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words are not enough
von

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01 run away

► Between the lines - words are not enough
 

► Genre: Fantasy | Romance | Drama

► Umfang: 23 Kapitel

► Warunungen: keine
 

► Weder die Serie "Naruto" noch deren Charaktere gehören mir. Die hier erzählte Geschichte ist frei erfunden. Außerdem verdiene ich kein Geld mit dieser Geschichte.
 

 
 

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01 run away

 

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Wenn der Tag in Irland anbrach, war das etwas, was auf eine friedvolle Art geschah, zumindest war Naruto dieser Ansicht. Es war gerade einmal fünf Uhr am Morgen und langsam schob sich die Sonne am Himmel empor, wie sie es jeden Tag tat. Die ersten Vögel begannen sich zu regen und das sanfte Rauschen des Meeres war zu hören. Eine wirklich friedvolle Atmosphäre, an die der Blondschopf sich im Laufe der ganzen Jahre sehr gut gewöhnt hatte. Etwas anderes wollte er in seinem Leben auch gar nicht mehr haben. Dieser Ort war sein Heim, seine kleine Festung in der er sich wohl und geborgen fühlte.
 

Im Nordwesten Irlands, direkt an der Küste, lag das malerische Ballyshannon, ein kleiner Ort mit nicht einmal 3500 Einwohnern. Die Stadt für sich bot einem eigentlich alles was man sich nur wünschen konnte, wenn man nicht so sehr darauf aus war, Clubs und andere Dinge vorzufinden, wie man sie in den Großstädten an jeder Ecke fand. Weiter außerhalb der Ortschaft gab es kleine Cottagen, die noch im alten Stil gebaut waren. Graue Bruchsteine waren aufgeschichtet worden und das Dach bestand wie bei vielen Gebäuden in dieser Gegend aus normalen Stroh. Eine Straße gab es nicht, stattdessen säumte der Pfad auf beiden Seiten eine Steinmauer ein, die schon bessere Jahre gesehen hatte.
 

Wenn man dort mit dem Wagen entlang fuhr, lief man schnell Gefahr, dass einem jemand entgegen kam und man sich dann einigen musste, wie man weiter verfuhr. Platz für zwei Fahrzeuge gab es hier nicht und so blieb einem nichts anderes übrig als eine Weile rückwärts zu fahren, bis man in die Einfahrt einer der weiter verstreuten Cottagen einbiegen konnte, um den anderen passieren zu lassen. Doch hier oben fuhren zum Glück meistens nur Einheimische entlang. Einmal machte der eine Platz und beim nächsten Mal eben der andere. Das funktionierte wie von selbst, sodass man sich da auch nicht groß mit auseinander setzen musste.
 

Nicht weit entfernt gab es den Strand. Zum Glück nicht einen feinen Sandstrand, sondern den felsigen, unbequemen. Auch das war für die Menschen die hier lebten besonders angenehm. Die Sandstrände waren es doch, die von Besuchern und Touristen belagert wurden und hier hielt man nicht sonderlich viel von dem regen Treiben, welches dabei entstand. Sie nutzen diesen Strand dennoch um Ruhe zu finden, oder um einen Spaziergang zu machen. Sie brauchten den feinen Sand nicht, da sie das Meer vor der Tür hatten. Darum waren sie auch nicht so erpicht darauf, sich in der Sonne braten zu lassen oder schwimmen zu gehen.
 

Die Cottage, die Naruto gekauft hatte, war bereits ziemlich heruntergekommen. In den vergangenen acht Jahren war daran viel gearbeitet worden, gerade damit man in ihr leben konnte. Die Fassade war gerichtet worden, genauso wie das Dach. Einen Anstrich brauchte das alte Gebäude nicht, es würde nur das Flair zerstören, das dieses Gebäude ausstrahlte. Von innen war sie bequem und bot einem ein sicheres und gemütliches Heim. Mit Kaminen in nahezu jedem Raum und einem doch sehr alten Ofen, der noch mit Holz angefeuert wurde und dadurch das Haus stets gemütlich erschienen ließ. Es gab unten ein Wohnzimmer mit einer bequemen Couch, sogar ein Fernseher stand dort, auch wenn er selten genutzt wurde. Dann gab es noch die gemütliche und rustikale Küche und einen Hauswirtschaftsraum, wo der junge Autor sich um seine Wäsche kümmerte. Oben befanden sich sein Arbeitszimmer, das große Schlafzimmer und sogar zwei Gästezimmer, die er aber ebenfalls selten nutzte. Manche mochten gerade wegen der fehlenden Heizung und dem alten Herd die Nase rümpfen und sofort den Kopf schütteln, weil es an Luxus mangelte, aber all diese Dinge waren etwas, was die Menschen die hier lebten nicht weiter störte. Sie waren in dieser Hinsicht bequem und genügsam.
 

Nun aber brach ein neuer Tag an und es war die Zeit, in der Naruto sich ins Bett begab. Schon seit vielen Jahren hatte er die Nacht zum Tage gemacht und umgekehrt. Als Autor war es nicht immer leicht, wenn einen die Muse packte, war die Zeit vollkommen egal. Unzählige Male war es geschehen, dass er vor Müdigkeit einfach über der Tastatur eingeschlafen war, nur um einige Stunden später wieder zu sich zu kommen - mit einem steifen Nacken und dem Gefühl gar nicht erst geschlafen zu haben. Doch aufgeben würde er dieses Leben niemals. Er liebte jede einzelne Sekunde davon, die Freiheit die er hier fand und die Unabhängigkeit. Er konnte sich problemlos abends um 21 Uhr an die Tastatur setzen und bis um vier durch schreiben, ohne dass sich jemand beschwerte. Er konnte den ganzen Tag schlafen, ohne andere Pflichten zu haben. Kurz gesagt, er konnte leben wie er es wollte und wie er sich wohl fühlte.

 

 

 
 

* * *

 

 

 

 
 

 

Es waren schon ganze acht Jahre her, dass Naruto hergekommen war. Damals, als er Japan verlassen hatte, war er gerade einmal 18 Jahre alt gewesen und hatte nicht gewusst, wo er hin sollte. Daheim hatte er nicht bleiben können, die Gefahr etwas zu tun, was nicht nur sein eigenes Leben zerstörten würde, war einfach viel zu groß gewesen. Andere zu verletzten war ebenfalls nie in seinem Interesse gewesen. Lieber hatte er sich selbst verletzt und dagegen hatte er auch gar nichts machen können um sich selbst zu schützen.
 

Fast zwei Wochen war er damals herumgereist, doch nirgendwo hatte er sich wohlgefühlt. Mal war es zu laut, mal gefiel ihm der Ort einfach nicht. Doch dann war er nach Irland gekommen. Eigentlich sollte es nur ein kleiner Besuch werden, hier gab es immerhin einen ganzen Haufen an Burgen und Kirchen, die nur noch in Ruinen vorhanden waren ihn inspirierten, ihm Ideen für sein Buch gaben. Doch letzten Endes hatte er hier seinen sicheren Hafen gefunden. Sein Heim, das ihn endlich zur Ruhe kommen ließ.
 

So mancher hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet er es einmal zu einem anerkannten Autor machen würde, doch nun sah es ganz anders aus. Sein erstes Buch war regelrecht eingeschlagen wie eine Bombe und hatte ihm finanziell sehr geholfen.Nun arbeitete er bereits an einem zweiten Band, hatte einen Korrektor zugewiesen bekommen und einen eigenen Assistenten, der einmal die Woche bei ihm vorbei schaute, Aufträge annahm und kleinere Dinge für ihn besorgte, wenn er wieder einmal zu lange die Tastatur gequält hatte und es nicht mehr in den Ort schaffte. Und natürlich koordinierte dieser auch seine Termine, erinnerte ihn an Deadlines und, wenn er sich nicht sperrte, wann er seine Signierstunden hatte. Er war seine gute Seele und oft genug wäre Naruto ohne ihn schlichtweg verloren. Selbst wenn er den Autor rügte, dass er viel zu wenig auf sich selbst achtete.
 

Doch das war es wert. Naruto liebte das Schreiben, doch als etwas besonderes empfand er sein Buch nicht. Ganz im Gegenteil. Er selbst fand die Geschichte ein wenig flach, die Grundidee war eine, die schon hunderte Male durchgekaut worden war. Ein ganz simples Ding eben. Ein Ereignis, was alles vollkommen verändert hatte. In seinem Fall ein unvergleichbares Naturereignis, das die Menschheit deutlich in ihrer Zeit zurückgeworfen hatte. Als wenn solche Themen nicht schon lang und breit auseinandergenommen worden wären, verewigt in einer Vielzahl aus guten und auch verdammt schlechten Büchern. Dennoch schien es der Stoff zu sein, den alle lesen wollten. Als wenn das friedvolle und meistens auch ungefährliche Leben die Menschheit langweilte.
 

Angefangen hatte es mit einer Flutwelle, die so gewaltig war, dass sie ganze Inselgruppen von der Landkarte fegte. Möglich war das durchaus, doch die Chancen, dass so etwas wirklich einmal passierte, waren nahezu bei Null. Erdbeben und weitere Flutwellen folgten und am Ende waren die Kontinente nicht mehr ganz so vorhanden, wie die Menschen es gewohnt waren. Natürlich waren dabei auch eine ganze Menge Menschen umgekommen, aber zum krönenden Abschluss hatte es ein weiteres Ereignis gegeben, das die Welt der Menschen wirklich verändert hatte. Wie hätte es auch anders sein sollen? Wenn eine Katastrophe kam, dann doch bitte richtig und so übertrieben, dass man nur noch mit dem Kopf schütteln konnte.
 

Ein Vulkan von gewaltigen Ausmaßen hatte sich aus dem Meer geschoben und war direkt ausgebrochen. Zwar war er an einem Ort gewesen, wo er den restlichen noch lebenden Menschen nicht hätte gefährlich werden können, doch das hatte auch nur auf dem ersten Blick so auf die Leser gewirkt. Wenn Naruto ehrlich war, so hätte er selbst schon nach all dieses Katastrophen das Buch in die Ecke geschmissen, es als absolut zweitklassig abgestempelt und nie wieder angesehen. Doch scheinbar standen seine Leser darauf. Sie hatten weiter gelesen und sie hatten nach mehr verlangt. Er konnte noch immer nicht fassen, mit wie wenig man manchmal andere begeistern konnte.
 

Im weiteren Verlauf erfuhren sie, dass dieser Vulkan schon vor Millionen von Jahren aktiv gewesen war und dass es dort auch eine Höhle gegeben hatte, in dem etwas über viele Jahrhunderte gelagert hatte, was nur darauf gewartet hatte, endlich wieder auferstehen zu können, als ob diese Höhle nicht überflutet werden konnte: Eier! Millionen von Eiern in verschiedene Größen und Farben. Und in ihrem Inneren waren Wesen, die man nie für echt gehalten hatte: Drachen! Und ganz plötzlich entstand dort mitten im Ozean nicht nur eine weitere Insel, die im Laufe der Zeit zu einem wirklichen Paradies wurde, sondern in die Welt kamen auch hunderte von Drachen, die die Menschheit vor ein riesiges Problem stellten. Denn egal was sie versuchten, sie kamen gegen diese Wesen einfach nicht an. Sie waren flink oder besaßen einen Panzer aus Hornplatten, der es nahezu unmöglich machte, sie alle zu töten. Damit war er definitiv ganz unten angekommen. Sicher, er schrieb hier einen Fantasyroman, doch selbst für dieses Genre war diese Geschichte einfach nur schlecht.
 

Was also war nun die Pflicht der Menschen? Richtig! Sie mussten lernen damit zu leben und so begann man, diese Rasse zu erforschen. Mit der Zeit stellte man fest, dass diese Wesen keine schnöden Tiere waren. Sie waren intelligent, besaßen sogar eine eigene Sprache, die man lernen konnte und die meisten von ihnen waren nicht einmal den Menschen gegenüber feindlich gesinnt. Es gab sie in allen Formen und Farben, manche wurden nicht viel größer als eine Maus, andere hingegen konnte man nicht einmal in einem Wald verstecken, da sie selbst die höchsten europäischen Bäume überragten. Auch das war in Narutos Augen vollkommen undenkbar. Ein Vieh von dieser Größe würde vermutlich innerhalb eines Tages die halbe Welt um ihre Nahrungsressourcen bringen. So ein riesiger Drache würde immerhin verdammt viel fressen müssen.
 

Doch nicht nur das: Man lernte nicht nur mit ihnen zu leben, sondern begann auch, sie für die eigene Zwecke zu benutzen. Mit einem Drachen war es kein Problem mehr, Waren schnell und nahezu ohne Kosten von einem Ort zum anderen zu transportieren. Die Armee interessierte sich genauso für sie und die kleineren Exemplare wurden gerne als Haustiere aufgenommen oder wurden ausgebildet andere Dinge für ihre Besitzer zu übernehmen. Wieso auch nicht? So ein kleiner Hausdrache, der brav die Post weg brachte, den Einkauf erledigte, die Kinder hütete war doch etwas, was jeder gerne in seiner Nähe hätte. Und Gedanken über Folgen machte sich dort scheinbar niemand.
 

Nein, Naruto konnte wirklich nicht verstehen, wie man dieses Buch mögen konnte. Es hatte keine Klasse, kein Niveau, es war schlichtweg schlecht. Dennoch war es innerhalb einer Nacht zum Bestseller geworden und auch heute noch verkaufte er unendlich viele Exemplare weltweit. Das Buch war in nahezu alle größeren Sprachen übersetzt worden, um die Fangemeinde befriedigen zu können und nun verlangte man nach dem zweiten Band, der gut 150 Jahre nach diesem Vorfall ansetzen sollte. Ein nicht wirklich leichtes Unterfangen, denn wenn Naruto ehrlich war, hatte er sich beim ersten Band keine Mühe gegeben. Er hatte nicht gewusst, was er mit seiner Zeit anfangen sollte und so hatte er sich mit dieser Geschichte mehr oder weniger selbst zeigen wollen, dass er als Autor eine Niete war. Doch nun schrieb er wirklich an dem zweiten Band.
 

Das war auch der Grund, warum der Blondschopf noch nicht schlief. Er hatte sich Gedanken gemacht, wie er dieses neue Buch am besten beginnen sollte, was er behandeln wollte und was das Ziel am Ende war. Er hatte in den letzten Monaten unglaublich viele Anfragen deswegen bekommen, aber auch Ideen, Wünsche, was die Fans lesen wollte.Teilweise wirklich seltsame, wie er sich eingestehen musste. Manche wollten Abenteuer, andere eine tiefere Einsicht in das Leben der Drachen. Aber genauso viele fragten ob sexuelle Handlungen eine Rolle spielen würden und was ihn wirklich schockiert hatte war eine Anfrage für Handlungen zwischen Drachen und Menschen. DAS würde auf jeden Fall nie geschehen. Sex für sich schloss er nicht aus, doch zwischen Drachen und Menschen gewiss niemals. Naruto nahm die Fragen und Wünsche durchaus ernst, immerhin war dieses Buch nur möglich, weil der erste Band ihnen gefallen hatte, doch auf alles lies er sich nicht ein.
 

Seufzend erhob er sich aus dem Stuhl, den er auf der Veranda stehen hatte und ging zurück in das Haus, um die Eingangstür hinter sich zu schließen. Ruhig ging er direkt in die Küche und stellte die Tasse auf die Spüle, aus der er gerade noch seinen Kaffee getrunken hatte. Das Wetter würde heute wohl herrlich werden, zumindest laut Wetterbericht. Aber wenn Naruto eines in den letzten Jahren hier gelernt hatte, dann, dass man dem Wetterbericht nicht trauen durfte. Er stimmte so gut wie nie, aber nun kannte er das Schema ganz genau. Wenn es hieß, dass die Sonne runter brennen würde, erwartete man wenigstens kleinere Schauer. Das Wetter in Irland war einfach nicht beständig, aber selbst das liebte er. Das milde Klima tat ihm einfach gut und nichts konnte ihn nun noch aus der Ruhe bringen. Er hatte sich in all den Jahren sehr verändert.
 

Müde und ausgelaugt schleppte er sich zu der Treppe, um in den obersten Stock zu kommen. Die Treppe war nahezu neu, auch wenn er darauf bestanden hatte, den Charme dieses Hauses nicht durch etwas neu wirkendes zu zerstören. Sie war aus dunklem Holz gefertigt und passte perfekt in dieses Gebäude hinein. Was Naruto hier aber auch liebte war, dass der nächste Nachbar mindestens eine halbe Stunde Fußweg entfernt war, egal in welche Richtung man ging. Man war abgeschieden und dennoch nicht alleine. Diese ländliche Gegend schweißte die Nachbarn zusammen, selbst wenn man sich nur einmal im Monat zufällig im Ort traf, um seine Einkäufe zu erledigen.
 

Niemand beschwerte sich, wenn man einmal lauter Musik hörte. Ganz im Gegenteil. Es gab hier einige Feste, die Naruto mit ihnen oft zusammen feierten, jedes Jahr bei einem anderen Nachbarn. Das war dann die Gelegenheit, wo man sich bewusst traf, miteinander Spaß hatte und man Neuigkeiten austauschte. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, wo man sich einfach nicht ausklinken konnte, ohne die restlichen Nachbarn wirklich tief zu beleidigen. Doch Naruto hatte sich in die Gemeinschaft hier gut eingefügt. Er kannte seine Nachbarn und hin und wieder traf er sich auch so mit dem einen oder anderen von ihnen.
 

Doch nun war er nur froh, dass er ins Bett gehen konnte, ohne dass er befürchten musste, dass schon bald Radau herrschen würde. Keine Autos die über die Straßen donnerten und auch keine Nachbarn, die Türen knallen ließen oder laut die Musik aufdrehten. Das lauteste hier waren eigentlich die Tiere. Die Vögel und Grillen, aber daran hatte er sich schon verdammt lange gewöhnt. Vermutlich würde er dann Probleme bekommen, wenn er je wieder in eine Großstadt zurückkehren würde, wenn auch nicht für lange. In Irland hatte er sich innerhalb einer Woche an die ungewöhnliche Stille gewöhnt.
 

Zufrieden schälte er sich dann aus seiner Kleidung und legte sie auf einen Stuhl, nur um dann wie ein Stein in das Bett zu fallen und die Decke über sich zu ziehen. Er war wirklich erledigt, aber nicht nur weil er so lange gearbeitet hatte. Eine andere Sache hatte ihn sehr lange aufgehalten und eigentlich hatte er sich auch nur deswegen noch einmal an den Laptop gesetzt, um mit seinem Konzept zu beginnen. Eine einfache Mail war es, die ihn so aus der liebgewonnenen Ruhe gebracht hatte. Eine Nachricht, die ihn freute, wofür er sich aber auch selbst sehr schämen musste. Und eine Bitte, die so oft wiederholt worden war, dass er letzten Endes nachgegeben hatte. Er hatte nachgeben müssen, denn Druck vertrug er nur sehr schwer, zumindest den, den man ihn gemacht hatte.

 

 

 
 

* * *

 
 

 

Naruto musste zugeben, dass seine Kindheit gut verlaufen war. Damals, als er noch in Japan gelebt hatte, hatte er eine Familie gehabt und eine menge Freunde. Seine leiblichen Eltern hatte er jedoch nie kennenlernen dürfen. Seine Mutter - Kushina Uzumaki - war leider bei seiner Geburt gestorben. Soweit er es wusste, hatte es Komplikationen gegeben, schon während der Schwangerschaft war nicht ganz klar gewesen, ob sie es schaffen würde. Sein Vater war bei ihm geblieben, doch der Kummer hatte ihn richtig zugesetzt. Man hatte nur spekulieren können wie es dazu kam, doch letzten Endes änderte es nichts an der Tatsache, dass Minato Namikaze bei einem Autounfall sein Leben verloren hatte.
 

Ein paar Jahre hatte Naruto anschließend bei einem Onkel gelebt, gemeinsam mit einem weiteren Pflegekind, Kakashi Hatake. Die Zeit war durchaus angenehm gewesen, immerhin war Kakashi deutlich älter gewesen wie er selbst. Als dieser dann volljährig geworden und sein Onkel immer kranker wurde, hatte Kakashi die Vormundschaft beantragt und ihn schließlich adoptiert. Einen besseren Vaterersatz hätte er sich kaum wünschen können, auch, wenn er sich oft wegen der Leseleidenschaft dieses Mannes furchtbar aufgeregt hatte. Aber letzten Endes wusste er ganz genau, dass es ungewohnt gewesen wäre, Kakashi einmal ohne dieses spezielle Buch zu sehen. Und Kakashi war immer jemand gewesen, der ein offenes Ohr für ihn gehabt hatte, auch wenn Naruto dies nicht immer zu würdigen gewusst hatte.
 

Wie jedes andere Kind auch war er zur Schule gegangen und dort irgendwann auf einen Jungen gestoßen, der ihn am Anfang sehr verärgert hatte: Sasuke Uchiha. Sein größter Rivale, aber auch sein bester Freund. Sasuke hatte ein ähnliches Schicksal erlebt, auch er verlor seine Eltern, doch er hatte wenigstens noch einen Bruder, der sich seiner angenommen hatte. Itachi konnte ein Bastard sein, doch gleichzeitig hatte er ihnen oft eine menge Spaß bereitet, indem er mit ihnen Dinge unternommen hatte, die kein anderer wollte. Er erinnerte sich da noch an Disneyland, wo sie Itachi in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber auch Campingausflüge und Besuche im Zoo und gemeinsame Wanderungen hatte der ältere Uchiha mit ihnen unternommen.
 

Seine Freundschaft zu Sasuke war nie besonders einfach gewesen, dennoch hatte sie im Laufe der Zeit an Tiefe gewonnen und war nie zerbrochen ... nun, fast jedenfalls. Einmal war das durchaus geschehen, zumindest von Narutos Seite aus. Sasuke sah das anders, was Naruto auch genau wusste, doch erklären konnte er sich dabei leider nicht. Es ging einfach nicht, ohne dass er alles zerstörte, was ihm etwas bedeutete. Er war nicht einfach so verschwunden, ganz im Gegenteil. Er hatte es sich verdammt gut überlegt. Er hatte schon immer gehen wollen, doch wie es dazu gekommen war, war eben nicht geplant gewesen. Weder in dieser Art, noch zu der Zeit. Eigentlich hatte er es hinauszögern wollen, schon alleine um genau planen zu können, wo er in Zukunft leben wollte und vor allem von was. Geld wuchs schließlich nicht auf Bäumen.
 

Eigentlich hatte er sich erst eine Bleibe suchen und erst dann gehen wollen. Doch letzten Endes hatte er eines nachts seine Sachen gepackt. Den Grund dafür kannte er auch. Nur einige Stunden zuvor hatte der Schwarzhaarige ihn zur Seite genommen und ihn gebeten, sein Trauzeuge zu sein. Naruto hatte nicht gewusst, wie er darauf reagieren sollte. Natürlich wünschte er Sasuke alles Glück der Welt, doch gleichzeitig hatte er nicht auf diese Art ein Teil davon sein wollen. Und so war er einfach verschwunden, regelrecht geflohen . Natürlich war ihm bewusst, wie heftig er seinem Freund damit vor den Kopf gestoßen hatte. Dennoch bereute er es nicht. Nach acht Jahren hatte er damit seinen Frieden geschlossen und wurde nicht mehr von Schuldgefühlen geplagt, er hätte den Menschen in Stich gelassen, dem er viele wirklich schöne Erinnerungen verdankte und der ihm immer ein Freund gewesen war.
 

Sich in Irland nieder zu lassen hatte auch einen ganz verständlichen Grund. Er war Autor von Fantasyromanen ... nun, einem Roman. Der Zweite war schließlich gerade erst in Arbeit. Es standen noch nicht mehr als drei Kapitel, in denen der Übergang geschaffen wurde von der Zeit in der diese Katastrophen ausgebrochen waren bis hin zu dem Moment, wo die "Helden" ihren Auftritt hatten. Eigentlich wusste Naruto gar nicht wirklich, was er mit dem Ganzen nun anfangen sollte, wo das hinführen sollte, doch da ließ er sich von seinen Instinkten leiten. Entweder es funktionierte, oder es wurde eben ein Flop. Mehr konnte er da auch gar nicht machen. Er hatte kein Konzept und leider war er so chaotisch, dass er es gar nicht schaffte, sich eines anzulegen. Er war dazu nicht in der Lage.
 

Doch eben dieser Roman war es, der ihn letzten Endes auf diese Insel getrieben hatte und irgendwie auch an diesen Ort. Er hasste es mittlerweile in einer Großstadt zu leben, wo alles nur noch anonym war und man sich noch einsamer fühlte als man wirklich war. Hier bekam er die Ruhe die er brauchte um schreiben zu können, aber gleichzeitig auch genug Gesellschaft, um nicht ganz durchzudrehen. So ganz ohne konnte er eben auch nicht darauf verzichten. Er hatte schon immer ein gewisses Maß an Gesellschaft gebraucht und das wollte er auch nie wieder missen. Und hier fand er es: Die Menschen waren freundlich und offen Fremden gegenüber. Man fühlte sich irgendwie immer sofort willkommen.
 

Aber das Beste an dieser Insel war einfach die Vielzahl an alten Ruinen. Burgen, Schlösser, Kirchen. So viele Ruinen standen im ganzen Land verstreut und jede einzelne erzählte nicht nur ihre ganz persönliche Geschichte! Nein, sie inspirierten ihn auch auf eine nicht zu vergleichende Art und Weise. Manchmal war der Blondschopf ganze Tage unterwegs. Tage, in denen er eine einzige Ruine besuchte, sie anschaute, ablichtete und seinem Kopf freien Lauf ließ. Wo er sich in das Gras setzte und seine Gedanken auf Papier brachte. Kleine Szenen die er vielleicht mit einbauen konnte oder sich nur durch sie inspirieren lassen konnte. Er würde es sehen. Er brauchte diese inspirierenden Momente einfach, in denen er die Luft vergangener Zeiten schnuppern konnte, aus denen die Legenden und Mythen der Drachen auch stammten.
 

Doch eines stand fest: Wann immer er eine Weile weg war und sich eine dieser Ruinen anschaute, immer kam er voller Elan und Ideen zurück. Diese Ruinen halfen ihm einfach. Sie hatten etwas geheimnisvolles, mystisches an sich, wie die Drachen in seinem Buch eben auch. Er hatte genug Fantasie um sich vorzustellen, wie diese Wesen ihre Kreise über den Ruinen gezogen hatten, als man noch an sie geglaubt hatte. Ja, er liebte Irland, hier lag eindeutig seine Muse begraben und diese wollte er unter keinen Umständen wieder loslassen. Er wollte sie festhalten, eng an sich drücken und vor der Außenwelt abschotten, so wie er in Irland bleiben wollte.
 

Doch genau dort lag auch sein Problem. Tief in sich hatte er ja immer gewusst, dass er sich eines Tages stellen musste. All den Fragen, den Vorwürfen und den Sorgen, die man seinetwegen gehabt und noch immer hatte. Doch wenn er ehrlich war, so hatte er gehofft, dass mindestens noch weitere acht Jahre vergingen, ehe man ihn genau dazu aufforderte. Nur leider hatte er nicht so viel Glück. Er musste zurück und das deutlich früher, als er selbst ertragen konnte. Nicht einmal Zeit hatte man ihm gegeben, um sich darauf vorzubereiten.
 

Natürlich hatte Naruto es schon zuvor gehört und er hatte oft genug daran gedacht, dem Uchiha in dieser für ihn schwierigen Zeit eine Stütze zu sein. Doch letzten Endes hatte er nur sehr halbherzig auf die Mails reagiert, die er bekommen hatte. Keine Worte des Trosts waren von ihm gekommen, keine Ermunterungen, dass alles schon wieder werden würde. Nicht nur hierbei war das so gewesen. Sasuke war selbst nach all den Jahren noch offen wie eh und je ihm gegenüber, doch er selbst verschloss sich immer mehr vor ihm, erzählte nichts mehr von seinem Leben. Sasuke wusste nicht einmal wo er lebte. Alles was er ihm gegeben hatte war ein Lebenszeichen, dass es ihm gut ging.
 

Naruto hatte Nachrichten von dem Uchiha bekommen, Bilder und Mitteilungen. Die Schwangerschaft, die Geburt der Zwillinge, all diese Dinge hatte er aus erster Hand erfahren, doch er hatte sich einfach nicht mit seinem Freund freuen können. Also war er kalt und abweisend gewesen, schon alleine um es nicht noch schlimmer zu machen. Warum der Uchiha ausgerechnet bei ihm so hartnäckig blieb verstand er auch nicht. Doch leider war es so. Sasuke schien an dieser Freundschaft festzuhalten. Oft genug hatte er Naruto geschrieben, dass er ihn nicht drängen würde ihm zu antworten, doch dass er darauf wartete, dass er sich ihm wieder öffnen konnte. Das Schlimmste war aber gewesen, dass der Schwarzhaarige ihm so direkt sagen konnte, dass er immer sein Freund bleiben würde, ganz egal was ihn auch so belastet hatte, dass er sich nicht einmal ihm gegenüber hatte anvertrauen können.
 

Seufzend zog Naruto die Decke noch ein wenig höher. Es half ja alles nichts. Er würde zurückkehren müssen, ob er wollte oder nicht. Er war eben doch nicht so gut darin, den Schwarzhaarigen auf Abstand zu halten. Und Sasuke hatte ja Recht. Er war ein lausiger Freund! Einer der es eigentlich nicht wert war, ihm so lange nachzurennen und die Freundschaft einzufordern. Er wusste das, doch es war auch in Ordnung so. Letzten Endes entglitten Naruto die Gedanken und er schlief endlich ein. Er brauchte nur ein paar Stunden Ruhe, vielleicht hatte er dann eine Lösung, wie er seine Rückkehr nach Japan doch noch verhindern konnte ... er hoffte es jedenfalls aus tiefstem Herzen, auch wenn er genau wusste, dass es keinen Weg gab, sich nun nicht seiner Vergangenheit zu stellen.

 
 

* * *

 

Als Naruto wieder erwachte war es bereits Nachmittag und nun gab es auch keine Ablenkung mehr von dem Thema, welches er zuvor erfolgreich verdrängt hatte. Schon vor zwei Tagen hatte er eine Mail von Sasuke bekommen, dass seine Frau an dem Krebs, an dem sie erkrankt war, verstorben war. Ein Teil von ihm bedauerte diesen Schicksalsschlag, ein anderer hingegen konnte es gar nicht. Sasuke hatte ihm dann kaum Zeit gegeben, sich mit seinen eigenen Empfindungen auseinanderzusetzen; er hatte weitere Mails gesendet und ihn regelrecht gezwungen ihm zu versprechen, sofort zu ihm zu kommen und ihm beizustehen. Ungeachtet seines eigenen Unbehagens konnte Naruto sich auch nicht dagegen wehren. Irgendwie waren sie doch trotz ihrer Schwierigkeiten und der langen Trennung Freunde, die so etwas machten ohne lange darüber nachzudenken.
 

Der Autor wusste genau wie es Sasuke ging. Er hatte es doch von Anfang an miterlebt! Die ersten interessierten Blicke, die gemeinsamen Pausen, wo sie sich verliebt angesehen hatten. Die Nachmittage, wo das Mädchen plötzlich dabei gewesen war, bis Naruto sich einfach ausgeklinkt hatte, weil es ihm zu viel geworden war. Diese ganzen verliebten Blicke, das einander hängen hatte ihn fast krank gemacht. Wenn er mit dem Uchiha zusammen etwas unternahm, wollte er ihn auch für sich alleine haben. Immerhin waren dank ihr durchaus einige Dinge einfach weggefallen, weil Mädchen so etwas nun einmal nicht machten. Sasuke hatte ihm mehr oder weniger erzählt, wann sie das erste Mal gehabt hatten, und in der Zeit hätte Naruto ihm am liebsten den Hals umgedreht, damit er nicht mehr so verdammt glücklich aussah und nicht vorschwärmte, wie traumhaft ihre erste gemeinsame Nacht gewesen war. Dann die Nachricht der Verlobung und schließlich die Ankündigung der Hochzeit. Naruto hatte all dies angekotzt. Ausgerechnet ein Mädchen hatte sich erfolgreich zwischen ihre Freundschaft drängen können und diese damit auf eine harte Probe gestellt, die sie nicht verkraftet hatte.
 

Bei seinem Verschwinden hatte er eigentlich gehofft, dem ganzen nun ein für alle Mal entfliehen zu können, doch leider war es weiter gegangen. Sasuke schickte eine Mail direkt nach den Flitterwochen, eine als sie schwanger geworden war. Eine weitere mit Fotos, als die Zwillinge geboren worden waren und eine von jedem verdammten Geburtstag der beiden, zusammen mit weiteren glücklichen Worten, wie perfekt sein Leben doch nun verlief und wie glücklich er doch sein konnte, diese Frau an seiner Seite zu haben. Früher war das anders gewesen, früher war der Uchiha mit ihm glücklich gewesen ... beste Freunde eben. Sasuke liebte seine Kinder, Naruto hatte es in jeder Mail aufs neue lesen können, und auch jetzt spürte man es noch deutlich, als er ihm geschrieben hatte, dass es vorbei sei und wie sehr gerade die beiden Kinder unter dem Verlust litten. Es war ja nicht so, dass Naruto es nicht verstand. Er selbst hegte zwar nicht den Wunsch eigene Kinder zu bekommen, aber die Liebe zu seinen Kindern konnte er dennoch nachvollziehen. Trotzdem störte es ihn massiv, dass Sasuke diese Dinge unbedingt ihm so deutlich machen wollte.
 

Naruto hatte Sasukes Stimme nun acht Jahre nicht mehr gehört. Er hatte ihn nicht mehr gesehen, abgesehen von einigen digitalen Bildern, die er trotz allem immer wieder geöffnet hatte. Er fürchtete sich davor, nun zurückzureisen, und doch ließ man ihm keine Wahl. Eigentlich wollte er auch gar nicht mehr fliehen - ein Teil von ihm wollte allen die Wahrheit regelrecht entgegen schleudern, ein anderer wollte Schweigen bis zum bitteren Ende. Wozu es letzten Endes kommen würde, konnte nur die Zeit ihnen zeigen. Doch selbst das spielte keine Rolle mehr. Sie konnten sich doch eh nicht ewig an schweigen, nicht, wenn Sasuke einfach nicht los lassen konnte. Eigentlich verband sie doch eh nichts mehr, die Zeit in der sie aneinander geklebt hatten war schon seit vielen Jahren vorbei.
 

Zuerst einmal stand Naruto auf und ging nach unten. Eine Nachbarin war so freundlich, ihm immer wieder etwas anständiges zu Essen zu bringen. Eine ältere Frau, die ihren Mann auf See verloren hatte und deren Kinder schon selbst eigene, fast erwachsene Kinder hatten. Sie kam immer wieder mal vorbei und brachte ihm etwas mit einem breiten, sanften Lächeln und den Worten, dass er doch bei Kräften bleiben musste, mit. Sie war für ihn wie eine Großmutter. Wenn er sich richtig erinnerte, war sie auch die erste gewesen, die sich damals bei ihm vorgestellt hatte und ihn freundlich in der Gemeinde aufgenommen hatte. Es wäre selten, dass junge Menschen sich an einem so malerischen Ort nieder ließen, die meisten zog es doch eher in die Stadt, wo das wilde Leben tobte. Naruto mochte sie wirklich und das Essen welches sie vorbei brachte war herrlich.
 

Letztes Mal war es ein Ragout gewesen, und eben diesen füllte er nun in einen Topf, ehe er Holz nahm und den alten Herd anfeuerte. Erst dann stellte er den Topf auf die Platte und machte sich auf den Weg, um die wichtigsten Dinge zusammen zu suchen, die nicht so viel Zeit zum Einpacken brauchten. Seinen Laptop, sein Tablet und natürlich sein Handy gehörten dazu. Alles legte er auf den rustikalen Tisch in der Küche, nur um sich dann um sein Essen zu kümmern. Kaum war alles auf einen Teller gefüllt, nahm er diesen und setzte sich an den Tisch. Das Holz war alt und von Furchen durchzogen. An ihm hatten bereits viele Generationen ihre Mahlzeiten eingenommen. Naruto liebte alte Dinge. Alte Menschen hatten immer hunderte von Geschichten zu erzählen und selbst Dinge wie ein simpler Tisch erzählten etwas.
 

Wie so oft war sein Tablet an während er aß und hin und wieder scrollte er durch seine Nachrichten oder schaute, was in der Welt so los war. Er hatte eben seine Routine, die er nicht so einfach wieder fallenlassen konnte. Man gewöhnte sich zu schnell an solch einfachen Dinge. Doch natürlich ließ sich ein simples Essen auf diese Art auch nicht lange hinauszögern und letzten Endes wurde er doch fertig und erhob sich erneut, um den Abwasch zu erledigen und dann nach oben zu gehen, um seine Tasche zu packen. Viel Zeit hatte er nicht mehr. Er war nur froh, dass er ein eigenes Auto besaß. Das war etwas, was er sich gleich vom ersten Erlös des ersten Bandes gegönnt hatte. Und er liebte seinen orangenen Wagen.
 

Bei dem Gedanken musste er doch schmunzeln. Naruto wusste genau, was der Uchiha machen würde, abgesehen davon, dass er den Kopf schüttelte und ihm vor hielt, was für einen schlechten Geschmack er doch hatte. Doch das störte ihn nicht. Naruto liebte diesen Wagen und es tat ihm richtig weh, ihn nicht mit nach Japan nehmen zu können. Stattdessen würde er darauf angewiesen sein, dass man ihn vor Ort mit nahm. Er konnte sich aber auch einen Wagen leihen, schon alleine um unabhängiger zu sein. Das war wohl die beste Lösung, denn das letzte was er wollte war jedes Mal jemanden fragen zu müssen, wenn er irgendwo hin wollte. Es würde ihn einfach nur wahnsinnig machen und früher oder später an die doch sehr weiten Grenzen seiner Geduld treiben, womit Streit vorprogrammiert war.
 

Nacheinander landeten Unterwäsche, Hosen, Pullover und auch sein Anzug in der Tasche, die er mitnehmen würde. Damit fertig folgte noch alles was er aus dem gemütlichen Badezimmer brauchte, ehe die gepackte Tasche in der Küche landete. Der Laptop und auch das Tablet fanden ihren Platz in separaten Taschen. So etwas würde er niemals als Gepäck aufgeben. Nicht auszudenken, wenn jemand seinen Laptop fand und auf unerklärliche Art und Weise sein Passwort knackte. Seine ganze Arbeit wäre vollkommen umsonst. Er war nicht paranoid oder so, doch er fürchtete sich wirklich davor, dass irgendjemand versuchte seine Arbeit zu stehlen. Nicht umsonst hatte er nicht nur den Laptop mit einem Passwort gesichert, sondern auch den Ordner und sämtliche Unterordner, in denen die Dokumente zu seinem Buch lagen. Aber nicht nur das war ein Problem. So ein Laptop konnte schnell kaputt gehen und auch wenn er tägliche Backups anlegte, wollte er nicht riskieren, dass sein wichtigstes Arbeitsmaterial kaputt ging.
 

Kurz vor dem Abendeinbruch war er dann soweit fertig. Im Haus war alles sauber und sein Schlüssel war bei der freundlichen Nachbarin, ebenso wie die Telefonnummer, wo die Frau ihn notfalls erreichen konnte. Und Naruto selbst verließ seine gemütliche Cottage, um seine Tasche in das Auto zu bringen und nach einem letzten Blick auf sein Heim hinter das Steuer zu setzen. Es wurde nun einfach Zeit, wenn er die gebuchte Maschine noch erreichen wollte. Nun konnte er nicht mehr weg laufen.

 
 

* * *

 

Die Fahrt zum Flughafen war lang und nervenaufreibend. Gerade der erste Teil, wo er den alten Weg entlang fahren musste, auf der unbefestigten Straße, die nicht viel mehr als ein ausgedienter Feldweg auf zwei Spuren war. Man musste konzentriert bleiben, der Abstand zwischen beiden Steinmauern war gerade einmal breit genug, damit ein Wagen dort entlang konnte und, wenn man vorsichtig fuhr, auch noch ein Fahrrad daneben Platz hatte. Unachtsamkeiten konnten demnach schnell einen Blechschaden verursachen, den Naruto natürlich nicht riskieren wollte. Allerdings fuhr diesen Weg nicht zum ersten Mal, kannte ihn vielmehr fast im Schlaf, auch wenn er nie riskieren würde, seinen Wagen zu gefährden indem er auf die doch sehr dumme Idee kam, beim Fahren seine Augen zu schließen.
 

Doch kaum erreichte er die befestigte Straße wieder, wurde es leichter. Das Wetter war wirklich herrlich, die Sonne strahlte und der laue Wind machte selbst diese Fahrt zu einem angenehmen Ereignis. Naruto hatte die Scheibe herunter gekurbelt und das Radio angestellt, während er sich auf den Weg machte, um in das 178 km entfernte Belfast zu gelangen. Sein kleiner Ort besaß natürlich keinen großen Flughafen, doch Belfast war ja nicht so weit entfernt. Gute zwei Stunden würde er unterwegs sein und diese Zeit wollte er auch nutzen, um sich entspannen zu können.
 

Und genau das tat er dann auch, während die aktuellen Hits aus dem Radio seine Fahrt versüßten. Bei der Gelegenheit fiel ihm auch wieder ein, dass er die drei Order mit Musik, die er auf seinem Laptop hatte, unbedingt einmal aussortieren musste, auch um seine Playlists zu aktualisieren. Sein Laptop wurde nur fürs Schreiben benutzt. Es gab einige Programme darauf, womit er schreiben konnte, Datenbanken anlegen für die Charakterbögen, Notizen hinterlegen, ein Clipboard für kleinere Ideen und Szenen, die er vielleicht nutzen wollte und auch ein Programm um zu überprüfen, ob er gewisse Worte oft verwendete, damit er entsprechende Passagen noch einmal überarbeiten konnte. Und eben diese drei Musikorder - Sad, Action und Flow. Jeder dieser Ordner hatte natürlich einen eigenen Zweck.
 

Naruto war einer der Autoren, die bei absoluter Stille nicht arbeiten konnten. Also hörte er Musik dabei und je nachdem an was für einer Szene er arbeitete, wählte er auch die Playlist aus. Sad war natürlich für eher traurige Passagen gedacht, sei es nun der Tod eines Protagonisten, oder einfach eine bedrückende Stimmung die vorherrschte. Die Musik darin war genau ausgewählt, um ihm zu helfen, diese Eindrücke genauer zu beschreiben. Action war demnach für Szenen, wo es rund ging, während Flow für alles andere verwendet wurde.
 

In der Regel schrieb er jeden Tag und oft für Stunden, wenn es ihn erst einmal packte. Da kamen locker um die 6000 Worte zusammen, was für seine Verhältnisse schon wahnsinnig viel war. In der Schule hatte er das nie hinbekommen, seine Hausaufgaben waren stets so kurz gewesen, dass er sich regelmäßig abwertende Blicke von seinen Lehrern eingefangen hatte. Selbst jetzt, wenn er nur daran dachte, musste er einfach leise lachen. Er hatte einen seiner Lehrer vor gut zwei Jahren durch Zufall wiedergetroffen. Der Mann hatte nur mit dem Kopf schütteln können und hatte ihn gefragt, warum er damals nicht so viel Fleiß zeigen konnte. Eine Antwort hatte er darauf nicht gehabt, auch wenn er ahnte, dass es damals damit zusammengehangen hatte, dass er eben ein Teenager gewesen war. Er hatte schlichtweg keine Lust gehabt, seine Zeit mit Hausaufgaben zu verplempern.
 

Aber nicht nur er war erstaunt. Naruto wusste, dass all seine Freunde sein erstes Buch ebenfalls gelesen hatten. Die Meinungen waren dort geteilt. Manche fanden es nicht gut, womit er selbst ja auch übereinstimmte, einige waren hingegen richtig begeistert. Wie Sakura eben auch. Die junge Frau hatte ihm geschrieben, dass es weniger die Idee war, ihr bei diesem Buch gefallen hatte. Viel mehr war es seine Art, wie er sie in Worte verpackte. Wie er auf alles einging und selbst die kleinsten und unwichtigsten Dinge so genau und ausschweifend beschrieb, dass es plötzlich zu etwas wahnsinnig Interessantem wurde. Naruto sah das durchaus als ein Lob an und es hatte ihm auch geholfen, als er damals in einer Blockade gesteckt hatte und über Wochen kein einziges Wort schreiben konnte.
 

Das leichte Lächeln was bei dieser Erinnerung seine Mundwinkel umspielt hatte, verschwand jedoch langsam wieder. Auch sie würde er nun wiedersehen. Genauso wie alle anderen, die mittlerweile ebenfalls verheiratet waren. Die einzigen die es nicht waren, waren er und Sakura. Hinata hatte Kiba geheiratet und Shikamaru Ino. Sie alle waren gemeinsam zur Schule gegangen und nun waren nur noch sie zwei übrig, die den Partner fürs Leben noch nicht gefunden hatten. Bei Sakura wusste er, dass sie es nicht wollte. Sie arbeitete bei Sasuke in der Firma und war dort scheinbar unentbehrlich. Manchmal sprach sie von Itachi und Naruto hegte einfach den Verdacht, dass ihre frühere Schwärmerei für den jüngeren Uchiha sich nun auf Itachi übertragen hatte, der, soweit er wusste, ebenfalls ungebunden war, was auch nicht weiter verwunderlich war.
 

Der ältere Uchiha war immerhin selten in Japan. Was genau die Firma der Brüder machte, wusste Naruto nicht einmal. Alles was er wusste war, dass Itachi dafür oft in der Welt herum reiste, um Geschäfte abzuschließen. Eigentlich interessierte es ihn auch gar nicht, was die beiden machten. Er war kein Mensch, der so einen Job machen konnte. Wenn er kein Autor geworden wäre, hätte er sich etwas gesucht, wo Spannung vorhanden war und viele Orte, die er erkunden konnte. Er stand einfach nicht so darauf, immer das Gleiche zu machen. Gerade deswegen liebte er es auch, Bücher zu schreiben. Er floh damit jeden Tag in eine andere Welt und ließ Abenteuer entstehen.
 

Kurz bevor er den Flughafen erreichte, hoffte er nur, dass er in der nun kommenden Woche Zeit genug finden würde, um sein Buch weiter voran zu bringen. Er wollte möglichst wenig Zeit mit den anderen verbringen, denn er kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie ihn nicht in Ruhe lassen würden. Immer und immer wieder würden sie fragen, was vorgefallen war. Warum er gegangen war. Doch er wollte nicht darüber reden und er bezweifelte, dass sie es einfach so hinnehmen würden, wenn er ihnen sagte, dass er einfach die Nase von ihrer Heimatstadt voll gehabt hatte.
 

Es war ja nicht einmal eine Lüge. Er hatte lange mit diesem Gedanken gespielt und auch aus gutem Grund den anderen nichts von seinen Plänen gesagt. Sie hätten es nie akzeptieren können und hätten versucht aus ihm herauszukitzeln, warum er das Bedürfnis hatte, sie alle zurück zu lassen. Gerade die Mädchen hatten es ja auch nach seinem Verschwinden versucht. Naruto kam gerade mit ihnen besser klar, im Gegensatz zu den Jungs, bei ihnen konnte er sich fallenlassen ... nur alles konnte er ihnen eben auch nicht erzählen und das wollte er auch gar nicht.
 

Es war gar nicht angenehm gewesen, wie gerade die drei ihm immer und immer wieder Mails geschrieben hatten. Anders hatten sie mit ihm ja auch gar nicht in Kontakt treten können, denn Naruto hatte weder seine Telefonnummer noch die Nummer seines Handys irgendjemanden mitgeteilt - aus Vorsicht. Er hatte einfach nicht gewollt, dass sie ihn anriefen und ihr Glück versuchten, um ihn zurück zu holen. Vor allem Sakura konnte sich manchmal in etwas verbeißen und dann ließ sie auch nicht mehr locker. Seltsamerweise war sie es, die mit einem Schlag aufgehört hatte ihn mit Fragen zu löchern. Was er davon halten sollte würde sich dann noch zeigen.
 

Seufzend fuhr er schließlich auf den Parkplatz und suchte den Stellplatz, den er für die kommenden Woche gebucht hatte. Seinen Wagen wollte er einfach nicht unbeaufsichtigt am Flughafen stehen lassen. Es war zwar kein teurer Wagen, aber es war seiner und er wollte ihn in einem Stück wieder zurück bekommen, wenn er diese Woche überstanden hatte. Kaum hatte er seinen Platz gefunden parkte er, stellte den Wagen aus und nahm seine Tasche, um das Fahrzeug zu verlassen, es zu verschließen und das Gebäude des Flughafens zu betreten.
 

Das Einchecken dauerte gefühlte Stunden. Allein die Aufgabe seines Gepäcks und die Kontrolle seines Handgepäcks zog sich etwas hin, da irgendeine Familie vor ihm Probleme mit dem Gewicht hatte und den Schalter einfach nicht frei geben wollte während sie umpackten, damit es doch noch funktionierte. Doch letzten Endes hatte er es endlich geschafft und saß nur kurz darauf in der ersten Klasse auf seinem Platz am Fenster, die Tasche mit dem Laptop auf seinem Schoß und die Augen geschlossen. Er war erschöpft und vor allem hasste er es zu fliegen. Gerade Start und Landung bekamen seinem Magen einfach nicht gut.
 

Dennoch gab es nun kein zurück mehr ... er saß im Flieger und in 16 Stunden würde er wieder in seiner alten Heimat sein ... Belfast lag immerhin gute 11300 km von Japan entfernt. Da dauerte es schon eine ganze Weile. Aber er hatte mit seinem Buch ja genug zu tun und war auch froh darüber, denn so konnte er auf jeden Fall die Gedanken von sich schieben, dass er viel zu schnell alle wiedersehen würde. Es wurmte ihn nur, dass sie einen Zwischenstopp in London einlegen mussten und dort auch gute zwei Stunden Wartezeit entstanden. Doch auch das ließ sich nicht ändern.

02 face the past


 

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02 face the past

 

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Der Start war wie erwartet unangenehm. Naruto hasste einfach das Gefühl, wie der Magen begann zu rebellieren, wenn die schwere Maschine immer und immer höher stieg. Genauso wie er Luftlöcher hasste. Aber er konnte es auch nicht ändern. Japan lag nun einmal nicht gleich um die Ecke, mit dem Wagen zu fahren war damit nicht möglich, vor allem nicht mit dem Hintergrund, dass bereits in drei Tagen die Beerdigung sein sollte. Bis dahin hatte er nicht einmal die Hälfte der Strecke geschafft, schließlich würde er alleine fahren und musste Ruhezeiten einhalten, wenn er lebend dort ankommen wollte. Obwohl gerade in diesem Aspekt es durchaus sehr lockend war, wirklich den Wagen zu nehmen.
 

Noch immer mit geschlossenen Augen konzentrierte er sich nun voll und ganz auf seine Atmung. Langsam sog er die Luft durch die Nase ein, ehe er sie genauso langsam zwischen den leicht geöffneten Lippen wieder aus stieß. Immer und immer wieder, bis endlich das flaue Gefühl in seinem Magen abebbte und er die Augen wieder öffnen konnte. Zum Glück saß er alleine. Das war auch einer der Dinge, die er nicht wirklich leiden konnte. Er war in der Lage, sich die erste Klasse zu leisten, aber auch wenn sie hier weitaus mehr Platz hatten, wie in der zweiten Klasse, so wollte er einfach niemanden neben sich spüren. Er mochte dieses Gefühl einfach nicht, auch wenn ihm irgendwo immer bewusst war, dass es nur daran lag, dass er auf solchen Flügen oft an seinem Buch weiter arbeitete. Er wollte einfach keine neugierigen Blicke auf sich, oder seiner Arbeit ertragen müssen.
 

Dann nach langem Warten ertönte endlich die Durchsage, dass sie ihre Flughöhe erreicht hatten und sie sich abschnallen konnten. Naruto kam diesem Vorschlag sofort nach und begann sich dann zu entspannen. Den schlimmsten Teil hatte er damit geschafft ... wenn auch nicht für lange. Eigentlich war es vollkommener Irrsinn, dass er erst einmal nur bis London fliegen würde, das war bereits in wenigen Minuten geschehen und dann hatte er auch noch Wartezeiten, die er lieber vermieden hätte. In solchen Momenten wurde ihm nur zu bewusst, dass er nicht davon rennen konnte. Der Rest gab ihm dann die einfache Tatsache, dass er den Start und die Landung noch einmal mitmachen musste.
 

Eigentlich könnte er nun beginnen sich abzulenken, aber er wusste, dass es nicht viel bringen würde. Eigentlich war es sogar Schwachsinn, dass man ihnen erlaubte sich abzuschnallen. Bei so einem kurzen Flug brachte das herzlich wenig. Aber er war ganz gewiss der Letzte, der sich beschweren wollte. Um dennoch nicht einfach nur dumm herum zu sitzen, blickte er aus dem Fenster. Viel sehen konnte er nicht, der Abend war angebrochen und langsam aber sicher begann es zu dämmern. Sie flogen auch viel zu hoch, um noch wirklich etwas erkennen zu können. Vielleicht erkannte man hier und da eines der größeren Gebäude, wenn auch nur schemenhaft. Der einsetzende Abend ließ einen aber nichts weiter wie Lichter erkennen.
 

Kurz blickte Naruto auf die Uhr. Es war nun kurz nach 19 Uhr, also würde es in Japan nun schon vier Uhr des nächsten Morgens sein. Das war durchaus etwas gutes, wenn er an kam, würde es in Japan wieder Abend sein und damit konnte er sich schnell von dem Flug erholen und natürlich auch alle Fragen erst einmal von sich schieben. Doch es würde trotz allem eine ziemliche Umstellung sein. Nicht nur was die Zeitzone anging, sondern auch das Wetter. Das irische Wetter war eben doch etwas ganz anderes, wie das japanische. In den vergangenen Jahren hatte er sich einfach umgewöhnt und nun mochte er das eher milde Wetter der grünen Insel sehr. Er hoffte wirklich, dass es in Japan nicht zu schlimm werden würde und dass er schnell zurück fliegen konnte.
 

Ganz wie erwartet hatte er nicht sehr viel Zeit und erneut wurden sie angewiesen, sich zu setzen und die Sicherheitsgurte anzulegen. Naruto kam der Aufforderung nach und wie auch schon beim Start schloss er einfach die Augen, um irgendwie die Landung zu überstehen. Es war schon seltsam, er kletterte auf Bäume, hatte es geliebt mit der Achterbahn zu fahren, aber ein Flug vertrug er einfach nicht. Früher hätte er sich wohl halb kaputt gelacht, wenn ihm jemand das gesagt hätte. Der große Naruto Uzumaki-Hatake hatte Probleme mit dem fliegen? Undenkbar! Dennoch spürte er es nun erneut, während die Maschine immer tiefer sank und schließlich mit einem leichten Ruck aufsetzte. Der Pilot würde das wohl eine butterweiche Landung nennen, für ihn war das aber alles andere als butterweich. Es war schrecklich aufwühlend für seinen Magen.
 

Während die Maschine in Position gebracht wurde, versuchte der junge Autor weiter zu atmen. Ruhig durch die Nase ein und langsam durch den Mund aus. Erst als eine Hand ihn an der Schulter berührte und man ihn fragte, ob er in Ordnung sei, öffnet er die Augen wieder und nickte leicht. "Ich komme nur nicht gut mit dem Start und den Landungen zurecht!", erklärte er sich, bevor er sich langsam erhob, um den Stahlvogel verlassen zu können. Dass sein Stopp ausgerechnet in London war, störte ihn massiv. Jeder der schon einmal Heathrow erlebt hatte, wusste, dass dieser Flughafen die Pest war. Man konnte so oft wie man wollte dort sein, man würde seinen Weg dennoch nicht finden.
 

Trotzdem stieg er aus und bahnte sich seinen Weg durch die Gänge, bis er endlich den richtigen fand und ein kleines Restaurant ansteuern konnte. Diese Reise war voll durchgeplant. Hier wollte er essen, sich etwas entspannen, ehe er sich mindestens 30 Minuten vor Abflug wieder zur Maschine begab. Den Flug über wollte er schreiben und auch versuchen etwas Schlaf zu finden. Nicht viel, schließlich wollte er in Japan nicht so aufgekratzt sein, dass er dort nicht mehr schlafen konnte. Sein Plan war also perfekt, um möglichst wenig unter der Zeitumstellung zu leiden ... nun und um den lästigen Fragen aus dem Weg zu gehen. Dass diese auf ihn einstürmen würden, war ihm schließlich mehr als bewusst.
 

Zufrieden steuerte er einen Tisch an und ließ sich daran nieder. Keine Minute später eilte ein Kellner herbei. Ein junger Mann, vielleicht einige Jahre jünger wie er selbst. Er hatte dunkles Haar und trug sie zurück gegeelt, wie man es den Engländern immer nachsagte. Der Blondschopf kannte viele dieser Gerüchte. Wie, dass Chinesen und Japaner nur Reis aßen, was vollkommener Humbug war. Oder die Deutschen nur Kartoffeln! Wer auf so etwas kam, wusste er gar nicht, doch eigentlich war es ihm auch egal. Manche dieser Vorurteile waren allerdings recht komisch, andere eher ärgerlich. Aber dagegen konnte man wohl nichts machen. So waren Menschen eben.
 

Nun bestellte er sich erst einmal ein Wasser und bat um die Karte, die er auch prompt mit einem Lächeln gereicht bekam. Naruto lächelte zurück, ehe er sich der Karte widmete. Groß war die Auswahl nicht gerade, aber dieses war auch gar nicht notwendig. Im Grunde wusste er eh was er wollte und damit schloss er die Karte auch ziemlich schnell wieder, nachdem er sicher gestellt hatte, dass dieses Gericht hier angeboten wurde. Sein Kellner war scheinbar schon wieder auf dem Weg zu ihm gewesen und stellte ihm kurz darauf das Wasser auf den Tisch, ehe er die restliche Bestellung annahm. Der Blondschopf bestellte sich eine Mockturtle-Soup und dazu ein Birnen-Trifle.
 

Naruto liebte diese Süßspeise, die aus drei Komponenten bestand. Kuchen, Creme und frischen Früchten. Auch in Irland gab es sie und er konnte von ihnen gar nicht genug bekommen. Das war eine Liebe, die er auch in Irland gefunden hatte. Es war nun nicht so, dass er sie jeden Tag zu sich nahm, dennoch würde er auch diese Nachspeise in der Woche vermissen, wo er nicht zu Hause war. An manche Dinge gewöhnte man sich doch sehr schnell und diese war einer der Sachen, die eindeutig dazu gehörten. Er hatte Süßspeisen schon immer sehr geliebt und auf seiner Reise, gleich nachdem er Japan verlassen hatte, viele neue kennengelernt. Manche waren ausgezeichnet, andere schmeckten ihm aber nicht. Aber ein Trifle war einfach mit nichts zu schlagen.
 

Während er nun wartete, zog er sein Tablet heraus und verband sich mit dem Netz, um die Zeit ein wenig zu nutzen. Er scrollte ein wenig durch aktuelle Newsmeldungen, ehe er seine E-Mails abfragte. Eine war von seinem Assistenten, der ihm eine gute Reise wünschte und ihm den Rat gab, sich seinen Freunden zu öffnen. Der junge Mann wusste warum er damals weggegangen war, wenn man es streng nahm, war er sein einziger Vertrauter. Im Laufe der Zeit waren sie sich näher gekommen und so etwas wie eine Freundschaft hatte sich zwischen ihnen entwickelt. Naruto hatte sich lange Zeit verschlossen, er hatte jemanden gebraucht, der zuhören konnte und auch wollte. Also hatte er es angenommen.
 

Eine weitere Nachricht war von seinem Verleger, der ihn daran erinnerte, dass er in gut einem Monat eine Deadline hatte. Da der Blondschopf oft alles um sich herum vergaß, wenn er erst einmal schrieb, erinnerte er ihn rechtzeitig an solche Termine. Sie hatten vertraglich festgelegt, dass er jeden Monat ein Kapitel zur Prüfung einschicken musste, damit man rechtzeitig eingreifen konnte, falls etwas in eine Richtung ging, die nicht gut war. Naruto kam damit bestens zurecht, im Augenblick hatte er ein Hoch und schrieb mehr denn je. Und so wollte er es eigentlich auch halten, nur dieser Besuch war etwas, was ihn sicher an seine Grenzen brachte.
 

Und wie es nun einmal so war, wenn man vom Teufel sprach, stand er schon vor einem. Oder in diesem Fall, schien er schon wieder wach zu sein und nun am Rechner zu sitzen. Denn anders konnte er es sich nicht erklären, dass der Uchiha um fünf in der früh ihm eine weitere Nachricht sendete. Langsam ging Naruto das auf den Keks, dennoch öffnete er die Mail, um sie zu lesen. Wie so oft, wollte Sasuke sicher gehen, dass Naruto sein Wort hielt. Und wie nahezu immer in den letzten Tagen, schien er es darauf abgesehen zu haben, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden.
 

Seufzend klickte er auf den Button, um eine Antwort zu verfassen.
 

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║Teme ... mach dir nicht ins Hemd! Ich sitze bereits in

║Heathrow und warte auf meinen Anschlussflug!

║Hast du nichts besseres zu tun, als mitten in der Nacht

║an deinem Rechner zu sitzen?

║Naruto

╚═══════════════════════════════════════════════════════════
 

Er wusste ganz genau, wie abweisend er war. Nur warum schaffte Sasuke es nicht, endlich einmal einzusehen, dass er nichts ändern konnte? Seine Art war dabei eh nicht die Beste, aber dennoch, alles was Naruto selbst wollte war, dass er Ruhe fand. Er quälte sich nun schon elf Jahre mit dieser Sache herum und noch immer konnte er den Frieden nicht finden, den er sich ersehnte. Das frustrierte ihn. Und genau deswegen schaltete er das Tablet aus und packte es zurück in die Tasche. So wie er Sasuke kannte, würde in wenigen Momenten eine bissige Antwort kommen und darauf konnte er verzichten. Doch wenigstens kam sein Kellner bereits zurück und servierte ihm sein Essen. Das lenkte ihn dann doch genug ab, um nicht weiter in diesem Strudel aus negativen Gefühlen zu versinken.
 

Und damit verdrängte Naruto alles und konzentrierte sich nur auf sein Essen, das wirklich köstlich schmeckte. Er genoss es aus vollen Zügen und schaffte es, nicht an Sasuke zu denken. Oder dem Grund, warum er nun überhaupt hier war. Das hob seine Laune gewaltig, was man ihm auch schnell ansah, als er fertig gegessen hatte und mit einem Grinsen das kleine Restaurant wieder verließ, um sich in die Abflughalle zu setzen und zu warten, dass er weiter konnte. Zwei Stunden waren nun wirklich kein Weltuntergang, vor allem dann nicht, wenn man mit offenen Augen seine Umgebung beobachten konnte.
 

Berufskrankheit nannte man das wohl. Wie viele Autoren, beobachtete auch Naruto die Menschen um sich herum gerne. So viele kleine Dinge konnte man dabei entdecken. Kinder die weinend und trotzig versuchten gegen die Eltern anzuziehen, die von einem Gate zum nächsten hetzten. Frauen die auf ihre Männer ein schimpften, weil sie irgendetwas vergessen hatten. Paare, die sich in den Armen lagen und mit Tränen in den Augen sich verabschiedeten ... ein Flughafen war das pure Leben, wo man einfach sich fallenlassen konnte, um einmal andere kennenzulernen, ohne ihnen zu nahe zu kommen. So ein Flughafen schrieb täglich hunderte von Geschichten, die man nur annehmen musste und dann mit ihnen arbeiten konnte.
 

Doch er war auch froh, als er endlich wieder in die Maschine durfte und ab dem Augenblick konnte er die Gedanken an Sasuke auch nicht mehr verdrängen. Er bereute es sehr, dass er so weich war. Wenn er so hart werden könnte wie der Uchiha, dann hätte er ihn einfach zum Teufel gejagt. Was ging es denn ihn an, wenn seine Frau verstorben war? Er hatte sie von Anfang an nicht leiden können und eigentlich war es ihm damit vollkommen egal, ob sie lebte oder nicht.Zumindest war es das, was er sich gerne einredete. Die Wahrheit sah dann doch ein klein wenig anders aus.
 

Das Einzige was er wirklich bedauerte war, dass Sasuke deswegen leiden musste. Egal wie hart und abweisend er auch versuchte zu sein, was er für den Uchiha empfand, ging weit über eine Freundschaft hinaus. Er hatte es gemerkt, als er 13 geworden war. Eigentlich war er auch immer damit zurecht gekommen, doch als sein bester Freund sich verliebt hatte, war das nicht mehr so einfach gewesen. Er hatte sie dafür verflucht, seinem besten Freund schöne Augen gemacht zu haben. Er wusste das war seine Eifersucht, aber letzten Endes war er ja auch genau deswegen gegangen. Wenn man liebte, musste man in der Lage sein loslassen zu können und Sasuke hatte er loslassen müssen. Denn er hatte sie gewollt. Also hatte er richtig gehandelt, auch wenn es sich oft genug nicht so anfühlte.
 

Den weiteren Start überstand er dieses Mal nicht so gut. Ihm war furchtbar übel, als sie endlich in der Luft waren und dieses Mal schnallte er sich nicht so schnell ab. Mit geschlossenen Augen versuchte er gegen die Übelkeit anzukämpfen und er wurde sich bewusste, dass ein so reichhaltiges Essen wohl nicht seine beste Idee gewesen war. Allerdings konnte man das nun auch nicht mehr ändern. Trotz allem wusste er, dass es besser werden würde und als es endlich soweit war, schnallte auch er sich endlich ab und lehnte sich erschöpft zurück, um wieder aus dem Fenster zu sehen.
 

Ganze 20 Minuten bewegte er sich nicht. Fast wäre er dabei eingenickt, doch dann raffte er sich wieder auf, holte seinen Laptop heraus, schaltete ihn ein, stöpselte seine Kopfhörer ein, startete die Lieder aus dem Flow Ordner und begann endlich zu schreiben. Je mehr er schaffte, umso besser würde er diese Woche überstehen können, da war er sich einfach vollkommen sicher.

 

 

 
 

* *** *

Wenn man das erste Mal in Tunalis landete, konnte man durchaus auf die Idee kommen, einen langen, angenehmen Urlaub vor sich zu haben. Schon im Landeanflug bekam man einen guten Blick über die Insel, deren Mittelpunkt der Vulkan bildete, welcher derzeit ruhte. Doch selbst wenn er nicht aktiv war, tief in seinem Inneren lag ein Lavakern, der die Vegetation auf dieser Insel ungewöhnlich werden ließ. Die Bäume wurden so hoch, wie man es nirgendwo sonst vor fand, sogar neue Arten von Pflanzen hatte man dort vorgefunden und jeder Tag war wie der eines Hochsommers. Alles im allem konnte man nur sagen, dass man das Paradies erreichte.
 

Namaki empfand es genauso. Nie zuvor hatte er eine solche Vegetation vorgefunden und im Laufe seiner Ausbildung hatte er durchaus einige Orte bereist, um die entsprechenden Kurse zu belegen. Seine Ausbildung hatte begonnen, als er sechs Jahre alt gewesen war, zuerst einmal auf Probe für sechs Jahre, ehe er sich endgültig entscheiden musste. Die erste Zeit hatte er lediglich eine Schule besucht und wie jedes andere Kind auch Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt. Geschichte war ebenfalls ein Thema, welches groß geschrieben wurde. Was seine Schule aber von anderen unterschied, waren die weiteren Fächer, die sie gehabt hatten.
 

Drachenkunde

Dabei handelte es sich um die Lehrer der Drachenarten. Sie mussten jeden Drachen erkennen können, um ihn einordnen zu können, wenn sie diesen in Ausübung ihrer Pflichten begegneten. Nicht gezähmte Drachen waren nicht automatisch gefährlich, aber einige waren eben doch mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn man glauben mochte, dass je größer der Drache war, umso gefährlicher war er, so irrte man sich in dieser Sache. Die kleinen Drachen, etwa die, die in etwa so groß wie Katzen waren, konnten weitaus gefährlicher sein. Sie lebten und jagten in Rudeln und waren Raubtiere. Wenn diese hungerten, weil sie keine Beute mehr fanden, war nicht ausgeschlossen, dass sie auch Menschen angriffen.
 

Namaki kannte alle Drachen. Seinen ersten hatte er gesehen, als er vielleicht zwei Jahre alt gewesen war. Ein kleiner Drache, so groß wie ein Hamster. Mittlerweile wusste er, dass es ein Felsenspringer war. Eine Drachenart, die in steinigem Gebiet lebten und sich von Pflanzen ernährten, wofür sie teilweise sehr weit wanderten, auf Nahrungssuche.
 

Erimaton

So nannte man die Sprache der Drachen. Woher der Name kam, wusste eigentlich keiner, aber das spielte auch keine Rolle. Namaki liebte alte Filme mit Zauberern und Magiern und diese Sprache erinnerte ein wenig an die Zaubersprüche, die man in diesen Filmen immer zu hören bekam. Sie zu lernen war alles andere als leicht gewesen, dennoch hatte er zu einen der Besten seiner Klasse gehört.
 

Darüber hinaus hatte es noch Unterricht in Anatomi und Flugkunde gegeben. Die Ausbildung umfasste auch einige Praktika, die man an verschiedenen Orten absolvierte. Namaki war auf einer Drachenfarm gewesen, wo kleinere Arten gezielt gezüchtet wurden, weil sie nicht viel länger als fünf Jahre lebten. Sie wurden speziell ausgebildet, um den Menschen unter die Arme zu greifen. Sei es nun indem sie Aufträge erledigten, oder Menschen in bestimmten Situationen unterstützten. Drachen konnte man nahezu für alles einsetzen.
 

Außerdem hatte er Flugunterricht genommen. Sein Lehrdrache hatte den Namen Jinbo gehabt, was ihn nahezu jedes Mal hatte schmunzeln lassen. Doch die Flugstunden hatten ihm sehr geholfen, sich an das Gefühl zu gewöhnen, auf einem Drachen zu reiten, während dieser hoch in der Luft seine Bahnen zog.
 

Nun aber war er 20 und hatte endlich seinen Befehl bekommen, nach Tunalis zu reisen, um seinen ersten eigenen Drachen in Empfang zu nehmen und seinen Dienst als Kurier anzutreten. Kuriere nahmen nicht nur Sendungen an, um sie zu jemanden zu bringen, ihre Aufgabe war es auch, bei diesen Flügen Aufklärungsarbeit zu leisten. Sie mussten sich umsehen, ob ungewöhnliche Dinge geschahen, denn die Menschheit hatte sich nicht geändert. Es gab noch immer Menschen, die anderen etwas neideten, die Streit hatten und etwas wollten, was sie glaubten, dass es ihnen zu stand. Kriege gab es damit noch immer und auch wenn man noch immer Waffen nutzte, so wurden nun auch Drachen genutzt. Die meisten Unruhen hatte man vollkommen unter Kontrolle, eben weil die Population der Drachen sehr genau überwacht wurde und man nur sehr schwer an einen Drachen gelangen konnte, wenn man nicht riskierte, sich mit einem wilden anzulegen.
 

Dennoch, es gab noch viele Gruppen dort draußen, die nicht entdeckt worden waren und man wollte verhindern, dass größere Kriege ausbrachen. Damit hatten die Kuriere zusätzliche Aufgaben bekommen, da sie es waren, die sowieso oft flogen und dabei weiter Strecken zurück legten. Sie konnten ganz ohne Aufwand die Augen auf halten und eventuelle Gefahren schnell erkennen und eben auch melden. So fielen sie dementsprechend auch nicht gerade schnell auf. Ein Vorteil, wenn man eher im verborgenen agieren sollte.
 

Seiner Aufgaben war Namaki sich demnach ziemlich bewusst und er freute sich auch schon darauf. Doch gerade galt es, erst einmal sein Einsatzbüro zu erreichen und sich anwesend zu melden. Seine Ausbildung, der letzte Schliff, würde dann wohl in einigen Tagen beginnen, wenn er sich mit seinem Drachen und seinem Partner vertraut gemacht hatte. Solche Aufträge übernahm man immerhin immer in einem Team, der Sicherheit wegen. Einen einzelnen Reiter vom Himmel zu holen war leichter, als zwei oder gar noch mehr gleichzeitig kontrollieren zu müssen.
 

Nakami schulterte seinen Seesack, in dem er alles hatte, was ihm wertvoll genug war, um es nicht hinter sich zu lassen, ehe er den Kiesweg entlang ging. An jeder einzelnen Gabelung standen Schilder, ein Pfahl an dem Bretter befestigt waren, auf denen die genauen Orte zu finden waren, wohin der Weg führte. So war es nicht einmal ein Problem, den richtigen Weg zu finden. Während er seinem Pfad nun folgte, schaute er sich um und nahm auf, was von nun an einige Wochen sein Heim sein würde, bis er an seinen Einsatzort versetzt wurde.
 

Die Insel glich wirklich einem Paradies. Überall türmten sich hohe Palmen zwischen den Wegen und den einzelnen Baracken. Was in diesen zu finden sein würde, musste er erst noch erfahren. Vielleicht waren es Lager für Nahrung und Ausrüstung, vielleicht aber auch Unterkünfte. An manchen Stellen, wo wenig Bäume zu finden waren, gab es eine Art Paddocks. Das waren eingezäunte Wiesen, wie man sie für Pferde benutzte. Doch eben diese waren hier nicht wirklich zu sehen. Namaki ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er wusste ganz genau, dass es hier Zuchtstationen gab. Schließlich waren Drachen keine schnöden Kuscheltiere, die nur von Gras und den Blättern lebten, die es hier gab. Viele fraßen Fleisch oder Fisch und mussten dementsprechend versorgt werden. Diese Nahrung jedes Mal einfliegen zu lassen, würde viel Geld verschlingen, das man sicherlich nicht einfach so aus dem Fenster werfen konnte.
 

Je weiter er sich auf der riesigen Insel voran bewegte, umso mehr wurde allerdings das Bild von dem Inselparadies zerstört. Nach und nach wichen die Palmenalleen, die er gerade noch entlang gegangen war und statt dessen fand er Laubbäume vor sich, wie er sie auch aus seiner Heimat kannte. Und nicht nur das, nun könnte er auch weitaus mehr hören, als die paradiesischen Vögel, deren Lieder er nie zuvor gehört hatte. Er hörte statt dessen Schnauben und Fauchen, aufgeregte Worte und das Geräusch was entstand, wenn ein Drache mit den Flügeln schlug. Dieses war ihm mittlerweile auch schon sehr vertraut geworden.
 

Nachdem er einen weitere Baracke umrundet hatte, wusste er auch warum. Genau vor ihm erstreckte sich eine weite Fläche, auf denen gut ein Dutzend Drachen zu sehen waren. Ihre Schuppen schimmerten in dem Licht was auf sie alle nieder schien und wenn sie Fell hatten, bewegte dieses sich hin und wieder in der lauen Brise, die über das Eiland hinweg fegte. Nicht wirklich genug um eine Kühlung zu bringen, aber dennoch genug um ein sanftes, fast schon liebevolles Streicheln auf der Haut fühlen zu lassen. Es war allerdings abzuwarten, ob es jeden Tag so sein würde. Das Wetter war meistens doch recht unberechenbar und auf eine leichte Brise konnte eine lange, heiße Periode folgen, oder aber ein tosender Sturm.
 

Über ihm flog ein weiterer Drache hinweg, seine weißen und schwarzen Schuppen waren selbst aus dieser Entfernung noch deutlich zu sehen. Es sah aus, als wenn er landen wollte, vermutlich war deswegen auch so eine Aufregung am Boden. Die Drachen wurden weg geführt, um Platz zu schaffen. Andere Reiter strichen ihren Drachen über den Kopf, oder wechselten Worte mit ihnen, die Namaki auf die Entfernung nicht wirklich ausmachen konnte. Lange konnte er diesem Schauspiel aber auch nicht mehr beiwohnen. Er musste erneut eine Biegung mitnehmen, um einem Pfad weiter zu folgen, der direkt auf eine weitere Baracke zuhielt, die nahe des Landeplatzes stand.
 

Als er das Gebäude betrat, erschauderte er sofort. Hier drinnen gab es eindeutig eine Klimaanlage, die Luft war kühl, fast schon zu kühl, wenn man gerade von dort draußen kam. Doch nun sich mit solchen Nichtigkeiten aufzuhalten, war einfach nicht in seinem Sinne. Statt dessen lief er langsam den langen Flur entlang und kontrollierte zu beiden Seiten die Namensschilder, die auf Blickhöhe neben den jeweiligen Türen angebracht waren. Neun, vielleicht auch schon zehn Türen passierte er, bis er endlich den Namen vor sich sah, der ihm in seinem Einberufungsschreiben genannt worden war. Nun wurde es ernst, nun würde er sein neues Leben beginnen. Ein wenig flau war ihm dann aber durchaus. Immerhin änderte sich von nun an sein ganzes, bisheriges Leben. Das war durchaus etwas großes.
 

Ein deutlich hölzernes Klopfen durchschnitt die Stille, nachdem Namaki seine Hand gehoben hatte, um seine Ankunft zu verkünden. Erst als ein herrisches "Herein!" zu hören war, glitt die Hand hinab und legte sich auf die silberfarbene Klinke, um die Tür zu öffnen. Natürlich war er nervös, Theorie und Praxis waren schließlich zwei verschiedene Dinge, egal wie oft man sich auch auf eine derartige Situation versuchte vorzubereiten, es brachte einfach nichts. Die Nervosität blieb und das erste beklemmende Gefühl, nicht wirklich zu wissen, was man hier überhaupt machte. So etwas war wohl vollkommen normal, wenn man ein neues Leben begann. Das erste Mal, dass er dieses Gefühl gehabt hatte, lag nun ja auch schon über ein Jahrzehnt entfernt. Damals war er nur sechs Jahre als gewesen, als er den ersten Tag in der neuen Schule angetreten hatte, mit dem Wunsch, ein Drachenreiter zu werden.
 

Ruhig blieb er schließlich stehen und erwiderte den musternden Blick, den er aus einem Paar grauen Augen zugeworfen bekam. Das hier kannte er bereits, er hatte es viele Male geübt, viele Male in der Akademie durchgespielt, wenn sie auf ihr zukünftiges Leben vorbereitet worden waren. Es war ihm demnach vollkommen vertraut, dass der Mann vor ihm eine mitteldicke Akte an sich nahm und kurz seine persönlichen Dinge vorlas. Name, Alter, Rang, Erfahrungen, Ausbildungsstand. Es war nicht viel mehr wie eine Überprüfung, auf die er auch nur mit einem Nicken reagierte. Alles was vorgelesen worden war, war korrekt.
 

"Du bist spät. Dein Teampartner ist bereits gestern angereist ... ich werde sie gleich rufen. Ihr teilt euch eine Barake, bleib anständig, ansonsten landest du schneller wieder in deiner Heimat, als es dir lieb ist!" Wieder nickte Namaki. "Ja, Sir!", erwiderte er, ganz wie er es gelernt hatte. Dennoch hatte er etwas aufgenommen, von dem er noch nicht wusste, ob es gut oder schlecht sein würde. Sie würde bedeuten, dass sein Teampartner eine Frau war. Nun, gegen Frauen hatte er nichts, doch soweit er wusste, waren diese selten bei den Kurieren zu finden. Aus gutem Grund. Manche mochten meinen, ein wenig von einem Ort bis zum nächsten zu fliegen sei leicht, doch er wusste genau, dass es ein harter Job war. Von allen Reitern waren sie es, die die größte Gefahr liefen, in Kämpfe verwickelt zu werden, wenn sie auf feindliche Gruppen trafen. Doch gerade interessierte er sich nicht dafür. Die Baracken hatten mehrere Zimmer, sie würden sich schon nicht auf die Nerven gehen. Irgendwie mussten sie sich ja wenigstens etwas kennenlernen, wenn sie in Zukunft zusammenarbeiten wollten.
 

Er schaute zu, wie der Hörer angenommen wurde und einige kurze Befehle in diesen gebellt wurden. Nachdem wieder aufgelegt worden war, wurde er auch schon hinaus geschickt, mit der Information, dass man ihn gleich abholen würde. Später sollte er sich beim Flugplatz melden und seinen ersten Drachen in Empfang nehmen. Von da an hatte er drei Wochen Zeit, seinen Partner und seinen Drachen besser kennenzulernen. Er würde unterrichtet werden, dann bekamen sie ihren Einsatzort mitgeteilt. Mit einer leichten Verbeugung wendete er sich ab und verließ das kleine Büro wieder, um wie befohlen davor zu warten. So schlecht war das ja schon einmal nicht gelaufen. Nun musste er nur noch seine Partnerin kennenlernen und sich mit ihr verstehen. Und natürlich ihre beiden Drachen. Auch diese mussten miteinander zurechtkommen, damit sich da keine Spannungen aufbauten. Gerade war er allerdings positiv überzeugt, dass nun alles laufen würde.

 

 

 

 

 

 
 

* *** *

Gut eine Woche später war er nicht mehr ganz so davon überzeugt, dass es irgendwie zwischen ihnen funktionieren würde. Ganz im Gegenteil. Seine Partnerin - Saiha - war wahnsinnig hübsch, da konnte er nichts gegen sagen. Sie hatte langes braunes Haar, welches sie halbwegs zu einem Zopf zusammen band und dessen Reste weich über ihre zierlichen Schultern fielen. Ihr schlanker Körper steckte meistens in recht enger und doch etwas freizügigeren Kleidung. Aber einmal abgesehen davon, dass sie sehr attraktiv war, so musste er auch zugeben, dass ihre Fähigkeiten ihn umhauten. Irgendwie fühlte er sich der Frau haushoch unterlegen und das, obwohl er selbst durchaus vieles konnte. Nicht umsonst war er hierher versetzt worden, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und um seine Pflichten zu erfüllen.
 

Vor gut drei Tagen hatten sie das erste Mal ihre Drachen alleine versorgt. Sein eigener trug den Namen Tilarodon. Er war ein stattlicher fünfjähriger europäischer Walddrache. Durchaus klug und sehr aufmerksam. Ihre erste Unterhaltung hatte ihn ehrlich gesagt doch extrem erstaunt, denn während seiner Ausbildung hatte er sich nahezu niemals mit einem Drachen unterhalten können. Tilarodon allerdings hatte eine verdammt genaue Vorstellung davon, wie ihre Bindung als Team funktionierte und zu seinem Bedauern hatte er einsehen müssen, dass der Drache verdammt recht hatte. Saiha schien von ihnen nicht gerade begeistert zu sein. Bei ihren Übungen übernahm sie oft auch ihre Aufgaben und stach sie damit regelrecht aus. Ihre Drachendame war da nicht anders.
 

Wenn Namaki etwas positives der letzten Tage berichten sollte, konnte er eigentlich nur anmerken, dass ihre Drachen sich blendend zu verstehen schienen. Man sah sie auch außerhalb ihrer Übungen oft zusammen, sie redeten viel miteinander und schienen sich auch gegenseitig gut einschätzen zu können. Doch was sie als Menschen anging, so sah er da nahezu keine Hoffnungen mehr. Saiha schien regelrecht abgestoßen von ihm zu sein. Er hatte nun wahrlich einiges versucht um diese Frau irgendwie zu erreichen und ganz gewiss nicht in einem Sinne, der ihr das Gefühl geben konnte, er sei sexistisch und sexuell an ihr interessiert. Aber irgendwie schien er da immer wieder auf Mauern zu treffen. Er wusste einfach nicht mehr weiter. Wenn sie ihre Differenzen nicht schnell beilegten, würden sie beide wieder weg geschickt werden. Was dann mit ihren Drachen passierte, da wollte er nicht einmal drüber nachdenken. Sie waren eben nicht wie Tiere, die beiden hatten mit ihnen einen Bindung geschlossen, da konnte nun nicht irgend jemand anderes kommen und ihren Platz einnehmen.
 

In seiner Verzweiflung ging er sogar so weit, Jinalatira um Rat zu bitten. Immerhin war die Drachendame mit ihrer Reiterin oft zusammen. Sie redeten, banden sich fester aneinander und somit sollte sie diese Frau auch am besten kennen. Doch wirklich helfen tat sie ihm auch nicht. Sie schmunzelte nur leicht und erklärte ihm, dass Männer erst beweisen müssten, dass sie in der Lage waren ihren Kopf zu gebrauchen, ehe man ihnen trauen konnte. Damit etwas anfangen konnte Namaki allerdings nichts und langsam kam er an einem Punkt, wo sein Verlangen, es irgendwie hinzubekommen, immer mehr schmolz. Wozu sollte er sich auch anstrengen, wenn diese Frau es nicht einmal zu ließ? So tat er das einzige, was er gerade tun konnte. Er ignorierte die Frau vollkommen und damit schien sich endlich etwas zu ändern.
 

Zuerst war es nicht einmal offensichtlich. Es war nur ein kleiner Blick, dem er gar keine wirkliche Aufmerksamkeit schenkte, während er sich um seinen Drachen kümmerte und ihm das Fluggeschirr nach einem Übungsflug abnahm, um es zu reinigen und ordentlich wegzupacken. Er bemerkte durchaus ihre Blicke, doch er störte sich einfach nicht mehr daran. Dann schien es so, als wenn sie sich nahezu immer in seiner Nähe aufhielt. Machte er eine Pause, machte sie auch eine. Ging er nach seinem Drachen schauen, tauchte auch sie kurz darauf auf, lief er ins Offiziersbüro, um ihre Befehle abzuholen, wartete sie bereits vor der Tür und nahm ihm ihre Kopie dieser Befehle ab.
 

Mit der Zeit wurde aber immer offensichtlicher, dass sie begann ihn näher an sich heranzulassen. Was diesen plötzlichen Wandel ausgelöst hatte, konnte er jedoch nicht so wirklich sagen. Im Grunde hatte er doch nur aufgegeben, sie irgendwie noch zu erreichen. Dennoch, spätestens bei einem ihrer Übungsflüge wurde mehr als offensichtlich, dass sich etwas verändert hatte. Gerade flogen sie über einen See hinweg, als die Drachendame ins schlingern geriet. Sie war in eine der dünneren Atmosphären geraten und hatte etwas Schwierigkeiten sich wieder zu fangen. Ihre mächtigen Schwingen schlugen, um wieder Auftrieb zu bekommen und Namaki lenkte seinen Drachen automatisch zur Seite, um den gefährlichen Klauen der Drachendame zu entgehen. Er wusste irgendwie, wo sie ihren Drachen hin lenken würde. Wie von selbst fanden sie erneut in ihre Positionen, nachdem Jinalatira sich stabilisiert hatte. "Alles in Ordnung?", fragte der junge Mann dann und bekam zum ersten Mal in seinem Leben ein Lächeln von der Frau geschenkt. "Dank dir, wärst du in der Formation geblieben, hätte es böse enden können!", erwiderte sie dann.
 

Von dem Moment an lief alles bestens zwischen ihnen. Es war wohl übertrieben zu glauben, dass sie von Beginn an sich wunderbar verstanden, es gab trotz allem Momente, wo sie einander nicht ab konnten, wo es Streit gab, doch mit den Tagen die dann vergingen, lernten sie sich immer besser kennen und wurden endlich zu dem Team, welches sie hatten werden sollen. Auch ihre Drachen verstanden sich prächtig, sie fraßen gemeinsam und oft teilten sie sich in der Nacht eines der Nachtlager. Besser hätte es wirklich nicht laufen können.
 

Schließlich war es so weit und sie bekamen endlich ihren Einsatzbefehl. Am Abend bevor sie aufbrechen sollten, um ihre Basis zu erreichen, packte Namaki seine wenigen Dinge ein und brachte sie in den Vorhof. Viel Schlaf würden sie in dieser Nacht einfach nicht bekommen, es musste alles vorbereitet werden. Ihre Sachen mussten gepackt werden, das Geschirr gereinigt, damit es auf dem langen Flug nicht begann zu scheuern. Sie brauchten Nahrung für zwei oder drei Tage, nicht überall wäre es möglich, dass sie landeten und sich versorgten. Viele Orte waren Drachen dieser Größe nicht unbedingt gewöhnt und an vielen Orten gab es auch kaum eine Möglichkeit zu landen.
 

Als am frühen Morgen die Sonne auf ging, legten sie den Drachen das Geschirr an und verstauten die Dinge, die sie unbedingt dabei haben mussten, ehe sie sich auf den Rücken der mächtigen Tiere schwangen und noch einmal alles prüften. Sie waren bereit. Jinalatira war die erste, die ihre Schwingen ausbreitete und kräftig mit ihnen schlug, um sich langsam in die Lüfte zu erheben. Tilarodon folgte knapp eine Minute später und erhob sich ebenfalls. Wie von selbst begaben sie sich in ihre Positionen und glitten in den lauen Morgen hinein, um ihre Weg hinter sich zu bringen, um ihren Einsatzort in der geforderten Zeit zu erreichen.
 

"Hast du genaue Anweisungen bekommen?", fragte Saiha nach gut einer Stunde, doch alles was sie bekam war ein leichtes Kopfschütteln. "Wir werden gut eine Woche brauchen ... soweit ich gesehen habe, gibt es auf dem Weg nur drei Dörfer, wo wir halten könnten. Zum Glück gibt es viele Gewässer unterwegs, sodass die beiden ihren Hunger stillen können!", erwiderte Namaki nach einer Weile und tätschelte sanft den kräftigen Nacken seines Drachen, der in Zustimmung leicht brummte. Es war ein Rumpeln, welches tief aus dessen Kehle zu kommen schien und selbst auf dem Rücken noch deutlich zu spüren war.
 

Auch Saiha brummte leise. "Nur Fisch?", kam dann aber auch Jinalatira zu Worte und Namaki musste doch leise lachen. "Ich denke wir können auch in einen der zahlreichen Wälder rasten und ihr beide könnt auf die Jagd gehen. Abwechslung sollte es demnach mehr als genug geben!", beruhigte er die Drachendame, die durchaus bereits so etwas wie eine leichte Abneigung gegen Fisch zu hegen schien. Aber darum musste sie sich wirklich keine Sorgen machen. Sie konnten sich auf ihrem Weg auch anderweitig versorgen, sodass sie nicht nur Fisch jagen musste.
 

Es war bewundernswert, wie verschieden zwei Drachen sein konnten. Tilarodon war ein Drache, der ziemlich stumpf sein konnte. Wenn er etwas im Kopf hatte, sprach er es aus, egal ob derjenige der es hörte damit zurecht kam oder nicht. Einmal hatte Namaki ihn beobachten können, wie er fast schon wie ein Gockel vor einer Herde Drachendamen herumstolziert war. Mit stolz geschwollener Brust. Das Bild war etwas belustigend gewesen und Namaki hatte sich auch nicht davor stoppen können, den Drachen leicht damit zu necken. Er kam langsam in das Alter, wo auch er sich paaren konnte, aber natürlich war das keine Option. Auf die Idee, dass Jinalatira in dieser Hinsicht interessant für ihn sein könnte, kam er allerdings nicht. Bisher hatte der Drache keinen Blick auf sie riskiert. Aber auch was seine Ernährung anging, so war er da recht unkompliziert. Er schlang Fisch in ganzen Brocken runter, nahm auch Früchte und Beeren an, war aber genauso ein begnadeter, wenn auch grausamer Jäger, der seine Beute nicht mehr entkommen ließ, wenn er sie erst einmal entdeckt hatte.
 

Jinalatira hingegen war eine echte Dame. Sie bewegte sich eher elegant und vorsichtig. Bei ihr hatte er nie zu sehen bekommen, dass sie einem Drachen einen zweiten Blick geschenkt hatte. Das Problem bei ihr war aber eindeutig, dass sie Nahrung verweigerte, wenn sie diese nicht mochte. Fisch war einer dieser Nahrungsmittel, die bei ihr nicht hoch im Kurs standen. Sie stand eindeutig auf süße Früchte. Vor allem Ananas schien sie zu lieben. Auch Fleisch mochte sie, allerdings fraß sie ihre Beute mit bedacht. Während der männliche Drache nach einer Mahlzeit deutlich mit Blut besudelt war, war sie nahezu lupenrein sauber. Die Unterschiede waren damit durchaus sehr deutlich zu erkennen.
 

Für den größten Teil des Tages flogen sie ruhig nebeneinander her und unterhielten sich hin und wieder nur leise miteinander. Erst als es Nachmittag wurde, folgten sie einen Fluss, bis sie eine große Wiese erreichten, hinter der sich ein weiter Wald erstreckte. Langsam sanken sie tiefer und landeten letzten Endes. Routiniert entluden die beiden Drachenreiter ihre Tiere und nahmen ihnen das Geschirr ab, um sie dann zu entlassen. Während die Drachen auf die Jagd gingen, bereiteten die beiden Menschen ihr Nachtlager vor und versorgten sich ebenfalls.
 

Es war bereits dunkel, als die Drachen zurück kamen und irgendetwas war anders. Sie legten sich ein Stück von ihnen entfernt nieder und unterhielten sich so leise, dass man sie kaum verstehen konnte. Namaki störte sich nicht daran, es war doch ein gutes Zeichen, wenn sie sich mehr miteinander beschäftigten. Immerhin war das eine Voraussetzung dafür, dass ihre gemeinsame Arbeit funktionieren würde. Er selbst legte nur etwas Holz für ihr Feuer nach, ehe er sich wieder hinsetzte und in die Flammen blickte.
 

"Hast du dich schon einmal gefragt, was passieren würde, wenn die beiden Gefallen aneinander finden würden?", fragte Saiha schließlich in die Stille hinein und brachte Namaki dazu, aufzuschauen. Die Frage war gut. "Vermutlich würde man sie sofort trennen ... bevor er seine Gene weiter geben darf, werden wohl noch einige Jahre vergehen!", erwiderte er und musterte die beiden Drachen deutlich. Die meisten Drachen waren bereits weit über 50 Jahre alt, ehe sie sich mit einer Drachendame paaren durften. Und die Eier wurden eingezogen. Aber nun wo das Thema zur Sprache kam, fragte er sich auch, ob das wohl richtig war. Bei den Menschen kontrollierte immerhin auch niemand, ob sie wirklich Kinder zeugen und austragen durften. Er verstand ja, dass man die Drachenpopulation ein wenig kontrollieren musste, aber aus dem Unterricht wusste er auch, dass die meisten Drachen in freier Wildbahn nicht mehr wie zwei oder drei Eier in ihrem ganzen Leben legten. Das war erstaunlich wenig, wenn man bedachte, dass sie weit über 100 Jahre werden konnten.
 

"Ich fände es schade!", erwiderte Saiha daraufhin und erhob sich dann. "Wenn ich ehrlich bin, ich würde es nicht einmal melden, wenn die beiden Interesse aneinander hätten!", gab sie ehrlich zu und fuhr sich durch ihr langes, dunkles Haar, ehe sie in die Richtung des Zeltes ging, das sie diese Nacht bewohnen würde. "Hey, Saiha ... darf ich dich etwas fragen?", meinte Namaki dann und blickte zu der Frau auf. Als diese nickte, schluckte er erst einmal, fasste sich dann aber ein Herz. "Was genau war es eigentlich, dass du mir eine Chance gegeben hast? Immerhin hast du mich am Anfang wirklich auf Abstand gehalten!", erklärte er, ohne den Blick abzuwenden. Er musste eingestehen, dass sie wirklich eine Schönheit war, was besonders im Licht des Lagerfeuers noch deutlicher wurde. Dann lächelte sie. "Du hast aufgehört mich als Frau zu sehen und mich begonnen ernst zu nehmen!", erklärte sie verschmitzt und schenkte ihm ein deutliches Lächeln, ehe sie sich ganz abwendete und in dem Zelt verschwand.
 

Namaki konnte nicht anders, als er mit geöffnetem Mund nachzusehen. Hatte er das wirklich? Aufgehört sie als Frau zu sehen? Irgendwie konnte er das nicht so recht bestätigen. Saiha sah wirklich wahnsinnig gut aus, sie war attraktiv und zeigte schon anhand ihrer Kleidungswahl mehr als deutlich, was sie als Frau zu bieten hatte. Er würde lügen wenn er behaupten würde, dass er nicht gerne versuchen würde bei ihr zu landen. Er war immerhin auch nur ein Mann. Aber was durchaus stimmte war, dass er aufgehört hatte sie zu sehen. Er war genervt von ihr gewesen und hatte versucht sie zu ignorieren. Vielleicht meinte sie ja das. Er konnte zwar nicht behaupten, dass er versucht hätte sie offen anzumachen, aber er hatte durchaus sie deutlich gemustert. Vielleicht hatte sie dieses ja mitbekommen. Möglich war es auf jeden Fall.
 

Mit einem leichten Kopfschütteln machte er es sich gemütlich und beobachtete weiter die beiden Drachen, die nahe beieinander lagen. Erst jetzt fiel ihm deutlich auf, dass sein Drache nicht wie sonst vollkommen blutverschmiert war. Er sah eher aus, als wenn er ein langes Bad genossen hätte. Tilarodon liebte Wasser und gerade dort sah man oft auch noch, wie jung und verspielt er im Grunde war. Bis er begann wirklich sich zu vermehren würden noch viele Jahre ins Land gehen. Trotzdem ließ ihn Saihas Bemerkung nicht los. Wie sollte er wohl reagieren, wenn ihre Drachen sich füreinander interessierten? Es war ja nicht so, dass es ausgeschlossen war, oder dass jemand es unbedingt mitbekommen musste. Ihre Aufgabe bestand darin Kurierflüge zu erledigen. Die meiste Zeit über würden sie irgendwo in der Wildnis übernachten. Trotzdem, er hoffte, dass es nicht dazu kam. Beziehungen machten die Arbeit kompliziert, nicht umsonst versuchte er selbst auch gar nicht erst Saiha nahe zu komme. Es würde alles einfach nur wahnsinnig schwer werden lassen.

 

 

 

 

 

 
 

* *** *

Seufzend speicherte der Blondschopf seine Arbeit und klappte den Laptop dann zu. Etwas über 4000 Worte waren für den Anfang schon einmal nicht schlecht, aber er merkte auch, dass er sich etwas schwer mit der Geschichte tat. Wirklich zufrieden war er damit auch nicht und er wusste, dass er sie noch einige Male überarbeiten würde, ehe er den ersten Entwurf seinem Verleger zur Ansicht übergab. So fühlte er sich einfach sicherer.
 

Für den Augenblick reichte es ihm aber auch. Schon die letzten paar Absätze waren ihm unglaublich schwer gefallen und er wollte sich nicht zum Schreiben zwingen. Wenn er damit anfing, würde es nichts weiter wie ein Job sein, der ihm dann nicht einmal besonders gefiel. Das Schreiben war ein Tor in eine andere Welt für ihn. Es regte die Fantasie an und beruhigte ihn irgendwie. Wenn er etwas machen sollte, was ihm einfach nicht lag, würde er in Sasukes Firma anfangen und sich dort extrem langweilen. Aber das war keine Option. Er hasste solche Berufe, es war schon irgendwie ganz gut so, dass er arbeiten konnte wann er wollte, so wie es im Augenblick ja der Fall war.
 

Vorsichtig schob er den Laptop zurück in seine Tasche und drückte seinen Sitz anschließend zurück, um in eine bequemere Position zu gelangen. Sein Flug dauerte noch einige Stunden und er zog es vor, diese weitestgehend schlafend zu verbringen. Der Stress würde schon früh genug losgehen. Er mochte nicht einmal daran denken, was es mit ihm machen würde, wenn er dem Uchiha entgegen treten musste. Schon alleine beim Gedanken daran zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Am liebsten würde er auch jetzt noch zurück kehren und Sasuke sich selbst überlassen. Innerlich war er einfach noch nicht soweit, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Natürlich hatte er früher an dem Uchiha sehr gehangen, sie waren Freunde gewesen, aber mittlerweile empfand er vollkommen anders. Jede Sekunde diesem Mann nahe sein zu müssen war wie eine Tortur. Er wünschte ihm wirklich nur das Beste, aber bitte ohne ihn an seiner Seite haben zu müssen.
 

Aber nicht nur Sasuke, auch seine anderen Freunde würden eine Erklärung verlangen. Er hatte jeden vollkommen ohne ein Wort zurückgelassen und dass sie nicht aufgegeben hatten, hatte sich in den vergangenen Jahren ja mehr als deutlich gezeigt.Er konnte das wirklich nicht und er betete regelrecht dafür, genug Kraft aufzubringen, das alles durchzustehen. Irgendwie musste er das schaffen. Er war ja nicht gerade ein Mensch, der sich Schwierigkeiten nicht stellte, dennoch, das hier war weitaus mehr. Das war seine persönliche Hölle.
 

Unzufrieden rollte er sich dann auf die Seite und schloss die Augen. Eine dünne Decke hüllte seinen Körper ein, wirklich Wohlbehagen konnte aber selbst diese ihm nicht geben. Dennoch versuchte er nun wirklich zur Ruhe zu kommen. Er brauchte Kraft. Er brauchte verdammt viel Kraft und so war es auch sehr erlösend für ihn, als er dann letzten Endes wenigstens in einen leichten Schlaf fiel und damit jeder Gedanke an Sasuke und seinen Freunden ihm einfach entglitt. Es war erlösend für den Blondschopf.

 

 

 

 

 

 
 

***

"Sir? Sie müssen ihren Sitz in eine aufrechte Position bringen und sich anschnallen!" Naruto kannte die Stimme nicht und alles in ihm wehrte sich gerade dagegen, aufzuwachen und damit wieder in die Realität zurück zu finden. Er hatte geträumt. Er hatte sogar gut geträumt, von der Zeit, als er noch ganz klein gewesen war. Damals, als es Sasuke noch nicht in seinem Leben gegeben hatte. Naruto erinnerte sich daran, wie sie einen Tag im Zoo verbracht hatten, wie er all die Tiere bestaunt hatte und wie Kakashi ihm leicht gelangweilt erzählt hatte, was er über diese Tiere gewusst hatte. Kakashi war schon immer so gewesen. Wenn man ihn ansah, konnte man nie genau sagen, wie es ihm ging. Er sah eigentlich immer chronisch gelangweilt aus, aber manchmal zeigte er auch deutlich was er fühlte. Er lächelte und sein ganzes Gesicht schien sich dann so zu verändern, dass man es genau sehen konnte. Es wurde weicher und irgendwie angenehmer.
 

"Sir! Es wird Zeit sich aufzusetzen!", nervte ihn die Stimme erneut und dieses Mal murrte der junge Autor deutlich und zog die Decke höher, um sich davor zu schützen, nun aufwachen zu müssen. Er wusste tief in sich, wenn er erwachte, würde es nicht mehr lange dauern, bis er da war. Die meiste Zeit des Fluges hatte er zum Glück verschlafen und am liebsten würde er es bei der Landung genauso handhaben. Es war doch nichts dabei, wenn er einfach so hier liegen blieb und noch ein wenig mehr von der Zeit träumte, die ihm noch immer gut in Erinnerung war.
 

"Sir!", kam es erneut und dieses Mal spürte er deutlich die Hand an seiner Schulter, die ihn rüttelte. "Ja ... bin ja schon wach!", murrte er letzten Endes, als er einsehen musste, dass er nichts erreichen würde. Müde fuhr er sich über die Augen und öffnete sie dann. Die junge Frau vor ihm wirkte genervt, vermutlich hatte sie nun schon einige Male versucht ihn zu wecken, aber wirklich Mitleid hatte er mit ihr nicht. Er war schon immer jemand gewesen, der sehr tief schlief. Als er sich hingelegt hatte, war er noch oft hoch geschreckt, wenn es ein Geräusch in der Maschine gegeben hatte, aber irgendwann war er in einen angenehm tiefen Schlaf geglitten, der ihm auch einiges an Kraft gegeben hatte, die er gleich auch dringend benötigen würde.
 

Seufzend setzte er sich dann endlich auf und stellte seinen Sitz wieder auf, bevor er die Decke leicht zusammen faltete und sich endlich anschnallte. Erst dann ließ die Frau ihn in Ruhe und bewegte sich zu einem der Sitze hinter ihm, um dort die Ansage zu wiederholen, die sie bei ihm schon gemacht hatte. Naruto hingegen blendete alle um sich herum aus und blickte aus dem Fenster heraus. Viel sehen konnte er nicht, aber das interessierte ihn gar nicht. Irgendwie musste er gerade an Hikari denken. Es war nicht so, dass er etwas gegen diese Frau gehabt hätte. Ganz im Gegenteil. Sie war nett gewesen, das musste selbst er zu geben. Aber leider war sie auch diejenige gewesen, die es geschafft hatte, den Uchiha einzufangen. Anders konnte man es nicht nennen.
 

Er erinnerte sich daran, dass sie eine recht sanfte Frau gewesen war und vor allem auch daran, wie Sasuke ihm erzählt hatte, dass sie sterben würde. In dem Augenblick hatte er nicht gewusst was genau er empfand, oder empfinden sollte. Es war eben schwierig für ihn. Aber eines wusste er durchaus, ihren Tod hatte er nicht gewollt. In diesem Zusammenhang musste er auch an die Zwillinge denken, die diese Frau zurückgelassen hatte. Er hatte Bilder gesehen und beide sahen Sasuke unglaublich ähnlich. Sie waren noch so jung und er verstand durchaus, was der Verlust wohl in ihnen ausgelöst hatte. Er musste zugeben, dass die beiden ihm Leid taten, auch wenn er sie nie kennengelernt hatte.
 

Naruto war so in seinen Gedanken versunken, dass er zum ersten Mal nicht einmal wirklich mitbekam, wie die Machine langsam immer tiefer sank. Erst als sie etwas unsanft aufsetzten, wurde ihm bewusst, dass sie bereits gelandet waren. Keine gute Sache in seinen Augen. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, bis er die Maschine verlassen musste. Sie rollten in Position, sie bekamen Anweisungen und dann wurde der Ausgang freigegeben und alle strömten regelrecht nach draußen. Naruto nahm sich Zeit. Er schnallte sich ab und griff nach seiner Tasche, ehe er den anderen folgte. Raus aus der Maschine, die Treppe hinab und dann den langen Gang entlang, der ihn in das Innere des Flughafens bringen würde. Irgendwie spielte es keine Rolle an welchen Flughafen man war, diese Abläufe waren überall gleich.
 

Jeder Schritt war einer, den er erzwingen musste und dann folgte auch schon der nächste. Es war wirklich nervenaufreibend und als es ein Ende fand, fühlte er sich schlechter wie die ganzen Stunden zuvor. Er betrat den Flughafen und hob den Blick und genau dort sah er ihn. Sasuke würde er wohl unter hunderten erkennen. Noch immer blickte er so ... so ... angepisst ihm entgegen. So kannte ich ihn. Sie mochten Freunde gewesen sein, ihm aber ein Lächeln zu entlocken hatte auch ihm unheimlich viel abverlangt. Sasuke war nicht der Mensch, der grinsend durch die Straßen lief, das war immer sein Part gewesen. Eigentlich konnte man wirklich behaupten, dass es eher verwunderlich gewesen war, dass ausgerechnet sie sich verstanden hatten. Wirklich verwunderlich!
 

Schließlich atmete Naruto tief durch und ging auf den Uchiha zu. "Mein Beileid!", meinte er dann leise und vermied es, Sasuke direkt anzusehen. Was sonst sollte er sagen? Es tut mir Leid? Ich wünschte ich könnte etwas tun? Eigentlich war selbst das mein Beileid schon viel zu viel. Er konnte sich daran erinnern, wie oft Kakashi und er es zu hören bekommen hatten und mit jedem weiteren mal war Naruto wütender geworden. Er wusste auch, dass er sich damals gefragt hatte, was die Erwachsenen sich dabei dachten. Glaubten sie, es wurde dadurch besser? Dass der Schmerz endete? Er wusste, dass es nicht so war. Es änderte sich nichts daran.
 

"Hnn...", war alles, was er darauf zurück bekam. Das konnte ja heiter werden. Diese einseitigen Aussagen ohne Sinn und Verstand waren es, die ihn schon damals aus der Ruhe gebracht hatten. Und auch heute war seine Reaktion nicht anders wie früher. Er rollte mit den Augen und schob sich an dem Uchiha vorbei. Es war Zeit, dass er sein Gepäck holte und sie von hier weg kamen. Die Idee, ein Hotelzimmer zunehmen war wieder unglaublich verlockend für ihn, aber Sasuke wollte, dass er in einem ihrer Gästezimmer lebte. Warum, das konnte Naruto sich denken. Er wollte Antworten und von nun an war es wohl eher eine Frage der Zeit, bis er unter Druck gesetzt wurde.
 

Die Fahrt für sich verlief schweigsam. Sasuke konzentrierte sich voll und ganz auf den Verkehr und Naruto schaute nur aus dem Fenster heraus, wobei er die Dinge aufnahm, die früher für ihn ganz normal gewesen waren. Die Geschäfte in den Straßen, mache waren wie früher noch die gleichen, manche hatten sich verändert oder waren sogar verschwunden und neue hatten sich angesiedelt. Die Schule, an der sie vorbei kamen, selbst die Schwimmhalle die er in einiger Entfernung erkennen konnte. Das Haus in dem er aufgewachsen war und in dem Kakashi seines Wissens nach noch immer lebte. Er wollte all diese Dinge nicht einmal sehen, aber ihm blieb nichts anderes übrig.
 

Als sie endlich ankamen, fühlte Naruto sich ziemlich ausgelaugt. Sasuke parkte den Wagen vor der Garage und stieg dann aus. Auch Naruto stieg aus und holte seine Tasche aus dem Kofferraum, in welche er seine Sachen gepackt hatte, die er brauchen würde. Das Haus für sich war still wie immer, es war schon irgendwo seltsam, dass man nicht einmal die Kinder hören konnte. Dass sie aber wirklich da waren, sah er, als er Sasuke über den langen Gang folgte und in Wohnzimmer die Kinder entdeckte. Sie sahen wirklich aus wie der Uchiha, es gab keinen Zweifel daran, dass er der Vater war. Was Naruto aber eindeutig verwunderte war, dass sein Freund an den beiden vorbei ging und auch diese nur einmal aufschauten, ehe sie sich wieder mit den Dingen beschäftigten, die sie zuvor schon getan hatten.
 

Naruto sagte nichts und folgte Sasuke weiter bis nach oben, wo ihm ein Zimmer gezeigt wurde, das er bewohnen würde. Schweigend brachte er seine Sachen herein. Der Futon lag in der Ecke, säuberlich gefaltet. Zum Glück gab es auch einen Schreibtisch, an dem er arbeiten konnte. Wenn man aus dem Fenster blickte, sah man in den großen Garten hinein. Weiter hinten konnte er so etwas wie einen Spielplatz erkennen, aber er bezweifelte, dass die Zwillinge gerade sehr oft dort waren. Sie sahen einfach nicht so aus.
 

"Du weißt, du schuldet mir eine Erklärung!", hörte er dann auch schon die tiefe Stimme des Uchihas, die ihm unangenehm den Rücken herunter lief. Er hasste diese Stimme, er war ehrlich froh gewesen, diese nicht mehr hören zu müssen. Er wusste nicht einmal warum ... doch, eigentlich wusste er es sehr wohl. Er wollte nur nicht darüber nachdenken. Das brachte einfach nichts in seinen Augen. Er hatte sich eben mit den Umständen abgefunden, die sich so ergeben hatten. Anders ging es ja auch nicht, sie waren keine Kinder mehr, die sich einbilden konnten, alles würde wieder besser werden, wenn man nur ganz fest daran glaubte. So war das Leben einfach nicht.
 

"Ich schulde dir nichts, Sasuke ... akzeptiere meinen Wunsch einfach, diesen Ort endlich hinter mich zu lassen!", erklärte er abweisend, ohne sich zu dem Uchiha zu zuwenden. "Bullshit! Seit wann bist du zu feige ehrlich zu uns zu sein? Mir persönlich kann es egal sein, für mich war das Thema erledigt, als du einfach gegangen bist!", zischte der Schwarzhaarige und nun drehte Naruto sich doch zu dem Uchiha herum. Seine blauen Augen schienen dunkler geworden zu sein und seine Mine war hart und abweisend. "Und wieso bin ich dann hier?", fragte Naruto kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Es ging nicht anders! Er musste so sein, er musste die mühsam aufgebaute Mauer aufrecht erhalten, bis er wieder nach Hause fahren konnte. Ein paar Tage, das konnte er schaffen.
 

"Weil es Hikaris letzter Wille war, dass wir uns wieder vertragen, weil sie es nie akzeptieren konnte, dass du einfach gegangen bist. Sie wusste, dass es ihre Schuld war!", bekam er entgegen geschleudert. Das saß! Das saß sogar verdammt tief, wenn Naruto ehrlich war. Ausgerechnet sie war es also, die Sasuke dazu animiert hatte, nicht aufzugeben. Dennoch schwieg er und wendete sich wieder ab, als der Uchiha das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zu zog.

 

 

 

 

 

 
 

***

Wenn man es recht bedachte, war es sogar verständlich, dass die Frau ihre Finger im Spiel gehabt haben musste, damit Sasuke nicht aufgab. Himmel, der Uchiha hatte einen verdammt dicken Stock in seinem Hintern, er würde nie so etwas tun, wenn er es nicht musste. Aber diese Frau schien ihm wirklich den Kopf verdreht zu haben. Früher war das anders gewesen. Früher hatte keine Frau es geschafft den Uchiha zu erreichen. Sasuke waren alle egal gewesen ... abgesehen von ihm selbst verstand sich. Sie hatten sich einfach verstanden.
 

Dennoch, auch bei ihnen hatte es klare Grenzen gegeben. Sie mochten Freunde gewesen sein, aber nichts hatte sich so massiv einbringen können, dass sie begannen sich selbst zu vergessen. Und Sasuke war nie jemand gewesen, der Dinge hingenommen hatte, die ihn ärgerten. Es war wohl naiv gewesen zu vermuten, dass es Sasukes eigener Wunsch gewesen war, ihn wiederzusehen. Aber selbst als ihm dieser Gedanke kam, war Naruto sich bewusst, dass das nur die halbe Wahrheit sein musste. Letzter Wille hin oder her, ein Uchiha verbog sich nicht einfach so. Nicht einmal für die Frau die er liebte. Da waren die Brüder sich wirklich ebenbürtig und Naruto wusste einfach, dass Hikaris Wunsch nicht der alleinige Grund war, dass er nun heute hier stand.
 

Langsam löste er sich von dem Platz und legte seine Tasche mit dem Laptop auf den Schreibtisch. Eigentlich hatte er weiter schreiben wollen, aber nun fehlte ihm dafür eindeutig der Ehrgeiz, oder gar die Kraft das zu machen. Er war aufgewühlt und er hatte gewusst, dass es genau so kommen würde. Er und Sasuke, das war mittlerweile eine Kombination, die einfach nicht gut gehen konnte. Sie hatten sich auseinandergelebt.
 

Dass der restliche Tag, nein die ganze Zeit hier schrecklich werden würde, war dem Uzumaki damit absolut bewusst. Er wusste es einfach und bekam es letzten Endes ja auch damit bestätigt, als er zum Essen gerufen wurde. Die ganze Atmosphäre war so unglaublich angespannt, dass man es kaum aushalten konnte. Er und Sasuke schauten sich nicht einmal an, sie redeten nicht miteinander und auch die Zwillinge sagten absolut gar nichts. Es war einfach unglaublich unangenehm, mit diesen drei Menschen an einem Tisch zu sitzen.
 

Naruto wusste gar nicht, was ihm mehr belastete. Wenn er die beiden Kinder ansah, sah er geradewegs in Sasuke. Sie waren ihm so unglaublich ähnlich, nicht nur was ihr äußeres anging, auch ihre Mimik. Er sah in ihnen den Sasuke, den er vor vielen Jahren bereits gesehen hatte, damals, als dessen Eltern umgekommen waren. Es war so unglaublich lächerlich, dass sie wirklich gleich aussahen und gleichzeitig war es auch verdammt schmerzhaft. Das war nun so viele Jahre her, eigentlich hätte er darüber hinweg sein sollen.
 

Nun, im Grunde war Naruto stets ein Mensch gewesen, der andere ernst genommen hatte. Und in diesem Augenblick war das Verlangen unglaublich groß, den beiden durch das rabenschwarze Haar zu fahren. Aber natürlich tat er das nicht. Irgendwie war er sich auch ziemlich sicher, dass sie genauso reagieren würden wie ihr Vater. Mit einem Blick, der jeden gleich ins Grab befördern konnte. Wie er die nächsten Tage durchhalten sollte war ihm wirklich ein Rätsel. Schon jetzt war er angespannt und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut und vor allem in dieser Gesellschaft.
 

Natürlich war Naruto unglaublich erleichtert, als den Kindern erlaubt wurde, zu gehen. Auch Naruto erhob sich, um in sein Zimmer zu kommen. "Die anderen kommen morgen früh ... was das bedeutet sollte dir klar sein. Die Zwillinge werden morgens abgeholt, wir alle wollen ein paar Antworten von dir!", erklärte der Uchiha dann, ohne sich zu Naruto herumzudrehen. Es wäre ja wirklich zu schön gewesen, wenn er so davon gekommen wäre. Eigentlich hätte Naruto es besser wissen müssen. Dieses Mal allerdings verzichtete er darauf, etwas zu sagen. Es würde eh nichts bringen. Sasuke hatte durchaus recht, er schuldete ihm eine Erklärung. Er war gegangen, noch bevor er hatte heiraten können und das ohne irgendeine Erklärung. Er hätte Trauzeuge sein sollen und Naruto hatte ihn hängen gelassen.
 

Zurück in dem Zimmer schloss er die Tür und lehnte sich dann dagegen. Das hier war wirklich schwerer wie er gedacht hatte. Er könnte reden, dann könnte er sicher auch gleich zurück fliegen ... aber das war nicht richtig in seinen Augen. Er hatte so viele Jahre geschwiegen und auch jetzt wollte er von seinem Weg nicht abweichen. Es waren ja nur ein paar lächerliche Tage, die sollte er doch wohl aushalten, ohne ein zu knicken. Das Ziel war es ja auch wert. Er mochte den Uchiha so zurückgelassen haben, aber ein Teil von ihm hoffte einfach noch immer, dass sie irgendwie in Kontakt blieben. Minimal verstand sich, denn mehr konnte er nicht so einfach verkraften.
 

Mit einem tiefen Seufzen stieß er sich ab und ging weiter in den Raum hinein. Der Futon war mittlerweile ausgebreitet und auch jetzt war sein Verlangen recht gering, sich noch einmal an den Laptop zu setzen. Es war besser zu warten. Schnell entledigte er sich seiner Kleidung und schlüpfte nur in eine weiche, weite Schlafhose, ehe er sich hinlegte und die Augen schloss. Nur ein paar Tage! Wenn er sich das immer wieder deutlich machte, würde er es schaffen. Da war er absolut von überzeugt. Und auch, wenn er auf dem Flug bereits viel geschlafen hatte, schlief er nun ebenfalls recht schnell wieder ein. Die Zeitverschiebung war eben alles andere als angenehm und ein klein wenig wollte er auch davor fliehen, was ihn hier am nächsten Morgen erwarten würde.

 

03 deep sorrow


 

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03 deep sorrow

 

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Der Morgen war alles andere als angenehm. Als Naruto erwachte, hatte er das Gefühl gar nicht geschlafen zu haben. Oder besser gesagt, nicht in einem Bett. Seine Muskeln protestierten bei jeder einzelnen Bewegung, sein Kopf schmerzte, als wenn er in der vergangenen Nacht gefeiert hatte, wie sie es in ihrer Jugend einige Male getan hatten. Ihm war übel und am liebsten hätte er sich gleich wieder unter der viel zu dünnen Decke zusammen gerollt und sich geweigert an diesem Tage überhaupt aufzustehen. Es erwartete ihn wohl nichts gutes, die Worte seines besten Freundes kreisten noch immer in seinem Kopf und wenn er ehrlich war, so war sein Wille, sich seinen Freunden zu stellen unglaublich gering. Ein Teil von ihm war sogar trotzig genug sich verweigern zu wollen. Es war sein Leben. Freundschaften fanden sich, brachen aber auch wieder auseinander wenn man älter wurde und sich veränderte. Das war nicht nur bei ihnen so, so erging es jedem auf dieser Welt. Er war da nur ein kleines Licht, dennoch schienen seine Freunde da sturer zu sein.
 

Es war ja auch nicht so, als wenn er den Kontakt mit allen komplett abgebrochen hatte. Hin und wieder ließ er etwas von sich hören und zumindest zu Sakura pflegte er dennoch eine tiefe Freundschaft. Sie redeten manchmal sogar Stunden am Telefon miteinander, wobei er es war der anrief, jedes Mal darauf achtend, dass seine Telefonnummer nicht mit übertragen wurde. Sakura hatte wie alle anderen auch am Anfang durchaus versucht herauszufinden warum er gegangen war, doch als sie gemerkt hatte, dass er wirklich nicht darüber reden wollte, hatte sie es angenommen und nicht weiter versucht ihn zum Reden zu bringen. Naruto wünschte sich wirklich, dass auch alle anderen es so sehen konnten und endlich aufgaben.
 

Mit einem Seufzen schlug er die dünne Decke schließlich von sich und setzte sich auf. Erst dann streckte er seine wunden Muskeln aus, dehnte sich etwas, um dann sich ganz aufzurichten und zum Fenster zu gehen. Der Anblick war nicht gerade zufriedenstellend. Er vermisste Irland. Er vermisste die salzige Luft, die am Morgen kühl und am Mittag warm zu seinem Haus rüber wehrte. Er vermisste das leise Rauschen welches vom Meer immer zu ihm rüber getragen wurde, der Anblick der weiten Wiesen, der verfallenen Mauer die die einspurige Straße vor seinem Haus einrahmte. Er vermisste es in der Ferne das Haus seiner netten Nachbarin zu erkennen, die oft genug sich zu ihm begab, um ihn mit köstlichen Essen zu versorgen. Zwar sagte sie nahezu jedes Mal, dass sie zu viel gekocht hatte und den Gedanken nicht ertrug, dass man es weg warf, doch Naruto wusste es besser. Die freundliche alte Dame hatte sich seiner angenommen.
 

Was er auch vermissen würde, waren die Feste. Soweit er sich entsinnen konnte, war in zwei Tagen erneut eines, dieses Mal würde er nicht dabei sein. Er mochte seine Nachbarn, auch wenn er diese oft nur bei diesen Gelegenheiten zu sehen bekam. Er mochte die Familien, die kleinen Kinder die herum tobten, die alten Menschen die ihn immer in einer Art ansahen, als wenn er schon ein Leben lang bei ihnen leben würde. Es war für ihn eine Familie, eine die er auch hier hatte, das wusste er, dennoch war es auch anders.
 

Leicht atmete er durch und setzte sich an den Schreibtisch, zog seinen Laptop zu sich und schaltete ihn an. Er hatte Zeit, hoffte er zumindest, solange man ihn nicht heraus befehlen wollte, würde er nicht freiwillig nach unten gehen. Was ihn wunderte war, dass alles im Haus still war. Sicherlich, die Zwillinge mussten eine Menge Kummer haben, sie hatten gerade erst die Mutter verloren, doch er fand es wirklich merkwürdig, dass sie so ruhig waren. Wenn er ehrlich war, hatte er mit zwei verheulten kleinen Kindern gerechnet, oder eben mit zwei unbekümmerten, die noch nicht wirklich verstanden, dass ihre Mutter wirklich nie wieder zurück kam. Wie viel verstand man wohl, wenn man gerade erst fünf Jahre alt war? Naruto konnte sich nicht wirklich an diese Zeit erinnern, er war sich dennoch verdammt sicher, dass er zu diesem Zeitpunkt die Zeitspanne noch nicht verstanden hatte, was es bedeutete, nie wieder jemanden zu sehen.
 

Seine Finger geisterten über die Tastatur, während er diesen Gedanken nach hing. Er wollte wirklich gerne schreiben, je mehr umso besser wäre es für ihn. Auf diese Art konnte er vielleicht auch dem drohenden Unheil entgehen, das unten im Haus wohl bereits auf ihn wartete. Seine guten Momente zu nutzen um weiter zu arbeiten war schließlich etwas, worauf er auch angewiesen war. Ein Buch zu schreiben war nicht besonders einfach, vor allem dann nicht, wenn man wie er so viele Dinge im Kopf hatte, die keinen Einfluss auf den Schreibfluss und vor allem keinen Einfluss auf den Ton der Geschichte nehmen durften. Er schrieb hier keine traurige Geschichte, sie sollte die Fantasie anregen und zum Träumen verführen. Das war allerdings undenkbar, wenn seine Probleme ihn so einnahmen, dass er an nichts anderes mehr denken konnte.
 

Verärgert schloss er den Laptop wieder, ohne ein Wort geschrieben zu haben. Das brachte doch alles nichts, wenn er nicht einmal sich zusammen reißen konnte, wie sollte er dann weiter kommen? Vermutlich war es wirklich die beste Idee, dass er sich zusammen riss, sich seinen Freunden stellte, sie ein weiteres Mal auflaufen ließ und damit hoffentlich endlich die Ruhe bekam, die er brauchte. Er war nur aus einem Grund hier, er war da, um Sasuke bei der Beerdigung zu unterstützen. So wenig er die Frau auch hatte leiden können, Sasuke war ihm wichtig. Es tat durchaus weh zu wissen, dass dieser nur aufgrund Hikaris letztem Willen noch immer versuchte ihn zu erreichen, er wusste aber dennoch auch, dass er kein Recht hatte so zu denken. Schließlich war er es gewesen, der den Kontakt abgebrochen hatte und ohne diesen Zwischenfall wäre es auch dabei geblieben.
 

Schließlich stand er wieder auf und suchte aus seiner Tasche einige Sachen zusammen, bevor er leise das Zimmer verließ. Nichts war zu hören ... es war so unglaublich still in diesem Haus, dass man meinen konnte, nur er wäre im Augenblick hier. Aufgrund der Tatsache, dass es mittlerweile schon nach neun war, wusste er aber auch, dass der Schein trügt. Vielleicht waren die Kinder bereits abgeholt, warum Sasuke das so veranlasst hatte wusste er zwar nicht, aber im Grunde konnte es ihm egal sein. Er selbst hatte keine Bindung zu den beiden Kindern, sie taten ihm Leid, aber er kannte sie nicht genug um zu versuchen sie zu trösten. Vermutlich würden sie eh schreiend das Weite suchen, Kinder in diesem Alter konnten seltsam sein, vor allem wenn sie mit Fremden zusammen kamen.
 

Schnell schlüpfte er in das Badezimmer und schloss sich dort ein. Erst dann konnte er sich entspannen. Der Raum war groß und hell und auch hier sah man mehr als deutlich die Hand der jungen Frau, die alles eingerichtet hatte. Es wirkte einladend und warm, etwas, was Naruto im Augenblick lieber nicht sehen wollte. Auf der Ablage unter dem Spiegel standen drei Becher, mit drei Zahnbürsten drinnen und drei verschiedene Tuben an Zahncreme. Eine für Erwachsene, mit Minze verstand sich. In dem roten Becher war Zahnpasta mit Erdbeergeschmack und in dem blauen welche mit einer milden Minze. Ein Gefühl sagte ihm, dass der rote Becher dem Mädchen gehörte und der andere Sasukes Sohn. Man sah selbst bei solchen Dingen die unglaubliche Ähnlichkeit zwischen den beiden, es war irgendwo niedlich, das musste selbst er zugeben. Andererseits fand er es auch nicht wirklich angenehm. Dass der Junge seinem Vater ähnlich war, hatte er schon am Abend zuvor festgestellt und es war eher unangenehm gewesen. Dieses Kind war genauso verschlossen wie sein Vater, ein Kind in diesem Alter sollte noch ausgelassen sein. Auch mit den Dingen die hier geschehen waren. Dieses Verhalten kam nicht von Trauer, es ging weitaus tiefer, als man auf den ersten Blick erkennen konnte.
 

Mit einem leichten Kopfschütteln legte er seine Sachen zur Seite und schälte sich aus seiner Kleidung, um dann die Dusche anzustellen. Kaum war diese angenehm warm, stellte er sich unter den wohltuenden Strahl und schloss entspannt die Augen. Heute hatte er wahrlich einiges vor. Tief in sich wusste er, dass er dem Gespräch mit den Freunden nicht entfliehen konnte, doch vielleicht konnte er es abkürzen. Er wollte auf jeden Fall noch etwas schreiben, ehe er sich später mit seinem Ziehvater traf. Kakashi hatte sich gefreut zu hören, dass er zurück kehren würde. Dieser Mann war einer der wenigen, die nie versucht hatten ihn zu zwingen, seine persönlichen Motive offen zu legen. Irgendwann hatte er ihn einmal gefragt, ob er dort wo er nun war glücklich werden konnte und als er selbst mit einem klaren Ja geantwortet hatte, war das Thema für Kakashi erledigt gewesen. Mehr wollte der Mann nicht.
 

Naruto wusste aber auch, dass selbst dieser sich fragte was passiert war, damit er einfach so ging. Er wollte es wissen wie alle anderen auch, aber schon weil er nicht darauf drängte, stieß Naruto den Mann nicht von sich. Es war gut wenigstens zwei in seinem Leben zu haben, die nicht weiter versuchten in den Wunden zu bohren. Menschen wie Sakura und Kakashi brauchte er auch wirklich um sich herum ... blieb nur die Frage, wie er die anderen dazu bringen konnte, es ebenfalls gut sein zu lassen. Noch hatte er leider keine Antwort darauf. Schließlich öffnete er die Augen wieder und begann damit, sich zu waschen. Er ließ sich auch hierbei eine Menge Zeit und stellte das Wasser erst aus, als er wirklich vollkommen fertig war. Schnell stieg er aus der Dusche, trocknete sich ab und band sich das Handtuch um die Hüfte, ehe er zum Waschbecken ging.
 

Dort angekommen griff er zu seiner Zahnbürste und begann damit sich die Zähne zu putzen, während er weiterhin seinen Gedanken freien Lauf ließ. Die Beerdigung war am kommenden Tag, wenn man es streng nahm, konnte er gleich im Anschluss wieder gehen. Was ihn davon abhielt war allerdings die Tatsache, dass er versprochen hatte eine Woche zu bleiben. Was ihn da geritten hatte wusste er noch immer nicht, nun im Nachhinein konnte er diese Worte allerdings auch nicht mehr zurück nehmen. Gründlich spülte er seinen Mund anschließend aus und wendete sich dann seiner Kleidung wieder zu, die er mitgenommen hatte und die ordentlich auf einem Stapel auf der Toilette lagen. Gedankenverloren löste Naruto das Handtuch, zog sich anständig an und verließ dann mit den restlichen Sachen das Badezimmer.
 

Zurück in seinen Zimmer schaffte er erst einmal für Ordnung, packte seine getragenen Sachen ordentlich weg und räumte den Futon zur Seite. Früher hätte er so etwas nie gemacht. Als ihm das klar wurde, musste er doch leicht schmunzeln. Er war ein Chaot gewesen, alleine sein Zimmer hatte Kakashi oft dazu gebracht, seine Haare zu raufen. Kakashi konnte Unordnung gar nicht leiden, aber auch er hatte es nie hinbekommen, dass er ordentlicher wurde. Heute war das selbstverständlich für den jungen Autor. Er hatte gelernt seine Dinge schnell zu regeln, damit er nicht die Übersicht verlor. "Hierbei sollte ich es genauso handhaben!", murmelte er schließlich zu sich selbst, bevor er tief Luft holte und das Zimmer wieder verließ. Besser er brachte das unliebsame Gespräch schnell hinter sich, umso schneller würde er sich wieder den angenehmen Dingen dieser Reise widmen können.

 

 
 

***

Dass es nicht so leicht werden würde wie gedacht, wurde Naruto in dem Augenblick bewusst, als er an dem Wohnzimmer vorbei ging. Alle waren dort! Wirklich jeder einzelne seiner Freunde saß in dem Raum. Sogar Sasuke hatte sich zu ihnen gesellt. Ein Gespräch schien es nicht zu geben und dieses Mal konnte Naruto es nicht verhindern mit den Augen zu rollen. Die Menschen die seine besten Freunde waren saßen dort wie die Hühner auf der Leiter und warteten auf ihn. Nun, eine Weile würden sie noch warten müssen. Naruto stoppte nicht, sondern ging an dem Zimmer vorbei. "Wir warten, Naruto!", hörte er Sasuke schließlich. Naruto blieb stehen, ging zwei Schritte zurück und blickte verärgert zu dem jungen Uchiha. "Schön für dich, Bastard. Ich für meinen Teil ziehe es vor erst einmal einen Kaffee zu trinken, ehe ich mich deinem kindischen Spiel stelle!", zischte er verärgert und ließ Sasuke zurück, ohne ihm die Chance zu geben, zu reagieren.
 

Naruto wusste er bewegte sich auf dünnem Eis. Er wusste er stieß alle von sich und er war abweisender wie je zuvor. Damit mussten seine Freunde sich allerdings abfinden. Naruto musste sich irgendwie schützen und dieses war nun einmal seine Art geworden. Es wäre eindeutig leichter, wenn sie ihn einfach in Ruhe lassen würden, wie es aussah war das aber nicht in ihrem Sinne. Somit mussten sie wohl hinnehmen, dass er um sich biss so gut wie es ging. Noch immer verärgert verschwand er in die Küche und zog sich aus dem Schrank eine Tasse, um sich einen Kaffee einzugießen. Er hörte, wie jemand ihm folgte, doch er drehte sich nicht herum. Er wusste es war nicht Sasuke und als sich zwei schlanke Arme von hinten um ihn schlangen, bekam er auch seine Gewissheit.
 

Ganz automatisch legte er die freie Hand auf den Arm der oben lag, während die zweite Hand seinen Kaffee an seine Lippen führte. "Du weißt Naruto, je mehr du dich wehrst, umso mehr werden sie dich bedrängen!", erklärte Sakura sanft und ließ ihn wieder los. Naruto drehte sich zu ihr herum und seufzte leise. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich das durchhalten kann!", gab er angespannt zu und trank einen weiteren Schluck des dunklen und bitteren Gebräus. Normalerweise schaufelte er eine Menge Zucker hinein, rundete es mit ebenso viel Milch ab, heute konnte er den bitteren Geschmack aber ganz gut gebrauchen.
 

"Wäre es wirklich so schlimm, ihm die Wahrheit zu sagen?", fragte sie schließlich nach und blickte dabei zu ihm auf. Früher war Sakura ein klein wenig größer wie er gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatte Naruto noch gedacht, dass er nie so wachsen würde. In den Jahren darauf hatte sich das aber geändert. Er hatte einen Schuss nach dem nächsten gemacht und heute überragte er die junge Frau um mindestens einen Kopf. Er mochte Sakura, er mochte sie wirklich sehr. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sie so lieben könnte. Sie würden harmonieren, glaubte er zumindest. Sakura war keine sehr einfache Frau, sie war eigenständig und konnte es nicht leiden, wenn man sie nicht ernst nahm. Sie wusste wie man sich durchsetzte und Naruto wusste für wen die junge Frau schwärmte. Niemand abgesehen von ihm wusste es und genau deswegen bedauerte er es auch irgendwie, dass er nicht so ehrlich zu ihr sein konnte.
 

"Glaube mir, die Wahrheit wird nichts gutes mit sich bringen!", murmelte er schließlich leise, beugte sich vor und gab der jungen Frau einen sanften Kuss auf die Wange. "Na komm, lass uns gehen, sonst platzt der Kerl nur noch vor Wut!", versuchte er die Situation aufzulockern. Zumindest bei Sakura wirkte es, sie lachte leise. Sie beide hatten sich immer recht gut verstanden. Am Anfang war das nicht so gewesen, das musste er zugeben, aber mit der Zeit hatte sie erkannt, dass er nicht nur der laute Versager war, den man zu der Zeit in ihm gesehen hatte. Ihre Freundschaft hatte sich weiter entwickelt und Naruto musste zugeben, dass er froh darüber war. Eine Freundin wie Sakura war in dieser Situation genau das was er auch brauchen würde, jemand der hinter ihm stand und nicht hinter Sasuke und dessen Willen herauszufinden was passiert war.
 

Als sie zusammen das Wohnzimmer betraten, setzte Sakura sich wieder auf ihren Platz. Naruto sah die ganzen Blicke auf sich, ging selbst aber zum Fenster um sich dagegen zu lehnen. Sein Wunsch sich zu den anderen zu setzten war sehr gering, er wollte so viel Abstand zwischen sie bringen wie nur irgendwie möglich. Warum genau er überhaupt diesem Gespräch nachgab wusste er auch nicht, wenn es hart auf hart kam, würde er sich einfach ein Zimmer im Hotel nehmen und so Sasuke aus dem Weg gehen. Er war ein freier Mensch und als dieser war es seine Entscheidung, ob er mit den anderen redete oder nicht. Nur war das offenbar etwas, was eben diese anderen anders sahen.
 

"Naruto-kun!", kam es schließlich von Hinata. Sie war wirklich gewachsen. Nicht unbedingt was ihre Körpergröße anging, viel mehr ihre Art. Früher hatte sie gestottert, war schüchtern gewesen und sie war ständig rot geworden. Ihr Selbstvertrauen war verdammt gering gewesen. Heute jedoch war sie offen und recht aufgeschlossen. Natürlich gab es Situationen, in denen ihre alten Eigenschaften wieder hervor kamen, aber unter ihnen, in Kreise dieser Freunde war sie wirklich aufgeblüht. "Wir haben dich lange nicht mehr gesehen!", fügte sie hinzu und lächelte leicht. Naruto erwiderte dieses und blickte die junge Frau offen an. Er hatte gegen seine Freunde ja nichts, er wollte nur, dass sie ihn in Ruhe ließen, zumindest wenn es um die Gründe ging, warum er damals gegangen war.
 

"Sehr lange!", bestätigte er leise und warf einen Blick zu Kiba. "Ich hoffe Kiba behandelt dich gut ... nicht, dass er dich wie Akamaru behandelt!", scherzte er auf alt bekannte Art und Weise und ignorierte den grollenden Ton, den Kiba von sich gab. Damals hätte er nie gedacht, dass diese beiden einmal zusammen sein würden. Kiba hatte viele Freundinnen gehabt und Hinata nie wirklich in dieser Art angesehen, aber irgendwann um ihren Abschluss herum war der junge Mann ruhiger geworden. Von Sakura zu hören, dass die beiden sich verlobt hatten, hatte ihn gefreut. Sie passten zusammen. Hinata konnte Kiba mit ihrer ruhigen Art stoppen und Kiba selbst lockerte Hinata auf. Das Ergebnis sah man jetzt wohl deutlicher wie je zuvor. Naruto freute sich wirklich für die beiden.
 

Auch Ino und Shikamaru nickte er zu. Die Frau blickte ihm neugierig entgegen, während Shikamaru nur leise seufzte. Ihm sah man mehr als deutlich an, dass seine Frau ihn hergeschleppt hatte, er nun aber durchaus lieber woanders wäre. Ein wenig Mitleid empfand Naruto für den Freund durchaus, Shikamaru war ein gemütlicher Mensch, er mischte sich nicht gerne in die Angelegenheiten anderer ein. Nun jedoch wurde er dazu gezwungen, ob er wollte oder nicht.
 

"Also ... bist du nun endlich bereit mit uns zu reden?", begann Sasuke schließlich das unliebsame Thema erneut anzusprechen, vor dem Naruto am liebsten davon laufen würde.
 

"Du kennst meine Antwort!", brachte er selbst hervor und schenkte dem dunkelhaarigen Mann einen vernichtenden Blick.
 

"Was soll der Mist, Uzumaki? Haben deine Freunde kein Recht darauf zu erfahren, warum du wortlos einfach verschwindest?", konterte Sasuke ein weiteres Mal und erwiderte seinen Blick nicht minder düster.
 

"Ehrlich gesagt, nein! Was soll der Mist Sasuke, bin ich wirklich über jeden Schritt den ich mache Rechenschaft schuldig?", fragte Naruto und schnaufte ungehalten.
 

"Du musst zugeben, dass es eher ungewöhnlich für dich ist, so zu verschwinden!", warf Kiba ein und musterte Naruto ebenfalls aufmerksam.
 

"Warum? Wir haben doch in den letzten Jahren eh nicht viel zusammen gemacht. Sasuke war mit seiner Flamme beschäftigt, Shikamaru hat sich eh aus allem raus gehalten und abgesehen von Hinata habt ihr anderen eine Freundin oder Freund nach dem anderen gehabt!", konterte er deutlich wütend.
 

"Aber irgendwo war Kontakt dennoch vorhanden!", warf Shikamaru ein. Seinen Blick konnte Naruto am wenigsten leiden, er war so kalkulierend, als wenn der Mann direkt durch seine Mauer blicken konnte.
 

"Sicher, in der Schule. Und? Ich bin erst gegangen als wir unseren Abschluss hatten!", erwiderte Naruto stur.
 

"Das wissen wir alle ... es ist nur, dass wir alle uns einfach fragen, was dich dazu bewegt hat, Naruto! Wir beide waren Freunde, es war nicht wirklich angenehm aufzuwachen und sich einen neuen Trauzeugen suchen zu müssen!", warf Sasuke wieder ein, das Gesicht verärgert verzogen.
 

"Was interessiert mich deine Hochzeit? Habe ich dich gebeten mich als Trauzeugen zu nehmen?", erwiderte Naruto wütend.
 

"Du warst mein bester Freund! Natürlich habe ich erwartet, dass gerade du dabei bist!", erwiderte Sasuke aufgebracht und richtete sich ruckartig auf.
 

Auch Naruto wendete sich Sasuke nun wieder zu. "Pech für dich! Hättest du in den letzten Monaten auch nur einmal dich für mich interessiert, hättest du mitbekommen, dass etwas mit mir nicht stimmt!", kam es nun wieder von Naruto.
 

"Jungs, kommt schon! Wir sind nicht hier um gegenseitig uns Vorwürfe zumachen!", meinte Hinata dann beschwichtigend und stellte sich zwischen die beiden Streithähne. "Naruto ... wir alle sorgen uns um dich. Du bist unser Freund, wir wissen du hast etwas auf dem Herzen. Wenn du es mit uns teilst, was kann dann schon passieren?", fragte sie nach, ohne den Blick von Naruto abzuwenden.
 

"Das ist mir zu dumm!", brachte Naruto schließlich hervor und schob sich an der jungen Frau vorbei. "Mein Leben geht euch nichts an! Wenn euch das nicht passt, ist das euer Problem, nicht meines!", fügte er wieder ruhig hinzu, ehe er nicht nur das Wohnzimmer verließ, sondern nur wenige Sekunden später auch das Haus. Er musste jetzt einfach raus, wenn er hier blieb, würde er seine Geduld vollkommen verlieren und vielleicht Dinge sagen, die er am Ende bereute.
 

"Naruto!", hörte er schließlich Sakura hinter sich und blieb kurz stehen. Er wollte sich nicht zurück halten lassen, doch zum Glück schien seine Freundin auch nicht darauf aus zu sein. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte sie nach und Naruto nickte leicht. Es war eine Lüge. Er war aufgewühlt und auch aufgebracht, am liebsten wäre er nun zurück in seinen Flieger gestiegen, um zurück nach Irland zu fliegen. "Lügner!", meinte sie schließlich leise und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. "Ich weiß du willst nicht darüber reden ... wenn sich das dennoch ändern sollte, ich bin jederzeit für dich da!", erklärte sie dann, ehe sie sich ohne ein weiteres Wort abwendete und wieder zurück ins Haus ging. Naruto wusste, dass diese Frau es ernst meinte. Sie würde ihm immer zu hören, selbst wenn er mitten in der Nacht bei ihr auftauchte. Aber auch wenn es besser wäre sich ihr anzuvertrauen, er konnte es einfach nicht. Er hatte acht lange Jahre dieses Geheimnis mit sich herum getragen und er würde nun nicht beginnen anderen davon zu erzählen.

 

 

 

 
 

***

Naruto lief eine ganze Weile planlos durch die Straßen. Er hatte kein wirkliches Ziel, im Moment wollte er einfach nur alleine sein. Er sah seine Schule noch einmal, ein Platz an dem er viel Zeit in seiner Jugend verbracht hatte. Nicht nur wegen dem regulären Unterricht, an vielen Tagen hatte er auch nachsitzen müssen. Die Gründe waren vielfältig gewesen. Mal hatte er keine Hausaufgaben mitgebracht, wobei er eigentlich immer eine gute Ausrede parat gehabt hatte, mal war er zu spät gekommen, war frech gewesen, oder hatte einen seiner Streiche zum Besten gegeben. Das Nachsitzen für sich hatte ihm auch nie etwas ausgemacht, auch Kakashi hatte ihm im Anschluss nicht wirklich die Leviten gelesen. So war der Mann einfach nicht. Es hatte ihn durchaus interessiert wie er sich in der Schule machte, aber dennoch hatte er ihn nie wirklich gestresst.
 

Er sah den alten Sportplatz, auf dem er nahezu genauso viel Zeit verbracht hatte, wie in der Schule. Naruto war beinahe immer voller Energie, er hatte diese unter Kontrolle bringen müssen und Sport war da noch die beste Möglichkeit gewesen, das auch hinzubekommen. Hier hatte er seine besten Erfolge gefeiert, aber auch seine schlimmsten Niederlagen erlebt. Ausgemacht hatte es ihm nie etwas, es hatte ihn lediglich angespornt beim nächsten Mal noch mehr zu geben. Eigentlich war das eine verdammt gute Zeit gewesen. Egal wie man es such drehte und wendete, er hatte hier verdammt viel Spaß gehabt.
 

Schließlich ging er weiter, folgte dem Weg zwischen den Feldern hindurch, den sie schon damals immer gegangen waren. Gemeinsam verstand sich. Auf diesen Feldwegen hatten sie das erste Mal gemeinsam getrunken, sie hatten geraucht und verdammt viel Unsinn sich ausgedacht. Es wäre wirklich ein angenehmer Gedanke, wenn sie einfach die Zeit zurück stellen konnten, um all das noch einmal zu erleben. Damals hatten sie alle wohl keine Gedanken daran verschwendet, eines Tages erwachsen werden zu müssen, arbeiten zu gehen, zu heiraten ... oder wie er, eben das Land zu verlassen und sich von allen abzuschotten, bis der Kontakt nahezu komplett zusammen brach. Gespräche wie jenes, was vor wenigen Minuten geschehen war, waren damals Dinge gewesen die sie nie in Angriff genommen hätten.
 

Mit einem leichten Kopfschütteln ging er weiter, verließ den Feldweg schließlich um die große Wiese zu überqueren, auf der sie die ersten Partys gefeiert hatten. Sie hatten hier gezeltet, ohne die Aufsicht der erwachsenen einfach ihren Spaß gehabt. Ihre Ferien in den wärmeren Monaten hatten sie hier nahezu immer zusammen verbracht. Heute nutzte er den Weg um einfach schneller an sein Ziel zu gelangen. Noch wusste er nicht ob Kakashi zu Hause sein würde, aber er wollte ihn nun sehen. Sie hatten oft telefoniert, wenn auch nie besonders lange. Es war nichts weiter als die Fragen, die Kakashi jedes Mal fragte. Ob er zurecht kam, ob er sich noch immer in Irland so wohl fühlte, wie es mit seinem Buch voran ging.
 

Schließlich kam er an dem Haus an, in dem er seine halbe Kindheit verbracht hatte. Er klingelte und war durchaus erleichtert, als er hinein gelassen wurde. "Kakashi!", begrüßte er denn Mann mit einem breiten Grinsen und schloss ihn für den Bruchteil eines Momentes in seine Arme. Das war eine Geste, die eher selten von ihm kam. Auch damals schon. Kakashi hatte sich seiner angenommen, den Vater hatte dieser ihm aber nie ersetzen können. Was genau sie waren konnte Naruto nicht einmal sagen, alles was er wusste war, dass er verdammt dankbar dafür war, dass nicht in einem Heim gelandet war.
 

Nun wieder ein wenig entspannter, folgte er den Mann ins Innere des Hauses, lief den kleinen Flur entlang, um dann das Wohnzimmer anzusteuern, in dem er schon sein halbes Leben den Nachmittag verbracht hatte. "Einen Kaffee?", fragte der Ältere ihn und Naruto konnte nicht anders, als eifrig zu nicken. "Gerne, ich kann es gebrauchen!", erwiderte er selbst, ehe er sich auf die weichen Polster fallen ließ. Hier schien sich nichts verändert zu haben. Es war noch immer ordentlich und gemütlich, so wie er es hinter sich gelassen hatte. Kakashi hatte schon immer wenig Zeit hier verbracht, die meiste Zeit arbeitete er und es war eine Glückssache, dass er ihn nun wirklich erreichen konnte. Nachdem deutlich geworden war, dass er wirklich zurückkehren würde, hatte der Mann sich einige Tage frei genommen um ihn auch sehen zu können.
 

Als Kakashi zurück kam und eine Tasse vor ihn abstellte, musste Naruto lächeln. Das Gebräu war nicht dunkel, wie das, was er bei Sasuke zu sich genommen hatte. Kakashi wusste ganz genau, wie er seinen Kaffee liebte und hatte ihn dementsprechend bereits fertig gemacht. "Haben sie dir eine harte Zeit gegeben?", fragte der Mann ihn nun direkt, während er selbst einen Schluck aus seiner Tasse nahm. "Ich möchte ehrlich gesagt nicht darüber reden!", erwiderte Naruto selbst, während er seine Tasse an sich nahm. Er hatte gehofft hier mehr Ruhe zu finden. Ruhe vor all den Fragen und den Bedrängungen die er aus Sasukes Haus kannte.
 

"Du kannst es ihnen nicht übel nehmen ... und du weißt, dass du genauso hier wohnen kannst, wenn es nicht mehr geht. Mittlerweile herrscht auch Ordnung in deinem Zimmer!", erklärte Kakashi ihm, es war unverkennbar, dass er deutlich grinste. Noch heute hielt er ihm seine damalige Unordnung vor. Wenn Kakashi etwas gutes dem abgewinnen musste, dass Naruto ausgezogen war, dann war es wohl eindeutig, dass nun kein Chaos mehr herrschte. Naruto konnte aber nur leise schnauben. "Sicher? Ich wette deine ganzen Frauengeschichten hinterlassen hier genauso Chaos!", erwiderte er neckend.
 

Im Grunde stimmte nichts an dieser Aussage. Kakashi stand auf Frauen, da gab es nichts dran zu rütteln, er war aber kein Mann, der sich eine nach der anderen mit nach Hause nahm. Soweit er sich zurück erinnern konnte, hatte es gerade einmal drei Frauen in der Zeit gegeben, wo er noch hier gewohnt hatte. Kakashi hatte sie in der Stadt getroffen und auch erst nach einigen Wochen mit zu ihnen nach Hause gebracht. Es waren durchaus längere Geschichten gewesen, letzten Endes hatte es aber immer an etwas gemangelt, was sie dann doch wieder auseinander getrieben hatte. Kakashi wollte keine eigenen Kinder und er wollte auch nicht heiraten. Er war für eine feste Beziehung zu haben, aber sich ganz binden wollte er dann doch nicht. Zwar war es in Ordnung, wenn seine Freundin bei ihm übernachtete, sie aber einziehen zu lassen schien für ihn ausgeschlossen zu sein. Naruto hatte das immer gewundert.
 

Irgendwann, da erinnerte er sich durchaus noch dran, hatte er den Mann einmal gefragt, wieso er sich nicht endgültig binden wollte. Kakashi hatte ihm damals lachend geantwortet, dass er das schon längst hatte. Als er selbst ihn als Lügner bezeichnet hatte, hatte Kakashi ihm durchs Haar gestrichen und ihm gesagt, dass er ihn hatte. Wozu brauchte er da eine Frau an seiner Seite, die nur versuchte ihn zu ändern?! Erst im Nachhinein hatte Naruto verstanden, dass Kakashi ihren Männerhaushalt genossen hatte und dass er scheinbar nicht wirklich daran interessiert war, eine Frau in dieses Leben zu lassen. Jedenfalls nicht so fest, wie es mit einem Einzug dieser sein würde, oder eben wie nach einer Hochzeit. Woran das lag konnte er zwar nicht sagen, aber im Endeffekt ging ihn das auch gar nichts an. Sie hatten sich hier jedenfalls nie wirklich gelangweilt und selbst seine Freunde waren gerne hergekommen.
 

Kakashi lachte leise, beugte sich zu ihm rüber und wuschelte ihm durch sein blondes Haar. "Es tut gut, dich wieder einmal hier zu haben!", gab er entspannt zu, ehe der Mann sich wieder zurück lehnte und sich seinem Kaffee ein weiteres Mal widmete. Naruto konnte nicht anders, als zustimmend zu brummen. Irgendwie empfand er es schließlich auf die gleiche Art, es gefiel ihm nur nicht, dass er sich bei all diesem auch den nervenden Fragen seiner sturen Freunde stellen musste. Wenn sie aufgaben, einfach akzeptierten welche Entscheidung er gefällt hatte, würde er vielleicht sogar deutlich mehr Kontakt zu ihnen suchen. Aber mit dem was ihn jedes Mal erwartete, wenn er anrief, oder wie jetzt her kam, war das nicht wirklich angenehm. Sasuke jedoch wollte er auch in Zukunft eher meiden, selbst wenn dieser aufgeben sollte. Er konnte es einfach nicht anders.
 

"Wie ist Irland?", riss ihn Kakashi erneut aus seinen Gedanken. Naruto lächelte leicht, während auch er sich tiefer in die Couch sinken ließ. "Angenehm!", erwiderte er dann und ließ die Tasse in seinen Schoß sinken. Eine Hand legte sich an das warme Keramik, während er auf den Inhalt starrte, den dieser in sich fest hielt. "Irland ist anders. Das Wetter ist angenehm, nicht zu heiß und oft auch nicht besonders kalt. Von meinem Haus aus kann ich das Meer hören und ich habe eine wahnsinnig liebenswerte Nachbarin, die rein zufällig zu viel kocht und die Reste dann bei mir vorbei bringt!", erzählte er und lachte schließlich leise. „Ich muss zugeben, dass ich keinen besseren Ort hätte finden können!", gab er zu.
 

Kakashi selbst nickte leicht. "Es hört sich an, als hättest du endlich deine Heimat gefunden!", erklärte er sanft. Naruto wusste, dass Kakashi durchaus Momente hatte, in denen er ihn gerne um sich haben würde. Der Mann hatte ihm nie irgendwie Druck gemacht, dass er sich einen Job suchen sollte und ausziehen musste, wenn er älter wurde. Naruto hatte eher das Gefühl gehabt, als wenn es dem älteren Mann keine Probleme bereitet hätte, wenn sie auch weiterhin so zusammen gelebt hätten. Ein Teil von ihm würde sich diesem Wunsch auch gerne hingeben, aber eben nicht in dieser Stadt. Er konnte und wollte nicht mehr zurück. "Irgendwann musst du eine Weile bei mir verbringen ... auch bei uns gibt es hübsche Frauen!", erklärte der junge Autor und grinste über das ganze Gesicht. Er konnte es nicht lassen, Kakashi auf diese Art aufzuziehen, auch wenn er von allen am besten wusste, dass Kakashi alles andere als ein Schürzenjäger war. Frauen standen auf den älteren Mann, dieser suchte sich aber trotz allem die Beste unter ihnen aus und ließ sich dabei auch jedes Mal verdammt viel Zeit.
 

"Rote Haare, Sommersprossen, guter Vorbau?", ging Kakashi auf die Worte ein und lachte herzhaft, als der Blondschopf gespielt genervt mit den Augen rollte. "Vorurteile, Kakashi... Vorurteile! Seit wann bist du so auf diese fixiert?", konterte er und leerte endlich seine Tasse, bevor er sie auf den niedrigen Glastisch stellte, der direkt vor ihnen stand. "Studien sagen, in jedem Vorurteil ist ein Kern der Wahrheit!", erwiderte der Mann amüsiert und Naruto schnaubte. "Natürlich, du musst es ja wissen!", antwortete Naruto. Erst dann schloss er die Augen und seufzte leise. Es tat wirklich gut eine Weile einfach sich entspannen zu können, irgendwann würde er wieder zurück in Sasukes Haus müssen und das war nicht unbedingt etwas, wo er sich drauf freute. "Kakashi ... nach der Beerdigung möchte ich hier schlafen!", murmelte er schließlich leise und fuhr sich selbst durch sein blondes Haar. Naruto wusste, dass er müde und angespannt aussah, er fühlte sich auch genau so. Als er die Augen wieder öffnete, sah er, wie Kakashi leicht nickte. "Du bist jederzeit willkommen!", bekam er schließlich als Antwort und irgendwie brachte ihn das sogar zum Lächeln.
 

"Wenn ich komme, musst du dir frei nehmen. Es ist lange her, dass wir beide einen richtigen Männerabend gehabt haben!", erklärte er schließlich und richtete sich wieder auf. Er fühlte sich ein wenig besser und irgendwie fand er, dass jetzt genau die richtige Zeit war, um sich an den Laptop zu setzen und ein wenig zu schreiben. "Das werde ich!", versprach Kakashi und erhob sich ebenfalls, um Naruto zur Tür zubringen. Warum Kakashi oft so eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte, wusste der junge Autor nicht, Fakt war allerdings, dass er sich diese Wirkung nicht einbildete. Es reichten bereits kurze Gespräche und schon fühlte er sich erleichtert und vollkommen entspannt. Sowie jetzt eben auch wieder und Naruto freute sich zum ersten Mal, seit er hergekommen war, aus ganzen Herzen darauf an seinem Buch weiter zu arbeiten.

 

 

 

 
 

* *** *

Vernunft und Gefühle waren zwei verschiedene Dinge. Namaki wusste das, er war kein kleines Kind mehr und hatte in den letzten Jahren viele Erfahrungen gemacht, die ihn hatten reifen lassen. Er wusste, dass er sich nicht zu seiner Teampartnerin hingezogen fühlen sollte, doch er konnte eben auch nicht das unterbinden, was er empfand, wenn er die junge Frau sah. Und er sah sie nahezu die ganze Zeit. Nachdem sie ihr Ziel erreicht hatten und in ihre Aufgaben eingewiesen worden waren, hatten sie Tag und Nacht zusammen verbracht. Sie hatten sich nachts nebeneinander am Feuer gewärmt, sie hatten zusammen gegessen, waren geflogen, hatten sich unterhalten. In dieser Zeit hatte er viel von der jungen Frau erfahren und sie selbst natürlich auch von ihm. Er mochte sie, aber es begann auch weitaus mehr zu werden, als gut für ihn war.
 

Dass seine eigenen Gefühle ein Problem waren, war aber nicht das Einzige, was an diesem Tag bei ihm für Kopfschmerzen sorgte. Ihre Drachen machten ihm auch langsam Sorgen. Sie hatten wunderbar zusammen funktioniert, sie taten es auch jetzt noch, aber in den letzten Tagen hatte sich dennoch einiges verändert.
 

Tilarodon zum Beispiel. Der Drache war nun fast sechs Jahre alt, kein Kind mehr, kein Jugendlicher, er war erwachsen. Sein ganzer Körper war von Schuppen überzogen, die, wenn sie eng anlagen, fast schon weich wirkten wie das Fell einer Katze. Die Farbe war etwas, was er nie hatte definieren können. Einerseits war er grün, das schien seine Hauptfarbe zu sein, aber wenn das Licht auf ihn einfiel,schimmerten die Schuppen in den verschiedensten Farben, sodass man den Eindruck gewinnen konnte, einen lebenden Regenbogen vor sich zu haben. Als er den Drachen das erste Mal gesehen hatte, war sein schlanker Kopf von mehreren Hörnern eingerahmt gewesen, dazwischen lag eine dünne Haut, die auf die gleiche Art schimmerte. Als Walddrache war er durchaus kräftig, mit seinen fast drei Metern Stockmaß recht groß, aber trotz allem sehr filigran und fast schon zierlich. Vom Nacken an bis zu der Mitte seines langen Schweifs hatte er eine Art Dornen, zumindest wirkte es so, wenn man sie sah. Sie waren nicht hart, doch wenn er sie aufstellte, erweckte er den Eindruck, dass er damit jemanden schwer verletzen konnte.
 

In den letzten Tagen war der Drache irgendwie kräftiger geworden. Seine Brust war breiter geworden, seine Muskeln waren nun deutlicher zu sehen. Am Anfang hatte Namaki gedacht, dass es an ihrer Arbeit lag. Immerhin bewegten sie sich viel und das hatte natürlich auch zur Folge, dass sie mehr Muskelmasse aufbauten. Bei ihm selbst war das ja auch nicht anders. Was ihn aber deutlich verwirrte war der Umstand, wie er sich der Drachendame gegenüber verhielt. Er stolzierte regelrecht um sie herum, drückte die breite Brust heraus, als wenn er um sie balzen wollte. Namaki hatte so etwas noch nie gesehen.
 

Jinalataria hingegen war grasgrün, vom Kopf bis zu der Spitze ihres Schweifs. Auch sie war ein Walddrache, aber fast einen Meter kleiner wie das Männchen. Im Gegensatz zu ihm hatte sie nur zwei Hörner, die nach hinten gebogen waren. An ihrem langen Hals befanden sich Hautlappen, die auch sie aufstellen konnte. Welchen Zweck dieses hatte, wusste Namaki nicht genau, doch er nahm an, dass es sie damit eindrucksvoller machen sollte. Während die Flügel des Männchens an der Schulter begannen und auch wieder endeten, begannen die der Dame an den Schultern und zogen sich bis zur Mitte ihres Schweifs. Sie war deutlich zierlicher wie Tilarodon und wenn der Drache sich so seltsam benahm, gab sie Geräusche von sich, die Namaki nie zuvor gehört hatte. Sie wirkte dann immer fast schon scheu, blickte den anderen Drachen nicht an, als wenn sie peinlich berührt wäre.
 

Er selbst bemerkte dieses Verhalten, Saiha musste es auch bemerken, aber sie ließ sich da nichts anmerken. Sie schaute nicht so oft zu den beiden und ließ sie einfach machen. Womit er eigentlich bei seinem letzten Problem war. Er selbst war ein Mann, hatte langes, schwarzes Haar und war recht maskulin. Er fühlte sich gut so wie er war, Saiha hingegen war nun einmal eine Frau. Ihr langes, braunes Haar hatte sie halb hochgesteckt zu einer Art Knoten, während der Rest über ihre zierlichen Schulter glitt. Sie trug verdammt wenig Stoff am Leib, wenn man es beschreiben müsste, konnte man sagen, dass sie lediglich eine Art BH trug und eine Hose, die an den Seiten offen war und lediglich durch Schnüre gehalten wurde. Sie sah gut aus, aber so wie sein Drache sich seltsam benahm, so benahm auch Saiha sich seltsam. Sie warf ihm Blicke zu, die er nicht einmal deuten wollte und doch wusste er, dass es ihm gefiel.
 

Seufzend richtete er sich auf und ging auf die Frau zu, die gerade am Ufer des Flusses kniete und ihre Feldflaschen mit frischem Wasser füllte. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, ehe sie weiter mussten. Er dachte nun auch nicht weiter darüber nach, sondern ignorierte für einen Moment das seltsame Verhalten seiner Drachen und kniete sich hinter die Frau, um nach den vollen Flaschen zu greifen. "Du solltest dich beeilen ... es sieht nach einem Gewitter aus!",murmelte er selbst leise, ignorierte den Umstand, dass sie einen Moment lang sich zu verspannen schien, ehe sie wieder entspannt wurde, sich sogar leicht gegen ihn lehnte. Das Gefühl war angenehm, aber er wusste auch, dass er derlei Dinge nicht erst zulassen durfte, auch wenn er zu gerne seine Finger über die schlanke Schulter gleiten lassen würde.
 

"Ich weiß!", erwiderte sie schließlich leise. "Du solltest den beiden Bescheid geben, damit sie bereit sind!", schlug sie schließlich vor. Namaki nickte, bewegte sich aber kein Stück. Für einige Sekunden blieb er einfach hinter ihr hocken, genoss das angenehme Gefühl des reizvollen Körpers, der sich an seinen eigenen lehnte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit hob er die freie Hand und legte sie Saiha auf die Schulter. "Zehn Minuten ... dann sind die beiden fertig!", murmelte er leise und richtete sich dann auf. Diese Momente waren es, die ihm sagten, dass er endlich seine Sinne wieder zusammen bekommen musste, aber er konnte es nicht. Wem machte er etwas vor? Saiha war der Wahnsinn, sie war sexy, unabhängig und würde sich nie einem Mann so ohne weiteres hingeben. Um eine Frau wie diese zu erobern, musste man sich schon wirklich ins Zeug legen. Ob er so ein Mann war, konnte er nicht sagen, bisher verbot er sich solche Gedanken aber lieber. Sie mussten zusammen arbeiten und das auch noch, wenn sie es versuchten und scheiterten. Es war wirklich besser, wenn er nicht erst versuchte sich die Finger an ihr zu verbrennen und lieber dafür sorgen, dass die beiden Drachen fertig gemacht wurden und sie weiter kamen. Bei einem Gewitter zu fliegen war undenkbar und zumindest er selbst sehnte sich nach einem heißen Bad und einer Nacht in seinem Bett, ehe er den nächsten Erkundungsflug starten musste.

 

 

 

 
 

* *** *

Zufrieden klappte Naruto den Laptop zu und streckte sich kurz. Besonders viel hatte er nicht geschrieben, auch wenn er den halben Tag an dieser Stelle gesessen hatte. Aber das machte nichts. Er war weitestgehend entspannt und hatte sogar recht gute Laune, was ihm helfen würde in dieser Nacht gut zu schlafen. Hoffte er zumindest. Schließlich war am nächsten Morgen die Beerdigung und das würde anstrengend genug werden.
 

Was ihn aber wunderte, war eindeutig, dass er Sasuke nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Weder als er von Kakashi zurück gekommen war, noch in den ganzen letzten Stunden hatte der junge Mann sich blicken lassen. Das Haus war noch immer genauso still wie an diesem Morgen, als er erwacht war. Entweder waren alle ausgeflogen, oder aber alle waren so unglaublich still, wie er es kaum ertragen konnte. Vor allem die Zwillinge störten ihn da massiv.
 

Er musste zugeben, dass die beiden niedlich waren. Ähnlichkeiten zu ihrer Mutter konnte er nicht wirklich entdecken, sie sahen Sasuke beide so unglaublich ähnlich, dass man es fast schon als gruselig bezeichnen konnte. Vor allem Taiki zeigte das mehr als deutlich. Der kleine Junge hatte einen Blick drauf, der dem seines Vaters alle Ehre machen konnte. Es fühlte sich wirklich an, als wenn er erneut in Sasukes Gesicht schaute, nur dass dieser wieder ein kleiner Junge war, wie eben damals, als sie sich das erste Mal gesehen hatten. Gut fand er das aber nicht wirklich. Dieser Junge war ein Kind. Sicher, er hatte einen schweren Verlust erlebt, Naruto würde Trauer verstehen, Tränen, auch wenn der Junge tobte und nicht wusste wie er all das verstehen sollte ... aber dieser kalte, unnahbare Blick war doch zu viel für seinen Geschmack.
 

Keikos Gesichtszüge waren hingegen etwas weicher und wenn man bei ihr genauer hinschaute, sah man auch ihre Trauer und die Überforderung mit dem was passiert war. Naruto wusste, dass Sasuke seine beiden Kinder liebte. Er hatte es in jeder verdammten Mail deutlich gemacht, mit jedem Wort des Lobes, was die beiden bereits alles konnten. Wenn Naruto ehrlich war, so hatte er Sasuke weder zuvor, noch danach je so offen erlebt, wie in diesen paar Mails, in denen er von seinen Zwillingen berichtet hatte. Somit konnte er sich da durchaus ein Urteil bilden, wie viel dem Mann diese Kinder bedeuteten. Aber Sasuke war eben auch emotional nicht unbedingt wie ein Durchschnittsmensch. Er hatte seine Gefühle auch viel zu oft verborgen und Naruto wusste einfach, dass er dieses nun auch wieder tat. Leider waren es dabei die Zwillinge, die darunter zu leiden hatten.
 

Diese Gedanken ärgerten Naruto auch massiv. Diese beiden Kinder gehörten ihr, er wollte ihnen keine Sympathie entgegen bringen, auch wenn er genau wusste, dass sie am wenigstens dafür konnten, dass diese beiden Menschen zusammen gefunden hatte und er dabei alles hatte aufgeben müssen, was ihm etwas bedeutet hatte. natürlich hatte ihn niemand gezwungen, aber ihm war auch keine wirkliche Wahl geblieben. Er hatte alles riskieren müssen, um sich selbst zu schützen und irgendwo auch die Freundschaft, die sie trotz allem verband, auch wenn er sich manchmal aus tiefstem Herzen gewünscht hatte, dass die junge Frau nicht so einen anständigen Charakter gehabt hatte und Sasuke lieber damit unterstützt hätte, was für ein lausiger Freund er doch war. Es hätte alles eindeutig besser gemacht.
 

Wenn er aber nun darüber nachdachte, wie er diese Woche überstehen sollte, dann war es für ihn eindeutig leichter zu ertragen, wenn er ein Auge auf diese beiden Kinder hatte, anstatt sich immer wieder mit dem Uchiha und mit allen Freunden zu streiten. Naruto liebte Kinder, er liebte sie wirklich, auch wenn er keine eigenen haben wollte. Aber Kinder waren unschuldig und diese beiden waren es eben auch. Sie konnten weder etwas für die Ereignisse damals, noch für Sasukes Gefühle, noch für die Ereignisse nun, die ihnen ihre Mutter genommen hatten. Er verstand verdammt gut, wie es ihnen gehen musste, auch wenn keiner der beiden seine Gefühle offen zeigte.
 

Mit einem weiteren Seufzen erhob er sich, um sich wenigstens noch einen Tee zu machen, bevor er sich ins Bett kuschelte, in der Hoffnung, dass er auch den nächsten Tag überleben würde. An diesem hatte er sich behaupten können, aber es folgten noch sechs weitere Tage. Er wusste wirklich nicht, wie er diese Zeit überstehen sollte und er freute sich auch schon jetzt darauf, wieder in das Haus zurückkehren zu können, in dem er groß geworden war. Nicht, dass das seine Freunde aufhalten würde. So gut kannte er sie immerhin auch.
 

Irgendwo schmeichelte es ihm auch, was die anderen taten. Er musste sich eingestehen, dass acht Jahre eine verdammt lange Zeit waren. Acht Jahre, in denen er jedem massiv vor dem Kopf gestoßen hatte und auch heute tat er das noch. Er war ehrlich, wenn ihn jemand so behandelte, würde er sich furchtbar aufregen, aber ganz gewiss nicht diesem immer wieder nachlaufen. Aber eigentlich wusste er, dass er sich da auch etwas vor machte. Seine Freunde waren ihm wichtig, sehr wichtig sogar. Er würde keinen von ihnen einfach so hängen lassen, das wusste er auch. Es hatte ihn damals wahnsinnig viel Überwindung gekostet, einfach diesen Schritt zu gehen. Die Alternativen die er da gesehen hatte, waren aber alles andere als annehmbar gewesen. Wenn er geblieben wäre, hätte er irgendwann deutlich gemacht was los war. Dann hätten alle sich abgewendet, an erster Stelle Sasuke selbst. Er war einfach überzeugt davon.
 

Schließlich verließ er das Zimmer um nach unten in die Küche zu gehen. Doch wirklich weit kam er nicht. Auf dieser Ebene waren neben seinem Zimmer, auch Sasukes und die der Zwillinge. Eigentlich hatte er auch nicht wirklich vorgehabt, sich groß auf diese Familie einzulassen, er gehörte nicht zu dieser, aber dieses Vorhaben schmolz in dem Augenblick regelrecht dahin, in dem er an Keikos Tür vorbei kam und leise, verdammt verräterische Geräusche zu hören bekam. Das kleine Mädchen weinte, nicht unbedingt etwas worüber er sich wundern würde, was ihn eher wunderte war, dass das Mädchen ganz offensichtlich versuchte nicht dabei erwischt zu werden.
 

Mit einem weiteren Seufzen rang er sich schließlich dazu durch, die Tür vorsichtig zu öffnen. Dahinter erwartete ihn ein erstaunlich ordentliches Zimmer. Wenn er sich an seine Kindheit erinnerte, dann fielen ihm am ehesten die Spielsachen ein, die nahezu überall herumgeflogen waren. Dieses Zimmer hingegen wirkte wie aus einem Katalog. Nichts lag einfach so herum, selbst die Bettdecke war akkurat gefaltet, ein Teddy stand in der linken Ecke des Bettes. Darum wollte er sich aber nicht wirklich kümmern, ihm tat dieses Kind einfach wahnsinnig leid. Sie war alleine, ihre Augen waren deutlich gerötet und angeschwollen, was zeigte, dass sie vermutlich schon eine ganze Weile mit ihrer Trauer alleine zurechtkommen musste.
 

"Hey!", sagte Naruto schließlich sanft und überwand den Abstand, um sich auf die Bettkante des Mädchens zu setzen. Als diese beschämt den Kopf zur Seite drehte, lächelte er nur leicht und strich ihr vorsichtig über den schwarzen Haarschopf. "Du musst dich nicht schämen ... als mir das passiert ist, habe ich ziemlich lange geweint!", erklärte er ihr schließlich. Er konnte nahezu dabei zusehen, wie ihre Scheu verflog und sie sich endlich nieder ließ und ihren Kopf auf seinem Bein bettet. Ihr zierlicher Körper erzitterte immer wieder, während sie versuchte die Geräusche noch immer in sich zu behalten, die nun einmal entstanden, wenn man so bitterlich weinte.
 

Naruto ließ sie. Er tat im Grunde nichts weiter, als ihr durch das Haar zu streicheln und ihr so zu zeigen, dass er sie verstand. Viel mehr konnte er im Moment auch gar nicht tun, aber er fühlte eben auch, wie Wut in ihm aufwallte. Das hier war nicht sein Platz! Hier sollte jetzt jemand ganz anderes sitzen, egal wie viel Trauer dieser auch empfand. Es war doch seine Aufgabe als Vater seinen Kindern zu helfen. Diese Wut staute sich auch immer mehr in ihm auf und als das Mädchen sich ein klein wenig beruhigt hatte, strich Naruto ihr mit den Daumen über die feuchten Augen und lächelte sie aufmunternd an. "Geht es wieder?", fragte er dann und war ehrlich erleichtert, als Keiko leicht nickte. "Das ist gut ...leg dich hin kleines, es ist schon sehr spät!", erklärte er dann und zog die Decke etwas höher, als das Kind seiner Forderung nach kam.
 

Schließlich ließ er sie alleine. Der Tee war mittlerweile vergessen, er hatte so viel Wut im Bauch, dass er nun eindeutig etwas anderes brauchte um gut schlafen zu können. Und so marschierte er auch direkt zu dem Zimmer, hinter dem das Schlafzimmer des Uchihas lag. Er verschwendete auch gar nicht erst seine Zeit damit anzuklopfen. Statt dessen stürmte er halbwegs in den Raum hinein und baute sich nahezu schäumend vor dem schwarzhaarigen jungen Mann auf, packte ihn an seinem Hemd und drückte ihn gegen den Schrank. "Was zum Teufel ... kannst du mir sagen was du hier zu suchen hast?", zischte Sasuke auch gleich, aber Naruto war nicht bereit, heute noch irgendwelche Spielchen zu spielen.
 

"Hör zu, Sasuke! Von mir aus sei das emotionslose Arschloch das du nahezu dein ganzes Leben gewesen bist, aber ich werde nicht zu lassen, dass du aufgrund dieser Eigenschaften deinen Kindern die Hölle auf Erden bereitest. Ich weiß, du hast fast keine Emotionen gezeigt als du deine Eltern verloren hast, ich hingegen habe es. ich habe geheult wie ein Schlosshund und ich hatte wahnsinnige Probleme zu verarbeiten, dass ich sie nie wieder sehen werde. Und wenn du nicht sofort deinen Hintern zu deiner Tochter bewegst und ihr endlich ein Vater bist, dann Gnade dir Gott! Ich werde dir so heftig eine verpassen, dass du dir den Rest deines Lebens wünscht, mich nie kennengelernt zu haben!", zischte er wütend und ließ dann von Sasuke wieder ab. Seine blauen Augen funkelten regelrecht und seine ganze Haltung ließ keinen Zweifel daran, dass er es verdammt ernst meinte. Er konnte damit leben, dass Sasuke niemanden an sich heran ließ, aber wenn er diese Kinder so sah, dann ertrug er das nicht. Nicht er sollte ihnen Trost spenden, das war Sasukes Aufgabe und er würde dafür sorgen, dass er dieser auch verdammt gewissenhaft nach kam.
 

Ohne ihm eine Chance zu geben zu reagieren, stapfte er genauso wütend wieder aus dem Zimmer heraus und ging endlich nach unten. Natürlich war ihm bewusst, dass es ihn nichts anging, was in dieser Familie vor sich ging. Doch wenn man ihn schon zwang hier zu sein, dann konnte er das wenigstens sinnvoll nutzen. Und auch wenn ihn dieser Gedanke noch wütender machte, so glaubte er fest daran, dass Hikari vermutlich ihm gerade um den Hals gefallen wäre, weil er ihren Kindern half. Dieser Gedanke war wirklich unangenehm, weswegen er ihn auch energisch in die hinterste Ecke seines Bewusstseins schob und sich bemühte, diesen dann zu vergessen. Er wollte nicht an diese Frau denken, auch wenn sie ihm nie persönlich etwas getan hatte, er konnte sie einfach nicht leiden.
 

Als er zehn Minuten später mit einer Tasse Tee den Flur wieder entlang ging, bemerkte er sofort, dass die Tür des Mädchens ein Stück weit auf stand. Ein zufriedenes Lächeln huschte dem blonden Mann dann über das Gesicht, als er durch den Spalt sehen konnte, dass Sasuke wirklich seine Drohung ernst genommen hatte. Nun saß er etwas unbeholfen auf dem Bett, seine Tochter auf dem Arm und versuchte wenigstens, ihr etwas Trost zu spenden. Es ginge besser, da musste auch niemand sich gegen wehren, aber das würde wohl eher einem Wunder gleich kommen. Die Hauptsache war doch erst einmal, dass Sasuke es versuchte. Mit der Zeit würde er dann vielleicht auch lernen, dass er sich genauso öffnen konnte, dann würde er auch nicht mehr so steif wie in diesem Augenblick wirken. Nun aber deutlich gelassener verschwand Naruto leise in sein eigenes Zimmer. Er freute sich auf seinen Tee und auch auf eine entspannte Nacht.

 

 

 

 
 

***

Als Naruto am nächsten Morgen erwachte, war er wirklich gut ausgeruht. Er fühlte sich entspannt und vollkommen mit sich ihm reinen, weswegen es auch dieses Mal kein Problem war, die Decke zurückzuschlagen, sich ausgiebig zu strecken und dann das warme Bett zu verlassen, um sich dann auf den Weg in das Badezimmer zu machen. Wie immer war das Haus ungewöhnlich still, aber dieses Mal konnte er von unten eindeutig Geräusche hören, die erahnen ließen, dass die anderen bereits beim Frühstück saßen. Immerhin, das war ein Fortschritt. Zwar sprach auch nun niemand miteinander, aber man konnte eben nicht alles auf einmal haben, Naruto wusste das.
 

Zufrieden verschwand er in das Badezimmer und nachdem die Morgenroutine erledigt war, zog er sich eine Jogginghose an und machte sich auf den Weg nach unten, um der Familie beim Frühstück Gesellschaft zu leisten. Der Tisch war reichlich gedeckt, Sasuke saß auf seinem Platz und auch die Zwillinge schienen guten Appetit zu zeigen. Also Naruto eintrat, grinste er zufrieden."Morgen!", begrüßte er die drei Personen. Sasuke reagierte wie gewöhnlich absolut nicht. Statt dessen griff er zu seinem Kaffee und trank diesen. Auch Taiki zeigte keine Reaktion, Keiko allerdings blickte auf und schenkte ihm ein scheues Lächeln, welches Naruto erwiderte. Es schien als wenn er das kleine Mädchen erreicht hatte. Oder aber, die hatte die Intelligenz ihres Vaters und hatte bereits von alleine herausgefunden, warum der Mann letzte Nacht zu ihr gekommen war. Was auch immer es auch war, Naruto freute sich einfach über diese offene Geste.
 

Ruhig holte auch er sich einen Kaffee, ehe er sich zu den anderen an den Tisch setzte. So ein ruhiger Morgen hatte durchaus etwas für sich, etwas positives verstand sich, nur leider gab er ihm auch Gelegenheit, seine eigenen Gedanken wandern zu lassen. Naruto warf einen Blick auf den Uchiha, betrachtete ihn einige Sekunden genau, ehe er den Blick wieder abwendete. Äußerlich wirkte der Mann vollkommen ruhig, was Naruto durchaus etwas verwunderte. In nicht einmal zwei Stunden würde Sasuke seine Frau zu Grabe tragen, wie er da so ruhig bleiben konnte, war ihm einfach ein Rätsel.
 

Naruto wusste, von allen die Sasuke kannten, wohl am besten wie der Uchiha so tickte. Sasuke war nicht ein Mensch, der seine Gefühle offen zeigte. Das hatte er nicht einmal getan, als er Hikari kennengelernt hatte. Natürlich hatte er dem Mädchen deutlich gemacht, dass er an ihr interessiert war, aber eben nicht so offensichtlich, wie die anderen Jungs in ihrem Alter. Er war in ihrer Nähe gewesen, hatte aufmerksam zugehört, wenn sie etwas gesagt hatte, aber das war es dann auch schon gewesen. Wenn Naruto ehrlich war, so konnte er sich kaum vorstellen, wie die Beziehung der beiden verlaufen sein musste. Sasuke war eben kein leichter Mensch und die wenigstens würden damit zurecht kommen, wenn ihr Partner nicht deutlich zeigte, dass dieser einen liebte. Irgendwie konnte Naruto sich seinen Freund nicht als jemanden vorstellen, der große Liebesschwüre machte. Wenn er ehrlich war, hatte er anfangs genau darauf gesetzt, dass die Beziehung nicht lange halten würde. Nur leider war seine Hoffnung bitterlich enttäuscht worden.
 

Eigentlich wollte er sich auch gar nicht mehr Gedanken über diese Frau machen, doch irgendwie konnte er sie auch nicht so wirklich hassen. Einerseits tat er das durchaus, sie hatte Sasuke bekommen, den Naruto genauso hatte haben wollen. Ob er nun wirklich Chancen gehabt hätte, konnte er natürlich nicht sagen, aber er wusste eben auch, dass es niemanden gab, der Sasuke besser kannte, wie er es tat. Nun, abgesehen von Itachi vielleicht, aber der war nicht wirklich die richtige Partie für den Uchiha. Sie waren schließlich Brüder. Aber egal wie sehr er es sich einredete, diese Frau hatte es geschafft den Uchiha zu erweichen. Sie hatte einige Jahre an seiner Seite gelebt und das war durchaus eine Leistung, wenn man bedachte, wie verschlossen Sasuke war.
 

Schließlich wendete er den Blick wieder ab und konzentrierte sich lieber auf sein Frühstück. All diese Gedanken brachten ihn eh nicht weiter. Sasuke sah in ihm nicht, was er in dem schwarzhaarigen jungen Mann sah. Er hatte es acht Jahre für sich selbst leugnen können und der Frau die Schuld geben können, dass ihm etwas verwehrt blieb, was er sich wirklich von Herzen gewünscht hatte. Aber er war kein Kind mehr. Er wusste, dass seine Chancen eher gering standen. So sehr ihn dieses auch verletzte, er musste aufhören, anderen die Schuld zu geben.
 

Nach dem Essen half Naruto schweigend dabei, den Tisch wieder aufzuräumen, ehe er wieder nach oben ging, schnell duschte und schließlich in seinem Gästezimmer sich daran machte, den schwarzen Anzug anzuziehen, den er in den nächsten Stunden tragen würde. Hikari wurde in der Kirche ganz in der Nähe beigesetzt. Wenn er auch nur anwesend sein konnte, hatte er seinen Teil der Abmachung erfüllt. Viel mehr konnte er vermutlich eh nicht machen. Er kannte Sasuke. Der junge Mann würde keine Mine verziehen, erst recht nicht, wenn er von so vielen Menschen umringt war. Und viele würden auf jeden Fall dort sein, Naruto hatte die Liste gesehen ... Hikari schien wirklich viele Menschen gehabt zu haben, die nun auch daran interessiert waren, Abschied zu nehmen. Schließlich warf er einen letzten Blick in den Spiegel und rückte die Krawatte zurecht, ehe er sich abwendete, um das hinter sich zu bringen, weswegen er hergekommen war.

 

 

 

 
 

***

Das letzte Mal wo Naruto die Kirche betreten hatte war ziemlich lange her. Wenn er ehrlich war, konnte er sich nicht einmal richtig daran erinnern. Er selbst war kein besonders gläubiger Mensch und auch Kakashi hatte ihn nie gezwungen an Messen teilzunehmen. Er konnte sich aber daran erinnern, dass das Gebäude bereits sehr alt war. Die langen Reihen aus dunklen Holzbänken war ihm noch vertraut, auch wenn jetzt alles anders wirkte.
 

Vorne am Altar war der Sarg aufgebahrt worden. Eingerahmt von weißen Blumen in allen Größen und Variationen stand der dunkle Sarg. Zuerst bemerkte er es gar nicht, doch als er näher kam, bemerkte er, dass es eine offene Beisetzung war. Das schockierte ihn durchaus, gerade weil die beiden Kinder dabei waren. Sie würden ihre Mutter dort liegen sehen, würden mitbekommen, wie der Sarg geschlossen wurde und schließlich zum Grab getragen wurde. Sie würden mit ansehen müssen, wie er in ein tiefes Loch gehoben wurde und letzten Endes mit Erde verschüttet wurde!
 

Naruto konnte es nicht verhindern, dass seine Hände sich zu Fäusten ballten. Diese Kinder waren so klein, sie begriffen doch noch gar nicht was der Tod bedeutete. Für sie war es, als wenn man ihre Mutter mehr oder weniger lebendig begrub. Sie konnten noch nicht erfassen, dass sie nicht wiederkommen würde, die meisten Kinder in diesem Alter konnten nicht einmal soweit voraus denken, dass sie verstanden, dass eine Woche aus sieben Tagen bestand. Naruto konnte wirklich nicht fassen, dass der Uchiha seinen Kindern dieses antat.
 

Der Mann lief direkt vor ihm, an beiden Seiten hielt er jeweils eines seiner Kinder. Je näher sie kamen, umso unruhiger schien gerade das Mädchen zu werden und als er mit ansah, wie Sasuke ihr einen deutlich verärgerten Blick schenkte, platze Naruto nahezu. Sasuke war wirklich der kälteste Mensch den er kannte. Er wusste, dass man ihm kaum einen Vorwurf machen konnte. Der Bastard hatte in seinen fast 30 Jahren nicht gelernt Gefühle zu verstehen, oder gar zu zulassen. Wie also sollte gerade er verstehen können, was in seinen Kindern vor ging? Das war nahezu undenkbar. Aber er selbst war eben anders. Er verstand was in dem Mädchen vor ging und auch wenn Taiki emotionslos vor sich hin starrte, so ahnte Naruto, wie es tief in dem Jungen aussehen musste.
 

Ehe er wirklich darüber nachdenken konnte, griff er nach Sasukes Arm. Als er Uchiha ihn anblickte, starrte Naruto ihm so wütend entgegen, dass er nichts weiter machen konnte, als fragend eine seiner Augenbrauen zu heben. "Deine Kinder sind wirklich arm dran!", zischte Naruto leise, sicherstellend, dass nur der Uchiha ihn hören konnte. "Du solltest endlich aufhören alle anderen als unwichtig anzusehen und endlich beginnen, zu versuchen, zu verstehen, wie es diesen beiden gehen muss, wenn sie das alles mit ansehen müssen. Wie kannst du es nur wagen, ihnen zu zeigen, dass ihre Mutter in ein tiefes Loch geschmissen wird und dann auch noch mit Erde bedeckt wird?", fragte er, bemüht nicht hier und jetzt die Nerven zu verlieren. Naruto zitterte regelrecht vor Wut über die Gedankenlosigkeit seines angeblich besten Freundes. Natürlich hatte es nichts mit der Verbindung zwischen ihnen zu tun, was hier gerade geschah, aber Naruto hatte doch gedacht, dass Sasuke wenigstens ansatzweise einen Verstand hatte. Wozu sonst hatten alle ihn ein Genie genannt? Aber eben dieses Genie tat nun so etwas dummes, dass man kaum glauben konnte, dass er auch nur ansatzweise Intelligenz besaß.
 

Mit einem Blick, der mehr als deutlich verriet, dass Sasuke es bereuen würde, wenn er nun gegen ihn anging, löste er die Hände der Kinder, nahm sie selbst an die Hand und wendete sich ab, um die Kirche wieder zu verlassen. Er schaute sich auch nicht um, während er den Kiesweg entlang ging, die Straße überquerte und einen kleinen Spielplatz ganz in der Nähe ansteuerte, auf dem er und seine Freunde damals schon gespielt hatten. Mittlerweile weinte Keiko bitterlich und selbst Taiki hatte seinen Griff gefestigt, als wenn er Angst hätte, dass er sonst losgelassen wurde. Naruto setzte sich mit den beiden Kindern auf eine Bank und zog das Mädchen auf seinen Schoß, um ihr leicht durch das schwarze Haar zu fahren. Taiki saß neben ihm und hatte den Blick gesenkt, während das Mädchen deutlicher zeigte, wie überfordert sie mit dieser ganzen Situation gerade war. Naruto konnte nichts weiter tun, als ruhig sitzen zu bleiben und wenigstens zu versuchen, ihnen ein wenig Zuneigung zu geben, um ihnen zu zeigen, dass er verstand, was in ihnen vor ging. Selbst in Taiki, der das alles deutlich mehr versteckte, wie seine Schwester.
 

Als sich plötzlich jemand neben ihm nieder ließ, blickte Naruto wieder auf und sofort huschte ihm ein Lächeln über das Gesicht. "Solltest du nicht drinnen sein?", fragte er dann nach, wendete den Blick wieder ab und blickte auf das Mädchen hinab, das seine Augen geschlossen hatte und scheinbar vor Erschöpfung eingeschlafen war. "Hmm ... ich wusste, dass ich dich mit den beiden hier finden würde!", hörte er dann die tiefe, samtweiche Stimme, die er schon immer geliebt hatte. Itachi konnte ein Bastard sein, aber man hatte ihm immer angemerkt, wie sehr er seinen Bruder liebte. Er hatte alles für Sasuke getan, was er nur hatte tun können. Naruto erinnerte sich gerne an die Tage, die sie drei zusammen verbracht hatten. "Das beantwortet meine Frage nicht!", erwiderte Naruto und blickte zum Himmel hinauf. Strahlend blau zog er sich über ihnen hinweg. Es war ein durchaus sehr schöner Tag, vor allem wenn man bedachte, welche Trauer gerade in dem Gebäude herrschte, das er selbst von hier aus noch gut sehen konnte.
 

"Weißt du, ich habe schon immer gewusst, dass du meinem kleinen Bruder gut tust! Ich habe es nie geschafft, Sasuke zu helfen, etwas aufzutauen!", erwiderte Itachi, ohne ihn anzusehen. "Als du damals einfach gegangen bist, ist für Sasuke eine Welt zusammengebrochen!", erklärte er weiter. Naruto wendete den Blick ab und schaute verärgert zur Seite. Itachi schaute ihn nun an und lachte leise. "Nicht, dass er es je zugeben würde ... aber ich weiß, dass er deine Gesellschaft immer genossen hat, so wie ich immer dankbar dafür gewesen bin, dass du viel zu stur warst,einfach aufzugeben. Egal wie hart Sasuke war, egal wie oft er dir gesagt hat, dass du ein Idiot bist und verschwinden sollst, du hast es einfach nicht getan!", erklärte der ältere Uchiha weiter, ehe er sich aufrichtete. "Weißt du, vielleicht hast du zu früh aufgegeben ... vielleicht ist es aber auch jetzt an der Zeit, ehrlich zu sein und darum zu kämpfen, den Platz einzunehmen, den du immer hast haben wollen!"
 

Naruto konnte nicht anders, als erschrocken zu dem älteren Uchiha aufzusehen. Er musste nicht einmal nachfragen. Das nahezu verschmitzte Lächeln, welches Itachis Mundwinkel umspielte, ließ keinen Zweifel daran, dass er es wusste. Woher? Das konnte er nicht einmal erahnen. Er war nicht so offensichtlich, er hatte alles getan, damit niemand etwas davon mitbekam. Dass nun jemand hier war, der seine Gründe kannte, war unangenehm und Naruto spürte auch für einen Augenblick deutlich, wie eine Art Panik begann sich in ihm auszubreiten. Zumindest so lange, bis Itachi erneut zu ihm sprach. "Ihr beide wart immer in meiner Nähe ... wie hätte ich deine Blicke nicht bemerken sollen? Deine Versuche ihm näher zukommen und seien sie noch so unterschwellig gewesen?", fragte er schließlich und blickte Naruto erneut an. "Keine Sorge, ich habe es elf Jahre für mich behalten ... es ist nicht meine Angelegenheit, Sasuke deine Beweggründe mitzuteilen. Ich bin nur hergekommen, um dir zu danken. Dafür, dass du dich um diese beiden kümmerst und auch dafür, dass du noch immer meinem kleinen Bruder die Stirn bietest!" Mit diesen Worten wendete Itachi sich ab und ließ Naruto alleine zurück, der tief in seine Gedanken versank, nicht sicher, was er davon halten sollte, dass jemand verstanden hatte, was mit ihm los war. Naruto fühlte sich einfach nicht gut damit und er ahnte, dass es nicht unbedingt leichter nun werden würde.

 

 

 

 

04 annoying questions


 

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04 annoying questions

 

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Naruto hatte sich standhaft geweigert, mit den beiden Kindern die Kirche noch einmal zu betreten. Nicht, wenn sie mit ansehen mussten, was mit ihrer Mutter geschah und er hatte auch nicht wirklich das Gefühl, als wenn die beiden ihm das übel nehmen würde. Die ganze Zeit über waren sie ruhig gewesen, aber gleichzeitig hatten sie auch Nähe gesucht. Zwar eher zögerlich und nicht wirklich wissend, was sie selbst damit anfangen sollten, dennoch hatte er ihnen diese gegeben. Das war etwas, was Naruto durchaus sehr gerne tat.

 

 

Was Naruto aber nicht wirklich gewundert hatte war, dass Sasuke zwar am Ende der Zeremonie sich suchend umgeschaut hatte, aber es nicht wirklich gewagt hatte zu ihm zu kommen. Aber Naruto ging dennoch nicht davon aus, dass das Thema auf diese Art bereits erledigt sein würde. Nicht, wenn er Sasuke so in die Hacken gelaufen war, wie er es eben getan hatte. Das bereitete ihm allerdings weniger Sorgen. Itachis Worte waren es da eher, die ihn absolut nicht los ließen. Er konnte grübeln wie er wollte, aber ihm fiel beim besten Willen nicht ein, wann und wo er wohl einen Fehler begangen hatte und dem älteren Uchiha einen Einblick in dessen gewährt hatte, was er sonst vor jedem verborgen hatte. Auch das Versprechen, es nicht weiter zu sagen, beruhigte ihn nicht wirklich.

 

Als die Beerdigung beendet worden war, drückte Naruto die Hand des Mädchens leicht. "Na kommt, jetzt gibt es etwas leckeres zu Essen!", ermutigte er sie und damit auch ihren kleinen Bruder. Gemeinsam erhoben sie sich von der Bank, auf der sie nun über eine Stunde verharrt hatten und überquerten ein weiteres Mal die Straße, um sich zu der Trauergesellschaft zu gesellen. Alle redeten wild durcheinander, Sasuke gegenüber wurde so oft Beileid bekundet, dass Naruto ganz schlecht davon wurde. Er hasste diese Floskel abgrundtief, auch wenn er so seine Probleme mit dieser Beziehung gehabt hatte, so verstand er dennoch, dass man diese dahin geworfenen Worte einfach nicht hören wollte. Im Grunde war dieses wohl auch jedem klar, doch die Erziehung verbot es einem da doch, sich dessen zu entziehen. Für einen Moment erhaschte er einen Blick auf Sasukes Augen, die seiner Meinung nur noch mehr Zunder gab. Der Uchiha hasste dieses Prozedere abgrundtief, daran hatte er absolut keinen Zweifel. Leider ließ man auch die Zwillinge mit dieser grauenhaften Floskel nicht in Ruhe, im Gegensatz zu Sasuke konnten diese jedoch wenig damit anfangen und Naruto war auch nicht gewillt, die Kleinen dem länger auszusetzen, als es unbedingt notwendig war. Er wusste wo es nun hingehen sollte und so gab er die Richtung vor und die Zwillinge folgten freiwillig. Vermutlich waren auch sie froh, diesem Trubel entkommen zu können, welches sie absolut nicht verstehen konnten. Übel nehmen konnte Naruto ihnen das nun wirklich nicht. Sie waren eben noch sehr klein.

 

 

 

 
 

 

 
 

***

 

 

Das Lokal war wirklich schön hergerichtet worden. Anders konnte man dieses gar nicht beschreiben. An den runden Tischen, die verteilt in einem riesigen Saal standen, befanden sich jeweils sechs Stühle. Eine weiße, fein gestickte Decke lag auf jedem dieser Tische. In der Mitte befand sich ein weiteres, dieses Mal aber schwarzes Tuch und darauf wiederum stand eine brennende Kerze. Blumen rundeten das Gesamtbild ab und Naruto erkannte, dass es wohl Hikaris Lieblingsblumen gewesen sein mussten. Auch in der Kapelle auf dem Friedhof waren diese ihm bereits aufgefallen, welche Sorte es aber war, das konnte er beim besten Willen nicht sagen. Eigentlich interessierte es ihn auch gar nicht.

 

An seiner linken Hand nahm der Griff deutlich zu und so schaute er kurz nach unten und lächelte das Mädchen aufmunternd an. Hier drinnen musste sie sich wirklich nicht fürchten. Der Leichenschmaus war etwas, was erträglich war. Sicher, man sprach überwiegend über die Verstorbene, doch das für sich war wohl erträglicher, als sie in dem offenen Sarg noch einmal betrachten zu können. Er glaubte aber auch nicht, dass die beiden die ewigen Geschichten von weißt du noch damals und ich erinnere mich noch ganz genau wirklich aufnehmen würden. Am Anfang vielleicht, aber dann würden die beiden wohl doch dazu übergehen, dieses ganze Stimmengewirr auszublenden. Für sie hatte es einfach keinen Zusammenhang mit ihrer Mutter.

 

Gelassen führte er die Zwillinge zu einem der hinteren Tische und half Keiko auf den Stuhl. Taiki hingegen kletterte ganz von alleine herauf, während er noch immer dieses kühle Gesicht zeigte, welches Naruto gleichsam schockiert wie auch sein Herz erwärmt hatte. Ganz der Vater, anders konnte man es nun wirklich nicht sagen. Einerseits war es bedauerlich, dass so ein kleines Kind bereits so verschlossen sein musste, aber auf der anderen Seite rief dieses Erinnerungen an längst vergangene Tage in ihm wach. Sasuke hatte auch jedes Mal so aus der Wäsche geschaut, auch schon bevor seine Eltern gestorben waren. Was genau da der Grund gewesen war, wusste Naruto nicht. Aber irgendwoher musste der Uchiha seine kühle Art durchaus erlangt haben. Damals war er noch nicht wirklich oft bei Sasuke gewesen, erst als Itachi sich um diesen gekümmert hatte, hatte er sich da regelrecht festgebissen. Gemeinsamkeiten verbanden eben, zumindest aus Narutos Sicht heraus.

 

Als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, schaute er natürlich auf, aber er war durchaus froh, dass es nicht besagter Bastard war, den er im Moment sowieso gefressen hatte. Im Augenblick tat dieser wirklich gut daran, ihn erst einmal ein wenig Abstand zu gönnen, wenn sie nicht wollten, dass sie sich am Ende jeweils um einen Kopf kürzer machten. Aber zum Glück war es Sakura, die ihm ein liebenswertes Lächeln schenkte. "Sei nicht so streng mit ihm, Naruto... du kennst ihn doch. Er hat diese Frau geliebt und du weißt genauso gut wie ich, dass er sich dabei sicher nichts böses gedacht hat!", versuchte sie die Wogen zu glätten und bei ihrem gemeinsamen Freund Schützenhilfe zu leisten. Das tat sie öfter, auch wenn Naruto nicht glaubte, dass es nur auf Sasuke bezogen war. Allerdings war klar, dass Naruto häufiger zur Ruhe ermahnt werden musste, als es bei Sasuke der Fall war.

 

Naruto konnte da dennoch nur schnauben. "Weißt du, genau das ist das Problem. Wie kann man dabei nicht nachdenken?", fragte er angespannt, schüttelte energisch den Kopf und ließ sich zwischen den beiden Kindern nieder. Sakura nahm neben Keiko Platz und lächelte diese aufmunternd an, auch wenn das kleine Mädchen sofort schüchtern den Kopf senkte. Eigentlich konnte Naruto ganz froh sein. Es war nicht einmal 24 Stunden her, da hatte sie auch bei ihm ähnlich reagiert. Und jetzt... irgendwie hatte er es geschafft, sich ihr anzunähern, wie genau wusste er aber beim besten Willen nicht. Eigentlich war das auch belanglos, wichtig war einzig und alleine, dass er es geschafft hatte und vermutlich war es wieder einmal nur seine Art. Es war ihm nie schwer gefallen, Kontakte zu knüpfen. Er war eben ein Mensch, der stur blieb, auch wenn man ihn erst ablehnte.

 

"Du bist unfair, Naruto!", warf Sakura ihm vor. Ihr Gesicht verzog sich, die leichte Verärgerung die sie nun zu empfinden schien, war nicht mehr zu übersehen. Naruto scherte sich ehrlich nicht darum. Er hatte da einfach seine Meinung. Sakura musste ihm ja nicht zustimmen, aber er konnte wahrlich nicht nachempfinden, wie Sasuke so gedankenlos handeln konnte. "Mag sein, interessiert mich aber nicht wirklich. Frag dich doch lieber Mal, wie du an ihrer Stelle wohl reagieren würdest. Sie sind fünf Jahre alt, Sakura... hast du da verstanden was es mit diesem Thema auf sich hat? Also ich nicht und deswegen finde ich es wirklich eine Sauerei, was er da veranstaltet hat. Wenn es offen sein muss, bitte! Aber dann doch bitte ohne sie!", zischte er leise und in Verteidigung seiner eigenen Ansichten zurück.

 

Sakura schüttelte leicht den Kopf. Es war offensichtlich, dass man Naruto in dieser Hinsicht eher nicht belehren konnte. Im Grunde hatte er auch Recht, auch wenn er da eindeutig zu sehr seine eigene Meinung in den Vordergrund stellte und darüber hinaus einfach vergaß, dass diese ganze Situation für Sasuke sicherlich auch nicht leicht war. Immerhin hatte er seine Frau verloren und stand nun mit den Zwillingen ganz alleine da. Leicht war dieses sicherlich nicht, dass man da auch zeitweise einmal vergaß den gesunden Menschenverstand zu nutzen, war doch irgendwie sogar verständlich, ja sogar sehr menschlich.

 

"Keine Ahnung... mich regt das einfach auf!", erklärte Naruto und strich leicht über die Decke, die den Tisch eindeckte. Sie fühlte sich ein wenig rau unter seinen Fingern an. Wirklich erreichen tat ihn dieses allerdings nicht. "Wie war es eigentlich noch, nachdem ich weg war?", versuchte er schließlich das Thema auf etwas zu lenken, was ihm nicht ganz so nahe ging. Zumindest im Ansatz, denn auch dieses war durchaus ein Bereich, der ihn furchtbar aufregen konnte. "Ach, du kennst ihn doch!", erwiderte die junge Frau und seufzte schwer. Naruto kannte Sasuke in der Tat, was ihm sogar wieder ein leichtes Grinsen entlockte. "Lass mich raten, er hat gewettert wie ein Meister und sich dann einfach verzogen um zu schmollen?", fragte er ein wenig amüsierter. Sakura lachte leise. "Ein Uchiha schmollt doch nicht!", antwortete sie dann keck, schüttelte aber gleich ihre hellen Haare.

 

"Nein, im Ernst, Naruto! Wir alle sorgen uns. Er auf seine verquere Art eben auch. Es hat ihm gewiss nicht gut getan, dass du einfach so gegangen bist. Er würde es nie zugeben, aber man hat es ihm dennoch angemerkt.", versuchte sie ihrerseits das Thema zu vertiefen. Naruto schnaubte leise, verdrehte die Augen und starrte auf die blütenweiße Decke. Warum nahm man eigentlich weiß für solche Anlässe? Es war eine Trauerfreier und Trauer war nicht weiß. Eher pechschwarz, wie ein brodelnder Kessel voll mit Teer. "Hmm!", brummte er schließlich, riss den Blick von der Decke wieder los, um die hereinströmenden Gäste zu fixieren. "Ich hatte meine Gründe, Sakura!", gibt er sich anschließend vage, ahnend, dass er nun nicht so einfach davonkommen würde. Er kannte die Frau, er kannte seine Freunde und normalerweise liebte er jeden einzelnen von ihnen sehr. Aber in solchen Momenten wünschte er sie eindeutig auf den Mond, oder sich selbst. Hauptsache er konnte den lästigen Fragen entkommen, die immer wieder aufkamen.

 

"Das bezweifelt auch niemand, Naruto. Dennoch. Das haben wir einfach nicht erwartet. Du warst schon vorher so seltsam und hast dich mehr und mehr abgekapselt!", rechtfertigt sie ihren Ansatz. Es stimmte ja auch. Naruto hatte sich abgekapselt, um sich und seine Freundschaften zu schützen. Himmel, unterstellte man ihm etwa, dass er Hals über Kopf alles zusammen gerafft hatte, um einfach zu verschwinden? So mochte es aussehen, aber es war bei Weitem nicht so gewesen. Für Monate hatte er schon mit dem Gedanken gespielt, alles was ihm gefehlt hatte, war der Abschluss gewesen und eine vage Idee, wo es denn hingehen sollte. Sein Blick blieb an einer Frau hängen, die älter war und der verstorbenen verblüffend ähnlich sah. Vermutlich die Mutter, oder eine Tante. Er wusste es nicht.

 

Naruto kannte ihre Verwandten nicht, er hatte nie etwas mit ihr zu tun gehabt und sein Verlangen, dieses zu ändern, war doch recht gering gewesen. Sasuke stand neben dieser alten Frau und schien sich zu unterhalten. Selbst wenn er es deutlich versteckte, Naruto konnte da eindeutig tiefer sehen wie die meisten es wohl je können würden. Der Uchiha empfand Schmerz, Trauer und alles, was auch jeder andere normale Mensch empfand. Warum er dieses nicht wie jeder andere zur Abwechslung einmal zeigen konnte, verstand er absolut nicht. Solche Dinge machten einen doch erst menschlich und nicht zu einem kalten Ding, das nicht zu Emotionen in der Lage war. "Es ist einfach so, dass dieser Wunsch nicht plötzlich aufgetaucht ist. Verstehe das bitte, Sakura! Ich musste einfach weg!", sagte er schließlich leise, riss sich von dem Anblick los, um seine Freundin wieder zu betrachten. Es war wirklich nicht anders gegangen.

 

"Das verstehe ich ja auch. Aber auch ich mache mir Sorgen. Du meidest jeden Kontakt, Naruto. Wir vermissen dich und im Grunde wissen wir doch gar nicht, wo du bist und was du machst. Ich mag nicht immer deine beste Freundin gewesen sein, aber nun bin ich es. Also bitte, rede mit mir.", versuchte sie es erneut. Naruto hatte das ja kommen sehen. Sakura war von allen einerseits jene, die am leichtesten zu ertragen war, aber auch jemand, der nicht nachgab. "Da gibt es nicht viel. Ich bin nur ausgewandert, kein Grund, gleich ein Drama zu machen. Ich habe ein Dach über den Kopf, bekomme drei Mahlzeiten am Tag und ich schreibe wann ich will. Das Ergebnis ist euch doch nicht unbekannt!" Langsam ärgerte er sich wirklich über das Verhalten seiner Freunde.

 

Das Seufzen, was er für seine Antwort erntete, war ihm dann auch recht egal. Sie musste einfach damit leben. Dass sie allerdings aufstand und die Arme um ihn schlang, damit hatte er wahrlich nicht gerechnet. "Ich kann nicht viel mehr tun, als es dir anzubieten. Ich warte, aber ich werde nicht aufgeben. Denn ob du es hören willst oder nicht, ich habe nicht das Gefühl, als wenn diese Entscheidung dich glücklicher gemacht hat!", erklärte sie ihm leise, ehe sie von ihm ab ließ und zu den restlichen Trauergästen verschwand.

 

Ja, da traf sie eindeutig ins Schwarze. Denn wie sollte er glücklich sein, wenn er etwas zurück ließ, was ihm durchaus viel bedeutete? Für ihn, der Familie als etwas sehr wertvolles ansah, war das schier undenkbar. Und irgendwie war Sasuke so etwas wie Familie gewesen. Sein Freund, sein Vertrauter, sein Bruder. Für Jahre waren sie wirklich eng befreundet gewesen, auch wenn Außenstehende bei dieser Aussage wohl eher in ein schallendes Gelächter verfallen waren. Denn eine typische Freundschaft hatten sie ganz gewiss nicht gepflegt. Dennoch ließ es sich nicht leugnen.

 

Erneut fuhr die Hand über den rauen Stoff, während er seinen Gedanken nach hing. Wie sollten andere auch verstehen können, was sie einst verbunden hatte? Da waren keine Bekundungen notwendig gewesen. Keine grinsenden Umarmungen, das typische, überschwängliche Klopfen auf den Rücken. Keine prollhaften Ansprachen die die Jugend eben immer wieder für sich fand. Ihre Freundschaft war einfach besonders gewesen. Und auch wenn Sasuke ihm mehr als nur ein Mal vor den Kopf gestoßen hatte, ihm mehr als ein Mal gesagt hatte, dass er nervig war, auf der eher unsichtbaren Ebene hatten sie beide gewusst, was sie verband.

 

Dennoch, Naruto konnte seine Entscheidung nicht bereuen. Nicht in dem Umfang, wie er es vermutlich müsste. Mit einem letzten Blick auf den Uchiha, der noch immer fleißig Hände schüttelte und die Beileidsbekundungen entgegennahm, drehte Naruto sich den Zwillingen wieder zu, die still neben ihm saßen. Sie sahen schlimm aus. Mit großen Augen schauten sie sich um, als wenn sie fürchteten, dass gleich etwas schreckliches passieren würde. Natürlich war dem nicht so, aber woher sollten sie es in ihrem Alter wissen? Das war sogar ausnahmsweise etwas gutes. Trotzdem, er konnte sich das wirklich nicht länger mit ansehen. Er mochte diese beiden irgendwie, vollkommen egal dass er zu gleichen Teilen Eifersucht empfand, es waren und blieben kleine Kinder, die nichts für all dieses konnten. Nicht für den Verlust den sie selbst erlebt hatten, oder auch den, den Naruto vor Jahren erlebt hatte und der ihm auch heute noch schwer auf den Magen schlug.

 

Schließlich streckte er die Hand aus und fuhr Keiko sanft durch das Haar. Sie war empfänglicher für ihn, leichter zu erreichen, als man es von ihrem Bruder erwarten konnte. Es war wirklich seltsam, wie ähnlich dieser seinem Vater war. Sasuke würde später so seine Probleme haben, an den Jungen ranzukommen. Falls er es überhaupt versuchte. Naruto wollte dem Uchiha nichts böses unterstellen. Er hatte jede verdammte Mail gelesen und Sasuke liebte seine beiden Kinder, daran gab es keinen Zweifel. Dennoch, was Gefühle anging, schaffte Sasuke es einfach nicht, diese wirklich zu zeigen. Somit würde es Naruto nicht wundern, wenn er nicht einmal versuchte seine Kinder wirklich zu erreichen, wenn sie später als Teenager außer Rand und Band gerieten.

 

"Was haltet ihr von einem Eis?", schlug er dann vor. Keikos Augen leuchteten sofort auf. Taiki hingegen starrte ihn weiter stur an, als wenn es verboten war, Freude zu zeigen. Gott, es war wirklich gruselig, er sah Sasuke so stark in diesem Jungen, dass er gar nicht wirklich wusste, ob er sich freuen sollte, oder doch lieber das Weite suchen sollte. "Natürlich nur weil ich es angeboten habe!", sagte er dann zu dem Jungen, den Instinkten folgend, die er schon damals dringend gebraucht hatte, um voran zu kommen. Natürlich, Sasuke hatte solche Dinge nie angenommen, nur wenn es sein musste. Freude zu zeigen war ihm echt schwer gefallen und nun sah er tatsächlich noch weitere Ähnlichkeiten zwischen seinem Freund und dessen Sohn, als dieser ihn weiter starr anblickte, aber dennoch vom Stuhl rutschte, als wenn man ihn dazu nötigen würde. Keiko war da wirklich leichter zu händeln. Sie freute sich sehr offensichtlich über die süße Speise, die sie nun erwartete. Naruto konnte wirklich nur hoffen, dass sie ihr Gemüt behielt und durch die Art ihres Bruders und ihres Vaters nicht irgendwann begann sich ebenfalls zu verschließen. Das wäre wirklich schade, diese Familie würde jemanden brauchen, der in der Lage war mit Gefühlen offen umzugehen, auch wenn es einen bitteren Beigeschmack hinterließ, dass ein kleines Mädchen diese Rolle vorerst ausfüllen musste. Naruto blieb dabei, ein Kind sollte seine Kindheit genießen können.

 

Diese Gedanken von sich schiebend, stand auch er auf und führte die beiden Kinder in den hinteren Bereich des Saals, wo ein Buffet aufgebaut worden war, an dem man einige Dinge nachholen konnte, die nicht direkt an den Tisch gebracht wurden. Belegte Brote waren darunter, Fingerfood welches man leicht und problemlos zwischen einem Schwall an Erinnerungen runter würgen konnte. Dieses war nicht Narutos erste Beerdigung, es wunderte ihn aber immer wieder, wie ausgelassen die Feier im Anschluss werden konnte. Vermutlich war es eine Berufskrankheit, dass er so genau hinsah, dennoch konnte er es nicht lassen. Es war durchaus eine interessante Szenerie.

 

"Entschuldigung!", machte er auf sich aufmerksam und schenkte der jungen Frau vor sich ein warmes Lächeln, als diese sich zu ihm drehte. "Diese beiden hier hätten gerne etwas süßes, kaltes!", erklärte er charmant und blickte zu den Kindern hinab, wissend, dass sie dem Blick folgen würde. "Oh, natürlich. Wir haben hinten eine Truhe, aus der sie sich eines aussuchen können!", folgte auch sogleich, was Naruto ein Grinsen entlockte. Keiko war Feuer und Flamme, auch wenn sie es sehr verhalten zeigte. Sie trippelte lediglich leicht von einem Bein aufs andere, ungeduldig die süße Köstlichkeit zu erhaschen, die ihr versprochen worden war. Taiki hingegen drückte nur seine Hand etwas fester, was Naruto als Zeichen der Freude gelten lassen wollte. Irgendetwas sagte ihm einfach, dass dieser kleine Mann an seiner Hand das Weite gesucht hätte, wenn er wirklich etwas nicht hätte haben wollen. Ganz der Vater eben.

 

Zu viert liefen sie dann in den hinteren Bereich der Gaststätte, wo ihnen die Truhe gezeigt wurde. Keiko brauchte auch nicht lange um sich zu entscheiden, Taiki hingegen brauchte länger. Seine dunklen Augen studierten die Auswahl und erst als sein Blick an einer Ecke stehen blieb, griff Naruto automatisch zu und hielt dem Jungen das Eis hin. Wie erwartet bekam er keine Reaktion. Es wäre auch eher verwunderlich gewesen, wenn diese nun tatsächlich eingetreten wäre. "Vielen Dank!", sagte er schließlich noch, ehe er die beiden vor sich her zurück in den Saal schob, der mittlerweile gut gefüllt war. Viele der Trauergäste hatten sich bereits an den Tischen niedergelassen. Naruto wunderte es aber doch, dass Sasuke an jenem stand, an dem er gerade noch gesessen hatte. Niemand geringer als Itachi stand neben ihm und beide schienen sich sehr zu streiten, auch wenn die Worte leise waren, so konnte man an der Mimik doch erkennen, dass sie harsch und voller Wut und Bitterkeit waren. Naruto war bei dem Anblick gar nicht wohl. Unweigerlich musste er an das Gespräch zurück denken, wobei er wirklich hoffte, dass Itachi Wort hielt.

 

Allerdings erleichterte es ihn, als er mit den beiden im Schlepptau näher kam. Die Worte verstummten augenblicklich und Sasukes missbilligender Blick galt einzig dem, was seine Kinder in der Hand hielten. Herausfordernd erwiderte Naruto diesen Blick, fast schon trotzig, ihn dazu animierend, es nur zu wagen, nun etwas zu sagen. Es waren Kinder, ein Eis würde sie schon nicht umbringen und er war sich doch sicher, dass ihre Mutter ihnen dieses das eine oder andere Mal bereits gegeben hatte.

 

"Du hast doch nichts dagegen, oder?", fragte er schließlich nur, den Uchiha weiter anstarrend. Sie kannten sich. Sasuke wusste mit Sicherheit nach wie vor, dass es nun nicht sehr klug war, ihm zu widersprechen, wenn er keine Szene wollte. Naruto hatte sich noch nie vor einem Streit gefürchtet, die Zeit, der Ort und die weiteren Anwesenden hatten ihn da nie aufgehalten. Wozu auch? Wenn ihm etwas nicht passte, sagte er es sofort und nicht erst, wenn die Gelegenheit günstig war. Das leichte Grinsen, welches über Itachis Gesicht huschte, stachelte ihn da nur noch weiter an. Erst als Sasuke mit einem verbissenen Ausdruck im Gesicht sich abwendete, grinste er triumphierend. Sieg auf ganzer Linie, so viel war klar. Auch, wenn er bereits jetzt wusste, dass er sich seine restliche Zeit hier zu Hause nur noch schwerer damit gemacht hatte. Doch das nahm er durchaus in Kauf. Lieber konzentrierte er sich nun wieder auf die beiden Kinder, die den wortlosen Streit zwischen ihm und ihrem Vater verfolgt hatten. Dass auch Itachi ging, nahm er durchaus wahr, reagierte allerdings nicht darauf. Lieber hob er Keiko auf den Stuhl und half ihr, das bunte Papier abzubekommen. Taiki hingegen konnte das natürlich auch alleine ganz wunderbar. Es ließ sich nicht leugnen. Er war in der Tat ganz der Vater!

 
 

 

***

 

 

So schlimm wie befürchtet, wurde die Trauerfeier nicht. Zum Glück wurden keine großen Reden gehalten, keine überschwänglichen Lobeshymnen auf die Verstorbene. Die meisten hatten sich einfach in Gruppen zusammengefunden und redeten über belanglose Dinge, die nicht zwingend etwas mit der Frau zu tun hatten, weswegen sie hergekommen waren. Naruto hörte da so allerlei. Manches kannte selbst er, schließlich war auch er hier aufgewachsen und somit waren ihm nicht alle fremd, die anwesend waren. Selbst über ihn und ihre damaligen Freunde wurden einige Anekdoten fallengelassen, begleitet mit reichlich Gelächter. Ja, sie hatten viel Mist gebaut, damals, als die Welt noch in Ordnung gewesen war. Als noch keine wirklichen Probleme sie erreicht hatten und sie einfach nur Kinder hatten sein können.

 

Aber auch, wenn diese Themen ihn betrafen, so hielt er sich doch raus. Lediglich mit einigen Freunden unterhielt er sich, ungezwungen so weit es möglich war, wenn diese sich für kurze Zeit an ihren Tisch verirrten. Aber meistens blieben sie nicht lange und Naruto war sich bewusst, dass dieses auch seine Schuld war. Er war alles andere als entgegenkommend und wahrte eine nicht mehr als höflich zu bezeichnende Distanz. Das Letzte was er gerade wollte war, dass sie einen neuen Streit begannen, in dem eine Gesellschaft involviert wurde, die damit schlicht nichts zu tun hatte. Ein Teil von ihm bereute sogar, dass Kakashi nicht dabei war. Aber dieser hatte mit dieser Runde schlicht und ergreifend nichts zu tun gehabt. So bedauerlich es auch war.

 

Nach einigen Stunden allerdings begannen sich die Reihen nach und nach zu lichten. Die ersten standen auf, bekundeten Sasuke gegenüber noch einmal ihr Beileid, ehe sie sich ihre sieben Sachen nahmen und höflich den Rückzug antraten, nun wo sie sich köstlich amüsiert und den Bauch voll geschlagen hatten. Von dem Buffet war wirklich nicht mehr viel übrig, einige einsame Schnitten lagen noch herum und sahen nicht mehr wirklich appetitlich aus. Was bei der Temperatur die mittlerweile in dem Raum herrschte, nicht einmal verwunderlich war. Aber Naruto störte es nicht, er hatte wenig Hunger und verzichtete dankend auf diese Dinge. Er wartete einfach darauf, dass Sasuke bereit war zu gehen. Immerhin wohnte er noch bei ihm und da er keinen Schlüssel besaß, musste er wohl oder übel aushalten. Nur der Gedanke, dass er es bald geschafft hatte und bei Kakashi einziehen konnte, hielt ihn da noch bei Laune. Erwarten konnte er dieses wirklich nicht mehr.

 

Als mehr als die Hälfte der Gäste sich verabschiedet hatte und auch Sasukes Schwiegereltern den Saal verlassen hatten, kam Bewegung in den Uchiha. Steif bahnte er sich den Weg zu den Mitarbeitern, die an diesem Morgen ihnen zu Diensten gewesen waren und fleißig geholfen hatten die richtige Auswahl an kleinen Köstlichkeiten auszuwählen, oder nur simpel die Kannen mit Kaffe auf den Tischen nachgefüllt hatten. Und nur wenig später kam er direkt auf sie zu. "Es wird Zeit!", brummte er lediglich, schenkte Naruto allerdings keinen Blick, sondern konzentrierte sich auf die beiden Kinder, die ihn mit großen Augen entgegenblickten. Ja, Sasuke war eindeutig wütend. Vermutlich würde er nicht einmal so lange warten, bis sie zurück waren, ehe er ihm den Kopf abriss. Gut, sollte er es nur versuchen, Naruto scheute die Konfrontation nach wie vor nicht. Und ihm lag da nach dem heutigen Morgen noch so einiges im  Magen, was er verdammt gerne loswerden wollte. Allerdings erst, wenn sie alleine waren, denn so viel Anstand hatte er durchaus, auch wenn es nicht ganz leicht war, das Rumoren in sich zu unterdrücken und die Vernunft walten zu lassen.

 

Ruhig folgte er den dreien nach draußen. Dass die Spannung, die gerade in der Luft lag, auch den beiden Kindern nicht entging, war mehr als offensichtlich. Die lockere Art, die sie in den letzten Stunden entwickelt hatten, verflüchtigte sich zusehends, bis sie steif neben ihrem Vater her gingen. Keiner sagte ein Wort und niemand wagte es, den jeweils anderen anzusehen. Naruto kotzte das wirklich an. Er verstand es einfach nicht. Ihm war durchaus klar, dass er sich da wie eine Bulldogge in eine Sache regelrecht verbiss, eine Sache die ihn in Grunde nichts anging, doch auch hier konnte er einfach nicht anders. Es war nicht richtig, wie das gerade lief. Trotz allem schwieg er aber. Es war besser, vor allem für die beiden Jüngsten unter ihnen, denn diese hatten schlichtweg nichts damit zu tun.

 

Allerdings musste er doch sehr an sich halten, als Sasuke beide direkt nach dem Eintreffen in seinem Haus harsch auf ihre Zimmer schickte. Sie gehorchten sofort, eilten den Gang hinab und verschwanden hinter den Türen, die ihr Reich verschlossen. Naruto hingegen presste die Lippen fest aufeinander. So was ging gar nicht. Was konnten die beiden dafür, dass Sasuke wütend auf ihn war? Er hätte sie auch sanfter in ihre Zimmer schicken können. "Was?", blaffte Sasuke auch sofort, als dieser sich zu ihm herumdrehte. Naruto hingegen zog es vor zu schweigen. Es war einfach nicht gut, wenn er nun ebenfalls raus ließ, was in ihm rumorte. Es wäre vollkommen egal, ob die beiden in ihren Zimmern waren, Naruto war einfach kein sehr geduldiger Mensch, wenn er wütend war stieg seine Stimme deutlich an und dann hörte man ihn eh im ganzen Haus.

 

"War ja klar, dass du jetzt schweigst!", zischte Sasuke nur, was Narutos Selbstbeherrschung doch an den Rand dessen trug, was er hinbekommen konnte, ohne dass er platzte. Oh, er würde wirklich gerne einiges raus lassen, vieles davon hatte sicherlich nicht einmal etwas mit der gegenwärtigen Situation zu tun. Allerdings konnte er auch nichts dagegen machen, dass das hochmütige Schnauben des Uchihas ihn doch zu weit trieb, als dass er noch schweigen konnte. "Du bist echt das Letzte, weißt du das?", fragte Naruto angespannt und drehte sich ganz Sasuke entgegen, um ihn mit seinen blauen Augen anzufunkeln. Eine einzelne Augenbraue hob sich. Naruto hasste diese Geste abgrundtief. Sie war so verdammt arrogant, als wenn Sasuke sich für etwas besseres hielt. Manchmal fragte er sich wirklich, ob seine Empfindungen da sogar voll und ganz ins Schwarze trafen, auch wenn er durchaus wusste, dass er da ziemlich unfair war. "Schau nicht so, ich meine es genau so wie ich es gesagt habe!", kam Naruto in Fahrt. "Was sollte das? Das alles? Diese scheiß Beerdigung und um das ganze noch zu Toppen, schnauzt du sie an, dass sie gefälligst verschwinden sollen!"

 

Naruto kam richtig in Fahrt, während er Sasuke die Stirn bot. Dessen ruhige Art stachelte ihn da auch immer weiter an, Aber er konnte auch sehen, dass Sasukes Fassade zu bröckeln begann. Es war selten, doch hin und wieder passierte es durchaus Ein Jammer war dabei allerdings, dass solche Streitereien oft nicht lange andauerten. Manchmal wünschte Naruto sich wirklich, dass Sasuke vollkommen die Kontrolle über seine verdammte Ruhe verlor. Dass er schrie, sich aufregte, einfach ein normaler Mensch war. Jeder andere konnte das doch auch. Niemand war sein ganzes Leben über beherrscht, niemand konnte so viel schlucken. Wer seinem besten Freund diese verdammte Mauer gegeben hatte, hinter der er sich immer verschanzte, gehörte wirklich verprügelt. Es machte es auch nicht besser, dass er ahnte, dass der Tod der Eltern etwas damit zu tun hatte. Ein schlechtes Gewissen hatte Naruto dennoch nicht.

 

"Übertreibe es nicht!", warnte Sasuke ihn. Naruto lachte spöttisch. "Was sonst? Schmeißt du mich raus? Keine Sorge, ich hatte nicht vor lange zu bleiben!", erklärte er wütend. Ein Fehler. Scheinbar war Sasukes Schutzschild schon zu sehr gebröckelt, so dass Naruto nicht für den Bruchteil einer Sekunde eine Emotion über das hübsche Gesicht huschen sehen konnte, die ihm den Wind aus den Segeln nahm. Für einen Moment schaute er wirklich verletzt, doch so schnell wie es gekommen war, so schnell war es auch wieder verschwunden. Stattdessen drehte Sasuke sich weg und begann langsam in die Richtung zu laufen, in der seine Kinder verschwunden waren.

 

"Lauf nicht weg!", verlangte Naruto aufgebracht. Was er mit diesen Ereignissen nun anfangen sollte, war ihm schleierhaft. Diese Gedanken spielten allerdings keine Rolle mehr, als Sasuke ihn mit einem kalten Blick bedachte. "Das habe ich nicht vor. Ist deine Spezialität, oder nicht?", fragte er abweisend, so dass Naruto automatisch leicht fröstelte. Das hatte er wirklich nicht gewollt. Sasuke zu verletzen war nie seine Absicht, allerdings musste man ihm deutlich anerkennen, dass er auch nie für möglich gehalten hätte, dass es den Uchiha überhaupt verletzen könnte.

 

"Du kennst die Gründe nicht einmal, dennoch urteilst du?", fragte Naruto zurück, bemüht nicht wieder ausfallend zu werden. Erneut wendete Sasuke sich ihm zu, verschränkte die Arme in einer abwehrenden Haltung vor der Brust. "Wie sollte ich auch? Du bist es doch, der mir seit Jahren aus dem Weg geht, der sich weigert endlich den Mund auf zu machen!", schleuderte Sasuke ihm entgegen. Die Wut war ihm mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben. "Und komm mir nicht mit dem Bullshit, dass ich es nicht verstehen würde. Ich habe echt keine Ahnung, wann du so feige geworden bist!" Naruto wusste, dass Sasuke gerade erst angefangen hatte auszuteilen. Sie waren lange genug Freunde gewesen, damit er dieses einschätzen konnte. Es war unangenehm, aber feige war er deswegen noch lange nicht.

 

"Ich bin nicht feige. es gibt Gründe, warum ich nichts sage. Akzeptiere das einfach!", erklärte Naruto ablehnend. Er konnte einfach nicht anders. Warum hätte er so viele Jahre schweigen sollen, wenn er nun einfach alles versaute? Wie er seit heute ja wusste, wäre es scheinbar nicht einmal unmöglich gewesen, seine Gefühle zu erkennen. Itachi hatte es fertig gebracht, alle anderen waren da - zum Glück - blind gewesen. Naruto hatte sich wahrlich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Er war nicht einfach aus Trotz weg gerannt, auch wenn manche ihm das ganz gerne unterstellten.

 

Erneut schnaubte Sasuke. "Ja, sicher. Und weil du so ein Samariter bist, schweigst du dich aus. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie die anderen sich um dich sorgen?", blaffte er ihn weiter an. Natürlich wusste Naruto es. Wenn es einen Weg gab, sie zu beruhigen ohne die Wahrheit zu sagen, so hätte Naruto sie schon längst ergriffen. Es war fast lachhaft. Er schrieb Bücher, Fantasie war sein Kapital, aber wenn es darum ging seine Freunde zu belügen, ihnen einen plausible Begründung zu liefern ohne sich auszuliefern, war sein Kopf blank. Er wusste da einfach nicht weiter. "Das ist mir bewusst!", erwiderte er dennoch. Wie hätte es auch nicht so sein sollen? Es waren nicht nur die Gespräche seit er hier war, auch telefonisch und per Mail hatten alle ihn mehrere Male gefragt, ob er nicht endlich mit der Sprache rausrücken wollte.

 

Naruto war sich bewusst, dass er wohl der mieseste Freund war, den diese Truppe sich vorstellen konnte. Sie hatten es nicht verdient, er hatte sie nicht verdient. In all den Jahren hatten sie sich nie abgewendet, obwohl er ihnen mehr als einen Grund geliefert hatte, dass sie es hätten tun können. Selbst Sasuke, was ihn hin und wieder doch sehr verwunderte. "Aber es ist dir egal!", erkannte Sasuke richtig. Nun, das war nicht ganz richtig. Ihm war nicht egal, dass sie nicht loslassen konnten und sich immer weiter sorgten. Aber er konnte eben auch nicht aus seiner Haut raus.

 

"Nein, das ist es nicht!" So war es ja wirklich nicht. "Aber was? Macht es dir Spaß?", gab Sasuke nicht nach, woraufhin Naruto schnaubte. "Lass es einfach sein, Sasuke! Ihr würdet es eh nicht verstehen!" Er wusste, dass sie sich im Kreis drehten. Sie taten es seit er den Kontakt wieder aufgenommen hatte. Immer und immer wieder das gleiche Szenario und langsam wurde er es leid. "Sicher, das weißt du Genie natürlich bestens!", erklärte Sasuke spöttisch und das war der letzte Tropfen der fehlte, damit Narutos Geduldsfaden riss.

 

"Nein, das ist ja deine Spezialität, nicht wahr? Du bist das Genie, du weißt alles. Dann sag mir, Sasuke, wieso bist du nicht in der Lage die Antwort selbst zu finden?", fragte er aufgebracht. Auch das bereute er sofort, auch wenn er bemüht war, Sasuke gegenüber sich nichts anmerken zu lassem. Dieser schüttelte nur resignierend den Kopf. "Jemand hat mir vor vielen Jahren an den Kopf geworfen, dass Freunde dazu da sind, sich fallenlassen zu können!", erwiderte der Uchiha ruhig, ehe er sich abwendete und ihn einfach stehen ließ. Naruto war so baff, dass er ihn nicht noch einmal aufhalten konnte.

 

Er kannte die Worte. Natürlich kannte er sie, wie könnte er auch nicht, schließlich hatte er sie gesagt. Damals musste er 12 oder 13 gewesen sein. Er wusste noch, dass Sasuke sich regelrecht eingeigelt hatte und niemand an sich heran gelassen hatte. Naruto hatte es angekotzt, es hatte ihn immer angekotzt. Und nun war er es, der genau dieses Verhalten zeigte. Aber darum ging es nicht. Damals hatte er nicht aufgegeben. Er hatte Sasuke regelrecht belagert und ihm irgendwann genau diese Worte gesagt. Gebracht hatte es nur wenig. Sasuke war nie der Mensch gewesen, der ganz offen hatte werden können. Dennoch hatte er diese Worte behalten.

 

Was Naruto davon halten sollte, wusste er allerdings auch nicht. Frustriert blickte er zur Decke hinauf, atmete tief durch, um dann ebenfalls sich in Bewegung zu setzen. Alles hier war so kompliziert, er hatte ja gewusst, dass er nicht hätte herkommen sollen. Nur ein weiterer Meilenstein in den Dingen, die er so richtig verbockt hatte. Er mochte älter werden, aber nicht reifer. Zumindest nicht bei diesen Dingen.

 

Er war doch echt ein Vollidiot! Was er nun brauchte war Ablenkung. Er sollte weiter schreiben, um den Kopf frei zu bekommen.

 
 

 

* *** *

 

 

Die kräftigen Bäume bogen sich wahnsinnig in dem starken Wind, der Regen peitsche einen ungezügelt ins Gesicht. Der Sturm war schneller losgebrochen, als man hätte erahnen können und Namaki war nichts anderes übrig geblieben, als seinen Drachen tiefer zu lenken, um irgendwo einen Unterschlupf zu finden. Grelle Lichtblitze tanzten dabei über seinen Kopf hinweg. Sie hatten keine Zeit. Bei diesem Wetter in der Luft zu sein war tödlich und das wussten sie wohl auch beide verdammt genau.

 

"Links!", hörte er die junge Frau schließlich gegen den Wind anbrüllen und sofort folgte er dem Wink. Sie hatte Recht, das konnte gehen. Es sah klein aus, aber eine wirkliche Wahl hatten sie nicht. Er hoffte nur, dass ihnen die Schatten keinen Streich spielten und sich dort wirklich eine Höhle befand. Leicht berührte Namaki Tilarodons Hals, der sofort zur Seite kippte und dem Befehl folgte. Die kräftigen Schwingen standen wie scharfe Messer im Wind und lenkten ihn in die richtige Richtung, ehe sie kraftvoll ausschlugen und das schwere Tier tiefer ging. Namaki blickte konzentriert auf den dunklen Fleck, den Saiha in dem Gestein entdeckt hatte. Höhlen waren selten zu finden, zumindest hier unten. In den höheren Ebenen sah das schon anders aus, aber bis zu der nächsten Bergkuppe würden sie es vermutlich nicht einmal schaffen. Nicht bei diesem verdammten Wetter.

 

Zu seiner Erleichterung war dort wirklich eine Höhle, eine die sogar breit und tief genug war, dass sie alle hinein passten. Die Drachen waren da zwar nicht so zimperlich wie sie als Menschen es nun einmal waren, aber ihm war einfach lieber dabei, wenn sie alle diesen Schutz nutzten. Der nahezu tiefschwarze Himmel bereitete ihm Sorgen, die Blitze die ständig über ihnen hinwegzuckten waren nicht normal, ebenso wenig wie die ständigen Knalle, die die Erde regelrecht erzittern ließen. Es sah aus wie das Szenario eines Horrorstreifens, eines sehr schlechten sogar, nur mit dem Unterschied, dass sie dieses nicht beenden konnten, indem sie den Film ausstellten. Dieses hier war real.

 

Kaum landeten sie, rutschte der Mann von dem Rücken seines Drachen und eilte mit diesem zusammen in die Höhle. Nervös rumpelte das schwere Tier und weigerte sich, tiefer hinein zu gehen. Er blieb am Eingang stehen, den Hals gestreckt, die klugen Augen auf den schwarzen Himmel gerichtet. "Was ist los?", fragte Namaki, trat neben sein Tier und strich ihm leicht über den schuppigen Hals. Immer wieder wunderte es ihn, wie warm sich das unter seiner Handfläche anfühlte. Schuppen gehörten zu Kaltblütern und diese hatten nie eine sonderlich hohe Körpertemperatur, sofern sie nicht gerade ein ausgiebiges Sonnenbad genossen hatten.

 

"Ich weiß nicht!", gab Tilarodon zurück, ohne den Blick abzuwenden. "Es riecht seltsam!", gab er dann zu. "Was meinst du?" Es konnte alles heißen. Vermutlich war einer der Blitze irgendwo rein gegangen und es brannte. Der Regen mochte stark sein, aber der noch stärkere Wind würde ein Feuer schon am Leben erhalten, egal wie sehr es auch aus Eimern schüttete. "Aufgeladen!", war die einzige Antwort, zu der er den Drachen noch bekommen konnte. Etwas damit anfangen konnte er allerdings nicht. "Geh nicht raus!", befahl er dem Tier letztendlich, ehe er ihn mit dem anderen Drachen zurück ließ und sich zu seiner Kollegin weiter nach hinten verzog.

 

Ruhig arbeiteten die beiden Hand in Hand. Holz zu finden war hier zum Glück nicht schwer. Es war sogar trocken, aber es würde nie und nimmer reichen, bis sie am kommenden Morgen hoffentlich weiter konnten, nein sogar weiter mussten. Sie waren zu spät dran und sie hatten bei diesem Wetter keine Chance Meldung zu machen, dass sie sich noch weiter verspäten würden. Probleme machte dieses nicht, nicht wenn man sah was da draußen tobte. Einer der Grundregeln die sie von Anfang an lernten war schließlich, bei Gewitter sofort runter zu gehen. Es mochte ein Irrglaube sein, dass der Blitz sich stets die höchste Stelle suchte, aber es war keiner, dass er dort einschlug, wo er gut leitete. Und ein fliegender Drache war ein perfekter Leiter, da kam sogar die Tatsache hinzu, dass dieser wieder der höchste Punkt war, den man dann erreichen konnte. Namaki wollte nicht herausfinden, wie viel an diesen Lehren dran war.

 

Zusammen schafften sie es dennoch, ein kleines Feuer in Gang zu bringen. Es war nicht genug um sie zu wärmen und auch über Nacht warm zu halten, aber dennoch genug, damit sie sich wenigstens eine warme Mahlzeit zubereiten konnten. Vielleicht eine Kanne Kaffee, diesen Luxus konnten sie gerade wohl beide gebrauchen, um die kalten Knochen ein wenig aufzutauen. Und frische Wäsche. Nur leider fürchtete er, dass diese auch nicht wirklich trocken geblieben war. In mancher Hinsicht war es wirklich sehr unkomfortabel, wenn man diesem Beruf nachging. Aufgeben würde Namaki diesen allerdings nicht. Er liebte ihn einfach, es war genau sein Ding.

 

"Halt das mal bitte!", wurde er aus den Gedanken gerissen und griff automatisch nach der Lampe, die Saiha ihm entgegen hielt. Neugierig musterte er sie, wie sie in ihrer Tasche wühlte und schließlich triumphierend einen Plastikbeutel heraus zog. So schlau war er selbst nicht gewesen, einige seiner Sachen einfach einzuwickeln, nur um sicher zu gehen. Saiha schien seine Gedanken zu erraten. "Ich habe bei dir auch einiges so eingepackt, ehe wir los sind!", erklärte sie trocken. "Ich habe wenig Lust, dich zurück zu schleifen, nur weil du dir den Tod holst!", fügte sie hinzu, ehe sie die Lampe wieder an sich nahm und sich tiefer in die Höhle verzog, um sich umzuziehen.

 

Ein wenig verwundert blickte Namaki ihr nach, ehe er leicht den Kopf schüttelte. Sie war immer sehr abweisend, dennoch hatte er das Gefühl, dass sich ihr Verhältnis irgendwie verändert hatte. Nun wollte er aber gewiss nicht darüber nachdenken, lieber holte er seine eigene Tasche, aus der er mit einem Lächeln das Bündel herausfischte, was dank des Plastiks tatsächlich trocken geblieben war. Dafür war er wirklich sehr dankbar, während er an Ort und Stelle sich die nassen Kleider vom Leib streifte und sich in die trockenen packte, was sein Wohlbefinden deutlich steigerte.

 

Als Saiha wieder kam, war er schon lange fertig. "Danke!" murmelte er nur leise, ehe sie dieses Thema zu den Akten legten und gemeinsam begannen, sich etwas zu Essen zu machen. Für die Drachen hatten sie leider nicht mehr viel da, aber was sie hatten, teilten sie dennoch brüderlich auf. Besser alle hatten ein wenig im Magen, als dass zwei satt waren und zwei hungerten. Solche Dinge waren selten, aber es stärkte ihre Bindung. Die beiden waren allerdings nicht dazu zu bewegen, den Eingang zu verlassen. Namaki ließ sie letzten Endes wo sie waren und holte sich lieber seinen Schlafsack, um sich eine ruhige Stelle für die Nacht zu suchen.

 
 

 

***

 

 

Seufzend starrte Naruto auf die letzten Zeilen. Er war nicht zufrieden wie diese ganze Szene sich entwickelt hatte. Die Übergänge waren holprig, er wusste, dass er es besser konnte, aber es fiel ihm ausgesprochen schwer sich zu konzentrieren. Der Streit hing ihm doch mehr in den Knochen, als er anfangs gedacht hätte. Warum genau konnte er nicht einmal sagen. Vermutlich war es die Tatsache, wie Sasuke reagiert hatte. Ruhig und kontrolliert, mit einer Prise Bitterkeit in der Stimme. Aber am schlimmsten war das kurze Aufflackern von Schmerz gewesen, welches er noch immer meinte gesehen zu haben. Er wusste wirklich nicht, was er machen sollte. So sehr er sein Geheimnis wahren wollte, auf diese Art wollte er es nun auch nicht. Aber er war nach wie vor absolut ahnungslos, wie er es stattdessen anstellen sollte. Es war eben nicht wirklich leicht, nicht mit diesem Hintergrund.

 

Frustriert löschte er den letzten Absatz und versuchte sich erneut daran, ihn richtig zu gestalten. Es durfte nicht so schnell gehen. Seine Leser wollten doch alles ganz genau wissen. Wie die beiden empfanden, was in den Drachen vor ging... ein Drache wäre nun durchaus etwas, was er selbst liebend gerne im Garten stehen haben würde. Einfach aufsteigen, sich in die Lüfte schwingen und wenn er schon einmal dabei war, konnte er gleich nach Hause zurück fliegen.

 

Die Frage dabei wäre aber, wo dieses zu Hause wäre. Der Besuch bei Kakashi hatte ihm unglaublich gut getan und es hatte ihm auch schmerzhaft gezeigt, dass er den Mann irgendwie doch vermisste. Er hatte immerhin seine ganze Jugend bei ihm gelebt und dann von einem Tag auf den anderen diese Bande abgebrochen. Ja, Sasuke hatte wohl Recht, er schuldete einer Menge Menschen eine Erklärung und je mehr man ihn da bedrängte, umso mehr war er bereit dazu, ihnen diese zu liefern. Nur die Wahrheit ging eben nicht. Vielleicht die halbe? Es wäre sicher annehmbar, dass er sich unglücklich verliebt hatte und deswegen weg gemusst hatte. Nur leider kannte er seine Freunde gut genug, um zu wissen, dass er sich damit nur noch mehr Fragen aufhalste, als dass er sie in Zukunft verhinderte. Man würde ihn fragen wer es war und ob er noch genauso empfand. Naruto wollte wirklich nicht lügen und über kurz oder lang würde es so auch klar werden, wem er Idiot sein Herz geschenkt hatte. Vergebens, das war ihm durchaus klar.

 

Mit einem weiteren Seufzen versuchte er es erneut, sich auf den Text vor ihm zu konzentrieren. Ein bisschen besser sah der Absatz nun aus, den er ausgebessert hatte, aber er wusste, dass er da noch so einige Male Hand anlegen musste, ehe er zufrieden war. Eine halbe Sache wollte er schließlich nicht einreichen. Er gab immer alles, auch wenn man das nicht immer sehen mochte. Und genau deswegen schüttelte er die negativen Gedanken nun auch endgültig ab. Er hatte nicht viel Zeit, er musste die, die er hatte, wirklich nutzen, um endlich etwas mehr voran zu kommen in dem Plot. Auf gut hundert Seiten war er nicht einmal ansatzweise bis zu den ersten romantischen Anbahnungen gekommen. Weder bei den Menschen, noch bei den Drachen. Er wollte schließlich nicht, dass man sein Buch einfach wieder aus der Hand legte, nur weil es überwiegend innere Monologe waren, die man da hingeworfen bekam. Action musste her... ein wenig zumindest.

 
 

 

* *** *

 

 

Namaki erwachte. Ihm war unglaublich warm und irgendwie fühlte er sich, als wenn er in einem engen Kokon lag, der ihm fast die Luft zum Atmen nahm. Vom Eingang der Höhle her konnte er hören, dass der Sturm sich gewandelt hatte. Noch immer regnete es wie aus Eimern, das Rauschen war nahezu ohrenbetäubend. Aber es schien keine Blitze mehr zu geben und abgesehen von einem leichten Grummeln aus der Ferne schien der Sturm weiter zu ziehen oder sich langsam aufzulösen. Vollkommen egal was es war, es war uninteressant. Die einzige Tatsache die ihn da interessierte war ganz klar, dass es aufhörte. Für einen Moment blendete er diese Dinge aus und konzentrierte sich darauf, warum ihm so warm war. Das Feuer war doch schon fast komplett erloschen gewesen, als er sich nach einer kargen Mahlzeit niedergelegt hatte. Doch jetzt kam es ihm vor, als wenn er mitten in den Flammen lag. Er schwitzte fürchterlich.

 

Je mehr er sich konzentrierte, umso klarer konnte er sehen und umso klarer verstand er auch, was er empfand. Hinter ihm lag jemand. Er fühlte die Bewegungen bei der Atmung an seinem Rücken und der Größe nach zu urteilen, hatte einer der Drachen sich nahe an ihn gelegt, um ihm Wärme zu schenken und gleichzeitig diese von ihm zu erhalten. Und nun wo er sehen konnte, dass auch vor ihm die Drachendame lag, wusste er, dass es sein eigener war, der ihm hier in der kalten Nacht das Gefühl gab, als wenn er im Hochsommer mit einer dicken Jacke hier lag. Allerdings lag der Drache vor ihm doch ein wenig entfernt und erst jetzt realisierte er, wer genau ihm da die Vorderseite so wärmte.

 

Aus irgendeinem Grund waren sie zusammen gerückt. Direkt vor ihm lag Saiha und schlief noch tief und fest. Namaki konnte diese Gelegenheit einfach nicht an sich vorbei streichen lassen, ohne sie ein wenig zu nutzen. Natürlich würde er nichts unanständiges machen, aber schauen tat schließlich niemandem weh und wenn sie wach waren, reagierte die Frau meistens doch eher abweisend und kratzbürstig. Nun aber fiel ein Teil ihrer Haare in ihr hübsches Gesicht. Die Augen waren locker geschlossen, die Augäpfel bewegten sich leicht unter den Lidern. Sie schien zu träumen. Der Mund hingegen war einen Spalt weit geöffnet und in regelmäßigen Abstanden entwich ein wenig warme Luft aus diesen.

 

Saiha war schön, anders konnte Namaki es nicht beschreiben. Ihre Züge waren feminin, auch wenn man es im wachen Zustand nur sehr selten wirklich sehen konnte. Sie war eben in einem Bereich, wo man sich weibliche Schwäche kaum leisten konnte, wenn man wirklich ernst genommen werden wollte. Und dieses war eindeutig ihr Bestreben. Jedes ihrer sarkastischen Worte machten dieses mehr als deutlich. Er hatte damit auch kein wirkliches Problem, so schwer es ihm am Anfang auch gefallen war zu akzeptieren, dass sein Partner eine Frau war - nicht, weil er grundlegend etwas dagegen hatte, viel mehr lag das Problem darin, dass er von Anfang an darauf eingeschossen gewesen war, einen Mann an seiner Seite zu haben - so unverständlich war es ihm nun, dass es auch anders hätte kommen können. Saiha war kompetent, sie konnte anpacken wie jeder andere Mann auch, ihr Verstand war scharf und auch wenn ihre Zunge spitz war und sie oft Haare auf den Zähnen hatte, so konnte man sich bei ihr vollkommen darauf verlassen, dass sie immer ihr bestes gab. Wenn es jemanden gab, dem er bedenkenlos sein Leben anvertrauen würde, dann ihr. Vollkommen gleichgültig wie man zu ihr stand, sie blieb einfach professionell.

 

Nun aber bekamen diese äußeren Eindrücke eindeutig Risse. Das vor ihm war nicht seine Partnerin, die knallhart ihre Aufgabe erledigte, das war eine attraktive Frau. So viel Weiblichkeit hatte er zuvor nie bei ihr gesehen. Es faszinierte ihn unglaublich und ein Teil von ihm war nicht immun genug dagegen, dass es ihn körperlich nicht erreichte. Zuvor hatte er auch schon festgestellt, dass er sie sehr attraktiv fand und nun zeigte das erste Konsequenzen, denen er sich einfach nicht entziehen konnte. Oder gar wollte. Es störte ihn einfach nicht, zu sehr war er von dem Menschen fasziniert, den er da gerade vor sich hatte. Nun, was wohl auch rein spielte war die einfache Tatsache, dass es das erste Mal war, dass eine Frau ihm so nahe gekommen war. Selbst wenn die dicken Schlafsäcke sie noch deutlich voneinander trennten, spürte er die weichen Kurven, die sich an ihn schmiegten.

 

Ohne wirklich darüber nachzudenken, streckte er eine Hand aus und strich vorsichtig die Haare aus dem Gesicht. Kurz verzog sie das Gesicht, schmiegte sich dann aber mit einem leisen Seufzen näher an ihn, ohne zu erwachen und schlief weiter. Namaki blieb fast das Herz stehen. Er wusste nicht, wie er diese Situation händeln sollte. Ein Teil von ihm wollte den Reißverschluss ihrer Schlafsäcke miteinander verbinden, so dass sie einen großen schufen und er ihren Körper ohne die lästigen Barrieren spüren konnte. Aber der anständige Teil in ihm wusste, dass er sich dann von seinem Leben verabschieden konnte. Dennoch, es war ein Verlangen, dessen er sich kaum entziehen konnte.

 

Letzten Endes siegte allerdings die Vernunft. Für eine ganze Weile musterte er die junge Frau nur, ehe er sich wieder sinken ließ und einfach die Augen schloss. Es war wohl besser, wenn er nicht wach war, wenn sie wieder erwachte. Er nahm an, dass sie sich nicht mit Absicht so nahe an ihn gelegt hatte. Das war einfach etwas, was ihr nicht wirklich zugestanden werden konnte. Saiha war unabhängig und sie zeigte ihr Missfallen gegenüber allen männlichen Wesen nahezu ständig. Sie nun merken zu lassen, dass sie sich in einem der schwächsten Momente - während des Schlafes - so nahe an ihn geschmiegt hatte, war nicht wirklich etwas, was man machen sollte.

 

Wie Recht er behielt, spürte er eine ganze Weile später, als die Frau wirklich wach wurde und ruckartig von ihm ab rückte, als ihr bewusst wurde, wie nahe sie sich gekommen waren. Namaki hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich krampfhaft darauf so zu tun, als wenn er schlief. Vermutlich wusste sie dennoch, dass er wach war, aber er hoffte einfach, dass sie erkannte, dass er die Frau nicht in eine dumme Situation bringen wollte, welche sie in Erklärungsnot brachte. Ob es wirkte wusste er nicht, aber er wertete es einfach als gutes Zeichen, dass sie einfach aufstand und sich langsam entfernte.

 
 

 

* *** *

 

 

Einige Stunden später war auch Namaki offiziell aufgewacht. Er hatte sich bereits wieder anständig angezogen und ihre Schlafsachen waren erneut verstaut. Schweigend saßen sie nebeneinander und genossen einen eher lauwarmen Kaffee. Nun, genießen war wohl zu viel des Lobes, aber ihnen blieb nichts anderes übrig und da verband sie doch die gleiche Empfindung. Ein Morgen ohne einen starken Kaffee konnte man keinen gelungenen Start in den Tag nennen. Die beiden Drachen waren bereits vor einer Weile gegangen und zogen vermutlich gerade durch den dichten Wald, auf der Suche nach etwas, was ihnen den Magen genug füllte, damit sie den restlichen Weg schaffen konnten. Noch immer regnete es, auch wenn die Intensität stark nachgelassen hatte. Dennoch, wenn sie ankamen würden sie sich wohl beide auf ein heißes Bad freuen, auch wenn sie sich die gleiche Baracke teilten, was bedeutete, dass Saiha sich freuen konnte und Namaki warten musste, bis die Frau fertig war. Da verstand diese keinen Spaß und weiteren Ärger wollte Namaki sich einfach ersparen.

 

Wortlos packten sie schließlich die restlichen Dinge ein und blieben nahe des Eingangs stehen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Drachen zurück kamen und dann konnten sie erneut starten. Namaki war so darauf konzentriert, die grauen Wolken über ihnen zu mustern, dass er im ersten Moment nicht einmal merkte, wie er gemustert wurde. Wirklich bewusst wurde es ihm auch erst, als er angesprochen wurde. "Was hat dich dazu bewogen, dieses hier zu machen?", fragte Saiha ihn. Namaki zuckte nur leicht mit den Schultern. "Ich fand Drachen stets interessant. Für mich hat sich die Frage kaum gestellt, ob ich etwas anderes machen möchte. Dieses Leben sagt mir einfach zu!", erwiderte er.

 

Wirklich nachgedacht hatte er nicht, als er den Weg eingeschlagen hatte. Er hatte einfach gewusst, dass er damit genau das Richtige tat und nur dieses zählte letzten Endes doch. Es gab da einfach keine bessere Erklärung. "Wie sieht es mit dir aus?", fragte er letzten Endes vorsichtig. Saiha war nicht unbedingt leicht zu händeln, sie gab wenig von sich preis, aber das hielt ihn nicht ab, es hin und wieder dennoch zu versuchen. Dennoch überraschte es ihn zugegebenermaßen doch sehr, als sie neben ihm leise seufzte und tatsächlich mit ihm redete.

 

"Meine Familie!", sagte sie schlicht, als wenn dieses etwas erklären würde. Nun, für andere mochte das vielleicht sogar so sein, aber Namaki kannte ihre Familie nicht wirklich. "Meine Eltern leben schon lange nicht mehr. Sie sind im Dienst gestorben. So wirklich weiß ich gar nicht was passiert ist!", ließ sie anschließend durchblicken. "Meine Schwester und ich waren dann stets alleine. Aber ich hatte stets das Gefühl, dass ich es meinen Eltern nachmachen müsste."

 

Das gab dem Ganzen eindeutig mehr Sinn. Namaki hatte schon gehört, dass Saiha aus einer Familie kam, deren Generationen stets zu den Kurieren gingen. Aber wirklich geglaubt hatte er den Gerüchten bis heute nicht. Er konnte nicht so ganz verstehen, wie man sein Leben von dem abhängig machen konnte, was die Eltern so taten. Wenn es danach ginge, wäre er eine Hausfrau geworden, oder besser ein Hausmann, so wie seine Mutter. Die andere Alternative war Tischler, wie sein Vater. Holz hatte ihn allerdings nie wirklich interessiert. Namaki konnte es einfach nicht ändern, aber er hatte auch nicht das Gefühl gehabt, als wenn sein Vater ihm dieses Desinteresse übel nahm.

 

Nun allerdings zog er es doch vor zu schweigen. Zumindest einen Augenblick. "So ist das halt. Solange es dich glücklich macht!", warf er aber dennoch schließlich ein. Eine Antwort darauf bekam er allerdings nicht, was auch daran liegen konnte, dass ihre Drachen wieder zu sehen waren und es einfach Zeit wurde, endlich zurück zu kommen. Schweigend traten sie zusammen in den Regen hinaus und arbeiteten schnell und effizient, um die Drachen startklar zu bekommen. Auch, als sie sich schon längst in die Lüfte erhoben hatten, sprachen sie kein weiteres Wort mehr miteinander, genauso wenig, wie nachdem sie ihr Ziel endlich erreicht hatten.

 

Während er Saiha freiwillig das Bad als erstes überließ, lief er selbst zum Kommandeur, um Meldung zu machen und ihr verspätetes Auftauchen zu erklären. Das war immerhin Pflicht, es konnte ja auch sein, dass sie unterwegs angegriffen worden waren. So aber war wohl verständlich und wohl auch bereits erahnt, wo die Gründe lagen. Das Gespräch dauerte auch nicht lange, dann konnte auch er endlich in die Baracke zurück. Er war nass, ihm war kalt und er sehnte sich nach einem heißen Kaffee der nicht wie eingeschlafene Füße schmeckte. Diesen Plan verwarf er allerdings in dem Moment, als er die wohl größte Überraschung an diesem Tag erlebte. Saiha war bereits fertig und überließ ihm das Badezimmer. Namaki wollte sich da gewiss nicht beschweren. Der Kaffee konnte warten, heißes Wasser, das die Kälte aus seinen Knochen vertrieb war da doch sehr viel verführerischer.

 
 

 

***

 

 

Erschöpft warf Naruto einen Blick auf die Uhr. Er hatte tatsächlich fast den ganzen Tag an der Tastatur gesessen, wirklich etwas geschafft hatte er dennoch nicht. Lachhafte 3000 Worte. Nicht einmal! Da konnte er doch weitaus mehr. Normalerweise war das etwas, was er in einer Stunde schaffte. Schließlich tippte er schnell und die Gedanken flossen genauso schnell durch seinen Kopf. Aber irgendwie war heute der Wurm drinnen. Ob es nun an der Beerdigung lag, oder an dem Streit der danach sich ereignet hatte, konnte er nicht einmal sagen. Im Grunde spielte es auch keine wirkliche Rolle.

 

Aber Naruto kannte dieses bereits. Er erinnerte sich da vor allem an die erste Zeit, nachdem er diesen verdammten Ort hinter sich gelassen hatte. In den ersten Wochen hatte er nicht einmal 100 Worte zusammen bekommen, irgendwie war er stets abgelenkt gewesen, selbst wenn er sich voll auf seine Aufgabe konzentriert hatte. Und er ahnte, dass dieses auch erst wieder besser werden würde, wenn er in der Sicherheit seines eigenen Hauses zurückgekehrt war. Sasuke so nahe zu sein war eben alles andere als leicht, mit dem Hintergrund der ihn hergeführt hatte sogar noch viel weniger und in Anbetracht der Streitereien sogar nahezu unmöglich. Naruto ahnte auch, dass es das noch nicht gewesen war. Da kam noch etwas. So leicht ließ Sasuke sich eben nicht auf Abstand bringen. Er mochte es nicht so deutlich zeigen, aber durch Sticheleien konnte er ihn dennoch immer wieder an den Punkt bringen, wo sie vor einigen Stunden sich getrennt hatten. So war es oft gelaufen.

 

Seufzend fuhr er den Laptop runter und drückte den Deckel nach unten. Es brachte eigentlich nichts, sich Gedanken zu machen. Er war da wirklich besser beraten, wenn er einfach zu Kakashi zog. Das bedeutete ja nicht, dass er den Kontakt zu den anderen abbrechen würde, ja nicht einmal den zu Sasuke, auch wenn es wohl besser wäre. Dass er feige war, wusste er ja selbst, auch wenn sich alles in ihm gegen diesen Gedanken sträubte. Er hatte nie aufgegeben und im Grunde wollte er es auch dieses Mal nicht machen. Was ihn seltsamerweise zu dem zurück brachte, was Itachi heute zu ihm gesagt hatte.

 

Noch immer hatte Naruto ein mulmiges Gefühl deswegen. Er konnte die Worte des älteren Uchihas einfach nicht einordnen. So sehr er auch nachdachte, an welchem Punkt er sich verraten haben könnte, er kam einfach nicht darauf. Und das machte ihn wahnsinnig. Natürlich wusste er, dass man Itachi vertrauen konnte. Wenn dieser ihm sagte, dass er nichts sagen würde, dann tat er das auch nicht. So war Itachi einfach nicht, grundlegend mischte er sich nicht in die Belange anderer ein, wenn man ihn nicht mit hineinzog. Dennoch, etwas wollte einfach nicht zur Ruhe kommen. Wenn Itachi es gesehen hatte, war die Gefahr groß, dass auch andere es gesehen hatte.

 

Naruto hatte sich nie für Mädchen interessiert. Nicht so wirklich jedenfalls. Eine Zeit lang hatte er durchaus so etwas wie eine Verliebtheit gezeigt. Aber das war schnell wieder verschwunden und heute wusste er nicht, ob er wirklich verliebt gewesen war. Das was er für Sasuke empfand war viel massiver, viel einnehmender. Im Grunde war er in diesen Belangen recht arglos, denn viele Vergleichsmöglichkeiten hatte er eben nicht. Während seine Freunde sich jede Woche neu umgesehen hatten, neue Verliebtheiten gezeigt hatten, so war er da stets außen vor gewesen. Es war nicht so, dass er nicht auch andere Männer attraktiv gefunden hatte, aber gegen Sasuke war eben nie jemand angekommen.

 

Seufzend richtete er sich dann auf und warf einen Blick zur Tür. Im Haus war es wieder einmal still, viel zu still sogar. Sein Interesse nun raus zu gehen tendierte allerdings irgendwo gegen null. Er mochte heute nicht wirklich viel gegessen haben, was schon für sich ein Widerspruch bezüglich seiner Natur war. Er aß gerne und er aß viel. Aber heute war ihm irgendwie nicht danach und dieses lag nicht nur daran, dass er sich Sasuke erneut stellen musste, wenn er nun das Zimmer verließ und Pech hatte. Nein, lieber ließ er es und freute sich auf das Frühstück.

 

Und mit diesem Entschluss nahm er seine Schlafsachen und zog sich wirklich um. Trotz der frühen Stunde lag er bereits kurz danach auf seinem Futon, die Decke über sich gezogen und starrte an die Decke. Ja, sein Entschluss stand fest, am kommenden Morgen würde er seine sieben Sachen packen und wieder zu Kakashi ziehen. Sakura konnte er mit den anderen dann auch am Mittag treffen. Sie konnten Essen gehen und mit etwas Glück konnten sie die Zeit genießen, ohne dass man ihn mit Fragen löcherte. Gerade Sakura bot ihm zwar ständig an, sich ihr anzuvertrauen, aber er konnte einfach nicht. Es lag ja nicht einmal daran, dass er ihr nicht vertraute. Er wusste, dass sie sein Geheimnis nicht weiter tragen würde. Aber dennoch konnte er es einfach nicht.

 

Leid tat es ihm da vor allem für Hinata. Die junge Frau war wirklich sehr sensibel und vertrug es nicht wirklich gut, wenn man sie so ausschloss. Er tat es ja auch nicht gerne, nicht bewusst und nicht in böser Absicht. Er konnte wirklich nicht anders. Und so von negativen Gedanken umhüllt driftete er langsam in einen Schlaf, der in dieser Nacht wohl nicht die erhoffte Erholung bringen würde. Ein schlechtes Gewissen hatte ihn stets geplagt, dem konnte er sich einfach nicht entziehen und seinen Freunden gegenüber - ja sogar Sasuke gegenüber - empfand er dieses durchaus. Es war einfach nicht seine Art so zu handeln, wie er es seit Jahren tat. Er wusste es und es belastete ihn enorm. Trotzdem konnte er einfach nicht anders.

05 tight tension


 

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05 tight tension

 

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Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Naruto erwachte und stöhnte leise. Irgendwie war diese Nacht alles andere als angenehm gewesen, unangenehme Träume hatten ihn viel zu viel Kraft gekostet. So wirklich erinnern an diese Träume tat er sich allerdings nicht, was dennoch blieb, war die Schwere die sich in seine Glieder geschlichen hatte, das leichte Pochen hinter seiner Stirn und die Müdigkeit, die nicht abzuschütteln war. Ein Blick zum Fenster zeigte ihm, dass der Tag bereits angefangen hatte. Die Sonne schien unbarmherzig in den Raum hinein, als wenn sie ihn verhöhnen wollte, dass es nun wirklich Zeit war sich aufzurichten. Naruto wollte nicht, liegen zu bleiben war allerdings auch keine Option. Ihm blieb nichts weiter übrig, als die Decke zur Seite zu schlagen und das warme Nest notgedrungen zu verlassen.

 

Müde schnappte er sich Kleidung und seine Waschsachen, um in das Bad zu schlurfen. Die folgende Morgenroutine war nichts weiter, als ein abspulen gewohnter Tätigkeiten. Duschen, Zähneputzen, anziehen. Ein prüfender Blick in den Spiegel, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln und der Erkenntnis, dass es keinen Anlass gab die Haare nun zu ordnen. Nicht, dass es etwas gebracht hätte, dennoch gehörte es einfach dazu, wenn auch nicht an diesem Morgen. Naruto konzentrierte sich lieber darauf, die Augen offen zu behalten und nicht auf der Stelle wieder einzuschlafen. Käme sicherlich auch nicht gut, wenn er mitten im Bad einfach wieder einschlief. Noch dazu, wo er hinter sich verschlossen hatte. Trotz des Streits vom Vortag wusste er einfach, dass man früher oder später nach ihm sehen würde und auf eine neue Konfrontation hatte er heute wirklich wenig Lust. So weit kannte er Sasuke doch, dass er wusste, dass dieser seine Müdigkeit nutzen würde, um noch einmal nachdrücklich zu zeigen, wie wenig er von seinem Schweigen hielt. Oder besser gesagt, dass er sich wegen so etwas nicht zurückhalten würde. So war er eben, das ließ sich einfach nicht leugnen.

 

Dieser Gedanke war dennoch irgendwie beruhigend. Ganz egal was alles passiert war, Sasuke war wie immer. Egal wie viel Zeit vergangen sein mochte, egal wie viele wütende und manchmal wohl auch verletzende Worte ausgesprochen worden waren, sie veränderten sich einfach nicht. Keiner von ihnen. Sasuke war immer noch ein Bastard wenn man ihn denn ließ, Sakura noch immer die Freundin, die zu ihm stand, Hinata die sanfte die schlichtete, Shikamaru das Genie, der einfach nur beobachtete. Kiba mit seiner energischen Art und auch Ino war noch immer die Gleiche. Es war einfach tröstend, denn egal wie energisch Naruto auch gegen diese Bande im Augenblick ankämpfte, er wollte seine Freunde nicht verlieren. Sie sollten sein wie sie einfach immer gewesen sind und ihn immer wieder dieses Gefühl der Zugehörigkeit geben, auch wenn er selbst es gewesen war, der dieses versucht hatte zu zerstören und schon deswegen es vermutlich nicht einmal verdiente, dass man so hinter ihm stand.

 

Nun, zumindest wenn man es ganz oberflächlich betrachtete. In der Tiefe sah es dann wohl doch ganz anders aus. Denn dort hing er wirklich an diesem Ort, an den Menschen die ihn die meiste Zeit seines Lebens in irgendeiner Art begleitet hatten. Nicht, dass er Irland und seine neuen Kontakte nicht mochte. Natürlich war dem nicht so, aber man konnte dieses auch schlecht in logischer Reihenfolge einander gegenüberstellen. Wie denn auch? Es war, als wenn man den Tag mit der Nacht verglich und dabei gab es einfach keinen klaren Sieger. Erst recht nicht, wenn man einmal sich verdeutlichte, dass dieses gewiss auch nicht in seinem Sinne war.

 

Irland war einfach seine Heimat geworden. Er liebte das milde Wetter. Den Geruch nach Frühling, nach Torf wenn es geregnet hatte. Die leicht salzige Brise die vom Meer zu ihm rüber wehte. Er mochte seine Nachbarn und er hatte sein erstes Mittsommernachtsfest aus vollen Zügen genossen. Irland war einfach anders, vor allem wenn man sich in den eher ländlicheren Gegenden aufhielt. Da waren Nachbarn mehr wie Fremde, die nur zufällig recht nahe beieinander lebten. Man kannte sich untereinander und man nahm Fremde gerne und offen in seiner Mitte auf. Natürlich schaute man auch dort genauer hin, aber die ganze abwehrende Haltung die er aus der Stadt kannte, war dort einfach nicht zu finden und demnach wusste er über seine Nachbarn wohl weitaus mehr, als er je über jene erfahren hatte, neben denen er für Jahre hier in Japan gelebt hatte. Es war ein seltsames Gefühl, aber gleichzeitig empfand er es wirklich als beruhigend.

 

Was er natürlich auch mochte, war die Gegend und dieses nicht nur aufgrund seiner Wahl, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Irland hatte verdammt viele schöne Ecken. Die Torffelder war nur eine davon, gefolgt von den Stränden, den rauen und inspirierenden, steilen Klippen. Er liebte die alten Ruinen die von Burgen und Türmen, Kirchen und verfallenen Höfen noch zu finden waren. Die keltische Geschichte hatte da so einiges hervorgebracht, was er sich heute nur zu gerne anschaute. Auch das war in einer seltsamen Art und Weise sehr beruhigend, wenn er zwischen den Resten der Ruinen her lief, wenn er die Geschichte dieses Landes regelrecht berührte und seiner Fantasie freien Lauf ließ.

 

Kurz vor seiner Abreise war er sogar auf dem Friedhof gewesen. Nicht wegen dem, was ihn hier erwarten würde, sondern einfach, um sich die alten Grabmäler anzusehen. Heute waren die Grabsteine doch eher modern gehalten, oft verführten Inschriften auf glänzenden Platten einen dazu, einen Moment stehen zu bleiben und zu lesen, was die Hinterbliebenen noch zu sagen gehabt hatten. Aber dieser Friedhof war alt gewesen. Raue, aus Stein gehauene Kreuze standen kreuz und Quer auf dem eingegrenzten Friedhof, viele der eingemeißelten Namen waren kaum noch zu entziffern. Wirklich beschreiben konnte er dieses Empfinden auch nicht. Er wusste nur eines. Wenn er einmal starb, wollte er lieber einen dieser aus Hand gefertigten Steine haben, die im Laufe der Jahre mehr und mehr abnutzten, als einen dieser glänzenden Dinger. Ein durchaus bescheuerter Gedanke und Naruto wollte wirklich nicht wissen, wie er überhaupt darauf kam. Immerhin war er noch sehr jung, wenn er nicht wirklich Pech hatte, oder wirklichen Mist baute, würde er noch viele Jahre haben, um sich Gedanken über solche Dinge zu machen. Und bis dahin war es doch eindeutig der bessere Weg, sein Leben einfach zu genießen.

 

Mit einem Kopfschütteln wendete er sich endgültig ab, um endlich fertig zu werden. Und dazu sollte er wohl sein Waschzeug zurück bringen und sich dem stellen, was ihn vermutlich in der Küche erwartete. Leicht fiel ihm dieses jedoch nicht. Irgendwie ahnte er, dass sein Drang, auf einen Friedhof zu gehen, etwas damit zu tun hatte. Naruto hatte schließlich geahnt, was ihn hier warten würde. Vielleicht war es genau das, dass er so einen alten Stein wollte, der alles überdauerte. Jeden Sturm, jeden Winter, die Krisen die sich ergeben konnten. In einer seltsamen Art konnte man dieses wohl auch mit Freundschaften vergleichen. Eine Freundschaft war ebenfalls etwas durchaus zerbrechliches und wenn man an einer hing, wünschte man sich dann nicht automatisch, dass sie wie so ein Stein war? Dass sie, egal was auch kommen mochte, nicht brach und allem widerstand?! Irgendwie kam das hin.

 

Dennoch, Naruto war durchaus in der Lage dieses Empfinden weiter zu verfolgen. Was sagte es denn über ihn aus? Er war schließlich jener, der seine Freundschaften weg geschmissen hatte. Auch wenn Itachi meinte, dass er vielleicht zu früh aufgegeben hatte, er war wirklich nicht in der Lage dieses ebenfalls so zu sehen. Es lag nicht einmal an der Angst diese Bindung ganz zu verlieren, wenn er offen wurde. Was genau es aber war, konnte er nicht sagen. Vielleicht irrte er sich auch gründlich und es lag doch an der drohenden Gefahr, dass Sasuke sich von ihm zurück zog. Dann allerdings wäre seine Entscheidung wohl ziemlich die dümmste gewesen, die er hätte treffen können. Oder die verzweifelste. Beides war wohl nicht ausgeschlossen. Naruto wusste immerhin sehr genau, wie sehr es ihn belastet hatte, das glückliche Paar zu sehen. Eifersucht war da doch schnell aufgekommen, auch wenn er sie nie offen gezeigt hatte.

 

So oder so erkannte er aber, dass er im Grunde so gar nicht wusste, was er mit all dem anfangen sollte und demnach war es sicherlich auch schwer für seine Freunde, seinen neuen Weg zu akzeptieren. Denn wie sollte er ihnen erfolgreich vermitteln, dass wirklich alles in Ordnung war, wenn er es doch selbst war, der es nicht hinbekam so zu empfinden. Man musste wohl nicht einmal sehr sensibel sein, um da zu erkennen, dass etwas ganz gehörig falsch lief. Naruto war immerhin nie ein Mensch gewesen, der einfach nur den Mund hielt und Dinge runter spielte. Eigentlich war er das komplette Gegenteil gewesen. Aber so ganz genau konnte er heute nicht einmal mehr sagen, wann und vor allem warum sich dieses geändert hatte. Es interessierte ihn auch nur bedingt. Schließlich hatte er mit der Art wie er heute war keine wirklichen Probleme. Er war wirklich endlich angekommen, Irland war seine Heimat. Mit all den netten Nachbarn, den Ruinen und leider ohne seine Freunde. Aber so war es doch oft im Leben. Man konnte eben nicht alles haben.

 

Und dabei wollte er es auch belassen. Eilig stellte er die Sachen weg und machte sich innerlich bereit, sich seinem Freund und dem derzeit wohl auch ziemlich angepissten Kerl zu stellen, den er in der Küche vermutete. Naruto war eben nie jemand gewesen, der sich vor etwas drückte, ganz gleich wie unangenehm diese Situation auch sein mochte. Entsprechend straffte er sich und machte sich auf den Weg. Wie so oft war das Haus erschreckend leise. Naruto konnte das kaum verstehen. Hier waren immerhin Kinder im Haus, die auch in einem solch traurigen Moment in der Lage waren Geräusche zu machen.

 

Die Stille die hier grundlegend zu herrschen schien, hatte Naruto vom ersten Moment an sehr missfallen. Es hatte so unglaublich viel Ähnlichkeit mit dem, was Naruto aus seiner Kindheit kannte, dass sich alles in ihm dagegen wehrte, es einfach hinzunehmen. Die meiste Zeit über war er sich wirklich nicht sicher, ob hier überhaupt jemand lebte. Für Naruto, der als Kind selbst sehr ungestüm und laut gewesen war, war das einfach nicht nachzuvollziehen. Himmel, selbst Sasuke hatte er zumindest Streckenweise aus seinem kleinen Schneckenhaus herausgeholt, so dass dieser nicht still vor sich hinbrodelnd in einer Ecke saß. Das Verlangen, das Gleiche für die Kinder seines besten Freundes zu machen, war entsprechend hoch. Zum Teil hatte er damit ja auch schon am Tag zuvor angefangen.

 

Als er nun aber die Küche betrat, war er nicht sonderlich verwundert, dass die Zwillinge nicht am Tisch saßen. Niemand saß am Tisch um genau zu sein, auch wenn Sasuke zumindest nahe der Theke stand und scheinbar den letzten Rest seines Kaffees runterspülte. Selbstbewusst betrat Naruto die Küche, hütete sich aber, dem Uchiha einen guten Morgen zu wünschen. Noch war er absolut nicht in der Stimmung, dem anderen Mann zu verzeihen, was er am Vortag verbockt hatte.  Stattdessen ging er an Sasuke vorbei und nahm sich selbst eine Tasse, um seinen Kreislauf in Schwung bringen zu können. Alles was Sasuke tat war, ihm einen finsteren Blick zu zuwerfen.

 

Bewaffnet mit frischem Kaffee und einen Apfel setzte Naruto sich an den Tisch, um in Ruhe zu frühstücken. An diesem Morgen war es ein recht karges Mahl, allerdings war ihm dieses nur Recht. Er wusste nicht wirklich, ob er nach dem ganzen Ärger etwas  weniger leicht verdauliches wirklich runter bekommen würde. Er kam aber auch nicht darum herum sich zu fragen, wieso Sasuke an diesem Morgen den Mund hielt.

 

Naruto kannte seinen Freund. Wie er selbst auch, war Sasuke war nicht der Typ Mensch, der den Mund hielt, wenn ihm etwas missfiel. Das war generell eine Eigenschaft, die Naruto durchaus an dem Anderen schätzte. Es gab in seinen Augen nichts anstrengenderes, wenn man einfach spürte, dass jemand etwas sagen wollte, es dann aber nicht tat. Natürlich gab es jene, die zu schüchtern oder aber zu unsicher waren. Natürlich war das in Ordnung und in den meisten Fällen bekam man auch solche Menschen letztendlich dazu, einem zu sagen was los war. Für Sasuke war es aber schon eher bezeichnend, dass er nun schwieg. Naruto konnte erahnen, dass der Uchiha ziemlich wütend war. Etwas, was Naruto nicht im Geringsten juckte. Er war vollkommen im Recht gewesen!

 

Dennoch, auch wenn in ihm nach wie vor eine Menge Wut rumorte, Sasuke war ihm wichtig, war es immer gewesen, auch wenn er es gerade in den letzten Jahren auf eine sehr erbärmliche Art und Weise gezeigt hatte. Man konnte aber wohl dennoch sagen, dass die Tatsache, dass er nun hier war, obwohl er jeden noch so kleinen Versuch abgeschmettert hatte, Kontakte zu pflegen, verdammt viel aussagte. Er konnte vielleicht seinen Freunden etwas vor machen, sich selbst aber leider nicht. Er vermisste es durchaus unbeschwert mit seinen Freunden umgehen zu können. Es war auch nichts, was sich nur auf Sasuke bezog, auch allen anderen hatte er vor den Kopf gestoßen - und das sehr heftig. Naruto war da klar in einer verzwickten Lage.

 

Kurz blickte er auf, nur um festzustellen, dass Sasuke ihn komplett ignorierte. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass der Uchiha im die Hölle heiß machen würde und er kam nicht umhin, nun regelrecht enttäuscht zu sein. Mit einem Streit konnte er in einer solchen Situation eindeutig besser umgehen, wie mit diesem vehementen Schweigen. Naruto fragte sich dabei vor allem auch, was Sasukes Gründe waren, all den angestauten Ärger in sich zu behalten. Es war einfach nicht seine Art. Als von der Tür her Geräusche zu hören waren und Naruto mit einem Seitenblick realisierte, dass die Kinder nicht wirklich aus dem Haus verschwunden waren, glaubte er zumindest den Grund zu kennen. Oder besser, er hoffte es.

 

Trotz allen war Naruto der Appetit vergangen. Nicht einmal der Kaffee schmeckte ihm noch und so richtete er sich schweigend wieder auf, um das dunkle Gebräu missmutig in den Ausguss zu schütten. Den angebissenen Apfel entsorgte er dann gleich im Mülleimer. Auf seinem Weg aus der Küche raus, strich er dem Mädchen sanft über den Kopf, sagte aber ansonsten nichts. Er musste hier einfach raus - wieder einmal! Und so schnappte er sich nur seine Geldbörse, ehe er das Haus erneut nahezu fluchtartig verließ.

 
 

 

***

 

 

Während Naruto bei seiner letzten Flucht den Weg Richtung Schule gewählt hatte, lief er nun in die entgegengesetzte Richtung, um in das Zentrum zu kommen. Dorthin, wo das Leben pulsierte, wo Geschäfte und Touristen zu finden waren. Nicht, dass er wirklich ein Verlangen nach Gesellschaft verspürte, aber er konnte dennoch nicht leugnen, dass er sich ein klein wenig nostalgisch fühlte. In diesem Ort war er immerhin aufgewachsen und mit seinem Weggehen hatte er ein Stück von sich zurückgelassen. Ihm war unterbewusst klar, dass der Streit am Vorabend weitaus mehr an ihm nagte als er bereit war zuzugeben. Es war immerhin nicht alltäglich, dass er so in seinen Emotionen fest hing, wie er es an diesem Tag tat.

 

In seinen Gedanken versunken, folgte er der Straße immer weiter, bis sich die Vorstadtidylle mehr und mehr auflöste und abgelöst wurde von Geschäften die nahe beieinander standen und immer mehr Menschen da waren, die den Weg entlang hasteten. Hier hatte niemand Zeit, es war das komplette Gegenteil von dem was er mittlerweile aus Irland kannte und liebte. Selbst in ihrer Stadt war es nicht ganz so hektisch, wie es hier nun war.

 

Aber auch wenn Naruto die Ruhe zu lieben gelernt hatte, die er nun täglich um sich hatte, so konnte er nicht leugnen, dass es ihm ein Stück weit fehlte, mitten im Zentrum zu sein, von Menschen und dem puren Leben umgeben. Als Teenager waren sie wirklich viel unterwegs gewesen, nicht nur außerhalb, wo sie ganz unter sich hatten sein können, sondern auch oft hier im Zentrum. Sie waren ins Kino gegangen, in die Spielarcarden, sie hatten im Einkaufszentrum abgehangen. Es schien so unglaublich lange her zu sein, dass er unbeschwert gewesen war.

 

Manchmal wünschte Naruto sich wirklich, die Zeit einfach zurückdrehen zu können, wo die größten Probleme höchstens gewesen waren, dass die Lehrer einen ärgerten und man zu viele Hausaufgaben hatte. Als Kind hatte man kaum den Blick dafür, wie viel auf erwachsene Menschen um sie herum lastete. Aber jetzt wo er selbst erwachsen war, fragte er sich durchaus, wieso er es so eilig gehabt hatte, selbst erwachsen zu werden. Es war wirklich grotesk, aber der Hund lag wohl wirklich darin begraben, dass man als Heranwachsender absolut keine Ahnung hatte, ganz gleich wie vehement man auch das Gegenteil behauptete.

 

Auf der anderen Seite war Naruto kaum noch bereit die Freiheiten die er in seinem Alter hatte, einfach wieder aufzugeben. Heute fragte eben niemand danach wo er hinging, wann er wieder kam und wann er gedachte sich seinen Pflichten zu widmen. Heute war es an ihm selbst, ob er im Chaos lebte, oder täglich sich Zeit nahm um Ordnung zu schaffen. Zumindest solange er alleine lebte und er plante gewiss nicht, etwas in naher Zukunft daran zu ändern.

 

Als er an einer kleinen Boutique vorbei kam, blieb er stehen und musterte die Auslagen. Ein – zumindest in seinen Augen – furchtbar hässliches Kleid hing schlaff an einer Schaufensterpuppe. Der grelle gelbe Stoff mit den viel zu grünen Mustern darauf wirkte vollkommen deplaziert. Dennoch konnte er nicht den Blick abwenden, an diesem Anblick war etwas derart vertrautes, dass er es kaum benennen konnte. Doch, eigentlich konnte er das sehr wohl. Er erinnerte sich an diesen einen Frühsommer, kurz vor den Ferien. Sie waren damals vielleicht 12 oder 13 Jahre alt gewesen und Ino und Sakura hatten damit begonnen sich für die Schule rauszuputzen. Was genau geschehen war wusste Naruto gar nicht, die beiden Mädchen hatten das was zuvor passiert war nie wirklich aufgedeckt.

 

Woran er sich aber deutlich erinnerte war, dass die beiden Mädels sich gestritten hatten und diesen Kampf auch in der Stunde nach der Mittagspause weitergeführt hatten. Leider – zumindest aus Sasukes Sicht damals – war es Kunst gewesen und die Stunde hatte damit geendet, dass einige Farbtöpfe durch den Raum geworfen worden waren. Und Sasuke hatte einiges davon abbekommen. Auch jetzt konnte er das Grinsen nicht verkneifen, wenn er daran dachte, wie Sasukes Haare für fast eine Woche in den verschiedensten Farben geleuchtet hatte. Sakura und Ino hatten das natürlich wieder gut machen wollen und waren mit Sasuke in einen dieser kleinen Läden gegangen. Ein fataler Fehler. Der Uchiha hatte fast zwei Monate kein Wort mit den beiden gesprochen und ihnen bei jedem Treffen einen Blick zugeworfen, der sie eigentlich auf der Stelle hätte umbringen müssen.

 

Erinnerungen wie diese waren es aber, die Naruto am Liebsten waren. Er dachte gerne an Dinge zurück, die ihm ein Lachen entlockt hatten. Außerdem war damals ihre Freundschaft nur noch enger geworden, da er selbst es gewesen war, der versucht hatte zu retten was zu retten war. Dass er die ganze Angelegenheit wohl eher noch schlimmer gemacht hatte, hatte Sasuke ihm nicht ganz so lang vorgehalten, wie er den beiden Hauptschuldigen die kalte Schulter gezeigt hatte.

 

Die Gedanken von sich schiebend, ging Naruto weiter die Straße entlang und wich dabei einer ungeduldigen Mutter aus, die ihre Tochter fast schon hinter sich her zerrte. Das war etwas, was er an der Stadt nicht mochte. Die Hektik die teilweise vorhanden war. Nach der ganzen Zeit in Irland verstand er nicht mehr wirklich, warum alle so sehr in Eile waren, auch dann, wenn es im Grunde nicht einmal notwendig wäre. Wo lag denn das Problem, wenn man zum Einkaufen zehn Minuten später kam?! Die Gelassenheit und Ruhe waren etwas, woran er sich wohl am schnellsten gewöhnt hatte.

 

Ohne Eile schlenderte er weiter die Straße entlang, blieb nur hier und da stehen, um einen Blick in die überladenen Schaufenster zu werfen. Kleidung. Technik und Spielzeuge waren zu Bildern arrangiert worden und luden die Passenten dazu ein, einen Moment zu verweilen und sich dabei zu wünschen, genau das zu besitzen, was sie in den Fenstern sehen konnten. Als Kind hatte es Naruto vor allem die Läden angetan, in denen sich das Spielzeug stapelte. Ganz gleich wie hibbelig und energiegeladen er auch gewesen war, vor den Schaufenstern hatte er sich auch über Stunden ganz ruhig die Nase an den Scheiben platt drücken können. Gerade als er eingeschult worden war, hatte man ihn damit aufgezogen und ihm vorgeworfen, dass er es nicht einmal versuchte die Schulstunden still hinter sich zu bringen.

 

Das nächste Mal blieb er vor einer Buchhandlung stehen. Bücher verschiedener Genres stapelten sich in der Auslage, Werke die Wissen vermitteln sollten standen neben Kinderbüchern. Naruto liebte Literatur. Er hatte nicht wirklich viel Zeit zum Lesen, dennoch stapelten sich in seinem Haus diverse Bücher in den Regalen. Irgendwann, das hatte er sich fest vorgenommen, würde er all diese Bücher gelesen haben. Das Meiste davon war natürlich aus dem Bereich der Fantasy, sein Spielstätte sozusagen. Aber es gab auch andere Bücher, sogar Kochbücher, auch wenn er nicht glaubte, dass er diese je zu Rate ziehen würde.

 

Er gab sich einen Ruck und betrat den Laden. Aber auch hier ließ er sich Zeit, schlenderte langsam vor den Regalen her, während seine Augen über die einzelnen Titel der Bücher huschten. Auch sein eigenes stand dabei, wo er sich aber nicht weiter von aufhielten ließ.

 

Es sollte ja Autoren geben, die gerne im Mittelpunkt standen. Naruto war nicht so, zumindest nicht in diesem Bereich. Es war schon ein Graus wenn er seine Pflicht hin und wieder erfüllen musste, über Stunden Autogramme verteilen musste und dabei von einer Horde Menschen angestarrt und mit Fragen überschüttet wurde. Das war eindeutig nicht der liebste Part an seiner Arbeit. Er liebte das Scheiben aber gewiss nicht das ganze drum herum. Öffentlichkeitsarbeit nannte sein Verlag das und es war einfach nur grausam. Hätte er vorher gewusst, dass er sich nicht vor allen Terminen dieser Art verstecken konnte, hätte er damals vermutlich nie sein Skript eingesendet. Oder aber sich einen Verlag gesucht, der bereit war eine Klausel mit in den Vertrag zu setzen, die ihn vor diesen Dingen entband.

 

Naruto bahnte sich seinen Weg weiter, stieg die Stufen einer Treppe hinauf und musterte weiter die Bände die ihn nun an fremde Orte entführen sollten. Bei einem Buch über Irland blieb er stehen und zog es schließlich aus dem Regal.

 

Er musste zu seiner Schande eingestehen, dass er sich wenig mit der Insel und deren Geschichte befasst hatte. Bisher war für ihn nur interessant gewesen, wo diese geschichtlichen Überreste zu finden waren, um sie besuchen zu können und so seine Fantasie beflügeln zu können. Er hatte hunderte Bilder und Notizen an diesen Orten gesammelt aber er wusste nicht, was genau hinter den Ruinen für einen Geschichte steckte.

 

Natürlich war es nicht so, dass er gar nichts wusste. Er war kein unsozialer Mensch und gerade seine Nachbarin hatte ihm die eine oder andere Legende erzählt, die zu Irland gehörte. Naruto fand das auch interessant, aber alles was eben darüber hinausging, war bisher eindeutig auf der Strecke geblieben. Er beschloss, daran etwas zu ändern, weswegen er das Buch nicht zurück an seinen Platz schob, sondern es mit sich nahm, während er sich durch die anderen Abteilungen der Buchhandlung arbeitete.

 

Das nächste Buch was ihm ins Auge fiel, war ironischerweise eines über Kindererziehung. Laut dem Klappentext ging es wohl vor allem darum, die unausgesprochenen Dinge eines Teenagers zu verstehen. Die Dinge eben, die passierten, wenn Hormone anfingen überzuschäumen und Kinder komisch und schwierig wurden. Naruto schob es zurück an seinen Platz und zog stattdessen einen Ratgeber heraus, der einen Schritt für Schritt durch den richtigen Umgang mit Kindern führte. Ein Allrounder also.
 

Neugierig blätterte er durch die ersten Seiten, aber schon als er das Kapitel über altersgemäße Kommunikation sah, wusste er bereits, dass er dieses Buch mitnehmen würde. Nicht für sich, aber eindeutig für den Uchiha, auch wenn er sich wohl kaum eine größere Provokation hätte aussuchen können. Naruto war das allerdings egal. Er kuschte nicht vor seinem besten Freund und er war nach wie vor der Meinung, dass Sasuke langsam den Stock aus seinem Allerwertesten ziehen konnte, um sich anständig um seine Kinder zu kümmern. Ihm taten die Zwillinge furchtbar leid und das Schlimmste daran war vermutlich, dass Naruto wusste, dass Sasuke auch anders konnte. Er hatte dieses furchtbare Gehabe schließlich live mitbekommen, als Sasuke und Hikari zusammen gekommen waren.

 

Naruto verstand es ja wirklich, dass Sasuke von diesem Schicksalsschlag schwer getroffen worden war. So sehr er sich für dieses Gefühl auch selbst hasste, er verstand wirklich die Trauer, die Sasuke fühlen musste, auch wenn dieser sie nicht zeigte. Aber ganz gleich was auch um ihn herum passierte, Sasuke musste sich so weit zusammenreißen, dass seine Kinder nicht litten. Was er getan hatte war einfach nicht zu verzeihen und wie er die beiden behandelte genauso wenig. Er hatte es mehr als verdient den Wink mit dem Zaunpfahl zu bekommen. Ein verdammt dicken Zaunpfahl sogar.

 

Und mit dieser Entschlossenheit ging er mit den beiden ausgewählten Büchern wieder nach unten zur Kasse. Die Frau die dort hinter saß war jung, vermutlich sein Alter, aber er kannte sie nicht. Sie war also nicht auf seine alte Schule gegangen. Ihr freundliches Lächeln erwiderte er, ging aber sonst nicht weiter darauf ein, sondern nickte ihr lediglich zu nachdem er bezahlt hatte und verließ dann mit seinen neuen Errungenschaften den Laden, um sich langsam auf den Weg zurück zu machen.

 

Zumindest war das sein Plan gewesen. Als er jedoch am Einkaufszentrum ankam, steuerte er dieses direkt an und zog sich dann in den zweiten Stock zurück, wo er sich in eines der Cafés setzte. Er schwelgte gerne in Erinnerungen und wenn er ehrlich war, war er noch nicht bereit sich Sasuke erneut zu stellen. Nicht solange seine Laune nicht den absoluten Hochpunkt erreicht hatte.

 

Sasuke konnte warten!

 
 

 

***

 

 

Es war bereits später Nachmittag, als Naruto sich endlich auf den Weg zurück machte. Er konnte nicht leugnen, dass er den kleinen Ausflug letzten Endes sehr genossen hatte. In dem Café war er sogar einer alten Klassenkameradin über den Weg gelaufen, mit der er sich recht gut unterhalten hatte, auch wenn sie nicht zu seinem engern Freundeskreis gehört hatte und er so eher weniger über sie wusste. Dennoch, seine Laune war deutlich besser geworden.

 

Jetzt wo das Haus allerdings wieder in sein Blickfeld kam, sank diese gute Laune erneut. Naruto hatte wenig Lust darauf, sich Sasuke zu stellen und innerlich hoffte er sogar, dass diese Konfrontation sogar noch eine Weile sich aufschieben ließ. Grundlegend hatte er eh kein Interesse daran, sich mit Sasuke zu streiten. Es war lange her, dass sie Zeit zusammen verbracht hatten und im Grunde wäre dieses eine durchaus gute Gelegenheit, sich etwas auszutauschen und alte Zeiten aufleben zu lassen. Und das nicht nur mit Sasuke, sondern auch mit allen anderen Freunden, die ihn – wie sie deutlich gemacht hatten – doch vermissten.

 

Naruto hatte das ja durchaus geahnt, aber er wusste mittlerweile auch, dass er sich diesen Abstecher in seine Vergangenheit wohl viel zu einfach vorgestellt hatte. Und damit kam bei ihm auch erneut die Frage auf, ob es nicht besser wäre, für diese Zeit doch zu Kakashi zu ziehen. Denn bei ihm konnte er sich sicher sein, nicht mit unangenehmen und in seinen Augen auch unangebrachten Fragen bombardiert zu werden. Die Meisten seiner Freunde ließen ja irgendwann auch wieder locker – wenn er ihnen  nur lange genug sagte, dass er nicht reden wollte. Aber Sasuke… das war ein vollkommen anderes Kapitel.

 

Seufzend gab er sich schließlich einen Ruck und überwand die letzten Meter. Er nahm sich auch fest vor, erst einmal zu sehen, wie die Stimmung an der Front war, ehe er sich erneut ins Gefecht stürzte. Er war sich ja sicher darin, dass er seinen Freund ein Stück weit verstand und vielleicht war er selbst Schuld daran, dass die ganze Situation so eskaliert war. Nicht, dass er sich dafür nun schämte, so energisch gewesen zu sein und Sasuke so die Leviten gelesen zu haben. Dennoch, bekanntlich führten viele Wege nach Rom und wenn Sasuke auf Ruhe und Argumente reagierte, konnte er zumindest versuchen so die ganze Sache zu kitten und damit vielleicht auch die restliche Zeit in der Heimat zu genießen.

 

Wünschenswert war dieses ja durchaus. Mit Streit kam man nur bedingt voran und Naruto war sich sicher, dass die ganze Gruppe diese Zeit lieber mit gemeinsamen, freundschaftlichen Aktivitäten genießen wollte. Er selbst war da gewiss keine Ausnahme. Sie könnten Erinnerungen austauschen gemeinsam Essen gehen, Bowlen… es gab so unglaublich viel was sie gemeinsam machen konnten.

 

Die Chancen auf eine ruhige Aussprache lagen aber anscheinend sehr gering. Naruto war sich dessen sofort bewusst, als er das Haus betrat und seine Schuhe auszog. Die Schuhe der Kinder waren nicht da, sie mussten also das Haus verlassen haben. Und als er sich wieder aufrichtete und Sasuke nicht weit weg von ihm stand – mit vor der Brust verschränkten Armen und einem Blick der Bände sprach, flog das bisschen Hoffnung aus dem Fenster raus, dass sie das regeln konnten. Und zeitgleich senkte sich Narutos Laune nur noch mehr und die alte Angriffslust kam erneut zum Vorschein.

 

„Schönen Tag gehabt?“, fragte Sasuke, die Stimme eisig und fast schon vorwurfsvoll. Naruto fiel kein Grund ein, der Sasuke das Recht geben würde ihn so anzufahren. Und als etwas anderes konnte er selbst diese Situation kaum aufnehmen. Sasuke war eindeutig angefressen und auf der Suche nach einem Sandsack, an dem er diesen Frust auslassen konnte. Aber Naruto war nicht wirklich gewillt, eben diese Rolle kampflos hinzunehmen.

 

„Hatte bessere!“, erwiderte er somit schnippisch und ging auf Sasuke zu. Sein eigener Blick war nicht minder angefressen und auch wenn er zuvor noch überlegt hatte, das spezielle Buch welches er gekauft hatte erst einmal in sein Zimmer bringen zu wollen, ohne es Sasuke zu zeigen, so zog er es nun aus der Tüte hervor und drückte es dem Uchiha vor die Brust.

 

„Aber ich hab dir etwas mitgebracht, damit du verstehst wie es richtig geht!“, erklärte er deutlich herausfordernd. Für einen Augenblick huschte über Sasukes Gesicht ein Ausdruck von Erstaunen und gleichzeitig bereute Naruto es, was er getan hatte. In dem Moment wo Sasuke den Titel gelesen hatte, war die Entspannung auch schon wieder verschwunden und Naruto konnte dem Mann deutlich ansehen, dass er eine Grenze überschritten hatte, die er besser nicht hätte überschreiten sollen. Nun war es allerdings zu spät, um den Fehler wieder gut zu machen. Er konnte die Zeit schließlich nicht zurück drehen. Irgendwie wollte er das auch gar nicht.

 

„Nett!“, kommentierte der Uchiha, das Gesicht verschlossen wie eh und je, ehe er das Buch zur Seite legte und es keinen weiteren Blicks würdigte. „Es hat mich regelrecht angelacht. Und mal ganz ehrlich, Sasuke, du brauchst diese Hilfe. Was ist eigentlich dein Problem? Alles was ich bisher von dir zu lesen bekommen habe war, wie vernarrt du in die Beiden bist. Wenn ich mir aber ansehe wie du mit ihnen umgehst, frage ich mich, wo diese Begeisterung abgeblieben ist!“

 

Naruto konnte es nicht lassen. Ihm war überdeutlich, dass er sich immer tiefer rein ritt, andererseits konnte er aber wirklich nicht schweigen. Denn seine Aussage war ehrlich gemeint, die Frage war eine, die ihn bedrückte, seit er diese Familie richtig gesehen hatte. Wo war Sasukes Zuneigung geblieben? Natürlich war es einschneidend, dass die Frau verstorben war. Naruto verstand das, aber er wusste auch, dass sie wenigstens ein klein wenig Zeit bekommen hatten, sich damit auseinanderzusetzen und sich an den Gedanken zu gewöhnen, was unweigerlich passieren würde. Sie war immerhin nicht einfach von einem Tag auf den anderen verstorben.

 

Auch hier war ihm vollkommen klar, dass nichts einen vorbereiten konnte, die Person zu verlieren, die man liebte. Sasuke hatte seine Frau geliebt, niemand wusste das Besser, als Naruto, denn diese Tatsache bedeutete gleichzeitig, dass er verloren hatte, was er selbst geliebt hatte. Natürlich war Sasuke nicht verstorben, unerreichbar war er dennoch geworden, nicht zuletzt, weil Naruto selbst sich auf den Weg gemacht hatte, nicht weiter verletzt zu werden.
 

Sasuke war ihm wichtig, wichtiger als diesem vermutlich bewusst war, andererseits hätte Naruto es aber nie ertragen, das glückliche Paar in regelmäßiger Zweisamkeit zu erleben. Dieser Ort war eindeutig viel zu klein um sich effektiv aus dem Weg gehen zu können und ihr gleicher Freundeskreis hätte dafür gesorgt, dass sie sich immer wieder über den Weg gelaufen wären. Naruto hatte es ja am Anfang eindeutig versucht. Er hatte alles dafür getan, sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte die beiden ignoriert wann immer sie sich getroffen hatten. Schon damals war Sasuke sein verändertes Verhalten aufgefallen, hatte Fragen gestellt, aber die Antworten konnte er ihm dennoch nicht geben.

 

Hierbei ging es allerdings nur sekundär um Narutos Gefühle und dessen war er sich absolut bewusst. Es ging um die Gefühle der Zwillinge und zumindest das kleine Mädchen war alles andere als glücklich darüber, wie abgeschottet sie von ihrem Vater war. Verständlicherweise, der Mann war alles was ihr von ihren Eltern noch geblieben war und keine Freunde, keine anderen Verwandten konnten den Verlust der eigenen Mutter überdecken und minimieren. Wenn Sasuke es nicht schaffte jetzt für sie und ihren Bruder da zu sein, würde es früher oder später einfach keinen Weg mehr geben, an die beiden Kinder noch heran zu kommen. Naruto wollte das nicht, ganz ungeachtet seiner eigenen Konflikte mit den Gefühlen die er Sasuke entgegen brachte, wollte er nicht, dass der Uchiha früher oder später in den Scherbenhaufen blicken musste, der einmal seine Familie gewesen war.

 

Hieß es nicht immer, dass man für die Person die man liebte tat was in der eigenen Macht stand, selbst wenn man sich selbst damit verletzte? Naruto verstand das mittlerweile immer mehr.

 

„Ich will ihn einfach sehen, verstehst du Sasuke? Ich will den Vater sehen, den ich durch unzählige Mails kennen gelernt habe!“, erklärte Naruto sich. Seine Stimme war weicher geworden, sanfter, fast schon leicht flehend. Und er wusste, dass jedes seiner Worte wahr war. Hier ging es um weitaus mehr als unerwiderte Gefühle. So nervig diese ewigen Lobenshymnen  auch gewesen waren, einen Sasuke Uchiha zu erleben, der so voller Gefühle war, dass er kaum über etwas anderes reden konnte als die Fortschritte seiner eigenen Kinder, war unvergleichlich gewesen. Naruto vermisste diesen Sasuke mehr als er es sich zuvor selbst bewusst gewesen war.

 

„Was soll das heißen?“, fragte Sasuke verspannt, die Lippen waren fest aufeinander gepresst, die Augen leicht verengt, die Stirn in Falten gelegt. Alles an Sasuke Haltung sprach für einen Kampf, etwas was Naruto nicht wirklich aufkommen lassen wollte. Sicher, als er dieses Buch gekauft hatte, war ihm mehr als bewusst gewesen, dass der Uchiha dieses Geschenk nur beleidigend aufnehmen konnte. Vermutlich wäre es ihm an Sasukes Stelle nicht anders ergangen, denn auch ohne seine provozierenden Worte war wohl der Titel aussagekräftig genug. Er unterstellte Sasuke, dass er nicht in der Lage war, seine Kinder richtig zu erziehen. Zumindest nicht, wenn es auf der Ebene von Kommunikation ankam. Was irgendwie traurigerweise auch gerechtfertigt war, nur wusste Naruto, dass Sasuke aus irgendeinem Grund blockiert war.

 

Der Uchiha mochte kein Beispiel ausschweifender Gefühle sein, jedenfalls keine Gefühle, die er offen zeigte. Aber sicher war auch, dass sich tief unter der harten Schale sehr viele Gefühle tummelten. Gefühle, die Sasuke stets verschlossen hielt und nur zeigte, wenn es zu viel wurde. Oder wenn er sich unbeobachtet fühlte. Zumindest war es das, was Naruto vermutete, wenn er an vergangene Ereignisse dachte, die wenigstens einen kleinen Ausblick darauf gegeben hatten.

 

„Keiko wird mit jedem Tag munterer, sie schaut ständig in der Gegend herum. Keiko hat den ersten Zahn bekommen und greift nach allem was nahe genug ist, um es sich in den Mund zu stecken. Taiki krabbelt, man kann ihn kaum aus den Augen lassen. Die Zwillinge laufen endlich, auch wenn sie noch oft hinfallen, ziehen sie sich an allem hoch. Das bist du, Sasuke. Ich habe sie alle gelesen, auch wenn ich weit weg gewesen bin, fühle ich mich durch deine Mails, als wenn ich die beiden ihr ganzes Leben begleitet habe!“, erklärte Naruto sich leise. Es war traurig mitzuerleben, dass dieser Stolz, der in den Mails mitgeschwungen war, scheinbar verloren gegangen war.

 

„Ich kann vollkommen verstehen, dass es dir derzeit nicht gut geht. Aber du bist nicht alleine. Du verstehst was passiert ist, du konntest dich vorbereiten, auch wenn alle Zeit der Welt vermutlich nicht genug gewesen ist. Die beiden aber sind noch viel zu klein. Sie brauchen dich jetzt mehr denn je!“ Naruto wusste es einfach. Diese Familie war so unglaublich still, so betrübt, dass man die Trauer die in ihr herrschte schon fast mit Händen greifen konnte. Aber so sehr Sasuke wohl litt, er stand in dieser ganzen Angelegenheit nicht an erster Stelle, er musste das einfach begreifen und entsprechend handeln.

 

„Woher willst du das wissen?“, zischte Sasuke zurück, der Ärger spiegelte sich in seinem Gesicht mehr denn je. „Du rennst doch weg, lässt alle denen du etwas bedeutest einfach zurück. Außerdem… Soweit ich informiert bin, warst du noch nie in dieser Lage. Du warst nie verheiratet, vermutlich hast du nie wirklich jemanden geliebt. Nicht auf diese Art zumindest!“

 

Sasukes Worte waren schmerzhafter wie alles was Naruto je erlebt hatte. Der zuvor weiche Gesichtsausdruck wich binnen eines Herzschlages. Naruto konnte sich nicht erinnern, wann Sasuke zuvor so tief geschlagen hatte. Vermutlich war das nie geschehen und nicht einmal die Tatsache, dass der Uchiha keine Ahnung hatte was ausgerechnet er mit diesen Worten anrichtete, konnte Naruto helfen den Schmerz nicht zu empfinden.

 

Wortlos setzte er sich in Bewegung und achtete nicht auf Sasukes plötzlich überraschtes Gesicht. Übel nehmen konnte man es ihm nicht. Nie zuvor war Naruto jemand gewesen, der sich einfach schweigend zurück zog. Wenn er ging, dann laut und mit einem bleibenden Eindruck. So ganz unkommentiert konnte er diesen Angriff allerdings nicht hinnehmen. Nach einigen Schritten blieb er stehen, machte sich aber nicht die Mühe noch einmal über seine Schulter zurück zu schauen.

 

„Du irrst dich. Gewaltig. Liebe ist nichts, was ich nur aus meinen Büchern kenne. Es ist doch ganz einfach, man kann kaum über etwas schreiben, wovon man keine Ahnung hat!“, erklärte er leise, ehe er doch noch den Blick Sasuke zuwendete. „Aber nicht alles auf dieser Welt ist rosarot und nicht alles was man sich wünscht bekommt man. Manchmal ist es einfach besser loszulassen und voran zu gehen. Denke einmal darüber nach!“ Ohne weitere Worte ließ er Sasuke einfach stehen, ging in sein Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich.

 

Narutos Herz fühlte sich schwer an, es pochte langsam und unglaublich schmerzhaft in seiner Brust. Sasuke hatte keine Ahnung! Er wusste sehr wohl wie es war zu lieben und ironischerweise wusste er auch, wie es war die Person zu verlieren, die man liebte. Sicher, in seinem Fall lebte die Person nach wie vor, aber machte es einen großen Unterschied? Irgendwie empfand Naruto es nicht so. Denn eines war in beiden Fällen doch gleich. Die Person wurde unerreichbar. In Narutos Fall war die ganze Sache vermutlich sogar noch schmerzhafter. Zu lieben und die Person irgendwie immer im Leben zu haben hielt die Wunden offen. Der Tod war tragisch aber dennoch angenehmer. Man trauerte, vielleicht sogar ein ganzes Leben lang, aber mit der Zeit wurde einem dennoch leichter ums Herz und man konnte irgendwann in Erinnerungen schwelgen die einem vielleicht auch gut taten. Aber dieses war einfach nicht gegeben, wenn man keine Chance bekam abzuschließen und genau das war Narutos Problem. Wie sollte er abschließen, wenn die Person die er verloren hatte ihn regelrecht verfolgte?!

 

Tief in sich drinnen wünschte Naruto sich, dass er einen noch klareren Schlussstrich gezogen hätte. Wenn er den Kontakt endgültig abgebrochen hätte. Nur leider war das bisher nicht möglich gewesen. Er hing an dem Uchiha, an der Freundschaft, an den Gefühlen die er für den Mann – seinen besten Freund - hegte. Sasuke war irgendwie immer ein Teil seines Lebens gewesen und bisher hatte er es nicht hinbekommen, diesen Teil von sich abzuspalten. Er konnte noch so weit weglaufen, neu anfangen war im Grunde vollkommen ausgeschlossen. Naruto verachtete sch selbst für seinen Charakter, seiner Unfähigkeit sich selbst den Gefallen zu tun, alles was ihn belastete einfach aufzugeben. Grundlegend wäre es doch vollkommen einfach, jetzt wo er weit weg lebte. Er musste nur seine Mailadresse ändern und die alte nie wieder kontrollieren. Aber selbst jetzt nachdem Sasuke ihn so verletzt hatte, wusste er, dass er dazu nie in der Lage sein würde.

 

Erschwerend kam nun hinzu, dass Sasuke nicht dumm war. Naruto hatte gerade viel zu viel gesagt und die Gefahr, dass neben Itachi noch jemand da war, der ihn durchschauen konnte, war riesig. Ein Umstand, den Naruto nicht wirklich riskieren wollte. Itachi konnte er wenigstens vertrauen, dass dieser den Mund hielt. Auch alle anderen aus der Clique würden schweigen, wenn er sie darum bitten würde. Bei Sasuke jedoch war es schwer. Die Idee, diesem zu sagen, dass er schweigen und vergessen sollte, war vollkommen lächerlich, schließlich ging es um Sasuke selbst.

 

Überfordert mit dem Tumult an Gefühlen die ihn gerade so einnahmen, fuhr er sich durch sein wildes, blondes Haar, ehe er sich daran machte, seine Sachen zusammen zu suchen und zu packen. Es war ganz einfach, er musste hier weg und das möglichst bald. Kakashi hatte es ihm zugesagt, dass er bei ihm leben konnte bis sein Flug zurück ging, auch wenn Narutos Drang, direkt zurück zu fliegen gerade sehr stark war. Aber das ging nicht. Er wollte die Anderen nicht verletzen, nicht mehr als er es eh schon tat und zumindest ein Teil von ihm war sehr erpicht, die restliche Zeit zu nutzen um mit Kakashi Zeit zu verbringen. Wer wusste schon, wann er das nächste Mal dazu kam.

 

Erschlagen ließ er sich schließlich an dem Tisch nieder, um seinen Laptop zu starten und seine Mails aufzurufen. Er hatte nicht gelogen. Jede einzelne Mail besaß er noch, die er in den ganzen letzten Jahren von Sasuke bekommen hatte. Er hütete sie wie einen Schatz. Sie waren der einzige Kontakt bisher gewesen, den er noch hatte aufrecht erhalten können, ohne wahnsinnig zu werden. Nun jedoch stand klar die Frage im Raum, ob er nicht besser doch aufgeben sollte. Dass Hikari nun nicht mehr zwischen ihnen stand, war immerhin kein Grund, dass Naruto ihren Platz einnehmen konnte. Solche Gedanken wollte er auch gar nicht erst zulassen, sie waren makaber und entsprachen absolut nicht dessen, was Naruto war und auch sein wollte. Darüber hinaus, Sasuke hatte kein Interesse an ihm, jedenfalls nicht in der Art. Sasuke sah in ihm einen Freund, zumindest war es bisher so gewesen. Nach dem Gespräch das sie gerade geführt hatten, war jedoch fraglich, ob es auch weiterhin so sein würde. Ein Teil von Naruto bezweifelte es und die verwirrten Empfindungen waren sich nicht einig, ob es entlastend oder belastend war. Naruto wusste es wirklich nicht.

 

Niedergeschlagen und unglaublich verwirrt schloss er den Laptop wieder, um ihn in seine Tasche zu packen. Klar war einfach, dass er weg musste. Dringend und es konnte keine weitere Sekunde waren. Entsprechend zögerte er auch keine Sekunde, sein Handy zu nehmen und Kakashi eine Nachricht zu schicken.

 

Es geht nicht mehr. Bin auf dem Weg!

06 again escape


 

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06 again escape

 

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In dem Augenblick, in dem Naruto sich in seinem alten Zimmer auf sein altes Bett nieder ließ, fiel all die Anspannung von ihm ab, die er bis zu dem Zeitpunkt noch empfunden hatte. Er hatte es geschafft, er war wirklich bei Sasuke ausgezogen und hatte sich bei Kakashi eingenistet, ohne dass dieser ihm Fragen gestellt hätte. Eine leichte Bewegung mit dem Arm und ein „Du weißt ja wo alles ist“, war alles was er bekommen hatte. Zumindest von Kakashis Seite aus. Eine wahre Wohltat nach den anstrengenden Stunden in dem Haus des Uchihas.

 

Womit er erneut bei der Wurzel seiner Misere war. Sasuke! Warum er hergekommen war, anstatt sich gleich einen Flug zurück zu buchen, war ihm ein ziemliches Rätsel, auch wenn die Begegnung mit Sasuke vor kurzem irgendwie… gruselig gewesen war. Naruto kannte diesen Mann nahezu genauso gut wie sich selbst, wenn Sasuke wütend war, reagierte er nahezu immer gleich. In seinem Fall indem er mit verletzenden Worten um sich warf. Aber als er da aus dem Zimmer gekommen war und Sasuke direkt in die Arme gelaufen war, war die Reaktion ganz anders ausgefallen.

 

Mit einem leichten Schaudern erinnerte er sich an Sasukes verdutzten Blick, dem musternden Augen, die letzten Endes an seiner gepackten Tasche hängen geblieben waren, die Gesichtszüge die sich verhärtet hatten und dem Schnauben, ehe Sasuke wortlos an ihm vorbei gegangen war. Wortlos! Das war so ziemlich das schlechteste Omen, was passieren konnte. Wenn Sasuke Uchiha bei ihm keinen Spruch auf den Lippen hatte, keine vertraute Beleidigung, dann war er wirklich wütend. In ihrer Jugend hatte es nur eine Situation gegeben, in der Sasuke auf diese Art reagiert hatte und damals hatte er für Monate kein Wort mehr mit ihm gesprochen oder ihm sonst irgendwie Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Aber wollte er das nicht? Wollte er nicht endlich sich lösen und auf diese Art Frieden finden? Ein Teil von ihm war eindeutig geneigt dem zu zustimmen. Wäre da nur nicht das was er für diesen Kerl empfand. Diese Gefühle wollten eindeutig, dass Sasuke, trotz der ausweglosen Gefühle von Narutos Seite aus, weiterhin immer da war. Weiter sich meldete und damit versuchte die alte Freundschaft aufrecht zu halten. Naruto wusste, dass er egoistisch war und er wusste, dass er sich selbst nur immer weiter damit selbst verletzte. Ihm war klar, dass ein kompletter Bruch vermutlich für sie beide das Beste wäre. Aber er konnte einfach nicht.

 

Seufzend rollte er sich in seinem Bett auf die Seite und schloss die Augen. Er musste wirklich eine zerstörerische Ader haben, die er durchaus gerne abstellen wollte. Wenn es nur ein Patentrezept geben würde, um dieses auch zu gewährleisten. So aber tat er sich selbst immer wieder weh. Wobei ihm einfiel, dass er auf jeden Fall verhindern sollte, dass er neben sich selbst und Sasuke auch noch andere verletzte. Das war schließlich absolut nicht in seinem Interesse, grundsätzlich wollte er eigentlich niemanden verletzen.

 

Deswegen richtete er sich erneut auf, verließ das vertraute Bett und suchte in seiner Tasche nach seinem Handy, um schnell eine Nachricht an seine Freunde zu schicken. Wenn Sasuke wütend war, konnte man von ihm nicht unbedingt erhoffen, dass er nicht einfach allen sagte, dass er abgehauen war, ohne zu erwähnen, dass er nicht das Land, sondern nur Sasukes Haus verlassen hatte. Obwohl Naruto sich nicht sicher war, ob Sasuke sich dessen überhaupt bewusst war. Gesagt hatte er es ihm nicht, der Bastard war aber nicht umsonst so intelligent, als dass er sich nicht denken konnte, dass er kaum sich ein drittes Ticket kaufen würde um ihm zu entkommen. Sein Rückflug war schließlich bereits bezahlt.

 

Nachdem er die Nachricht gesendet hatte, schnappte er sich seine Tasche erneut und verstaute zumindest die wichtigsten Dinge. Seine Waschsachen landeten in dem sauberen Badezimmer und sein Laptop bekam den Platz auf dem Schreibtisch, an dem er in seiner Jugend zumindest hin und wieder versucht hatte seine Hausaufgaben zu erledigen. Nachdem er in den letzten Stunden eher kein Verlangen gehabt hatte weiter zu schreiben, war er sich ziemlich sicher, dass es an diesem Abend anders aussehen würde. Sofern er nicht gerade blockiert war und keinen anständigen Satz fertig brachte, auch wenn die Idee ihn regelrecht zu überschwemmen schienen, schrieb Naruto schließlich täglich.

 

Zufrieden mit der derzeitigen Wohnsituation verließ er das Zimmer schließlich, um sich in der Küche umzusehen. Er hatte Hunger und wenn er mit Kakashi zusammen lebte, wollte er auf jeden Fall seinen Teil dazu beitragen. Seine Kochkünste waren zwar grausam, aber einige Kleinigkeiten konnte auch er hinbekommen. Es galt, den Inhalt des Kühlschranks zu inspizieren!

 
 

 

***

 

 

Bis zum Nachmittag hatte Naruto seine Ruhe, erst dann begann der Stress, den er sich gerne erspart hatte. Sein Gewissen war eine Sache für sich, sein zweites Gewissen – in Form von Sakura – war hingegen weniger zu ignorieren. Zuerst war er davon ausgegangen, dass man seinen Auszug einfach so hinnahm. Hinata und Ino zumindest hatten nichts weiter ihm zukommen lassen, außer dass sie dieses zur Kenntnis genommen hatten. Shikamaru hatte gar nicht reagiert und Kiba hatte nur kurz durchgerufen und ihn gefragt, wieso er es für nötig hält ihm so etwas derartig unwichtiges mitzuteilen. Alles war also beim Alten.

 

Dann allerdings hatte es an der Tür geklingelt. Narutos erster Instinkt war es eindeutig, dieses Zeichen zu ignorieren. Wer auch immer dort vor der Tür stand, Kakashi war nicht zuhause und er selbst lebte offiziell nicht mehr in diesem Haus. Aber schon nach wenigen Sekunden hatte es begonnen immer wieder zu klingeln, bis Naruto genervt die Hände über den Kopf zusammengeschlagen hatte und mit dem Entschluss den Störenfried einzulassen, sich auf den Weg zur Tür begeben hatte. Ein Fehler, wie sich herausgestellt hatte, denn natürlich konnte es nur Sakura sein, die so vehement sich weigerte hinzunehmen, dass man ihr die Tür nicht öffnen wollte. Und Naruto wusste, dass da noch mehr kommen würde.

 

Doch Sakura sagte nichts, zumindest nichts, was nicht als normale Begrüßung gelten würde, gespickt mit einer leichten Umarmung und einem gehauchten Kuss auf die Wange. „Was machst du gerade?“, fragte sie nach, kaum dass die Tür hinter ihr wieder ins Schloss gefallen war. Naruto zuckte leicht mit den Schultern. „Wollte irgendwas zu Essen machen, aber keine Ahnung was. Der Kühlschrank gibt nicht viel her.“, gestand er. Was er ausließ, Naruto hatte gerade auch ein eher geringes Verlangen danach, sich noch einmal nach draußen zu bewegen, um den Kühlschrank aufzufüllen. Er würde es eh machen müssen, falls Kakashi nicht daran dachte den Umstand zu verändern, dass nur für ihn Nahrung vorhanden war. Nahrung, die nicht unbedingt auf Narutos Topliste stand. Kakashi war ja eher auf seine Gesundheit bedacht, während Naruto lieber genoss und Dinge wie Gemüse und Obst ruhig fehlen konnten.  

 

Der Blick den Sakura ihm schenkte sprach ebenfalls Bände. Wie alle Freunde wusste natürlich auch sie, dass Narutos starken Seiten gewiss nicht in der Küche lagen. Das war eher Sasukes Bereich gewesen… und Chojis, was aber kaum verwunderlich war, so gerne dieser Nahrung hatte. Naruto zog es aber vor nicht auf den Blick einzugehen. Er hatte keine Lust jetzt mit ihr darüber zu diskutieren, ob er in der Küche eine wandelnde Katastrophe war oder nicht. Vor allem weil Naruto die Meinung vertrat, dass er es könnte, wenn er nur wollen würde. Aber das tat er eben nicht. Kochen war langweilig, wozu gab es den Lieferservice, der hatte Spaß daran und Naruto zahlte gerne dafür.

 

„Zieh dich an, wir gehen einkaufen. Ich wette Kakashi hat nicht genug für euch beide im Haus!“, bestimmte sie schließlich. Naruto fügte sich. Sich gegen Sakura aufzulehnen war nie eine sonderlich gute Idee, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste. Natürlich liebte er diese Frau sehr, aber so gerne er sie zur Freundin hatte, er wusste auch, dass mit ihr nicht gut Kirschen zu essen war, wenn man sie wütend machte. Sakura war so ziemlich alles, aber nicht das schwache Geschlecht.

 

Keine 20 Minuten später standen sie zusammen in dem kleinen Laden, in dem Naruto auch als Kind immer einkaufen gewesen war. Naruto stand, während Sakura sich daran machte, einen Korb mit Dingen zu füllen, von denen Naruto sich kaum vorstellen konnte, dass daraus etwas leckeres werden konnte. Allerdings hütete er sich, diese Gedanken auch auszusprechen. Erst als sie alles hatten, machten sie sich gemeinsam auf den Weg zurück, wo Sakura sich gleich in die Küche begab um anzufangen.

 

Für einige Minuten hielt Naruto noch stand, dann brachen all seine Mauern regelrecht in sich zusammen. Dass seine Freundin so gar nichts zu ihm sagte war irritierend. „Rück schon raus damit, du bist sicher nicht gekommen um Kakashi und mir ein warmes Essen zu machen!“, forderte er und schob die Unterlippe schmollend leicht nach vorne. Sakura gluckste leise. „Du siehst aus wie früher. Wie alt warst du da? Zehn oder elf?“, neckte sie ihn, aber Naruto entging auch nicht die Wärme, die in ihrer Stimme lag. Sie waren wirklich schon eine halbe Ewigkeit befreundet. Nahezu ihr ganzes Leben.

 

„Im Grunde muss ich doch gar nichts sagen, oder? Du weißt verdammt genau warum ich hier bin!“, sagte sie schließlich leise, während sie weiter das Fleisch in dünne Streifen schnitt. Naruto seufzte leise. „Bitte, Sakura! Ich hab echt die Nase voll von diesem Thema!“, gestand er dann, zuckte aber etwas zurück, als sich der wütende Blick seiner Freundin in seine Richtung bewegte. „Du hast genug? Naruto, du hast die freie Wahl, wir sind es die nur annehmen können!“, erklärte sie und ließ das Messer auf die Unterlage sinken. „Ich will doch nur verstehen was los ist. Warum machst du es uns so unendlich schwer? Nein, warte, ich bin jetzt dran!“, redete sie weiter und hob abwehrend die Hände, als Naruto protestieren wollte.

 

„Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht drängen will, aber so geht es eben auch nicht weiter. Ich begreife, dass es was mit Sasuke zu tun hat. Mit uns anderen kommst du klar, solange wir nicht zu sehr nachbohren. Aber bei Sasuke eben nicht. Sicher fragt er nach, aber ihn interessiert es genauso wie uns. Hier geht es aber weniger um dein wegrennen, sondern eher darum, was jetzt geschehen ist, dass du Kakashi seine freie Zeit stehlen willst, nur um bei Sasuke raus zu kommen!“

 

Noch immer musterte sie ihn aufmerksam und Naruto konnte sehen, dass diese ganze Angelegenheit sie scheinbar ebenfalls sehr belastete. Naruto nagte leicht an der Lippe, ehe er ergeben seufzte. „Es hängt einfach damit zusammen, warum ich damals weggegangen bin. Sasuke und ich… wir kommen nicht mehr klar. Wir sind vollkommen unterschiedlich und streiten uns nur noch. Aus verschiedenen Gründen. Ich hab ihm heute ein Buch mitgebracht, damit er mit seinen Kindern klar kommt!“, gab er zu, vermied es aber den Blick zu heben, um Sakura direkt anzusehen. „Er fand es nicht so lustig!“, fügte er noch leise hinzu.

 

„Ein Buch… über Erziehung?“, fragte sie nach, wobei eine ihrer Augenbrauen sich leicht nach oben zog. „Naruto, warum tust du das immer wieder? Du kennst ihn doch, klar regt er sich auf, wenn du ihm durch die Blume sagst, dass er es nicht richtig macht. Obwohl, vergiss was ich gesagt hab. In diesem Fall hast du den wohl dicksten Balken genommen den du finden konntest um ihm diesen um die Ohren zu hauen!“, regte sie sich auf und stemmte die Hände in die Hüfte. Naruto schüttelte energisch den Kopf.

 

„Du siehst sie nicht. Er geht schrecklich mit ihnen um. Welcher Idiot lässt seine kleinen Kinder die tote Mutter sehen? Er redet nicht, die Kleine fühlt sich einsam und sein Sohn ist schon jetzt das Ebenbild seines Vaters. Sasuke bricht die Beiden wenn er so weiter macht und es interessiert ihn kein Stück.“ Naruto regte das extrem auf. So unangenehm es für Sasuke auch sein mochte, er musste doch sehen, was er falsch machte. Er musste es lernen, sonst würde er irgendwann nichts mehr retten können.

 

Dass Sakuras Blick weicher wurde, nahm ihm aber klar den Wind aus den Segeln. Er wehrte sich auch nicht als sie auf ihn zu kam und ihm leicht die Hand auf die Wange legte. „Oh Naruto. Du bist ein Idiot. Du kennst ihn doch, er zeigt Gefühle nie… aber du weißt genauso, dass er da anders ist, wenn er sich sicher fühlt. Wie mit dir damals. Bei dir konnte er sich öffnen und ausgerechnet du machst ihm nun Vorwürfe!“, erklärte sie. Naruto blinzelte irritiert. „Was willst du mir damit sagen?“, hakte er schließlich nach. „Ganz einfach. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, zeigte er Interesse. Er ist offen, er nimmt sie in den Arm, auch wenn er im Gegensatz zu dir keine überschwänglichen Gefühle zeigen kann, sind sie dennoch da. Weißt du, warum er nie aufgegeben hat? Warum er immer geschrieben hat und warum er unbedingt wollte, dass du herkommst, auch wenn ihm klar war, dass du nicht willst?“, fragte sie besorgt nach und ließ die Hand wieder fallen, so dass sie locker runter hing. Naruto schüttelte den Kopf.

 

„Er hat gesagt, nur du verstehst ihn ohne Worte. Denke einmal darüber nach, was das bedeutet und vergesse dabei nicht, was er gerade erlebt hat!“ Mit diesen Worten wendete sie sich ab, um sich weiter um das Essen zu kümmern, ohne noch einmal sich zu Naruto umzuschauen, der mittlerweile aussah wie ein begossener Pudel.

 

Naruto konnte die Informationen nicht wirklich verarbeiten, die er gerade bekommen hatte. Wenn Sakura Recht hatte, warum hatte Sasuke in seiner Gegenwart sich nichts anmerken lassen? Im gleichen Augenblick wo er diese Frage sich gestellt hatte, war ihm klar, dass die Antwort ebenfalls in ihm lag. Es war zu lange her. Sie hatten sich zwangsläufig voneinander entfernt und Sasuke war nicht der Typ, der leicht auf andere zu ging, nicht mal auf jene, die er eigentlich gut kannte. Er brauchte immer etwas Zeit.

 

Naruto wurde regelrecht übel, als er sich bewusst machte, dass er von allen Sasuke wohl am Meisten verletzt hatte. Seine eigenen Gefühle rechtfertigten keinesfalls, dass er sich so benahm, auch wenn ein Teil von ihm diesem widersprechen musste. Irgendwie musste ja auch er seine geistige Gesundheit schützen und dieser Ausflug war wirklich etwas, was ihn an den Rand dessen brachte, was er aushalten konnte.

 

Überfordert mit den neuen Erkenntnissen wendete er sich schließlich ab. „Ich gehe ein wenig schreiben!“, erklärte er nahezu tonlos und machte sich auf den Weg in sein Zimmer, ohne dass Sakura ihn aufhielt. Plötzlich war es sogar recht verlocken, endlich allen zu sagen was los war. Einfach nur, damit man ihn etwas besser verstehen konnte und ihn nun nicht für sein Handeln verabscheute. Wäre da nicht Sasukes negative Reaktion – damit rechnete er auf jeden Fall – wenn er es erfuhr, hätte er sich jetzt vermutlich wirklich etwas geöffnet. So aber zog er es vor sich an den Laptop zu setzen, um ein wenig an seinem Buch weiter zu arbeiten und auf die Art seine negativen Gefühle abzuarbeiten.

 
 

 

* *** *

 

 

Die Wochen vergingen wie im Fluge, was auch daran lag, dass kein Stress herrschte. Ganz im Gegenteil. Namaki hatte das Gefühl, immer besser mit Saiha zurecht zu kommen und auch ihre beiden Drachen schienen ein Band geknüpft zu haben, welches stark werden würde und auf diese Art eher schwer zu zerreißen sein würde.

 

An diesem Morgen stand der junge Kurier in dem Verschlag ihrer Drachen und schob die Hinterlassenschaften dieser in die Richtung einer Schubkarre, um sie dort mit einer Schaufel aufzusammeln. Die beiden Drachen waren auf der Jagd und irgendwie hatte Namaki das Gefühl, dass diese immer länger wurde. Obwohl die beiden immer informiert wurden, wenn sie einen Auftrag zu erledigen hatten, verging mittlerweile kein Tag, an dem er und Saiha nicht auf die Beiden warten mussten.

 

Anfangs hatte er sich durchaus noch Gedanken gemacht, woran das lag, mittlerweile hatte er es aber hingenommen und fragte seinen Drachen auch nicht mehr wo er so lange abgeblieben war. Die eher ausweichenden Antworten gaben ihm eh keinen wirklichen Hinweis darauf, was dort vor sich ging. Solange sie nicht zu spät kamen und damit den Zeitraum in dem sie ihren Auftrag zu erledigen hatten gefährdeten, war es eigentlich auch kein wirkliches Problem.

 

Als der Verschlag endlich sauber war, verteilte er noch eine dicke Schicht Stroh, um den beiden ein angenehmes Lager zu zaubern, bevor er sich wieder zu ihrer Baracke begab. „Sind sie noch nicht zurück?“, war das erste, was Saiha zu ihm sagte, als er die Tür hinter sich zu zog und aus seinen schmutzigen Stiefeln stieg. „Nein, wundert es dich?“, fragte er nach und lief auf verschwitzen Socken in Richtung des Badezimmers, wo er sich aus seinen stinkenden Sachen schälte und kurz darauf unter dem heißen Strahl der Dusche verschwand.

 

Eine gute halbe Stunde später tauchte er erneut auf. Die langen Haare noch immer feucht und nur eine Hose am Leib tragend, während er mit einem Handtuch versuchte die langen Strähnen wenigstens ein wenig zu trocknen. „Die beiden werden eben reif!“, nahm die junge Frau das Gespräch wieder auf, während sie Kaffee in eine Tasse goss und diesen Namaki reichte. Dieser runzelte leicht die Stirn, was Saiha zum Lachen brachte.

 

„Ach komm, ist dir das nicht aufgefallen? Tilarodon benimmt sich wie ein Gockel, streckt die Brust raus und macht sich groß!“, erwiderte sie und schüttelte dabei leicht den Kopf. Namaki musste zugeben, dass die Dynamik zwischen den beiden Drachen sich verändert hatte, nun wo er genauer darüber nachdachte, wurde ihm auch bewusst, dass die beiden Drachen sich eigentlich immer zurückzogen, wenn sie irgendwo campieren mussten. Das war nicht immer so gewesen, eigentlich hatten die beiden am Anfang ihrer Zusammenarbeit ihre Seite kaum verlassen, nur um ein wenig jagen zu gehen, was aber selten sehr lange gedauert hatte.

 

„Willst du mir damit sagen, dass die beiden sich als Paarungspartner ansehen?“, fragte er deswegen vorsichtshalber nach. Das war nichts Gutes. Drachen durften nicht wild sich vermehren, wenn Tilarodon Nachkommen zeugen wollte, musste er ins Zuchtprogramm überwechseln. Das Gleiche galt natürlich für Jinalatira. In der Regel nahm man es auch nicht einfach hin, wenn zwei Drachen sich gut verstanden, die Drachenzucht war eben darauf ausgerichtet, möglichst starke Nachkommen zu züchten, die gut eingesetzt werden konnten für ihre Zwecke.

 

„Vermutlich!“, antwortete Saiha und zuckte Gleichgültig mit ihren schmalen Schultern. „Ach komm, schau nicht so schockiert, gegen die Natur kann der Mensch nichts machen und das sollte er auch gar nicht!“ Namaki konnte das nur bedingt unterstützen. „Trotzdem sollten wir dagegen vorgehen, wenn sie sich paaren wird man ihnen das Ei wegnehmen und vermutlich es abtöten. Ich bezweifle, dass ihnen das gut tun wird!“, fasste er seine Befürchtungen in Worte.

 

Angespannt ließ er sich auf einen der Stühle sinken und nippte an seinem Kaffee, während Saiha ihn aufmerksam musterte. „Bist du damit einverstanden?“, fragte sie nach, gab ihrem Kameraden aber keine wirkliche Chance darauf zu antworten. „Wir Menschen mischen uns schon genug in Dinge ein, die uns nichts angehen. Fehlt nur noch, dass man dir verbietet mich attraktiv zu finden, weil wir Kameraden sind!“

 

Namaki konnte gar nicht anders, als sich an dem heißen Gebräu zu verschlucken. Sofort schoss ihm die Hitze ins Gesicht und er konnte fühlen, wie seine Wangen sich unangenehm erhitzen. Natürlich hatte Saiha Recht, er fand die Frau attraktiv und seit sie nicht mehr so extrem gegen ihn wetterte, war seine kleine Zuneigung deutlich gewachsen. Dass sie es aber mitbekommen hatte, davon hatte er nichts geahnt.

 

„Verschluck dich nicht, großer Mann.“, neckte sie ihn lachend, während sie zu der Tür der Küche ging. „Sieh zu, dass du dir was anständiges anziehst, ich denke die Beiden sind bald wieder da. Und dann wird es eindeutig Zeit aufzubrechen. Was ihre Instinkte angeht, misch dich bitte nicht ein. Von mir aus schieb mir den schwarzen Peter zu!“, erklärte sie ruhig, ehe sie verschwand und kurz darauf ihre Zimmertür zu hören war.

 

Wie versteinert blieb Namaki zurück, unfähig sich zu rühren. Das gerade war seltsam gewesen. Er hatte angenommen, dass die junge Frau ihm regelrecht den Kopf abreißen würde, wenn sie davon erfuhr, dass er ihr gegenüber nicht abgeneigt war. Was ihn aber noch viel mehr verwunderte, war die Tatsache, dass sie es offensichtlich darauf anlegen wollte, dass ihre Drachen sich aneinander banden und Nachwuchs zeugten. Ob das wirklich so eine gute Idee war, bezweifelte Namaki ganz eindeutig.

 
 

 

***

 

 

Als sie an dem Abend in die Lüfte flogen, tat Namaki es eindeutig mit einem unguten Gefühl. Saihas Worte gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf und er kam nicht umhin, sich zu fragen, was für Konsequenzen es haben würde, wenn sie diese Sache einfach so laufen lassen würden. Nicht nur die Drachen hatten schließlich Ärger zu erwarten, sondern sie als ihre Reiter ebenfalls. Immerhin kannten sie ihre Partner am besten und müssten entsprechend sehen, wenn sich so etwas anbahnte.

 

Sie flogen für Stunden. Die Landschaft flog unter ihnen hinweg, aber dieses Mal hatte Namaki kein Auge dafür. Dazu war er einfach zu abgelenkt. Als sie ihr Ziel erreichten, legte er dieses Mal auch eine deutlich unsanfte Landung hin, was ihm ein spöttisches Kopfschütteln von Saiha einbrachte.

 

„Lass uns die Fracht abgeben und dann nach Osten fliegen. Dort ist ein Waldstück, wo wir gewiss für die Nacht ein Lager aufschlagen können!“, schlug sie vor. Namaki nickte leicht. Er hatte früh gelernt, dass Saiha eher ungern in den Orten blieb, wo sie einen Auftrag zu erledigen hatten. Er fragte auch nicht weiter nach warum das so war. Namaki mochte ihre Baracke, aber er mochte oft nicht die Unterkünfte, die Reitern wie ihnen zugewiesen wurden, wenn sie fern von dem Stützpunkt waren. Zurück würden sie es jedenfalls nicht schaffen, so viel war einfach klar.

 

Mit einem letzten Blick auf die beiden Drachen folgte er der Frau durch die Straßen. Ihr Ziel zu finden war nicht sonderlich schwer, das Gebäude stach einfach heraus und so steuerten sie es direkt an und betraten es kurz darauf. Die Person die sie treffen sollten wartete bereits auf sie und auf diese Art konnten sie das kleine Paket schnell loswerden und sich ein weiteres Mal auf den Weg machen.

 
 

 

***

 

 

Gut eine Stunde nachdem sie ihre Fracht abgeliefert hatten, waren sie bereits in dem Waldstück, das Saiha für die Nacht ausgewählt hatte. Sie ließen die Drachen frei laufen, damit sie sich ihr Essen jagen konnten, während sie selbst Holz sammelten und ein kleines Lager errichteten. Saiha war es, die dieses Mal ganz ohne Theater sich an das Essen machte, während Namaki zu einem in der Nähe liegendem Bach lief und dort ihr Wasser auffüllte und sich grob wusch. Das Wasser hatte eine angenehme Temperatur und er nahm sich vor, es später für eine ausgiebige Wäsche zu nutzen, wenn die Drachen zurück waren. Falls sie denn einigermaßen rechtzeitig zurück kamen. So sicher konnte Namaki sich dabei nicht mehr sein.

 

Zurück im Camp reichte er der Frau ihre Flasche und nahm im Gegenzug eine Schale mit dem dampfenden Eintopf entgegen, den sie erwärmt hatte. Schweigend saßen sie anschließend beieinander und genossen die gemeinsame Mahlzeit. „Du bist auffallend ruhig!“, sagte Saiha schließlich, als er seine Schale zur Seite stellte und ein wenig Wasser aus der Feldflasche trank. Namaki seufzte leise. „Bin in Gedanken. Wegen dem was du gesagt hast!“, gab er ehrlich zu und zuckte etwas hilflos mit seinen Schultern.

 

„Ich meine, wenn du Recht hast, geht es uns eigentlich nichts an. Drachen sind keine Tiere in dem Sinne, sie haben eigene Gedanken und Gefühle und wenn die beiden sich paaren wollen, sollte der Mensch sich nicht einmischen. Von der Seite aus verstehe ich es. Aber ich kenne eben auch die Regeln, wie du auch. Entsprechend bin ich unsicher, was ich nun machen soll!“

 

Er schraubte die Feldflasche wieder zu und legte sie neben sich. „Du sollst gar nichts machen.“, erwiderte sie ruhig und erhob sich dann. „Bleib hier, ich werde mich waschen gehen!“, bestimmte sie anschließend und machte sich auf den Weg zum Bach. Namaki konnte nur leicht stöhnen. Er konnte sich vorstellen, wie die Frau sich in dem Wasser aalte und den Schweiß und den Dreck des Tages davon abwusch. Ein Bild, welches er gewiss nicht haben wollte. Dass er dabei war richtig scharf auf sie zu werden, hatte er immerhin verstanden.

 

Als Saiha allerdings keine fünf Minuten später wieder kam und eilig das Feuer löschte, wusste er, dass sie ganz gewiss nicht getan hatte, weswegen sie losgegangen war. Die Zeit war dafür einfach zu knapp gewesen, schon um sich aus ihren hautengen Kleidern zu schälen, brauchte sie vermutlich weitaus mehr Zeit.  „Komm mit!“, war alles, was sie leise zu ihm sagte, während sie mit einer Geste ihm bedeutete, sich ebenfalls leise zu verhalten.

 

Saiha führte ihn anschließend zu dem Bach, allerdings ein gutes Stück weiter Stromaufwärts, wie Namaki gewesen war, um die Flaschen aufzufüllen. Warum er still sein sollte, verstand er auch sofort. Sie waren in diesem Wald nicht alleine und von dem was er sehen konnte, war es nicht angebracht, zu zeigen, dass sie da waren. Zumindest nicht, wenn sie am Ende heile entkommen wollten.

 

Auf der anderen Seite des Baches konnten sie ein recht großes Camp sehen. Das für sich war nicht so interessant, weitaus interessanter war es, dass in der Mitte des Camps gut ein Dutzend Dracheneier aufgereiht standen. Mit Stroh gesichert, damit sie ihre Wärme nicht verloren. Namaki brauchte keinen zweiten Blick um zu erkennen, warum Saiha ihn hergeführt hatte.

 

Die Eier waren einfach zu markant. Ihre nahezu blutrote Schale, die mit leichten, bläulich schimmernden, dünnen Streifen durchzogen war, hatte er in seinen Studien oft auf Bildern gesehen. Eier von Drachen, die durchaus leicht zu zähmen waren, aber auch unglaublich gefährlich waren. In den Kolonien die mit Drachen arbeiteten, waren sie verboten, entsprechend hoch war der Preis auf dem Schwarzmarkt für so ein Ei. So viele auf einen Haufen zu sehen war entsprechend ungewöhnlich und ließ keinen Zweifel daran, was mit ihnen geschehen sollte.

 

Als sie sich etwas näher schlichen und versuchten das Camp zu umrunden, fanden sie auch den Grund für diese Eier. Die Drachen die schlüpften hatten eine ähnliche Farbe wie die Eier selbst und im hinteren Teil des Camps war eine Art Paddock, in dem sie fünf weibliche Drachen dieser Art entdecken konnten. Ein einziger männlicher war dabei, welcher eindeutig Interesse an einem der Weibchen zeigte und offensichtlich kurz davor war, mit dieser ein weiteres Ei zu zeugen.

 

Leise zogen sie sich wieder zurück und schlichen in das eigene Camp, wo sie schweigend ihre Karte hervorholten und die Stelle markierten, wo sie dieses Camp gesichtet hatten. Sie sprachen kein einziges Wort, als ihre Drachen schließlich zurück kamen und sie erneut in die Lüfte stiegen, um einen sichereren Platz für die Nacht zu finden. Erst als sie ihn gefunden hatten und sich einigermaßen hergerichtet hatten, fiel die Anspannung von ihnen ab.

 

„Diese Drachen werden gezüchtet, um sie auf Menschen los zu lassen. Sie sind klein, viel zu klein um erwachsene auf ihnen reiten zu lassen, aber unglaublich gefährlich, wenn sie nicht artgerecht gehalten werden!“, platze es aus Namaki heraus. Saiha nickte leicht. Es war klar, dass die diese Information ebenfalls hatte und deswegen ihn geholt hatte. Genauso klar war, dass sie am Morgen früh los mussten, um ihre Entdeckung zu melden.

 

„Diese Eier sind nicht die einzige Sorge!“, erzählte sie dann und fuhr sich durch ihr langes Haar. „Ich wette sie haben noch andere Rassen, die verboten sind. Die Frage ist eher, an wen sie diese Eier verkaufen. Hier in der Gegend ist vermutlich niemand an ihnen interessiert. Wenn sie ins Ausland gehen… na, du kannst es dir vorstellen!“

 

Das konnte Namaki wirklich. Zwei richtige Eier, die von jedem Geschlecht eines hervorbrachte reichten doch schon aus, um eine halbe Armee dieser Drachen zu züchten. Wenn Namaki sich recht erinnerte, formten die wenigsten Drachen so etwas wie feste Bindungen. Meistens ging es nur um die Weitergabe der Gene und da war den Männchen jedes Weibchen recht. Vor allem wenn sie in Gefangenschaft lebten, schien das eine Tatsache zu sein. Nicht umsonst gab es das Zuchtprogramm, es würde unter anderen Umständen sonst auch kaum einen Erfolg aufweisen können.

 

„Seltsam ist es aber auch, dass sie uns nicht bemerkt haben!“, gab Saiha zu bedenken. „Vielleicht dachten sie, unser Feuer würde zu ihnen gehören. Wer weiß wie weit sie sich ausgebreitet haben, erst Recht wenn deine Vermutung stimmt und sie weitere Drachen nachzüchten, die auf der schwarzen Liste stehen!“ Namaki konnte da auch nur Vermutungen anstellen. Es war aber wohl gut gewesen, dass man sie nicht entdeckt hatte. Schmuggler gingen selten zimperlich mit Menschen um, die ihr Geheimnis herausgefunden hatten.

 

Sich nun weitere Gedanken zu machen brachte allerdings wenig. Schweigend legten sie ihre Schlafsäcke aus und krochen schließlich herein. Beide hingen in der Nacht noch eine Weile ihren Gedanken nach, ehe sie doch die Müdigkeit packte und sie endlich einschliefen.

 
 

 

***

 

 

Als der nächste Morgen endlich anbrach, arbeiteten beide Menschen schweigend, um das Camp abzubauen und sich anschließend auf den Weg zu machen. Sie wählten extra eine etwas andere Route, damit sie das entdeckte Camp möglichst weitläufig umflogen. Etwas, was sie eindeutig Zeit kostete. Entsprechend war es wohl auch nicht verwunderlich, dass sie bereits aufgeregt erwartet wurden. Ihr Auftrag war simpel gewesen, ein verspätetes Ankommen entsprechend nicht erwartet.

 

Kaum waren sie gelandet, stiegen sie von ihren Drachen und entgegen ihrer sonstigen Art, baten sie erst die Pfleger, die beiden zu versorgen, während sie selbst sich auf den Weg machten, um mit ihrem Vorgesetzten zu reden. Das konnte einfach nicht warten!

 
 

 

* *** *

 

 

Wie viel Zeit vergangen war, konnte Naruto nicht sagen, als er sein Dokument abspeicherte und die Kopfhörer absetzte, die er während des Schreibens benutzt hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm allerdings, dass Kakashi bereits zurück sein musste. Was den jungen Autor doch verwunderte. Er hatte erwartet, dass Sakura ihm nicht lange Ruhe gönnen würde, jetzt aber war es wahrscheinlich, dass sie bereits wieder gegangen war. Wie falsch er damit lag, erkannte er aber, als er sein Zimmer verließ und seine Freundin zusammen mit seinem Ziehvater im Wohnzimmer vorfand.

 

Kakashi hatte nie Probleme mit seinen Freunden gehabt, oft genug hatte er sich einfach zu ihnen gesellt und so eher die Rolle eines etwas älteren Freundes eingenommen, wie die eines erwachsenen Mannes. Naruto hatte es genauso wenig gestört wie seine Freunde. Kakashi war eben cool, locker und man konnte Spaß mit ihm haben. Viele hatten ihn um diesen Vormund beneidet, wenn sie ihn mit den eigenen, oft recht strengen Eltern verglichen hatten.

 

Eben jenen Ziehvater nun aber zu sehen, wie er herzhaft über etwas lachte, was Sakura offensichtlich vor wenigen Sekunden gesagt hatte, ließ in ihm doch ein eher seltsames Gefühl zurück. Sie waren keine Kinder mehr, keine Jugendlichen und es war einfach befremdlich, den Mann mit einem seiner Freunde so vertraut zu erleben. Er konnte sich auch nicht vorstellen, wann in den letzten Jahren sie eine Freundschaft aufgebaut hatten, dennoch wirkte es nicht so, als wenn sie nach langer Zeit das erste Mal wieder miteinander etwas zu tun hatten.

 

„Ah, Naruto! Dein Essen steht in der Küche!“, begrüßte ihn die junge Frau mit einem amüsierten Blick und deutete in die Richtung, in die er gehen musste. Als wenn er nicht wüsste, wo hier die Küche war. „Sie kann echt gut kochen, lade sie ruhig häufiger ein!“, warf Kakashi ein, was Naruto doch ein Schnauben entlockte. „Ich habe sie nicht eingeladen. Sie hat sich wie so oft einfach selbst eingeladen!“, kommentierte er herausfordernd, was ihm einen strengen Blick der Freundin einbrachte. „Na wenn du Sasuke nicht immer zur Weißglut treiben würdest, müsste ich nicht hinter dir her rennen um deinen Kopf gerade zu rücken!“, protestierte sie nicht ganz ernst gemeint.

 

Diese Art von Neckereien hatte Naruto ehrlich vermisst, deswegen war es kaum verwunderlich, dass er bellend lachte und in Sakuras Richtung eine angedeutete Verbeugung zeigte, um ihr zu signalisieren, dass dieser Punkt eindeutig an sie ging. Damit verschwand er aber eilig in die Küche, um zu sehen, wie viel die Beiden ihm übrig gelassen hatten. Irgendwie hatte er jetzt wirklich richtig Kohldampf.

 

Wenig später gesellte er sich zu den anderen, einen dicken Teller voll Essen in den Händen, den er sofort begann zu verschlingen. Es schmeckte wirklich ausgezeichnet. Scheinbar lag es Sakura sich in der Küche nützlich zu machen. Wer auch immer diese Frau irgendwann abbekam konnte sich jedenfalls nicht über schlechtes Essen beschweren.

 

„Was machst du eigentlich noch hier?“, fragte er zwischen zwei Bissen. Sakura schnaubte leise und verpasste ihm eine sanfte Kopfnuss. „Ganz falsch waren meine Worte gerade nicht, Naruto und das weißt du auch!“ Der blonde junge Mann spürte deutlich Kakashis Blick auf sich, ignorierte diesen aber. Ihm war klar, dass wohl beide wissen wollten was genau geschehen war, dass er erneut vor Sasuke weggelaufen war. Naruto würde es auch kaum verwundern, wenn den beiden klar war, dass sein erstes Weggehen ebenfalls etwas mit dem Uchiha zu tun hatte.

 

„Lasst es!“, meinte er schließlich warnend. „Ich habe nichts falsch gemacht. Sasuke behandelt seine Kinder falsch und ich schaue nicht einfach weg, wie andere es tun. Ihr kennt mich, wann hätte ich je die Klappe gehalten, wenn Sasuke sich wie ein Vollidiot verhalten hat?“, fragte er nach, ehe er weiteres Essen zwischen seine Lippen wandern ließ.

 

Naruto war schließlich nicht erst neuerdings so offen und auf Konfrontation aus. Seine Freundschaft zu Sasuke war doch oft ein hin und her gewesen, eben weil er selbst nicht nach dem Mund des Uchihas geredet hatte, was diesem oft genug nicht gepasst hatte, auch wenn Naruto noch so im Recht gewesen war. Er plante auch nicht, sein Verhalten in dieser Hinsicht zu ändern. Sasuke hatte genug Zeit gehabt sich an seine Eigenarten zu gewöhnen und sein lautes Mundwerk war eben eines von ihnen.

 

„Seit wann interessierst du dich eigentlich für Kinder, Naruto?“, hakte Kakashi nach. Doch Sakura war es, die eine Antwort darauf gab. „Vermutlich seit es Sasukes Kinder sind!“, erwiderte sie und warf Naruto einen derartig stechenden Blick zu, dass diesem ganz anders wurde. „Schwachsinn!“, erwiderte er selbst, zog es aber vor, sich wieder mehr auf seine Mahlzeit zu konzentrieren.

 

Es stimmte aber auch. Er mochte Kinder, auch wenn er keine eigenen hatte und diese auch nie bekommen würde, hatte er eindeutig einen Draht zu ihnen. Wenn sie in Irland die Mittsommernachtswende feierten, an der alle Nachbarn sich zusammen fanden, war er eigentlich immer von den Kindern umringt und er hatte eindeutig Spaß dabei. Kinder waren unschuldig und unkompliziert. Zumindest in den meisten Fällen. Sasukes Kinder stellten da keine Ausnahme dar und er kümmerte sich um sie, weil er die beiden mochte.

 

„Hmm, vielleicht wird aus dir irgendwann einmal ein guter Vater… falls du endlich daran denken solltest dich auf jemanden einzulassen!“, sagte Sakura schließlich, was Naruto nur mit einem leichten Schulterzucken kommentierte. Das würde wohl kaum passieren, allerdings war er nicht gewillt der Frau dieses auch auf die Nase zu binden. Grundsätzlich ging sein Privatleben niemanden etwas an, erst Recht nicht dieser Teil davon. Da war es wirklich besser zu schweigen.

 

Die nächsten beiden Stunden hatten die drei dann einen durchaus angenehmen Abend. Nachdem Sakura es aufgegeben hatte Naruto zu löchern, waren sie dazu übergegangen, sich an lustige Anekdoten aus der Vergangenheit zu erinnern und dabei wurde wirklich niemand ausgelassen. Naruto entspannte sich immer mehr und so lachte er bereits nach kurzer Zeit herzhaft, wenn sie sich an Dinge erinnerten, die eindeutig in den Hintergrund gerückt waren.

 

Entsprechend erstaunt war er dann auch, als Kakashi verkündete, dass es wirklich an der Zeit war diesen Tag zu beenden. Er hatte nicht mitbekommen, wie schnell die Zeit vergangen war. Ehe er die Chance bekam Sakura zur Tür zu bringen, schickte Kakashi ihn aber los, um das benutzte Geschirr der letzten Stunden in die Küche zu bringen. Die fadenscheinige Ausrede, dass er eh die Fronttür abschließen musste, kommentierte er erst gar nicht. So alleine musste er sich aber doch eingestehen, dass das Verhältnis der beiden irgendwie seltsam war. Wirklich Lust hatte er an diesem Abend aber auch nicht mehr, sich mit solchen Dingen zu befassen, entsprechend schob er alle Gedanken beiseite und verließ schließlich die Küche erneut.

 

„Mach heute nicht mehr zu lange, ja?“, sagte Kakashi, als auch er zurück in das Wohnzimmer kam. Der Mann wusste, dass Naruto teilweise die Nächte durch schrieb, aber mehr wie leicht mit den Schultern zu zucken, konnte der junge Autor nicht. „Ich bin ziemlich müde!“, gestand er. Was aber nicht unbedingt ein Hindernis darstellte, wie sie beide wussten. „Deine Sache. Sakura sagt, dass sie morgen Vormittag dich abholen will!“, erwiderte Kakashi, ehe er sich abwendete und Richtung Schlafzimmer verschwand. Naruto seufzte leise und nahm sich auf seinem Weg in sein altes Zimmer vor, wirklich sofort schlafen zu gehen. Er hatte wenig Interesse daran, am nächsten Tag von Sakura aus den Federn geklingelt zu werden. Diese Frau ließ sich eben nicht abwimmeln. Er wollte auch gar nicht wirklich darüber nachdenken, warum sie überhaupt ihn abholen wollte.

 
 

 

***

 

 

Naruto erwachte am nächsten Morgen, weil Kakashi die Tür hinter sich zu gezogen hatte. Der Mann stand immer so unglaublich früh auf, kam aber dennoch meistens nicht pünktlich dort an, wo er sein sollte. Herzhaft gähnte Naruto und streckte sich ausgiebig in seinem alten Bett. Er hatte gut geschlafen, viel besser wie er in der vergangenen Zeit geschlafen hatte. Woran das lag, war zumindest ihm absolut klar. Er war ein weiteres Mal in einer Umgebung, in der er sich absolut wohl fühlte und er hatte nicht den Druck, als erstes Sasuke über den Weg zu laufen, wie es in den letzten Tagen gelaufen war. Ein wirklicher Vorteil und eindeutig entspannend nach den letzten Tagen.

 

Für eine ganze Weile blieb er noch liegen, die Arme unter den Kopf gelegt und starrte an die Decke seines Zimmers. Nun wo er einigermaßen ausgeschlafen und auch entspannt war, ließen ihn Sakuras Worte nicht wirklich zur Ruhe kommen. Ein Teil von ihm – ein verdammt großer – war nach wie vor der Meinung, dass er bei Sasuke absolut im Recht war. Ein anderer Teil hingegen wusste, dass er wie ein verwundetes Wildtier um sich gebissen hatte. Dennoch, sein Wunsch war klar, dass Sasuke nicht eines Tages auf das blicken musste, was ihm eigentlich viel bedeutete, was er in seiner Art aber verloren hatte.

 

Nun wo er ruhiger war, fragte er sich auch, was eigentlich passiert war in den letzten Jahren. Sasuke war am Anfang ziemlich wütend gewesen, dass er ohne ein Wort verschwunden war, doch irgendwann hatte sich etwas verändert und die zuerst bitteren Mails hatten sich gewandelt. Ähnlich verhielt es sich jetzt klar mit den beiden Kindern. Anfangs hatte er da viel Zuneigung erkennen können, was er aber zuletzt gesehen hatte konnte er kaum einordnen. Dieses ganze Durcheinander verwirrte Naruto einfach nur, dabei wusste er genau, dass er verstehen wollte, was vor sich ging.

 

Seufzend rollte er sich zur Seite und verließ dann das bequeme Bett, um in dem Bad zu verschwinden und die Dusche anzustellen. Das heiße Wasser, welches kurz darauf über seinen Körper rann war unglaublich entspannend. So entspannend, dass Naruto sich fragte, ob es nicht wirklich an der Zeit war, mit offenen Karten zu spielen. Ein Gefühl sagte ihm auch, dass Itachi nicht die einzige Person war, die ihn da durchschaut hatte. Sakura verhielt sich ja auch irgendwie seltsam. Und er wusste, dass er wirklich jemanden brauchte, mit dem er sich unterhalten konnte. So etwas so lange in sich zu behalten war durchaus eine ziemlich belastende Angelegenheit, vor allem wenn er bedachte, dass seine Gefühle sich kein bisschen gelegt hatten. Wie so etwas möglich war, verstand er nicht einmal. Normalerweise hieß es doch, dass Zeit alle Wunden heilte, aber seine Gefühle für Sasuke schienen sich für die Ewigkeit bei ihm eingenistet zu haben. Selbst in seinen Geschichten gab es so etwas wie jahrelange, unerwiderte Liebe nicht. Es fühlte sich einfach nicht realistisch an, gerade weil Menschen ständigem Wandel ausgesetzt waren. Alle entwickelten sich im Laufe der Zeit, ob sie es wollten oder nicht.

 

Nachdem er geduscht hatte, zog er sich an und setzte sich dann an seinen Laptop. Er öffnete sein Dokument, entschied sich dann aber, an einer Szene zu schreiben, die er irgendwann einmal benutzen wollte. Manchmal tat er das, einfach weil er nicht in der Stimmung war, an der aktuellen Stelle weiter zu schreiben. Und mit diesen Gefühlen machte er sich daran, den ersten Kuss seiner beiden Protagonisten zu beschreiben. Eine Szene, die wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, denn dass die beiden zusammen kamen, war für Naruto von Anfang an klar gewesen. Wenn er schon unglücklich verliebt war, sollten wenigstens seine Figuren bekommen wonach sie sich sehnten.

 
 

 

***

 

 

Wie angekündigt, ließ Sakura nicht lange auf sich warten. Als es klingelte, stand Naruto auf und ließ die gut gelaunte Freundin eintreten, ging dann aber zurück in sein Zimmer, um das Dokument zu speichern, nachdem er den Satz vervollständigt hatte, an dem er gerade gearbeitet hatte. „Oh, ist das dein neues Buch, an dem du arbeitest?“, riss Sakura ihn schließlich aus seinen Gedanken. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass sie ihm bis in sein Zimmer gefolgt war und dann über seine Schulter hinweg gelesen hatte, was er so schrieb.

 

„Hm, ein wenig vorgegriffen. Hatte Lust darauf so etwas zu schreiben!“, gestand er und schloss endlich das Dokument. „Lust von einem Kuss zu schreiben?“, fragte sie keck nach, trat aber gleichzeitig einige Schritte zurück, damit er wieder aufstehen konnte. „Wir sind schon gespannt was du dieses Mal wieder zusammen dichtest!“, erklärte sie dann und blickte sich in dem Raum um, den sie aus ihrer Jugend noch gut kannte. Geändert hatte sich hier nahezu gar nichts.

 

„Ehh??“, fragte Naruto und blickte seine langjährige Freundin etwas perplex an. Dass seine Freunde seine Bücher lasen, war ihm absolut nicht bewusst gewesen. Fantasy war ja auch nicht wirklich jedermanns Sache.  „Ach komm, dir ist doch klar, dass wir alle wissen wollen was du so treibst. Wir alle haben dein Buch gelesen!“, erklärte die junge Frau und nickte Richtung Tür. „Na komm, ich hab echt Hunger. Lass uns in die Stadt gehen und gemütlich frühstücken. Nur wir beide!“, schlug sie vor, griff nach Narutos Hand und zog diesen mit sich mit. Seufzend ergab er sich und folgte ihr, nachdem er sich seine Schuhe angezogen hatte.

 

Der Tag schien viel versprechend zu werden. Das Wetter war angenehm und Naruto fühlte sich durchaus wohl in seiner Haut. „Ihr habt es wirklich gelesen?“, fragte er nach, diese Information ließ ihn nicht mehr wirklich los. Er hatte es wirklich nicht gewusst. Sakura nickte leicht. „Dass Sasuke es gelesen hat, weißt du sicher. Aber wir andere wollten auch wissen, was du dir ausgedacht hast. Es ist gut, Naruto! Nur Shikamaru mochte es gar nicht. Aber du kennst ihn ja, viel zu anstrengend für ihn!“, erklärte sie und lachte belustigt auf.

 

Ja, Naruto kannte den Nara. Für ihn war nahezu alles viel zu anstrengend. Selbst bloßes rum liegen schien ihn manchmal zu nerven. Vermutlich lag es daran, dass der Typ unglaublich intelligent war, womit viele Dinge, die für sie normal waren, vermutlich pure Langeweile bei ihm auslösten. Naruto verstand das nur bedingt. Man konnte wohl behaupten, dass er eher das komplette Gegenteil von Shikamaru war.

 

„Der zweite Band macht mir etwas zu schaffen! Irgendwie bin ich nicht wirklich in der richtigen Stimmung für ihn!“, gab Naruto zu und steuerte zusammen mit Sakura ein kleines Café an, wo sie sich an einen der freien Tische nieder ließen. „Wie kommt’s? Früher hast du doch nur so vor Ideen gesprüht. Es ist kein Tag vergangen, an dem du uns nicht eine kleine Geschichte erzählt hast!“, fragte sie deutlich interessiert nach. Naruto zuckte leicht mit den Schultern.

 

Bevor er antworten konnte, kam eine Bedienung und fragte, was sie haben wollten. Sie bestellten und er antwortete, als sie wieder alleine waren. „Vielleicht hängt es mit meinem Besuch hier ab. Ich meine, ich hab durchaus Ideen wo das ganze hingehen soll, aber wenn ich mich ran setzte, habe ich manchmal das Gefühl, als wenn ich keine Kontrolle über meine Figuren habe. Was ich dann schreibe, gefällt mir nicht! Es ist unglaublich frustrierend, gerade wenn es in Bereich geht, die mit Realismus meines Universums nicht vereinbar sind“

 

Verstehend nickte Sakura. „Blockiert? Du stehst ziemlich unter Spannung, seit du hier bist!“, meinte sie und legte sanft eine Hand auf Narutos Arm. „Du weißt, wir hören zu, oder?“, wiederholte sie noch einmal. Wie oft er es gehört hatte, seit er wieder da war, wusste er nicht, langsam aber sicher machte ihm dieses Angebot aber zu schaffen. „Ich weiß!“, antwortete er deswegen etwas steif und ließ dann den Blick schweifen.

 

Hier waren sie früher auch das eine oder andere Mal gewesen. Verändert hatte sich fast nichts, außer, dass die Wand wohl einen neuen Anstrich bekommen hatte. Aber die Möbel waren noch gleich und auch die Bilder an der Wand waren ihm unglaublich vertraut.

 

Die Bedienung kam nach einer Weile zurück und brachte ihr Frühstück. Sakura war für ihre Verhältnisse ziemlich ruhig, was Naruto aber klar irritierte, war die Tatsache, dass sie ihm immer wieder musternde Blicke zu warf. Er kannte das von ihr gar nicht, zumindest nicht so intensiv, wie es jetzt geschah. Diese Blicke waren ihm eindeutig unangenehm, er konnte sie einfach nicht deuten. Soweit er wusste, hatte er nichts getan, was sie verärgern würde. Andere Momente kannte er schließlich nicht, wo diese junge Frau so auf ihn fixiert war. Aber er schwieg.

 

Wie lange sie sich angeschwiegen hatten, konnte Naruto nicht einmal sagen. Es war eine unangenehme Stimmung zwischen ihnen. Ihm wollte aber auch kein unverfängliches Thema einfallen, worüber sie sich unterhalten konnten. Erst als Sakura ihr Essen nicht mehr anrührte und ein tiefes Seufzen hören ließ, blickte er wieder auf. „Vertraust du mir nicht mehr?“, fragte sie endlich leise und schaute ihm dabei direkt in die Augen. Naruto schluckte schwer.

 

„Natürlich vertraue ich dir, wie kommst du jetzt darauf?“, fragte er nach, aber schon im nächsten Moment wünschte er sich, dass er doch sofort zurück gereist wäre, als er sich bei Kakashi eingenistet hatte. Sakura schüttelte den Kopf. „Naruto, wir fragen uns seit fast einem Jahrzehnt was los ist mit dir und auch wenn ich mittlerweile weiß warum du weg gegangen bist und warum es ausgerechnet mit Sasuke so schwer ist, vertraust du dich mir nicht an!“

 

Ihre Worte waren sanft und leise gewesen, aber für Naruto fühlte es sich an, als wenn sie ihm gerade eine verpasst hätte. Der Appetit war ihm eindeutig vergangen und etwas machte sich in ihm breit, was schon fast wie eine Panik gedeutet werden konnte. Es war nicht so lange her, wo er sich gefragt hatte, ob nur der ältere Uchiha einfach eine gute Auffassungsgabe hatte, oder ob er so offensichtlich war. Wenn selbst Sakura es wusste – und daran zweifelte er nicht, auch wenn sie es nicht offen ausgesprochen hatte – musste er mehr als offensichtlich sein.

 

„Ich hab keine Ahnung wovon du sprichst!“, meinte er schließlich schleppend, den Blick deutlich vermeidend, der ihn doch noch verraten konnte. Vielleicht irrte er sich auch, vielleicht sah Sakura etwas, was nichts mit den wahren Gründen zu tun hatte. „Naruto. Erinnerst du dich, als wir gechattet haben? Du hast gerade erfahren, dass Sasuke seine Frau verlieren wird und meintest, dass es Momente gibt, wo du dir wünschst, dass sie nie aufgetaucht wäre. Ich war etwas verwundert, so kenne ich dich nicht. Seit du hier bist, ist mir aber klar, was du unausgesprochen gemeint hast!“, erklärte sie ruhig und erneut fühlte er ihre Hand auf seinen Arm.

 

„Ich habe niemanden etwas gesagt, aber bei dir kann ich nicht schweigen. Ich sehe doch, dass es dich belastet. Ich möchte dir helfen, verstehst du?“, redete sie eindringlich auf ihn ein. Wenn Naruto sie ansah, wusste er, dass sie die Wahrheit sprach. In ihrem Gesicht spiegelte sich unglaublich viel Sorge wieder. Zu lügen kam jetzt nicht in Frage. Er war eh mies darin und er hasste es, wenn man nicht die Wahrheit sprach. Entsprechend machte er nicht einmal bei sich eine Ausnahme und wenn doch, ging es ihm in der Regel nicht sehr gut damit.

 

„Was hat mich verraten?“, fragte er schließlich leise und senkte den Blick erneut, um auf die Reste seines Essens zu blicken. „Wie du Sasuke anschaust. Ich weiß nicht, es hat da einfach Sinn ergeben!“, erwiderte sie und schwieg dann einen Moment. „Du siehst verletzt aus, wenn du ihn anschaust. Ich kann sehen, dass du dich quälst, deswegen biete ich dir so oft an, mit mir zu reden. Die anderen haben nichts mitbekommen und Sasuke ist ebenfalls blind, Naruto!“, versuchte sie ihn wenigstens ein wenig zu beruhigen. Naruto nickte leicht. „Kommen wir hier raus gehen? Ich fürchte, dass ich das Frühstück sonst nicht in mir behalten werden!“, bat er schließlich.

 

Sakura hatte nichts dagegen. Eilig rief sie die Bedienung zu sich und bezahlte für sie beide, ehe sie aufstanden und gemeinsam das Café verließen. Wie automatisch schlugen sie die Richtung ein, die zum Wald führte. Klar war einfach, dass wenn er reden wollte, er sicher niemanden haben wollte, der ihr Gespräch überhören konnte. Auch das war wohl ein Grund, warum Naruto vorerst schwieg. Dieses Mal drängte die junge Frau ihn auch nicht, sondern lief schweigend neben ihm her.

 

Bis sie den Wald erreichten, hatte Naruto kein Wort gesprochen, doch kaum durchbrachen sie die erste Reihe an Bäume, blickte er auf. „Enttäuscht?“, fragte Naruto schließlich. Er hatte die Hände in die Taschen seiner Hose gestopft. Verkrampft waren sie zu Fäusten geballt. Sakura starrte ihren Freund an, als wenn sie ihn nie zuvor gesehen hätte.  „Enttäuscht? Ehrlich gesagt, ja, ein bisschen schon!“, gab sie zu, realisierte an der Haltung des Freundes aber auch, dass sie scheinbar etwas anderes dabei im Sinn hatten. „Weil du Baka nichts gesagt hast. Was geht dir denn durch den Kopf, dass du aussiehst, als wenn ich dir gerade ein Grab geschaufelt hätte?“ Sakura verstand den jungen Mann nicht mehr. So kannte sie Naruto nicht. Dieser entspannte sich aber wenigstens ein wenig.

 

„Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich offensichtlich schwul bin. Oder weil ich meinen besten Freund ausgesucht hab, oder weiß der Kuckuck warum!“, verteidigte Naruto sich, lachte am Ende aber dennoch leise und gelöst. Sakura schüttelte leicht den Kopf und hakte sich kurzerhand bei ihrem Freund ein. „Du bist wirklich ein Idiot, Naruto!“, neckte sie ihn sanft.

 

„Es spielt doch keine Rolle, ob du schwul bist oder hetero. Du hast dich dadurch nicht wirklich verändert. Du bist noch immer der Naruto, den ich seit vielen Jahren kenne!“, widerlegte sie dann seine Argumente. „Und was Sasuke angeht. Kann man sich das aussuchen? Wenn ja, will ich das Rezept haben!“, sprach sie weiter und seufzte tief. Das lenkte Narutos Aufmerksamkeit eindeutig auf sie. Und auch ohne Worte verstand er, dass sie da etwas teilten. „So viel dazu, nichts zu sagen!“, spottete er leise und schüttelte leicht den Kopf. Da hielt sie ihm Vorwürfe, weil er so lange nicht mit der Wahrheit herausgerückt war und letzten Endes erfuhr er bei dieser Gelegenheit auch, dass sie sich im Grunde nicht anders verhielt und ebenfalls etwas vor ihm verschwieg.

 

Für eine ganze Weile schwiegen sie dann, während sie dem schmalen Pfand zwischen den Bäumen hindurch folgten. Es war ruhig, kein anderer Mensch war um diese Zeit in diesem Teil unterwegs. „Kenne ich ihn?“, fragte er schließlich doch leise. Er musste Sakura nicht ansehen, um die Bewegung, die von ihr ausging, als ein Nicken zu erkennen. Weiter fragte er aber nicht nach. Er wusste schließlich wie es war, wenn man nicht darüber reden wollte. Vielleicht brauchte auch sie einfach etwas Zeit.

 

„Wenn ich darüber nachdenke, bist du komisch geworden, als Hikari aufgetaucht ist. Deswegen bist du weg, oder?“, fragte Sakura nach einer Weile nach. Naruto seufzte leise. „Es war das Beste. Ich hab es einfach nicht ertragen die beiden zusammen zu sehen. Auch heute komme ich noch nicht damit zurecht. Ich habe Gedanken, die gar nicht nett sind und ich kann mich dafür selbst nicht leiden!“, gab er bedrückt zu.

 

Sakura blieb stehen und damit musste auch Naruto innehalten. „Es geht schon Jahre so. Irgendwie verstehe ich es, aber ich muss auch zugeben, dass ich gut finde, dass du dir bewusst bist, dass dein Denken falsch ist!“, erklärte sie dann und lächelte den Freund aufmunternd an. „Ich wünschte nur, dass du eher etwas gesagt hättest. Du weißt, wie verknallt ich damals in Sasuke gewesen bin, mir vorzustellen, dass es so lange gegangen wäre, wie bei dir, bricht mir irgendwie das Herz!“, äußerte sie ihre Gedanken, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte und Naruto so mit sich mit zog.

 

Naruto erinnerte sich an diese Zeit sehr gut. Damals waren fast alle Mädchen hinter dem Uchiha her gewesen, aber Sakura und Ino hatte es wohl am schlimmsten getroffen. Beide hatten unglaublich viel versucht, um die Aufmerksamkeit des Bastards auf sich zu lenken, dieser hatte allerdings niemanden wirklich Aufmerksamkeit geschenkt. Naruto war damals erleichtert gewesen, als die Schwärmereien nachgelassen hatten. Die Mädchen waren ziemlich nervig gewesen.

 

„Es war meine Entscheidung, Sakura! Ich hab es hier nicht mehr ausgehalten und trotz des Hintergrunds habe ich einen Ort gefunden, an dem ich wirklich glücklich bin. Irland ist toll, bei deinem nächsten Urlaub solltest du mich besuchen kommen!“, schlug er dann etwas gelöster vor. Das war vermutlich ein deutliches Zeichen, dass er den Kontakt wieder aufleben lassen wollte. Bisher hatte er niemanden wirklich verraten wo er genau lebte. Es gab wenig Leute, die wussten, dass es Irland war, aber niemand kannte seine genaue Adresse.

 

Sakura lachte leise.  „Welche Ehre, der große Schriftsteller Naruto Uzumaki lädt mich zu sich ein. Ich hoffe, du hast gelernt dein Umfeld sauber zu halten!“, erwiderte sie und zog herausfordernd eine ihrer Augenbrauen nach oben. Naruto musste dabei schallend Lachen. „Stell dir vor, auch ich bin erwachsen geworden!“, konterte er und lachte nur noch härter, als Sakura zur Antwort nur schnaubte. Auch das verstand er ja, er war ein Chaot gewesen.

 

Zusammen liefen sie weiter. „Versprich mir nur eines, Naruto! Wenn du jemanden brauchst, komm zu mir, okay? Ich möchte dich nicht noch einmal so sehen. Egal was ist, du kannst über alles mit mir reden!“ Als Naruto etwas erwidern wollte, schüttelte sie energisch den Kopf. „Keine Ausreden, ich werde nie anders von dir denken. Ich möchte, dass du mir dieses Versprechen gibst, sonst sorge ich mich nur wieder um dich!“, erklärte sie energisch.

 

Naruto nickte leicht. „Einverstanden!“, erklärte er dann. Wie er empfinden sollte, wusste er aber dennoch nicht. Dieser Trip in die Vergangenheit hatte ihm gezeigt, dass zu viele Leute in der Lage waren, seine aufgebauten Mauern zu überwinden und damit hatten sie die Chance, die Wahrheit zu sehen, die er so vehement versucht hatte zu verstecken. Er wollte nicht eines Tages vor Sasuke stehen und sich dessen Urteil ausliefern müssen. Dass Sakura schwieg, wusste er ja, dennoch sorgte es ihn einfach, dass zwei Personen ihn durchschaut hatten.

 

Den restlichen Weg unterhielten sie sich dann über Belanglosigkeiten und als sie schließlich wieder zusammen vor Kakashis Haus standen, musste Naruto seiner Freundin versprechen, dass er am kommenden Abend mit allen mitkommen würde. Sie wollten einen Abend zusammen verbringen, ehe er wieder zurück musste. Naruto konnte es kaum noch erwarten, erneut in den Flieger zu steigen und seiner Vergangenheit zu entkommen. Aber er wusste auch, dass er diesen einen Abend überstehen würde. Außerdem war er nicht scharf darauf, Sakura herauszufordern. Irgendwie würde er das wirklich schaffen.

 
 

 

***

 

 

Als Naruto am nächsten Abend bei Sakura klingelte, hatte er seine Gefühle weitestgehend wieder unter Kontrolle bekommen. Am Abend zuvor hatte er viel Zeit darauf verbracht, an einem Text zu schreiben, welcher ihm dabei helfen sollte, sich zu beruhigen. Andere etwas erleben zu lassen, was einen bewegte war ein recht gutes Mittel, um Spannungen abzubauen. So hatte ihn Kakashi dann auch vorgefunden und ihn erst einmal in Ruhe gelassen, bis er zum Abendessen einigermaßen entspannt aber auch erschöpft aufgetaucht war. Sie hatten sich ein wenig unterhalten, was die letzten Spannungen vertrieben hatte.

 

Kurz nachdem er geklingelt hatte, öffnete sich die Tür und Musik schlug ihm entgegen. „Hey, da bist du ja endlich!“, begrüßte die junge Frau ihn und griff nach seiner Hand, um ihn ins Innere ihrer Wohnung zu ziehen. „Na komm schon, heute Abend ist es hier absolut angenehm!“, meinte sie dabei und zwinkerte ihm zu. Naruto verstand die Andeutung und es nahm ihm das Unbehagen.

 

Am Tag zuvor hatte er nicht gefragt, aber als er am Morgen wach geworden war, war ihm bewusst gewesen, dass Sasuke vermutlich auch da sein würde. Ob er das allerdings aushalten würde, bezweifelte er ziemlich stark. Seine Nerven lagen bereits blank und es war an der Zeit, wieder Abstand zwischen sie zu bringen. Wenn er nun nicht da war, konnte er auf jeden Fall den Abend genießen.

 

Zuvor war er nie in Sakuras Wohnung gewesen, weswegen er sich nun interessiert umsah. Wie zu erwarten war es sauber und nett eingerichtet. Sie folgten einem Flur, ehe sie links in das Wohnzimmer abbogen. Auf einem Tisch konnte Naruto jede Menge Verpflegung sehen, nicht nur fester Natur, auch Getränke standen dabei. Die Freunde selbst hatten es sich auf Kissen rund um einen niedrigen Tisch gemütlich gemacht und unterhielten sich angeregt. Als Kiba ihn entdeckte, grölte er zur Begrüßung und machte für ihn Platz. Naruto ließ sich gerne dort nieder und nahm auch das angebotene Getränk entgegen.

 

Wenn er nun in die Runde schaute, musste er eindeutig zugeben, dass es eine gute Idee gewesen war, doch noch herzukommen. Alle blickten ihn offen an und an diesem Abend schien niemand darüber reden zu wollen, warum er einfach gegangen war. Und mit dieser Erkenntnis konnte auch Naruto sich deutlich entspannen. Es war viel zu lange her, dass er einen tollen Abend mit seinen Freunden verbracht hatte und Freunde waren das, was er hier vor sich hatte. Menschen die ihn nicht aufgaben sondern an seiner Seite standen, selbst wenn sie Jahre nicht miteinander Kontakt hatten.

 

Mit dieser Erkenntnis würde er eindeutig entspannt am nächsten Tag zurück fliegen können!

07 bittersweet paradise


 

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07 bittersweet paradise

 

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Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen drehte Naruto sich etwas mehr auf den Bauch und vergrub dabei seinen pochenden Kopf tiefer in das warme, weiche Kissen unter ihm. Ein Kissen, dessen Geruch ihm genauso unvertraut war, wie die Matratze, in die sein Körper sich schwer geschmiegt hatte.

 

Naruto hatte keine Ahnung, wo genau er war und noch weniger wusste er, wie er dort hingekommen war. Vage erinnerte er sich an einen durchaus angenehmen Abend mit seinen Freunden. Einen Abend, an dem man jede Frage nach dem Warum vermieden hatte und damit ihm eine Gelegenheit geboten hatte, einfach das Zusammensein zu genießen. Und genossen hatte er scheinbar, zumindest wenn es um die Menge an Alkohol ging, die er scheinbar zu sich genommen hatte.

 

Sein Mund und vor allem seine Zunge, fühlten sich an, als wenn er diese einem Hamster zur Verfügung gestellt hätte und dieser nun zufrieden zusammengerollt in seiner neuen Höhle hauste. Glücklicher Bastard, immerhin hatte er vermutlich nicht solche wahnsinnigen Kopfschmerzen, einen ekelhaften Geschmack mit Pelzbelag und wusste nebenher noch ganz genau wo er war. Naruto wusste es nicht. Was er aber mit jeder Sekunde deutlicher wahrnahm war, dass er das Bett wirklich nicht kannte. Es war keinesfalls das, das er bei Sasuke benutzt hatte. Ebenfalls konnte es nicht jenes sein, das er in Irland besaß und ganz besonders war es nicht das Bett, das bei Kakashi im Haus stand und das er wieder für sich beansprucht hatte.

 

Das alles könnte halb so schlimm sein, wenn einige Dinge, die er nach und nach realisierte, nicht wären. Zum einem fühlte er sich seltsam frei von Kleidung. Lediglich sein rechter Fuß war etwas wärmer wie der linke und als Naruto den linken Fuß leicht nach oben schob, bekam er die Gewissheit, dass er nichts weiter als eine Socke trug. Seine restliche Kleidung hatte sich vollkommen verflüchtigt.

 

Das für sich mochte noch akzeptabel sein, weniger akzeptabel war, dass der Blondschopf mit jeder verstreichenden Sekunde sich bewusster darüber wurde, dass etwas warmes sich von hinten an ihn schmiegte. Etwas, das eindeutig atmete. Er fühlte das leichte Kitzeln in seinem Nacken. Er schwor sich in der Sekunde, dass er nie wieder so viel trinken würde.

 

Vorsichtig, um die schlafende Person nicht zu wecken, aber vor allem, um den rasenden Schmerz in seinem Kopf nicht schlimmer zu machen, drehte er sich. Erst dann blinzelte er leicht, versuchte zu erkennen, was oder eher wer genau da neben ihm lag. Seine letzte Erinnerung war daran, dass er mit seinen Freunden gefeiert hatte und Naruto konnte sich nicht vorstellen, mit wem er nackt das Bett teilen könnte oder gar wollte. Schließlich war er nicht mehr so naiv zu glauben, dass es keinen wichtigen Grund gab, sich ganz auszuziehen, wo er es durchaus bevorzugte, wenigstens seine Shorts anzubehalten. Zumindest in diesem Augenblick hatte er keine Erklärung, die harmlos war und den zwingend gewollten Grund lieferte.

 

Was er sah, schockierte ihn aber mehr, als alles was er sich hätte vorstellen können. Ein leichter Schleier aus rosafarbenem Haar floss über das Kissen, weiche, vertraute Gesichtszüge blinzelten ihm entgegen. Mit einem weiteren Stöhnen krümmte Naruto sich zusammen. Es konnte, es durfte nicht sein, dass er und Sakura… alleine bei dem Gedanken drehte Naruto sich der Magen um. Nicht, dass er Sakura so abstoßend finden würde. Ganz und gar nicht. Sie war aber seine beste Freundin und Naruto fühlte sexuell gesehen absolut nichts für sie. Der Gedanke, dass er mit ihr geschlafen haben könnte, war entsprechend unangenehm.

 

Das leise Stöhnen, das von seiner Freundin ausging, lenkte seine Aufmerksamkeit aber sofort wieder auf die junge Frau, nur um im nächsten Moment ausgelacht zu werden. „Gott, Naruto! Du siehst aus wie ein Geist!“, prustete die junge Frau, schob die Decke etwas von sich und streckte sich genüsslich. Seidiger, leicht durchsichtiger Stoff begrüßte Naruto, Stoff, unter dem sich eindeutig ein BH abzeichnete. Was Anlass zur Hoffnung gab, dass auch unten rum alles anständig verhüllt war, auch wenn es bei ihm selbst ganz anders aussah.

 

Als Sakura sich gestreckt hatte, richtete sie sich in eine sitzende Position auf und schob ihre wirren Haare aus dem Gesicht, um nach einem Haargummi zu greifen, welches neben ihr auf dem Nachtschrank lag um die Mähne zu bändigen. Munter blickte sie ihn dann an. „Ehrlich Naruto! Du warst so unglaublich voll letzte Nacht und hast darauf bestanden, dich auszuziehen um schlafen zu gehen.“ Sie deutete auf die Decke. „Aber es ging schon mit der zweiten Decke. Noch einmal wirst du dich aber nicht so benehmen, sonst schmeiße ich dich hochkant hier raus!“, erklärte sie und schob die Decke ganz weg, um aufzustehen und eine Art Bademantel zu nehmen, welcher wie ihr Nachtgewand nicht wirklich viel verdeckte. Verstehe einer die Frauen! Wenn ihre Kleidung so einen Durchblick zuließ, war es doch eher nutzlos, sich darin zu kleiden.

 

Sakuras Worte jedoch lenkten seine Aufmerksamkeit schnell auf die Decke zurück und er erkannte erst jetzt, dass sie sich keine Decke geteilt hatten. Erleichtert ließ er sich wieder in die weichen Laken sinken, nur um kurz darauf von schwerem Stoff abgeschossen zu werden. Verwirrt schob er ihn von sich, um Sakura erneut anzublicken. „Beziehe mein Bett neu, dann vergebe ich dir dein Verhalten von letzter Nacht. Ich mache dir einen starken Kaffee und wecke die anderen!“ Mit diesen Worten wendete sie sich ab und ließ Naruto in dem Zimmer alleine zurück.

 

Erschöpft schloss Naruto die Augen ein weiteres Mal. Er hatte wirklich keine Ahnung, wann er beschlossen hatte, sein Leben noch furchtbarer zu machen, als es eh bereits war. Der Vorsatz, nie wieder etwas zu trinken, war da vermutlich das Beste, was er tun konnte, um solche Schreckmomente nicht wiederholt zu sehen. Auf Dauer würde er sonst an einem Herzinfarkt sterben, dessen war er sich absolut sicher.

 

Aus dem Flur konnte er bereits Geräusche hören und so entschloss er sich, trotz seiner starken Kopfschmerzen, sich aus dem Bett zu quälen. Seine Klamotten fand er zum Glück recht schnell, sie lagen in einem wirren Bündel in der freien Zimmerecke und Naruto musste sich wieder setzen, als er sie aufgehoben hatte, um langsam und vor allem möglichst konzentriert raus zu finden welches Kleidungsstück wie gehörte und wie er es anbekam, ohne sich zu viel zu bewegen. Als er diese Aufgabe geschafft hatte – wobei er die zweite Socke und sein Shirt nicht finden konnte, entschloss er sich, das Bett erst nach einem starken Kaffee neu zu beziehen.

 
 

 

***

 

 

Die Socke fand er im Flur, er sammelte sie auf, während er dem lockenden Geruch von frischem Kaffee folgte. Mit der Erkenntnis, dass er es besser sein gelassen hätte, als er das Wohnzimmer betrat und alle Freunde ihm entgegenschauten. Den Rest gab ihm dann eine leicht errötete Hinata, die sich aufrichtete und ihm wortlos sein Oberteil reichte. Naruto musste nicht wirklich nachfragen, wo er auf die Idee gekommen war, nackt schlafen zu müssen und damit auch nicht, wo er begonnen hatte, diese hirnrissige Idee in die Tat umzusetzen.

 

„Ok… scheinbar hab ich hier im Vollsuff angefangen, mich auszuziehen!“, murmelte er eher zu sich selbst, nur damit Sakura grinsend neben ihm trat und ihm in einem Mix aus Schadenfreunde und Sympathie leicht über die Wange zu streicheln. „Naruto, Schatz, du hast nicht nur begonnen!“, teilte sie ihm mit und schubste ihn dann zu den anderen. Das war ja herrlich. Im Vollsuff hatte er sich scheinbar zum Affen gemacht und eine Show hingelegt. „Nie wieder Alkohol!“, verkündete er, nur um seine Freunde in schallendes Lachen verfallen zu lassen, was Narutos Kopf nicht wirklich mit Freude aufnahm.

 

„Sakura, Aspirin?“, fragte er dann leidvoll und ließ sich an dem niedrigen Tisch nieder. Nie war ihm der Weg aus dem Stand so weit vorgekommen, aber er schaffte es ohne Zwischenfall. Die Frau musterte ihn nachdenklich. „Hast du mein Bett bezogen?“, fragte sie scharf nach. Naruto gab einen Ton von sich, der einem Wimmern verdammt nahe kam. „Ich mache es, sobald ich diese Kopfschmerzen etwas unter Kontrolle bekommen hab!“, versprach er dann zuversichtlich. Einen Moment zögerte sie noch, doch dann verschwand sie, um ihm die gewünschte Tablette zu bringen.

 

Naruto war unendlich dankbar, als die Wirkung langsam begann einzusetzen.

 

Gemeinsam mit seinen Freunden frühstückte Naruto anschließend und die zuerst etwas seltsame Stimmung lockerte sich schnell auf. Die Anderen machten es ihm auch ziemlich leicht, sein Fehlverhalten vom Abend zuvor irgendwo zu verdrängen, damit diese peinliche Situation nicht länger Beachtung schenken zu müssen.

 

Erst Inos Frage lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Abend zuvor. „Was hast du eigentlich für eine Nachricht bekommen, dass du dich so abgeschossen hast?“, fragte sie neugierig nach. Naruto runzelte leicht die Stirn. Von einer Nachricht wusste er nichts. Um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, kramte er das Gerät aus seiner hinteren Hosentasche und rief seinen Nachrichtenverlauf auf. Und wirklich, da war eine Nachricht, die er recht spät am gestrigen Abend erhalten hatte. Von Sasuke!

 

Neugierig öffnete er sie und runzelte ein weiteres Mal die Stirn. Sasuke hatte ihm in einem neutralen Ton eine gute Heimreise gewünscht. Im ersten Moment war daran nichts auszusetzen, aber Naruto kannte sich selbst. Mit einem mulmigen Gefühl schloss er die Nachricht und wechselte in den Ordner der gesendeten Nachrichten. Er wurde furchtbar bleich.

 

Beweg deinen heißen Arsch her, Teme!

 

Zum wiederholten Male schwor er sich, nie wieder so viel zu trinken. „Ähm… Sasuke hat mir eine gute Heimreise gewünscht!“, antwortete er Ino nach einem Moment und steckte das Handy wieder weg. Sasuke hatte nicht geantwortet, wenn er Glück hatte, war die Nachricht gar nicht erst zugestellt worden. Zu hoffen war es, er wusste nicht wirklich, wie er diese Wortwahl erklären sollte. Er log nicht gerne und Sasuke direkt ins Gesicht zu lügen war etwas, was er nie wirklich gut gekonnt hatte. Er war sich nicht einmal sicher, ob er seine Worte mit seinem nicht gerade nüchternen Zustand erklären konnte.

 

Da sein Appetit ihm nun endgültig vergangen war, schob er den Teller von sich und hing seinen Gedanken nach. Seine Freunde schienen den Umschwung seiner Laune zum Glück nicht zu bemerken, sie quatschten wild durcheinander, lachten und hatten einfach Spaß zusammen. Naruto wünschte sich wirklich, dass er daran teilhaben könnte, vor allem weil bald sein Flug gehen würde. Als er einen Blick auf die Uhr warf, erstarrte er nur ein weiteres Mal. „Fuck, mein Flug!“, schrie er regelrecht und sprang auf, um eilig zurück ins Schlafzimmer zu kommen. Der Weg zum Flughafen war die Hölle, die Stunde die ihm noch blieb war bereits ziemlich eng bemessen, vor allem weil er noch alle Formalitäten erledigen musste. Und Kakashi hatte er auch noch nicht verabschiedet.

 

Sakura, die ihm gefolgt war, hielt ihn schließlich davon ab, wie versprochen das Bett neu zu beziehen „Komm, wir fahren dich!“, schlug sie ihm vor und zog ihn hinter sich her zurück in den Flur. Mit Wir hatte sie scheinbar alle Freunde gemeint. Die Anderen waren bereits dabei, sich wieder anständig anzuziehen, die Schuhe anzuziehen und nach ihren Sachen zu kramen, die sie brauchen würden. Narutos Plan war es nicht wirklich gewesen, eine riesige Abschiedszene am Flughafen zu erleben. Auf der anderen Seite musste er aber eingestehen, dass es ein wirklich angenehmes Gefühl war, dass seine Freunde nach wie vor zu ihm standen und ihn verabschieden wollten.

 

„Ich muss Kakashi noch erreichen!“, fiel ihm dabei siedendheiß an. Ehe er allerdings sein Handy erneut herauskramen konnte, kam Sakura ihm zuvor. „Ich mach das schon!“, erklärte sie und schubste Naruto zu seinen Schuhen. Etwas verwirrt stellte er fest, dass die junge Frau scheinbar Kakashis Nummer gespeichert hatte. Was irgendwie wieder bei ihm wach rief, welches komische Gefühl er gehabt hatte, als Sakura bei ihnen gewesen war. Zeit dieses zu ergründen blieb ihm allerdings nicht.

 

Während Sakura dem Mann Bescheid gab, dass sie ihn zum Flughafen bringen würden, zog Naruto sich endlich seine Schuhe an. „Kakashi bringt deine Tasche mit!“, informierte Sakura ihn anschließend, griff nach ihren Schlüsseln und öffnete dann die Tür. Es sah wohl etwas seltsam aus, wie die große Gruppe gemeinsam das Haus verließ und sich dann auf die verschiedenen Wagen verteilte, die vor diesem standen. Belustigend war dabei wohl, dass die Männer sich fahren ließen. Vermutlich lag das eindeutig an dem Restalkohol, der noch immer in ihrem System war. Naruto selbst ließ sich in Sakuras Wagen auf dem Beifahrersitz nieder.

 

Während sie langsam durch den recht dichten Verkehr rollten, musterte der blonde Autor seine beste Freundin. „Sag mal, ist da was zwischen euch?“, fragte er dann nach und als die Frau ihm einen kurzen, verwirrten Blick schenkte, erklärte er sich und damit auch, wie er auf diese Frage gekommen war. „Naja, ihr wirkt vertraut und du hast seine Nummer!“ Sakura schnaubte leise. „Kakashi? Wir telefonieren ab und zu auch. Du bist schließlich mein Freund und Kakashi so etwas wie ein Vaterersatz von dir. An wen sollte ich mich sonst wenden, wenn ich wissen will, ob du noch lebst oder wir dein Begräbnis organisieren müssen?!“, erwiderte sie trocken und schüttelte missbilligend den Kopf.

 

Die Erklärung war logisch. Ziemlich gut sogar und Naruto glaubte Sakura auch aufs Wort. Dennoch blieb da ein nagendes Gefühl in ihm. „Ich bin auch nicht die Einzige. Ino und Kiba telefonieren hin und wieder auch mit ihm. Also schau nicht so. Wenn du endlich selbst dafür sorgen würdest, dass wir hier und da ein Lebenszeichen von dir bekommen, müssten wir nicht die einzige Familie von dir mit Fragen bestürmen, um unsere Sorgen irgendwie beruhigt zu bekommen!“, tadelte Sakura ihn weiter und hieb mit ihrer Faust kurz auf Narutos Bein.

 

Der Blondschopf verzog das Gesicht und rieb sich die lädierte Stelle. Vermutlich würde er dort einen blauen Fleck bekommen. Als er allerdings in Sakuras verbissenes Gesicht sehen konnte, schämte er sich wirklich. Er wollte nicht, dass seine Freunde sich wegen ihm Gedanken machten. Das hatte er nie gewollt, aber damals hatte er sich absolut keinen Kopf darüber gemacht, wie seine Freunde wohl mit seinem plötzlichen Verschwinden umgehen würden.

 

Ein leises Seufzen erfüllte den Wagen. „Ich werde es ändern, versprochen!“, gab er nach.

 

Was machte es schon, wenn er sich hier und da bei seinen Freunden meldete? Vermutlich tat ihm dieses sogar ganz gut. Die vergangenen Tage und vor allem die letzte Nacht hatten ihm gezeigt, dass er diese Bande wirklich vermisste. Eine Freundschaft wie ihre war rar und er musste endlich aufhören sie mit Füßen zu treten. „Das hoffe ich für dich, sonst finde und verhaue ich dich!“, kam die Antwort von Sakura, begleitet mit einem leisen Schniefen, welches sie scheinbar nicht hatte unterdrücken können.

 

Sakura war wirklich eine starke Frau, aber Naruto wusste auch um ihre sensible Seite, die Tatsache, dass sie nahe am Wasser gebaut war, wenn sie etwas wirklich bewegte, egal ob im positiven oder negativen Sinne. Sofort streckte er die Hand aus und fuhr durch die seidigen Strähnen, um sich dann zu ihr rüber zu beugen und ihr einen entschuldigenden Kuss auf die Schläfe zu geben. Er nahm sich fest vor, den Kontakt wieder regelmäßiger stattfinden zu lassen.

 
 

 

***

 

 

Die restliche Fahrt verlief dann ohne Zwischenfälle. Naruto erzählte Sakura in der Zeit ein wenig von seiner neuen Heimat und freute sich irgendwie darüber, dass sie den Wunsch verspürte ihn dort wirklich einmal besuchen zu dürfen. Er konnte sich das auch gut vorstellen, sie eine Weile bei sich zu haben, ihr die schönsten Ecken in der Umgebung zu zeigen, mit ihr in den Pub zu gehen und einfach Zeit miteinander zu verbringen. Irland war eben ein ganz anderes Kaliber als Japan und er glaubte durchaus, dass Sakura sich dort für eine Weile ziemlich wohl fühlen konnte. Vielleicht sogar so sehr, dass sie ihren Liebeskummer vergaß.

 

Ein Teil von ihm fragte sich noch immer, wer der Mann war, der es Sakura angetan hatte. Wirklich nachbohren wollte er allerdings nicht. Er wusste, wie unangenehm das sein konnte und mit deiner Schnapsidee, dass es vielleicht Kakashi war, hatte er sich ja auch ziemlich verrannt. Die beiden hatten kaum eine gemeinsame Vergangenheit, wenn man einmal davon absah, dass sie in ihrer Jugend oft zusammen gewesen waren und Kakashi da ebenfalls oft irgendwie in der Nähe gewesen war. Dass die beiden zumindest telefonisch Kontakt hatten, mochte ungewöhnlich befremdlich sein, in gewisser Art war es aber wohl auch vollkommen nachzuvollziehen.

 

Sonst fiel ihm aber niemand ein. In ihrem Freundeskreis waren alle irgendwie in Beziehungen und Naruto bezweifelte auch, dass Sakura auf Dauer jemanden anhimmeln würde, der in festen Händen war. Auch wenn man leider keinen Einfluss auf seine Gefühle hatte.

 

Obwohl, eine Person gab es da durchaus noch, die frei war, sicher aber ebenso unerreichbar, wie Sasuke es damals gewesen war. Wenn er sich recht erinnerte, hatte Sakura früher auch erwähnt, dass die Uchiha Brüder beide ziemlich heiß waren. Da die Frau in der Firma der beiden Brüder arbeitete, war das durchaus eine Option. Sich in den eigenen Boss zu verlieben ging eben in den meisten Fällen nicht gut aus. Dabei fiel ihm ein, dass er noch eine Bitte hatte, die er lieber stellen wollte, bevor zu viele Ohren es mitbekommen konnten.

 

„Uhm… Sakura?“, machte er also auf sich aufmerksam und schluckte schwer. Zu sagen, was er zu sagen hatte war eindeutig nicht leicht. „Ähm… könntest du mir den gefallen tun und Sasuke erzählen, wie unmöglich ich mich gestern Nacht im Vollsuff benommen hab?“, trug er schließlich seine Bitte vor und linste nervös aus dem Seitenfenster. „Hmm, warum?“, fragte sie nach, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Ich hab da gestern wohl etwas geschrieben, was unangenehm werden könnte. Vielleicht hilft es, es als Blödsinn bei ihm abzutun!“, erklärte er sich anschließend. Seine Hand fuhr nervös durch seine blonden Strähnen, als er aus den Augenwinkeln sah, wie die junge Frau ihm einen kurzen, neugierigen Blick zuwarf.

 

„So? Was hast du ihm geschrieben?“, fragte sie auch gleich weiter. Naruto lachte nervös auf, dann holte er tief Luft und schloss die Augen. Nicht zu sehen wie sie reagierte war vermutlich besser. „Hab ihm gesagt, er soll seinen heißen Arsch zu mir bewegen!“, gab er schließlich zu, nur um mit Sakuras amüsiertem Lachen belohnt zu werden. „Oh, Naruto! Du bist so ein Chaot. Du schaffst es echt ihm den ultimativen Hinweis zu geben was los ist, nur um ihn selbst zu widerlegen!“ Die Frau amüsierte sich eindeutig köstlich. „Oh ich wünschte, ich hätte sein Gesicht sehen können, als er die Nachricht erhalten hat!“

 

Naruto teilte diesen Wunsch ganz und gar nicht. Vermutlich war Sasuke ausgetickt, soweit der Uchiha dazu in der Lage war. Also wohl eher ein runzeln der Stirn und eines seiner Laute, die kein Mensch wirklich verstehen konnte, wo der Bastard aber davon ausging, jeder sprach seine ganz eigene Sprache. Eine warme Hand auf seinem Bein veranlasste ihn dazu, die Augen wieder zu öffnen und zu seiner Freundin zu schauen. „Gut, ich versuche es. Erwarte aber nicht zu viel, okay?“ Mehr konnte er nicht verlangen. Deutlich erleichtert ließ er sich weiter in den Sitz gleiten und nickte dankbar.

 
 

 

***

 

 

Es war wohl ein etwas gewöhnungsbedürftiges Bild, die kleine Gruppe am Flughafen zu beobachten. Während Naruto verdammt genau wohin er musste, hielten seine Freunde es wohl für eine besonders gute Idee, ihm permanent zu widersprechen und ihn dann in andere Richtungen zu ziehen, nur damit Naruto sie letzten Endes genau dorthin führte, wo er von Anfang an hatte hingehen wollen. Und wenn ihr sinnloses Rumgerenne nicht Aufmerksamkeit erregt hatte, dann eindeutig ihre Lautstärke, oder Kakashis theatralisches Seufzen und den deutlich vernehmbaren Worten, dass sie den Kindergarten besser nie verlassen hätten. Worauf vor allem Kiba laut protestierend eingestiegen war.

 

Entsprechend froh war er also, als er endlich sein Ticket in der Hand hielt und alles was nun blieb war, sich zu verabschieden.

 

Kiba klopfte ihm so heftig auf die Schulter, dass Naruto das Gefühl hatte, in die Knie gehen zu müssen. Die Stelle, die der Mann getroffen hatte, pochte furchtbar. Shikamaru bevorzugte es, ihm den Rücken zu zudrehen und lediglich eine Hand zum Abschied zu heben. Ino umarmte ihn kurz, Hinata hatte arge Probleme die Tränen zurück zu halten, Kakashi wuschelte ihm durch die blonde Mähne, ignorierend, dass er kein kleiner Junge mehr war und Sakura erdrückte ihn fast mit einer Umarmung und gemurmelten, liebevollen Worten, sich nie wieder so zu verstecken.

 

Als er dann endlich den gang entlang lief, der ihn zu seinem Flugzeug bringen würde, blieb er noch einmal stehen. Ihm war schmerzlich bewusst, was er da zurück ließ. Er liebte sie wirklich, alle, wie sie da standen und ihm nachsahen, in ihren Gesichtern die Emotionen deutlich widerspiegelten, die sie gerade durchlebten. Naruto erging es nicht anders. Mit einem eher aufgesetzten grinsen hob er ein letztes Mal die Hand, ehe er hinter der Biegung verschwand und kurz darauf zu seinem Sitz begleitet wurde. In dem Augenblick, wo das Polster sich ihm anpasste, fühlte er sich, als wenn er zum zweiten Mal einfach alles zurück ließ. Ein Teil von ihm wollte zurück, aber das Wissen, dass es dafür keine Chance gab, fesselte ihn an seinem Sitz, bis er der vertraute Druck des Starts endlich abebbte und er in seinem Sitz regelrecht zusammensackte.

 
 

 

***

 

 

Wieder zurück in Irland zu sein, war trotz des Abschiedsschmerzes, den er am Flughafen durchlebt hatte, als wenn er nachhause zurückkehrte. Schon als er am Flughafen von Board ging, fiel eine riesige Last von ihm ab. Das hier war seine Heimat und das Gefühl zurück zu kehren, war überwältigend. Entsprechend gut gelaunt stieg er schließlich in seinen Wagen und fuhr durch vertraute Straßen und letzten Endes den Pattweg, der zu seinem Haus führte. Dieses Mal sogar, ohne dass ihm jemand entgegen kam.

 

Kaum bei seinem Haus angekommen, ließ er alles im Wagen zurück und betrat kurz darauf sein vertrautes Heim. Es fühlte sich an, als wenn er Jahre nicht mehr dort gewesen war, auch wenn es natürlich nicht einmal entfernt so lange gedauert hatte. Zu seiner Überraschung, fand er auf dem Küchentisch einen zettel und nachdem er diesen überflogen hatte, auch den dort drauf angekündigten Auflauf, den man ihm in den Kühlschrank gelegt hatte. Ja, hier war er wirklich zuhause!

 

Zufrieden feuerte er den Ofen an und stellte die Form anschließend hinein, ehe er noch einmal nach draußen ging und seine Tasche reinholte. Achtlos ließ er sie neben der Tür fallen und nahm nur den Laptop mit, um diesen sofort nach oben zu bringen, wobei er auf seinem Weg die Fenster aufriss, um die vertraute, leicht salzige und unglaublich frische Luft hinein zu lassen. In seinem Arbeitszimmer angekommen, legte er den Laptop auf den Schreibtisch und schaute aus dem nun offenen Fenster.

 

So weit das Auge reichte, konnte er grüne Hügel sehen. Kein Haus störte diesen Anblick und dort wo der Horizont mit der Erde zu verschmelzen schien, wusste er, lag das Meer. Das Meer, das ihm gerade diese frische Luft sendete, welche er fast schon begierig in seine Lungen aufnahm. Einen Augenblick genoss er den Anblick, ehe er sich abwendete und wieder nach unten ging.

 

Da sein Auflauf eine Weile brauchen würde, legte er ein wenig Holz nach, bevor er sich an den zerkratzten Tisch setzte und sein Handy zückte. Er hatte eine Entscheidung getroffen, eine die er nicht vergessen und auf jeden Fall in die Tat umsetzen wollte. Wie er sich in den letzten Jahren seinen Freunden gegenüber verhalten hatte, war wirklich nicht nett gewesen. Generell konnte er sich wohl durchaus glücklich schätzen, dass diese auch nach all der Zeit noch an ihm fest hielten, anstatt ihm den Rücken zu kehren und ihn nicht weiter zu beachten. Naruto fühlte sich trotz seiner Gründe durchaus schuldig deswegen.

 

Und aus genau diesem Grund machte er sich daran, jedem seiner Freunde eine kurze Nachricht zu schicken, ein Text, der ihnen sagte, dass er gut angekommen war. Einer Idee folgend, ging er sogar noch einmal nach oben, um mit dem Handy ein Bild der Landschaft aufzunehmen, die er von dem Fenster in seinem Arbeitszimmer aus sehen konnte, um dieses gleich hinterher zu senden.

 

Zufrieden verschwand er dann wieder in die Küche, um sich um sein Essen zu kümmern, welches dann nach einer Weile auch fertig war. Es schmeckte köstlich, ganz so wie er es gewohnt war, jedoch spürte er auch ziemlich schnell, dass seine Reise zurück in seine eigene Vergangenheit, irgendetwas in ihm verändert hatte.

 
 

 

***

 

 

Die Anzeichen kamen schleppend, doch ignorieren konnte Naruto keines davon.

 

Das erste was ihm auffiel, war der Mangel an Geräuschen. Es war nun nicht so, dass er in Japan mitten in der Großstadt gelebt hatte, doch im Vergleich zu dem Haus in Irland, waren dennoch ständig Autos zu hören gewesen. Hier allerdings gab es nichts dergleichen. Er hörte den Wind, wie er durch das Gras strich, die Blätter an den Bäumen zum Rascheln brachte, aber sonst hörte er nichts.

 

Es war nun nicht so, dass es ihn störte. Er liebte Irland, daran hatte sich nichts geändert. Aber nach der ganzen Zeit in Japan kam er auch nicht darum herum festzustellen, wie verdammt ruhig es hier war. Als er damals hergekommen war, war es ihm nicht anders ergangen. Die Stille hatte ihn am Anfang regelrecht in den Wahnsinn getrieben, ehe sie ihm die Ruhe gegeben hatte, die es ihm heute meistens ermöglichte, sich auch für Stunden auf sein Buch zu konzentrieren. Es gab eben keine Ablenkungen, kaum Medien die nebenher präsent waren, keine Autos zu hupten, Hunde die bellten, Menschen die Lachend und Schwatzend die Straßen entlang schlenderten. Naruto wusste, dass er sich vermutlich erneut daran gewöhnen musste, aber er hoffte klar, dass er dieses Mal nicht so furchtbar lange brauchen würde.

 

Er schloss die Augen und atmete langsam durch, konzentrierte sich ganz auf die Geräusche, die er sonst noch wahrnehmen konnte. Das leise Rauschen des Meeres drang zu ihm durch, aus der Ferne, doch es verblasste schnell neben dem leisen Zirpen der Grillen. Vertraut, so unglaublich vertraut und diese Vertrautheit ließ ihn langsam wieder entspannen. Er war nicht in eine neue Welt eingetaucht, sondern kehrte nur zu einer zurück, die er zeitweise verlassen hatte.

 

Das leise Piepsen seines Handys holte ihn wieder zurück.

 

Die Nachricht von Sakura überflog er nur, wobei ein trauriges Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Das war es, was sich am Meisten verändert hatte. Der letzte Abend, die durchzechte Nacht hatte irgendwie einen Teil von ihm abgespalten und in Japan zurückgelassen.

 

Während des Fluges und die Fahrt zurück hatte er sich noch etwas vor machen können, dass alles in bester Ordnung war. Aber jetzt, ganz alleine, war ihm bewusst, dass er seine Freunde furchtbar vermisste. Einen Moment lang zweifele er an sich selbst, er fragte sich, was ihn damals dazu bewegt hatte, sich eine so einsame Gegend auszusuchen. Und auch wenn die Antwort ihm im Grunde klar war, verstand er sie nicht. Er war nie der Typ Mensch gewesen, der die Einsamkeit genoss. Eher das Gegenteil war der Fall. Er war jemand, der es liebte im Mittelpunkt zu stehen, der immer viele um sich herum angesammelt hatte.

 

Im Nachhinein konnte er nicht einmal verstehen, wie er all die Jahre das hier ausgehalten hatte. Ja, er liebte Irland. Natürlich liebe er die Ruhe, die eher raue Gegend, all die Plätze die seine Fantasie anregten. Aber er konnte nun auch nicht mehr leugnen, dass er all jene vermisste, die er nun ein zweites Mal hinter sich zurück gelassen hatte.

 

Da war keine Hinata mehr, die in ihrer sanften Art oft Ruhe in die Gruppe gebracht hatte, die immer vernünftig Problemen gegenübergetreten war. Kein Kiba, der alle in Aufregung versetzte und nur laut war. Keine Ino, mit der er unglaublich Quatsch machen konnte. Kein Shikamaru, dessen Ruhe aus dem Gleichgewicht bringen zu können, stets eine Herausforderung gewesen war.

 

Keine Sakura, der er wirklich sehr vertraute. So sehr, dass er mittlerweile nicht mehr nachvollziehen konnte, warum er so lange geschwiegen hatte. Bei ihr hatte er nie fürchten müssen, dass sie sich verplapperte, oder das wie ein Tratschweib sein Geheimnis den anderen auf die Nase band.

 

Und das Schlimmste, da war kein Sasuke mehr. Kein sexy Bastard, der seine Fantasien in Richtungen beflügelte, die er seit Jahren versuchte zu unterbinden. Kein Teme, der ihn mit seiner kühlen Art um den Verstand brachte und dieses nicht zwingend im negativen Kontext. Kein junger Mann, den Naruto wirklich vom Herzen liebte.

 

Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, wie verdammt einsam er in den letzten Jahren gewesen war und welche Gefühle er in all der Zeit vehement unterdrückt hatte, bis sie ihm wie ein ferner Traum vorgekommen waren. Aber jetzt war ihm bewusster denn je, wie sehr er sich etwas vorgemacht hatte. So sehr er Irland liebte, ohne seine Familie, seine Freunde und ohne Sasuke war Irland nur halb so viel wert.

 

Niedergeschlagen ließ er alles stehen und liegen und verschwand trotz der noch recht frühen Stunde ins Bett. Er hatte nicht einmal mehr Lust, ein wenig weiter zu schreiben.

 
 

 

***

 

 

Die nächsten Tage vergingen irgendwie nur sehr schleichend und Naruto wusste mehr denn je nichts mit sich und seiner Zeit anzufassen. Das änderte sich nicht einmal, als endlich nach gut einer Woche eine Nachricht von Sasuke kam, die ihm deutlich machte, dass Sakura Wort gehalten hatte. Was er allerdings mit den neckenden Worten anfangen sollte, wusste er auch nicht so Recht. Ganz anders bei dem Rat, in Zukunft den Alkohol weg zu lassen. Darauf war er schließlich schon von alleine gekommen.

 

Eine Änderung bahnte sich allerdings an, als eines Nachmittags seine Nachbarin erneut vorbei schaute, in ihrem Korb ein herrlich duftendes Brot, welches offensichtlich noch nicht all zu lang aus dem Ofen war. „Du verwöhnst mich viel zu sehr!“, schmeichelte Naruto ihr, nahm den Leib Brot aber nur zu gerne an. Es gab nichts besseres, als wenn es frisch gemacht war. Außerdem hatte er nicht wirklich Lust, später noch in den Ort zu fahren, um sich neu einzudecken. Da kam es ihm wirklich gelegen.

 

„Ach Junge, du kannst ein Wenig Speck auf den Rippen durchaus gebrauchen!“, bekam er gleich die sehr vertraute Antwort. Er kannte das schon. Wenn es nach ihr ginge, würde sie ihn vermutlich mästen. Aber auch das gehörte irgendwie zu Irland dazu. Man genoss das Leben und dazu gehörten eben auch die Mahlzeiten. Naruto lachte leise auf. „Ich fürchte, dazu habe ich zu viel Energie!“ Eine Tatsache. Trotz der Art, mit der er seine Brötchen verdiente, stand er oft nicht still. Er musste sich einfach bewegen, was er meistens damit auslebte, irgendwelche Ruinen zu erkunden.

 

„Zu viel Energie? Du solltest bei den Millers vorbeischauen. Deren Hündin hat Nachwuchs erhalten, die haben auch Pfeffer im Hintern!“ Die Hündin kannte Naruto. Ein ziemlich riesiges Ungetüm, mit drahtigem, grauem Fell. Ein Hund, den man gerade in den ländlicheren Gegenden von Irland sehr häufig antraf. Als er das erste Mal über einen gestolpert war, war er respektvoll ein ganzes Stück zurückgewichen. Heute wusste er, dass diese Irischen Riesen sanft wie Lämmer waren. Sie bewachten oft die Höfe in der Nachbarschaft.

 

„Ein Hund? Ich weiß nicht!“, gab er ehrlich zu und verzog leicht leidend das Gesicht. „Das ist doch verdammt viel Verantwortung und wenn ich wieder für Tage unterwegs bin, ist keiner da, um nach ihm zu schauen. Oder was, wenn mich die Muse küsst? Dann kommt das arme Tier gar nicht erst raus und pinkelt mir die ganze Bude voll!“, verteidigte er sich schwach.

 

Ein Schnauben war sein Lohn dafür. „Junge, den Hund nimmst du mit, der weiß schon was er machen kann, wenn du in den Ruinen rumkletterst. Und was das Pinkeln angeht, lass eben die Tür auf. Das sind keine Stadthunde, die mit Leine brav am Gehsteig entlanglaufen müssen. Die sind intelligent und wissen, wozu die Wiese hinterm Haus gut ist!“

 

Naruto konnte sich das Lachen kaum verkneifen. „Ich überleg es mir!“, versprach er, auch wenn seine Entscheidung bereits gefallen war. „Nein, tust du nicht!“, konterte die Frau, ehe sie Hand zum Gruß hob und ihn alleine zurück ließ. Mit einem leichten Kopfschütteln setzte Naruto sich Kaffe auf und schnitt sich eine dicke Scheibe des frischen Brotes ab, um anschließend damit nach oben in sein Arbeitszimmer zu gehen. Normalerweise tat er so etwas ja nicht, aber heute hatte er wirklich Lust zu schreiben, etwas, was er seit Tagen nicht getan hatte.

 
 

 

* *** *

 

 

Eine kleine Gruppe Kuriere und Offiziere stand um den schmalen Tisch herum und beugten sich dabei so dicht über die darauf ausgebreitete Karte, dass man meinen konnte, sie wollten diese vor den Blicken der Anwesenden verbergen. Dabei herrschte ein derartiges Stimmengewirr, dass einem richtig schwindelig werden konnte. Da diskutierte man, beratschlagte, betrachtete, mutmaßte, nur um dann doch noch einmal zu fordern, dass die Beobachtungen ein weiteres Mal geschildert wurden. Namaki kannte dieses bereits schon und wenn er ehrlich war, hing ihm dieses so langsam zum Halse raus. Und er war eindeutig nicht alleine mit diesem Empfinden, es war mehr als einmal vorgekommen, dass Saiha einen mehr als rüden Kommentar abgegeben hatte.

 

Heute war er allerdings alleine da und noch immer hatte man keine wirklich gute Möglichkeit gefunden, wie man mit ihrer Entdeckung umgehen sollte. Es hatte ja durchaus einen Versuch gegeben, diesem Camp nahe zu kommen, der allerdings komplett gescheitert war. Um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, hatte man sich zurückgezogen. Das war immerhin besser, als dass diese Menschen ihre Sachen packten und irgendwo tief in den Wäldern verschwanden, wo man sie vermutlich nie wieder finden würde.

 

„Also, ich wäre ja dafür“, machte schließlich einer der höheren Offiziere auf sich aufmerksam, „dass die beiden ein weiteres Mal hinfliegen und versuchen einen genauen Lagerplan zu erstellen!“ Der Vorschlaf stieß auf allerlei Protestgeschrei, auch nichts wirklich neues an dieser Situation. „Selbstmord!“ Das war nur eine der der Reaktionen. Da gab es eine ganze Reihe von Ausdrücken, die ihre Lage da versuchte zu beschreiben. „Nein, ich meine es ernst! Die beiden sind nicht bemerkt worden, warum sollte es dieses Mal anders sein?“ Der Protest schwoll nur weiter an.

 

„Wenn ich ebenfalls etwas dazu sagen dürfte?“, machte Namaki schließlich auf sich aufmerksam, mehr als erpicht, diesem Geräuschpegel irgendwie entgehen zu können. Als alle ihn entgeistert entgegenstarrten, räusperte er sich leicht. „Wir sind uns einig, zurück zu wollen. Daran sollte es nicht liegen. Außerdem, wir kennen das Gebiet recht gut, schließlich mussten wir schnell agieren und eine möglichst sichere Bleibe für die Nacht finden. Wenn es nach uns ginge, würden wir lieber heute Nacht noch los fliegen, als im Morgengrauen!“

 

Eine weitere Welle der Entrüstung brach über ihn herein und mit einem gequälten Laut verhinderte er nur noch mit Mühe, sich die Hände auf die Ohren zu pressen, um das Pochen in seinem Schädel nicht noch mehr anschwellen zu lassen. „Gehen Sie zurück in Ihre Baracke, wir werden sie dann kontaktieren!“, sagte einer der Offiziere schließlich zu ihm und Namaki nahm diese Erlaubnis zu verschwinden nur zu gerne an. Fast schon fluchtartig verließ er den mittlerweile recht stickigen Raum und trat kurz darauf endlich in die Kühle Nacht hinaus.

 
 

 

***

 

 

Als Namaki kurz darauf die Unterkunft betrat, fiel eine riesige Last von ihm und noch besser wurde es, als eine dampfende, köstlich duftende Tasse sich ihm unter seine Nase schob. „Sag mir, dass ich nicht rüber muss und das hier gehört alleine dir!“ Namaki lachte leise. „Nein, beide befreit!“, erklärte er gelöst und nahm das duftende Getränk an sich, um damit weiter in die Unterkunft zu gehen. Saiha atmete erleichtert auf. Ihre Nerven hatten weitaus blanker gelegen, als seine eigenen und das sollte vermutlich einem zu denken geben.

 

„Ich hab die beiden versorgt, sie sind ziemlich nervös, weil sie schon einige Tage nicht raus durften“, erklärte die junge Frau ihm und ließ sich an dem Tisch nieder, wo eine weitere Tasse wartete. Namaki nippte an seiner Tasse und brummte leise. „Hab den Vorschlag gemacht, uns besser noch heute Nacht los zu schicken. Wenn sie nicht wollen, sollten wir die beiden morgen raus lassen. Die können nicht ewig am Boden sein!“

 

Im Grunde war es ein Unding. Drachen waren keine Geschöpfe, die ausschließlich am Boden zu halten waren. Sie mussten sich bewegen, mussten in die Lüfte, jagen und die Welt sehen. In den letzten Tagen allerdings hatten die beiden ihren Unterstand nicht verlassen dürfen und Futter war ihnen gebracht worden. Namaki war sich sicher, dass Saiha versuchte sie gut zu versorgen, aber die beste Versorgung brachte eben nichts, wenn man die beiden Drachen hier am Boden festhielt. Er selbst war ja in den Meetings gefangen, was allerdings auch kaum Belang hatte, denn ändern konnte er an der Anordnung eben auch nichts. „ich sehe nachher noch Mal nach den Beiden. Jetzt will ich nur ein wenig Ruhe haben, ehe der nächste mich voll nörgelt!“ Nicht, dass er es nicht verstehen konnte, aber ertragen konnte er eben auch nicht alles.

 

Schweigend lehnten die Beiden sich zurück und genossen es einfach, einen Moment absolute Ruhe zu haben. Namaki musste zugeben, dass die letzten Tage recht angenehm verlaufen waren, wenn man von den Treffen einmal absah. Aber dadurch, dass sie stillschweigen zu der Übereinkunft gekommen waren, dass er den Offizieren antwortete und sie sich stattdessen um ihre Drachen kümmerte, war eindeutig eine entspannte Haltung zwischen ihnen entstanden. Diese Geste, dass sie ihn mit etwas warmes empfing war nicht zum ersten Mal geschehen.

 

Wenn er zurückdachte, so war ihm auch bewusst, dass am Anfang ihrer Zusammenarbeit, sie ihm die Tasse wohl eher um die Ohren gehauen hatte. Am Abend zuvor hatte sie ihn aber nicht nur begrüßt, sondern auch mit einem gedeckten Tisch erwartet. Anfangs war er durchaus etwas misstrauisch gewesen, was sich letzten Endes aber als unnötig herausgestellt hatte. Es hatte eher so ausgesehen, als wenn es ihre Art war, sich bei ihm zu bedanken und Namaki tat ihr den gefallen wirklich gerne. Schließlich hatte er eindeutig etwas davon.

 

Ein Nachteil war nur, dass er mehr und mehr für diese Frau fiel. Und das war eindeutig nichts gutes. Auch wenn sie jetzt recht gut klar kamen, so wusste er verdammt genau, dass sie ihm wohl den Kopf abreißen würde, wenn sie ihn je dabei erwischte, wie seine Augen über ihren wahnsinnig anziehenden Körper glitten. Dass sie sich entsprechend luftig kleidete, machte es auch nicht wirklich einfacher. Ändern konnte er es aber nicht.

 

Schließlich stellte er seine Tasche auf den Tisch. „Danke dir! Ich gehe mal nach den beiden schauen!“, verabschiedete er sich, ehe er zur Tür ging um in seine Schuhe zu schlüpfen. „Warte, ich komme mit dir mit!“, wurde er jedoch aufgehalten. Damit hatte er eindeutig nicht gerechnet, aber wenn er ehrlich war, freute er sich durchaus darauf, mit ihr zusammen einen kleinen abendlichen Spaziergang einzulegen. „Gerne!“, antwortete er deswegen, schlüpfte in die Schuhe und öffnete dann die Tür, um in die Nacht hinauszutreten und dort kurz zu arten, ehe sie spielend leicht in einen angenehmen Rhythmus fielen und nebeneinander den Weg zu den Unterständen ansteuerten.

 
 

 

* *** *

 

 

Zufrieden mit dem was er geschrieben hatte, speicherte Naruto sein Dokument ab und klappte den Laptop zu. Seine Geschichte entwickelte sich prächtig, auch wenn er bereits jetzt viele Passagen farbig markiert hatte, an die er sich noch einmal setzten musste, um sie besser auszuformulieren. Er freute sich aber klar, dass seine beiden Protagonisten endlich voran kamen und das bedeutete einfach, dass die Liebesgeschichte bald beginnen konnte. Allerdings kam bei ihm da die Frage auf, wie er das am Besten angehen sollte.

 

Ideen hatte er natürlich einige. Zum einem war da natürlich der Zufall. Sie stolpert, er fängt sie auf, ein tiefes in die Augen blicken und tada, der Kuss war geboren. Zu Klischeehaft in seinen Augen und seine Beiden waren eindeutig nicht in diesem Universum dafür zu haben, sich einem solchem Klischee hinzugeben. Damit konnte Naruto einfach nicht leben.

 

Im Augenblick schwankte er da eindeutig zwischen zwei Varianten. Die eine war ein Streit – nicht sehr originell, aber es würde durchaus zu den beiden passen. Aufgeheizte Emotionen, ein sich anschreien, eine wirklich gute Ausgangssituation. Dabei stellte sich ihm aber ein Problem in den Weg, in einer solchen Situation müsste es Saiha sein, die den Kuss einläutete, der ihre Beziehung zueinander verändern sollte. Und irgendwie… Saiha war nicht so ein Mensch. Wenn es klappen sollte, musste sie mit Argumenten überzeugt werden und diese durften gewiss nicht verbaler Natur sein.

 

Damit blieb eigentlich nur eine Szene, die er bereits in einem kleinen Umriss geschrieben hatte. Die Szene, die er auf jeden Fall einbauen wollte, wo beide Menschen die Drachen beim Sex erwischten. Es ging dabei nicht einmal vordergründig um den Sex, sondern viel mehr um das was die Menschen darin erkannten, die unfaire Situation der Drachen und deren scheinbarer Wunsch nach gemeinsamen Nachkommen. Dadurch, dass sie mit ihren Drachen verbunden waren – auf emotionaler Ebene verstand sich – warf diese Szene auch einen Konflikt auf die beiden Reiter, die ideale Situation, um Namaki agieren zu lassen. Eine aufgewühlte aber nicht abweisende Saiha war dann das Resultat, was Namaki gewiss nicht unbeachtet lassen konnte.

 

Mit einem leichten Kopfschütteln schob er die aufkommenden Gedanken von sich und ging nach unten, um einen kleinen Spaziergang machen zu können. Es war gegen seine Art, solche Dinge vorauszuplanen. Im Grunde schrieb er einfach darauf los und ließ seine Protagonisten das Zepter übernehmen, auch wenn er sie zu Eckpunkten dirigierte, die er durchaus zuvor festlegte. Zu viele Gedanken verdarben immerhin oft den Brei. Es gab Autoren, die mussten ihre Bücher von A bis Z durchplanen und die schrieben bereits einen halben Roman, ehe sie auch nur ein Wort von dem eigentlichen Buch geschrieben hatten. Dann gab es jene, die einfach schrieben und sich gar keine Gedanken machten und eben Autoren wie ihn, der wichtige Dinge bestimmte, den Rest aber auf sie zukommen ließ. Vor- und Nachteile hatten alle Formen.

 

Die Strategen hatten klar den Vorteil, dass Plotlöcher nicht wirklich vorkamen. Durch die Planung fielen Schwächen auf, Ungereimtheiten und Irrsinniges. Allerdings konnte eine zu enge Planung auch den Nachteil haben, dass man Schwierigkeiten bekam, wenn die Figuren die Handlung übernahmen und man bei der Vorlage nicht bleiben konnte. Diese Autoren waren es vermutlich auch, die am häufigsten Schreibblockaden hatten. Sie saßen dann einfach da, wussten nicht wie sie an den Punkt kommen sollten wo sie hin wollten und brachten es nicht fertig den Kopf abzustellen und einfach zu schreiben.

 

Die, die absolut nicht planten, waren eher innovativ, abwechslungsreich und erfrischend. Leider fielen ihnen Fehler im Plot, Ungereimtheiten in den Figuren und ähnliches absolut nicht auf. Sie konnten oft schreiben wie Weltmeister, aber dafür las sich das was sie schrieben oft nicht besonders gut, vor allem wenn der Leser eher analysierender Natur war und selbst die kleinsten Kleinigkeiten im Kopf behielt, die an anderer Stelle dann widerlegt wurden. So etwas war vermutlich ziemlich frustrierend.

 

Autoren wie ihn hatten es vermutlich am Leichtesten. Fehler passierten nur in einem geringen Maße und dadurch, dass sie keinen festen Plotfaden hatten, der unbedingt eingehalten werden musste, konnten ihre Geschichten sich mit jedem Wort entwickeln und entfalten. Naruto jedenfalls konnte sich nicht vorstellen, je anders zu arbeiten. Aber er wusste eben auch, dass alle Autoren anders waren. Jeder arbeitete eben so, wie er es am Besten konnte. Und Naruto war eindeutig zufrieden mit seiner Art.

 

Entspannt verließ er das Haus.

 
 

 

***

 

 

Was Naruto an Irland so liebte, war eindeutig die raue Natur, der Mangel an aufdringlichen Menschen – von seiner wirklich lieben Nachbarin einmal abgesehen – und die Tatsache, dass er im Grunde laufen konnte wohin er wollte, etwas zu sehen bekam er immer.

 

Ohne wirklich auf den Weg zu achten, umrundete er sein Haus und verschwand in den Feldern die dahinter lagen, lief immer weiter, bis er an den Torffeldern entlang spazieren konnte. Ein weiterer Vorteil, den er hier für sich entdeckt hatte. Er liebte den Geruch vom frischen Torf, er liebte den Geruch, der sich in seinem Haus entfachte, wenn er die Kamine mit Torf befeuerte. Das hatte etwas, vor allem in der Weihnachtszeit, wenn eh das ganze Haus in den verschiedensten Gerüchen duftete, nach Zimt, Orangen, den Keksen seiner Nachbarin und eben dem ureignen Geruch, den Torf abgab, wenn man diesen verbrannte.

 

Da es mittlerweile recht spät geworden war, sah man nun allerdings niemanden mehr auf den Feldern Torf stechen. Was Naruto durchaus bedauerte, denn mittlerweile kannte er die Arbeiter ebenfalls, es waren die nächsten Nachbarn, auch wenn man, um sie besuchen zu können, lieber den Wagen nehmen sollte. Hier und da kam Naruto doch gerne auf einen Plausch vorbei, um den Kopf freizubekommen.

 

Wenn er so darüber nachdachte, war er hier gar nicht so alleine. Natürlich fehlten ihm die Freunde, aber seit er sich vorgenommen hatte, diese nicht mehr so sehr aus seinem Leben auszuschließen, hatte er eindeutig sich daran gehalten. Mit Kiba hatte er kurz telefoniert und auch Sakura hatte ihn angerufen, um ihn an sein Versprechen zu erinnern, sie ihn besuchen zu lassen.

 

Anfangs war der Gedanke durchaus unangenehm gewesen, jemanden hierher in seine Festung zu lassen. Aber mittlerweile war es nicht mehr so schlimm. Ein Teil von ihm freute sich sogar darauf, sein Versprechen wahr zu machen, sein Besuch in der Heimat hatte ihn und Sakura einander deutlich näher gebracht, auch wenn es nicht so nahe hätte sein müssen, wie am letzten Morgen. Aber diese Erfahrung hatte er schon weitestgehend verdrängt.

 

Hinata schrieb ihm hin und wieder eine Nachricht und Ino machte er zwischendurch eine Freude, indem er ihr Bilder schickte. Das erste was er direkt nach seiner Ankunft seinen Freunden geschickt hatte, hatte bei der blonden jungen Frau eindeutig Lust auf mehr gemacht und da Naruto genau wusste, dass Pflanzen aller Art ihre Leidenschaft waren, versuchte er so viele Aufnahmen wie nur möglich für sie zu bekommen. Und diese Bilder machte er meistens dann, wenn er unterwegs war.

 

Wo er aber nicht von seinen Prinzipien abweichen würde, war eindeutig, wie nahe er Sasuke an sich heran ließ. Nachdem dieser scheinbar wirklich ihm abgenommen hatte, dass er im Vollsuff diese Nachricht geschickt hatte, war es etwas besser zwischen ihnen geworden. Eigentlich sollte er darüber froh sein, allerdings regte es ihn auch auf, dass kein Wort über den Streit verloren wurde. Und wenn er nach den Kindern fragte – was er einmal wirklich getan hatte, bekam er gar keine Antwort mehr. Diese beiden vermisste er aber wirklich und er hoffte, dass es den Zwillingen gut ging und dass Sasuke sich trotz seiner bescheuerten Art seine Worte zu Herzen genommen hatte und etwas änderte.

 

Naruto bog auf den schmalen Feldweg ab, der ihn zu einen der Farmen bringen würde, die er kannte. Nur unbewusst nahm er wahr, dass es die Farm der Millers war, über die er noch vor nicht all zu langer Zeit mit seiner Nachbarin geredet hatte.

 

Niemand kam ihm entgegen, vermutlich waren die meisten Familien um diese Zeit bereits in den Häusern, zusammen mit den Liebsten, um ein deftiges Abendessen zu genießen. Mit frischem Brot, Schinken und was sonst noch das Herz begehrte.

 

Das könnte er auch haben, wenn er seine Freunde einfach zu sich einlud. Sie könnten abends zusammen essen, sich unterhalten und einfach Spaß haben. Utopisch war an dem Gedanken wohl nur, dass es eher schwer werden würde, gleichzeitig Urlaub zu bekommen. Außer bei ihm, er war schließlich sein eigener Herr und konnte Freizeit haben, wann immer er wollte. Ein Vorteil, den Naruto oft für sich selbst nutzte. Da sprach ja auch absolut nichts gegen, wenn man sein eigener Herr war und manchmal musste man einfach raus aus der Arbeit, wenn sie einem über den Kopf wuchs. Wie andere das machten, die in festen Anstellungen waren, konnte er sich deswegen nur bedingt vorstellen.

 

Das Gebell von vielen Hunden war es dann, was ihn ein weiteres Mal aus den Gedanken riss. Warum genau er hergekommen war, wusste er nicht wirklich. Er war in seiner Meinung fest, dass er keinen Hund brachte und wollte. Allerdings hatten seine Füße ihn – trotz der Gegenwehr seines Kopfes – hergebracht. Und so konnte er es auch nicht lassen, einen Blick in den Innenhof zu werfen, wo ein Knäuel aus vielleicht sieben jungen Hunden wild übereinander herpurzelten, tollpatschig einige Schritte rannten, sich gegenseitig an den Ohren und Ruten zog und mitten drinnen lag die Hündin mit einer Engelsgeduld.

 

Ohne das Naruto es wollte, wurde sein Herz eindeutig weicher.

 

Normalerweise hätte er nun den Anblick ein klein wenig genossen, ehe er auf den Absatz kehrt gemacht hätte, um zurück an den Laptop zu kommen. Nur irgendwie verpasste er dieses Mal eindeutig den Moment, was ihm bewusst wurde, als der alte Miller aus dem Haus getreten kam und sich zu ihm gesellte, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

 

Naruto mochte den Mann, nur seine drei Söhne waren nicht so sehr sein Fall. Vermutlich lag es daran, dass man sie als noch schlimmer einstufen konnte, als er es selbst damals gewesen war. Und das sollte eindeutig etwas bedeuten!

 

Dass er aber auf verlorenem Posten stand und die Schlacht die er nicht einmal beginnen sehen hatte, bereits verloren hatte, wusste er schon, als Miller ihn weiter auf den Hof lockte und er kurz darauf in diesem wirbelnden Knäuel aus Welpen hockte, die gar nicht mehr so klein waren, wie er gedacht hatte. In diesem Moment fühlte er sich eindeutig schwach, wo ihm bewusst wurde, dass er nicht ohne einen dieser Hunde zurückgehen würde.

 

***

Es war bereits spät in der Nacht, als Naruto in sein Arbeitszimmer ging und sich an den Schreibtisch zurück setzte, sein Blick fiel dabei für einen Augenblick auf den Korb, der auf dem Boden stand, und in dem gerade zwei junge Welpen friedlich schlummerten.

 

Naruto war eindeutig machtlos gewesen gegen diese übermenschliche Macht. Ehe er sich versehen hatte, hatte Miller all seine Bedenken ausgewischt, ihm zwei seiner Welpen vermittelt und ihn mit den beiden sogar noch in den ort gebracht, damit er die nötigsten Dinge besorgen konnte. Und der restliche Abend war nicht unbedingt ruhiger gewesen, weswegen Naruto durchaus froh war, dass die beiden Racker endlich schliefen.

 

Sakura hatte nicht wirklich begeistert geklungen, nachdem sie die Rasse nachgeschlagen hatte, ganz im Gegenteil zu Kiba, der ihn fast eine Stunde mit hunderten Tricks und Tipps zugetextet hatte. Shikamaru hatte wie immer gar nicht reagiert, Hinata war besorgt gewesen und Ino hatte mehr oder weniger verbal mit den Schultern gezuckt. Naruto musste aber durchaus zugeben, dass die beiden Rüden – Rasengan und Chidori – sich verdammt schnell in sein Herz eingeschlichen hatten. Rasengan war ein cremefarbener Hund und Chidori war in dem typischen Grau, in dem man die meisten Irischen Wolfshunde sah. Er hoffte nur, dass sie sich lernten zusammenzuraufen, denn hergeben würde er die beiden nicht mehr. Sie erinnerten ihn irgendwie an sich und Sasuke, distanziert, aber dennoch sich nahe und ständig ärgerte Rasengan Chidori, der wenig begeistert darüber zu sein schien. Ein Gedanke, der Naruto eindeutig amüsierte, als er den Laptop wieder aufklappte, um endlich weiter schreiben zu können.

 
 

 

* *** *

 
 

 

 

 

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[LEFT]Was sie erwartete, als sie bei den Unterständen ankamen, war nichts, womit Namaki nicht gerechnet hatte. Tilarodon war alles andere als zufrieden, ungehalten schlug er mit seinem langen Schwanz aus und seine Flügel flatterten verärgert, so weit es eben auf dem beengten Raum möglich war. Namaki tat das unglaublich leid und wenn er könnte, würde er die beiden sofort hinaus lassen, damit sie endlich zu etwas Bewegung kamen, den die beiden sehr dringend brauchten.[/LEFT]

 

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[LEFT]Mit einer riesigen Portion Geduld versuchte er dann auch, die beiden ein wenig zu besänftigen, aber das brachte mittlerweile scheinbar nichts mehr. Tilarodon war nicht wirklich zu erreichen und die Drachendame ignorierte ihn eh vollkommen. Namaki war da in einem echten Konflikt.[/LEFT]

 

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[LEFT]Einerseits wollte er natürlich, dass es seinem Partner an nichts mangelte. Der Drache musste raus, musste fliegen, jagen und sich frei bewegen, um die Energie der letzten Tage abzubauen. So wie dieser gerade aber drauf war, konnte er nicht einmal wirklich darauf vertrauen, dass der Drache sich nicht aus dem Staub machte und nicht zurück kam. Das schlimmste jedoch war vermutlich, dass er einen ziemlichen Ärger bekommen würde, wenn er gegen der Befehle der Offiziere die Drachen raus ließ.[/LEFT]

 

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[LEFT]Letzten Endes war es aber wohl doch nur zweitrangig, denn wenn die beiden weiter so tobten, würden sie den Unterstand innerhalb kürzester Zeit in Schutt und Asche zerlegt haben. Deswegen wunderte es ihn auch nicht, als ihm bewusst wurde, dass er bereits das Gatter entriegelt hatte, welches die beiden Tiere drinnen hielt und noch weniger wunderte es ihn, dass er es letzten Endes öffnete.[/LEFT]

 

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[LEFT]„Nicht so lange, bitte!“, war letzten Endes alles, was er zu den beiden sagte, während er zurück trat, um den Drachen Platz zu geben, den Pferch zu verlassen. Was aber sehr wohl überraschend kam, war vermutlich, dass Tilarodon als erstes den beengten Raum verließ, entsprechend den Erwartungen allerdings nicht sofort versuchte sich in die Lüfte zu heben, sondern lediglich seine langen Flügel von sich abspreizte, um die Muskulatur zu lockern, die in den letzten Tagen vermutlich sich ziemlich angespannt hatte. Namaki war wirklich dankbar dafür![/LEFT]

 

 

Währen die beiden Drachen sich gemächlich über die Wiese bewegten und ihre steifen Glieder lockerten, blieb Namaki schweigend neben Saiha stehen und schaute den beiden zu. Hier konnte wohl niemand etwas gegen haben.

 

„Was glaubst du, wann sie uns erneut losschicken?“, fragte sie schließlich leise nach. Namaki zog leicht die Schultern nach oben, warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor sein Blick nach oben in den dunklen Himmel wanderte. Es war eine wirklich angenehme Nacht, klar und mit einem fast vollen Mond, der hoch am Himmel stand. „Ich hoffe bald!“, gab er ehrlich zu.

 

Ihm ging es weniger darum diese Bande zu beschatten, als endlich wieder in die Lüfte kommen zu können. Nicht nur um dieser ewigen Diskussion zu entgehen, sondern auch, weil er weniger der Typ war, der einfach nur still herum saß und geduldig wartete. Saiha brummte leise an seiner Seite.

 

Die beiden blieben noch lange dort stehen und warteten, bis ihre Drachen sich genug bewegt hatten, ehe sie die beiden wieder einsperrten und anschließend zurück in ihre Unterkunft gingen.

 
 

 

* *** *

 

 

Zufrieden speicherte Naruto das Dokument ab, bevor er sich daran machte, eine der Passagen zu überarbeiten, die er schon vor Tagen markiert hatte und die ihm einfach nicht gefiel. Er war so unglaublich vertieft in seine Arbeit, dass er nicht wirklich merkte, wie die Stunden vergingen. Erst als etwas feuchtes seinen Ellenbogen berührte, zuckte er aus seiner Arbeit hoch und schaute irritiert zur Seite. Chidori war aufgewacht und suchte nun scheinbar nach Gesellschaft, etwas, woran Naruto sich wohl erst noch gewöhnen musste. Dass es allerdings weniger Gesellschaft war, die der Rüde suchte, bemerkte er in dem Moment, wo der junge Hund leise begann zu winseln und schnüffelnd im Raum seine Kreise zog. Eilig richtete er sich auf, um die beiden Hunde – Rasengan war sofort wach, als er die Tür öffnete, nach unten zu tragen. Was durchaus ein Kraftakt war. Wenn die beiden größer wurden, würde er sie ganz sicher nicht mehr die Treppe runter tragen.

 

Kaum hatte er die Tür geöffnet, preschten die beiden auch schon an ihm vorbei und suchten sich einen geeigneten Platz um die Blase zu erleichtern. Lange dauerte dieses allerdings nicht und ehe er sich versah, tollten die beiden durch das hohe Gras.

 

Naruto glitt ein leichtes Lächeln über das Gesicht. Er musste zugeben, dass das ein toller Anblick war und er würde ihn eindeutig genießen, solange die beiden noch jung und verspielt waren. Irgendwie war es einfach eine entspannte Atmosphäre und auch wenn er ganz gewiss nicht geplant hatte, sich irgendwelche Tiere ins Haus zu holen, musste er doch gestehen, dass er wohl die richtige Entscheidung getroffen hatte. Platz genug hatte er ja wirklich.

 

Nach einer Weile lockte er die Hunde wieder ins Innere, was nicht wirklich schwer war, wenn man mit einer Tüte Futter knisterte. Noch waren sie eben nicht an ihn gewöhnt, die Leine würden sie hier in Irland aber wohl nur am Anfang kennen lernen. Anders als in der Stadt war es eben nicht notwendig, seine Hunde an der Leine zu führen.

 

Während die beiden Welpen sich über ihr Frühstück her machten, holte Naruto sich ein Blatt und machte sich eine kleine Liste fertig, mit Dingen, die er dann später am Nachmittag kaufen musste. Sein Kühlschrank war wirklich bedenklich leer und mehr als das Brot, einen alten Kanten Käse und diverse Getränke hatte er wirklich nicht mehr im Haus.

 

Kaum fertig, ließ er die Liste auf dem Küchentisch liegen, gähnte herzhaft und steuerte dann die Treppe an. „Macht keinen Unsinn hier unten!“, ermahnte er die Welpen noch, auch wenn er durchaus wusste, dass diese Worte eher sinnlos waren. Es waren Hunde, keine erwachsenen Menschen, mit denen man vernünftig reden konnte. Ein Versuch war es aber wohl dennoch wert.

 

Oben angekommen zog er sich dann aus und kuschelte sich in seine Decke, bereit ein paar Stunden Schlaf zu holen, auch wenn er wohl einige Male raus musste, um seine neuen Mitbewohner vor die Tür zu setzen.

 

Den begehrten Schlaf bekam er so schnell allerdings nicht. Es begann damit, dass er ein leises Bellen hörte. Naruto runzelte die Stirn, schob die Decke weiter über seinen Kopf und entspannte sich erneut. Leise, kratzende Geräusche folgten, die keinen Platz für Vorstellungen ließen, woher das wohl kam. Die beiden Welpen arbeiteten sich ganz offensichtlich die Treppe nach oben. Die Bestätigung bekam er dann, als er das Gewicht fühlte, das nach einer Weile auf ihm lastete.

 

Genervt schob er die Decke wieder tiefer und wurde sofort von Rasengan durch das Gesicht geleckt. Kein wirklich angenehmes Gefühl, weswegen er den Hund von sich schob. Chidori hingegen, saß am Bettende und blickte fast schon grummelig zu ihnen rüber. „Runter! Alle beide!“, verlangte er streng und schob beide Hunde auf den Boden zurück. Dass sie ihn allerdings nicht sehr ernst nahmen, bekam er sofort beigebracht, denn es dauerte keine zehn Sekunden, da turnte Rasengan schon wieder auf ihm herum.

 

Deutlich genervt stand Naruto auf und verfrachtete die beiden Hunde vor seine Schlafzimmertür, ehe er diese Schloss und müde zurück in sein Bett tapste. An Schlaf war dennoch nicht zu denken. Er hörte überdeutlich das Kratzen an der Tür und auch das leise Winseln, womit diese beiden Satansbraten offensichtlich sein Herz erweichen wollten. Warum hatte er sich noch gleich überreden lassen? Ganz nachvollziehen konnte er das gerade nicht mehr.

 

Um überhaupt noch Schlaf zu bekommen, stand er ein weiteres Mal auf, öffnete die Tür und holte das Körbchen aus dem Arbeitszimmer, um es in sein Schlafzimmer zu bringen. Dann verfrachtete er die beiden Welpen auf ihren Schlafplatz und setzte zu einem neuen Versuch an, endlich selbst Schlaf zu bekommen.

 

Dieses Mal döste er auch langsam ein, zumindest bis er erneut spürte, dass einer der beiden sich in sein Bett gewagt hatte. Naruto war so genervt davon, dass er am liebsten Schreien würde. Mit einem Blick stellte er fest, dass es dieses Mal Chidori war, der ihm so nahe gekommen war. Rasengan hingegen hatte es sich am Bettende gemütlich gemacht.

 

Erschöpft ergab Naruto sich, auch wenn ihm klar war, dass er damit vermutlich einen ziemlich großen Fehler machte. Inkonsequenz war etwas, was man einem jungen Hund wohl eher nicht wieder austreiben konnte. Ihm war aber genauso bewusst, dass wenn er heute noch schlafen wollte, dass er diesen Kampf nicht ewig austragen durfte. Und jetzt, wo die beiden noch keine halben Ponys waren, störten sie ihn in seinem riesigen Bett auch nicht wirklich.

 

Irgendwie… hatte das sogar etwas angenehmes für sich. Während Rasengan am Fußende eine tolle, weiche und vor allem warme Quelle für seine Füße bot, schmiegte sich Chidori an seinen Rücken und wärmte ihn ebenso. Naruto konnte die gleichmäßigen Atemzüge der beiden Hunde deutlich spüren und sie machten auch ihn wieder schläfrig.

 

Was machte es schon, wenn sein Bett von Hunden belagert wurde? Es war ja nicht so, dass er sein Bett sonst mit irgendwem teilte und für diesen ersten Tag konnte er sicher verschmerzen, dass er sich nicht durchsetzen konnte. Sobald er erwachte, würde er einfach wieder konsequent sein und die beiden würden schon lernen, dass sie nicht wirklich etwas in seinem Bett zu suchen hatten.

 

Naruto war sich dessen vollkommen sicher!

08 true friendship


 

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08 true friendship

 

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Es dauerte nicht lange, bis eine gewisse Routine sich eingeschlichen hatte, die Naruto seltsamerweise sogar irgendwie genoss. Es war angenehm, in diesem Haus nicht mehr ganz so alleine zu sein, auch wenn seine Gesellschaft lediglich aus zwei heranwachsenden Rüden bestand, die ihm hier und da durchaus so einiges an Nerven kostete.

 

Wie, als Rasengan sein Kissen zerfetzt hatte und sein ganzes Zimmer mit Federn übersäht gewesen war. Oder wenn Chidori sich vor ihn hin setzte und ihn mit einem Blick anstarrte, den Naruto nur als genervt einstufen konnte. Oder wenn Rasengan toben wollte und Chidori keine Lust darauf hatte. Es gab so einige Beispiele, Momente wo Dinge zu Bruch gegangen waren und wo Naruto sich das eine oder andere Mal gefragt hatte, wie er auf die dumme Idee hatte kommen können, sich zwei Hunde zu zulegen. Riesige Hunde, wohlgemerkt.

 

Andererseits war es vollkommen natürlich geworden, zu festen Zeiten die Tür zu öffnen und dabei zu zusehen, wie die beiden raus rasten. Rasengan war eindeutig derjenige, der am meisten Pfeffer im Hintern hatte, es gab wirklich kaum Gelegenheiten, wo der Rüde nicht stolpernd über die Wiesen hetzte und sich dabei von allem ablenken ließ, was durch seine energische Art aufgeschreckt wurde. Sei es das Kaninchen – welches Rasengan zu seinem Leidwesen wirklich erlegt hatte – oder irgendwelche Insekten, die vor ihm Reißaus nahmen.

 

Wenn Naruto den hellen Rüden so zuschaute, hatte er oft das Gefühl einem kleinen Kind zu zuschauen, welches voller Staunen durch die Welt lief und auf alles reagierte, was es erblicken konnte.

 

Genauso selbstverständlich war es geworden, die beiden zu festen Zeiten zu füttern, oder mit ihnen zusammen durch die Felder zu streichen, damit sie Bewegung bekamen. Mittlerweile hatte auch er sich informiert und wusste, dass diese Rasse sehr viel Bewegung brauchte und er bemühte sich, diese auch zu bieten.

 

Nach dem Kissenunfall hatte er die beiden sogar einmal mit in den Ort genommen, was allerdings nicht ganz so gut verlaufen war, wie erhofft. Sie kannten die Leine nicht und obwohl sie noch nicht ihre volle Größe erreicht hatten – eigentlich waren sie davon noch verdammt weit entfernt – zeigten sie bereits eine erstaunliche Kraft. Naruto war bestimmt kein Schwächling, aber er hatte dennoch Mühe gehabt, die beiden Rüden zu halten. Da hatte er klar beschlossen, sich diesem Stress nicht mehr auszusetzen.

 

Ganz anders war es, wenn er wieder einmal sich auf machte, um sich Inspirationen zu holen. Wenn er in den Ruinen irgendeines alten Gebäudes herum kletterte, stromerten die beiden durch die Gegend, schnüffelten was das Zeug hielt und schienen auch nie auf die Idee zu kommen, sich zu weit zu entfernen. Sie kannten ihre Namen und wenn Naruto sie rief, kamen sie zurück. Zumindest meistens. Chidori war da kaum das Problem, der Rüde gehorchte aufs Wort, Rasengan hingegen hatte den Schalk im Nacken und freute sich scheinbar tierisch darauf, wenn Naruto ihm nachlaufen musste. Es sah dabei jedes Mal so aus, als würde der junge Hund sich kaputt lachen, auch wenn das natürlich Blödsinn war.

 

Ein leises Geräusch durchbrach die Stille des frühen Abends. Chidori, der bei seinen Füßen lag, zuckte nur leicht mit den Ohren, während Rasengan sich neben der Couch sofort aufrichtete und ihn erwartungsvoll anschaute. Naruto lachte leise. „Das ist nicht für dich!“, erklärte er neckend und erhob sich, um zu seinem Computer zu gelangen.

 

Auch das war irgendwie eine Routine geworden. Es hatte etwas gedauert, doch dann waren Sasuke und er wieder dazu übergegangen, sich mit Mails gegenseitig zu reizen. In einem guten Sinne, auch wenn Naruto zugeben musste, dass es ihm irgendwie das Atmen etwas schwerer machte.

 

Seine Gefühle hatten sich nicht verändert und es war alles andere als leicht so zu tun, als würde sie nach wie vor die alte, enge Freundschaft verbinden. An manchen Tagen fiel es ihm so schwer, dass er es nicht einmal schaffte Sasuke zu antworten, ohne dass er etwas von sich geben würde, was letzten Endes wohl in einem Fiasko enden würde. Natürlich freute er sich jedes Mal darüber, wenn Sasuke sich meldete. Auf der anderen Seite wurde der Wunsch, endlich abschließen zu können, nur immer größer. Er wusste nicht, wie lange er das noch aushalten konnte.

 

Sakura gab ihm da auch Recht. Naruto hatte das Angebot, mit ihr zu reden wahrgenommen, auch wenn er sich am Anfang nicht wirklich hatte öffnen können. Es war ungewohnt, nach all diesen Jahren jemanden Teilhaben zu lassen, wie es in ihm aussah. Dazu kam, dass er genauso wusste, dass er endlich voran gehen musste, aber so leicht war das eben nicht. Sakura verstand dieses und auch wenn er ihr wohl mittlerweile auf die Nerven ging mit diesem Thema, blieb sie ruhig und wiederholte immer wieder, dass er es nur versuchen konnte, Herzensangelegenheiten sich aber nicht einfach abschalten ließen, wenn die zu einer Last wurden. Eine Wahrheit, die sich leider nicht verändern ließ.

 

Naruto trat an seinen Laptop heran und klappte den Decken hoch, um die Nachricht aufzurufen, die er gerade bekommen hatte.

 

╔═══════════════════════════════

║ Du vergisst, dass ich noch immer nicht weiß, warum du wirklich

║ gegangen bist. Aber ich frage nicht mehr.

║ Im Übrigen, Itachi lässt grüßen und du sollst seine Worte zu Herzen nehmen.

║ Was meint er damit?

║ Sasuke

╚═══════════════════════════════

 

Ein leichtes Lächeln huschte über Narutos Gesicht, ehe es langsam wieder verschwand und der alte Schmerz zurück kehrte. Natürlich hatte er die wenigen Worte, die er mit Itachi ausgetauscht hatte nicht vergessen. Genauso konnte er aber auch nicht vergessen, dass Itachi ein vollkommen falsches Bild hatte. Der Mann mochte ihn durchschaut haben, aber es war vollkommen utopisch zu glauben, dass aus seiner Freundschaft zu Sasuke je etwas anderes werden konnte.

 

Sasuke war ein Freund, nicht mehr und nicht weniger. Sie kannten sich schon viele Jahre und ihre Freundschaft war in all dieser Zeit zu etwas sehr festem geworden, auch wenn Naruto versuchte dort auszubrechen. Sasuke war hetero und trauerte gerade seiner Frau nach, die vor nicht all zu langer Zeit gestorben war. Naruto verstand was in dem jungen Uchiha vor ging. Viel besser, als ihm lieb war.

 

Er selbst fühlte ja ähnlich. Auch wenn Sasuke lebte, als dieser Hikari kennen gelernt hatte, war es für ihn nicht anders gewesen, als wenn Sasuke gestorben wäre. Eigentlich war es bei ihm sogar noch grausamer, wie er nicht zum ersten Mal feststellte. Nähe zu jemanden, den man nicht haben konnte, war schlimmer als ein endgültiges Aus. Dieses Wissen sorgte auch dafür, dass er sich ernsthafte Sorgen um Sakura machte, die in einer ganz ähnlichen Situation war

 

Ohne die Mail zu beantworten, ging er zum Sofa zurück, um sich auf seinen Platz zu setzen. Chidori hatte sich nicht vom Platz bewegt, während Rasengan ihn mit leicht schief gelegtem Kopf neugierig musterte. Naruto streckte die Hand aus, um den Rüden kurz hinter dem Ohr zu kraulen, ehe er wieder zu seinem Notizbuch griff und seine Notizen überflog.

 

In letzter Zeit fiel es ihm wieder einmal nicht sehr leicht zu schreiben und entgegen seiner eigenen Gewohnheiten, hatte er sich ein neues Notizbuch genommen, um ein wenig die Stationen zu notieren, die er behandeln wollte. Kein wirklich einfaches Unterfangen, wenn man aus irgendeinem Grund blockiert war. Es war nicht so, dass er nicht schreiben konnte. Ganz im Gegenteil. Nur jedes Mal wenn er sich hinsetzte und eine Weile etwas tippte, gefiel es ihm letzten Endes nicht und er markierte oder löschte ganze Passagen. Es war frustrierend.

 

Auch jetzt lief es nicht wirklich bestens, womit Naruto letzten Endes genervt das Heft zur Seite legte und sich aufrichtete. Es brachte schließlich nichts, wenn diese Angelegenheit zu einem Krampf wurde. Das Schreiben sollte ihm Freude bereiten und solange er den Kopf nicht frei bekam, würde er wohl kein Stück weiter kommen.

 

„Na kommt, ihr Monster!“, sagte er schließlich und ging Richtung Tür. Die beiden Hunde sprangen sofort auf, um ihm zu folgen. Wie immer trottete Chidori gemächlich hinter ihm her, während Rasengan aufgeregt um ihn herum tänzelte. Aber auch, wenn es für ihn dadurch etwas schwerer wurde unfallfrei die Tür zu erreichen, war gerade Rasengans Verhalten es, welche ihm einen Teil des inneren Druckes nahm. Dieser Hund schaffte es immer wieder ihn abzulenken.

 

Kaum öffnete Naruto die Tür, preschten beide Hunde nach draußen, während Naruto sich die Zeit nahm, in seine Schuhe zu schlüpfen, ehe er den beiden folgte. Er wählte den Weg Richtung Strand, auch wenn ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte. Aber das störte ihn nicht. Das Wetter in Irland war nie beständig. In einer Minute schien die Sonne gnadenlos vom Himmel herab, nur um im nächsten Moment in einen Sturm zu wechseln. Es lohnte sich kaum, sich passend zu kleiden, aber Naruto war eh nicht so zimperlich, dass ihm ein kleiner Schauer etwas ausmachen würde.

 

Ganz im Gegensatz zu einem gewissen Freund. Sasukes Laune war jedes Mal ins bodenlose gesunken, wenn er vom Regen nass geworden war. Naruto fragte sich, ob das noch immer so war. Sasuke hatte sich kaum verändert in den Jahren, in denen ihr Kontakt nahezu erloschen war. Aber unweigerlich musste er auch an die Zwillinge denken. Kinder liebten Regen. Sie liebten Pfützen, ihm fiel es allerdings schwer sich vorzustellen, wie Sasuke seinen Kindern nachging, während diese von Pfütze zu Pfütze hüpften. Ihm fiel sogar schwer sich vorzustellen, dass die beide überhaupt Spaß haben konnten.

 

Wenn er in den letzten Wochen eines vermisst hatte, dann waren es eindeutig die Zwillinge. In der kurzen Zeit die er mit ihnen verbracht hatte, hatte er sie einfach ins Herz geschlossen und oft genug fragte er sich voller Sorge, ob Sasuke seine Worte ebenfalls ernst genommen hatte. Dieses Thema schien zwischen ihnen tabu zu sein, dennoch erwischte er sich oft genug dabei, wie er genau diese Frage stellen wollte.

 

Wie ging es ihnen, wie ging es Keiko und Taiki?

 

Von Sakura hatte er wenigstens erfahren, dass die beiden wieder in den Kindergarten gingen. Woher sie das wusste, war wohl auch kein Geheimnis, schließlich arbeitete sie unter den Uchihas und war damit eindeutig an der Quelle. Nach Hikaris Tod hatte auch Sasuke sich vorerst zurückgezogen, schien langsam aber wieder sein altes Leben aufzunehmen.

 

Naruto nahm das als gutes Zeichen, auch wenn es nicht seine Sorge zerstreute. Eben weil er Sasuke kannte und weil er ihn erlebt hatte, wusste er, wie schwer es dem Mann fiel Gefühle zu zeigen. Gerade mit Kindern war das nicht unbedingt eine glückliche Kombination, denn Sasuke war nicht der Einzige, der klar an diesem Unglück zu knabbern hatte. Während Sasuke jedoch erwachsen war und die Möglichkeit hatte mit anderen zu reden, oder rational die Dinge zu durchdenken, waren die Zwillinge noch auf Hilfe angewiesen.

 

Sein Magen zog sich zusammen, als er da an den Abend dachte, als er bei Keiko im Zimmer gewesen war. Wenn es so weiter gegangen war, würde diese Familie daran zu Grunde gehen und so zwiespältig Narutos Gedanken auch waren, dabei zusehen wollte er nicht. Aus verschiedenen Gründen.

 

Seufzend folgte er dem Pfad, der ihn zum Strand bringen würde und beobachtete die Hunde, die ein Stück vor ihm herum tollten. Er würde so einiges dafür geben, so unbeschwert wie sie sein zu können. In dem Fall hätte er seinen unfreiwilligen Trip in die Vergangenheit wohl schon längst vergessen und er wusste, dass dieses besser für ihn war.

 

Positiv an diesem regnerischen Tag war aber auch, dass er sich nicht fürchten musste, auf andere Spaziergänger zu treffen. So gerne er seine Nachbarn hatte, im Augenblick war ihm nicht nach einen Plausch. Da genoss er eher das Schweigen der beiden Rüden.

 

Sie folgten dem Pfad, bis sie endlich den Strand erreichten. Chidori blieb sofort wie angewurzelt stehen, und starrte zum Meer, während Rasengan sofort los hetzte und bald darauf in den seichten Wellen herum sprang, die gemächlich an den steinigen Strand rollten. Naruto blickte zu dem grauen Rüden zurück, der nach wenigen Sekunden zögernd folgte. Im Gegensatz zu seinem Bruder suchte er jedoch nicht das Wasser auf, sondern trabte an seine Seite, von der er auch nicht mehr wich.

 

Naruto lachte leise. „Angst?“, fragte er nach und musste nur noch heftiger Lachen, als der Rüde ihm einen deutlich vernichtenden Blick schenkte. Er wusste, dass Chidori keine Angst vor Wasser hatte. Es war noch nicht so lange her, dass er sich in den Ruinen einer alten Kapelle umgesehen hatte. In der Nähe hatte es einen Bach gegeben, mit einem, zu seinem Leidwesen, sehr schlammigen Ufer. Die beiden Hunde hatten nach einem ausgelassenen Spiel dort ziemlich schlimm ausgesehen.

 

Er verstand nun aber auch nicht, warum Chidori nicht wie sein Bruder zum Wasser lief. Ändern konnte er es auch nicht, weswegen er einfach langsam weiter schlenderte. In der Zwischenzeit ließ der Regen nach und die graue Wolkendecke riss auf, um die Sonne wieder hindurch zu lassen. Rasengan jagte noch immer durch das Wasser, folgte ihnen langsam in einigem Abstand.

 

Naruto blickte sich um. Er fragte sich irgendwie, ob es Sasuke wohl hier gefallen würde. Nicht zwingend der Strand, aber Irland im Allgemeinen. Sasuke war kein Freund von Menschenansammlungen, entsprechend würde dieser Ort wohl genau seinen Vorstellungen entsprechen. Ein Fleck Erde, wo ihn niemand stören konnte oder gar wollte. Warum er sich darüber Gedanken machte, verstand er aber auch nicht. Es war schließlich nicht so, dass Sasuke in absehbarer Zeit zu ihm kommen würde. Er wollte es auch gar nicht.

 

Die Mail Freundschaft die sie derzeit pflegten war schmerzhaft und anstrengend genug. Da brauchte er keine Widerholung der Tage, die sie in Japan erlebt hatten. Denn hier war er nicht einmal in der Lage sich einfach zurück zu ziehen, wenn es ihm zu viel wurde.

 

Langsam schlenderte er den Strand entlang, ehe er einen Bogen schlug, um auf die Straße zu gelangen, die ihn zurück führen würde. Er war nun schon eine Weile unterwegs und das beklemmende Gefühl, welches er daheim gespürt hatte, hatte sich in Luft aufgelöst. Er hoffte wirklich, dass er endlich alle Gedanken ruhen lassen konnte, um weiter zu schreiben.

 

Dennoch dauerte es noch fast eine Stunde. Kaum erreichten sie die Straße – die man noch immer nicht als solche bezeichnen konnte – erwachte auch Chidori wieder und tobte neben seinem Bruder her. Die beiden fielen übereinander, schnappten sich gegenseitig nach den Ohren und Beinen, bevor sie nebeneinander her jagten, um kurz darauf wieder zurück zu kehren.

 

Naruto folgte ihnen gelassen, der Tag war nun angenehm, aber noch immer sah er keine Menschenseele. Er kam an dem Haus seiner Nachbarin vorbei, doch auch sie sah er nicht. Vermutlich befand sie sich in der Küche, die nach hinten lag und arbeitete fleißig. Die Früchte dessen würde er wohl bald zu sehen bekommen, wenn sie erneut mit ihrem Korb vor ihm stand, um ihn einzudecken.

 

Als er endlich seine eigene Cottage erreichte, stellte er aber auch irritiert fest, dass er bereits erwartet wurde. Dem Mann der vor seiner Tür stand, stand die Panik ins Gesicht geschrieben, als die beiden Rüden den Fremden neugierig umringten. Er konnte nicht anders, als zu Lachen, während er die Rüden zur Seite schob und die Tür öffnete. „Sie tun dir nichts!“, erklärte er amüsiert, ließ die Hunde rein und folgte ihnen Richtung Küche, wo er die Wassernäpfe neu füllte und ihnen ein wenig Futter gab.

 

„Seit wann bist du auf den Hund gekommen?“, wurde er auch sofort gefragt. Naruto antwortete erst, als er zurück kam. „Schon eine Weile!“, gab er zu und führte seinen Gast in das Wohnzimmer. „Was machst du hier, Sam?“

 

Sam, oder eher Samuel arbeitete in dem Verlag, der Naruto unter Vertrag hatte. Er war so etwas wie ein Mädchen für alles. Normalerweise tauchte er allerdings nicht unangemeldet auf, so wie er es jetzt getan hatte. Naruto sah den Mann eher selten, meistens nur, wenn er ihm sein Mauskript brachte, damit er die Änderungen mit ihm durchging, die der Lektor für notwendig hielt.

 

Aber er mochte den Mann. Sam war Intelligent und hatte eine Engelsgeduld, etwas was man bei ihm vermutlich auch brauchte. „Die Vordrucke für das Cover sind da. Ich soll sie mit dir durchgehen, aber dich erreicht man ja nahezu niemals!“, wurde er informiert. Sofort verspannte Naruto sich wieder. Das mit der Entspannung hatte sich wohl erledigt.

 

Seufzend ließ er sich auf dem Sofa nieder und deutete dem anderen Mann an, sich ebenfalls zu setzen. Sam folgte diesem und zog aus seiner Tasche eine Mappe, die er öffnete, um einige Blätter hervorzuholen, die er anschließend vor Naruto ausbreitete.

 

Mit dem Cover seines ersten Buchs war niemand wirklich einverstanden gewesen, entsprechend sollte die Neuauflage als Taschenbuch ein neues bekommen. Im Augenblick hatte er jedoch nicht wirklich Lust, sich groß damit zu befassen. Dennoch schweifte sein Blick über die Bilder, ehe er nach zweien griff. „Könnte man das kombinieren?“, fragte er nach und hielt Sam die beiden Bilder hin.

 

Auf einem konnte man ein Dorf bei Nacht erkennen, während schemenhaft ein Drache am Himmel zu sehen war. Das andere zeigte einen hellen Drachen im Flug. „An dem hier gefällt mir nicht der Drache!“, erklärte er und deutete auf das Bild mit dem Dorf. „Er ist zwar da oben zu erkennen, aber nur als Schatten. Drachen spielen eine tragende Rolle, entsprechend sollte es deutlicher hervorgehen. Auf dem anderen hingegen… er ist gut getroffen, gut ausgearbeitet. Es würde besser aussehen, wenn man ihn in das dunkle Bild integriert!“

 

Sam nahm ihm die beiden Bilder ab und runzelte leicht die Stirn. „Man könnte es versuchen, ein Vorteil ist es sicherlich, dass der Drache keinen Hintergrund hat. Ich kann es anregen!“, schlug er vor, ehe er erneut auf die Bilder zeigte. „Was ist mit dem Rest?“, fragte er nach. Erneut schaute Naruto die Bilder an, ehe er den Kopf schüttelte. „Sie sind gut, aber sie passen einfach nicht. Wenn wir eines von ihnen nehmen, könnten wir auch gleich bei dem alten Cover bleiben!“, gab er zu. Sie waren irgendwie zu hell, zu freundlich, dafür dass es in dem ersten Band um eine tragische Veränderung der Welt ging, die alles auf den Kopf stellte.

 

Sam nickte, zog einen Block hervor, um einige Notizen zu machen, ehe er alles ordentlich vor sich ablegte. In der Zwischenzeit waren die beiden Rüden ebenfalls ins Wohnzimmer gekommen, wobei Chidori sich sofort zu seinen Füßen niedergelassen hatte und Rasengan neugierig versuchte Sam nahe zu kommen, der unruhig auf seinem Platz herum rutschte. „Sie tun dir wirklich nichts!“, versuchte Naruto es erneut, wusste aber dennoch, dass seine Worte kaum etwas bringen würden. Es war offensichtlich, dass Sam sich vor den großen Hunden fürchtete und Furcht ließ sich nicht einfach so besiegen.

 

Als Rasengan sich auch endlich nieder ließ, wurde Sam ruhiger und er konnte sich wieder besser auf ihr Gespräch konzentrieren. Naruto stand kurz auf, um Kaffee zu machen, ehe er sich wieder nieder ließ. „Wie läuft es mit dem zweiten Band?“, fragte Sam und schüttete dabei ein wenig Milch in seinen Kaffee. Für einen Moment verzog Naruto das Gesicht. Sam hob den Blick wieder, um ihm ein mitfühlendes Lächeln zu schenken. „Schon gut, ich verstehe es. Du scheinst eine kleine Schwäche dafür zu haben, spazieren zu gehen, wenn dir das Schreiben über den Kopf wächst!“

 

„Wenn selbst du das weißt, bin ich wohl offensichtlich!“, gab Naruto frustriert von sich, hob die Hand und fuhr sich damit durch das wirre Haar. Sam lachte leise. „Liegt wohl eher daran, dass ich ein Talent habe herzukommen, wenn du gerade unterwegs bist. Natürlich bekomme ich da das Eine oder Andere mit!“, erwiderte er und nippte an seinem Getränk. Naruto seufzte leise.

 

„Keine Ahnung. Seit ich zurück bin, fällt es mir schwer am Ball zu bleiben. Ich schreibe, teilweise für Stunden. Aber was bringt es, wenn ich am Ende nur einen kleinen Teil markiere, um ihn später zu überarbeiten und den Rest lösche?“, fragte er nach, ehe er ebenfalls zu seiner Tasse griff. Sam brummte leise. „Vielleicht bist du zu hart zu dir!“, philosophierte Sam, ohne den Blick abzuwenden. „Ich meine, du hast doch keine Deadline. Wenn es im Augenblick zu viel gibt was dich blockiert, Mach eine Pause und sieh was dabei passiert!“ Der Vorschlag war ja durchaus verlockend, aber Naruto konnte dieses nicht wirklich mit sich vereinbaren.

 

Zu seinem Leidwesen war es ja nicht so, dass es ihm an Ideen mangelte. Er wusste wo er hin wollte und im Grunde wusste er auch, wie er dort hingelangen konnte. Nur leider waren die Worte die dabei herauskamen alles andere als prickelnd. Es störte ihn massiv, auch wenn er nichts dagegen machen konnte. „Oder du verreist. Besuch doch alte Freunde, oder die Familie!“, schlug Sam weiter vor, nur damit Naruto erneut das Gesicht verzog.

 

Sein Verlag hatte gewusst, dass er verreist war, eben weil klar gewesen war, dass jemand in absehbarer Zeit mit den Entwürfen herkommen würde. Allerdings hatte niemand eine Ahnung, wo er hingefahren war. „Bringt nichts!“, erwiderte er deswegen und seufzte leise. „Genau das habe ich gemacht und es ist der Grund, warum ich in letzter Zeit so drauf bin. Alte Geschichten, ich will nicht einmal darüber reden!“, erklärte er und kraulte nebenher Chidori den Kopf. Ein leises Brummen war die Antwort, genauso wie ein verstehendes Nicken.

 

„Mach dir einfach Gedanken darüber. Irgendetwas fällt dir sicher ein.“, erwiderte Sam, stellte seine mittlerweile leere Tasse zurück auf den Tisch, ehe er seine Sachen zusammen raffte. „Ich muss jetzt auch wieder. Aber ich melde mich in den nächsten 48 Stunden bei dir, was der Grafiker zu deinen Wünschen meint!“, erklärte er und erhob sich, genauso wie Naruto, der ihn noch zur Tür begleitete. Ehe er sich versah, war er auch schon wieder alleine.

 

Einen Augenblick stand Naruto verloren in seinem Flur, ehe er sich aufraffte. Zuerst feuerte er den Kamin im Wohnzimmer an, um dann in die Küche zu verschwinden und sich etwas zu Essen zu machen. Nachdem er aufgegessen hatte, holte er sich aus seinem Arbeitszimmer ein Buch und zog sich vor den Kamin zurück. Rasengan und Chidori folgten ihm schnell, wobei sie ihre scheinbar bevorzugten Positionen einnahmen. Rasengan bei seinen Füßen und Chidori schmiegte sich hinter ihn.

 

Naruto beschloss, wirklich einmal nicht ans Schreiben zu denken. Lieber wollte er es sich hier bequem machen, die Wärme des Feuers genießen, genauso wie den Geruch nach Torf und dabei ein Buch zu lesen. Er würde einfach am kommenden Tag sehen, wie es ihm dann ging. Ein paar Tage Pause würden ihn schon nicht umbringen!

 
 

 

***

 

 

Als Naruto am Morgen erwachte, fühlte er sich ausgeschlafen und vollkommen entspannt. Für einen Moment gönnte er sich sogar den Luxus, die Augen noch einmal zu schließen, um die Wärme zu genießen, die an seinen Füßen und seinem Rücken von den Hunden ausging. Natürlich hatte er die beiden nicht mehr aus seinem Bett bekommen, aber auch wenn er wusste, dass Tiere nichts im Bett zu suchen hatten, konnte er nicht leugnen, dass es wirklich angenehm war, dessen Wärme zu fühlen. Dann fühlte er sich weniger alleine.

 

Nach einigen Minuten schlug er dennoch die Decke zurück, um aufzustehen und sich anzuziehen. Mit guter Laune stieg er die Treppen hinab, darauf achtend, dass er seine beiden Monster vor ließ. Kaum unten angekommen, bemerkte er, dass er am Abend zuvor vergessen hatte den Laptop aus zu machen, oder ihn wenigstens an das Stromnetz anzuschließen. Doch alles was er tat, war mit den Schultern zu zucken, das Kabel raus zu suchen und den Laptop dann anzuschließen.

 

Auf dem Weg in die Küche öffnete er die Tür, damit die Hunde raus konnten, während er sich drei dicke Scheiben Brot ab schnitt, Schinken und Käse aus dem Kühlschrank holte und auch den Hunden ihre Ration gab.

 

Das Wetter war herrlich, die Sonne strahlte bereits und es sah nicht danach aus, als wenn sich das so bald wieder ändern sollte. Mit seinem Frühstück und einer Tasse Kaffe trat auch Naruto durch die Hintertür, um sich an den kleinen Tisch zu setzen und sein Frühstück zu genießen.

 

Sein Garten war nicht wirklich erwähnenswert. Das Gras war kürzer wie das in der Umgebung, aber getrimmt war es natürlich auch nicht. An einer Seite erkannte man noch die Überreste des Zaunes, welcher irgendwann einmal wohl den ganzen Garten umspannt hatte. Heute war davon nicht mehr viel zu sehen und Naruto machte sich auch nicht wirklich die Mühe, den Garten in Schuss zu bringen. Wozu auch? Er lebte alleine hier und die beiden Hunde störten sich kaum daran, dass sie keinen kurzen Rasen vorfanden. Oder gar Beete, in denen Blumen oder irgendwelches Gemüse heranwuchs. Naruto konnte eh nicht kochen und Blumen waren nicht wirklich nach seinem Geschmack. Er mochte seinen verwilderten Garten, irgendwie passte dieser viel besser zu ihm, wie die Gärten, die man eher in der Stadt fand.

 

Naruto ließ sich Zeit und erst als er fertig war, brachte er das Geschirr nach drinnen, um anschließend mit seinem Laptop wieder nach draußen zu gehen. Irgendwie hatte er jetzt wirklich Lust, weiter zu schreiben. Die kleine Auszeit hatte ihm scheinbar gut getan. Hoffte er zumindest, als er sich wieder setzte und sein Dokument aufrief.

 
 

 

* *** *

 

 

Zum Leidwesen aller, schienen die nächsten Tage keine wirklichen Veränderungen mit sich zu bringen. Man diskutierte so lange, dass selbst Namaki seine Geduld kaum noch finden konnte. Egal was er auch dazu beisteuerte, jedes Mal ignorierte man ihn vollkommen, was er absolut nicht leiden konnte.

 

Entgegen der Befehle sah er es aber nicht mehr ein, die beiden Drachen unter dieser Unentschlossenheit leiden zu lassen. Er war einfach dazu übergegangen, sie jeden Tag raus zu lassen, er ging sogar so weit, sie dazu zu animieren, sich ein wenig in die Lüfte zu erheben, damit sie ihrer Natur nachgehen konnten.

 

Was nicht ohne Konsequenzen geblieben war. Natürlich hatte man sein Treiben mitbekommen und ihn sofort in das Büro zitiert, um ihm verbal den Kopf abzureißen. Namaki störte sich nicht daran, stattdessen hatte er einen Teil seiner eigenen Unzufriedenheit dazu genutzt, zu kontern. Es ging einfach nicht, dass man die beiden den ganzen Tag einsperrte und glaubte, dass man damit Erfolg haben konnte.

 

Die Anderen hatten das nicht wirklich gerne hören wollen, ihnen blieb aber kaum etwas anderes übrig als es zu dulden, da Namaki keine Anstalten machte zu gehorchen, wenn es um diese Sache ging. Nicht einmal angedrohte Strafen hielten ihn auf.

 

Während Namaki sich immer wieder den nicht gerade angenehmen Diskussionen stellte, blieb Saiha zurück um sich um alles andere zu kümmern. Es war einfach besser so. Auch wenn es vermutlich ziemlich witzig war, dass sie in diesem Fall irgendwie ihre Rollen getauscht hatten. Normalerweise war es Saiha, die ruhig und besonnen war, während Namaki eher Temperament zeigte.

 

Wenn er dann am Abend zurück kam, erwartete ihn immer ein Kaffee und manchmal sogar ein Essen, welches er dankbar entgegen nahm und hungrig verschlang. Zur Routine war es ebenfalls geworden, dass sie anschließend gemeinsam zu den beiden Drachen gingen, sie heraus ließen und ihnen zusahen, wie sie zufrieden sich streckten oder ein wenig durch die Luft glitten. Die beiden flohen nicht, was auch zeigte, dass sie eine deutlich engere Bindung erreicht hatten. Denn egal wie man es drehte und wendete, die beiden Drachen hatten allen Grund nicht zufrieden mit den Menschen zu sein, mit denen sie zusammen arbeiteten.

 

Allerdings wurde noch etwas deutlicher, was Namaki Magenschmerzen bereitete. Tilarodon plusterte sich immer mehr auf. Er streckte die Brust raus und stolzierte um die Drachendame herum, die mittlerweile nicht mehr ganz so gleichgültig dem Treiben des anderen Drachen gegenüberstand. Immer häufiger konnten sie beobachten, wie auch Jinalatira aufmerksam den Kopf hob, um Tilarodon anzusehen.

 

Saiha und Namaki hatten sich an einem Abend darüber unterhalten und waren sich einig, dass Tilarodon um die Drachendame warb. Er zeigte seine Muskeln, um ihr zu imponieren, er stellte seine Stacheln auf, um ihr zu zeigen, dass er sehr stark und maskulin war. Außerdem spreizte er die Flügel, um zu zeigen wie imposant sie waren.

 

Was die Balz der Drachen anging, wussten sie, dass Männchen einen regelrechten Hahnenkampf aufführten. Sie imponierten mit ihrer Erscheinung um den Weibchen zu zeigen, dass diese mit ihnen starke und gesunde Nachkommen zeugen würden.  Und beide waren sich einig, dass es keine gute Idee war, andere etwas davon mitbekommen zu lassen, weswegen sie die beiden überwiegend in der Nacht raus ließen und am Tage dafür sorgten, dass sie beide beschäftigten, sodass niemand das Verhalten mitbekommen konnte.

 

Aber wie beim ersten Mal auch, wussten sie beide nicht, was sie machen sollten, wenn Jinalatira irgendwann einmal  bereit war, Tilarodon an sich ran zu lassen. Denn ganz gleich was sie dachten, die Offiziere würden beide sofort trennen und das Ei, das dabei entstanden war, vernichten lassen. Was beide nicht wirklich wollten.

 
 

 

***

 

 

Es war mittlerweile fast zwei Wochen seit ihrem schicksalhaften Flug vergangen, als Namaki erschöpft aber auch irgendwie erleichtert später als gewöhnlich zurück in die Baracke kam, die er sich mit Saiha teilte. Müde streifte er sich die Stiefel ab und ging direkt in die Küche. Der Tisch war gedeckt, auch wenn klar war, dass Saiha bereits gegessen hatte. Heißen Kaffee fand er in der Kaffeemaschine, aber im Augenblick interessierte ihn das gar nicht. Er war verspannt und es zog ihn eindeutig unter die Dusche. Namaki nahm auch an, dass Saiha sich bereits um die Drachen kümmerte.

 

So verschwand er kurz in sein Zimmer, wo er sich das durchgeschwitzte Oberteil auszog und es in die Ecke pfefferte. Seine Hose folgte, bevor er nach frischer Kleidung griff und damit zum Badezimmer ging. In der ganzen Baracke war es angenehm still und er nahm sich vor, nach der Dusche sich nur ein Brot zu machen, um dann zu Saiha und den Drachen zu gehen. Den Kaffee konnte er auch noch haben, wenn sie zurückkamen.

 

Mit dem Plan zufrieden öffnete er die Badezimmertür und blieb sofort angewurzelt stehen. Fast zeitgleich stieg Hitze ihm ins Gesicht. Saiha war nicht wie erwartet bei den Drachen, stattdessen stand sie vollkommen nackt im Badezimmer und war offensichtlich dabei, sich gerade einzucremen. Was auch erklärte, warum er sie nicht hatte hören können. Sie musste schon ein Weilchen mit ihrer Dusche fertig sein. Feine, warme Nebenschwaden füllten das Bad, nahmen ihm aber ganz bestimmt nicht die Sicht auf die junge Frau.

 

„Warum schließt du nicht ab?“, fragte er peinlich berührt. Für eine Sekunde ließ er den Blick schweifen. Saiha war gut gebaut. Ihr Körper war schlank, die Brüste angenehm groß. Die Beine waren ebenso schlank und unglaublich lang. Die dunklen Haare, die nun offen wie eine Decke über ihre zierlichen Schultern bis zum Becken hinab reichten, wellten sich leicht. Namaki schluckte schwer, bevor er sich umdrehte und nahezu fluchtartig das Bad wieder verließ.

 

Vor der Tür blieb er stehen und schloss die Augen. Er konnte wirklich nicht behaupten, dass ihn dieser Anblick kalt gelassen hatte. Ganz im Gegenteil. Das Verlangen, wieder zurück ins Badezimmer zu gehen, um Saiha eng an sich zu ziehen, war nahezu überwältigend. Er wollte die Finger durch das lange Haar fahren lassen, wollte mit den Händen die Brüste berühren und noch viel mehr. Nur mit Mühe schaffte er es, dieses Verlangen zu unterdrücken und damit verräterische Körperreaktionen zu verhindern. Denn ganz gleich was er wollte, ihm war absolut bewusst, dass Saiha kein Mensch war, der dieses erlaubte. Die Gefahr war im Moment wohl ziemlich hoch, dass sie ihn regelrecht kastrierte, sobald sie das Bad wieder verließ.

                                                                                                                       

Trotzdem, oder gerade deswegen blieb er stehen. Sie waren Partner, sie lebten zusammen und offenbar hatten ihre Drachen Gefallen aneinander gefunden. Er konnte gar nicht fliehen, selbst wenn er es wollte, würde Saiha ihn einholen. Denn es gab keine Chance, dass sie sich von nun an aus dem Weg gingen.

 

Zehn Minuten später öffnete die Tür sich wieder und Saiha trat heraus. Namaki schluckte schwer. Für einen Moment sah es so aus, als wenn die Frau Wut zeigte, doch bevor Namaki die Reaktion genau einstufen konnte, wurden ihre Gesichtszüge sanfter und ein leichter Rotschimmer breitete sich auf ihren Wangen aus. „Ich habe vergessen abzuschließen!“, sagte sie leise, wendete sich dann ab und verschwand den Flur entlang, bis sie in ihrem eigenen Zimmer verschwand.

 

Namaki ließ leicht zitternd die Luft entweichen, die er nicht einmal bemerkt hatte, dass er sie angehalten hatte, ehe er verwirrt blinzelte. Das war es? Nun, im Grunde hatte sie Recht mit dem was sie sagte. Es war nicht seine Schuld gewesen. Er hatte nicht wissen können, dass sie im Badezimmer war und da die Dusche nicht mehr gerauscht hatte, hatte ihn auch nichts warnen können. Dennoch erstaunte es ihn, dass Saiha diesen kleinen Unfall so ruhig hinnahm.

 

Verwirrt und geplagt von Bildern die ihm im Moment nicht wirklich gut taten, verschwand er endlich im Bad, um die ersehnte Dusche zu nehmen. Er würde sich später damit befassen müssen, was gerade geschehen war.

 
 

 

***

 

 

Der kleine Zwischenfall wurde totgeschwiegen, auch wenn Namaki nicht entging, dass er nicht mehr das vertraute Klicken des Schlosses hören konnte, wenn Saiha im Bad war. Aber sie stellte sicher, dass er genau wusste, dass sie sich dort aufhielt. Ihm war es nur Recht. Noch immer bekam er den Anblick nicht aus seinem Kopf und in den letzten beiden Nächten hatte er seit langem seine körperlichen Bedürfnisse befriedigen müssen. Ihm war bewusst, dass es schon längst zu spät war. Er stand auf Saiha und sein Verlangen danach, dieser Frau endlich nahe zu kommen, stieg nahezu mit jeder Sekunde, die sie zusammen verbrachten.

 

Jetzt war es nahezu Mitternacht und sie standen Seite an Seite an dem Gatter und schauten dabei zu, wie die Drachen über ihnen ihre Kreise zogen. Es war ruhig, da niemand mehr unterwegs war. Die Meisten hatten sich vermutlich schon für die Nacht zurück gezogen, oder schliefen bereits tief und fest. Was sie aber kaum störte. Sie mussten nicht mehr so unglaublich früh aufstehen, um ihre Pflicht zu erfüllen, entsprechend störte es niemanden, wenn sie ein wenig länger schliefen.

 

Schließlich landeten die beiden Drachen wieder und das Schauspiel der Balz begann von neuem. Auch wenn sie schnell merkten, dass nun etwas anders war. Tilarodon plusterte sich noch immer auf, zog immer enger werdende Kreise um die Drachendame, die heute allerdings leicht die Flügel spreizte und den Kopf senkte. Im ersten Moment wusste Namaki gar nicht was das sollte, doch als sie sich plötzlich nieder ließ, ahnte er sofort was nun passieren würde.

 

„Shit!“, fluchte er lautstark, öffnete das Gatter und lief aufgeregt auf die beiden zu. Er hörte Saiha hinter sich, während Tilarodon hinter die Drachendame getreten war. Seine Flügel waren abgespreizt, die Stacheln standen steil nach oben und Namaki konnte sehen, wie der Drache sein Geschlecht ausfuhr. Bevor Tilarodon auf Jinalatira klettern konnte, um sich mit ihr zu verbinden, erreichte Namaki die beiden und drängte seinen Drachen zurück, während Saiha sich um ihren Drachen kümmerte.

 

Tilarodon war aufgebracht und grollte wenig begeistert, dass man sie gestört hatte. Namaki hatte alle Hände voll zu tun, den Drachen unter Kontrolle zu bringen, der klar versuchte an ihm vorbei zu kommen. Saiha hatte ähnliche Probleme und bei einem kurzen Blick über die Schultern stellte er fest, dass die Drachendame zum ersten Mal nicht schützend mit ihrer Reiterin umging.

 

Schließlich schaffte er es, den Kopf seines Drachen zu erwischen. Sanft und beruhigend strich er zwischen den Nüstern her, bis er fühlen konnte, wie Tilarodon sich wieder beruhigte. Die Schuppen fühlten sich seidig an, strahlten eine Hitze ab, die ihm fremd war. Leise flüsterte er dem Drachen beruhigende Worte zu, der alles andere als glücklich war.

 

„Es geht nicht!“, erklärte er schließlich, als Tilarodon wieder ruhig war. „Wenn wir es zulassen, werdet ihr getrennt und euer Ei zerstört!“ Es war die Wahrheit so grausam das auch sein mochte. „Warum?“, fragte Tilarodon zurück und schüttelte dabei verärgert die Flügel. Namaki zuckte unglücklich die Schultern. „Es sind Regeln die festgelegt wurden. Ihr dürft euch nicht vermehren. Wenn ein Drache zeigt dass er Nachwuchs will, wird er zu den Zuchtgründen gebracht. Aber auch dort darf er sich den Partner nicht aussuchen. Man will vermeiden, dass ihr euch wild vermehrt!“, erklärte er und blickte wie Tilarodon zu Saiha und Jinalatira. „Du magst sie sehr, oder?“ Es war weniger eine Frage, sondern eher eine Feststellung.

 

Die vergangenen Tage hatten es mehr als deutlich gezeigt, dass Tilarodon von Jinalatira angetan war. Es gab Drachen, die wirklich nur sich vermehrten um die Art zu erhalten. Ihnen war egal wen sie unter oder über sich hatten. Drachen die sich banden waren hingegen noch nicht sehr gut erforscht, es kam wohl auch eher selten vor, dass so etwas passierte. Aber die letzten Minuten hatten gezeigt, dass es dem Drachen nicht um die Arterhaltung ging.

 

Normalerweise war es kein Problem zwei Drachen zu trennen, die dabei waren sich zu paaren. Zumindest hatte Namaki das zu sehen bekommen. Sie waren nicht so aufgebracht, wie Tilarodon es gerade gewesen war. „Wie du Saiha!“, stellte der Drache fest und schmiegte seinen Kopf unzufrieden an die Schulter seines Reiters. Namaki seufzte leise. „Wir finden eine Lösung, du weißt, dass Saiha und ich euch nicht unterdrücken wollen, oder?“, fragte er nach.

 

Eine Antwort bekam er nicht. Stattdessen setzte Tilarodon sich in Bewegung und schmiegte sich kurze Zeit später an Jinalatira, die nicht minder unglücklich aussah. Dennoch, Namaki wollte eine Lösung finden. Irgendeine, denn er nahm die beiden ernst. Sie waren Lebewesen wie er es auch war und im Grunde waren sie sich einig, dass niemand das Recht hatte die beiden aufzuhalten, wenn sie sich paaren wollten. Wenn man so etwas bei zwei Menschen tat, wäre das Geschrei riesig. Die Welt war es das anging einfach nicht fair.

 

Kurze Zeit später brachten sie die beiden Drachen zurück und verzogen sich schweigend in ihre Baracke. An diesem Abend sprachen sie kein Wort mehr miteinander.

 
 

 

***

 

 

Der nächste Morgen brachte dann endlich die Veränderung, auf die sie alle sehnsüchtig gewartet hatten. Obwohl die Nacht sehr kurz gewesen war, standen Saiha und Namaki kurz nach sechs Uhr bereits im Büro ihres Offiziers. Auf dem Schreibtisch war eine Karte ausgebreitet.

 

„Wir wollen, dass ihr hier landet!“, erklärte der Mann schließlich und deutete auf eine Stelle etwas weiter westlich des Lagers, das sie entdeckt hatten. „Eine Truppe die euch im Notfall unterstützen kann, wird hier stationiert!“, erklärte er weiter und deutete etwas unterhalb der Stelle. Es war vermutlich ein Marsch von knapp 30 Minuten, um das andere Lager zu erreichen.

 

„Eure Aufgabe wird es sein, so viel wie nur irgend möglich raus zu finden. Wir wollen wissen wer sich dort aufhält, ob es Muster gibt bei den Personen, Wachen, Käufer, was auch immer. Wir wollen wissen welche Drachen dort sind, wie sie verpaart werden und wenn Drachen schlüpfen, was mit diesen geschieht. Alles kann von Bedeutung sein!“

 

Namaki nickte leicht. „Welchen Zeitraum haben wir zur Verfügung?“, fragte er nach und blickte auf. „Vier Monate… maximal!“, bekam er zur Antwort, was ihn erneut zum Nicken brachte. „Aber seid vorsichtig. Bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr lasst ihr alles zurück und seht zu, dass ihr euren Hintern sicher zurück bringt. Wir werden euch ein paar kleinere Kurierdrachen mitgeben, damit ihr bei Gefahr Nachricht in das andere Lager schicken könnt. Ansonsten seid ihr verpflichtet, euch mindestens zwei Mal am Tag selbst im anderen Lager zu melden und Neuigkeiten mitzuteilen, die dann an uns weitergeleitet werden! Außerdem wird dieses Lager euch mit allem versorgen was ihr benötigt!“

 

„Verstanden!“, antwortete Saiha und blickte dann Namaki an. „Dann lass uns packen gehen. Wir werden vermutlich eine ganze Weile nicht zurück kommen!“ Namaki brummte zustimmend und setzte sich in Bewegung. Zusammen verließen sie das Büro.

 

Erst als sie bereits ein Stück gelaufen waren, schaute Saiha sich kurz um, ehe sie Namaki direkt anschaute. „Was hast du Tilarodon gestern Nacht gesagt?“, fragte sie leise nach. Namaki blickte zu seiner Partnerin. Sie steckte wie immer in recht luftiger Kleidung, entgegen zu sonst hatte sie ihr langes Haar jedoch in einen unordentlichen Knoten im Nacken zusammengebunden.

 

„Er mag Jinalatira!“, gab Namaki leise zu. „Es geht nicht darum die Art zu erhalten. Er mag sie wirklich!“, gab er nachdenklich zu und seufzte leise. „Er war unglücklich und ich verstehe es!“ Sein Blick wanderte erneut zu der jungen Frau. Wenn er sich vorstellte, dass sie an der Stelle der beiden Drachen gewesen wären, hätte er wohl nicht anders reagiert. Es war einfach nicht richtig, sich so einzumischen. „Ich habe ihm versprochen, eine Lösung zu finden!“, gab er ehrlich zu.

 

Als Saiha stehen blieb, hielt auch Namaki an, um sich zu der Frau umzudrehen. Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben, bevor sie sich wieder fasste und ihm ein ehrliches Lächeln schenkte. „Das ist gut!“, gab sie ungewöhnlich sanft von sich. „Dieses System ist nicht richtig. Es mag Drachen geben für die es perfekt ist, aber das gilt nicht für alle!“ Mit diesen Worten setzte sie sich erneut in Bewegung und ging an Namaki vorbei. „Jinalatira mag Tiloradon  ebenfalls … sieh es als Grund an, dass ich dir gestern nicht den Kopf abgerissen habe!“, erklärte sie keck und blickte frech grinsend über die Schulter.

 

Namaki verstand was sie sagen wollte. Wenn sie ihm etwas angetan hätte, wäre Tilarodon wohl nicht sehr glücklich damit gewesen, womit auch Jinalatira verärgert gewesen wäre. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er leicht rot wurde, als er ihr folgte. „Ich kann nicht leugnen, dass ich unglücklich damit bin!“, erklärte er leise, ehe er verschmitzt lächelte. „Sowohl was den Unfall angeht, als auch was meinen Kopf gerettet hat!“, fügte er deutlich leiser hinzu, bevor er endlich die Tür zu ihrer Baracke erreichte, sie öffnete und dann in sein Zimmer verschwand, um sich für die nächsten Monate fertig zu machen.

 

Nein, er konnte wirklich nicht leugnen, unglücklich zu sein. Dass Saiha seine Träume in Beschlag nahm, ihn dazu trieb sich selbst zu helfen, war wohl Hinweis genug, dass er diese Frau wirklich wollte. Und wer wusste schon, was in vier Monaten passierte, die sie vollkommen alleine in einem Wald verbrachten.

 
 

 

* *** *

 

 

Ein letztes Mal überflog er den Text, den er gerade verfasst hatte, ehe er zufrieden nickte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er knapp zwei Stunden hier gearbeitet hatte. Das reichte auf jeden Fall für diesen Tag, er wollte auch nicht wirklich riskieren, dass er erneut in ein derartiges Tief rutschte, dass er nicht länger schreiben konnte. Das Gefühl war einfach schrecklich, zu wollen aber nicht zu können.

 

Womit er sich unweigerlich an ein weiteres Thema erinnerte, wo er wollte aber nicht konnte. Seufzend öffnete er sein Mailprogramm, um die Nachricht vom Vortag endlich zu beantworten. Einen Moment verharrten seine Finger über den Tasten, ehe er wusste was er schreiben sollte.

 

╔═══════════════════════════════

║ Als ob. Vielleicht nicht direkt, aber unterschwellig fragst du immer nach!

║ Was Itachi angeht, schönen Gruß zurück. Er hat mir nur ans Herz gelegt,

║ dass nicht alles so schwarz ist, wie es scheint. Ist aber auch nicht wichtig.

║ Naruto

╚═══════════════════════════════

 

Er überflog seine Nachricht erneut, ehe er sie absendete. Er wusste bereits jetzt, dass Sasuke das Thema nicht fallenlassen würde, aber wirklich verhindern konnte er es auch nicht. Wenn er die Frage überging, würde Sasuke sie ruhen lassen, ehe er erneut nachfragte. So lange, bis er ihm eine Antwort gab. Dabei ging er recht subtil vor, damit niemand merkte, dass ihn diese Frage nicht los ließ.

 

Es war anstrengend. Alles war mit Sasuke anstrengend und oft genug wünschte Naruto sich, dass er irgendwie wirklich vergessen konnte. Aber so einfach war das wirklich nicht. Naruto verstand es auch nicht. Wenn man von dem ausging, was er bisher so alles erlebt hatte und was er aus Büchern wusste, ebbte Liebe mit der Zeit ab, erst Recht wenn man diese nicht erfüllt bekam. Man lernte neue Personen kennen, verliebte sich erneut und vergaß die alte Liebe.

 

Menschen waren eben nicht so treu, dass es nur die eine und wahre Liebe gab. Ein eher trauriger Gedanke, aber es gehörte eben zur Menschheit. Nur leider schien es bei ihm absolut nicht besser zu werden. Kennen gelernt hatte er so einige, Männer wie Frauen und gerade erstere hatte er hier und da wirklich attraktiv gefunden. Aber es hatte nie gereicht. Es war schließlich nicht so, dass es ihm komplett an Angeboten gemangelt hatte.

 

Mittlerweile war er sich sogar sicher, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Warum war scheinbar jeder Mensch in der Lage sich mehrfach zu verlieben, nur er hielt an diesem einen Menschen fest? Er verstand es einfach nicht und nach dieser Woche in der Heimat verspürte er mehr denn je den Wunsch, diese Gefühle irgendwie weg zu bekommen.

 

Frustriert zog er die Beine auf die Sitzfläche seines Stuhls und schlang die Arme darum. Er wusste ja nicht einmal, wie es wäre, wenn sie zusammen kommen würden – was eh ausgeschlossen war. Sasuke war kein einfacher Mensch, er gehörte nicht zu jenen, der seine Gefühle auf der Zunge trug. Selbst mit Hikari hatte er keine offenen Liebesbekundungen von sich gegeben, zumindest nicht, wenn Naruto dabei gewesen war. Aber er kannte Sasuke gut genug um zu wissen, dass dieser es eher mit Taten zeigte. Indem er da war, indem er einen berührte und manchmal dieses schmale, fast scheue Lächeln zeigte.

 

Früher hatte dieses Lächeln ihm gehört. Ihr Freundeskreis mochte groß gewesen sein, aber ein wirkliches Lächeln hatte niemand bekommen. Nur er, wenn sie alleine gewesen waren, wenn sie sich gestritten oder einfach nur unterhalten hatten. Es tat weh zu wissen, dass Hikari ebenfalls dieses Lächeln bekommen hatte.

 

Energisch schüttelte er den Kopf. Diese Gedanken mussten aufhören. Hikari war eine tolle Frau gewesen, daran zweifelte er nicht. Sie hatte Jahre mit Sasuke verbracht und hatte nie aufgegeben. Sie verdiente es nicht, dass er sich trotz allem wünschte, sie wäre nie in ihr Leben getreten. Denn im Grunde wusste er, dass sich nichts verändert hätte, wenn sie nicht aufgetaucht wäre. Sasuke empfand nichts für ihn. Manchmal fragte Naruto sich, ob er vielleicht seine eigenen Gefühle missverstand. Vielleicht war es ja auch nur die verlorene Freundschaft, die ihn so plagte.

 

Wobei ihm bewusst war, dass es keinen Grund dafür gegeben hatte, als seine Gefühle so intensiv geworden waren. Damals hatte es niemand gegeben, der sich zwischen sie gedrängt hatte. Sie waren immer eine Einheit gewesen. Wenn sie sich so heftig gestritten hatten, dass die Fäuste flogen. Wenn sie die Wochenenden zusammen verbracht hatten. Wenn Sasuke genervt bei ihm aufgetaucht war, wenn er wieder einmal morgens nicht aus dem bett gekommen war, selbst als sexuelle Themen angefangen hatten eine Rolle zu spielen. Auch wenn Sasuke sich da immer eher bedeckt gehalten hatte, hatte er dennoch zugehört.

 

Naruto erinnerte sich nicht einmal mehr, wie genau alles begonnen hatte. Es fühlte sich eher so an, als wenn er eines Morgens aus dem Bett gestiegen wäre und Sasuke mit anderen Augen gesehen hätte. Plötzlich war ihm bewusst geworden, wie gut der Uchiha aussah. Er hatte plötzlich eine Gänsehaut bekommen, wenn Sasukes tiefe Stimme ihn erreicht hatte. Träume waren gefolgt, die alles andere als Jugendfrei gewesen waren.

 

Natürlich hatte er begonnen vermehrt auf die Mädchen um ihn herum zu achten, aber keine hatte das Gleiche ausgelöst, was Sasuke bei ihm auslöste. Er hatte sich damals dem stellen müssen, was wirklich mit ihm los war, was alles andere als leicht gewesen war. Es war nun nicht so, dass in ihrer Gruppe jemand feindliche Sprüche gebracht hatte, dennoch war Naruto zu verwirrt gewesen, zu verängstigt, um seinen engsten Freunden zu gestehen, was er empfand.

 

Generell war die eigene Sexualität etwas, was niemanden etwas anging. Das machte es aber auch nicht leichter, wenn man im Grunde wirklich jemanden gebrauchen konnte, der einfach nur zuhörte, einem vielleicht half die verwirrenden Gedanken und Gefühle zu sortieren. Aber auch wenn sie alle wirklich sehr eng befreundet gewesen waren, hatte er es nicht geschafft, sich zu öffnen. Zu groß war seine Sorge gewesen, dass sich etwas veränderte zwischen ihnen, dass vielleicht jemand sich verplapperte, Sasuke es so erfuhr und ihre Freundschaft daran zerbrach.

 

Nicht, dass das was er nun hatte besser war. Ganz im Gegenteil. Er wusste, dass er sich selbst quälte, vor allem in dem Moment, wo er Sasuke nachgegeben hatte und zurück gereist war. Oder auch jetzt, wo er eine Mail Freundschaft am Leben hielt, die er im Grunde besser abbrechen sollte, um irgendwie und irgendwann darüber hinweg sein zu können. Leicht drehte er den Kopf und betrachtete die beiden Hunde, die vollkommen erschöpft im Gras lagen und vor sich hin dösten. Sie taten ihm gut, lenkten ihn ab, aber genauso wusste er, dass es nicht Chidori war, den er hinter sich spüren wollte, wenn er schlief. Er wollte einen anderen Menschen dort haben, jemanden mit dem er reden konnte, Sex haben … er wollte Sasuke.

 

Und Sasuke konnte er nicht bekommen.

 

Er gäbe so einiges dafür, noch einmal jung zu sein um vielleicht irgendwie zu verhindern, dass seine Empfindungen sich so veränderten. Auch wenn ihm bewusst war, dass man seine Gefühle nicht so kontrollieren konnte. Dennoch, er war bereit so ziemlich alles zu tun, um das Ziehen in seinem Inneren endlich zu verlieren. Acht Jahre waren einfach viel zu lang um weiter damit leben zu können. Acht Jahre, die eigentlich noch viel länger waren, da es schon früher begonnen hatte.

 

Seufzend klappte er den Laptop zu und verschwand dann wieder ins Haus, um unter die Dusche zu verschwinden. Vielleicht war es auch einfach an der Zeit, dass er ausging, dass er bewusst andere traf und damit versuchte endlich Frieden zu finden. Dass der Gedanke genauso weh tat, wie seine Gefühle für Sasuke, schob er dabei energisch von sich. Denn klar war eben auch, dass etwas passieren musste. Er ging langsam auf die 30 zu und der Gedanke, dass er den Rest seines Lebens alleine in Irland leben würde, während er sich nach einem Menschen sehnte, den er nicht haben konnte, jagte ihm weitaus mehr Angst ein, als jeder Schmerz den er empfinden konnte.

 

Den Rest des Tages verbrachte er damit, sich irgendwie abzulenken.

 
 

 

***

 

 

Der August verging nur schleppend und mit dem September kamen die ersten Stürme. Die Temperaturen sanken schnell. Da Naruto nicht so recht mit dem Schreiben voran kam, überarbeitete er was er bereits hatte, besserte Passagen aus. Er skizzierte sogar einige Szenen, auch wenn er nicht unbedingt ein Talent beim Zeichnen hatte. Aber es lenkte ihn eben genug ab, um nicht ständig in Gedanken zu versinken.

 

Mit Sasuke schrieb er nahezu jeden Tag und solange dieser nicht mit irgendwelchen Fragen kam, die er nicht beantworten wollte oder konnte, funktionierte es ganz gut, auch wenn sie nach wie vor bestimmte Themen umschifften, damit es nicht zu einem neuen Streit kam.

 

Von Sasuke erfuhr er auch, dass Itachi derzeit auf Geschäftsreise war. Der jüngere Uchiha war wegen dieser Tatsache eindeutig gestresster wie sonst. Was vermutlich nicht verwunderlich war. Itachi reiste nicht oft, aber wenn er es tat, blieb all die Verantwortung an Sasuke hängen. Er hatte in diesen Zeiten weit mehr zu tun wie normalerweise und das gefiel diesem kein Stück.

 

Als das Wetter endlich wieder etwas besser wurde, schnappte Naruto sich seine Hunde und fuhr mit ihnen weit ins Landesinnere, um sich eine der Burgen anzusehen. Wie immer tollten die beiden Hunde in der Nähe herum, da war es auch das erste Mal, dass er sah, wie Rasengan versuchte Chidori zu bespringen, dieser wehrte sich jedoch entschieden dagegen. Da es zu keinem wirklichen Kampf kam, schob er das Thema von sich. Die beiden waren nun knapp fünf Monate alt.

 

Lieber konzentrierte er sich darauf, vorsichtig durch die Ruine zu klettern, wobei er immer wieder stehen blieb und Bilder machte. Er konnte sich verdammt gut vorstellen, wie die Burg früher ausgesehen hatte. Wie die Menschen hier gelebt hatten, auch wenn heute nur noch Trümmer der Vergangenheit zu finden waren. Jedes Mal wenn er einen dieser Plätze aufsuchte, kribbelte es in ihm. Er bekam davon einfach nicht genug.

 

Langsam schob er sich zwischen zwei halb eingestürzten Mauern hindurch, um in den nächsten Raum zu gelangen. Er wusste, dass man es nicht gerne sah, dass irgendwer hier herumturnte. Die Gefahren waren hoch und Naruto wusste das auch. Doch er blieb vorsichtig, denn natürlich hing er an seinem Leben. Sich fernhalten konnte er aber auch nicht und Burgen zu besichtigen, die erhalten worden waren, war eher nicht nach seinem Geschmack. Das war etwas, was Touristen taten.

 

Vorsichtig stieg er über die Trümmer hinweg, die einmal die Decke gewesen sein musste. Über ihm klaffte ein riesiges Loch, von dem aus man den immer grauer werdenden Himmel betrachten konnte. Zu seinem Leidwesen war in diesen Trümmern nichts weiter zu finden als die Überreste der Mauern. Naruto würde es eindeutig genießen, andere Überreste zu finden. Wie Möbel oder ähnliches. Aber solche Dinge verschwanden wohl recht schnell, wenn ein derartiger Ort verlassen worden war.

 

Konzentriert stieg er weiter über das Geröll und schlüpfte in den nächsten Raum, der viel größer war, als der vorherige. Die Seite, die vermutlich zur Parkanlage lag, war mit riesigen Fenstern versehen, auch wenn davon keines mehr komplett war. Mitten drinnen befand sich eine riesige Flügeltür, die allerdings halb aus den Angeln hing. Sie zu öffnen war keine Option. Weiter links fand er eine weitere, deutlich kleinere Tür, die offen stand. Das Holz sah morsch aus, Moos hatte sich – wie auf fast der ganzen noch stehenden Fassade – ausgebreitet. Ein leicht modriger Geruch schlug ihm entgegen.

 

Neugierig schaute er in den Raum hinein. Auch er war leer, an der einen Seite konnte man aber noch Ruß an den Wänden sehen. Vermutlich war das die Küche gewesen. Abgesehen davon bot der Raum allerdings nichts Interessantes.

 

Ein leichtes Grollen lenkte Naruto ab und er trat wieder zurück, um in den Raum zu gelangen, dessen Decke eingestürzt war. Der Himmel hatte sich weiter verdüstert, er wirkte mittlerweile nahezu schwarz. Auch der Wind hatte deutlich zugenommen. So ungern Naruto es wollte, es war vermutlich an der Zeit, endlich hier raus zu kommen. Es sah nicht so aus, als wenn nur ein Schauer auf zog und auch wenn diese Burg interessant war, sie war es nicht wert, dass sie vielleicht über ihn weiter zusammen fiel, erst Recht weil niemand wusste wo genau er heute hingefahren war.

 

Nur sehr langsam bahnte er sich den Weg zwischen den Trümmern her, während das Grollen anschwoll. Er konnte das Rauschen des Regens hören und hin und wieder erhellte sich der Raum um ihn herum. Als er endlich den Eingang erreichte, entdeckte er auch die beiden Hunde, die scheinbar Schutz gesucht hatten. Es regnete wie aus Eimern und ein eisiger Wind schlug ihm entgegen. Naruto fluchte leise. Das Auto stand ein ziemliches Stück entfernt, die Ruine war nicht direkt zugänglich gewesen, was sich nun wohl rächen würde.

 

Letzten Endes blieb ihm aber nichts übrig. Mit einem letzten tiefen Atemzug setzte er sich in Bewegung, rannte in den Regen hinaus, die Hunde dicht auf den Fersen. Er bereute es in der Sekunde, als der eisige Regen ihn erreichte. Wie Nadelstiche trafen die dicken Tropfen auf seine entblößte Haut und schnell breitete sich ein leichter Kopfschmerz aus. Anhalten tat er aber nicht, viel zu erpicht war er darauf, endlich den Schutz seines Wagens zu erreichen.

 

Ohne sich umzusehen, rannte er durch das hüfthohe Gras und atmete erleichtert auf, als er endlich den Wagen erblickte. Er verlor keine Zeit, öffnete die Hintertür und kümmerte sich dieses Mal kein Stück darum, dass die Hunde pitschnass waren. Wie er selbst auch. Sobald beide drinnen waren, rutschte er auf den Fahrersitz und riss die Tür hinter sich zu.

 

Ihm war so kalt, dass seine Zähne klappernd immer wieder aufeinander schlugen, während seine Finger so stark zitterten, dass er es kaum schaffte sich aus seiner nassen Kleidung zu schälen. Im Rückspiegel sah er, dass seine Lippen blau angelaufen waren. Es dauerte unangenehm lange, doch letzten Endes schaffte er es, sich die nasse Kleidung auszuziehen. Nur in Shorts ließ er den Wagen an und schaltete die Heizung auf volle Stufe. Naruto hatte das Verlangen sofort aufs Gas zu treten. Alles war ihm recht, um so schnell wie möglich zurück zu kommen, wo ein Kamin und eine heiße Dusche ihm helfen würde, diese Kälte aus den Gliedern zu bekommen. Aber er konnte nicht. Er zitterte einfach zu stark.

 

So wartete er, rieb die Hände aneinander, bis es etwas besser wurde. Erst dann fuhr er an und fuhr auf direktem Wege nachhause. Naruto fuhr langsam, der schwere Regen machte es nahezu unmöglich den Weg richtig zu sehen. Als er endlich in den Pfad einbog, der ihn zu seinem Haus bringen sollte, hatte dieser sich in einen wahren Bach verwandelnd. Die Regenmassen waren einfach zu hoch, der Untergrund war rutschig und Naruto fuhr so langsam, dass er zu Fuß vermutlich schneller wäre.

 

Entsprechend erleichtert war er, als er sein Ziel endlich erreichte. Zusammen mit den Hunden rannte er schnell in das Haus, nahm sich noch genug Zeit die beiden Hunde weitestgehend trocken zu rubbeln und den Kamin anzufeuern, ehe er nach oben verschwand und die ersehnte heiße Dusche genoss.

 

Später, als endlich die Kälte etwas vertrieben war, machte er es sich mit einem Buch und einem Kaffe vor dem Kamin gemütlich, während der Sturm draußen noch immer wütete.

 
 

 

***

 

 

Als Naruto am Morgen erwachte, fühlte er sich alles andere als wohl. Sein Kopf schmerzte, sein Hals kratzte und er hatte irgendwie das Gefühl, als wenn er letzte Nacht keine Sekunde geschlafen hatte. Nur sehr mühsam raffte er sich auf und schlurfte durch den Flur die Treppe hinab, um die beiden Hunde raus zu lassen. Das Unwetter hatte endlich nach gelassen, auch wenn es einiges an Wasser zurückgelassen hatte. Der Weg vor dem Haus war ein halber See, aber Naruto kümmerte sich nicht darum. So wie er sich fühlte, hatte er auch kein Interesse daran, sich in absehbarer Zeit raus zu bewegen. Ganz im Gegenteil.

 

Während die Hunde weniger enthusiastisch wie sonst ihrem Geschäft nach gingen, musterte Naruto was er noch im Haus hatte. Aber wirklich Hunger hatte er nicht. Es war eher so, dass ihm übel wurde, wenn er auch nur daran dachte nun Brot zu essen. Oder irgendetwas anderes. Er verzog missbilligend den Mund, schloss den Kühlschrank wieder und gab den Hunden ihre Ration, bevor er die Tür wieder schloss und sich ins Wohnzimmer zu verziehen.

 

An diesem Morgen fiel es ihm irgendwie schwer, den Kamin in Gang zu bringen. Ihm war schwindelig und er war unglaublich müde. Für einen Moment dachte er sogar daran es einfach zu lassen, doch als der Torf endlich brannte, schnappte er sich eine Wolldecke, zog das Sofa aus und kuschelte sich schließlich darauf. Sein Blick war auf die Flammen gerichtet, was ihn beruhigte. Die Hitze war ebenfalls wohltuend.

 

Naruto spürte, wie Chidori auf das Sofa sprang und sich hinter ihm nieder ließ, aber er hatte nicht die Energie, den Hund wieder runter zu werfen. Ein leichtes Zittern erfasste seinen Körper, da war die zusätzliche Hitze einfach nur Willkommen.

 

Naruto merkte nicht einmal, wie seine Augen schwerer wurden, er endlich eindöste und mit der Zeit das Zittern etwas abflaute.

 
 

 

***

 

 

Als Naruto wieder erwachte, war es nahezu Nachmittag. Was genau ihn geweckt hatte, wusste er und im ersten Moment war sein Verlangen riesig, die beiden Hunde anzufahren, dass sie an der Tür kratzten. Doch dann fühlte er, dass Chidori nach wie vor hinter ihm lag. Sein Ärger schmolz augenblicklich. Rasengan musste sicher dringend raus. So quälte er sich nach oben, schlang die warme Decke dabei schützend um sich. Auch Chidori erhob sich, lief aber so nahe neben ihm her, dass Naruto den Hund an seinen Beinen spüren konnte.

 

„Komme ja schon!“, murmelte er und riss die Tür auf. Rasengan preschte sofort raus. Anstatt wie sonst nach einem geeigneten Ort zu suchen, lief er nur wenige Schritte, bevor er das Bein hob. Naruto hatte wohl Recht gehabt, der Hund hatte dringend gemusst. Er konnte wohl froh sein, dass er es bis jetzt hatte halten können. Chidori hingegen löste sich eher widerwillig von ihm, trottete dem anderen Hund nach, bevor auch er sein Geschäft verrichtete. Naruto kümmerte sich nicht groß darum.

 

Obwohl das Wetter deutlich besser war und die Temperaturen angestiegen waren, fror er. Er trug einen dicken Jogginganzug und die Decke gab ihm zusätzliche Wärme. Aber ihm kam es genauso schlimm vor, wie am Tag zuvor, als dieser eisige Regen ihn bis auf die Haut durchnässt hatte. Seine Augen waren empfindlich, entsprechend froh war er, als beide fertig waren. Er entschied sich aber dann doch dagegen, die Tür zu schließen. Chidori mochte nicht draußen bleiben wollen, aber Rasengan fehlte eindeutig Bewegung. Naruto wusste, dass der Hund nicht weg rennen würde.

 

So verzog er sich zurück auf die Couch, ehe er noch einmal aufstand und Torf nachlegte. Er holte ebenfalls aus dem Wagen die Kamera, die er am Tag zuvor mitgehabt hatte und aus der Küche seinen Laptop, bevor er sich wieder richtig zudeckte und es sich so bequem machte wie nur möglich. Die Kamera war schnell angeschlossen und Naruto schob die neuen Bilder auf die Festplatte, nachdem er einen Ordner für sie erstellt hatte.

 

Erst dann machte er sich daran, die Bilder zu sichten und zu sortieren.

 

Naruto vergaß die Zeit fast vollkommen, während er arbeitete. Viele Bilder waren sehr gut geworden und gaben ihn einige Ideen, wie er sie einbauen konnte. Zwischendurch schaute er nach Rasengan, der die meiste Zeit im Garten blieb, auch wenn er zwischendurch rein schaute und versuchte Chidori dazu zu animieren, mit ihm zu spielen. Chidori wich jedoch nicht von Narutos Seite und er verscheuchte den Hund auch nicht.

 

Als es Abend wurde, hatte er einen ganzen Haufen an Notizen, kleinere Szenen, die bestimmte Teile der Burg beschrieben. Er hatte sich so auf sein Tun konzentriert, dass er nicht einmal bemerkt hatte wie spät es geworden war, auch wenn es nicht zu spät war. Dennoch, sein Kopf pochte unangenehm und so beschloss er, es für diesen Tag sein zu lassen.

 

Mühsam rappelte er sich hoch und kraulte Chidori hinter dem Ohr. „Na komm, raus mit dir!“, erklärte er sanft und schlich langsam in die Küche. Chidori gehorchte und Naruto nutzte die Zeit, sich einen Tee zu machen. Abgesehen von der Flasche Wasser, die er noch im Wohnzimmer gehabt hatte, hatte er an diesem Tag nichts zu sich genommen. Aber auch jetzt hatte er keinen wirklichen Hunger, weswegen er nicht einmal versuchte sich auch etwas zu Essen zu machen. Sein Gefühl sagte ihm einfach, dass es eh nicht im Magen bleiben würde und darauf konnte er eindeutig verzichten.

 

Mit dem dampfenden Tee in der Hand – Fenchel, den mochte er ganz gerne – rief er die beiden Hunde wieder rein, schloss die Tür und verzog sich zurück in das Wohnzimmer. Dort angekommen seufzte er leise. Es war offensichtlich, dass er sich wohl eine Erkältung geholt hatte. Naruto hasste es krank zu werden, wenn er darüber nachdachte, gab es auch nicht viele Gelegenheiten, wo er das hatte aushalten müssen. Ganz im Gegensatz zu Sasuke.

 

Bei diesem Gedanken erinnerte er sich daran, dass eben jener ihm geantwortet hatte. Doch auch jetzt verspürte er keine wirkliche Lust dazu, die Nachricht zu öffnen. Genauso wie er keine Lust hatte das Handy ans Netz anzuschließen. Es befand sich noch immer in seiner nassen Hose, die er im Wagen gelassen hatte. Eigentlich hatte er keine Lust zu irgendetwas. Er wollte nur noch schlafen.

 

Genau aus diesem Grund raffte er sich auf, kaum dass er seinen Tee getrunken hatte, um sich die Stufen wieder hoch zu schleppen und in sein Bett zu fallen. Wieder stärker zitternd zog er sowohl die Wolldecke, als auch die Decke auf seinem Bett eng um sich. Es linderte das Zittern etwas, ließ es aber nicht verschwinden. Auch die Wärme der beiden Rüden konnte ihm dabei kaum helfen.

 

Narutos Augen wurden immer schwerer, bis er in einen unruhigen Schlaf fiel.

09 new ways


 

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09 new ways

 

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Mit einem leisen Stöhnen versuchte Naruto die Augen zu öffnen. Sein Kopf schmerzte höllisch, genauso wie seine Brust. Das Atmen fiel ihm unglaublich schwer. Als er versuchte sich auf die Seite zu drehen, krampfte seine Brust sich zusammen und er hustete. Auch das schmerzte und so rollte er sich so weit es ging zusammen.

 

Hinter sich fühlte er Chidori, der leise winselte. Von unten konnte er Rasengan hören, der laut bellte. Es klingelte in seinen Ohren. Er wusste sehr genau, dass er vermutlich viel zu lange geschlafen hatte, dass die beiden Hunde unbedingt raus mussten, aber ihm ging es derart schlecht, dass er kaum die Kraft aufbrachte sich überhaupt zu bewegen.

 

Obwohl ihm heiß war und er schwitzte, zitterte er auch am ganzen Körper. Nicht einmal die beiden Decken, in die er noch immer gewickelt war, halfen ihm das Zittern in den Griff zu bekommen. Wenn er ausatmete, rasselte sein Atem unangenehm und jedes Mal wenn er hustete, spürte er den Schmerz im Kopf zunehmen. Naruto versuchte die Decke von sich zu schieben, um die Hunde raus lassen zu können, was schon daran scheiterte, dass es nahezu unmöglich war die Augen offen zu halten. Er war viel zu müde.

 

Bevor er es realisieren konnte, zog er die Decke nur noch enger um sich herum und glitt in den nächsten, unruhigen Schlaf. Es war klar, dass er krank war.

 
 

***
 

 

Das nächste Mal, als er wach wurde, war es, weil etwas unglaublich kaltes auf seiner Stirn landete. Nur sehr mühsam öffnete er die Augen und blickte direkt in das sorgenvolle Gesicht seiner Nachbarin. Desorientiert schaute er sich um. Er hatte keine Ahnung wie spät es war oder gar welcher Tag. Er hatte auch keine Ahnung, wann er die Frau rein gelassen hatte. Als hätte sie seine Gedanken gehört, lächelte sie leicht.

 

„Man hat deine Hunde fast die ganze Straße runter gehört!“, erklärte sie leise und nickte nach links. Naruto folgte diesem Nicken schwerfällig und erblickte Rasengan, der neben dem Bett saß, den Kopf auf die Matratze gelegt hatte und ihn anblickte. „Oder eher ihn. Er hat so ein Theater gemacht, dass ich nachgesehen habe!“, gab sie zu und lächelte milde. „Leider hat er in die Küche gemacht, aber keine Sorge, ich hab es beseitigt!“

 

Naruto nickte leicht und schmiegte sich enger an Chidori, der noch immer hinter ihm lag. Oder schon wieder. Immerhin winselte er nicht mehr, was bedeuten musste, dass auch er raus gekommen war. „Rasengan hat es sicher nicht böse gemeint!“, gab er krächzend zu und hustete erneut stark. Er hatte das Gefühl, als wenn ein Schraubstock seine Brust zu schnürte. Es war einfach nur unangenehm.

 

„Nein, sicher nicht.“, antwortete sie und blickte zu Chidori. Man konnte ihr ansehen, dass sie nicht wirklich prickelnd fand, dass der Hund mit im Bett lag, aber sie sagte es nicht. „Er ist ziemlich beschützend dir gegenüber. Er war nur draußen um sich zu erleichtern. Während sein Bruder sich ausgetobt hat, ist er hierher zurück gekommen!“, erklärte sie. Ein schwaches Lächeln huschte über Narutos Gesicht. „Chidori!“, sagte er leise. „Er ist wie Sasuke!“, fügte er hinzu und hatte Mühe, die Augen weiter aufzuhalten.

 

„Sasuke?“, fragte sie nach. Naruto nickte leicht. „Ein Freund!“, gab er ehrlich zu und war schon wieder dabei einzuschlafen. „Leider nur ein Freund!“, fügte er hinzu, ehe er in den Schlaf zurück sank. Er fühlte sich einfach nur schwach und ausgelaugt, obwohl er scheinbar fast den ganzen Tag geschlafen hatte. Nur am Rande nahm er noch wahr, wie die alte Frau den Lappen von seiner Stirn nahm, der ihn überhaupt erst geweckt hatte. Als sie ihn wieder zurück legte, schlief er bereits wieder tief und fest.

 
 

***
 

 

Als er das nächste Mal die Augen öffnete, sah er durch das Fenster, wie die Sonne langsam wieder unterging. Er fühlte Chidori noch immer hinter sich, von Rasengan fehlte jedoch jede Spur. Was er aber auch wahrnahm, war der Geruch von Essen. Warmen Essen, welches seinen Magen sofort protestieren ließ und dieses nicht unbedingt in einem guten Sinn. Ihm war einfach nur unglaublich übel.

 

Noch immer erschöpft drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen ein weiteres Mal. Es tat nach wie vor weh zu atmen und mittlerweile war ihm klar, dass er hohes Fieber haben musste, so wie er schwitzte und gleichzeitig zitterte. Auch wenn es etwas besser geworden war, was vermutlich an den zusätzlichen Decken lag, die mittlerweile über ihn gelegt worden waren. Naruto erkannte in ihnen die Decken, die er im Wohnzimmer liegen gehabt hatte.

 

Ein wenig döste er vor sich hin, bis er Schritte auf der Treppe hörte und als er die Augen erschöpft öffnete, sah er seine Nachbarin erneut rein kommen. In der Hand hielt sie eine dampfende Schale, dessen Inhalt – wenn man seinem Geruchssinn vertrauen konnte – scheinbar irgendeine Suppe sein musste. In der anderen Hand hielt sie eine Kanne und eine Tasse. Vermutlich Tee. Das war wohl das Standartgetränk, das man kranken Menschen gab.

 

Mit dem Blick folgte er ihren Bewegungen und entdeckte, dass sie ihm zuvor wohl auch ein Glas und eine Flasche Wasser gebracht haben musste. „Ich habe dir eine Brühe gemacht. Und Fencheltee!“, erklärte sie sanft und stellte beides auf dem Nachtschrank ab. Naruto verzog leidend das Gesicht. „Mir ist schlecht!“, gab er zu. „Ich bekomme nichts runter!“, fügte er nach wenigen Sekunden hinzu.

 

Die Frau schnaubte leise. „Unsinn. Dir ist vermutlich schlecht, weil du den ganzen Tag nichts gegessen hast!“ Nun, es waren eigentlich zwei, wenn man es genau nahm, was Naruto aber für sich behielt. „Eine Brühe ist leicht verträglich. Weil sie nichts weiter in sich hat, was den Magen anstrengen könnte. Einige Löffel reichen schon, wie willst du gesund werden, wenn du fastest?“, fragte sie sanft und ließ sich auf die Bettkante nieder.

 

Naruto wollte protestieren, aber er hatte Manieren genug um dennoch sich aufzurichten, auch wenn es ihm unglaublich schwer fiel. Diese Bewegung reichte aus, dass er sich fühlte, als wenn er gerade einen Marathon hinter sich gebracht hätte. Es wäre allerdings unhöflich es nicht wenigstens zu versuchen. Schließlich hatte sie extra für ihn gekochte.

 

Obwohl ihm schwindelig war, ließ er sich die Schale reichen, tunkte den Löffel in die leicht trübe Brühe, um ihn anschließend zu seinem Mund zu führen. Ekel stieg in ihm auf, auch wenn die Brühe durchaus lecker war. Hin und wieder mochte er so was sogar recht gerne. Der zweite Löffel fiel ihm da schon einfacher. Ihm war schlecht, aber die warme Brühe tat seinem Magen dennoch gut. Es beruhigte diesen ein wenig.

 

Mehr als einige Löffel schaffte er allerdings wirklich nicht. Die Frau nahm ihm die Schale wieder ab und ließ sich zurück in die Kissen sinken. „Wo ist Rasengan?“, fragte er müde. „Draußen. Er tobt herum.“, bekam er zur Antwort, was ihn ungemein beruhigte. Es war kein gutes Gefühl sich nicht um die Bedürfnisse seiner Hunde kümmern zu können. Alleine waren sie schließlich vollkommen hilflos, was das Füttern und raus gehen anbelangte. Naruto war auch kein Mensch, der Verantwortung irgendwie von sich schob, wenn es gerade unpassend war. Auch wenn ihm bewusst war, dass er nie heile aus dem Bett und die Treppe runter kommen würde, nagte das schlechte Gewissen an ihm.

 

„Mach dir keine Sorgen um die beiden. Ich bleibe noch etwas und stelle sicher, dass sie noch einmal beide raus kommen, bevor ich gehe. Und morgen früh komme ich zurück, bis du wieder auf den Beinen bist!“, versprach sie ihm. Naruto konnte nur schwach nicken.

 

Es war ein angenehmes Gefühl, nun nicht alleine zu sein. Es fühlte sich richtig gut an, die irische Art auf diese Art zu erleben, auch wenn er klar darauf hätte verzichten können, krank zu werden. Aber zu wissen, dass man ihm half, war eben sehr angenehm. Es gab ihm irgendwie das Gefühl Familie zu haben. Wie damals, als er noch bei Kakashi gelebt hatte.

 

Der Mann mochte meilenweit davon entfernt sein, ein Vaterersatz zu sein, so wie man sich einen Vaterersatz vorstellte. Aber Kakashi war ein Freund gewesen und wenn Naruto einmal wirklich krank geworden war, hatte er sich die Zeit frei genommen, um ihn zu versorgen. Er vermisste Kakashi. Sehr sogar. Genauso wie er Sasuke vermisste und all seine Freunde. In diesem Moment wurde ihm das bewusster denn je.

 

Im Grunde lebte er vollkommen alleine, auch wenn er eine wahnsinnig tolle Nachbarin hatte und zwei Hunde. Aber es gab eben keine Menschen, die ein Teil seines Lebens hier waren. Vermutlich kam es vom Fieber, aber in dem Moment erfasste Naruto ein derartiges Heimweh, dass er nicht wirklich verhindern konnte, dass Tränen ihm die Wangen hinab liefen. Er vermisste sie wirklich alle unglaublich.

 

Er wusste, dass Sasuke einen dummen Spruch bringen würde, aber dennoch vorbeischauen würde, damit er sich nicht langweilte. Vermutlich würde er irgendeinen Unsinn von sich geben. Weißheiten, damit er im Bett blieb und sich ausruhte. Die Mädels würden sich zu ihm setzten und wild durcheinander plappern. Sakura würde wohl nicht davor zurück schrecken, ihm eine zu verpassen, wenn er auch nur daran dachte aufzustehen.

 

Kiba würde kommen wenn es etwas besser war, damit sie zocken konnten um die Langeweile zu vertreiben. Shikamaru würde sich beschweren, aber dennoch da sein. Und Choji würde Essen mitbringen. Er vermisste sie wirklich. Vermisste sie so sehr, dass es einfach nur weh tat. Vor allem Sasuke. Er wusste, so konnte es nicht weiter gehen, er würde daran irgendwann zu Grunde gehen, aber er konnte es eben auch nicht ändern. Wenn er nur einen Wunsch frei hätte, würde er sich klar wünschen, dass sein bester Freund nun bei ihm wäre.

 

Eine sanfte Hand fuhr durch sein Haar und beruhigte ihn ziemlich schnell wieder. „Soll ich jemanden anrufen?“, fragte sie leise nach und alles was Naruto tun konnte, war leicht den Kopf zu schütteln. Die Anderen waren zu weit weg. Er hatte sie aus seinem Leben verbannt und es war utopisch sie herzuholen, nur weil er sich eine kleine Erkältung zugezogen hatte. Dafür reiste man nicht hunderte Kilometer.

 

Das Streicheln beruhigte ihn so sehr, dass er endlich wieder in den Schlaf fiel, der ihm dabei helfen würde wieder auf die Beine zu kommen.

 
 

***
 

 

Als Naruto am nächsten Tag wach wurde, hörte er bereits das Klappern aus der Küche. Unangenehm fiel ihm auf, wie sein Jogginganzug an seiner Haut klebte und auch die Decke schien regelrecht nass zu sein. Leicht verwirrt blickte er sich in dem spärlich beleuchtenden Raum um. Er war alleine, die Tür nur angelehnt und wie es aussah, hatte er weitaus länger geschlafen, als es vermutlich angebracht war.

 

Müde und vollkommen erschöpft schlug er die Decke zur Seite, um sich langsam aufzurichten. In seinem Kopf drehte sich alles und für einen Moment musste er die Augen schließen, damit der Schwindel ihn nicht wieder zurück auf den Rücken beförderte. Nur am Rande nahm er die Schritte wahr, die die Treppe herauf kamen.

 

„Himmel, Naruto! Sieh zu, dass du dich wieder hinlegst, Junge!“, hörte er die vertraute Stimme der Frau, die ihn immer so gut versorgte. Er schluckte schwer, versuchte den Schmerz zu ignorieren, der seinen Hals und seine Brust erfasst hatte. „Ich will duschen!“, stellte er klar, unwillig sich so verschwitzt erneut unter die Decken zu legen, die ihm mittlerweile viel zu dick vorkamen.

 

„Unsinn!“, wurde er gerügt, während bestimmende Hände ihn gegen seinen Willen zurück auf die Matratze drückten. „Ich hole dir eine kleine Schüssel mit Wasser, einen Waschlappen, Handtuch und frische Kleidung. Du hast ziemlich hohes Fieber, deswegen habe ich bereits den Arzt angerufen. Eine Dusche kommt gar nicht in Frage!“

 

Naruto stöhnte gequält auf. Er fühlte sich ekelig in seiner eigenen Haut und auch wenn Logik ihm sagte, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, wenn er nun aufstand und gegen den Willen der Frau unter die Dusche stieg, war das Verlangen einfach übermächtig, sich anständig zu waschen. Ein wenig Wasser und frische Kleidung reichten kaum dafür aus. Was aber genauso unangenehm war, war die Tatsache, dass der Arzt gerufen worden war. Naruto hasste es zu Ärzten zu müssen. „So schlimm ist es doch gar nicht!“, versuchte er schwach zu protestieren, sah von einem weiteren Versuch allerdings ab, als der strenge Blick seiner Nachbarin ihn traf. Im Augenblick hatte sie eindeutig mehr von einem Teufel, als dass man ihr einen Engel andichten konnte.

 

Missmutig gab er sich geschlagen, nahm den frischen Tee an und wartete ungeduldig bis er Wasser gebracht bekommen hatte. Als er wieder alleine war, zog er sich die verschwitzten Sachen aus und wusch sich so gut es möglich war, auch wenn das Gefühl bestehen blieb, schmutzig zu sein. Er konnte sich selbst riechen und auch wenn Naruto als Kind vermutlich mehr dreckig wie sauber gewesen war, konnte er das Gefühl heute kaum noch ertragen. Allerdings wusste er durchaus, dass es so besser sein würde und es war nun auch nicht so, als wenn er in den nächsten Stunden das Haus verlassen würde.

 

Das Waschen erschöpfte ihn jedoch mehr, als er es für möglich gehalten hatte. Er war froh, als er endlich frische Kleidung trug und zurück unter die warme Decke schlüpfen konnte. Was er nun wollte war klar weiter zu schlafen. Das Klopfen an der Tür jedoch verriet ihm, dass es dazu kaum kommen würde.

 

Nachdem er sein Einverständnis gegeben hatte, öffnete sich die Tür. Ein Mann mit grauen Haaren und einem deutlichen Bauch steckte den Kopf ins Zimmer, lächelte leicht und trat ein, als er sah, dass Naruto mit der Wäsche fertig war. Der junge Autor kannte den Arzt natürlich, wie er nahezu jeden in dieser Gegend persönlich kannte. Manche eben mehr wie andere. Im Grunde mochte er den Arzt durchaus, nur dann eben nicht, wenn er selbst sich diesem ausliefern musste.

 

„So schlimm ist es nicht!“, versuchte er schwach zu protestieren, was jede Kraft schon dadurch nahm, dass er anschließend in einen Hustenkrampf verfiel, der seine Lunge brennen ließ und den Wunsch nach Sauerstoff ins Unermessliche steigen ließ. „Das hört sich aber nicht gut an!“, bekam er prompt die Antwort. Naruto musste sich wohl oder übel geschlagen geben.

 

In den nächsten Minuten musste er auf Kommando husten, tiefe Luftzüge nehmen, die Zunge raus strecken und ein Thermometer im Ohr ertragen.

 

Seine Abneigung gegen Ärzte war nicht einmal etwas, was mit dem Beruf für sich zu tun hatte. Ärzte waren oft angenehme Menschen, aber die Diagnosen die sie stellten waren weniger angenehm. Naruto wusste auch so, dass es ihn richtig erwischt hatte, da musste man ihm nicht mit Fachbegriffen und genauen Bezeichnungen kommen. So genau musste er es nun auch nicht wissen. Dass er krank war, reichte schließlich.

 

„Nicht so schlimm, hmm?“, wurde er schließlich gefragt, während der Mann die Decke wieder hoch zog. „Nun, deine Bronchien hören sich furchtbar an. Deine Lunge ist entzündet und das Fieber brauche ich sicher nicht extra zu erwähnen, oder?“, fragte er leicht amüsiert nach, ehe der Blick wieder strenger wurde. „Mir ist klar, dass du es hasst krank zu sein. Es ändert aber nichts daran, dass du die nächsten Tage das Bett nur verlassen wirst, wenn es nicht anders geht. Ruh dich aus. Ich werde dir ein Rezept dalassen, damit es dir bald besser geht.“

 

Frustriert nickte Naruto, ihm fehlte jedoch die Kraft um den Part, liegen bleiben zu müssen, nun direkt anzufechten. Er hasste es zu liegen, auch dann, wenn es ihm mies ging. Aber in diesem Fall blieb ihm wohl keine wirkliche Wahl. Der Feldwebel in seiner Küche würde schon dafür sorgen, dass er sich keinen Millimeter bewegte, wie sie ja erst gerade bewiesen hatte.

 

Als er endlich wieder alleine war und Chidori zu ihm ins Bett gekrochen war, beschloss Naruto so viel wie möglich zu schlafen, damit er möglichst bald das Gefühl verlieren konnte, wieder ein Kind zu sein, welches keine eigene Meinung hatte.

 
 

***
 

 

Die Tage die folgten vergingen wie im Flug. Naruto schlief wirklich die meiste Zeit. Früh am Morgen kam seine persönliche Krankenschwester, um zu kochen, zu putzen und die Hunde zu versorgen. Es interessierte sie kein Stück, dass Naruto ihr mehr als einmal versuchte deutlich zu machen, dass es nicht notwendig sei. Natürlich war er froh, dass jemand seine beiden Hunde versorgte, aber alles andere brauchte man wirklich nicht zu tun.

 

Das Fieber sank tagsüber ein wenig, kehrte über Nacht aber wieder zurück. Wenigstens der Husten war etwas besser geworden, was sicher an den Medikamenten lag, die man ihm besorgt hatte. Auch wenn er noch immer bei jedem Atemzug rasselte wie die verrosteten Ketten eines alten Gespenstes.

 

Drei Tage nachdem der Arzt da gewesen war, hatte er sogar endlich die Heißersehnte – wenn auch viel zu kurze – Dusche bekommen. Er war auch endlich in der Lage tagsüber nach unten zu gehen und sich vor den Kamin auf die Couch zu legen. Naruto versuchte etwas zu lesen, döste dabei aber immer wieder ein. Manchmal schlief er sogar einige Stunden, was angenehm war, nun wo die Schlafphasen nicht fast noch anstrengender waren wie die Wachphasen. Sein Schlaf war ruhiger geworden und das anfängliche Zittern war endlich komplett verschwunden. Als es dann Abend wurde, brachte die Frau ihn wieder nach oben und verabschiedete sich dann bis zum nächsten Tag.

 

Der nächste Tag brachte vor allem Sonnenschein, welcher ihn bereits recht früh weckte. Einen Moment blieb er noch liegen, bevor er sich aus dem Bett schälte und müde die Treppe nach unten stieg. Er fühlte sich noch immer nicht vollkommen gesund, aber besser als in den letzten Tagen. Dazu kam, dass er wirklich Hunger hatte, was nach Tagen mit Brühe wohl auch kein wirkliches Wunder war.

 

In der Küche angekommen öffnete er die Hintertür, damit die Hunde raus konnten, bevor er sich vor den Kühlschrank hockte und den Inhalt studierte. Wirklich viel gab dieser leider nicht her. Er würde dringend einkaufen müssen, sobald es ihm besser ging. In den letzten Tagen war zumindest die Vernunft zurückgekommen und er wusste, dass er derzeit nicht in der Lage war alleine in die Stadt zu fahren. Die Vordertür – und das Bellen der Hunde – ließ ihn aufschauen.

 

„Wie ich sehe, bist du wieder auf den Beinen!“, wurde er begrüßt, was Naruto ein Lächeln entlockte. „Ich war kein einfacher Patient, oder?“, fragte er nach und erntete ein amüsiertes Lachen. „Nein, aber etwas anderes hätte ich nicht erwartet. Hast du Hunger?“, fragte die Frau und kam auf ihn zu. Erst jetzt bemerkte er den Korb, den sie trug und den köstlichen Duft, der davon ausging. Er konnte nicht wirklich etwas dagegen machen, dass sein Magen lautstark zu grummeln begann.

 

„Habe ich mir gedacht!“, erklärte sie verschmitzt. „Setz dich, ich habe frisches Brot gemacht und dir Schinken mitgebracht!“ Naruto war in seinem Leben nie so dankbar gewesen, eine überführsorgliche Nachbarin zu haben. Nur zu gerne ließ er sich auf einen der Stühle sinken und langte ordentlich zu, als sie ihm das frische Brot und den Schinken hinstellte.

 

„Betty fährt später in den Ort. Wenn du etwas brauchst, schreibe es ruhig auf, dann bringt sie es mit!“, wurde er informiert. Betty lebte mit ihrem Mann und ihren Kindern ein wenig die Küste hinauf. Naruto kannte sie eigentlich nur von den Festen, die hier gemeinsam gefeiert wurden, mochte die Frau aber wie jeden hier auch recht gerne. „Ich mache nachher eine Liste fertig und schaue, ob ich noch Geld im Haus habe!“, versprach Naruto, während er sich nicht stören ließ, auch eine dritte Scheibe fertig zu machen und sie mit Gier zu verschlingen.

 

Die alte Frau lachte herzhaft. „Wenn nicht, legen wir es aus. Du weißt ja wie das ist!“ Ja, Naruto wusste das. Solche Dinge fielen hier unter Nachbarschaftshilfe. Am Anfang hatte er nicht geglaubt, dass es funktionierte, aber die Uhren tickten in den ländlicheren Gegenden von Irland eindeutig anders. Man half wo man nur konnte, mit dem Wissen, dass es irgendwann schon ausgeglichen wurde. Zumindest bei solch kleineren Dingen war das absolut kein Problem. Er selbst hatte sich schnell daran gewöhnt, es war ja auch nicht so, dass es täglich passierte. Und es funktionierte. Wenn er für jemanden etwas erledigte, sprang dieser bei der nächsten Gelegenheit ohne zu murren ein und revangierte sich. Etwas derartiges war in Japan nicht wirklich möglich.

 

Gesättigt und wieder deutlich müder gähnte er herzhaft. „Danke, das hat gut getan!“, gab er zu und reichte das Brot weiter, damit es weggelegt werden konnte. „Ich schreibe die Liste am Besten sofort, ehe ich mich wieder hinlege. Sehr lange halte ich noch nicht durch!“, gab er zu und nahm den Zettel und den Stift an sich, der ihm gereicht wurde. „Kein Wunder. Dein Fieber war nicht ohne. Auch jetzt musst du dich noch schonen!“ Naruto nickte leicht.

 

Konzentriert schrieb er die Liste mit allem nötigen und suchte dann auch Geld heraus, um es weiter zu reichen. Erst dann schlich er sich zurück in sein Bett und bekam nicht einmal noch wirklich mit, dass er sofort wieder einschlief. Dass Chidori und Rasengan ihm schließlich Gesellschaft leisteten, blieb ebenso unbemerkt.

 
 

***
 

 

Naruto verschlief erneut den halben Tag und als er sch endlich wieder zu regen begann, war es schon längst Nachmittag. Müde öffnete er die Augen, ehe er sie vor Schreck weit aufriss. Sein Herz schlug kräftig in seiner Brust. Naruto war nicht mehr alleine und so unerwartet mit Gesellschaft überrascht zu werden, hatte ihm eindeutig einen Schrecken eingejagt. Dazu kam, dass es etwas beängstigendes hatte, scheinbar im Schlaf angestarrt worden zu sein. Mal davon abgesehen, dass er nie damit gerechnet hatte, ausgerechnet diese Person so schnell wieder zu sehen.

 

„Deine Nachbarin ist ein ziemlicher Drachen, weißt du das?“, wurde er ruhig gefragt, während Naruto sich langsam aufrichtete. „Was machst du hier, Itachi?“, fragte er sofort, ohne auf das Gesagte einzugehen. Itachi seufzte schwer. „Stell dir vor, du hast Freunde die sich sorgen, wenn du seit einer Woche keine Mail von meinem kleinen Bruder öffnest und dein Handy aus ist, so dass Sakura dich nicht erreichen kann. Sasuke ist angepisst, aber Sakura sorgt sich wirklich!“, erklärte der ältere Uchiha, ehe er zu der Tür schaute, die sich dann auch öffnete.

 

Die ältere Frau steckte den Kopf herein, musterte Itachi abschätzend, ehe sie den Blick auf Naruto richtete. „Ist es okay, dass er hier ist?“, fragte sie mit deutlicher Sorge in der Stimme, was Naruto ein leichtes Lächeln entlockte. „Er ist der große Bruder meines besten Freundes. Es ist in Ordnung!“, erklärte er ihr. Sie entspannte sich zusehends, während Itachi leise lachte. „Sie wollte mich nicht rein lassen, weil sie mich nicht kennt!“, erklärte er. Naruto nickte leicht. „Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte er neugierig nach. Itachi schmunzelte leicht. „Kakashi!“, war die simple Antwort.

 

Ergeben seufzte Naruto. Wie es aussah, hatte jeder mit Kakashi Kontakt und er hatte von dieser Veränderung nichts mitbekommen. Wovon er auch nichts mitbekommen hatte war, seit wann seine Freunde so einen Aufstand machten, wenn er für eine Woche nicht erreichbar war. Er wusste nicht einmal, ob er das noch als normal einstufen wollte. Früher – vor dem Trip in die Vergangenheit – war er oft für Tage nicht zu erreichen gewesen, schon weil er immer wieder Phasen gehabt hatte, in denen er im Schreiben regelrecht versunken war und daneben kaum etwas wahrgenommen hatte.

 

„Ist es eigentlich Zufall, dass du dir Sasuke ins Haus geholt hast?“, riss ihn Itachis nächste Frage aus den Gedanken. Vollkommen irritiert blickte er den älteren Uchiha an, der mit einem amüsierten Schmunzeln zu dem Hund hinter Naruto deutete. Als er den Kopf leicht drehte und Chidori erblickte, konnte er nicht verhindern, dass er rot anlief. „Also nicht meine Einbildung!“, murmelte er leise und fuhr sich verlegen durch das Haar, was Itachi ein unterdrücktes Lachen entlockte.

 

„Ich habe ehrlich gesagt noch nie einen Hund gesehen, der mich über eine Stunde mit einem Blick anstarrt, der verdammt große Ähnlichkeit mit dem meines kleinen Bruders hat, wenn er mich aus irgendeinem Grund mit einem Blick erdolchen will.“, gab er zu. Naruto nickte leicht. „Es ist Zufall.“, gibt er zu und ließ sich wieder in die weichen Kissen sinken. Sofort wurde Itachis Blick wieder ernst, während dieser ihn musterte.

 

„Sasuke hat dir sicher erzählt, dass ich einige Geschäfte erledigen musste. Die letzte Station war London. Gestern Abend habe ich mit Sakura telefoniert um Termine abzusprechen und dabei erfahren, dass du nicht erreichbar bist. Nun, wo ich schon einmal in der Nähe war, wollte ich nach dem Rechten sehen, um sie zu beruhigen. Sie arbeitet wirklich gut, das war das Mindeste was ich für sie tun konnte!“, erklärte Itachi dann, ohne dass Naruto die Frage gestellt hatte, die ihn aber durchaus interessierte.

 

„Es ist halb so schlimm.“, spielte Naruto die Situation herunter. „Vor gut einer Woche war ich unterwegs um Bilder zu machen. Eine Ruine. Leider habe ich nicht rechtzeitig erkannt, dass kein kleiner Schauer sich zusammenbraut. Das Ende vom Lied ist eine Lungenentzündung, von den mitgenommenen Bronchien will ich gar nicht erst anfangen. Aber es ist besser. Meine Nachbarin kümmert sich gut um mich!“

 

Wieder nickte Itachi. „Das ist gut zu wissen!“, erklärte er und erhob sich dann. „Nun denn, ich plane ein paar Tage zu bleiben. Erst einmal sollte ich allerdings die Anderen anrufen, damit sie ihre Sorge in den Griff bekommen!“ Naruto nickte erneut.

 

Ganz wohl war ihm bei dem Gedanken nicht, dass Itachi einige Tage bleiben würde, auf der anderen Seite allerdings brachte er es auch nicht wirklich über das Herz, ihn einfach raus zu werfen. Ein teil von ihm sah es sogar als Gelegenheit, mit dem älteren Uchiha zu reden um vielleicht mehr raus zu bekommen. Noch immer hatte er schließlich keine Ahnung, was genau Itachi ihm auf der Beerdigung versucht hatte zu sagen.

 

„Such dir eines der beiden Gästezimmer aus.“, bot er deswegen an.

 

Erst als Itachi verschwunden war, richtete Naruto sich auf und suchte sich aus dem Schrank einige Sachen heraus, mit denen er anschließend ins Bad verschwand. Auf dem Flur konnte er den älteren Uchiha reden hören und nach dem was er aufschnappte, sprach er mit Sasuke. So genau wollte er es aber auch gar nicht wissen. Er schloss hinter sich ab, zog sich aus und stand anschließend schnell unter dem heißen Wasserstrahl.

 

Der Gedanke die nächsten Tage nicht alleine zu sein, verwirrte ihn seltsamerweise. Es war viel zu lange her, dass er langfristige Gesellschaft gehabt hatte. Die Bemühungen seiner Nachbarin konnte man kaum damit vergleichen. Sonst schaute sie hin und wieder rein, blieb aber nie sehr lange. In den letzten Tagen war sie zwar sehr lang da geblieben, er hatte dank des Fiebers aber kaum etwas davon mitbekommen. Er konnte sich kaum vorstellen, nun Itachi einige Tage im Nacken zu haben. Vor allem in seinem Haus, seine kleine Festung die er sich errichtet hatte, nachdem er all seine Verbindungen zu Japan gekappt hatte.

 

Nachdem er geduscht hatte, verschwand er postwendend in sein Arbeitszimmer. Ihm war gerade herzlich egal ob er sich noch ausruhen sollte, was er brauchte war vor allem Ablenkung. Wenn er dabei produktiv war, konnte niemand etwas dagegen haben. Im Haus war es eh sehr still. Wenn er Glück hatte, schlief Itachi und die Nachbarin war bereits gegangen. Vielleicht waren derartige Gedanken nicht sehr nett, aber im Moment hatte Naruto einfach nicht die Geduld um sich mit irgendjemanden zu befassen.

 
 

* *** *
 

 

Tilarodon brachte sie mit wenigen Schwüngen seiner Flügel schnell in die Luft. Namaki konnte die Freude des Drachen spüren, was kaum verwunderlich war, nachdem dieser so lange an den Boden gefesselt gewesen war. Nun einen Langstreckenflug machen zu dürfen würde die Muskulatur lockern. Zusätzlich spielte es wohl auch eine Rolle, dass sie den Unterstand, den sie kaum hatten verlassen dürfen, vorerst nicht wieder sehen würden. Ein Tapetenwechsel, der von allen sehr gerne angenommen wurde.

 

Links von sich sah er Saiha, die nicht weniger zufrieden aussah, wie Namaki und Tilarodon sich fühlten. Auch Jinalatira wirkte entspannt. Der Aufbruch war wirklich das Beste gewesen, was ihnen hätte passieren können und Namaki dachte nicht eine Sekunde daran, seinen Drachen irgendwie zu zügeln, auch wenn das Team, welches in einiger Entfernung hinter ihnen war, langsam immer mehr zurück fiel.  Sie kannten den Weg, wussten wo sie sich niederlassen sollten. Es war wirklich nicht notwendig, dass sie zusammen flogen.

 

Saiha lenkte ihre Drachendame näher an Namaki heran. „Wenn wir uns beeilen, können wir vor dem Abend mit allem fertig sein!“, erklärte sie, was Namaki ein amüsiertes Lachen entlockte. „Was, hast du es so eilig wieder auf den Boden zurück zu kommen?“, konterte der junge Reiter.

 

Namaki liebte seinen Beruf. Er genoss es aus vollem Herzen, wenn sein Drache ihn hoch in den Himmel hob, wenn der Wind an seinem langen Haar zerrte und wenn er unter sich alles nur noch winzig klein ausmachen konnte. Es war ein wahnsinnig befreiendes Gefühl und manchmal fühlte er sich, als wenn es besser wäre, nie wieder zu landen und damit wieder den Luftraum zu verlassen.

 

Saiha schüttelte leicht mit dem Kopf, deutete dann nach hinten. „Aber ich kann darauf verzichten, Schoßhunde im Nacken zu haben!“, gab sie trocken zu. Das konnte Namaki durchaus verstehen.  Saiha war nicht unbedingt die Person, die sehr kontaktfreudig war. Eher das Gegenteil war wohl der Fall. Fremde vergraulte sie schneller als man sie irgendwie aufhalten konnte, dazu brauchte sie auch kaum mehr als einen wirklich unzufriedenen Blick, den Namaki ja selbst noch zu genau kannte.

 

Sie wurde schneller und flog schon bald vor ihm. In den letzten Tagen hatte sich bei ihnen eindeutig etwas verändert. Ihr Umgang miteinander war lockerer, fast schon freundschaftlich geworden. Auch jetzt, wie sie einfach auf ihn zu kam, sprach einfach Bände. Als sie eingeteilt worden waren, hatte er wohl eher Angst haben müssen, dass sie ihn eines Nachts einfach im Schlaf erdrosselte, wenn er auch nur wagen sollte einen unanständigen Gedanken zu haben.

 

Jetzt scherzte sie schon beinahe über die Tatsache, dass er ins Bad geplatzt war, obwohl sie rein gar nichts am Körper getragen hatte, was einen die Fantasie nutzen lassen musste, um sich vorstellen zu können, wie sie unter der Kleidung aussah.

 

Nun, auch wenn es kaum etwas anderes war, wenn sie voll bekleidet war, wie in diesem Augenblick. Der Stoff umspannte ihre natürlichen Rundungen wie eine zweite Haut, umschmeichelte die schlanke Statur und ließ einen genauen Ausblick darauf zu, was unter der Kleidung lag. Namaki schluckte schwer. Seit diesem kleinen Unfall schien es immer schwerer zu werden, die Fantasie im Zaum zu halten. Wenn er nun so recht nachdachte, war es wohl doch keine sehr gute Idee, die nächsten Wochen in der Wildnis zu leben, alleine mit Saiha, die ihm bereits jetzt den Schlaf raubte.

 

Auf der anderen Seite, wer wusste schon was passierte? Vielleicht würde diese Zeit wirklich etwas Gutes mit sich bringen. Nur die Zeit konnte es ihnen sagen. Ein leichtes vibrieren unter ihm machte ihm deutlich, dass Tilarodon sich köstlich amüsierte. Es besann ihn darauf, Saiha nicht wie ein räudiger Hund anzuhecheln, sondern sich auf den Flug zu konzentrieren, der vor ihnen lag.

 
 

***
 

 

Die Stelle zu finden, wo sie ihr Lager aufschlagen sollten, war nicht wirklich sehr schwer. Sie hatten hier schon einmal eine Weile verbracht, womit manche Dinge einfach bekannt geblieben waren, auch wenn sie nicht genug Zeit in diesem Wald verbracht hatten, um wirklich jeden Baum und jeden Stein auswendig zu kennen. Falls so etwas überhaupt möglich war. Namaki bezweifelte es ja, auch wenn es gerade keine Rolle spielte.

 

Zur Sicherheit hatten sie einige, tiefe Runden über den Wald gedreht, damit sie nicht doch von anderen überrascht wurden, sobald sie gelandet waren. Doch abgesehen von dem Lager, welches sie beschatten sollten, schien es wirklich in unmittelbarer Nähe keine lebende Seele zu geben, die über sie stolpern konnte. Konzentriert landeten die beiden Drachen und Namaki und Saiha machten sich daran, ihre Fracht abzuladen.

 

Ohne wirklich sich absprechen zu müssen, schlug Namaki das Lager auf, während Saiha Holz sammelte und die restlichen Dinge, die sie in den kommenden Wochen brauchen würden auspackte. Sie holte Wasser, versorgte die beiden Drachen und entließ sie dann vorerst aus ihrer Pflicht, damit sie jagen gehen konnten. Nur zu weit durften sie sich nicht entfernen.

 

Als sie fast fertig waren, tauchte auch einer aus dem zweiten Team bei ihnen auf und brachte die Dinge vorbei, die sie nicht selbst mitgenommen hatten. Kleinere Drachen zur Kommunikation, Nahrung und alles was zu viel für ihre Drachen gewesen war. Ein weitaus schwerer Drache als ihre ließ die Fracht vorsichtig mitten im Lager auf den Boden sinken, ehe er sich mit schweren Flügelschlägen wieder in die Luft erhob, um einen geeigneten Landeplatz für sich selbst zu suchen.

 

Sofort machte Namaki sich daran, die schweren Kisten zu öffnen.

 

Sie waren spärlich eingerichtet, als es dunkel wurde, aber es würde reichen. Saiha hockte am Feuer und rührte in einem gusseisernen Topf herum, während er die beiden Drachen am Rande des Camps erblicken konnte. Sie waren nach einer ausgedehnten Jagd zufrieden zurück gekommen und lagen nun nebeneinander. Wispernde Worte wehten zu ihm herüber, welche er aber gar nicht erst versuchte genauer zu verstehen.

 

Wieder kam ihm in den Sinn, was sich vor nicht all zu langer Zeit ereignet hatte, als Tilarodon versucht hatte Jinalatira zu besteigen. Diese Szene ließ ihn nur schwer wieder los. Auf den Zuchtgründen hatte er einige Paarungen gesehen, was mit dem was er mit ihren Drachen erlebt hatte nicht vergleichbar war. Wenn er ehrlich war, sahen ihre Drachen eher aus wie ein frisch verliebtes Paar, als wie zwei hungrige Drachen, die einfach nur Nachwuchs zeugen wollten. Die beiden waren schon fast menschlich.

 

Müde erhob er sich und schlurfte zu Saiha rüber, die kurz von ihrem Topf weg sah, um ihn zu mustern. „Ist gleich fertig!“, erklärte sie. Namaki nickte leicht, ließ sich müde auf einem Baumstamm nieder, den sie extra herangeschafft hatten, um einen Sitzplatz zu haben. Tische und Stühle würden sie hier kaum finden, sie mussten mit dem leben, was sie hatten. Links vom Feuer lagen die beiden Schlafsäcke, noch sehr nahe beieinander, auch wenn Namaki sich keine Illusionen machte, dass dieses sich spätestens ändern würde, wenn sie sich für die Nacht hinlegten. Im Moment war er aber sowieso viel zu müde, um sich über derlei Dinge noch Gedanken zu machen.

 

Ein dampfender Teller schob sich in sein Blickfeld. Mit einem Lächeln griff er danach. „Danke!“, sagte er auch gleich, tauchte den Löffel in die undefinierbare Masse und begann damit, das Zeug in sich rein zu schaufeln. Das war eindeutig etwas, was er nicht schätzte, wenn sie unterwegs waren. In ihrer Baracke hatten sie viel mehr Möglichkeiten, was natürlich auch bedeutete, dass sie besseres Essen zubereiten konnten. Unterwegs gab es überwiegend das, was sie finden oder fangen konnten. Hier und da mal ein Fisch, frische Beeren oder Früchte und natürlich undefinierbare Eintöpfe, die nur aufgewärmt werden mussten. Sie schmeckten nach nichts, zumindest konnte er den Geschmack, der angegeben war, nicht wirklich finden.

 

Aber es machte satt und nur das zählte doch auch. Es war besser etwas undefinierbares im Magen zu haben, als für Tage zu hungern. „Wir sollten morgen schauen gehen, wie wir uns alleine versorgen können, zumindest zusätzlich!“, riss Saiha ihn aus den Gedanken. Erst jetzt bemerkte er, dass sie neben ihm saß. So nahe, dass er ihre Wärme spüren konnte. Er brummte leise. „Hoffentlich gibt es etwas, wenn ich hiervon Wochen leben muss, faste ich lieber!“, erklärte er missmutig, wissend, dass Saiha es genauso sah.

 

Sie waren sich doch ähnlicher, als er bei ihrem ersten Treffen gedacht hatte. Das verschmitzte Grinsen, welches sie nur bei ihm zeigte, war ihm bereits so vertraut, dass es in seinem Magen kribbelte, als er für seine Worte erneut damit belohnt wurde. Namaki unterdrückte ein Seufzen. Diese Wochen würden wirklich lang werden. Lang und eine unglaubliche Feuerprobe was seine Zurückhaltung anging.

 
 

* *** *
 

 

Erschrocken zuckte Naruto zusammen, als jemand über seine Schulter hinweg griff und auf etwas zeigte. „Ernsthaft?“, hörte er die tiefe, vibrierende Stimme hinter sich. „Itachi!“, polterte Naruto sofort los und drehte sich in seinem Stuhl so weit herum, dass er den Uchiha ansehen konnte. Itachi ließ sich davon kaum beeindrucken. Stattdessen hatte er die Augenbrauen hoch gezogen und blickte ihn weiter an. „Ernsthaft, Naruto? Glaubst du wirklich, etwas derartig offensichtliches würde an meinem Bruder vorbei gehen?“, fragte er erneut und verschränkte die Arme vor der Brust. Naruto machte das nur wütender. Energisch drehte er sich ein weiteres Mal herum, speicherte das Dokument und schloss es anschließend.

 

„Ich hab keine Ahnung von was du redest!“, erklärte er anschließend und schob den Stuhl zurück, um aufstehen zu können. „Außerdem, Sasuke hat den ersten Teil bereits gelesen.“, fügte er hinzu, um seinen Stolz wenigstens ein klein wenig zu retten. Itachi hatte doch gar keine Ahnung.

 

„Was willst du hier?“, versuchte Naruto schließlich abzulenken. Itachi verzog unzufrieden das Gesicht. „Eigentlich etwas kochen. Aber so vorsinnflutartig wie deine Küche eingerichtet ist, muss ich mich wohl darauf vorbereiten, in den nächsten Tagen zu verhungern!“

 

Die Anspannung die zuvor fast greifbar gewesen ist, verflog abrupt. Stattdessen lachte Naruto befreit auf. „Oho, der große Uchiha kann also keinen Herd anfeuern!“, neckte er den älteren Mann, drängte sich an ihm vorbei und grinste dabei schadenfroh. „Na dann lass mal den Meister ran!“ Und mit diesen Worten stolzierte er nach unten in die Küche. Ohne sich wirklich Gedanken zu machen, zog er zuerst die Hintertür auf, damit die Hunde raus konnten. Es war besser, wenn er es jetzt machte, wo er bereits wieder spürte, dass er müde wurde. Ein weiteres Missgeschick in seinem Haus wollte er durchaus vermeiden.

 

Routiniert griff er nach einigen Holzscheiten, zog die Klappe unter dem Herd auf und legte das Holz hinein. Mit Zeitung und dünneren Holzstücken hatte er schon bald das Feuer in Gang gebracht. Ein wenig stocherte er in den Flammen herum, bevor er zufrieden die Klappe wieder schloss. „Warte ein bisschen, dann ist er bereit!“, erklärte er, bevor er sich auf einen der Stühle fallen ließ.

 

„Beeindruckend!“, brummte Itachi, ehe auch er sich nieder ließ und Naruto dabei musterte. „Auf der anderen Seite, du warst schon immer jemand der die Dinge angepackt hat!“, fügte er hinzu. Daran ließ sich kaum rütteln. Naruto war oft die treibende Kraft gewesen, egal worum es auch gegangen war. Er war nicht unbedingt der geschickteste Mensch, aber eindeutig einer derjenigen, die nie aufgaben ganz gleich wie oft er auch auf die Nase gefallen war. Eine Eigenschaft, die er auch heute noch weitestgehend beherzigte.

 

„Ich hätte ehrlich gesagt so ziemlich alles erwartet, aber nicht das hier!“, erklärte Itachi. Als Naruto den Blick zu dem Mann wendete, deutete er mit einer Geste an, dass er alles um ihn herum meinte. Das Haus, die Einrichtung, vermutlich sogar der abgeschiedne Ort. „Menschen verändern sich!“, gab Naruto zu und ließ selbst den Blick schweifen. Für ihn war all das was ihn umgab vollkommen vertraut. „Ich mag es hier. Es ist ruhig und ich kann tun und lassen was ich will. Dieses Haus hat seinen eigenen Charme, der zum Glück nicht verloren gegangen ist, als ich hier alles gerichtet habe.“ Für ihn wäre das alles andere als akzeptabel gewesen.

 

„Dennoch. Du hast dich verändert Naruto. Früher war immer jemand in der Nähe. Du warst laut und kaum zu bändigen. Es ist fast schon erschreckend, wie ruhig du geworden bist.“ Naruto konnte dem nicht zustimmen und er begann zu begreifen, auf was das Ganze hinauslaufen würde. „Lass es gut sein, Itachi!“, forderte er angespannt. „Ich bin erwachsen geworden, daran ist nichts falsches.“ Ihm war gar nicht recht, dass seine Vergangenheit sich nun in sein neues Leben einmischte und es durcheinander brachte. Nicht auf diese Art, wo er kein Mitspracherecht hatte.

 

„Nein. Wenn du lediglich erwachsen geworden wärst, wäre es nicht falsch. Aber für mich sieht es eher wie eine Flucht aus. Dein Unwille eine simple Frage zu beantworten zeigt es nur noch deutlicher.“, erklärte Itachi ernst und deutete auf Chidori, der mittlerweile wieder hereingekommen war und neben dem Tisch auf den Boden lag. Naruto presste die Lippen zusammen.

 

Itachi war schon immer jemand gewesen, dem man wenig vormachen konnte. Für Sasuke hätte es wohl keinen besseren Bruder geben können. Naruto war allerdings auch nicht gewillt, sich noch einmal als Kind zu fühlen. Und Itachi verursachte genau das Gefühl bei ihm. Schnaubend richtete er sich auf. „Halte dich aus meinem Leben raus!“, verlangte er leise. Er verspürte Wut, die er sich nicht recht erklären konnte, aber auch eine irrationale Angst, die er nicht genauer erörtern wollte. Ohne ein weiteres Wort wendete er sich ab und ging eilig die Stufen wieder nach oben, um in seinem Zimmer zu verschwinden.

 
 

***
 

 

Die nächsten beiden Tage waren unangenehm und überschattet von einer Anspannung, die Naruto nicht wirklich mochte. Aber gesundheitlich halfen ihm diese Tage deutlich weiter. Seine Müdigkeit war nahezu verschwunden, so dass er den Tag überstehen konnte, ohne den größten Teil zu verschlafen.

 

Itachi ging ihm weitestgehend aus dem Weg, sorgte aber gleichzeitig dafür, dass Naruto zumindest die warme Mahlzeit nicht ausfallen ließ, auch wenn sie diese nicht gemeinsam einnahmen. Naruto konnte auch nicht leugnen, dass es einen Vorteil hatte, Itachi im Haus zu haben. Der Mann versorgte sich lange genug alleine – und hatte das nötige Talent – um in den Genuss guter Mahlzeiten zu kommen.

 

Am dritten Tag nach Itachis Auftauchen, räumte Naruto auch endlich sein Auto auf, holte die mittlerweile trockenen Sachen raus und steckte das Handy an die Ladestation an. Als er es endlich wieder anbekam, realisierte er zum ersten Mal wirklich, wie viel seine Rückkehr nach Japan verändert hatte. Er hatte Massen an verpassten Anrufen. Von Kakashi und Sakura und in seinem Mailfach tummelten sich mehr Mails von Sasuke, als er es für möglich gehalten hatte.

 

„Sie sorgen sich. Noch immer!“, erklärte Itachi, der ebenfalls ins Wohnzimmer getreten war. „Jeder auf seine Art. Sakura bombardiert dich mit Anrufen. Kakashi bleibt eher still und Sasuke reagiert angepisst!“ Die verpassten Nachrichten bestätigten Itachis Worte, was es in Naruto auslöste, konnte dieser aber kaum in Worte fassen. Itachi trat auf ihn zu, um eine Hand auf seine Schulter zu legen. „Lass uns etwas spazieren gehen, in Ordnung?“, schlug er vor und Naruto nickte mechanisch. Er wusste was passieren würde, aber irgendwie hatte er keine Kraft mehr. Weder um Itachi von sich fern zu halten, noch seine eigenen Gefühle in sich drinnen zu behalten. Er wusste doch ganz genau wie schlecht er mit so etwas war und all die Jahre war es nicht wirklich leichter geworden.

 

So pfiff Naruto nach den Hunden und zu viert verließen sie das Haus.

 
 

***
 

 

Itachi schlug sofort den Weg zu den weitläufigen Feldern ein, wo das Gras hoch wuchs. Naruto folgte ihm einfach. Das Wetter war gut, Die Sonne schien aber eine leichte Brise ließ die Temperaturen angenehm warm sein, ohne dass man das Gefühl hatte vor Hitze einzugehen. Das mochte Naruto an Irland besonders gerne. In Japan waren die Sommer immer irrsinnig heiß gewesen, etwas was man in Irland kaum finden konnte.

 

Rasengan raste sofort los, drehte dann aber wieder um, als er bemerkte, dass Chidori ihm nicht folgte. Naruto lächelte leicht, während er dem Rüden den Kopf kraulte. „Na los, lauf schon. Du warst zu lange drinnen!“, erklärte er sanft. Es dauerte etwas, doch dann ließ Chidori sich von seinem Bruder anstecken und die beiden tobten einige Meter vor ihnen herum. Langsam folgten sie den beiden Hunden.

 

„Sie sind Brüder!“, erklärte Naruto schließlich leise. „Ein Hof hier in der Nachbarschaft hat von ihrer Hündin überraschenderweise Welpen bekommen. Eigentlich wollte ich nie Hunde haben. Aber als ich sie gesehen hab… ich weiß nicht. Ich konnte nicht widerstehen!“, gab er ehrlich zu und schaute zu dem strahlend blauen Himmel hinauf. Seine Hände hatte er in den Taschen seiner leichten Jacke vergraben, die er trotz des guten Wetters angezogen hatte.

 

„Irgendwie ist es ganz nett. Sie sind vollkommen verschieden!“, erklärte er weiter und blickte Itachi von der Seite an. Dieser nickte leicht, sagte aber nichts weiter dazu. „Und du hast Recht. Als ich die beiden ausgesucht habe, ist es mir nicht aufgefallen. Erst später. Chidori ist wie Sasuke!“, gab er zu und lachte leise auf. Es war grotesk. Chidori war ein Hund und zeigte dennoch so viel Ähnlichkeit zu Sasuke, einem Menschen, dass man einfach nur darüber lachen konnte. „Seit sie da sind, fühle ich mich nicht mehr alleine.“, gab er schließlich betrübt zu und senkte den Blick wieder. Es war nicht leicht das einzugestehen. Vor allem sich selbst gegenüber.

 

„Hast du es bisher verdrängt?“, fragte Itachi nach, ohne ihn dabei anzublicken. Naruto schüttelte den Kopf. „Als ich damals gegangen bin, war ich erleichtert. Ich hab es nicht mehr ausgehalten, weißt du?“, fragte er nach, blickte weiter nach vorne, wie die Hunde übereinander herfielen, sich wieder aufrappelten und dann durch das hohe Gras jagten. Sie waren unbeschwert, etwas was Naruto nur zu gerne auch wäre. „Die ersten tage war ich vollkommen orientierungslos. Ich wusste nicht wo ich hin sollte und wie es weitergehen soll. Bis ich hierher gekommen bin. Irland ist anders. Man ist herzlicher und niemand hat gefragt wo ich herkomme oder warum ich hier bin. Sie haben einfach mit angepackt und mich als Mitglied aufgenommen. Es war beruhigend.“, erklärte er, während er sich an seine Ankunft zurück erinnerte.

 

„Ich habe mich nie alleine gefühlt, stattdessen habe ich die Einsamkeit hier genossen. Wenn ich Gesellschaft will, kann ich einen meiner Nachbarn besuchen oder runter in den Ort fahren. Aber dieses Verlangen hatte ich nicht. Ganz im Gegenteil. Zum ersten Mal seit langem war ich mit mir wieder im Reinen und vollkommen entspannt. Ich hab das Haus saniert und repariert. Und mich eingelebt. Ich war bei den Festen die hier mit allen Nachbarn zusammen gefeiert werden, habe neue Menschen kennen gelernt und mich nie ausgeschlossen gefühlt. Ich wollte nicht zurück. Niemals!“ Das war nie einer seiner Wünsche gewesen und zum Teil ärgerte es ihn heute massiv, dass er nachgegeben hatte. Sein Gefühl hatte ihm von Anfang an gesagt, dass es keine gute Idee war und dass am Ende nur Narben wieder aufgerissen werden würden, die besser verschlossen blieben. Und leider hatte er damit ja auch absolut Recht behalten. Seit er aus Japan zurück war, hatte Irland sich nicht verändert. Aber etwas in ihm hatte sich verändert, etwas wo er nicht wusste was genau es war und wie er es wieder richten konnte.

 

Der Pfad gabelte sich und automatisch steuerte Naruto den linken an, der sie zu einem kleinen Waldstück bringen würde. Er lief selten hier lang, schon weil der Weg zurück ziemlich lang war. Aber heute, nachdem er so lange im Haus eingesperrt gewesen war, konnte er sich nichts besseres vorstellen.

 

„Aber du konntest Sasuke nicht hängen lassen. Trotz allem nicht.“, bemerkte Itachi und sprach damit aus, was Naruto nicht bereit war auszusprechen. Der ältere Uchiha seufzte leise. „Du fragst dich, wie ich es erfahren habe. Es war eigentlich leicht. Ich war von Anfang an dabei. Wenn du ihn angeblickt hast und dabei vollkommen verwirrt ausgesehen hast. Ich war dabei, als die Berührungen begonnen haben. Leichte, die man als freundschaftliche Geste abstempeln könnte, wenn da nicht dein Blick gewesen wäre. Du hast Sasuke angehimmelt und das sehr offensichtlich!“ Naruto blieb stehen und schaute den Mann erschrocken an.

 

Auch Itachi blieb stehen, um Naruto anzusehen. „Dein Wunsch mehr Zeit mit Sasuke zu verbringen. Die Häufigkeit deiner Übernachtungen bei uns. Die verhassten Blicke und die Reue die Hikari von dir geerntet hat!“, sprach er weiter, hob aber die Hand, damit Naruto ihn nicht unterbrach. „Sasuke hat sie geleibt, das weißt du. Sie konnte nichts dafür und genau das war dir bewusst. Du hasst die gehasst, weil sie dir jede Chance genommen hat und gleichzeitig konntest du nicht mit dem Gedanken leben, ihr die Schuld zu geben, denn dir war klar, dass sie nichts dafür konnte. Und letzten Endes, deine Verzweiflung, als du zurück gekommen bist. Und ich bin nicht hier, um dir Vorwürfe zu machen, Naruto. Ich finde es eher bewundernswert, wie wenig deine Gefühle sich verändert haben in all den Jahren.“

 

Naruto lachte trocken auf. „Ich wünschte es würde endlich aufhören!“, brach es aus ihm heraus. Seine Hände zitterten vor Wut und Verzweiflung. „Kein normaler Mensch liebt jemanden so lange Zeit und ist unfähig anderen die gleiche Chance zu geben.“ Er wollte das nicht mehr und er konnte das auch nicht mehr. Sein letzter Wunsch war es, den Rest seines Lebens jemanden nachzutrauern, den er nie haben konnte. Er wollte doch nur wie alle anderen jemanden an seiner Seite haben, der einen liebte. Wenn es nicht Sasuke war, warum konnte er dann nicht abschließen und voran gehen?!

 

„Hast du es versucht?“, fragte Itachi ruhig, ließ sich von Narutos Ausbruch nicht wirklich irritieren. Die ruhige Stimme und wohl auch die Frage für sich sorgten dafür, dass alles was in Naruto rumorte sich auflöste, bis nur noch eine bleierne Schwere in ihm übrig blieb. „Viel zu oft!“, gab er leise zu und senkte den Kopf. Daran haperte es nun wirklich nicht. Er hatte andere Männer getroffen, auch Spaß mit ihnen gehabt. Er hatte versucht anderen Chancen zu geben, aber es hatte nur darin geendet, dass er trotz allem nicht loslassen konnte.

 

Chidori war in der Zwischenzeit zurück gekommen, stand vor ihm und winselte leise. Es sah so aus, als wenn Sorge den Hund zerfraß. Vermutlich war das auch so, Hunde waren sensibel genug um solche Dinge zu empfinden. Die Dämme brachen bei Naruto. Tränen kullerten seine Wangen hinab, während er den Hund anstarrte, der ihn so oft an Sasuke erinnerte. „Selbst mein Hund ist Sasuke!“, gab er glucksend von sich, fühlte sich dabei aber nur hundeelend.

 

Starke Arme, die er im ersten Moment nicht wirklich bemerkte, schlangen sich um ihn und ehe er sich versah, wurde er an Itachis Brust gedrückt. Es war keine neue Situation. Itachi war speziell. Er konnte furchtbar streng sein und einem dabei Angst einjagen, aber jene die er mochte waren bei ihm immer gut aufgehoben. Naruto konnte sich nur nicht erinnern, ob der Mann je jemand anderen in den Arm genommen hatte, außer ihn und seinen Bruder.

 

„Er hat es gelesen!“, murmelte Itachi gegen sein Haar. „Er ließt alles von dir. Deine Bücher, das Buch was du ihm geschenkt hast, sogar die Nachricht die du im Suff geschrieben hast und ehrlicher nicht hätte sein können. Und er versucht es. Er versucht zu befolgen was du ihm sagst. Du solltest wirklich nicht aufgeben bevor du nicht versuchst hast was vielleicht dabei raus kommt!“ Naruto lachte leise, beruhigte sich relativ schnell wieder und löste sich dann von dem Uchiha.

 

„Was macht dich so sicher? Ich kenne Sasuke schon mein ganzes Leben lang. Da ist nichts, da wird nie etwas sein!“, erklärte er erschöpft, schüttelte dann aber den Kopf. Es war einfach ausweglos und Naruto war sich dessen schon seit Jahren bewusst. Er musste nur den Weg finden, wie er Sasuke aus seinem Kopf und seinem Herzen verbannen konnte, damit er endlich vorangehen konnte.

 

„Lass uns weiter gehen!“, bat er dann, streichelte Chidori einen Moment, bis dieser sich wieder zu seinem Bruder gesellte. Dann liefen auch sie endlich weiter.

 

Was Itachi wollte, war Naruto bewusst. Er wollte, dass sein  Bruder glücklich wurde, jetzt mehr denn je, wo dieser seine Frau verloren hatte. Naruto wollte das Gleiche, gleichzeitig konnte er nicht sehen, dass er der Schlüssel war. Wo auch immer Itachi Chancen sah, er selbst konnte sie nicht sehen. Wären sie da, hätte er sie auch schon vor Jahren entdecken können und damit vielleicht auch genug Bestätigung finden können, um Sasuke offen zu sagen was er empfand. „Tue mir und dir nur einen Gefallen, Naruto. Wenn Sasuke sich dir je öffnen sollte, verschließe dich nicht!“, bat Itachi ihn dann. Naruto wusste nicht was das jetzt sollte, aber da es dafür seiner Meinung nach eh keinen Grund hatte, zuckte er nur mit den Schultern.

 

„Meinetwegen!“, war seine Antwort.

 
 

***
 

 

Nach dem Gespräch war Sasuke bei ihnen als Thema weggefallen. Auf dem Weg zurück hatte Itachi ihm noch erzählt, dass Sasuke versuchte die Tipps aus dem Erziehungsratgeber versuchte umzusetzen, auch wenn er dabei knurrte wie ein Wachhund. Naruto fand das sogar erheiternd, denn er konnte es sich bildlich vorstellen. Aber ein Teil von ihm war auch froh, dass Sasuke es wenigstens versuchte. Denn in einem hatte er kaum Zweifel, Sasuke liebte seine Kinder, auch wenn er nicht wusste wie er genau mit ihnen umgehen sollte. Einige Momente hatten ihn daran zweifeln lassen, aber im Grunde war ihm bewusst gewesen, dass es wirklich nur die Unsicherheit war. Der Uchiha brauchte eben hin und wieder einen Tritt und seiner schien geholfen zu haben.

 

Die nächsten beiden Tage zeigte Naruto Itachi einiges von Irland, auch wenn der Uchiha sich zuerst beharrlich geweigert hatte, in seine Rostlaube – wie er seinen Wagen wenig charmant bezeichnete – zu steigen. Letzten Endes hatte er aber nachgegeben. Sie waren Stunden umhergefahren. Mit den Hunden, wenn sie ländlich unterwegs gewesen waren und ohne sie, als sie den Ort besucht hatten.

 

Itachi amüsierte sich allem Anschein nach gut, ließ sich zum Essen einladen und musste zugeben, dass Irland seinen ganz eigenen Charme hatte. Es war nicht so distanziert wie Japan. Sie liefen zusammen durch einige Läden, in denen Itachi einige Mitbringsel besorgte und auch Naruto kaufte drei Kleinigkeiten. Als Geste, dass es ihm Leid tat, anderen solche Sorgen bereitet zu haben.

 

Aber so angenehm Itachis Aufenthalt letztendlich wurde, der Tag an dem er zurück reisen musste, kam viel zu schnell. Naruto hatte sich sehr an die Gesellschaft gewöhnt, selbst Chidori und Rasengan schienen den anderen Mann zu mögen. Weniger angenehm war das Bild, auf welches Itachi bestand. Von ihm und den beiden Hunden, direkt vor dem Haus, damit Sakura ihm abnahm, dass er noch am Leben war. Was sie eigentlich nicht bezweifeln sollte, nachdem Naruto eine Stunde mit ihr telefoniert hatte. Oder eher, sich von ihr die Ohren hatte lang ziehen lassen. Auch mit Kakashi hatte er telefoniert und obwohl es wohl sein schwerstes Telefonat gewesen war, hatte er sich auch bei Sasuke gemeldet.

 

Letzten Endes siegte allerdings Itachi und Naruto ließ das Foto über sich ergehen, ehe er den Mann zum Flughafen brachte. Zum zweiten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass etwas aus seinem Leben verschwand, was er nicht aufgeben wollte, als Itachi sich ein letztes Mal zu ihm umdrehte und dann aus seinem Blickfeld verschwand.

 
 

***
 

 

Wirklich verändert hatte sich in Narutos Leben aber nicht. Noch immer schrieb er wenn er Lust hatte, schlief wenn er müde wurde oder hielt sich draußen mit den Hunden auf. Der Oktober kam und Naruto bemühte sich, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er ging aus, traf andere Menschen, fühlte sich dabei aber nur bedingt wohl. Denn egal was er auch vorhatte, wenn seine Gefühle nicht mitspielten, brachte es absolut nichts.

 

Mitte Oktober begannen seine Rüden sich so seltsam zu verhalten, dass er in seiner Verwirrung Kiba über Skype anrief.

 

„Naruto. Die beiden werden reif. Dass sie nun aufspringen und versuchen…!“, erklärte Kiba, der sofort energisch von Naruto unterbrochen wurde. „Hey, ich habe verstanden, dass es Dominanzgehabe ist. Aber sag mir noch einmal, dass das normal ist!“, forderte er und drehte den Laptop so, dass die Kamera die beiden Hunde einfing. Rasengan sprang auf Chidori drauf, der sich sofort wehrte. Aber als Chidori den Spieß umdrehte, hielt Rasengan vollkommen still. Man konnte sehen, wie bei dem grauen Rüden das Geschlecht ausfuhr.

 

„Nun, scheinbar ist Rasengan nicht so dominant wie Chidori. Ernsthaft, Naruto! Lass die beiden kastrieren. Wenn sie eh die meiste Zeit draußen sind, ist es besser. Oder willst du, dass die beiden Nachwuchs ohne Ende zeugen?“ Naruto schnaubte leise. „Ich lebe hier mitten im Nirgendwo. Da finden die beiden keine geeigneten Damen!“, erklärte er, seufzte dann aber leise, als hinter ihm das Spielchen von neuem begann. „Wird das dann aufhören?“, fragte er Kiba, der leicht grinste. „Vielleicht. Hunde sind nicht wie Beispielsweise Katzen. Katzen verlieren nach der Kastration meistens ihren Sexualtrieb. Hunde hingegen…“, erklärte er und seufzte dann leise. „Lass sie einfach kastrieren und am Besten holst du dir Hilfe bei der Erziehung. Man kann gegen so ein Verhalten angehen, auch ohne abzuwarten, dass die beiden ihre Rangordnung geklärt haben!“

 

Sie redeten danach noch ein wenig weiter, bis Naruto die Verbindung einfach kappte, weil Kiba ihm erklärte, wie die Kastration ablaufen würde. So genau wollte er das gar nicht wissen. Im Grunde wollte er die beiden auch nicht kastrieren lassen. Aber nachdem das Spielchen nahezu den ganzen restlichen Abend so ging, entschied er sich doch um.

 
 

***
 

 

Die Kastration verlief problemlos, auch wenn das Problem dennoch nicht behoben wurde. Schon am nächsten Tag ging es weiter und Naruto entschied sich dafür, die beiden in den Momenten vollkommen Rüden zu ignorieren.

 

Eine weitere Neuigkeit war, dass Sasuke und er von den Mails zu Telefonaten gewechselt hatten. Naruto wusste nicht wirklich, was er davon halten sollte. Ein Teil von ihm sträubte sich massiv dagegen, der dumme, verliebte Teil hingegen war Feuer und Flamme. Leider gewann der verliebte Teil, denn Naruto genoss es sehr, die Stimme des Uchihas zu hören und manchmal sogar wieder mit ihm scherzen zu können, wie er es in alten Zeiten getan hatten.

 

Auch mit Sakura redete er oft, deren Sorge sich immer weiter zu steigern schien. Naruto kam irgendwann auch dahinter, dass Sasuke hin und wieder erwähnte, mit ihm geredet zu haben. Am Besten waren jedoch die Gespräche, die er mit Kakashi führte. Seit er so krank geworden war und deswegen alle in Sorge getrieben hatte, meldete Naruto sich mindestens einmal die Woche bei dem Mann.

 

Es war Anfang November, als seine kleine, heile Welt erneut in Scherben zerfallen sollte.

 

Das Handy hatte geklingelt und Naruto war dran gegangen, ohne wirklich darauf zu achten, wer am anderen Ende war. So überraschte es ihn doch, Sasukes Stimme zu hören. „Was machst du gerade?“, fragte der Uchiha, während Naruto das Dokument vor sich anstarrte, an dem er eigentlich hatte weiterarbeiten wollen.

 

„Eigentlich schreiben. Aber das kann etwas warten!“, gab Naruto zu. Sasuke brummte nur leise. „Wie weit bist du?“, folgte die nächste Frage, die Naruto leicht die Stirn runzeln ließ. Es war nun nicht so, dass es Sasuke generell nicht interessierte wann er an seinem Buch arbeitete, aber es war doch neu, dass dieser so genau wissen wollte, wie viel er bisher geschafft hatte. „Hab noch einiges vor mir!“, gab Naruto zu und drehte leicht an dem Mausrad. Nicht weil er scrollen wollte, sondern nur, um sich irgendwie zu beschäftigen. Erneut brummte es durch die Leitung.

 

„Sasuke?“, fragte Naruto schließlich, als es ihm zu bunt wurde. „Gibt es einen besonderen Grund, warum du mich anrufst?“ Er wurde einfach das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte. Sasuke seufzte leise. „Ja, schon!“, gab er schließlich zu, schwieg dann aber eisern. Naruto hasste das an dem Uchiha. Er tat das öfter und auch wenn Naruto wusste, dass Sasuke dann Zeit brauchte um zu sagen was er sagen wollte, konnte er es nicht ausstehen.

 

„Also, weißt du, Weihnachten, hast du da schon Pläne?“, fragte Sasuke schließlich, was das ungute Gefühl nur noch weiter ansteigen ließ. „Nein.“, erwiderte Naruto gedehnt. Er konnte sich nicht vorstellen, was das nun werden sollte. „Und die kommenden Wochen danach?“, fragte Sasuke weiter. Im Hintergrund hörte er es rascheln und Naruto warf einen Blick auf die Uhr. Vermutlich arbeitete Sasuke in seinem Büro.

 

„Auch nichts. Sasuke, hat deine Fragerei einen Grund?“, fragte er schließlich nach. Er hatte keine Lust um den heißen Brei herumzureden und wollte endlich wissen, was nun los war. Ein frustrierter Laut kam von Sasuke, ehe er endlich mit der Wahrheit herausrückte. „Naja, ich dachte mir, ich könnte mit den Kindern am 23. zu dir kommen und dann drei Wochen bleiben. Also, Keiko vermisst dich echt sehr und sie ist ganz verzückt von dem Bild das Itachi mitgebracht hat. Und vielleicht könnten wir die Situation auch nutzen? Um zu reden?“

 

Naruto lief es eiskalt den Rücken runter. Sasuke wollte herkommen? Es gab keine, absolut keine Möglichkeit, das geschehen zu lassen. Solange er seine verdammten Gefühle nicht im Griff hatte, sollte er am Besten allgemein den Kontakt meiden, was Mails und vor allem Telefonate mit einschloss. Außerdem, zu reden war keine Option. Sie beide hatten sich wohl kaum verändert und damit würde Reden in einer Katastrophe enden. Dazu kam, dass man Weihnachten mit der Familie verbrachte und zu Sasukes Familie gehörte eindeutig Itachi dazu. Naruto wusste aus zahlreichen Mails, dass die Brüder jedes Fest zusammen verbracht hatten, zumindest teilweise.

 

Wobei, wenn er genau darüber nachdachte, stimmte das mit der Familie nicht so ganz. In Irland traf es eindeutig zu, Japan war da jedoch etwas anderes, auch wenn es sich zu wandeln begann. Weihnachten verbrachte man dort mit Freunden, womit ein Treffen zwischen ihnen wohl nicht ganz so seltsam war, wie es Naruto im Augenblick vorkam.

 

„Bist du noch dran?“, fragte Sasuke ihn schließlich, nachdem Naruto eine ganze Weile geschwiegen hatte. „Ja!“, bestätigte er mit belegter Stimme. Seine Hände schwitzten plötzlich furchtbar und sein Herz pochte viel zu kräftig in seiner Brust. Es tat weh und es machte es nicht unbedingt besser, dass er über diese Frage nicht wirklich nachdenken musste. Sein Verstand hatte hier eben absolut nichts zu melden, der panisch versuchte ihn davon abzubringen, das falsche zu tun.

 

Ergeben schloss Naruto seine Augen. „Ich denke, das geht in Ordnung. Die beiden werden sich aber ein Zimmer teilen müssen!“, gab er schließlich seinem Herzen nach.

10 nice holidays


 

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10 nice holidays

 

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Seit Sasukes Anruf befand Naruto sich in einem Zustand, den er nicht wirklich beschreiben oder gar einordnen konnte. Er war aufgeregt, verärgert, bekam bei dem bloßen Gedanken, Sasuke in seinem Haus zu haben Magenkrämpfe und Panikanfälle. Immer wieder fragte er sich, wie er so dumm hatte sein können. Eine Frage, die ihn auch Sakura gestellt hatte. Eine Antwort hatte er darauf allerdings nicht.

 

Itachi hatte ihm geschrieben und ihm ein wenig Mut gemacht, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, ganz gleich wie das ganze letzten Endes ausgehen würde. So sicher war Naruto sich aber dennoch nicht, auch wenn es gut tat zumindest verbal den Rücken gestärkt zu bekommen. Was ihn allerdings nicht davon abgehalten hatte, Itachi anzurufen und ihn anzuschnauzen, warum er den Kindern das Bild gezeigt hatte, welches doch eigentlich für Sakura bestimmt gewesen war.

 

Aber wie er es auch drehte und wendete, er konnte nichts machen. Während der November in den Dezember über ging, blieb ihm nichts weiter übrig, als sich irgendwie vorzubereiten und zu hoffen, dass er diese drei Wochen überstand, ohne dass er und Sasuke das Ende ihrer Freundschaft erreichten.

 

Mitte Dezember erhielt Naruto dann die Nachricht, wann Sasuke mit den Kindern landen würde und Naruto versprach, dass er die drei abholen würde. Einen Tag später brachte er seine beiden Hunde – deren Verhalten sich kein Stück gebessert hatte – zu seiner Nachbarin und machte sich auf den Weg in den Ort, um irgendwie sich vorzubereiten.

 
 

***
 

 

Ballyshannon war bereits im Weihnachtsfieber, auch wenn der sehnsüchtig erwartete Schnee noch nicht aufgetaucht war. Dennoch waren die Läden mit zusätzlichen Lichtern dekoriert und in den Schaufenstern türmten sich Massen an glitzernder Watte, die den Schnee imitieren sollte, während weihnachtliche Dekorationen das Bild vollendeten.

 

In Spielwarenläden waren die Neuheiten ausgestellt und kindgerecht aufgebaut worden, damit jedes Kind ihren Eltern genau sagen konnten, was sie haben wollten, während Modegeschäfte auf dicke, festliche Kleidung setzte. Das Beste war aber der Markt, der einen mit den verschiedensten Gerüchen heranlockte.

 

Naruto stellte den Wagen ab und machte sich zu Fuß auf den Weg, um als erstes Dekorationen zu besorgen. In all den Jahren zuvor hatte er eher darauf verzichtet, in Anbetracht der Tatsache, dass die Kinder Sasuke begleiten würden, war sein Wunsch, ihnen ein schönes Fest zu bescheren aber sehr hoch. Schließlich war es noch nicht so lange her, dass den beiden einen wichtiger Teil ihres Lebens genommen worden war, wenn sie nur für wenige Stunden davon abgelenkt wurden, hatte er bereits sein Ziel erreicht.

 

Er suchte Kugeln für den Baum aus, die in einem dunklen Blau und einem glänzenden Gold-Orange leuchteten. Lichterketten – Kerzen waren zu gefährlich – Girlanden in Silber und grün folgte, ebenso wie einige Figuren, die den Schmuck vervollständigen würden. Auch einen Ständer besorgte er, den Baum würde er sich auf dem Land eines befreundeten Nachbarn schlagen können, was allerdings erst kurz vor der Ankunft der drei notwendig war. Dazu kam eine Spitze für den Baum und natürlich weitere Figuren, die sich auf dem Kamin gut machen würde.

 

Nachdem er die ersten Einkäufe in dem Wagen verstaut hatte, tigerte er durch die Spielwarenläden, auf der Suche nach schönen Geschenken für die Zwillinge. Sehr leicht war das nicht. Er wusste nahezu gar nichts von den beiden und konnte sich eigentlich nur daran orientieren, was er bei seinem besuch bei Sasuke gesehen hatte. Für Keiko fand er eine schöne Puppe und einiges an Kleidung. Er rief sogar Sakura an, um zu erfahren, welche Größe Keiko hatte, um zu schauen, ob er dort etwas für sie fand.

 

Sakura half ihm gut weiter, auch wenn sie nach wie vor der Meinung war, dass er einen Fehler machte – was er ja auch nicht von sich wies. Aber nun wo er zugesagt hatte, konnte und wollte er nicht mehr absagen. Ein Teil von ihm freute sich sogar darauf, eine Weile mit Sasuke zu verbringen und natürlich mit den beiden Kindern, die Naruto sehr in sein Herz geschlossen hatte. Von Sakura erfuhr er auch, dass Taiki Lego mochte. Eine ganze Weile betrachtete er die verschiedenen Pakete, ehe er sich für ein Auto entschied – welches als ferngesteuertes Auto genutzt werden konnte – und einer Feuerwehrstation.

 

Für Keiko fand er noch einen Plüschhund und entschied sich gleichzeitig gegen Kleidung. Nur für Sasuke etwas zu finden war weniger leicht. Bücher machten sich nicht gut, erst Recht weil er keine wirkliche Ahnung hatte, was Sasuke mittlerweile alles gelesen hatte. Musik war auch nicht das wirklich wahre. Eine ganze Weile spazierte er durch die verschiedenen Straßen, bis er bei einem Juwelier etwas entdeckte, was seine Aufmerksamkeit erregte.

 

Die Uhr die er gesehen hatte, hatte ein silbernes, grob geflochtenes Band, wie es bei Männeruhren gerne verwendet wurde. Das Design war schlicht und dennoch elegant. Naruto wusste, dass Sasuke selten eine Uhr trug. In der Firma brauchte er es kaum, da dort an jeder Ecke eine Uhr zu hängen schien und zuhause hatte er ebenso keine Verwendung dafür. Dennoch entschied er sich letzten Endes dafür und bezahlte das Stück, bevor er noch Geschenkpapier besorgte und alles im Wagen verstaute.

 

Da er noch Zeit hatte, nahm er die Gelegenheit wahr, auch über den Markt zu laufen. Der Geruch von Glühwein und gebrannten Mandeln lockte ihn geradezu. Weniger die Attraktionen. Gemütlich schlenderte er zwischen den Ständen her, bis er einen entdeckte, dem er sich schließlich näherte. Holzbrettchen in den verschiedensten Formen wurden zum Kauf angepriesen. Mit einem lächeln wählte er zwei recht einfache aus und ließ die Namen der Zwillinge eingravieren, bevor er sie zahlte.

 

Ein wenig weiter fand er auch die Mandeln, die er selbst so liebte. Auf den Glühwein verzichtete er allerdings, nahm sich aber fest vor, einige Flaschen zu kaufen, bevor Sasuke ankam. Wenn er daheim etwas trank, war das in Ordnung, aber nicht, wenn er noch fahren musste, auch wenn jeder sagte, dass ein glas kaum die Reaktionsfähigkeit einschränkte. Doch Naruto war nie dieser Regel gefolgt.

 

Als er dann am späten Nachmittag die Hunde abgeholt hatte, schaffte er seine Einkäufe in sein Arbeitszimmer. Um sie würde er sich dann ein oder zwei Tage vor der Ankunft der drei kümmern. Oder drei, damit er genug zeit hatte im Notfall noch andere Dinge zu besorgen, falls er etwas vergessen hatte.

 

Seine Laune war nun aber so gut, dass er sich sofort an den Laptop setzte und die letzten Absätze überflog. Viel hatte er seit Itachis Abreise nicht mehr geschrieben. Eigentlich waren seine beiden Helden nur in ihrem Lager angekommen, hatten sich eingerichtet und lebten nun schon einige Tage dort, ohne dass nennenswertes passiert war. Wobei das wohl nicht ganz stimmte. Da ihre Zeit so lang angesetzt war, hatten sie die Drachen die Erlaubnis gegeben, zu tun was sie wollten, ihnen aber auch nahe gelegt, sich nicht zu weit zu entfernen, was beide jeden Abend auch nutzten. Aber ansonsten war eben noch nichts passiert.

 
 

***
 

 

Seufzend blickte Naruto auf den blinkenden Courser. Was er auch tat, irgendwie wollte die Muse ihm heute nicht unter die Arme greifen. Er wusste wie es weiter gehen sollte, es in Worte zu packen schien ihm heute aber nicht zu gelingen. So speicherte er das Dokument, auch wenn nichts verändert worden war und schloss es anschließend.. Draußen war es mittlerweile vollkommen dunkel geworden, eine Umstand, den er am Winter nicht besonders mochte. Die Tage wirkten kurz und kühl, auch wenn das Wetter gnädig mit ihnen war.

 

Erst jetzt merkte er, wie sehr es in dem Raum ausgekühlt war. Wenn er schrieb, bekam er selten etwas um sich herum mit. Deswegen richtete er sich auf, streckte seine Glieder und ging dann langsam nach unten. Er ließ die beiden Hunde nach draußen, lehnte die Tür jedoch an, bevor er sich daran machte, Wasser in seinen Kessel zu füllen. Ein Tee würde ihm jetzt auf jeden Fall gut tun.

 

Es dauerte eine Weile, bis er den Herd angeheizt hatte, doch bald darauf pfiff der Kessel munter vor sich hin, bis Naruto ihn vom Herd zog und seinen Tee aufgoss. Früher hatte er nicht wirklich Tee genießen können, heute war das anders. Es beruhigte seine Nerven, ganz im Gegensatz zu dem Kaffee, den er morgens brauchte um richtig in Schwung zu kommen.

 

Naruto pfiff nach den Hunden, verschloss die Tür dann ordentlich und zog sich in sein Wohnzimmer zurück, um es sich mit der Wolldecke bequem zu machen. Obwohl er es selten tat, schaltete er sogar den Fernseher ein und ließ sich davon berieseln, auch wenn seine Gedanken ganz wo anders waren. Sein Blick schweifte in dem eher kargen Raum umher. Noch konnte er sich nicht wirklich vorstellen, wie es hier in einigen Tagen aussehen würde. Aber der Gedanke, Kinder unter seinem Dach zu haben, behagte ihm durchaus sehr. Es war nur zu hoffen, dass die Beiden ihr Lachen wieder gefunden hatten. Bei Keiko lagen die Chancen ja nicht einmal schlecht. Nach allem was er gehört hatte, blühte das Mädchen wieder auf, auch wenn sie noch Phasen hatte, in denen es ihr nicht so gut ging. Taiki war das weitaus größere Problem.

 

Der Junge erinnerte wirklich viel zu sehr an seinen Vater, doch Naruto hoffte irgendwie, dass er es schaffte an den Jungen heran zu kommen. Er musste eben nur etwas finden, womit er diesen packen konnte. Auch wenn genau das wohl die größte Herausforderung werden würde. Taiki war nicht unbedingt jemand, der generell etwas von sich preis zu geben schien. Was traurig war. Kinder sollten Lachen, Spaß haben und Naruto wollte den beiden genau das bieten, wenn sie hier waren.

 

Nur wie er das mit Sasuke managen sollte, wusste er auch nicht. Es würde sicher nicht leicht werden, so lange Zeit auf so engem Raum aufeinander zu hocken. Nicht dass sein Haus winzig war, aber als er in Japan gewesen war, hatte er die Möglichkeit gehabt einfach zu gehen. Hier ging das nicht und hier hatte Sasuke auch niemanden, den er stattdessen aufsuchen konnte.

 

Vor wenigen Tagen hatten sie noch einmal telefoniert, wobei Sasuke sich informiert hatte, ob er wirklich einen derart alten Herd hatte, wie Itachi ihm erzählt hatte. Sasuke hatte sich scheinbar vorgenommen, die Verpflegung zu übernehmen. Was Naruto nur recht war. Sasuke konnte, genau wie Itachi, die Küche dafür nutzen, wozu gedacht war, während er eher alle vergiften würde. Sie hatten auch über das Essen gesprochen, wobei Naruto schnell bemerkt hatte, dass Sasuke sich offensichtlich informiert hatte, wie man Weihnachten außerhalb Japans feierte.

 

Diese Tatsache für sich sorgte dafür, dass sein Magen geflattert hatte. Es war ein wahnsinnig angenehmer Gedanke, dass der Uchiha versuchte Weihnachten so zu verbringen, wie er vermutlich annahm, was nun normal für Naruto war. Dass es auch für ihn ein erstes Mal war, wollte er nicht wirklich offen zugeben. Früher, in ihrer Jugend, hatten sie Weihnachten immer zusammen verbracht und dafür immer abwechselnd die Häuser ihrer Freunde in Beschlag genommen. Das waren Zeiten, an die Naruto sich durchaus gerne erinnerte.

 

In der ersten Zeit waren diese traditionalen Treffen noch unschuldig geblieben, im Laufe der Zeit, je älter sie geworden waren, allerdings nicht mehr. Eigentlich hätte es ewig so weiter gehen können. In den ersten Jahren war nicht einmal Hikari Teil dieser Tradition gewesen. An diesem Tag hatte Sasuke einfach ihm gehört. Aber kurz vor dem Abschluss hatte sich das ebenfalls geändert.

 

Manchmal fragte Naruto sich, ob sein größtes Problem vielleicht war, dass er mit Veränderungen nicht klar kam. Auf der anderen Seite wusste er sehr genau, dass das kaum das Problem war. In ihrem Freundeskreis hatte es immer Veränderungen gegeben, neue Beziehungen waren entstanden und dabei neue Personen zu ihrem Kreis zugefügt worden. Genauso war es gelaufen, wenn jemand sich getrennt hatte, nur dass die neue Person dann wieder verschwunden war. Auch die Veränderung, herzukommen hatte ihm keine Probleme bereitet, oder die Tatsache, dass er nun zwei Rüden besaß.

 

Veränderungen waren nicht das Problem, sondern wohl eher, was diese Veränderung bewirkte, wenn es mit Sasuke zu tun hatte. In dem Fall dieser Feiertage hoffte er aber inständig, dass Sasuke sich durchaus verändert hatte, wenn auch nur in einem einzigen Punkt. Er sollte nicht fragen, was damals passiert war. Am Liebsten wäre es Naruto, wenn die Fragen ganz ausblieben.

 

Seufzend schaltete er den Fernseher wieder aus, brachte die Tasse in die Küche, ehe er nach oben schlich, den Kamin anfachte und dann sich für die Nacht fertig machte. An kalten Tagen vermisste er durchaus die Heizung, andererseits hatte der Kamin seinen eigenen Charme. Bei einem duftenden Torffeuer einschlafen zu können war wirklich angenehm.

 
 

***
 

 

Die Tage vergingen wie im Flug.

 

Zwei Tage bevor Sasuke ankommen würde, lief Naruto aufgescheucht durch das Haus und dekorierte was das Zeug hielt. Figuren von Schneemännern fanden ihren Platz auf dem Kaminsims im Wohnzimmer, eingerahmt von zwei Schalen, die er später noch füllen würde. Eine lange, buschige, grüne Girlande zierte den Rahmen des Kamins und vier Kerzen in zwei verschiedenen Größen rundeten das Bild ab.

 

Weitere Girlanden mit kleinen Mistelzweigimitaten wurden um das Geländer der alten Treppe geschlungen und der Baumschmuck stand in der Ecke, die Naruto für den Baum vorbereitet hatte. Dann verschwand er nach oben, nur um festzustellen, dass er etwas ziemlich wichtiges vergessen hatte. Zwar waren beide Gästeräume mit einem großen Doppelbett und einem Schrank ausgestattet, doch damals hatte er klar sich dafür entschieden, die entsprechenden Decken später zu besorgen.

 

Seufzend schnappte er sich die beiden Hunde, um noch einmal einen Abstecher in die Stadt zu machen, nachdem er die beiden wieder bei der Nachbarin abgeliefert hatte. Sie mitzunehmen war keine Option und so auf den letzten Drücker wollte er auch nicht riskieren, dass sie noch einmal etwas zerstörten.

 

Die Stadt selbst war brechend voll. Was Naruto nicht wunderte. Vermutlich war es ganz egal wo auf der Welt man kurz vor Weihnachten einkaufen ging, all jene, die ihre Geschenke in letzter Sekunde besorgten, belagerten die Geschäfte. Er bahnte sich seinen Weg durch die einzelnen Geschäfte, besorgte Decken, Kissen, sogar neue Bettwäsche und machte dann einen Abstecher, um noch mehr Dekoration zu besorgen, damit er die Kamine in den Gästezimmern auch ein wenig dekorieren konnte.

 

Wieder zurück machte er sich gleich ans Werk. Er wusch die Bettwäsche und trocknete sie im Trockner, da sie sonst wohl kaum noch trocken werden würde. Er dekorierte die beiden Gästezimmer, putze ordentlich – wie auch den Rest des Hauses zuvor – und zog schließlich die frisch duftende Bettwäsche auf, bevor er die Tür ordentlich verschloss, damit die Hunde nicht dort rein gingen.

 

Am Tag darauf fuhr er mit den Hunden zu einem seiner Nachbarn, mit dem er bereits telefoniert hatte. Zusammen mit dessen erwachsenem Sohn liefen sie zu dem Waldstück, das zu deren Grundstück gehörte. Naruto suchte sich eine kleine, hübsch gewachsene Tanne aus, die er mit einigen Schwierigkeiten schlug und dann auf das Dach seines Wagens verschnürte. Zurück in seinem Haus wuchtete er das Ding in das Wohnzimmer und stellte es auf, um dann alles zu schmücken. Zufrieden betrachtete er schließlich sein Werk. Die beiden Kugelfarben harmonierten schön miteinander, die Figuren gaben einem etwas zum schauen, während Licht und die Girlanden das ganze abrundeten.

 

Am nächsten Morgen fuhr er noch einmal in die Stadt um die Lebensmittel für die Feiertage zu kaufen. Sasuke hatte ihm eine ziemlich lange Liste geschickt, nicht nur was das Festessen anging, sondern auch Dinge, auf die er wegen seiner Kinder einfach bestand. Naruto war noch immer etwas angefressen, dass Sasuke ihm unterstellt hatte, dass seine Kinder sonst von nichts gesunden leben würden, während sie da waren. Aber natürlich hielt er sich nicht nur an die Liste. Neben allerlei gesunden Dingen landeten Weihnachtsgebäck, Nüsse und Süßigkeiten in seinem Einkaufswagen.

 

Die Hunde holte er dann nicht ab. Er hatte mit seiner Nachbarin abgesprochen, dass sie die beiden am Nachmittag vorbeibringen würde, wenn sein besuch angekommen und ein wenig entspannt hatte. Ansonsten würden die beiden eh nur immer hin und her geschoben werden, bis alles erledigt war.

 

Er wuchtete die vielen Taschen in die Küche und räumte die Sachen weg. Den Vogel, den Sasuke am Weihnachtstag machen wollte, würde er erst am Abend zuvor abholen. Von einem der Bauern, frisch geschlachtet. Die Massen an Lebensmitteln, die er nun besorgt hatte, überforderten ihn aber doch etwas. Er konnte sich nicht daran erinnern, je so viel gehabt zu haben. Meistens ernährte er sich eh nur von Fertiggerichten und eben dem, was man ihm netterweise vorbei brachte. Nun war sein Kühlschrank brechend voll, genauso wie die Schränke über der Küchenzeile. In einer Ecke stapelten sich Kisten mit Getränken.

 

Er schnappte sich das Gebäck und die Süßigkeiten, um es in die Schalen zu verteilen, die er auf den Kaminen platziert hatte. Als er endlich fertig war, atmete er erleichtert durch. Es roch angenehm weihnachtlich und er hatte sogar noch zeit, bis er los musste. Aber genau das war das Problem. Nun wo er mit allem fertig war und keine Ablenkung mehr hatte, kamen die Gedanken zurück. Die Angst, dass etwas schief gehen würde, die Freunde, dass er Sasuke und seine Kinder für eine Weile für sich hatte.

 

Und wieder einmal stellte sich die Frage, wie er nur in diese Situation geschlittert war. Er musste wirklich lernen Nein zu sagen. Ganz dringend!

 
 

***
 

 

Der Flughafen war – wie die Stadt – ziemlich voll, als Naruto diesen erreichte und sich durch die wartenden Menschen einen Weg bahnte. Er war etwas zu früh dran, was aber ganz gut so war. So hatte er noch Zeit sich einen guten Platz zu suchen und seine Nerven ein wenig unter Kontrolle zu bekommen. Er wollte nicht wirklich daran denken, was die nächsten drei Wochen alles schief laufen konnte, genauso wenig wollte er hinterfragen, warum Sasuke sich ein Besuch in den Kopf gesetzt hatte.

 

Spätestens als er die Familie endlich erblickte, beruhigten seine Nerven sich endlich und er trat mit einem Lächeln auf die drei zu. Sasuke hatte Keiko auf den Arm, während er Taiki an der Hand hielt. Die drei sahen unglaublich erschöpft aus, was bei diesem Langstreckenflug wohl auch kaum verwunderlich war. Mit einem Lächeln kam Naruto auf sie zu und nahm Sasuke das Mädchen ab, welches mehr döste als dass sie noch richtig wach war. „Kannst du kurz auf sie aufpassen? Dann hole ich das Gepäck.“, bat Sasuke ihn. Naruto nickte leicht und hielt Taiki die Hand hin. Er zögerte deutlich, ergriff sie dann aber doch, auch wenn er seinem Vater misstrauisch hinterher blickte, als dieser sich von ihnen entfernte.

 

„Dein Dad holt eure Sachen. Am Besten setzen wir uns, dann kannst du dich etwas ausruhen!“, schlug Naruto vor und dirigierte den Jungen zu dem Wartebereich, wo Taiki auf einen der Stühle kletterte. Keikos Arme festigten sich um Narutos Nacken. „Daddy sagt, du hast zwei große Hunde!“, erklärte sie schüchtern und blickte aus ihren dunklen Augen zu ihm auf. Naruto nickte leicht. „Rasengan und Chidori. Aber sie sind lieb, nur noch etwas jung und stürmisch!“, erklärte er ihr, was Keiko zum Kichern brachte. Das Mädchen zog sich etwas hinauf. „Onkel Itachi sagt, einer ist wie Daddy, aber ich darf es ihm nicht sagen!“, wisperte sie ihm ins Ohr, ehe sie etwas abrückte und ihn streng anblickte.

 

Fast hätte Naruto gelacht, als er sich ebenfalls auf einen der Plätze nieder ließ. „Ich werde es ihm nicht verraten. Ehrenwort!“, versprach er. Zufrieden mit seiner Antwort schmiegte das Mädchen sich an ihn und Naruto konnte regelrecht fühlen, wie sie sich mehr und mehr entspannte.

 

Als Sasuke zurück kam, zog er eine seiner Augenbrauen nach oben. Naruto saß auf einem Stuhl, die schlafende Keiko im Arm, während auch Taiki sich nicht länger hatte wehren können und nun schlafend an Naruto lehnte. Er stellte den Wagen ab, auf dem ihr Gepäck verfrachtet war, um Taiki vorsichtig auf den Arm zu nehmen. „Lass uns gehen. Ich bin nicht weniger erschöpft!“, erklärte er, balancierte den Jungen auf seinem Becken, während er versuchte den Wagen einigermaßen unfallfrei durch die Menge zu dirigieren. Naruto folgte ihm.

 

Als sie den Wagen erreichten, war es an Naruto, sich das Lachen zu verkneifen. Sasuke blickte genauso kritisch wie Itachi es getan hatte, als er den Wagen erblickte. Mit einem frechen grinsen schloss Naruto die Tür auf und verfrachtete das Mädchen vorsichtig auf den Rücksitz. „Dein Bruder lebt auch noch und er hat einige Male in diesem Wagen gesessen!“, erklärte er schmunzelnd, während Sasuke seinen Sohn ebenfalls auf den Rücksitz verfrachtete.

 

Sasuke schnaubte wenig amüsiert. „Wir werden sehen!“, war alles was er dazu sagte, bevor er Naruto half ihr Gepäck zu verstauen, was nicht wirklich einfach war. So groß war der Laderaum eben doch nicht. Aber letzten Endes schafften sie es und während Sasuke erschöpft auf den Beifahrersitz zusammen sackte, ließ Naruto sich hinterm Steuer nieder und fuhr langsam von dem Parkplatz des Flughafens.

 

Sie beide schwiegen, während Naruto sich auf den dichten Verkehr konzentrierte. Erst als sie Ballyshannon hinter sich ließen und langsam in die ländlichere Gegend kamen, änderte es sich. Sasuke hatte den Kopf abgewendet und blickte aus dem Fenster. „Als Itachi mir erzählt hat, wie abschüssig du lebst, habe ich es ihm nicht geglaubt!“, murmelte er, vermutlich sprach er eher zu sich selbst. Naruto brummte leise. „So schlimm ist es nicht. Ich mag die Ruhe!“, gab er ehrlich zu und konzentrierte sich weiter auf den Weg, auch wenn er spürte, dass Sasuke ihn mittlerweile anschaute. „Du hast dich verändert!“, war der einzige Kommentar, der noch folgte.

 

Als sie endlich den schmalen Weg erreichten, drosselte Naruto das Tempo, um nicht zu viele Erschütterungen zu riskieren. Durch den Rückspiegel konnte er sehen, dass die beiden Kinder noch immer schliefen und wecken wollte er sie nun nicht. Langsam folgte er der unbefestigten Straße und parkte schließlich vor dem Haus.

 

„Lass uns zuerst die Koffer rein bringen. Die beiden schlafen eh noch!“, schlug er vor und half erneut beim ausladen. Zusammen wuchteten sie die drei großen Koffer die Treppen hinauf. Naruto bemerkte durchaus, wie Sasuke sich neugierig umschaute, ging aber nicht weiter darauf ein. Sasukes Koffer landete in dem Zimmer direkt neben Narutos, während das Zimmer für die Kinder gegenüber lag.

 

Sofort nachdem er den Koffer abgestellt hatte, ging Naruto vor dem Kamin in die Hocke. Er hatte bereits alles vorbereitet, so dass es nicht lange dauerte, bis in dem Kamin ein angenehmes Feuer brannte. „ich hoffe die beiden wissen, dass man mit Feuer nicht spielen darf!“, erklärte Naruto halb fragend, während er zu dem Uchiha schaute. „hier gibt es keine Heizungen. Das Haus ist alt und ich wollte es nicht so weit umbauen lassen, dass die Kamine unnütz werden!“ Sasuke nickte leicht.

 

Es war beruhigend. Im ersten Moment hatte Naruto sich darüber keine Gedanken gemacht, aber in diesem Moment war ihm bewusst geworden, dass Kinder oft Dinge taten, die nicht unbedingt gut waren. Er richtete sich wieder auf und schob die Blende vor die Feuerstelle, bevor sie gemeinsam nach draußen gingen und die Kinder holten. Keine fünf Minuten später lagen sie noch immer friedlich schlummernd in dem riesigen Bett.

 

Auch in Sasukes Zimmer feuerte Naruto den Kamin an, ehe sie beide wieder nach unten gingen. „Kaffee?“, fragte er, doch Sasuke schüttelte nur müde den Kopf. „Ein Tee und dann ein Bett zum ausschlafen!“, gestand er. Naruto nickte, ging zu dem alten Herd rüber und machte sich ans Werk, diesen anzufeuern. Als Sasuke neben ihn trat, bemerkte er schnell, dass dessen Müdigkeit zumindest für den Moment wohl verschwunden war.

 

„Ich hätte nicht gedacht, dass diese alten Dinger wirklich noch benutzt werden!“, erklärte er verblüfft. Dabei schaute er über Narutos Schulter. „Ich hätte alles darauf gewettet, dass Itachi Mist erzählt.“ Naruto konnte nichts anders, als zu lachen. „Nun, dein Bruder hat es bis zum Ende nicht geschafft, ihn richtig in gang zu bekommen. Vielleicht beweist du mehr Geschick!“, meinte er herausfordernd, rutschte zur Seite, um Sasuke das Ruder zu überlassen.

 

Zu seinem Erstaunen schaffte Sasuke es recht schnell, das Feuer zu entfachen. Aber wenn er Recht darüber nachdachte, war es vermutlich nicht so verwunderlich. Damals, wenn sie in den Sommern Zelten gegangen waren, war Sasuke einer derjenigen gewesen, der sich um das Lagerfeuer gekümmert hatte, welches sie auch zum Kochen verwendet hatten. Sasuke schien bei solchen Dingen eindeutig mehr Talent zu haben als sein größerer Bruder. Es freute Naruto irgendwie, auch weil Sasuke es wohl sein würde, der in den nächsten drei Wochen für ihr leibliches Wohl sorgen würde.

 

Während das Wasser im Kessel erhitzt wurde, bereitete Naruto die beiden Tassen vor. Sasuke selbst hatte sich an das Fenster gestellt und blickte hinaus, auch wenn außer Schwärze kaum noch etwas zu erkennen war. Seine Haltung war entspannt. Naruto erinnerte sich nicht mehr, wann er Sasuke das letzte Mal so entspannt erlebt hatte. Bei seinem kurzen Abstecher vor einer Weile war davon selbstverständlich nichts zu sehen gewesen. Aber auch davor, bevor er Japan den Rücken gekehrt hatte, hatte er Sasuke nicht mehr so gesehen.

 

Der Kessel fing an zu pfeifen und Naruto zog ihn vom Herd, ehe er das heiße Wasser in die beiden wartenden Tassen laufen ließ. Zusammen mit einem Teller für die beiden Teeeier stellte er sie dann auf den Tisch. „Wie war euer Flug, abgesehen davon, dass er lange gedauert hat?“, fragte er schließlich nach. Die Stille zwischen ihnen war ihm unangenehm und noch immer hatte er keine wirkliche Ahnung, wie er mit dem Uchiha umgehen sollte. Er erwartete oder fürchtete eher, dass die verhassten Fragen erneut beginnen würden. Wirkliche Themen hatten sie aber auch nicht, über die sie reden konnten. Die getrennten Jahre zwischen ihnen hatten da eindeutig einiges vernichtet. Online war es hingegen ein wenig einfacher.

 

„Nicht prickelnd. Taiki hat es nicht so gut verkraftet. Ansonsten, was erwartest du? Schlechtes Essen und zu lange sitzen sind nicht unbedingt prickelnd!“, erklärte Sasuke, entfernte das Teeei und nahm einen vorsichtigen Schluck aus seiner Tasse. Naruto brummte leise. Er wusste was Sasuke meinte. Auf dieser Strecke war ein Flug nicht zu vermeiden, aber leider bedeutete es nicht, dass es angenehm war. Ganz im Gegenteil.

 

„Und die Kinder?“, fragte er schließlich vorsichtig nach, ehe auch er an seinem Tee nippte. Sasuke schwieg eine ganze Weile, ehe er schwer seufzte. „Es ist nicht leicht!“, gab er schließlich zu. Naruto konnte den Widerwillen in der Stimme hören, schwieg aber dazu. Es war wohl verständlich. Auch wenn mittlerweile einige Monate vergangen waren, waren die Wunden sicher noch frisch. Bei allen dreien, auch wenn es Naruto einen Stich versetzte, den er versuchte so schnell wie möglich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

 

„Itachi hat den Vorschlag gemacht, herzukommen.“, gab Sasuke schließlich beiläufig zu. Ein ungutes Gefühl stieg in dem jungen Autor auf. „So?“, antwortete er relativ gelassen, versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich durchaus fragte, wie weit er Itachi wirklich vertrauen konnte. Der Uchiha gab einen Laut von sich, der typisch für ihn war. Generell konnte man diesem wohl so ziemlich jede Übersetzung zukommen lassen, ganz gleich ob es ein Ja, ein Nein, oder ein verzieh dich war. Es passte immer. „Er meint, eine Auszeit würde uns gut tun. Vielleicht hat er Recht damit!“

 

Überrascht drehte Naruto den Kopf und musterte den Uchiha neben sich. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Sasuke erschöpft wirkte und das war gewiss keine Erschöpfung, die nur von dem langen, anstrengenden Flug kam. Sein Gesicht war schmaler geworden, der Blick verschlossener und tiefe Schatten lagen unter den dunklen Augen. Jetzt wo er genau hinsah, fragte Naruto sich, wann Sasuke das letzte Mal wirklich ausgeschlafen hatte. Wann er seine Sorgen beiseite gefegt hatte und nur an sich gedacht hatte. Vermutlich lag das wahnsinnig weit in der Vergangenheit.

 

„Vielleicht hat er Recht!“, gab Naruto nachdenklich zu. „Du siehst erschöpft aus. Vielleicht hilft dir die Ruhe ja ein wenig.“ Es war zu hoffen. Hier würde Sasuke sich aber kaum Gedanken machen müssen. Die Zwillinge konnten sich frei bewegen und weit und breit gab es keine Autos oder Straßen die ihnen gefährlich werden konnten. Sie konnten raus in die Felder gehen und mit den beiden Hunden würde ihnen wohl auch kaum langweilig werden.

 

„Vielleicht!“, antwortete Sasuke abweisend, schob die nun leere Tasse von sich und erhob sich erneut. „Wir reden morgen, ja?“, fragte er nach, woraufhin Naruto nur leicht nicken konnte. Sasuke sah wirklich müde aus, als er sich abwendete und langsam die Treppe nach oben schlich. Schlaf würde ihm wirklich gut tun.

 

Naruto selbst räumte den Tisch ab, ehe er die Treppe ansteuerte, um nach oben zu kommen. Weit kam er allerdings nicht. Es klopfte an der Haustür. Für den Moment hatte er wirklich nicht daran gedacht, dass seine beiden Monster bald zurückkommen würden, doch als er sich wieder herumdrehte, um zur Tür zu kommen, freute er sich richtig auf die beiden Rüden. Eigentlich hatte er schreiben wollen, doch für den Moment fand er die Idee viel besser, sich ebenfalls zurück zu ziehen, den Kamin anzufeuern und noch etwas zu lesen.

 

Als er die Tür öffnete, sprangen Rasengan und Chidori aufgeregt um ihn herum. Naruto hatte alle Hände voll zu tun, die beiden Rüden zu bändigen. „Vielen Dank, dass du sie heute gehütet hast!“, bedankte er sich bei der alten Frau, die verschmitzt abwinkte. „Kein Problem, ich hoffe dein Besuch ist gut angekommen?!“ Naruto nickte. Ja, sein besuch war gut angekommen, auch wenn er noch immer nicht wusste, ob es eine gute Idee gewesen war. Jetzt war es allerdings zu spät für einen Rückzieher.

 

Sie unterhielten sich noch einige Minuten, ehe Naruto versprach, am zweiten Weihnachtstag vorbei zu kommen. Als die Tür endlich wieder ins Schloss fiel, machte er sich daran seinen Plan für den Abend in die Tat umzusetzen. Er kochte sich einen weiteren Tee, feuerte den Kamin im Wohnzimmer an und machte es sich anschließend auf dem Sofa bequem. Rasengan lag wie immer bei seinen Füßen, während Chidori es sich hinter ihm bequem gemacht hatte. Zumindest für diesen Abend war seine Entscheidung kein Fehler gewesen. Er würde sehen, was die kommenden Tage brachten.

 
 

***
 

 

Zitternd zog Naruto die Decke enger um sich, als er am nächsten Morgen wach wurde. In seinem Zimmer war es unglaublich kalt und als er sich erhob, um den Kamin erneut anzufeuern, verstand er auch warum. Die ganze Umgebung, die am Abend zuvor noch aus einem vertrockneten Grün und trostlosen Braun bestanden hatte, war über Nacht mit einer weißen Decke zugedeckt worden. Dicke, dichte Flocken segelten noch immer unaufhörlich zur Erde hinab.

 

Er versuchte die Decke nicht zu verlieren, während er Torf nach legte und dieses zum brennen brachte. Besonders erfolgreich war er damit nicht. Die Decke rutschte immer wieder über seine Schultern weg. Als der Kamin endlich soweit war, richtete er sich auf, suchte aus seinem Schrank eine dicke Jogginghose und einen ebenso dicken Pullover, in den er gleich hinein schlüpfte. Das war eindeutig ein wenig angenehmer. Wenn es weiter so schneite, musste er zusehen, dass die Kamine in den nächsten Tagen nicht erloschen, damit das Haus nicht so stark abkühlte über Nacht.

 

Angezogen verließ er schließlich sein Schlafzimmer. Im ganzen Haus war es noch vollkommen still, was ihn aber kaum verwunderte. Nicht nur, dass er auch in der Heimat diese Familie so gut wie nie gehört hatte, er nahm auch an, dass alle drei noch selig schliefen. Einen Moment überlegte er, ob er sich in die beiden Gästezimmer schleichen sollte, um die Kamine neu anzufeuern, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte seine Gäste wirklich nicht wecken.

 

Statt dessen ging er nach unten, wo er im Wohnzimmer den Kamin ebenfalls wieder in Gang brachte, bevor er in die Küche verschwand. Wie immer öffnete er die Tür für die beiden Hunde und nutzte die Zwischenzeit, um den alten Herd in Gang zu bekommen. Gerade als er den Kessel auf den Herd setzte, hörte er polternde Schritte auf der Treppe. Neugierig drehte er sich herum und erblickte im nächsten Augenblick die Zwillinge, die in ihrer Nachtkleidung herunter kamen. Als sie ihn entdeckten, strahlte Keiko über das ganze Gesicht. „Schnee! Draußen ist Schnee!“, erklärte sie aufgeregt und kam auch die restlichen Stufen hinab. Taiki folgte ihr eher vorsichtig.

 

Naruto lächelte leicht. „Ja, es hat heute Nacht geschneit.“, erklärte er und deutete zu der Tür. „Aber wenn ihr raus wollt, solltet ihr euch lieber etwas anständiges anziehen. Sonst werdet ihr beiden krank!“ Er persönlich hatte nichts dagegen, wenn die Kinder raus in den Garten gingen. Wie Sasuke das war, war ihm im Moment auch vollkommen egal. Damals, als sie jung gewesen waren, hatte Schnee auf sie auch diesen Zauber gewirkt. Zumindest bei ihm, wie es dabei Sasuke ausgesehen hatte, konnte Naruto nicht wirklich sagen.

 

Keiko nickte eifrig, wirbelte herum und rannte die Treppe wieder nach oben. Naruto verzog dabei leicht das Gesicht. Wenn Sasuke jetzt noch schlief, hatte dieser eindeutig einen begnadeten Schlaf. Er wusste nicht, ob er in der Lage wäre, bei diesem Radau einfach weiter zu schlafen. Auf der anderen Seite konnte er aber auch nicht leugnen, dass es ein angenehmes Gefühl war, Kinder im Haus zu haben. Nach all der Zeit, die er hier alleine verbracht hatte, wirkte das Haus nun mit einem Schlag viel lebendiger.

 

Taiki war stehen geblieben und schaute unsicher zu ihm. „Du solltest dir auch etwas anziehen!“, meinte Naruto schließlich sanft. „Auch wenn du nicht mit raus willst!“ an diesem Morgen war das Haus nicht warm genug, um in einem dünnen Schlafanzug durch die Gegend zu laufen. Naruto wollte ja auch nicht, dass der Junge krank wurde. Er selbst hatte das gerade erst hinter sich, so etwas wünschte man wirklich niemanden.

 

Noch immer bewegte der Junge sich nicht. Statt dessen griff er nach dem unteren Saum seines Oberteils und spielte damit herum. Eine Geste, die Naruto eindeutig als Unsicherheit erkannte. Er runzelte leicht die Stirn, wusste aber nicht so wirklich was er nun damit anfangen sollte. Mit Keiko war es von Anfang an leichter gewesen, das Mädchen war offener. Taiki hingegen war still und verschlossen, wie Sasuke eben. Ins Herz geschlossen hatte er jedoch beide Kinder.

 

„Na komm, wir gehen hoch zu deiner Schwester und dann ziehst du dich an!“, schlug Naruto vor, ging einige Schritte auf den Jungen zu und hielt dann seine Hand hin, damit der Junge sie greifen konnte. Es dauerte, doch dann ließ dieser wirklich den Saum los und klammerte sich regelrecht an seine Hand. Naruto hatte den Verdacht, dass der Junge sich in dieser ungewohnten Umgebung noch nicht wirklich wohl fühlte. Das war jedoch etwas, was wohl die Zeit verändern würde.

 

Zusammen gingen sie wieder nach oben und in das Zimmer, das die beiden sich teilten. Keiko hatte bereits ihr Nachthemd ausgezogen und versuchte in eine Hose zu kommen, mit der sie eindeutig ihre Probleme hatte. Lachend ließ Naruto den Jungen los und öffnete den Knopf der Hose, der es Keiko unmöglich gemacht hatte, die Hose hoch zu bekommen. „Du musst sie aufmachen, sonst klappt das nur sehr schlecht!“, neckte er das Mädchen, fuhr ihr sanft über den Kopf, bevor er die Kleidung der Kinder in Augenschein nahm.

 

Was wem gehörte, war kaum zu verkennen. Entsprechend leicht war es für ihn auch, eine warme Hose und einen Pullover herauszuziehen, die Taiki anziehen konnte. Als er die Sachen dem Jungen reichte, blickte Keiko zu ihm auf. „Er kann das nicht!“, erklärte sie. Naruto wusste nicht so wirklich wie er die Tonlage einstufen sollte, die sie dabei benutzte. „Er kommt nie durch das Loch!“, fügte sie hinzu und schlüpfte in den Pullover, den sie sich ausgesucht hatte. Irritiert blickte Naruto zu dem Jungen, auf dessen Wangen sich ein leicht roter Schimmer ausgebreitet hatte. „Welches Loch?“, fragte er nach, schon weil er kein Wort verstanden hatte.

 

Als Keiko den Pullover an hatte, trat sie auf ihn zu. „Na den Pullover!“, erklärte sie altklug, als wenn es das normalste der Welt wäre. Naruto lächelte leicht, ehe er zu dem Jungen ging und ihm den Pullover abnahm. „Das ist für Jungs auch gar nicht so leicht!“, erklärte er dann und half Taiki, das störrische Kleidungsstück anzubekommen. „Ich brauchte selbst mit 15 noch Hilfe dabei!“ Was nicht gelogen war, auch wenn es weniger daran gelegen hatte, dass er es nicht gekonnt hatte, sondern viel mehr seine Hektik es ihm schwer gemacht hatte, sodass andere eingegriffen hatten, bevor er sich strangulierte. Natürlich mit der entsprechenden Portion Sarkasmus, was er aber auch für sich behielt. Die Beiden wurden bald erst sechs, da war es kein Weltuntergang, wenn sie noch ihre Probleme hatten Kleidung richtig anzuziehen.

 

Nachdem auch Taiki sich fertig angezogen hatte, half Naruto ihnen in die Schuhe, wobei er erst einmal ausführlich erklären musste, dass das hier nichts schlimmes war. Die Kinder kannten die japanischen Traditionen, da zog Man Schuhe nicht in einem der Zimmer an, sondern brav im Flur. Solange diese aber nicht vollkommen verdreckt waren, störte es sonst niemanden so wirklich, wenn man sie woanders anzog.

 

Zusammen gingen sie schließlich nach unten, wo Naruto zuerst den pfeifenden Kessel vom Herd zog, bevor er die dicken Jacken prüfte und dann die Tür ganz aufzog. Noch immer segelten dicke Flocken Richtung Boden und Naruto war froh, dass er für die Kinder Mützen gefunden hatte, die die beiden sich auch brav anzogen, ehe sie durch die Tür gingen. Keiko zögerte dabei keine Sekunde, während Taiki ihr eher langsam folgte. Auch Naruto folgte den beiden, denn das bevorstehende Treffen wollte er ganz gewiss nicht ohne Aufsicht verlaufen lassen.

 

Kaum waren die beiden raus gekommen, unterbrachen die beiden Rüden ihr wildes Spiel und schauten neugierig zu ihnen. Rasengan war der erste, der sich in Bewegung setzte und instinktiv trat Naruto vor die Kinder, um zu verhindern, dass der Hund die beiden einfach umrannte. Der Rüde war kräftig genug, dass die Zwillinge kaum eine Chance hatten. Chidori trabte gemächlich hinterher.

 

Rasengan sah allerdings auch nicht ein, sich irgendwie zurück zu halten. Der helle Hund drängte sich einfach an Naruto vorbei und stand bald darauf vor Taiki. Entgegen Narutos Befürchtungen, rannte er den Jungen aber nicht um. Direkt vor ihm blieb er stehen, schnupperte aufgeregt, während seine Rute wie wild von einer Seite zur anderen wedelte. Für einen Moment war er unschlüssig, ob er den Hund zurückziehen sollte, doch als Taiki scheu die Hand hob und die Finger in das drahtige Fell schob, entschied er sich um. Es war winzig, nahezu nicht zu sehen, doch Taikis Mundwinkel zuckten für einen Moment nach oben, als er das Fell unter seinen Fingern fühlte. Vielleicht war Rasengan genau der Richtige, um den scheuen Jungen ein wenig aus sein Schneckenhaus zu holen.

 

Chidori hingegen gesellte sich zu Keiko, die eindeutig weniger Berührungsängste hatte. Mit einem quietschenden Laut kraulte sie den ruhigen Rüden, der sich das gerne gefallen ließ. Als die vier begannen im Garten zu toben, zog Naruto sich etwas zurück, machte sich in aller ruhe einen Tee fertig und genoss das Bild vor sich. Es fühlte sich einfach richtig an. Der Mann, den er liebte lag oben und schlief sich aus, während die Kinder, die Naruto tief ins Herz geschlossen hatte, ausgelassen durch den Schnee tollten. Selbst Taiki taute langsam auf und endlich konnte man auch in ihm ein Kind sehen, das noch wusste was es hieß unbeschwert zu sein. Nur das Wissen, dass diese Szene auf Zeit sein würde, trübten die angenehmen Gefühle, die Naruto gerade empfand, auch wenn er versuchte das Gefühl weit von sich zu schieben.

 
 

***
 

 

Naruto ließ die beiden knapp eine Stunde draußen spielen, während er ein anständiges Frühstück vorbereitete. Aus den Listen, die Sasuke ihm geschickt hatte, wusste er ja auch, was die beiden so mochten und vor allem was davon sie auch durften, auch wenn er sich nicht komplett daran hielt. Die drei waren hier im Urlaub, da waren Ausnahmen zu vertreten, solange es eben nicht zu etwas alltäglichem wurde.

 

Der Ofen heizte den Raum angenehm auf, so dass die beiden aus ihren nassen Hosen stiegen, als sie wieder herein kamen und Naruto die Tür geschlossen hatte. Die Wangen der beiden waren gerötet und ihre Augen leuchteten vor Freude. Als er in Japan gewesen war, hätte er sich kaum vorstellen können, die Zwillinge einmal so gelöst zu sehen, wie es im Augenblick der Fall war. Selbst die beiden Hunde schienen Gefallen an dem Besuch gefunden zu haben. Rasengan wich kaum von Taikis Seite, während Chidori sich zwischen dem Mädchen und Naruto niedergelassen hatte.

 

„Ich muss gleich zu einem Bauern und das Essen für morgen holen!“, erklärte Naruto schließlich, während er mit ihnen frühstückte. „Wenn ihr wollt, lassen wir eurem Vater einen Zettel da, damit er weiß wo wir sind und ihr kommt mit. Dann seht ihr auch ein bisschen was von der Umgebung!“ Sie würden zwar eine Weile unterwegs sein, aber Bewegung tat ja auch gut.

 

Keiko nickte begeistert, während Taiki unsicher zur Treppe schielte. „Du musst nicht mit, wenn du nicht möchtest!“, sagte Naruto sanft. „Wenn du lieber bei deinem Vater bleiben willst, kannst du das machen.“ Doch der Junge schüttelte den Kopf. „ich möchte mit!“, sagte er leise, senkte aber sofort den Blick, um weiter zu Essen. Naruto beließ es dabei. Taiki brauchte eben noch Zeit um wirklich aufzutauen und er hatte nicht vor, den Jungen da zu drängen. Ihm war ja klar, dass er vorsichtig sein musste. Der Junge war seinem Vater sehr ähnlich, auch wenn er heute deutlicher sehen konnte, dass Taiki im Grunde vollkommen überfordert und verunsichert war. Im Gegensatz zu Sasuke damals. Dieser hatte wirklich um sich gebissen, damit niemand ihm zu nahe kam.

 

Nach dem Essen räumten sie gemeinsam den Tisch ab und während die Zwillinge sich trockene Hosen anzogen, schrieb er eine kleine Nachricht an Sasuke, dass sie zusammen unterwegs waren, um das Essen für den ersten Weihnachtstag zu holen. Sie würden aber pünktlich zum Essen zurück sein. Nachdem alle fertig waren, verließen sie zusammen mit den Hunden das Haus.

 
 

***
 

 

Der Schneefall hatte sich nicht wirklich gelegt. Es kam Naruto eher so vor, als wenn das Treiben sogar noch ein wenig dichter geworden war, was weder den Hunden, noch den Kindern etwas auszumachen schien. Sie liefen ein gutes Stück vor ihm, wobei Rasengan und Keiko auf dem Pfad tobten, während Chidori gemächlich neben Taiki herlief, der sich mit großen Augen umschaute. Diese Umgebung war wohl alles andere als vertraut. Nicht nur, weil er nie hier gewesen war, sondern auch, weil er aus Japan eine so wilde Gegend eher nicht kannte. Hier gab es keine Häuser die sich aneinander reihten, keine befestigten Straßen, keine Autos und keine Menschenmassen. Es gab nur die raue Natur, ein Pfad den man unter dem Schnee nicht erkennen konnte und sie.

 

„Dort hinten liegt das Meer!“, erklärte Naruto und deutete in die entsprechende Richtung, als er zu dem Jungen aufgeschlossen hatte. „Keiner mit Sandstrand, aber ich gehe trotzdem gerne hin!“ Taiki folgte mit dem Blick die Richtung, in die er gezeigt hatte, ehe er zu ihm aufsah. Einen Moment schien er zu überlegen, bevor er wieder nach oben blickte. „Wenn das Wetter besser wird, können wir ja mal hingegen!“, schlug Naruto schließlich vor. Es war zwar viel zu kalt um ins Wasser zu gehen, dennoch wollte Naruto den beiden zeigen, wo er lebte. In seinen Augen war diese ländliche Gegend Irlands ideal für Kinder. Sie hatten Platz zum Spielen und toben, ohne dass es große Gefahren gab, auf die man nicht hinweisen konnte.

 

Taiki schwieg, nickte aber zaghaft. Naruto hatte das Gefühl, dass gerade dieser Junge diese Umgebung in sich aufsog wie ein trockener Schwamm Wasser aufsaugen würde. Er zeigte es nicht so deutlich wie Keiko, die glucksend und lachend mit Rasengan tobte, aber Naruto sah deutlich, dass auch Taiki sich ein wenig entspannt hatte, seit er am Morgen die Treppe heruntergekommen war. Interessant fand er aber auch, wie die Hunde auf die Kinder reagierten.

 

Rasengan war ein temperamentvoller Hund und hatte sofort das Mädchen angesteuert, während er Taiki kaum beachtete. Er hatte ihn kurz beschnuppert, sich dann aber wieder zu dem neuen Spielpartner gesellt. Chidori hingegen hatte eine eher beschützende Natur und suchte instinktiv die Nähe des schüchternen Jungen. Naruto kam es ein wenig so vor, als wenn der Hund versuchte auf den Jungen aufzupassen. Ihm war es nur recht, es wäre schlimm für ihn gewesen, wenn die vier sich nicht verstanden hätten, was schließlich auch vorkommen konnte. Er war aber auch neugierig, wie die Hunde auf Sasuke reagieren würden und andersherum, Sasuke auf die Hunde.

 

Zusammen bogen sie in einen Feldweg ab und mittlerweile konnte er bereits das alte Bauernhaus sehen, zu dem sie unterwegs waren, auch wenn es noch ein gutes Stück war. Das Schweigen zwischen ihnen war angenehm, was zumindest für Naruto eine durchaus neue, angenehme Erfahrung war.

 

Er musste sich kaum etwas vor machen. Von seiner Natur aus war er eher ein Mensch, der im Mittelpunkt stand. Es fiel ihm leicht Freundschaften zu schließen, schon weil er niemals aufgab. Vermutlich stellte Irland genau deswegen einen so heftigen Kontrast zu ihm dar, dass die Sorge der anderen wohl verständlich war. Irland war zu ruhig für ihn, zumindest wenn man davon ausging, was andere von ihm glaubten zu wissen. Beschweren konnte er sich aber wirklich nicht, er liebte seine neue Heimat und auch wenn er gerade nach Itachis Besuch sich wahnsinnig einsam gefühlt hatte, wusste er genau, dass er nicht wieder weg wollte. Es war einfach seine Heimat und ein teil von ihm hegte durchaus den Wunsch, dass jene die ihm wichtig waren, seine Gefühle verstehen konnten.

 

Bald erreichten sie den Hof, auf dem sie herzlich Willkommen wurden. Die Frau des Bauern war ganz entzückt von den Kindern, plapperte munter drauf los, bis Naruto ihr mitteilte, dass die Kinder kein Wort verstehen konnten. Er versuchte es mit dem Übersetzen, kam aber bei der energischen Frau deutlich an seine Grenzen. Dennoch lehnte er nicht ab, als man sie hereinbat, damit sie sich vor dem Rückweg aufwärmen konnten. Bald darauf saßen sie in der warmen Stube, die erwachsenen hatten Kaffee vor sich, während Keiko und Taiki sich über den heißen Kakao freuten und die frischen Plätzchen, nach denen die ganze Küche roch.

 

„Bringst du deinen Besuch zum Jahreswechsel mit?“, wurde Naruto schließlich gefragt. Darüber hatte er sich ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht, nicht einmal als Sasuke ihn gefragt hatte, ob er etwas vor hatte. Der Jahreswechsel wurde hier wie die Mitsommernachtswende im Kreise der Nachbarn gefeiert. Jeder trug etwas zu dem großen Fest bei und alle trafen sich bei einem der Nachbarn. Sie aßen, sie plauderten und hatten eine gute Zeit. Es festigte die Nachbarschaft und brachte vor allem den Jüngeren viel Spaß, wenn sie nicht alleine mit den Eltern irgendwo hocken mussten, während die ganze Welt feierte. Sein Blick fiel auf die Zwillinge, die sich noch immer neugierig umschauten, auch wenn sie versuchten den Blick diskret zu lassen.

 

„Ich weiß nicht…“, gab er schließlich ehrlich zu. „Ich habe den Vater der beiden nicht gefragt. Aber wenn ich ehrlich bin, würde ihnen ein kleiner Tapetenwechsel gut tun. Es werden genug Kinder da sein und die Sprachbarrieren gelten bei ihnen ja kaum!“ Was bewundernswert war. Kinder hatten es da um einiges leichter. Wenn sie Worte nicht mehr nutzen konnten, nutzten sie den ganzen Körper. Mit Gesten und Handlungen konnten sie schnell einander deutlich machen, dass sie zusammen spielen wollten. Es funktionierte ganz von alleine. Vielleicht war es da wirklich eine gute Idee, wenn die beiden ein wenig raus kamen. „Ich werde mit ihrem Vater reden!“, beschloss er schließlich, fügte innerlich aber auch hinzu, dass er auf jeden Fall mit den beiden zumindest vorbeischauen würde. Wenn Sasuke nicht mit wollte, hatte dieser eben Pech. Nicht jeder war wie der Uchiha darauf aus, nahezu jedes lebende Wesen auf Abstand zu halten.

 

Während die Kinder mit weiteren Keksen verwöhnt wurden, holte der Mann den Vogel, der geschlachtet, gerupft und eingepackt worden war. Danach verabschiedeten die drei sich und machten sich mit den Hunden – die draußen hatten warten müssen – wieder auf den Weg zurück. Das Gefühl, dass der Schnee schlimmer wurde, verhärtete sich dabei nur. Naruto war froh, dass er diese Gegend so gut kannte. Mittlerweile schneite es so stark, dass man kaum etwas erkennen konnte. Auch deswegen nahm er die beiden Kinder an die Hand und lief etwas neben dem Weg entlang, um zurück zu kommen. Das Letzte was er schließlich wollte war, dass den beiden etwas passierte.

 
 

***
 

 

Nach Hause zu kommen und dabei erwartet zu werden, fühlte sich unglaublich toll an.

 

Die Fünf hatten sich ihren Weg durch das Schneetreiben gebahnt und kaum war die Tür in Sicht gekommen, hatte diese sich auch geöffnet. Sasuke stand dort und blickte ihnen ruhig entgegen. Naruto hielt die Kinder weiter an den Händen, bis sie die Schwelle übertreten hatten. Erst dann löste er die steifen Finger und half Taiki aus seiner Jacke, während Sasuke das Gleich bei seiner Tochter tat. Keiko plapperte dabei wie ein Wasserfall und aus den Augenwinkeln konnte Naruto sehen, wie Sasuke ein leichtes Lächeln zeigte.

 

Warum er sich genau in diesem Augenblick an Itachis Worte erinnerte, konnte Naruto nicht einmal sagen, doch in diesem Augenblick hallten die Worte des älteren Uchihas einfach durch seinen Kopf. Er versucht es. Er versucht es wirklich! Vor einigen Wochen hatte er diese Worte nur am Rande verstanden, aber jetzt wusste er instinktiv, was Itachi gemeint hatte. Sasuke bemühte sich wirklich mit seinen Kindern eine Basis zu finden, mit der sie zusammen glücklich werden konnten, auch wenn ein sehr wichtiger Teil aus ihrer Mitte gerissen worden war.

 

Naruto schluckte schwer, hing Taikis Jacke auf und wendete sich ab, um zu der Küche zu kommen und von da aus hoch ins Obergeschoss. „ich lasse Wasser ein, damit die beiden sich aufwärmen können!“ Ein heißes Bad war jetzt sicher nicht das schlechteste. Auch Naruto hatte durchaus Verlangen danach, die kalten Glieder ins heiße Wasser tauchen zu lassen, auch wenn er sehr wohl bemerkte, dass Sasuke sich um die Kamine gekümmert haben musste. In dem alten Haus war es angenehm warm, was zumindest ansatzweise dabei half, die Kälte wieder los zu werden.

 

„Nicht nötig. Ich habe euch kommen sehen und es angestellt!“, informierte Sasuke ihn und nahm ihm damit jede Rechtfertigung, diese Szene zu verlassen. Er hatte sie gesehen? Das musste bedeuten, dass er am Fenster gewartet hatte. Im Obergeschoss. Naruto bezweifelte irgendwie, dass man vom Wohnzimmer aus auch nur ansatzweise einen Menschen wahrnehmen konnte, der sich in dem Schneemassen bewegte.

 

Naruto drehte sich der Familie wieder zu und im gleichen Augenblick stolperten die Hunde in den Flur hinein. Er bekam nicht einmal die Chance Rasengan aufzuhalten, der sich freudig auf den älteren Uchiha stürzte. Zeit um das ganze zu beenden bekam er aber auch nicht.

 

Vollkommen verdutzt starrte Naruto die Szene vor sich an. Rasengan sprang an Sasuke hinauf, der sofort den Hund von sich runter schob und ihn streng zurecht wies, ehe er die Tür endlich zufallen ließ. Was Naruto an dieser Situation aber so irritierte war, dass Rasengan wirklich gehorchte. Der Rüde zog die Rute ein und sah aus, als wenn man gerade mit einem kleinen Kind kräftig geschimpft hatte.

 

„Wie hast du das gemacht?“, fragte er vollkommen verdattert. Sasuke drehte sich wieder ihm entgegen, zog eine Augenbraue elegant nach oben und musterte ihn verwirrt. „Was meinst du?“ Ja, was meinte er? „Rasengan!“, brachte er fassungslos hervor und deutete auf seinen Hund. „Niemand kann ihn bändigen, du sagst ein Wort und er gehorcht!“ Was auch immer Sasuke getan hatte, Naruto wollte es wissen, ihm war jedes Mittel Recht, um den Rüden unter Kontrolle zu bekommen. Zumindest ein klein wenig, wenn es auch notwendig wurde.

 

Sasuke schmunzelte leicht, ehe er die Hände seiner Kinder griff. „nun, dich kann ich bändigen, warum also nicht auch deinen Hund?“, fragte er frech nach und ließ ihn dann einfach stehen. Rasengan schaute den dreien hinterher, ehe er sich aufrappelte und ihnen folgte wie ein treuer Hund. Naruto blieb mit Chidori alleine zurück, den er einen Moment anschaute, bevor er den Kopf schüttelte. „War ja klar, dass Rasengan auf ihn abfährt!“, schnaubte er wenig amüsiert und setzte sich ebenfalls in Bewegung. „na komm, Dicker! Ich trockne dich erst einmal ab!“

 

Die Küche roch angenehm nach Fleisch, das in der Pfanne vor sich hin brutzelte, als Naruto in den Raum trat. Von den Vieren war nichts zu sehen, die Geräusche die von oben kamen, ließen aber keinen Zweifel zu, wo Sasuke, Taiki, Keiko und Rasengan sich gerade aufhielten.

 

Naruto fühlte sich wie erschlagen. Diese drei waren nicht einmal 24 Stunden hier und schon geriet sein mühsam aufgebautes Leben ins Wanken. Das schlimme war, die drei Uchihas konnten nicht einmal etwas für. Sie waren einfach aufgetaucht und Naruto hatte etwas gezeigt bekommen, von dem er bereits jetzt wusste, dass er es nicht wieder hergeben wollte.

 

Seine Gefühle für Sasuke schienen sogar noch stärker zu werden. Der Drang, ebenfalls nach oben zu gehen, Sasuke zur Hand zu gehen, war riesig. Genauso wusste er aber auch, dass er es kaum dabei belassen konnte, nur mitzuhelfen. Er wollte so viel mehr.

 

Wenn nicht einmal 24 Stunden ohne Stress zwischen ihnen ihn bereits so ins Wanken geraten ließ, wollte er sich nicht einmal vorstellen, was die kommenden drei Wochen bringen würden. Wenn er nicht aufpasste, würde dieser Kurzurlaub ihn vollkommen zerstören. Es war ja nicht nur Sasuke, sondern auch die Kinder, die ihm immer mehr unter die Haut gingen. Dass die Hunde die drei vollkommen selbstverständlich angenommen hatten, zeigte ihm Möglichkeiten, mit denen er sich nicht einmal befassen durfte, wenn er diese kommende Zeit irgendwie überstehen wollte.

 

„Alles klar bei dir?“, riss Sasukes Stimme ihn schließlich aus dem Taumel an Gefühlen, denen er ausgesetzt war. Erschrocken blickte er den Uchiha an, der ihn interessiert musterte. Warum tat er das? Naruto wusste wirklich nicht mehr, wo ihm der Kopf stand, dabei hatte er kaum Zeit mit dem Mann verbracht, der seit Jahren eisern sein Herz in der Hand hielt. Den er begehrte, dem er näher kommen wollte als Hikari es je geschafft hatte, auch wenn der Gedanke für sich vollkommen absurd war.

 

„Du bist ziemlich blass!“, bemerkte Sasuke schließlich. In seiner Stimme schwang leichte Sorge mit, die Naruto schon verdammt lange nicht mehr zu hören bekommen hatte. Doch genau in diesem Augenblick war es einfach nur unangebracht. Er wollte keine Sorge hören, wenn es nach ihm ginge, hätte er es im Augenblick sogar lieber, wenn Sasuke die alten, nervigen fragen erneut herauskramte. Dann würde er wenigstens wütend werden, was ihm zumindest einen teil der Kontrolle zurück gab, die er gerade jetzt nicht wirklich zu fassen bekam.

 

„War wohl etwas zu viel!“, murmelte er leise, setzte sich endlich wieder in Bewegung um den Vogel in den Kühlschrank zu packen. Er musste das Teil schließlich nicht den ganzen Tag in der Hand halten. Außerdem gab es ihm etwas zu tun, einen Vorwand, um Sasukes Blick zu entgehen. „Wir sind übrigens zum Jahreswechsel eingeladen!“, erklärte Naruto schließlich, ohne sich erneut zu Sasuke herumzudrehen. „Hier in dieser ländlichen Gegend feiern die Nachbarn oft zusammen.“, erklärte er. Eine Ablenkung würde nicht nur den Kindern gut tun, wie ihm nun bewusst wurde. Auch er konnte diesen Abend gut gebrauchen.

 

Sasuke verzog das Gesicht, sagte aber nichts weiter dazu. Naruto konnte dem jungen Vater ansehen, dass er wenig von dieser Idee hielt, als er den Kopf leicht drehte, um doch eine Reaktion mitzubekommen. Mit etwas anderem hatte er allerdings auch nicht gerechnet. Sasuke tat sich eher schwer neue Menschen kennen zu lernen. In ihrer kleinen Gruppe war das kaum aufgefallen, schon weil sie so viele verschiedene Arten von Personen gewesen waren, aber Naruto war oft genug deutlich geworden, wie sehr Sasuke sich bei anderen Menschen zurück hielt. Er schien wirklich der Typ Mensch zu sein, der Ruhe genoss und gut und gerne darauf verzichten konnte, raus zu gehen, um andere kennen zu lernen. Ihm reichten die Freunde, die sich nicht verscheuchen ließen.

 

„Du kannst es dir ja überlegen… übermorgen besuchen wir dann meine Nachbarin. Sie will euch kennen lernen!“, informierte er Sasuke beiläufig. Dieses Mal schaute er nicht zu ihm. Er wusste auch so, dass Sasuke sich unter diesem Urlaub gewiss nicht vorgestellt hatte, dass sie die halbe Nachbarschaft bereisten. Naruto sah aber auch nicht ein, sich da zurück zu halten. Es war sein leben in das Sasuke hereingeplatzt war, nun musste er eben sich anpassen.

 

„Ich ziehe mich eben um, dann können wir essen.“, beschloss Naruto schließlich. Er ließ Sasuke einfach stehen und eilte nach oben. Gerade war ihm eh alles Recht, um dem Uchiha zu entkommen.

 

Nachdem Naruto sich umgezogen hatte und Sasuke die Kinder aus dem bad geholt hatte, aßen sie wirklich gemeinsam. Nach dem Essen verzogen sie sich dann zusammen in das Wohnzimmer, wie sich zusammen auf die Couch lümmelten. Naruto und Sasuke nahmen die Enden ein, während die Kinder zwischen ihnen hockten. Keiko war kaum zu bändigen, sie erzählte farbenfroh von dem gemeinsamen Spaziergang und schwärmte von Rasengan, welcher sich vor Sasukes Füßen niedergelassen hatte.

 

Am Nachmittag scheuchte Naruto die Kinder dann in die Küche, um Kekse zu backen, wobei Sasuke schnell folgte, um schlimmeres zu verhindern. Dabei erzählten sie beide, wie man in Irland das Fest feierte. „Der Weihnachtsmann kommt in der Nacht vom 24. Dezember auf den 25. Dezember und bringt die Geschenke!“, erklärte er gerade Keiko, die große, leuchtende Augen bekam. Sasukes Blick entging ihm dabei nicht, doch darum kümmerte er sich gar nicht. Sie hatten nicht abgesprochen, dass sie Geschenke mitbrachten, besorgt hatte er dennoch welche. Die Kinder würden am kommenden Morgen also nicht enttäuscht werden.

 

Naruto fand es aber toll, dass die beiden noch an Weihnachten glaubten. Kinder wurden leider immer schneller erwachsen und verloren den Glauben an Weihnachten und Ostern. Manchmal war es etwas ganz natürliches, weil Eltern nicht achtsam genug waren, manchmal aber auch der Druck im Kindergarten oder der Schule. Es gab wohl viele Gründe, warum Kinder ihren Glauben verloren.

 

Entgegen Sasukes Prophezeiung wurden ihre Kekse aber sehr lecker. Dass die Küche hinterher wie ein Schlachtfeld aussah, ließ sich eben nicht vermeiden. Während Keiko und Taiki im Wohnzimmer waren, räumten Naruto und Sasuke gemeinsam auf, erst dann bereiteten sie schweigend das Abendessen vor. Wie auch schon beim Mittag plätscherten die Gespräche dabei vor sich hin. Naruto genoss diese Momente sehr. Wenn da nicht dieses winzige Detail wäre, könnte man sie wirklich für eine Familie halten. Im Grunde spielte es an diesem Abend aber wohl keine Rolle. Naruto hatte Sasuke selten so entspannt erlebt, wie im Augenblick und das für sich war ihm bereits sehr viel wert.

 

Nach dem Essen feuerten sie noch einmal die Kamine an, bevor die Kinder sich zum Schlafen fertig machten. Es dauerte allerdings ziemlich lange, bis die beiden zur Ruhe kamen. Vor allem Keiko kam mit immer neuen Fragen an und zögerte das schlafen gehen damit extrem hinaus. Taiki hingegen hielt sich zurück. Naruto konnte nicht wirklich sagen, ob der Junge aufgeregt war, er hoffte aber wirklich, dass der kommende Tag beiden Freude bereiten würde.

 

Als die beiden endlich schliefen, sank Sasuke erschöpft neben Naruto auf das Sofa. „Dir ist klar, dass die beiden morgen tierisch enttäuscht sein werden?!“, brummte er schließlich missmutig, schlüpfte aus seinen Hausschuhen und zog die Füße auf das Sofa hinauf. Rasengan setzte sich sofort auf und legte seinen schweren Kopf auf Sasukes Beine ab, der gedankenverloren begann den Hund zu streicheln.

 

„Sie werden nicht enttäuscht sein!“, erklärte Naruto beiläufig und starrte in das prasselnde Feuer. Er konnte Sasukes Blick auf sich spüren, was ihn doch zum schmunzeln brachte. „Für wen hältst du mich eigentlich?“, fragte er gespielt verletzt, stand auf und ging zu dem alten Sideboard, das rechts von dem Baum stand. Vorsichtig griff er dahinter, bis er den Schlüssel ertastete, den er dort deponiert hatte. Damit schloss er die Tür auf und gewährte Sasuke so ein Blick auf das was dort verborgen lag. Die Geschenke die er besorgt hatte, lagen säuberlich eingepackt im untersten Regalfach.

 

„Du hast ihnen etwas besorgt?“, fragte Sasuke ungläubig, ohne den Blick abzuwenden. Naruto zuckte leicht mit den Schultern. „Gehört das nicht dazu?“, fragte er schließlich unsicher und suchte Sasukes Blick, der schließlich zu ihm auf sah. „Ich wünsche mir wirklich, dass sie dieses Weihnachten genießen können. Trotz allem!“, gab er ernst zu und drückte die Tür wieder zu. Dann ging er zu der Couch zurück.

 

Eine Weile war es vollkommen still in dem Zimmer.

 

„Warum?“, fragte Sasuke schließlich und als Naruto zu ihm blickte, runzelte der Uchiha die Stirn. „Ich meine, warum ist es dir so wichtig? Verstehe mich nicht falsch, es würde mich sehr freuen, wenn sie ihren Kummer einen tag vergessen. Ich verstehe nur nicht, warum du dich so ins Zeug legst! Wenn ich dir von ihnen erzählt habe, hast du immer den Eindruck vermittelt, als wenn ich dich damit nerven würde!“

 

Naruto zuckte deutlich zusammen. Nun, leugnen konnte er das wohl kaum. Es hatte ihn genervt, allerdings nicht, weil es um die beiden gegangen war. Indirekt war auch dort sein eigentliches Problem in den Vordergrund gerückt. Er hatte Eifersucht empfunden und alles was mit Hikari zu tun gehabt hatte, nicht wirklich hören wollen. Es hatte ihm jedes Mal einen Stich verpasst, den er nie hatte ausblenden können.

 

„Es hat mich auch genervt!“, gab er deswegen zu und seufzte schließlich schwer. „Für dich gab es kein anderes Thema mehr. Natürlich habe ich mich für dich gefreut, aber nach einer Weile konnte ich es einfach nicht mehr hören. Es hatte weniger mit den Beiden zu tun, sondern eher damit, dass du mich mit Details aus ihrem Leben überschüttet hast!“ Gefreut hatte er sich wirklich. Gegen die beiden Kinder hatte er auch nie etwas gehabt, auch wenn er nicht erpicht darauf gewesen war, sie kennen zu lernen.

 

„Aber ich habe sie ins Herz geschlossen!“, gab er schließlich ehrlich zu. Unwohl zog er die Beine nach oben und schlang die Arme darum. „Keiko hat wahnsinnig viel Energie, sie ist offen und lebensfreudig. Taiki ist hingegen genau wie du. Zurückhaltend, scheu und doch zeigt er deutlich, dass er an die Hand genommen werden will. Ich mag sie Sasuke, wäre es anders, hätte ich dich nie so angegangen, wie ich es getan habe.“

 

Sasuke seufzte schwer. Dass dieses Thema auf den Tisch kommen würde, hatten sie wohl beide so nicht geplant. Im Grunde wollte Naruto auch nicht weiter darauf eingehen. Aber bevor er den Rückzug antreten konnte, war es Sasuke, der sich entschied es dabei zu belassen. „Manchmal wünsche ich mir echt, in deinen kopf schauen zu können!“, gab dieser nüchtern zu, ehe er Rasengan sanft von sich schob und aufstand. „Ich gehe ins Bett, wir sehen uns morgen!“

 

Naruto sah Sasuke nach, als dieser Richtung Küche verschwand. Kurz darauf hörte man die Schritte die nach oben führten. Rasengan folgte dem Uchiha und da dieser nicht zurückkam, nachdem Naruto die Tür hatte zufallen hören, nahm er an, dass der Rüde in dieser Nacht nicht bei ihm schlafen würde. Er selbst blieb jedoch noch lange wach und grübelte über das nach, was gerade mit ihm passierte. Sakura hatte eindeutig Recht gehabt, diese Nähe war nichts gutes für ihn.

 

Es juckte in seinen Fingern, Sasuke einfach an sich zu ziehen und ihm auf direktem Wege zu zeigen, was er empfand. Aber er durfte es nicht. Wenn er irgendwie diese Freundschaft aufrecht erhalten wollte, musste er sich zurück halten und irgendwie dabei lernen loszulassen.

 

Es war bereits nach Mitternacht, als er die Geschenke säuberlich unter den Baum legte und ebenfalls ins Bett verschwand.

 
 

***
 

 

Dass Naruto mit seinen Gedanken am vorherigen Morgen Recht gehabt hatte, lernte er schließlich auf die harte Tour. Er wurde bei Morgengrauen aus den Schlaf gerissen, als die Zwillinge polternd die Treppe hinab liefen um ins Wohnzimmer zu kommen. Naruto stöhnte leise, zog die Decke höher und rollte sich etwas in ihr ein.

 

Lange dauerte es allerdings nicht, bis der Radau von unten derart laut wurde, dass Naruto keine Chance sah, noch einmal einzuschlafen. Er lachte leise unter seiner Decke. Obwohl er so unsanft aus dem Schlaf gerissen worden war, war es dennoch ein angenehmes Gefühl. Die beiden freuten sich offensichtlich sehr, waren aufgeregt und lebendig. Es war wirklich toll so viel Leben im Haus zu haben und Naruto schloss die beiden unbewusst nur noch tiefer in sein Herz, während er die Decke zurück schlug und mit der morgendlichen Routine begann.

 

Das Zimmer war – im Gegensatz zum vorherigen Morgen – noch angenehm war. Er legte Torf nach, zog sich an und verließ dann sein Zimmer, um ebenfalls noch unten zu gehen. Langsam stieg er die Treppe hinab, folgte den munteren Geräuschen die aus seinem Wohnzimmer kamen, durchquerte die Küche und blieb schließlich in den Rundrahmen stehen, der den Durchgang von der Küche zum Wohnzimmer markierte. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich gegen den Rahmen.

 

Sasuke saß in dem abgewetzten Sessel, ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, während er Taiki dabei zusah, wie er sein Lego mit großen Augen begutachtete. Keiko spielte bereits, während Rasengan mitten in dem zerrissenen Geschenkpapier hockte und munter alles beobachtete.

 

Naruto kam nicht darum herum, dass sein Herz ein paar Takte schneller schlug. Diese Szene die er sehen konnte, gefiel ihm einfach gut. Allen Dreien konnte man in diesem Augenblick den schweren Schlag, den sie erlebt hatten, nicht ansehen. Was man stattdessen sah, war eine kleine, glückliche Familie. Zwei Kinder die sich über die Geschenke die sie bekommen hatten freuten, ein junger Vater der sich über die Freude seiner Kinder freute. In diesem Augenblick erkannte Naruto den Sasuke, den er durch die zahlreichen Mails kennen gelernt hatte. Er sah den Stolz, die tiefe Verbundenheit, die dieser zu seinen Kindern hatte. Naruto konnte problemlos zugeben, dass es ihm gefiel, dass es ihn erleichterte Sasuke so entspannt und offen zu sehen, wie er es schon lange nicht mehr gewesen war.

 

Als Sasuke ihn bemerkte, drehte er langsam den Kopf zu ihm, ohne dass das Lächeln von seinem Gesicht verschwand. Wenn es möglich war, verliebte Naruto sich nur noch mehr in diesen Mann. Es war ein angenehmes Gefühl, auch wenn es gleichzeitig sehr schmerzhaft war. Lange hielt dieser Blickkontakt jedoch nicht an. „Da ist noch ein Geschenk, Daddy!“, rief Keiko plötzlich und robbte auf den Baum zu. Etwas weiter hinten zog sie das kleine, längliche Paket hervor, ehe sie sich aufrappelte und damit zu ihrem Vater lief. Sasuke nahm es an, las den Namen den Naruto sauber darauf notiert hatte und blickte ihn dann wieder an. „Es ist für mich!“, murmelte er leise.

 

Keiko folgte dem Blick seines Vaters und als sie Naruto erblickte, strahlte sie über das ganze Gesicht. „Schau Naruto, der Weihnachtsmann war da, wie du gesagt hast!“, erklärte sie aufgeregt und lief zu ihren Sachen zurück, um Naruto zu verdeutlichen, was sie meinte. Sekunden später verschwand die Freude aus ihrem Gesicht. Sie runzelte die Stirn und blickte suchend zu dem Baum. Dann schaute sie Naruto mit großen Augen an. „Da ist kein Geschenk für dich!“, stellte sie schockiert fest. Naruto konnte dem Mädchen ansehen, dass sie diese Tatsache wirklich traf.

 

Instinktiv schüttelte er den Kopf. Das Letzte was er wollte war, dass das Mädchen den Spaß an diesem tag verlor. Weihnachten war für Kinder eben etwas besonderes, das sollte auch hier in seinem Haus nicht anders sein. „nein!“, erwiderte er schließlich sanft, löste sich von dem Rahmen und ging auf das Kind zu, um sich vor ihr hin zu hocken. Ohne groß darüber nachzudenken, streckte er die Hand aus und strich ihr durch das rabenschwarze Haar. „Mein Geschenk konnte man nicht einpacken. Ich habe es ausnahmsweise schon ein wenig früher bekommen!“, erklärte er sanft, ohne das Lächeln zu verlieren.

 

Dann stand er auf. „Ich mache frühstück!“, verkündete er gut gelaunt und ließ die Familie damit zurück. Was er nicht sehen konnte war, wie Keiko ihm einen traurigen Blick nach warf und seinen Worten damit keinen Glauben schenkte. Für sie stand einfach fest, dass sie alle Geschenke bekommen hatten, mit Ausnahme von Naruto und das trübte ihr Gemüt sehr.

 

Was Naruto nicht sagen konnte war, dass sein Geschenk die Anwesenheit der Drei war. Auch wenn es bisher nur ein tag her war, dass sie angekommen waren und auch wenn die Nähe zu Sasuke ihn in ein Gefühlschaos stürzte, fühlte er gerade an diesem Morgen sehr deutlich, dass er es nicht hätte anders haben wollen. Zum ersten Mal seit er nach Irland gekommen war, war sein Haus mit Leben gefüllt, Leben welches er auch hier haben wollte, wie ihm bewusst wurde. Wie er es überstehen sollte, wenn die Drei wieder abreisten, konnte und wollte er sich nicht einmal vorstellen. Diese Vorstellung war zu deprimierend, um sie an dem heutigen tag zu zulassen. Noch hatte er fast drei Wochen Zeit, bevor er sich mit diesen Gefühlen befassen musste.

 

In der Küche angekommen machte er sich gleich daran, das Frühstück vorzubereiten. Er deckte den Tisch liebevoll und lächelte auch dann noch, als Sasuke mit den Zwillingen ihnen folgte. Das Essen für sich verlief relativ ruhig, auch wenn Rasengan einmal versuchte Sasuke den Schinken zu klauen, was dieser natürlich nicht zu ließ und den Hund zusammen stauchte. Wäre die Situation eine andere, hätte Naruto angefangen lauthals zu lachen, als der junge Rüde sich in die Ecke verzog und dabei aussah, als würde er schmollen.

 

Nach dem Frühstück scheuchte Naruto die Kinder mit den Hunden nach draußen, damit sie ein wenig spielen konnten. In der Nacht hatte es noch kräftig geschneit, es sah lustig aus, wie die Zwillinge fast bis zu den Knien in dem frischen Schnee versanken. Was aber das Wichtigste war, sie hatten Spaß. Für ein Stündchen würden sie da draußen gut aufgehoben sein und die Gelegenheit bekommen, die angestaute Energie abzubauen.

 

Während Naruto am Tisch sitzen blieb, fing Sasuke an den Vogel vorzubereiten, den es später geben würde. Dieser musste für einige Stunden in den Ofen, da war es besser, wenn er sofort damit begann. Auf der Arbeitsfläche hatte der Uchiha einige Zettel ausgebreitet, Rezepte die er zusammengesucht hatte, um ein traditionelles Weihnachtsessen für sie zu machen.

 

„Danke für die Uhr!“, sagte der Uchiha plötzlich. Naruto drehte den Kopf ein wenig, um den Mann anzublicken, anstatt den Kindern draußen beim Toben zu zusehen. „Du hattest keine mehr, oder?“, fragte er nach, nicht sicher, ob er sich für das richtige Geschenk entschieden hatte. Sasuke nickte leicht. Es stimmte.

 

„Du hättest mich vorwarnen sollen!“, erklärte Sasuke, drehte sich aber wieder dem Essen zu um weiter zu arbeiten. Naruto lachte leise. „Damit du etwas besorgen kannst? Ich habe alles, Sasuke. Ich wollte den beiden eine Freude machen, mehr nicht!“, erklärte er und schaute den Kindern wieder zu. Es stimmte ja auch. In diesem Moment hatte er wirklich alles. Alles was er wollte war in diesem Haus vereint. Sasuke war da, auch wenn ihre Beziehung nach wie vor freundschaftlicher Natur war. Die Kinder waren da, die Naruto schon jetzt nicht mehr gehen lassen wollte. Natürlich war es unangenehm, dass sein Herzenswunsch nie erfüllt werden würde, aber es war zu ertragen, wenn er stattdessen diese Familie um sich hatte, die ihn zu einen teil von ihnen machte. Er hatte wirklich alles, was er sich im Augenblick wünschen konnte.

 

Damit war das Thema für Naruto beendet.

 

Nach einer Stunde riefen sie die Kinder wieder herein, halfen ihnen sich umzuziehen, damit sie nicht krank wurden. Im halben Haus roch man bereits das Essen und Naruto lachte herzhaft auf, als man Keikos Magen lautstark knurren hörte, obwohl sie ein recht üppiges Frühstück gehabt hatte. Spielen machte eben hungrig. Was ihm nach dem Eisdesaster aber freute war, dass Sasuke den beiden schmunzelnd erlaubte sich einige Kekse zu nehmen, damit sie die Wartezeit überstehen würden, ehe er sie ins Wohnzimmer scheuchte.

 

Auch Naruto nahm die Gelegenheit wahr und entschuldigte sich, um nach oben zu gehen und zu schreiben. Trotz allem musste er eben weiter vorankommen. Doch als er vor seinem Laptop saß, war sein Kopf wie leergefegt. Er starrte nur das Dokument an, ohne die Muse zu verspüren, wirklich daran weiter zu arbeiten. Er hatte viel mehr das Verlangen, wieder nach unten zu gehen und zu genießen, was ihm derzeit geschenkt worden war. Aber es ging nicht. Er konnte das Problem nicht noch größer machen, als es eh schon war.

 

Als Naruto schließlich wieder nach unten ging, fand er Sasuke mit den Zwillingen auf der Couch vor. Rasengan und Chidori hatten sich vor dem Sofa niedergelassen, während Sasuke in der Mitte saß, ein Buch in der Hand. Keiko und Taiki hatten sich an ihren Vater gelehnt und schliefen selig. Auf dem Boden lag die bereits angefangene Feuerwehrstation. Sasuke drehte den Kopf und blickte zu ihm. „Sie sind gerade eingeschlafen!“, erklärte er leise, löste sich sanft von den beiden, stand auf und schlug eine Decke über die Kinder. Dann ging er in die Küche und Naruto folgte automatisch.

 

Während Sasuke nach dem Essen sah, nahm Naruto sich eine Flasche aus dem Kühlschrank und beobachtete seinen Freund. Der Uchiha hatte keine Schwierigkeiten mit dem Herd, oder dem ganzen Haus. Es war schon fast beängstigend, wie gut er sich in so kurzer Zeit hier eingelebt hatte und so wie Naruto es sah, fühlte er sich auch wohl bei ihm. Das war ein sehr angenehmes Gefühl,

 

Naruto wusste bereits in dem Moment, dass der Abschied ihm verdammt schwer fallen würde.

 
 

***
 

 

Den zweiten Weihnachtstag gingen sie ruhig an, mit einem gemeinsamen Frühstück, bei dem Naruto eine durchaus angenehme Überraschung erlebte. Keiko reichte ihm ein Bild, auf dem sie alle zu sehen waren. Es war eine Geste von ihr, weil er kein Geschenk bekommen hatte. Naruto rührte das sehr.

 

Nach einem ausgedehnten Mittagessen machten sie sich dann alle zusammen auf den Weg zu seiner Nachbarin, wobei sogar Sasuke sich freiwillig anschloss. Auf dem Weg erfuhr er auch, dass der Uchiha durchaus interessiert daran war, wer sich Itachi in den Weg stellte. Naruto musste bei diesem Kommentar lachen. Es gab sicher nicht viele Menschen, die Itachi nicht einschüchtern konnte, seine Nachbarin gehörte aber wohl eindeutig zu jenen, wo Itachi keine Chance hatte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie offensichtlich Itachi den Zutritt verwehrt hatte und dieser all seinen Charme hatte spielen lassen müssen, damit er nach ihm sehen durfte. Über diesen Zwischenfall hatte er sich Tage amüsiert, sehr zu Itachis Leidwesen.

 

Das Haus der alten Frau roch angenehm nach Orangen und Zimt.

 

Das war das erste, was Naruto auffiel. Auch sie hatte dekoriert, wenn auch eher spärlich. Naruto verstand es. Es musste etwas frustrierend sein nur für sich alleine das Haus zu Weihnachten zu gestalten. Er selbst hatte es ja auch nie getan.

 

Sie wurden herzlich empfangen, wobei Naruto fast einen Lachkrampf bekam, als die energische Frau Sasuke einfach an ihre Brust zog. Der Uchiha war derart überrumpelt, dass er sich nicht einmal dagegen wehren konnte. Bei den Kindern hingegen ging sie behutsamer vor, beugte sich zu ihnen hinab und reichte ihnen die Hand, die die beiden etwas schüchtern annahmen. Dieses Mal war es Sasuke der als Übersetzer zur Seite stand, als sie in die Küche getrieben wurden, wo bereits Gebäck und Tee auf sie wartete. Die beiden Kinder bekamen wieder einmal heißen Kakao, den vor allem Keiko regelrecht verschlang.

 

Was Naruto aber schnell auffiel war, dass Chidori keine Sekunde von der Seite des Jungen wich. Wie ein rettender Anker hatte er sich neben dem Kind nieder gelassen und oft konnte Naruto zusehen, wie Taiki die Finger in dem drahtigen Fell vergrub, vor allem wenn er direkt angesprochen wurde. „Er ist ein wenig schüchtern, ganz im Gegensatz zu seiner Schwester!“, erklärte er der Frau schließlich, der diese Geste auch nicht entgangen war.

 

„Das macht doch nichts. Es ist sicher nicht leicht zu fremden Menschen zu kommen, die man zu allem Überfluss nicht verstehen kann!“, erwiderte sie und lächelte leicht. Dann blickte sie Sasuke an. „Wann kommen sie in die schule?“, fragte sie interessiert nach. „Im April!“, war die simple Antwort. Naruto sah, wie sie verwirrt die Stirn runzelte. Sie wusste, dass die beiden erst fünf waren, Naruto hatte es ihr gegenüber einmal erwähnt gehabt. „Sie werden bald sechs und in Japan beginnt das Schuljahr am ersten April.“, erklärte er deswegen, einfach weil er annahm, dass sie genau das nicht so wirklich nachvollziehen konnte.

 

Keiko musterte sie konzentriert, während sie den fremden Worten lauschte. „Das ist aber früh im Jahr. Hier beginnen die Schuljahre erst nach dem Sommer.“, sagte die alte Frau nachdenklich, was Naruto dieses Mal wirklich zum Lachen brachte. „Oh, hier ist so einiges anders. In Japan beginnt der Unterricht bereits im Kindergarten. Viele Kindergärten legen großen Wert auf frühe Erziehung. Sie lernen die ersten Schriftzeichen und oft ist auch Kunst oder Musik teil des Alltags im Kindergarten. Außerdem haben wir eher selten getrennte Schulen. Natürlich gibt es sie, aber sie sind nicht die Regel.“ Sasuke blickte ihn an. „Getrennte Schulen?“, fragte er deswegen nach und Naruto nickte leicht. „In Irland gibt es keine gemischten Schulen. Sie sind immer nach Geschlecht getrennt, reine Mädchen und reine Jungenschulen!“, erklärte er.

 

Als er nach Irland gekommen war, hatte er so einiges lernen müssen und auch wenn es für ihn wohl eher keine Rolle spielen würde, wie das Schulsystem in Irland war, hatte er auch da das eine oder andere gelernt. Es war wohl ausgeschlossen, dass er je eigene Kinder haben würde, die es zu einem wichtigen Thema machen würde. Sasuke nickte leicht. „Die beiden werden auf jeden Fall in den höheren Klassen auf Geschlechtsgetrennte Schulen gehen.“, erklärte Sasuke. „Ernsthaft? Du hast dir schon jetzt solche Gedanken gemacht?“ Naruto war doch etwas irritiert. Taten Eltern das so? Er konnte es sich kaum vorstellen. Auf der anderen Seite, er kannte Sasuke gut genug um zu wissen, dass dieser vermutlich schon vor der Geburt der beiden einen groben Plan gehabt haben musste, welche Schulen die beste Ausbildung für sie bereithalten würde.

 

„Ich will einfach verhindern, dass sie zu sehr abgelenkt werden. Du weißt selbst wie schwer die Prüfungen sind, da brauchen sie keine Ablenkungen durch Liebe oder Beziehungen!“ Naruto konnte es nicht wirklich fassen. Ja, er kannte Sasuke gut genug, aber das hier nahm doch Dimensionen an, die Naruto nur sehr schwer verstehen konnte. Sie waren auch auf gemischten Schulen gewesen und aus ihnen war doch auch etwas geworden. Außerdem, nur weil man auf einer Schule war, die nach Geschlecht getrennt war, bedeutete das noch lange nicht, dass man in der Freizeit niemanden kennen lernte, der dann doch die Ablenkung gab, welche man nicht haben wollte. Jetzt aber etwas zu sagen war wohl unangemessen. Es waren nicht seine Kinder und Naruto wusste nicht wirklich was die Motive hinter dieser Entscheidung gewesen waren. Er hoffte nur, dass der Verlust nicht Grund war. Sasuke konnte seine Kinder nicht vor solchen Dingen schützen und er sollte es auch gar nicht erst versuchen. Schicksalsschläge passierten, so traurig das auch war.

 

So ließ er das Thema fallen.

 

Trotz dieses kurz aufkommenden ernsten Themas, wurde der Nachmittag durchaus noch angenehm. Sie redeten, Sasuke erzählte ein wenig aus der Heimat, als er danach gefragt wurde, während Taiki und Keiko auftauten und mehr und mehr nachfragten, wenn bestimmte Worte öfters fielen. Auf diese Art lernten sie das eine oder andere Wort. Sasuke musste auf die beiden wirklich stolz sein, sie hatten Freude am Lernen und suchten durchaus nach neuen Anregungen. Eine neue Sprache zu lernen war da sicherlich die beste Art, um diese Neugierde zu befriedigen.

 

Als sie sich dann wieder verabschiedeten, war es draußen bereits wieder dunkel und der Schneefall hatte vom Neuen begonnen. Für Irlands Verhältnisse war das durchaus etwas ungewöhnlich, durch den Golfstrom war das Wetter zwar ziemlich wechselhaft aber dennoch angenehm milde. In diesem Winter hingegen bekam Naruto das Gefühl, dass er nie zuvor eine derartige Kälte verspürt hatte. Er hoffte wirklich, dass es bald ein Ende hatte.

 

Kaum zurück arbeiteten sie Hand in Hand. Während Sasuke für das Essen sorgte, feuerte Naruto den Kamin im Wohnzimmer neu an und half anschließend den Zwillingen dabei sich umzuziehen.  Als sie zu Dritt wieder nach unten kamen, halfen sie Sasuke dabei das Essen in das Wohnzimmer zu bringen. Normalerweise war der Uchiha von so etwas wenig begeistert und Naruto besaß – leider – auch kein Kotatsu, aber in diesem Fall nahmen sie die Dinge hin wie sie waren um wieder warm zu werden. Da konnte man sich auch mit vier Mann auf die Couch mümmeln, mit den Decken zudecken und das Essen auf den niedrigen Couchtisch stellen. Nachdem auch die beiden Kinder nicht die Essmanieren vergaßen, entspannte auch Sasuke sich und der restliche Abend wurde dennoch angenehm.

 
 

***
 

 

Die Woche nach Weihnachten plätscherte langsam vor sich hin.

 

Keiko und Taiki lebten sich immer mehr ein und brachten damit richtig Schwung in den tag. Zu Narutos Belustigung war er es, der jeden Morgen früh aus den warmen Federn kroch, um den Beiden ihr Frühstück zu machen, während Sasuke sich den Luxus gönnte, einfach ein wenig länger zu schlafen. Aber spätestens als Naruto sah, wie entspannt der Uchiha war, spielte diese Tatsache bereits keine Rolle mehr. Sasuke sah deutlich besser aus und die dunklen Ringe, die er bei der Ankunft noch unter den Augen gehabt hatte, waren verschwunden.

 

Wenn Sasuke dann aufstand, gönnte er sich ganz in Ruhe eine Tasse Kaffee, bevor er als Vater wieder anwesend war. Naruto hingegen dachte sich immer neue Dinge aus, damit bei den beiden Kindern keine Langeweile aufkam. An einem Morgen hatten sie mit dem Lego gespielt, an einem anderen mit Keikos Puppe. Die beiden malten, bastelten oder tobten mit Rasengan durch das Haus. Nun, Keiko tobte, Taiki hielt sich da nach wie vor zurück.

 

Naruto versuchte auch nicht mehr den jungen aus seinem Schneckenhaus zu holen. Er hatte begriffen, dass dieser sich vollkommen wohl fühlte, wenn er sich ein wenig zurück zog und Chidori kraulte, während er durch eines der Fenster auf die verschneite Landschaft schaute.

 

Einmal hatte Naruto ihn gefragt, ob er dort etwas besonderes sehen würde, weil Taiki oft das Fenster im Wohnzimmer nutzte. Es war erstaunlich gewesen, dass der Junge Richtung Meer gezeigt hatte und ihn daran erinnert hatte, dass sie dort einmal hingehen wollten. Naruto hatte nicht mehr daran gedacht, aber bei dieser Gelegenheit entschlossen, dieses Versprechen in die Tat umzusetzen.

 

Sasuke hatte sie begleitet, schon um sicher zu stellen, dass er nicht auf dumme Gedanken kam. Was natürlich schwachsinnig war, Sasuke scherzte, das wusste Naruto genau. Er würde nie etwas tun, was die beiden irgendwie gefährdete. Als sie dann am Meer angekommen waren, hatte vor allem Keiko ein recht langes Gesicht gemacht. Mit dem Meer verband auch sie scheinbar ellenlange weiße Strände, die zumindest dieser Teil von Irland nicht bieten konnte. Taiki hingegen hatte ein leichtes, kaum sichtbares Lächeln gezeigt, während er auf die schäumenden Wellen geblickt hatte.

 

Später an dem Tag hatte Naruto den Zwillingen Bilder von anderen Abschnitten des Meeres gezeigt. Sandstrände und natürlich die Steilklippen, die selbst Keiko interessant gefunden hatte, nachdem er ihre Frage beantwortet hatte, wie hoch diese denn sein, auch wenn Naruto sich nicht ganz so sicher war, dass das Mädchen so etwas bereits vollkommen verstand.

 

Ehe er sich versah, entstand zwischen ihnen eine ganz natürliche Routine, die Naruto nicht mehr wegdenken wollte. Es war fast so, als wenn er die Familie bekommen hatte, die er nicht einmal bewusst sich gewünscht hatte. Dennoch, die Kinder im Haus zu haben war angenehm, es erfüllte ihn mit Freude gewisse Aufgaben zu übernehmen und noch besser wurde es durch die Tatsache, dass Sasuke ihm da auch vollkommen freie Hand ließ. Er musste sich nur an den dummen Streit erinnern, den sie bei der Beerdigung gehabt hatten, nur weil er den beiden ein Eis gegeben hatte. Ein Umstand, den Naruto auch jetzt noch nicht wirklich verstehen konnte.

 

Aber mit jedem Tag der verging, wurde Naruto auch bewusster, dass diese Zeit nur geborgt war. Eine Woche nach dem Jahreswechsel würden diese drei wieder aus seinem Leben verschwinden, zurück nach Japan, während er mit den beiden Hunden in Irland alleine zurück blieb. Irgendetwas tief in ihm schmerzte bei diesen Gedanken. Er hatte sich an diese Gesellschaft so schnell gewöhnt, dass er sie nicht wieder missen wollte. Und ganz egal wie bewusst er sich war, dass die drei wieder abreisen würden, er konnte einfach nicht damit aufhören sich zu wünschen, dass dieser Tag niemals kommen würde.

 

Am Tag vor dem Jahreswechsel schien dann auch Taiki endlich angekommen zu sein. Zwar zeigte er seine Freude nicht so offen wie Keiko es tat, doch Naruto war verdammt stolz darauf, wenn der Junge von sich aus zu ihm kam, sei es weil er Hilfe brauchte, oder weil er auf der Suche nach jemanden war, der bereit war ein sehr schweigsames Gespräch zu führen.

 

Naruto hatte gelernt, dass dieser Junge verdammt viel zu erzählen hatte, nur tat er es eben nicht unbedingt mit Worten. Es waren viel mehr Gesten, die er bei bestimmten Themen zeigte. Ein Lächeln, ein scheuer Blick, ein fast nicht sichtbares zustimmendes Nicken wenn man ihn direkt etwas fragte. Wobei offensichtlich wurde, dass Taiki sich unwohl fühlte, wenn man ihn direkt ansah. Gerade die letzten Tage hatten Naruto mehr als deutlich gezeigt, dass Taiki zwar wie sein Vater aussah, viele kleine Dinge ihn aber zu einem ganz eigenständigen Menschen machten. Man musste sich nur die Mühemachen genauer hinzusehen und vielleicht war gerade er genau der Richtige, diese kleinen Gesten zu sehen und zu verstehen. Obwohl er am Anfang eher gedacht hatte, mit Keiko eher warm zu werden, wurde ihm mehr und mehr bewusst, dass Taiki sich seinen Platz schneller und heftiger in seinem Herzen genommen hatte. Naruto verspürte bei ihm noch mehr das Gefühl ihn schützen zu wollen, als bei irgendeinem anderen Menschen. Und das bedeutete einiges. Für Sasuke würde er schon nahezu alles machen, Taiki schlug dieses Verlangen aber um Längen.

 
 

***
 

 

„Seid ihr fertig?“, fragte Naruto und steckte neugierig den Kopf in das Zimmer der Zwillinge. Keiko blickte lachend auf und deutete auf ihren Bruder, der erneut mit dem Pullover zu kämpfen hatte, welchen Sasuke für den Jungen rausgelegt hatte. Mit einem tadelnden Blick zu dem Mädchen betrat Naruto den Raum, kniete sich vor Taiki und half ihm, das störrische Kleidungsstück anzuziehen.

 

„Weckt irgendwie Erinnerungen!“, kam es kurz darauf amüsiert von der Tür her, doch Naruto beachtete Sasuke gar nicht. Stattdessen zog er den Pullover glatt und fuhr dem beschämten Jungen durch das Haar. „Beachte sie gar nicht. Du kannst Dinge, von denen sie keine Ahnung haben!“, erklärte er sanft, ehe er sich wieder erhob und Taiki die Hand hin hielt, die dieser sofort ergriff.

 

Sasuke schaute seltsam, als Naruto an ihm vorbeiging, doch darauf wollte er erst gar nicht eingehen. Keikos Hänseleien waren schon verletzend, auch wenn das Mädchen es wohl kaum besser wusste. Sasukes Aussage war zwar nicht an den Jungen gerichtet worden, aber Naruto konnte sich vorstellen, dass es dennoch unangenehm für diesen war. Es ging hierbei zwar nicht darum irgendwelche Seiten zu belegen, dennoch stand Naruto klar auf Taikis Seite. Er konnte es eben noch nicht, darum sollte man nicht so einen Wind machen.

 

Taikis Hand festigte sich in seiner und als Naruto zu dem Jungen schaute, hatte dieser den Kopf gesenkt. Kurz warf er einen Blick zu Sasuke, der ihnen nachdenklich folgte. Vielleicht sollte er mit ihm später sprechen, damit er Keiko ins Gewissen redete, ihren Bruder wegen dieser Angelegenheit nicht mehr so zu ärgern. Er könnte es selbst tun, doch ihm war bewusst, dass es nicht seine Angelegenheit war. Er konnte sich nicht in Sasukes Erziehung einmischen, das würde nur wieder böses Blut geben, etwas was Naruto verhindern wollte, nachdem ihre gemeinsame Zeit friedlich verlaufen war und keine weiteren, anstrengenden Fragen gefolgt waren, die er eh nicht beantworten wollte und konnte.

 

Unten angekommen half er dem Jungen in die Jacke und die Schuhe, band ihm einen Schal um und reichte ihm die Fäustlinge. Es hatte zwar aufgehört so heftig zu schneien, wirklich wärmer war es dennoch nicht gewesen. In der vergangenen Woche war er mit der Familie sogar in den Ort gefahren, um einige Dinge zu besorgen. Gerade Keiko hatte einfach neue, warme Sachen gebraucht. So oft wie sie mit den Hunden draußen gewesen war, konnten sie ihre Sachen gar nicht waschen und wieder trocknen. Dazu kam, dass Sasuke nur eine Ausstattung an Schal und Handschuhen mitgebracht hatte. Niemand hatte ahnen können, wie das Wetter sich entwickelte.

 

Als alle endlich fertig waren, verließen sie das warme Haus zusammen mit den beiden Hunden, die bereits freudig um sie herum sprangen. Noch immer fand Naruto es mehr als verwunderlich, dass einige Mahnungen von Sasuke reichten, um Rasengan zur Ruhe zu bringen. Es ärgerte ihn schon ein wenig, er selbst konnte im Grunde sagen was er wollte, der Rüde beruhigte sich kein Stück. Vielleicht sollte er, wenn die drei wieder abgereist waren, wirklich einmal über eine Hundeschule nachdenken, damit gerade Rasengan eine Erziehung bekam.

 
 

***
 

 

Schon von weitem konnten sie das hell erleuchtete Haus sehen, in dem die ganze Nachbarschaft dieses Jahr die Jahreswende feierte. Der Weg war weit, das Auto zu nehmen war ihnen allerdings zu gefährlich. Der schmale Weg war mit einer dicken Schneeschicht bedeckt und bei diesen Temperaturen war es einfach nicht ausgeschlossen, dass sich Eisschichten darunter verborgen lagen. In dieser Angelegenheit waren sie einer Meinung gewesen.

 

Erfreulich war hingegen gewesen, dass Sasuke scheinbar neugierig  auf dieses Treffen war. Der Uchiha war nicht unbedingt ein geselliger Mensch, dennoch hatte er zustimmend genickt, als Naruto ihm von dem gemeinsamen Fest berichtet hatte. Naruto war es zuvor schon aufgefallen, seit dem Besuch  bei seiner Nachbarin, hatte Sasuke Interesse an seinem Leben und den Leuten hier gezeigt. Sie hatten die Abende zusammen auf der Couch verbracht, anfangs sich nur bei einer Tasse Tee über Dinge unterhalten, die den kommenden Tag betrafen, doch  mit der Zeit waren die Themen anders geworden.

 

Es stimmte, Sasuke hatte sich nicht mehr nach den Gründen erkundigt, die Naruto Wortlos aus Japan hatten verschwinden lassen. Stattdessen hatte er gefragt wie es sich in Irland lebte, wie die Nachbarn waren und einige weitere Dinge, von denen Naruto keine Ahnung gehabt hatte, dass sie Sasuke interessieren könnten. Er hatte versucht alles zu beantworten, aber er konnte auch nicht leugnen, dass gerade diese Abende es waren, die sehr an ihm nagten. Er war eben hoffnungslos. Ganz gleich wie sehr er sich lösen wollte, es ging einfach nicht. Erst Recht nicht, wenn sie seit einer Woche zusammenlebten und dazu sich so gut verstanden, wie es früher eigentlich normal für sie gewesen war. Natürlich hatte es Streit gegeben – damals – und auch heute würde es nicht anders sein, wenn sie nicht einer Meinung waren, aber es änderte eben nichts an der Tatsache, dass sie dennoch eine tiefe Freundschaft verband. Wie es nach allem noch so sein konnte, wusste Naruto auch nicht. Ein Teil von ihm war froh darüber, er wollte Sasuke eben nicht verlieren. Der andere Teil hingegen, der das ganze nicht mehr ertrug, war verzweifelt auf der Suche nach der Antwort, wie man Sasuke aus seinem Leben verbannen konnte. Nicht, dass Naruto je etwas derartiges versuchen würde.

 

Naruto führte die Gruppe durch den tiefen Schnee, um die Autos der Nachbarn herum, die weiter weg lebten und trotz des Wetters lieber gefahren waren. Diese Autos waren aber auch eher dieser rauen Natur angepasst, als Narutos kleiner Wagen. Endlich erreichten sie die Tür und ohne zu klopfen trat Naruto ein.

 

Drinnen war es angenehm warm. „Hier hält man sich nicht mit Klingeln auf, wenn man eingeladen ist zu einem so großen Treffen. Die Tür steht offen, also tritt man ein!“, informierte Sasuke seine Gäste und schloss die Tür wieder, als alle rein gekommen waren. „Da seid ihr ja endlich!“, erklang auch gleich die Stimme von Betty, in deren Haus sie waren, kaum dass die Tür zu gefallen war. Naruto hatte gar keine Chance, ehe er sich versah, hatte die temperamentvolle Irische Frau ihn an sich gezogen. Sie war mollig und hatte tiefrotes Haar, doch Naruto mochte sie wirklich sehr gerne. Zu seiner Verwunderung allerdings, kniete sie sich, nachdem sie ihn und Sasuke begrüßt hatte – auf die gleiche Art – vor die beiden Kinder und begrüßte sie mit gebrochenem Japanisch.

 

Sie lachte herzhaft, als sie Narutos verdutztes Gesicht sah. „Als ich noch jung war, hatte ich große Träume. Ich war für einen Austausch ein halbes Jahr in Japan, ein wenig ist doch hängen geblieben!“, erklärte sie vergnügt. Naruto hatte das nicht gewusst, in all den Jahren hatte sie ihm gegenüber nie erwähnt, dass sie je in Japan gewesen war. „Ach komm, du bist noch immer jung!“, schäkerte er auch gleich mit der Frau, die lachend sich abwendete. „Alter Charmeur! Na kommt, die anderen sind schon alle da.“, informierte er die vier und führte sie tiefer in das Haus.

 

Bettys Haus war größer als Narutos und recht rustikal eingerichtet. Auf der kompletten unteren Ebene waren die Nachbarn verteilt, unterhielten sich in Gruppen, während Kinder aufgeregt zwischen ihnen herum tobten. Naruto fühlte sich sofort wieder wie zuhause. Er wusste selbst nicht woran es lag, aber in den vergangenen Jahren hatte er diese Treffen lieb gewonnen. Hier war man wie eine riesige Familie. Die Winterfeste feierte man bei jenen, die größere Häuser hatten, während die Sommerfeste bei den anderen Nachbarn stattfanden.

 

Ohne Taikis Hand los zu lassen, steuerte er den Weg zu der Küche an, um die Mitbringsel los zu werden, die er mit Sasuke zusammen zubereitet hatte. In der Küche stand ein riesiger Tisch, der aussah, als würde er unter der Last des Essens bald zusammenbrechen. Auf ihrem Weg begrüßte Naruto auch die anderen, blieb hier und da ein wenig stehen um einige Dinge auszutauschen. Die Hunde waren in der Zwischenzeit auf die großzügige Terrasse verschwunden, die Tür dazu stand ein wenig offen, da Naruto nicht der einzige war, der seinen Hund mitgebracht hatte. Alles in allem war es ein buntes Treiben und Naruto liebte es.

 

Von der Last des Essens befreit, besorgte Naruto ihnen etwas zu trinken, bevor sie sich einen Platz suchten. Es dauerte nicht lange, bis Keiko auftaute und mit den anderen Kindern spielte. Es war herrlich, Sprachbarrieren gab es bei Kindern nur bedingt wenn es ums gemeinsame spielen ging. Nur Taiki hielt weiter krampfhaft Narutos Hand fest. Er ließ ihn und war sogar ziemlich stolz, als der Junge auf seinen Schoß kletterte, nachdem sie einen Sitzplatz gefunden hatten.

 
 

***
 

 

Es war  bereits fast 11, als Naruto den Blick schweifen ließ. In der Zwischenzeit hatte Sasuke sich abgeseilt, diskutierte mit einigen Männern über Dinge, die Naruto nicht mitbekommen hatte. Keiko spielte noch immer mit den anderen und sogar Taiki hatte einige Jungs gefunden, die wie er nicht ganz so wild waren. Sie saßen nicht weit entfernt und spielten ein Kartenspiel, das Naruto dem Jungen erklärt hatte.

 

Irgendwie war dieser Abend zehrend. Es sah fast so aus, als wenn die drei hierher gehörten, als wenn sie schon seit Jahren dieser Gemeinschaft angehörten. Sie waren einfach aufgenommen worden, was Naruto nicht wunderte. Das Problem war wohl eher, dass Naruto genau das wollte, allerdings nicht derartig zeitlich begrenzt. Ihm wurde mehr und mehr klar, dass er die drei nicht wieder gehen lassen wollte. Sie waren so schnell zu einem Teil von seinem Leben geworden, dass der Gedanke, dass sie wieder abreisen würden, schmerzhaft war. Er wollte nicht daran denken, doch irgendwie gelang ihm dieses nicht wirklich.

 

Frustriert nippte er an seinem Bier. Viel hatte er nicht getrunken, das würde er auch kaum ändern, schließlich mussten sie später noch irgendwie heile zurück kommen. Betty ließ sich neben ihm nieder. „Weiß er, was du fühlst?“, fragte sie leise und deutete auf Sasuke, der sich noch immer angeregt unterhielt. Das Bild war so bizarr, Sasuke war einfach kein sozialer Mensch, dennoch schien er sich gerade sehr wohl zu fühlen. Bettys Frage irritierte ihn aber nicht mehr. So wie es aussah, sah man ihm deutlich an, was mit ihm los war. Er konnte sich vermutlich glücklich schätzen, dass Sasuke bei zwischenmenschlichen Dingen nicht sehr aufmerksam war. So blieb wenigstens er weiter im Dunkeln. Leicht schüttelte er den Kopf. „Er ist nur ein Freund!“, erklärte er seufzend. Betty schmunzelte leicht. „So sicher wäre ich mir da nicht!“, konterte sie und blickte selbst zu der Gruppe Männer.

 

Naruto verstand es nicht, es irritierte ihn einfach nur. Erst Itachi und nun auch Betty. Was sahen die beiden bitte, dass sie sich dem Irrglauben hingeben konnten, Sasuke würde ähnlich empfinden? „Weißt du, Eltern haben die dumme Angewohnheit, ständig nach ihren Kindern zu sehen. Aus Sorge etwas könnte passieren. Es ist ein Ausdruck der Liebe, die wir für unseren Nachwuchs empfinden und es spielt keine Rolle, ob wir in einer vertrauten, sicheren Umgebung sind, oder irgendwo wo wir uns nicht so sicher sein können. Sobald sie sich etwas entfernen, schauen wir!“, erklärte Betty, als sie seinen verwirrten Blick bemerkte. „Sasuke macht das ebenfalls. Aber nicht nur bei den beiden, auch zu dir schaut er regelmäßig. So wie du die drei im Auge behältst!“

 

Naruto war etwas dieser Art nicht aufgefallen. Er sah es aber auch deutlich nüchterner. „Vermutlich befürchtet er nur, dass ich erneut abhaue. Wie vor Jahren, als ich Japan verlassen habe!“, erwiderte er trocken und nippte ein weiteres Mal an seinem Bier. Betty brummte leise. „Mag sein. Man sieht aber doch, dass ihr euch nahe steht. Genauso wie man nicht leugnen kann, dass du die Zwillinge sehr ins Herz geschlossen hast. Du gehst sehr gut mit ihnen um, du wärst ein toller Vater.“, lobte sie ihn. Naruto zuckte leicht mit den Schultern und ließ den Blick zu Taiki gleiten, der noch immer in das neu erlernte Spiel vertieft war. Er konnte kaum leugnen, dass er die Zwillinge ins Herz geschlossen hatte. Ob er nun ein guter Vater wäre oder nicht, konnte er nicht beurteilen. Es spielte ja auch keine Rolle. Er würde nie eigene Kinder haben.

 

Frustriert schüttelte er den Kopf. „Ich liebe ihn! Ich liebe auch diese beiden Kinder!“, stellte er schließlich klar. „Aber das ändert nichts. Sasuke hatte nie Interesse an mir – oder anderen Männern. Er steht auf Frauen. Außerdem ist seine Frau erst vor kurzem verstorben und er trauert nach wie vor.“ Er sah es doch. So sehr es ihn auch schmerzte und so schwer es war die negativen Gefühle wegen Hikari zu unterdrücken, er sah täglich, dass Sasuke unter dem Verlust litt. Es schien etwas besser zu werden, aber von loslassen konnte wohl keine Rede sein. „Wenn ich das richtig sehe, bist du damals einfach verschwunden. Wegen dem was du fühlst?“, fragte sie leise nach, was Naruto mit einem Nicken bestätigte. „Ich würde nicht einmal meiner besten Freundin verzeihen, wenn sie einfach verschwindet.“, merkte sie an.

 

Sie hatte ja Recht. Sasuke war nicht der Typ Mensch, der an jemanden fest hielt, der nicht selbst dafür sorgte, dass die Freundschaft bestehen blieb. Laut Sasuke war es Hikaris Wunsch, dass sie sich aussöhnten, Sakura hingegen sagte etwas vollkommen anderes. Was nun stimmte konnte er auch nicht sagen, vermutlich war es ein Mix aus beidem Herausfinden würde er es nie, im Grunde spielte es auch keine wirkliche Rolle. Betty tätschelte leicht sein Knie. „Vielleicht solltest du nach all den Jahren einmal tiefer schauen!“, riet sie ihm, bevor sie sich wieder erhob, um sich um die anderen Gäste zu kümmern. Naruto war erleichtert. Warum alle um ihn herum es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ihn von seinen Gefühlen zu befreien, wusste er nicht. Wenn es denn wenigstens funktionieren würde, würde es ihn kaum stören. Doch leider war er unfähig seine Empfindungen zu vergessen und dass Sasuke dieses erwiderte war ausgeschlossen. Wenn er nicht irgendwie einen Kompromiss fand, würde er vermutlich so weiter machen, bis es Zeit war für ihn zu gehen. Ein schrecklicher Gedanke, doch auch hier war Naruto vollkommen hilflos.

 
 

***
 

 

Die Uhr sprang auf Mitternacht um und um sie herum wurde es laut. Man fiel sich um den Hals, wünschte sich ein frohes neues Jahr, küsste sich, lachte, war ausgelassen. Auch hier in der ländlichen Gegend konnte man Feuerwerk am Himmel sehen, welches vor allem die Kinder mit Staunen betrachteten. Auch Naruto wurde umarmt, man klopfte ihn auf die Schulter, drückte ihn, wünschte ihm Glück und Segen.

 

In den letzten Jahren hatte er diesen speziellen Moment sehr genossen. Doch in dieser Nacht war ihm nicht wirklich zum Feiern zumute. Aber er zeigte es nicht. Er grinste, lachte, küsste Wangen, umarmte Menschen die zu seiner Familie geworden waren, er scherzte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Sasuke das Gleiche durchmachte und ihm sah man an, dass er sich nicht sonderlich wohl dabei fühlte, einfach von fremden Frauen umarmt zu werden und von temperamentvollen irischen Männern die Schulter getätschelt zu bekommen. Es war ein Bild, das Naruto eigentlich zum Lachen bringen sollten. Sasuke sah aus wie ein vollkommen überfordertes Kind, doch man musste ihm auch lassen, dass er sich tapfer schlug.

 

Nachdem Naruto von einer weiteren Frau umarmt worden war, löste er sich endlich aus dem Pulk und schlüpfte durch die Tür auf die Terrasse heraus. Es war kalt, aber im Moment brauchte er die Brise durchaus, um seine erhitzte Haut ein wenig wieder abzukühlen. Er hatte nichts gegen diesen Trubel, ganz im Gegenteil. Grundlegend fühlte er sich in solchen Gruppen wohl, wo niemand irgendetwas hinterfragte und jeder ihn nahm, wie er nun einmal war. Aber jetzt brauchte er eindeutig eine kleine Auszeit.

 

In Ballyshannon schienen die Iren das neue Jahr gebührend zu feiern. Es war weit entfernt, dennoch sah man die Raketen auch auf diese Entfernung in den Himmel steigen. Naruto beobachtete das Schauspiel entspannt, bis jemand ihm eine Jacke über die Schultern legte. Er musste nicht einmal über die Schulter schauen um zu wissen, dass Sasuke ihm gefolgt war. „Wenn du bei dieser Kälte halb bekleidet raus gehst, holst du dir gleich die nächste Lungenentzündung!“, tadelte der Uchiha ihn und zog die eigene Jacke enger um sich herum. Naruto zuckte leicht mit den Schultern. Was sollte er auch darauf antworten?! Sasuke seufzte genervt. „Man könnte meinen du legst es darauf an, dir den Tod zu holen!“, erklärte er bitter.

 

Naruto wusste, dass es hierbei weniger um ihn ging. Er wusste es einfach. Das Thema für sich war es wohl, was Sasuke sauer aufstoßen ließ. Was nicht wirklich verwunderlich war. Der Tod für sich war immer einschneidend für jene, die zurück blieben. Dazu kam, dass es gerade einmal ein knappes halbes Jahr her war, keine wirkliche Zeitspanne, wenn man an den Schmerz dachte, den Sasuke wohl empfand. „Nicht wirklich!“, antwortete Naruto schließlich und warf dann doch einen Blick auf den Uchiha, der neben ihm stand und ebenfalls den Blick in den Himmel gerichtet hatte.

 

Er sah gut aus, entspannt. Er zeigte keinerlei Anzeichen dafür, dass er sich nicht wohl fühlte, wenn man einmal von der verärgert gerunzelten Stirn absah, für die wohl er verantwortlich war. Naruto wendete den Blick wieder ab. „Ich musste nur einmal durchatmen, das ist alles. Ich hatte nicht vor eine Ewigkeit in dieser Kälte zu bleiben!“ Eine schwache Ausrede. Die letzte Krankheit hatte einen eisigen regen gebraucht um ihn richtig niederzustrecken. Es war nun auch nicht so, dass er plante diese Erfahrung zu Wiederholen. Ganz gewiss nicht. Er hasste es krank zu sein. So krank zu sein, dass er im Grunde alleine nicht mehr zurecht kam, war noch schlimmer.

 

Sie schwiegen eine ganze Weile, bis es Sasuke war, der erneut das Schweigen brachte. Normalerweise war das Narutos Part. „Wir haben wirklich Sorgen gehabt, als du nicht mehr erreichbar warst!“, gestand dieser ihm, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Naruto seufzte leise. „Es war keine Absicht, ich bin nicht Hikari!“, konterte er heftiger als er eigentlich vorgehabt hatte. Aber dieses Thema war eines was ihm schwer im Magen lag.

 

„Du mochtest sie nicht!“, stellte Sasuke fest und drehte sich zu ihm, um ihn direkt ansehen zu können. In Narutos Magen zog es heftig. „Ich kannte sie nicht!“, erwiderte er und hob die Hand, als Sasuke etwas einwenden wollte. Es war unnötig, er wusste von allen wohl am Besten was die Gründe waren. „Ich weiß es war nicht ihre Schuld. Es war meine. Aber ich weiß, dass sie dir viel bedeutet hat und ich bedauere wirklich, was passiert ist!“ Das tat er auch. Ganz gleich was die Eifersucht für Gefühle in ihm hoch trieb, dass Sasuke so litt war das Letzte was er wollte. Seine Hoffnung war, dass Sasuke darüber hinweg kam. Dieses zu sagen war jedoch alles andere als leicht. Derartige Aussagen mochten gesellschaftlich angemessen sein, moralisch empfand Naruto es aber als weiteren Schlag ins Gesicht. Wollte man wirklich Beileidsbekundungen hören, wenn man etwas wichtiges verloren hatte? Für ihn selbst war das kaum denkbar. Das Letzte was man in einer derartigen Situation wollte war doch, dass geheuchelte Worte einen trösten sollten. Niemand würde empfinden können was in Sasuke vorgegangen war und vermutlich noch vor ging. Niemand steckte in den Schuhen des Uchihas. Man konnte ähnliche Erfahrungen damit auch nicht gleichsetzen. Jede verlorene Bindung war doch einzigartig. Keine ähnelte der anderen. Wie also konnte man inbrünstig Bedauern ausdrücken wenn man nicht nachempfinden konnte, wie es dem Gegenüber wirklich ging?!

 

„Ich verstehe dich nicht!“, gab Sasuke frustriert zu und fuhr sich durch sein rabenschwarzes Haar. Erst jetzt bemerkte Naruto, dass auch er ein Bier in der anderen Hand hielt. Sasuke trank eigentlich nie, Naruto hatte fest damit gerechnet, dass es heute keine Ausnahme geben würde. „Damals hast du nicht verborgen, dass sie dir gegen den Strich geht. Du hast es ganz offen gezeigt. Am Anfang dachte ich, es sei Eifersucht, weil sie irgendwie unsere Freundschaft beeinflusst hat!“ Sasuke ahnte gar nicht, wie Recht er damit hatte, dennoch versuchte Naruto seinen Freund neutral anzusehen und sich das, was er gerade empfand, nicht anmerken zulassen. „Sie verstand es auch nicht. Als du einfach abgehauen bist, hatte sie ernste Zweifel an unserer Beziehung. Sie wollte nie als keil zwischen uns geraten!“ Naruto wollte das nicht hören. Er hasste Hikari dafür, dass sie eine Frau gewesen war, die den Mann den sie liebte als jemanden hatte sehen können, der auch eine Welt außerhalb der Beziehung besaß.

 

Wenn er an die Bindungen zurück dachte, die er im Laufe seines Lebens mitbekommen hatte, war so eine Eigenschaft eher etwas Ungewöhnliches. Vor allem am Anfang der Beziehung, wo die Meisten offensichtlich die Außenwelt vergaßen. Es existierte nur noch der neue Partner und gerade Frauen konnten da recht schnell die Krallen ausfahren, wenn es anders war. Ob er nur die falschen Frauen dabei erlebt hatte, wusste er nicht, doch ihm war durchaus bewusst, dass Hikari ein sehr liebenswerter Mensch gewesen war und dass sie ihre Freundschaft respektiert hätte, wenn er nicht sich zurückgezogen hätte. Aber genau das war der Knackpunkt. Wie konnte er einen auf guten Freund machen, wenn es so viel mehr war, was er haben wollte? Er hatte es einfach nicht gekonnt. Die beiden glücklich zu sehen hatte ihm mehr Schmerz bereitet, als etwas was er zuvor erlebt hatte. Die Zerrissenheit, Freude für Sasuke zu empfinden und gleichzeitig vor Sehnsucht halb wahnsinnig zu werden, war einfach zu viel gewesen.

 

„Auch jetzt, wenn ich dich mit den Kindern sehe. Du bist so liebevoll und offen ihnen gegenüber, während du dich vor uns anderen vollkommen verschließt. Noch immer, Naruto! Du magst dich melden, aber du lässt uns nicht näher an dich heran. Das ist verdammt frustrierend, weißt du das?“

 

Naruto schluckte schwer. Ihm war nicht einmal ansatzweise bewusst gewesen, wie viel Durchblick Sasuke wirklich hatte. Im Grunde hatte er angenommen, dass alle – Sasuke eingeschlossen – zufrieden damit waren, dass er sie wieder in sein Leben ließ. Zumindest jenes Leben, dessen Fassaden er aufrechterhalten konnte, ohne dass es zu einem Fiasko kam. Sahen die Anderen es genauso? War er durchschaubar wie ein offenes Buch?! Wenn dem so war, verstand er nicht, warum niemand etwas sagte. Zumindest Sakura, da war er sich sicher, würde ihm auch durch das Telefon den Kopf abreißen, wenn sie etwas Derartiges verstehen würde. Auf der anderen Seite, Sakura war die einzige Person, der gegenüber er keine Mauern aufrechterhalten musste. Sie wusste um die Gründe für seine Flucht, wusste wie es tief in ihm aussah. Sie war es, auch jetzt noch, die spät abends, oder früh am Morgen sich bei ihm meldete und sicherstellte, dass er noch nicht dabei war zusammen zu brechen. Die ihre Sorge so deutlich machte, dass jeder Idiot sie verstehen konnte.

 

Sasuke schüttelte den Kopf, kam auf Naruto zu und schlang einen Arm um ihn. Für einen Moment setzte Narutos Herz aus, ehe es doppelt so schnell weiter schlug. Seine Augen waren weit aufgerissen und ihn ihm kämpfte sein Verstand darum, zu entscheiden, ob er Sasuke enger an sich ziehen, oder ihn auf Abstand bringen sollte. Der Geruch nach Bier stieg deutlich in seine Nase. Sasuke hatte wohl mehr getrunken als Naruto, auch wenn der Uchiha nicht den Eindruck machte, betrunken zu sein.

 

„Ich bin geneigt zu sagen, dass du bleiben sollst wie du bist!“, gestand Sasuke leise, ohne ihn los zu lassen. Die ruhige Stimme beruhigte Naruto ein wenig, zwang ihn dazu, sich auf die Worte zu konzentrieren, anstatt auf die Nähe, die viel zu viel für ihn war. „Du bist ein toller Mensch, ein toller Freund, auch wenn du uns – mich – einfach wortlos zurück gelassen hast!“ So toll konnte er kaum sein. Er verbarg Gefühle vor seinem besten Freund, log ihn indirekt permanent an. So etwas taten Freunde nicht, zumindest nicht nach Narutos Ansichten nach. „Du warst immer da, als meine Eltern verstorben sind!“, sprach Sasuke leise weiter. „Ich wünschte mir nur, dass du mir das Recht gibst, das Gleiche für dich zu tun!“

 

Mit diesen Worten ließ der Uchiha endlich von ihm ab. „Ich gehen wieder rein!“, erklärte er neutral, als wenn die Szene gerade nicht stattgefunden hätte. Doch an der Tür blieb er noch einmal stehen. „Frohes neues Jahr, Naruto, auch von Itachi!“, sagte er noch, bevor er wieder ins Innere des Hauses schlüpfte und Naruto mit einem inneren Chaos zurück ließ, bei dem er keine Ahnung hatte, wie er dieses wieder unter Kontrolle bringen sollte.

 

Er verstand. Endlich verstand er ein wenig besser, was Sasuke angetrieben hatte, auch nach all den Jahren nicht einfach ihn abzuschreiben, sondern regelrecht zu fordern, dass ihre Freundschaft gefestigt oder wieder belebt werden sollte. Naruto erinnerte sich an die erste Zeit, als Sasukes Eltern umgekommen waren. Der Uchiha hatte sich damals komplett zurück gezogen, war bitter und nahezu unsozial geworden. Doch er hatte ihn einfach nicht in Ruhe lassen können. Oder wollen. Er hatte nie aufgegeben. War es das, was Sasuke in ihm sah? Jemand der nie aufgab, da war, ganz gleich wie viel er einstecken musste? War es deswegen, dass er an der Freundschaft fest hielt, auch wenn er genug Gründe geliefert hatte um Sasuke endgültig von sich weg zu treiben?!

 

Naruto wusste es nicht. Er verstand im Augenblick eigentlich gar nichts mehr. In ihm war alles vollkommen im Chaos. Die Nähe zu Sasuke, die ehrlichen Worte, die Gefühle, die zuvor in ihm geköchelt hatten und nun bei voller Hitze ihn regelrecht verbrannten. Es war viel zu viel. Das Verlangen ein weiteres Mal die Koffer zu packen, zu gehen ohne ein Blick zurück zu werfen, war enorm. Aber Irland war seine Heimat, weit ehr als Japan es je gewesen war. Die Menschen hier bedeuteten ihm viel. Sasuke bedeutete ihm mehr, aber ihm war auch klar, dass genau das das Problem war. Er empfand viel zu viel für Sasuke, Gefühle die nicht erwidert wurden und somit ihn fesselten und unfähig machten voran zu sehen. Zittrig atmete er tief durch, bevor er sich wieder ins Haus zurück schlich.

 

Für den restlichen Abend versteckte er sich bei den jüngeren Frauen in der Küche und hielt die Maske aufrecht ausgelassen und voller Spaß zu sein, auch wenn das Chaos in ihm einfach nicht zur Ruhe fand.

11 normal ways


 

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11 normal ways

 

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„Vorsicht!“, mahnte Sasuke leise und legte Keiko auf das Bett um dann damit zu beginnen, das Mädchen aus der gröbsten Kleidung zu befreien. Naruto legte Taiki daneben und tat es Sasuke nach.

 

Es war fast drei in der früh und nach einem anstrengenden Marsch durch die kalte, weiße Nacht waren sie endlich zurück. Die Zwillinge waren eingeschlafen bevor sie sich auf den Weg gemacht hatten. Betty hatte ihnen natürlich angeboten bei ihnen zu bleiben, was Sasuke freundlich abgelehnt hatte. Naruto war es nur Recht, Bettys Haus mochte groß sein, unendlich viele Gästezimmer hatte sie aber auch nicht. Wenigstens die Kinder dort zu lassen war auch keine Option gewesen, da hatte Naruto sich quer gestellt – sehr zu Sasukes Belustigung – bevor der Uchiha auch nur hätte reagieren können. So hatten sie die beiden zurück getragen.

 

Rasengan und Chidori hatten sich sofort ins Wohnzimmer gelegt, auch sie waren erschöpft, während er und Sasuke die Kinder hoch gebracht hatten. Nachdem sie Jacken, Schuhe und Hosen aus hatten, deckten sie die beiden zu und verließen dann gemeinsam das Kinderzimmer. „Lust noch ein wenig nach unten zu gehen?“, fragte Sasuke und blickte Naruto dabei an.

 

Obwohl Naruto nur noch müde war und im Grunde sofort in sein Bett wollte, nickte er zustimmend. Wer wusste schon wie die letzte Woche zusammen verlaufen würde, da konnte er die bestehende Zeit nutzen. So gingen die beiden nach unten. Während Sasuke die Couch ein wenig gemütlicher gestaltete, suchte Naruto in der Küche nach etwas angemessenen zu trinken. Kurz darauf kam er mit zwei Tassen, einer Kanne und einer Flasche zurück. Sasuke blickte ihm neugierig entgegen, wobei seine Augenbrauen sich leicht hoben.

 

„Wirklich, Naruto?“, fragte er nach und seine Mundwinkel verzogen sich leicht zu einem Lachen. Naruto hingegen zuckte den Schultern. „Warum nicht? Es ist schon eine Weile her, dass wir heißen Kakao mit Rum hatten, oder?“, erwiderte er gelassen.

 

In Japan wurde Weihnachten nicht wie in Europa gefeiert. Dennoch hatten sie in ihrer Jugend es sich zur Aufgabe gemacht, so einige Dinge auszuprobieren Naruto konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie sie früher an einem eisigen Winterabend zusammen Kakao gemacht hatten und diesen mit einem ordentlichen Schuss Rum verfeinert hatten, den Kiba irgendwo aufgetrieben hatte. Sie waren damals vielleicht 16 oder 17 Jahre alt gewesen. Was von dieser Nacht vor allem im Hinterkopf geblieben war, waren die rasenden Kopfschmerzen, die sie am nächsten Morgen gehabt hatten. Aber auch an andere Dinge erinnert Naruto sich aus dieser Zeit sehr gut.

 

Sie hatten in dieser Nacht wahnsinnig viel Spaß gehabt. Die Mädchen unter ihnen waren vernünftiger gewesen und hatten dementsprechend nicht ganz so viel getrunken, wie die Jungs. Die Jungs hingegen waren derart voll gewesen, dass der restliche Abend ziemlich laut verlaufen war. Selbst Shikamaru, der ansonsten sich eher zurückhielt und eher ruhig war, war aufgetaut. Das wirklich negative jedoch war in Form von Kakashi gekommen, der wenig begeistert darüber gewesen war, dass Naruto und seine Freunde in seinem Haus sich hatten volllaufen lassen, während er selbst unterwegs gewesen war.

 

Generell konnte man wohl sagen, dass Kakashi sehr entspannt mit vielen umgegangen war. Betrunkene Teenager jedoch gehörten nicht dazu. Das war einer der wenigen Gelegenheiten gewesen, wo Naruto wirklich die Leviten gelesen bekommen hatte und diese Predigt war auch nie in Vergessenheit geraten. Nach diesen Abends hatte ihre Truppe es nie wieder gewagt, Narutos Heim als Unterkunft zu benutzen, wenn sie getrunken hatten. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie danach nie wieder Alkohol angepackt hatten.

 

Die Erinnerungen von sich schiebend, ließ Naruto sich auf der Couch nieder und stellte die Tassen auf den Tisch bevor er die Kanne öffnete und beiden den heißen Kakao einschränkte. „An einem so kalten Abend ist ein wenig Kakao mit Rum doch genau das richtige!“, Erklärte Naruto wobei er ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken konnte. Woran er sich auch noch erinnerte wenn es um ihre erste Erfahrung mit diesem Getränk ging, war das Sasuke ziemlich gesprächig geworden war. Nicht dass der Uchiha bereit wäre das je zuzugeben. Aber genau das war es auch, was Naruto an den jungen Mann zu mochte. Oder einer der Dinge. Naruto könnte vermutlich hunderte Sachen aufzählen, die Sasuke für ihn so besonders machten.

 

Sasuke brummte leise, bevor er seine eigene Tasse griff und sich ebenfalls auf dem Sofa niederließ. Aus den Augenwinkeln sah Naruto, wie sein bester Freund an dem heißen Getränk nippte und er machte es ihm nach, nicht wirklich sicher was er nun sonst machen sollte. Es war eine ungewohnte Situation. Normalerweise war Naruto derjenige, der den Mund kaum zu bekam und nahezu ohne Pause plapperte. Oder eher, er war es gewesen. Heute sah das Ganze schon ein wenig anders aus. Sie hatten sich eben weiter entwickelt, was auch zur Folge hatten, dass ihre gemeinsamen Stunden irgendwie grotesk waren. Sie konnten eindeutig genießen sich an zu schweigen, aber in dieser Situation war es Naruto einfach nur unangenehm. Zu sehr hingen die Ereignisse des Abends noch an ihm, als dass er wirklich entspannen konnte.

 

„Du hast ein Händchen für die Zwillinge!“, durchbrach Sasuke plötzlich die Stille, die sie umgeben hatte. Ein wenig irritiert durch diese Aussage drehte Naruto den Kopf zu dem jungen Uchiha um ihn anzusehen. „Von Anfang an. Als du bei uns gewesen bist, hast du sofort einen Draht zu ihnen bekommen, so etwas habe ich bei den beiden noch nie zuvor gesehen!“, erklärte Sasuke leise weiter, während er die Beine auf die Couch zog und es sich gemütlich machte. Naruto sah das leichte Lächeln, welches Sasukes Mundwinkel umspielte und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus.

 

Sasukes Lächeln war schön, leider schien dieser nur sehr wenig Gelegenheiten zu haben es wirklich zu zeigen. Naruto verstand es irgendwie. Es war doch schon ihr ganzes Leben so gewesen, dass immer irgendwelche Dinge da gewesen waren, die nicht sehr erfreulich waren und die demnach Sasuke daran gehindert hatten wirklich zufrieden zu sein. In den letzten Tagen schien sich das allerdings ein wenig verändert zu haben. Auch wenn Sasuke bei seiner Ankunft müde und ausgelaugt gewirkt hatte, waren gerade die letzten paar Tage davon geprägt gewesen, dass sein Freund endlich einmal alles negative von sich abgeschüttelt hatte und damit sein konnte, wie er wirklich war, wenn nicht hunderte Dinge versuchten ihn irgendwie zu Boden zu ringen.

 

Naruto freute diese Tatsache natürlich. Wenn es nach ihm ginge, würde Sasuke nie negative Sachen in seinem Leben haben, die ihn traurig machten oder anderweitig negativ beeinflussten. Nur leider funktionierte das Leben so nicht. Man hatte keinerlei Kontrolle, ganz gleich wie sehr man das auch wollte. Aber ein zufriedener Sasuke hatte eben auch diese Macht auf ihn, die Narutos Zuneigung für ihn nur noch weiter anwachsen ließ. Er wollte es nicht, wenn er ehrlich war, wollte er irgendwie endlich selbst zur Ruhe kommen, auch wenn ein weitaus größerer Teil an dem festhielt, was er für diesen Mann empfand.

 

„Ich bin offen!“, erwiderte er deswegen angespannter als es ihm lieb war, stutzte aber doch, als Sasuke ein typisches Schnauben hören ließ. „Nein, bist du nicht! Du bist verschlossen geworden. Du hast Geheimnisse vor uns und versuchst uns dennoch weiß zu machen, dass alles in Ordnung ist!“ Naruto wendete den Blick ab und versuchte den Frust, den er mehr als deutlich in Sasukes Stimme hören konnte auszublenden. Es war sehr unangenehm, dass der Uchiha ihn durchschaute, andererseits konnte Naruto auch nichts machen um dieses zu verhindern. Es ging einfach nicht, ganz egal was Betty und was Itachi auch glaubten zu sehen und zu wissen, er selbst sah diese Dinge nicht und auch wenn es furchtbar kompliziert war, so war Naruto nicht gewillt die Freundschaft – an der er trotz allem hing – dafür aufs Spiel zu setzen, dass er Sasuke reinen Wein einschenkte.

 

„Aber nicht bei ihnen!“, erklärte Sasuke weiter, wobei seine Stimme deutlich weicher wurde. „Ich war wach am ersten Morgen!“, gab er dann zu, drehte den Kopf um Naruto anblicken zu können. „Meine Kinder hängen an dir. Besonders Taiki. Mein Sohn ist genauso verschlossen wie ich selbst auch, dennoch hast du es geschafft, dass er heute mehr an dir hängt, als dass er es bei mir tut!“

 

Im ersten Augenblick hatte Naruto das Gefühl Sasuke widersprechen zu wollen, doch als die Worte sickerten, begriff er auch, dass keine Abwehr aus der Stimme raus zuhören war. Sasuke verurteilte ihn nicht dafür, dass er mit dem Jungen so gut zurecht kam, es hörte sich eher so an, als wenn er versuchte zu analysieren was sein Geheimnis war um es besser verstehen zu können. Erst danach realisierte Naruto ebenfalls, dass Sasuke zum ersten Mal wirklich zugegeben hatte, welchen Fehler er selbst besaß. Das war eindeutig etwas, mit dem Naruto nicht umzugehen wusste.

 

Wenn man an ihre Vergangenheit dachte, war es stets Naruto gewesen, der Sasuke regelrecht die Leviten gelesen hatte. Er hatte dem jungen Mann an den Kopf geworfen wie unsozial er oft genug war, wie wenig er andere an sich heran ließ und natürlich hatte Sasuke gewohnt abweisend darauf reagiert. Aber so wie es im Moment aussah, war Sasuke sich durchaus bewusst wo seine Fehler lagen, auch wenn es wohl ein ziemlich großer Schritt war das auch laut zu zugeben. Naruto wusste nicht wirklich was er mit dieser Situation anfangen sollte. Dieses Neujahr hielt für ihn schon jetzt weit mehr Dinge bereit die ihn überforderten, als er in seinem ganzen bisherigen Leben wohl zu sehen bekommen hatte. Er fragte sich aber auch, an was das lag. Irgendetwas musste doch der Auslöser dafür sein, dass Sasuke plötzlich so anders war. An dem Alkohol lag es ganz gewiss nicht, er wusste wie Sasuke war wenn er wirklich betrunken war und sein derzeitiger Zustand kam nicht einmal nahe dort heran.

 

Sasuke lachte leise. „Das ist so typisch für dich. Ganz gleich wo du auftauchst, du schaffst es spielend leicht andere für dich zu gewinnen. Manchmal ist das wirklich frustrierend!“, gab er ehrlich zu. Naruto seufzte leise. „Ich nehme Taiki wie er ist. Am Anfang dachte ich, dass er wie du ist. Er sieht aus wie du damals, er ist genauso ruhig und er hat den gleichen Gesichtsausdruck wie du früher!“, gab er zu und lachte selbst leise. Er spürte den Blick seines Freundes auf sich, kümmerte sich allerdings nicht darum. Statt dessen starrte er in seine Tasse hinab, als er weiter redete.

 

„Aber er ist nicht wie du!“, gab er ehrlich zu. „Er ist schüchtern und unsicher. Er ist eher jemand der vom Rand aus beobachtet anstatt sich in den Mittelpunkt zu stellen. Er hat wahnsinnig viel zu sagen, auch wenn er dafür keine Worte verwendet. Seine Gesten und Blicke sprechen dafür Bände!“, erklärte er sich weiter, ohne sich Gedanken zu machen, wie dieses Gespräch entstanden war und ob es nicht besser wäre doch den Abend zu beenden. Sein Blick wanderte zu der Uhr, deren Zeiger ihm zeigten, dass es fast halb vier am Morgen war. Eine Zeit in der er sonst viel zu oft die Tastatur seines Laptops bearbeitete anstatt wie andere Menschen im Bett zu liegen und zu schlafen. Wenn man bedachte, dass sie zwei Kinder im Haus hatten, die trotz der späten Stunde in der sie eingeschlafen waren wohl wieder früh aufwachen würden, war es wirklich eine schlechte Idee weiter hier zu sitzen.

 

„Du liebst ihn, huh?“, fragte Sasuke nach und bei der Sanftheit die in der Stimme mitschwang, rann Naruto ein angenehmer Schauer über den Rücken. „Ich verstehe ihn und ich mag ihn!“, korrigierte er den Uchiha, nicht wirklich sicher ob Liebe das richtige Wort war. Sicher, zum Teil stimmte Sasukes Feststellung, Naruto hatte aber noch keine Gelegenheit bekommen sich wirklich mit seinen eigenen Gefühlen für Taiki auseinanderzusetzen.

 

„Nein, du liebst ihn!“, korrigierte Sasuke ihn, offenbar nicht bereit etwas anderes zu akzeptieren. „Aber das ist in Ordnung. Er liebt dich genauso, ebenso wie Keiko! Das erleichtert mich irgendwie!“, erklärte er weiter und sank tiefer in die weichen Kissen hinter ihm. „Es ist nicht leicht seit Hikari nicht mehr bei uns ist. Es sind meine Kinder, aber oft genug weiß ich nicht wie ich ihnen entgegentreten soll!“

 

Sasukes Offenheit verletzte Naruto. Es waren nicht einmal die Worte, sondern sein Wissen, dass diese Dinge Sasuke so sehr belasteten, was ihn selbst traf. Dieser Mann bedeutete ihm wahnsinnig viel, Naruto wünschte sich wirklich, dass Sasuke glücklich wurde. Nicht umsonst hatte er selbst die Flucht angetreten und Hikari das Feld überlassen. Sie hatte Sasuke glücklich gemacht und letzten Endes war es doch genau das, was er selbst gewollt hatte.

 

„Höre ihnen zu!“, riet Naruto schließlich leise, dankbar für den leichten Themenwechsel, auch wenn Hikari keine gute Alternative war. Zu viele Emotionen hingen an dieser Frau Emotionen die sie nicht teilen konnten und damit das Thema zu einem regelrechten Minenfeld machte, wenn sie nicht vorsichtig waren. Naruto hatte keine Lust auf weiteren Streit, er wollte nicht weiter gelöchert werden und vor allem wollte er nicht zugeben, dass der Tod dieser Frau nicht nur negative Gefühle bei ihm auslöste, auch wenn er sehr wohl wusste, dass es falsch war so zu empfinden wie er es nun einmal tat.

 

„Rede mit ihnen, sag ihnen wie du empfindest, schaue genau hin!“, forderte er Sasuke energischer auf und blickte den Uchiha endlich wieder richtig an. „Sie empfinden wie du, sie haben den gleichen Verlust erlebt und du weißt wie man sich fühlt wenn man ein Elternteil verliert!“, fügte er sanfter hinzu, wohl wissend, dass auch dieses Thema nicht gerade ein leichtes war.

 

Sasuke runzelte die Stirn, was Naruto sehr bedauerte. Allerdings fand er auch, dass Sasuke diese Dinge hören musste um endlich voran zu kommen. Er wusste, dass Sasuke seine Kinder liebte, aber er wusste genauso, dass dieser Schwierigkeiten hatte solche Dinge zu zeigen. Etwas für sich selbst zu wissen war eben etwas anderes, als es anderen zu zeigen. „Sei ein Vater und lass sie Kinder sein!“, forderte er leise weiter.

 

„Nicht sehr leicht!“, gab Sasuke zu und seufzte schwer. Für einen Moment konzentrierte er sich darauf seine Tasse zu leeren, um sich dann nach vorne zu beugen und sich eine neue einzuschenken. Mit dem warmen Getränk in beiden Händen haltend lehnte er sich wieder zurück. „Keiko ist leichter, Taiki hingegen...“, er brach ab, nicht sicher wie er diesen Satz beenden sollte. Taiki war schon immer verschlossener gewesen. Naruto hatte eigentlich Recht, dass er selbst wusste wie es war seine Eltern zu verlieren. Sasuke ahnte aber auch, dass die Schwierigkeiten die er mit seinem Sohn hatte nicht nur in dem Verlust begründet lagen. Taiki war schon immer still gewesen und selbst als sie noch eine komplette Familie gewesen waren, hatte er sich schwer getan an seinen Sohn heranzukommen. Manchmal wünschte er sich wirklich, dass er mehr wie Naruto sein konnte, bei dem es so spielend leicht aussah an andere heranzukommen. Er selbst konnte so etwas einfach nicht.

 

„Lass ihm Zeit und mache dir nicht zu viele Gedanken!“, riet Naruto ihm schließlich und kuschelte sich selbst tiefer in die Kissen. „Solange du nicht aufhörst aufmerksam zu sein, wirst du es schon hinbekommen und die richtigen Entscheidungen treffen!“ Sasuke war sich da nicht so sicher. Er war sicher kein Mensch der unsicher war, aber bei seinem Sohn hatte er das Gefühl zu versagen. Er hatte es ja versucht nachdem Naruto bei ihnen gewesen war. An Keiko kam er auch gut heran, sie hatten Dinge zusammen unternommen, sie hatten geredet und er fühlte sich seiner Tochter näher. Bei Taiki hatte er eher das Gefühl, als wenn er diesen mehr und mehr von sich trieb, auch wenn der Junge durchaus seine Nähe suchte, schien er sich mehr und mehr zu verschließen. Sasuke sorgte dieser Umstand und diesem machtlos ausgeliefert zu sein sorgte nicht wirklich dafür, dass er sich entspannen konnte.

 

„Hmm“, brummt er leise und stellt die Tasse auf den Tisch. Er fühlt sich erschöpft, weit mehr wie es vor seiner Ankunft gewesen war, was bei diesen Thema aber wohl nicht wirklich seltsam war. Als Vater hatte er einige Sorgen, die Tatsache, dass seine Frau nicht mehr bei ihnen war sorgte da nur dafür, dass diese Sorgen anzuwachsen schienen. Oft fühlte er sich vollkommen alleine damit, der Gedanke seine Sorgen mit anderen zu teilen behagte ihm aber nicht.

 

Mit einer Ausnahme. Naruto hatte schon immer diese seltsame Macht auf ihn gehabt, die ihn dazu brachte auszusprechen was im Grunde unaussprechlich für ihn war. Manchmal wunderte er sich wirklich, wie ein Mensch so einen Einfluss auf ihn haben konnte. In manchen Situationen allerdings konnte er auch nicht leugnen, dass es gut war, dass Naruto diese Macht hatte. Es war seltsam befreiend, ein Gefühl was Sasuke in der meisten Zeit seines Lebens einfach vermisste.

 
 

***

 

Das laute Poltern auf der Treppe riss Naruto aus dem Schlaf, trotz allem war er ganz gewiss nicht wach genug, um nun den Kopf zu heben. Viel lieber schmiegte er sich tiefer in die Wärme, die seinen ganzen Körper umgab. Die Tatsache, dass das Poltern so klang als wenn es von oben kam, ignorierte er dabei in seinem nicht ganz wachen Zustand. Genauso wie er versuchte zu ignorieren, wie zwei kleine Körper versuchten sich zwischen ihm und seiner Wärmequelle zu schieben.

 

Erfolglos. Taiki und Keiko waren an diesem Morgen wie immer außergewöhnlich aktiv und schienen wenig davon zu halten, dass er noch schlief. Mit einem leisen Stöhnen versuchte er die Augen zu öffnen, die sich so schwer anfühlten, als wenn man Gewichte daran gehängt hätte. Doch kaum gewöhnten seine Augen sich an die Helligkeit, nahm er auch die Umgebung wirklich wahr.

 

Er war nicht in seinem Zimmer und er lag nicht in seinem Bett. Was er aber ebenfalls realisierte war, dass er im Wohnzimmer auf der Couch lag und das nicht alleine. Ein nicht minder müde aussehender Sasuke blinzelte ihm verschlafen entgegen, womit Naruto realisierte, was genau seine Wärmequelle gewesen war. Gefühle die er so schnell gar nicht alle erfassen konnte, durchströmten seinen ganzen Körper.

 

Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass er sich mit Sasuke eine Schlafstätte geteilt hatte. Gerade wenn sie in ihren jungen Jahren Zelten gegangen waren, hatten er und der Uchiha sich stets ein Zelt geteilt und Naruto hatte leider die Angewohnheit, sich recht energisch im Schlaf zu bewegen. Deswegen war es nicht selten vorgekommen, dass er am Morgen halb auf dem Uchiha erwacht war, falls dieser nicht irgendwann in der Nacht ihm einfach einen Tritt verpasst hatte um überhaupt schlafen zu können.

 

Trotzdem war diese Situation schlichtweg eine andere und Naruto wusste nicht wirklich wie er damit umgehen sollte. „Daddy, ich will auch kuscheln!“, forderte Keiko da energisch und schob sich nur noch mehr zwischen sie, wobei Naruto ganz automatisch zurück rutschte, nicht nur um dem Mädchen Platz zu machen. Er musste dringend Abstand zwischen sie bringen, damit er nichts unüberlegtes machte. In den letzten Tagen die ihnen blieben war das eindeutig das Letzte, was er vor hatte.

 

Sein Blick wanderte zu Taiki, der am Ende der Couch stand und sie mit einem Mix aus Neugierde und Unsicherheit anblickte, während seine Schwester bereits mit unter die Decken rutschte, die sie scheinbar irgendwann in der Nacht genommen hatten. Wirklich erinnern tat Naruto sich daran allerdings nicht. Taiki war aber eine gern gesehene Ablenkung von dem, was die gemeinsam verbrachte Nacht in Naruto auslöste. So rutschte er noch ein Stückchen zurück, bevor er den Jungen anlächelte und die Decke hob. Taiki zögerte einen Augenblick, doch dann krabbelte auch er mit auf das Sofa, um sich zu Naruto zu legen, der die Decke wieder zurück schlug, kaum das der Junge sich niedergelassen hatte.

 

Während Keiko wieder einmal wie ein Wasserfall redete, versuchte Naruto sich zu entspannen. Ihm war bewusst, dass diese Situation in vielerlei Hinsicht nicht gerade ideal für ihn war. Die Tatsache, dass er die Nacht mit Sasuke verbracht hatte wog schon schwer genug, das morgendliche Kuscheln mit den Zwillingen allerdings wirkte fast wie ein Lastwagen, der ihn überrollte. Es zeigte ihm erneut auf sehr bedrückende Weise, was er nur für einen kurzen Zeitraum haben konnte. Eine Familie, nach der er sich mehr und mehr sehnte. Er wollte nicht aufgeben, dass Sasuke um ihn herum war, selbst dann nicht, wenn es ihn mehr und mehr in Konflikt mit seinen Gefühlen brachte, ihre Beziehung aber rein freundschaftlich war. Er wollte auch die beiden Kinder nicht missen müssen, die zu einem Teil seines Lebens geworden waren, ehe er es hätte realisieren und damit auch hätte verhindern können. Der Gedanke, dass ihnen nur wenige Tage blieben schmerzte mehr wie Naruto es je für möglich gehalten hatte.

 

„Warum habt ihr geknuddelt?“, hörte er Keiko schließlich fragen. Es war ganz gut das Sasuke schnaubte und dem Mädchen erklärte, dass sie eingeschlafen waren und Naruto furchtbar anhänglich im Schlaf wurde. So konnte er den leichten Hauch auf seinen Wangen – die Hitze spürte er überdeutlich – auf die Worte schieben und nicht auf die Tatsache, dass er mehr empfand als er eigentlich sollte. „Halt den Mund, Sasuke! Nur weil du wie versteinert schläfst trifft das nicht auf andere zu!“, schoss er rein aus Gewohnheit zurück.

 

Sasuke lachte schallend, ein Laut der Naruto vollkommen überrumpelte. „Sieh an, du hast ja doch nicht ganz verlernt deinen Mund auf zu machen!“, neckte der Uchiha ihn. „Ich dachte du kannst das nur noch wenn ich Fehler mache!“, fügte er bitter hinzu, ließ das Thema dann aber fallen.

 

Wenn Naruto ehrlich war, hatte Sasuke durchaus recht. Naruto hatte versucht so viel Abstand wie nur möglich zwischen sie zu bringen, was auch darin zu sehen gewesen war, dass er nicht mehr wie früher einfach lautstark sagte was er zu sagen hatte. Nur als es um die Zwillinge gegangen war, hatte sich das für einen Moment verändert. Ihm war aber nicht bewusst gewesen, dass Sasuke es scheinbar vermisste. Anders konnte er diese positive Reaktion nicht wirklich verstehen. Allerdings wollte er sich auch mit diesen Gedanken nicht weiter befassen, er war es leid immer wieder alles zu durchdenken und an diesem Morgen wollte er wirklich nichts sehnlicher als den Kopf auszuschalten und zu genießen was er hatte ohne sich groß Gedanken machen zu müssen, dass ihre Zeit fast abgelaufen war.

 

Keiko redete munter weiter und erzählte ihnen, was sie mit den anderen Kindern am Abend zuvor alles getan hatte. Für Naruto war das angenehm, ein stetiger Fluss, dem er lauschen konnte ohne sich zu sehr darauf zu konzentrieren. Es war warm und es war angenehm. Wenn er ehrlich war, konnte er sich kaum an den letzten Moment erinnern, an dem er einfach einmal liegen geblieben war. Es war vermutlich Jahre her.

 

„Was hältst du davon, wenn Naruto und ich aufstehen und Frühstück machen?“, schlug Sasuke vor, der bisher seiner Tochter gelauscht hatte. Naruto fühlte, wie Taiki leicht zusammen zuckte, weswegen er die Hand ausstreckte und dem Jungen leicht über den Rücken strich. „Ihr könnt doch hier bleiben und wir holen alles her!“, schlug er vor und deutete dann mit dem Kopf auf den Kamin. „Der braucht eine Weile um warm zu werden, das Haus ist ziemlich ausgekühlt!“

 

In der Nacht hatten sie beide sich nicht mehr die Mühe gemacht, den Kamin neu einzuheizen. Es hatte auch kaum einen Grund dafür gegeben und vermutlich hatten sie beide sich vorgenommen es zu tun, bevor sie in ihr Bett verschwanden. Nun, da sie eingeschlafen waren, war der Kamin die ganze Nacht aus gewesen, womit es wirklich ziemlich kalt in dem Haus war.

 

Rasengan bellte, als wenn er zustimmen wollte und alle vier hoben lachend den Kopf um zu dem Rüden zu sehen. Doch nur wenige Sekunden später wünschte Naruto sich, dass er ein gewisses Problem nicht von sich geschoben hätte.

 

Als wenn es sein Signal gewesen wäre, sprang auch Chidori von seinem Platz vor der Couch auf, trottete zu Rasengan und besprang ihn, nur um kurz darauf selbst unter Rasengan zu sein, der munter den anderen Rüden unter sich fest hielt und sein Becken mehr als deutlich bewegte. Naruto fühlte erneut wie die Hitze in ihm aufstieg, dieses Mal aber nicht aus Scham, sondern eindeutig aus Wut.

 

„War ja klar. Naruto Uzumakis Hunde sind schwul!“, schnaubte Sasuke und schüttelte den Kopf. Von dieser Aussage ziemlich getroffen blickte dieser zu seinem Freund, die Augen leicht zusammengekniffen. „Was soll das denn heißen?“, fragte er scharf nach, was Sasuke dazu brachte, fragend die Augenbrauen zu heben. „Nichts! Du bist ein Chaot, natürlich suchst du dir Hunde aus, die genauso chaotisch sind!“, erwiderte der Uchiha. Naruto atmete hörbar aus. „Sie sind nicht schwul, sie klären nur die Dominanz!“, schoss er zurück und schälte sich aus den warmen Decken, um die beiden Hunde endlich zu trennen. Zwar konnte man in jedem Zoo Tiere sehen die Sex hatten, das bedeutete aber gewiss nicht, dass er gewillt war die Kinder dabei zusehen zu lassen, wie seine Hunde ihre dummen Dominanzprobleme ausfochten.

 

Weit kam er jedoch nicht.

 

„Daddy? Was ist schwul?“, hörte er Keiko hinter sich, was ihn dazu brachte in seiner Bewegung zu erstarren. Als er den Kopf bewegte und Sasukes Blick auffing, wusste er nicht wirklich was er davon halten sollte. Wenn er ehrlich war, hatte er eher damit gerechnet, dass Sasuke wenig begeistert aussehen würde, abweisend, aber alles was er sah war Unsicherheit, die vermutlich damit zusammen hing, dass er nicht recht wusste wie er das nun erklären sollte. Naruto seufzte leise und rutschte von der Couch.

 

„Du weißt, dass deine Mama und dein Papa sich sehr lieb gehabt haben, oder?“, fragte er nach, packte Rasengan am Halsband und versuchte ihn von Chidori runter zu ziehen. Nicht wirklich erfolgreich. Rasengan schien kein Interesse daran zu haben mit dem aufzuhören was er begonnen hatte. Dennoch gab Naruto nicht auf, bis er die beiden Hunde endlich getrennt hatte. „Wenn man schwul ist, heißt das, dass man als Mann nur andere Männer so lieben kann, wie deine Eltern sich geliebt haben. Man findet Frauen nett, aber richtig lieben kann man sie nicht!“, erklärte er weiter, ehe er sich zu der Familie herumdrehte.

 

„Es gibt verschiedene Formen von Liebe. Geschwister lieben sich, aber diese Liebe ist eine andere. Sie bedeutet, dass man jemanden sehr lieb hat. Kinder lieben ihre Eltern, wie sich Geschwister lieben können. Frauen lieben Männer, wie deine Eltern, manche Frauen lieben nur andere Frauen, manche Männer nur andere Männer und manche haben andere Menschen nur sehr lieb, können sie aber nicht lieben!“ Es war nicht ganz leicht einem Kind dieses Thema näher zu bringen. Liebe waren Gefühle die sie nur in familiären Sinn kannten. Die Liebe die man den Geschwistern entgegenbrachte, oder jene die man für die Eltern empfand. Sie kannten es noch nicht wenn man sich wirklich verliebte. Generell waren Gefühle Dinge die man nur sehr schwer in Worte packen konnte.

 

Keiko nickte als wenn sie ihn verstehen würde, Naruto sah ihr allerdings überdeutlich an, dass sie im Grunde keine Ahnung hatte wovon er redete. Ihre Neugierde blieb aber genauso bestehen. Einer Idee folgend setzte Naruto sich an den Rand der Couch und startete einen neuen Versuch.

 

„Du magst doch sicher Prinzessinnen, oder?“, fragte er nach, worauf Keiko begeistert nickte. Sasuke hingegen schien weiterhin skeptisch zu sein, diesen blendete er aber für den Moment aus. „Weißt du denn auch, was eine Prinzessin unbedingt machen möchte?“, fragte er weiter nach, ohne sich beirren zu lassen. „Klar!“, erwiderte das Mädchen stolz. „Eine Prinzessin sucht immer einen Prinzen um ihn zu heiraten!“ Die Kleine hatte einen Ton drauf, der Naruto von Sasuke sehr vertraut war. Es war jener der einem das Gefühl gab, etwas furchtbar dummes gesagt zu haben. Er lachte leise als ihm das bewusst wurde. „Richtig. Jetzt überlege einmal, wenn ein Prinz schwul ist, was möchte er dann wohl machen?“, fragte er weiter nach.

 

Keiko runzelte die Stirn und schien über diese Frage nachzudenken, ehe sie Naruto etwas verunsichert anschaute. „Einen Prinzen finden, der ihn heiratet?“, fragte sie nach und Naruto nickte zustimmend. Sie schien das Prinzip hinter dieser Angelegenheit verstanden zu haben. Zufrieden wuschelte er ihr durch das lange Haar. „Sehr gut. Ich werde die beiden Prinzen jetzt raus bringen und dann Frühstück machen!“, erklärte er weiter und rutschte erneut von der Couch um das Weite zu suchen. Gerade als er die Verbindungstür erreichte stellte Keiko eine weitere Frage.

 

„Daddy, wenn ein Prinz schwul ist und seinen Prinzen gefunden hat, leben sie dann auch glücklich und bekommen Babys?“ Mit einem unterdrückten Lachen schlüpfte Naruto schnell in die Küche, wo er die Tür für die beiden Hunde öffnete, die sofort raus rannten. Diese Frage war eindeutig eine, die Naruto nicht beantworten wollte. Das konnte schön Sasuke übernehmen.

 
 

***

 

„Das bekommst du wieder!“, zischte Sasuke ihm leise zu. Die beiden Kinder hockten im Schneidersitz auf der Couch, in warme Decken gehüllt und genossen ihre Frühstücksflocken, während das Feuer im Kamin prasselte. Naruto konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er Sasuke einen neckenden Blick zuwarf. „Es ist die Aufgabe des Vaters seine Kinder über Bienchen und Blümchen aufzuklären!“, erwiderte er genauso leise und biss herzhaft in sein Brot.

 

Er musste wirklich zugeben, dass es ihn amüsiert hatte Sasukes gestotterten Erklärungen von der Küche aus zu lauschen. Aber wenn er ehrlich war, hätte er nicht mit dem Uchiha tauschen wollen. Seine eigenen Kinder aufzuklären war ganz gewiss keine sehr leichte Aufgabe, dazu kam, dass die beiden noch ziemlich jung waren und man damit nur ansatzweise dieses Thema streifen konnte und selbst dabei noch genau darauf achten musste, was genau man nun ihnen deutlich machte.

 

Wie mit der Sexualität. Dass es dabei nicht nur um Liebe ging und dass diese Liebe von vielen eher sexueller Natur war – oder dieser Teil irgendwie einfach dazu gehörte – war nichts was die Zwillinge jetzt wissen mussten oder gar wissen sollten. Nur leider entschieden die Kinder wann sie diese Art Fragen stellten. Wenn sie noch nicht reif genug waren um auf das Thema richtig einzugehen, musste man einfach sehen was genau man ihnen anvertraute, damit sie die Thematik im groben verstanden ohne die Tiefe davon wirklich schon erfassen zu können. Da war es vermutlich verständlich, dass Sasuke sich schwer damit getan hatte.

 

„Aber ich denke, du hast es gut gemacht!“, fügte er schließlich hinzu und sah Sasuke dabei erneut an. Keiko wusste nun immerhin, dass Männer keine Babys bekommen konnten und sie wusste ebenfalls, dass nur Frauen Babys bekommen konnten und dafür alt genug sein mussten. Denn genau das war die nächste Frage gewesen, als Sasuke ihr erklärt hatte, dass Männer keine Kinder bekommen konnten.

 

Manchmal waren Kinder wirklich schwierig, dennoch genoss Naruto diese naive Unbefangenheit, mit der sie die Welt in Frage stellten.Das wirklich schwierige daran war wohl wirklich, wie die Erwachsenen es hinbekamen die Unschuld zu bewahren und dennoch ihre Neugierde genug befriedigen konnten, ohne sie in irgendeiner Art abzuweisen und so für ihre Neugierde zu strafen.

 

„Es war furchtbar!“, gab Sasuke zu, seufzte leise und fuhr mit der Hand durch sein Haar. Naruto verstand das absolut. In den letzten Tagen waren die beiden Kinder ihm derart ans Herz gewachsen, dass auch er begonnen hatte gewisse Dinge zu verstehen. Aber er blieb dabei. Sasuke hatte seine Sache gut gemacht, auch wenn er mit Worten gerungen und fast den Verstand verloren hatte. Er war ein guter Vater, selbst wenn er sich das Leben schwer machte und man sah deutlich, dass auch seine Kinder sehr an ihm hingen. Hin und wieder war der Kontakt zwar steif, aber Naruto war überzeugt davon, dass Sasuke alles auf die Reihe bekommen würde.

 
 

***

 

Die darauf folgenden Tage waren lang und lösten bei Naruto ein Chaos an verschiedenen Gefühlen aus. Das Wissen, dass ihre gemeinsame Zeit sich dem Ende näherte, war nicht angenehm. Ganz im Gegenteil. Unbewusst suchte er nach Dingen die er Sasuke vorhalten konnte, damit die Familie nicht wieder fuhr, auch wenn er genau wusste, dass seine Forderung vollkommen idiotisch wäre, weswegen er auch schwieg.

 

Am Abend vor der Abreise war Narutos Laune auf dem Tiefpunkt, während sie die Sachen der Kinder zusammen suchten. Keiko und Taiki lagen bereits im Bett und schliefen, die Koffer waren gepackt und lediglich kleine Dinge mussten noch zusammengesammelt werden. Dinge die ganz automatisch ihren Platz in Narutos Haus gefunden hatten, als wenn sie nie woanders zu finden gewesen wären.

 

Gerade Chidori schien Narutos Laune aufzunehmen, er war unruhig und mehr als einmal musste Sasuke den Rüden ermahnen damit sie voran kamen. Letzten Endes ließ es sich nicht mehr aufschieben, als sie endlich alles zusammen hatten. Naruto kam nicht darum herum festzustellen, dass sein Wohnzimmer plötzlich ungewohnt aussah, auch wenn er genau wusste, dass es aussah wie vor der Ankunft von Sasuke und den Zwillingen. Das bleischwere Gefühl dass es anders war, ließ sich allerdings nicht abschütteln.

 

Die seltsame Stimmung in dem Haus sorgte letzten Endes auch dafür, dass die beiden ebenfalls schlafen gingen, ohne noch groß sich zu unterhalten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Sasukes Flug recht früh ging. Sie konnten kaum die halbe Nacht auf dem Sofa verbringen, wenn sie noch vor Sonnenaufgang bereits auf dem Weg zum Flughafen sein mussten.

 

In dieser Nacht schlief Naruto unruhig.

 

Als sein Wecker ging, hatte Naruto das Gefühl nicht wirklich geschlafen zu haben. Dennoch schälte er sich aus dem warmen Bett, zog sich an und tapste – nach einem Abstecher ins Badezimmer – runter in die Küche, wo er die Hunde raus ließ und dann Wasser aufsetzte.

 

Kaum hatte er das getan, hörte er von oben auch Sasuke, der dabei war die Zwillinge wach zu machen und fertig zu bekommen. Naruto blendete die Geräusche aus, kochte Kaffee, deckte den Tisch und holte schließlich die beiden Rüden wieder hinein um auch sie zu füttern. Dann kam Sasuke in die Küche, auf dem Arm hielt er einen verschlafenden Taiki, während Keiko seine Hand hielt und ebenso verschlafen ihre Augen rieb.

 

Als Taiki ihn entdeckte, streckte er die Arme aus und Naruto trat auf ihn zu, um den Jungen auf den Arm zu nehmen. Er sah das Lächeln, welches Sasukes Mundwinkel umspielte, ignorierte es aber genauso gewissenhaft wie den Sturm der in ihm selbst tobte. Loszulassen war verdammt schwierig. Eigentlich sollte er es wissen, als er damals verschwunden war, war diese Entscheidung ihm ebenfalls nicht leicht gefallen. Er hatte mit sich gerungen, hatte nach Wege gesucht um irgendwie doch bleiben zu können und vielleicht sogar Sasuke für sich zu gewinnen, letzten Endes hatte er aber einsehen müssen, dass es nichts brachte.

 

Mit dem Jungen im Arm setzte er sich auf den Stuhl, während Keiko und Sasuke ebenfalls platz nahmen. An ihren Plätzen, die sie von Anfang an für sich beansprucht hatten und bei jeder gemeinsamen Mahlzeit erneut in Besitz genommen hatten. Es war schon seltsam wie selbstverständlich manche Dinge werden konnten, ohne dass man sich wirklich Gedanken darum machte.

 

Taiki kuschelte sich enger an ihn und seufzte leise. Der Junge war offensichtlich noch ziemlich müde. „Na komm, iss etwas!“, forderte er den Jungen auf, der vehement den Kopf schüttelte und sich dann enger an ihn schmiegte. Naruto seufzte leise. „Ich mache ihm gleich Brot, vielleicht hat er auf der Fahrt Hunger!“, erklärte er. Es brachte nichts die Kinder zu zwingen etwas zu essen, denn auch Keiko saß eher dösend am Tisch, als dass sie etwas zu sich nahm. Diese Zeit war offensichtlich nicht ihre, auch wenn Naruto sich fragte ob es an dem Urlaub lag. Soweit er wusste musste Sasuke recht früh aus den Federn um in die Firma zu kommen und die beiden blieben nicht alleine zuhause. Aber auch diese Gedanken behielt er lieber für sich.

 

Während die Kinder versuchten einigermaßen wach zu werden, frühstückten Sasuke und Naruto schweigend, die Stimmung war eher drückend. An einem der letzten Tage hatte Sasuke ihm anvertraut, dass er Narutos Heim aber auch seine Gesellschaft missen würde. Er hatte sich an die Ruhe in Irland gewöhnt, ebenso wie er sich erneut daran gewöhnt hatte seinen Freund bei sich zu haben. Bei Naruto hingegen ging das Ganze tiefer. Es war nicht nur die Gesellschaft für sich, er selbst hatte eine Familie gefunden, auch wenn sie nur auf Zeit gewesen war. Was nicht bedeutete, dass er nun leicht loslassen konnte.

 

Nach dem Frühstück räumten sie schnell die Küche auf und während Naruto das Gepäck verstaute, zog Sasuke die Kinder warm an. Noch immer lag der Schnee hoch und hüllte Irland in eine weiße Decke, für diese Schönheit hatte allerdings keiner von ihnen ein Auge.

 

Zusammen mit den Rüden – auch wenn es etwas eng war – fuhren sie zuerst zu seiner Nachbarin, die es sich nicht nehmen ließ Sasuke und seine Kinder zu verabschieden. Dann – ohne die Hunde – fuhren sie weiter langsam den Weg entlang, bis sie endlich wieder eine feste und geräumte Straße vor sich hatten. Der Verkehr war zu dieser Stunde noch locker, es war kein Problem den Flughafen in der erforderlichen Zeit zu erreichen.

 

Als sie ankamen packten sie das Gepäck aus und zusammen betraten sie den Flughafen, wo Sasuke alles regelte, während Naruto mit den Kindern zurück blieb. Keiko hielt dabei seine Hand, während er Taiki im Arm hatte. Naruto musste leise dabei lachen. Bei der Ankunft war es genau andersherum gewesen, heute wusste er aber, dass beide Kinder sich ihren Platz in seinem Herzen erobert hatten. Es tat wirklich weh sie nun gehen lassen zu müssen.

 

Viel zu schnell für seinen Geschmack wurde der Flug aufgerufen, den die Familie gebucht hatte. Keikos Augen füllten sich mit Tränen, Taiki hingegen festigte seinen Griff um Narutos Nacken, als wenn er nicht loslassen wollte. Vermutlich wollte er das wirklich nicht und Narutos Herz wurde nur noch schwerer, als er sich hinab sinken ließ, um den Jungen auf den Boden zu stellen, auch wenn sein Arm um dessen Becken geschlungen blieb.

 

„Hey, schau mich an!“, forderte er leise und als Taiki ihn endlich los ließ, blieb Naruto nahezu das Herz stehen. Der Junge sah unglücklich aus. Es war nichts mehr von dem versteinerten Gesichtsausdruck übrig, den er bei seinem Besuch in Japan ständig vor sich gehabt hatte. Dennoch versuchte Naruto sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihm genauso nahe ging. Er streckte die Hand aus und fuhr dem Jungen durch das rabenschwarze Haar, bevor er die Hand nach Keiko ausstreckte, die sofort ihren Vater los ließ und sich ebenfalls in die angebotene Umarmung fallen ließ.

 

„Das ist kein Abschied für immer!“, versprach er den beiden leise und strich ihnen dabei beruhigend über den Rücken. „Euer Dad lässt euch sicher mit mir telefonieren, über den Computer, das geht auch mit Bild!“, erklärte er ihnen aufmunternd. „Und ihr kommt sicher hierher zurück. Vielleicht nächstes Weihnachten, oder im Sommer!“, redete er weiter. Taiki löste sich etwas, um unsicher zu seinem Vater zu sehen, der ihm aufmunternd zunickte. „Siehst du, nur weil wir weit voneinander weg wohnen, bedeutete das nicht, dass wir uns nicht sehen können!“, erklärte Naruto weiter und strich Keiko die Tränen aus dem Gesicht. „Ihr könnt immer anrufen, ganz egal wie früh oder wie spät es ist!“, versicherte er ihnen und ließ zu, dass die beiden sich noch einmal in seinen Arm schmiegten.

 

Naruto gab den beiden – und damit auch sich selbst – ein wenig Zeit, ehe er sich wieder erhob. „Halte dein Versprechen!“, forderte Sasuke leise, trat auf ihn zu und nahm ihn ebenfalls kurz in den Arm. Diese Umarmung war anders wie beim Jahreswechsel, eher Kumpelhaft, dennoch war sie nicht minder aufwühlend. „Melde dich, wenn ihr angekommen seid!“, forderte er selbst und spürte, wie Sasuke leicht nickte. „Und du verschwinde nicht einfach wieder!“, forderte Sasuke von seiner Seite aus. „Die beiden hängen an dir, enttäusche sie nicht!“ Die Forderung war scharf, sie ließ keinen Zweifel daran, dass Sasuke ihn vierteilen würde, wenn er seine Kinder enttäuschte. Aber da musste dieser sich kaum Gedanken machen, Naruto plante nicht in irgendeiner Art und Weise die beiden hängen zu lassen. Er könnte es nicht.

 

Er war in den letzten Jahren gerannt ohne Blicke zurück zu werfen. Er hatte alles zurückgelassen, aber gerade dieser Urlaub hatte viele Mauern die er um sich herum aufgezogen hatte zum Einsturz gebracht. Er hatte sich verändert und er wusste, dass diese Tatsache ihm noch einiges an Schmerz einbringen würde. Dennoch könnte er nicht mehr zurück, selbst wenn er eine Möglichkeit geboten bekommen würde.

 

Dann nahm Sasuke seine Kinder und mit einem letzten Blick zurück verschwand die Familie in dem Gang, der sie zu ihrem Flieger bringen würde. Naruto blieb einfach stehen und sah ihnen nach. Ein Teil von ihm selbst ging mit dieser Familie und er wusste, dass er diesen Teil erst wiederbekommen würde, wenn Sasuke zurück kehrte. Falls es denn je dazu kommen würde. Naruto war sich auch nicht sicher, ob er das überhaupt wollte. Er konnte seine Gefühle für diese drei Menschen nicht leugnen, gleichzeitig war ein derart naher Kontakt zu schmerzhaft um ihn auf Dauer aushalten zu können. Wenn Sasuke wirklich auf einen weiteren Urlaub zurück kam, würden die nun entstandenen Wunden erneut aufreißen, wenn er erneut wieder gehen musste. Naruto wusste wirklich nicht, ob er das überstehen würde.

 

Schließlich wendete er sich ab, um den Flughafen ebenfalls zu verlassen.

 
 

***

 

Wie ein Geist schlich Naruto durch sein eigenes Haus. Es wirkte kleiner, fast hatte er das Gefühl als wenn er in einem Käfig gefangen wäre, dem er am liebsten entfliehen wollte. Nur wusste er ganz genau, dass er keinen Ort hatte, an den er noch fliehen konnte. Jeder Ort, ganz gleich wo er auch hinging, würde die gleiche Wirkung auf ihn haben. Es lag nicht an dem Ort, es lag an ihm selbst, an dem was in ihm brodelte und was er versuchte irgendwie zu unterdrücken.

 

Im Nachhinein konnte er nicht einmal genau sagen, wie er zurück gekommen war. Die Fahrt für sich war wie von Nebel durchzogen. Er hatte mehr instinktiv gehandelt als sich wirklich auf das zu konzentrieren was er tat. Es war fast wie ein Trancezustand gewesen, mit dem er seinen Wagen bewegt hatte, wie er seine beiden Hunde geholt und schließlich in sein Haus zurückgekehrt war.

 

Dort war es nicht besser geworden. Egal wohin sein Blick gewandert war, sein Kopf hatte sofort Erinnerungen für ihn aufgerufen. Keiko, wie sie lachend im Wohnzimmer mit den Hunden spielte, Taiki, der den Baum mit Ehrfurcht anstarrte, Sasuke wie er morgens in der Küche saß und seinen Kaffee trank – oder Tee, je nachdem was er gebraucht hatte. Meistens war es Tee gewesen, wie ihm dann bewusst geworden war.

 

Er hatte sich versucht abzulenken, indem er die weihnachtliche Dekoration abgenommen hatte. Erfolglos. Als er die beiden Gästezimmer erreicht hatte, hatte er es einfach nicht übers Herz gebracht die Räume wieder in einen unbenutzten Zustand zu versetzen.

 

Er hatte Keikos T-Shirt, welches sie am Abend zuvor nicht hatten finden können, halb unter dem Bett entdeckt. Danach hatte er das Zimmer verlassen, die Tür zugezogen und den Gedanken begraben das Bett abzuziehen um die Wäsche zu waschen. Sasukes Zimmer zu betreten war ihm noch schwerer gefallen, vermutlich war es aber genau das gewesen, was er gebraucht hatte um den Gefühlen in ihm ein Ventil zu geben.

 

Das Bett war sauber gemacht gewesen, dennoch hatte Naruto sich vorstellen können, wie der Uchiha unter den dicken Decken lag, entspannt und vor allem so, dass klar war, dass er genau dort hingehörte. Oder fast genau dorthin, denn Naruto konnte nicht mehr leugnen, dass er den Uchiha eigentlich in einem ganz anderen Bett haben wollte.

 

Diese Erkenntnis, die er lange genug versucht hatte zu unterdrücken, hatte letzten Endes den halben Zusammenbruch eingeläutet. Durchflutet von Trauer und Überforderung hatte er sich in Sasukes Bett nieder gelassen, wo er schnell den Geruch wahrgenommen hatte, den Sasuke dort hinterlassen hatte. Die Tränen die daraufhin keine Barriere mehr gehabt hatten, hatten gut getan. Sie waren ein Stück weit befreiend gewesen, auch wenn sie eine Leere zurückgelassen hatten, die Naruto kaum füllen konnte. Nur eines konnte das Loch füllen das zurückgeblieben war und genau das war gerade irgendwo über den Wolken unterwegs nach Japan. Viel zu weit weg um es erreichen zu können.

 

Als er angefangen hatte sein Mittag zu machen, hatte er kurzfristig sein eigenes Handeln hinterfragt. Er hatte sich mit den Gedanken auseinandergesetzte, was ihn eigentlich in Irland hielt, wenn er genauso gut zurück gehen konnte. Dabei war ihm aber auch klar geworden, dass er vieles gewinnen würde, aber nicht das, was er haben wollte. Sasuke würde ihm vielleicht am Anfang ein Heim bieten, bis er sich einen eigenen Platz gesucht hatte, letzten Endes würde er dann aber in Japan sitzen, alleine und stets Sasuke vor sich haben ohne ihm nahe kommen zu können. Er hatte realisiert, dass sein Wunsch sich verändert hatte.
 

Damals als er gegangen war, hatte er es getan weil ihm bewusst geworden war, dass er Sasuke nie in der Position haben würde, die er sich wünschte. Er hätte stets den Freund um sich gehabt, hätte ihn aber mit einer Frau sehen müssen, für die er gemixte Gefühle bereit hatte. Gefühle dessen er sich bewusst war, dass sie ihr gegenüber nicht fair und auch nicht richtig waren, aber leider gab es keine Möglichkeit an ihnen etwas zu ändern. Jetzt wo Hikari nicht mehr lebte, würde er aber in Japan genauso wenig bekommen was er sich nach wie vor wünschte. Dieser kurze Moment in dem er zumindest zum Teil bekommen hatte was er wollte, lag alleine daran, dass er eben nicht in Japan war. Wäre er dort, hätten sie nicht einige Wochen zusammen gelebt. Er hätte nicht diese Familie als seine eigene gewonnen, auch wenn sie davon kaum etwas wussten. Und in Zukunft würde er genauso wenig bekommen was er wollte, wenn er zurück ging.

 

Sicher, er hätte Sasuke oft um sich. Er hätte die Kinder oft um sich. Seine Freunde. Aber ihm war bewusst, dass er damit seine eigenen Wunden nur immer weiter aufreißen würde und letzten Endes vermutlich daran auch zu Grunde gehen würde.

 

Er wusste, dass er nach Irland gehörte, was ihn nicht daran hinderte einen Funken Hoffnung zu hegen, dass Sasuke realisierte, dass er ebenfalls hergehörte. Es war hoffnungslos, dennoch war dieser kleine Funke alles was Naruto im Augenblick geblieben war, bis er wieder in der Lage war sein Leben wie gewohnt zu leben.

 
 

***

 

Sasuke hielt Wort. Nicht nur, dass er sich meldete nachdem sie gelandet waren, in den Wochen die dann folgten, stellte sich eine Regelmäßigkeit ein. Mindestens einmal die Woche telefonierte er mit den Zwillingen. Am Anfang waren es wirklich nur Keiko und Taiki die er bei diesen Gelegenheiten sehen konnte. Die Zwillinge erzählten von den Dingen die sie in der Woche getan hatten und als langsam der Winter von dem Frühling vertrieben wurde, kamen auch Erzählungen dazu, welche Schule sie bald besuchen würden.

 

Vor allem Keiko schien da sehr aufgeregt zu sein, sie freute sich darauf, Taiki hingegen schien wieder stiller zu werden, was Naruto einige Magenschmerzen bereitete. Er sah es nicht gerne, wie der Junge sich erneut verschloss und irgendwann nur noch neben seiner Schwester saß, wenn diese Naruto von ihren Abenteuern erzählte. Aber seine Versuche den Jungen in das Gespräch einzubringen endeten nicht selten damit, dass der Junge mit den Schultern zuckte.

 

Auch Sasuke brachte sich im Laufe der Zeit in diese Gespräche ein und Naruto merkte recht schnell, wie dieser seinem Sohn oft besorgte Blicke zuwarf. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte war übermächtig, er bekam allerdings erst die Chance mit Sasuke alleine zu reden, als die beiden im April endlich die Schule besuchten.

 

Sasukes Worten zufolge hatte Taiki nach ihrem Urlaub zuerst deutlich offener auf ihn und seine Umwelt reagiert. Er hatte neue Freunde im Kindergarten gefunden, die sogar bei ihnen zu Besuch gewesen waren – auch als die Zwillinge ihren sechsten Geburtstag gefeiert hatten. Aber als es dann langsam wärmer geworden war, hatte er sich erneut begonnen zu verschließen. „Sicherlich fürchtet er sich vor der Schule!“, hatte Naruto Sasuke versucht zu beruhigen. Er hatte sich natürlich genauso Gedanken gemacht und er konnte sich vorstellen, dass der schüchterne Junge nicht wirklich begeistert davon war, die Schule zu besuchen. Es würde am Anfang ein fremder Ort sein, mit überwiegend fremden Menschen um ihn herum. „Er wird sich einfinden, Sasuke. Du redest doch mit ihm, oder?“, hatte er weiter gefragt. Sasuke hatte nur verlauten lassen, dass er es versuchen würde, Taiki in letzter Zeit bei ihm aber kaum anders reagierte als Naruto es bei ihren Telefonaten mitbekam.

 

Naruto konnte nicht leugnen, dass ihm das nicht gefiel. Er hatte über diese Sache nachgedacht, allerdings fiel ihm nichts anderes ein, was der Grund für den plötzlichen Rückzug sein könnte. Dabei waren ihm Itachis Worte immer wieder in den Sinn gekommen und er hatte es ja selbst gesehen. Sasuke bemühte sich. Er versuchte an seinen Sohn heranzukommen, Eltern waren aber machtlos wenn ihre Kinder sich verschlossen. Geschehen war offensichtlich nichts, was diesen plötzlichen Rückschritt erklären konnte, deswegen war Naruto sich auch so sicher, dass die bald neu eintretende Situation dem Jungen Angst machte.

 

Somit schob Naruto dieses Thema von sich und konzentrierte sich erneut auf das was er selbst im Leben zu tun hatte. Seine beiden Hunde hatte er nach dem Fiasko an Neujahr wirklich in die Hundeschule gebracht, wo er mit ein wenig Scham erklärt hatte, was die beiden derzeit trieben und womit sie ihm demnach in den Wahnsinn trieben. Denn dieser Zwischenfall am Neujahrestag war nicht der letzte geblieben. Naruto hatte eher das Gefühl, als wenn die beiden immer schlimmer wurden.
 

Was ihn dabei stutzig machte, war die Tatsache, dass Chidoris Versuche eher halbherzig waren, während er still hielt, wenn Rasengan an der Reihe war, der wenig davon hielt dann unterbrochen zu werden. Einmal hatte er sogar geknurrt, als Naruto versucht hatte die beiden Hunde zu trennen. Er verstand es nicht und die Trainer die versucht hatten ihm zu helfen verstanden es ebenfalls nicht.

 

Die beiden konnten sich mittlerweile benehmen. Sie hörten auf Kommandos, auch wenn Chidori oft versuchte diese irgendwie zu umgehen, aber wenn Naruto deutlich strenger wurde, tat auch er was von ihm verlangt wurde. Das Rammeln allerdings hatte nicht aufgehört. Die Trainer waren eine Weile mit ihm mitgegangen um die Situationen mitzubekommen, wo die beiden wieder anfingen. Aber selbst sie konnten keinen wirklichen Grund finden, außer dass Chidori stets derjenige war, der damit begann.

 

In ihrer Verzweiflung hatten sie sogar einen neuen Termin beim Tierarzt gemacht, um sicher zu stellen, dass die Kastration erfolgreich gewesen war. War sie und auch Kiba wusste sich keinen Rat mehr, als Naruto halb verzweifelt versucht hatte diesem zu verstehen zu geben, dass seine Hunde schlichtweg nicht aufhörten.

 

„Oft verlieren Hunde ihren sexuellen Teil nicht, wenn sie kastriert werden!“, hatte Kiba gemeint und mit den Schultern gezuckt, als wenn man einfach darüber hinweggehen sollte. „Versuche es weiter oder lerne damit zu leben!“ Ein Rat, der Naruto nahezu in den Wahnsinn trieb.

 

Es war vorgekommen, dass die beiden ihn früh am Morgen geweckt hatten mit ihren Aktivitäten. Es war nicht gerade die schönste Art die Augen aufzuschlagen und neben dem Bett zwei riesige Hunde zu haben, die japsend und hechelnd ihrer scheinbar selbstgewählten Natur nachgingen. Er hatte sogar versucht sie danach aus seinem Zimmer zu sperren, hatte dieses allerdings aufgegeben, als beide mitten in der Nacht heulend vor seiner Tür gestanden hatten und Naruto schlichtweg zu müde gewesen war um sie weiter zu ignorieren.

 

Das Ergebnis war, dass die Rüden weiter machten wie bisher. Kiba hatte sie abgeschrieben, die Trainer hatten aufgegeben und Naruto versuchte es zu ignorieren so weit er konnte. Vielleicht hatte Sasuke Recht, bei einem ihrer Gespräche hatte er noch einmal deutlich gemacht, was er von seinen Hunden hielt, als diese im Hintergrund wieder voll bei der Sache gewesen waren und Naruto war nichts anderes übrig geblieben, als die Flinte ins Korn zu werfen und ihm recht zu geben. Vielleicht waren seine Hunde wirklich schwul, auch wenn es im Tierreich so etwas nicht geben sollte. Auf Hündinnen sprangen sie nicht an – er hatte es versucht - und der jeweils andere schien zu reichen um Spannungen abzubauen. Ihm sollte es recht sein, so waren wenigstens die beiden zufrieden miteinander, auch wenn er darauf verzichten konnte sie dabei ständig bei sich zu haben. Aber darauf hatte er nun einmal ebenfalls keinerlei Einfluss.

 

Es war schließlich Ende Mai, als Naruto erneut mit den beiden Rüden im Schlepptau Irlands Ruinen erkundete. Dieses Mal hatte er sich eine verfallene Kirche ausgesucht, deren Trümmer nur sehr schwer zu erklimmen waren. Die Überreste der Steine lagen überall verstreut und von der Kapelle stand nahezu gar nichts mehr. Nur ein halber Turm zeugte noch davon, wie urig dieses Gebäude einmal gewesen sein musste.

 

Während die Hunde durch die nahe Umgebung tollten, schoss Naruto Fotos und schlenderte dann langsam Richtung Friedhof, der nach wie vor deutlich gepflegter aussah, wie der Rest der Ruinen. Aber selbst hier sah man mittlerweile, dass die Zeit stehen geblieben war und offenbar niemand mehr übrig war, der diese Gräber pflegen konnte oder wollte.

 

Die Grabsteine waren aus massiven Stein, an denen man die Witterung der letzten Jahrzehnte deutlich sehen konnte. Egal wohin er schaute, niemand der hier begraben worden war, schien vor weniger als 300 Jahren verstorben zu sein. Dann sah er das Grab, das ihn nahezu magisch anzog.

 

Naruto bückte sich leicht, um das Unkraut zu entfernen, welches die Sicht auf den kunstvollen Grabstein verdeckte. Ein simples Kreuz aus Stein, an dessen beiden Enden sich Figuren befanden, die vermutlich einmal Engel dargestellt haben mussten, auch wenn das Wetter oder Randale sie fast komplett zerstört hatten. Die Inschrift war schwer zu entziffern, aber er erkannte deutlich den Namen – ein weiblicher – und die Daten die eingetragen waren. Ein Kind, welches nicht einmal seinen ersten Geburtstag erlebt hatte.

 

Vor Jahrhunderten war das sicherlich nicht einmal etwas ungewöhnliches gewesen. Die Medizin war noch lange nicht soweit gewesen wie sie es heute war, was gerade Kindern wohl oft das Leben gekostet hatte. Einfache Krankheiten gegen die sie heute geimpft wurden waren damals tödlich verlaufen und sei es nur, weil man nicht in der Lage gewesen war das hohe Fieber zu senken, was die jungen, schwachen Körper schnell an ihre Grenzen gebracht hatte.

 

Als er den Grabstein betrachtete, musste er daran denken, dass es eine Weile her war, seit er mit Sasukes Kindern geredet hatte. Beim letzten Mal war der Uchiha angespannt gewesen und die Kinder hatten mit der Schule einiges zu tun gehabt. Er fragte sich, wie es den dreien ging und er nahm sich vor, in den nächsten Tagen bei Sasuke anzufragen. Soweit er wusste, steckte auch der Uchiha derzeit im Stress, irgendetwas was die Firma anbelangte und wo Verhandlungen an der Tagesordnung waren. Wenn er ehrlich war, würde Naruto nicht tauschen wollen. Obwohl er im Januar noch ziemlich deprimiert gewesen war, hatte er nun sein Gleichgewicht wiedergefunden und genoss aus vollen Zügen sein Leben in Irland.

 

Mit einem letzten Blick auf den Grabstein wendete er sich ab und begann damit, Bilder von der näheren Umgebung zu machen. Diese Ruine war nicht so abgelegen wie jene die ihm damals die Lungenentzündung beschert hatte, aber auch hier sah man deutlich, dass nur wenig Menschen sich her verirrten. Es war still, genau das was Naruto an Irland zu lieben gelernt hatte.

 

Eine Weile trottete er durch das hohe Gras, während Chidori und Rasengan um ihn herum sprangen, versuchten seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit einem Lachen hob Naruto einen Ast auf und warf ihn mit aller Kraft über das hohe Gras hinweg, ehe ein befreites Lachen seiner Kehle entrann, als er zuschaute, wie die beiden Hunde freudig dem Spielzeug nach jagten.

 

Entspannt schlenderte er weiter, bis er das erste Haus entdeckte, das in einiger Entfernung auftauchte. Ein alter Bau, der Naruto genauso anzog wie die Ruinen die er so liebte. So schlenderte er weiter in diese Richtung, bis er sein neues Ziel erreichte.

 

Die Fassade war aus Stein gefertigt, nicht dieser neumodische Backstein, sondern per Hand gehauene Steine die eine unregelmäßige Oberfläche ergaben. Die rechte Seite des Gebäudes war von Efeu überwuchert, sah dennoch gepflegt aus. Wie auch bei seinem eigenen Haus bestand das Dach aus Stroh. Wenn man sich in Irlands Umland umschaute, fand man durchaus noch einige Häuser in diesem Stil. Viele jedoch waren im Laufe der Jahrhunderte modernisiert worden, einfach weil es nicht sehr leicht war diese in den kalten Monaten einigermaßen warm zu halten. Das Dach brachte ebenfalls den Nachteil, dass sie manchmal nicht ganz dicht war und es von Zeit zu Zeit erneuert werden mussten, wenn das Wetter ihnen übel mitgespielt hatte.

 

Fasziniert hob er die Kamera an und machte ein Bild von dem Gebäude. Dann ein zweites und ein drittes. Als die Tür auf ging, blickte er auf, ein Lächeln auf den Lippen um sich bei dem Besitzer dieses Hauses zu entschuldigen. Manche mochten es nicht, wenn man ihren Besitz auf diese Art festhielt. Er stutzte allerdings, als er den jungen Mann sah, der auf ihn zu kam. Irgendwo in seinem Hinterkopf erinnerte er sich daran, dass er diesen Mann nicht zum ersten Mal sah, auch wenn er einen Augenblick brauchte um sich zu erinnern.

 

Es war schon fast zwei Jahre her, als er in einer der Clubs unterwegs gewesen war um zu versuchen Sasuke aus seinem Kopf zu bekommen. Und an diesem Abend hatte eben dieser Mann sein Glück bei ihm versucht. Erfolglos. Naruto hatte einfach nicht gekonnt, weil seine Gedanken sich zu sehr um Sasuke gedreht hatten, der ihm erzählt hatte, welche Diagnose Hikari bekommen hatte. Seine Gefühle damals waren ein Wirrwarr gewesen was ihm ziemlich zugesetzt hatte.

 

Er war bestürzt gewesen, einerseits weil er mit Sasuke gebangt hatte, andererseits aber auch, weil eine gewisse Erleichterung sich in ihm breit gemacht hatte. Er hatte sich furchtbar dafür geschämt und versucht diese Emotionen im Keim zu ersticken, denn ganz gleich wie er auch empfunden hatte, dass die Frau starb war nichts worüber er sich freute. Auch heute nicht. Seine Gefühle waren nur so zwiespältig, dass der schmale Grad zwischen richtig und falsch nahezu verschwunden war, auch wenn er versucht hatte genau das zu vermeiden.

 

Auch sein Gegenüber erkannte ihn und hob grüßend die Hand. Naruto erinnerte sich noch daran, dass er damals einen halben Zusammenbruch gehabt hatte. Am Anfang hatten sie harmoniert, sie hatten geflirtet und getanzt und waren anschließend zusammen verschwunden um privat weiter zu machen. Allerdings hatte er im letzten Moment einen Rückzug gemacht. Anstatt Erleichterung sexueller Natur zu finden, hatte er seine ganzen verwirrenden Gefühle herausgelassen. „Lange nicht gesehen!“, wurde er begrüßt und Naruto konnte nicht verhindern, dass sein Kopf sich erneut heiß anfühlte, wenn er daran zurück dachte, wie diese Nacht verlaufen war. So etwas war ihm zuvor nie passiert und er hoffte, dass es das erste und das letzte Mal gewesen war, dass er so die Kontrolle über sich und seine Gefühle verlor.

 

„Fast zwei Jahre!“, erwiderte er und deutete zu dem Haus. „Stört es dich, dass ich Bilder davon mache?“, fragte er nach und war erleichtert, als der junge Mann den Kopf schüttelte. „Nicht im geringsten. Ich war nur neugierig!“, gab er zu und schenkte ihm ein charmantes Lächeln, welches sicher Narutos Herz zum stolpern gebracht hätte, wenn es nicht bereits jemand anderen gehören würde. „Ich muss zugeben, ich habe einige Male an dich gedacht!“, gab der Mann schließlich zu. „Du warst damals ziemlich fertig!“ Naruto nickte leicht. „Es war nicht leicht. Ist es noch immer nicht. Die Frau ist gestorben, ich war zur Beerdigung da, die ganze Situation war aber angespannt.“, gab er zu und pfiff nach den Hunden, die anfingen sich zu entfernen.

 

Als ihre Blicke sich trafen wusste Naruto sofort woran dieser dachte und so schüttelte er leicht den Kopf. „Nichts hat sich verändert … oder fast nichts. Er war über Weihnachten und zum Jahreswechsel bei mir, zusammen mit seinen Kindern. Er trauert noch immer und ich bin nichts weiter als ein Freund... wenn auch ein schlechter!“, gab er ehrlich zu und seufzte schwer. Der Mann vor ihm lächelte schwach und schüttelte den Kopf. „Unsinn. Gefühle sind nichts auf das wir Einfluss haben. Wenn du dich nicht verändert hast, weißt du selbst welche Gedanken falsch sind.“ Ja, das wusste er, es machte diese Angelegenheit aber dennoch nicht leichter.

 

Für eine Weile unterhielten sie sich dann weiter, wobei Naruto spürte, dass er deutlich entspannte. Neben Sakura war dieser Mann vermutlich der Einzige, der genau wusste wie es in ihm aussah und dass sie sich dabei nicht näher kannten war irgendwie sogar ein Bonus. Er musste sich dann nicht noch schlechter fühlen, als er es sowieso wegen einigen Gefühlen von ihm tat.

 

Später als er wieder in seinem Wagen saß und auf dem Weg zurück war, musste Naruto daran denken, dass es trotz allem eine Veränderung gegeben hatte. Irgendwie war er mit sich selbst ins Reine gekommen, es fiel ihm leichter an Sasuke zu denken und es fiel ihm ebenfalls leichter die falschen Gedanken über Hikari im Zaum zu halten. Er wusste nicht ob es an der Zeit lag die vergangen war, oder ob die kurze Zeitspanne, in der er Sasuke für sich gehabt hatte ihm geholfen hatte zur Ruhe zu kommen. Aber er wusste, dass es leichter war und das war das Wichtige.

 

Bei seinem eigenen Haus angekommen stellte er den Wagen ab und ließ die beiden Hunde raus, die sofort zu der Tür rannten und aufgeregt bellten. Erst da hörte auch er das penetrante Klingeln seines Handys. Perplex fasste er sich an die hintere Hosentasche. Wann immer er raus ging, steckte er es ein, dieses Mal allerdings schien er es vergessen zu haben. Es war gut, dass ihm nichts passiert war, denn so abgeschieden von der Zivilisation konnte es sonst unmöglich werden Hilfe zu holen, wenn man kein Handy bei sich hatte.

 

„Komme ja schon!“, rief er, auch wenn ihm bewusst war, dass der Anrufer es kaum hören würde, während er die Tür öffnete und in die Küche eilte, wo er das Handy liegen gelassen hatte. Ein kurzer Blick auf das Display zeigte ihm, dass einige Anrufe ihn erreicht hatten in den wenigen Stunden die er weg gewesen war und dass es Sakura war, die scheinbar gerade versuchte ihn ans Telefon zu bekommen.

 

„Ja?“, meldete er sich endlich, noch leicht außer Atem von dem kleinen Sprint den er eingelegt hatte. „Gott, Naruto! Weißt du wie lange ich schon versuche dich zu erreichen?“ Sakura war offensichtlich wenig amüsiert davon, dass er ausgerechnet an diesem Tag sein Telefon hatte liegen lassen. Die Tatsache, dass sie es wohl schon häufiger versucht hatte, hinterließ bei Naruto allerdings ein ungutes Gefühl. Bevor er jedoch irgendetwas sagen konnte, sprach die energische Frau bereits weiter.

 

„Es ist Keiko! Ich weiß nicht genau was passiert ist, aber es hat etwas mit Taiki zu tun. Die Kleine wurde heute ins Krankenhaus gebracht und Sasuke ist außer sich!“

 

Naruto fühlte, wie sein Herz stehen blieb. Er mochte keine wirkliche Bindung zu dieser Familie haben, keine die man irgendwie belegen konnte, dennoch war diese Nachricht eine, die ihm regelrecht den Boden unter den Füßen weg zog. Er fühlte sich, als wenn ein Teil von ihm gerade gestorben war.

12 daily worrys


 

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12 daily worrys

 

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Mit einem Seufzen schloss Sasuke die Tür zu seinem Haus auf. Er hatte Kopfschmerzen, deren Ursache er nicht wirklich benennen konnte. Vielleicht waren es die Dinge die in den letzten Wochen passiert waren, vielleicht auch der Stress in den letzten Stunden, der ihm mehr zusetzte als er es je für möglich gehalten hatte. Natürlich liebte er seine Kinder, aber es war naiv geglaubt zu haben, dass eine Nachricht wie jene die er kurz nach dem Mittag erhalten hatte, ihn nicht vollkommen aus den Fugen geraten ließ.

 

Sasuke war stets der Meinung gewesen, dass er seine Gefühle unter Kontrolle hatte. Ganz gleich ob er sich an die Momente nach dem Tod seiner Eltern erinnerte, selbst Hikaris Tod hatte ihn nicht so fühlen lassen, wie er sich heute gefühlt hatte. Fast blind hatte er alles stehen und liegen lassen, um in das nahe gelegene Krankenhaus zu fahren, wo seine Tochter behandelt wurde. Er konnte mit Recht behaupten, dass seine Schutzengel ganze Arbeit geleistet hatten. Derart den Kopf zu verlieren war ein Gefühl, welches er nicht gekannt hatte und welches ihn schlichtweg überforderte. Die Sorge um sein Kind hatte ihm nahezu den Verstand geraubt, die Fähigkeit ruhig und bedacht auf die Situation einzugehen.

 

Dann war da noch Taiki.

 

Sasuke hatte keine Ahnung was in dem Jungen vor ging. Er war geneigt zu behaupten, dass der Junge sich von einem Atemzug auf den nächsten verändert hatte. Als wenn man einen Schalter umgelegt hatte und er verstand einfach nicht was passiert war. Vor Monaten, als sie in Irland gewesen waren, hatte er noch gedacht, dass alles sich irgendwie richten würde. Er hatte einen Draht zu seinen Kindern gefunden und ihm war sehr bewusst, dass dieses an Narutos Einfluss lag. Sein bester Freund hatte einfach diese Art an sich, mit der er andere dazu brachte sich zu öffnen und sich anderen zu stellen. Genau das hatte er gemeint, als er am Neujahrsmorgen mit dem Chaoten geredet hatte. Er konnte nicht leugnen, dass ihm irgendwie eine Last von den Schultern genommen worden war.

 

Auch wenn er es sicherlich nie deutlich aussprechen würde, Naruto war ein wichtiger Teil in seinem Leben. Der Mann war zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt einfach aufgetaucht und von da an nicht mehr abzuschütteln gewesen. Sasuke tat sich wirklich schwer damit Bindungen zu schaffen, jemanden wie Naruto an seiner Seite zu haben war entsprechend ein Vorteil. Er wusste ehrlich nicht, wie er es aufgenommen hätte, wenn Naruto wirklich seine Kinder nicht hätte leiden können. Beide waren einfach ein Bestandteil seines Lebens, den er nicht missen wollte.

 

Auch wenn er gerne etwas anderes behauptete. Es war ganz gewiss keine Lüge gewesen, dass Hikari den Wunsch gehabt hatte, dass ihre Freundschaft wieder auflebte und dass sie sich aussprachen. Ihn zurück zu holen hatte aber auch andere Gründe gehabt. Gerade weil Naruto ein so fester Teil von ihm war, hatte es Sasuke getroffen, dass dieser einfach abgehauen war. Kein Wort, anfangs keinen Kontakt und keine Ahnung was passiert war. Sasuke hatte sich selten so hilflos gefühlt wie in den ersten Wochen nachdem Naruto einfach verschwunden war ohne ihnen zu sagen was los war.
 

Das etwas nicht gestimmt hatte, hatten sie alle bemerkt, aber der Idiot hatte sich ausgeschwiegen und tat es auch noch immer. Sasuke nervte das, auch wenn er in ihrer begrenzten Zeit zusammen nahezu niemals daran gedacht hatte noch einmal nachzubohren. Das Gefühl, dass sich nicht wirklich etwas verändert hatte, hatte ihn in Irland vollkommen eingenommen. Naruto schaffte es auch heute noch mit einem Wort, einem Blick oder einer einzigen Geste ihn zur Ruhe kommen zu lassen. Er konnte entspannen und ganz er selbst sein. Er konnte das Arschloch raus hängen lassen und wusste gleichzeitig, dass Naruto ihn dafür den Erdboden gleichmachen würde. Er konnte Fehler zeigen, die Naruto mal ernst, mal wütend und wenn notwendig auch einfühlsam aufsammelte um sie zu sortieren und dann an ihn zurückzugeben. Sasuke hatte das vermisst. Mit Narutos Verschwinden war ein Teil von ihm aus dem Gleichgewicht geraten, der erst in dem vergangenen Urlaub wieder in die richtige Ordnung gebracht worden war.

 

Und er war nicht der Einzige, den Naruto so erreichte.

 

Keiko war lebendiger wenn sie mit Naruto zusammen war. Ihre Augen leuchteten regelrecht und sie wusste selten wann es besser war den Mund wenigstens für einen Moment zu halten. Aber ihre endlosen Erzählungen, ihr Lachen gab Sasuke so viel mehr als der Kopfschmerz nach endlosen Stunden ihm schaden konnte. Er liebte seine Kinder, er wollte sie glücklich sehen und Naruto hatte sie glücklich gemacht.

 

Wie am Weihnachtsmorgen. Sasuke hatte ehrlich nicht damit gerechnet und er hatte einige Stunden damit verbracht zu verstehen, was seinen Freund angetrieben hatte. Auch heute verstand er es nicht, auch wenn er mittlerweile damit zur Ruhe gekommen war. Das war eben Naruto den er kannte. Selbst Taiki hatte auf ihn reagiert und Sasuke musste dem Mann Recht geben, dass sein Sohn wahnsinnig viel zu sagen hatte. Er hatte es versucht, hatte wirklich versucht diese kleinen Gesten aufzunehmen, zu reagieren aber letzten Endes schien es nicht gereicht zu haben.

 

In den letzten Monaten, besonders in den letzten paar Wochen hatte Taiki sich erschreckend gewandelt. Sicherlich, er war noch immer sehr still, aber mittlerweile fiel Sasuke es schwerer wie vor einem Jahr in dem Jungen zu lesen. Es war nahezu so, als wenn Taiki eine Mauer hochgezogen hatte. Seine Augen waren kühl, sein Blick distanziert und selbst wenn man versuchte mit ihm zu reden wendete er sich einfach mit einem kalten Blick ab und ließ einen stehen. Sasuke gefiel das nicht. Etwas stimmte einfach nicht und es schmerzte ihn unendlich, dass er offensichtlich verloren hatte an seinen eigenen Sohn heranzukommen. Die Worte die Taiki in den letzten paar Wochen gesagt hatte konnte er fast schon an einer Hand abzählen, was alles nur noch schlimmer machte.

 

Wann genau es angefangen hatte, konnte er nicht einmal wirklich sagen. Anfangs war alles toll gewesen, Taiki hatte Spaß gehabt, gelacht, mit anderen gespielt. Dann war er stiller geworden, hatte Blicke nicht mehr erwidert, war diesen sogar ausgewichen. Irgendwann kurz nachdem die Schule begonnen hatte, hatte er begonnen seinen Unmut an Keiko auszulassen. Sasuke wusste nicht einmal mehr wie oft er seine weinende Tochter getröstet hatte und versucht hatte Taiki zur Vernunft zu bringen. Er schubste seine Schwester, zog an ihren Haaren und Sasuke konnte nicht einmal ein Muster erkennen, was dieses Verhalten auslöste. Er hatte mit den Lehrern gesprochen, die nicht minder besorgt waren. Taiki sagte nie etwas in den Stunden, selbst wenn er dazu aufgefordert wurde starrte er nur emotionslos zurück ohne einen Ton von sich zu geben. Er versuchte nicht mit anderen Kontakte zu knüpfen und entzog sich lieber wenn andere auf ihn zu kamen. Sasuke war ratlos und im Moment wünschte er sich wirklich, dass Naruto bei ihm wäre. Naruto hätte die richtigen Worte um ihn zur Ruhe kommen zu lassen, er hatte die Mittel Taiki zu erreichen, aber er selbst war vollkommen machtlos.

 

Leicht rollte er die Schultern, um den Schmerz der von dort aus den Nacken hoch kroch ein wenig abzuebben. Er wusste er sollte in Taikis Zimmer gehen, sollte versuchen den Jungen irgendwie Verstand einzutrichtern, aber wenn er ehrlich war, fühlte er sich dazu an diesem Abend nicht in der Lage. Der Junge hatte das Haus nicht mehr verlassen seit dieser Unfall geschehen war, zumindest war es dass, was der Sitter ihm gesagt hatte, als er aus dem Wagen gestiegen war. Wenn Sasuke ehrlich war, war ihm das ganz Recht so. Er brauchte Ruhe um diese Angelegenheit sacken zu lassen, er musste eine Nacht darüber schlafen um mit Verstand an diese Angelegenheit zu gehen.

 

Ein winziger Teil von ihm hoffte sogar, dass Taiki von sich aus kommen würde um zu erfahren, wie es seiner Schwester ging. Ein weitaus größerer Teil wusste, dass genau das nicht geschehen würde.

 

 
 

***

 

Konzentriert huschte Sasukes Blick über den Bildschirm, während er auf dem Zettel der neben ihm lag einige Notizen machte. Selbst als die Tür zu seinem Büro sich öffnete ohne dass vorher angeklopft worden war, unterbrach er seine Arbeit nicht. Er wusste wer ihm einen Besuch abstattete, denn im Grunde gab es nur eine einzige Person die sich die Freiheit herausnahm einfach hereinzukommen und damit sogar durch kam. Sein Bruder war in der gleichen Position wie Sasuke auch und Itachi hatte es nie für angebracht gehalten, sich mit einem simplen Anklopfen aufzuhalten.

 

„Was willst du, Itachi?“, fragte er deswegen nach. Sein Blick huschte zu den Zahlen die er notiert hatte. Etwas stimmte damit nicht, er musste nicht erst diese Gewinnspanne kalkulieren um das herauszubekommen. Nur wo der Haken war, hatte er noch nicht herausbekommen. „Ich bin nur hier um mich zu informieren, ob du gedenkst Narutos Anrufe je zu beantworten!“, erwiderte der ältere Uchiha. Sasuke kannte den Ton, ein Mix aus Neugierde in dem auch etwas mitschwang, was deutlich machte dass Itachi genervt war – eine Tonlage, welche Itachi nur noch sehr selten zeigte. Sein Blick huschte hoch um seinen Bruder doch anzusehen. „Naruto? Er hat nicht angerufen. Schon eine Weile nicht!“, gab Sasuke zu, verwirrt von was Itachi da eigentlich redete. Dieser schnaubte wenig amüsiert. „Er meint, er habe es seit gestern etliche Male versucht. Sakura hat ihn über Keiko informiert!“, erklärte er, bevor seine Gesichtszüge milder wurden. „Wie geht es ihr?“, schob er sofort nach.

 

Verwirrt angelte Sasuke nach dem Handy, welches er seit dem Anruf der Schule nicht mehr aus seiner Tasche gezogen hatte. Als er die Anzahl der Anrufe sah, zuckte seine Augenbraue irritiert. Doch dann entspannte auch er sich. Er wusste, dass Naruto an seinen Kindern hing, dass er sie ins Herz geschlossen hatte und Sakura konnte nicht wirklich wissen was vorgefallen war. Diese Information hatte sie erst an diesem Morgen erhalten, als er in sein Büro gekommen war. Vermutlich war Naruto halb Krank vor Sorge. Er würde zurückrufen, sobald alles mit Itachi geklärt war.

 

„Ich habe es nicht mitbekommen!“, gab er ehrlich zu und legte das Handy auf seinen Schreibtisch. „Soweit geht es ihr ganz gut. Sie ist unglücklich aufgekommen und die Ärzte wollen sie sicherheitshalber dort behalten. Sie wird morgen raus kommen!“, klärte er den älteren Uchiha auf und fuhr sich dann gestresst durch die Haare. „Was Taiki angeht, ich habe keine Ahnung!“, erklärte er weiter. Er kannte Itachi gut genug um zu wissen, dass dieses die nächste Frage war, die sein Bruder an ihn haben würde. Er registrierte, wie dieser sich zu ihm gesellte und sich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch nieder ließ. Itachi sorgte sich genauso, keiner von ihnen kam an Taiki heran.

 

„Gestern Abend war ich nicht in der Lage mit ihm zu reden und heute morgen... nun, er schaut einen nicht an, er sagt keinen Ton und als ich ihn gefragt habe was los war hat er mich angeschaut als wenn ich ein Idiot wäre!“, gab er frustriert zu. Das war ein Moment gewesen, wo Sasuke wirkliche Schwierigkeiten gehabt hatte nicht verbal ausfallend zu werden und seinem Sohn zu sagen, wie idiotisch dieser sich benahm. Was das schlimme an dieser ganzen Situation war, war dass Sasuke das Gefühl hatte, dass es Taiki vollkommen egal war was passiert war. Er zeigte keinerlei Emotionen und diese Veränderung an seinem Sohn bereitete ihm mittlerweile Magenschmerzen.

 

Gepeinigt schloss Sasuke die Augen. „Die Schule hat vorgeschlagen, Taiki zum Psychologen zu schicken!“, gab er zu. Eine Reihe an Emotionen durchflutete ihn bei diesem Thema. Er selbst war damals in einer ähnlichen Lage gewesen, allerdings war dieses Thema weggefallen, als Naruto in sein Leben getreten war. Ihnen allen war klar, dass Taiki etwas nicht sagte, dass den Jungen etwas belastete und scheinbar schien dieses zu Wut zu führen, die er vor allem an Keiko ausließ. Zum Teil verstand Sasuke auch dieses – nicht warum Taiki sich so wandelte, aber dass Keiko die Leidtragende war. Sie war immer da, sie war schwächer wie ihr Bruder und Keiko hatte einige Eigenschaften, die auch Naruto hatte. Das war etwas, was ein Segen sein konnte, oft genug kam es allerdings eher einem Fluch gleich, wenn man einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte.

 

Sasuke wünschte sich, dass die Streitereien seiner Kinder im normalen Umfang stattfanden. Geschwister stritten sich eben, er und Itachi waren auch oft genug sich regelrecht an die Gurgel gegangen, gerade nachdem es nur noch sie beide gegeben hatte, aber er erinnerte sich nicht daran, je seinen Bruder verletzt zu haben. Zumindest nicht körperlich. Er wollte nie wieder erfahren müssen, dass sein Sohn seine Schwester ins Krankenhaus befördert hatte.

 

Seufzend schob er die Unterlagen etwas von sich. „Vielleicht keine schlechte Idee. Ein Profi findet vielleicht heraus was Taiki nicht sagen kann oder will!“ Was genau es war, wussten sie schließlich nicht. Es konnte sein, dass Taiki selbst nicht wusste was in ihm rumorte. Er war jung, in dem Alter war es nicht ungewöhnlich nicht genau benennen zu können, was in einem vor ging. Dennoch war er unsicher was er wirklich machen sollte. Er musste sich eindeutig tiefer mit diesem Thema befassen wenn er nachhause kam.

 

Itachi seufzte schwer. „Wie dem auch sei, ruf Naruto an. Er ist halb krank vor Sorge um euch alle!“, erklärte er und richtete sich erneut auf. Sasuke nickte leicht und als Itachi endlich sein Büro verließ, griff er wirklich nach dem Hörer,um Naruto anzurufen. Es klingelte nur ein einziges Mal, als der Chaot auch schon abnahm. Seinen Namen durch die Leitung zu hören rückte all die Dinge die gerade in ihm selbst aus den Fugen geraten war wieder an ihren rechten Platz. Es war seltsam, aber wenn er Narutos Stimme hörte fühlte er sich einfach wieder vollkommen im Gleichgewicht. Er hatte das in den letzten Jahren wirklich sehr vermisst.

 

„Beruhige dich!“, brummte er in die Leitung und ließ sich in seinem Sessel zurück sinken. „Es ist halb so schlimm, wir sind mit dem Schrecken davon gekommen!“, unterbrach er den Schwall an gestressten Fragen, die Naruto ihm entgegenschleuderte. Er konnte hören, wie der Chaot einen tiefen Atemzug nahm um wieder runter zu fahren. „Was ist genau passiert?“, wollte er dann wissen. Sasuke seufzte schwer.

 

„Ich hab keine Ahnung was genau passiert ist!“, gab er zu. „Keiko muss sich ausruhen und Taiki schweigt sich aus. Er zeigt keine Emotionen. Den Lehrern zufolge haben die beiden eine Meinungsverschiedenheit gehabt. Taiki ist wütend geworden, nicht zum ersten Mal und hat sie geschubst.“ Auch nicht zum ersten Mal, wie Sasuke bewusst war. Auch zuhause kam das immer häufiger vor und immer öfter musste er die Zwillinge trennen. Es endete nahezu immer in Tränen, auch wenn diese nur von Keiko kamen, die ihren Bruder auch nicht mehr wirklich verstand. Niemand tat das. „Sie ist unglücklich gefallen und hat eine Platzwunde am Hinterkopf, die genäht werden musste. Die Ärzte haben sie zur Beobachtung dabehalten. Morgen kann sie zurück.“

 

Was ihn erleichterte. Wenn sie länger im Krankenhaus bleiben müsste, wären die Verletzungen schlimmer als man annahm. So ging es nur darum sicherzustellen, dass sie fit genug war und nicht irgendetwas passiert war was es nötig machte sie im Auge zu behalten. „Soll ich kommen?“, drang Narutos Stimme zu ihm durch und für einen Moment wog Sasuke ab, ob er zusagen sollte. Er fühlte sich mit dieser Sache überfordert und Naruto schien es immer so leicht zu fallen an andere heranzukommen. Vielleicht könnte er ganz schnell und einfach Taiki helfen.

 

Aber es war nicht fair diese Last auf Naruto abzuwälzen. Es war nicht Narutos Aufgabe, außerdem hatte dieser ein eigenes Leben und Sasuke konnte und wollte nicht damit anfangen seine Probleme auf seinen Freund abzuwälzen. „Nein, wir bekommen das schon hin!“, erwiderte er und untermauerte die Entscheidung, die er getroffen hatte. „Aber... wenn er je Anzeichen zeigen sollte bei dir, die ihm helfen könnten, zögere nicht darauf einzugehen!“, schob er noch nach. Es war sein Problem, daran ließ sich nicht rütteln, gleichzeitig wusste er, dass Taiki Naruto vermisste und einfach ein Band mit diesem geknüpft hatte. Wenn der Junge sich Naruto gegenüber öffnen sollte weil er es selbst wollte, wollte Sasuke dass sein Freund tat was er für richtig hielt. Er vertraute Naruto, er wusste dieser empfand sehr viel für seine Kinder und er hatte in Irland genug Zeit gehabt zu realisieren, dass Naruto ein wahnsinnig guter Vater wäre, wenn er denn je einer Frau nachgab und sie nicht irgendwann weder zum Teufel schickte.

 

Wenn Sasuke ehrlich war, wusste er nicht einmal, welche Art Frau Naruto mochte. Er konnte sich nicht wirklich daran erinnern, den Blondschopf je mit jemanden gesehen zu haben, oder gar erzählt bekommen zu haben, dass es jemanden gab. Auch in Irland hatte es keine Anzeichen dafür gegeben, dass es jemand besonderen in Narutos Leben gab. Was Sasuke ein wenig betrübte. Naruto hatte sehr viel zu geben, wie man an den Situationen mit den Zwillingen ja gesehen hatte. Er wusste einfach, dass Naruto ein Mensch war der Kinder sehr liebte. Sasuke wünschte es seinem besten Freund einfach, dass er die richtige Frau fand und damit die Familie bekam, die er sich offensichtlich wünschte.

 

Aber er ahnte auch, dass es diese besondere Person in Japan gab und dass sie der Grund gewesen war, dass Naruto verschwunden war. Er fragte sich nur, wer von den Mädels ihrer Gruppe jene war, die Narutos Herz gestohlen hatte und ob Naruto noch genauso empfand. Damals war es ihm nicht so bewusst gewesen, aber Naruto hatte sich nicht nur von ihm so entfernt. Er hatte sie alle immer weniger in sein Leben gelassen, was die Vermutung nur unterstützte, dass es da jemanden bei ihnen gegeben hatte, womit Naruto nicht mehr zurecht kam. Die anderen vermuteten ähnliches, aber Sasuke hatte im Laufe der Zeit dieses Thema klar von sich geschoben. Wenn es stimmte, hatte Naruto sogar Recht. Es ging sie nichts an, auch wenn Sasuke sich wünschte, dass Naruto dennoch sich ihnen anvertraut hätte. Vielleicht hätten sie ihm helfen können.

 

Vielleicht waren sie aber auch alle auf der falschen Fährte. Bei Naruto wusste man eh oft genug nicht woran man war. Vielleicht war etwas ganz anderes der Grund. Energisch schob Sasuke diese Gedanken von sich, um sich weiter auf das Telefonat zu konzentrieren. Sie redeten noch eine ganze Weile, wobei immer wieder das Thema aufkam, was mit Taiki los war. Es war offensichtlich, dass sie beide dieses nicht wirklich abschütteln konnten. Sie sorgten sich, fragten sich was sie tun konnten, waren letzten Endes aber dazu verdammt als Zuschauer dem Ganzen beizuwohnen ohne eine Möglichkeit irgendetwas zu tun.

 

Dennoch, als er sich von Naruto verabschiedete fühlte Sasuke sich erleichtert. Es fiel ihm immer schwer andere in sein Leben zu lassen, bei Naruto hingegen war das extrem leicht. Bei ihm hatte Sasuke nie das Gefühl Schwäche zu zeigen oder Angriffsfläche zu bieten. Diese Verbundenheit zwischen ihnen war einer der Gründe, warum er Naruto sehr übel genommen hatte, einfach zu verschwinden. Zum Teil tat er das auch heute noch, auch wenn er versuchte es nicht ganz so oft zu zeigen. Bei Narutos Besuch in Japan hatte er ja gesehen was er erreichte, wenn er versuchte den chaotischen Blondschopf in die Richtung zu schubsen, in der ihn haben wollte. Er rannte, noch immer und das konnte Sasuke absolut nicht leiden. Die Zeit in Irland hingegen war sehr beruhigend gewesen. Die Entscheidung zu treffen diese Angelegenheit etwas ruhen zu lassen war demnach genau richtig gewesen. Trotz allem, der Gedanke Naruto von sich weg zu treiben schmerzte zu sehr um ihn zu ignorieren. Er hatte es versucht, das konnte er nicht leugnen. Er war voran gegangen ohne weiter an Naruto zu denken, aber jene die ihn kannten hatten ihn durchschaut. Deswegen hatte Hikari den Wunsch geäußert, dass sie sich aussöhnten. Sie hatte das gesagt, was Sasuke tief in sich verborgen hatte um nicht eine weitere Enttäuschung zu erleben. Vermutlich wussten selbst ihre Freunde wie es in ihm aussah, vielleicht nicht im vollen Umfang, aber ansatzweise ahnten sicher auch sie, dass Naruto ein ziemliches Loch in ihm zurückgelassen hatte, als er einfach verschwunden war. Eines welches sich nur sehr langsam wieder füllte.

 

 
 

***

 

Als Keiko endlich wieder bei ihnen zuhause war, besserte die Situation sich nicht wirklich. Es war angespannt und keiner wusste wirklich wie er mit dem jeweils anderen umgehen sollte. Es fing bereits damit an, wenn er die Kinder weckte. Taiki war meistens bereits wach, blickte ihn regelrecht wütend an sagte aber keinen Ton. Keiko hingegen schlich in dem Haus herum, als wenn sie Angst hätte gesehen zu werden. Sasuke hatte versucht mit ihr zu reden um herauszufinden, was genau in der Schule vorgefallen war, aber auch Keiko schwieg sich bei diesem Thema aus. Es hatte fast den Anschein, als wenn auch sie beginnen würde ein Problem mit irgendetwas zu haben, was sie nicht aussprechen konnte oder wollte. Diese ganze Situation zerrte an Sasukes Nerven, die ständigen Fragen die ihm im Kopf herumschwirrten wollten einfach kein Ende nehmen.

 

Jede Mahlzeit war wie ein Spießrutenlauf. Es erinnerte sehr stark an die Zeit, als Naruto bei ihnen zu Besuch gewesen war. Keiner sagte ein Ton, alle konzentrierten sich nur darauf was sie vor sich liegen hatten. Und das nicht einmal in dem Umfang, wie Sasuke es gerne sehen würde. Taiki hatte begonnen mehr und mehr Nahrung zu verweigern, statt dessen holte er sich Dinge mit denen Sasuke nicht wirklich einverstanden war. Wenn er versuchte den Jungen zu ermahnen, reagierte dieser mit Trotz. Es war ein Tauziehen, welches Sasuke an seine Grenzen brachte. Einmal hatte er die Geduld verloren und die Stimme erhoben, nur damit es ihm im Anschluss sehr Leid getan hatte, als Taiki ihn voller Verachtung angeschaut hatte, bevor er in sein Zimmer gestürmt war. Keiko auf der anderen Seite litt offensichtlich an den Anspannungen. Sie stocherte oft in ihrem Essen herum und zuckte deutlich zusammen wenn er doch versuchte mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sasuke hatte das Gefühl, dass ihm die ganze Situation aus den Händen glitt.

 

Wenn er ehrlich war, sehnte er sich jeden Tag danach auf der Arbeit ein paar Stunden Normalität zu bekommen. Es war traurig, aber diese Stunden waren es, die ihm halfen wieder runter zu kommen. Es kam nicht selten vor, dass er regelrecht in sich zusammen sackte, sobald er sein Büro erreicht hatte. Was anderen nicht verborgen blieb. In diesen Tagen spürte er oft genug Sakuras besorgten Blick auf sich ruhen. Er wusste sehr wohl, dass die Frau vermutlich mit Naruto in engem Kontakt stand, dennoch war sein Freund gerade etwas, mit dem er nicht umgehen konnte.

 

Er verstand einfach nicht, warum Naruto sich so sehr versuchte einzumischen. Natürlich war ihm klar, dass sie miteinander vertraut waren. Es gab keinen Menschen auf der Welt, der ihn so verstand wie Naruto es tat, allerdings war Sasuke bewusst, dass in dieser Situation es nicht helfen würde. Er hatte einfach nicht mehr die Kraft Dinge durchzukauen, wenn alles was sie tun konnten war im Trüben zu fischen. Solange Taiki und Keiko den Mund hielten, würden sie keinen Schritt weiter kommen.

 

Aus diesem Grund hatte er auch gut eine Woche nachdem Keiko wieder zurückgekommen war, die Broschüren genauer angeschaut, die Taikis Lehrerin ihm mitgegeben hatte, als er die Kinder abgeholt hatte. Er wusste etwas musste geschehen, damit sie diese Situation in den Griff bekommen konnten, sich nach einem Psychologen umzusehen war jedoch etwas was einem nicht wirklich leicht von der Hand ging. Sasuke wusste, dass sein Sohn nicht verrückt war. Ihm war absolut bewusst, dass Taiki Hilfe brauchte um mit einem Problem zurechtzukommen, von dem Sasuke keine Ahnung hatte. Dennoch war es unglaublich schwer gewesen, sich wirklich damit auseinanderzusetzen. Der Anruf der dann folgte um einen Termin zu machen, war im Gegensatz zu dem eingestehen dass es ohne Hilfe nicht mehr ging nahezu lachhaft einfach.

 

Vor dem Termin hatte er es sich gegönnt ein ziemlich langes Gespräch mit Naruto zu führen, welcher bestens informiert darüber war, wie es generell lief. Sasuke brauchte nicht die Bestätigung, dass er richtig handelte, dennoch war es ein sehr angenehmes Gefühl, diese Bestätigung zu bekommen. Naruto schaffte es selbst auf die Entfernung mit wenigen Worten ihm Halt zu geben, ihm diese beklemmende Gefühl zu nehmen, welches mittlerweile zu seinem täglichen Begleiter geworden war. Sasuke hatte diese Dinge in den letzten Jahren eindeutig vermisst, dieses blinde Verständnis, die Art wie Naruto manchmal ganz direkt auf dem Punkt brachte was er dachte, ganz gleich wie schmerzhaft es für andere war und manchmal lediglich mit Worten die nichts aussagten einem das Gefühl vermittelte, nicht alleine zu sein und dass man verstand was los war. Sasuke brauchte das irgendwie, er wollte dieses vertraute Gefühl mit allem festhalten was er aufbringen konnte, denn in diesen turbulenten Zeiten schien es ihm wie das Einzige was ihm noch vertraut war. Der regelrechte rettende Strohhalm, an den Sasuke sich klammerte auch wenn er versuchte diese Tatsache zu vertuschen. Aber vermutlich wusste auch Naruto das und zog es einfach vor zu schweigen.

 

Darüber war Sasuke eindeutig dankbar.

 

 
 

***

 

Sasuke Uchiha rieb sich leicht die Hände, als er an einem Donnerstag Vormittag in dem Wartezimmer der Praxis saß, die er ausgewählt hatte. Ein beklemmendes Gefühl hatte sich in seinem Magen ausgebreitet und das lag gewiss nicht daran, dass er für diesen Erstgesprächstermin sich in der Firma frei genommen hatte. Taiki wusste nichts davon wo er heute war, Sasuke hatte sich dazu entschlossen diese Angelegenheit vor dem Jungen nicht zu erwähnen, bis er sich ein Bild davon gemacht hatte, ob das wirklich der richtige Weg war. Es kam ihm entsprechend entgegen, dass der Arzt darauf bestanden hatte erst einmal von Sasuke zu erfahren um was es ging, ehe ein weiteres Gespräch zusammen mit seinem Sohn anstand. Falls das möglich war, Taiki sprach schließlich nicht und Sasuke befürchtete, dass der Junge dieses auch nicht bei anderen ändern würde.

 

Die Praxis wirkte gemütlich – kindgerecht. An den Wänden hingen Bilder, die ein erwachsener Mensch sich wohl eher nicht in die Wohnung holen würde. Filmfiguren tummelten sich in Reih' und Glied. In einer Ecke gab es einen niedrigen Tisch, Papier und Buntstifte lagen darauf verteilt. Daneben stand eine Kiste mit diversem Spielzeug. Die Stühle auf denen auch Sasuke saß, waren bequem und wirkten recht neu.

 

Als der Arzt ihn abholte, war Sasuke etwas verdutzt. Der Mann sah recht jung aus mit kurzen braunen Haaren. Um die Augen herum konnte er die Lachfältchen sehen. Der erste Eindruck von diesem Mann sorgte dafür, dass er wieder einmal an seinen besten Freund denken müsste. Er wusste nicht genau warum, aber irgendwie hatten Naruto und dieser Arzt Ähnlichkeit miteinander. Seltsamerweise beruhigte ihn das ein wenig. Naruto kam an Taiki heran, wenn dieser Mann Naruto ähnlich war, bestand wenigstens die Chance vielleicht doch die Mauern des Jungen zu durchbrechen.

 

Er wurde in ein Zimmer geführt, welches er vermutlich niemals mit einem Psychiater in Verbindung gebracht hätte, wenn er nicht genau wüsste, dass es zu einer Praxis gehören würde. Auch hier sah man überdeutlich, dass die Patienten Kinder waren. Der Raum war recht klein, die linke Seite wurde von einer Ledercouch dominiert, während in der rechten Ecke ein Schreibtisch stand. Sasuke ließ sich auf der Couch nieder, die ihm angeboten wurde.

 

„Uchiha, richtig?“, wurde er gefragt und Sasuke nickte anerkennend. Der Mann überflog einen Zettel den er hatte, bevor er ein Klemmbrett an sich nahm und Sasuke direkt anblickte. „Ich werde mir einige Notizen machen, wenn etwas in meinen Augen wichtig erscheint um genauer darauf einzugehen, oder einen Anhalt darauf gibt, wo das Problem liegen könnte!“, erklärte er dann und schlug die Beine übereinander. „Warum sind Sie hier?“, kam dann auch die Frage, die Sasuke natürlich erwartet hatte, dieses Wissen es aber nicht leichter machte, seine wirren Gedanken und Sorgen in Sätze zu packen.

 

Angenehm war, dass der Mann vor ihm ihn nicht hetzte. Er blickte ihn offen an, ließ ihm aber Zeit sich zu sammeln ohne ihn aufzufordern endlich zu beginnen. Sasuke brauchte diese Zeit auch, er atmete tief durch, ehe er begann.

 

„Es geht um meinen Sohn!“, gab er ehrlich zu, die Hände noch immer ineinander verschlungen. Er fühlte sich angreifbar, versuchte dieses Gefühl aber mit aller Macht zu unterdrücken. Der Psychologe nickte verstehend, schwieg aber weiterhin. „Ich habe Zwillinge, Taiki meinen Sohn und Keiko meine Tochter. Es ist mittlerweile fast ein Jahr her, dass meine Frau, die Mutter der beiden, an Krebs verstorben ist!“ Er schluckte schwer. Der Klos der sich in seinem Hals bildete hatte nichts mit seinen Kindern zu tun.Es hatte mit der zweiten Baustelle zu tun, die Sasuke alleine betraf, der Tod seiner Frau lag ihm noch immer schwer im Magen. Es gab wenig Tage wo er nicht die Trauer spürte, die er bereits vor einem Jahr gespürt hatte, als die Person die er aus tiefstem Herzen geliebt hatte ihm einfach genommen worden war.

 

„Ich muss zugeben, dass ich zu beiden nur schwer einen Draht bekommen habe. Ich tue mich schwer damit mich anderen zu öffnen, seit meine Eltern verstorben sind, als ich noch recht jung gewesen war. Taiki war stets sehr still, meinem früheren Ich sehr ähnlich. Aber das hat sich geändert nachdem wir Über Neujahr bei einem Freund von mir gewesen sind, der in Irland lebt!“, gab er zu und entspannte sich ein wenig.

 

„Naruto hat dieses Talent andere zu erreichen.“, gab er weiter zu und ein erstes Lächeln huschte ihm über das Gesicht. „Er hat meinen Kindern geholfen aus sich herauszukommen und mir wohl auch.Nachdem wir aus Irland zurückgekommen sind, lief es ganz gut. Wir haben Dinge unternommen, geredet und Taiki war offen mir gegenüber. Aber irgendwann kurz bevor die Schule für die beiden angefangen hat, hat er angefangen sich zu verschließen!“ Das Lächeln verschwand wieder genauso schnell, wie es langsam aufgekommen war.

 

„Jetzt ist es schlimmer wie je zuvor. Taiki spricht nicht mit mir. Er spricht mit niemanden. Er starrt immer nur vor sich hin und wenn man es einmal schafft dass er einen anschaut, bekommt man das Gefühl das er wütend ist und man irgendetwas falsch gemacht hat. Nicht nur mir geht es so. Er hat Freunde aus dem Kindergarten von sich gestoßen, er weigert sich Kontakt mit den Kindern aus seiner Klasse zu haben. Er reagiert nicht auf Lehrer und wenn es um Keiko geht, wird er oft handgreiflich. In einem Streit hat er seine Schwester so gar geschubst, dass sie nach hinten gefallen und sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen hat. Aber er macht weiter den Eindruck, als wenn es ihn nicht im geringsten interessiert!“ Sasuke frustrierte das sehr. Er hatte Taiki anders kennengelernt. Er war sich mittlerweile bewusst, dass sein Sohn recht sensibel war, weswegen dieses Verhalten so gar nicht ins Bild passte.

 

„Er redet nicht einmal mehr mit meinem besten Freund, dabei wollte er Irland – oder eher Naruto nicht verlassen als es an der Zeit war wieder abzureisen.“ Sasuke verstand wirklich nicht, was sich plötzlich verändert hatte. „Könnte dieser Umstand nicht das Problem sein?“, fragte der junge Mann nach und Sasuke hob den Kopf, um den Arzt mit gerunzelter Stirn anzusehen. Dieser blickte ihn auch weiterhin offen an, ehe er erklärte was er dabei im Sinn hatte.

 

„Sie haben mir erzählt, dass Taiki seine Mutter verloren hat. In seinem Alter versteht man nur am Rande was das bedeutet, dass die Mutter weggegangen ist, dass sie nicht zurückkommt hingegen ist etwas was er durchaus versteht. Nun ist da ein Mensch dem er sich hatte öffnen können und eine Situation, die ähnlich wie jene ist, die er mit seiner Mutter erleben musste. Er hat sein Herz an jemanden gehangen und musste diese Person verlieren in gewisser Hinsicht.“

 

Einen Moment überlegte Sasuke, ehe er den Kopf schüttelte. „Ich denke nicht. Taiki und Naruto hatten oft Kontakt miteinander. Nicht durch Besuche, aber durch Telefonate über Skype. Es ging oft genug von ihm aus, dass diese Anrufe stattfanden. Er selbst hat irgendwann den Kontakt abgebrochen nachdem er begonnen hatte sich zu verändern.“ Der Mann schrieb etwas auf seinen Notizzettel, während er nickte.

 

„Darauf wollte ich hinaus!“, gab er zu und nahm die Hand die den Stift hielt etwas hoch, bevor er begann diesen Stift leicht zwischen den Fingern zu drehen. „Die Denkweise von Kindern ist oft sehr Komplex. Sie stoßen jemanden weg aus Angst verletzt zu werden wenn sie darauf warten dass jemand von alleine geht. Es könnte eine Ursache sein. Es ist möglich, dass Taiki sich davor fürchtet erneut jemanden zu verlieren der ihm viel bedeutet. Dass er alle auf Abstand hält ist da ein Indikator der dafür spricht.“

 

Sasuke fragte sich, ob das wirklich die Ursache war. Er hatte keine Ahnung und auch keinen Anhaltspunkt wo er überhaupt mit der Suche nach Antworten beginnen sollte. Entsprechend verbannte er diese Idee nicht als Unsinn, er nahm es auf als eine Möglichkeit von vielen. „Andererseits ist da die Tatsache, dass Sie das Gefühl haben, ihr Sohn sei wütend auf Sie!“, redete der Mann weiter. „Was glauben Sie, was die Ursache dafür ist?“ Sasuke konnte nichts anderes tun, als mit den Schultern zu zucken.

 

„Ich weiß es nicht.“, gab er ehrlich zu. „Ich habe überlegt, analysiert ob ich etwas getan oder gesagt habe, was Taiki falsch verstanden haben könnte, oder wo ich nicht nachgedacht habe. Aber da war nichts. Es ist eher, als wenn er einen Schalter umgelegt hätte. Zuvor offen, danach verschlossen.“ Egal wie sehr er nachgrübelte, ihm kam nichts in den Sinn was er falsch gemacht haben könnte. Sie waren wie immer gewesen, hatten über alltägliches geredet und von einem Tag auf den anderen hatte Taiki sich gewandelt.

 

„Was ist mit anderen? Seine Freunde die er gehabt hatte. Nachbarn, dem Sitter, Kinder auf dem Spielplatz... Ihr Freund an dem Ihr Sohn hängt? Hat er etwas im Fernsehen gesehen was diese Situation ausgelöst haben könnte, haben Eltern sich getrennt von Kindern die er kannte?“ Hilflos zuckte Sasuke mit den Schultern. „Nicht das ich wüsste. Er schaut nicht fern, es gab keine Trennungen. Naruto hat meistens über seine Touren in Irland erzählt – er ist Autor und besucht ständig irgendwelche Ruinen die ihn inspirieren – es hat meines Wissens nach nichts gegeben, was ich damit in Verbindung bringen könnte.“

 

Der Mann nickte erneut, wendete den Blick aber nicht ab. „Was ist mit ihrer Tochter, Keiko?“, fragte er weiter aber auch hier musste Sasuke passen. Dort war nichts was er je mitbekommen hätte. „Damit bleibt in meinen Augen derzeit nur eines offen – gibt es eine neue Frau in ihrem Leben?“

 

Sasukes Augenbraue wanderte nach oben und sein ganzer Körper spannte sich an. Noch immer blickte der Mann ihn offen an. „Kinder sehen neue Partnerschaften ihrer Eltern oft als Gefahr an. Deswegen frage ich. Egal ob ein Familienmitglied verstorben ist, oder die Eltern sich getrennt haben, sie sehen in den neuen Partnerschaften oft die Gefahr für den verlorenen Elternteil. Bei Trennungen ganz offensichtlich, dass der andere Elternteil damit nicht zurück kann. Beim Verlust durch Tod hingegen kann es vorkommen, dass sie sich gezwungen fühlen den verlorenen Teil zu vergessen.Manchmal denken Kinder, dass der Teil den sie noch haben genau das getan hat und damit voran gehen kann. Deswegen frage ich!“

 

Sasuke entspannte sich langsam wieder und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, so etwas gibt es nicht. Ich bin nicht soweit, ich habe meine Frau sehr geliebt, für sie gibt es keinen Ersatz.“, erklärte er unwohl und war froh, dass der Mann das Thema fallen ließ. Einen Moment studierte dieser seine Notizen, ehe er Sasuke wieder anblickte. „Ich denke das Beste wird es sein, einen neuen Termin zu machen und Taiki dazu zu holen. Es gibt verschiedene Ansätze, die ich versucht habe abzuklären, es lässt sich nicht ausschließen, dass er etwas mitbekommen hat, was ihn nun belastet oder dass er zu Entscheidungen gekommen ist um sich selbst zu schützen. Das herauszufinden wird nicht ganz einfach. Generell handhabe ich es so, dass die Eltern die erste Stunde dabei sind. Wenn es um die Psyche von Kindern geht, gehen wir oft den Weg über Spiele, streuen Fragen ein oder lassen sie Fragen beantworten die auf den ersten Blick nichts mit der Sache zu tun haben. Aus den Antworten kann man allerdings sehr viel lesen, ebenso wie aus der Spielweise. Kinder neigen in Rollenspielen dazu vertraute Dinge nach zu spielen, was wir uns zu Nutzen machen. In den darauffolgenden Stunden bleiben die Eltern im Wartezimmer, bis ihre Kinder bereit sind sich den Stunden alleine zu stellen. Das ist wichtig, denn oft lassen Kinder sich erst fallen wenn die wachsamen Augen ihrer Eltern nicht mehr da sind!“

 

Sasuke nickte leicht. Er hatte keine Ahnung wo das Ganze hinführen würde, aber im Moment war es alles, was er hatte. Aus diesem Grund zögerte er auch nicht, einen Termin für Taiki zu vereinbaren. Je eher sie herausfanden was los war, umso schneller konnten sie dem Jungen helfen.

 

 
 

***

 

Die erste Therapiestunde war aufwühlend gewesen und zum ersten Mal in seinem Leben hatte Sasuke das Verlangen gehabt, den Jungen zu packen und ihn zu schütteln, bis er endlich mit der Sprache herausrückte. Dieses Empfinden schockierte ihn, er verstand aber auch worin es begraben lag. Taiki wirkte derart emotionslos, dass Sasuke gezwungen war sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Er fragte sich, ob ihre Gruppe ähnliches empfunden hatte, als er damals so gewesen war. Naruto ganz bestimmt, der Junge hatte stets deutlich zum Ausdruck gebracht, was er empfunden hatte. Er erinnerte sich sogar an diese eine Situation, wo Naruto der Kragen geplatzt war und er ihm am Oberteil gepackt und wirklich geschüttelt hatte.

 

Er ertrug es nicht, seinen Sohn so zu sehen. Es war im Grunde egal was er sagte oder tat, er erhielt immer die gleiche Reaktion und nicht nur bei ihm war es der Fall. Wenn der Therapeut fragte, ob Taiki wollte das sein Vater dabei war, starrte dieser nur blank nach vorne. Keine Reaktion, kein Blinzeln, nicht einmal ein Zucken mit den schmalen Schultern. Er beteiligte sich nicht an Spielen, beantwortete nicht die Fragen die man ihm stellte. Im Grunde war er lediglich anwesend aber das war es dann auch schon. Nach der vierten Stunde hatte Sasuke mit dem Therapeuten noch einmal alleine gesprochen. Dieser sah es genau wie Sasuke, dass bei dem Jungen etwas im Argen lag, aber egal ob Sasuke anwesend war oder nicht, man kam an den Jungen nicht heran. Es war für beide Seiten schwierig am Ball zu bleiben. „Irgendwann knickt er ein, wenn der richtige Reiz kommt!“, hatte der Mann ihm versprochen, aber Sasuke wusste nicht ob er noch darauf hoffen konnte.

 

Zu allem Überfluss breitete diese angespannte Situation sich aus. Es gab mittlerweile nahezu keinen Schultag an dem er nicht in die Schule gerufen wurde, weil man nicht wusste wie man den Jungen dazu bewegen konnte mitzumachen. Er weigerte sich auf ganzer Linie, egal was sie auch versuchten. Selbst Keiko begann diese Situation nicht mehr zu ertragen. Ihr sonst so fröhliches Lachen war verstummt, sie erzählte nur noch wenig vom Schulalltag und das auch nur, wenn Sasuke direkt nachfragte.

 

„Zwillinge haben oft eine starke Verbindung. Vielleicht fühlt sie wie es Taiki geht, vielleicht stresst sie diese Situation aber auch genauso wie alle anderen!“ Der Mann hatte Recht, Sasuke wusste aber nicht wie er es seiner Tochter leichter machen konnte. Den Rat sie einige Tage bei seinem Bruder unterzubringen ging er erst nach, als auch Keiko begann sich zurückzuziehen. Bei Itachi war sie besser aufgehoben, sie liebte ihren Onkel und ein wenig Abstand würde ihr gut tun.

 

„Ich würde gerne einen Versuch starten!“, eröffnete der Mann ihm schließlich am Telefon. Sasuke stimmte zu auch ohne genau zu wissen was der Mann beabsichtigte. Er wusste das Ziel hatte sich nicht verändert und bisher hatte dieser Mann sein Vertrauen nicht verletzt. Sasuke sah, dass der Therapeut versuchte an Taiki heranzukommen, deswegen stimmte er zu es zu versuchen.So hielt er sich an die Anweisung, den Jungen zum nächsten Termin zu begleiten und setzte sich wortlos in das Wartezimmer, während Taiki mit dem Psychologen mit ging.

 

Sasukes Nerven waren angespannt, während er wartete. Wenn sie nicht langsam irgendwelche Fortschritte erzielten würde er sehen müssen was er noch versuchen konnte. Im Gespräch war auch gewesen, Taiki eine Weile aus allem raus zu ziehen und ihn in eine Klinik zu bringen, wo man sich intensiver um ihn kümmern konnte. Sie waren sich einig, dass diese Maßnahme nur im allerhöchsten Notfall zum Tragen kommen würde. Sasukes Magen rumorte wenn er daran dachte, seinen Sohn in eine Psychiatrie bringen zu müssen. Er wusste Taiki gehörte dort nicht hin, er wusste aber genauso, dass er nicht erst abwarten wollte bis der Junge komplett am Boden war. Egal was er hatte, es belastete ihn und Sasuke wusste sehr wohl wie beengend es sein konnte mit den eigenen Gefühlen überfordert zu sein. Der Tod seiner Eltern war so ein Moment gewesen und ihm war bewusst, dass er sich vermutlich in einer ähnlichen Situation wie sein Sohn befunden hätte, wenn er nicht Naruto an seiner Seite gehabt hätte. Taiki hatte niemanden der diese Rolle bei ihm einnehmen konnte, niemanden der es schaffte seine Mauern zu durchbrechen, wie Naruto es bei ihm gemacht hatte. Der Chaot hatte sie regelrecht gesprengt, ohne Sasuke eine Chance zu lassen. Aber selbst diesen ließ sein Sohn nicht mehr an sich heran. Die Erinnerungen an seinen Sohn wie er in Irland gewesen war schienen mittlerweile nichts anderes zu sein wie verblassende Momente die man nie wirklich erlebt hatte. Sasuke stand selbst an einem Punkt, wo er das Gefühl hatte nicht weiter gehen zu können. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, dass Hikari noch bei ihnen wäre. Er vermisste die Frau, vermisste ihre Art immer geradlinig dem Weg zu folgen den sie eingeschlagen hatte und den sie für richtig hielt. Er fühlte sich vollkommen alleine und hilflos und mittlerweile konnte er nicht einmal mehr sagen was sie nun wohl tun würde. Das schmerzte sehr.

 

Ein Krachen riss ihn schließlich aus seinen düsteren Gedanken. Im ersten Moment war Sasuke sich nicht sicher wie er darauf reagieren sollte, letzten Endes kam er aber nicht einmal dazu zu entscheiden ob er nachsehen oder abwarten sollte. Die Tür hinter der sein Sohn war wurde aufgerissen und Taiki stampfte regelrecht heraus und steuerte die Tür an, die ihn aus der Praxis bringen würde. Sasuke hatte seinen Sohn noch nie so gesehen. Das Gesicht war nicht mehr emotionslos, aber was genau es widerspiegelte konnte er in dem Moment nicht einmal sagen.

 

In dem Zimmer konnte er sehen, dass jemand scheinbar einige Bauklötze geworfen hatte und damit einige Spiele runter gerissen hatte, die auf einem niedrigen Tisch mitten im Raum gelegen haben musste. Wie der Arzt seine Hand rieb ließ keine Fragen offen, dass sein Eindruck richtig war. Seine Instinkte den Jungen zurechtzuweisen stiegen sofort in ihm auf, lediglich das leichte Kopfschütteln des Therapeuten hielten ihn davon ab. Statt dessen atmete er tief durch um sich zu beruhigen, erst dann griff er nach der Jacke und folgte seinem Sohn, der mittlerweile die Praxis verlassen hatte. Weit war er nicht gelaufen, wie er schnell feststellte und so hielt er dem Jungen wortlos die Jacke hin.

 

Noch bevor sie beim Wagen ankamen erhielt er eine Nachricht, dass der Mann ihn anrufen würde um zu erklären was vorgefallen war.

 

 
 

***

 

Sasuke konnte nicht schlafen, in seinen Gedanken war ein derartiges Chaos, dass eine erholsame Nacht mittlerweile nur noch eine Seltenheit war, in dessen Genuss er nahezu niemals kam. Die Sorgen die ihn plagten begannen mehr und mehr ihn aufzufressen. Mittlerweile wusste er, dass die Situation in der Praxis entstanden war, weil Naruto zum Thema gemacht worden war. Im Grunde hatte der Arzt versucht einen Zugang zu Taiki zu bekommen indem er ihn auf den gemeinsamen Urlaub angesprochen hatte. Nichts weltbewegendes, eben nur was genau er wusste, dass sie in Irland gewesen waren, neue Menschen kennengelernt hatten und dass es ihnen scheinbar gefallen hatte. Sie wussten beide nur nicht, warum Taiki bei genau diesem Thema so heftig reagiert hatte.

 

Frustriert wälzte er sich auf die andere Seite und starrte zu dem Fenster hinaus. Taiki hatte diesen Urlaub vermutlich noch mehr genossen wie Keiko oder Sasuke, dennoch schien es mittlerweile ein regelrechtes Minenfeld zu sein. Egal wie sehr Sasuke auch nachdachte, dass einzig negative an das er sich erinnern konnte war die Abreise gewesen. Ansonsten war der Junge fröhlich gewesen, am Anfang hatte es ihm ja sogar geholfen aus sich herauszukommen.

 

Sasuke glaubte nicht, dass bei den Telefonaten etwas vorgefallen war. Naruto liebte diesen beiden nahezu genauso sehr wie Sasuke es tat, es traf ihn genauso was im Augenblick passierte. Sie waren beide machtlos, so unangenehm das auch war.

 

Endlich den Versuch aufgebend Schlaf zu finden, schwang Sasuke seine Beine aus dem Bett in dem Vorhaben sich aus der Küche ein Glas Wasser zu holen um danach vielleicht schlafen zu können. Es war weit nach Mitternacht und wenn es so weiter ging, würde er einen weiteren Tag in der Firma haben, bei dem er Schwierigkeiten hatte lange genug die Konzentration zu halten, einfach weil er vollkommen übermüdet war. Selbst Itachi fiel das mittlerweile auf, sein Bruder begann sich genauso zu sorgen wie alle anderen um Sasuke herum und langsam war er es leid ständig diese sorgenvollen Blicke zu ertragen.

 

Leise um Taiki nicht zu wecken schlich er den Flur entlang, bis er stutzte und stehen blieb. Ein schwacher Schein kam aus dem Wohnzimmer, genauso wie gedämpfte Stimmen. Im Grunde konnte nur einer sich dort aufhalten. Taiki war abgesehen von ihm schließlich derzeit der einzige der noch hier wohnte. Keiko befand sich bei Itachi und sonst gab es niemanden. Sasuke wusste aber nicht, was er von dieser Situation halten sollte und bevor er seinen Sohn rügte, dass es schon längst Zeit zum schlafen war, lief er leise weiter bis er die Tür erreichte.

 

So leise wie er konnte drückte er diese auf, um einen Blick in das Zimmer zu werfen.

 

Wie erwartet sah er Taiki, der vor dem Laptop hockte, den Sasuke am Abend auf dem Tisch stehen gelassen hatte, nachdem er an einigen Dingen gearbeitet hatte um am nächsten Tag nicht ganz so viel zu tun zu haben. Er musste es nicht einmal hören um zu erkennen, dass der Junge weinte. Die schmalen Schultern des Jungen bebten regelrecht, was ihn aber weitaus mehr zusetzte war das, was er sah, als er leise näher trat um sehen zu können mit wem sein Sohn redete, auch wenn er im Grunde genau wusste, dass es nur einen Menschen gab, den Taiki über den Computer erreichte. Naruto zu sehen war irgendwie erleichternd, zumindest im ersten Augenblick. Das Gesicht des Mannes zu sehen hingegen war schmerzhaft. Er kannte seinen Freund gut genug um ihn anzusehen, wie hoch sein Verlangen war die Hände auszustrecken, um den leidenden Jungen durch das Haar zu fahren und ihn dann an sich zu ziehen.

 

Wie in Irland. Wieder einmal wurde Sasuke bewusst, wie nahe diese beiden sich gekommen waren und ein Teil von ihm fühlte den gleichen Schmerz, den vermutlich auch Naruto im Augenblick fühlte. Sasuke war geneigt nachzugeben, das Verlangen Naruto ein weiteres Mal zu bitten zu ihnen zu kommen war übermächtig. Für einen winzigen Moment wünschte er sich nichts mehr, als dass sein bester Freund bei ihm war. Nicht nur Taiki war in der Lage bei Naruto sich fallenzulassen, auch Sasuke konnte in diesen Momenten sich frei fühlen von allem was ihn sonst versuchte in die Knie zu zwingen.

 

Ihre Blicke trafen sich, doch noch bevor Sasuke irgendwelche seiner Gedanken genug unter Kontrolle bringen konnte um sich bemerkbar zu machen, schüttelte Naruto nahezu unmerklich den Kopf. Ihr Blickkontakt brach ab und anstatt mit ihm zu kommunizieren konzentrierte er sich erneut auf Taiki, der noch nicht bemerkt hatte dass sein Vater nur wenige Schritte hinter ihm stand. Und da wurde Sasuke bewusst, wenn Taiki ihn entdeckte, würde das was ihn bewogen hatte Naruto zu kontaktieren in tausend Scherben zerfallen. Er selbst würde es sein, der die Chance zerstörte, dass endlich jemand an seinen Sohn herankam und diese Erkenntnis jagte ihm eine derartige Angst ein, dass er aus reinem Instinkt heraus leise zurück wich, bis er das Wohnzimmer verlassen und in sicherer Entfernung zum Stehen kam.

 

Sasuke war dazu verdammt zu zuhören ohne eingreifen zu können. Er war dazu verdammt seinem Sohn beim Weinen zu zuhören, während Naruto beruhigend versuchte auf den Jungen einzureden. Aber Taiki sagte nichts, zumindest eine ganze Weile nicht. Wie lange Sasuke letzten Endes dort stand konnte er nicht einmal genau sagen, doch die ersten Worte die er aus dem Mund seines Sohnes schließlich nach viel zu langer Zeit hören konnte waren schmerzhafter wie alles was er sich je hätte vorstellen können.

 

„Ich will weg... ich will zu dir, Naruto!“

 

Das Schweigen was folgte war nahezu greifbar. „Ich rede mit deinem Vater, in Ordnung? Vielleicht kann ich zu euch kommen!“, hörte er Naruto vorschlagen, während sein Sohn unglücklich schniefte. Lag es an ihm? Hatte er selbst etwas getan was Taiki so aus der Bahn geworfen hatte? Sasuke konnte nicht einordnen was er empfinden sollte bei dem Wissen, dass sein Sohn von ihm – von ihnen allen weg wollte.

 

Er war so in seinen gemischten Gefühlen gefangen, dass er fast nicht mitbekommen hätte, wie Naruto Taiki anwies zurück ins Bett zu gehen um wenigstens noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Im letzten Moment huschte er weiter den Gang entlang, bis er in die Küche schlüpfen konnte, damit sein Sohn ihn nicht zu sehen bekam. Er hörte die schlurfenden Schritte, wie sie sich weiter und weiter entfernten, dann war es wieder vollkommen still in dem Haus.

 

Mit der Stille kam die Erkenntnis, was genau in Sasuke gerade rumorte. Sein Sohn hatte sich endlich geöffnet, nach Monaten in denen sie keinen Schritt hatten vorangehen können, hatte er endlich selbst jemanden gewählt um erneut zu sprechen und vor allem um Gefühle zu zeigen. Seinen Sohn derart verzweifelt gesehen zu haben war jedoch etwas, was Sasuke eindeutig unter die Haut ging. Genauso wie das Gefühl, irgendwie zu verlieren woran er hing. Sasuke liebte seine Familie, Hikari hatte ein Loch hinterlassen, welches vermutlich nicht wieder geflickt werden konnte. Er hatte anfangs nicht gedacht, dass er sich von diesem Verlust je erholen würde. Aber Naruto hatte es eindeutig geschafft ihn aus seinen trüben Gedanken zu ziehen, als sie alle in Irland gewesen waren. Er vermisste es wirklich sehr, den blonden Chaoten um sich zu haben.

 

Was aber weitaus schlimmer war, war die Erkenntnis, dass sein Sohn von ihm weg wollte. Sasuke wusste das es Unsinn war, dennoch fühlte er sich, als wenn er seinen Sohn verlieren würde.Der Rest seiner Familie lag regelrecht in Trümmern, Keiko lebte derzeit nicht einmal mehr bei ihnen, Taiki wollte weg und er war – genau wie als Kind – dazu verdonnert einfach alles hinzunehmen ohne die Macht zu haben irgendetwas an den Dingen zu ändern die gerade so furchtbar schief liefen. Er fragte sich, wo er einen Fehler gemacht hatte. Wo war der Punkt gewesen, an dem alles angefangen hatte in sich zusammen zu fallen?

 

Sasuke wusste es nicht, der Stress der vergangenen Wochen forderte allerdings seinen Tribut und so konnte Sasuke nicht wirklich etwas dagegen machen, dass er in der dunklen Küche auf den Boden sackte, den Handrücken energisch gegen seinen Mund presste und zum ersten Mal seit Hikaris Tod machtlos war gegen die Tränen die einfach seine Wangen runter rollten. Sasuke fühlte sich zu ausgelaugt um weiterhin stark zu bleiben, zu überfordert um sich wieder aufzurichten, die Gedanken zu ordnen und die Dinge anzupacken die notwendig waren.

 

Zum ersten Mal seit Monaten war er machtlos gegen den Tumult der in ihm herrschte und alles was er tun konnte war zu versuchen, die verräterischen Geräusche nicht entweichen zu lassen, als der Moment der Schwäche über ihn hinweg rollte.

 

 
 

***

 

Sasuke ignorierte die Anrufe, die von Naruto kamen, auch wenn er es nicht tat weil er wütend oder dergleichen war. Was er brauchte war ein wenig Zeit um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Er musste seine Gedanken sortieren und vor allem musste er sich mit einigen auseinandersetzen um eine Entscheidung fällen zu können. Eine die ihm ganz und gar nicht leicht fiel.

 

Als erstes stellte er sich dem größten Übel – Itachi. Sein Bruder war stets schonungslos ehrlich, auch wenn Sasuke sich bewusst war, dass sein Bruder stets versuchte eine schützende Hand über ihn zu halten. Nur leider war er mittlerweile zu alt und die Gefahren die lauerten beliefen sich nicht mehr auf aufgeschlagene Knie oder blutende Ellenbogen. Heute waren die Gefahren anderer Natur und alles was Itachi tun konnte war da zu sein, wenn Sasuke ihn brauchte. Und das tat er in dieser Sache eindeutig.

 

Was er sich erhofft hatte wusste der jüngere Uchiha aber auch nicht mehr, als Itachi die Idee für gut befand und Sasuke klar machte, dass dieses vielleicht ihre einzige Chance war. Zu seinem Übel durchschaute er aber auch, welche Gedanken Sasuke quälten und so durfte er sich zusätzlich einen Vortrag anhören, warum genau diese Gedanken nichts weiter waren als ein Produkt seiner Unsicherheit. Sasuke fühlte sich nicht unsicher, nicht generell zumindest. Nur in diesem einen Bereich sah es eben mittlerweile anders aus, denn trotz aller Versuche schien er nur gegen weitere Mauern zu rennen, denen er nicht ausweichen konnte. Er musste Itachi aber zustimmen, dass die Chance die sich geboten hatte nicht einfach verstreichen durfte.

 

Das Gespräch mit Taikis Therapeuten war da schon leichter und weniger aufwühlend. Neben Naruto war sein Bruder eben einer der wenigen Personen, die es schafften unter seine Haut zu kriechen und dich dort festzusetzen, ganz gleich wie energisch Sasuke auch versuchte genau das zu verhindern. Der Therapeut hingegen unterstützte die Idee und machte Sasuke klar, dass es auch eine Chance war, solange er selbst Naruto vertraute. Was Sasuke tat. Das Problem lag nicht darin, dass Taiki bei Naruto leben sollte, zumindest nicht so ganz. Es ging weder um Naruto, noch um die Entfernung für sich. Was Sasuke nicht behagte war die Tatsache, dass sein Sohn weg sein würde, unerreichbar für ihn, was bisher nie der Fall gewesen war. Selbst Keiko besuchte er täglich und tat sich schwer sie bei Itachi zu lassen, auch wenn klar war, dass sie zurückkommen würde wenn Taiki wirklich ging. Trotz der Intentionen die dahinter steckten konnte Sasuke aber nicht das Gefühl abstellen, dass er ein Kind gegen das andere austauschte.

 

Aber auch das Gespräch mit den Lehrern brachte nicht die Gegenwehr, die Sasuke sich irgendwie erhofft hatte. Das erste Semester neigte sich dem Ende zu, bald würden die Sommerferien beginnen und die Zeit war damit ideal um Taiki gehen zu lassen. Man versprach ihm sogar Materialien zusammenzustellen, die der Junge alleine erledigen konnte, um das wenige was er gelernt hatte zu festigen und auszubauen, sodass er vermutlich mit den anderen auf einen Stand war, wenn er dann zurückkehrte.

 

Aber obwohl scheinbar niemand etwas einzuwenden hatte und obwohl Sasuke Naruto absolut vertraute, tat er sich schwer eine Entscheidung zu fällen.Es war eben nicht sehr leicht so etwas zu entscheiden, ganz gleich wie massiv die Probleme waren. Letzten Endes wusste er aber auch, dass es nur eine Entscheidung geben konnte, dazu musste er sich nicht einmal seinen Sohn genauer anschauen. Vor Wochen hätte er noch behauptet,dass der Gesichtsausdruck des Jungen emotionslos war, mittlerweile wusste er genau, dass dem nicht gegeben war. Die Gesichtszüge mochten regelrecht versteinert sein, was er in Taikis Augen aber lesen konnte war wie ein Schlag direkt in den Magen. Sein Sohn litt und das war eine Sache, die Sasuke nicht gewillt war einfach hinzunehmen.

 

Schweren Herzens nahm er deswegen schließlich den Hörer zur Hand während er auf der Arbeit war, um seinen besten Freund anzurufen. Er wusste er musste nicht fragen, Naruto würde zusagen und alles tun um ihnen irgendwie unter die Arme zu greifen, dennoch wollte er es richtig machen. Naruto war sein Freund, nicht irgendein Angestellter. Er wollte dass der Chaot seine eigene Entscheidung traf und Sasuke hoffte von Herzen, dass er noch ein weiteres Mal für ihn da war, ganz ungeachtet der Tatsache, dass ihr Verhältnis irgendwie schwer war.

 

Oder gewesen war, wie er letzten Endes feststellen musste. Sasuke wusste oft nicht als was er Naruto ansehen sollte. Er war ein Freund, aber irgendwie hatte er die Grenzen der Freundschaft schon vor Jahren gesprengt und daran schien sich nichts verändert zu haben durch die Tatsache, dass sie eine Weile keinen Kontakt gehabt hatten, weil Naruto diesen so gut wie er konnte verhindert hatte. Auch hier wusste er noch immer nicht was der Hintergrund war, im Moment war aber sein Sohn eindeutig wichtiger und es erleichterte ihn, dass Naruto nicht einmal ihn hatte aussprechen lassen, bevor er zugesagt hatte.

 

Das einzig negative daran war ganz offensichtlich, dass Sasukes Gefühl bestehen blieb, seinen Sohn irgendwie zu verlieren und das änderte sich auch nicht, als er die Dinge in die Wege leitete, damit Taiki schon in einer Woche zu Naruto gebracht werden konnte. Er würde ihn begleiten, zumindest für wenige Tage und er hoffte wirklich, dass er dann die Ruhe fand, die auch er dringend brauchte um abzuwarten, wie Taiki sich entwickeln würde.

 

In Momenten wie diesen fragte er sich, ob Hikari ihn in dieser Entscheidung unterstützen würde, aber so schnell diese Gedanken aufkamen, genauso schnell verbannte er sie auch wieder, unwillig, die damit ebenfalls aufkommenden negativen Emotionen zu zulassen. Er war auf sich gestellt und er vertraute Naruto blind. Wenn dieser Taiki nicht irgendwie erreichen konnte, führte kein Weg mehr an härteren Geschützen vorbei und so sehr Sasuke seinen Sohn auch liebte, so weit wollte er es nicht kommen lassen. Er betete, dass ihr Plan Früchte tragen würde, egal was letzten Endes auch ans Tageslicht kam, Sasuke war bereit sich diesen Dingen zu stellen.

 

Mit dieser Überzeugung beendete er die Arbeit früher wie sonst um früher in der Schule sein zu können, damit die Lehrer Taikis Unterlagen vorbereiten konnten. Dann würde er mit seinem Sohn sprechen, auch wenn er fürchtete, dass er wieder einmal keine Reaktion erhalten würde. Trotzdem wollte er sich nicht abhalten lassen,endlich alles in Gang zu bringen. Es hatte wahrlich schon lange genug gedauert, es wurde einfach Zeit zu handeln.

 

Als er das Büro verließ und die warmen Strahlen der Sonne auf seinem Rücken fühlte, fühlte er sich selbst zum ersten Mal seit langer Zeit befreit. Das letzte Mal das er so empfunden hatte, war eindeutig gewesen, als er in Irland gewesen war und trotz der Dinge die ihn zurück trieben, freute er sich auf die ein oder zwei Tage, die er dorthin zurückkehren würde. Ein Teil von ihm war sogar gespannt darauf, wie das sommerliche Irland sein würde,nachdem er nur den Winter kennengelernt hatte. Er hatte einfach das Gefühl, dass er die Chance bekam ein Bild zu vervollständigen, von dem er nicht einmal gewusst hatte dass es vervollständigt werden musste.

13 first opening


 

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13 first opening

 

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Wenn der Tag in Irland anbrach, tat er das auf sanfte, friedvolle Art. Nicht zum ersten Mal wurde Naruto dieses bewusst, als er bei Sonnenaufgang mit einer Tasse Tee vor seinem Haus saß und dabei zusah, wie der Himmel sich zuerst in verschiedene Rottöne färbte, ehe sie langsam verblassten und das strahlende Blau mehr und mehr durchsickerte. Aber ganz gleich wie friedvoll dieser Ausblick auch war, in ihm drinnen herrschte ein wahrer Sturm an Emotionen und eine ganze Ladung an Unsicherheiten.

 

Als er die Nachricht bekommen hatte, dass Keiko im Krankenhaus lag, war er vor Sorge nahezu verrückt geworden. Egal wie oft er auch versucht hatte irgendwie zur Ruhe zu finden, die Gedanken, dass etwas wirklich schlimmes geschehen war, hatte er nicht abstellen können. Schon vor Monaten, als die kleine Familie zu Besuch gewesen war, hatte er begriffen wie viel diese ihm bedeutete. Es war nicht mehr nur Sasuke, der in jungen Teenagerjahren sein Herz gestohlen hatte. Keiko hatte sich ihren eigenen Teil gesichert, genauso wie Taiki und egal was Naruto auch versuchen würde, ihm war klar, dass er alle drei nicht mehr loslassen konnte. In Irland zurück zu bleiben war am Anfang entsprechend schwer gewesen.

 

Noch schwerer, als die Situation mit Taiki sich so zugespitzt hatte.

 

Das etwas nicht stimmte hatte er schon lange geahnt, nur was genau es war hatte er nicht herausfinden können. Bevor der Junge sich so komplett verschlossen hatte, hatte Naruto einige Male gefragt ob alles in Ordnung sei, ob es Dinge gab die er loswerden wollte, doch mehr und mehr war er auf Mauern gestoßen, deren Ursache er bis zum heutigen Tag nicht wirklich hatte ergründen können.

 

Naruto hatte gelernt was es bedeutete sich um seine eigenen Kinder Sorgen zu machen. Es war ein Gefühl welches einem wahnsinnige Angst einjagen konnte und wo der logische Menschenverstand keinerlei Bedeutung mehr zu haben schien. Dabei waren diese beiden nicht einmal seine eigenen Kinder, auch wenn es nichts daran änderte wie er für sie empfand. Irgendwann während ihres Urlaubs in Irland hatte sich die Grenze zwischen den Kindern seines besten Freundes und den Kindern die er zumindest auf der gefühlten Ebene adoptiert hatte einfach aufgelöst. Er liebte beide, er sorgte sich um beide, sein Wunsch die beiden glücklich zu sehen war erhaben über allen anderen Dingen die ihn bewegten.

 

Nicht dass dieses bedeutete, dass er nicht nervös war. Ganz im Gegenteil. In den letzten zwei Wochen hatte er derart oft mit Sasuke telefoniert, dass er dessen Stimme jederzeit in seinem Kopf aufrufen konnte. Ihm war nicht entgangen, wie erschöpft sein Freund klang, wie besorgt und wie ratlos. Er musste es nicht sehen, er fühlte es einfach, schon weil er Sasuke lange genug kannte um behaupten zu können, dass er wirklich der einzige Mensch auf diesem Planeten war, der Sasuke genauso gut kannte wie dieser sich selbst. Der Gedanke, dass in wenigen Stunden dieser herkommen würde um seinen Sohn bei ihm zu lassen bereitete ihm dabei nicht nur ein freudiges Kribbeln im Magen.

 

Naruto fürchtete sich ein wenig vor den kommenden Tagen, vielleicht sogar Wochen. Es war eben etwas vollkommen anderes Taiki bei sich zu haben wenn die restliche Familie ebenfalls dabei war, oder mit dem Jungen alleine zu leben. Er mochte sein, dass er ein Händchen für Kinder hatte, es ließ sich nicht abstreiten, dass er eine besondere Art an sich hatte andere zu sich zu ziehen, Naruto wusste aber absolut nicht wie er damit umgehen sollte, wenn Taiki weiter vorzog zu schweigen, oder wenn er irgendwann so starkes Heimweh bekam, dass er sich nicht beruhigen ließ. Entgegen zu Sasuke fehlten ihm schlicht sechs Jahre in denen er in diese Situation hätte herein wachsen können. Es fühlte sich einfach so an, als wenn er plötzlich ein Kind vor die Nase gesetzt bekam, welches sich zu einem gewissen Teil bereits entwickelt hatte und für welches er nun die Elternrolle übernehmen sollte. Auch wenn es nicht so weit ging, was ihm ja durchaus bewusst war, ließ sich nicht abschütteln, dass Naruto nicht so recht wusste ob er wirklich bereit dazu war so viel Verantwortung zu übernehmen.

 

Kopfschüttelnd pfiff er nach den beiden Rüden, die ein wenig abseits von dem Haus miteinander herum tollten, bevor er in das Haus zurück schlüpfte und die Tür schloss, nachdem Rasengan und Chidori ebenfalls hereingekommen waren. Was Naruto auch sorgte war, wie er sein eigenes Leben mit dem vereinen sollte, was Taiki brauchen würde. Es ließ sich nicht leugnen, dass er seit die Familie bei ihm gewesen war nicht wirklich weitergeschrieben hatte. Wenige Szenen die irgendwann an späterer Stelle eingefügt werden konnten, hier und da hatte er bereits fertige Stellen noch einmal überarbeitet aber irgendwie war die Luft raus, seit er wieder alleine war. Es lag nicht daran dass er nicht weiter wusste, nicht das ihm die Worte fehlten, viel mehr erschien es ihm, als wenn der Teil der damals am Flughafen mit Sasuke mitgegangen war, der Teil war, der ihm seine Leidenschaft für das Schreiben gegeben hatte. Es fiel ihm schwer sich weiter zu konzentrieren, auch nur den Hintern hoch zu bekommen um wirklich zu schreiben was in seinem Kopf bereits als fertiges Buch existierte.

 

Ein weiterer Punkt war sein Lebenswandel für sich. Naruto war ein sehr spontaner Mensch. Es konnte sein, dass er urplötzlich alles zusammen packte um spontan zu einer Ruine zu fahren einfach weil er in genau diesem Moment das Verlangen danach hatte genau das zu tun. Taiki hingegen war ein Kind, welches Routine brauchte, welches in unbekannten Situationen gestresst wurde. Es war ausgeschlossen, dass er den Jungen anwies sich anzuziehen, damit sie los konnten um irgendwo Ruinen anzusehen, einmal davon abgesehen, dass viele viel zu gefährlich für ein Kind waren. Er brauchte nicht einmal das Wissen, dass Sasuke ihm den Kopf abreißen würde wenn seinem Sohn etwas geschah, um sich sicher zu sein, dass es nie zu so etwas kommen würde. Seine eigenen Empfindungen in diesem Bereich reichten vollkommen aus um sich klar zu sein, dass er diesen Teil von sich selbst unter keinen Umständen nachgehen wollte, solange Taiki da war. Er selbst würde sich selbst nicht weniger Vorwürfe machen, wenn dem Jungen etwas geschah.

 

In der Küche angekommen stellte er die Tasse weg, fütterte die Hunde bevor er weiter in das oberste Stockwerk ging und direkt das letzte Zimmer auf der linken Seite ansteuerte. Seit Keiko und Taiki hier zusammen gewohnt hatten, hatte das Zimmer sich sehr verändert. Er hatte Zeit gebraucht um bereit zu sein alles wieder herzurichten. Noch mehr Zeit um sich klar zu werden, dass er das Zimmer so wie es war nicht behalten wollte. Die eher schweren, sehr dunklen Möbel waren gewichen, die bräunliche Tapete war sauber abgekratzt worden, die Decke hatte eine neue Vertäflung bekommen nachdem die Wände eine frische, leicht gelbliche neue Tapete erhalten hatte. Auch das Parkett war geschliffen worden.

 

Anstatt des schweren Doppelbettes fand man nun zwei kleine Betten, die man im Notfall miteinander verbinden konnte. Um den Charme des Hauses nicht zu zerstören hatte er sich dennoch für handgefertigte Vollholzmöbel entschieden, Kiefer welches nicht so sehr drückte. Ein heller, großer Schrank, zwei Nachtschränke und Regale in denen sich mittlerweile einige Bücher und Spielzeuge tummelten rundeten das Bild ab.

 

Naruto war sich bewusst, dass Sasuke diese Veränderung hinterfragen würde, auf der anderen Seite konnte Naruto durchaus zugeben, dass er dabei die Zwillinge im Kopf gehabt hatte. Es war schließlich nicht so, dass er viel Besuch bekam. Ganz im Gegenteil, Besuch der bei ihm blieb bestand bisher nur aus den Uchihas und selbst wenn je jemand anderes zu ihm kommen sollte, war der Raum nicht so gestaltet, dass man ihn nicht mehr nutzen konnte. Dazu kam, dass auch Sasukes Zimmer und Narutos neu gemacht worden waren. Nachdem Sasuke abgereist war und nachdem Naruto verstanden hatte, dass es schreibtechnisch derzeit eher mies lief, hatte er viel zu viel Zeit gehabt. Außerdem, seit er hier lebte hatte er sich nicht die Mühe gemacht groß etwas zu verändern. Vieles war modernisiert worden, vieles saniert und renoviert aber ein Großteil der Möbel hatte er mit dem Kauf des Hauses dazu bekommen und lediglich Dinge wie die Matratzen neu beschafft – denn die wollte er gewiss nicht von anderen übernehmen.

 

Die drei Schlafräume waren nun mehr oder minder gleich gestaltet. Die alten, dunklen Möbel waren gewichen, ebenso die eher altmodischen Tapeten. Holz war aufgearbeitet oder erneuert worden und neue Möbel aus Kiefer hatten ihren Platz gefunden. Es wirkte alles etwas lockerer und Naruto plante auch im restlichen Haus diese Dinge anzupassen. Es war schlicht Zeit für eine Änderung geworden und mit der Freizeit die er derzeit hatte, war es einfach der ideale Zeitpunkt gewesen.

 

Diese Gedanken von sich schiebend durchschritt er den großen Raum den Taiki nun bewohnen würde und öffnete die Fenster um die frische Morgenluft hereinzulassen. Das Wetter war derzeit herrlich, ideal um sehr viel Zeit draußen zu verbringen und was Naruto sehr genoss war die Tatsache, dass das Wetter stets milde war. Selbst wenn es einmal heißer wurde, war es nicht mit dem zu vergleichen, was er aus Japan kannte. Irland war eben ganz anders und auch wenn es Momente gab, wo er liebend gerne seine Zelte abbrechen und zurückreisen würde, so konnte er sich nicht mehr vorstellen, dieser Insel wirklich den Rücken zu kehren.

 

Alles was ihm nun noch blieb, war abzuwarten. Die Betten waren frisch gemacht, die Einkäufe waren erledigt und dieses Mal würde Sasuke sich einen Mietwagen nehmen um herzukommen wenn er mit Taiki gelandet war. Keiko würde nicht mitkommen, soweit Naruto wusste lebte diese bereits ein Weilchen bei Itachi, mit dem Naruto ebenfalls von Zeit zu Zeit telefonierte. Der Hintergrund, dass Sasuke dieses Mal nicht abgeholt werden wollte lag aber darin begründet, dass Sasuke Taiki nicht in die Situation bringen wollte ihn zum Flughafen zurückbringen zu müssen. Auch wenn Naruto zuerst durchaus etwas anderes angenommen und ziemlich aufbrausend reagiert hatte. Sasuke hatte schließlich oft genug klar gemacht, was er von seinem Wagen hielt. Seltsamerweise hatte dieser aber mit keinem Wort seine Bedenken geäußert, klar war eben auch, dass Taiki dort viele Male mitfahren würde, wenn er bei ihm blieb. So ganz fassen konnte Naruto das auch noch nicht, ein Teil war auch unsicher weil ihm bewusst war, dass er letzten Endes wohl nur erneut sich selbst quälen würde. Andererseits war er nicht in der Lage dazu, Taiki abzuweisen.

 

Als er den Anruf von Taiki bekommen hatte, war es bei ihm selbst Nachmittag gewesen, während in Japan wohl tiefste Nacht gewesen sein musste. Im ersten Moment hatte Naruto geglaubt, dass etwas passiert war, einerseits wegen der Stunde an der Taiki ihn kontaktiert hatte, andererseits weil es zuvor nie vorgekommen war, dass Taiki alleine angerufen hatte. Sonst war Sasuke immer dabei gewesen und sei es nur, um die Verbindung aufzubauen. Soweit Naruto wusste, hielt Sasuke auch nicht sehr viel davon, dass seine Kinder bereits jetzt viel Zeit mit dem Computer verbrachten. Sie lernten den Umgang, durften aber nicht regelmäßig dort dran und sicherlich auch nicht über lange Zeitspannen ihn nutzen.

 

Was er tun sollte, hatte er aber auch nicht gewusst, als Taiki nichts weiter getan hatte als zu weinen. Es war nur noch schlimmer geworden, als die Kamera Sasuke eingefangen hatte, welcher dazu gekommen war. Wenn er ehrlich war, hatte er sich ziemlich erschrocken. Sasuke hatte übermüdet ausgesehen, die dunklen Schatten unter seinen Augen waren schlimmer gewesen wie zuvor – falls dieses nicht durch das fehlende Licht falsch dargestellt worden war. Aber vor allem hatte er Sasuke nie zuvor derart von Zweifeln zerfressen gesehen, voller Unsicherheiten was er tun sollte. Nicht, dass er diesem das verübeln konnte. Man sagte über ihn, dass er gut mit Menschen auskam, das er ihre Gefühle verstand und ein Talent hatte mit wenig Worten alles irgendwie besser sehen zu können. Aber in den letzten Wochen hatte auch Naruto nicht wirklich eine Ahnung gehabt was er tun konnte. Wie er an Taiki herankommen sollte, was er sagen oder machen konnte um dem Jungen irgendwie beizustehen. Niemand verstand was los war und genau das war das Problem.

 

Aber nicht nur bei Taiki war es ein Problem. Wenn er mit Keiko telefonierte spürte er ihren Stress, ihre Unsicherheit und das war wohl auch verständlich. Es war nun beinahe ein Jahr her, dass Hikari gestorben war, fast ein Jahr, dass diese Familie einen wichtigen Teil aus ihrer Mitte verloren hatte und diese Situation war so dermaßen nahe an der damaligen, dass es nahezu beängstigend war. Hierbei war niemand krank, niemand lief Gefahr bald zu sterben, dennoch brach diese Familie auseinander und es tat Naruto in der Seele weh dazu verdammt zu sein zu zusehen. Weit weg zu sein, ratlos was helfen konnte. Alle litten darunter. Taiki offensichtlich unter dem was er empfand, auch wenn Naruto nicht so recht wusste ob der Junge selbst eine Ahnung hatte was genau los war. Keiko die von ihrem Bruder und ihrem Vater getrennt war und plötzlich mit viel Gewalt konfrontiert wurde, Sasuke der nie sonderlich gut dabei gewesen war Situationen zu händeln die ihn emotional forderten. Und das tat diese Situation. Selbst Itachi war angespannter wie sonst. Sie alle litten und sie alle waren dazu verdammt mit dem Strom zu schwimmen ohne die Abzweigung erreichen zu können, die die positive Änderung mit sich brachte. Sie lag schlicht verborgen, unerreichbar solange niemand verstand was in dem kleinen Jungen vor ging, der Auslöser für all diese Emotionen war.

 

Mit einem letzten, tiefen Atemzug verließ Naruto das Zimmer wieder und zog die Tür hinter sich zu. Er mochte derzeit seine Schwierigkeiten haben zu schreiben, aber in diesem Augenblick war es wohl eine recht gute Idee sich einfach hinzusetzen, einfach los zu tippen ohne wirklich sich darauf zu konzentrieren im Plot voran zu kommen. Einfach ansetzen, den Kopf ausstellen und es fließen lassen.

 
 

* *** *

 

Seufzend legte Namaki das gesammelte Holz neben das Zelt, bevor er den Kopf hob und seinen Blick schweifen ließ. Egal wohin man auch schaute, Bäume waren das Einzige was er erblicken konnte. Mit einem weiteren Seufzen ging er auf das Zelt zu um den Reißverschluss nach oben zu ziehen und auf allen Vieren hinein zu krabbeln.

 

Aus der anfänglichen Zeitspanne waren mittlerweile fast vier Monate geworden. Jede Woche hatte man den Zeitpunkt für ihre Rückkehr nach hinten verschoben. Am Anfang – das konnte er nicht abstreiten – war es ihm nur Recht gewesen. Das Camp welches sie im Auge behalten sollten schien derzeit ebenfalls eher auf Sparflamme zu laufen. Nur sehr wenig Menschen hielten sich dort auf, ebenso wie Drachen die auch weiterhin munter gezüchtet wurden. Das Problem dabei war nur, dass sie es nicht nachweisen konnten.

 

Es war nun nicht so, dass sie in den vergangenen Monaten nicht oft genug beobachtet hätten, dass Drachen sich paarten. Ganz im Gegenteil. Die Paarung war nicht das Problem, das eigentliche Problem lag darin, dass neuerdings keine Eier mehr zu finden waren. Weder die alten, noch neuere.

 

Die Vermutung lag nahe, dass man dazu übergegangen war nicht mehr auf das Schlüpfen der Brut zu warten, sondern die Eier möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Was nicht unbedingt ein gutes Zeichen war. Wenn es so weiter ging, würden sie vermutlich noch Monate hier verbringen, bis sie endlich mitbekamen wie sie es anstellten und damit die offiziellen Behörden darauf ansetzen konnten. Bis dahin hieß es abzuwarten.

 

Namaki hatte sich mittlerweile an dieses Leben gewöhnt. Er wusste nicht einmal mehr wirklich wie es sich anfühlte in einem weichen, warmen Bett zu schlafen. Ganz im Gegenteil zu Saiha wie es schien. Die Frau wurde von Tag zu Tag launischer, wobei Namaki ein Gefühl hatte, dass es nicht daran lag wo sie derzeit lebten. Ein weiteres Problem war eben, dass hier ihre Möglichkeiten begrenzt waren. Die Hygiene litt, was nicht hieß, dass sie stanken. Aber sich täglich am Fluss zu waschen war nicht unbedingt etwas, was jeder über Monate gerne tat, vor allem wenn das Wasser am Morgen mittlerweile alles andere als angenehm war. Die Nächte wurden langsam kälter und das spürten sie beide.

 

Ein weiteres Problem war die Versorgung mit Nahrung. Essen aus Dosen, welches sie nur noch erwärmen mussten hatte nicht unbedingt den Geschmack, auf den man sich den halben Tag freute. Namaki verstand das, ihm hingen die Eintöpfe ebenso zum Halse raus und er würde vermutlich so einiges tun um endlich wieder ein schönes saftiges Stück Fleisch zwischen die Zähne zu bekommen.

 

Das letzte Problem waren ihre Drachen – im positiven und im negativem Sinne.

 

Es war nicht mehr zu übersehen, dass die beiden ein Band gesponnen hatten, welches sie zwangsläufig in eine sehr unangenehme Situation bringen würde. Tilarodon warb immer energischer um Jinalatira, die Balz die die Drachen zeigten war einfach nicht mehr zu leugnen. Manchmal verschwanden die beiden für den ganzen Tag und egal wie intensiv sie suchten, sie konnten die beiden einfach nicht finden. Was der negative Aspekt war.

 

Er stimmte Saiha zu, dass es nicht an ihnen sein sollte zu entscheiden welcher Drache mit wem sich paarte, aber es ließ sich eben nicht auslöschen, dass es diese Gesetze gab. Sie waren ja auch nicht schlecht, denn wenn die wirklichen Schwergewichte sich einfach wild fortpflanzten würden sie früher oder später ein Problem haben. Hierbei ging es um das Überleben der menschlichen Rasse, so viel war Namaki bewusst. Die beiden gehörten allerdings nicht zu den Schwergewichten und demnach sollte es eigentlich egal sein. Es war ja auch nicht so, dass sie nicht intelligent waren. Sie verstanden ihre Gesetzte durchaus und Namaki war sich sicher, dass wenn man ihnen einen Nachkommen erlaubte, dass sie nicht beginnen würden sich weiter Fortzupflanzen. Nur leider schien die Regierung da anderer Meinung zu sein. Die Gesetzte waren unbeugsam und jeder der dagegen verstieß hatte hohe Strafen zu erwarten.

 

Der positive Aspekt ihres derzeitigen Lebens war aber klar, dass ihre Drachen sich prächtig entwickelt hatten. Tilarodon war sehr kräftig geworden und blühte regelrecht auf. Er war temperamentvoll und ihn bei der Jagd zu sehen war ein Erlebnis was einen noch Tage später in Ehrfurcht versetzte. Jinalatira war da nicht anders. Hier konnten die beiden ihrer Natur nachgehen und das war nichts was man als negativ einstufen konnte. Namaki versetzte es eher in Erstaunen, dass die beiden die Bindung zu ihnen noch immer so aufrecht erhielten. Hier könnten sie einfach weg fliegen ohne sich noch einmal nach ihnen umzuschauen, aber sie taten es nicht. Sie kamen stets zurück und suchten in diesen Momenten auch sehr energisch ihre Nähe.

 

Nur an diesem Tag war es irgendwie anders.

 

Die beiden waren irgendwann in der Nacht verschwunden, was nie zuvor vorgekommen war. Bisher hatten sie noch immer Bescheid gegeben, dass sie sich auf die Jagd machten ehe sie verschwunden waren. Am Morgen aufzuwachen und die beiden nicht zu finden war nicht unbedingt etwas, was Namaki mit Entspannung erfüllte. Eher das Gegenteil war der Fall. Es gab zu viele Möglichkeiten was der Grund sein konnte, der schlimmste davon war eindeutig, dass sie nicht vorsichtig genug gewesen waren und jemand aus dem Camp die beiden entdeckt und eingefangen hatte. Sie hatten das natürlich überprüft, nur leider – oder zum Glück – waren sie nicht fündig geworden.

 

Die Frage blieb allerdings bestehen, was sonst geschehen sein konnte, dass die beiden mitten in der Nacht einfach verschwunden waren. Wo waren sie? Namaki wusste es nicht und ein Mix aus Empfindungen, dass er sich umsonst sorgte und dass die Sorge berechtigt war, ließ ihn unruhig zurück. Er mochte es gar nicht machtlos zu sein. Er konnte nur hoffen, dass Saiha ein wenig mehr Glück bei der Suche hatte wie er es gehabt hatte.

 
 

* *** *

 

Wie lange Naruto vor seinem Laptop gesessen hatte, wurde ihm erst bewusst, als es an der Haustür klingelte. Noch bevor er sich ganz aufgerichtet hatte, hörte er bereits wie unten die Tür aufgestoßen wurde. „Naruto?“

 

Sasuke war da! Sasuke und damit auch Taiki. Fast schon hektisch klickte er auf Speichern, während sein Körper schon halb in der Bewegung war um sein Arbeitszimmer zu verlassen. Seine Hand glitt von der Maus und mit eiligen Schritten lief er aus dem Zimmer und zu der Treppe die ihn nach unten führen würde. „Ich bin oben!“, rief er hinab, wo ein riesiger Tumult ihn erahnen ließ, wie Chidori und Rasengan gerade ihre Freude über den Besuch zeigten. Oder eher Rasengan, Chidori war von den beiden Brüdern noch immer derjenige der am ruhigsten war, daran hatte sich auch nichts geändert während Naruto die beiden unter der Aufsicht erfahrener Trainer erzogen hatte. Wirklich geändert hatte sich nichts, die beiden konnten besser hören – wenn sie es wollten – aber Rasengans Temperament war nicht zu bremsen und auch wenn es ein wenig besser geworden war, bestand das eigentliche Problem noch immer.

 

Als er hinab kam, sah er wie Sasuke Rasengan am Halsband packte und mit einem scharfen Befehl den Rüden dazu brachte endlich damit aufzuhören an ihnen hinauf zu springen. Was auch besser so war. Die beiden Rüden waren mittlerweile ausgewachsen und beide überragten einen erwachsenen Mann wenn sie sich auf die Hinterbeine stellten. Dazu kam ein Gewicht, welches man nicht so einfach wieder von sich schob. Trotz allem kribbelte es tief in seinem Magen, als er miterleben durfte, wie Sasuke noch immer den temperamentvollen Rüden unter Kontrolle hatte. Daran änderte sich auch in den Sekunden nichts, als Sasuke ihm einen wenig amüsierten Blick zuwarf – auch wenn das positive Gefühl etwas schwand, als er aufnahm, wie Sasuke aussah.

 

Ausgelaugt, die Stirn in tiefe Falten gelegt mit tiefen, dunklen Ringen unter den Augen, die einen sehr genauen Ausblick darauf gaben, wie lange Sasuke nicht mehr geschlafen hatte. Viel zu lange für Narutos Geschmack. Als sein Blick auf Taiki fiel, verschwand das gute Gefühl vollkommen. Der Junge klammerte sich an einen Rucksack den er festhielt, hatte den Blick auf den Boden gerichtet und reagierte nicht einmal auf Chidori, der mit einem leisen Winseln seine Nase gegen den Jungen stupste um irgendwie dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Lächeln verrutschte deutlich und verschwand komplett, als er die unterste Stufe erreichte und der kleinen Familie gegenüberstand. Es war wohl wirklich besser gewesen Keiko in Japan zu lassen, auch wenn Naruto das am Anfang nicht verstanden hatte. Die Argumentation, dass die Ferien noch nicht begonnen hatten und dass es reichte, wenn einer der beiden Stoff verpassen würde, hatte Naruto nicht wirklich ernst genommen. Es war nur ein Tag, dieser Freitag, denn am Sonntag Morgen würde Sasuke bereits wieder abreisen. Aber jetzt verstand er es eindeutig besser.

 

Mit einem kurzen Blick auf Sasuke trat er zu den beiden und blieb direkt vor Taiki stehen um endlich die Hand auszustrecken und dem Jungen durch das Haar zu fahren, wie er es viele Male zuvor schon hatte tun wollen. „Was hältst du davon, wenn du deinen Rucksack in das Zimmer bringst, das du letztes Mal auch benutzt hast?“, schlug er dem Jungen vor. „Dein Vater und ich kommen gleich nach und bringen den Rest!“ Als Taiki nickte und sich ihm entzog, zog Narutos Magen sich zusammen. Nicht ganz glücklich blickte er dem Jungen nach, der seinen Weg nach oben bahnte. Aus Instinkt heraus ließ Naruto die Hand in Chidoris drahtiges Fell wandern, bevor er den Hund wieder frei gab und ganz wie er es erwartet hatte, trottete dieser Taiki nach, während Sasuke Rasengan noch immer am Halsband fest hielt.

 

Als Naruto Sasuke wieder anschaute, musterte er diesen einen Moment. Er hatte keine wirkliche Ahnung was er sagen sollte, deswegen setzte er sich in Bewegung und steuerte den Wagen an, der das Gepäck des Jungen noch im Kofferraum hatte. Wortlos holte er die beiden großen Koffer heraus, von denen Sasuke einen an sich nahm und den anderen griff Naruto um ihn gemeinsam nach oben zu bringen. „Nach eurem Besuch war ich nicht mehr ganz glücklich mit diesem Haus!“, erzählte Naruto schließlich, während sie die Treppen erklommen. „Ich mag den Charme aber irgendwie wirkte alles erdrückend und dunkel... ich hab die Zimmer angepasst!“ Es war ein kleiner Versuch ein wenig zu dämpfen, was auf ihn zukam. Und wie er richtig erwartet hatte, wanderten Sasukes Augenbrauen klar nach oben, als er den nun deutlich helleren Raum betrat. Der Uchiha ließ den Blick durch den Raum wandern, sagte aber nichts, während er den Koffer abstellte und ihn öffnete. Taiki saß währenddessen auf einem der Betten und reagierte noch immer nicht auf einen von ihnen.

 

„Pack deine Sachen aus, Taiki.“, forderte Sasuke seinen Sohn auf, ehe er Naruto zu nickte ihm zu folgen. Dieser warf einen letzten Blick auf den Jungen, der verloren auf dem Bett saß und sich nicht rührte. Anstatt zu protestieren folgte Naruto seinem besten Freund. „War das notwendig?“, fragte er schließlich nach, als sie Sasukes Zimmer erreichten und dieser seine kleine Tasche auf dem Bett abgestellt hatte. „War es!“, erwiderte Sasuke und blickte Naruto offen an. „Ich habe ihm bereits auf dem Flug erklärt, dass er auspacken soll was er kann, damit wir beide reden können.“ Naruto starrte Sasuke weiter an, nicht sicher was er von dieser Situation halten sollte. Sicherlich, es gab einiges zu klären, auch wenn sie vieles in den vergangenen Tagen durch Telefonate bereits abgesprochen hatten. Wenn er Sasuke allerdings so ansah, bekam er das Gefühl, dass dieser dazu übergegangen war seinen eigenen Sohn zu meiden und ihm zu befehlen seine Taschen auszupacken war da vermutlich eine ganz gute Strategie.

 

Die Zähne zusammen beißend folgte er dem Uchiha dennoch nach unten in die Küche, wo sie Hand in Hand arbeiteten um eine Kleinigkeit vorzubereiten. Der Flug war lang gewesen und es war abzusehen, dass beide recht früh schlafen gehen würden um sich von dieser Anstrengung zu erholen. „Ich werde morgen früh bereits zurückfliegen!“, durchbrach Sasukes leise Stimme die Stille schließlich. Naruto erstarrte in seiner Bewegung, ehe sein Kopf zu dem Uchiha herum ruckte, um ihn aus großen, verständnislosen Augen anzublicken. „Was?“, fragte er nach, kaum das die Worte ein wenig gesackt waren. Er musste sich verhört haben, Sasuke konnte nicht wirklich im Sinn haben seinen Sohn hier regelrecht abzuliefern und sich dann wieder zu verabschieden. Egal wie schwer die Situation auch war, Naruto konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Sasuke den er kannte sich so verhielt. „Du hast mich schon verstanden!“, entgegnete dieser zischend und irgendetwas in Naruto schnappte. Sein Verlangen Sasuke nach all dieser Zeit den Kopf zurecht zu rücken war so gewaltig, dass er nur mit Mühe sich zurückhalten konnte. Es war gewiss nicht förderlich für die kommende Zeit, wenn er nun begann rum zu schreien, bis Sasuke endlich zur Vernunft kam. Dann allerdings bemerkte er etwas, was alles ganz anders aussehen ließ.

 

Sasukes Hände zitterten deutlich, der ganze Körper war derart unter Spannung, dass Naruto nicht einmal darüber nachdenken musste was der Hintergrund war. Die Antwort war vollkommen verständlich, er hatte genug mit Sasuke in den letzten Wochen telefoniert um sein Innerstes sehr genau zu kennen. Sasuke hatte Angst, war überfordert und mit dieser Erkenntnis schmolz die Wut von zuvor wie ein Eis in der heißen Sommersonne. Naruto seufzte leise. Die beiden waren nicht einmal eine halbe Stunde hier und schon wurde es kompliziert. Dennoch, auch wenn er irgendwo verstehen konnte was in dem jungen Mann neben ihm vor sich ging, sein Gefühl sagte ihm ganz klar, dass Taiki weit mehr unter dieser regelrechten Flucht leiden würde wie Sasuke es derzeit tat. Ohne nachzudenken streckte er die Hand aus, um Sasuke das Messer abzunehmen, mit dem er gerade noch das kalte, bereits gebratene Fleisch geschnitten hatte.

 

„Du bist nicht alleine, Sasuke!“, erklärte er sanft und zog auch das Fleisch zu sich um es weiter zu schneiden. Das Schnauben welches zur Antwort kam musste nicht einmal genauer analysiert werden. Es brauchte keine Übersetzung, jeder in dieser Situation würde vermutlich ganz ähnlich empfinden. „Ich kann das nicht mehr!“, gab Sasuke schließlich leise zu. Auch das verstand Naruto. Er brummte leise. „Diese Situation... ich habe keine Ahnung wie ich damit weiter umgehen soll!“, sprudelte es nun regelrecht aus Sasuke heraus. Das Zittern wurde stärker und Naruto konnte sich nicht dagegen wehren, das Messer auf das Brettchen zurück zu legen und die Hand dann auf Sasukes zu legen. Als ihr Blick sich traf, lächelte er traurig.

 

„Du bist nicht alleine, Sasuke!“, wiederholte er sich. „Wir bekommen das hin und du nutzt den morgigen Tag um etwas runter zu kommen. Nimm dir das nicht selbst weg, sorge nicht dafür, dass du morgen im Flieger sitzt und dir weitere Vorwürfe machst!“ Er konnte spüren, wie das Zittern der Hände abebbte, wie Sasuke ein wenig Sicherheit zurück bekam. Es war erschreckend seinen besten Freund derart nahe der Grenze zu sehen, wo dieser kurz davor war den Kampf mit seinen eigenen Emotionen zu verlieren. Erschreckend und ungewohnt. Sasuke war stets derjenige gewesen, der seine Gefühle am besten unter Kontrolle gehabt hatte, der stets die Meinung vertreten hatte, dass niemand diese etwas angingen. Es war Narutos Ding sie offen zu zeigen, sie lauthals in die Welt zu schreien, Tränen zu vergießen wenn ihn etwas berührte. Im Moment jedoch erschien es ihm, als wenn sie die Rollen getauscht hätten und das war etwas, was ihm kein Stück gefiel.

 

Das leichte Nicken welches zögerlich folgte, nahm Naruto als gutes Zeichen, während er die Hand zurück zog und weiter dafür sorgte, dass sie etwas Essen konnten. Sie würden das hinbekommen, Naruto weigerte sich einfach diese Situation hinzunehmen und aufzugeben.

 

 
 

***

 

Wie er es angenommen hatte, waren Sasuke und Taiki übermüdet. Es fing bereits damit an, dass der Junge auf ihre Rufe nicht reagierte und als sie beide nachsahen gingen, fanden sie die Koffer ungeöffnet vor, während Taiki seitlich auf das Bett gekippt war und selig schlief. Sasuke begann damit leise die wichtigsten Dinge raus zu suchen, ehe er die Koffer vorerst in eine Ecke stellte, während Naruto Taiki aus seinen Sachen befreite und zu sah, dass der Junge unter die Decke kam. Wenn er schlief, sah er friedlich aus und Naruto hoffte aus tiefstem Herzen, dass der Junge zumindest in diesen Momenten vollkommen entspannt war und Sorgen schlichtweg ausgeschaltet waren. Zusammen verließen sie leise das Zimmer.

 

Zurück in der Küche packten sie Taikis Portion in den Kühlschrank. Vielleicht erwachte das Kind bald wieder und hatte dann Hunger, wenn nicht, konnte er das Sandwich auch am kommenden Morgen essen oder einen von ihnen würde es einfach zu sich nehmen. Sie ließen sich mit ihrer eigenen Portion im Wohnzimmer nieder, wo sie sich leise unterhielten. Naruto bekam einen wahren Berg an Unterlagen zugeschoben, Aufgaben die Taiki in seiner Zeit in Irland für die Schule erledigen musste. Dieser Umfang ließ Naruto erst deutlich erkennen, wie viel der Junge verpasst haben musste, wenn sich so viel für die wenigen Wochen bis zu den Sommerferien angesammelt hatte. Aber er nahm es einfach hin und versprach, dass er dafür sorgen würde, dass Taiki diese Dinge machte. Sicherlich nicht so streng wie Sasuke und vermutlich nicht so regelmäßig wie der Uchiha gerne hätte – was ihnen wohl auch beiden bewusst war. Dennoch, auch Naruto nahm die Bildung ernst. Schule konnte furchtbar langweilig werden, aber der Sinn war selbst ihm bewusst.

 

Am liebsten hätte Naruto sich anschließend weiter unterhalten, doch auch Sasuke war schlichtweg erschöpft. So erhob der Uchiha sich und Naruto hielt ihn davon ab seinen Teller in die Küche zu bringen. „Leg dich hin, ich mach das schon!“, wiegelte er den halben Protest seines besten Freundes ab. Sasuke gab nach, doch für einen Moment verharrte er in seiner Position, während Naruto zuschauen konnte, wie Unbehagen sich auf Sasukes Gesichtszügen ausbreitete. Er wusste, dass dem Uchiha irgendetwas auf der Seele brannte, doch leider entschloss er sich dazu es herunter zu schlucken und wendete sich ab, ohne noch einen Ton von sich zu geben. Naruto konnte nur mit gerunzelter Stirn hinterher blicken und sich fragen, was Sasuke wohl hatte sagen wollen.

 

Für eine ganze Weile blieb er auf der Couch sitzen, Rasengan und Chidori dicht bei ihm. Dann erhob auch er sich und wusch die beiden Teller ab. Um noch etwas Zeit zu schinden verschwand er mit den beiden Hunden durch den Hintereingang in den ungepflegten Garten, wo beide sofort zu toben begannen.

 

Irgendetwas war anders. Irgendetwas hatte sich einfach zwischen Weihnachten und dem heutigen Tage verändert. Naruto fühlte sich seltsam rastlos, der Drang Dinge zu ändern war so riesig, dass er kaum in der Lage war still zu stehen. Es hatte mit der Renovierung der beiden Räume oben begonnen – wo er ehrlich froh war, dass Sasuke seine Meinung für sich behalten hatte. Er wusste nicht, ob er seine Ausrede so rüber bringen konnte, dass der Uchiha ihm glaubte. Denn tief in sich wusste er sehr wohl, dass die hellen, lockeren Möbel ein Ausdruck dessen war, was er für kurze Zeit gehabt und dann hatte loslassen müssen.

 

Sakura würde vermutlich einen Feldtag haben, wenn sie erfuhr was er getan hatte. Er konnte sich noch so oft einreden, dass es an der Zeit gewesen war – was nicht einmal eine Lüge war – letzten Endes waren die beiden Räume oben zu dem geworden, als was er sie sah. Oder zumindest einer der beiden. Er konnte sich schließlich kaum selbst einreden, dass er glücklich damit war Sasuke einen Ort zu geben der so nahe war und doch so weit entfernt von jenem, wo Naruto den Uchiha wirklich haben wollte. Aber ihm war auch bewusst, dass Sasuke kaum mit Freudensprüngen reagieren würde, wenn er ihm vorschlug einfach mit in sein Bett zu kommen. Einmal davon abgesehen, dass nicht einmal klar war, ob diese Familie bald oder in ferner Zukunft noch einmal gemeinsam bei ihm sein würde. Er hoffte es, ganz gleich wie viel in diesen Tagen auch bei ihm zerstört wurde, wie sehr es schmerzte auf Zeit die Menschen um sich zu haben die er nie wieder gehen lassen wollte, er würde nie ablehnen, wenn sie genauso bei ihm sein wollten.

 

Taikis Raum war Taikis Raum. Das zweite Bett nichts weiter als ein Alibi. Naruto hatte bewusst diesen Raum gewählt, wo der Blick über die weiten Wiesen Irlands glitt, bis der Wald die klare Grenze bildete. Taiki hatte oft in diese Richtung geschaut als er mit seiner Schwester und seinem Vater hier gewesen war. Aber darum ging es nicht. Es ging viel mehr um die Rastlosigkeit die in Naruto herrschte, auch jetzt noch. Sie animierte ihn dazu sein Haus neu zu gestalten und nagte mit dem Wunsch an ihm, auch endlich den verwilderten Garten in Angriff zu nehmen. Wobei er diesen ganz bewusst die ganzen Jahre hinweg unbeachtet gelassen hatte. Er hatte schlicht keine Verwendung dafür.

 

Kopfschüttelnd rief er die beiden Hunde zu sich, als die Sonne langsam begann unterzugehen. Dann mit ihnen im Schlepptau ging er leise nach oben, wo er nach Taiki schaute, der noch immer selig schlief. Sasukes Zimmer betrat er nicht, verständlicherweise. Er würde kaum erklären können was er sich dabei dachte, wenn der Uchiha sein Handeln mitbekam. Lieber zog er sich in sein eigenes Zimmer zurück und versuchte die wilden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, damit er in dieser Nacht wenigstens ein wenig Schlaf bekommen konnte.

 

Er würde die Kraft früh genug brauchen, das ahnte er.

 
 

***

 

Der nächste Morgen begann nahezu genauso wie jener im Dezember. Naruto wurde recht früh wach und tapste verschlafen nach unten um die Hunde hinaus zu lassen und sich um das Frühstück zu kümmern. Es dauerte nicht einmal lange bis er die Schritte auf der Treppe hörte. Dieses Mal nicht von zwei kleinen Füßen die eilig hinab polterten, sondern von einem Paar, das unsicher die Treppen hinab stieg. Naruto wartete geduldig und als Taiki vorsichtig in die Küche lugte, lächelte er dem Jungen entgegen. „Morgen!“, grüßte er das Kind, deutete auf die Stühle und wendete sich dann ab um mit dem Frühstück weiter zu machen. „Setz dich, du hast sicherlich ziemlichen Hunger!“, erklärte er dabei weiter und schnitt dicke Scheiben von dem frischen Brot ab, welches er am Tag zuvor bekommen hatte.

 

Als er damit fertig war brachte er sie zum Tisch, wo bereits allerlei Dinge darauf warteten mit den frischen Brotscheiben kombiniert zu werden. Als er sich erneut abwendete um den Rest zu holen, ließ er die Hand kurz auf Taikis Kopf ruhen. „Du hast Zeit, Taiki. Du bist nicht hier um zu irgendetwas gezwungen zu werden!“, erklärte er leise. Er fühlte wie der Kopf sich weiter senkte, wie Taikis Gesicht hinter den langen, schwarzen Strähnen verschwand und dennoch wusste er, dass es das Richtige gewesen war diese Tatsache klar zu stellen. Der Junge war nicht bei ihm um zum Reden gezwungen zu werden. Er sollte zur Ruhe kommen, alles weitere würden sie sehen wenn es soweit war.

 

Mit einem deutlichen Bedauern zog er die Hand weg um zurück zur Arbeitsfläche zu gehen, wo bereits das Glas mit Milch wartete weiter verarbeitet zu werden. Zwei Teelöffel Kakao landeten darin, genauso wie ein dritter und ein vierter, auch wenn Sasuke alles andere als begeistert davon wäre. Allerdings würde dieser sich fügen müssen. Das hier war Narutos Haus, hier galten seine Regeln und wenn er dem Jungen für die Zeit wo dieser hier lebte einen etwas schokoladigeren Kakao zum Frühstück erlaubte musste Sasuke notgedrungen die Zähne zusammen beißen. Sasuke wusste wie er war, zu befolgen was man ihm befahl war auch schon im Dezember nicht seine große Stärke gewesen.

 

Das Glas stellte er schließlich – nachdem er umgerührt hatte – ebenfalls vor Taiki um sich dann mit seinem Tee bewaffnet ebenfalls zu setzen. „Nach dem Frühstück sind deine Aufgaben für heute dran, aber erst einmal kümmern wir uns um deinen Hunger!“, erklärte er entspannt und langte selbst zu. Taiki zögerte deutlich, doch letzten Endes langte auch er zu, als das deutliche Magengrummeln die Küche erfüllte.

 

In der dann folgenden halben Stunde aßen die beiden in Ruhe, während die beiden Hunde draußen tobten und Sasuke vermutlich noch im Land der Träume verweilte. Naruto gönnte es ihm, Sasuke hatte furchtbar ausgesehen, schlimmer noch wie bei seinem ersten Besuch hier bei ihm. Er verstand es aber auch. Naruto konnte schließlich nicht leugnen, dass er selbst nicht unbedingt die besten Nächte seines Lebens erlebt hatte, seit diese Sache so aus dem Ruder gelaufen war. Er mochte nicht Taikis Vater sein, aber er liebte dieses Kind und die Sorge hatte ihn schier wahnsinnig gemacht. Wie es da in Sasuke aussehen musste, der vermutlich seinen Sohn nicht weniger liebte, dafür aber weitaus größere Probleme hatte mit den daraus resultierenden Gefühlen umzugehen, konnte Naruto sich vorstellen ohne hautnah dabei zu sein.

 

Taiki langte ordentlich zu, drei ganze Scheiben verschlang er regelrecht, als wenn er seit Tagen keine anständige Mahlzeit mehr bekommen hätte – was vermutlich sogar stimmte, auch wenn es weniger daran gelegen hatte, dass er nichts bekommen hatte, als viel mehr daran, dass der Junge sich derart zurückgezogen hatte, dass er sich schlicht geweigert hatte anständig zu essen. Was nicht einmal erst die letzten Tage ein Problem gewesen war. Naruto konnte es bei dem schlanken, kindlichen Körper nicht so recht einstufen, sein Gefühl sagte ihm aber klar, dass das Gesicht des Jungen ein wenig schmaler geworden war. Die alten, kindlichen Pausbacken schienen verschwunden zu sein, auch wenn es schwer war dieses richtig einzustufen, wenn der Junge einen nur bedingt direkt anschaute.

 

Als Taiki fertig war, rutschte er von dem Stuhl nur um dann sein benutztes Geschirr zusammen zu sammeln und zur Spüle zu bringen. Naruto ließ ihn, schaute zu wie der Junge schließlich die Treppen ansteuerte und nach oben verschwand. Vermutlich um den Schlafanzug los zu werden. Naruto hingegen lehnte sich zurück, nippte an der Tasse und wartete einfach auf die Rückkehr des Kindes.

 
 

***

 

Sasuke kam herunter als Taiki am Küchentisch saß und fein säuberlich die Schriftzeichen in sein Heft schrieb, die er lernen sollte. Naruto saß daneben, verfolgte die doch recht unsicheren Versuche des Kindes mit Unbehagen. Es war offensichtlich, dass Taiki die schulischen Dinge ziemlich hatte schleifen lassen. Wenn man sah wie alt er war und wie lange er bereits zur Schule ging, sollte er diese ersten Dinge eigentlich bereits beherrschen. Die Schulen in Japan waren anspruchsvoll, häufig sogar viel anspruchsvoller wie in anderen Ländern, da faul zu sein war entsprechend nicht angebracht. Auch wenn man in diesem Fall nicht wirklich von Faulheit reden konnten.

 

Als Sasuke die Küche betrat schaute Naruto auf und hätte fast gelacht, als er den erstaunten und gleichzeitig deutlich zufriedenen Gesichtsausdruck seines besten Freundes sah. Verübeln konnte man es ihm wohl nicht. Naruto war nun ganz gewiss niemand gewesen, den man als Musterschüler hätte bezeichnen können. Aber ganz ungeachtet seiner eigenen schulischen Leistungen war ihm bewusst, dass dieses ein durchaus wichtiger Teil im Leben eines heranwachsenden Kindes war, wenn es im späteren Leben Erfolg haben wollte. Noch war Taiki derlei vermutlich herzlich egal, noch konnte er sicherlich nicht einmal sagen in welche Richtung es ihn ziehen würde, die Grundsteine um seine späteren, beruflichen Wünsche zu erfüllen wurde dennoch in diesem Alter gelegt. Auch wenn man als Kind kaum einen Gedanken daran verschwendete und es oft eher als nervig empfand, dass die Erwachsenen der Schule eine derart wichtige Bedeutung gaben, wo Spielen und Spaß haben weitaus angenehmere Dinge waren. Zumindest wenn im Leben alles in Ordnung war, was bei Taiki derzeit aber ebenfalls nicht gegeben war.

 

„Brot ist im Schrank links oben!“, sprach Naruto den Uchiha an, bevor er seinen Blick wieder auf den Jungen lenkte, der auch weiterhin versuchte anständig zu schreiben. Sasuke brummte leise, hantierte eine Weil herum, ehe er sich zu ihnen setzte. Naruto konnte sehen, wie der Mann einen neugierigen Blick auf das warf, was sein Sohn machte. Er sah aber auch, wie Taiki deutlich zu zögern begann und vor allem sich auf seinem Stuhl versteifte. Er fragte sich, was die Ursache war. Was Naruto störte war allerdings etwas ganz anderes.

 

Für einen Moment schwieg er noch, bevor er irritiert zu Sasuke schaute. Doch dieser war so auf die Aufgaben seines Sohnes konzentriert, dass er den Blick nicht einmal zu bemerken schien. „Taiki, was hältst du davon eine Pause zu machen? Du könntest mit Rasengan und Chidori für eine halbe Stunde raus gehen... lauf aber nicht zu weit weg!“, schlug er vor. Das zog eindeutig Sasukes Aufmerksamkeit auf sich, noch mehr als die Tatsache, dass sein Sohn den Stift sofort fallen ließ und eilig von dem Stuhl rutschte. Naruto konnte Sasuke ansehen, das er protestieren wollte, etwas was er selbst nicht zulassen konnte. Nicht jetzt, nicht wenn diese ganze Situation eh bereits so angespannt war.

 

Als Sasuke den Mund öffnete, funkelte Naruto seinen besten Freund an und aus Mangel an Alternativen schwang er sein Bein gezielt nach vorne und trat Sasuke unter dem Tisch mit aller Kraft gegen das Schienbein. Der Laut der Sasukes Kehle entrann war von Taiki vermutlich nicht mehr zu hören. Das Klicken der Haustür machte mehr als deutlich, dass das Kind fast schon fluchtartig das Haus verlassen hatte. „Was zum Teufel?! Naruto was soll der Scheiß?“, zischte Sasuke aufgebracht und rieb sich die lädierte Stelle.

 

„Nichts was du nicht verdient hast!“, gab Naruto zurück und gab sich nicht einmal die Mühe so zu tun, als wenn alles in bester Ordnung wäre. Energisch stemmte er sich hoch, um die Tasse die er selbst noch auf dem Tisch stehen hatte zur Spüle zu bringen. „Seit wann machst du es so, deinem Sohn keinen guten Morgen zu wünschen wenn du hereinkommst?“, fragte Naruto angefressen nach. „Kein Hallo kein Wie hast du geschlafen?! Seit wann läuft das so, Sasuke?“

 

Es war mehr als offensichtlich, dass Naruto dieses Verhalten sehr störte. Allerdings wich die Wut sehr schnell, als er sich schwungvoll herumdrehte und Sasuke erneut ansah. Obwohl deutlich war, dass dieser nicht gerade zufrieden über den Tritt war, kannte Naruto den Mann gut genug um zu erkennen, dass Sasuke beschämt war. „Ich hab nicht dran gedacht!“, gab er schließlich auch zu, verweigerte sich aber den Blick zu heben um Naruto direkt anzusehen. Dieser seufzte leise, kam zum Tisch zurück und ließ sich erneut auf dem Stuhl nieder.

 

„Es ist nicht so, dass ich es nicht verstehe.“, gab er leise zu, ohne den Blick von Sasuke abzuwenden. „Es ist nur unglaublich schwer zu zusehen, wie du dir selbst Steine in den Weg legst... wie so oft!“ Sasuke schnaubte wenig amüsiert. „Du scheinst es dir zur Aufgabe gemacht zu haben mir genau diese Tatsache unter die Nase zu reiben!“, grummelte er leise, ließ endlich von dem Bein ab um sich seufzend etwas auf dem Stuhl zurückgleiten zu lassen. „Aber... es ist das erste Mal das ich ihn dabei gesehen habe. Meistens bin ich arbeiten wenn er seine Aufgaben macht, oder er macht sie gar nicht erst.“, gab er frustriert zu und schob seinen Teller von sich, offensichtlich war ihm der Appetit vergangen.

 

Naruto wollte aber auch davon nichts wissen. Sanft schob er den Teller zurück. „Ihr bedeutet mir viel. Natürlich mische ich mich ein wenn du wieder Mist baust!“, gab er zu. Er konnte fühlen wie seine Wangen sich färbten, als Sasuke den Blick hob um ihn anzusehen. „Geh nicht zu hart mit dir ins Gericht, Sasuke. Einen Schritt nach dem nächsten, es ist besser langsam voran zu gehen als einen Stillstand einfach hinzunehmen.“ Sasuke bemühte sich ja, daran hatte Naruto gar keine Zweifel. Er brauchte wohl nur immer wieder jemanden der bereit war ihm in den Hintern zu treten, wenn sein Mangel an Emotionen ihn falsch handeln ließen. Solange Sasuke in der Nähe war, war Naruto mehr als bereit diese Rolle zu übernehmen. Denn seine Worte könnten nicht mehr Wahrheit in sich tragen. Diese drei bedeuteten ihm wahnsinnig viel, wäre es anders, würde er sich diese Tortur nicht antun immer wieder auf Zeit sie bei sich zu haben nur um im Anschluss in ein tiefes Loch zu stürzen wenn er sie wieder verlor.

 

Naruto stand nicht wirklich darauf sich selbst derart zu schaden, aber bei dieser Familie schien er schlicht und ergreifend gar nicht anders zu können. „Wenn wir dir so viel bedeuten, wenn ich dir so viel bedeute... warum bist du dann gegangen?“

 

Sasukes Frage war leise, in seiner Stimme schwang deutliche Unsicherheit mit, ein Umstand den Naruto so nicht kannte. Sasuke war stets derjenige gewesen der ungeachtet aller Dinge um ihn herum selbstbewusst vorangeschritten war. Entsprechend bedeutsam war es auch, in diesem Moment diese Selbstsicherheit nicht mehr finden zu können. Es belastete Sasuke noch immer, noch immer nagten an ihm die Fragen auf die Naruto sich weigerte zu antworten. Aber leider hatte sich nichts an der ursprünglichen Situation verändert. Naruto war nicht bereit aufzugeben was er besaß, er wollte nicht seinen besten Freund dafür verlieren, ihm die Wahrheit über seine eigenen Gefühle zu sagen. Ganz gleich welche Stimmung auch von ihnen Besitz ergriffen hatte, mit Sasukes Versuch seine Empfindungen irgendwie in Worte zu packen war eben jene zerbrochen. Naruto richtete sich erneut auf.

 

„Renne nicht weg, was könnte so schlimm sein, dass du so stur schwiegst?“, fragte Sasuke nach, schoss selbst in die Höhe um Narutos Handgelenk zu packen und ihn so zu hindern die Küche zu verlassen. „Was haben wir getan um dich zu vertreiben?“ Sasuke wollte nicht locker lassen. Nicht jetzt wo irgendwie die Chance bestand endlich zu verstehen was vor sich ging. Naruto hingegen blickte ihn an, als wenn er ihm gerade einen Faustschlag in den Magen gegeben hätte. „Nichts habt ihr getan!“, gab er zu, versuchte den Griff des Uchihas zu lösen. Es war die Wahrheit. Niemand hatte etwas getan um ihn zu vertreiben, es war seine eigene Entscheidung gewesen zu gehen. Ihm war stets bewusst gewesen, dass er es anders hätte machen können, dass er Sasuke hätte gestehen können wie er für ihn empfand, auch wenn damit ihre Freundschaft wohl geendet hätte. Dennoch hätte er danach bleiben und seine Wunden lecken können, oder trotz allem gehen können. Auch wenn er in dem Fall wohl nicht einfach so verschwunden wäre. Niemand außer ihm selbst trug Schuld daran.

 

„Es ist einfach kompliziert, warum kannst du nicht endlich Ruhe geben?“, fragte er nach, irritiert von Sasukes plötzlichen Art so penetrant weiter nachzubohren. Ihn festzuhalten und zu verhindern das er sich entzog. Naruto kannte es durchaus, dass Sasuke sauer wurde, dass er anfing lauter zu werden und ihm vor hielt wie kindisch er sich benahm. Aber diese Situation war so anders wie alle anderen, dass es Naruto Angst machte nicht länger die Kontrolle behalten zu können. Energisch versuchte er Sasukes Hand endlich von seinem Handgelenk weg zu bekommen, während Sasuke genauso energisch fest hielt und sich weigerte los zu lassen.

 

Eine Bewegung von der Seite ließ ihn inne halten und als er den Kopf dort hin drehte, versteifte auch er sich. Dort in der Verbindungstür zur Küche stand Taiki, der mit großen, ängstlichen Augen das Geschehen zwischen ihnen beobachtete. Das waren nie und nimmer 30 Minuten gewesen, dennoch hatte den Jungen irgendetwas zurück getrieben und es war ganz gewiss nichts gutes, dass er sie in dieser Situation erlebte.

 

Naruto atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen, während Sasuke nun ebenfalls seinen Sohn entdeckt hatte und ganz automatisch endlich von ihm abgelassen hatte. Dann setzte Naruto sich in Bewegung um vor dem verstörten Kind in die Knie zu gehen. Mit beiden Händen griff er sanft nach dessen Händen. „Du hättest noch Zeit draußen zu bleiben!“, erklärte er dann ruhig, endlich sich einigermaßen wieder im Gleichgewicht fühlend. „Du musst dir keine Sorgen machen. Dein Dad und ich hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit!“, versuchte er das Kind weiter zu beruhigen. Taiki blickte nervös von ihm zu seinem Vater, bevor der Blick zu Naruto zurück wanderte. „Und die ist schon sehr alt. Aber es ist wichtig solche Dinge zu klären, so gut wie man kann!“, erklärte er weiter und atmete tief durch.

 

Naruto schaute über die Schulter, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. „Sasuke, keiner von euch hat mir irgendetwas getan. Es ist eher so, dass ich mich in Japan erdrückt gefühlt habe, ich musste einfach weg und es tut mir wahnsinnig leid, dass ich ohne ein Wort verschwunden bin. Ich bitte dich einfach es dabei zu belassen!“, erklärte er. Es war die Wahrheit und tiefer konnte und wollte er nicht gehen. Vermutlich war es seine eigene Schuld, dass Sasuke sich jetzt so geöffnet hatte und diese Situation entstanden war. Das Letzte was er wollte war, dass sie zerstritten waren, wenn Sasuke zurück reiste. Sasuke nickte leicht, fuhr sich durch sein Haar, während er hörbar ausatmete. „Nein, es ist meine Schuld. Es stimmt schon, ich sollte aufhören zu fragen. Es ist schließlich deine Privatangelegenheit!“, gab dieser zu.

 

Was nicht so ganz stimmte und das wussten sie vermutlich beide. Sie waren viele Jahre nahezu unzertrennlich gewesen. Sie hatten vieles zusammen unternommen, vieles erlebt und ein so plötzlicher Cut war natürlich nicht leicht wegzustecken, erst recht nicht wenn man nie die Chance bekam zu erfahren wie es dazu gekommen war. Naruto bedauerte diese Tatsache, vielleicht war er irgendwann bereit die Wahrheit zu sagen, wenn er endlich einen Weg gefunden hatte voran zu gehen. Vielleicht wenn er jemanden getroffen hatte, der in der Lage war seine Gefühle für Sasuke auszuradieren. Falls es überhaupt möglich war.

 

Mit einem etwas gezwungenen Lächeln blickte Naruto Taiki wieder an. „Was hältst du davon, den Rest deiner Aufgaben mit deinem Vater zu machen? Dann kann ich noch etwas arbeiten und nachher kochen wir alle zusammen!“ Das war etwas, was Naruto eh geplant hatte. So wie es aussah hatte Sasuke sich seine Worte zu Herzen genommen und würde erst am nächsten Morgen abreisen. Den letzten Abend gemeinsam zu verbringen würde Taiki gut tun und Naruto wollte da auch keine Ausreden hören. Das nahezu kaum zu sehende Nicken des Kindes war aber Grund genug sich durchzusetzen. Taiki reagierte und nur das zählte im Augenblick.

 

Mit einem Nicken seinerseits wendete Naruto sich ab um in sein Arbeitszimmer zu kommen.

 
 

***

 

Wirklich lange hatte Naruto sich allerdings nicht in seinem Arbeitszimmer verschanzt. Im Grunde hatte er nur einen Moment für sich gebraucht um die Dinge die in ihm tobten wieder unter Kontrolle zu bekommen. Danach hatte es ihn schnell zu den beiden zurück gezogen, auch weil er schlicht fürchtete, dass Sasuke in seiner unbeholfenen Art seinen Sohn erneut dazu animierte sich zurück zu ziehen.

 

Ohne noch einmal miteinander zu reden kamen sie aber zu der Einigung, dass es besser war dieses Thema aus den Möglichkeiten der Themen die man nutzen konnte zu sprechen zu streichen. Was für alle Beteiligten einfach besser so war. Zwar wussten sie wohl beide, dass hier das letzte Wort noch lange nicht gesprochen war, aber zumindest für den Moment musste Naruto nicht mehr fürchten, dass es zu einer ähnlichen Situation kam. Eigentlich hätte er eh damit rechnen müssen. Es war nahezu ein Jahr her, dass er in Japan gewesen war und dass Sasuke energisch versucht hatte ihn zum reden zu bringen. Naruto wusste sehr wohl, dass sein Verhalten den Uchiha irritierte, dass dieser nicht wusste wie er mit der Situation umgehen sollte, wie viele ihrer gemeinsamen Freunde ebenfalls. Aber es blieb einfach dabei, dass Naruto nicht bereit war sein Geheimnis zu teilen. Irgendwann ganz bestimmt, aber nicht in diesem Moment.

 

Wie sie besprochen hatten, kochten sie später dann wirklich gemeinsam. Während Sasuke sich um den Herd kümmerte, schnitten Taiki und Naruto gemeinsam Gemüse, wobei das Kind sich wirklich Mühe gab. Er konzentrierte sich und versuchte Narutos Anweisungen zu befolgen und es war ihm anzusehen, dass er ziemlich stolz darauf war was er hinbekam. Zu recht. Naruto ließ sich nicht davon abhalten das Kind zu loben, auch wenn Sasuke mit hochgezogener Augenbraue das ganze verfolgte.

 

Das anschließende Essen war entspannt und wie schon beim Frühstück langte Taiki ordentlich zu, was nicht nur Naruto mit Genugtuung beobachtete. Man sah Sasuke deutlich an, dass es ihn erleichterte, dass sein Sohn nicht mehr lustlos n seinem Essen herumstocherte, sondern mit Appetit zulangte. Von dem was Naruto wusste war es auch höchste Zeit. Dazu kam, dass Naruto auch dieses Verhalten deutlich als einen weiteren Schritt in die richtige Richtung aufnahm. Taiki schien sich ein wenig besser zu fühlen und je mehr sie das ausbauten, umso höher waren am Ende die Chancen das sie herausbekamen was hinter dem Verhalten des Jungen steckte.

 

Naruto hatte keine Ahnung von der Psychologie, entsprechend konnte er genau wie Sasuke nur im trüben fischen. Aber sie alle hatten wohl in den letzten Wochen auf ihre Art versucht herauszubekommen, wo die Ursachen liegen konnten. Von Sakura wusste Naruto, dass man Sasuke den Stress hatte ansehen können und sie und ihre Freunde hatten durchaus das eine oder andere Mal über dieses Thema gesprochen. Obwohl Naruto regelrecht am anderen Ende der Welt saß, hatte aber auch er sich durch massenhaft Foren gesucht, in der Hoffnung die Idee zu finden, die Taikis Verhalten erklären konnte. Das Problem war eben nur, dass Taiki ein Kind war und nicht sicher war, ob er nicht reden wollte oder es schlicht nicht konnte weil er selbst keine Ahnung hatte was der Grund dafür war, dass er sich nicht gut fühlte. Naruto hoffte aber klar, dass sein Besuch helfen würde. Egal auf welcher Art, das Kind so niedergeschlagen zu sehen tat Naruto weh und er wollte einfach die Hände ausstrecken, um den Jungen sicher an sich zu ziehen und gut zu machen was auch immer diesen belastete.

 

Nach dem Essen entschlossen sie sich dazu, einen kleinen Spaziergang zu machen und dabei waren sie so entspannt, dass man fast vergessen könnte, was am Morgen geschehen war. Taiki lief dabei stets einige Schritte vor ihnen, wurde von den beiden Rüden regelrecht mitgezogen die Umgebung genauer zu erkunden. Es war ruhig und es war entspannend. Er schaffte es sogar sich mit Sasuke zu unterhalten, ohne dass die negativen Themen wieder auf den Tisch kamen. Was Naruto klar bevorzugte.

 

Obwohl Naruto stets auf den Beinen war und nahezu nie komplett still stand – was sich nie geändert hatte – fühlte er sich dennoch erschöpft, als er am Abend sich auf die Couch sinken ließ um mit Sasuke noch einmal die wichtigsten Dinge durchzugehen. Der Uchiha wollte informiert werden, was Naruto klar verstand und er hatte eine gefühlt endlose Liste was Taikis Ernährung anbelangte. Aber sie beide wussten wohl, dass Naruto nicht einmal einen Bruchteil davon einhalten würde.. „Du solltest dich regelmäßig melden!“, sagte Naruto schließlich, bevor er einen Schluck Tee trank und die Tasse auf den Tisch vor ihnen abstellte. „Auch wenn Taiki nicht reden will, erzähl ihm von deinem Tag und mach dir keine Sorgen. Du weißt ich passe gut auf ihn auf!“, erklärte er weiter. Sasuke nickte. „Natürlich weiß ich das. Ansonsten wäre ich gar nicht erst hergekommen. Es ist nur... keine Ahnung. Es fühlt sich noch immer an als wenn ich ein Kind gegen das andere austausche!“, gab Sasuke zu und fuhr sich müde über die Augen. Dieses Thema hatten sie schon einige Male gehabt.

 

„Du weißt das stimmt nicht. Halte dir vor Augen, dass am Ende beide wieder bei dir sein werden. Keiko lebt schon eine Weile bei Itachi, es wird Zeit, dass sie nachhause kommt!“ Er wusste, dass Sasuke es genauso empfand. Egal wie man die Sache drehte, einer von beiden hatte das Haus verlassen müssen, da die Situation so nicht weiter zu ertragen gewesen war. Das Ziel wieder alle in ein Haus zu bekommen war es genauso wert das hier zu machen, wie die Chance, dass man Taiki damit helfen konnte.

 

Leise Schritte auf der Treppe ließen sie inne halten und als sie zu der Tür schauten, konnten sie bald danach Taiki entdecken, der alles andere als glücklich aussah. Eigentlich sollte er bereits schlafen, nach einem Bad und dem Abendessen hatte er auch kaum noch die Augen aufhalten können. Jetzt sah das Kind allerdings so aus, als wenn es sich so gar nicht wohlfühlen würde. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte Sasuke nach, anstatt einer Antwort senkte Taiki allerdings nur den Blick.

 

Naruto fragte sich, ob das Kind wirklich nicht sprechen wollte oder schlichtweg nicht die Worte fand um zu sagen was er wollte. Wenn er in Betracht zog, dass Taiki sehr sensibel und schüchtern war, bekam er aber klar das Gefühl, dass es ebenso unangenehm war Schwäche zu zeigen. Bei Sasuke als Vorbild war es wohl auch nicht sehr leicht, auch wenn Naruto daran zweifelte, dass Sasuke seinen Kindern dort Druck machte. Aber er wusste durchaus wie es war klein zu sein, wie es sich anfühlte zu einem Erwachsenen aufzusehen und zumindest früher hatte Taiki das bei Sasuke klar getan. Taiki musste jetzt wohl auch langsam realisieren, dass sein Vater am kommenden Morgen nicht mehr da sein würde. Ganz gleich wie wohl er sich im Winter hier gefühlt hatte, jetzt war er in dem Zimmer vollkommen alleine.

 

Seinen Instinkten folgend beugte Naruto sich nach vorne, wo Chidori vor seinen Füßen lag. „Warum nimmst du nicht Chidori mit dir?“, fragte er nach. Der Rüde hob den Kopf um ihn anzusehen, seine Rute wedelte sanft, bevor das Tier sich erhob und langsam zu dem Kind trottete. Naruto musste nicht einmal Sasuke ansehen um zu wissen, wie wenig dieser davon hielt. Aber wenigstens schien er nicht vor zu haben ein Veto einzulegen. Als Taiki mit dem Hund wirklich wieder nach oben verschwand, erhob auch Rasengan sich, um den beiden zu folgen.

 

„Tiere gehören nicht ins Bett!“, sagte Sasuke schließlich, als sein Sohn verschwunden war. „Kein Wunder, dass du noch immer keine Frau hast. Wer will schon mit den beiden um den Platz in deinem Bett streiten?“ Naruto verzog leicht das Gesicht, bevor er mit den Schultern zuckte. „Wer auch immer in mein Leben tritt wird damit leben müssen, dass sie ein Teil von mir sind. Vielleicht bin ich bereit sie aus dem Bett zu verbannen, aber das tue ich gewiss nicht für jeden!“, erklärte er schulterzuckend und schenkte Sasuke ein freches Grinsen. Nun, für ihn würde er die beiden ganz bestimmt aus dem Bett verbannen, aber da keine Chance bestand, dass Sasuke in sein Bett wollte, mussten Rasengan und Chidori sich keine Sorgen darum machen. Sasuke schüttelte verständnislos den Kopf.

 

Wirklich lange blieben sie dann auch nicht mehr wach und als sie zusammen noch einmal nach Taiki sahen, konnte man Sasuke ansehen, dass auch er im Augenblick keine Einwände mehr hatte. Die beiden Betten waren noch miteinander verbunden, Taiki lag fast in der Mitte und die beiden großen Rüden hatten sich auf beiden Seiten von ihm nieder gelassen, als wenn sie ihn in einen schützenden Kokon sicher halten wollten. Taiki hingegen schlief tief und fest, eine Hand lag auf Rasengans Schulter und seine Gesichtszüge waren vollkommen entspannt. Selbst ein leichtes Lächeln hatte sich auf das schlafende Gesicht geschlichen.

 

Leise, um Taiki nicht zu wecken, zog Naruto die Tür wieder zu und sie beide verschwanden in ihre Zimmer um wenigstens ein wenig Schlaf zu bekommen, bevor Sasuke bereits wieder hoch musste um seine sehr frühe Maschine zurück nach Japan zu erwischen.

14 desired reunion


 

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14 desired reunion

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Der nächste Morgen kam viel zu schnell.

 

Als Naruto aus dem Bett kroch, hatte er das Gefühl keine Sekunde geschlafen zu haben. Dennoch schlug er energisch die Decke zurück, schlich müde zu seinem Schrank um sich etwas bequemes anzuziehen, ehe er das Schlafzimmer verließ und auf leisen Sohlen hinunter schlich um erst einmal einen Kaffee zu machen. Sicher, er würde Sasuke nicht zum Flughafen bringen und konnte somit später noch einmal in sein Bett zurück kriechen, im Moment war das allerdings ein recht schwacher Trost, wo er kaum in der Lage war die Augen offen zu halten, genauso wie es unmöglich erschien sie zu schließen und damit Schlaf zu finden. Aus irgendeinem Grund fühlte Naruto sich unausgeglichen.

 

Als das Kessel auf dem alten Ofen endlich zu pfeifen begann, hörte er leise Schritte auf der Treppe, die er nur zu gut kannte. Er wusste, dass Sasuke in wenigen Sekunden zu ihm stoßen würde, dennoch drehte er sich nicht herum, um den Mann zu begrüßen. Lieber konzentrierte er sich darauf das schwarze Gebräu fertig zu bekommen, welches auch er an diesem viel zu frühen Morgen brauchte. Es war schon seltsam. Seit er damals aus Japan abgehauen war, hatte er eher die Nacht zum Tage gemacht und diese Zeit war jene, wo er den neuen Morgen begrüßte, ehe er schließlich ebenfalls ins Bett kroch um den Schlaf zu bekommen den auch er natürlich brauchte. So wie er sich im Moment fühlte, war Schlaf allerdings eher etwas wie ein Märchen. Es erschien vollkommen unwirklich. Er seufzte leise. In nächster Zeit würde er seinen Rhythmus umstellen müssen. Er würde Regelmäßigkeit reinbringen müssen, schließlich ging es nicht, dass er den halben Tag verschlief wenn er Taiki bei sich hatte.

 

„Du siehst scheiße aus!“, grüßte Sasuke ihn und Naruto konnte nicht widerstehen doch einen Blick über die Schulter zu werfen. Da stand er, der Mann dem sein Herz gehörte und wie eigentlich immer sah er perfekt aus. Zumindest auf den ersten Blick. Naruto kannte seinen Freund lange genug um die kleinen Dinge zu sehen, die andere schlichtweg in ihrem eher oberflächlichem Blick übersehen würden. Die dunklen Schatten unter den Augen sprachen Bände, auch wenn sie schwach waren und Naruto wusste, dass sie vermutlich nicht nur durch die vergangene Nacht entstanden waren. Sasuke schlief vermutlich schon länger nicht mehr sehr gut, auch wenn ersichtlich war, dass die sehr kurze Zeit hier dennoch ein wenig Frieden gegeben hatte. Naruto sah es einfach und trotz all der Schwierigkeiten war es ein gutes Gefühl, dass Sasuke bei ihm in der Lage war zu entspannen und Frieden zu finden.

 

„Dito.“, brummte er zurück, bevor er sich wieder dem nun fertigen Kaffee widmete und ihn in zwei Tassen füllte, wovon er eine an Sasuke weiter reichte. Der erste Schluck war heiß und bitter, als er seine Kehle runter rannte, aber schon mit dem zweiten Schluck fühlte Naruto wie er sich langsam entspannte und die Müdigkeit zumindest ein klitzekleines bisschen vertrieben wurde. Koffein war doch etwas herrliches, auch wenn Naruto sich manchmal fragte, ob diese Wirkung nicht doch nur eingebildet war. Es gab Tage, wo er sich das Zeug massig zufügen konnte und dennoch zeigte es nicht die Wirkung die man erwartete. An anderen Tagen reichten kleine Mengen um regelrecht hyperaktiv zu werden. Ob nun aber eingebildet oder nicht, in diesem Moment tat es ihm eindeutig gut und das war etwas, worüber er sich ganz bestimmt nicht beschweren würde.

 

Leise seufzend ging Naruto zu der Hintertür, um diese zu öffnen. Vermutlich würde es nicht lange dauern, bis seine beiden Rüden die Treppe hinab gepoltert kamen und als erstes hinaus wollten um ihre vollen Blasen zu erleichtern. Es war Routine, etwas was jeden Tag auf die gleiche Art geschah und was Naruto bereits im Schlaf erledigte, ohne sich weitere Gedanken um sein Handeln zu machen.

 

Als er in den neuen Morgen hinaus trat, schob die Sonne sich gerade langsam hinauf und tauchte den Himmel in einen Mix aus verschiedenen Farbtönen. Als wenn man viele Eimer voller Farbe einfach ausgeschüttet hätte, der Farbe so die Gelegenheit gegeben hatte sich frei zu vermischen. Naruto würde sich nicht als sehr romantische Person sehen, aber diesem Anblick konnte auch er sich nicht wirklich entziehen, auch wenn er ahnte, dass es eher das Gefühl von Frieden war, welches ihn an jedem Morgen erfüllte, wo er diesen Anblick genießen konnte. Auch Sasuke trat hinaus, Naruto ignorierte diesen allerdings für den Moment. Lieber nippte er an seiner Tasse und genoss das Gefühl, wie die Müdigkeit immer weiter vertrieben wurde. Wenn es gut lief, würde er einfach wach bleiben. Vermutlich war er an diesem Abend dann eh so müde, dass er wie ein Stein ins Bett fiel und damit vielleicht sogar bessere Chancen hatte sich daran zu gewöhnen, die Nächte fortan in seinem Bett zu verbringen, anstatt vor dem Laptop zu sitzen um zu schreiben oder diverse Bilder zu sichten um Motivation zu finden.

 

„Irgendwie passt du hierher.“, brummte Sasuke plötzlich neben ihm. Naruto runzelte leicht die Stirn, als er den Uchiha anblickte. „Wie meinst du das?“, fragte er schließlich nach, nicht sicher wie er diese Aussage aufnehmen sollte. Sasuke zuckte leicht mit den Schultern. „Ihr habt beide unglaublich viele Gesichter. Du und Irland.“, antwortete Sasuke und starrte über den wilden Garten hinweg, während er weiter langsam seine Tasse leerte. „Der Winter und Weihnachten haben das bereits gezeigt. Es ist vieles, dieser wilde Garten, die Umgebung, die Menschen. Jetzt wirkt alles warm, einladend und dennoch sind es die gleichen Menschen die hier leben, die gleiche Umgebung.“, erklärte er und runzelte leicht die Stirn, als wenn er nicht so recht wüsste wie er in Worte packen sollte, was er sagen wollte. Naruto drehte sich mehr zu ihm, um ihn irritiert anzusehen. „Ist es nicht wie in Japan? Egal wo man ist, alles hat doch gute und weniger gute Seiten.“ Er verstand nicht so wirklich auf was Sasuke hinaus wollte. Dieser zuckte leicht mit den Schultern. „Vielleicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich Irland nicht das ganze Jahr erlebe, Japan hingegen schon. Vielleicht liegt es auch daran, dass du hier bist, dass ich dich eher mit Irland vergleichen kann, wie mit Japan. Keine Ahnung, irgendwie sieht es aus, als wenn du hierher gehörst. Wie ich sagte, ihr seit gleich.“

 

Da war es wieder, dieser Moment, wo Sasuke etwas sagte und es mit Naruto unheimlich viel anstellte. Er konnte nicht wirklich verhindern, dass es in seinem Magen zu kribbeln begann und das ihm erneut bewusst wurde, wie sehr er diesen Menschen liebte. Sasuke würde es vermutlich nicht verstehen, aber das spielte wohl auch keine Rolle, schon weil er niemals erfahren würde, dass diese Gefühle überhaupt existierten. Um dieser Situation zu entgehen, lachte er leise. „Du hörst dich an wie ein alter, sentimentaler Mann der fürchtet etwas was ihm lieb ist nicht mehr lange genießen zu können.“, erwiderte er, stockte dann aber, als seine Worte die ihm einfach entschlüpft waren bei ihm auch ankamen. Vielleicht war genau das das Problem. Vielleicht waren es Sasukes Unsicherheiten in dieser Situation, die ihn so philosophieren ließen. „Er wird es hier gut haben und er wird dich vermissen, Sasuke.“, erklärte er sanft, ohne den Blick abzuwenden. „Ich weiß.“, kam die simple Antwort. „Ich vertraue dir, aber leichter wird es dadurch nicht.“

 

Was verständlich war. Sie hatten darüber geredet, Naruto war es demnach nicht neu, dass Sasuke unter dieser Situation litt. Er wusste, dass dieser wohl am Liebsten seinen Sohn wieder mit zurücknehmen wollte, in der Hoffnung, dass es doch ohne diese Trennung ging. Aber genauso wusste Sasuke, dass sich nichts ändern würde. Was auch immer geschehen war, Taiki war nicht bereit mit seinem Vater darüber zu reden und somit gab es keinen anderen Weg um irgendwie an den Jungen heran zu kommen, gerade weil es Taikis eigener Wunsch gewesen war, nach Irland zurück zu kommen.

 

Das plötzliche Poltern auf der Treppe nahm ihnen die Möglichkeit, weiter darüber zu reden. Zu gerne hätte Naruto Sasuke gesagt, dass er jederzeit anrufen konnte, dass er jederzeit herkommen konnte. Er würde den Uchiha selbst mitten in der Nacht vom Flughafen abholen, wenn er es nicht schaffte lange genug loszulassen. Er konnte bleiben, für Tage, Wochen, sogar für immer, auch wenn es wohl schmerzhaft sein würde, wieder so nahe zu sein und dennoch zu wissen, dass der Uchiha unerreichbar für ihn blieb. Aber vielleicht war es besser, dass Chidori und Rasengan aus der Tür preschten und ihnen gerade einmal genug Zeit gaben um ihnen Platz zu lassen. Es war besser als Dinge zu sagen, die vermutlich nur weitere Probleme brachten.

 

„Taiki kommt sicher gleich auch herunter!“, erklärte Naruto schließlich. Der Junge musste wach sein, wie sonst hätten die Rüden aus dem Zimmer kommen können. „ich mache ihm seinen Kakao und du solltest deine Sachen holen.“, redete er weiter, während er zurück in die Küche verschwand, ohne Sasuke noch einmal einen Blick zu zuwerfen. Es war besser zu schweigen. Für alle.

 
 

***

 

Nachdem Sasuke abgereist war, wirkte das Haus leer, auch wenn Taiki in seinem Zimmer war und Naruto schon eine ganze Weile in der noch immer offenen Hintertür stand und hinaus schaute. Der Abschied war verkrampft gewesen, distanziert. Hätte Naruto nicht gewusst wie sie alle zueinander standen, hätte er seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sich drei vollkommen Fremde vor seinem Haus trennten. Da waren keine sanften Worte gewesen, keine weiteren Ermahnungen und im Falle von Sasuke und Taiki, keine Umarmung, keine leisen Worte um zu beruhigen, keine Versprechungen bald wieder zusammen zu sein.

 

Das schlimmste daran war, dass es nicht einmal daran gelegen hatte, dass Sasuke es für unnötig angesehen hatte. Viel mehr hatte er versucht den Kontakt zu seinem Sohn herzustellen, Taiki allerdings hatte nicht reagiert. Jeder hätte sehen können, wie die beiden sich quälten, denn selbst Taiki hatte man angesehen, dass er all das hier eigentlich nicht wollte. Was auch immer blockierte es war zu hartnäckig gewesen um es kurzfristig zu beseitigen. Direkt nach Sasukes Abreise war Taiki wieder nach oben verschwunden, während Naruto unschlüssig unten geblieben war und seinen Gedanken nachhing. Von der Nervosität die er zuvor verspürt hatte, weil er mit Taiki alleine leben würde, war nichts mehr vorhanden.

 

Mit einem leichten Kopfschütteln wendete Naruto sich schließlich ab und verschwand zurück in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Das war besser als gar nichts zu tun, was in letzter Zeit eh ein kleines Problem geworden war. Auf diese Art konnte er wenigstens seine Hände beschäftigen, auch wenn es nicht dazu bei trug, dass auch sein Kopf endlich Ruhe gab. Das war etwas, was nur Taiki konnte und derzeit stand das wohl nicht zur Debatte.

 

So suchte er aus den verschiedenen Schränken alles was er brauchte, kochte Tee und Kakao, bevor er nach oben ging und leise an die Tür klopfte, hinter der Taikis Zimmer lag. Er bekam keine Antwort, dennoch drückte er leise die Klinke hinab und betrat schließlich den Raum. Taiki lag auf seinem Bett, sein Gesicht halb in das drahtige Fell von Chidori vergraben, während Rasengan hinter ihm lag. Auch auf die Entfernung konnte man sehen, dass der Junge nicht besonders glücklich war. Es schnitt Naruto das Herz ab und für einen Moment zögerte er, ob er das Kind schlafen lassen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Leise trat er an das Bett heran und fuhr dem Kind durch das rabenschwarze Haar, bis Taiki sich mit einem leisen Murren zu regen begann. Als er de Augen endlich auf schlug, lächelte Naruto ihm entgegen. „Na komm, Frühstück ist fertig. Wenn du magst, fahren wir später mit den Hunden etwas raus.“, schlug er dem Jungen vor, bevor er sich etwas entfernte.

 

Taiki nickte leicht, richtete sich etwas auf und rieb sich über die Augen, bevor er vom Bett rutschte. Dabei zupfte er kurz an Chidoris Halsband, der sofort vom Bett sprang und sich neben den Jungen stellte. Das war einer der Momente, wo es Naruto eindeutig etwas leichter ums Herz wurde. Taiki hatte den grauen Rüden stets gemocht und das er ihn bewusst in seiner Nähe halten wollte, sah er schlicht als gutes Zeichen. Zufrieden damit wendete er sich ab um zur Tür zu kommen, bis er die Hand fühlte, die nach seiner eigenen griff. Als er zu dem Jungen schaute, hatte dieser den Blick gesenkt, doch dieser Moment brauchte auch keinen Kommentar. Statt dessen drückte er die kleiner Hand leicht, bevor er sich erneut in Bewegung setzte.

 

Er ließ die Hand erst los, als Taiki ihm diese entzog und sich auf seinen Platz setzte.

 
 

***

 

Die folgenden Tage waren ruhig und vergingen eher schleppend. Es gab so einige Momente, wo Naruto sich fragte, ob das was sie taten, wirklich richtig war. Taiki wirkte nicht gerade glücklich und Naruto erwischte den Jungen an einem Abend dabei, wie er in seinem Zimmer auf dem Bett lag und bitterlich weinte,, auch wenn er bis zu dem Moment keine Geräusche hatte aufnehmen können, die ihn schon vorher in das Zimmer gelockt hätten. Naruto nahm an, dass Heimweh der Grund war, vor allem weil Taiki zum ersten Mal energisch nickte, als er dem Jungen vorschlug, mit seinem Vater zu telefonieren. Zwar schwieg der Junge auch bei dem Gespräch, aber Naruto war nicht entgangen wie das Kind nahezu in den Monitor des Laptops gekrabbelt war um vermutlich seinem Vater näher zu kommen. Später, als Taiki mit den beiden Rüden im Bett lag und endlich schlief, hatte Naruto noch lange mit Sasuke telefoniert, hatte seine Zweifel nicht für sich behalten, dass er irgendwie an das Kind herankommen konnte. Es war nicht so, dass er etwas besonderes erwartet hatte, aber Taiki schien noch zurückhaltender zu sein wie bei seinem letzten Besuch in Irland.

 

Letzten Endes schafften sie es irgendwie sich gegenseitig Mut zu geben, sich vor Augen zu halten, dass sie nicht aufgeben durften. So schmerzhaft es auch gewesen war Taiki so weinen zu sehen, dass der Junge Heimweh hatte war schon etwas, was sie beide nur bedingt erwartet hatten nach der distanzierten Verabschiedung. Es musste einfach etwas wert sein.

 

Es dauerte dann fast noch eine Woche, bis Naruto die Änderungen bemerkte, die deutlich einen Wandel zeigten. Es begann bereits am Morgen, wo er zum ersten Mal einen deutlichen Gruß entgegen gebracht bekam, als Taiki runter in die Küche kam und sich auf seinen Platz setzte. Naruto war derart perplex, dass er nicht anders konnte als mit offenem Mund zu zuschauen, wie der Junge mit Appetit sich an sein Frühstück machte. Was ein weiterer Wandel war. Bisher hatte Taiki eher wenig gegessen, er hatte lustlos gewirkt, abwesend, nun aber saß er mit rosigen Wangen am Tisch und verschlang regelrecht eine Scheibe Brot nach der anderen, während er mit großen, gierigen Schlucken seinen Kakao leerte. Was ihm etwas später auffiel war, dass Taiki ihn direkt anschaute, wenn er mit ihm sprach. Sogar ein leichtes Zucken der Mundwinkel war zu sehen, wenn etwas thematisiert wurde, was dem Kind gefiel. Dieser Wandel nahm ihm eindeutig die Last von den Schultern, die er bisher mit sich herumgetragen hatte und die ihm das Gefühl gegeben hatte an ihr zu Boden gehen zu müssen.

 

Nach dem Frühstück entschloss Naruto sich spontan dazu, in die Stadt zu fahren um einkaufen zu gehen, wobei er Rasengan und Chidori mitnahm um anschließend ein wenig durch die Gegend zu streifen. Die Hunde konnten den Auslauf gebrauchen und auch Naruto fühlte sich nach all der Zeit im Haus ziemlich rastlos. Es fiel ihm schwer seine Streifzüge durch die Ruinen zu unterlassen, entsprechend war ein Spaziergang wohl genau das, was sie alle gebrauchen konnten. Taikis Schulaufgaben konnten an diesem Tag eindeutig warten, auch wenn Sasuke sicherlich alles andere als begeistert wäre. Aber das war etwas, was Naruto energisch verdrängte. Sasuke war nicht da, er war für Taiki verantwortlich und er fand es wirklich besser diesen guten Morgen ruhig angehen zu lassen.

 

So verfrachteten sie wirklich schließlich die beiden Hunde in den Wagen und fuhren kurz darauf die unbefestigte Straße entlang um in den Ort zu kommen.

 
 

***

 

Ballyshannon war wie so oft recht beschäftigt. Trotz der frühen Stunde wanderten die ersten Touristen durch die Straßen, blieben vor Schaufenstern stehen um die dort ausgestellten Waren zu betrachten. Mütter eilten mit ihren Kindern die Straßen entlang, Teenager bummelten vereinzelnd oder in kleinen Gruppen durch die Straßen. Für Naruto war das ein vertrautes Bild, eines welches sich in den letzten Jahren eingebrannt hatte und tief in ihm verwurzelt war. Er steuerte seinen Wagen durch die belebten Straßen, bis er etwas abseits den Wagen parkte und schließlich diesen verließ. „Heute ist Markt, wir können die beiden mitnehmen, sonst müssen wir zu Fuß zurück.“, erklärte er Taiki und lachte vergnügt bei dem Bild, was sich sofort in seinem Kopf festsetzte. Es inspirierte ihn und das Verlangen sich wieder an den Tisch zu setzen und zu schreiben stieg eindeutig an.

 

Auch wenn die Rüden es kaum gewohnt waren an der Leine zulaufen, verzichtete Naruto auf diese nicht. Hier im Ort war es eindeutig nicht ratsam die beiden einfach laufen zu lassen, nicht nur weil sie kaum an der Straße stoppen würden um darauf zu warten diese sicher zu überqueren, sondern auch weil Erziehung schlicht noch ein Problem war, welches er nicht unter Kontrolle bekam. Sie gehorchten wenn sie Lust hatten und ignorierten ansonsten jeden Versuch von ihm sie irgendwie zu kontrollieren. Wie Sasuke es bei Rasengan schaffte, war ihm noch immer ein Rätsel. Er hatte nun aber auch keine Lust, die beiden recht freundlichen Rüden permanent von anderen Personen wegzerren zu müssen. Die ungewohnte Leine war da doch die bessere Alternative. Wobei ihm eine Idee kam.

 

„Hey, Taiki. Möchtest du Chidori halten?“, fragte er den kleinen Jungen und hielt ihm die Leine hin. Die großen Augen die er als Antwort bekam waren herzerwärmend, das er dem Kind diesen Hund anvertraute hatte für ihn nun aber besondere Gründe. Chidori war sanft in seiner Natur, er war ruhig und vor allem hing er an dem Kind genauso wie Taiki an dem Hund hing. Naruto war sich sicher, dass Chidori nicht beginnen würde gegen die Leine an zu zerren, wenn Taiki ihn hielt, was ihm die Chance bot, Rasengan unter Kontrolle zu halten, der bereits jetzt aufgeregt um sie herum sprang und die Leinen mehr und mehr verhedderte. Was er nun wollte war, Taiki etwas anzuvertrauen, was ihm viel bedeutete. Er wollte ihm zeigen, dass er ihm vertraute und das er fand, dass er groß genug war um diese Aufgabe sehr gut zu meistern. Soweit er wusste, tat Kindern das ganz gut und gerade wo Taiki sich scheinbar gefangen hatte, wollte er umso mehr das Band neu spannen, welches sie im letzten Winter verbunden hatte.

 

Vorsichtig enthedderte er die Leinen und reichte Chidoris schließlich Taiki. „Hier, halte sie in der rechten Hand, dann kannst du mit der linken Hand sein Halsband fassen.“, erklärte er dem Kind und half ihm dabei, den Hund richtig zu fassen. Erst als Taiki Chidori richtig hielt, nahm er selbst Rasengan an die kurze Leine und zusammen setzten sie sich in Bewegung, um den Parkplatz zu verlassen und zum Markt zu kommen. Das seine Idee nicht schlecht gewesen war, sah er recht schnell. Chidori machte keine mucken als sie die belebte Straße betraten, wo Rasengan eindeutig sie etwas abschauen konnte, der Naruto einiges an Kraft abverlangte, um den Hund halten zu können. Nein, Chidori lief brav neben Taiki her, passte sich dessen Tempo an, aber was Naruto am meisten gefiel, war der stolze Blick des Jungen, der diesen riesigen Hund lenkte.

 

Als sie den Markt erreichten, liefen sie nebeneinander durch die Reihen der einzelnen Stände. Allerlei Obst, Gemüse, frische Backwaren, Fisch und Fleisch wurde angeboten. Hier und da riefen die Verkäufer der einzelnen Stände lauthals was sie im Angebot hatten. Naruto ließ sich Zeit die einzelnen Stände genauer in Augenschein zu nehmen, verhandelte hier und da mit einem der Verkäufer, wovon einige ihm durchaus bekannt waren. Die meisten hier kamen aus der Gegend und Naruto hatte sie auf einen der vielen Feste kennengelernt.

 

Er traf Betty, die selbst einkaufte und kaufte bei dem Bauern, von dem er Rasengan und Chidori hatte einiges an Gemüse. Für einen Moment blieben sie stehen und unterhielten sich, wobei Taiki neugierig zu ihnen aufschaute. Nicht einmal ließ er Chidori los. Betty fand das herzlich und kurz informierte er die Frau, warum der Junge bei ihm war. Sie seufzte leise und erklärte ihm, dass es kaum verwunderlich war. Sie streckte die Hand aus, um dem Jungen leicht durch das Haar zu fahren. „Er hat viel erlebt, das ist für uns schon nicht leicht zu verdauen.“, meinte sie mitfühlend, bevor sie die Hand auf Narutos Schulter legte. „Aber ich bin mir sicher, du bekommst das hin.“, meinte sie, zwinkerte ihm zu, ehe sie sich verabschiedete, auch wenn sie versprach die Tage einmal bei ihnen vorbei zu kommen um sicher zu stellen, dass das Kind anständige Mahlzeiten bekam. Naruto lachte leise. Es war in ihrer Nachbarschaft kein Geheimnis, dass er regelrecht versorgt wurde, einerseits weil er wirklich nicht der beste Koch war, andererseits aber auch weil er schlicht zu faul war für sich selbst zu kochen. Jetzt mit Taiki im Haus war das eindeutig etwas anderes.

 

Zusammen gingen sie weiter, während Naruto Taiki aufklärte, dass Betty Angst hatte, dass er nichts richtiges zu Essen bekam. Taiki blickte schüchtern kurz zu Boden, ehe er den Kopf schüttelte. Naruto freute das und so griff er automatisch nach dem Kind um ihn wie Betty zuvor, durch das Haar zu wuscheln. „Sie ist eine tolle Köchin, danach wirst du nichts anderes haben wollen.“, meinte er vergnügt. Die Frauen Irlands schienen das im Blut zu haben, oder wenigstens jene, die er kennengelernt hatte und die ihm vom Alter her bereits überholt hatten.

 

Langsam liefen sie weiter, bis sie alles zusammen hatten, was sie für die nächsten Tage brauchten. An einem Stand bekam Taiki sogar einen runden, roten Apfel geschenkt, den er zuvor mit Interesse angeschaut hatte. Naruto verstaute ihn bei den restlichen Einkäufen und bedankte sich.

 

Nachdem sie ihre Einkäufe zusammen hatten, liefen sie gemächlich zum Wagen zurück, wo Naruto die beiden Hunde verstaute und dafür sorgte, dass auch Taiki sicher saß. „Hier, du hast Hunger, oder?“, fragte er nach und reichte dem Jungen den Apfel, den er zuvor bekommen hatte. Taiki zeigte ein leichtes Lächeln, ehe er in die reife Frucht biss. Naruto gefiel dieser Anblick eindeutig besser wie jener, der in den letzten Tagen geherrscht hatte. „Wir müssen die Einkäufe zurückbringen.“, klärte er den Jungen schließlich auf, während er bereits dabei war den Wagen vom Parkplatz zurück in den Verkehr zu lenken. „Das Fleisch was wir gekauft haben wird sonst schlecht. Aber du kannst im Wagen bleiben, während ich es rein bringe. Danach fahren wir weiter.“, teilte er den Plan für den Tag mit.

 

Die restliche Fahr über war er eher still, Taiki konzentrierte sich ganz auf den Apfel, den er nach und nach verspeiste. Als er endlich vor dem Haus ankam, war von der Frucht nichts mehr zu sehen. „Bin gleich wieder da.“, erklärte er, ließ den Motor laufen und holte nur aus dem Kofferraum die Einkäufe, um sie in das Haus zu tragen. Er stellte sie auf den Tisch, suchte das Fleisch heraus, welches er schließlich in den Kühlschrank legte. Den Rest ließ er wie er war, das würde nicht schlecht werden und er konnte sich darum kümmern, wenn er zurück war. Zufrieden nickte er und verließ das Haus wieder, damit sie sich einen guten Platz suchen konnten um die Hunde laufen zu lassen.

 
 

***

 

Naruto fuhr recht weit, bis er eine Gegend erreichte, die er zuvor zwar durchkreuzt hatte, aber nie die Gelegenheit genutzt hatte um anzuhalten und sich etwas umzusehen. Die Straße war – wie bei seinem Haus- unbefestigt, an beiden Seiten schoss das Gras in die Höhe, ein sicheres Anzeichen dafür, dass hier nicht gerade regelmäßig Verkehr herrschte. Er fand einen guten Platz wo er den Wagen sicher abstellen konnte, stieg aus und öffnete die Türen, um Kind und Hunde hinaus zu lassen. Rasengan schoss sofort aus dem Wagen und hechtete in die Wiese hinein, Chidori folgte, wenn auch etwas gesitteter. Naruto lachte leise.

 

„Ich glaube hier in der Nähe gab es einen Bach.“, erklärte er und deutete Richtung Wald. Wenn er sich recht erinnerte, führte eine kleine, recht unsicher aussehende Brücke über den Bach, ein gutes Stück die Straße entlang. Man sah es durch das hohe Gras nicht, aber im Grunde spielte es keine Rolle. „Hast du schon einmal Fische gesehen? Also draußen, nicht in einem Aquarium?“, fragte er nach und hielt Taiki die Hand hin, der diese sofort ergriff, ihn anblickte und sacht den Kopf schüttelte. „Na dann komm. Das Wetter ist herrlich, wir sollten einiges zu sehen bekommen, wenn wir Glück haben.“

 

Naruto war zufrieden, entspannt und er freute sich eindeutig, dass Taiki scheinbar das Heimweh überwunden hatte. Vorerst zumindest. Naruto war nicht so naiv zu glauben, dass es das letzte Mal sein würde, dass der Junge sich nach seiner Heimat, seinem Vater und wohl auch nach seiner Schwester sehnen würde. Es war schwer nichts dagegen tun zu können, aber vermutlich war diese Trennung wirklich besser, als wenn Sasuke und wohl auch Keiko ebenfalls hier wären. Er glaubte daran.

 

Zusammen gingen sie langsam durch das hohe Gras, wobei Taiki dank seiner Größe seine Probleme hatte. Das Gras wucherte in die Höhe, niemand schien hier dafür zu sorgen, dass es einigermaßen kurz gehalten wurde. An manchen Stellen überragte es den Jungen sogar deutlich. Es kitzelte ihm im Gesicht, den Beinen, die an diesem Tag in kurzen Hosen steckten. Als Naruto das bewusst wurde, ermahnte er sich, später den Jungen genau anzusehen. Dieses Gras war nicht ganz ungefährlich, nicht in dieser Jahreszeit und Naruto wusste nicht, ob Taiki entsprechend versorgt worden war. Er nahm sich vor, Sasuke später anzurufen um da sicher gehen zu können. Das Letzte was sie wollten war schließlich, dass Taiki sich etwas einfing, was nicht gerade ungefährlich war.

 

Chidori und Rasengan tollten um sie herum, bis sie das kleine Wäldchen erreichten. Es war winzig, man konnte von einer Seite zur anderen sehen, dennoch wurde es als Wald bezeichnet. Als Naruto so etwas das erste Mal gesehen hatte, hatte er nicht verstehen können, dass man es als Wald sah und sogar einen Namen bekommen hatte. Für ihn war es eher eine Ansammlung von vielleicht 100 Bäumen, die dicht beieinander standen. Ein Wald war für ihn einfach etwas anderes.

 

Auf der anderen Seite des Waldes war das Gras wieder niedriger und endlich erreichten sie den Bach, den Naruto in Erinnerung gehabt hatte. Er schlängelte sich durch die Wiese, sein klares Wasser glitzerte in der Sonne. Wie nicht anders zu erwarten, sprang Rasengan in das Wasser und tollte dort herum. Der Rüde schnappte nach dem Wasser, bellte und sprang von einer Seite zur anderen, offensichtlich genießend, so spielen zu können. Naruto musste leise lachen. Die beiden Hunde waren keine Welpen mehr, aber wie es aussah, wollte vor allem Rasengan gar nicht erwachsen werden. Es störte ihn allerdings auch nicht. Abgesehen von Momenten, wo es wirklich besser wäre, wenn Rasengan etwas von Chidoris ruhiger Art hätte, mochte er den aufgeweckten Hund sehr. Was alle anderen sagten und was er selbst ja auch mittlerweile erkannt hatte, ließ sich kaum abstreiten. Rasengan war ihm sehr ähnlich, voller Energie, ausgelassen. Zumindest seinem Ich, welches er früher gehabt hatte.

 

„Lass uns etwas aufwärts gehen, Rasengan wird alle Fisch hier unten verscheuchen.“, schlug er deswegen vergnügt vor und so liefen sie langsam den Bach entlang, bis Taiki plötzlich stehen blieb. „Naruto, schau!“, rief er aufgeregt und deutete zu dem Bach. Ein kleiner Schwarm Fische tummelte sich zwischen den Steinen, pickten immer wieder in den sandigen Boden, offensichtlich auf der Suche nach Futter. Es war das erste Mal, dass Taiki so offen auf ihn reagierte, das er sprach und Naruto war froh, dass er diesen Ausflug gemacht hatte,. Ganz gleich wie es weiter ging, dieser eine Moment war schon genug um es nicht bereuen zu können. Er trat auf Taiki zu, kniete sich neben ihn und nickte leicht. „Das sind noch Babys.“, erklärte er dem Jungen, der fasziniert auf die kleinen Fisch starrte. „Sie werden ungefähr so groß wie meine Handfläche – ohne die Finger.“, erklärte er weiter und streckte diese aus, damit Taiki den Vergleich hatte.

 

Es faszinierte ihn, wie lebendig Taiki plötzlich wirkte. Es sah für den Moment so aus, als wenn all der Kummer, sogar seine schüchterne Art vollkommen weggewischt worden war. Sie existierte nicht einmal mehr. Selbst im Winter war Taiki nicht so aufgetaut, unter anderen Umständen würde Naruto bereuen, dass er dort nicht auf diese Idee gekommen war. Allerdings hätten sie im Winter kaum etwas zu sehen bekommen. „Es gibt noch viel mehr Tiere hier, kleine Krebse, sogar Frösche sieht man immer wieder.“, erzählte er dem Jungen und ließ ihm Zeit, die Fische zu beobachten, die in Ruhe weiter nach etwas suchten, was sie fressen konnten.

 

Sie blieben, bis Taiki genug hatte und von selbst weiter den Bach entlang lief.

 

Das was er zu sehen bekam, war eher das Bild, was er von einem Kind in Taikis Alter haben wollte. Der Junge lief immer ein paar Schritte vor ihm, den Blick interessiert auf den Bach gerichtet, nur um hier und da stehen zu bleiben und etwas was sein Interesse geweckt hatte genauer anzusehen. Sie sahen weitere Fische, sogar Frösche fanden sie, die Taiki versuchte zu fangen.

 

Das Kind war ausgelassen, es war Kind und die sonst so ernste Art die er hatte war vollkommen verschwunden. Er mochte noch immer nicht reden was ihn belastete aber für den Moment war das nicht einmal schlimm. Taiki hatte Spaß und das war sogar mehr wert als schnell herauszufinden, was den kleinen Jungen so belastete, dass er sogar seine Schwester angegriffen hatte.

 

Sie blieben recht lange und erst als Taiki deutliche Anzeichen von Müdigkeit zeigte, riefen sie die nassen Hunde zu sich, um gemeinsam zum Wagen zurück zu gehen, wo Taiki ihm half die beiden notdürftig zu trocknen, auch wenn er Schwierigkeiten hatte die Augen offen zu halten. Auf der Fahrt zurück schlief Taiki ein und das entspannte, zufriedene Gesicht veranlasste Naruto immer wieder dazu, einen Blick auf das Kind zu werfen. Es ging bergauf. In kleinen Schritten, aber unbestreitbar bergauf.

 
 

***

 

„... was zum Teufel macht ihr da?“

 

Naruto lachte lauthals auf, als er Sasukes Gesichtsausdruck sah, der sie über die Kamera des Laptops betrachtete. Er hatte angerufen und Naruto hatte nicht weiter nachgedacht und den Anruf angenommen, obwohl sie beide nicht mehr wie ihre Unterhosen trugen. Er kam nicht einmal dazu zu antworten, so sehr amüsierte ihn der Ausdruck seines besten Freundes.

 

Taiki war es schließlich, der scheu die Zange griff und das was darin hing in die Kamera hielt. „Zecken.“, wisperte er leise, unsicher wie er sich verhalten sollte. Es beruhigte Naruto schnell genug, dass er Taiki über den Kopf streichen konnte. „Wir waren heute draußen und das Gras war hoch. Es war sicherer nachzuschauen. Taiki hatte nur eine, ich hingegen sechs.“, gab er zu und seufzte leise. „Was mich zu der Frage bringt, ob er entsprechend geimpft ist.“ Als Sasuke leicht nickte, atmete er erleichtert aus. Zecken waren nicht ungefährlich, es war entsprechend gut, dass Taiki die entsprechenden Impfungen bekommen hatte. Wäre es anders, würde er am nächsten Morgen eindeutig zum Arzt fahren müssen.

 

„Warum erzählst du deinem Vater nicht was du alles gesehen hast und ich mache das Essen fertig?!“, schlug er schließlich vor und griff ach der frischen Kleidung, die er zuvor runter geholt hatte. Schnell schlüpfte er in seine und sammelte alles zusammen was sie gebraucht hatten, um damit in die Küche zu verschwinden. Er warf einen Blick über die Schulter und stellte erleichtert fest, dass Taiki leise auf das antwortete, was sein Vater ihn fragte. Eindeutig bergauf, daran gab es keinen Zweifel mehr.

 

In der Küche angekommen entsorgte er die Zecken die sie gefunden hatten, wusch sich die Hände und machte sich dann an das Essen. Er lauschte nicht, aber es gefiel ihm, dass er beide aus dem Wohnzimmer hören konnte. Es war ein ruhiges Gespräch, eines was dieses Mal nicht komplett einseitig verlief. Seine Entscheidung den Tag zu nutzen um etwas Spaß zu haben war demnach richtig gewesen. Was seinen Blick erneut zu dem lenkte, was sich seinen Garten schimpfte. Die Lust daran endlich zu arbeiten war an diesem Tag deutlich gesteigert. Er hatte Lust das hohe Gras endlich zu beseitigen, den Zaun zu richten und vielleicht einige kleinere Beete anzulegen. Taiki zeigte was die Natur anging viel Interesse und er fragte sich, ob Taiki Spaß daran hätte hier sein eigenes Gemüse zu ziehen. Es wäre nur für eine kurze Zeit, aber das war besser wie gar nichts.

 

Aber erst einmal zählte eindeutig, dass sie beide etwas in den Magen bekamen. Es war später Nachmittag und abgesehen von dem Frühstück – und in Taikis Fall ein zusätzlicher Apfel – hatte ihr Magen an dem Tag nichts zu tun gehabt und langsam bekam auch Naruto ziemlichen Hunger. So stürzte er sich in die Arbeit, schnippelte, kochte und briet was das Zeug hielt, bis er etwas zusammen gewürfelt hatte, was nicht zu schlecht aussah um es auch zu essen. Mit der Zeit wurde er immer besser und Taiki gewöhnte sich mehr und mehr an die irische Küche, die Naruto mittlerweile nutzte. Es schmeckte nicht schlecht und so tat er ihnen jeweils etwas auf, bevor er mit den Tellern in das Wohnzimmer ging, wo Taiki noch immer mit Sasuke beschäftigt war.

 

„Solltet ihr nicht langsam Schluss machen?“, fragte er mit einem Blick auf die Uhr. In Japan war es mitten in der Nacht, wie ihm nun bewusst wurde. Es war mitten in der Woche und Sasuke musste sicherlich früh am Morgen in die Firma um seine Arbeit zu machen. Eigentlich war es bereits viel zu spät für dieses Telefonat. Sasuke nickte leicht und schaute kurz zur Seite, ehe auch er nickte. „Ich muss in vier Stunden wieder hoch.“, gab er zu. „Aber ich würde gerne mehr erfahren. Ruft ihr an wenn ihr aufsteht?“, fragte er nach und Naruto nickte leicht. „Natürlich. Vielleicht sollten wir das in Zukunft immer so machen. Das du dir die Nächte um die Ohren schlägst ist auf Dauer nicht gut.“ Sasuke schenkte ihm einen Blick, der mehr als deutlich zeigte, dass er angefressen war. Er wurde allerdings sanfter, als Taiki ein leises Glucksen nicht unterdrücken konnte.

 

„Es hat mich gefreut zu telefonieren. Morgen kannst du mir sicher mehr von dem Markt erzählen, bei dem ihr gewesen seid.“, meinte er schließlich und nickte, als Taiki es ebenfalls tat. „Dann bis morgen... schlaf gut, Taiki“, verabschiedete er sich und nach einem letzten Blick auf seinen Sohn unterbrach er die Verbindung. Naruto klappte den Bildschirm runter und dirigierte Taiki zu seinem Teller. „Na komm, iss. Danach machen wir noch eine kleine Aufgabe und dann geht es ins Bett.“, schlug er vor, selbst ein wenig müde von diesem Tag. Auf der anderen Seite hatte er nicht übel Lust ein wenig zu schreiben. Er war inspiriert wie schon lange nicht mehr und diese Phasen nutze er gerne aus. Es war stets ein Bangen, wann es wieder so weit war und da war es nicht sehr ratsam, die raren Momente nicht zu nutzen.

 

Letzten Endes kam es nicht mehr dazu, dass sie sich an Taikis Aufgaben setzten. Schon beim Essen wurde offensichtlich, dass Taiki Schwierigkeiten hatte die Augen auf zu halten und so schickte Naruto den Jungen in sein Bett, als er mit dem Essen fertig war. Er selbst räumte auf und als er anschließend nach dem Kind sah, lag dieser bereits im Bett, die beiden Hunde neben sich und schlief tief und fest. Wie es schien, hatte der Tag wirklich einiges an Kraft gekostet und auch wenn es Naruto nicht anders erging, verschwand er in sein Arbeitszimmer um wenigstens noch ein Stündchen zu schreiben, bevor auch er sich hinlegte.

 
 

* *** *

 

Die beiden Drachen blieben verschwunden und mit jeder Stunde, in der sie keine Ahnung hatten wo sie steckten, stieg die Sorge in ihnen. Auch als der Abend anbrach, hatten sie keine Ahnung wo die beiden waren, was geschehen war. Sie konnten nicht einmal sagen ob die beiden Drachen von selbst aufgebrochen waren oder ob am sie dazu gebracht hatte zu fliehen.

 

Sie konnten allerdings auch nichts machen. Ihnen blieb nur sich zurück zu ziehen und zu hoffen, dass sie am kommenden Tag etwas erfahren würden. Namaki hoffte es. Sein Drache war nicht einfach ein Tier, sie waren in all der Zeit zusammen gewachsen und die Unsicherheit über dessen Verbleib nagte sehr an dem Mann.

 
 

***

 

Was ihn mitten in der Nacht geweckt hatte, konnte Namaki nicht einmal im ersten Moment sagen, zumindest bis zu dem Moment nicht, wo eine Hand sich auf sein Mund legte. Seine Augen hatten sich an die Umgebung gewöhnt und schnell nahm er Saiha auf, die neben ihm hockte und einen Finger an ihre Lippen gelegt hatte. Namaki nickte leicht und als die Frau die Hand weg zog, richtete er sich langsam auf.

 

Saiha entfernte sich einige Schritte, nickte tiefer in den Wald hinein, ihm zeigend, dass er ihr folgen sollte. Was er auch tat.

 

Schnell erkannte er, dass sie auf den Weg waren zu der Lichtung, die ein ganzes Stück von ihrem Camp entfernt lag. Nur sehr selten liefen sie so weit um frisches Wasser und Holz zu sammeln-Oder Beeren, die dort im Überfluss zu wachsen schienen.

 

Als sie allerdings näher kamen, konnte Namaki die seltsamen Geräusche nicht mehr ausblenden. Ein tiefes Grollen, leise zischende Laute die ihm irgendwie vertraut und doch vollkommen fremd waren. Er runzelte leicht die Stirn, als sie sich ihren weg voran bahnten, dem schmalen Pfad folgend, der nur sehr spärlich von dem Licht des Mondes beleuchtet war, welches es schaffte sich durch das dichte Blätterdach der Bäume zu stehlen. Dann endete der Wald regelrecht und vor ihnen tat sich die Lichtung auf, ein kleiner Bach schlängelte sich durch die Wiese, Büsche voller Beeren lockten einen dazu sich den Bauch vollzuschlagen. Hier konnte der Mond sein komplettes Licht entfalten, womit es fast schon helllichter Tag war.

 

Und mitten auf der Lichtung waren Tilarodon und Jinalatira in einer mehr als eindeutigen Situation.

 

Namaki hatte in seiner Ausbildung die Station besucht, wo Drachen gezüchtet wurden. Er wusste wie es passierte, dass es nicht einmal dem der Menschen unähnlich war. Er hatte allerdings auch noch nie zwei Drachen gesehen, die scheinbar mehr füreinander empfanden und dazu noch so groß waren.Während jeder Deckakt in der Zuchtstation schnell und simpel gewesen war, ließen die beiden Drachen sich Zeit. Das grollen, welches von Tilarodon kam, sprach von Zuneigung. Es hatte einen beruhigenden Klang, während er auf dem Weibchen thronte, sich in einem sinnlichen Akt mit ihr vereinte, welches sie mit Wonne erwiderte.

 

Das hier war kein simpler Akt um ein Ei zu befruchten, welches Jinalatira in einigen Tagen legen würde. Es war weit mehr, es war Zärtlichkeit, von den sanften, langsamen Stößen, mit denen Tilarodon sie wieder und wieder vereinte, dem zärtlichen nibbeln, auch wenn die messerscharfen Zähne etwas anderes denken ließen, dem leichten flattern der Flügel, mit denen sie ihr Gleichgewicht hielten. Tilarodons Tempo steigerte sich, bis ein leichtes Zittern durch beide Drachen ging, offensichtlich genießend, einen Höhepunkt erlangt zu haben. Für Sekunden hörte man nur den schnaufenden Atem der beiden, ehe der sinnliche Tanz von neuem begann, deutlich sichtbar, dass es nicht der letzte sein würde in dieser Nacht.

 

Das hier war kein simpler Akt um Nachwuchs zu zeugen, es war tiefer, fester wie alles was Namaki je zuvor gesehen hatte. Es erfüllte einen mit einer tiefen Zufriedenheit die man nicht wieder hergeben wollte.

 

Doch ganz gleich wie positiv die Empfindungen waren, sie hinterließen einen schalen Beigeschmack. Es durfte nicht sein, wenn das Ei gelegt war, würde es zerstört werden, weil kein Drache sich eigenständig fortpflanzen durfte. Es schnürte Namaki die Luft ab, ließ sein Herz sich schmerzhaft zusammen ziehen und den Wunsch aufkommen, zu schützen was vor ihren Augen deutlich zu sehen war.

 

Leise, um die beiden nicht in ihrem Akt zu stören, zogen die beiden sich zurück. Schweigend, mit den verwirrenden Gedanken die sie erfüllten, liefen sie zu ihrem Lager zurück, wie sie sich wie in Trance nebeneinander nieder ließen.

 

Keiner vermochte zu sagen, was der neue Tag brachte, was sie tun konnten um zu schützen was gerade geschah. Sie mussten nicht einmal darüber reden, ein einziger Blick reichte um zu erkennen, dass sie beide das Gleiche empfanden, den gleichen Wunsch hegten und in dem Wissen, dass es nahezu unmöglich war, den gleichen Schmerz empfanden.

 

In dieser Nacht rutschte Saiha schweigend an Namaki heran, ließ zu, dass dieser sie festhielt, schmiegte sich tief in die Umarmung die ihr Geborgenheit und Sicherheit gab. Auch hier sprachen sie nicht drüber. Sie wussten es war einmalig, sobald der neue Morgen anbrach, würde auch dieser Moment zerplatzen wie eine Seifenblase auf die zu viel Druck ausgeübt wurde und es würde sein, als wenn es nie geschehen war.

 

Sie beide hatten nichts dagegen.

 
 

* *** *

 

Bis Narutos Tatendrang wirklich sich durchsetzte, vergingen noch gute drei Wochen, die ein stetiges auf und ab waren. Taiki war eindeutig offener, reagierte mehr auf ihn, aber noch immer war das was geschehen war ein regelrechtes Tabu, welches man umschiffen sollte, wenn man nicht wollte, dass Taiki sich wieder versperrte. Einmal hatte er versucht den Jungen direkt darauf anzusprechen, nur damit Taiki den restlichen Tag in sein Zimmer verschwunden war und sich geweigert hatte mit ihm zu reden. Dabei war es nicht einmal Trotz, den Naruto in dem Kind erkannt hatte, sondern eher Unsicherheit und zu einem teil wohl auch Scham. Er nahm an, dass Taiki sich wirklich dafür schämte, seine Schwester verletzt zu haben, auch wenn es dafür keinen Grund gab. Es war ein Unfall, nach wie vor weigerte Naruto sich zu glauben, dass Taiki seiner Schwester bewusst hatte schaden wollen. Taiki war vermutlich nicht einmal in der Lage so viel negatives zu fühlen.

 

Was sich ebenfalls eingeschlichen hatte, war Betty, die mindestens drei Mal die Woche bei ihnen rein schneite und half das Essen auf den Tisch zu bringen. Auch wenn Naruto am Anfang protestiert hatte, sah er ihre Gesellschaft mittlerweile gerne. Sie war eine lebensfrohe Frau die es leicht schaffte Taiki mit einzubeziehen – und Naruto ebenfalls. Er hatte einiges gelernt, aber genauso seine Grenzen kennengelernt. Taiki hatte aber zugeben müssen, dass die Frau fabelhaft kochte und das er ihr Essen dem von Naruto vor zog, was er dem Jungen nicht übel nehmen konnte. Es war einfach besser.

 

Nun standen sie allerdings an einem Samstag Vormittag in dem verwilderten Garten, trugen beide Jeans und ein T-Shirt, vor ihnen waren einige Utensilien ausgebreitet, die sie am Tag zuvor besorgt hatten und von denen sie im Grunde keine Ahnung hatten wie genau sie verwendet wurden. Das Herzstück bildete eine Sichel, die der fleißige Verkäufer ihm angedreht hatte, mit dem Vermerk, dass ein einfacher Rasenmäher kaum gegen die Massen an hohem Gras ankam, die sich in den ganzen Jahren gebildet hatten. Im wagen lag noch das Holz, aus welchem er den Zaun formen würde. Zumindest das würde kaum ein Problem für ihn werden. Alles andere hingegen war mehr oder weniger Neuland.

 

„Ok, du fängst rechts an. Zupf alles mit der Hand raus, ich nutze links die Sense.“, schlug er schließlich vor. Es war nicht akzeptabel, den Jungen mit der Sense arbeiten zu lassen. Zum einem weil das Gerät viel zu gefährlich war, zum anderen, weil es zu schwer war, damit Taiki es halten konnte. Dieser schenkte ihm einen Blick, der ihn so sehr an Sasukes zweifelnden Gesichtsausdruck erinnerte, dass Naruto sich das Lachen verkneifen musste. „Das bekommen wir schon hin.“, redete er sich selbst gut zu und griff nach der Sense. Man hatte ihm gezeigt wie er sie zu halten und zu handhaben hatte, was aber nicht bedeutete, dass er nicht irgendwie nervös war. Er hatte nicht gerade Lust darauf sich oder Taiki damit zu verletzen, dennoch würde es leichter gehen, wenn sie die Arbeit teilten. Gerade weil Taiki zwar Zweifel gehabt hatte, dennoch dem Vorschlag zugestimmt hatte, den Garten endlich in Angriff zu nehmen. Entschlossen lief er zu der linken Seite, stellte sich richtig hin und schwang die Sense leicht. Zu seinem erstaunen ging es recht leicht. Er brauchte einen Moment um den richtigen Winkel zu finden, damit er die Sense richtig schwingen konnte, doch als er sich daran gewöhnt hatte, mähte er das Gras erstaunlich schnell ab.

 

Was nicht bedeutete, dass es nicht anstrengend war. Die Sommer in Irland waren mild, dennoch war es warm und die Arbeit die sie verrichteten war schweißtreibend. Es dauerte nicht lange, bis Narutos Shirt durchtränkt war, weshalb er es bei einer kurzen Trinkpause einfach auszog und in die offene Küchentür warf. Taiki musterte ihn, ehe er es ihm nachmachte, auch wenn er nicht halb so verschwitzt war. Naruto schmunzelte nur leicht und genoss das kühle Wasser, das er aus der Küche geholt hatte.

 

Anschließend arbeiteten sie weiter, sie schwiegen die meiste Zeit und als sie endlich sich näherten, trat Taiki zur Seite, damit Naruto das letzte Stück von dem hohen Gras befreien konnte. Sie hatten bewusst über die Grenze hinweg das Gras kurz gemäht, damit sie später bei dem Zaun keine Probleme haben würden. Zusammen entfernten sie sich ein Stück und schauten sich stolz an, was sie bereits geschafft hatten. Die Fläche war vorbereitet um später mit dem Rasenmäher alles auf eine gute Länge bringen zu können.

 

„Wie ich sehe, seid ihr Männer fleißig.“, meldete sich schließlich Betty, die in der Zwischenzeit gekommen war um ihnen etwas zu Essen zu machen. Sofort blickte Taiki zu der Frau und nickte stolz. „Das trifft sich gut, heute habe ich Sandwichs für euch, die gehen leichter runter, wenn man so hart arbeitet.“, erklärte sie vergnügt, trat hinaus und stellte den beladenen Teller auf den kleinen Tisch, der neben der Tür stand. „Die anderen werden in einer Stunde da sein, damit ihr den Zaun ziehen könnt.“, informierte sie Naruto, der bereits zugegriffen hatte und fleißig kaute.

 

Sie würden zu weit den Zaun ziehen können, aber es würde lange dauern. Als er sich endlich durchgerungen hatte den Garten zu richten, hatte er mit Betty darüber gesprochen und ihm war klar geworden, dass es lange dauern würde fertig zu werden, wenn sie wirklich alles alleine machten. So hatten sie umdisponiert und einige Nachbarn eingeladen um diesen Garten als Anlass zu nehmen ein kleines Nachbarschaftsfest nun auch bei ihm feiern zu können. Kinder würden kommen, Männer mit ihren Familien und wenn sie fertig waren, würden die Frauen dafür sorgen, dass sie gut was zwischen die Zähne bekamen, sie würden Musik hören und sich unterhalten. Es war schon etwas her, dass sie sich so getroffen hatten und Naruto gefiel die Idee, das dieses Mal er der Gastgeber war. Bisher war er da außen vor gewesen, einerseits weil sein Schreiben oft im Weg war um alles vorzubereiten, aber auch, weil sein Garten nicht nutzbar war und die meisten Feste fanden in den wärmeren Monaten statt. Die Iren waren keine Stubenhocker, es zog sie hinaus.

 

Auch Taiki langte ordentlich zu und als die anderen kamen, machten sie sich gemeinsam an die Arbeit, das Holz in den Garten zu schaffen. Sie arbeiteten Hand in Hand, gruben Löcher für die Pfeiler, die sie ausgossen nachdem die Pfeiler ausgerichtet worden waren um sie stabil zu bekommen. Taiki schien sich in dieser Gesellschaft wohl zu fühlen, er genoss vor allem die männliche Aufmerksamkeit, das Lob, die Anerkennung wie gut er mit anpackte. Das war die Zeit, in der Naruto sich etwas im Hintergrund hielt und lieber den Moment nutze um im Schatten sein Wasser zu trinken und sich mit den Frauen zu unterhalten, die ebenfalls nach und nach zu ihnen stießen. In der Küche konnte er bereits all die Leckereien sehen die es später geben würde.

 

„Er blüht richtig auf.“, bemerkte Betty schließlich, während sie sich neben Naruto in das Gras nieder ließ. Dieser nickte leicht. „Es wird mit jedem Tag leichter.“, gab er zu und ließ selbst Taiki nicht aus den Augen. Er musste leicht schmunzeln, als dieser breitbeinig einen der Pfeiler hielt und jedes Mal wenn man den großen Hammer darauf sinken ließ die Augen zu kniff. Die Männer mit denen Taiki zusammen arbeitete lobten ihn ausschweifend und auch wenn das Kind kein Wort verstand, strahlte er über das ganze Gesicht. Naruto gefiel dieser Anblick sehr.

 

„Sein Vater wird dir sehr dankbar sein.“, bemerkte Betty schließlich, was Naruto dazu veranlasste sie anzusehen und die Augen rollen zu lassen. Doch die Frau lachte herzhaft. „Nein, so meinte ich das nicht, auch wenn ich sicher bin mit dem was ich dir gesagt habe.“, erklärte sie. Naruto konnte nur widersprechen, aber er sparte die Energie lieber. Wie Itachi auch, war diese Frau niemand der sich reinreden ließ. Beide formten ihre Meinung und wichen davon nicht mehr ab. „Nach dem was du erzählt hast, wirkt der Junge nun wie ausgewechselt. Deswegen wird er dankbar sein.“, erklärte sie sich schließlich. Naruto seufzte leise.

 

„Schon.“, erwiderte er und fuhr sich durch die Haare. „Aber es bleibt dabei, dass er nicht darüber redet was wichtig ist. Eher zieht er sich zurück wenn man versucht da an ihn heranzukommen.“, gestand er. Es war durchaus frustrierend. Naruto wollte dem Jungen helfen, wollte ihm die Last von den schmalen Schultern nehmen, die Taiki offensichtlich mit sich herumschleppte. Aber er ließ ihn nicht. Nichts machen zu können war etwas, was Naruto nicht unbedingt konnte. Nicht wenn jemand ihm wirklich wichtig war und das war Taiki einfach.

 

Betty summte leise. „Fragen bringt nichts. Vermutlich hat er es euch schon gezeigt, ihr habt es nur nicht verstanden.“, meinte sie nachdenklich. „Alles was du tun kannst ist hinzuschauen, genau zu zuhören und die kleinen Signale deuten die er von sich gibt.“, meinte sie und richtete sich langsam wieder auf. „Wie ich sagte, du wärst ein toller Vater und ich bin mir sicher, dass du es hinbekommst. Vielleicht nicht heute aber der Moment wird kommen.“ Mit diesen Worten wendete sie sich ab und verschwand erneut in seine Küche, wo viele der anderen Nachbarn sich zusammengesetzt hatten und bereits begannen das Essen anzurichten, damit sie zulangen konnten wenn die Arbeit getan war.

 

Naruto hingegen blickte zu Taiki und fragte sich, ob es wirklich Signale gegeben hatte, die er nicht wahrgenommen hatte. Er hoffte es nicht.

 

Die Sonne ging bereits unter, als die Pfeiler endlich alle standen und ein Teil von ihnen war bereits durch Latten miteinander verbunden. Der Garten wirkte bereits ganz anders und den Rest würden sie am kommenden Tag auch alleine schaffen.

 

Taiki spielte etwas abseits mit einigen anderen Kindern, auch wenn seine schüchterne Ader immer wieder durch kam. Die anderen Kinder schienen davon aber nichts wissen zu wollen, sie zogen Taiki regelrecht mit sich und gaben dem Jungen keine große Gelegenheit sich dem gemeinsamen Spiel zu entziehen.

 

Rasengan, Chidori und einige andere Hunde liefen neugierig den neuen Pfad am begonnenen Zaun entlang und beschnüffelten jeden Pfeiler ausgiebig, während die erwachsenen zusammen standen und sich ausgelassen unterhielten. Es wurde viel gegessen und gelacht und bis alle sich verabschiedet hatten, war es bereits sehr spät in der Nacht.

 

Vorsichtig, um den erschöpften Taiki nicht zu wecken – der vor gut einer halben Stunde zu ihm gekommen, sich auf seinen Schoß gezogen und dort einfach eingeschlafen war, trug Naruto das Kind nach oben, um es so sanft wie möglich zumindest von der Hose und den Schuhen zu befreien. Das T-Shirt, welches Taiki am späten Nachmittag wieder angezogen hatte und welches ziemlich dreckig war, ließ er an. Die Bettwäsche konnte man waschen, da war Naruto nicht sehr zimperlich.

 

Kaum hatte er die Decke über das Kind gezogen, sprang Chidori vor den Jungen und ließ sich nieder. „Pass gut auf ihn auf.“, murmelte Naruto leise und streichelte den Rüden kurz, während auch Rasengan seinen Platz in Taikis Bett einnahm. Es war ein niedliches Bild, wie der zierliche Junge zwischen den beiden riesigen Rüden lag und friedlich schlief. Leise verließ Naruto schließlich das Zimmer und selbst ins Bett zu kommen.Wie müde auch er war, bemerkte er in dem Moment, wo es ihm ebenfalls zu viel war sich noch auszuziehen. Nur die Schuhe landeten vor dem Bett, ehe er sich in Jeans auf dem Bett zusammen rollte und schneller eingeschlafen war, als er es für möglich gehalten hatte.

 
 

***

 

In den folgenden Tagen richteten Naruto und Taiki den Zaun und steckten schließlich Beete ab, die sie komplett von dem Rasen befreiten. An einem Nachmittag fuhren sie sogar noch einmal in den Ort um Samen zu kaufen, wobei Naruto es Taiki überließ, was genau sie anpflanzen wollten. Seit sie den Zaun gesetzt hatten, schien Taki sich aber erneut zurück zu ziehen. Er starrte oft lange Zeit vor sich hin und reagierte kein Stück, wenn man ihn ansprach. Wenn er einen dann doch bemerkte, wirkte er überrascht, als wenn er nicht mitbekommen hätte, dass man ihn angesprochen hatte.

 

Mit den Samen bewaffnet saßen sie schließlich zusammen in den nun gepflegten Garten und studierten die Gebrauchsanweisung. Taiki hatte sich für allerlei Gemüse entschieden, von dem Naruto wusste, dass er den größten Teil davon wirklich mochte. Aber sie beide hatten keine Erfahrungen auf diesem Gebiet und Naruto hegte ernste Zweifel, dass mehr als Unkraut die neu angelegten Beete bevölkern würden. Er fragte sich aber auch, ob es wirklich wichtig war die Zeit zu beachten, wo man sähen sollte. Letzten Endes schob er es von sich. Entweder würden das Zeug wachsen oder eben nicht.

 

Sie waren schon eine ganze Weile dabei, als Taikis Bewegungen fahriger wurden und er erneut begann vor sich hin zu starren, offensichtlich ohne dabei etwas um sich herum wahrzunehmen. Naruto ließ ihn. Er konnte kaum etwas dagegen machen und er wollte den Jungen nicht unter Druck setzen. Das dieses Mal aber etwas anders war, bemerkte er in dem Moment, wo Taiki den Kopf schüttelte und leise seufzte. Er wendete den Blick ab, schob die Erde von einer Seite zur anderen, bevor er vorsichtig zu Naruto schielte, als wenn er sich wegen irgendetwas vergewissern wollte. Naruto fiel es schwer so zu tun, als wenn er nichts bemerkte, dennoch stach er fleißig kleine Löcher, in die Taiki die Samen legen und schließlich diese wieder füllen sollte.

 

Es dauerte, doch schließlich brach der Junge das Schweigen.

 

„Naruto?“, fragte er schließlich leise, woraufhin dieser leise brummte. Taiki spannte sich neben ihn an, begann erneut damit die Erde unkoordiniert durch die Gegend zu schieben, ehe er eine Handvoll ergriff, als wenn er sich davon einen Haltepunkt erhoffte. „Wirst du...“, begann er und Naruto konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie er sich auf die Lippe biss. Schließlich schloss er die Augen fest und holte tief Luft.

 

„Wirst du auch gehen?“, fragte er schließlich eilig, fast schon gehetzt, als wenn er fürchtete, dass er diese Frage nicht stellen konnte, wenn er es nicht so schnell wie möglich hinter sich brachte. Narutos Hände erstarrten in ihrer Bewegung und für einen Moment runzelte er die Stirn, ehe er doch direkt zu Taiki schaute, ihm einen verwirrten Blick schenkte. „Warum sollte ich gehen?“, fragte er vorsichtig nach, nicht sicher auf was der Junge hinaus wollte. Taiki zuckte leicht mit den Schultern und begann erneut damit, seine Finger mit der Erde zu beschäftigen. Auch wenn er wusste was er tun sollte, so konnte Naruto nicht einfach darüber hinwegsehen, was Taiki gerade gefragt hatte. Er überlegte fieberhaft, was der Hintergrund sein konnte, was Taiki veranlasste diese Frage zu stellen, was der Auslöser war, dass Taiki genau das befürchtete.

 

Erneut biss der kleine Junge sich auf die Lippen und sein Kopf senkte sich weiter hinab. Taiki schien sich regelrecht in sich selbst verkriechen zu wollen, auch wenn das vollkommen unmöglich war. „Hey!“, sprach Naruto das Kind leise an, rückte näher an dieses heran um ihm sanft durch die Haare zu fahren. „Ich habe nicht vor zu gehen, aber ich verstehe auch nicht, warum du das glaubst!“, redete er ruhig weiter, versuchte irgendwie Taiki aus seinem Schneckenhaus zu locken um verstehen zu können, was in dem Kind vor ging. Erneut zuckte dieser leicht mit den Schultern. „Papa hat gesagt, dass du weg läufst und du hast Papa sehr lieb.“, erklärte Taiki und zuckte unsicher erneut mit den Schultern.

 

Naruto hingegen fühlte sich, als wenn man einen Eimer voller Eiswasser über ihm ausgeleert hätte. Sein Magen begann zu rebellieren und seine Gedanken überschlugen sich, als er sich panisch fragte, wie Taiki herausgefunden hatte was er für Sasuke empfand. Es konnte und es durfte nicht sein.

 

So schnell diese Gefühle aufgewallt waren, so schnell wurden sie aber auch wieder besänftigt, als Naruto realisierte, dass Taiki kaum von seinen tiefen Gefühlen von Sasuke wissen konnte. Er war sich nicht einmal sicher, ob Kinder in diesem Alter das Konzept von Liebe komplett verstanden. Es war wohl eher undenkbar. In dem Moment wo er sich beruhigte, realisierte er aber auch die Kernaussage von dem, was Taiki ihm gesagt hatte. Wenn man jemanden sehr mochte, ging man irgendwann. Es war nicht einmal schwer zu verstehen, wenn man bedachte, dass dieses Kind vor nicht einmal einem Jahr seine Mutter verloren hatte, von der er wohl genauso wusste, dass sie seinen Papa sehr lieb gehabt hatte. Es machte Sinn und es warf ein ganz neues Licht darauf, dass Taiki versucht hatte sich von ihm zu distanzieren. Er fürchtete, dass er erneut jemanden verlieren würde. „Glaubst du deine Mama musste gehen, weil sie deinen Papa so lieb gehabt hat? Und euch auch?“, fragte er vorsichtig nach, reagierte prompt als der kleine Junge sich komplett versteifte.

 

Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er Taiki auf seinen Schoß und wiegte ihn leicht hin und her. „Deine Mama wollte nicht gehen.“, erklärte er sanft. „Manchmal wird man aber nicht gefragt und muss gehen. Aber ich kann dir versprechen, dass ich immer da sein werde, wenn man mich lässt. Leider kann man manches nicht selbst entscheiden, Taiki.“, erklärte er sanft und festigte seinen Griff, als dieser begann zu zittern. Es dauerte nicht lange, bis Taiki bitterlich zu weinen begann und es schnürte Naruto die Kehle zu nun verstanden zu haben, was Taiki in den letzten Tagen so beschäftigt hatte. Eines war klar, wenn er zurück war, sollte er weiter zu dem Psychologen gehen, denn den Verlust seiner Mutter hatte er noch nicht einmal in Ansatz begonnen zu verarbeiten.

 

Später in der Nacht, als Taiki bereits wieder im Bett lag und tief und fest schlief, saß Naruto in seinem Arbeitszimmer und telefonierte leise mit Sasuke, um ihm zu sagen was an dem Tag passiert war. Er fand es einfach wichtig, denn wie er schnell bestätigt bekam, war auch Sasuke nicht klar gewesen, wie tief die Wunden waren die der Verlust bei Taiki hinterlassen hatte. Keiko war da eindeutig anders. Naruto glaubte durchaus, dass auch sie noch Phasen hatte, wo sie Trauer empfand, aber er glaubte genauso, dass sie sich solche Fragen nicht stellte und akzeptiert hatte, dass ihre Mutter nicht zurückkommen würde.

 

„Vielleicht solltet ihr alle ein Gespräch mit Taikis Psychologen führen.“, erklärte Naruto schließlich nachdenklich, wohl wissend, dass Sasuke kaum begeistert sein würde. Der Uchiha war ein eher privater Mensch und mochte es kein Stück, wenn andere ihre Nase in seine Angelegenheiten steckten. Als Außenstehender und als Sasukes bester Freund wusste Naruto aber auch, dass alle drei Narben davongetragen hatten und das es Taiki genauso helfen würde zu sehen, dass er nicht alleine war, wie es Keiko festigen und Sasuke heilen konnte. Sie waren nicht alleine mit dem was sie empfanden und diese Familie hatte eindeutig ihre Probleme Gefühle zu teilen, ganz gleich ob sie positiver oder negativer Natur waren.

 

Naruto ließ sich nicht von seiner Meinung abbringen und blieb stur, bis Sasuke einwilligte, es sich wenigstens zu überlegen – auch wenn sie beide wussten, dass der Uchiha es abschlagen würde, sobald sie das Telefonat beendeten. Was nicht bedeutete, dass diese Sache erledigt war.

 
 

***

 

Das Klima veränderte sich deutlich nachdem Taiki Naruto die Gelegenheit gegeben hatte ein wenig in ihn hineinzusehen und so zu verstehen, welche Dinge den Jungen beschäftigten. Sie redeten mehr miteinander, offener und Naruto konnte schnell erkennen, dass Taiki froh war so angenommen zu werden, wie er war. Die Sorge musste in dem Kind riesig gewesen sein, entsprechend erleichternd war es, vollkommen normal behandelt zu werden. Es endete damit allerdings nicht. Nach und nach wuchsen sie mehr und mehr zusammen, das Band welches sie Weihnachten gesponnen hatten festigte sich und ihre Bindung wandelte sich. Taiki vertraute ihm vollkommen und auch wenn er seine Schwierigkeiten damit hatte in Worte zu fassen was ihn bewegte, so versuchte er mehr und mehr aus sich herauszukommen.

 

Es gab Tage, wo der Junge aufgewühlt war, wo er Tränen vergoss. Tage wo er sich zurückzog und Tage in denen er vollkommen Kind sein konnte und auch wollte. Sie verbrachten einen Großteil ihrer Zeit in dem fertiggestellten Garten, in dem Taiki jeden Tag aufgeregt jede Knospe in Augenschein nahm, die sich wirklich aus der Erde gebahnt hatte. Die Aufregung des Jungen steckte Naruto an, zog ihn regelrecht in einen Bann, dem er sich nicht entziehen konnte oder gar wollte.

 

Auch schulisch ging es voran. Hatte Taiki am Anfang die Aufgaben eher automatisch erledigt ohne großes Interesse daran zu zeigen, so sah man mehr und mehr wie er sich mühe gab, wie er erpicht darauf war ein Lob für seine Leistung zu bekommen, welches Naruto ihm auch nie vorenthielt. In der Zeit wuchsen sie so eng zusammen, dass Naruto fast geneigt war zu vergessen, dass dieses Kind nicht seines war. Es fühlte sich einfach nicht so an.

 

Trotz allem verlor er das Ziel nicht aus den Augen und als Taiki endlich schaffte ihm anzuvertrauen was ihn derart belastete, wusste Naruto nicht wie er empfinden sollte. Ein Teil von ihm glaubte fest daran, dass es ein Irrtum war. Ein Missverständnis zwischen zwei Kindern die wohl beide nicht so recht wussten wie sie in Worte packen sollten was sie empfanden, oder was sie generell empfanden. Gefühle waren ein schwieriges Thema und Naruto versuchte Taiki zu besänftigen, ihm zu versichern, dass wirklich ein Missverständnis vor lag.

 

Er blieb allerdings auch hart bei der Tatsache, dass Taiki sich dem stellen musste. Naruto wusste, dass der Junge Schuldgefühle hegte. Er war in dem Moment verletzt gewesen, überfordert mit seinen Gefühlen, aber er hatte nie die Absicht gehabt seine Schwester ernsthaft zu verletzten. Er musste sich dem stellen was geschehen war, dem was im Raum stand sonst würde er keine ruhige Sekunde mehr haben. Vor allem musste Sasuke endlich eingeweiht werden, wo das Problem lag. Nur er würde Taiki zeigen können, dass es keinen Grund gab Angst zu hegen, dass seine Befürchtungen nicht erfüllt werden würden. Naruto war sich sicher, dass Sasuke nichts anderes tun würde. Aber es dauerte, bis Taiki wirklich bereit war.

 

Den Uchiha dazu zu bringen zu kommen und Keiko mitzubringen, war nicht sehr leicht gewesen. Sasuke war am Anfang recht wütend gewesen, dass offensichtlich war, dass Naruto die Antworten hatte, die er sich erhofft hatte. Er verstand nicht, wie Naruto sich weigern konnte ihn einzuweihen, wie er darauf bestand es zusammen zu klären. Aber letzten Endes willigte er schnell ein, der Gedanke bald seinen Sohn mit sich zurücknehmen zu können überwog eindeutig die Wut noch warten zu müssen, bis er sein eigenes Kind verstehen konnte.

 

Gute zwei Monate nachdem Taiki zurück nach Irland gekommen war, war ihre gemeinsame Zeit plötzlich dem Ende nahe. Aber egal wie schmerzhaft dieser Gedanke war, die Erleichterung dem Jungen helfen zu können überwog eindeutig jedes aufkommende negative Gefühl.

 
 

***

 

Nervös lief Taiki von der Küche in das Wohnzimmer, um am Fenster die Gardine etwas zur Seite zu schieben und hinaussehen zu können. Naruto konnte nur mit dem Kopf schütteln, seit sie die Bestätigung bekommen hatten, dass Sasuke an diesem Vormittag ankommen würden, war Taiki kaum zu bändigen. Irgendwie verstand er es aber auch. Taiki hatte seit zwei Monaten seinen Vater nicht mehr bei sich gehabt, hatte ihn lediglich bei Telefonaten gesehen und gehört. Es war sicherlich ein seltsames Gefühl, nach dieser langen zeit plötzlich vor Augen zu haben, dass der Vater in wenigen Minuten ankommen würde.

 

Natürlich war Taiki auch nervös, weil er sich dem stellen musste was geschehen war. Er war unsicher, ob er im Unrecht war mit dem was er befürchtete, unsicher ob sein Vater ihn verstehen oder wütend sein würde und auch die Tatsache, dass Naruto ihm versprochen hatte die ganze Zeit alleine für ihn da zu sein, half nur wenig um sich beruhigen zu können.

 

Er wich von dem Fenster zurück, um in die Küche zurück zu kehren, wo er direkt hinaus ging und zum wiederholten Male nachschaute, ob er bei einem seine Beete noch etwas machen musste. Rasengans Bellen allerdings ließ ihn aufschauen. „Sie sind da.“, meinte Naruto ruhig und hielt dem Kind die Hand entgegen um sein Versprechen einzulösen. Er war da, er stand auf Taikis Seite und er würde nicht weichen, ehe alles geklärt war. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das nervöse Kind sich an seine Hand klammerte und sie gemeinsam zu der Tür gingen, aus der Rasengan sofort heraus rannte, als sie die Tür öffneten.

 

Da war er, Sasuke und noch immer sah Naruto auf dem ersten Blick, dass der Mann angespannt war und es ihm nicht sonderlich gut ging. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten deutliche Spuren hinterlassen und Naruto war froh darüber, dass sie einige Tage bleiben würden und Sasuke sich erholen konnte. Auch wenn es erneut alles schmerzhafter machen würde, wie Naruto aus Erfahrung wusste.

 

Als Sasuke Rasengan tadelte und den Hund zurecht stutzte, festigte Taikis Griff sich. Auch Keiko stieg aus dem gemieteten Wagen und Naruto sah sofort, dass sie seit dem Winter gewachsen war. Dann richtete Sasuke sich auf und blickte seinen Sohn an. Narutos Herz klopfte heftig in seiner Brust, als der Blick seines besten Freundes weicher wurde, auch wenn Unsicherheit in diesem mitschwang. Er musste nicht einmal auf das Kind neben ihm schauen, um zu wissen, dass Taiki hin und her gerissen war zwischen dem Verlangen seinen Vater zu begrüßen und der Furcht das dieses nicht erwünscht war. So tat er das einzige was er für richtig hielt, er beugte sich leicht hinab, ließ Taikis Hand los und schob ihn sanft in Richtung seines Vaters. „Na los, er wartet auf dich.“, ermutigte er den Jungen und nach einigen bangen Sekunden lief er endlich auf seinen Vater zu und lag kurz darauf aufgelöst in dessen Armen.

 

Egal welches Band sie auch geflochten hatten, Sasuke war Taikis Vater und der Junge liebte diesen Mann. Diese lange Trennung hatte ihre Spuren hinterlassen die nicht alle positiver Natur waren und Naruto war froh darüber, dass Sasuke genauso empfand. Der Mann beugte sich sofort hinab, fing seinen Sohn auf und hielt ihn einfach fest, während Keiko unsicher neben dem Wagen stand. Naruto winkte das kleine Mädchen zu sich, strich ihr durch das Haar, während sie Vater und Sohn etwas Zeit gaben sich wieder zu beruhigen.

 

Naruto war sicher, dass seine Ahnung richtig war, das Taiki keine Sorgen haben musste, dass Keiko nicht minder verwirrt war wie ihr Bruder und das diese Familie in den nächsten Tagen enger zusammenwachsen würde. Er wollte es auch gar nicht anders haben. Alle drei bedeuteten ihm einfach viel zu viel.

15 honest feelings


 

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15 honest feelings

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Gemeinsam saßen sie an dem Tisch und aßen, nachdem Vater und Sohn sich wieder getrennt hatten und sie die Sachen hoch gebracht hatten, wo eine kleine Diskussion entfacht war. Es war nicht ganz einfach gewesen Keiko zu verdeutlichen, dass sie nicht in dem Zimmer schlafen konnte, in dem Taiki derzeit wohnte. Er hatte dem Mädchen nicht das Gefühl geben wollen, dass es nicht erwünscht war, Keiko hatte das Konzept verstanden, Sasuke hingegen hatte nicht wirklich verstanden um was es ging und eine Diskussion gestartet, dass sie die Betten auseinander schieben konnten, damit Keiko mit ihrem Bruder schlafen konnte. Wovon Naruto nichts hatte hören wollen. Dieses Zimmer gehörte Taiki und bisher hatte er das große Bett mit den beiden Rüden geteilt und daran würde sich auch für seinen restlichen Aufenthalt nichts ändern. Außerdem wurde es langsam Zeit, dass auch Keiko ihr eigenes Zimmer bekam, bei ihnen daheim schief sie schließlich auch nicht im Zimmer ihres Bruders. Die beiden mochten noch recht jung sein, dennoch fand Naruto es schlicht besser sie getrennt schlafen zu lassen.

 

Auch wenn Sasuke es nicht verstanden hatte, Naruto hatte sich durchgesetzt. Taiki behielt sein Zimmer, Keiko würde das nutzen welches Sasuke sonst benutzt hatte und Sasuke selbst konnte in Narutos Zimmer übernachten, während er selbst auf die Couch zog. Ironischerweise hatte gerade dieser Teil Sasuke richtig unzufrieden gemacht, aber Naruto wollte davon nichts hören. Er würde einige Nächte auf der Couch überleben, auch wenn sie in ihrer Jugend so einige Male ein Bett geteilt hatten, so war ihm jetzt das Risiko zu hoch, dass er im Schlaf etwas tat, wo er sich zwar sicher hinterher herausreden konnte, die ganze Angelegenheit aber nur noch komplizierter für ihn werden würde. Seine Gefühle würden eine Ausrede schließlich nicht interessieren.

 

Gerade erzählte Taiki welche Gemüsesorten er im Garten angepflanzt hatte, ehe er zu Naruto schaute um sich zu vergewissern, dass dieser sich um die Beete kümmern würde, wenn er selbst nicht mehr da war, woraufhin dieser zustimmend nickte. Er würde nicht versprechen können, dass alles überlebte, aber er würde dennoch versuchen die Beete draußen nicht zu vergessen und sich angemessen um sie kümmern. „Wie kommt es, dass du diesen Dschungel endlich beseitigt hast?“, fragte Sasuke nach und nickte zu der Hintertür. Naruto zuckte mit den Schultern. „Es war schon eine Weile auf der Liste es endlich zu machen. Ich nutze den Garten zwar selten, aber irgendwann hat es mich einfach gestört.“, gab er zu.

 

Wie die oberen Zimmer. Es war einfach das nagende Gefühl Dinge ändern zu müssen, welches sich eingenistet hatte und von da an sich geweigert hatte zu verschwinden. Es hatte ihn irgendwann gestört wie die Zimmer waren und es hatte ihn unzufrieden gemacht, als er nicht sofort darauf angesprungen war. Er wusste, dass auch der Rest des Hauses nach und nach angepasst werden würde, auch wenn gewisse Dinge sich niemals verändern würden. Wie der alte Herd, der einfach einen Charme hatte, den Naruto nicht aufgeben wollte. Ein moderner Herd, mit Ceran oder Gasfeld würde einfach nicht in dieses Haus passen und auch nicht zu ihm. Naruto mochte einfach dieses alte Teil und auch wenn er irgendwann wohl Abschied davon nehmen musste, so wollte er diese Trennung hinauszögern so weit er konnte.

 

Was hingegen weichen würde, war die eher wuchtige Arbeitsfläche. Das Naturholz war zwar gepflegt, wirkte durch die Jahre aber speckig und abgenutzt. Modernere Elemente mussten her, um die düstere Aura ein wenig aufzulockern.

 

Naruto war aber auch klar, dass er mit diesen ganzen Änderungen fast schon verzweifelt versuchte loszulassen, was er schon viel zu lange mit sich herum trug. Nur leider war das alles andere als einfach und eigentlich war ihm auch bewusst, dass er es kaum hinbekommen würde, auch Sasuke aus seinem Leben zu verbannen, wie er diese schweren, alten Möbel aus seinem Leben verbannte. Es war schade, aber letzten Endes blieb ihm nur sich damit abzufinden.

 

„Naruto war total zerstochen.“, erzählte Taiki gerade vergnügt, was Keiko ein Lachen entlockte. Sie war am Anfang etwas steif gewesen, war aber auch schnell aufgetaut. Nun wirkte es, als wenn sie nie weg gewesen war. Bei allen sah es so aus. Auch wenn Sasuke wenig begeistert gewesen war was die Aufteilung der Zimmer betraf, hatte er sich dennoch innerhalb weniger Minuten eingelebt und schien sich wieder so zu fühlen, als wenn dieses Haus auch sein Heim war. Das war schon im Winter so gewesen und es hatte Naruto glücklich gemacht.

 

„Kann es nicht ändern, ich bin eben süß!“, erwiderte er, nicht wirklich darüber nachdenkend was genau er sagte. Was er meinte war natürlich, dass sein Blut scheinbar sehr verlockend für Mücken war, was er deutlich zu spüren bekommen hatte, als sie den Garten gerichtet hatte. Taiki hatte sich einen Abend die Freude gemacht, all die Stiche zu zählen, hatte bei 42 jedoch aufgehört. Naruto glaubte allerdings, dass der Junge so einige doppelt gezählt hatte, so viele waren es sicherlich nicht gewesen.

 

„Ja, sehr süß, da kann man nichts anderes behaupten.“, erwiderte Sasuke amüsiert und zog die Augenbrauen hoch, als Naruto die Hitze in seinem Gesicht ansteigen fühlte und realisierte, was genau er gesagt hatte. „Lässt sich nicht bestreiten.“, erwiderte er dennoch frech und versuchte zu überspielen, was diese Worte mit ihm anrichteten. Sasuke hingegen lachte leise und schüttelte den Kopf. „Kindskopf!“, murmelte er leise, dennoch hatte Naruto es gehört. Einem Instinkt folgend lehnte dieser sich leicht nach vorne und wackelte frech mit den Augenbrauen. „Ach komm, Sas' du kannst nicht leugnen, dass du das an mir liebst.“, gab er keck von sich.

 

Irgendetwas änderte sich in diesem Moment und Sasuke starrte ihn vollkommen überrumpelt für einige Sekunden an, was Naruto dazu veranlasste, sich zurück zu ziehen. Er wusste nicht was diesen Wandel herbeigeführt hatte, aber es machte ihn nervös etwas falsches getan zu haben. Er wollte diese kurze Zeit zusammen einfach nicht ruinieren.

 

„Du hast mich seit Jahren nicht mehr so genannt.“, sagte Sasuke schließlich leise, ohne den Blick abzuwenden. Was – wie Naruto bewusst wurde – der Wahrheit entsprach. Früher, als sie noch unbeschwert gewesen waren, hatte Naruto oft diesen Spitznahmen verwendet. Es hatte irgendwann um die Zeit langsam aufgehört, als er seine eigenen Gefühle für den Uchiha entdeckt und verstanden hatte. Von dem Moment an war es immer seltener vorgekommen, dass er ihn Sas' genannt hatte, bis es komplett aufgehört hatte. „Wir sind älter geworden.“, erklärte Naruto fahrig.

 

Wenn er ehrlich war, hatte er keine Ahnung warum er damit aufgehört hatte. An irgendeinem Punkt war es ihm einfach nicht mehr richtig vorgekommen, den Namen des Uchihas auf diese Art abzukürzen. Er nahm einfach an, dass durch den Wandel seiner eigenen Gefühle eine Art Kluft zwischen ihnen entstanden war, die diesen freundschaftlichen Namen nicht hatte überwinden können. Warum gerade jetzt sich erneut etwas daran änderte, konnte Naruto nur erahnen, wissen tat er es aber nicht.

 

Sasuke schüttelte den Kopf und für einen kurzen Moment huschte ein Schatten über dessen Gesicht, was Naruto ein unangenehmes Kribbeln im Magen bereitete. Es war nicht mit dem zu vergleichen, was er dort empfand wenn sie so unbeschwert miteinander umgingen, wenn ihre kleinen Argumentationen fast schon einen Flirt darstellten, auch wenn Naruto sich sicher war, dass nur er so empfand. Es war ein rein negatives Gefühl, welches den Wunsch auslöste, wieder gut zu machen was sich gerade verändert hatte.

 

„Nein, das ist es nicht. Oder nicht nur. Irgendetwas was ich noch immer nicht verstehen kann ist die Ursache dafür und auch wenn du es nicht hören willst, du verheimlichst etwas und ich will wissen was es ist.“, erklärte er, nun wieder ernst drein blickend.

 

Da war es wieder, dieser Moment wo alles in kleine Splitter zerbarst und der Alltag ihn einholte. Diese nagenden Fragen, die Sasuke einfach nicht aufgeben konnte, auch wenn Naruto einfach nicht begreifen konnte, warum der Uchiha genau in diesem Bereich so stur reagierte, wo er sonst immer alles einfach hatte fallen lassen, was mit Bindungen zu tun hatte und nicht einfach so funktionierte. Nein, eigentlich hatte Sasuke jede Art Bindung von Anfang an versucht im Keim zu ersticken und nur die Sturheit der anderen hatte dafür gesorgt, dass diese dennoch entstanden waren. Mit Ausnahme von Hikari, über die er jedoch nicht nachdenken wollte.

 

„Nein, erwidere nichts!“, befahl Sasuke schließlich barsch, als Naruto zu seiner Verteidigung ansetzen wollte. „Ich bin es langsam leid. Ich weiß da ist etwas und ich weiß genauso, dass du aus irgendeinem Grund nicht darüber reden willst. Natürlich liebe ich dich, du bist mein bester Freund, auch wenn ich die meiste Zeit am liebsten dir den Hals umdrehen würde. Ich will nicht mit dir streiten.“

 

Dann sollte er endlich aufhören dieses Thema wieder und wieder auf den Tisch zu bringen. Naruto war es genauso leid und noch immer verstand er nicht so recht, warum Sasuke sich ausgerechnet dieses Mal derart fest biss. Er fragte sich, was Hikari mit Sasuke angestellt hatte, dass er nun regelrecht offen sein konnte. Ihm war bewusst, dass dieses Tatsache unter anderen Umständen ihm sogar recht wäre, aber nicht wenn es darum ging, den Grund für sein Verschwinden zu erfahren. Egal was Betty oder Itachi meinten, Naruto war sich einfach sicher, dass Sasuke eine Konfrontation mit Narutos Gefühlen nicht aushalten würde. Das ihre Freundschaft, so seltsam sie mittlerweile auch war, dieses Thema nicht überleben würde.

 

Naruto zog es vor zu schweigen und so wie er, taten es auch die anderen, was das gemeinsame Essen steif enden ließ.

 
 

***

 

Die Atmosphäre blieb angespannt, ein Umstand, den Naruto sehr verärgerte. Sasuke und Keiko waren gekommen um sich mit dem auseinanderzusetzen, was Taiki belastete, da waren weitere störende Faktoren nicht gerade etwa, was sie gebrauchten. Am liebsten würde Naruto die Zeit etwas zurück drehen, würde sich selbst daran hindern den vertrauten Spitznamen zu nutzen und damit im Keim ersticken, dass Sasuke sich deswegen aufregte. Aber er konnte die Zeit nicht zurück drehen.

 

Kurz nach dem Essen verschwanden die beiden Kinder nach draußen, denen es eindeutig leichter fiel die Geschehnisse zu begraben. Anstatt steif miteinander umzugehen, konnte Naruto von der Hintertür aus zusehen, wie Taiki Keiko zeigte was sie gepflanzt hatten. Das Mädchen zeigte auch offenes Interesse und scheinbar planten beide nicht darüber zu reden, was in der Schule vorgefallen war. Vielleicht war es auch besser so. Naruto verstand nicht alles, schon weil er nicht beide Seiten kannte, aber er bezweifelte, dass die Kinder alleine sich vermitteln konnten, wo eigentlich das Problem lag. Sie waren einfach zu jung und vermutlich verstand er auch nur ansatzweise was los war, weil er nicht direkt involviert war.

 

Mit einem leichten Seufzen wendete er sich schließlich ab um nach Sasuke zu sehen. Er hasste diesen Zustand, aber er wollte wirklich, dass die drei am Ende gemeinsam zurück konnten und das setzte voraus, dass sie gemeinsam in Angriff nahmen, was im Argen lag. Und dafür war es eine Voraussetzung, das er und Sasuke nicht im streit lagen, auch wenn Naruto das Gefühl hatte, dass ihre Sache nicht so einfach gekittet werden konnte. Einerseits weil sie zu lange andauerte, aber wohl auch weil sie beide eine ungeahnte Sturheit bewiesen, wenn es darum ging. Naruto verstand es nicht, es war aufreibend, aber ändern konnte er es leider auch nicht, solange sie beide nicht weichen wollten. Und so wie es aussah, hatte Sasuke sich wirklich festgebissen.

 

Er fand den Uchiha oben in Narutos Zimmer, wo die Tasche, die er mitgebracht hatte, offen auf dem Bett lag, während Sasuke mit einer verschlossenen Mine am Fenster stand und über das weite Land hinweg blickte. Alles an der Haltung des Uchihas strahlte derart heftig Ablehnung aus, dass Naruto am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht hätte. Aber er riss sich zusammen. Sie waren erwachsen und es war wirklich an der Zeit, dass sie sich genau so verhielten.

 

„Hey.“, grüßte er den Uchiha, der keinerlei Regung zeigte. Er reagierte wirklich kein Stück, was Naruto nur erneut Wut verspüren ließ. Auch wenn es ihm schwer fiel, versuchte er diese zu unterdrücken. „Können wir nicht normal miteinander umgehen?“, fragte er anklagend, zuckte aber deutlich zurück, als Sasuke sich nun doch zu ihm drehte und ihn offen an funkelte. „Keine Ahnung, Naruto! Können wir das?“, fragte er gereizt nach und trat einen Schritt auf ihn zu, was Naruto dazu veranlasste einen großen Schritt zurück zu weichen. Als ihm das bewusst wurde, straffte er sich und blieb wie angewurzelt stehen. „Es geht hier nicht um uns Sasuke. Warum beißt du dich so fest? So bist du doch sonst nie.“, warf er ihm vor und musterte seinen besten Freund mit einer offenen Mischung aus Neugierde und Unverständnis.

 

Er konnte sehen, wie Sasuke sich noch mehr anspannte, bevor aus ihm jede Anspannung wich. Sasukes Stirn legte sich deutlich in Falten und nun sah er aus, als wenn er sich diese Frage nie zuvor gestellt hätte. Er wirkte verwirrt, was Naruto im Gegenzug deutlich verwirrte.

 

Sasuke war ein Kopfmensch. Sasuke war der Typ Mensch, der alles rational durchdachte, niemals Gefühle und unüberlegtes Handeln sein eigenes Handeln bestimmen ließ. Nun sah es aber so aus, als wenn auch er in dieser einen Angelegenheit einfach reagiert hatte ohne darüber nachzudenken. Mit der Nase drauf gestoßen verwirrte ihn sein eigenes Handeln und er begann wirklich den Kopf wieder einzuschalten. Naruto wusste nicht wirklich was er davon halten sollte. So kannte er Sasuke einfach nicht und bisher hatte er wirklich angenommen, dass Hikari etwas mit der neuen Zielstrebigkeit zu tun hatte, die der Uchiha ihm gegenüber gezeigt hatte. Jetzt musste er aber einsehen, dass dem vermutlich nicht so war, was die Frage nach dem Warum nur noch bedrohlicher in der Vordergrund rückte. Aber er schluckte es hinunter, schluckte all die Dinge die ihm auf der Zunge lagen einfach hinab um das zu erreichen, weswegen sie hier zusammen waren.

 

„Es geht um Taiki. Von mir aus hasse mich dafür, dass ich nie mein Schweigen brechen werde wenn es um diese Sache geht, aber riskiere nicht, dass dein Sohn sich erneut verschließt.“, bat er leise, einfühlsam. Er wollte wirklich nicht, dass Taiki sich erneut verschloss. Er mochte nicht der Vater des Jungen sein, aber er liebte ihn genauso sehr, wie Sasuke es tat. Vermutlich würde dieser das niemals offen zugeben, aber ein Blick in dieser einen Nacht hatte gereicht um zu erkennen, wie tief die Gefühle gingen, die Sasuke für seinen Sohn empfand. Es ging um weit mehr als das, was Naruto selbst für Sasuke empfand. Auf eine quälende Art war diese kleine Familie auch Narutos Familie und sein Verlangen, diese glücklich zu sehen war immens.

 

„Ich hasse dich nicht.“, gab Sasuke schließlich leise zu und schüttelte kurz den Kopf. „Es frustriert mich nur, dass du nicht ehrlich bist. Wann hast du je zuvor den Mund gehalten? Eigentlich bist du jener, der allen auf die Nase bindet wie es dir geht, egal ob andere es hören wollen oder nicht. Dieses Schweigen... es passt nicht zu dir. Es zerrt an unseren Nerven.“, erklärte er sich ruhig, ehe er noch einmal den Kopf schüttelte. „Lass uns das Thema begraben. Du hast Recht, dass es um andere Dinge geht.“, lenkte er schließlich ein.

 

Naruto war sich nicht sicher, ob dieser Waffenstillstand permanent war. Ein Teil von ihm bezweifelte es, aber es machte ihn auch neugierig, was Sasukes Intentionen dahinter waren. Wenn der Uchiha es bisher nicht einmal selbst wusste, musste es etwas großes sein. Er kannte Sasuke aber auch gut genug um zu wissen, dass dieser ihm das nie auf die Nase binden würde. Nicht einmal dann, wenn er die Antwort darauf gefunden hatte, warum er sich so an ihm fest biss. So waren sie eben beide. Stur durch und durch, da biss jeder sich die Zähne aus. Aber irgendwie war das auch Teil ihrer Freundschaft. Der Teil, warum es immer funktioniert hatte.

 

„Gut zu wissen“, gab er schließlich zu. Er mochte sich wirklich bemühen Sasuke aus dem Kopf zu bekommen, aber zu hören, dass dieser ihn nicht hasste, hatte eine enorme Last von ihm genommen. Ob das nun etwas gutes war, damit würde er sich befassen müssen, wenn diese Familie wieder zusammengefunden hatte und erneut im Flugzeug nach Japan saß. Diesen Gedanken schob er allerdings auch weit von sich. Es war genauso ein Thema, wo Naruto nicht so ruhig war, wie er immer tat. Es tat ihm weh zu verlieren was ihm so ans Herz gewachsen war, auch wenn es vermutlich keinen anderen Weg gab. Seine Heimat war hier in Irland und Sasuke, Keiko und Taiki lebten in Japan.

 

„Wir sollten morgen reden. Nähere dich Taiki erst einmal an, es wird ihm sicher nicht leicht fallen offen zu sein, wenn wir uns zusammen setzen.“, schlug Naruto deswegen vor. Sasuke seufze leise. „und du willst mir noch immer nicht sagen, was das Problem ist?“, hakte er unwohl nach, wissend, das auch hier Naruto nicht von seiner Meinung abweichen würde. Dieser schüttelte den Kopf. „Ich glaube er versteht es selbst nicht richtig. Es ist ein Problem, was euch alle drei betrifft, deswegen wollte ich auch, dass ihr alle herkommt. Er muss lernen es zu verstehen und ihr müsst lernen das ihr eine Einheit seid. Aber das wirst du verstehen, wenn wir wirklich darüber reden.“

 

Sasuke war nicht zufrieden mit dieser Antwort, dennoch nickte er zustimmend. Naruto verstand es auch irgendwie. Sasuke war rational, wenn man ihn aufklärte wo das Problem lag, würde er nach Lösungen suchen. In dem Fall würde die Lösung aber eine sein, die Sasuke nicht gerne annahm und damit war die Gefahr hoch, dass er den falschen weg wählte. Außerdem war da Keiko, deren Handeln auch Naruto nicht verstand, auch wenn er eine Ahnung hatte, was dahinter steckte. Zumindest hoffte er das. Das Mädchen mochte taffer sein wie ihr Bruder, für Gefühlskalt und abgebrüht hielt er sie jedoch nicht.

 

„Oh, Taiki hat übrigens seine Aufgaben alle erledigt.“, warf Naruto schließlich ein und lachte befreit, als Sasuke ihn anstarrte, als wenn er plötzlich zwei Köpfe hätte. „Hat er?“, fragte er doch sehr überrascht. Auch hier war die Reaktion kaum verwunderlich. Taiki hatte sich in der Schule verweigert und auch beim ersten Versuch hier in Irland hatte es nicht unbedingt rosig ausgesehen. Dennoch nickte Naruto und deutete zur Treppe. „Willst du es sehen? Die Sachen sind im Wohnzimmer.“, schlug er deswegen vor, um das leidige Thema von ihnen zu schieben und wieder einen entspannten Umgang miteinander pflegen zu können.

 

Natürlich wollte Sasuke, auch wenn er allen ernstes Versuche ihm weiß zu machen, dass es seine Pflicht war zu kontrollieren, ob sein Sohn alles nachgeholt hatte, was er in der Schule verpasst hatte. Dumm war nur, dass Naruto seinen besten Freund wirklich gut kannte. Dieser kurze Anflug von Neugierde hatte gereicht um zu sehen, dass Sasuke darauf brannte zu sehen, dass sein Sohn wirklich hart gearbeitet hatte. Vermutlich machte das alle Eltern stolz und Sasuke bildete da keine Ausnahme. Aber Naruto war auch vernünftig genug, in dieser Situation nicht den nächsten Streit zu provozieren, indem er Sasuke vor hielt, dass er ruhig zugeben konnte, dass er vor Neugierde regelrecht platzte. Das konnte er sich aufheben, vorzugsweise für die Zeit, wo Sasuke mit seinen Kindern wieder in Japan war und er eine gute Gelegenheit brauchte, um Sasuke in seine Schranken zu weisen. Sasuke war stolz und er konnte es nicht leiden, wenn man ihm seine Schwächen vorführte. Auch wenn sie sich wohl an dem Punkt schieden, ob es sich hierbei wirklich um eine Schwäche handelte.

 

Nun deutlich entspannter lief Naruto die Treppe nach unten, während er mehr als deutlich spürte, dass Sasuke ihm folgte. Sein Weg führte direkt in das Wohnzimmer, wo er allerdings deutlich abgelenkt wurde, als er das Lachen der Kinder vernahm. Ein Blick aus dem Fenster reichte um zu sehen, dass die Zwillinge vergnügt mit den Hunden spielten, die nur zu freudig auf die Rangeleien eingingen. Als er zu Sasuke blickte, lächelte dieser verhalten. „Das alleine ist es doch schon wert, ihn so lange in meine Obhut gelassen zu haben, oder Sasuke?“, fragte er leise nach und wunderte sich nicht über das leicht abwesende Nicke, welches er als Antwort erhielt. Sasuke war nicht aus Stein und es war Monate her, dass er seine Kinder so unbeschwert erlebt hatte. Naruto wusste, dass er gute Arbeit geleistet hatte und er schob die penetrante Stimme energisch von sich, die ihm einreden wollte, dass schlechtere Arbeit ihm ersparen würde, sich so bald von er Familie erneut trennen zu müssen. Es waren keine fairen Gedanken und Naruto wünschte sich wirklich, dass alle drei glücklich waren, auch wenn es bedeutete, dass seine eigenen Wunden erneut aufgerissen wurden.

 

Mit einem Räuspern wendete er sich ab, um die Aufgaben zu holen, die Taiki gewissenhaft erledigt hatte.

 
 

***

 

Trotz der Startschwierigkeiten und der angespannten Momente am Anfang, entwickelte der Tag sich letzten Endes doch noch recht entspannt und gemütlich. Was Naruto aber am Besten daran gefiel war die Tatsache, dass Sasuke sich wirklich bemühte eine neue Bindung zu seinem Sohn aufzubauen und Taiki sich immer leichter tat, auf diese Versuche einzugehen. Am Anfang war Naruto dem Jungen nicht von der Seite gewichen, hatte eingehalten was er dem Kind versprochen hatte, doch je lockerer es zwischen Vater und Sohn wurde, umso entspannter konnte Naruto sich ebenfalls anderen Dingen zuwenden. Die in der Regel daraus bestanden, dass er sich mehr auf Keiko konzentrierte, damit diese nicht komplett sich ausgeschlossen fühlte.

 

So ging der Mittag in den Nachmittag über und ehe sie sich versahen, machten die beiden Kinder sich nach einem entspannten, gemeinsamen Abendbrot fertig für das Bett. Was Naruto am Meisten daran gefiel war die Tatsache, dass beide das getrennte Zimmer nicht mehr hinterfragten, sondern schließlich – nachdem sie ihnen eine gute Nacht gewünscht hatten, in ihre eigenen Zimmer verschwanden. Das Rasengan und Chidori kurz darauf folgten, nahm Sasuke dieses Mal kommentarlos hin. Noch galten Narutos Regeln, was der Uchiha scheinbar endlich akzeptiert hatte.

 

Entspannt stellte Naruto schließlich die beiden Tassen mit dem Tee auf den niedrigen Tisch vor der Couch, bevor er sich sichtlich erschöpft darauf nieder ließ, den Kopf in den Nacken legte und für einen Moment die Augen schloss. Er spürte, wie Sasuke sich neben ihm nieder ließ und wie zuvor auch schon einmal, aus den Hausschuhen schlüpfte, um die Beine ebenfalls auf die Couch zu ziehen.

 

Es war ein seltsames Gefühl, diese Vertrautheit, die einfach nicht zu verschwinden schien, ganz gleich wie seltsam die Stimmung eigentlich zwischen ihnen war. Einerseits bereitete das Naruto Hoffnungen, dass sie es schaffen konnten, andererseits war auch das ein Aspekt der ihm nicht unbedingt gut tat. Sasuke rückte sich neben ihm in eine bequeme Position, womit Naruto nur noch bewusster wurde, wie nahe sie gerade einander waren. Aber wie so oft verbannte er diese Dinge in die hinterste Ecke seines Bewusstseins um nicht sich damit befassen zu müssen. An diesem Abend war er erschöpfter wie in den letzten beiden Monaten zusammen, was einiges hieß.

 

„Erzähl mir von den letzten beiden Monaten.“, forderte Sasuke schließlich leise. Er lehnte sich vor, zog seine Tasse zu sich um die Hände dort drum zu legen, als wenn er die zusätzliche Hitze gut gebrauchen konnte, auch wenn die Temperaturen alles andere als kalt waren. Sicher, Irlands Sommer waren weitaus milder wie sie es aus Japan gewöhnt waren, aber frieren mussten sie hier dennoch nicht.

 

„Was willst du wissen?“, erkundigte Naruto sich, setzte sich gerade hin und ließ den Kopf kreisen, um die Verspannungen ein wenig zu vertreiben, die von ihm Besitz ergriffen hatten. Bei dem Gedanken die ganze Nacht auf der Couch zu verbringen, sackte seine Laune deutlich hinab. Die Couch war durchaus bequem, allerdings war sie nicht mit dem weichen Bett zu vergleichen, welches oben auf ihn wartete und in welches Sasuke in kürze verschwinden würde. Natürlich war es Narutos eigene Wahl gewesen, aber so wie seine Schultern schmerzten, bereute er es doch ein klein wenig so bereitwillig die Couch vorgezogen zu haben.

 

„Alles.“, erwiderte Sasuke und musterte ihn einen Moment offen, ehe er den Blick abwendete und sich mit seiner Tasse beschäftigte. Naruto seufzte leise. Alles war verdammt viel und vieles hatte der Junge Sasuke selbst bereits erzählt, als er mit seinem Vater telefoniert hatte und natürlich in den letzten stunden, in denen er mehr und mehr aufgetaut war. Aber auch ohne genaue Erklärungen wusste Naruto einfach, dass Sasuke nicht diese Dinge meinte, wenn er wissen wollte wie die letzten beiden Monate verlaufen waren.

 

„Was soll ich sagen?“, setzte er deswegen an und zog nun ebenfalls seinen Tee zu sich, um daran zu nippen. „Taiki hat ein tiefes Problem und ich hoffte, dass du offen genug bist dieses mit ihm gemeinsam anzugehen. Mit deinen beiden Kindern, Sasuke!“, begann er somit und starrte an die Wand ohne wirklich etwas aufzunehmen.

 

„Es war nicht einfach. Taiki hegt viele Unsicherheiten und er ist sensibler als man ihm ansehen kann. An ihn heranzukommen hat viel Zeit und Geduld erfordert, nicht unbedingt meine Stärken, wie du weißt.“, gab er weiter zu und lachte humorlos auf. Sasuke nickte neben ihm. „Stimmt, Geduld war nie etwas mit dem du glänzen konntest.“, gab er zu und blickte erneut zu Naruto. „Aber ganz ehrlich? Egal wie sehr du mich in den Wahnsinn treibst, es spielt keine Rolle was du bist und was nicht. Mir ist bewusst, dass ich meine Kinder niemand anderen so sehr anvertrauen würde wie dir.“, gab er zu.

 

Naruto blickte Sasuke an, als wenn er einen Geist gesehen hätte. Verdammt, er kannte den Uchiha derart gut, dass ihm bewusst war, dass es sicherlich kein größeres Kompliment,keinen höheren Vertrauensbeweis von ihm bekommen konnte, wie den, den Sasuke ihm gegenüber gerade offen zugegeben hatte. „Ich liebe die beiden.“, gab Naruto ehrlich zu. „Ihr seid mir alle unglaublich wichtig, Sasuke.“, versuchte er zu erklären, was in seinem Inneren gerade rumorte.

 

Erneut nickte Sasuke. „Ich weiß.“, gab er ehrlich zu, bevor er gedehnt seufzte. „Ich vertraue dir. Ich weiß wie viel du zu geben hast. Ich weiß, dass du nie etwas tun würdest, mit dem ich nicht einverstanden bin. Vielleicht ist genau das auch das Problem, dass ich nicht still sein kann, wenn es um dein Verschwinden geht.“ Naruto wusste, dass das nicht alles sein konnte. Aber wenn er ehrlich war, war er auch zu ausgelaugt um sich weiter Gedanken darum zu machen, was genau er in Sasukes Ausdruck gesehen hatte, als er diesen in seinem Schlafzimmer konfrontiert hatte. Er war die Diskussionen einfach leid.

 

„Deswegen war die Entscheidung auch nicht wirklich schwer, Taiki zu dir zu bringen. Keine Ahnung was es ist, aber du hast es geschafft meinen Panzer zu knacken. Eine noch größere Herausforderung gibt es vermutlich kaum.“, erklärte Sasuke weiter und entspannte damit die Situation auf ein neues. Naruto lachte herzhaft auf. „Großspurig, oder Sasuke?“, fragte er amüsiert nach, musste dann aber nicken. „Aber wenigstens siehst du es ein. Du hast es mir alles andere als leicht gemacht an dich heranzukommen. Aber ich verstehe es.“, gab er etwas ernster zu.

 

Damit war das Thema erledigt. Nicht weil es nichts weiter dazu zu sagen gab, sondern eher weil sie nicht wollten, das alte Wunden aufgerissen wurden. Sie mussten nicht breit treten, dass Sasuke sich vor neuen Verletzungen fürchtete. Sie mussten nicht erörtern, dass der junge Mann vermutlich auch heute noch unter dem Verlust seiner Eltern litt. Sasuke hatte sich damals sehr verschlossen und auch wenn ihre Freundschaft deutlich abgekühlt war, wusste Naruto von den Momenten, wo Sasuke es seinem Bruder genauso schwer gemacht hatte. Itachi war geblieben, genau wie Naruto lange geblieben war, dennoch hatte Sasuke vermutlich nur darauf gewartet, dass man ihn erneut verletzte. Was Naruto scheinbar letzten Endes auch getan hatte. Aber ändern wollte dieser es dennoch nicht. Er hätte einfach nicht ertragen zu zusehen, wie Hikari bekam was er selbst haben wollte. Und gerade weil er mehr und mehr von Hikaris wirklich tollen Art kennenlernte, bestätigte es ihn nur noch mehr, dass es richtig gewesen war diesen Cut zu ziehen. Er wäre genauso daran zugrunde gegangen, zu zusehen wie glücklich Sasuke war um direkt mitzuerleben, wie man ihm das Glück entriss.

 

„Wie dem auch sei, versuche offen zu sein, Sasuke. Taiki braucht dich wirklich sehr und auch wenn es sicher schwer ist, darfst du ihn vorerst nicht enttäuschen.“, fasste Naruto das Thema wieder auf und schob damit die eigenen Empfindungen deutlich von sich. Sasuke brummte leise. Was nahezu alles bedeuten konnte. Aber Naruto wusste, dass dieser Laut ein Mix aus Sorge und Unbehagen war. Sasuke war nicht perfekt, er war weit davon entfernt und seine Probleme mit Emotionen umzugehen waren alles andere als förderlich in dieser Situation. Worum Naruto sich aber irgendwie keine wirklichen Sorgen machte. In diesem Bereich wusste er, dass Taikis Ängste nicht erfüllt wurden. Zumindest nicht so bald.

 

Für eine Weile saßen sie nebeneinander, bevor Sasuke sich erhob und seine Tasse weg brachte. Als er zurück kam, stand er einen Moment unschlüssig neben dem Sofa. „Sicher, dass du auf der Couch schlafen willst?“, fragte er schließlich nach und schob unwohl die Hände in die Taschen. Naruto wusste, dass Sasuke sich unwohl fühlte, dennoch nickte er entschlossen. „Ich bleibe hier unten. Genieße mein Bett, in einigen Tagen ist es dann wieder meines. Nur wenn ihr erneut kommen solltet, müssen wir uns etwas überlegen.“, gab er ehrlich zu und musterte Sasuke aufmerksam. Soweit er erkennen konnte, stieß die Idee eines neuen Besuchs den Uchiha nicht ab. Er war entspannt, zumindest soweit das möglich war. „Ich verstehe noch immer nicht das Theater um die Zimmer.“, gab Sasuke statt dessen ehrlich zu. Naruto stöhnte genervt.

 

„Du nennst mich Idiot, schaltest aber seltsamerweise deinen Kopf bei offensichtlichen Dingen ab!“, gab Naruto frustriert zu. „Deine Kinder werden älter. Sie kommen in ein Alter, wo der Unterschied zwischen Junge und Mädchen deutlicher wahrgenommen wird. Es wird Zeit das zu respektieren, auch wenn sie Geschwister sind. Aber davon einmal abgesehen, Sasuke, Taiki hat zwei Monate das Zimmer bewohnt. Es ist sein Zimmer, seine Heimat, egal ob auf Zeit oder für immer. Er hat eh Sorge wegen dem Gespräch mit euch und es wäre extrem taktlos ihn mit einem von euch zusammen zu stecken, wenn ihr beide offensichtlich ein Teil seines Problems seid.“

 

Es war schon fast amüsant zu sehen, wie sehr Sasuke das überraschte. Doch schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle. Ein rares Lächeln zierte schließlich die Lippen des Uchihas. „Ich sag es doch. Es gibt niemanden dem ich meine Kinder mehr anvertrauen kann, wie dir.“, erklärte er und hob die Hand zum Gruß, ehe er sich Richtung Treppe bewegte. „Solltest du es dir anders überlegen, du weißt wo dein Bett steht. Es ist wahrlich groß genug, auch wenn du im Schlaf anhänglich bist.“, meinte er noch amüsiert, bevor er aus Narutos Blickfeld verschwand.

 

Eine heiße Welle durchflutete den blonden jungen Mann und für einige Minuten bewegte er sich kein Stück, ehe er mit einem frustrierten Seufzen auf der Couch zum liegen kam. Sasuke hatte wirklich keine Ahnung wie sehr er ihn quälte, keine Ahnung welche Bilder er ihm einpflanzte, bei denen er bereits jetzt wusste, dass er in dieser Nacht keine wirkliche Ruhe bekommen würde.

 

Auch als es bereits begann zu dämmern, war Naruto nicht in der Lage die Augen langfristig zu schließen. Wenn Sasuke erreichen wollte ihn zu brechen, war er eindeutig auf einem gute Wege dorthin.

 
 

***

 

Taiki war es, der am nächsten Morgen als erstes erwachte und wie eigentlich jeden Morgen, tapste er noch im Schlafanzug die Treppen nach unten, während Rasengan und Chidori ihm lautstark folgten und mit einigem Radau dem Jungen zur Hintertür folgten, die Taiki schließlich für sie öffnete.

 

Ein paar Sekunden später trottete der Junge in das Wohnzimmer, wo er ohne zu zögern zu Naruto kletterte und sich vertrauensvoll an ihn schmiegte. Naruto zögerte genauso wenig, einen Arm um den Jungen zu schlingen. „Gut geschlafen?“, fragte er leise nach, wagte es aber nicht, die Augen zu öffnen. Er spürte, wie Taiki leicht nickte. „Du nicht.“, stellte er dann aber auch deutlich fest. Naruto hatte gewiss noch nicht in den Spiegel gesehen, aber er musste es auch gar nicht um zu wissen, dass dunkle Ringe sich unter seinen Augen gebildet hatten und das er vermutlich recht erschöpft wirkte. Er brummte nur leise, was Taiki ein Glucksen entlockte. „Du hörst dich an wie Papa.“, informierte der Junge ihn. Naruto lachte leise.

 

„Vermutlich verstehe ich heute zum ersten Mal richtig, was Sasukes Problem ist. Er schläft einfach nicht gut.“, erwiderte er ein wenig entspannter und öffnete dann doch die Augen um das Kind in seinem Arm anzusehen. „Ich konnte nicht schlafen.“, gab er ehrlich zu und zuckte leicht mit den Schultern. Es war kein Drama, früher war diese Stunde seine Zeit gewesen überhaupt erst ins Bett zu krabbeln. Vielleicht sollte er dort wieder hin kommen, die Nacht wach bleiben und wenn Sasuke aus dem Bett kroch, dieses für seinen eigenen Schlaf in Beschlag nehmen. Nur das er dann sein Versprechen nicht einhalten konnte und das war nichts, was er auch nur ansatzweise in Betracht zog.

 

„Angst vor nachher?“, fragte Naruto schließlich leise und strich Taiki beruhigend durch das Haar, als dieser unwohl die Schultern nach oben zog. „Brauchst du nicht haben.“, versprach er ihm und lehnte sich vor, so dass ihre Stirn sich berührte. „Du hast nichts falsch gemacht. Schließlich wolltest du Keiko nicht weh tun und ich bin mir sicher, dass du heute etwas erfahren wirst, was dich glücklich macht.“, versprach er dem Jungen. Es war einfach ausgeschlossen, dass er unrecht hatte. Er kannte diese Familie zu gut um sich da zu irren. „Meinst du, Naruto?“, fragte Taiki schließlich nach und schlang selbst die Arme um den Mann, um sich enger an ihn kuscheln zu können. Als Naruto nickte, entspannte der Junge sich und schloss noch einmal die Augen, auch wenn er nicht mehr müde war. „Ich hab dich lieb, Naruto.“, gab er leise zu.

 

Aus den Augenwinkeln sah Naruto, dass sie nicht mehr alleine waren, aber in dem Moment war er nie dankbarer gewesen, dass Sasuke durchaus wusste wann es besser war zu schweigen und so zu tun, als wenn er nicht da war. Das gab ihnen ein paar Minuten, so dass Taiki nicht damit leben musste, dass Sasuke diese Szene mitbekommen hatte. Er selbst brummte nur spielerisch und freute sich über das erneute Glucksen, das von dem Jungen kam.

 

Sasuke hielt sich auch zurück und erst nach ein paar Minuten machte er deutlich auf sich aufmerksam. Womit die Ruhe aus dem Kind wich. Naruto war aber ebenfalls froh, dass Sasuke gar nicht darauf einging, wie er sie vorgefunden hatte. Statt dessen schenkte er ihnen nur einen kurzen Blick, bevor er leicht grummelig bekannt gab Kaffee zu kochen. Naruto konnte nicht anders, als leise zu lachen. „Siehst du, schlecht geschlafen!“, wisperte er Taiki zu, der daraufhin schallend zu lachen begann. Selbst als Sasuke mit erhobener Augenbraue zu ihnen blickte, rappelte der Junge sich auf und verschwand schnell nach oben, wobei das Lachen nicht verstummte.

 

Obwohl Naruto amüsiert grinste, entwich es ihm, als sein Blick erneut auf Sasuke traf. Es war wirklich selten Emotionen bei dem Uchiha zu sehen, aber in diesem Moment, als er Naruto offen anblickte, huschten derart viele Dinge über das hübsche Gesicht, dass Naruto sich nicht in der Lage sah auch nur eines davon richtig zu erfassen.

 

Wortlos wendete Sasuke den Blick schließlich ab um endlich in die Küche zu verschwinden. Selbst die strengen Worte an Rasengan, die kurz darauf folgten wirkten seltsam sanft, was Naruto nur noch mehr in einen inneren Zwiespalt beförderte.

 

Dieses Mal floh Naruto wirklich, nach oben und ins Badezimmer um sich irgendwie wieder zu fassen. Dieser Besuch forderte wirklich einiges von ihm, weit mehr als es über Weihnachten der Fall gewesen war und er war sich nicht sicher, ob er diese Achterbahn der Gefühle weiterhin aushalten konnte.

 
 

***

 

Als Naruto sich schließlich wieder aus dem Badezimmer heraus traute, war Keiko ebenfalls aufgestanden und die ganze Familie saß schon eine ganze Weile am Frühstückstisch. Naruto hatte durchaus aufgenommen, dass man ihn einige Male gefragt hatte, ob er im Bad festgewachsen war, aber es hatte ihn doch einiges an Zeit gekostet um wieder zur alten Ruhe zurück zu finden.

 

Er verstand das Ganze einfach nicht. Er war sich vollkommen sicher in seiner Meinung, dass Sasuke nichts in der Art für ihn empfand, die Naruto für Sasuke empfand. Dennoch schaffte der Uchiha es immer wieder einen kleinen Funken Hoffnung aufkeimen zu lassen, sodass Naruto mittlerweile nicht mehr wusste wer denn nun im Recht war. Sah er die Angelegenheit falsch, oder waren Betty und Itachi auf dem Holzweg? Sein Verstand versuchte klar ihm zu sagen, dass er zu viel in diese Momente interpretierte, sein Herz wollte davon aber nichts hören. Wann immer er aber versuchte mit etwas Abstand diese Dinge zu sehen, kam er nur erneut zu dem Schluss, dass es ihm immer schwerer fiel Sasuke zu lesen. Vermutlich war ihre gemeinsame Zeit wirklich derart lange her, dass sie sich zu sehr verändert hatten. Auf der anderen Seite stand aber klar, dass er abgesehen von seinen eigenen Gefühlen Sasuke recht gut einschätzen konnte. Dieses hin und her war auslaugend.

 

Deswegen beschloss er, dieses Wirrwarr an Gedanken und Gefühlen für den Moment von sich zu schieben. Nicht zum ersten Mal, wie ihm wohl bewusst war, dennoch hatte er gerade keine andere Wahl. An diesem Tag waren andere Dinge wichtiger, erneut in diesem sich ständig drehenden Karussell zu begeben hatte zu warten, bis die Familie wieder im Flieger zurück saß. Hoffentlich alle zusammen, denn genau das war Narutos Zeil. Er liebte diese Familie sehr, aber ihr Heim war in Japan und auch wenn es einen erneuten Abschied bedeutete, wollte er sie alle zusammen zurückreisen sehen.

 
 

***

 

Das Frühstück und auch der folgende Tag verlief ruhig, auch wenn mit jeder verstrichenen Minute die angespannte Atmosphäre, die in Narutos Haus herrschte, deutlicher zu spüren war. Jeder wusste, dass der Nachmittag kein Spaziergang werden würde. Die Angespannte Haltung von allen blieb nicht einmal den beiden Rüden verborgen und selbst Rasengan, der sonst voller Energie um alle herumsprang, bewegte sich nur geduckt durch die Räume, ehe er sich in eine Ecke niederließ. Die braunen, wachsamen Augen huschten zu den Personen, die sich im Wohnzimmer eingefunden hatten, unsicher war er von der Anspannung halten sollte, die sich eingeschlichen hatte. Chidori war nicht zu sehen. Vermutlich hatte der Rüde sich einen bequemen Platz oben gesucht, wo die Spannung ihn nicht erreichen konnte.

 

Sasuke und Keiko hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht, sodass man auf dem ersten Blick glauben konnte, dass nichts in der Welt sie beide trüben konnte. Schaute man genauer hin, sah man die unsicheren Augen des Kindes, welche langsam von einem Erwachsenen zum nächsten huschten und die angespannten Schultern von Sasuke, dessen Blick ebenso unruhig umherwanderte, um nicht zu seinem Sohn zu schauen, welcher mit Naruto auf dem Boden saß. Der niedrige Kaffeetisch zwischen ihnen erschien als massive Barriere, als Hindernis welches es zu überwinden galt, wenn man die jeweils andere Fraktion erreichen wollte. Niemand der diese Szene hätte beobachten können wäre entgangen, dass zwei Lager einander gegenüberstanden, die nur auf den Startschuss warteten, die jeweils andere zu überrennen und den Sieg davon zu tragen. Auch wenn es sich bei diesem Treffen nicht um eine Schlacht handelte, vibrierten die negativen Emotionen dennoch in der Luft und ließen einen schlicht mit einem unwohlen Gefühl zurück.

 

Naruto wartete geduldig neben Taiki, in der Hoffnung, dass der Junge seinen Mut zusammen nahm und das Wort ergriff. Das dieses nicht geschehen würde war ihm dennoch klar, wenn er die angespannte Haltung des Jungen sah, die kleinen Hände die nervös mit dem Saum seines Oberteils spielten um irgendwie Ablenkung zu finden. Er hatte wirklich gehofft, dass der Junge den ersten Schritt von sich aus gehen würde, aber scheinbar lasteten die Schrecken der letzten Monate zu sehr auf seinen jungen Schultern. Es war nicht schlimm. Naruto hatte ihm versprochen auf seiner Seite zu sein, für ihn zu sprechen, ihn zu unterstützen wenn er es brauchte und er plante nicht sein Wort zu brechen.

 

Langsam streckte er die Hand aus, legte sie auf die nervös knetenden des Jungen und als dieser ihm einen scheuen, ängstlichen Blick schenkte, lächelte er leicht. Er war da, er würde nicht weg gehen, er würde sein Versprechen halten. Naruto konnte zusehen, wie die angespannte Haltung des Jungen sich langsam entspannte, wie er ein klein wenig in sich zusammensackte als Erleichterung ihn durchflutete. Taiki war sicherlich kein Kind dem man diese Situation alleine durchstehen lassen konnte. Er war still, in sich gekehrt und weitaus sensibler, als Naruto selbst es angenommen hatte. Die letzten Wochen hatten ihn gelehrt, was Taiki Uchiha wirklich ausmachte und das letzte was er wollte, war das Kind an dieser Situation zerbrechen zu sehen, für die er nicht wirklich etwas konnte und die, wenn man einmal genauer hinblickte, irgendwie vollkommen selbstverständlich war.

 

Als er schließlich wieder zu dem Duo auf die Couch schaute, entging ihm nicht der weiche Blick, der auf Sasukes Gesicht lag. Das Kribbeln, welches sich sofort in seinem Magen ausbreitete, ignorierte er dennoch gekonnt. Es ging nicht um ihn, nicht wirklich um seine Gefühle und das war etwas, was er nicht vergessen wollte.

 

„Also...“, begann er schließlich, räusperte sich, um seine Gedanken wieder zu ordnen. Seine Hand drückte leicht Taikis, ihn bestärkend mit ihm durchzuhalten, bis sie dieses Gespräch gemeistert hatten. Er wusste um die Angst des Jungen, wie verwirrt er war und das war leider etwas, wo auch er machtlos gegen war. Taiki brauchte Hilfe und diese konnte er nur bedingt geben, denn die Personen die es betraf waren es, die in der Lage waren die Ängste zu besänftigen, den Jungen zu vermitteln, dass er keine Angst zu haben brauchte.

 

„Taiki hat mit mir gesprochen und mir damit die Möglichkeit gegeben zu verstehen, was mit ihm los ist und wie es zu der Situation mit Keiko kommen konnte.“, gab er ehrlich zu. Er konnte sehen, wie Sasuke nickte, wie sein Adamsapfel sich leicht bewegte, als er schluckte und er war sich ziemlich sicher, dass der Uchiha gerade mit seiner Geduld rang, nicht irritiert zu verlangen, dass man nicht lange um den heißen Brei herumredete. Naruto musste Sasuke zugestehen, dass er eine exzellente Kontrolle hatte. Der Mund blieb geschlossen, auch wenn unruhige und ungeduldige Augen auf seinem Sohn landeten. Taiki versteifte sich erneut, doch Naruto drückte die kleine Hand ein weiteres Mal.

 

Sie hatten darüber geredet. Er konnte helfen, Anstöße geben, da sein, aber Taiki musste es selbst sein, der seinen Schmerz und seine Angst offen darlegte. Es war wichtig, gerade weil Taiki noch zu jung war um gut mit den verschiedenen Gefühlen umzugehen. Er musste lernen sie zu verstehen und wenn es um Gefühle ging war es selten eine gute Idee sich hinzusetzen und sie zu erklären. Sicherlich gehörte es dazu, damit Verständnis überhaupt entstehen konnte, aber der weitaus größere Part war es wohl sie wirklich zu fühlen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Kein leichtes Unterfangen, wenn man noch viel zu jung war um so etwas komplexes wie Gefühle auch nur im Ansatz richtig deuten zu können. Es brauchte Jahre um auch nur einen kleinen Bruchteil an Verständnis zu erlangen und selbst wenn man bereits alt genug war um über ein Leben in Frieden nachzudenken, war man sicherlich nur in der Lage, einen kleinen Umfang dessen zu verarbeiten, was Gefühle einem zu geben vermochten.

 

„Keiko“, adressierte er schließlich das Mädchen vor ihm, „Kannst du dich daran erinnern, über was du und deine Freundin gesprochen habt, als Taiki dich geschubst hat?“, fragte er nach, ohne den Blick abzuwenden. Es war bereits lange her, viel zu lange für ein junges Mädchen, um sich wirklich daran zu erinnern, vor allem weil sie sicherlich kaum die Verbindung gezogen hatte, dass ihr Gesprächsthema Auslöser für das Verhalten ihres Bruders gewesen war. Das Kind runzelte leicht die Stirn, in ihrer Konzentration sich zu erinnern biss sie leicht auf die Unterlippe, ehe sie unwohl ihre Schultern hinauf zog und verunsichert den Kopf schüttelte. Sasukes Stirn hingegen legte sich in Falten, offensichtlich immer weniger verstehend was hinter diesem ganzen Chaos steckte.

 

Naruto lächelte sie entspannt an und nickte leicht. „Das habe ich mir gedacht.“, gab er zu, bevor er ihr versicherte, dass es nicht schlimm war. Er würde ihr helfen sich zu erinnern und damit das Minenfeld eröffnen, was wohl die Gefühle der ganzen Familie anbelangte. Sasuke war, egal wie man es drehte und wendete, nicht unbedingt ein gutes Vorbild darin, seine Gefühle offen zu zeigen. In diesem Fall jedoch würde er sich der Herausforderung stellen müssen, aber Naruto zweifelte keine Sekunde daran, dass Sasukes Meinung gefestigt war und die Ängste der Kinder unbegründet waren. Zumindest nahm er an, dass Keikos Worte bei der Auseinandersetzung eher ein Zeichen von Unsicherheit waren.

 

„Bitte lass mich ausreden.“, wendete er sich an Sasuke, wissend, dass sein bester Freund schnell aufnehmen würde, wo das Ganze wohl hinführte. Es war einfach essentiell, dass der Mann seinen Sohn zu Wort kommen ließ. „Keiko hat in der Schule eine Freundin, deren Tante vor kurzem geheiratet hat.“, begann er dann zu erklären, während sein Blick zu dem Mädchen huschte. Die Unsicherheit die zuvor von dem Kind Besitz ergriffen hat, festigte sich. Ihre Schultern zogen sich höher, als sie nun vermutlich sich zu erinnern begann, was an dem Tag genau das Thema gewesen war. Auch Sasuke schien dieses Verhalten nicht zu entgehen, sein besorgter Blick lag auf dem Mädchen, ehe er zu Taiki huschte um nahezu nahtlos anschließend bei Naruto zu landen.

 

„Diese Tante hatte damit zum zweiten Mal geheiratet und aus der ersten Ehe gab es ein Kind, welches mit in die neue Familie eingeführt wurde. Die beiden hatten sich darüber unterhalten, dass es seltsam wäre, ein neues Elternteil zu bekommen, denn laut dem Kind, das einen neuen Vater bekommen hat, wäre nichts dabei, einen neuen Vater zu bekommen.“ Sasukes Falten vertieften sich noch und auch ohne ihn zu fragen wusste Naruto, dass der Mann die einzelnen Bruchstücke rapide zusammengesetzt hatte und zu begreifen begann, was eigentlich los war. „Kannst du dich daran erinnern, was Keiko gesagt hat, was dich so wütend gemacht hat?“, fragte Naruto sanft nach, riss den Blick von Sasuke los, um den Jungen neben sich anzublicken. Taiki nickte unsicher, der Blick war auf seinen Schoß gerichtet und auch wenn Narutos Hand sich keinen Millimeter wegbewegt hatte, hatte er erneut angefangen nervös und unwohl den Saum seines Oberteils zu kneten.

 

Naruto wartete erneut geduldig, aber mit jeder Sekunde in der die Stille in dem Raum nahezu greifbar war, sah er wie das Kind unter dem Druck der auf ihm lastete zu zerbrechen drohte. Er überlegte gar nicht erst, bevor er die Hand zurück zog und Taiki packte, um ihn zu sich auf den Schoß zu ziehen. Seine Arme schlossen sich um den angespannten Körper, hielten ihn zusammen so gut wie es ihm möglich war. „Ich bin sicher, Keikos Worte waren nicht so gemeint, wie du glaubst Taiki.“, erklärte er dem überfordertem Kind. „Ich wette, dass deine Schwester nicht einmal weiß, wie sie damit umgehen soll, worüber sie mit ihrer Freundin gesprochen hat.“ Naruto war sich sicher. Er musste nicht einmal zu dem kleinen Mädchen schauen um zu sehen, dass sie mittlerweile eine ähnliche Haltung eingenommen hatte wie ihr Bruder.

 

Taiki erschauderte in seinen Armen, als Narutos warmer Atem bei jedem Wort seinen Nacken runter rieselte. Seine kleinen Hände lösten sich von dem eigenen Saum, um sich den neuen Halt in dem Oberteil des blonden Mannes zu suchen, der ihn festhielt. Naruto konnte fühlen, wie das Kind Luft holte, wie er sich erneut anspannte, bevor die Luft wieder entwich. Er hielt ihn einfach fest, ließ ihm die Zeit die er brauchte und wurde letzten Endes nach gut einer weiteren Minute absoluter Stille dafür belohnt.

 

„Keiko hat gesagt, dass Papa bald eine neue Mama mitbringt, die toll sein wird.“

 

Taikis Worte waren so leise, dass man sich schon konzentrieren musste um sie zu hören. Die Bedeutung dahinter jedoch hatte eine solche Wucht, dass Sasuke zusammenzuckte, als wenn eine Bombe direkt neben ihm hochgegangen wäre. Naruto sah, wie sein Freund blass wurde, wie die Falten auf der Stirn erneut tiefer wurden, wie Ärger sich bei ihm hoch kroch. Wenn er je Zweifel gehabt hätte, wie Sasuke selbst empfand, hätte er spätestens jetzt die Bestätigung über die wahren Gefühle des Uchihas. Aber er hatte keine Zweifel, entsprechend wusste er bereits was aus Sasuke Kehle kommen würde, als dieser schließlich zum Sprechen ansetzte.

 

„Wie kommt ihr darauf, dass ich eine neue Mutter für euch suche?“, fragte er irritiert, der Ärger deutlich sichtbar und hörbar. Bevor Sasuke dazu ansetzen konnte seinem eigenen Ärger Luft zu machen, schritt Naruto ein. „Keiko war wohl eher unsicher, weil sie sich nicht vorstellen kann, eine andere Mutter zu haben, Sasuke.“, klärte er auf, während sein Blick auf Keiko ruhte, die mehr und mehr in sich zusammen sackte. Sasuke folgte seinem Blick, seufzte schwer und schloss die Augen für einen Moment, bevor er seine Hand auf die schmalen Schultern seiner Tochter legte. Er zupfte leicht an ihr und als Keiko sich zu ihm lehnte, schob er den Arm um ihren kleinen Körper, um sie ebenfalls auf seinen Schoß zu ziehen, wie Naruto es vor kurzem bei Taiki getan hatte.

 

„Das ist nicht alles, Sasuke.“, erklärte Naruto, wissend, dass Sasuke vermutlich bereits sein Limit erreicht hatte und eigentlich Zeit brauchte diese Nachricht zu verdauen, bevor er sich mit mehr befassen konnte. „Was in der Schule passiert ist, ist meiner Meinung nach der Tropfen der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Sasuke. Aber das ist etwas, worüber wir später reden sollten.“, erklärte er. Das ohne die Kinder hing unausgesprochen schwer in der Luft. Sie waren zu klein um wirklich zu verstehen was sie empfanden, zumindest in der Tiefe und Komplexität dessen, was sie wirklich fühlten.

 

Sasuke nickte leicht, bevor er sich räusperte. „Für den Anfang ist das auch mehr als genug.“, gab er ehrlich zu, bevor er nach seinem Sohn rief. Als dieser ihn anblickte, versuchte er sich an einem Lächeln, auch wenn es miserabel versagte. Es sah eher aus wie eine Grimasse, die nicht passender sein könnte für den Tumult, der wohl im Moment in Sasuke herrschte. „Aber ich möchte dass ihr wisst, dass ich nicht vor habe eine neue Frau zu finden. Für mich gibt es nur eure Mutter und nun wo sie nicht mehr bei uns sein kann, gibt es nur euch beide und mich. Daran wird sich nichts ändern.“, erklärte er.

 

Es war nicht unbedingt eine kindgerechte Erklärung, wie Naruto erkannte, während er den Schmerz das zu hören was er längst wusste nieder rang, aber es war eindeutig besser wie gar nichts. Naruto fand, dass Taiki das hören musste. Die ungewöhnlich heftige Reaktion auf die unsichere Aussage seiner Schwester zeigte mehr als deutlich, dass der Junge ein Problem hatte, das man nicht ignorieren konnte. Ob Sasuke es bereits erkannt hatte, konnte Naruto nicht einschätzen, aber das war eindeutig ein Thema, das er aufgreifen wollte, wenn die beiden sicher und tief schlafend in ihren Betten lagen. Es betraf sie zwar, aber sie würden nicht verstehen über was er sprach.

 
 

***

 

Der restliche Nachmittag verlief unruhig. Durch das Gespräch waren die Emotionen recht hoch und die Unsicherheit noch höher, wie man miteinander umgehen sollte. Mittlerweile gab es vier Lager. Zum einem Keiko, die auch jetzt noch nicht ganz verstand warum Taiki so heftig reagiert hatte, aber ein starkes Verlangen danach hatte sich mit ihrem Bruder wieder zu vertragen, nur wusste sie nicht, wie sie es anstellen sollte. Der einfachste Weg, auf ihn zu zugehen und das Thema abzuhaken, war in Anbetracht der Stimmung nahezu unmöglich. Dann war da Taiki selbst, der noch immer angespannt war, auch wenn man die Erleichterung deutlich spüren konnte, die die klare Aussage seines Vaters gebracht hatte, keine neue Mutter für die beiden zu suchen. Er wollte ganz offensichtlich seine Familie zurück, wie aber auch Keiko, hatte er keine Ahnung wie genau er es anstellen sollte. Das dritte Lager war Sasuke, der heillos überfordert war mit dem was passierte. Seine eigenen emotionalen Problem hinderten ihn klar daran, seine beiden Kinder einfach zu sich zu ziehen und ihnen zu versprechen, dass alles wieder gut wurde. Es würde das Eis brechen, aber Sasuke war und blieb jemand, der sich schwer damit tat. Das letzte Lager war Naruto, der nur von de Seitenlinie aus zuschauen und den Kopf schütteln konnte. Als Außenstehender war es für ihn absolut verständlich, wie es weiter gehen musste, nur waren alle Uchihas scheinbar unfähig, das offensichtliche zu erkennen.

 

Nachdem er sich dieses Theater für gut eine Stunde angesehen hatte, platze ihm letztendlich der Kragen. Irritiert über so viel Zurückhaltung lief er in das Wohnzimmer zurück, um Rasengan zu sich zu locken. Als der Rüde etwas unsicher angetrottet kam, kraulte er ihn hinter den Ohren und deutete auf die Küche. „Was hältst du davon, den Idioten da drinnen zu zeigen, dass sie eine Familie sind?“, fragte er den Hund und nickte über die Schulter hinweg. Rasengan verstand natürlich kein Wort, seine Rute schlug leicht aus bei Narutos leichten Worten und sein Kopf legte sich leicht schief, als er scheinbar versuchte zu verstehen, was sein Mensch von ihm wollte. Es sah niedlich aus, aber Naruto wollte sich nicht weiter damit beschäftigen. „Rasengan? Wo ist Taiki?“, fragte er deswegen, was die Ohren des Rüden deutlich hob. „Such, Rasengan!“, befahl er schließlich, das Glucksen unterdrückend, das sich hocharbeiten wollte, als der Hund endlich verstand was von ihm verlangt wurde. Fast rannte der Rüde ihn um, als er sich in Bewegung setzte und eilig in die Küche schlitterte, wo er Sekunden später das aufgeregte Bellen des Hundes hören konnte, gefolgt von Sasukes mahnenden Worte und was viel wichtiger war, das Lachen von zwei Kindern, um sie Rasengan gerade vermutlich herum tänzelte und kein Stück auf das hörte, was Sasuke zu sagen hatte. Immerhin, er hatte einen klaren Befehl und wenn es um Taiki ging, gehorchte Rasengan fast immer.

 

Naruto erhob sich, um selbst in die Küche zu gehen. Als er in der Tür stand, lehnte er sich zufrieden gegen den Türrahmen, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit ansehen konnte, wie sein aufgeregter Rüde noch immer um die drei herumtänzelte, offensichtlich stolz darauf, gefunden zu haben was man ihm befohlen hatte zu finden. Sie angespannte Haltung von allen war verschwunden. Taiki und Keiko glucksten und lachten, während sie versuchten Rasengans aufgeregten Versuche abzuwehren, ihnen quer durch das Gesicht zu lecken. Selbst Sasukes Mundwinkel hatten sich nach oben gezogen, als er halb ernst gemeinte Befehle auf den Hund rieseln ließ, der offensichtlich für den Moment beschlossen hatte, den Mann vollkommen zu ignorieren.

 

Als Sasuke schließlich hoch schaute, leuchteten seine Augen und das Lächeln, welches zuvor leicht das hübsche Gesicht geziert hatte, festigte sich zu einem offenen Lächeln. Naruto musste die Worte nicht hören, die die Lippen des anderen lautlos formten. Sasuke war nicht dumm. Er wusste, dass dieses Narutos Werk war, weswegen er wohl auch nicht härter durch griff, um Rasengan wieder unter Kontrolle zu bekommen. Was Sasuke aber nicht wusste war, was dieses Lächeln mit Naruto anstellte, der leicht nickte und sich schließlich abwendete um der Familie etwas Zeit zu lassen, sich endlich wieder näher zu kommen.

 
 

***

 

Es war bereits ziemlich spät, als Sasuke mit zwei Tassen in das Wohnzimmer zurück kam, wo Naruto auf der Couch saß und gedankenverloren seine Finger durch Chidors Fell wandern ließ. Der Rüde hatte sich nach Rasengans Angriff ebenfalls wieder unter sie gemischt, wo nun die angespannte Haltung verschwunden war. Als Sasuke die Tassen auf dem Tisch abgestellt hatte, schob Naruto sanft den Rüden von sich, bis er von der Couch glitt und langsam Richtung Treppe trottete, sicherlich um seinem Bruder Gesellschaft zu leisten, der bereits bei Taiki oben im Bett lag.

 

Nach dem Abendessen waren die Kinder müde gewesen, so sehr, dass sie es kaum geschafft hatten sie zu animieren, sich anständig fertig zu machen. Kaum hatte Keikos Kopf das Kissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen gewesen und Taiki war ihr sehr schnell gefolgt. Naruto verstand es. Es war ein anstrengender Tag für sie alle gewesen und auch er hatte das Bedürfnis, sich auf der Couch lang zu machen, um Schlaf zu finden. Aber er musste noch warten, das wusste er.

 

„Ich werde nicht mögen, was du zu sagen hast, oder?“, fragte Sasuke nach, ließ sich auf die Couch neben ihm sinken und zog die Beine hoch, um dann nach seiner Tasse zu greifen. Naruto schüttelte den Kopf. Nein. Sasuke würde nicht mögen was er herausgefunden hatte, denn es bedeutete, dass der Uchiha einen weg gehen musste, den er schlicht nicht gehen wollte. Sie alle mussten ihn gehen, auch wenn Taiki und Keiko sicher besser damit zurecht kamen, war es ein Problem, das Naruto in seinem Freund zuvor schon gesehen hatte, aber bei dem Uchiha eh auf Granit biss, egal wie er versuchte es anzugehen. Nur dieses Mal, konnte Sasuke sich nicht quer stellen, nicht wenn er wirklich seine Familie nicht verlieren wollte und egal was man über Sasuke sagte, seine Kinder liebte er sehr.

 

Er betrachtete die Tasse vor sich. Das Wetter war angenehm, eigentlich nicht unbedingt eines, wo man etwas warmes zu sich nehmen sollte oder brauchte. Aber der Tee hatte ein Aroma, das einem verriet, dass nicht nur heißes Wasser und wenige, getrocknete Blätter sich dort vereinten. „Mit Schuss!“, stellte er fest, fast geneigt eines seiner breiten Grinsen zu zeigen, wenn das was er zu sagen hatte nicht so sehr auf seinen schultern lasten würde. „Hmm, vermutlich die beste Idee, wenn ich mich mit etwas anfreunden soll, was mir nicht gefällt.“, erwiderte Sasuke und nippte ein weiteres Mal an der Tasse. Naruto seufzte leise. „Du hast eine Ahnung, denke ich.“, begann er das Thema und griff selbst zu der Tasse. Irgendwie war das Tradition geworden. Er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft sie hier gesessen hatten, etwas getrunken hatten, ganz gleich ob es alkoholisiert war oder wirklich ganz normaler Tee oder sogar Kaffee. Fast schon konnte man sagen, dass sich eine Routine eingeschlichen hatte, auch wenn diese Momente rar waren, wo sie hunderte Meilen voneinander entfernt lebten. Ein Urlaub über Weihnachten und dieser Besuch um Taiki zu helfen reichten dennoch aus, um diese Vertrautheit zurück zu holen, die früher ganz normal für sie gewesen war.

 

„Natürlich. Man muss wirklich dumm sein, um nicht zu ahnen, was dahinter steckt.“, brummte Sasuke, seufzte leise in die Tasse, bevor er es vorzog einfach vor sich hin zu starren. „Hör zu, ich weiß dir gefällt es nicht, aber ihr braucht wirklich Hilfe. Nicht nur deine Kinder, du auch, Sasuke.“, begann Naruto, nicht gewillt diese Stimmung lange zu ertragen. „Taiki war der festen Überzeugung, dass ich gehen würde. Irgendwie hat er den Eindruck gewonnen, dass wenn jemand einen lieb hat, oder man selbst jemanden lieb hat, man irgendwie geht. Oder gehen muss. Er ist traumatisiert und kann mit dem Verlust nicht umgehen. Da ist es verständlich, dass er so heftig reagiert, wenn jemand auch nur daran denkt, jemand könnte seine Mutter ersetzen.“, erklärte Naruto das Problem, nicht Rücksicht darauf nehmend, dass Sasuke nicht so leicht damit umgehen können würde.

 

„Und nicht nur das. Keiko ist unsicher, sie weiß nicht was sie fühlen soll. Ich glaube nicht, dass sie ihre Mutter nicht vermisst, aber sie hat verstanden, dass sie nicht zurück kommt. Nur sagt ihr niemand, wie sie damit umgehen soll.“, erklärte er schonungslos weiter. „Und du, Sasuke, bist nicht besser. Du bist gefangen in deiner Trauer. Ich verstehe das, wirklich. Ich verstehe, dass du nicht los lassen kannst oder willst. Aber du übersiehst dabei, dass du nicht alleine bist. Wie sollen deine Kinder zur Ruhe kommen, wenn ihr Vater sie jeden Tag damit konfrontiert, wie unfair das eben doch ist?“

 

Sasuke schnaubte, die vorherige Ruhe war eindeutig vergessen. „Meinst du es ist einfach, sie zu vergessen?“, fragte er wütend nach, der alte Schmerz nahm ihn schneller ein als dass er seine Mauern stärken konnte, um ihn auf Abstand zu halten. „Nein!“, erklärte Naruto hart, die Tasse landete mit einem leisen Geräusch auf dem Tisch, die irritierte Oberfläche schaukelte, bis ein wenig des Inhalts über den Rand schwappte und auf dem Tisch landete. Keiner der beiden kümmerte sich darum, als Narutos Hände Sasukes packten, die fest gegen die eigene Tasse drückten, die dieser noch in der Hand hielt.

 

„Du wirst sie nie vergessen und jeder der dir sagt, dass du das sollst, ist ein Vollidiot, Sasuke.“, erklärte Naruto, die Worte waren sanft, einschmeichelnd, auch wenn man in seinen Augen einen Schmerz sehen konnte, den Sasuke nie zuvor wahrgenommen hatte, wenn es um seine Frau gegangen war. Wenn überhaupt, hatte er Abneigung zu sehen bekommen, die Emotionen die Naruto nun einnahmen waren allerdings einer ganz anderen Natur, die Sasuke nicht wirklich erfassen konnte. Sie überrumpelten ihn. Auch deswegen wehrte er sich wohl nicht gegen den Kontakt, auch wenn er innerlich aufgewühlt war.

 

„Du liebst sie.“, stellte Naruto leise fest. „Und das ist etwas, was dir niemand nehmen kann oder sollte, Sasuke. Aber deine Trauer um sie ist so stark, dass du an ihr fest hältst, anstatt sie heilen zu lassen. Und damit hinderst du die beiden daran zu heilen, die dir genauso viel bedeuten und die noch leben. Du sollst nicht vergessen, aber du sollst lernen an sie zu denken, ohne dass der Schmerz dich vollkommen lähmt, dich für Stunden oder Tage so einnimmt, dass du das Gefühl hast daran zu ersticken. Hikari sollte nicht dein Fluch werden, sondern der Segen, der dich die letzten Jahre glücklich gemacht hat. Die Stärke, die tief in dir bleibt, auch wenn sie nicht mehr bei dir sein kann.“

 

Sasuke schluckte schwer. Es war nicht so, dass der Uchiha die Worte nicht verstand. Nur wenn er ehrlich war, hatte er nicht damit gerechnet. Naruto wusste wie es in ihm aussah, viel besser als Sasuke selbst, der in den letzten Monaten viel Kraft darauf verschwendet hatte, diesen Tumult an Trauer und Scherz irgendwie zu bändigen, dass er jeden Morgen es schaffte aus dem Bett zu kommen, seine Kinder fertig zu machen, sie zur Schule zu bringen und selbst zur Arbeit zu kommen, anstatt in seiner Trauer zu versinken. Naruto wusste wie es in ihm aussah, wie er fühlte, obwohl sie seit Jahren eine eher angespannte Beziehung zueinander hatten, basierend auf Wut, Sturheit und Unverständnis und das wohl auf beiden Seiten.

 

Naruto konnte fühlen wie die zuvor angespannten Hände sich unter seinen Entspannten. Für einen Moment hielt er sie noch fest, ehe er sie wieder entkommen ließ. Er schluckte schwer, diese Worte zu sagen fiel ihm schwer, dennoch wusste er, dass es notwendig gewesen war. Und es war die Wahrheit. So sehr es ihn auch schmerzte, Sasuke liebte Hikari, er würde sie immer lieben und diese Gefühle waren unangreifbar. Nur musste er es hinbekommen, an ihnen nicht zu zerbrechen und wenn er so weiter machte, war es sehr wahrscheinlich, dass er bald unter allem zusammenbrach und dann wirklich Hilfe in Anspruch nehmen musste, ohne mit sich selbst ins Reine gekommen zu sein.

 

Auch Sasuke schluckte schwer, wie Naruto sehen konnte. Dann folgte ein leises, dieses Mal unsicheres Lachen. „Du bist durch und durch Autor. Ich habe eindeutig unterschätzt, zu welcher Tiefe du in der Lage bist.“, gab Sasuke ehrlich zu und wich seinem Blick aus. Naruto leckte sich leicht über die trockenen Lippen, ehe er mit den Schultern zuckte. „Vielleicht.“, gab er zu, seine Augen folgten dem Uchiha, wie er die Tasse absetzte und sich dann abwendete um nach oben zu gehen. Vermutlich um sacken zu lassen, was gerade so offen auf den Tisch gekommen war.

 

Aber auch wenn beide es nicht ansprachen, war ihnen wohl dennoch beiden bewusst, dass Narutos Tiefe bei diesem Thema sicherlich nicht alleine darauf zurückzuführen war, dass er als Autor eine sehr weitläufige Fantasie hatte und einen Drang, die Dinge genauer zu sehen und zu verstehen. Es war keine Intuition, es war ein Gefühl, was er aus erster Hand selbst erfahren hatte.

 

Beide zogen es vor diese Erkenntnis nicht öffentlich zu machen, nicht bereit sich dem zu stellen, was im dunklen verborgen lag.

16 lifelong gratitude


 

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16 lifelong gratitude

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Der neue Morgen kam – nach einer viel zu kurzen Nacht – mit dem stetigen Trommeln dicker Tropfen, die in einem nicht enden wollenden Rhythmus gegen die Scheiben der Fenster trafen. Sie waren bei Weitem nicht der einzige Faktor, der Naruto letztendlich aus dem Schlaf riss. Kleine, eifrige Händen zerrten an seinem Shirt, das leise klappern aufeinander treffender Zähne und gestotterte Worte rissen ihn mehr und mehr in die Realität zurück, bis er, noch müde von der kurzen Nacht, die Augen langsam öffnete. Nur um Taiki zu entdecken, in einem Schlafanzug, der nass an seinem kleinen Körper klebte. Tropfen rannen nach wie vor die dunklen Haare hinab, tropften auf den hölzernen Boden und ließen den Jungen aussehen, als sei er so wie er war unter den Strahl der Dusche getreten.

 

„Was hast du denn gemacht?“, fragte er verwundert, schob die feuchten Hände von sich, um sich aufsetzen zu können. Taiki zitterte am ganzen Leib, die Zähne klapperten von der Kälte und die Lippen begannen sich zu einem ungesunden blau zu verfärben. Der Junge schüttelte den Kopf, deutete so gut er konnte Richtung Treppe, Naruto war noch immer konfus was eigentlich los war. Das laute Ratschen, das sich fast anhörte wie Holz welches über anderes Holz geschoben wurde, das Bellen zweier vergnügter Hunde erreichte ihn endlich, auch wenn es keine Antwort auf seine Frage gab.

 

„Loch!“, war alles was Taiki zitternd hervor brachte und damit endlich die Verbindung herstellte, die alle Eindrücke in ein gemeinsames Bild verfrachteten, das Sinn ergab. Eilig, den Jungen dabei fast umstoßend, richtete Naruto sich fluchend auf, schob die Decke eilig von sich, um auf nackten Sohlen die Treppe hinauf zu hetzen. „Geh ins Bad und hole dir ein Handtuch!“, befahl er dem Kind noch über die Schulter hinweg, als er endlich oben ankam. Keiko war wach. Das Mädchen stand im Flur und blickte mit großen Augen ihm entgegen, bewegte sich allerdings nicht vom Platz. Durch Taikis geöffnete Tür konnte er eine weitere Figur entdecken, die eilig das zweite Bett aus dem Weg schob und dabei recht farbenfroh vor sich hin fluchte. Naruto setzte sich in Bewegung, um den Schaden zu begutachten.

 

An der Stelle, an der das Doppelbett gestanden hatte, in dem Taiki die letzte Wochen geschlafen hatte, rieselte ein gleichmäßiger Strom Wasser hinab. Eine Pfütze die mehr und mehr an einen kleinen See erinnerte, bildete sich an der Stelle. Seufzend wendete Naruto sich ab, um eine Wanne zu holen, während er hoffte, dass der starke Regen bald nachlassen würde. Als er das alte Ding gefunden hatte, schnappte er sich ebenfalls einige Tücher und eilte zurück in Taikis Zimmer, wo Sasuke mit unzufriedener Miene nahe der Tür stand und das Rinnsal an Wasser im Auge behielt. Naruto zwängte sich an dem ebenfalls nassen Mann vorbei, stellte die Wanne auf und begann das Wasser auf zu wischen, das mittlerweile einen großen Teil des Holzbodens bedeckte.

 

Das würde teuer werden und Sasukes gemurmeltes 'Natürlich hat dein Dach ein Loch und ertränkt fast meinen Sohn' machte es nicht wirklich besser.

 

Letzten Endes erfuhr er einige Minuten später, nachdem Sasuke und auch Taiki in sauberen, warmen Klamotten steckten, dass scheinbar sein Dach den Wassermassen nicht standgehalten hatte, unglücklicherweise an einer Stelle, die direkt über Taikis Bett gewesen war. Das Kind war aus dem Schlaf gerissen worden, als ein Schwall eisiges Wasser auf ihn hinab geregnet war. Und das im Juli, wo das Wetter fast nicht besser sein könnte.

 

Sich bei Taiki entschuldigend, auch wenn er wirklich nichts dafür konnte, verbrachte Naruto den Tag damit, einen Handwerker zu finden, der schnellstmöglich das Loch richten konnte und damit, die Wanne immer wieder zu leeren, die sich schnell erneut mit Wasser füllte.

 

Sie alle waren wohl froh, als am späten Nachmittag der Regen endlich weniger wurde, bis er schließlich komplett stoppte und der Himmel endlich wieder aufriss, um strahlend blau über ihnen zu erstrahlen, als wenn das Desaster vom Morgen nichts weiter als ein schlechter Witz gewesen wäre.

 

In der Nacht schlief Taiki bei Naruto auf dem Sofa, während die nasse Matratze zum trocknen aufgestellt worden war.

 
 

***

 

„Morgen.“, grüßte Naruto verschlafen, während er halbherzig versuchte Rasengan am Halsband bei sich zu behalten, damit der junge Rüde nicht über die beiden Männer her fiel, die extra gekommen waren, um sich das Loch anzusehen, das nun sein Dach zierte. Die beiden nickten leicht, bevor der Jüngere der beiden, sich hinab beugte. „Ziemlich wild, der Junge.“, kommentierte er und kraulte Rasengan, der sich kaum beruhigen konnte. Naruto brummte leise. „Sasuke? Könntest du dich um Rasengan kümmern, während ich die Herren in Taikis Zimmer bringe?“, rief er über die Schulter hinweg, kaum das er den Uchiha entdeckte, der nicht minder verschlafen wirkte und scheinbar runter gekommen war um zu sehen, wer zu dieser frühen Stunde bei ihnen klingelte. Er gähnte herzhaft, bevor er den Hund fixierte. „Rasengan, aus!“, befahl er schließlich streng und in der nächsten Sekunde sackte der Hund zusammen, sein Hintern landete auf dem Boden, als wenn er wenige Sekunden zuvor nicht versucht hätte dem Zug an seinem Halsband zu entgehen. Naruto konnte den Gedanken, wie unfair es war, dass sein Hund nur auf Sasuke zu hören schien, nicht ganz unterbinden. Dennoch war er froh, den schmerzenden Arm endlich zurückziehen zu können.

 

„Steigen Sie einfach über ihn hinweg. Wenn Sasuke aus sagt, dann kann er sich benehmen.“, erklärte er bitter und stiefelte Richtung Wohnzimmer, die beiden Männer im Schlepptau, das leise Lachen ignorierte er, das nicht nur von Sasuke kam. Es war wirklich nicht fair. Er erzog Rasengan, versuchte es zumindest und doch bekam er den agilen Hund nicht unter Kontrolle, aber kaum tauchte Sasuke auf der Bildfläche auf, benahm der Rüde sich, als wenn er kein Wässerchen trüben konnte.

 

Aus den Augenwinkeln sah er Taiki, der verschlafen auf der ausgezogenen Couch saß und ihnen nachblickte, während sie die Treppe ansteuerten und die Stufen erklommen, um in das Obergeschoss zu gelangen. Keikos Zimmertür war noch geschlossen und Naruto glaubte auch nicht, dass das Mädchen bald aufstehen würde. Zumindest nicht, wenn die beiden Herren nicht sofort mit der Arbeit begonnen. In Taikis Zimmer endlich angekommen, blieb Naruto stehen und deutete auf das Loch, das überdeutlich zu sehen war.

 

„Da.“, kommentierte er, auch wenn es unnötig war. Die undichte Stelle war nicht zu übersehen und niemand kam wohl auf die Idee, eine alte Zinkwanne als Dekoration mitten in ein Kinderzimmer zu stellen, die dazu noch bis zur Hälfte mit Regenwasser gefüllt war. Aber er war ehrlich zu müde, zu genervt von dem vorherigen Tag und der frühen Störung, um sich über so etwas nun Gedanken machen zu können. Lieber gähnte er ein weiteres Mal und im Stillen hoffte er, dass man den Schaden begutachtete und sie dann noch mindestens drei Stunden schlafen ließ, ehe man sich daran machte, das Loch zu flicken. Das Naruto im Moment nicht der Glückspilz des Monats war, bestätigte sich wenige Minuten später.

 

„Ziemlich groß. Ich denke wir werden einen Teil des Daches entfernen und erneuern müssen. Das Loch in der Decke ist schnell gerichtet, damit sollte man allerdings warten, bis alles komplett getrocknet ist. Ansonsten sammelt sich hier schnell Schimmel.“, wurde ihm erklärt. Naruto nickte erschöpft und warf einen weiteren Blick auf das Loch, als wenn es sein persönlicher Feind wäre. „Wann können sie es richten?“, fragte er nach, die Müdigkeit sickerte mehr und mehr in seine Knochen und alles was er wollte war noch einmal in die warmen Decken zu kriechen und die Augen für ein oder zwei weitere Stunden zu schließen. „Wir können sofort anfangen das Dach aufzureißen. Wir müssen zwar noch einmal zurück um Material zu besorgen, aber heute Nachmittag könnten wir durch sein.

 

Natürlich. Weiterer Schlaf war ihm verwehrt, aber auch wenn er wirklich müde war, dass das Loch geflickt wurde war eindeutig wichtiger. Entsprechend ergab er sich seinem Schicksal. „Alles klar. Ich wecke die Kleine, damit sie nicht auch unsanft aus dem Schlaf gerissen wird, wie ihr Bruder gestern.“. Ergab er sich seinem Schicksal und ließ die beiden in Taikis Zimmer zurück, um Keiko sanft aus dem Schlaf zu reißen. Das es gerade einmal sieben am Morgen war und die Nacht erneut zu kurz für sie alle gewesen war, bedeutete scheinbar nicht, dass man ihnen ein wenig Ruhe gönnte.

 

Während die Handwerker auf ihrem Dach herum turnten und sich daran machten die Schwachstellen zu beheben, hatte Sasuke Frühstück gemacht. Als seine Kinder und Naruto endlich ebenfalls in die Küche kamen, setzten sie sich zusammen hin.

 

Taiki war an diesem Morgen aufgeweckt wie schon lange nicht mehr. Immer wieder lauschte er den Geräuschen über ihnen und fragte eine Frage nach der anderen, bis Naruto innerlich darum flehte, seinen Kaffee in Ruhe trinken zu können, um wenigstens ein wenig wacher zu sein. Aber er wollte den Jungen nicht enttäuschen und Sasuke schien wirklich eine diebische Freude daran zu haben, ihm bei seinem Leiden zu beobachten. Der Bastard konnte noch so sehr versuchen sein amüsiertes Grinsen in der Tasse zu verstecken, die er nahezu dauerhaft vor seinem Gesicht hielt, die Augen ließen absolut gar keinen Zweifel daran, dass er sich wirklich amüsierte.

 

„Heute Nachmittag, Taiki.“, antwortete er auf die Frage, wann man wohl fertig mit dem Dach war. „Und ich weiß nicht, ob du heute Nacht wieder dort schlafen kannst. Da ist immer noch das Loch in der Decke und die Matratzen brauchen vermutlich mehr als eine Nacht um richtig trocknen zu können.“, beantwortete er auch gleich die Frage, die zuvor gestellt worden war. Der Junge nickte verstehend und hob den Blick zum wiederholten Male Richtung Decke, wo man das Poltern der Handwerker hören konnte, obwohl ein weiteres Zimmer als Puffer dazwischen war. Vermutlich wurde der Krach auch durch die offene Hintertür zu ihnen hereingeweht, denn das erste was Taiki getan hatte nachdem sie alle in die Küche gekommen waren, war nach seinem kleinen Garten zu sehen, der den massiven Regenguss zum Glück recht unbeschadet überstanden hatte.

 

Naruto seufzte leise und konzentrierte sich auf seinen Kaffee, hoffend wenigstens ein wenig Ruhe zu bekommen.

 
 

***

 

Das zweite Mal an diesem Tag, wo Naruto sich sicher war, dass er ganz gewiss kein Glückspilz genannt werden konnte, war gut zwei Stunden nachdem sie das gemeinsame Frühstück beendet hatten und der Kopfschmerz, der sich durch das stetige Hämmern immer mehr festigte, langsam Ausmaße annahm, dass selbst seine Laune ganz gefährlich in den Keller sackte.

 

Der zweite Hinweis, in Form von Sam, stand gegen halb elf mit einem tiefen Stirnrunzeln vor der Tür, der Blick war zum Dach gerichtet, die Hand erhoben, als Naruto die Tür öffnete und mit einem Seufzen den Mann herein bat.

 

„Was ist passiert?“, wurde er auch gleich gefragt, nachdem er eingetreten war und einen Blick riskiert hatte, wo die beiden monströsen Hunde sich befanden. Rasengan lag neben Sasuke, der auf der nun wieder zum Sitzen benutzbaren Couch saß, die Rute schlug aufgeregt auf den Boden, aber da sein Herr mehr als streng ihm angewiesen hatte zu bleiben, gehorchte er natürlich. Naruto hingegen war kurz davor mit den Zähnen zu knirschen, das Hämmern nervte ihn und Taikis Fragen taten den Rest, vor allem weil seine Schwester es scheinbar lustig fand ihn ebenfalls in den Wahnsinn zu treiben. Es waren Sasukes Kinder, daran gab es keinen Zweifel. So sehr er den Bastard auch liebte, kein Mensch konnte ihn so auf die Palme bringen wie er – nun und seine Kinder, wie er mittlerweile wusste.

 

„Loch im Dach vom Regen gestern. Taiki ist mit einem Vollbad geweckt worden.“, erwiderte er ausgelaugt und deutete auf den Sessel, wohl wissend, dass der Mann lieber nicht in Sasukes Nähe sitzen wollte, auch wenn es nicht am Mann lag, sondern eher an dem Hund, mit dem er vermutlich nicht warm werden würde. Sam hatte schlicht Angst vor Hunden und Naruto nahm sich vor, die beiden raus zu schaffen, wenn der nächste Besuch anstand und er ihn nicht vergaß, wie er es bei diesem hier getan hatte.

 

„Taiki kennst du ja.“, übernahm er schließlich das Vorstellen. Sam war in dem letzten Monat schon einmal da gewesen und hatte Sasukes Sohn somit bereits kennen gelernt. Die beiden hatten zwar kein Wort miteinander gewechselt, aber zumindest gesehen hatten sie sich schon einmal. „Und die kleine Dame ist Keiko, Taikis Zwillingsschwester. Der Typ neben Rasengan, der heute noch seinen Kopf verlieren wird, ist Sasuke Uchiha, der Vater der beiden.“, beendete er die Vorstellungsrunde wenig elegant. Sam blickte ihn an und hob die Augenbrauen, fast so elegant wie Sasuke es immer hinbekam. Es regte Naruto auf, auch wenn er nicht wirklich sagen konnte, woran es lag. Um nicht unhöflich zu sein, deutete er auch auf Sam. „Und das ist Samuel, wird aber Sam genannt, vom Verlag.“, erklärte er und ließ sich mit einem leisen Schnauben auf den freien Platz auf dem Sofa nieder.

 

Sam lachte leise. „Freut mich.“, meinte er, bevor sein Blick auf Naruto hängen blieb. „Und noch mehr freut mich, nach deiner eher depressiven Phase bei meinem vorletzten Besuch und seiner besorgten beim letzten, dich in blendender Laune zu erleben.“, erklärte er, was Sasuke erneut zu einem leisen Lachen verleitete. Naruto blickte den Mann an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Blendende Laune?“, fragte er nach, nicht wirklich verstehend, wo der Mann diese Idee her nahm. Seine Laune war alles, aber ganz gewiss nicht gut. Es war zu laut, Sasuke hatte eine diebische Freude daran ihn leiden zu sehen und Keiko und Taiki machte es noch viel mehr Freude, ihn keine Sekunde in Ruhe zu lassen. Normalerweise war das etwas, was ihm nichts ausmachte. Aber mit dem zusätzlichen Krach war Narutos Laune wirklich nicht die Beste.

 

„Natürlich.“, erwiderte Sam und öffnete die Tasche, die er dabei hatte. „Wenn du beißen kannst geht es dir gut, besser ginge es nur, wenn du von einem Ohr zum anderen grinst.“, wurde er aufgeklärt. Was irgendwo stimmte. Aber das bedeutete ganz gewiss nicht, dass er blendende Laune hatte. „Wie dem auch sei, ich habe die Entwürfe für das neue Cover dabei.“

 

Nun, das interessierte Naruto wirklich und für den Moment konnte er seine Laune in eine Ecke schieben, um die Hand nach den Entwürfen auszustrecken. Es waren insgesamt drei, die sich vor allem darin unterschieden, wie kräftig die Farben waren. Naruto breitete die Cover vor sich aus, um den Blick darüber schweifen zu lassen. „Ist das für dein Buch, Naruto?“, fragte Keiko und rutsche näher an ihn heran, um ebenfalls etwas zu sehen. Naruto nickte leicht abwesend, blickte aber auf, als das Mädchen auf das Bild zeigte, was nahezu schon grell war. Die Farben waren kräftig, die Konturen scharf und abgegrenzt. „Ich mag das am besten.“, gestand sie, ihre aufgeregten Augen huschten über das Bild das nur so leuchtete. „Ich das!“, kam es von der anderen Seite, wo Taiki näher rutschte und das Bild wählte, was eher in blassen und verschwommenen Konturen gehalten wurde. Aus Neugierde heraus blickte er auf Sasuke, der ebenfalls sich nach vorne gelehnt hatte, um die Entwürfe sehen zu können. Die Augen des Uchihas huschten über die Blätter, während ein leichtes Lächeln seine Lippen zierte.

 

„Und du, Sasuke, magst das Letzte?“, fragte Naruto nach, obwohl er genau wusste, dass sie beide wohl den gleichen Geschmack dabei hatten. Es war eher dunkel gehalten, die einzigen wirklichen Farben waren die klaren Linien zwischen dem Drachen und der Welt unterhalb von ihm. Alles andere war eher Schemenhaft gehalten, wie Naruto es sich vorgestellt hatte. Sasuke antwortete nicht, das leichte Zucken der Mundwinkel und das er kommentarlos sich zurück lehnte sagte aber weit mehr, als Naruto brauchte um seine Antwort zu bekommen. „Oh, haben Sie sein Skript gelesen?“, fragte Sam nach, sprang gleich auf die Möglichkeit an die Familie etwas besser kennenzulernen, die derzeit bei Naruto lebte.

 

„Noch nicht. Naruto schickt mir meistens die Erstausgabe wenn sie gedruckt ist und hin und wieder Auszüge aus seinem Buch. Die letzte Zeit war etwas hektisch, ich wäre ohnehin nicht dazu gekommen es zu lesen.“, gab er zu, ohne den Blick von Naruto zu nehmen. „Ich wusste nicht einmal, dass du dich so sehr für diese Fortsetzung interessierst.“, gab Naruto zu und blinzelte verwirrt zu dem Mann, der leicht als Antwort mit den Schultern zuckte.

 

Er hatte es wirklich nicht gewusst. Der Gedanke, dass alle sein Buch gelesen hatten hatte sich eindeutig noch nicht manifestiert, auch wenn man es ihm bei seinem unfreiwilligen Besuch in Japan mitgeteilt hatte. „Fantasy ist nicht unbedingt mein Genre, aber es ist von dir, Naruto. Warum sollte ich es also nicht lesen?“, fragte Sasuke nach und erhob sich gleichzeitig, um sich kurz darauf zu entschuldigen und das Zimmer zu verlassen.

 

Naruto blieb mit dem unguten Gefühl zurück, dass er Sasuke auf eine groteske Art und Weise verletzt hatte, auch wenn er wirklich nicht wusste was er getan hatte. Er wusste, dass Sasuke das Buch gelesen hatte, aber sie hatten nie darüber gesprochen, was er davon hielt. Sasuke hatte in seiner Jugend recht viel gelesen, aber wie er selbst es gerade deutlich gemacht hatte, war Fantasy nicht unbedingt die Art Unterhaltung gewesen, die er dabei gesucht hatte.

 

Mit einem Seufzen ließ Naruto sich tiefer in die Polster sinken. Das hatte er ja fantastisch hinbekommen. Dieser Tag konnte wohl wirklich nicht besser werden.

 
 

***

 

Sam war gute zwei Stunden geblieben und erst aufgebrochen, als der Geruch von Sasukes Essen sehr deutlich durch das Haus gezogen war. In den beiden Stunden hatte der Uchiha sich nicht noch einmal blicken lassen und selbst die Kinder hatten sich irgendwann angefangen zu langweilen und waren mit den beiden Hunden in den Garten verschwunden. Sehr zu Sams Erleichterung, der nahezu jede Sekunde einen Blick zu den beiden geworfen hatte, bis sie endlich den Raum verlassen hatten. Unter anderen Umständen hätte Naruto gelacht, aber im Moment war ihm wirklich nicht zum Lachen zu Mute. Wenigstens hatten sie es so geschafft nicht nur das Cover zu diskutieren, sondern auch die Kapitel durchzugehen, die Naruto bisher geschrieben und bereits überarbeitet hatte.

 

Aber als Sam sich verabschiedete, hatte er keinen wirklichen Grund mehr, Sasuke zu meiden. Die Tatsache, dass auch das Hämmern endlich gestoppt hatte, war entsprechend nicht so angenehm, wie es anzunehmen war. Trotzdem kam auch er in die Küche, setzte sich an seinen Platz und bedankte sich leise, als Sasuke ihm seine Portion reichte.

 

Das Essen selbst verlief ruhig, wenn man davon absah, dass die beiden Kinder hibbelig waren und ständig Blicke zum Garten warfen. Naruto verstand es. Nach dem schweren Regen des Vortages schien nun wieder die Sonne, womit es einen eindeutig nach draußen zog und drinnen schnell das Gefühl aufkam, gefangen zu sein. Die Zwillinge waren da nicht anders und auch wenn Sasuke streng war und die beiden stets ermahnte, hatte selbst er Erbarmen mit ihnen und erlaubte den beiden wieder raus zu gehen, nachdem sie endlich ihren Teller geleert hatten.

 

Aber mit dem Verschwinden der Zwillinge, verschwand auch die Ablenkung, die sie beide umgeben hatte. Naruto fühlte sich unwohl in seiner Haut, als er Sasuke dabei zusah, wie er aufstand und sich an die Arbeit machte, die Küche wieder ordentlich zu bekommen. Als wenn es seine eigene wäre. „Lass mich das machen.“, forderte Naruto ihn deswegen auf, während er sich ebenfalls erhob. Sasuke wich jedoch nicht zur Seite, statt dessen arbeiteten sie Hand in Hand.

 

„Warum lässt du mich dein Skript eigentlich nicht lesen?“, fragte Sasuke schließlich, während er mit gleichmäßigen Bewegungen den Teller trocknete, den er gerade in der Hand hielt. Für einen Moment verharrten Narutos Hände in den schaumigen Wasser, ehe auch er wieder zur Ruhe fand und weiter spülte. „Keine Ahnung.“, gab er ehrlich zu, hob den Teller aus dem Wasser und stellte ihn zum Abtropfen auf die Vorrichtung neben sich. „Ich denke, ich bin noch nicht so weit. Nach meinem Besuch in Japan war ich ziemlich blockiert und habe fast nichts hinbekommen. Es war frustrierend. Erst seit einer Weile ist die Blockade vorbei.“, gab er ehrlich zu, zuckte hilflos mit den Schultern. Sasuke brummte leise zur Antwort, stellte den nun trockenen Teller in den Schrank, um sich den nächsten zu greifen.

 

„Der Besuch ist nicht sehr glücklich verlaufen.“, gab Sasuke schließlich zu, ohne den Blick von seiner Arbeit abzuwenden. „Es ist wohl nicht verwunderlich, dass du blockiert warst und nach dem was ich gelesen habe, kommt so etwas nicht einmal selten vor.“ Was stimmte. Es war egal welchen Beruf man ausübte, es gab immer Tage an denen man nicht so in Form war, wie man es vielleicht gerne wäre. Autoren konnten nichts schaffen, wenn der Kopf nicht frei war. Natürlich konnte man versuchen sich zum Schreiben zu zwingen, aber aus Erfahrungen in seiner Schulzeit wusste Naruto, dass dabei selten etwas gutes heraus kam. Es war einfacher und produzierte weniger Frust, wenn man einfach in solchen Momenten Abstand nahm und versuchte zu der alten Ruhe zurück zu finden.

 

„Trotz allem. Fantasy mag nicht mein Genre sein, dein erstes Buch hat mir dennoch gefallen. Du konntest eben immer die besten Geschichten erzählen.“, redete Sasuke schließlich weiter. Irritiert ließ Naruto den nächsten Teller sinken, um Sasuke anzuschauen. „Wirklich?“, fragte er perplex nach, denn bisher hatte Sasuke nie erwähnt, dass er ihm gerne zugehört hatte. Eher war das Gegenteil der Fall gewesen. Sasuke war vermutlich einer jenen, der ihm am häufigsten gesagt hatte, dass es Zeit wurde nicht so kindisch zu sein und endlich erwachsen zu werden. Aus Frust wie Naruto durchaus wusste, dennoch hatte er stets angenommen, dass diese Forderungen ebenso widerspiegelten, was Sasuke empfand. Für Kindereien hatte er selten die Geduld gehabt und wenn er es zu weit getrieben hatte, hatte er sich schneller auf dem Weg nachhause vorgefunden, als dass er sich hätte verabschieden können. Geduld war damals ganz gewiss nicht eine von Sasukes Stärken gewesen, zumindest nicht, wenn es um ihn gegangen war.

 

„Sicher.“, gab Sasuke zu und zuckte dabei leicht mit den Schultern. Die momentane Aufgabe – den Abwasch zu erledigen – war eindeutig vergessen, als er sich zu ihm drehte und ihn direkt anschaute. „Du bist mir auf die Nerven gegangen, aber deine Geschichten haben mich genauso abgelenkt. Oder mich zur Weißglut getrieben, wie als wir 15 waren und du mir aufgetischt hast, dass Kakashi plötzlich auf die Idee gekommen ist, mit dir über das Wochenende weg zu fahren. Du hast mir lebhaft von deinem Wochenende erzählt, womit du dich vor der Party gedrückt hast, zu der du mich überredet hast.“

 

Naruto erinnerte sich daran. Sasuke hatte da aber eindeutig etwas in den falschen Hals bekommen. „Das war keine Geschichte.“, erklärte er deswegen mit gerunzelter Stirn. „Kakashi hat sich nicht erweichen lassen und ich wollte wirklich mit dir da hin. Das Wochenende war ziemlich öde, Kakashi wollte nur da hin, weil einer seiner Lieblingsautoren eine Signierstunde hatte. Nicht das, was ich mir von einem Wochenende erwartet habe.“ Naruto erinnerte sich verdammt gut daran, denn an dem Abend wäre es endlich einmal nur er und Sasuke gewesen, die gemeinsam weg gingen. Die Party hatte jemand aus den höheren Stufen geschmissen und sie beide waren dazu eingeladen worden. Sasuke hatte keine Lust gehabt, wie eigentlich immer, wenn es um solche Dinge gegangen war. Naruto erinnerte sich noch verdammt gut daran, wie sehr er auf Sasuke hatte einreden müssen, damit dieser mitkam. Und er erinnerte sich ebenso, wir wütend Sasuke nach dem Wochenende gewesen war.

 

„Du warst da, oder? Damals wolltest du mir nicht sagen wie der Abend verlaufen ist.“, erinnerte Naruto sich weiter. Sasuke zuckte nur leicht mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ich erinnere mich nur vage daran, mir extrem die Kante gegeben zu haben. Itachi hat mir den Kopf abgerissen, nachdem ich wieder nüchtern war, alles dazwischen ist weg und das bedauere ich nicht unbedingt.“ Was wohl verständlich war.

 

Sie konnten beide nicht behaupten, es mit dem Alkohol zu sehr auf die Spitze getrieben zu haben. Aber sie beide hatten dennoch das eine oder andere Erlebnis gehabt, das eindeutig in die Kategorie fiel, wo man sich am Tag danach schwor nie wieder einen Tropfen anzufassen. Bei Naruto war der letzte dieser Momente nicht einmal ein Jahr her und dieser Schwur hatte lediglich bis zu den Weihnachtstagen gehalten, als Sasuke ihn besucht hatte.

 

„Ich wäre gerne mitgegangen.“, gab Naruto ehrlich zu, drehte sich dann wieder dem Abwasch zu, um endlich fertig zu werden. „Aber wenn du etwas Geduld hast, schicke ich die ersten Kapitel, sobald ich sie fertig überarbeitet habe.“, gab er nach. Es war ja wirklich nicht so, dass er Sasuke das Skript nicht lesen lassen wollte. Bisher war dieses Thema nur nicht aufgekommen und wenn er ehrlich war, hatte er auch keine Sekunde daran gedacht, seinen Freund die paar Seiten zu schicken, damit er dessen Meinung hören konnte. Das wollte er auf jeden Fall nachholen, denn trotz allem lag ihm verdammt viel an ihrer Freundschaft.

 
 

***

 

Zu ihrem Glück waren die Handwerker am Nachmittag endlich mit ihren Arbeiten fertig. Das Dach war erneut ganz und über dem Loch in der Decke war eine Folie gespannt worden, damit kein weiteres Wasser eindringen konnte. In einigen Wochen dann wollte man prüfen, ob alles gut durch getrocknet war, damit jemand das Loch richten konnte. Aber das hatte auf jeden Fall noch Zeit.

 

Den Abend verbrachte Naruto dann mit den Zwillingen, wobei er sich ein Stück weit in die Vergangenheit zurück versetzt fühlte. Die drei hatten es sich mit den Decken auf dem Sofa bequem gemacht und die beiden Kinder lauschten mit freudiger Neugierde der Geschichte, die Naruto ihnen erzählte. Er war dabei eindeutig in seinem Element und ließ sich nur kurzzeitig ablenken, als Sasuke für einen Moment herein schaute, auf Rasengan zeigte und dann zur Tür nickte. Kurz darauf konnte man hören wie die Tür sich hinter Sasuke schloss, der scheinbar entschlossen hatte, einen kleinen Spaziergang mit den Rüden zu machen, damit sie hoffentlich den restlichen Abend schlafend verbrachten. Durch das Fenster konnte er wenige Sekunden später den Mann sehen, an beiden Seiten einen der Hunde und Naruto erkannte erneut, dass es Sasuke stand. Er wirkte gelöster, zufriedener, als es sonst je der Fall zu sein schien. Diese Empfindungen von sich schiebend, konzentrierte er sich wieder auf die Kinder, die neugierig auf den Rest der Geschichte warteten, die Naruto in diesem Moment für sie erfand. Vielleicht sollte er sich tatsächlich überlegen, auch in diesem Bereich aktiv zu werden. Geschichten für Kinder waren entspannend, leicht zu erzählen und auch wenn Fantasy sein Bereich war, gefiel ihm die Kindergeschichte zur Abwechslung verdammt gut.

 

Sasuke blieb fast vier Stunden weg und als er schließlich wieder durch die Tür kam, erwartete Naruto ihn bereits und legte den Zeigefinger auf die Lippen, damit Sasuke nicht zu viel Krach machte. „Sie sind eingeschlafen.“, erklärte er dem Vater, der leise aus den Schuhen schlüpfte und die wenigen Schritte bis zur Durchgangstür ging, von wo aus er die Couch sehen konnte. „Genug von Drachen, Prinzessinnen und Rittern auf weißen Pferden?“, fragte der Uchiha nach und brachte Naruto damit leise zum Lachen.

 

„Kinder sind simpel. Sie wollen von Abenteuern hören mit denen sie sich identifizieren können. Da muss ich nicht lange überlegen oder gar besonders logisch vor gehen.“, gab er zu und musterte den Uchiha vor sich. Sasuke hatte rosige Wangen bekommen und die Entspannung die Naruto zuvor bei seinem Blick aus dem Fenster aufgefallen war, schien sich sogar noch vertieft zu haben. Sasuke sah glücklich aus und das war etwas, was Naruto eindeutig gefiel.

 

„Was hältst du davon, draußen ein Bier zu trinken?“, schlug er deswegen vor. Es war noch angenehm warm, auch wenn es mittlerweile recht spät geworden war. „Danach können wir Keiko hoch bringen und ich kann auf die Couch.“, führte Naruto seine Gedanken weiter, während er sich bereits löste und in die Küche verschwand. Sasuke folgte ihm wenige Sekunden später und nahm die kühle Flasche an, die Naruto gerade aus dem Kühlschrank holte, ehe beide durch die Hintertür in den Garten verschwanden. Manchmal erstaunte es Naruto noch immer, wie sehr dieser Teil sich verändert hatte. Taiki hatte ihm wirklich gut unter die Arme gegriffen und in Zukunft würde er wohl mehr Zeit hier draußen verbringen, wo er nicht mehr befürchten musste, sich in dem hohen Gras zu verlaufen, oder irgendwelche Parasiten abzubekommen, die in dieser Wildnis nisteten und nur auf einen unwissenden Wirt warteten.

 

„Du weißt, du musst nicht auf die Couch.“, nahm Sasuke das Thema von zuvor auf und ließ sich auf die Stufen nieder, ganz wie Naruto es vor wenigen Sekunden ebenfalls getan hatte. Sie saßen nahe beieinander, ganz wie sie es immer in ihrer Jugend getan hatte, während eine angenehme Vertrautheit sich in beiden breit machte. „Hmm?“, erwiderte Naruto, ohne den Blick von dem Himmel abzuwenden, der langsam begann sich in prächtigen Farben zu präsentieren. Vielleicht noch zwei Stunden, dann würde die Dunkelheit Irland ein weiteres Mal verschlingen. Naruto mochte dieses Wechsel. Ganz gleich ob der Tag in die Nacht überging, oder die Nacht zum Tage wurde, es hatte etwas sanftes an sich, zu zusehen, wie der Himmel sich färbte, bevor er mehr und mehr von der Dunkelheit verschlungen wurde oder es immer heller wurde.

 

„Du brauchst nicht auf die Couch gehen, ich kann ebenfalls dort schlafen.“, erklärte Sasuke sich, folgte dem Blick, den Naruto zum Himmel gewendet hatte. „Ich weiß.“, gab Naruto ehrlich zu und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. Das Bier war herrlich kühl, ideal für den Abschluss eines anstrengenden Tages. Für die nächsten Wochen konnte er eindeutig auf Überraschungen und laute Handwerker verzichten. „Wenn ihr das nächste Mal kommt, hab ich eine andere Lösung. Aber ich wollte, dass Taiki hier einen Platz hat, der ihm gehört.“ Was durchaus der Wahrheit entsprach. Das Gefühl den beiden einen Platz zu schaffen, hatte ihn angetrieben die Renovierungen in Angriff zu nehmen. Das Problem dabei war eben nur, dass er kein drittes Zimmer hatte, in dem er Sasuke unterbringen konnte. Wenn es wirklich zu einem weiteren Treffen kam, würde er sich eindeutig ein Reisebett besorgen und in seinem Büro aufschlagen. Denn so bequem die Couch auch war, ein paar Tage konnte man es aushalten, ein Aufenthalt wie den zu Weihnachten, würde aber wohl seinen Rücken killen. Darauf konnte er eindeutig verzichten.

 

Sasuke brummte leise, zog es allerdings vor nicht weiter darauf einzugehen. Eine angenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus und Naruto hatte nicht das Verlangen sie zu zerstören. Er war zufrieden damit, an diesem Abend auf den Stufen vor seiner Hintertür zu sitzen, ein kühles Bier in der Hand, seines Besten Freund neben sich zu wissen und in den Himmel zu starren. Wenn es nach ihm ginge, könnte es ewig so bleiben, ohne dass er das Gefühl haben müsste etwas zu missen.

 

„Vielleicht Weihnachten.“, meinte Sasuke schließlich, ohne zu ihm zu schauen. Dieses Mal war es an Naruto leise zu brummen. Er wusste genau auf was der Uchiha hinaus wollte und trotz der gemischten Gefühle wegen den ständigen Besuchen in letzter Zeit, hatte er ehrlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Sasuke mit den Kindern regelmäßig zu ihm kam. Es war eine angenehme Zeit, auch wenn sie stets mit Verwirrung und Unzufriedenheit endete. „Ehrlich gesagt, ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich mich je so entspannt gefühlt habe wie hier bei dir.“, gab Sasuke leise zu, noch immer nicht zu ihm schauend. Aber das war in Ordnung, solange er nicht aufhörte mit ihm zu reden, solange er so entspannt blieb wie er es im Augenblick war.

 

„Kann ich mir denken.“, gab Naruto ehrlich zu. „Ich glaube, ich habe dich auch noch nie so entspannt erlebt, wie bei deinen Besuchen hier. Vielleicht ist der Abstand zu allem.“, erklärte er seine eigenen Gedanken. Was unausgesprochen blieb, war ihnen wohl beiden bewusst. In Japan war Sasukes Leben, seine Vergangenheit, die nicht wirklich perfekt verlaufen war. Der Verlust der Eltern, die Jahre die er mit Itachi zusammen gelebt hatte, die Arbeit die dem Uchiha einiges abforderte und natürlich auch Hikari, die Frau die er noch immer liebte und die gestorben war.

 

Irland war anders. Irland war rau und überzeugte dennoch mit einer sanften Schönheit, die auch Naruto hergezogen hatte. In Irland zählte es nicht, dass in Japan die Eltern gestorben waren. In Irland hatte es keine Bedeutung wie schwer die Jahre danach gewesen waren, es interessierte auch nicht, dass ein Job wartete, der viele Stunden und einige Nerven fraß, die man besser investieren könnte. Und vor allem hingen in Irland keine Erinnerungen an die Liebe, die Sasuke gefunden und wieder verloren hatte. Irland war unabhängig, wie ein Fleckchen Erde, das nichts negatives erreichen könnte. Ihnen war wohl beiden klar, dass nahezu jeder Ort Irland sein könnte, einfach weil all diese Dinge in Japan passiert waren und der Rest der Erde frei von negativen Erinnerungen war, denen man daheim nicht ausweichen konnte. Dennoch hatte Irland einen Zauber an sich, dem auch Sasuke sich scheinbar nicht entziehen konnte.

 

„Ich werde es vermissen, wenn ich ehrlich bin.“, gab Sasuke leise zu, stellte die Flasche neben sich auf die Stufe und lehnte sich etwas zurück, um besser in den Himmel hinauf sehen zu können. „Morgen um diese Zeit sitze ich bereits wieder im Flieger um zurück zu kommen.“, wisperte er leise, die Sehnsucht war deutlich zu hören, auch wenn Sasuke das wohl nie direkt zugeben wollte. Naruto realisierte, dass Sasuke nicht zurück wollte, das er hier fand was er in Japan schmerzlich vermisste. Aber Sasuke war nicht der Mensch, der sein ganzes Leben einfach so umkrempelte, seine Kinder und seine Arbeit packte und irgendwo anders auf der Welt ein neues Leben begann. Und selbst wenn, sie mussten kaum darüber sprechen, dass die zwei Besuche jetzt, der Urlaub und der Versuch Taiki zu helfen, nicht mit dem zu vergleichen wäre, wenn er wirklich her zog und statt Ruhe und Abgeschiedenheit, mit dem täglichen Leben balancieren musste. Arbeiten, anstatt sich auszuruhen und zu genießen was er direkt vor der Haustür hatte.

 

Naruto wusste es besser, als diese Dinge anzusprechen. Er wollte an diesem letzten gemeinsamen Abend gewiss keine Dinge auf den Tisch bringen, die vermutlich nur erneut an dem zerrten, was sie erfolgreich in letzter Zeit ignoriert hatten. „Was wirst du tun, wenn ihr zurück seid?“, fragte er statt dessen, sein eigener Körper bewegte sich leicht nach vorne, die Arme stützten sich dabei auf den Knien auf, während eine Hand noch immer die Flasche hielt, welche langsam immer wärmer wurde.

 

„Ich weiß es nicht.“, gab der Uchiha zögernd zu und Naruto wusste, dass der Mann wirklich mit sich haderte. Egal wie abweisend Sasuke war, er wusste sehr wohl was er tun musste, sein bisheriges Leben hatte ihn jedoch klar so geprägt, dass er eher alles in sich verschloss, als andere daran teilhaben zu lassen. Nur war es dieses Mal unmöglich, wenn er weitere Episoden wie die letzten Monate nicht wiederholt haben wollte. Und das, auch darüber mussten sie nicht reden, war alles andere, als was Sasuke plante.

 

Naruto hob die Flasche an, um den letzten Rest zu trinken, ehe auch er sie neben sich stellte. „Naja, einen Schritt nach dem anderen.“, meinte er schließlich. „Taiki ist bereits in guten Händen und sicherlich kannst du Keiko dort ebenfalls einen Platz sichern. Was dich angeht, geh nicht zu hart mit dir ins Gericht. Lass dir die Zeit, dich damit anzufreunden und suche dann jemanden, dem du vertrauen kannst. Alles andere wird sich dann schon finden, Sas'“, erklärte er und erhob sich, um die beiden Flaschen einzusammeln.

 

Der Himmel hatte sich in der Zwischenzeit in einen Mix aus dunkler werdendem blau und orange verfärbt. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Sonne komplett untergegangen war und auch wenn die Brise angenehm war, schenkte Naruto der Szene einen letzten, zufriedenen Blick, bevor er die zwei Stufen hinauf stieg, die ihn in die Küche führen würden. „Und hier seid ihr immer Willkommen.“, fügte er noch hinzu, als er die Flaschen weg stellte und Sasuke ihm gefolgt war.

 

Die Tür schloss sich leise hinter dem Uchiha. Weitere Worte waren nicht notwendig, als sie eingespielt Taiki auf eine Seite der Couch verfrachteten und Sasuke Keiko vorsichtig hoch nahm, um sie in ihr eigenes Bett zu bringen. Es war ein Weilchen später, Naruto lag bereits unter der Decke und hatte es sich bequem gemacht, als ihm wirklich bewusst wurde, dass er zum ersten Mal sich komplett geerdet fühlte. Da waren keine Gefühle die in ständigen Kreisen durch seinen Kopf huschten, kein verlangendes Klopfen seines Herzens und keine Sorge darüber, dass die die ihm wirklich am Herzen lagen, es packen würden. Er wusste einfach, dass sich wirklich dieses Mal alles fügen würde und vielleicht würden sie tatsächlich kommendes Weihnachten erneut verbringen.

 

Der Gedanke stellte ihn so zufrieden, dass das angenehme Gefühl ihn langsam in den Schlaf driften ließ, welches ihn in diesem Moment durchflutete.

 
 

***

 

Der folgende Morgen begann eigentlich wie so viele andere auch. Es war Rasengan, der Naruto langsam aus den Schlaf riss, der Rüde war auf die Couch gesprungen, leckte ihm durch das Gesicht und winselte mitleiderregend, als Naruto noch im Halbschlaf brummend den Hund weg schob. Innerhalb eines Herzschlags riss Naruto die Augen auf und schob die Decke von sich. „Komme schon, komme schon.“, versuchte er den Hund zu beruhigen.

 

Rasengan war eindeutig ein Wirbelwind, aber selbst er winselte eigentlich fast nie. Was nur bedeuten konnte, dass seine Blase extrem drückte und nachdem er im letzten Jahr krank geworden und dadurch die Hunde nicht hatte raus lassen können, wollte er nicht noch einmal wiederholen, was damals zwangsläufig hatte passieren müssen. Ohne sich die Mühe zu machen sich noch etwas anzuziehen, schlitterte er regelrecht in die Küche und riss die Hintertür auf. Rasengan schoss an ihm vorbei und verzog sich sofort in den hinteren Teil des Gartens, den sie nicht nutzten um die Blase zu erleichtern.

 

Nun eindeutig wach, entschied Naruto sich dafür, für Frühstück zu sorgen, auch wenn ein kurzer Blick auf die Uhr diesen Gedanken kurzzeitig schwanken ließ. Es war gerade einmal sechs in der Früh und abgesehen von Taiki, der durch Rasengan vehementen Versuch Aufmerksamkeit zu erregen ebenfalls wach war, schlief der Rest des Hauses noch. Mit einem Schulterzucken machte er sich dennoch daran, die Kaffeemaschine in Gang zu bringen, während Taiki verschlafen in der Tür stand und sich die Augen rieb.

 

„Ich wette, dein Vater ist innerhalb der nächsten zehn Minuten hier unten.“, meinte er schließlich, ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht, als er zu dem Jungen schaute. Taiki hingegen zuckte leicht mit den Schultern, warf dennoch einen neugierigen Blick nach hinten zu der Treppe, die in das obere Geschoss führte. „Kaffee!“, verriet Naruto dem Jungen dann. „Dein Vater ist ein Griesgram, bis er richtig wach ist. Kaffee lockt ihn sicher schnell hinab.“ Darauf wettet er wirklich.

 

Als Sasuke einige Minuten später tatsächlich die Treppen hinab getrottet kam, lachte Taiki herzhaft auf, huschte aber kichernd durch die Hintertür, als sein Vater ihm einen irritierten Blick zu warf. Naruto gluckste vergnügt und schaute zu, wie der Junge eifrig nach seinen Pflanzen sah. „Scheinbar habe ich etwas verpasst.“, brummte Sasuke, ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen und fuhr sich durch das wirre Haar. Nicht, dass es viel ausmachte. Sasukes Haarstiel war nicht zwingend das, was man gebändigt nennen konnte, aber es stand dem Uchiha. Es erinnerte eindeutig an die Frisur, welche er in ihrer Jugend stets gehabt hatte. „Ach was.“, winkte Naruto ab, füllte eine Tasse mit dem heißen Gebräu, um sie schließlich vor Sasuke abzustellen. „Ich hab vermutlich nur so etwas in der Art erwähnt, dass du ein Morgenmuffel bist, bis du die erste Tasse intus hast und das hier witterst, egal wo du dich befindest.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, wendete er sich erneut ab und beschäftigte sich auffallend intensiv mit dem Inhalt des Kühlschrankes. Sasuke hingegen blinzelte, bis die Nachricht durchsickerte und er nicht amüsiert brummte. Was wiederum Naruto ein Lachen entlockte.

 

„Siehst du, Morgenmuffel eben. Aber der liebe Naruto weiß ja was du brauchst um wieder lächeln zu können.“, neckte er den anderen Mann schonungslos. Sasuke verdrehte die Auge und beließ es lieber dabei. Es war wohl für sie beide klar, dass er kein Interesse daran hatte auf diese Neckerei einzugehen. Aus ihrer Jugend wussten sie, dass er nicht gewinnen konnte. Naruto war schlicht zu stur um jemand anderen das letzte Wort zu überlassen. Kurz darauf kam auch Keiko verschlafen die Stufen hinab, neben ihr Chidori, der gelassen mit ihr schritt hielt und erst von ihrer Seite wich, als sie die Küche erreicht hatten.

 

„Morgen, Kleines. Setz dich, ich mache euch Kakao.“, meinte Naruto zu ihr, hatte die Milch bereits in der Hand, um das Getränk zu machen, was die beiden liebten und wo Sasuke jedes Mal Schwierigkeiten hatte nicht mit den Zähnen zu knirschen. Was Naruto aber nicht interessierte. Sein Haus, seine Regeln und er versuchte ja wirklich es nicht zu übertreiben. Außerdem was das der letzte Morgen, den sie zusammen hatten. Er wollte, dass es entspannt blieb und sie die letzten Stunden die sie gemeinsam hatten nutzten. Zu seiner Verwunderung, reagierte Sasuke allerdings anderes wie sonst. „Zwei Löffel, Naruto. Du willst schließlich auch nicht, dass ihre Zähne in Zukunft ruiniert sind.“ Nun, vielleicht war es doch nicht so verwunderlich. Sasuke war in den wenigen Tagen die sie hier waren eindeutig ruhiger geworden und auch er wollte wohl nicht die letzten Stunden damit verschwenden, sich zu streiten. So beließ er es bei drei, anstatt den üblichen vier Löffeln Kakaopulver. Das war ein Kompromiss, sie trafen sich in der Mitte.

 

„Bleibt es dabei, dass wir zum Mittag in den Ort gehen? Taiki wollte dir zeigen wo wir alles waren.“, sprach er das Thema an, was sie am Telefon vor Sasukes Ankunft angesprochen hatten, bisher aber nicht vertieft hatten, während er die Tassen auf den Tisch stellte. Sasuke nickte zustimmend, es war für sie wohl leichter so, auf die Art konnte Naruto sie auch zum Flughafen begleiten, nachdem Sasuke den Leihwagen zurück gebracht hatte. Nach und nach folgten Aufschnitt, Käse, Teller und Besteck, die ihren Platz auf dem Tisch fanden, ehe Naruto Taiki herein rief und zusammen mit dem Jungen und frischem Brot sich ebenfalls an den Tisch setzte.

 

„Dann werde ich nach dem Frühstück anfragen, ob es heute möglich ist die beiden Monster zu beaufsichtigen. Ich habe nicht vor, sie mit zu nehmen.“ Aus gutem Grund. Naruto war eindeutig vernarrt in seine Hunde, aber sie gehorchten nicht wie sie sollten und Rasengan war eindeutig mit zu viel Energie gesegnet, um mit ihm ruhig durch den Ort zu spazieren. Selbst wenn Sasuke es auf sich nehmen würde, den Rüden zu bändigen, musste er auch irgendwie wieder zurück kommen und auf eine lange, anstrengende Autofahrt hatte er an diesem Tag auch nicht wirklich Lust. Ihn würde nicht einmal wundern, wenn beide unruhig wären, weil Taiki nicht mit zurück kam. Immerhin hatten sie lange Zeit zusammen gewohnt und für die Hunde war das Kind zu Familie geworden.

 

„Besser ist es.“, kommentierte Sasuke und reichte seinen Kindern das abgeschnittene Brot, damit sie essen konnten.

 

Das Frühstück verlief anschließend ruhig. Sie unterhielten sich über so ziemlich alles was ihnen in den Sinn kam und auch Taiki zeigte durchaus Freude nachhause zu kommen, auch wenn die Trauer die dennoch vorhanden war, nicht überspielt werden konnte. Keiko hingegen war unruhig. Sie selbst war mit ihrem Vater her gekommen, aber auch sie hatte in Irland einen Ort gefunden, den sie gerne hatte. Deswegen schnitt Naruto das Thema Weihnachten an und die Möglichkeit, es erneut zusammen zu verbringen. Es war Ende Juli, so lange war es also nicht mehr hin, auch wenn die Kinder das vermutlich anders empfanden. Dennoch beruhigte sie diese Aussicht, Keiko wurde ruhiger und die Trauer in Taiki wurde milder.

 

Zu Narutos Glück hatte seine Nachbarin auch Zeit, um sich um die Rüden zu kümmern, wenn sie in die Stadt fuhren. Die Zeit nach dem Frühstück verbrachten die Zwillinge dann im Garten, wo sie mit den Rüden tobten und spielten, während die Erwachsenen sich daran machten Ordnung zu schaffen und schließlich alles zusammen zu packen, was sie mit zurück nehmen mussten. Die Zeit verging wie im Flug und ehe sie sich versahen, lud Sasuke ihr Gepäck in den Leihwagen.

 

Ein letzter Blick, ein letztes Seufzen, dann stiegen alle ein und die beiden Wagen bahnten sich langsam den Weg die unbefestigte Straße entlang, um erst die Hunde in Obhut zu bringen und dann in den Ort zu kommen.

 
 

***

 

Die Fahrt in den Ort brauchte nicht wirklich lange und nachdem sie einen Parkplatz für sich gefunden hatten, schlenderten sie langsam durch die Straßen. Taiki plapperte aufgeregt, deutete immer wieder auf Geschäfte in denen sie gewesen waren, wobei der Junge eindeutig vergaß, dass Sasuke bei ihrem Weihnachtsurlaub ebenfalls hergekommen war, damit sie alles hatten. Aber der Uchiha schwieg, hielt den Jungen an der Hand, nickte immer wieder um zu zeigen, dass er zuhörte. Keiko hingegen blieb bei Naruto und erzählte ihm wie es bei ihr in der Schule lief.

 

Das Mädchen hatte eindeutig den Fleiß ihres Vaters geerbt, falls so etwas denn möglich war. Auch Sasuke hatte deutlich erwähnt, dass seine Tochter fleißig war und stets bemüht mitzuhalten. Wenn sie nach Hause kam, lernte sie immer, festigte was sie gelernt hatte soweit oder versuchte sich an den Büchern, die Sasuke im Dutzend besaß. Es war zu hoffen, dass Taiki sich ähnlich entwickelte, wenn er zurück kam. Zumindest hatte er aufgeholt, was er bisher verpasst hatte und sollte demnach keine Schwierigkeiten haben mitzuhalten.

 

Als sie den Pub erreichten, in dem sie essen wollten, erzählte die Kleine gerade von ihrem Aufenthalt bei Itachi, der ihr offensichtlich gut getan hatte, auch wenn man die leichte Trauer aus ihrer Stimme heraushören konnte. Was nicht verwunderlich war. Immerhin war sie in so jungen Jahren von ihrer Familie getrennt worden, so kurz nach dem Tod der eigenen Mutter war das vermutlich nicht gerade leicht. Naruto konnte sich nicht vorstellen, wie er reagiert hätte, wenn man ihm auch noch Kakashi genommen hätte, der ohne Frage für ihn Bruder und Vaterersatz gewesen war. Vermutlich hätte er dann gar nicht mehr die Kurve bekommen, denn er wusste, dass er nicht unbedingt ein leichtes Kind gewesen war.

 

Der Pub war um diese Zeit ruhig, aus einer Musikbox drangen die Klänge irischer Volksmusik und drei der insgesamt sechs Tische waren besetzt. Eine Familie mit drei Kindern, zwei junge Männer, offensichtlich in der Mittagspause und wie Naruto am letzten Tisch erkannte, Betty. Die Frau bemerkte sie sofort, lächelte und hob die Hand um sie zu sich zu locken. Naruto hatte das Verlangen abzulehnen, aber da hatte auch Sasuke die Frau bemerkt, steuerte sie an und als wenn er nie etwas anderes getan hätte, beugte er sich zu ihr hinab, um sie zur Begrüßung kurz in den Arm zu nehmen. Naruto konnte nicht anders, als die beiden anzustarren, bis Bettys Blick auf ihn fiel und sie herzhaft lachte.

 

Naruto riss sich zusammen, begrüßte sie ebenfalls und zusammen ließen sie sich bei ihr nieder.

 

„Wie ich sehe, geht es wieder zurück?“, fragte die gutmütige Frau, während ihr Blick zu Taiki huschte, der scheu lächelte und nickte, nachdem Naruto ihre Worte übersetzt hatte. In den letzten paar Wochen war Taiki eindeutig besser in dieser Sprache geworden. Er war die ganze Zeit von ihr umgeben gewesen und hatte demnach so einiges aufgenommen, aber natürlich verstand er bei Weitem noch nicht alles. „Ja, Taiki vermisst seinen Vater und Sasuke seinen Sohn genauso.“, erwiderte Naruto und zuckte deutlich zusammen, als ein kleiner Ellenbogen unsanft in seiner Seite landete. Als er Keikos mahnenden Blick sah, lachte er leise. „Und natürlich vermisst diese kleine Maus ihren Bruder.“, fügte er dann hinzu und zwinkerte dem Kind zu, das deutlich zufriedener war.

 

Kurz darauf kam eine Bedienung und nachdem sie bestellt hatten, fielen sie in einen scheinbar natürlichen Rhythmus, in dem sie sich unterhalten konnte, ohne dass jemand ausgeschlossen wurde. Entweder übersetzte Sasuke die Worte oder Naruto tat es. Manchmal versuchte Betty sich auch an ihren restlichen Kenntnissen in der japanischen Sprache, was oft zu einem Lachen der Kinder führte. Alles in allem war es ein durchaus angenehmer Mittag.

 

Als es schließlich Zeit wurde sich zu verabschieden, nahm Betty Naruto zur Seite und schloss ihn kurz in ihre Arme. „Verkrieche dich nicht wieder, ja? Dieses Mal wird es gewiss schlimmer. Also erwarte ich dich am Wochenende zum Essen. Zwinge mich nicht, dich zu mir zu schleifen.“ Ihre Worte waren sanft, dennoch rieselte es Naruto unangenehm den Rücken runter. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass die Frau wie eine Naturgewalt sein armes,kleines Haus stürmen würde, um ihn an den Füßen hinaus und in ihr eigenes Haus zu schleifen. Weswegen er instinktiv schluckte und sofort nickte. Er würde da sein, daran bestand kein Zweifel. Auch von Sasuke verabschiedete sie sich, wobei Naruto nicht mitbekam, was sie zu ihm sagte. Was auch immer es gewesen war, es schien dem Uchiha zu gefallen.

 

Schließlich trennten sich ihre Wege. Betty machte sich auf dem Weg zurück, während Naruto zusammen mit Sasuke und den Kindern sich auf den Weg zum Parkplatz machten, um zum Flughafen zu kommen. Sasuke musste seinen Wagen noch abgeben und das Gepäck rein schaffen, bevor ihr Flug am frühen Abend ging. Der Tag war – zu Narutos Leidwesen – viel zu schnell vergangen und Bettys Worte begannen sich zu setzen. Es würde schwerer werden, das fühlte er bereits. Dennoch schluckte er tapfer das unangenehme Gefühl hinunter, als sie die Autos erreichten und sich zusammen auf den Weg zum Flughafen machten.

 
 

***

 

Die Zwillinge hatten sich einen Platz in dem Wartebereich gesichert, während Sasuke sich um den Wagen kümmerte. Das Gepäck stand neben ihnen und Naruto hockte vor den beiden und versuchte zu retten, was zu retten war. In dem Moment, wo sie den Flughafen erreicht hatten, war wohl auch die Erkenntnis durchgekommen, dass es erneut Zeit für einen Abschied war. Keiko war traurig, weil sie nur kurz dagewesen war, auch wenn die Länge sicherlich nichts daran geändert hätte, dass sie sich schwer tat nun los zu lassen. Wie auch beim ersten Mal war es aber Taiki, der seine Emotionen nicht wirklich zurückhalten konnte. Er hatte Wochen mit Naruto verbracht und auch wenn er sich sicherlich nach seiner Familie gesehnt hatte, sackte langsam durch, dass es nun Zeit war erneut los zu lassen.

 

Dicke, salzige Tränen liefen dem Jungen über das Gesicht, während Naruto etwas verloren ihm durch dass Haar strich. „Wir telefonieren, versprochen.“, versuchte er es, nur um zu erreichen, dass Taikis Schniefen lauter wurde. „Weihnachten ist auch nicht mehr so weit weg.“, wagte er einen weiteren Versuch, den Abschied leichter zu machen. Es half alles nichts. Taiki war aufgelöst, so dass Naruto den Jungen schließlich in seine Arme zog und mit ihm aufstand, während die kleinen Hände sich in sein Oberteil krallten und Taikis Tränen langsam dieses befeuchteten.

 

Als Sasuke schließlich dazu kam, hatte Taiki sich noch immer nicht beruhigt, aber er hatte genug Taktgefühl, den beiden genug Raum zu geben, ohne sich einzumischen. Statt dessen setzte er sich zu seiner Tochter um zu versuchen, den Abschied für sie leichter zu machen, während Naruto sein Bestes tat um Taiki irgendwie wieder zu beruhigen, auch wenn ihnen beiden wohl klar war, dass das wenig brachte.

 

„Es wird Zeit.“, meinte Sasuke schließlich, als ihr Flug aufgerufen wurde. In der Zwischenzeit hatte er sein Gepäck aufgegeben und nur noch darauf gewartet, dass es los gehen konnte. Zwar waren sie wohl alle nicht erpicht darauf den langen Flug auf sich zu nehmen, aber es war wirklich an der Zeit, dass sie zurück nachhause kamen. Naruto sah, wie Sasuke auf ihn zu kam und rechnete damit, dass dieser Taiki auf den Arm nehmen würde. Doch als er ihn erreichte, trat der Uchiha noch einen Schritt nach vorne und schlang seine Arme um ihn, sodass Taiki zwischen ihnen war.

 

„Danke für alles.“, hörte er ihn sagen, der warme Atem jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. „Ich weiß, ich bin nicht leicht, aber ich denke, da stehen wir uns in nichts nach. Ich bin wirklich dankbar, auch wenn ich es vermutlich nicht richtig zeigen kann.“, redete Sasuke weiter, drückte Naruto etwas mehr an sich, auch wenn man merkte, dass er darauf achtete, seinen Sohn nicht zwischen ihnen zu zerquetschen. So schnell der Überfall gekommen war, so schnell endete er auch. Sasuke zog seinen Sohn sanft zu sich und gemeinsam gingen die drei los. Bevor sie in den Gang einbogen, blickte Sasuke noch einmal zurück. Keiko schniefte deutlich an seiner Hand und Taiki weinte so heftig, dass er Schwierigkeiten hatte genug Luft in seine Lungen zu bekommen.

 

Es tat weh. Es tat weh zu sehen wie sehr die beiden ihn ins Herz geschlossen hatten und wie schwer es ihnen fiel nun zu gehen. Was noch viel mehr schmerzte war allerdings der Umstand, dass Naruto sich genauso fühlte, wie sie wohl im Moment, auch wenn sein Kopf bereits versuchte zu verdauen, dass sein bester Freund ihn nun schon zum zweiten Mal in nicht einmal einem Jahr in den Arm genommen hatte. Dabei konnte er alle anderen Male in seinem Leben, an einer Hand abzählen und das Wissen, dass jedes dieser Male eines ihrer Abenteuer mit Alkohol markierte, machte es nicht einfacher zu verdauen.

 

Alle Gedanken von sich schiebend, hob Naruto die Hand um den dreien einen guten Flug zu wünschen. Weihnachten war wirklich nicht so fern, sie konnten das durchstehen, da musste er sich keine Gedanken machen.

 
 

***

 

Wie genau er den Flughafen verlassen hatte, konnte Naruto wirklich nicht mehr sagen, als er schließlich wieder in seinem Wagen saß. Er stand noch immer auf dem Parkplatz, obwohl Sasuke und die Zwillinge vor gut einer Stunde abgehoben hatten. Er wollte nicht fahren, wollte sich und alle anderen nicht in Gefahr begeben, weil er sich komplett durch den Wind fühlte. Er konnte sich nicht konzentrieren, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was genau ihn gerade so einnahm. Irgendwie war es, als wenn ein Teil von ihm sich gerade abgeschaltet hatte und sich nun weigerte, wieder seinen Dienst anzutreten. Was ein absolut mieses Gefühl war.

 

Nach weiteren 30 Minuten atmete er schließlich tief durch, startete seinen Wagen und lenkte ihn schließlich vorsichtig durch den abendlichen Verkehr. Es tat gut seine Gedanken, die er nicht recht zu fassen bekam, von sich schieben zu können, um sich auf das zu konzentrieren, was er gerade tat. Es war schlicht eine Erleichterung, an der er festhielt.

 

Kaum hatte er die stark befahrenen Straßen der Stadt hinter sich gelassen, kam die Entspannung, die er zuvor hatte missen müssen. Das bleierne Gefühl in ein Haus zurück zu kehren, welches er für Wochen mit einem kleinen Kind geteilt hatte, lag schwer in seinem Magen. Er erinnerte sich noch viel zu gut an den Abschied im Januar. Damals – es kam ihm fast wie Jahre vor – hatte er den Verlust von allen dreien verspürt. Sasuke, den Mann den er liebte. Er hatte die gemeinsame Zeit genossen, auch wenn sie nicht so verlaufen war, wie er sich durchaus gewünscht hatte. Aber sie beide waren zwei Menschen, die nichts von den Gefühlen des jeweils anderen wussten. Oder eher, Sasuke wusste nichts, denn Naruto war sich absolut sicher, dass seine Gefühle nicht erwidert wurden. Nicht so. Sie waren Freunde, trotz allem was passiert war und diese Freundschaft lebte wieder auf, auch wenn manche ihn dringlich ermahnten, den Abstand zu erweitern und den Kontakt abzubrechen, wenn er nicht daran zu Grunde gehen wollte. Dann waren da die Zwillinge, die zu seiner Familie geworden waren und die er wirklich jeden Tag vermisst hatte. Was er am Anfang des Jahres gehen lassen hatte, war die Familie gewesen, die er sich durchaus wünschte.

 

Dieses Mal war es schlimmer. Natürlich hatten seine Gefühle für Sasuke sich nicht verändert, egal wie oft er es auch versucht hatte, er konnte nicht los lassen. Die Zwillinge waren auch nach wie vor die Familie, die er schmerzlich vermisste. Aber in den letzten Wochen hatte er mit Taiki alleine gelebt, hatte den Jungen noch tiefer in sein Herz gelassen und jetzt fühlte es sich an, als wenn er sein eigenes Kind um die halbe Welt geschickt hätte. Taiki war nicht sein Sohn, egal wie er auch empfand und egal wie logisch er in seinen Gedanken argumentierte, sein verdammtes Herz wollte einfach nicht hören. Es war – zu seinem Leidwesen – genauso stur wie der Rest von ihm. Nicht, dass es etwas neues wäre, aber dieses eine Mal hatte er doch gehofft, dass Verstand und Gefühle sich einig waren, dass der Verstand das Sagen hatte.

 

Mit knirschenden Zähnen musste er einsehen, dass sein Herz zu dominant war.

 
 

***

 

Naruto hatte direkt den Weg zu seiner Nachbarin eingeschlagen, um die beiden Hunde abzuholen. Er hatte sogar die Zeit gehabt, sich eine Weile mit der Frau zu unterhalten, die ihm wieder einmal einen Leib frischen Brot in die Arme gedrückt hatte, damit er nicht am Hungertuch zu knabbern hatte. Er war dankbar dafür, ohne Frage, dennoch konnte es seine Stimmung nicht wirklich heben.

 

Als er letztendlich zurück kam, war es bereits fast dunkel. Naruto parkte seinen Wagen vor dem Haus, ließ die beiden Hunde hinaus und gab ihnen genug Zeit sich noch zu erleichtern, bevor er keine weiteren Ausreden hatte, das Haus zu betreten, das seltsam dunkel auf ihn wartete. Mit einem Seufzen schloss er auf, ließ die Rüden hinein und folgte ihnen schließlich. Im Flur zog er sich die Schuhe aus. Erst dann brachte er das frische Brot in die Küche und fütterte die Meute, die bereits aufgeregt auf ihn wartete.

 

Beim letzten Mal hatte er den Fehler gemacht, durch die einzelnen Räume zu gehen um sich irgendwie zu beschäftigen. Um nicht erneut diesen Fehler zu begehen, zog Naruto sich bewusst in sein Arbeitszimmer zurück, um sich wenigstens noch ein bisschen mit seinem Buch zu beschäftigen. Er wusste, er hatte keine wirkliche Motivation weiter zu schreiben, aber er hatte genug Material, um es überarbeiten zu können. So öffnete er das Dokument und begann damit, die einzelnen Zeilen entlang zu fahren. Wann immer einen Fehler, eine unglückliche Formulierung fand, richtete er es, während er unlogische Stellen farbig markierte um sie ein anderes Mal zu überarbeiten.

 

Wie lange er letzten Endes gearbeitet hatte, wusste er nicht einmal. Was er hingegen wusste war, dass es ihm eindeutig geholfen hatte. Er fühlte sich ruhiger, das nagende Gefühl eines Verlustes war zu einem sanften Pochen geworden, welches er nicht mehr so überwältigend spüren konnte wie zuvor. Dazu kam, dass er wirklich einiges geschafft hatte.

 

Für den Tag aber deutlich erschöpft, fuhr er den Laptop runter, nachdem er sein Dokument gespeichert hatte und verschwand im Bad, um sich fertig zu machen. Auf der Ablage stand noch immer Taikis Zahnbürste, aber er ignorierte sie. Sasuke hatte sicher eine weitere, wenn nicht, würde es den Zähnen nicht schaden, wenn er einen Abend aussetzte.

 

Was ihm erst jetzt auffiel, war wie still es im Haus war. Irritiert trocknete Naruto sich die Hände ab und machte sich dann auf der Suche, nach den Hunden. Unten waren sie nicht und da die Türen beide verschlossen waren,konnten sie auch nicht nach draußen gerannt sein. Auch in seinem und Keikos Zimmer fand er die beiden nicht. In Taikis Zimmer hingegen wurde er fündig. Naruto hatte mit Sasuke am Morgen die Betten wieder ordentlich aufgestellt und die mittlerweile trockenen Matratzen an ihren Platz geschoben. Auf den Betten lagen die beiden Rüden, ihre Köpfe lagen schwer auf ihren Vorderbeinen und Naruto musste nicht darüber nachdenken, dass auch sie wohl den Verlust von Taiki überwinden mussten.

 

Er wusste, dass er nicht viel machen konnte. Deswegen ließ er die Tür einen Spalt offen, damit die beiden zu ihm kommen konnten, als er selbst sich umzog und unter die weichen Decken schlüpfte. Der Geruch, der eindeutig von Sasuke kam, hing noch immer in den Laken und Naruto konnte nicht verhindern, dass er die Nase tiefer hinein drückte.

 

Eine Nacht, danach würde er wieder anständig sein. Diese eine Nacht wollte er mit Sasukes Geruch in der Nase schlafen, ehe er am Morgen das Bett frisch bezog und sich wieder in die Arbeit stürzte, um den Weg den er eingeschlagen hatte nicht erneut zu verlieren.

 

Eine Nacht würde niemanden schaden.

17 first anniversary


 

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17 first anniversary

 

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Die ersten Tage nachdem die Uchihas abgereist waren, stürzte Naruto sich wirklich in die Arbeit und auch wenn er es nicht für möglich gehalten hatte, tat es ihm gut. Nicht nur, dass er vieles schaffte, er fühlte sich auch eindeutig leichter, freier, als es eine lange Zeit der Fall gewesen war. Und das war eindeutig etwas, was Naruto schätzte. Auch Rasengan und Chidori überwanden den Verlust, auch wenn sie bisher nicht aufgehört hatten, in Taikis Bett zu schlafen. Naruto nahm allerdings an, dass die beiden Rüden dort einfach einen Ort gefunden hatten, wo sie genug Platz hatten. Mit ihren nun 15 Monaten waren sie ziemlich groß, da war ein Doppelbett für sie alleine wohl ziemlich verlockend. Aber abgesehen von ihrem Schlafplatz, war Rasengan aufgedreht und Chidori ruhig wie immer.

 

Nach den ersten Tagen schlich sich erneut die Routine ein und Naruto fand sich in einer entspannenden Regelmäßigkeit wieder, die er bereits gehabt hatte, bevor er vor gut einem Jahr den langen Weg auf sich genommen hatte, um Sasuke dabei zu unterstützen, seine Frau zu beerdigen. Auch wenn er, wie er zugeben musste, nicht viel getan hatte, was Sasuke wirklich an dem Tag geholfen hätte.

 

Wie er den Kindern versprochen hatte, telefonierte er mit diesen fast jeden Tag und es entspannte ihn immer mehr zu zusehen, dass Taiki nicht wieder dazu übergegangen war, sich erneut zu verschließen. Eher das Gegenteil schien der Fall zu sein. So wie er erfahren hatte, begann der Junge langsam in der Schule aufzutauen und Freundschaften zu schließen. Nicht viele, aber das war unwichtig.

 

Die Einladung von Betty hatte er natürlich angenommen, schon weil er wirklich nicht wollte, dass die Frau ihn gegen seinen Willen aus dem Haus zerrte. Irische Frauen konnten wirklich furchteinflößend sein, wenn sie sich etwas in den Kopf setzten. Auf groteske Art hatte ihre Art ihn sehr stark an Sakura erinnert, was einen kleinen Anflug an Heimweh ausgelöst hatte. Nicht nach Japan, aber eindeutig nach seinen Freunden, die er dort zurückgelassen hatte. Gefühle, die er einfach zu lange an die Leine gelegt hatte und nun langsam die Kontrolle darüber wieder verlor. Der Besuch bei Betty hatte ihm geholfen. Anfangs hatte er wirklich befürchtet, dass die Frau ihre Sichtweise zu seinen Chancen bei Sasuke als Hauptthema des Tages machen wollte, konnte sich aber schnell entspannen, als sie ihm lediglich in die Augen gesehen, leise geseufzt und dann ohne einen weiteren Kommentar in die Küche verfrachtet hatte.

 

Aber auch wenn die Tage eine angenehme Rotation von beruhigenden, vertrauten Elementen war, fand Naruto sich etwas über eine Woche nach Abreise der Familie Uchiha in einem ungewöhnlich aufgewühlten Zustand wieder. Der Grund dahinter hatte allerdings weniger mit ihm selbst zu tun, oder seinen wirren Gefühlen, sondern eher mit dem Tag, der nur noch eine Nacht von ihm entfernt lag.

 

Der Tag, an dem Hikari Uchiha vor genau einem Jahr beigesetzt worden war.

 

Betrachtete man es einmal neutral, sollte dieser Tag keinen Einfluss auf Naruto haben. Seine Gefühle für diese Frau waren noch immer recht vermischt, von grausamer Abneigung bis hin zu schuldiger Anbetung war nahezu alles dabei. Naruto wusste welche Empfindungen falsch waren, er konnte neutral diese Frau in das Licht rücken in das sie auch gehörte, gleichzeitig war da immer diese kleine Ecke in seinem Herzen, die alles positive, was eindeutig da war, stur von sich schob und nicht sehen wollte. Es war anstrengend, beschämend und dennoch konnte er nichts dagegen tun.

 

Was ihn – nun wo dieser Tag näher rückte – wirklich erreichte, war die Tatsache, dass er einfach wusste, dass es mindestens einen Menschen gab der ihm wichtig war, dem dieser Tag sehr schwer fallen würde. Keiko und Taiki waren noch immer zu jung, sie lernten gerade erst Zeit richtig wahrzunehmen, wo sie täglich zur Schule gingen. Anders sah es bei Sasuke aus, der wohl sehr genau wusste, was direkt vor ihm lag und der bei weitem nicht genug abgeschlossen hatte, um nicht darunter zu leiden, erinnert zu werden, dass es bereits ein ganzes Jahr her war. Und das wiederum, konnte Naruto nicht ausblenden.

 

In einem Versuch dennoch den Kopf frei genug zu bekommen um zu schreiben, hatte Naruto aus Frust die Hunde in den Wagen verfrachtet und war nahezu den ganzen Tag mit ihnen wahllos durch die Straßen Irlands gefahren, auf der Suche um eine Ruine zu finden, ein Waldstück oder irgendetwas, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er war an Torffeldern vorbei gefahren, hatte Wälder durchquert, aber nichts schien an diesem Tag richtig zu sein. Nichts inspirierte ihn, zog ihn magisch an, verleitete ihn den Wagen abzustellen und seinen Instinkten zu folgen.

 

Also hatte er letzten Endes an einer Wiese mitten im Nirgendwo gehalten, die an einem kleinen Wäldchen grenzte, um wenigstens den Hunden etwas Auslauf zu geben, nachdem sie nahezu den ganzen Tag im Inneren des Wagens eingesperrt gewesen waren, bevor er sich frustriert auf den Weg zurück gemacht hatte.

 

Das erste was er getan hatte, nachdem er die vertrauten Räume seines Heimes wieder betreten hatte, war Sakura anzurufen. Er brauchte einfach Informationen, einen Bestätigung, dass es nicht zu schlimm wurde, auch weil Sasuke bei den Telefonaten nie anwesend gewesen war. Jedenfalls nicht sichtbar und auch nicht hörbar. Vermutlich hatte er irgendwo im Hintergrund sich aufgehalten, gearbeitet oder sonst etwas getan. Aber er hatte nicht mit ihm geredet, hatte ihm keinen genervten Blick über die Kamera geschickt, die Naruto so von ihm gewohnt war.

 

Leider hatte Sakura den Uchiha nicht gesehen und sie hatte ihn energisch darauf aufmerksam gemacht, dass sie nicht Sasukes Assistentin war und es somit auch kein Wunder war, dass sie ihn nicht immer zu Gesicht bekam. Naruto wusste das, dennoch war es frustrierend. Also war ihm letzten Endes nichts anderes übrig geblieben, als die Person anzurufen, die neben Sakura am Meisten Kontakt mit dem jüngeren Uchiha hatte.

 

„Was soll das heißen, Sasuke hat sich den Rest der Woche frei genommen?“, fragte er seinen Gesprächspartner, der alles andere als amüsiert reagiert hatte, als er ihn angerufen hatte. Nicht, dass es Naruto interessierte, es konnte schließlich vor kommen, dass man in der Eile vergaß, dass es einen Zeitunterschied gab, erst recht wenn Sakura es scheinbar im Hinterkopf behalten wollte ihn dafür das Leben zur Hölle zu machen, anstatt es direkt zu tun, nachdem sie den Hörer abgenommen hatte.

 

Ein leises, erschöpftes Seufzen war zu hören. „Was ich sagte, Naruto. Sasuke hat sich den Rest der Woche frei genommen um für seine Familie da zu sein. Weißt du eigentlich wie spät es ist? Warum rufst du nicht einfach an, nachdem die Sonne wieder aufgegangen ist?“, fragte Itachi irritiert. Aber er legte nicht auf. Was ein gutes Zeichen für Naruto war, der nicht einsah, nun aufzugeben, wo er endlich akkurate Informationen zu erwarten hatte.

 

„Nah, du würdest eh nicht mehr in den Schlaf zurück finden und zu viel Kaffee trinken bis du ins Büro musst.“, antwortete er frech, ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er wusste es nicht, aber Itachi war irgendwie der Typ Mensch, der sich eben nicht wieder unter die Decke kuschelte, wenn man ihn aus seinem Schlaf gerissen hatte. Zumindest war er stets morgens wach gewesen, bevor er und Sasuke aufgestanden waren, nachdem sie Itachi die Nacht zur Hölle gemacht hatten. Was durchaus regelmäßig vorgekommen war.

 

„Oder hast du jemanden bei dir, dem du lieber deine Aufmerksamkeit schenken willst?“, schob er hinterher, einfach weil es eine Freude war Itachi ein Stück weit auf die Palme zu bringen. Naruto hoffte aber, dass solche Sprüche nicht ewig ein Faktor zum Necken bleiben würden. Itachi wollte Familie, soweit Naruto wusste, hatte nur eben noch nicht die richtige Person gefunden. Was schade war, oder auch Glück, denn wie Sasuke war Itachi sicher jemand, der einen innerhalb Sekunden auf die Palme bringen konnte. Das schien eindeutig in den Genen zu liegen.

 

„Hast du endlich Sasuke in dein Bett gezerrt und ausnahmsweise Befriedigung gefunden?“, kam es auch gleich von Itachi zurück und auch wenn Naruto es nicht sehen konnte, wusste er, dass ein amüsiertes Schmunzeln das Gesicht des älteren Uchiha zierte. „Touché.“, erwiderte er deswegen nur gelangweilt, nicht gewillt offen zu zeigen, dass dieser Kommentar nicht spurlos an ihm vorbeigegangen war. Itachi lachte leise.

 

„Ernsthaft, Naruto. Hier ist es gerade einmal zwei in der Früh und morgen ist Arbeit angesagt. Warum also rufst du an?“, fragte Itachi schließlich leise, ein unterdrücktes Gähnen war dennoch im Hintergrund zu hören. Scheinbar hatte er es nicht rechtzeitig geschafft den Hörer weg zu nehmen. Naruto seufzte leise. „Ich mache mir einfach Sorgen. Es ist der Tag, an dem Hikari beigesetzt wurde und ich hatte nicht das Gefühl, dass Sasuke besonders viele Fortschritte darin gemacht hatte, den Verlust zu verarbeiten.“ So schwer dieses Wissen auch auf ihm lastete, er wollte, dass Sasuke voran kam. Nicht wegen sich selbst, sondern einfach, damit es seinem besten Freund endlich wieder besser ging. Es tat weh mitzuerleben, wie er litt. Das hatte es schon immer, auch vor Hikari und bevor seine eigenen Gefühle sich gewandelt hatten.

 

„Du bist unverbesserlich.“, erwiderte Itachi ungewöhnlich sanft. „Du hast genug Gründe auf Abstand zu gehen um dich nicht selbst zu verletzen, trotzdem bist du da und sorgst dich um ihn. Aber Naruto, er ist nicht alleine, okay? Er wird an dem Tag nicht alleine sein, auch wenn die Kinder in der Schule sind.“, erklärte er ihm und Naruto brauchte keine weiteren Erklärungen um zu verstehen, was Itachi versuchte ihm mitzuteilen. Er würde da sein, würde Sasuke im Auge behalten und versuchen ihn an diesem Tag aus seinen Trott zu ziehen, damit es nicht so schlimm wurde. „Keine Ahnung, ob Sasuke es je gesagt hat, aber als großer Bruder bist du wirklich unschlagbar.“, murmelte Naruto, ein warmes Gefühl der Erleichterung breitete sich in ihm aus. Itachi sagte nichts dazu. „Und sorry, dass ich dich aus dem Bett gerissen habe.“, fügte Naruto schließlich hinzu, was Itachi doch erneut ein Lachen entlockte. „Ruf an, egal welche Uhrzeit gerade ist. Ich hab immer ein offenes Ohr für den besten Freund meines kleinen Bruders.“ erwiderte Itachi, bevor die Verbindung unterbrochen wurde. Naruto hörte einige Sekunde dem gleichmäßigen Tuten zu, bevor auch er den Anruf beendete und das Telefon weg legte.

 

Er fühlte sich leichter, nun wo er wusste, dass Sasuke in guten Händen war.

 
 

* *** *

 

Namaki war eindeutig nicht ausgeschlafen, als er am nächsten Morgen gähnend aus seinem Lager aufstand. Von Saiha war weit und breit nichts zu sehen. Namaki hatte nicht einmal bemerkt, wie die Frau sich von ihm gelöst und aufgestanden war.

 

Noch im Halbschlaf schlurfte er zum Feuer um den Kessel in die frische Glut zu schieben und Wasser in den Kessel zu kippen, welches sie auf Vorrat mittlerweile in ihrem Lager hatten. Keiner von ihnen hatte wirklich Lust jeden Morgen den Marsch bis zum Fluss auf sich zu nehmen um das zu erledigen. Es war einfach, das Wasser in Kanistern abzufüllen und so nur alle paar Tage los zu müssen um dieses zu erneuern.

 

Routiniert legte er alles zusammen was er für ihr Frühstück brauchte, bevor er ein wenig des Wassers mit sich nahm und etwas abseits vom Camp seine Morgentoilette erledigte. Als er zurück kam, war er eindeutig wacher wie zuvor.

 

Namaki war bereits eine ganze Weile wach, als er Saiha zurückkommen sah. Er schwieg, als die Frau zuerst ein Handtuch weg legte und sich dann zu ihm setzte um ebenfalls etwas zu essen. Vermutlich war sie an diesem Morgen doch zum Fluss gewandert um ein Bad nehmen zu können. Eine Idee, die Namaki ebenfalls bald verfolgen wollte. Es war bereits wieder einige Tage her, das er sich ordentlich geschrubbt hatte.

 

Auch als sie das Frühstück beendet hatten, schwiegen sie weiter und folgten der Routine der letzten Tage. Einer sammelte Materialien für ihr Lager – dieses Mal Saiha – und einer schlich sich nahe genug an das andere Lager heran um sehen zu können, ob sich etwas verändert hatte. Namaki verbrachte Stunden damit, das vereinsamte Lager zu beobachten, aber als er am späten Nachmittag endlich zurück ging, hatte sich nach wie vor nichts verändert. Man sah niemanden, man sah auch keine Drachen, auch wenn Kleinigkeiten darauf hindeuteten, das das Lager nicht ganz so verlassen war, wie es den Anschein machte. Mal fehlten Materialien, mal tauchte ein Wagen auf der dann für Stunden in dem Camp stand. Aber sie konnten nicht sagen, was genau passierte. Es war frustrierend, auch wenn Namaki eindeutig zugeben konnte, dass er das momentane Leben durchaus genoss. Natürlich wusste er den Luxus eines Hauses zu schätzen, er vermisste sein bequemes Bett nahezu jede Nacht, dennoch konnte und wollte er nicht klagen. Denn dieses momentane Leben hatte ebenso Vorteile.

 

Als er schließlich zurück kam, war von den Drachen noch nichts zu sehen. Sein Blick wanderte automatisch in die Richtung, wo sie sie zuletzt gesehen hatten, was Saiha nicht entging. „Ich habe nach ihnen geschaut.“, gab sie ehrlich zu, während sie in einem großes Kessel rührte. Es roch angenehm und Namakis Magen ließ sich nicht davon abhalten, zustimmend zu grummeln. Was auch immer Saiha kochte, Namaki lief nahezu das Wasser im Mund zusammen bei dem Geruch, der dabei entstand.

 

„Sie sind noch nicht fertig.“, erklärte die Frau weiter und zog leicht die Augenbraue hinauf, als Namakis Magen so knurrte. Aber dazu sagte sie tatsächlich nichts. „Geh dich waschen, das hier braucht noch eine Weile.“, schlug Saiha schließlich vor, was Namaki gerne nach kam.

 

Mit einem Handtuch bewaffnet marschierte er bis zu dem Fluss, wo er gemächlich aus seiner Kleidung stieg und diese an einer geeigneten Stelle am Ufer liegen ließ. Das Wasser war trotz des angenehmen Wassers recht kalt, trotzdem ließ Namaki sich dort nieder und begann damit, sich den Schweiß des Tages abzuwaschen. Er musste zugeben, dass es ein angenehmes Gefühl war so von dem kühlen Wasser umspült zu werden. Es entspannte einen auf sehr angenehme Art.

 

Auch nachdem er sich gründlich gewaschen hatte, blieb er noch eine ganze Weile sitzen. Erst das immer schmerzhafter werdende Drücken seines Magens trieb ihn letzten Endes aus den Fluten, wo er sich eilig abtrocknete und in die frische Kleidung schlüpfte, die er ebenfalls mit sich gebracht hatte. Das Handtuch und die alte Wäsche landete in einem Beutel, den er sich schließlich über die Schulter warf um zurück zu schlendern.

 

Seine Neugierde trieb ihn jedoch nicht auf direktem Wege zurück. Statt dessen nahm er den kleinen Umweg um nach den Drachen zu sehen. Wie Saiha angekündigt hatte, waren die beiden noch nicht fertig. Für ein paar Minuten betrachtete Namaki das Liebesspiel der beiden, wobei seine Stirn sich in Falten legte, ehe er sich abwendete und den Drachen Zeit für sich gab.

 

Es lagen tatsächlich Welten zwischen dem was er hier zu sehen bekam und dem, was er in der Zuchtstation zu sehen bekommen hatte. Tatsächlich hatten die Praktiken dort ihn stets an die Pferdezucht erinnert. Das Paar war immer zusammengebracht worden, wo der Drache recht lieblos die Drachendame bestiegen hatte um innerhalb kürzester Zeit seinen Samen in ihr frei zu lassen. Dieser Akt hatte sich danach noch über mehrere Tage verteilt wiederholt, bis sie endlich ein Ei trug oder die Periode vorüber war, wo sie empfängnisbereit war.

 

Namaki fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, wie die Drachenzucht funktionierte. Bisher hatte er Drachen zwar als intelligenter wie die meisten Tiere gehalten, ihnen aber nicht tiefere Bindungen zugetraut. Im Tierreich war es nicht so oft zu finden, das sich Paare fanden, die ein Leben lang treu zueinander standen. Es ging dort lediglich um die Weitergabe der Gene und den Fortbestand der Art. Aber mit ihren beiden Drachen bekam er eine andere Sicht auf die ganze Angelegenheit, die ein ungutes Gefühl hinterließen.

 

Es fühlte sich so an, als wenn sie die Drachen zu etwas zwangen, was nicht in ihrer Natur lag und auch wenn diese eindeutig sich wehren könnten, stellte sich einfach die Frage, warum bisher niemandem aufgefallen war, das es auch so etwas wie tiefere Zuneigung zwischen den einzelnen Drachen geben konnte. Denn das was Tilarodon und Jinalatira da trieben war ganz gewiss nicht mit dem Hintergrund die eigenen Gene weiter zu geben. Es erinnerte eher an den sinnlichen Akt, den zwei Menschen miteinander teilten, ganz gleich ob dieser tiefe Gefühle zur Grundlage hatte oder simple Lust die einen überkam.

 

Diese Gedanken vorerst von sich schiebend, legte Namaki ein wenig an Tempo zu um das Lager zu erreichen. Dabei versuchte er auch zu unterbinden, an letzte Nacht zurück zu denken, wo er den reizvollen Körper seiner Partnerin nahe an seinem eigenen hatte spüren dürfen.

 
 

* *** *

 

Sorgsam glitten Nautos Augen über die letzten Sätze die er getippt hatte. Hier und da korrigierte er noch einen Tippfehler, ehe er zufrieden nickte und das Dokument schließlich abspeicherte und schloss. Es war nicht unbedingt besonders viel was er an diesem Abend geschrieben hatte, aber es war besser wie gar nichts, wenn man bedachte, wie dieser Tag angefangen hatte für ihn. Sein Blick huschte zu der Uhr, die in der rechten unteren Ecke seines Laptops zu sehen war. In Japan musste es spät genug sein, dass die Kinder vermutlich gerade zur Schule gebracht wurden. Er hoffte wirklich, dass Itachi nach seinem Anruf noch etwas Schlaf bekommen hatte, wenn nicht, dann würde es eindeutig ein ziemlich langer Tag für ihn werden.

 

Ein Gähnen unterdrückend, schloss er den Laptop und machte sich langsam auf den Weg nach unten. Es war eindeutig zeit für einen kleinen, nächtlichen Snack. Naruto erinnerte sich, dass er als Teenager diese häufiger gehabt hatte. Er hatte eben immer Hunger gehabt, egal ob er in seinem Zimmer gewesen war und so getan hatte als wenn er lernen würde, oder ob er bereits geschlafen hatte. Es war nicht selten vorgekommen, dass er nachts noch einmal in der Küche gestanden hatte, um sich einen Snack zu machen. Oder eine volle Mahlzeit, es kam eben immer darauf an, wie hungrig er genau gewesen war.

 

Dadurch, dass er als Autor oft die Nacht zum Tage machte, war diese Angewohnheit zu einem Ritual geworden, die gar nicht mehr wegzudenken war. Wenn andere beim Frühstückstisch saßen, war er auf den Weg in sein Schlafzimmer, während er tief schlief, wenn andere ihr Mittagessen genossen. Somit frühstückte er am Abend, die weiteren Mahlzeiten folgten irgendwann in der Nacht. Im Grunde schadete es auch nicht, er hatte das Glück, schnell die Kalorien zu verbrennen, weil er selten wirklich für Stunden still sitzen konnte. Nicht einmal wenn er schrieb. Irgendwann packte es ihn einfach und er wanderte umher, seit die Rüden bei ihm waren sogar noch mehr. Da kam es nicht selten vor, dass er mitten in der Nacht langsam den Weg entlang trottete, während die Hunde ihren Geschäften nach gingen. Es war irgendwie beruhigend und half ihm, die manchmal wirren Gedanken zu zügeln und letzten Endes zu sortieren. Wenn er dann zurück kam, konnte er weiterschreiben als wenn er die Pause gar nicht erst gemacht hatte.

 

In der Zeit in der Taiki bei ihm gewesen war, hatte er allerdings den Tag durchstehen müssen und die Nacht wieder zum Schlafen benutzen müssen. Am Anfang hatte er durchaus gedacht, dass ihm das ungewöhnlich schwer fallen würde, letzten Endes war das aber kaum der Fall gewesen. Sein natürlicher Rhythmus hatte sich einfach verändert und die neuen Tageszeiten angenommen, wie es notwendig gewesen war, genauso wie das problemlos wieder rückgängig gemacht worden war, nachdem Taiki mit der Familie abgereist war.

 

In der Küche angekommen, suchte Naruto sich Brot heraus, bevor er im Kühlschrank den Rest eines Auflaufs entdeckte und sich dafür entschied, dass dieser gerade eher nach seinem Geschmack war. Er warf einen Blick auf den Ofen, entschied sich dann aber dagegen, diesen extra anzufeuern, um den Rest zu erhitzen. Es würde zu lange dauern und es war dumm ihn zu nehmen, wenn die Mikrowelle für das erneute Aufwärmen eindeutig besser geeignet war.

 

Zwei Minuten später saß er an dem Tisch, der restliche Auflauf lag dampfend auf einem Teller, den er aus dem Schrank geholt hatte. Während Naruto in Ruhe aß, hielt er in der freien Hand sein Handy und checkte die Nachrichten, die er über den Tag hinweg bekommen hatte.

 

Der Verlag fragte an, wie weit er mittlerweile mit den Korrekturen war, Sam kündigte seinen nächsten Besuch an, Ino hatte auf seine Frage wie es ihr ging geantwortet, Kiba fragte ob seine Hunde sich beruhigt hatten und Sasuke fragte ihn, ob sie am kommenden Abend telefonieren konnten.

 

Irritiert huschten seine Augen erneut über die Nachricht, bevor er leise schnaufte. Scheinbar war seine Sorge umsonst gewesen und vor allem hatte er Itachi aus dem Bett geschmissen, ohne einen wirklichen Grund zu haben. Er nahm sich vor, demnächst sein Handy früher zu kontrollieren, auch wenn er bereits wusste, dass er es nicht einhalten würde. Ohne eine der Nachrichten zu beantworten – das würde er machen bevor er ins Bett ging – legte Naruto das Handy zur Seite und schaufelte den restlichen Auflauf in sich hinein, bevor er den Teller in die Spüle legte und nach den beiden Hunden rief. Ein kleiner Verdauungsspaziergang war eindeutig nach seinem Geschmack.

 
 

***

 

Irland bei Nacht war wundervoll, anders konnte Naruto es nicht beschreiben, als er den unbefestigten Weg folgte, der ihn bald zwischen den Feldern Richtung Wald führen würde. Vor allem, wenn der volle Mond tief am Himmel hing und ihm auf diese Art ermöglichte genau zu sehen wohin er ging. Er konnte, vermutlich weil gerade die ganze Welt zu schlafen schien, in der Ferne das Rauschen des Meeres hören. Es konnte genauso sein, dass er es sich lediglich einbildete, das stetige Geräusch hatte dennoch eine beruhigende Wirkung auf ihn. Es entspannte und machte die Schritte leichtfüßiger.

 

Ein paar Schritte vor sich konnte er Rasengan sehen, der immer wieder stehen blieb und an einer Stelle schnupperte, die scheinbar besonders aufregend war, bevor er weiter trottete nur um die nächste Stelle zu finden, die für einige Sekunde ganz seine Aufmerksamkeit einforderte. Das weiche Licht des Mondes brach sich auf dem hellen Fell, brachte es fast zum leuchten. Chidori hatte sich etwas abseits des Wegs begeben, die Nase fest am Boden, während er offenbar einer Spur folgte, die er weder sehen noch anderweitig wahrnehmen konnte.

 

Zufrieden folgte Naruto dem Weg, bis er zu der Gabelung kam, die er damals mit Itachi ebenfalls erreicht hatte. Naruto erinnerte sich an das wenig angenehme Gespräch, das damals stattgefunden hatte. Nicht in seinem genauen Wortlaut, aber eindeutig wenn es um den Kontext ging. Er erinnerte sich, wie unwohl er sich damals gefühlt hatte, aber jetzt und in dieser Nacht, konnte er die Gefühle nicht mehr mit dem in Zusammenhang bringen, was er damals gefühlt hatte. Es spielte keine Rolle, es war so fern, als wenn es in einer anderen Zeit, einem anderen Ort stattgefunden hatte.

 

Vielleicht traf es das sogar am Besten. Naruto kannte die Umgebung sehr genau. Er hatte in den letzten Jahren so oft diese Wege verfolgt, in dem letzten Jahr sogar noch viel häufiger, dass er fast das Gefühl hatte, jeden Stein, jeden Halm genau zu kennen. Aber wenn die Nacht über Irland hereinbrach, wenn der Mond die Umgebung sanft in seinen Licht badete, war es fast so, als wäre er an einem anderen Ort. Jeder Stein war neu, jeder Halm war unerforscht und jeder Schritt musste genau überlegt werden, um nicht irgendwo zu enden, wo er alleine zu dieser Stunde nicht mehr weiter kam.

 

Es war ein kindischer Gedanke, ein unreifes Gefühl, dennoch ließ es Naruto nicht los, wenn er nachts draußen war um ein wenig Entspannung zu finden. Denn bei Nacht spielte es keine Rolle welche Sorgen ihn vielleicht zuvor geplagt hatten, oder welche Dinge wichtig erschienen waren, alles war schlicht anders, fern als wenn es nie zu ihm gehört hatte.

 

Ein leises Geräusch rechts von ihm erregte die Aufmerksamkeit der beiden Hunde und als Rasengan einen Satz nach vorne machte, schreckte ein Hase aus seinem Versteck auf und huschte eilig über die Wiese hinweg. Das raschelnde Geräusch war alles, was seinen Fluchtweg markierte. Naruto lachte leise. Vermutlich hatte das Langohr die Sperrstunde verpasst. Um diese Zeit gab es wirklich nur noch wenige Tiere die wach waren. Wie die Grillen, die man ihn lauen Sommernächten nahezu die ganze Nacht hindurch hören könnte.

 

Enttäuscht, dass die Beute entkommen war, kehrte Rasengan zu ihm zurück, nachdem er dem flinken Tier einige Schritte gefolgt war.

 

Als Naruto schließlich den Wald erreichte, zögerte er nicht einzutreten, auch wenn das sanfte Licht durch die dichten Kronen der Blätter kaum zur Erde hinab reichte. Eine düstere Aura breitete sich aus, auch wenn sie Naruto nicht aufhielt. Wenn er ehrlich war, hatte er diese Spaziergänge vermisst, die er früher meistens im Sommer unternommen hatte, wenn seine Gedanken rasten und er sich unfähig gefunden hatte, sie nieder zu schreiben. Er hatte sie nicht vermisst, als Taiki da gewesen war, was wohl daran lag, dass Naruto eine Aufgabe gehabt hatte, die ihn vollkommen eingenommen hatte. Dennoch war er froh, nun zu alten Ritualen zurückkehren zu können, erst Recht, wenn er nun Gesellschaft hatte, auch wenn diese stets einige Schritte vor ihm war.

 

Naruto fragte sich, was Sasuke wohl denken würde, wenn er wüsste, was er gerade tat. Er erinnerte sich vage daran, wie er in ihrer Jugend an einer ziemlich dummen Mutprobe teilgenommen hatte, bei der sie mitten in der Nacht ebenfalls einen Wald hatten durchqueren müssen. Kakashi war wirklich nicht begeistert gewesen, als er Narutos Bett leer vorgefunden hatte, noch weniger, als schnell herausgekommen war, dass die komplette Clique mitten in der Nacht verschwunden war.

 

Er lachte leise. Als Kinder hatten sie keinen Plan davon gehabt, dass es keine gute Idee war mitten in der Nacht durch einen Wald zu laufen, auch wenn sie ihn vage von ihren Abenteuern am Tag gekannt hatten. Die Idee hatte sie einfach angeregt, keine von ihnen hatte an Gefahren gedacht. Was konnte auch groß passieren, wenn sie einfach durch liefen, schließlich hatten sie das am Tag einige Male getan. Niemand hatte damit gerechnet, dass das fehlende Licht, die fehlenden Orientierungspunkte sie in Gefahr hatte bringen können. Entsprechend hatten sie wohl auch alle keinen wirklichen Kampf geliefert, als man sie aufgelesen hatte, weit weg von dem Weg den sie hatten gehen wollen und danach ihre gerechte Strafe erhalten hatten, weil sie schlicht und ergreifend dumm gewesen waren.

 

Heute jedoch hatte er nicht vor den Wald zu durchqueren. Heute war er auch nicht alleine, denn die beiden Rüden würden wohl den Weg immer zurück finden und Naruto war sich sicher, dass der Befehl Futter zu bekommen ausreichen würde, dass sie schnurstracks zurück liefen, auch wenn das bedeutete, dass sie durch die hohen Felder liefen um das Ziel schnellstens zu erreichen. Aber das war nicht notwendig. Naruto folgte dem Weg der nahe an der Waldgrenze entlang führte und genoss dabei sie sanfte Brise, die hin und wieder über ihn hinweg wehte.

 

Aber ganz gleich wie friedlich Irland bei Nacht war, egal wie fremd es wirkte wenn die Helligkeit der Sonne fehlte, oder wie angenehm das sanfte Licht des Mondes war, Naruto konnte nicht ganz von sich schieben, dass Sasuke ihn gefragt hatte, ob sie später telefonieren wollten. Er war neugierig, wenn er ehrlich war, brannte er darauf zu hören wie es seinem besten Freund ging und ein Teil von ihm hoffte inständig, dass dieser bereits die ersten Schritte in Angriff genommen hatte, damit alle drei bekamen was sie brauchten.

 

Vielleicht – dachte Naruto als er den Wald wieder verließ und dem Weg weiter folgte, der ihn zu der unbefestigten Straße bringen würde – vielleicht hatte Sasuke sogar schon Fortschritte gemacht, was seine eigenen Emotionen anbelangten.

 
 

***

 

Es war bereits Nachmittag, als Naruto schließlich die Augen langsam wieder öffnete. Nachdem er seinen nächtlichen Spaziergang beendet hatte, hatte er noch eine Weile an den Korrekturen gearbeitet, bevor er kurz vor Sonnenaufgang seine Nachrichten beantwortet hatte. Danach war er regelrecht ins Bett gefallen, unwillig auch nur einen weiteren Schritt zu machen, oder einen einzigen Gedanken zu zulassen. Er war erschöpft, zum ersten Mal seit langem war er wirklich erschöpft gewesen und hatte sich danach gesehnt, sich in den Decken zusammen zu rollen und den Tag zu verschlafen.

 

Was er letzten Endes getan hatte und nun wo er wieder erwacht war, fühlte er sich eindeutig ausgeruht und rundum zufrieden. Gerade weil er so entspannt war, gönnte er sich den Luxus einen Moment liegen zu bleiben und die Ruhe zu genießen, die gerade herrschte. So dauerte es noch, bis er die Decken von sich schob, die im laufe der Nacht recht tief gewandert waren und endlich sich aufrichtete.

 

Die Routine kehrte zurück. Er verschwand im Bad, erleichterte sich, sprang fix unter die Dusche um dann nach unten zu gehen, die Hunde raus zu lassen, ihr Futter fertig zumachen und sich selbst Frühstück zu suchen. Nur um festzustellen, dass er dringend einkaufen musste. Sein Blick fiel missbilligend auf die beiden Rüden. Es wurde wirklich Zeit, dass er sie in den Griff bekam, denn an Tagen wie diesen, musste er jedes Mal erst fragen, ob jemand ein Auge auf sie hatte. Sie waren im Grunde alt genug um eine Weile alleine zu bleiben, aber im Haus war das nicht möglich, wie er aus leidvoller Erfahrung wusste. Auch der Garten war keine Option, denn Naruto ahnte, dass Rasengan vermutlich Taikis Garten komplett zerstören würde, falls der Rüde nicht vorher einen Weg fand aus dem Garten auszubrechen um die nähere Umgebung zu erkunden. Nur wie er das in den Griff bekommen sollte war ihm schleierhaft. Es war schließlich nicht so, dass er es nicht versucht hatte und Experten hatte es auch gegeben, die alle das Handtuch geworfen hatten. Vielleicht sollte er später Sasuke noch einmal fragen, wie genau er es schaffte, dass Rasengan gehorchte, denn Naruto war sich sicher, dass er Chidori auch den ganzen Tag alleine lassen könnte wenn es nicht anders ging. Der ruhige Rüde würde sich einen bequemen Platz suchen und schlafen bis er wieder kam, aber er würde nicht auf die Idee kommen, irgendetwas zu zerstören. Im Gegensatz zu seinem Bruder. Nicht zum ersten Mal seufzte Naruto, als ihm wieder einmal klar wurde, dass sein Glück erneut zugeschlagen hatte. Natürlich hatte er sich einen der kompliziertesten Hunde ausgesucht, den es in Irland gab.

 

Den Kopf schüttelnd, nahm er sich den Rest von dem Käse und den Kanten Brot der vom Abend zuvor übrig war, um sich eine spärliche Mahlzeit zu zubereiten. Auf dem Herd stand bereits der Kessel und als er wenige Minuten später pfeifend ankündigte, dass das Wasser kochte, bereitete Naruto sich einen Tee zu, den er mit zum Tisch nahm.

 

Zufrieden ließ er sich auf seinen Stuhl sinken und nahm einen Schluck von seinem Tee, bevor er herzhaft in sein Brot biss und im Kopf durchging, wie er diesen Tag gestaltet. Wie es aussah, würde es erneut ein herrlicher Tag werden. Der Himmel war blau, die Sonne stand hoch und die Temperaturen waren zu dieser Uhrzeit bereits angenehm. Irlands Wetter war eindeutig besser als jenes, das in Japan herrschte, auch wenn der ständige Regen am Anfang durchaus unangenehm und eine Sache der Gewöhnung gewesen war, konnte er sich damit arrangieren, wenn das bedeutete, dass er sich nicht mit den hohen Temperaturen herumschlagen musste, die er aus Japan kannte. Alles hatte eben seine Vor- und Nachteile.

 

Zufrieden ließ er sich etwas zurück sinken und nippte erneut an seinem Tee. Wenn er einkaufen wollte, sollte er gleich seine Nachbarin fragen, ob sie die beiden Hunde beaufsichtigen konnte. Vielleicht war es sogar eine Überlegung wert über einen Zwinger nachzudenken, wenn auch nur für die ein oder zwei Stunden in der Woche, wo es unvermeidlich war in die Stadt zu fahren um seine Vorräte aufzustocken. Er mochte diese Teile nicht wirklich, aber Rasengan ließ ihn kaum eine andere Möglichkeit. Irlands Leute waren zwar sehr offen und taten viel für die Nachbarschaft, aber Naruto wollte die beiden Hunde wirklich nicht für die nächsten Jahre ständig in Obhut seiner älteren Nachbarin schieben, wenn er etwas zu erledigen hatte.

 

Wenn er in der Stadt war, konnte er sich ja danach erkundigen, was die Zwinger kosteten und vielleicht auch prüfen, ob es nicht doch andere Wege gab, auch wenn er es bezweifelte. Sein Blick wanderte zu Rasengan. Der Hund hatte eindeutig zu viel Energie. Viel zu viel, als gut für ihn war. Er hielt ihn klar auf Trab und im Grunde störte es Naruto auch nicht, aber wenn er eben doch sie alleine lassen musste, wollte er nicht auf ein Schlachtfeld zurück kehren. Er konnte wohl nur hoffen, dass der Rüde vielleicht doch ein klein wenig ruhiger wurde, wenn er älter wurde, 15 Monate waren schließlich nicht gerade alt, auch wenn man ihn vorgewarnt hatte, das so große Rassen selten sehr alt wurden.

 

Seufzend biss er erneut ab. Wie auch immer die Lösung aussah, an diesem Tag würde nichts daran vorbeiführen, dass die beiden noch einmal zu der Nachbarin kamen. Er hatte sich sogar überlegt, mit dem alten Miller zu sprechen. Vielleicht hatte auch er eine Idee, wie man Rasengan etwas ruhiger bekam. Immerhin besaß der Mann die Mutter der beiden, auch wenn Naruto die Hündin recht ruhig in Erinnerung hatte. Fraglich war wohl, ob Welpen solche Eigenschaften von ihren Eltern übernahmen. Wenn ja, war eindeutig der Vater der schuldige. Aber auch das änderte kaum etwas an dem Problem, was er jetzt hatte.

 

So schob er sich den Rest in den Mund, kaute und spülte schließlich alles mit ein wenig Tee hinab, bevor er nach seinem Handy griff, um die alte Frau zu fragen, ob sie noch einmal ein Auge auf die beiden Rüden haben konnte. Es überraschte ihn schließlich auch nicht, dass sie sofort zusagte. Er nahm sich eindeutig vor, ihr eine Kleinigkeit mitzubringen. Sie tat wirklich viel für ihn.

 

Mit der Tasse in der Hand erhob er sich, um sich fertig zu machen. Er freute sich sogar, wieder in die Stadt zu kommen. Er mochte es auf dem Markt umher zu schlendern, die Auslagen anzuschauen und sich mitzunehmen, was ihn gerade ansprach. Auch wenn er nicht alles auf dem Markt bekommen würde. Auf jeden Fall wollte er sofort los, er wusste schließlich nicht wann Sasuke sich meldete.

 

Gute 20 Minuten später hatte er die Hunde abgeliefert und war auf dem Weg in den Ort.

 
 

***

 

Ballyshannon war ein wirklich toller Ort. Es gab Flecken, die nahezu ausgestorben waren und jene, wo das Leben nur so pulsierte. Der Markt war ein Ort, der eindeutig in die letzte Kategorie gehörte. Egal wohin man sah, überall waren Menschen. Mütter die ihre Kinder von einen Stand zum anderen zogen, Frauen und Männer die langsam und ausgiebig die Auslagen musterten, Teenager die schnell sich etwas besorgen wollten oder von den Eltern geschickt worden waren. Es war ein bunter, quirliger Haufen und Naruto liebte jeden Schritt, den er in die wabernde Masse hinein trat.

 

Was ihn am Meisten gefiel, war die Geräuschkulisse. Wenn man sich mitten auf den Platz stellte und die Augen schloss, hörte man die Geräusche die verschiedene Schuhe auf dem Teer hinterließen. Da waren Hunde die hechelten und bellten. Menschen die gezischte Worte austauschten, nörgelnde Kinder, Männer und Frauen die ihre Waren an den Mann bringen wollten. Aber natürlich stellte er sich nicht dort hin, er war sich ziemlich sicher, dass man ihn für einen Geisteskranken halten und die Polizei holen würde. Niemand der so etwas machte war wohl ganz bei Verstand.

 

Auch dieses Wahrnehmen lag wohl daran, dass er ein Autor war. Seit er sich so intensiv mit dem Schreiben beschäftigte, nahm er die Welt um sich herum ganz anders wahr. Er wusste, dass er in Japan kaum den Menschen Beachtung geschenkt hatte, die um ihn herum gewesen waren, solange es sich dabei nicht um Freunde oder Familie gehandelt hatte. Mittlerweile war das zu einem regelrechten Zwang geworden. Egal wo er auch war, sein Blick huschte über die Menschen und er verglich sie mit seinen Figuren. Oft hatte er dabei auch die Eingebung für Figuren, die er bereits im Hinterkopf hatte, sich aber noch nicht genau mit ihnen beschäftigt hatte, weil sie noch nicht aufgetaucht waren. Die meisten Figuren aus seinen Geschichten waren nach Menschen geformt, die er auf der Straße getroffen hatte, zumindest was ihr Aussehen anbelangte. Es war wohl fraglich, was die Personen davon hielten, wenn sie wüssten, dass sie irgendwo als fiktive Personen auftauchten. Vermutlich würden sie sich aber wohl nicht einmal erkennen, wenn sie die Stellen lasen, in denen sie beschrieben wurden.

 

Naruto riss sich von seiner Umgebung los, um die nächsten Stand anzusteuern. In den dann folgenden Minuten kaufte er alles, was er an Obst und Gemüse für die kommende Woche brauchen würde. Es war nicht viel, aber genug, dass er nicht am Hungertuch nagen musste. Auch Brot, Käse und Schinken landete in seinem Korb, bevor er den belebten Ort wieder verließ und den Korb in den Wagen brachte. Seine nächste Station war der Supermarkt, wo er die Dinge besorgte, die er auf dem Markt nicht bekommen konnte. Er nahm sogar eine Schachtel Pralinen mit, um der Frau eine Freude zu machen, die ihm immer wieder aushalf.

 

Anschließend fuhr er tatsächlich noch zur Tierhandlung um sich zu informieren, was er wegen Rasengan machen konnte. Es war wohl nicht verwunderlich, dass man ihm als erstes vorschlug, eine der Hundeschulen zu besuchen oder sich im Internet nach Trainern umzuschauen. Er konnte da nur leicht verlegen Lachen und der eifrigen Frau anvertrauen, dass es in Ballyshannon vermutlich niemanden mehr gab, der diesem Hund versuchen wollte etwas beizubringen. Sie lachte leise. „Oh, so schlimm?“, fragte sie mitfühlend nach und Naruto seufzte leise. „Schlimmer.“, gab er zu und selbst das beschrieb es nicht einmal im Ansatz. Er mochte seine Hunde ja so wie sie waren, aber Rasengans energiegeladene Art war zu viel wenn es darum ging nicht in einem zertrümmerten Haus zu leben. Denn dieses mochte er so wie es war, auch wenn noch ein paar Dinge zu machen waren. Was er eindeutig bis Weihnachten erledigt haben wollte. Die Zeit wurde wirklich knapp.

 

„Also, ein Zwinger wäre durchaus die Lösung, allerdings ist wohl zu erwarten, dass er darin wütet bis Sie zurück sind.“, meinte die junge Frau schließlich und runzelte leicht die Stirn, als wenn ihr eine Idee gekommen wäre, die ihm vielleicht weiterhelfen würde. „Vielleicht reden Sie zuvor mit dem alten McKenzie. Er lebt außerhalb von Ballyshannon und kennt sich ziemlich gut aus. Hat selbst Wolfshunde gezüchtet und dabei so einige Rabauken dabei gehabt. Ein Versuch ist es vielleicht wert.“, schlug sie vor und blickte ihn neugierig an. Naruto seufzte leise. Er glaubte nicht, dass es jemanden gab – abgesehen von Sasuke – der in der Lage war, Rasengan zur Vernunft zu bringen, aber es stimmte wohl, dass er nichts zu verlieren hatte.

 

Einige Minuten später hatte er den Laden verlassen, in der Hand hielt er den Zettel mit der Adresse und Nummer des Mannes. Er wohnte nicht einmal weit weg, wenn er wollte, konnte er in knapp einer Stunde Fahrt dort sein und die beiden Hunde mit nehmen. Aber zuerst wollte er ihn anrufen. Vielleicht hatte der Mann nicht einmal Interesse daran irgendwelchen Fremden mit ihren Problemen zu helfen. Aber zur Sicherheit hatte er sich auch einige Zwinger zeigen lassen, die in Frage kamen. Es waren hässliche Dinger und nicht gerade billig, aber wenn es hart auf hart kam, würde er so ein Teil in den hinteren Garten installieren lassen. Eine andere Wahl würde er dann ja auch kaum noch haben.

 
 

***

 

Ächzend schleppte Naruto seine Einkäufe in die Küche, während Rasengan aufgeregt um ihn herumsprang. Chidori trotte hinter ihnen her und kaum hatte er genug Platz, überholte er sie, um sich im Wohnzimmer einen bequemen Platz zu suchen. Vermutlich auf dem Sofa und Naruto hatte keine Lust dem Rüden genau das zu verbieten. Noch so eine Sache, wo Sasuke nur bedingt hatte mit leben können, auch wenn es in diesem Fall daran gelegen hatte, dass die beiden Rüden nahezu den ganzen Platz beanspruchten, wenn sie dort drauf lagen.

 

Stöhnend hob er den Korb auf den Tisch, stellte die Tasche daneben und ging zu der Hintertür, um diese für die beiden zu öffnen. Rasengan bellte freudig und schoss an ihm vorbei ins Freie. Eigentlich hatte er genau das gehofft. Nun deutlich gelassener konnte er die Einkäufe anständig wegpacken.

 

Seine Nachbarin hatte sich sehr über das kleine Geschenk gefreut, auch wenn sie ihm einige male versichert hatte, dass dieses nicht notwendig war. Naruto sah das ein wenig anders und er fand ebenso, dass es an der Zeit war, dass er ihr eine Freude machte. Immerhin tat sie eine ganze Menge für ihn. Sie kochte versehentlich viel zu viel um die Reste zu ihm zu bringen, sie hatte ihn gepflegt als er so krank gewesen war und sie hatte stets ein Auge auf seine Rasselbande, wenn er in die Stadt fuhr und sie nicht mitnehmen konnte. Vielleicht lag es daran, dass er nicht in Irland geboren und aufgewachsen war, aber er fand so etwas nicht unbedingt selbstverständlich.

 

Als er endlich alles weggepackt hatte, schnappte er sich den Zettel, um den Mann anzurufen, den man ihm empfohlen hatte. Er nahm sein Handy dafür mit sich und ließ sich im Wohnzimmer auf dem Sofa nieder, wo erwartet Chidori sich lang gemacht hatte. Während er telefonierte, kraulte er dem Rüden durch das dichte, drahtige Fell und erklärte dem Mann seine Lage. Er erklärte sich einverstanden – nachdem Naruto ihm versichert hatte, dass einige Trainer versagt hatten – Rasengan anzuschauen und zu sehen, ob er ihm einige Tipps geben konnte, damit der Rüde sich benahm. Ein Versuch war es auf jeden Fall wert.

 

Zufrieden mit dem Ergebnis, machte er sich auf den Weg nach oben um ein wenig an den Korrekturen zu arbeiten. Er hatte keine Lust gerade weiter zu schreiben, aber dafür würde seine Laune durchaus reichen.

 
 

***

 

Fluchend steckte Naruto sich den Finger in den Mund, die andere Hand legte das Messer weg, welches ihm den Schnitt verpasst hatte, der nun den Zeigefinger zierte, an dem er leicht saugte um den Schmerz etwas zu mildern und die Blutung zu stillen. Zum Glück war es nicht sehr tief. Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete er das Handy, das einen wahren Tanz auf dem Tisch vollführte, die Vibrationen ließen es über die Oberfläche gleiten. Bis ihm bewusst wurde, wer vermutlich am anderen Ende war. Eilig überwand er den Abstand, nahm ab und meldete sich.

 

„Hat man dir nicht beigebracht erst zu schlucken, ehe man abnimmt?“, hörte er Sasukes Stimme durch den Hörer. Naruto schnaubte leise. „Doch, Kakashi hat zumindest versucht mir ein Mindestmaß an Manieren beizubringen.“, gab er ehrlich zu. „Nur bringt das nichts, wenn du in dem Moment anrufst, wo ich Gemüse schneide. Eine weitere Narbe für mich.“, erklärte er und betrachtete den lädierten Finger. Es blutete noch immer, aber zum Glück nicht sehr schlimm.

 

Naruto hatte die meiste Zeit damit verbracht, die Kapitel zu korrigieren, die er bereits zurückbekommen hatte. Anschließend hatte er sich dazu entschieden, sich etwas zu kochen und war in die Küche hinunter gegangen. Rasengan lag jetzt mitten im Garten auf dem Rasen, wenige Schritte von Chidori entfernt, der sich ebenfalls nach draußen begeben hatte. Endlich sah es so aus, als wenn der hibbelige Rüde ausgepowert war, aber Naruto fürchtete, dass es nicht lange so bleiben würde.

 

„Oh.“, erwiderte Sasuke und auch wenn Naruto es nicht sehen konnte, konnte er das leichte Grinsen regelrecht hören, das Sasukes Mundwinkel hinauf zogen. „Kochen muss eben gelernt sein.“, kam auch schon der Rest der Reaktion, mit der Naruto auch gerechnet hatte. Er kannte den Mann schließlich nicht erst seit jetzt, Sasuke ließ es sich selten entgehen ihm unter die Nase zu reiben, was er von seinen Künsten hielt. „Ich kann kochen!“, protestierte Naruto deswegen, einfach weil es angenehm war in die Rollen zu schlüpfen, die sie früher immer eingenommen hatten. Es war vertrautes Land, etwas in dem sie sich auskannten.

 

Sasuke brummte leise zur Antwort und damit verschwand die lockere Atmosphäre, die gerade eben noch geherrscht hatte. „Wie geht es dir?“, fragte Naruto deswegen leise, stellte den Lautsprecher des Telefons an, um es neben das Schneidebrett zu legen und erneut nach dem Messer zu greifen. Er mochte kein besonders guter Koch sein, aber ein paar Dinge konnte er durchaus, ansonsten wäre Taiki hier verhungert.

 

„Ganz okay, denke ich.“, gab Sasuke zu und man konnte das leise Rascheln von Kleidung hören. Sicher war der Uchiha in seinem Arbeitszimmer, abseits von den Kindern. Naruto verstand es irgendwo. Er wusste warum Sasuke ausgerechnet heute mit ihm reden wollte. Er musste diesen Tag nicht einmal dick im Kalender markieren um ihn zu behalten. Es war genau ein Jahr her, dass Hikari beerdigt worden war und neben dem Todestag war es wohl für seinen Freund einer der schwierigsten Tage im Jahr. Ein ganzes Jahr, die Zeit war wirklich verflogen und doch konnte Naruto sich ausmalen, wie wenig diese 365 Tage verändert hatten. Wenn er in ganzen 8 Jahren keine Fortschritte hinbekam, würde Sasuke kaum in einem Jahr genug vorangehen können, damit es ein wenig leichter wurde.

 

„Wart ihr auf dem Friedhof?“, fragte er schließlich leise weiter und betrachtete das Gemüse, das er in kleine Streifen geschnitten hatte, ehe er es zu dem bereits schmorendem Fleisch gab. „Ich war.“, gab Sasuke zu, seufzte leise und erneut hörte man das Rascheln der Kleidung. Naruto kannte es nicht, dass Sasuke unruhig war, aber so wie es sich anhörte, konnte er an diesem Tag nicht ruhig sitzen bleiben. „Die Kleinen waren nicht. Ihr Therapeut war dagegen.“. Erzählte Sasuke weiter.

 

Interessiert lauschte Naruto, griff nach dem nächsten Gemüse, um auch dieses zu zerteilen. „Oh? Beide sind jetzt in Behandlung?“, fragte er nach, setzte das Messer vorsichtig an. Es glitt leicht durch das Gemüse hindurch, als wenn es aus Butter wäre. Er hatte wirklich Glück gehabt, dass sein Schnitt nicht tiefer gewesen war.

 

Erneut brummte Sasuke leise. „Ja, es war Keikos erster Termin. Er hat mir geraten, die beiden erst verstehen zu lassen, was der Tod wirklich bedeutet. Sie sollen danach alleine entscheiden, ob sie das Grab besuchen wollen. Immerhin waren sie recht jung und haben es vermutlich nicht einmal richtig verstanden. Und ich soll dich fragen, ob es möglich sei zu telefonieren.“, erzählte Sasuke weiter. Naruto stutzte, seine Bewegungen erstarrten und seine Stirn legte sich in Falten. „Warum?“, fragte er schließlich nach, nicht sicher, warum diese Frage gekommen war. Er hatte mit der ganzen Sache schließlich nichts zu tun.

 

„Ich hatte nach unserer Rückkehr einen Termin bei ihm. Aber natürlich weiß ich nicht alles. Er wollte einfach wissen ob du bereit wärst ihm von Taikis Zeit bei dir zu erzählen. Er meint euer Kontakt sollte nach Möglichkeit erweitert werden.“ Diese Information irritierte Naruto nur noch mehr. Er hatte nichts weiter getan als Taiki einen Platz zu geben wo er leben konnte und er hatte zur richtigen Zeit die richtigen Fragen gestellt, Tatsachen mit Hinweisen kombiniert und war so auf das Problem gestoßen. Da waren doch wirklich nichts bei.

 

„Ihr habt über mich geredet?“, fragte er perplex, anstatt die Dinge zu fragen, die ihm gerade durch den Kopf gegangen waren. Wenn er ehrlich war, hatte er mit dieser Möglichkeit nicht gerechnet. Er sah sich tatsächlich als jemand der Abseits stand und einfach versucht hatte eine Hand zu reichen, durch welche die beiden auf eine Ebene kommen konnten. Das war in seinen Augen wirklich nichts besonderes. „Natürlich.“, schnaubte Sasuke deutlich amüsiert. „Wir haben fast zwei Stunden geredet, er hält dich für einen einfachen Menschen mit dem jeder zurecht kommen kann, wenn er es nur versucht. Er will dich einfach kennenlernen. Für Taiki bist du wichtig und für uns anderen auch.“

 

Naruto schluckte schwer. Diesen Satz zu hören war natürlich angenehm, auch wenn er gleichzeitig unangenehm war. Er wollte noch immer mehr, auch wenn er spürte, dass es immer leichter wurde. Die Sehnsucht die immer dagewesen war, war nicht weg, aber sie schien langsam zu einer Glut hinab zu schrumpfen, anstatt wie ein regelrechter Buschbrand in ihm zu lodern. Es wurde eindeutig leichter und wenn es so weiter ging, konnte er in zehn weiteren Jahren vielleicht wirklich voran gehen. Ihm wäre durchaus lieber, wenn es schneller gehen würde, aber er war nicht mehr naiv zu glauben, dass man da Gnade mit ihm haben würde.

 

„Oh.“, erwiderte er wenig intelligent, legte das Messer zur Seite und fuhr sich durch die eh schon strubbeligen Haare. „Ich hab nicht damit gerechnet, dass ich zu einem Gesprächsthema werde.“, gab er dann ehrlich zu. Erneut schnaubte Sasuke. „Wirklich, Naruto? Du hast Taiki aus sich herausgelockt, als wir Weihnachten bei dir waren. Du hast zwischen uns vermittelt, weil ich nicht gut in diesen Dingen bin und zuletzt hast du über einen Monat meinen Sohn bei dir gehabt. Er hat bei dir gelebt, ihr wart täglich zusammen, ohne Pausen. Natürlich bist du ein Gesprächsthema. Ohne dich wären wir vermutlich nie dahintergekommen was los ist.“ Sasuke war eindeutig genervt. Nur konnte Naruto dieses Gefühl nicht teilen.

 

Natürlich stimmte es, dass er ein wenig sich eingemischt hatte, aber er sah seine Rolle als selbstverständlich an. Er war einfach so. Er mischte sich ein wenn ihn etwas nervte und Sasukes fehlenden Emotionen seinen Kindern gegenüber hatte ihn eindeutig aufgeregt. Er sagte immer was er dachte, mischte sich immer ein wenn er einen Grund bekam. Und vor allem war er immer da, wenn jemand der ihm am Herzen lag ihn brauchte.

 

Und mit dieser Erkenntnis kam auch das Verständnis, dass viele sicher nicht so waren und vor allem, dass auch er alle in Stich gelassen hatte. Diese Erkenntnis versetzte ihn einen Stich und er musste sich setzen, um das sacken zu lassen. „Darüber hab ich ehrlich gesagt nicht nachgedacht.“, gab Naruto ehrlich zu und schloss die Augen. „Aber natürlich. Gib ihm meine Nummer, mach ihn aufmerksam auf den Zeitunterschied. Irgendwann späten Mittag irischer Zeit bin ich immer wach, bis zum nächsten Morgen. Er soll einfach versuchen mich zu erreichen.“

 

Es würde kaum schmerzen, sich mit Taikis Therapeuten zu unterhalten. Wenn er helfen konnte, dass der Junge weiter Hilfe bekam, würde er vermutlich eh so einiges machen, was eigentlich nicht seine Aufgabe war. Er liebte dieses Kind wie sein eigenes und natürlich wollte er, dass es dem Jungen gut ging. Sasuke schwieg einen Moment, ehe er leise lachte. „Du stehst erst mittags auf? Was machst du denn die ganze Nacht?“, fragte er nach und es hatte den Anschein, dass er sich dabei etwas entspannte. Seine Stimme war um ein vielfaches lockerer.

 

„Schreiben.“, erwiderte Naruto, als wenn es dumm sei, so eine Frage zu stellen. „Ich schreibe nachts einfach besser. Und wenn ich nicht schreibe, korrigiere ich, oder wie gestern Nacht, mache einen Spaziergang.“, rutschte es ihm heraus. Das war eine Sache, die er eigentlich nicht herumerzählte. Die Meisten verstanden diese Leidenschaft nicht einmal und Naruto hatte wenig Lust zu erklären, warum er so gerne nachts raus ging.

 

„Hm, wäre ein Versuch wert. Bei Nacht ist es bei dir vermutlich noch entspannender.“, erwiderte Sasuke nachdenklich und brachte Naruto damit zum Lachen. „Darauf kannst du wetten, Sas'“, schoss er zurück. Erleichtert, dass er sich nicht erklären musste. Aber Sasuke verstand ihn, er genoss es am Tag durch die Gegend zu streifen, wusste den Vorzug der ruhigen Gegend eindeutig zu schätzen. Es war eigentlich klar, dass er dafür zu haben wäre, auch einmal im Dunkeln durch die Felder zu streifen. Naruto konnte sich das bildlich verdammt gut vorstellen.

 

Mit einem leichten Kopfschütteln griff er erneut zu dem Messer um seine Aufgabe endlich fertig zu bekommen. „Ich war im Ort um mir Zwinger anzusehen.“, erzählte er schließlich und gab das restliche Gemüse mit in den Topf, bevor er die leicht köchelnde Masse umrührte. „Wegen Rasengan, ich kann nicht immer jemanden suchen der ihn im Auge behält.“ Das ging einfach nicht. So sehr ihm dieser Gedanke missfiel, er musste eine Lösung finden. Vielleicht brachte der Trainer etwas, vielleicht gab aber auch dieser letzten Endes extrem genervt auf. Natürlich hoffte er, dass der Mann Wunder vollbrachte, aber wirklich daran glauben konnte er nicht mehr. Rasengan war eine Nummer für sich und scheinbar überforderte der Hund jeden – außer Sasuke.

 

„Du musst dich einfach durchsetzen, er ist doch nicht unkontrollierbar.“, erwiderte Sasuke. Naruto schnaubte aufgebracht. „Ja, bei dir, Sas'.“, gab er ehrlich zu. „Eine halbe Armee Trainer hat sich an Rasengan versucht, aber du bist der einzige, der ihn unter Kontrolle bekommt. Und wenn du jetzt noch einmal sagst, dass du ja auch mit mir klar kommst, ziehe ich dich durch den Hörer und zeige dir, wie wenig du mit mir klar kommst, wenn ich richtig los lege.“, grollte er. Sasuke lachte herzhaft auf, es war ein Laut, der Naruto sehr gefiel.

 

„Oh, da bin ich aber gespannt.“, neckte der Uchiha ihn locker. Er verstand wirklich nicht, wo das Problem lag, in seinen Augen war Rasengan nicht weniger gut erzogen, wie Chidori. Nur musste man weitaus häufiger die Erziehung auffrischen, damit der Rüde keinen Unsinn machte. Naruto kannte diese Meinung, aber er konnte dem einfach nicht zustimmen. Sasuke schien wirklich die einzige Person zu sein, auf die der Hund hörte.

 

„Im Übrigen, stell dich bei deinem Telefonat darauf ein, dass ihr einen kleinen Exkurs in das Thema Homosexualität habt.“, erzählte Sasuke weiter. Naruto brauchte eine Sekunde um zu verstehen, welches Telefonat er meinte. „Uh... kann ich noch absagen?“, fragte er leicht beschämt nach, unsicher wo dieses Thema hinführen würde. Jedes Mal wenn derartiges aufkam, fühlte Naruto die Furcht, dass er aufgeflogen war, dass Sasuke ihn durchschaut hatte und ihre Freundschaft beenden würde. Es passierte nie – bisher. Aber die Angst blieb einfach. Auch wenn Sasuke generell recht locker reagierte, konnte Naruto das Gefühl nicht abstellen, dass er ausrasten würde, wenn es um ihn direkt ging.

 

„Mach kein Drama draus. Keiko hatte große Freude daran ihrem Therapeuten zu erzählen, dass Onkel Naruto schwule Hunde hat. Taiki hat es bestätigt. Der arme Mann war so verwirrt, dass ich ihn aufklären musste, was vorgefallen ist und warum die beiden wissen, was Schwul bedeutet... woran Keiko ebenfalls immense Freude gehabt hat, ihn zu belehren, dass ein Prinz der einen Prinz liebt eben schwul ist.“

 

Sasuke hatte eindeutig Freude daran, ihn aufzuklären, was sich in der Praxis zugetragen hatte. Narutos Kopf fühlte sich verdammt heiß an und er war ehrlich froh, dass sie nicht über Skype redeten. Er wusste nicht, wie er sich erklären sollte. „Hey, das ist Dominanzgehabe. Du hast behauptet, sie seien schwul. Außerdem, da war nichts schlimmes bei. Liebe ist eben Liebe.“ davon war er überzeugt.

 

„Hab ich auch nicht behauptet. Ich wollte dich nur vorwarnen, damit du nicht aus allen Wolken fällst und erst schweigst ehe du zu laut protestierst, wie du es sonst immer machst.“ Naruto schnaubte ein weiteres Mal angriffslustig. „Ich bin gar nicht laut.“, protestierte er postwendend, so wie es immer tat. Aber er wusste, dass Sasuke Recht hatte. Er neigte dazu sehr laut zu werden. Er brauchte nicht einmal das demonstrative Schweigen, das Sasuke nun an den Tag legte, um den Punkt zu verstehen, den Sasuke setzen wollte.

 

„Ok, vielleicht geht hier und da mein Temperament mit mir durch.“, gab er somit nach, weil er keine Lust hatte, nun das restliche Telefonat über angeschwiegen zu werden. „Hier und da?“, fragte Sasuke skeptisch nach und Naruto biss sich auf die Unterlippe, um sein Temperament nicht übernehmen zu lassen. „Ja, Sas', hier und da. Ich kann auch anders, wie du sehr wohl weißt.“, erwiderte er lieblich.

 

Das Sasuke zu Lachen begann, vertrug er gar nicht. Er kümmerte sich dann auch nicht darum, dass er das Gespräch postwendend beendete, indem er energisch den roten Button drückte. Auch als wenige Sekunden danach eine Nachricht von Sasuke kam, in der dieser noch einmal nachdrückte, weigerte er sich zu zugeben, dass Sasuke recht hatte und sein Temperament gerade mit ihm durch ging. Es wurde auch nicht besser, als die zweite Nachricht folgte, dass Naruto ideal sein müsste, Rasengan zu erziehen – immerhin waren beide gleich.

 

Für den restlichen Tag ignorierte er das Handy.

 
 

***

 

[LEFT]Einige Tage nach dem Telefonat mit Sasuke schreckte Naruto aus seiner Arbeit hoch, als jemand an der Tür klopfte und Rasengan freudig bellend zu dieser lief um den Besucher zu begrüßen. Irritiert minimierte er das Fenster mit den Bildern, die er für die Ideensammlung gerade gesichtet hatte, um dem Rüden zu folgen. Er erwartete niemanden und um diese Zeit kamen auch eher selten Besucher vorbei. Meistens schlief er zu dieser Zeit noch, was nahezu jeder wusste, der ihn kannte.[/LEFT]

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[LEFT]Vor der Tür stand ein älterer, kräftiger Mann mit dem flammend rotem Haar, welches für Irland ziemlich bekannt war. Mit einer Hand versuchte er den großen Rüden am Halsband festzuhalten, während er die freie ausstreckte um den Mann zu begrüßen. „McKenzie, ich nehme an, das ist der Hund um den es geht?“, fragte er mit tiefer, vibrierender Stimme nach. Sofort erhellte sich Narutos Mine und er nickte zustimmend. „Uzumaki und ja, das ist Rasengan.“, erklärte er und zerrte den Hund weit genug zurück, damit der Mann das Haus betreten konnte. „Voller Energie, kaum zu bändigen und hört noch weniger wie ein Kleinkind.“, erklärte er mit einem gequälten Lächeln, während der Mann die Tür hinter sich schloss.[/LEFT]

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[LEFT]McKenzie nickte verstehend, während er den Hund musterte. „Lassen Sie ihn ruhig los.“, forderte er dann auf, was Naruto gleich machte. Wie erwartet überwand der Rüde schnell den Abstand und wollte an dem Mann hinauf springen um die Freude über diesen Kontakt deutlich zu zeigen. Naruto konnte nur mit offenen Mund staunen, als auch dieser Mann mit einer herrischen Geste den Rüden zurück schob und ihm verbat sich derart aufzuführen. Es wirkte, wenn auch nicht ganz so effizient wie bei Sasuke. Rasengan wagte zwar nicht einen weiteren Versuch, allerdings zuckte der Hund alle paar Sekunden in einem Impuls es doch noch einmal zu versuchen. „Verdammt, warum kann ihn jeder so kontrollieren, außer seine Trainer und ich?“, fragte er perplex nach und schaute neben sich, als er Chidori neben sich treten spürte.[/LEFT]

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[LEFT]Um die Lage besser einstufen zu können, gingen beide Männer schließlich hinaus in den Garten, wo Rasengan sehr schnell zeigte, wie viel Energie er wirklich hatte. Vollkommen aufgekratzt hechtete der Rüde durch den mittlerweile eingezäunten Garten und japste dabei vor Freude. Wenn Naruto es nicht besser wissen würde, würde er behaupten, dass Rasengan vor lauter Lebensfreude grinste. Allerdings bereitete ihm dieser Anblick auch Magenschmerzen. Selbst er wusste so viel, dass es nicht gut wäre den Hund in einen Zwinger zu sperren, wenn er das Haus für eine Weile verlassen musste. Er fühlte da sogar ein wenig mit. In seiner Jugend hatte er selbst kaum stillstehen können, der Gedanke in dieser Zeit auf engsten Raum eingesperrt gewesen zu sein war alles andere als angenehm.[/LEFT]

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[LEFT]Nach einer Weile forderte McKenzie ihn auf, den Rüden zu sich zu rufen und ihm zu befehlen, sich zu setzen. Was Naruto auch tat, auch wenn sein Erfolg bei Null lag. Rasengan kam zwar sofort, sprang allerdings aufgeregt um ihn herum und dachte nicht im Traum daran, sich auf seinen Hintern zu setzen. Fast hätte Naruto gequält gestöhnt, als Chidori, der etwas abseits war, der Aufforderung sehr wohl nach kam, auch wenn sie nicht an ihn gerichtete gewesen war. Anschließend bekam er einige Tipps, wie es besser gehen sollte. Er musste auf seine Stimmlage achten und seine Haltung verändern, aber nach knapp einer Stunde gemeinsames Training hatte sich nur verändert, das Narutos Kopf dröhnte und sein Wille recht gering war, sich in den nächsten Tagen überhaupt mit diesem Rüden zu beschäftigen.[/LEFT]

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[LEFT]„Nun, du sagtest, dass jeder außer dir und deinen Trainern ihn kontrollieren können. Wer ist jeder?“, fragte McKenzie schließlich nach. Naruto seufzte leise. „Ein alter Freund von mir. Er muss nur einen Blick auf Rasengan werfen und der legt sich hin und rührt sich nicht mehr. Zwar sieht er dabei nicht glücklich aus, dennoch gehorcht er.“, erklärte Naruto erschöpft und ließ sich auf einen der Stühle nieder, während sein Blick seinem Hund folgte, der glücklich über die neue Freiheit eine Ehrenrunde im Garten drehte. Dabei ließ er sich unglaublich schnell ablenken. Ein Rascheln und der Rüde wendete den Blick in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war, ohne darauf zu achten, das der Zaun verdammt nahe war.[/LEFT]

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[LEFT]McKenzie nickte verstehend. „Ich fürchte, den einzigen Rat den ich geben kann ist, Rasengan von diesem Freund erziehen zu lassen. Er nimmt dich absolut nicht ernst als seinen Alpha.“, wurde er aufgeklärt. Narutos Augenbrauen zogen sich überrascht nach oben. „Alpha?“, fragte er verwirrt nach. McKenzie nickte erneut. „Sein Leithund. Hunde bilden Rangordnungen, wo einer an der Spitze steht. Der Alpha oder eben Leithund. Es ist ersichtlich, das er dich eher auf der gleichen Stufe wie sich selbst sieht. Du bist Spielkamerad und Freund, aber nicht die Person, auf die er hören muss. Normalerweise regeln wir die Rangordnung mit der Erziehung, aber scheinbar ist das an Rasengan vorbei gegangen.“, erklärte er und sein Blick wanderte zu Chidori, der noch immer an seinem Platz saß und Naruto interessiert betrachtete. „Anders bei ihm. Er hat dich kaum aus den Augen gelassen und deinen Befehl sogar befolgt, als dieser nicht an ihn gerichtet gewesen ist.“[/LEFT]

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[LEFT]Naruto seufzte frustriert. „Klasse, Sasuke lebt in Japan. Keine guten Voraussetzungen um Rasengan zu erziehen.“, stellte er fest. Davon einmal abgesehen, dass es auch nicht Sasukes Aufgabe war und das es ihm herzlich wenig helfen würde, wenn der Rüde bei dem Uchiha gehorchte. Denn bei ihm tat er das dennoch nicht. „Manchmal passt es einfach nicht.“, erwiderte McKenzie. „Du kannst nur versuchen ihn mehr zu fördern um ihm den Überschuss an Energie zu nehmen. Aber darüber hinaus sehe ich wenig Chancen, dass du Rasengan in den Griff bekommst. Tut mir Leid.“, erklärte er. Naruto sah ihm an, dass er es wirklich bedauerte, aber daran war nun einmal nichts zu ändern. Ein Teil von ihm hatte ehrlich schon mit diesem Ausgang gerechnet, denn es war nun wirklich nicht so, als wenn er nicht bereits einiges versucht hätte. Außerdem waren einige Trainer an dem Rüden gewesen und hatten ebenso auf ihre Niederlage blicken müssen, wie Naruto es tat.[/LEFT]

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[LEFT]Kurz darauf verabschiedete der Mann sich und Naruto zog sich in sein Haus zurück um die restlichen Bilder zu sichten. Anschließend schickte er einen Teil seines Manuskriptes an Sasuke, der bereits vor einigen Tagen angefragt hatte, wann das Buch in den Laden kam. Normalerweise tat er so etwas nicht. Abgesehen von seinen Verlegern und dem Korrektorat erlaubte er niemanden, seine Manuskripte zu lesen bevor diese druckfrisch auf den Markt kamen. Aber ein kleiner Teil von ihm war einfach neugierig, was Sasuke von der Story hielt. Bis er herausgefunden hatte, dass Sasuke sein erstes Buch gelesen hatte, hatte er nicht einmal daran gedacht, das der Uchiha dieses Genre überhaupt zur Hand nahm.[/LEFT]

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[LEFT]Er ahnte nicht, das diese Entscheidung einen Stein ins Rollen gebracht hatte, den er lieber aufgehalten hätte.[/LEFT]

18 scary realisation


 

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18 scary realisation

 

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Naruto hatte sich in die Arbeit gestürzt, als das Wetter mitte Oktober begann kühler zu werden und die ersten Herbststürme über Irland hinweg zogen. Sie waren nicht besonders schlimm, dafür kamen sie mit regelmäßiger Überraschung, wenn der zuvor strahlend blaue Himmel sich in einem enormen Tempo zu zog und der Himmel es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schien, die zweite große Flut zu kreieren. Nicht selten waren die unbefestigten Straßen anschließend kaum befahrbar und jedes Mal dauerte es eine Weile, bis die Wassermassen langsam ins Erdreich versickert waren.

 

Nach ihrem letzten Telefonat im September hatte Naruto nichts mehr von Sasuke zu hören bekommen, auch wenn er nach wie vor regelmäßig mit den Zwillingen telefonierte und somit auch wusste, dass Sasuke derzeit in der Firma extrem eingespannt war. Es war seltsam nach der Schweigephase in eine recht aktive Phase gerutscht zu sein nur um nun erneut komplette Funkstille zu haben und Naruto konnte nicht leugnen, dass er es irgendwie sogar vermisste, wieder so ungezwungen mit seinem Freund zu reden. Er vermisste ihre kleinen Sticheleien, die einfach normal zwischen ihnen geworden waren.

 

Der Oktober neigte sich schließlich fast dem Ende zu, als Naruto an einem Nachmittag vollkommen durchnässt sein Haus betrat. „Wartet!“, rief er sofort den beiden Rüden zu, die natürlich nicht in dem kleinen Eingangsbereich warten wollten. Wie erwartet blieb Chidori sofort stehen um ihm einen aufmerksamen Blick zu schenken, Rasengan hingegen tat so, als wenn er gar nicht gemeint sein konnte, rannte weiter Richtung Wohnzimmer, wo er sich ohne Zweifel nass wie er war auf das Sofa werfen würde. Naruto stöhnte genervt auf, wusste aber, dass er kaum gewinnen konnte.

 

Die Taktik, Rasengan müde zu machen, war ein Schuss in den Ofen. Naruto hatte es versucht, wirklich ausdauernd und voller Tatendrang, doch am Ende eines jeden Tages wo er Rasengan durch die Gegend scheuchte damit der Hund seine Energie abbaute, fiel Naruto im Anschluss vollkommen erledigt in sein Bett, während der Rüde um ihn herum sprang, damit das lustige Spiel nicht endete. Er gab es nicht gerne zu, aber Rasengan hatte tatsächlich noch mehr Energie, als er selbst sie aufbringen konnte. Damit waren sie wieder bei dem Punkt angelangt, wo sie sich bereits am Anfang befunden hatte.

 

Genervt und durchgefroren schlüpfte er aus seinen Schuhen und schmiss die Jacke achtlos in die Ecke, bevor er nach dem flauschigen Handtuch griff, welches mittlerweile immer auf der kleinen Ablagefläche lag. Irgendwie war das zu einem Ritual geworden, wann immer er raus musste und nicht sicher sein konnte, dass sie trocken zurück kamen. Der Auslöser war wohl gewesen, dass beide Hunde nach einem sehr schlammigen Ausflug nicht nur den Weg vom Flur bis ins Bad versaut hatten, sondern das Badezimmer auch. Naruto mochte mittlerweile ordentlicher sein, das hieß aber gewiss nicht, dass er Freude daran hatte Schlammspritzer durch das halbe Haus aufzuwischen und von den Wänden zu kratzen, nur weil Rasengan Freude daran empfand sich alle paar Meter zu schütteln. Es hatte sich einfach so ergeben, dass er mittlerweile darauf achtete, seine Hunde an der Tür soweit zu reinigen, dass er nicht Gefahr lief im Anschluss alles renovieren zu müssen, nur weil er sie hinein ließ.

 

Eilig rubbelte er das drahtige Fell trocken genug, bevor er den Hund entließ und sich um seine eigene Sachen kümmerte, die wie eine zweite Hand an seinem Körper klebten. Er wollte nur aus diesen heraus und so schnell wie es ging unter die heiße Dusche um wieder ein Gefühl in seine Finger zu bekommen. Als er endlich sich der Sachen entledigt hatte, lief er eilig Richtung Treppe – natürlich hatte Rasengan die Couch besetzt, wie er feststellte und beschloss vorerst zu ignorieren – und stand kurz darauf zufrieden seufzend unter dem heißen Wasserstrahl, der nach und nach tatsächlich dafür sorgte, dass er wieder fühlen konnte, dass diese Gliedmaßen zu ihm gehörten. Es war so angenehm, dass er vorerst auch kein Interesse daran hatte, die Dusche zu verlassen.

 

Aber natürlich ging das nicht. Nicht nur, dass sein Magen nach dem langen Spaziergang knurrte, er hatte tatsächlich auch vor an diesem Abend noch ein wenig an den Korrekturen zu arbeiten oder sogar zu schreiben, wenn die Muse ihn packte. Vorzugsweise ganz gemütlich vor dem Kamin mit einem heißen Tee und einer Wolldecke, die ihm einen zusätzlichen Schub Wärme gewährte. An Tagen wie diesem war das einfach das Beste was man aus der Situation machen konnte und da es nicht so aussah, als wenn sich das Wetter in den nächsten Stunden besserte, musste er auch nicht noch einmal raus, sondern konnte lediglich die Hintertür öffnen um den Rüden Gelegenheit zu geben sich zu erleichtern und sie anschließend wieder trocken rubbeln. Wenigstens war in seinem Garten kein Schlamm, in dem Rasengan sich wälzen konnte.

 

Nachdem Naruto sich selbst überzeugt hatte, dass es nicht angebracht war eine komplette Stunde unter dem heißen Strahl zu verbringen, stellte er das Wasser aus, trocknete sich eilig ab und holte sich im Anschluss eine bequeme Hose und einen weichen, langen Pullover. Dicke Socken rundeten das Bild ab. Erst dann bewaffnete er sich ein weiteres Mal mit einem Handtuch, auch wenn er davon ausging, dass all die Nässe die sich in Rasengans Fell befunden hatte, mittlerweile in die Polster seiner Couch gezogen war. Auch wenn es ihm nicht gefiel, konnte er auch nicht leugnen, dass die eigene Dusche genauso wichtig gewesen war, wie der Kampf mit Rasengan es gewesen wäre. Andererseits war er mittlerweile an einem Punkt anbelangt, an dem er schlicht und ergreifend die Waffen niedergelegt hatte und sein Schicksal begann zu akzeptieren. Rasengan würde nie auf ihn hören, er konnte versuchen den Schaden in Grenzen zu halten, aber er würde ihn nie unterbinden können.

 
 

***

Naruto hatte seine Pläne eindeutig in die Tat umgesetzt und saß nun auf seinem Sofa – mit extra Decke unter ihm, die Rasengas Überschuss an Wasser von ihm fern hielt – einer weichen Decke die über seine Beine lag, einer dampfenden Tasse Tee auf dem niedrigen Tisch und dem Laptop der auf seinen Beinen balancierte. Die beiden Rüden lagen am Boden und schienen tatsächlich beide erschöpft genug zu sein um zu schlafen, während Naruto Zeile für Zeile langsam durchging und die kleinen Tippfehler aus den letzten Absätzen heraussuchte und diese korrigierte.

 

Das unerwartete Klingeln seines Telefons ließ ihn leicht zusammenzucken, dennoch blieb sein Blick auf den Bildschirm fixiert, während er mit einer Hand nach dem Störenfried angelte und den ankommenden Anruf annahm, ohne auf das Display zu schauen. Es gab immerhin nicht viele Menschen, die seine Nummer hatten und für seine Freunde hatte er doch immer ein offenes Ohr, erst Recht wenn er diese schon eine ganze Weile nicht mehr gehört hatte.

 

„Ja?“, meldete er sich deswegen, klemmte den Hörer zwischen Ohr und Schulter um die Hand erneut frei zu haben und einen weiteren Fehler zu korrigieren, den er gerade gefunden hatte. Seine Hand erstarrte in der Bewegung, als eine ihm vollkommen fremde Stimme sich meldete. „Shiranui … bin ich hier richtig bei Uzumaki?“ Narutos Kopf versuchte sofort der Stimme ein Gesicht zu geben, aber er war sich absolut sicher, dass er diesen Mann nie zuvor gehört hatte. Die Stimme war weich und warm und er nahm doch an, dass er sich daran erinnern würde. „Uhm, ja.“, erwiderte er auf die Frage. „Es tut mir Leid, aber ich denke nicht, dass ich den Namen irgendwen zuordnen kann.“, gab er schließlich ehrlich zu. Der Mann am anderen Ende lachte leise. „Nein, das würde mich auch sehr wundern. Ich bin Taiki Uchihas Therapeut. Herr Uchiha hat mir Ihre Nummer gegeben und Ihr Einverständnis signalisiert, dass Sie bereit währen mir über die Zeit zu erzählen, wo Taiki bei ihnen gewesen ist.“

 

Der Groschen fiel. Naruto hatte mittlerweile vollkommen verdrängt, dass er in den Therapiestunden ein scheinbar sehr präsentes Thema war und das der Therapeut von Taiki mit ihm reden wollte. „Ich hatte es schon einige Male erfolglos versucht.“, wurde er weiter informiert. Irritiert nahm Naruto den Hörer vom Ohr um einen kurzen Blick auf das Display zu werfen. Tatsächlich leuchtete ein deutliches Fragezeichen auf und er erinnerte sich, einige Anrufe einer japanischen Nummer gehabt zu haben, die er letzten Endes eingespeichert hatte um zu einer angemessenen Zeit zu versuchen, den Anrufer zu erreichen. Nur hatte er das vollkommen verdrängt und nicht wirklich weiter daran gedacht. Schnell nahm er den Hörer zurück.

 

„Oh, ja ich hatte einige verpasste Anrufe, hab nur vergessen zurück zu rufen.“, gab er ehrlich zu und fuhr sich mit der freien Hand leicht durch die Haare, wie er es meistens machte, wenn er Mist gebaut hatte. Der Mann am anderen ende lachte erneut leise. „Na, ich habe Sie dennoch erreichen können.“, bemerkte er. Naruto schob vorsichtig den Laptop auf den niedrigen Tisch, damit er diesen nicht versehentlich von seinem Schoß warf. „Und wenn ich ehrlich sein darf, ich verstehe nicht ganz wozu dieses Gespräch sein soll. Taiki wird Ihnen von seinem Aufenthalt erzählt haben, ich hab nicht wirklich etwas besonderes gemacht.“

 

Die Stille mit der er daraufhin belohnt wurde, war nicht wirklich angenehm. Dennoch war es ihm wichtig, das klar zu stellen. Er empfand es einfach so und er vertrat nach wie vor die Meinung, dass jeder hätte helfen können. Er war eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen, hatte die Dinge richtig aufgenommen und richtig zusammen gesetzt. Da war nun wirklich nichts bei.

 

„Ich denke, Sie haben weitaus mehr getan, als Ihnen bewusst ist.“, bekam er schließlich die vorsichtige Antwort. „Sie haben einem Freund beigestanden, der ein Problem mit seinem Sohn hatte. Einem Kind eine stabile Grundlage geboten, die ihm nach seinem Verlust einfach fehlte. Besagtes Kind in seiner Not ernst genommen und bestärkt und nicht zu vergessen, eine Familie nicht nur zusammengeführt, die fast an dem Verlust zerbrochen ist, sondern sie auch noch auf einen Weg geschickt, welcher für alle drei wichtig und richtig ist.“ Dieses Mal war es Naruto, der nichts erwidern konnte. Er konnte nicht leugnen, dass er an all diesen Dingen beteiligt gewesen war, aber für ihn fühlte es sich nun einmal nicht als etwas besonderes an. Es nun so gesagt zu bekommen, hinterließ dennoch ein seltsames Gefühl in ihm. „Das hätte jeder getan.“, antwortete er schließlich etwas unsicher.

 

Das leise Brummen war deutlich über die Leitung zu hören. „Ja und Nein.“, kam es als Antwort. „Viele haben vermutlich das Verlangen zu helfen, aber die meisten Menschen wissen nicht wie sie es anpacken sollen. Sie sind überfordert und können somit nicht wirklich etwas ausrichten. Dabei darf man nicht vergessen, dass Ihre Bindungen einzigartig sind. Taiki schaut zu ihnen auf, was für einen stillen und eher zurückhaltendem Jungen schon sehr bemerkenswert ist. Keiko sieht sie vermutlich als großen Bruder, mit dem sie Spaß haben kann und wenn ich ehrlich sein darf, Herr Uchiha ist ein sehr privater und verschlossener Mensch. Es gehört schon einiges dazu sich bei so einem Menschen tief genug ins Herz zu graben, dass er so zu ihnen steht.“

 

Naruto hustete leicht um das Lachen zu unterdrücken. Er merkte nicht einmal, dass der Kommentar über Sasuke eindeutig das Eis gebrochen hatte. „Sasuke ist eher Fort Knox, absolut uneinnehmbar.“, erwiderte er mit einem leichten Lachen, das etwas zurückhaltend erwidert wurde. „Genau davon rede ich. Sasuke Uchiha ist nicht sehr gut darin sich anderen zu öffnen. So wie ich es verstanden habe, sind Sie seit Jahren befreundet und haben es nicht nur geschafft, dass er einen Teil der Kontrolle abging, sondern sogar bereit ist selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie haben einen ziemlichen Einfluss auf diese Familie.“, erwiderte Taikis Therapeut.

 

Naruto fand noch immer, dass nichts besonderes daran war, aber ein Stück weit konnte er die Argumentation verstehen. Wenn man vor Sasukes Mauern stand, wirkte es fast unmöglich diese zu überwinden. Jeden der das geschafft hatte sah man vermutlich ganz automatisch als jemand besonderen an. Vorsichtig veränderte er seine Lage etwas, um es bequemer zu haben. „Punkt für Sie, also schießen Sie los, worüber wollten Sie mit mir reden?“, fragte er deswegen nach. Der Mann am anderen Ende lachte erneut. „Nichts besonderes. Ich wollte Sie einfach kennenlernen, erfahren wie Sie die Zeit mit Taiki erlebt haben … und wenn ich ehrlich sein darf, mich interessieren die Geschichten über ihre Hunde.“, erklärte er. Naruto konnte sich nicht mehr halten und lachte herzlich auf. „Oh, ich wurde vorgewarnt. Das ist Dominanzgehabe, Sasuke hat den Kindern den Floh ins Ohr gesetzt und irgendwie mussten wir das dann ja erklären.“, erklärte er gelöst.

 

Er konnte nicht wirklich glauben, dass seine Hunde Teil dieses Gespräches waren. Dabei hatte Sasuke das Problem selbst verursacht, indem er ohne nachzudenken diese Aussage gemacht hatte. Zum Glück, denn normalerweise war Naruto selbst es, der diese unbedachten Momente hatte und einfach etwas in die Welt hinaus posaunte, was er besser nicht gesagt hätte. Dieses Mal war es erfrischend nicht der Trottel zu sein. Sasuke konnte diesen Dämpfer durchaus Mal gebrauchen.

 

„Hunde animieren den sexuellen Akt, wenn sie einem anderen zeigen wollen, dass dieser unter ihnen steht. Meine sind nur etwas verrückt was das angeht.“, gab er zu und seufzte schwer. „Inwiefern?“, wurde er auch sofort zurück gefragt. „Nun, normalerweise regelt sich so die Rangordnung, aber Rasengan und Chidori genießen das fast schon. Rasengan fängt immer an, was Chidori sich nicht gefallen lässt und nun ja, wenn Chidori sich wehrt und den Spieß umdreht, hält Rasengan happy still und lässt ihn machen. Nicht, dass da wirklich etwas passiert, beide sind auch kastriert, aber naja. Es ist schon ein wenig seltsam und anstrengend. Gerade wenn Kinder in der Nähe sind.“, versuchte er die Situation in Worte zu fassen.

 

Der Mann am anderen Ende der Leitung brummte nachdenklich. „Tiere haben nicht so eine komplexe Denkweise wie Menschen. Vielleicht sieht Rasengan es als Spiel an, nach allem was ich gehört habe, ist er sehr agil und sucht Aufmerksamkeit.“ Daran ließ sich kaum rütteln. „Das stimmt wohl.“, erwiderte Naruto trocken. „Mir wurde vor nicht all zu langer Zeit gesagt, dass Rasengan sich seine Leute selbst aussucht. Offensichtlich bin ich sein Kumpel, wer weiß als was er Chidori ansieht.“ Das Thema war noch immer nicht wirklich angenehm, aber ändern ließ es sich eben auch nicht.

 

„Hat die scherzhaft erwähnte Sexualität etwas mit Taiki zu tun?“, fragte Naruto aber schließlich nach, denn irgendwie verstand er absolut nicht, warum dieses Thema so für Wirbel sorgte. Homosexualität gab es zwar nicht in dem Sinne im Tierreich, wie es diese beim Menschen gab, aber es kam auch dort immer wieder zu Szenen, auch wenn es sich dabei wohl nicht um den tatsächlichen Akt handelte. Wenn man von einer bestimmten Affenart absah, wo wohl alles ging und auch alles praktiziert wurde.

 

„Nicht wirklich.“, bekam er dann zur Antwort. „Ich war nur etwas perplex. Die meisten Kinder in dem Alter können mit dem Begriff nichts anfangen. Es kommt vor, dass sie ihn aufschnappen und unangemessen als Schimpfwort verwenden, aber wirklich wissen tun sie nicht was Homosexualität wirklich bedeutet. Es liegt an der Erziehung der Eltern wie ihre Sichtweise sich dort entwickelt, aber bisher habe ich noch kein Kind von 6 Jahren erlebt, das mir auf kindliche Art erklären konnte, dass ein schwuler Mann einen anderen Mann liebt.“
 

Daran war wohl verdammt viel Wahrheit. Vor allem was den Teil anbelangte, dass die Eltern das Weltbild bestimmten, zumindest bis sie begannen sich in die Richtung zu entwickeln, dass sie eine eigene Meinung bildeten, die von denen der Eltern abgespalten war. „Es ging mir dementsprechend um die Geschichte hinter dem wissen, aus reiner Neugierde. Nicht um den Begriff für sich. Niemand sucht sich seine Sexualität aus und auch wenn es sich bei Tieren etwas kurios anhört, Homosexualität ist nichts wo man Wirbel drum machen müsste. Es ist absolut normal und nichts schlimmes.“ Narutos Mine verspannte sich deutlich. „Natürlich ist es normal.“, erwiderte er dann ernst.

 

In seinem bisherigen Leben musste er zugeben, dass er recht wenig Probleme mit Homophobie erlebt hatte. Zumindest wenn sie gegen ihn gerichtet war. Das konnte natürlich daran liegen, dass er nicht gerade in die Welt hinaus posaunt hatte, dass ein sexy Mann ihn in Stimmung bringen konnte, während die Kurven einer Frau ihn absolut kalt ließen. Bis vor einer Weile hatte sein Umfeld nicht einmal gewusst, dass er selbst schwul war und bis auf ein paar verstörende Ausnahmen, die es wohl teilweise verdammt lange wussten, schien niemand sonst zu erkennen, wer er wirklich war.

 

Aber er hatte auch nicht keusch daheim verbracht und war somit mit anderen schwulen Männern in Kontakt gekommen und hatte auf diese Art durchaus die eine oder andere sehr unangenehme Geschichte zu hören bekommen. Es gab noch immer viele sehr intolerante Menschen, die teilweise sogar den Drang hatten auf Wegen von Gewalt ihre Ansichten deutlich zu machen. Verprügelt zu werden war da noch einer der angenehmeren Dinge, die er zu hören bekommen hatte. Aber das war und blieb wohl auch immer ein Problem ihrer Gesellschaft. Alles was nicht als normal eingestuft wurde, wurde mit Ablehnung und Hass wahrgenommen, dabei musste das nun wirklich nicht sein.

 

Der Mensch besaß eine Vielzahl an Sexualitäten, die alle nicht darauf zurückzuführen waren, dass man sich ganz bewusst hingestellt hatte um diese anzunehmen. Niemand sagte sich morgens beim Aufwachen, dass man schwul war, oder lesbisch. Niemand entschied, dass die Welt voller Möglichkeiten war und dass am Besten dazu passte, einfach bisexuell zu sein. Keiner fasste den Entschluss irgendwo zwischen beiden Geschlechtern zu stehen und transsexuell sein zu müssen. Und das ließ sich auch auf alle anderen Sexualitäten übertragen, sogar auf Pädophilie. Naruto wusste, dass er nicht innerhalb der Normen dachte und er erinnerte sich lebhaft an die sehr hitzige Diskussion, die sie einmal im Unterricht gehabt hatten, weil er persönlich die Aussage gemacht hatte, dass keine Sexualität angreifbar war. Irgendeine Klassenkameradin hatte in dem Moment Pädophilie ins Spiel gebracht, woraufhin er standhaft bei seiner Meinung geblieben war.

 

Er verurteilte einen Menschen nicht, auch dann nicht, wenn seine Sexualität auf Kinder ausgerichtet war. Auch heute blieb er bei dieser Meinung, denn er blieb einfach dabei, dass so ein Mensch ebenfalls nicht eines Tages entschieden hatte, dass er auf Kinder stand. Er verstand die Entrüstung darüber, nur ärgerte es ihn, dass alle bei dem Punkt aufhörten zu zuhören. Denn nein, er verurteilte nicht, aber er unterstützte auch nicht. Diese Sexualität zu haben war nichts was man frei entschieden hatte, sie auszuleben hingegen schon. Wer war er denn auf einen Menschen herabzublicken wegen etwas, was er sich nicht ausgesucht hatte? Viel eher fand er es bewundernswert, wenn eben so ein Mensch die bewusste Entscheidung fällte sich Hilfe zu suchen. Er glaubte immerhin nicht, dass es einfach war so etwas zu zugeben, egal wem gegenüber. Man kämpfte da doch eindeutig mit sich selbst, verstand, dass diese Ausrichtung falsch war und entschied sich richtig, dieses anzugehen. Natürlich verabscheute auch er die Menschen, die diese Neigung auslebten, aber eben erst an dem Punkt, wo sie bewusst die Entscheidung trafen und etwas taten, was nicht richtig war. Manchmal war es durchaus frustrierend wie engstirnig Menschen sein konnten und Naruto verstand nicht wirklich, warum man negative Sachen gleich mit dem schlimmsten Szenario in Verbindung setzen musste. Denn niemand konnte bewusst entscheiden welcher Sexualität man angehörte. Man konnte nur entscheiden, wie man diese auslebte und genau dort lag der feine Unterschied, den viele Menschen nicht wahrhaben wollten.

 

Er bemerkte nun aber auch, dass es verdammt still in der Leitung geworden war. Etwas irritiert nahm er den Hörer vom Ohr, sah aber, dass sie Verbindung nicht abgebrochen war. „Sind Sie noch da?“, fragte er deswegen irritiert nach, weil er sich dieses plötzliche Schweigen nicht erklären konnte. „Ja, entschuldigen Sie.“, bekam er anschließend zur Antwort. „Ich war nur etwas abgelenkt. Darf ich fragen, wie Sie ihre Beziehung zu Taikis Vater sehen? Ich frage deshalb, weil für Taiki feste Beziehungen sehr wichtig sind und es mich interessiert, wo Taiki sie einordnen könnte.“

 

Das war nicht wirklich leicht. „Wir sind Freunde“, antwortete er dennoch aus Reflex, denn genau das beschrieb doch was sie waren. Sie kannten sich seit Jahren und hatten die meiste Zeit davon auch zusammen verbracht, das zählte selbst jetzt noch, wo sie sich ganze 8 Jahre gar nicht gesehen und auch fast gar nicht gesprochen hatten. „Ich kann aber ehrlich nicht sagen, wo andere uns sehen würden. Tatsächlich scheint Taiki zu sehen, dass wir befreundet sind, er hat es selbst erwähnt und dadurch habe ich auch verstanden, wo sein Problem generell liegt.“, erklärte er weiter und legte nachdenklich den Kopf etwas in den Nacken. „Was genau hat Taiki zu ihnen gesagt, als er Ihre Freundschaft angesprochen hat?“, bekam er neugierig zurück gefragt.

 

„Taiki meinte, dass ich seinen Papa lieb habe und fragte, ob ich deswegen auch gehen müsste.“, gab er ehrlich zu, ohne weiter über seine Worte nachzudenken. Was genau er da eigentlich gesagt hatte wurde ihm aber in dem Moment bewusst, als es erneut still zwischen ihnen wurde. Er kam aber auch nicht dazu sich zu rechtfertigen und die Situation irgendwie in die richtige Richtung zu lenken, da hatte Taikis Therapeut sich bereits wieder gefasst.

 

„Den Eindruck kann ich nur bestätigen!“, erwiderte dieser und nahm so Naruto den Wind aus den Segeln, sich irgendwie zu rechtfertigen. Ein wenig irritiert war es nun an Naruto selbst nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. Doch natürlich brauchte er nicht ewig, um sich zu fangen. „Wie meinen Sie das?“, hakte er deswegen nach, denn wenn er ehrlich war, verstand er im Moment absolut nicht, wo er diese Aussage einordnen sollte.

 

Der Mann zögerte deutlich, ehe er zu einer Antwort ansetzte. „Ich denke, die Freundschaft zwischen Ihnen und Herrn Uchiha ist auf einer höheren Ebene, als andere Freundschaften es sind. Den Eindruck gewinne ich nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei Taikis Vater. Da ist einfach eine Nähe, die von großem Vertrauen spricht, von Tiefe die man nicht innerhalb weniger Tage erreicht. Herr Uchiha bedeutet Ihnen viel, ebenso wie Sie ihm absolut nicht egal sind. Man könnte schon fast behaupten, dass sie die Grenzen einer Freundschaft überschritten hätten und irgendwo zwischen dieser und mehr hängen geblieben sind.“ Die Worte waren sorgsam gewählt worden und mit Bedacht vorgetragen. An der Stimme konnte man deutlich hören, dass der Mann unsicher war wie offen er sein konnte, entschied sich dann aber wohl doch dazu, seine Beobachtungen offen auf den Tisch zu legen. Und Naruto hatte ein weitere Mal das Gefühl, als wenn seine Welt aus den Angeln gehoben worden wäre.

 

Er verstand es nicht. Neben Itachi, Sakura und sogar Betty kam nun auch dieser Mann daher und hinterfragte ihre Freundschaft deutlich, unterstellte ihr mehr als tatsächlich da war. Es stresste Naruto ungemein, denn egal wie er es betrachtete, er konnte nicht bestätigen, was andere sahen. Schlimmer noch, dieser Mann hatte ihn nie selbst gesehen, nicht wie sie miteinander umgingen. Er konnte tatsächlich diese ganze Angelegenheit nur so sehen, dass er selbst offensichtlich war. Was gefährliche Konsequenzen haben würde.

 

„Herr Uzumaki? Ihnen ist bewusst, dass kein Bestandteil dieses Gesprächs an irgendwen weitergegeben wird?“, hörte er schließlich erneut durch die Leitung, was ihn aus seinen rasenden Gedanken riss. „Was?“, fragte er verwirrt nach, denn tatsächlich konnte er gerade mit dieser Aussage absolut nichts anfangen. „Ihre Atmung.“, wurde er dann aufgeklärt. „Ich kann Ihre Atmung hören und die zeigt deutlich, dass Sie ziemlich nahe dran sind panisch zu werden. Ich wollte nur klar stellen, dass mein Anruf zwischen Ihnen und mir besteht. Nichts davon wird nach außen getragen und nichts wird in Taikis oder Keikos Akten vermerkt werden.“

 

Tatsächlich beruhigte das Naruto, auch wenn er es leid war, so unter dieser Angelegenheit zu leiden. Es wurde zwar besser, aber wann immer er das Gefühl hatte jemand würde ihn durchschauen, breitete sich diese bleierne Schwere erneut in ihm aus, die ihn letzten Endes dazu getrieben hatte alles hinter sich zu lassen und die Flucht anzutreten, ehe Sasuke und Hikari vor den Traualtar getreten waren.

 

Erschöpft sackte er in sich zusammen und streckte die Hand aus, als er bemerkte, dass Chidori sich aufgerichtet hatte. Die klugen und irgendwie besorgten Augen des Rüden waren auf ihn gerichtet, was ihm einen ziemlichen Stich bereitete. Er hatte ganz gewiss nicht gewollt, dass der Hund seinen Stress spürte und selbst darauf reagieren musste. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“, fragte er schließlich leise und als er die Bestätigung bekam, schloss er für einen Moment die Augen um sich zu sammeln und komplett zu beruhigen. „Warum haben Sie es erkannt? Womit verrate ich mich?“, fragte er nach, denn tatsächlich war das etwas, was er absolut nicht verstehen konnte. Wenn selbst fremde Menschen es erkennen konnten, war das nicht unbedingt beruhigend.

 

Es wurde erneut still in der Leitung, ehe Naruto leises Rascheln hören konnte. Vermutlich bewegte auch der Mann sich etwas um eine angenehmere Position zu finden. „Da gibt es verschiedene Faktoren.“, wurde er schließlich aufgeklärt. „Vielleicht liegt es an meinem Beruf, aber ich kann deutlich erkennen, dass es nicht Freundschaft ist, was Sie verbindet. Sie beide sind komplett entspannt wenn Sie voneinander reden. Ich kann Sie zwar nicht sehen, aber man hört der Stimme an wenn jemand lächelt. Aber gleichzeitig ist da mehr, etwas was wohl eher Richtung Traurigkeit geht und das habe ich bei ihnen beiden bemerkt.“

 

Irritiert runzelte Naruto erneut die Stirn, schüttelte den Kopf dann aber sachte. „Er ist enttäuscht, weil ich gegangen bin.“, stellte er fest. Und das war absolut verständlich. Naruto war jemand der leicht anderen vergeben konnte, aber Sasuke konnte man diese Eigenschaft nun wirklich nicht anhängen. Dennoch hatte er all die Jahre an ihrer Freundschaft festgehalten, egal wie oft er selbst versucht hatte ganz bewusst diese zu zerstören. „Vermutlich ist das ein Faktor.“, wurde ihm dann bestätigt. „Allerdings gilt dieser nicht für Sie, denn es war Ihre Entscheidung zu gehen.“ Auch das ließ sich kaum abstreiten. Er hatte den anderen keine Wahl gelassen, während er selbst diese sehr wohl gehabt hatte.

 

„Ich denke, dass Sie irgendwann in Ihrer Jugend entdeckt haben, dass Ihr bester Freund nicht nur freundschaftliche Gefühle in Ihnen weckt. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie seit Ihrer Jugend diese Gefühle hegen?“ Naruto seufzte und brummte dann zustimmend. „Und sie werden nur sehr langsam schwächer.“, gab er ehrlich zu.

 

„Das ist eine verdammt lange Zeit.“, bekam er sanft zur Antwort.

 
 

***

 

Irritiert klickte Sasuke das nächste Dokument an, um die Zahlen mit denen zu vergleichen, die er vor sich liegen hatte. Er hasste es, spät abends noch in seinem eigenen Haus sitzen zu müssen, um die Arbeit zu vollenden, die einfach viel zu umfangreich war, um in einen normalen Arbeitstag zu passen. Dabei konnte er absolut nicht abstreiten, dass seine Arbeitstage bereits sehr lang waren, wenn man sie mit denen anderer verglich. Er hatte als sein eigener Chef zwar die Möglichkeit die Länge selbst zu bestimmen, aber gerade weil er in dieser Position war, konnte er bestimmte Arbeiten nicht abgeben und gemacht werden mussten sie dennoch. Vor allem, wenn neue Verträge dabei waren, die vielleicht zu einem Verlust führten. Genau deswegen kontrollierte er doppelt, erst recht wenn irgendetwas an den Zahlen nicht zu stimmen schien. In diesem Bereich war er sehr sicher und wusste, dass er sich auf seinen Instinkt verlassen konnte.

 

Taiki und Keiko waren natürlich bereits im Bett und schliefen wohl auch schon eine ganze Weile entspannt. Was Sasuke ehrlich freute. Er konnte nicht leugnen, dass die Zeit, in der Taiki bei Naruto gewesen war, seine ganz persönliche Hölle dargestellt hatte. Viele unterstellten ihm – zu Recht – dass er nicht gerade mit Gefühlen um sich schmiss, sondern eher zu jenen gehörte, die eher gefühlskalt waren. Was absolut stimmte. Er sah gar keinen Sinn darin, sich jedem Menschen zu öffnen, wie Naruto es oft tat. Viel mehr musste man wohl viel Zeit und Energie verschwenden, um sich tatsächlich einen Platz in seinem Herzen zu ergattern. Neben Naruto, der einfach sein ältester, engster Freund war, hatten das nur Itachi, Hikari und die Zwillinge geschafft. Natürlich hatte er Freunde, aber sein Verhältnis zu ihnen war nicht so innig, wie diese es wohl gerne gehabt hätten.

 

Naruto hatte stur sein Ding durchgezogen und es so tatsächlich geschafft, dass Sasuke den Kerl lieb gewonnen hatte. Es war irgendwie beruhigend gewesen, dass egal wie fies er sich verhalten hatte, Naruto ihm zwar stets die Meinung gesagt hatte, aber sich nie abgewendet hatte. Bis auf eben diese eine Situation, die seit dem auch zwischen ihnen stand. Itachi war Familie und auch wenn er diesem als Teenager das Leben richtig schwer gemacht hatte und auch heute noch Situationen entstanden, wo er seinem großen Bruder am liebsten den Hals umdrehen würde, liebte er auch diesen aus tiefstem Herzen.

 

Hikari war wohl die erste Person, die außerhalb gestanden hatte und deren Verlust Sasuke noch immer tief schmerzte. Es war wirklich nicht leicht sich mit diesen Gefühlen zu befassen, erst Recht, wenn ihm diese Dinge eh sehr schwer fielen. Aber Naruto hatte Recht damit gehabt, dass er Hikari noch immer liebte, immer lieben würde und keine Frau der Welt war in der Lage, ihren Platz einzunehmen. Er vermisste sie wirklich schrecklich und oft hatte er das Gefühl, dass das Gefühl der Trauer nie weniger werden würde. Aber natürlich waren da auch noch seine Zwillinge, die er ebenso sehr liebte.

 

Sasuke schob seinen Stuhl zurück, um aufstehen zu können und wanderte anschließend leise durch das vollkommen stille Haus. Sein erstes Ziel war Keikos Zimmer, wo er vorsichtig die angelehnte Tür auf drückte. Seine kleine Tochter schlief tief und fest, die Decke war durch ihren vermutlich wehrhaften Schlaf ein wenig weg gerutscht, so dass er das Zimmer leise betrat, um die Decke wieder an ihren Platz zurück zu ziehen. Keiko rührte sich nicht, sondern seufzte nur im Schlaf zufrieden auf. Sie war schon immer so gewesen, egal wie laut es um sie herum gewesen war, Keiko hatte immer fest schlafen können. Und immer hielt sie dabei das kleine Stofftier fest in ihren Armen, sodass man es wohl nicht einmal mit Gewalt ihr abnehmen konnte.

 

Leise wendete er sich ab, um einen Blick durch ihr Zimmer schweifen zu lassen, der schließlich über ihrem Schreibtisch hängen blieb, wo viele bunte Bilder sich tummelten. Bilder, die sie in den vergangenen Wochen gemalt hatte. Bilder, die fast immer mit Irland zu tun hatten. Auf den Meisten war Naruto zu sehen, oder seine Hunde, die sie ebenso in ihr Herz geschlossen hatte. Manche zeigten Narutos Haus, die Steilküste – was sie ihm hatte erklären müssen, weil er es tatsächlich nicht erkannt hatte – die Wiesen und Felder die hinter Narutos Haus zu finden waren.

 

Ihr Lieblingsbild allerdings stellte wohl eine Szene dar, die mit dem letzten Besuch zu tun hatte und sie alle zusammen zeigte. Mit breiten, grinsenden Gesichtern. Der Abschied war zwar nicht so verlaufen, aber die Emotion die dahinter stand war absolut echt. Sie waren zusammen glücklich, das ließ sich nicht leugnen. Es war Sasuke schon bewusst geworden, als er das erste Mal an Weihnachten in Irland gewesen war. Er mochte Irland, mochte die Menschen dort, auch wenn er sich an ihre offene, herzliche Art gewöhnen musste, mochte die Gemütlichkeit, die Ruhe und vor allem mochte er es, Naruto wieder in seinem Leben zu haben.

 

Das seine Sturheit etwas mit Hikaris letzten Wunsch zu tun hatte, stimmte. Sie hatte nie verwunden, dass sie ganz offensichtlich Schuld daran hatte, dass Naruto gegangen war. Aber das war nicht der einzige Grund, auch wenn Sasuke sich eher die Zunge abbeißen würde, als dieses offen zu zugeben. Die Wahrheit war aber wohl, dass er selbst nicht hatte loslassen können. Natürlich war er wütend gewesen und ein Teil von ihm war es noch immer, aber gerade der kleine Junge, der seine Familie auf einem Schlag verloren hatte, hatte diese eine Konstante einfach nicht loslassen können, die seit damals existiert hatte. Naruto war sein bester Freund, der einzige Mensch der verstand wenn er seine Ruhe haben wollte, ihn aber dennoch nicht in Ruhe ließ, weil es ihn nur weiter runter ziehen würde, wenn er sich seinen trüben Gedanken hingab. Naruto hatte einfach nie zugelassen, dass er alleine war und Sasuke hatte sich so daran gewöhnt, dass er sich betrogen und verlassen gefühlt hatte, als klar geworden war, dass Naruto tatsächlich einfach abgehauen war. Auch heute schmerzte ihn das noch und noch immer suchte er nach der Erklärung für dieses Verhalten.

 

Aber er wusste, dass er die Antwort vermutlich nie bekommen würde.

 

Mit einem leichten Seufzen wendete er sich ab und verließ das Zimmer wieder, um ebenfalls bei Taiki rein zu schauen. Auch der Junge schlief tief und fest, murrte aber leicht im Schlaf, als Sasuke das Zimmer betrat und vorsichtig die Decke wieder an ihren Platz zog. Sasuke konnte dabei zuschauen, wie die Augen leicht flatterten und kurz darauf sich öffneten. „Schlaf weiter.“, meinte er deswegen sanft und fuhr dem Jungen durch sein kurzes Haar. Taiki nickte im Halbschlaf und kuschelte sich wieder tiefer in seine Decke und driftete zurück in seinen Schlaf.

 

Auf Taikis Nachtschrank stand ein Bild, das ihn mit Naruto und den Hunden zeigte. Es war in der Zeit entstanden, als er bei Naruto gelebt hatte und sein Therapeut hatte sie darin bestärkt es rahmen zu lassen, damit Taiki es jederzeit ansehen konnte. Als Therapie sozusagen, dass er Konstanten hatte, die nicht einfach verschwinden würden. Natürlich konnten sie das nicht ausschließen, aber Sasuke vertraute darauf, dass Naruto es nicht so tun würde, wie es bei ihm der Fall gewesen war. Wenn er tatsächlich verschwand, dann nur, weil er keine Wahl hatte, aber nicht, weil er selbst gehen wollte. Sasukes Finger glitten sanft über das Glas, genau an der Stelle, wo Taiki zu sehen war, seit langem wieder mit einem Lächeln, das zwar noch unsicher war, aber deutlich vorhanden. Erst dann wendete er sich ab, um leise auch dieses Zimmer zu verlassen.

 

Zurück in seinem Büro sah er sich allerdings nicht in der Lage, weiter an den Zahlen zu arbeiten, wie er es eigentlich sollte, um diesen neuen Vertrag so schnell wie möglich entscheiden zu können. Er fühlte sich einfach rastlos, auch dann noch, als er sich kurz in sein Postfach einloggte und die neu angekommenen Mails kurz überflog. Er wusste selbst nicht warum er sich so fühlte.

 

Seit Taiki zurück war, lief es eigentlich besser denn je. Er hatte eindeutig einen Zugang zu seinen Kindern, der von Tag zu Tag besser wurde. Es fiel ihm sogar immer leichter mit ihnen zu agieren und zu verstehen was in ihnen vor ging, wobei Dr. Shiranui nicht unbedingt einen kleinen Anteil beigetragen hatte. Der Mann hatte ihnen genauso geholfen, wie Naruto es getan hatte. Er brachte Geduld mit, schubste nie zu stark in die Richtung in die es gehen sollte und vor allem gab er Sasuke nicht das Gefühl auf ganzer Linie zu versagen.

 

Die Therapie, die die beiden machten, half ihnen auf jeden Fall weiter. Keiko hatte sogar begonnen Fragen zu stellen, ob sie zusammen das Grab besuchen konnten. Sie verstand mittlerweile weit besser was passiert war und auch wenn die Trauer damit noch einmal stark aufgeblüht war, fühlte Sasuke einfach, dass es voran ging. Selbst bei Taiki, auch wenn der Junge zeitweise sehr verschlossen war. Aber das verstand Sasuke sogar. Er war selbst nicht gerade der offenste Mensch, wie der Therapeut wohl aus leidlicher Erfahrung wusste, den er selbst mittlerweile besuchte. Die meiste Zeit bei seinen unregelmäßigen Sitzungen verbrauchte allerdings ihr Schweigeritual, wie Itachi es nannte, seit er Sasuke so lange gelöchert hatte, bis dieser zugegeben hatte, wie genau seine Sitzungen aussahen.

 

Er konnte es aber nicht ändern. Es fiel ihm unsagbar schwer sich zu öffnen. Manchmal hatte er tatsächlich das Gefühl, dass seine nicht besser werdenden Gefühle falsch waren. Als wenn etwas nicht mit ihm stimmte und er schon längst über den Verlust hinweg sein sollte. Dieses Empfinden war derart stark geworden, dass Narutos Worte, dass es in Ordnung sei, wie eine Erlösung auf ihn gewirkt hatten. Er wusste, dass er gebraucht hatte genau das zu hören, auch wenn es nicht fair war, andere in diese Lage zu bringen. Wobei er sich absolut sicher war, dass Naruto sich nicht gezwungen gesehen hatte, ihm zu sagen, was er hören musste und wollte. Man konnte dem Kerl eh nicht sagen was er zu tun hatte, Naruto Uzumaki hatte einfach seinen eigenen Kopf und der war dicker, als jeder andere auf dieser Welt. Vermutlich konnte nicht einmal eine Naturgewalt Naruto dazu bringen etwas zu tun, was dieser nicht wollte.

 

Mit einem leisen Lachen bei diesen Gedanken schob Sasuke seine Unterlagen zur Seite und beschloss, es für diesen Tag gut sein zu lassen. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihm, dass es auch Zeit wurde. Es ging bereits auf Mitternacht zu und der nächste Tag würde nicht später starten, nur weil er am Abend noch gearbeitet hatte. Tatsächlich fühlte er sich in dieser Nacht sogar eher danach, das mit ins Bett zu nehmen, was er bereits vor einer Weile geschickt bekommen hatte. So fuhr Sasuke den PC runter und griff anschließend in die oberste Schublade seines Schreibtisches, um den Stapel Blätter herauszuziehen, den er ausgedruckt und in eine Mappe gelegt hatte. Narutos Manuskript, für welches er bisher einfach keine Zeit gefunden hatte. Er war wirklich gespannt, sich einzulesen, denn oft konnte er kleine Dinge finden, die einen Teil seines besten Freundes widerspiegelten und egal was man über Naruto sagte, der Mann hatte eindeutig Talent mit Worten umzugehen.

 
 

***

Wie erwartet, brach der nächste Tag viel früher an, als es Sasuke wirklich lieb gewesen war. Auch der Blick aus dem Fenster war nicht unbedingt berauschend. Der Oktober hatte sich langsam verabschiedet und nun wo der November vor der Tür stand, hingen schwere schwarze Wolken am Himmel. Dennoch schälte Sasuke sich aus dem Bett und legte das Manuskript, welches er tatsächlich noch für zwei Stunden nicht hatte aus der Hand hatte legen können, auf seinen Nachttisch, um dann ins Badezimmer zu verschwinden und sich fertig zu machen. Er konnte bereits die vertrauten Geräusche der Zwillinge hören, wie auch sie sich begannen fertig zu machen. Da konnte er eindeutig stolz sein. Wenn der Wecker der beiden klingelte, kamen sie recht schnell auf die Beine, zogen ihre Uniform an – die sogar Taiki ohne Hilfe an bekam – und verschwanden dann im Badezimmer. Wenn sie fertig waren, war Sasuke es auch und sie trafen sich in der Küche um gemeinsam zu frühstücken. Zum Glück hatte er die Haushaltshilfe, die dafür sorgte, dass auch etwas auf dem Tisch stand, denn nach solchen Nächten hatte Sasuke nicht die Muse oder gar die Kraft, noch früher aus dem warmen Bett zu steigen.

 

Ein klein wenig beneidete er da sogar Naruto, der offensichtlich ins Bett stieg wann immer ihm danach war und ebenso erst aufstand, wenn er es für angemessen empfand. Aber das lag wohl daran, dass er fast keine Verpflichtungen hatte, was bei Sasuke anders war und was er auch gar nicht anders haben wollte.

 

Als er einige Minuten später seinen Anzug trug und die Küche betrat, saßen die Zwillinge bereits am Tisch und lächelten ihm freudig entgegen. „Morgen.“, brummte er etwas ausgelaugt und befasste sich erst einmal damit, einen Kaffee zu bekommen, mit dem er sich schließlich zu seinen Kindern gesellte. Wie jeden Morgen lauschte er dann mit halben Ohr was seine Zwillinge heute auf dem Plan stehen hatten, während er selbst bereits auf dem Smartphone erste Nachrichten überflog und besonders eilige sogar beantwortete. Dennoch bekam er immer mit, was seine Kinder sagten, deswegen sank das Handy auch sofort, als Taiki ihn erinnerte, dass er an diesem Tag einen weiteren Termin hatte. „Ich versuche mitzukommen.“, versprach er dem Jungen. Sasuke wusste aber auch, dass Taiki nicht nur gelernt hatte besser mit seinen Gefühlen umzugehen, sondern ebenso, dass der Job seines Vaters manchmal schwer zu kontrollieren war, vor allem wenn er eh sehr lange arbeitete und nur schwer freie Zeit aufbringen konnte um diese mit seinen Kindern zu verbringen. Der Sonntag gehörte deswegen komplett der Familie, auch wenn Sasuke am Anfang nicht gerade damit geglänzt hatte, die Arbeit ganz herauszulassen. Aber auch das wurde besser, was vor allem Taiki besonders positiv aufnahm. Er hatte es ihm sogar schon direkt gesagt.

 

Nun nickte der Junge verstehend. Er wusste, dass sein Vater alles versuchen würde, um sich diese Zeit frei zu nehmen, damit er ihn begleiten konnte, auch wenn er ihn nur hin brachte und dann verschwand um irgendwo einen Kaffee zu trinken, ehe er Taiki abholte und nachhause brachte. Was aber wohl mehr zählte war die Anteilnahme, das bloße da sein und somit unterstützen. Sasuke wusste das und er wusste ebenso, dass er Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, damit es klappte.

 
 

***

 

Das er es dieses Mal vermutlich nicht ganz so leicht haben würde sich Zeit frei zu halten, bemerkte Sasuke bereits, als er die Firma betrat und mit einer wahren Flut bombardiert wurde. Scheinbar hatte an diesem Morgen sich einiges ergeben, um das er sich dringend kümmern musste, da war die Ankündigung, dass Itachi ebenfalls ein Meeting mit ihm wollte und später reinschauen würde, nicht unbedingt etwas, was Sasuke noch als Sahnehäubchen brauchte. Er liebte seinen Bruder wirklich, aber es ließ sich auch nicht leugnen, dass Itachi ihn spielend leicht in den Wahnsinn treiben konnte und scheinbar sogar verdammt viel Freude daran empfand, genau das auch zu tun.

 

Entsprechend war seine Laune nicht unbedingt die Beste, als er endlich sein Büro erreichte und die Tür hinter sich schließen konnte um den Lärm auszuschließen. Routiniert zog er seine Jacke aus und hängte sie an den Haken der extra dafür gedacht war, bevor er den Knopf an seinem Computer drückte und begann die Unterlagen zusammen zu suchen, die er benötigen würde. Als das Gerät endlich vollkommen betriebsbereit war, sank Sasuke in den weichen Stuhl und versank in den Akten.

 

Er kannte das, konnte das und ein Teil von ihm liebte auch die Kontrolle, die er in diesem Beruf hatte. Er arbeitete für sich selbst und nicht für jemand anderen, womit jede Entscheidung, auch falsche Entscheidungen, alleine ihn betrafen. Und Itachi natürlich, aber sie hatten die Firma gerecht und vor allem sinngemäß aufgeteilt, damit sie beide die Bereiche übernehmen konnten, in denen sie glänzten. Ihre Statistiken sprachen für sich, dass sie dabei auch sehr erfolgreich waren, ebenso wie das, was man auf ihrem Konto fand. Sasuke hatte auch nicht vor, daran etwas zu ändern.

 

Für eine ganze Weile versank er in seiner Arbeit, die er nur unterbrach, wenn ihm Fehler auffielen und er zu dem Hörer griff um die entsprechende Abteilung zusammen zu stauchen und jemanden darauf anzusetzen, die Zahlen zu prüfen und ihm einen aktuellen Bericht zu senden, wenn sie damit fertig waren. Sasuke war streng und das wussten auch alle, weswegen er in der Regel schnell das gewünschte Ergebnis bekam.

 

Er war so in seiner Arbeit vertieft, das er nicht einmal das Klopfen bemerkte, was aber auch nicht weiter schlimm war. Itachi wartete eh nicht ab, sondern nutzte das Klopfen lediglich um sein Kommen anzukündigen, hielt sich aber nicht damit auf, tatsächlich zu warten, bis er hereingelassen wurde. Erst als sich eine dampfende Tasse Kaffee in Sasukes Sichtfeld schob, bemerkte er den Gast und blickte auf.

 

„Kaffee? Deine Nachrichten müssen ja sehr schlimm sein.“, bemerkte er, zog die Tasse aber zufrieden zu sich. Das heiße Getränk konnte er tatsächlich verdammt gut gebrauchen. Itachi brummte leise und steuerte die Couch an, auf der er sich auch sofort fallen ließ. Eine Akte landete achtlos auf dem niedrigen Tisch davor. „Kommt darauf an.“, beantwortete er die Frage schließlich. „Wie weit bist du mit dem aktuellen Deal?“ Sasuke runzelte leicht die Stirn. Er hatte am Abend die Zahlen in Augenschein genommen aber nicht wirklich weiter daran gearbeitet. „Nicht fertig.“, gab er ehrlich zu und erhob sich, um Itachi gegenüber Platz zu nehmen. „Aber etwas ist faul.“, informierte er den älteren Uchiha. Das Gefühl hatte er bereits, seit er einen ersten Blick auf die Zahlen geworfen hatte, die Itachi mitgebracht hatte. Noch mochte er nicht alles geprüft haben, aber der Deal war zu gut um wahr zu sein, vor allem wenn man bedachte, dass es sich hierbei um eine eher kleinere Firma handelte. Eine, die dem ersten Eindruck nach einen glänzenden Start hingelegt hatte und eigentlich nicht darauf angewiesen war, mit ihnen ein Bündnis zu formen.

 

Solche Dinge waren nicht unbedingt selten vertreten. Gerade kleinere Firmen drehten so lange an den Zahlen, dass man den Eindruck haben konnte, einen Goldesel vor sich zu haben. Man machte es geschickt, es warf aber auch Fragen auf, warum dann Verträge interessant waren, wenn man den Gewinn komplett einheimsen konnte. In Wirklichkeit sah es in solchen Firmen verdammt schlecht aus und wenn man die falsche Entscheidung traf, kaufte man sich keinen Goldesel ein, sondern ein bodenloses Loch, welches erst einmal gestopft werden musste, ehe man auch nur daran denken konnte schwarze Zahlen zu schreiben.

 

„Nicht nur etwas.“, bestätigte Itachi, während er sich nach vorne beugte und die Akte auf schlug, die er dabei hatte. Als er die richtige Seite gefunden hatte, schob er sie Sasuke entgegen, der sie an sich nahm und die Zeilen überflog, die er nun sehen konnte. Sein Blick verfinsterte sich. „Ernsthaft?“, fragte er fassungslos nach. Itachi nickte zustimmend. „Woher hast du die Information?“, hakte Sasuke nach, ließ das Thema aber auch sofort wieder fallen, als sein Bruder nur amüsiert schmunzelte. Das was immer das beste Zeichen dafür, dass er keine Chance hatte eine wirkliche Antwort zu bekommen. Dennoch, es reichte zu erfahren, dass die Firma, die sie hatten eingliedern wollen, offenbar mit einem ihrer größten Konkurrenten schon einen Vertrag geschlossen hatte. Es war somit wohl zu erwarten, dass man diese Verbindung nutzen wollte um an sie heranzukommen. Etwas, was Sasuke ganz sicher nicht auf sich sitzen lassen würde.

 

Ohne sich wirklich bewusst zu werden was er tat, zog er einige Zettel zu sich und begann wild das aufzuschreiben, was ihm als Gegenmaßnahmen in den Sinn kam. Aber als er in seine Gedanken abdriftete, kreiste der Kugelschreiber nur über die freie Fläche ohne wirklich dem Ganzen einen Sinn zu geben. „Beruhige dich. Sasuke. Natürlich werden wir das nicht einfach so hinnehmen, aber private Rachepläne sind nicht einmal notwendig. Ich denke, ich habe bereits geeignete Maßnahmen die klar stellen werden, wie wir mit solchen Versuchen umgehen.“, hörte er schließlich Itachis Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss.

 

Sasuke erschauderte leicht. Er kannte Itachi solange er auf der Welt war, aber wenn dieser sich so benahm, war nicht einmal Sasuke sicher, ob dieser ihm nichts antun würde. Itachi wählte sicherlich keine illegalen Wege, er spielte nicht die Mafia, bedrohte niemanden, aber wenn er jemanden im Visier hatte, konnte dieser sich wohl nur wünschen, dass es schnell ein Ende fand. Nein. Sasuke wollte wirklich nicht am anderen Ende von Itachis Hass sein. Er fragte auch nicht nach, je weniger er wusste, umso besser war es für seine mentale Stabilität.

 

Bei diesem Gedanken blickte er auf und fluchte leise. „Ich weiß, du hast viel zu tun, aber könntest du die Stellung halten? Taiki hat einen Termin und ich will ihn hin bringen.“, fragte er Itachi, während er bereits seine Jacke vom Haken nahm und in diese hinein schlüpfte. „Sicher, läuft es gut?“, bekam er als Antwort, doch Sasuke kam erst einmal nicht dazu zu antworten. Itachi hatte das Blatt zu sich gezogen, welches Sasuke benutzt hatte und starrte mit gerunzelter Stirn auf die Zeilen, die er geschrieben hatte. „Was ist das?“, fragte er dann nach. Sasuke umrundete eilig den Tisch, um zu sehen, was Itachi meinte, lachte dann aber humorlos auf. „Narutos Figuren. Seltsame Namen. Hab sie notiert, als ich mit ihm telefoniert habe. Was Taiki angeht, warum kommst du nicht am Wochenende zu uns?“, schlug er dann vor.

 

Tatsächlich hatte er nicht weiter darauf geachtet, welches Blatt er genommen hatte. Er konnte sich aber noch gut erinnern, wie es ihm einige Mühe gekostet hatte, Naruto die Namen seiner Protagonisten zu entlocken. Anschließend hatte er ihm natürlich nicht verschwiegen, wie seltsam die Namen waren. Aber das konnte Naruto eh verdammt gut, sich Dinge ausdenken, auf die wohl niemand anders kam. Aber nachdem er in der Nacht zuvor begonnen hatte das Manuskript zu lesen, musste er sich eingestehen, dass sie nicht mehr ganz so seltsam klangen. Scheinbar hatte er sich daran gewöhnt.

 

„Ja, das halte ich für eine gute Idee.“, teilte Itachi ihm mit. Irgendwie war die Stimmung seltsam, aber Sasuke schob das von sich, nickte seinem Bruder zu und verließ dann eilig das Gebäude, damit er seinen Sohn wirklich zu seiner Stunde bringen konnte. Nachdem er gerade noch ziemlich wütend gewesen war, konnte er sich tatsächlich über die Pause freuen, die Taikis Therapiestunde für ihn bedeutete.

 
 

***

 

Ein paar Tage später war Sasuke in einem Gespräch vertieft, welches er mit dem Chef der Finanzabteilung führte. Gedankenverloren hatte er dabei das Blatt vor sich, welches er bereits bei seinem Treffen mit Itachi benutzt hatte. Sein Bruder hatte ihm versprochen an diesem Abend sich zu melden, damit sie das Wochenende planen konnten. Noch wussten die Zwillinge aber nichts davon, dass ihr Onkel sie besuchen würde. Das wollte Sasuke ihnen auch erst mitteilen, wenn sie es wirklich sicher hatten. Nicht, dass Itachi plötzlich doch arbeiten musste, was natürlich immer wieder vorkam. Keiner von ihnen wollte schließlich die beiden Kinder enttäuschen.

 

Als er einen Blick auf seinen Zettel warf, runzelte er leicht die Stirn. Er hatte um die einzelnen Buchstaben der Namen der Protagonisten Kringel gemalt, womit ein großer Teil der Namen nicht mehr wirklich zu lesen war. Das für sich war es aber nicht, was ihn stutzig machte. Es war viel mehr, dass die verbleibenden Buchstaben seltsam bekannt waren. Ohne weiter dem zu lauschen, was man ihm über das Telefon erzählte, setzte er den Stift an um die nun fehlenden Lücken zu füllen, allerdings verwendete er dabei nicht jene Buchstaben die er unkenntlich gemacht hatte, sondern die eines Namens, der ihm sehr vertraut war. Seinen eigenen. Es passte und als sein Blick zu dem anderen Namen wanderte, musste er nicht einmal den Stift benutzen um genau zu sehen, dass auch hier klar ein Namen entstand, den er ebenso gut kannte.

 

„Ich habe hier gerade ein Problem, ich rufe Sie später zurück.“, unterbrach er den Redefluss des Mannes und legte anschließend einfach auf. Es war einfach nicht zu leugnen. Saiha setzte sich eindeutig aus dem Namen Sasuke Uchiha zusammen und Namaki aus Naruto Uzumaki. Wie hatte ihm das nicht auffallen können? Und viel wichtiger noch, was hatte das zu bedeuten? Sasuke wusste, dass er gerade durchaus überreagieren konnte, aber auf sein Bauchgefühl hatte er sich tatsächlich immer verlassen können und gerade dieses sagte ihm gerade sehr eindringlich, dass diese Sache verdammt wichtig war.

 

Mechanisch griff er zu dem Hörer und rief seine Sekretärin an.

 

„Sag all meine Termine heute, ich muss nach Hause.“, informierte er sie, ehe er sich erhob und das Blatt in seine Hosentasche stopfte. Er musste dringend nach Hause und den wirren Gedanken nach gehen, die seinen Kopf mittlerweile einnahmen.

 
 

***

 

Auch eine Woche später verstand Sasuke es nicht. Nun, das stimmte so nicht ganz, eigentlich war das was ihm bewusst geworden war derart offensichtlich, dass er das Verlangen hatte seinen Kopf gegen die nächstbeste Wand zu hauen, weil er so verdammt blind gewesen war, dass er nicht recht wusste, wie er wirklich mit der Erkenntnis umgehen sollte. Was er nicht verstand, war das warum, dass seit wann und vor allem, warum Naruto nie etwas gesagt hatte.

 

Im Nachhinein betrachtet, waren all die kleinen Andeutungen sehr offensichtlich. Das etwas mit Naruto sich verändert hatte, hatte Sasuke gelernt, als sie gerade einmal in die Pubertät gekommen waren. Er konnte nicht einmal genau sagen was passiert war, aber ihm war klar, dass eine regelrechte Kluft damals zwischen ihnen entstanden war. Naruto war ihm einfach nicht mehr so nahe gewesen wie zuvor, hatte häufiger alleine etwas gemacht und je älter sie geworden waren, umso häufiger hatte er ihn abgelehnt und damit ihre gemeinsame Zeit immer weiter reduziert, bis nichts mehr davon übrig geblieben war. Letzten Endes war er einfach verschwunden.

 

Immer wieder hatte Naruto ihm gesagt, dass es ihn nichts anging, warum er gegangen war. Immer wieder hatte Sasuke das Gefühl gehabt, dass Liebe ein Grund war, auch wenn er nie daran gedacht hatte, dass er das Ziel gewesen sein könnte. Aber jetzt wo es offensichtlich war, konnte er nur zugeben, dass er verdammt blind gewesen war.

 

Die Frage die blieb war einfach, warum Naruto nie etwas gesagt hatte, aber tief in sich wusste Sasuke, dass er auch darauf die Antwort hatte. Er konnte sich vorstellen, dass es einen ziemlich überforderte zu entdecken, dass man auf Männer stand, oder wie in diesem Fall, auf einen engen Freund. Und später, nun, da war Hikari aufgetaucht und auch hier ergab Narutos ablehnende Haltung verdammt viel Sinn. Ebenso wie die Blicke, die er nie hatte deuten können. Die Antworten die ihm stets das Gefühl gegeben hatten etwas zu übersehen, die Erkenntnis, dass Naruto vor ihm weg lief, nie wirklich eine Freundin gehabt hatte, während alle anderen ihre Jugend ausgelebt hatten.

 

Sasuke hatte das Verlangen sich selbst in den Hintern treten zu müssen, weil er so blind gewesen war, gleichzeitig wollte er Naruto den Hals umdrehen, weil dieser ihm nicht vertraute. Sasuke wusste ehrlich nicht wie er damit umgegangen wäre, wenn Naruto ihm damals die Wahrheit gesagt hätte. Aber er wusste, dass selbst wenn er negativ reagiert hätte, diese Sache nicht ihre Freundschaft zerstört hätte. Aber gleichzeitig wusste er, dass er sich da etwas vor machte.

 

Der Bruch musste schließlich nicht direkt kommen und auch nicht von ihm ausgehen. Wenn er daran dachte, wie lange das vermutlich schon gehen musste, dann wurde ihm auch bewusst, wie schmerzhaft es für Naruto gewesen sein musste, sein Leben mit anzusehen. Er selbst wusste zumindest, dass es ihm so ergangen wäre, wenn es mit Hikari so verlaufen wäre und er wusste ebenso, dass er ebenfalls die Flucht gewählt hätte um dem ganzen zu entgehen.

 

Was er aber nicht wusste war, was er nun tun sollte. Er verurteilte Naruto nicht, empfand nicht Ablehnung oder Ekel vor seinem besten Freund. Tatsächlich hatte er ein weitaus höheres Empfinden in die Richtung, dass er helfen wollte, dass Naruto los ließ und jemanden finden konnte, der richtig für ihn war. Denn auch wenn er wusste seit wann das wohl so lief und was das Problem war, er war sich nicht sicher, ob Nautos Gefühle tatsächlich den Umfang hatten, den er annahm, oder ob der Kerl sich in etwas verrannte, was er als Liebe zu ihm ansah. Er hatte das Verlangen sich zu entschuldigen, weil er blind war, wusste aber gleichzeitig, dass es nichts gut machen würde.

 

Diese ganze Situation war einfach frustrierend und nicht zum ersten Mal wünschte er sich einfach, dass Hikari bei ihm wäre. Sie wüsste was zu tun war, hätte die richtigen Worte um nicht noch mehr Schaden anzurichten wie bereits angerichtet worden war, denn was Sasuke nicht konnte war, Narutos Gefühle zu erwidern. Naruto war sein bester Freund, natürlich liebte er ihn in gewisser Art und Weise, aber das überschritt absolut nicht die Grenzen einer Freundschaft. Er wollte Naruto wirklich nicht weh tun, dennoch wusste er, dass er genau das tun musste.

 

Seufzend schob er den Zettel vor sich, auf dem seine Erkenntnis festgehalten war und vergrub die nun freien Hände in sein Haar. Er wusste tatsächlich nicht was er machen sollte und das schlimmste war, dass er niemanden hatte, mit dem er darüber reden konnte. Es war nun wirklich nicht an ihm Narutos Sexualität offen zu legen und jeden mit dem er reden könnte, war auch Narutos Freund. Er musste alleine diese Sache hinbekommen und es war ungünstig, dass es sich dabei ausgerechnet um ein emotionales Thema ging, bei denen er eher wie ein Elefant im Porzellanladen agierte, als mit Bedacht und Vorsicht ran zu gehen.

 

Das wollte er wirklich nicht riskieren. Die Frage war auch, wie und wann er das Ganze zur Sprache bringen sollte. In letzter Zeit hatten sie nicht wirklich Gelegenheiten gehabt miteinander zu reden und Weihnachten, was sie wieder zusammen verbringen wollten, war sicher nicht der richtige Moment, um so etwas zu besprechen. Das wusste sogar Sasuke, der eigentlich nie einen Grund sah, wichtige Dinge nicht sofort anzusprechen.

 

Fraglich war aber auch, ob er unter diesen Umständen wirklich mit den Kindern hinfahren sollte. Er konnte nicht leugnen, dass er es wollte. Die Zwillinge liebten Naruto und auch Irland und er selbst hatte seine Zeit dort sehr genossen. Naruto war sein Freund, den er nicht missen wollte, aber er fand es durchaus als recht grausamen Schachzug, unter diesen Umständen drei Wochen bei dem Mann zu verbringen. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, wie seine bisherigen Besuche Naruto hatten empfinden lassen, der eindeutig emotionaler war wie er selbst es wohl je sein konnte. Diese ganze Situation war eine Katastrophe, bei der Sasuke wirklich einen verdammt guten Rat gebrauchen konnte. Nur leider hatte er niemanden.

 

Oder fast niemanden. Eine Person gab es tatsächlich, mit der er reden konnte. Diese kannte Naruto nicht und würde ihn wohl auch nie kennenlernen. Das Problem war wohl nur, dass auch Sasuke sich schwer tat, mit seinem eigenen Therapeuten zu reden. Er kam noch immer nicht wirklich damit zurecht, anderen derart tiefe Einblicke zu gewähren. Natürlich war da noch Taikis Therapeut, dem gegenüber er offener war, aber dieser kannte Naruto und somit war das wieder keine Option, die er in Erwägung ziehen konnte.

 

Aber eigentlich wusste Sasuke, dass er seine eigenen Wünsche zurückstellen musste. Es war einfach wichtig, dass er so bald wie es nur ging mit Naruto sprach und es war nicht fair, dass sein Wunsch danach, eine Weile in Irland zu verbringen, dieses Wissen versuchte zu verdrängen. Ob es ihm gefiel oder nicht, er würde Naruto die Entscheidung überlassen müssen, ob sie weiterhin wie geplant Weihnachten zusammen verbrachten, oder ob sie alles absagten und Sasuke würde sicher stellen, dass seine Kinder nicht der Grund waren, warum Naruto etwas zustimmte, was nicht gut für ihn war. So leid es ihm um diesen Urlaub ging, er musste das richtige machen.

 

Er hörte, wie das Telefon im Nebenraum klingelte, rührte sich aber nicht, um den Anruf anzunehmen. Die Haushälterin war noch da und auch die Zwillinge waren im Haus, womit er sicher sein konnte, dass der Anruf angenommen werden würde. Tatsächlich kümmerte es ihn aber dieses Mal nicht, wenn es wichtig war, könnte man ihn auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal anrufen, wo er hoffentlich weniger wirre Gedanken im Kopf hatte um sich tatsächlich um den Anrufer kümmern zu können. Und vor allem wo er nicht Entscheidungen treffen musste, die ihm tatsächlich verdammt schwer fielen.
 

Denn hierbei ging es absolut nicht um ihn, sondern alleine um Naruto und irgendwie auch um seine Freunde. Denn diese würden mitbekommen wenn etwas los war und Sasuke hatte nicht das Gefühl, dass sie mehr gewusst hatten wie er. Ob das daran lag, dass Naruto nicht hatte riskieren wollen, dass jemand sich verplapperte, oder doch eher dem geschuldet war, dass Naruto seine Freunde tatsächlich nicht aufklären wollte, konnte er nicht sagen. Aber auch hier lag die Entscheidung absolut nicht bei ihm.

 

Es würde wirklich schwer werden, hier das Richtige zu tun und Sasuke versuchte sich an einen groben Plan, wie er an diesem Abend Naruto erreichen konnte, um das Gespräch in die Wege zu leiten. Ab besten über Skype, denn solche Dinge regelte man gewiss nicht am Telefon, aber leider lebten sie zu weit voneinander entfernt, als dass sie sich am Abend zusammensetzen und von Angesicht zu Angesicht reden konnten. Womit eine Kamera und ein Chatprogramm die einzige Möglichkeit war, es dennoch persönlich zu machen, auch wenn tausende Kilometer zwischen ihnen lagen. Auf die Art würde auch Sasuke noch mit sich leben können. Bis Weihnachten zu warten war eben doch keine Option.

 

Ein leises Klopfen an der Tür riss ihn dann aus seinen Gedanken und er bat den Gast herein. Als sein Sohn herein kam, ergriff ihn aber eine ungeheure Unruhe. Taiki wirkte aufgelöst und verunsichert, etwas was er schon eine ganze Weile nicht mehr zu sehen bekommen hatte. In der Hand hielt er das Telefon und blickte seinen Vater überfordert an. Sasuke hatte das Gefühl, als wenn man einen Eimer Eiswasser über ihn ausgekippt hätte, denn tatsächlich gab es wohl nicht viele Anrufer, die den Jungen so berühren konnten.

 

„Tante Hinata will dich sprechen, die weint, Papa.“, informierte der Junge ihn. Das Gefühl wurde etwas weniger unangenehm, löste sich aber nicht. Hinata rief fast nie an und ganz sicher weinte sie nicht am Telefon. So richtete Sasuke sich auf, um seinem Sohn entgegen zu kommen und nahm ihm das Telefon ab, als er nahe genug war und meldete sich mit seinem Namen, als er es hoch gehoben hatte.

 

Man konnte zusehen, wie all die Farbe aus Sasukes Gesicht wich, während er der aufgelösten Hinata lauschte, die keine guten Nachrichten zu übermitteln hatte.

19 painfull roots

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19 painfull roots

 

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Naruto konnte wirklich behaupten, dass er vollkommen zufrieden und glücklich war, nicht einmal Rasengan konnte ihn in den letzten Tagen wirklich aus der Fassung bringen. So gelöst hatte er sich tatsächlich schon verdammt lange Zeit nicht mehr gefühlt.

 

Wer daran eine Mitschuld trug, wusste er auch verdammt genau. Der erste Anruf von Shiranui Genma, Taikis Therapeuten, hatte ihn klar überfordert. Nach dem ersten Gespräch hatte Naruto sich ausgelaugt und angreifbar gefühlt, was wohl vor allem daran gelegen hatte, dass auch dieser Mann so deutlich gesehen hatte, was er seit Jahren verborgen hielt. Das waren einfach Momente, die Naruto nicht wirklich erleben wollte. Wenn er könnte, würde er klar sein Geheimnis so in sich verschließen, dass tatsächlich niemand hinter die Mauern schauen konnte. Nur wusste er, dass das nicht machbar war. Es gab eben Menschen, die da ein recht gutes Auge für hatten. Itachi gehörte dazu, Sakura ebenfalls und nun eben auch Taikis Therapeut, der allerdings selbst ohne direkten Kontakt gewittert hatte worum es ging.

 

Es war aber nicht bei dem einen Gespräch geblieben. Der Mann hatte erneut angerufen um sicher zu stellen, dass Naruto verstanden hatte, das niemand von dem erfahren würde, worüber sie geredet hatten. Eines hatte dann das nächste ergeben und in weiteren Gesprächen hatten sie nicht nur über Taikis Aufenthalt bei ihm geredet sondern waren auch irgendwie auf eine Schiene gerutscht, wo er sich dem Mann weitergehend anvertraut hatte. Er wusste nicht woran es lag, vermutlich an der warmen Stimme, die ihm tatsächlich nie das Gefühl gegeben hatte beurteilt zu werden, vielleicht auch an den mitfühlenden Momenten, wo der Mann ihm zu verstehen gegeben hatte, dass Narutos Weg nicht leicht sein konnte. Da war einfach etwas, was er selbst nicht richtig benennen konnte, aber es hatte ihm tatsächlich geholfen mit sich selbst ins Reine zu kommen.

 

Der zweite Grund war wohl aber auch, dass es keinen Grund gab unzufrieden zu sein. Er telefonierte regelmäßig mit den Zwillingen und erfreute sich an ihrer gelösten Stimmung und den Spaß, den beide wieder in ihrem Leben hatten. Er kam mit seinem Buch voran, schrieb unregelmäßig mit seinen Freunden, nur von Sasuke hörte er nichts. Was aber nicht verwunderlich war, wenn dieser mitten in einem neuen Vertragsabschluss steckte. Solche Momente gab es wohl häufiger und laut Sakura war er dann auch für niemanden wirklich zu sprechen. Er wusste zwar, dass der Uchiha seine Sonntage frei hielt, aber er war stolz darauf, dass Sasuke diese tatsächlich komplett seiner Familie widmete.

 

Und Familie war es, was auch bei ihm an diesem späten Nachmittag im Haus war. Oder eher etwas, was zu einer Familie geworden war. Betty wirbelte mit Elan durch seine Küche und erklärte ihm stets in einem strengen Ton, wie er mit dem Fleisch umzugehen hatte, welches er zuerst hatte klein schneiden sollen, ehe die temperamentvolle Frau es ihm entwendet hatte, weil er es – wie sie entrüstet klar gestellt hatte – gewaltsam in Stücke riss, anstatt in gut portionierte Würfel zu schneiden. Im ersten Moment hatte er ebenso protestieren wollen, letzten Endes hatte er sich aber dagegen entschieden. Es fühlte sich einfach gut an so umsorgt zu werden, denn nichts anderes tat die Frau.

 

Mit ihr war ihr Mann aufgetaucht und zwei weitere Nachbarn. Die Frauen hatten seine Küche in Beschlag genommen um das – ohne sein Wissen durchaus geplante – Abendessen fertig zu machen, während die Männer sich in den Garten zurückgezogen hatten, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten, während die Hunde ebenfalls etwas Dampf abließen und so nicht in der Küche störten.

 

„Na komm, verzieh dich zu den Männern, hier störst du eh nur.“, informierte ihn Betty schließlich und versuchte ihn von seinem Platz zu verscheuchen, auf den sie ihn erst vor wenigen Minuten verbannt hatte, damit er etwas lernen konnte. Naruto amüsierte das wirklich und er warf der Frau einen schelmischen Blick zu. „Ich dachte ich soll die feine Kunst lernen Fleisch zu zerhacken.“, erwiderte er frech und wich lachend dem Handtuch aus, welches sie in seine Richtung warf. „Zerschneiden, mein lieber. Wir kochen, wir zerstören nicht.“, antwortete sie entrüstet, was Naruto nur ein weiteres Lachen entlockte.

 

Schnell richtete er sich auf, um dem Ratschlag zu folgen, sich lieber zu den Männern zu gesellen, doch er stand noch nicht einmal, als sein Telefon zu klingeln begann. Betty nahm dieses Signal an, um sich erneut um den Schmortopf zu kümmern, der auf seinem alten Herd einkochte, während Naruto nach dem Telefon griff und nachschaute, wer ihn anrief.

 

Sasukes Name leuchtete im Display auf und sofort legte sich Naruto Stirn in Falten. In Japan war es nach Mitternacht und mitten in der Woche, es war ungewöhnlich, dass Sasuke ihn um diese Zeit anrief. Meistens telefonierten sie am frühen Abend – japanischer Zeit oder eben am frühen Morgen, ebenfalls japanischer Zeit. Trotzdem nahm er den Anruf an und meldete sich mit seinem Namen. Vielleicht war es einer der Kinder, die nicht schlafen konnten, oder Sasuke hatte einfach nach all der Zeit das Bedürfnis, etwas zu sagen.

 

Zuerst einmal hörte er allerdings nichts weiter wie eine Sirene und als diese verstummte, drangen gedämpfte Stimmen zu ihm durch. Erst nach einer guten Minute hörte er leises Klappern, bevor Sasukes klare Stimme zu hören war. Naruto wollte fragen was los war, kam allerdings nicht dazu, denn Sasuke ließ ihm keine Chance, überhaupt etwas zu sagen.

 

Naruto wurde leichenblass und sackte auf den Stuhl zurück, von dem er gerade erst aufgestanden war. In seinen Ohren rauschte es und auch wenn er Sasukes eindringliche Stimme wahrnehmen konnte, fühlte er sich absolut nicht in der Lage zu reagieren. Viel mehr ratterte er im Rekordtempo im Kopf durch, was er nun machen musste, was er sagen und organisieren musste, ohne dass einer dieser Gedanken wirklich sich festigen konnte. Er hörte ebenso Bettys besorgte Stimme und fühlte, wie sie ihm schließlich sanft aber bestimmend den Hörer weg nahm, aber Naruto konnte sich absolut nicht rühren.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit hockte Betty sich mit besorgtem Blick zu ihm runter. „Ich muss packen.“, stellte Naruto fest, bevor sein Blick zu den Hunden wanderte. Chidori saß an der Hintertür und Rasengan lag mitten auf der Wiese im Garten. Auch die Männer waren zurück in die Küche gekommen und blickten ihn nun fragend an. „Ich muss die beiden...“, begann er weiter verwirrt, ohne wirklich erfassen zu können, welche Schritte er nun unternehmen musste. Sein Kopf war wie leergefegt, sein Herz pochte schmerzhaft in seiner Brust und er hatte das Gefühl, absolut keine Luft mehr zu bekommen. Warme, aber erstaunlich feste Hände legten sich auf seine Wangen und sein Kopf wurde zurück gedreht, bis Naruto Betty erneut wieder ansah. „Geh packen, Junge. Wir bringen dich und kümmern uns um deine beiden Teufel.“, bestimmte sie fest. Eindeutig so fest, dass sie keine Widerrede dulden würde und auch wenn Naruto stets jemand war der gegen andere sprach, in diesem Fall fühlte es sich erleichternd an, die Kontrolle entzogen zu bekommen. Vermutlich war es wohl auch besser, wenn man ihn brachte, denn er war sich nicht sicher, ob er in seinem Zustand tatsächlich sicher den Flughafen erreichen würde.

 

Ohne noch einmal zurück zu sehen, verließ er schließlich die kleine Küche und verschwand in seinem Zimmer, wo einiges an Kleidung und seine Dokumente in einer Reisetasche landete. Er würde nicht viel brauchen und er war sich nicht sicher wie lange er weg bleiben würde, aber er wusste, dass er nicht bleiben konnte. Betty musste mit Sasuke ausgemacht haben wie es weiter ging und dafür war Naruto wirklich dankbar.

 

Als er wieder unten ankam, war der Herd bereits ausgemacht, der Topf mit dem was sie zum Abend zusammen hatten essen wollen stand auf der Arbeitsfläche, Rasengan und Chidori wurden von zwei der Männern umsorgt, während Bettys Mann wartend an der Tür stand. Betty trat auf ihn zu und nahm ihn fest in die Arme. „Pass auf dich auf und mach dir keine Sorgen. Wir schaukeln das hier schon und du wirst sehen, alles wird sich richten.“, versprach sie ihm, auch wenn sie das nicht versprechen konnte und Naruto nicht wusste, ob wirklich alles zu richten war.

 

Nachdem sie ihn losgelassen hatte, folgte er mechanisch dem Mann bis zum Auto und auch während der Fahrt zum Flughafen konnte er nicht viel mehr machen, als aus dem Fenster zu starren. Die Verabschiedung war kurz und dennoch herzlich und Naruto wusste, dass der Mann sich gut um seine Hunde und sein Haus kümmern würde, dennoch konnte ihn das kaum aufheitern.

 

Er erwischte einen Flug, auf dem er nur knapp eine Stunde warten musste, aber es war eindeutig die schlimmste Stunde in seinem Leben. Und er wusste, dass weitere folgen würden, als er endlich in den Flieger steigen konnte, der ihn zurück nach Japan bringen würde. Denn er wusste nur, dass seine beste Freundin an diesem Abend ins Krankenhaus eingeliefert worden war und das es nicht gut aussah. Naruto kannte Sasuke und er wusste, dass der Uchiha keinen Wirbel machte, wenn es nicht wirklich ernst war. Sakura ging es nicht gut und laut Sasuke war man sich nicht sicher ob sie es überstehen würde. Man wusste einfach nicht, was los war, außer, dass sie scheinbar sehr starke Schmerzen hatte und nicht mehr wirklich ansprechbar war, seit sie eingeliefert worden war.

 

Naruto wusste wirklich nicht, ob er schreien oder weinen sollte. Beides brachte ihn nicht weiter, aber keine Ahnung zu haben und vor Sorge kaum klar denken zu können, brachte ihn eindeutig an seine Grenzen.

 

***

 

Der Flug stellte sich als sehr anstrengend heraus, schon weil Naruto so rastlos war, dass er die ganze Zeit kein Auge zubekommen hatte. Entsprechend war es nicht verwunderlich, dass er nicht nur vollkommen übermüdet war, als er endlich landete, sondern sich regelrecht krank fühlte. Sein Kopf pochte unangenehm, sein Nacken war steif und seine Beine fühlten sich an, als wenn sie mit Blei beschwert worden wären. Dennoch schnappte er sich seine Tasche und verließ das Flugzeug, sobald sie endlich raus durften.

 

Zurück in Japan zu sein, reizte ihn dieses Mal absolut nicht. Er hatte kein Auge für die vertraute und doch mittlerweile fremde Umgebung, nahm sich keine Zeit ein wenig durchzuatmen, sondern wickelte alles möglichst schnell ab, um dann auf direktem Wege den Ausgang zu erreichen. Niemand war da um ihn abzuholen, denn niemand wusste, dass er jetzt gelandet war. Aber das machte nichts. Naruto war es sogar ganz Recht nicht einen seiner Freunde hier zu haben, auch wenn ihn die Sorge um seine Freundin regelrecht in Stücke riss.

 

Als er den Flughafen verließ, erschauderte er deutlich. Das Wetter war kühl und unangenehm, aber er hatte keine Zeit sich dem wirklich anzupassen. Eilig lief er zu den Taxen, wo er in das erste verfügbare einstieg und dem Fahrer die Adresse des Krankenhauses nannte, in welches Sakura gebracht worden war. Während der Mann sich in den Verkehr einfädelte, zog Naruto selbst sein Handy aus der Tasche. Er hatte eine handvoll verpasster Anrufe, aber keine Nachrichten. Die Anrufliste zeigte, dass nahezu alle seine Freunde versucht hatten ihn zu erreichen, er machte sich aber nicht die Mühe, sich nun zurück zu melden. Vermutlich würde er zumindest einen im Krankenhaus antreffen, zumindest hoffte er das, denn das bedeutete, dass er nicht zu spät war.

 

Das erste Problem ergab sich allerdings, als ihm klar wurde, dass er nicht die passende Währung bei sich hatte und er brauchte eine ganze Weile um den Mann zu überzeugen, ihn in das Krankenhaus zu folgen, damit er – hoffentlich – einen seiner Freunde anhauen konnte. Wirklich weit musste er allerdings auch nicht gehen, denn kaum wollte er das Gebäude betreten, sah er eine ihm sehr vertraute Person die offenbar gerade gehen wollte. „Kakashi?“, sprach er seinen Ziehvater an und zog fragend die Augenbrauen hoch, als dieser sichtlich zusammen zuckte. „Naruto, was machst du hier?“, wurde er auch sofort gefragt. Eine recht dumme Frage, wenn man bedachte, dass Kakashi vermutlich aus einem ähnlichen, wenn nicht sogar dem gleichen Grund da war. „Sakura ist hier, kannst du mir Geld geben? Ich hab keines bei mir.“, erklärte er ungeduldig und nachdem Kakashi ihm ausgeholfen und der Fahrer anständig bezahlt worden war, wendete er sich sofort wieder dem Krankenhaus zu, um hinein zu gehen.

 

Kakashi hingegen schien andere Pläne zu haben. Naruto hatte kurz durchaus das Verlangen den Mann zu fragen, ob er ebenfalls wegen Sakura hergekommen war, irgendetwas in ihm stoppte ihn allerdings genau diese Frage zu stellen. Er wusste nicht warum, aber Kakashi sah alles andere als gut aus. Vielleicht war er wirklich wegen Sakura da, die beiden schienen sich ja gut zu verstehen, aber vielleicht war der Grund auch ein anderer. Was auch immer es war, darum konnte er sich besser kümmern, wenn er sichergestellt hatte, dass seiner Freundin hier bestens geholfen wurde und dass die Nachricht die Sasuke ihm hatte übermitteln müssen, nicht eingetreten war. Denn er weigerte sich zu akzeptieren, dass er die Frau verlor. Sakura war ein Teil von ihm, den er genau wie Sasuke nie aufgeben könnte, egal wie oft er es auch versuchte sich zu distanzieren. Ein Teil von ihm war immer auf der Suche nach Kontakt, war er auch gewesen, als er sich damals einfach verabschiedet hatte und mitten in der Nacht das Land verlassen hatte ohne jemanden etwas zu sagen.

 

Die Erleichterung kam aber schon kurz darauf, als man ihm aufgrund seiner Nachfrage mitteilte, dass Sakura Haruno tatsächlich stationär aufgenommen worden war, derzeit allerdings Besuch stark minimiert wurde, damit die Frau sich ausruhte. Naruto fragte nach was mit ihr passiert sei, aber eine Antwort bekam er nicht. Er war nicht Familie und somit hatte er kein Anrecht darauf, diese Informationen einzufordern.

 

Trotzdem bedankte er sich und lief eilig zu den Fahrstühlen um die richtige Etage erreichen zu können. Als er endlich ankam, musste er auch nicht wirklich nach dem Zimmer suchen. Er Blick zur Seite reichte und er sah seine Freunde, die alle in irgendeiner Art es sich bequem gemacht hatten. Selbst Sasuke war dabei, was tatsächlich verdammt viel bedeutete. Ino war es, die ihn als erstes entdeckte, aufsprang und ehe Naruto sich versah, hatte die blonde Frau sich ihm entgegen geworfen. Er konnte fühlen, wie ein Zittern durch ihren Körper ging und er musste nicht einmal nachsehen um zu wissen, dass sie wirklich mit den Tränen kämpfte. „Es ist gut dich zu sehen.“, sprach sie leise gegen seine Brust.

 

Auch Kiba blickte auf und schließlich erhob Sasuke sich, um ebenfalls zu ihnen zu kommen. „Wie geht es ihr?“, fragte er nach, denn noch hatte er tatsächlich nicht viel mehr erfahren, als das sie lebte und das sie wohl hier bleiben musste. Ino löste sich von ihm und Naruto erkannte, dass sie wohl in den letzten Stunden einige Tränen verloren hatte. „Den Umständen entsprechend. Sie ist noch nicht lange aus dem OP raus. Es war verdammt knapp.“, gab Sasuke ehrlich zu. Er sah erschöpft aus, als er sich durch sein Haar strich. Sehr erschöpft, wie auch alle anderen die da waren. „Was ist überhaupt los?“, fragte Naruto schließlich nach, denn er wusste nicht was überhaupt geschehen war. Hatte Sakura einen Unfall gehabt? Er hatte keine Ahnung und wusste somit absolut nicht wie er die ganze Situation einschätzen sollte.

 

Niemand antwortete ihm, statt dessen senkten sich die Blicke und man konnte die negative Stimmung schon fast mit den Händen greifen. Ino war es, die schließlich die Schultern hoch zog und seinen Blick erneut suchte. „Sie möchte vermutlich lieber, dass wir es dir sagen, anstatt es selbst sagen zu müssen.“, gab sie ehrlich zu. Ihre Arme legten sich um ihren Körper und Naruto konnte sehen, wie sie ein weiteres Mal erzitterte.

 

Sasuke mischte sich mit einem tiefen seufzen ein. „Sie hatte eine Eileiterschwangerschaft, Naruto. Man hat es nicht sofort erkannt und sie wäre daran fast gestorben.“, klärte er ihn endlich auf.

 

Eileiterschwangerschaft. Das eine Wort schlug bei ihm ein wie eine Bombe und hallte immer wieder nach. Sie war schwanger gewesen? Er hatte nicht einmal gewusst, dass sie jemanden gesehen hatte. Er war zwar keine Frau, aber selbst er wusste, wie gefährlich so etwas war. Wenn das befruchtete Ei sich im Eileiter einnistete, konnte dieser platzen, was schnell zum Tod führen konnte. Diese ganze Angelegenheit war damit tatsächlich sehr ernst gewesen, nicht, dass Naruto etwas anderes vermutet hätte. Er wusste, dass Sasuke ihn nie angerufen hätte, wenn es nicht ernst gewesen wäre, auch wenn dieser zu dem Zeitpunkt wohl nicht einmal gewusst haben konnte, was das Leben ihrer Freundin so in Gefahr gebracht hatte.

 

„Da ist mehr.“, sprach Sasuke ruhig weiter, aber Naruto kannte den Mann gut genug um zu erkennen, dass das was er zu sagen hatte, selbst ihm extrem nahe ging. „Man hat sie erfolgreich operieren können, aber ihre Chancen je auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen sind durch diesen Zwischenfall extrem gering.“, klärte Sasuke ihn auf. Es tat mehr weh, als ein Schlag je schmerzen könnte.

 

Sakura hatte nie den Eindruck gemacht, als wenn eine Familie die Erfüllung ihres Lebens wäre, aber auch Naruto wusste, dass sie durchaus vor gehabt hatte, einiges Tages eine Familie zu gründen und das mit allem was dazu gehörte. Einem Mann, ein eigenes Haus, Kinder die sie aufwachsen sehen konnte. Das ihr das nun alles genommen worden war, musste ein herber Schlag für sie sein und Naruto verstand, warum auch Sasuke dieses Thema extrem nahe ging. Für eine Weile konnte er nicht viel mehr tun als seinen besten Freund anzustarren, bis er endlich die Worte fand, die das ausdrückten was ihm auf der Seele lag. „Weiß sie es schon?“, fragte er nach und seine Schultern sackten hinab, als der Uchiha zur Bestätigung nickte.

 

„Als sie wieder zu sich gekommen ist, hat man sie aufgeklärt was los war. Sie hat sofort an diese Gefahr gedacht und wollte die Antwort darauf auch nicht auf später verlegen.“, erklärte Ino. „Hinata ist gerade bei ihr, aber ich glaube, sie würde sich sehr freuen, wenn du bei ihr bist.“

 

Naruto war sich nicht sicher, ob er dazu bereit war. Er hatte im Grunde nichts mit dieser Angelegenheit zu tun, dennoch fühlte er sich, als wenn man ihm gerade den Boden unter den Füßen entzogen hätte, als wenn es seine Diagnose wäre und das, obwohl er nie in Betracht gezogen hatte, eigenen Kinder zu bekommen. Tatsächlich glaubte er das zu empfinden, was Sakura genau so oder ähnlich gerade ebenfalls empfinden musste und das war alles andere als etwas angenehmes.

 

Trotzdem nickte er zustimmend und auch wenn es ihm einiges an Überwindung kostete, überwand er das Stück bis zu der Tür, hinter der seine beste Freundin gerade lag und der man etwas mitgeteilt hatte, was verdammt tiefe Narben hinterlassen haben musste. Für einige Sekunden konnte er nichts weiter tun, als wie angewurzelt vor der Tür zu stehen, doch dann schloss er die Augen, atmete tief durch und als er die Augen wieder öffnete, drückte er die Tür leise auf.

 

Der Raum in dem Sakura lag war furchtbar steril, was Naruto aber weit mehr einnahm, war die junge Frau in dem riesig wirkendem Bett liegen zu sehen. Er hatte nicht einmal ein Blick dafür, dass Hinata ihn erkannte, aufstand und sie beide alleine ließ. Er konnte einfach nicht den Blick von der Frau abwenden, die er so zart und zerbrechlich nie zuvor gesehen hatte. Nie hatte er einen so verletzten und erschöpften Blick bei ihr gesehen.

 

Naruto wusste nicht wirklich was er sagen sollte, aber als er sah, wie Sakuras Augen sich mit Tränen füllten, als sie ihm erschöpft entgegen sah und als er fühlte, dass seine eigenen wohl nicht lange auf sich warten ließen, wusste er trotzdem, dass jetzt gar keine Worte notwendig waren. Ganz im Gegenteil. Sie waren überflüssig, denn nichts was er sagte, würde gut machen was angerichtet worden war. Er konnte die Wunden nicht schließen, den Schmerz nicht nehmen, das Einzige was er tatsächlich tun konnte war die Rolle einnehmen, die er Sakura gegenüber hatte. Er konnte ein Freund sein.

 

Naruto setzte sich in Bewegung und durchschritt den Raum mit wenigen Schritten, um sich schließlich auf der Kante des Bettes nieder zu lassen. Dann beugte er sich hinab, achtete dennoch darauf, dass er die Schläuche, die in Sakuras Arm steckten, nicht versehentlich heraus zog oder anderweitig behinderte. Als Sakura die Umarmung erwiderte und ein regelmäßiges Zittern durch den Körper lief, wusste er, dass er genau richtig gehandelt hatte. Er teilte ihre Trauer auf genau die Art, in der er am Besten glänzen konnte. Er war für sie da wenn sie ihn brauchte und hielt dabei den Mund bis sie bereit war darüber zu reden. Im Moment war genau das wohl das Beste was er für die junge Frau tun konnte. Sie halten, da sein und nicht los zu lassen, bis sie soweit war.

 

***

 

Zeitgefühl war etwas, was Naruto im Augenblick nicht mehr besaß. Es war einfach zu viel. Die lange Reise, die Nachricht was passiert war, Sakura zu sehen und mitzuerleben wie sehr es die junge Frau getroffen hatte. Er verstand es, ohne Frage. Aber es laugte ihn auch unheimlich aus. Er konnte nicht sagen, wie lange er seine beste Freundin gehalten hatte. Wie oft er sie an sich gedrückt hatte, als das Zittern stärker geworden war, wie viele Male seine Hand durch ihr Haar gefahren war, als die ersten Schluchzer immer lauter geworden waren. Er wusste tatsächlich nicht wie viel Zeit verstrichen war.

 

Nicht, dass es wirklich von Belang war.

 

Im Moment saß er auf der Bettkante, in seiner Hand hielt er Sakuras, die endlich vor Erschöpfung eingeschlafen war und einigermaßen ruhig atmete. Sie würde die Kraft brauchen wenn sie wieder erwachte, sich erholte und sich mit dem auseinandersetzen musste, was passiert war. Wenn Naruto könnte, würde er diese Erfahrung einfach streichen. Einfach markieren und löschen, wie er es tun konnte, wenn er sein Buch schrieb und etwas passierte, was er so nicht akzeptieren wollte. Aber so war das Leben nun einmal nicht. Man konnte unliebsame Dinge nicht einfach anders formulieren, nichts löschen oder vergangenes überarbeiten.

 

Ein leises Klopfen ließ ihn aufblicken. Sasuke betrat den Raum und hinter ihm folgte Ino, die ebenso erschöpft aussah, wie Naruto sich fühlte. Er wollte sich dafür selbst rügen. Ihr Zustand war doch nichts was sich nicht richten ließ. Sakura hingegen konnte nur akzeptieren was passiert war. Da half kein ausgedehnter Schlaf, keine heiße Tasse Kaffee um alles leichter zu machen.

 

„Hast du bereits einen Platz zum Schlafen?“, fragte Sasuke leise. Auch er war deutlich erschöpft, vermutlich hatten alle seit Stunden hier ausgeharrt in Sorge um ihre gemeinsame Freundin. Naruto schüttelte leicht den Kopf. An einen Schlafplatz hatte er nicht gedacht. Er glaubte nicht einmal, dass er wirklich schlafen konnte und im Augenblick verspürte er trotz der Erschöpfung auch kein Verlangen danach es auch nur zu versuchen.

 

Sasuke schien die Angelegenheit allerdings anders zu sehen. „Ino bleibt bei ihr. Du kommst mit mir.“, stellte er in einem Ton klar, der keinen Widerspruch dulden würde. Nicht, dass Naruto das davon abhielt dennoch zu protestieren. Er schüttelte energisch den Kopf, aber noch bevor er seinen Protest in Worte fassen konnte, hatte Sasuke den Abstand überwunden und ihn bei der freien Hand gepackt. „Du bist seit Stunden hier, Sturkopf. Ruh dich aus und komm zurück wenn du fit bist. Sakura wird nicht alleine sein, wenn du etwas Schlaf nachholst.“

 

Naruto hatte keine wirkliche Kraft nun diesen Kampf auszufechten. Es war für Sasuke kein Problem ihn auf die Füße zu ziehen und Richtung Tür zu bugsieren, nachdem Ino ihm sanft die Schulter geklopft hatte. Sie sah tatsächlich etwas besser aus. Vermutlich war sie in der Zwischenzeit zuhause gewesen, hatte geschlafen und anständig gegessen. Etwas, womit Naruto nicht mithalten konnte. Ohne Gegenwehr ließ er sich dann schließlich aus dem Zimmer manövrieren. Zu seiner Überraschung waren die Freunde nicht mehr da, dafür stand Itachi nur wenige Schritte entfernt und unterhielt sich mit einem Arzt. Naruto vermutete, dass dieser Sakura betreute.

 

Als Sasuke ihn bis zu Itachi geschoben hatte, nickte Naruto diesem erschöpft zu und ließ sich anschließend nicht nur aus dem Krankenhaus führen. Ehe er sich versah saß er in Sasukes Auto. Sie fuhren schweigend durch die Straßen und hielten schließlich vor Sasukes Haus.

 

Als er wenig später endlich lag lernte er, dass die Erschöpfung wohl doch zu groß war. Die Augen fielen ihm zu, noch ehe er einen weiteren Gedanken fassen konnte. Er bemerkte nicht einmal, wie Sasuke wenig später zurück kam und eine Flasche Wasser neben ihm abstellte, ehe er leise den Raum wieder verließ und ebenso leise die Tür hinter sich schloss.

 

***

 

Naruto erwachte, weil etwas ihn enorm blendete und als er blinzelnd die Augen öffnete, stellte er fest, dass sie Sonne erbarmungslos ihm direkt ins Gesicht schien. Es störte ihn allerdings nicht. Er fühlte sich seltsam erfrischt, auch wenn ein kleiner Teil in ihm den Wunsch hegte sich einfach mehr zusammen zu rollen und die bequeme und warme Schlafstätte nicht verlassen zu wollen. Sasuke hatte eindeutig Recht damit gehabt, dass er ein wenig Schlaf brauchte. Oder sehr viel. Wenn er ehrlich war hatte er keine Ahnung wie lange er eigentlich geschlafen hatte.

 

Er nahm auch auf, dass es im Haus zwar still war, er dennoch leise Stimmen hören konnte. Die Familie musste demnach zumindest teilweise daheim sein. Natürlich wusste Naruto, dass Sasuke eine Haushälterin hatte, aber so wie es aussah, waren auch die Zwillinge zuhause. Wenn er ehrlich war, hatte er an die beiden keine Sekunde gedacht, als er sich von Sasuke hatte herbringen lassen. Das bedeutete aber nicht, dass er trotz dem was er wegen Sakura empfand, im Moment nicht auch wenig Freude darüber empfinden konnte, dass er die beiden wiedersehen würde.

 

Entschlossen schlug er die Decke weg und richtete sich auf. Mit einem Blick durch den Raum fand er seine Tasche, die Sasuke scheinbar auf dem Tisch abgestellt hatte. Auf den Boden lag ein kleiner Haufen mit der Wäsche, die Naruto einfach an Ort und Stelle ausgezogen hatte. Mit Jenas zu schlafen war immerhin alles andere als bequem. Um die gebrauchte Kleidung würde er sich aber später kümmern. Was im Moment weitaus wichtiger war, war Nahrung. Sein Magen fühlte sich an, als wenn dort nur noch ein Loch vorhanden war und das wollte er nicht länger tolerieren als notwendig war.

 

Schnell hatte er sich frische Sachen angezogen und verließ den Raum, um den Stimmen zu folgen. Er fand die Familie im Wohnzimmer und auch Itachi war anwesend. Als er hinein trat, war es Taiki, der ihn als erstes entdeckte, von seinem Sitzplatz aufsprang und kurz darauf bereits an seinen Beinen hing. Naruto lachte leise und strich dem Jungen durch das rabenschwarze Haar. Auch Keiko ließ nicht lange auf sich warten. So begrüßt zu werden ließ ihm eindeutig leichter ums Herz werden.

 

„Ihr beiden seid ja schon wieder gewachsen.“, stellte er amüsiert fest. Taiki grinste ihn stolz an und nickte energisch. „Papa sagt wenn ich weiter so wachse kauft er erst wieder Kleidung wenn ich erwachsen bin.“, erklärte er stolz und grinste zu ihm hinauf. Ein paar deutliche Zahnlücken waren zu sehen. Taiki hatte sich wirklich verändert. Aber nicht nur er. Auch Keiko hatte einen ordentlichen Schub gehabt. Ihr Körper zog sich langsam in die Länge und vermutlich würde er schon bald eine deutlich feminine Form annehmen.

 

Sein Magen entschied sich, genau in diesem Augenblick lautstark zu grummeln. Beide Kinder lachten vergnügt auf und lösten sich von ihm, ehe sie mit dem Versprechen ihm etwas vom Mittagessen zu holen aus dem Raum flitzten. Naruto blickte ihnen mit einem Lächeln hinterher, bevor er sich Sasuke und Itachi zuwendete. „Du hast verdammt lange geschlafen.“, stellte Sasuke fest, auch wenn kein Vorwurf in seiner Stimme zu hören war. Naruto strich sich leise lachend durch das Haar. „Ja. Ich war wohl doch erschöpfter als ich wahrgenommen habe.“ Nun wo er ausgeruht war, konnte er das auch klar erkennen. Er hatte den Schlaf wirklich dringend gebraucht. Naruto setzte sich in Bewegung um sich zu den beiden Anderen zu gesellen.

 

„Du siehst auf jeden Fall besser aus.“, stellte Itachi mit einem prüfenden Blick deutlich zufrieden fest. Naruto konnte das nicht beurteilen. Er hatte sich nicht selbst gesehen. Weder im Krankenhaus, noch als er vor kurzem aufgestanden war. Aber er nahm an, dass Itachi Recht hatte. „Wie geht es Sakura?“, fragte er nach und blickte nur kurz auf, als Keiko und Taiki zurück kamen. Artig bedankte er sich für das Essen das sie ihm hinstellten und widmete sich diesem, auch als Sasuke die beiden in ihr Zimmer schickte, damit sie ihre Hausaufgaben machten. Naruto verstand, dass Sasuke wohl nicht wollte, dass die beiden Kinder bei diesem Gespräch dabei waren. Es hatte sich viel verändert seit der Beerdigung. Belustigt musste Naruto sich eingestehen, dass er heute vermutlich wenig Grund hätte Sasuke an den Kragen zu gehen.

 

„Hinata ist derzeit bei ihr.“, ergriff Sasuke schließlich das Wort als die Kinder nach einigem Murren gegangen waren. „Ihr geht es den Umständen entsprechend gut. Sie ist erschöpft und emotional sehr angegriffen, verständlicherweise.“ Naruto nickte leicht, aß ein wenig mehr, ehe er Sasuke direkt anschaute. „Wie sieht es mit dem Vater aus?“, fragte er nach. Diese Sache ließ ihn einfach nicht los. Er wusste nicht was angemessen war. Wie reagierte man in dieser Hinsicht? Soweit er es wusste, war Sakura nicht in einer festen Beziehung. Aber wenn er sich in die Situation dieses Mannes versetzte, so wusste er, dass er persönlich wissen wollen würde, was passiert war. Auch wenn ihm bewusst war, dass er vermutlich nicht einmal von der Schwangerschaft wüsste, wenn es etwas einmaliges gewesen wäre. Ein Teil von ihm konnte aber auch kaum glauben, dass Sakura jemand war, die einfach so mit jemanden ins Bett stieg und noch weniger konnte er glauben, dass sie es ungeschützt tat. Das passte einfach nicht zu der Frau, die er kannte.

 

„Naruto, laut Sakura war es eine einmalige Sache. Sie war ziemlich angetrunken und erinnert sich selbst kaum an etwas.“ Naruto hob beide Augenbrauen und für den Moment war sein Essen vergessen. „Reden wir von der gleichen Sakura?“, fragte er nach und ignorierte, dass Itachi sich scheinbar nicht sonderlich wohl dabei fühlte, nun anwesend zu sein. Auch das verstand Naruto. Sakura war nicht nur eine von Sasukes ältesten Freunden – ganz gleich wie Sasuke es selbst sah – Itachi war auch Sakuras Boss. Dieses Gespräch war nichts, was ein Chef über seine Angestellte mithören wollte, da war Naruto sich ziemlich sicher.

 

„Worauf willst du hinaus?“, hakte Sasuke nach und ignorierte Itachi ebenso, wie Naruto es tat. „Du weißt worauf ich hinaus will. Sakura ist zu schlau um ungeschützt sich auf jemanden einzulassen. Außerdem...“ Naruto brach ab, als ihm bewusst wurde, was er hatte sagen wollen. Es gab einen weiteren Grund, warum er nicht glauben konnte, dass seine beste Freundin sich auf irgendjemanden einließ. Nicht so zumindest, nicht ungeschützt. Es war ein Gefühl, das ihn einfach nicht los ließ. Natürlich konnte er anderen Menschen nur vor den Kopf schauen und ihr Sexualleben war eindeutig etwas, was sie nicht bis ins kleinste Detail einander offen legten, dennoch war er überzeugt davon, dass hinter dieser Geschichte weit mehr steckte.

 

„Außerdem hat sie jemanden, den sie haben will.“, beendete Sasuke den Satz und ließ Naruto zusammen zucken. Unsicher schaute er den Uchiha an, der leicht mit den Schultern zuckte. „Wenn man ein wenig Aufmerksamkeit investiert ist es nicht einmal schwer zu erkennen, wenn jemand unglücklich verliebt ist.“, erklärte Sasuke weiter und blickte Naruto dabei ernst an. Dieser schluckte schwer. Diese Aussage war durchaus auf Sakura ausgerichtet, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Sasuke nicht nur von der gemeinsamen Freundin sprach.

 

„Laut Ino gehen die Mädels durchaus ab und an zusammen raus, sie lehnt allerdings jeden ab der versucht mit ihr ins Gespräch zu kommen und offensichtlich Interesse hat. Außerdem entgehen niemanden die leicht traurigen Blicke, wenn Pärchen um sie herum sind.“, erklärte Sasuke weiter. Naruto atmete erleichtert auf. Er interpretierte wohl zu viel in Sasukes durchdringende Blicke. Für einen Moment hatte er das Gefühl gehabt, dass sein bester Freund nach fast einem Jahrzehnt doch erkannt hatte, was er ihm verheimlichte. Es erleichterte ihn, dass er sich wohl getäuscht hatte und das lag nicht nur daran, dass er im Augenblick andere Sorgen hatte.

 

„Davon einmal abgesehen geht es nur sie etwas an, wen sie ins Vertrauen zieht.“ Auch damit hatte Sasuke absolut Recht. Trotzdem erschien es Naruto schlichtweg falsch. Er konnte nicht einmal genau begründen warum er so empfand. Es war einfach das, was er innerlich fühlte.

 

Das Essen war für den Moment vergessen, als ihm, ein anderer Gedanke kam. „War außer der Clique noch jemand da um nach ihr zu sehen?“, fragte er nach. Das ihm dieser Gedanke zuvor nicht gekommen war, irritierte ihn. Die Anzeichen waren offensichtlich, nun wo er ein wenig Ruhe hatte und sich tatsächlich damit befasste. „Nein, unsere Gruppe. Ihre Eltern sind gekommen als du geschlafen hast. Sonst war niemand da.“ Naruto nickte verstehend. Das Bild welches sich vor ihm formte war so offensichtlich, dass er sich dieses Mal tatsächlich wie ein Idiot fühlte, weil er es einfach zuvor nicht verstanden hatte. Er war so unglaublich blind gewesen, wenn er es richtig betrachtete. Bisher hatte er sich auf sein Bauchgefühl doch meistens verlassen können und als er diese eine Person getroffen hatte, hatte er sofort ein seltsames Gefühl gehabt.

 

„Ich denke ich weiß was passiert ist.“, stellte er leise fest und schloss gepeinigt die Augen. Diese Angelegenheit ging nicht nur Sakura etwas an. Nicht mehr. Naruto war sich sicher, dass er wusste wer der Vater war, wer Sakuras Herz erobert hatte und wer vermutlich gerade durch die gleiche Hölle ging, die Sakura durchschreiten musste. Er hatte schon einmal eine Ahnung gehabt aber sie wieder verworfen. Wie er selbst auch, war Sakura sehr geschickt darin die Aufmerksamkeit so umzulenken, dass man nicht durchschauen konnte was passierte. Aber nach allem was Naruto mittlerweile wusste, musste das eindeutig ein Ende haben.

 

„Ich muss jemanden einen Besuch abstatten.“, erklärte er, während er sich erhob. Er sah, dass Sasuke nachhaken wollte was los war. Doch als der Uchiha ihn anblickte, schien er sein Verlangen in Fesseln zu legen. Statt dessen nickte er leicht. „Wenn du zurück bist iss etwas anständiges und ruhe dich aus, auch wenn wir dich nicht an ein Bett fesseln.“, verlangte er. Naruto nickte zustimmend, bevor er eilig den Raum und schließlich das Haus verließ.

 

***

 

Der Weg, den Naruto in seiner Jugend so oft gegangen war, wirkte nie so kurz, wie an diesem Tag und das, obwohl er früher stets das Gefühl gehabt hatte, dass ihm schlichtweg nicht genug Zeit blieb, ehe er sein Ziel erreichte und er sich für den Tag von allen verabschieden musste. An diesem Tag kam es ihm sogar so vor, als wenn er gerade einmal einen Schritt aus Sasukes Haus heraus gemacht hatte, als er auch schon vor der Tür stand und für einen Augenblick deutlich zögerte. Der Unterschied zu damals war aber ganz klar, dass er kein Kind mehr war. Kein Teenager der sich besseres vorstellen konnte als am späten Abend in sein Zimmer zurückkehren zu müssen und dabei seine Freunde zurück zu lassen. Energisch drückte er den Finger auf die Klingel.

 

Jetzt gab es eindeutig keinen Ausweg mehr, er musste sich dem stellen, was er mittlerweile überdeutlich sehen konnte. Warum hatte er es nicht früher erkannt? Diese Nähe, die zwischen Sakura und Kakashi gewesen war, auch wenn man ihm versucht hatte einzureden, dass es wegen ihm war. Ihre Blicke, wie sie an seinen Lippen hing, wenn er etwas erzählte. Das sanfte Lächeln welches manchmal über ihr Gesicht huschte wann immer sie mit Kakashi zu tun hatte.

 

Aber vor allem der Ausdruck, den er bei Kakashi gesehen hatte, als er im Krankenhaus angekommen war. Naruto verstand absolut nicht, wie er so blind hatte sein können. Wie naiv er an irgendeinen mysteriösen Unbekannten geglaubt hatte. Jemanden den Sakura irgendwo kennengelernt hatte. Jemand der ihr vielleicht ähnlich war. Er hatte keine Sekunde damit verschwendet im näheren Umfeld nachzuschauen. Er konnte nicht einmal behaupten, dass er sich groß mit Sakuras Liebe befasst hatte. Ihre simple Ansage, dass die Dinge waren wie sie nun einmal waren hatten ihn erfolgreich dazu gebracht sein Interesse einzustellen. Es war zwar Neugierde aufgekommen, auch ein leichtes Gefühl helfen zu wollen, aber er konnte nicht behaupten, dass er sich reingehangen hatte. Und was es am schlimmsten machte, er konnte sich ganz genau vorstellen, was gegen diese Beziehung sprach und das war milde gesagt, der größte Bullshit, den Naruto sich vorstellen konnte. Er kannte Kakashi viel zu gut um nicht verstehen zu können was genau passierte.

 

Als die Tür sich endlich öffnete, war Naruto so aufgeladen, dass er sich nicht zurückhielt und Kakashi – welcher wirklich miserabel ausschaute – energisch zurück stieß, so dass der Mann zurück taumelte und fast zu Boden ging. Naruto trat ein und schloss lautstark die Tür hinter sich.

 

Kakashi sah tatsächlich schlecht aus, er sah in etwa so aus, wie Naruto sich selbst vorstellte, als Sasuke ihn aus dem Krankenhaus geschliffen hatte. Der Mann wirkte müde, die Haare sahen ungepflegt aus, dunkle Ringe lagen unter den erschöpften Augen. „Nette Begrüßung.“, stellte Kakashi trocken fest, fuhr sich – vermutlich zum wiederholten Male – durch sein eh bereits zerzaustes Haar, ehe er den Blick abwendete. Naruto machte diese Geste kein Stück ruhiger.

 

„Schau nicht wie ein Feigling weg!“, verlangte er. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, der Klumpen in seinen Magen drohte sich zu lösen und die Wut herauszulassen, die er gerade empfand. Aber Kakashi hörte nicht. Sein Blick blieb abgewandt. Schlimmer noch, er wendete sich komplett ab um in das angrenzende Wohnzimmer zu verschwinden. Naruto folgte ihm. Er hörte, wie der Mann in der Küche rumorte und kurz darauf mit Kaffee zurück kam. Eine Tasse stellte er vor Naruto ab, zog sich mit seiner eigenen aber zum Fenster zurück.

 

Wie er selbst, stellte Naruto fest. Er hatte ähnliches Verhalten gezeigt, als er nach all den Jahren nach Japan hatte zurückkehren müssen und man ihn wegen seinem Verschwinden in die Mangel genommen hatte. Er verstand es, aber er konnte auch nicht unterdrücken, dass er wirklich wütend war. Nicht weil diese Sache passiert war, auch nicht weil man es ihm nicht gesagt hatte, denn das verstand er absolut. Er war nicht anders, was das geheim halten dessen anging. Aber er war wütend weil er realisieren musste, dass beide gerade litten und sich so im Weg standen. Er verstand einfach nicht warum.

 

„Seit wann weißt du es?“, fragte Kakashi schließlich leise nach. Naruto schnaubte unzufrieden. „Nicht lange. Seit ich Sasuke vorhin gefragt habe was mit dem Vater ist.“, gab er ehrlich zu. „Ich hätte es wissen müssen, als ich dich da vor dem Krankenhaus gesehen habe. Ich wusste sofort, dass ich etwas nicht im Blick habe, was wichtig ist.“, gab er ehrlich zu. Er hätte es wirklich wissen müssen. Als Autor und auch als Mensch für sich war er recht aufmerksam. Er schaute genau hin, hinterfragte Dinge. Er war niemand dem man leicht etwas vormachen konnte, nur leider traf das auf seine engsten Vertrauten nicht zu. Wann genau er aufgehört hatte genauer hinzuschauen wusste er nicht wirklich, aber er wusste, dass er tatsächlich nicht mehr hinterfragt hatte was um ihn herum geschah.

 

„Und jetzt bist du hier um mir den Kopf abzureißen, weil ich mit Sakura etwas hatte.“, stellte Kakashi fest. Naruto lachte humorlos. „Nein.“, gab er ebenso ehrlich zu, was Kakashi dazu veranlasste ihn endlich wieder anzublicken. Naruto richtete sich auf, den Kaffee hatte er bisher nicht beachtet und er war auch nicht hergekommen um sich einen netten Nachmittag mit dem Mann zu machen, der ihn aufgezogen hatte. „Ich bin hier um deinen Kopf gerade zu rücken.“, erklärte er, während er den Abstand zu Kakashi verringerte.

 

„Ich weiß von Sakura, dass sie seit Jahren Gefühle für jemanden hat. Und ich weiß ebenso, dass du – egal welche Ausrede du gerade verwendest – niemand bist der mit jedem ins Bett steigt. Ebenso weiß ich, dass ihr beide nicht so dumm seid ungeschützt Sex zu haben.“ Davon war er überzeugt. Bei Sakura mehr wie er es bei Kakashi war, aber im Nachhinein ergab vieles weitaus mehr Sinn, wenn man es in Kontext zueinander brachte. Kakashis Vorlieben bei Frauen, die absolut nicht auf Sakura zutrafen und die Kakashi begonnen hatte deutlich zu machen, als er alt genug gewesen war diese Dinge zu verstehen. Als er ein Teenager gewesen war, ebenso wie Sakura, die zu dem Zeitpunkt sich bereits zu einer jungen Frau entwickelt hatte.

 

„Und ich weiß, dass es dir mies geht. Ich kann mir denken, dass das zwei Gründe hat. Sakuras Zustand, aber auch was genau verloren wurde.“, sprach er weiter, bis er direkt vor Kakashi stand, der mit jedem Wort immer blasser geworden war. „Was ich nicht weiß, ist warum, Kakashi. Du scheinst sie genug zu mögen, dass ihr zumindest eine Nacht zusammen verbracht habt. Ich weiß wie sie es sieht. Warum hältst du dich fern? Was geht in dir vor im Moment?“

 

Er konnte dabei zusehen, wie die Mauern in sich zusammen brachen, die Kakashi vermutlich bei seiner Begrüßung hoch gezogen hatte. Er krallte sich so heftig an die Tasse in seiner Hand, dass Naruto mit ruhigen Fingern den verkrampften Griff lockerte, um die Tasse auf die Fensterbank zu stellen. „Sie ist zu jung. Sie würde es bereuen.“, wisperte Kakashi, den Blick zum Boden gerichtet. Naruto seufzte leise. „Setz dich hin.“, verlangte er dann und schob den Mann Richtung Couch. Die Tasse nahm er mit, auch wenn er glaubte, dass es im Moment besser war, wenn Kakashi keine heißen Getränke in der Hand hielt.

 

Als sie beide saßen, ließ Naruto den Blick durch den Raum schweifen. Kakashi war ein sehr ordentlicher Mensch, daran hatte sich in all den Jahren auch nicht wirklich etwas verändert. Sakura war nicht weniger ordentlich. Tatsächlich glaubte Naruto, dass die beiden durchaus ein gutes Paar sein könnten, wenn sie es nur versuchen würden. „Das Alter spielt keine wirkliche Rolle.“, meinte er schließlich nachdenklich. „Was weit aus mehr zählt ist doch was ihr beiden empfindet.“ Er blickte erneut zu Kakashi. „Ich weiß was sie empfindet, bei dir erahne ich es. Also sag es mir. Ist es mehr? Oder war es nur eine leichte, nette Nacht?“ Die Möglichkeit bestand immerhin. Seine Ahnung konnte falsch sein, schließlich war er nicht unfehlbar.

 

Kakashi schüttelte kaum merklich den Kopf. „Natürlich nicht.“, gab er ehrlich zu. „Wie könnte es auch? Ich kenne sie fast ihr ganzes Leben... was das größte Problem in dieser Angelegenheit ist. Es war nicht geplant. Wir waren beide betrunken.“

 

Ein Klassiker also, nicht dass es etwas besser machen würde. Oder gar einfacher. Eher das Gegenteil war wohl der Fall. „Es ist ein Problem, dass du sie so lange kennst?“, hakte Naruto nach und er fühlte, dass die Wut in ihm langsam abnahm. Zu einem gewissen Teil verstand er diese Logik, sie war nur recht dumm, wenn doch beide ähnlich empfanden.

 

Überfordert zuckte Kakashi mit den Schultern. „Ja, irgendwie schon. Sie ist jung, zu jung für mich.“, versuchte er sich zu erklären. Naruto lachte leise. „Du kommst mir jetzt aber nicht mit einem Spruch wie 'Ich könnte ihr Vater sein', oder Kakashi?“, fragte er nach. Denn im Grunde spielte das Alter doch gar keine Rolle. Was war schon dabei? Die beiden waren recht weit auseinander, dennoch hatten sie offensichtlich Gefühle füreinander entwickelt. So etwas geschah und was andere dazu zu sagen hatten sollte doch keine wirkliche Rolle spielen. Was zählte war, was die beiden wollten. Bei Sakura wusste er es. Ihr Gespräch war da offensichtlich gewesen und wenn er die Puzzlestücke zusammensetzte, konnte er auch sehen, dass Kakashi nicht abgeneigt war. Zumindest was sein Herz anbelangte.

 

„Schwachsinn.“, verteidigte der Mann sich. „Aber es lässt sich auch nicht leugnen, dass ich sie kenne, seit sie klein war. Ich hab sie aufwachsen sehen, zusammen mit euch anderen. Sie ist für mich immer eher wie eine kleine Schwester gewesen. Zumindest bis vor einigen Jahren.“, gab er zu. Naruto nickte ernst. Es war wirklich nicht so, dass er es nicht verstand. „Von wie vielen Jahren sprechen wir?“, fragte er deswegen nach. Kakashi zog seufzend den Kopf ein. „Zehn sollten hinkommen.“, gab er ehrlich zu. Also hatte Naruto Recht gehabt. Das musste zu der Zeit gewesen sein, als Kakashi begonnen hatte von süßen, vollbusigen Frauen zu schwärmen. Trotzdem blieb er dabei, dass beide sich im Grunde selbst im Weg standen. Es war frustrierend.

 

Nachdenklich griff er zu seiner Tasse. Der Kaffee war nicht mehr brühend heiß, was es ihm leichter machte, einen Schluck nach den anderen zu nehmen und sich den Gedanken hinzugeben, die ihm gerade im Kopf herumgeisterten. „Du bereust.“, erkannte er schließlich, als er sich erinnerte, wie Kakashi vor dem Krankenhaus ausgesehen hatte. Ohne den Mann anzusehen, sprach er weiter seine Gedanken aus. „Nicht diese Nacht, sondern das Ergebnis. Das sie schwanger geworden ist, das Kind verloren hat.“, redete er einfach weiter. Kakashi schwieg, es war auch gar nicht notwendig, dass er sich dazu äußerte. Das Schweigen sagte eh mehr als jedes Wort es in dieser Situation konnte.

 

Geschlagen schloss er die Augen und hielt die noch halbvolle Tasse mit beiden Händen im Schoß fest. „Weißt du, Kakashi, in meinem Leben hast du mir einige Male den Weg gewiesen und ich denke heute sollte ich davon etwas zurückgeben.“, erklärte er leise. Er blickte nicht auf. Er konnte es nicht. Was folgte war etwas, was er so erst zum zweiten Mal machte. Und beide Male fühlten sich gleich schwer an. „Was meinst du?“, hörte er Kakashi sagen, aber noch immer blickte er nicht auf. Statt dessen holte er tief Luft um die Kraft zu finden, das durchzuziehen, was er sich vorgenommen hatte.

 

„Es ist nun schon 14 Jahre her, dass ich festgestellt habe, dass eine Person für mich wichtiger ist wie alle anderen. Im Grunde war das kein Problem, ich war ihr bereits nahe. Das Problem war nur, dass das was ich empfunden habe nicht mehr zu der Freundschaft gehörte, die ich bis dahin empfunden habe. Das zweite Problem, diese Person war ein Junge.“, erklärte er. Er konnte hören, wie Kakashi scharf die Luft einsog und danach nicht dazu überging erneut auszuatmen. Er konnte es ihm nicht verdenken. Es ging hier nicht um seine sexuelle Orientierung, sondern um die Person, an die er sein Herz verloren hatte. „Am Anfang war ich verwirrt, danach sehr erpicht darauf noch mehr Nähe zu bekommen. Eine Weile hat das funktioniert, doch dann tauchte eine weitere Person auf. Ein Mädchen und dieser Junge hat fast sofort sein Herz an sie verloren.“ Auch heute war er noch verbittert deswegen. Er wusste wie falsch es war, er bewunderte Hikari, sie war eine gute Person gewesen, aber seine Gefühle wollten von Logik nun einmal nichts wissen. Seine Gefühle sahen sie als Feindin an. „Ich habe sie gehasst. Aus tiefstem Herzen.“, gab er ehrlich zu, wobei seine Stimme immer leiser wurde.

 

„Aber mir war auch immer bewusst, dass das falsch ist. Sie konnte nichts dafür und tief in mir kann ich zugeben, dass ich sie bewundere und durchaus gemocht habe. Sie war sanft und fair und vor allem hat sie das Herz des Jungen aufgefangen und mit all der Liebe behütet, die sie empfand. Nicht nur das, sie hat ihn an sich gebunden, ihm eine Familie geschenkt und wunderbare Jahre in denen er glücklich war. Auch wenn sie zu früh gehen musste um ihn bis an sein Lebensende glücklich zu machen.“ Er bedauerte das wirklich. Für Sasuke, für die Zwillinge, aber auch für sich. Vielleicht hätte er irgendwann seine eigenen Gefühle überwinden können und die Frau kennenlernen, die Sasukes Herz gestohlen hatte. Er ahnte, dass es sich gelohnt hätte. Egal wer Hikari kannte, jeder hatte nur positives über sie sagen können.

 

Langsam hob er den Blick und schluckte leicht, als er in Kakashis verletzten Gesichtsausdruck blickte. Der Mann ahnte vermutlich, wie es auch heute noch in ihm aussah. Das zeigte schon, wie unwillig er gewesen war, im vergangenen Jahr herkommen zu müssen und wie schnell er die Flucht ergriffen hatte. „Worauf ich hinaus will, Kakashi, wenn du daran denkst wie lange ich Sasuke kenne, wie lange ich diese Gefühle für ihn habe und wie sinnlos diese sind, wenn man bedenkt, dass mein bester Freund absolut hetero ist, wie gewichtig kann es da sein eine junge Frau zu lieben, die zwar eine ganze Ecke jünger wie man selbst ist, die sich dennoch nicht davon abhalten lässt an ihren Gefühlen festzuhalten?! Weiter noch, wenn du diese Gefühle erwiderst, warum willst dem Ganzen nicht eine Chance geben? Vielleicht ein Treffen zum Kaffee … oder Beistand in dieser Situation?“, fragte er ruhig nach, ohne den Mann aus den Augen zu lassen.

 

Es dauerte ziemlich lange, bis Kakashi endlich zusammen sackte und das Schweigen zwischen ihnen unterbrach. „Und was ist wenn es nicht klappt? Oder schlimmer noch, wenn sie in einigen Jahren erkennen muss, dass es ein Fehler gewesen ist?“, fragte er verunsichert nach. Naruto lächelte leicht. Es war ungewohnt Kakashi so zu sehen, aber nach allem was er von dem Mann wusste verstand er sogar, dass dieser sich schwer tat, andere an sich heranzulassen. Sie beide teilten immerhin eine Vergangenheit in der sie viele Verluste hatten einstecken müssen. „Dann kannst du wenigstens sagen, dass du es versucht hast. Und du kannst dir ebenso sicher sein, dass ich dich nach Irland holen werde.“, versprach Naruto, stellte die Tasse ab und hielt Kakashi die nun freie Hand entgegen. „Na komm, gib dir einen Ruck, zieh dir etwas anständiges an und komme mit ins Krankenhaus. Ein erster Schritt, alles weitere kannst du dann sehen.“, schlug er vor.

 

Geschlagen gab Kakashi nach und ergriff die Hand, ehe er sich aufrichtete und im Schlafzimmer verstand um sich etwas anständiges anzuziehen. Naruto war stolz, dass Kakashi nicht weiter weglaufen wollte. Wenn er könnte, würde er sich an ihm ein Beispiel nehmen.

 

***

 

Im Krankenhaus war nicht sehr viel los, als sie zusammen aus dem Aufzug stiegen und langsam zu dem Zimmer gingen, in dem Sakura im Augenblick lag. Ein Patient schlurfte den Weg entlang, mit der Hand rollte er den Ständer neben dich her, woran seine Infusion hing. Aus dem Schwesternzimmer hörte man leise Worte. Ansonsten hatte es den Eindruck, als wenn alle in ihren Zimmern waren. Kein Geräusch drang durch all die geschlossenen Türen.

 

Als sie die richtige Tür erreichten, warf Naruto noch einmal einen Blick auf Kakashi. Er sah elendig aus und Naruto war sich nicht sicher, ob der Mann diesen Besuch überstehen würde. Aber der Versuch zählte bereits sehr viel, was er ihm auch gesagt hatte, als die den Eingang angesteuert hatten. Er hob die Hand um leise an die Tür zu klopfen, die er anschließend öffnete und dann den Raum betrat, der dahinter lag.

 

Sakura lag in ihrem Bett und sah noch immer niedergeschlagen und erschöpft aus. Auf dem Stuhl der neben dem Bett stand saß Hinata, die ihren Blick in seine Richtung wendete, als er in den Raum hinein traf. Naruto drehte sich nicht noch einmal herum um zu sehen, ob Kakashi ihm folgte. Er vertraute darauf, dass es so war, auch wenn der Mann vielleicht ein paar Sekunden brauchte um tatsächlich zu folgen.

 

„Hey.“, begrüßte er die Frauen und lehnte sich zu Sakura hinunter, um sie kurz in den Arm zu nehmen. Er spürte, wie sie diese Umarmung locker erwiderte, auch wenn wenige Sekunden darauf ihre Umarmung fester wurde. Naruto lächelte leicht. „Ich habe jemanden mitgebracht. Ich denke ihr beide habt ein bisschen was zu klären.“, flüsterte er ihr leise zu, bevor er sich wieder von ihr löste. Sakura sah ein wenig überrumpelt aus, doch Naruto sah trotz ihrer Trauer, ihrer Erschöpfung auch, dass dieser unerwartete Besuch nichts war, was sie lieber nicht auf sich nehmen wollte. Mehr brauchte er nicht um sicher zu sein, dass die beiden für die nächsten Minuten gut aufgehoben waren. Mit einem weiteren Lächeln wendete er sich Hinata zu und ergriff ihre Hand um sie von ihrem Stuhl hoch und in Richtung Tür zu ziehen. „Ich denke wir beide werden Mal ein wenig Kaffee besorgen. Den können wir alle gut gebrauchen.“, schlug er vor. Er zog die perplexe Hinata mit sich ohne noch einmal stehen zu bleiben, ehe die Tür hinter ihnen zu viel.

 

„Naruto?“, hielt Hinata ihn schließlich auf. Ihre Hand griff erstaunlich fest nach seiner und zog sanft aber bestimmt an ihr. Naruto blieb stehen. „Was war das gerade?“, fragte sie nach und blickte irritiert zu dem Zimmer zurück, aus dem sie gerade hinausgegangen waren. „Ein kleines bisschen Schicksal spielen … hoffe ich.“, gab Naruto zu und nickte Richtung Fahrstuhl. „Aber der Kaffee war ernst gemeint. Ich lade dich ein.“ Hinata blieb noch einen Moment stehen, ehe sie zu verstehen schien was gerade vor sich ging. Für einige Sekunden schaute sie ihn erstaunt an, dann fügte sie sich und gemeinsam gingen sie zum Fahrstuhl, mit dem sie schließlich ins Erdgeschoss zurück fuhren.

 

Unten angekommen sah es bereits viel lebendiger aus. Menschen eilten den Gang entlang zu einen der unteren Stationen, den Fahrstühlen, dem Ausgang, oder wie sie Richtung Cafeteria. Naruto ließ sich Zeit und schlenderte neben der Freundin her. Sie suchten sich in Ruhe einen Tisch, dann bestellte Naruto Kaffee und Kuchen für sie beide. Hinata konnte sicherlich einen Snack vertragen und er selbst hatte nicht einmal ein anständiges Frühstück gehabt, als er realisiert hatte, wer der Mann war, den Sakura nicht vergessen konnte und wer ebenfalls derjenige war, der unter glücklicheren Umständen vielleicht Vater geworden wäre.

 

„Wie läuft es bei euch?“, fragte er nach, als er sie beide versorgt hatte und sich ebenfalls niederlassen konnte. Für Kakashi würde er einfach hinterher einen Kaffee mitnehmen, nur Sakura musste sich vermutlich mit einem einfachen Wasser zufrieden geben. Er bezweifelte, dass sie Kaffee bereits vertrug, nachdem sie gerade so am Leben geblieben war. Dieser Gedanke war noch immer erschreckend. Eine Schwangerschaft sollte Grund zur Freude sein, neues Leben war entstanden, wuchs in einer Frau heran bis es bereit war diese Erde zu bereichern. Das es ebenso lebensgefährlich sein konnte war makaber und erschreckend zugleich. Er hoffte, dass er sich nie wieder mit derartigen Neuigkeiten herumschlagen musste. Immerhin hatte er zwei weitere Freundinnen und er wollte nicht, dass einer von ihnen etwas passierte. Er mochte alle auf ihre eigene Art und Weise und wünschte jedem alles Glück das man nur haben konnte. Etwas derartig ernstes war nichts, was dazu gehörte.

 

„Alles in Ordnung. Die Kinder sind aufgekratzt wie eh und je und Kiba... nun, du kennst ihn.“, gab sie zu und lachte leise. Naruto erwiderte das Lachen. Ja, er kannte Kiba. Er war einer seiner engsten Freunde. In ihrer Jungend hatten sie die gleiche Energie gehabt und damit vermutlich nahezu jeden um den Verstand gebracht. „Akamaru?“, fragte er weiter nach, spaltete ein Stück des Kuchens mit der Gabel und steckte sich diesen schließlich in den Mund. Erst jetzt merkte er, wie hungrig er wirklich war.

 

„Er wird nicht jünger.“, gab Hinata zu und nippte an ihrer Tasse. Sie schien nicht einmal nachfragen zu wollen, ob ihre Erkenntnis richtig war, was Naruto eindeutig an ihr mochte. Sie würde eher im Stillen beobachten und so ihre Bestätigung bekommen. Hinata war niemand gewesen, der ihre Nase in fremde Angelegenheiten steckte und sich daran fest biss, bis sie alles wusste was sie wissen wollte. „Wie sieht es mit deinen beiden aus? Kiba sagt, du hast so deine Probleme mit ihnen.“

 

Naruto verschluckte sich fast an seinem Kuchen. Er spürte, wie er rot anlief. Auch wenn er verstand was das Verhalten der beiden bedeutete, es war ihm schlichtweg unangenehm. „Probleme ist gut.“, murmelte er und trank einen Schluck, um den Reiz zu verlieren, husten zu müssen. „Rasengan ist ein Teufel. Er sieht mich nicht als Alpha an und tut was er will. Nur Sasuke scheint da eine Ausnahme zu sein, warum auch immer. Schlimmer noch, dieses Dominanzzeug hört nicht auf.“, gab er frustriert zu. „Kannst du dir vorstellen wie unangenehm es ist, wenn die beiden irgendwo sich gegenseitig … rammeln?“, zischte er leise. Auch Hinatas Nasenspitze wurde leicht rot, aber sie hatte sich eindeutig besser unter Kontrolle wie Naruto.

 

„Ehrlich gesagt, ja, ich kann es mir vorstellen.“, gab sie schließlich zu. „Aber was ist mit dem Anden? Chidori?! Er hört doch, oder? Kannst du nicht über ihn die beiden stoppen?“ Diese Möglichkeit war ihm auch schon durch den Kopf geschossen. Nur leider gab es da ein ziemliches Problem. „Nein. Das Problem ist, dass beide das zu genießen scheinen. Es geht im Wechsel und Chidori ist es letzten Endes, der Rasengan unter sich fest hält bis er zufrieden ist. Und Rasengan hält still.“, gab er mit einem Seufzen zu. Ihm kam wieder in den Sinn, was Sasuke gesagt hatte. Natürlich hatte er schwule Hunde. Langsam glaubte Naruto das auch. Denn keiner konnte ihm erklären, warum Rasengan diese Situationen auslöste nur um dann ruhig und zufrieden abzuwarten, bis Chidori ihn wieder frei ließ. Zu erwarten wäre, dass der agile Rüde nichts unversucht lassen würde um den Spieß wieder umzudrehen.

 

Unschlüssig zuckte er mit den Schultern. „Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Es sind meine Hunde, ich kann niemand anderen einspannen um sie unter Kontrolle zu bekommen, einmal davon abgesehen, dass die einzige Person die es konnte, viel zu weit weg lebt. Selbst die erfahrensten Trainer haben aufgegeben.“ Es mochte frustrierend sein, aber es war die Wahrheit. Hinata nickte verstehend.

 

Sie konzentrierten sich mehr auf das was sie für sich bestellt hatten, auch wenn das Gespräch nicht einschlief. Es war schon lange her, dass sie sich so ungezwungen hatten unterhalten können und Naruto genoss es aus vollen Zügen. Er zögerte ihre Rückkehr auch deutlich hinaus, denn Kakashi war nicht an der Cafeteria vorbeigekommen, was er hätte müssen, wenn er das Krankenhaus verlassen hätte.

 

Doch schließlich besorgten sie für Kakashi einen Kaffee und für Sakura eine Flasche Wasser, um sich wieder auf den Weg zurück zu machen. Wie er es erwartet hatte, saß Kakashi tatsächlich noch auf dem Stuhl der neben dem Bett stand und er erhob sich auch nicht, als sie zu den beiden kamen. Naruto nahm wahr, dass Sakura ein wenig gelöster wirkte. Sie schienen also wirklich geredet zu haben. Die Situation war sicherlich nicht ideal, aber der erste Schritt war eindeutig gemacht und er hoffte für beide, dass sie einen gemeinsamen Weg fanden. Sie hatten es eindeutig verdient.

 

***

 

Als Naruto sich endlich auf den Weg zurück machte, war es bereits recht spät geworden. Zu dritt war es noch ein recht entspannter Nachmittag geworden und sie alle waren erst gegangen, als man sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Besuchszeit nahezu vorbei war.

 

Auf seinem Weg nahm er sich sogar die Zeit, in einen der naheliegenden Restaurants sich niederzulassen und ein anständiges Mahl zu sich zu nehmen. Hinata hatte sich bereits verabschiedet, denn auch Kiba war wohl schon zuhause und wartete auf seine Frau. Kakashi hatte es ebenfalls nicht halten können, aber das verstand Naruto. Der Mann hatte sicherlich einiges worüber er nachdenken musste. Heute war eben doch sehr viel passiert und sein Leben zu verändern war nicht gerade einfach, erst Recht wenn man sich zuvor selbst Steine in den Weg gelegt hatte.

 

Nachdem er satt war, wanderte er gemächlich die Straßen entlang. Er erinnerte sich an seinen Besuch hier, als Hikari beerdigt worden war und er erinnerte sich ebenfalls daran, wie ungern er hergekommen war. Er hatte die ganze Zeit nur daran denken können, dass er wieder zurück nach Irland wollte. Auch jetzt vermisste er seine neue Wahlheimat durchaus. Irland strahlte Ruhe aus, die er gerne in Kreativität umwandelte. Japan hingegen war an nahezu allen Ecken und Kannten hektisch, solange man sich nicht irgendwo auf dem Land befand. Das war etwas, was er mittlerweile nicht mehr genießen konnte.

 

Er würde auf jeden Fall später Betty anrufen, er wollte wissen, wie es seinen beiden Rüden ging und er hatte sich nicht wirklich anständig für ihre Hilfe bedankt. Er wusste, dass er ohne sie den Kopf verloren hätte, als Sasukes Anruf ihn erreicht hatte. Vielleicht sollte er auch ein wenig Zeit investieren um eine Kleinigkeit für sie zu finden, die er ihr mitbringen konnte, wenn er wieder zurück reiste.

 

Zum ersten Mal verspürte er auch das Verlangen, einen ganz bestimmten Ort zu besuchen. Kakashi in den Hintern zu treten hatte ihn daran erinnert, dass er selbst nicht unbedingt jemand war, an dem man sich ein Beispiel nehmen sollte. Er hatte bereits bei der Beerdigung nicht wirklich ihr Grab besucht, er nahm sich deshalb vor, das nachzuholen. Die Situation zwischen ihnen konnte nicht mehr gerichtet werden, aber er wollte dennoch ihr mitteilen, was ihn bewegt hatte. Nicht alles, denn Kakashi gegenüber offen zu sein hatte schon genug Kraft gekostet. Aber er wollte ihr sagen, dass sie in Ordnung war und das er bedauerte, sie nie wirklich kennengelernt zu haben. Natürlich lag das an ihm, aber das spielte keine Rolle mehr.

 

Als er Sasukes Haus endlich erreichte, war es bereits dunkel. Er hatte sich weitaus mehr Zeit für den Rückweg gelassen, als ihm bewusst gewesen war. Die Zwillinge lagen bestimmt bereits im Bett oder waren dabei in dieses zu gehen. Er lief die Einfahrt entlang, vorbei an Sasukes Wagen und klingelte schließlich, als er die Eingangstür erreichte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Sasuke ihm die Tür öffnete.

 

Das seltsame Gefühl war zurück, das er bereits schon einmal an diesem Tag gehabt hatte. Sasuke sah ernst aus und als er eintrat und feststellte, dass die fertig gepackten Schultaschen nicht neben der Garderobe standen, wurde das Gefühl nur noch schlimmer. „Sind die beiden noch nicht im Bett?“, fragte er verwundert nach und streifte sich die Schuhe ab. Er sah, dass Sasukes die einzigen waren, die ebenfalls dort standen. „Sie schlafen bei Itachi, Naruto.“, erwiderte Sasuke, ohne den ernsten Blick weicher werden zu lassen. „Wir müssen reden, Naruto!“, folgte direkt darauf.

 

Naruto wusste, dass er keine Wahl hatte und er wusste, dass er nicht mögen würde was Sasuke bereden wollte. Er wusste es einfach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Geschafft :)
Derzeit komme ich gut voran, sitze schon am nächsten Kapitel. Ich werde in einem Zwei-Wochen-Rhythmus die Kapitel online stellen, so gerate ich nicht wieder unter Stress, was darin endet, dass ihr Wochen oder Monate nichts zu hören bekommt. Also eine win–win Situation.

Nächstes Mal: Kapitel 09 – new ways am Sonntag dem 24. April

Gruß,
KakashiH Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, ungebetat und sicher wimmelt es vor Fehlern. Aber ich bin so ko, dass ihr sicher noch Tage warten müsst, deswegen lade ich es so hoch und setze mich Richtung Wochenende dran um die Fehler raus zu picken und zu korrigieren. Ich brauche wirklich dringend wieder Betaleser.

Ein Monsterkapitel, welches ich zwangsweise an dieser Stelle beendet hab, um den restlichen Plot ins nächste Kapitel zu packen. Sonst wären wir vermutlich nicht bei knapp 19k geblieben sondern auf die 30 zugegangen.

Warum so spät?
Ganz einfach. Zuerst hatte ich mir eine Magen-Darm Gesichte zugezogen. Einer der fiesen Art, ich war froh, wenn ich ein paar Stunden schlafen konnte. Tja und dann brach regelrecht die Hölle los. Schmerzen im Unterbauch, zuerst hieß es Blinddarm, der war es dann aber nicht. Schmerzen verschwanden wieder, kamen zurück und zig Untersuchungen brachten nichts. Auch jetzt kommen sie Wellenartig zurück legen mich für Tage vollkommen außer Gefecht und eine Diagnose scheint nicht in Sicht zu sein. Meine Ärzte sind ratlos, ich noch mehr.

Ich kann derzeit nicht versprechend regelmäßig weiter zu schreiben, versuche es aber, schon weil es mich entspannt und ein wenig ablenkt. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich möchte euch an dieser Stelle schon einmal eine angenehme Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in das neue Jahr wünschen.

Bei mir ist derzeit nicht sicher, wie ich die neuen Kapitel fertig bekomme, ich fürchte allerdings, dass es vor dem neuen Jahr nicht weiter gehen wird. Der Markt in dem ich arbeite ist umgezogen, entsprechend hoch ist mein Arbeitspensum, der Stress und die körperliche Anstrengung die abverlangt wird. Ich komme kaum zu anderen Dingen und warte derzeit ab, dass es sich etwas beruhigt (wir hatten Donnerstag Neueröffnung). Soweit es überschaubar ist, wird nach dem Neujahrsgeschäft die Situation wohl ruhiger, es pendelt sich ein und damit komme ich auch wieder zu freien Tagen, normalen Schichten und so zu Zeit um zu schreiben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So und nun folgt noch etwas persönliches.

Warum war so lange Pause?
Ich würde es als Zusammenkommen der Umstände bezeichnen. Da wäre das Problem mit meinen Händen, das noch immer nicht gelöst ist. Regelmäßige 6-Tage Wochen mit 14 Stunden Schichten haben auch nicht dazu beigetragen, das meine Gesundheit sich bessert oder ich genug Kraft hatte mehr zu machen, als postwendend ins Bett zu fallen. Eher das Gegenteil war der Fall. Dann kam ein Führungswechsel der noch mehr Stress reingebracht hat. Dennoch habe ich regelmäßig weiter geschrieben und bin sogar ziemlich weit gekommen. Dumm nur, dass ich mein System neu aufsetzen musste und beide Speichermedien sich geweigert haben, meine abgespeicherten Dokumente einlesen zu können. Ein Fachmann hat drüber geschaut und leider bestätigt, was ich vermutet habe, sowohl meine externe Festplatte, als auch mein USB-Stick sind hinüber.

Das Resultat war unendlicher Frust, denn ich bin verdammt schlecht darin etwas zu schreiben, was ich bereits schon einmal geschrieben habe. Für einige Wochen habe ich deswegen gar nicht mehr geschrieben. Mittlerweile bin ich aber wieder gut drinnen (fange jetzt mit Kapitel 18 an) und hab auf der Arbeit ordentlich auf den Tisch gehauen, denn was da ablief, geht absolut nicht mehr klar.

Ich werde weiter den Fokus darauf legen, die letzten vier Kapitel fertig zu bekommen (beim Schreiben ist mir aufgefallen, das ich 2 Kapitel je doppelt drinnen hatte) und werde nebenher an den Korrekturen arbeiten und in einem drei-Wochen-Rhythmus die folgenden Kapitel hochladen. Ich hatte erst überlegt schneller zu aktualisieren, aber ich will verhindern, das erneut Dinge dazwischen kommen. So kann ich täglich ein wenig an den Korrekturen arbeiten ohne vielleicht in Stress zu geraten, weil wieder etwas von Außen mich daran hindert genug Zeit zu finden.

In dem Sinne, DANKE an alle die trotz der langen Wartezeiten noch treu dabei sind, ich hoffe dieses Kapitel hat allen gefallen und ich hoffe euch in drei Wochen wiederzusehen, wenn das 15. Kapitel online geht. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Drei Tage später als geplant, da ich komplett flach lag, Fieber hatte, gehustet hab (und noch tue) wie verrückt. Auch jetzt ist meine Konzentration recht eingeschränkt, aber ich hoffe dennoch, dass ich alle Fehler rausgepickt habe. Wenn nicht, Immer her damit.

Jaa, verständlich, oder? Ich hatte einiges an Freude eure Spekulationen zu lesen, was genau Taiki belastet, als Kind, das gerade einmal 6 Jahre alt ist, war logisch, dass er schlicht nicht abschließen kann, weil er es nicht versteht. Verwirrung trägt dann den Rest bei und Kinder reagieren oft unlogisch in den Augen erwachsener, weil wir gerne vergessen, dass Kinder noch nicht so komplex denken und fühlen, wie erwachsene es eben tun.

Jetzt sind sie dran, Herr Uchiha. :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es hat weitaus länger gedauert als mir lieb ist. Allerdings kann ich nun ruhigen Gewissens sagen, dass sich endlich etwas verändert hat. Nach langem hin und her habe ich endlich meine Versetzung durchbekommen, auch wenn man mir lange Steine in den Weg gelegt hat. Soweit ich weiß, soll sie nur 2 Monate andauern, allerdings weigere ich mich zurück zu gehen, wenn ein ganz entschiedener Faktor nicht geregelt worden ist, was derzeit nicht passiert, so wie ich es sehe.

Dort wo ich jetzt bin, hat man mir aber sehr geholfen wieder runter zu kommen und den Spaß an der Arbeit wieder zu finden. Ich komme super mit dem Team aus, bekomme positives Feedback anstatt ständiger Kritik und bekomme nicht mehr so viele Aufgaben, dass ich meine Schicht verdoppeln müsste um sie erledigt zu bekommen. Ich fühle mich nun wieder wohl und im Gleichgewicht und vor allem habe ich wieder die Muse und die Zeit, zu schreiben. Denn wenn ich jede Nacht damit beschäftigt bin runter zu kommen, den Frust und den Ärger unter Kontrolle zu bekommen, hat man kaum den Kopf um sich entspannt hinzusetzen und etwas zu schreiben, was nichts mit dem zu tun hat, was in einem rumort.

Ich werde auf jeden Fall nicht zulassen, dass ich erneut in diese Situation zurück muss. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, es ist wieder einmal verdammt lange her. Was mir wirklich Leid tut, wo ich aber wenig Chancen sehe, dass es sich noch einmal ändert. Ich arbeite sehr viel und wenn ich frei habe, bin ich zu erschöpft um mich lange hinzusetzen und zu schreiben. Oft genug habe ich nicht einmal den Kopf dazu, überhaupt genug abzuschalten um etwas zustande zu bekommen.

Ich will aber anmerken, dass ich trotz der langen Wartezeiten dazwischen nicht das Interesse verloren habe oder plane, das Schreiben aufzugeben. Ich kann nur bitten, Geduld zu haben und darauf zu vertrauen, dass es weiter gehen wird, auch wenn die Abstände zwischen jedem Kapitel nervig lang sind (was mich genauso frustriert).

Trotz allem hoffe ich, dass ihr schöne Feiertage hattet und wünsche euch noch einen schönen zweiten Weihnachtstag und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es hat fast ein ganzes Jahr gedauert, bis ich dieses Update fertig bekommen habe. Das ist wirklich frustrierend.

Wirklich gute Nachrichten habe ich auch nicht im Gepäck. Die Situation auf meiner Arbeit ist weiterhin sehr angespannt. Wir sind unterbesetzt und keiner weiß, wann sich das endlich ändert wird. Ich hoffe ja, dass die drei, die in dieser Woche eingestellt worden sind (ich hatte endlich Urlaub), durchhalten und sich gut integrieren lassen. Das würde uns allen viel Arbeit abnehmen und für Freizeit sorgen die wir alle dringend brauchen.

Aber bisherige Erfahrungen mit neuen Mitarbeitern sind leider sehr niederschmetternd. Mehr wie drei Wochen hat bisher keiner durchgehalten. Heißt für mich leider auch, dass ich nur weiter machen kann wie bisher, ein paar Worte schreiben wenn ich nicht so erschöpft bin, dass ich wie ein Stein ins Bett falle. Ich will weiter schreiben, ich habe nicht das Interesse verloren und meine Geschichten verfolgen mich täglich, aber leider hat der Tag 24 Stunden zu wenig um das zu tun, was ich neben der Arbeit liebend gerne tun würde. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (112)
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Von:  Scorbion1984
2023-04-16T12:22:16+00:00 16.04.2023 14:22
Hallo ,habe mal wieder in diese F F reingeschaut. Hoffe es geht Dir inzwischen besser und Du dich dich erholt.
Von:  zwillinglebt
2021-02-02T19:52:41+00:00 02.02.2021 20:52
Wird dieser Fanfic noch beendet oder liegt es komplett auf Eis? Reine Neugierde - keine Kritik. Bleibt alle gesund!! ❤️
Antwort von:  KakashiH
23.02.2021 15:21
Sagen wir es so, ich habe diese Geschichte (oder eher alle meine Geschichten) nicht aufgegeben. Nur leider habe ich schlichtweg keine Zeit im Moment zum schreiben. Seit nunmehr einem Jahr, seit Corona sich ausgebreitet hat, arbeite ich nahezu ohne Pausen (ich komme aus dem Einzelhandel) - wir sind unterbesetzt, haben in dem vergangenen Jahr Unmengen neue Kollegen begrüßt und noch mehr verabschiedet. Ich bin vollkommen überlastet, habe - und hatte schon lange - eine eher schlechte Gesundheit, nichts gefährliches, aber doch kräftezehrendes. Selbst wenn ich Urlaub habe folge ich dem gleichen, erschöpften Trott weil ich wie viele andere auch vollkommen überarbeitet bin und derzeit einfach nicht den Kopf frei bekomme um mich ernsthaft an das schreiben zu setzen. Es ist nicht so, dass ich gar nicht weiter geschrieben habe, aber der Fortschritt ist derart minimal, das es frustrierend ist.

Um deine zu beantworten, JA ich werde diese Geschichte beenden. Nur das WANN ist leider im Moment ein großes Fragezeichen. Es ist geplant, dass ich (und meine Kollegen) ein wenig Entlastung bekommen sollen, sobald der derzeitige Lockdown beendet (oder weit genug gelockert) wird. Ich hoffe das Beste und auf mindestens 2 Wochen Urlaub am Stück, ohne dass ich einspringen muss und damit auch auf einige Tage wo ich weit genug runter gefahren bin, dass ich ernsthaft schreiben kann. Ich kann mich nur entschuldigen und auf Verständnis hoffen, in dieser ungewissen Zeit.

An alle die das lesen, haltet euch an die Regeln und bleibt gesund.

KakashiH
Antwort von:  zwillinglebt
24.02.2021 07:07
@KakashiH oh das klingt ermüdend und ähnlich wie bei mir. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und bleib gesund! ❤️ Keine von uns denkt hier etwas Schlechtes und wir freuen uns wenn wir wieder von dir hören. Alles alles Gute auch für deine Gesundheit. Ich hoffe das klärt sich. 🤞
Von:  Scorbion1984
2020-04-22T11:55:16+00:00 22.04.2020 13:55
Hallo ,schade ich dachte das Du auch weiter schreibst ,wie so viele Andere die zur Zeit ihre fast vergessenen FF jetzt fortsetzen !
Hoffe aber das Du gesund bist und der Virus Dich nicht erwischt !
Von:  Scorbion1984
2019-12-10T17:35:28+00:00 10.12.2019 18:35
Hiermit möchte ich Dir ,für den Fall das dieses Jahr kein neues Kapitel mehr erscheint ,danken und Dir eine schöne Advents- und Weihnachtszeit sowie Alles Gute für das Neue Jahr wünschen ! 🎅🎄🎊🎆🎇
Von:  Yuna_musume_satan
2019-11-04T09:17:55+00:00 04.11.2019 10:17
Ich bin einfach nur glücklich das es ein neues Kapitel gab und es hat sich wirklich gelohnt fast ein Jahr zu warten.

Arme saku das ist wirklich schrecklich so etwas durch zu machen, aber auch für kashi ist es nicht leicht.

OMG ich ahne schon weshalb sasu mit naru sich unterhalten will und ich kann es nicht erwarten ob meine Ahnung sich bestätigt.

Ich sitze schon auf heißen Kohlen und freue mich darauf sobald ein neues Kapitel fertig ist und hochgeladen ist
Von:  kurai_hana
2019-11-02T11:04:45+00:00 02.11.2019 12:04
Und wie ich mir schon dachte, das warten lohnt sich!!!!!

Deine Geschichte weiterlesen zu können, löst in mir immer ein gefühl von 'nach hause kommen' aus ^___^

Aber man.... wieder so ein cliffhanger und schlimmer daran ist noch, dass es sich jetzt nicht in friede, freude, eierkuchen verwandeln wird, denn das passt nicht zu deiner story >.<

Aber ich fand es sehr schön, dass naru in ein paar punkten zur ruhe gekommen ist und frieden schließen konnte! Auch war ich beeindruckt, dass er so offen mit kakashi geredet hat! Da sieht man mal, wie ein therapeut helfen kann und man sollte es nicht verteufeln oder sich schlecht fühlen, wenn man einen in anspruch nimmt!

Wenn du deine arbeit gerne machst, halte durch! Ich hoffe, die zeiten bessern sich!!!

Auf bald :-*
Von:  Yuki99
2019-11-01T10:02:11+00:00 01.11.2019 11:02
Ich hab mich mega gefreut als ich sah das es ein neues Kapitel gibt und es war einfach super wie alle vorher.
Bin schon gespannt wie das Gespräch zwischen den beiden sein wird.
Frei mich wenn es wieder weiter geht.

GLG Yuki99
Von:  KatanaYuki
2019-10-28T18:06:53+00:00 28.10.2019 19:06
Ich habe schon wirklich, wirklich viele Bücher gelesen.. Wir wäre es, wenn du eins schreiben würdest.?
Von:  naruhinaxXx
2019-10-28T14:43:43+00:00 28.10.2019 15:43
Hab mich super über das neue Kapitel gefreut
Ich hoffe Sakura erholt sich gut und das mit Kakashi geht gut
Bin schon mega gespannt wie das Gespräch zwischen sasuke und naruto verlaufen wird, naruto tut mir jetzt schon leid, für ihn wird es bestimmt nicht sehr angenehm werden
Von:  Scorbion1984
2019-10-28T14:05:18+00:00 28.10.2019 15:05
Erstmal danke für dieses Kapitel ,ich habe mich sehr gefreut als ich es heute entdeckte!
An alle möglichen Katrastopfen habe ich mir ausgemalt ,aber auf Sakura wäre ich nicht gekommen !
Das sie was mit Kakashi hatte habe ich irgendwie geahnt ,aber dieses Unglück ist sehr traurig ,ich hoffe das sie es nun zusammen verarbeiten !
Aber ich finde es schön das alle ihre Freunde für sie da sind ,so das sie nicht allein war !
Ja Naruto nun kommt wohl die Aussprache ,was wird Sasuke ihm sagen ,?
Es sieht wohl nicht so gut aus ,wird eine Freundschaft kaputt gehen ?!



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