dem letzten Satz xD

Da hast du auch wieder Recht...

Da bin ich gespannt^^
Antwort von:  Avialle
29.08.2013 21:33
Achso, das! Jaha, da hat sie sich gewaltig geschnitten (An dieser Stelle bitte eine Irre-Schreiberlingslache einsetzen)

Nicht nur du... Hab neben dem Kapitel, das ich gerade rein hab (Es müsste Kapitel 102 im Eingang sein...) nurnoch eins über und bin leider noch nicht so weit... Mir fehlt einfach noch bissel Stoff zum schreiben. Dafür gehts bei Eloa aber gut voran
Von:  Mimiteh
2013-08-15T11:54:05+00:00 15.08.2013 13:54
Ayumi. Aber ja, du hast die beiden wieder schön getrennt. Aber ganz ohne Vermissen geht es ja nicht aus und wer weiß...
Antwort von:  Avialle
22.08.2013 18:30
Wer weiß was? Das musste jetzt mal näher erklären!
Weil eins ist ja mal ganz klar: Keiner von beiden wird dem anderen nachlaufen!
Antwort von:  Mimiteh
22.08.2013 22:01
Schon klar, aber vergessen werden sie sich auch nicht so schnell - und die demonstrative Ignoranz gefällt Sessy nicht. Es ist nicht offensichtlich, aber Indizien sind da^^
Antwort von:  Avialle
24.08.2013 13:23
Deomstrative Ignoranz? Warum alle das immer als Ignoranz verstehen! Mensch, das Mädel war über sechs wochen nicht zu Hause und das obwohl sie vorher noch nie von ihrer Familie getrennt war - da ist irgendson Köter vollkommen egal, da geht die Familie vor^^
Menschenskinda... Wenn nur die Schalter endlich arbeiten würden! Hab am Donnerstag das Kapitel reingestellt und immer wieder geguckt, wieviel im Eingang sind. Es wurden bisher ca. 10 Kapitel geschaltet. Wenn das so weiter geht, kommt das Kapitel erst, wenn ich schon das nächste drin hab...
Antwort von:  Mimiteh
24.08.2013 15:25
Jaja, das würde ich jetzt auch sagen^^

Das ist lang, allerdings. Aber es wird schon, früher oder später - eher später xD
Antwort von:  Avialle
24.08.2013 21:53
Hm, ich glaub wir hätten uns schon früher beschweren sollen^^
Von:  Mimiteh
2013-08-09T17:07:15+00:00 09.08.2013 19:07
Tja, wenn man einmal angefangen hat....
Aber ich fands schön, wie du aus beiden Perspektiven aufgezählt hast, was sie beschäftigt und was ihnen am jeweils anderen gefällt. Sesshoumaru beginnt also Gefallen zu finden und Ayu grämt sich über den allzu baldigen Abschied. Nun, ich nehme mal schwer an, den wird es entweder nicht geben, oder er wird nicht für immer sein^^
Antwort von:  Avialle
14.08.2013 13:44
Na wenn du da nicht die Rechnung ohne den Schreiberling gemacht hast...
Würde ich es den zweien wirklich so einfach machen? Mit Sicherheit nicht!
Habe wie erwartet bereits das neue Kapitel von meiner Beta zurück bekommen und es gleich fertig gemacht. Jetzt muss nurnoch ein Schalter dran und schon ists da^^
Antwort von:  Mimiteh
14.08.2013 15:22
Trotzdem glaube ich nicht, dass du die beiden für immer auseinander reißt. Eher bekommen sie anderweitige Probleme. Und die werden sicher auch mit dem Grund von Ayus Überleben zu tun haben, wenn ich mich da an den Prolog zurück erinnere^^


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