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Iters Licht

Die Chroniken von Iter
von

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Die Verfolgung

Wieder klingelte der Wecker. Und wieder wurde er brutal geschnappt und gegen die Wand geschleudert. Doch selbst, als er in Einzelteilen zu Boden rieselte, klingelte er noch immer.

Ava stöhnte genervt und setzte sich müde auf. Dann schleppte sie sich zu den Weckerteilen und trat heftig dagegen. Das Klingeln erstarb langsam. Ava schnaubte zufrieden und kramte in dem Wäschestapel vor ihrem Bett herum, bis sie ein schwarzes Shirt fand, auf dem ein großer weißer Totenkopf gedruckt war. Dann zog sie noch ihre zerschnittene und mit Klammern verzierte Jeans vom Stuhl und verschwand im Flur.

Einige Minuten später kam sie angezogen und mit offenen Haaren aus dem Bad. Ihr langes, schwarzes Haar lag trocken auf ihrer Schulter. Auf dem Weg in die Küche steckte sie noch schnell ihren großen, silbernen Ring über den Finger. Dieser Ring war das einzige Schmuckstück, das sie trug. Sie hatte ihn einst von ihrem Vater bekommen. Er war dick und für ihren Geschmack viel zu schlicht. Er war einfach nur Silber, keine Linien, keine Verzierungen. Aber das alles zählte für für Ava nicht. Die Tatsache, dass sie jedes mal, wenn sie diesen Ring aufsetzte an ihren Vater denken musste - das war, was für sie zählte. Schließlich waren diese Erinnerungen das Einzige, was sie noch von ihm besaß.

Ava ging zum Kühlschrank und nahm sich ein kleines Päckchen heraus. Ihr vorgefertigtes Frühstück, Toast mit Eiern und Speck. Mit angeekelten Gesichtsausdruck legte sie es auf den Küchentisch und wischte sich ihre Hände an ihrer Hose ab. Sie schaute auf die Uhr über der Tür und runzelte die Stirn. Es war höchste Zeit für sie, aufzubrechen. Aber seltsamerweise war ausser ihr niemand wach. Sonst war hier immer totaler Familienchaos, aber so nicht Heute. Mit einem Achselzucken stopfte sie ihr Frühstück in ihren Rucksack, schnallte ihn sich um und verließ das Haus. Dabei ließ sie wie immer ein ohrenbetäubendes Türknallen zurück.
 


 

Die High School ragte hoch und eindrucksvoll vor Ava auf. sie liebte diese Schule. Natürlich gab es dort auch jede Menge negative Punkte, aber nichtsdestotrotz war dies die beste Schule, auf der sie je war. Nicht nur, weil sie hier ernsthaft Freunde fand. Das gesamte Schulklima schien entspannter und lockerer zu sein. Ausserdem akzeptierte man sie hier so, wie sie war. Sie war schon immer wegen ihrer leichten Gothic-Art ausgeschlossen und gedisst worden. Das war eine schlimme Zeit für Ava, aber seit sie auf diese Schule ging, war ihr wohler zumute.

"Ava!", rief ein dicklicher blonder Kerl, der über den Schulhof auf sie zueilte. "Wo warst du so lange? Ich habe mir schon Sorgen gemacht." keuchte er und blieb vor ihr stehen.

"Ich habe verschlafen!" sagte Ava knapp und gelassen an ihn vorbei. Der Junge folgte ihr sofort und sah sie mit enttäuschten Blick an "Wir wollten doch vor dem Unterricht noch für die Hausaufgaben in Politik üben!" sagte er.

Ava seufzte genervt. "Ach meine Güte, Alex! Fang endlich mal an, früher zu lernen!"

Alex folgte ihr enttäuscht ins Schulgebäude, wo den beiden sofort der dröhnende Lärm entgegen schwoll, den die Schüler jeden Morgen veranstalteten. Die zwei kämpften sich durch die Schülermassen und kamen nach etlichem Gequetsche und Gemecker endlich frei.

"Wieso muss unsere Klasse auch genau im Mittelpunkt des Flurs liegen?" fauchte Ava und fuchtelte ihr Haar zurecht. Alex antwortete nicht auf diese Frage. Das Gezwängen hatte ihn wohl sehr zugesetzt, denn er war feuerrot im Gesicht.

Auf dem Weg zur Klasse redete er dann doch wieder. "Ava, es wäre echt besser gewesen, wenn wir geübt hätten. Du weißt, wieviele Minuspunkte ich schon kassiert habe."

"Das ist nicht meine Schuld!", sagte Ava. "Ausserdem bin ich heute etwas gereizt. Ich weiß zwar nicht wieso, aber es ist so."

Alex schluckte und beschloss, sie vorerst nicht mehr darauf anzusprechen. Er kannte sie nun schon seit Ewigkeiten, und er konnte ihre Laune mittlerweile recht gut einschätzen. Sie waren zwar sehr gute Freunde, aber selbst ihm gegenüber bekam sie schon so einige Wutausbrüche. Zum Glück war er geschickt darin, sie schnell wieder zu beruhigen. Aber in Momenten wie diesen schwieg er besser.

Sein Blick fiel auf ein rothaariges Mädchen, das auf einer Bank nahe der Klasse saß. Sie hatte keine Schulsachen bei sich, nicht einmal eine Tasche. Sie saß kerzengerade da und starrte verträumt zu Boden.

"Wer ist das?" fragte Alex seine Freundin, die nur kurz zu dem Mädchen sah und die Schultern zuckte. Er erstarrte kurz und fluchte in sich hinein. Er hatte schon vergessen, dass er Ava erstmal runter kommen lassen wollte.

Endlich erreichten sie ihre Klasse, wo schon jede Menge ihrer Mitschüler warteten. Natürlich begrüßte Niemand die beiden. Ava und Alex hatten mit anderen Leuten der Schule nicht wirklich viel zu tun. Aber sie wurden in Ruhe gelassen. Und das war es auch, was sie wollten. Ava hatte es nie schade gefunden, nur einen guten Freund zu haben. Und Alex dachte da genauso. Zumindest dachte Ava dies über ihn. Die Lehrerin tauchte auf und schloss die Tür hinter sich.
 

Während des Unterrichts ließ Ava es sich natürlich nicht nehmen, Alex zu beobachten. Die heutige Aufgabe war auf die Hausaufgaben bezogen, die er nicht gemacht hatte. Sie selbst hatte sie zwar auch nicht, aber das brauchte ja niemand zu wissen. Jedoch ging die Lehrerin in diesem Moment durch die Reihen, um die Aufgaben zu kontrollieren. Ava schluckte und überlegte, wie sie es am besten anstellen sollte, ihr Versäumnis zu beichten, ohne dass Alex es mitbekommen würde. Als sie an der Reihe war, die Aufgaben zu zeigen, sah sie einfach demütig herunter und schüttelte den Kopf. Die Lehrerin, Mrs. Miller, machte ein seltsames Geräusch, das ein wenig an eine Raubkatze erinnerte und trug kurz etwas in ihrem Notizbuch ein. Als sie gegangen war, sah Ava beiläufig zu Alex, der sofort wegsah. Also hatte er es doch mitbekommen. Zwar war es Ava unangenehm, aber er würde sich schon wieder beruhigen. Das war immer so. Und sie kannte ihn.

Dann wurde ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem angezogen. Dicht hinter Alex´s Kopf leuchtete etwas hell auf. Es war ein kleiner, grüner Lichtfleck, der auf und ab tanzte. Ava dachte sofort daran, dass einer ihrer kindischen Mitschüler mal wieder mit einem Spiegel rumspielte, um Mrs. Miller zu ärgern. Also sah sie gern wieder nach vorn und versuchte, wenigstens den Rest der Stunde mitzubekommen. Aber dann erleuchtete plötzlich etwas vor ihrem Gesicht. Sie zuckte zusammen als sie den grünen Lichtball sah. Es war derselbe, den sie gerade gesehen hatte. Wütend drehte sie den Kopf, um zu erkennen, wer sie ärgern wollte. Doch Niemand hatte einen Spiegel oder etwas ähnliches in der Hand. Alle schienen dem Unterricht zu folgen. Ava sah wieder nach vorn. Das Licht war noch da. Es sah wirklich aus wie ein kleiner Ball aus grünem Licht. Was war das? Eine Lichtspiegelung? Ava nahm ihre rechte Hand hoch und führte sie zum Licht. Es schien eine leichte Wärme auszuströhmen, und sie glaubte, etwas leicht pulsieren zu fühlen. Dann sauste der Lichtball mit solcher Geschwindigkeit in Richtung Tür, dass Ava nicht mitkam. Sie keuchte überrascht. Kurz nachdem er geradewegs durch die geschlossene Klassentür verschwand, ertönte die Schulklingel und alle stürmten aus der Klasse. Auch Ava erhob sich von ihrem Stuhl und ging rasch auf den Schulflur. Hektisch sah sie sich um, jedoch war nichts von dem Licht zu sehen. Alex erschien neben ihr.

"Alex! Hast du mitbekommen, wohin dieses Licht verschwunden ist?" fragte sie schnell.

"Welches Licht denn?" Alex klang etwas gereizt.

"Na, dieses grüne Licht! Erst war es an der Wand hinter dir und dann -"

"Ava, du solltest wirklich mehr schlafen. Du redest heute etwas wirr. Oder hast du Gestern etwa zu viel gelernt?" sagte er nur und ging mit kühlem Gesichtsausdruck davon. Ava sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Sie wollte unbedingt dem Licht nachjagen. Aber sie musste auch mit Alex reden. Die Entscheidung, was ihr wichtiger war, fiel ihr leicht.

"Alex, warte!"
 


 

Als Ava an diesem Abend das Licht ausknippste und in ihr Bett stieg, fühlte sie sich noch immer schlecht wegen Alex und sie wusste, dass sie in dieser Nacht sehr unruhig schlafen würde. Sie hatte ihren besten Freund am Vormittag doch nicht wieder beruhigen können. Er hatte ihr noch nicht mal zugehört, sondern ignorierte sie geduldig. Selbst in der darauf folgenden Unterrichtsstunde verhielt er sich abweisend und desinteressiert ihr gegenüber. Es musste ihn wirklich sehr getroffen haben, dass sie ihn verurteilt hatte, obwohl sie selbst auch nicht viel besser war. So etwas hatte sie noch nie getan. Natürlich, es gab schon öfters Streitereien, doch dies war nun doch eine härtere Nummer. Das hätte sie nicht tun dürfen, und sie fragte sich nun, was nur in sie gefahren war. Gut, in letzter Zeit lief in ihrem Leben viel schlecht, was vor allem an Christopher lag. Er war ihr Stiefvater und der Einzige in der Familie, zu dem sie kein gutes Verhältnis hatte. Sie kannte ihn zwar schon seit ihrem siebten Lebensjahr, aber irgendwie schaffte sie es nie, ihn als eine Art Bezugsperson anzusehen. Dafür liebte sie ihren "richtigen" Vater einfach zu sehr. Sie brauchte keinen Vaterersatz. Denn trotz der Scheidung ihrer Eltern war sie damals sehr oft bei ihrem Vater. Christopher fand daher keinen Platz in ihrem Herzen. Vor allem in letzter Zeit schien es mit ihm schlechter zu laufen. Die beiden zickten sich nur noch an und sprachen nur das nötigste miteinander. Ava war klar, dass sie deshalb so gereizt war, aber Alex verstand dies scheinbar nicht.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als etwas in ihrem Blickfeld hell aufleuchtete. Zuerst dachte sie, ihre Mum würde Heimkommen und dass das Licht von den Autoscheinwerfern stammte. Doch als sie direkt zum Licht sah, durchfuhr sie ein kleiner Schock. Denn vor ihr schwebte dasselbe grüne Licht, das sie zuvor in der Schule gesehen hatte. Mit einem Schwung hievte sie die Bettdecke zur Seite und setzte sich aufrecht hin. Das Licht tanzte fast direkt vor ihren Augen in der Luft und verströmte ein sanftes grünes Licht.

"Was um alles in der Welt..." flüsterte Ava und sah es ungläubig an. So etwas seltsames hatte sie in ihren 16 Lebensjahren noch nie gesehen. Aber selbst die Tatsache, dass sie dieses "Ding" heute schon mehrmals gesehen hatte, kam ihr äußerst seltsam vor. Solche Zufälle gab es nicht!

Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie hatte keine Scheu vor dem Licht. Ganz im Gegenteil, es hatte sogar etwas beruhigendes an sich. Aber es machte sie auch neugierig. Sie sollte wissen, was genau es war. Wie auf Kommando sauste das Licht wieder mit hoher Geschwindigkeit aus dem Zimmer, wie auch schon in der Schule.

"Hey, ich-" Ava schnappte sich ihre Jacke und zog sie schnell über. Dann suchte sie noch hastig ihre Schuhe, schlüpfte hinein und stürmte aus dem Zimmer. Das Haus lag in völliger Dunkelheit, aber das grüne Licht strahlte so hell, dass die Umrisse der Einrichtung problemlos zu erkennen war. Sie folgte dem Licht durch das gesamte Haus, und fragte sich, wieso eigentlich. War die Neugier denn so groß?

Es war doch komplett verrückt, eine bloße Lichtreflexion zu verfolgen. Oder nicht? Ava war noch nie in der Lage gewesen, verrücktes von vernünftiges zu unterscheiden, und bis jetzt ist sie damit auch gut zurecht gekommen. Wieso also nicht einfach ihrem Instinkt folgen?

Jetzt verschwand das Licht wieder gerade durch die geschlossene Haustür. Ava schluckte und sah sich hastig um. Alle Türen waren verschlossen und alle Lichter ausgeschaltet. Scheinbar waren wirklich beide am schlafen. Ihr Blick fiel auf die große hölzerne Wanduhr, dessen Sekundenzeiger hin und her schwengte. Es war 23 Uhr. Kein Wunder, dass alle schliefen. Ava hasste es, so spät ins Bett zu gehen, und morgens nicht ausgeschlafen zur Schule zu müssen. Noch dazu trug sie unter ihrer Jacke nur ihren Schlafanzug und draussen würde es sicher sehr kühl sein. Aber es nützte nichts, dem Licht zu folgen, erschien ihr im Moment wichtiger. Und wer wusste schon, ob es sich noch einmal blicken lassen würde? Also riss Ava entschlossen die Haustür auf und trat in die kühle Nachtluft hinein.
 

Das Licht führte sie hartnäckig durch die Dunkelheit. Es sauste Straßen und Gassen entlang. Ava musste manchmal stehen bleiben und nach Luft ringen, denn die Strecke, die sie zurückgelegt hatte, war länger als ihr lieb war. Das Licht blieb dann einfach in der Luft schweben und wartete geduldig darauf, dass Ava wieder weitergehen konnte. Obwohl ihr die ganze Situation Unbehagen bereitete, lief Ava dem Licht weiter nach. Irgendwas schien sie anzuziehen, sie mitzuschleifen. Sie konnte es sich nicht erklären, denn soetwas schräges war ihr noch nie passiert. Aber vielleicht war auch gerade das der Grund, wieso sie es so spannend fand.

Dann plötzlich blieb sie abrubt stehen und starrte vor sich hin. Denn nun erkannte sie, wohin das Licht sie führen wollte. Zu ihrer Schule. Zuerst war sie darüber erstaunt, aber dann verstand sie es. Dort hatte sie das Licht immerhin zum ersten Mal gesehen. Und Ava täuschte sich nicht, denn etwas später erreichten sie tatsächlich das Schulgrundstück. Weit hinten ragte das große Gebäude vor ihr empor und bei seinem Anblick erschauderte Ava. Sie verstand es nicht, dieses Gebäude sah sie jeden Tag, und noch nie hatte sein Anblick eine solche unheimliche Ausstrahlung auf sie. Aber Sie hatte es auch noch nie Nachts gesehen.

Das Licht flog schnell davon, ganz so, als wäre es am Ziel angekommen. Und tatsächlich verschwand es bei der Treppe, die hinunter in den Fahrrad-Keller führte. Ava war sich sicher, dass sie gleich in diesen Keller gehen würde, aber vorher wollte sie noch etwas anderes erledigen.

Sie lief schnell zu der Telefonzelle, die in der Nähe der Treppe stand, und hob schnell den Hörer ab. Dann wählte sie aufgeregt eine Nummer und wartete ab. Dabei schaute sie nervös zu der Treppe des Kellers. An der anderen Leitung klickte es kurz, was sich aber schnell als Anrufbeantworter heraus stellte. Ava schnaubte genervt.

"Alex! Ich bin gerade bei der Schule und möchte, dass du so schnell wie möglich hier herkommst. Ich erkläre dir alles, sobald du hier bist. .... bitte komm." sagte sie hektisch, legte dann aber auf. Als sie die Telefonzelle verließ, lief sie mit klopfendem Herzen hinüber zur Treppe, wo das Licht vorhin verschwunden war.

Sie sah sich nochmal um. Sie wusste einfach nicht, was sie tun sollte. Hier auf Alex zu warten, erschien ihr im Moment völlig irrsinnig. Er würde die Nachricht wahrscheinlich erst morgen abhören. Aber morgen war ein Tag zu spät, sie musste dem Licht heute folgen, sie musste ihm Jetzt folgen!

Also riss sie sich aus ihren Gedanken und machte sich daran, diese Treppe runter zu steigen. Vor ihr herrschte völlige Dunkelheit, sodass sie bei jedem Schritt aufpassen musste, nicht daneben zu treten. Sie war heilfroh, als sie endlich am Treppenende angelangt war und den Lichtschalter betätigen konnte.

Der große, längliche Raum vor ihren Füßen war sofort von Licht erfüllt. Das beruhigte sie etwas. Sie kannte den Fahrrad-Keller, auch wenn sie nicht oft dort war. Denn sie fuhr nicht mit dem Fahrrad zur Schule. Meistens lief sie dort hin. An regnerischen Tagen fuhr sie allerdings mit dem Bus. Was aber nicht unbedingt nach ihrem Geschmack war, denn sie mochte es nicht, mit sovielen anderen im Bus zu sitzen. Sie legte Strecken lieber zu Fuß und allein zurück.

Ava sah sofort das kleine grüne Licht in der Luft schweben, nicht weit von ihr entfernt. Es schwebte wieder langsam vor sich hin, und sie folgte ihm. Zum Glück war der Keller jetzt absolut leer, sodass sie sich frei bewegen konnte. Würden hier jetzt soviele Fahrräder wie morgens stehen, würde sie sich ihren Weg regelrecht freikämpfen müssen.

Das Licht hielt endlich an, direkt vor einer schwarzen Tür an der hinteren Wand des Kellers. Moment mal...Tür? Hier hatte es gar keine Tür gegeben. Und erstrecht keine große, schwarze Holztür, die aussah, als wäre sie aus Holzplatten gehämmert worden. Und doch war diese Tür da. Ava näherte sich ihr vorsichtig. Diese Tür wikte seltsam auf Ava. Plump, aber dennoch schön. Als Ava genau vor dem grünen Lichtball stehen blieb, leuchtete dieser hell auf und verblasste danach sehr schnell, bis er vollkommen verschwunden war. Ava sog scharf sie Luft ein. Was war das nur für ein Licht gewesen? Sie hatte es für eine Lichtreflexion oder Spiegelung gehalten, doch nun war sie ernsthaft verwirrt. Was war es denn nun?

Ava starrte nun auf die Tür. Das Licht hatte sie hierher zu dieser Tür geführt, die sie zuvor noch nie hier gesehen hatte. Es wäre blöd, nun wieder umzukehren. Sie wollte den ganzen Weg nicht umsonst gelaufen sein. Also griff sie nach dem Türknauf und zog die Tür langsam auf. Sie war leichter, als vermutet. Allerdings verursachte sie beim öffnen ein markerschütterndes Knarren und Qietschen.

Ava lugte in den Gang hinein, der dich dahinter verbarg. Es war ein langer Tunnel, der von einer Art Fackeln an den Wänden erleuchtet wurde.

"Okaaaaay..." sagte Ava skeptisch und trat dann nachdenklich in den Gang hinein. Hinter ihr fiel die Tür scheppernd ins Schloss.

Die Zuflucht

Der Tunnel erwies sich als länger, wie vermuten ließ. Ava hoffte, den Ausgang schnellsmöglich zu finden. Zum Glück verlief der Tunnel nur geradeaus, und nicht in Windungen und Kreuzungen. Kerzen hingen an den Wänden und sorgten dafür, dass man wenigstens weit in das Tunnelinnere sehen konnte.

Ava fragte sich, wohin dieser Gang wohl führen würde. Sie hatte noch nie etwas von ihm gehört, und konnte sich nicht erklären, wieso er nicht längst bei den Schülern als geheimer Raucherplatz oder ähnlichem genutzt wurde. Aber auch von der schwarzen Tür hatte sie noch nie gehört. Jetzt, wo sie über all das nachdachte, hielt sie diesem nächtlichenb Ausflug überaus leichtsinnig und bekam es langsam mit der Angst zu tun. Doch da erkannte sie etwas in der Ferne, das sie aufatmen ließ. Weit im Tunnel war etwas Licht zu erkennen, mit Sicherheit war dort der Ausgang.

Ava beeilte sich, um dorthin zu gelangen. Als sie es endlich erreichte, trat sie in einen gigantischen, lichtdurchfluteten Raum. Man könnte es auch Saal nennen, denn der besagte Raum hatte die Größe einer Halle eines Schlosses. Zumindest eines Schlosses, wie Ava es sich vorstellte.

Ava trat ganz langsam in den Saal hinein und schaute sich mit ungläubigen Augen um. Sie wusste nicht, wo sie hier gelandet war. Der Saal war sehr hell, obwohl das Licht von wenigen Kerzen zu kommen schien, die an den hohen Wänden hingen. Diese Wände bestanden aus Sandfarbenem Gestein und wirken sauber. Fast so, als würden sie täglich gereinigt werden.

Als nächstes fielen Ava die gigantischen Treppen auf, die sich spiralförmig in die Höhe wunden und zu höheren Stockwerken zu führen schienen. Es gab aber auch eine große Treppe, die breit auslief und ebenfalls nach oben führte.

Ava fand diesen Raum einfach faszinierend. Sie verließ ihren Standort und marschierte mit ruhigen Schritten durch die Halle. Ihr Blick wanderte nach oben. Die Decke war gewöllbt wie eine runde Kuppel und bestand aus demselben sandfarbenem Gestein wie die Wände. Schöne Verzierungen von Engeln und anderen Wesen, die sie nicht kannte, waren in den Stein gemeizelt und verliehen dem Ganzen noch einen mysteriöseren Eindruck.

Jetzt fiel ihr auch auf, dass die Kerzen an den Wänden doch nicht die einzige Lichtquelle in dem Saal war. An der Decke hingen einige riesige Kronleuchter, mit vielen brennenden Kerzen besetzt. Ava konnte sich nur schwer vom Anblick der Decke lösen. Aber ein weiterer interessanter Bereich fiel in ihren Blickfeld. Der Boden des Saals. Er hatte eine undefinierbare Farbe, denn mit seinem dunklen Farbton von Grau und Dunkelrot stieß er sich stark von den hellen Wänden ab. Ausserdem ging ein leichtes Glitzern von ihm aus. Oder war es ein Leuchten? Ava konnte es nicht zuordnen.

Sie lief einfach weiter, den Blick auf den Boden geheftet. Gerade noch rechtzeitig blieb sie stehen, denn vor ihr erhob sich eine Steinsäule. Sie blinzelte erschrocken und musterte das Gebilde vor sich. Sie stand genau in der Mitte der Halle, und vor ihr befand sich eine Art Podium. Allerdings ein sehr kleines. Es war rund und gerade mal so hoch, dass es zwei Stufen gab. Aber rund um es herum standen einige hohe Steinsäulen. Alles bestand wieder aus dem bekannten Gestein.

Ava sah sich um, obwohl es ihr eh klar war, dass es hier nur sie gab. Aber sicher war sicher. Also sah sie sich nochmal genau um, bevor sie dann den Fuß vorsetzte, um das Podium zu betreten. Sie stellte sich in die Mitte des runden Gesteins und überblickte die Halle. Sie konnte es noch immer nicht verstehen, wieso ein Tunnel einen Fahrrad-Keller mit soeinem Ort miteinander verband. Sie musste sich weit von der Schule entfernt haben.

Ava trat weiter in die Mitte des Podiums und sofort erschienen dünne rote Linien, die sich rasch zu einem Gebilde zusammenfügten. Ava wich erschrocken einen Schritt zurück, doch die Linien verschwanden nicht. Ganz im Gegenteil, als die letzte Linie sich um das Muster auf dem Podium einfügte, war das Bild komplett. Es war eine Art Pentagramm, ein fünfzackiger Stern. Und an jede Pitze befand sich eine seltsame Rune.

In diesem Augenblick erlosch das gesamte Licht der Halle, sowohl die Kronleuchter als auch die Wandkerzen. Stattdessen lag alles nun im schwachen rötlichen Licht des Pentagramms, das soeben zu leuchten begann.

Avas Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie sah zu, dass sie vom Podium herunter kam. Sie sah dabei zum Pentagramm, dessen rotes Licht irgendwie zu flackern schien. Ava wollte hier nicht länger bleiben, jetzt wo Dunkelheit herrschte. Als die Lichter noch gebrannt hatten, sah alles sehr schön und gemütlich aus. Doch nun war alles anders, sie bekam an düsteren Orten immer Angst und Panik. So auch nun.

Ava verengte die Augen zu Schlitzen und versuchte, in der Dunkelheit den Weg zu erkennen. Aber es gelang ihr nicht, vor ihr lag nur Schwärze.

Dann erklang ein leises Geräusch an ihrem linken Ohr. Es war leise, doch so grausig, dass es Ava eiskalt den Rücken herunter lief. Es klang irgendwie nach einem Schleifen oder ziehen. Dann war es auch schon soweit! Etwas erschien direkt neben Ava und bewegte sich an sie vorbei. Es war eine Frau. Sie lief einfach seelenruhig an Ava vorbei, den Blick fest nach vorn gerichtet. So, als würde sie das junge Mädchen gar nicht bemerken. Dies allein war schon heftig für Ava, auch weil sie die Frau im Dunkeln nicht hat kommen sehen. Doch als sie die Frau genauer ansah, traf sie ein Schock. Dies war keine normale Frau, das war ihr sofort klar. Denn sie sah alles andere als normal aus. Sie war groß, hatte langes schwarzes Haar und trug ein langes, weißes Kleid, das sie hinter sich herschleifte. Schuhe trug sie keine, sondern ging Barfuß. Auf dem Kleid befanden sich einige rote Flecken die erschütternderweise sehr nach Blut aussahen. Auch in ihrem Gesicht klebte diese Blutähnliche Schmiere, das nach genauen Hinsehen aussah, als würde es aus ihren Augen fließen. Jetzt wusste Ava auch, woher das seltsame Geräusch stammte. Denn diese Frau umgeben von vielen, silbernen Ketten. Es waren dicke, schwere Ketten, die sich um ihre Arme, Brust, Bauch und Beine wunden und ihren ganzen Körper zerquetschen zu schienen. Sie fielen hinter ihr zu Boden und verloren sich weit hinter ihr in der Dunkelheit. Wie lang sie waren, war nicht zu erkennen.

Aber über soetwas konnte Ava in diesem Moment nicht nachdenken, sie war gelähmt vor Entsetzen.

Die Frau marschierte unbekümmert weiter und zog die Ketten hinter sich her. Ava stand nur da und schaute ihr nach.

Doch schon spürte sie, wie sich eine kalte Hand von hinten um ihren Mund legte. Und dann wurde sie brutal weggerissen. Eine Stimme zischte ihr etwas ins Ohr und sie wurde weiter weggezogen, hinein in einen nahe liegenden Seitengang. Ava wehrte sich eisern gegen den Griff, aber der Unbekannte war kräftig. Er zog sie mühelos mit sich. Ava dachte in diesem Moment nur noch daran tun, alles erdenkliche zu versuchen, um zu entkommen. Tatsächlich gelang es ihr, sich los zu reissen. Doch der Fremde ergriff sie sofort an den Schultern und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Er klang ernst, aber sachlich.

"Was machst du hier? Du weißt, dass hier um diese Uhrzeit Niemand etwas verloren hat."

Ava aber schien seine orte gar nicht wahr zu nehmen. Sie versuchte nur, sich von seinen Händen zu befreien.

"Wer bist du überhaupt? Doch kein Neuling, oder?" fragte er und lockerte seinen Griff etwas. Ava befreite sich von ihm und sah ihn endlich an. Wegen der Dunkelheit konnte sie ihn nicht richtig sehen. Sie erkannte lediglich, dass er größer war als sie und dorekt vor ihr stand. Dann wurde ihr wieder klar, wo sie eigentlich war, und die Panik stieg in ihr auf.

"Wo, wo bin ich hier?", fragte sie und sah sich hektisch um. "Nicht mehr auf dem Schulgelände, oder?"

"Jetzt beruhige dich erstmal. Sag mir erstmal, wieso du hier bist. Wieso gerade jetzt, liegt dir nichts an deinem Leben?"

Bei diesen Worten zuckte Ava zusammen und wich einige Schritte zurück.

"Wo bin ich hier?" fragte sie erneut, nun etwas ruhiger.

"Hä? Na, in der Zuflucht. Wo wolltest du denn sonst hin?" sagte der Fremde und wollte seine Hände aif Avas Schulter legen. Doch diese wich zurück.

"Zuflucht? Zuflucht für wen?" fragte sie. Der Fremde hielt inne. Er reagierte auf ihre Frage nicht. Es wurde ihr immer unheimlicher. Hatte sie sich verraten? Hätte sie so tun sollen, als wäre sie absichtlich hier? Immer mehr Panik stieg in Ava auf.

Dann reagierte der Unbekannte wieder. Er hob seine Hand und deutete in die Richtung, in der diese unheimliche Frau vorhin verschwunden war.

"Du weißt nicht, wer das vorhin gewesen ist, habe ich Recht?" fragte er misstrauisch. Ava stand unter Druck. Was sollte sie nun antworten? Waswar, wenn sie sich nur tiefer in den Dreck riss? Schlißelich entschied sie sich für die Wahrheit und schüttelte mit dem Kopf. Der Fremde stöhnte auf und schlug sich die Hand vor die Stirn.

"Dann hattest du wahnsinniges Glück. Sei froh, dass du so davon gekommen bist. Wir müssen sofort miteinander reden!"

"Nein!", sagte Ava entschieden und laut. "Ich will nur eins, undzwar so schnell wie möglich hier weg. Ich weiß ja nicht einmal, wo ich hier eigentlich bin."

Ava schritt immer weiter von ihm weg, mit erhobenen Händen.

"Ich werde jetzt zurück gehen und du wirst mir nicht folgen, verstanden?"

"Aber wir müssen-"

Doch Ava hörte ihn nicht, denn in diesem Moment wirbelte sie herum und rannte davon. Überall herrschte Dunkelheit, doch sie rannte weiter. Sie war sich nicht sicher, wo sie entlang gehen musste, doch das interessierte sie gerade nicht.

Die entfernten Rufe des Unbekannten Kerls verrieten ihr, dass sie sich schon weit von ihm entfernt hatte.

Als das rote Leuchten des Podiums erschien, erkannte sie endlich, wohin sie gehen musste. Sie rannte weiter, an dem Podium vorbei und hinein in einen Gang. Es war derselbe Gang, von dem sie gekommen war.

Als sie durch den Gang rannte, flammten die Kerzen auf, die an den Wänden hingen und eigentlich erloschen sein sollten, so wie auch alle Kerzen in der Halle. Sie flammten immer genau in dem Moment auf, in dem Ava an ihnen vorbei rannte. Danach erloschen sie dann wieder. Doch darauf achtete Ava nicht, sie wollte hier weg, sonst nichts.

Als die letzte Kerze hinter ihr erlosch und Ava endlich vor der großen schwarzen Tür stand, atmete sie erschöpft und erleichtert auf. Ihr kam es vor, als würden ihre Augen vor Tränen brennen. Sie wischte sich über ihre Augen und öffnete die Tür, die knirrte und quietschte.

Vor sich erkahnnte Ava den bekannten Fahrrad-Keller und knallte die Tür erleichtert hinter sich zu. Ohne groß nachzudenken rannte sie durch den Keller, die Treppe rauf und in die Nacht hinein.

Sie sah hoch zum Schulgebäude. Gehörte diese sogenannte Zuflucht wirklich nicht zum Schulgelände? Das konnte sie irgendwie nicht so recht glauben. Wieso sonst sollte der Fahrrad-Keller dorthin führen? Aber jetzt hatte sie absolut keine Lust, an soetwas zu denken.

Sie lief schnell über den Schulhof und gelangte zur Straße, als sie eine Person erkannte, die sich von der anderen Straßenseite näherte. Ava erkannte den pummligen, blonden Jungen sofort und rannte überglücklich zu ihm.

"Alex!" schrie sie. Er schloss sie überrascht in seine Arme, als sie auf ihn zustürmte.

"Ava, ich habe deine Nachricht gehört. Was machst du um diese Uhrzeit nur hier?" fragte Alex. Doch Ava konnte nicht antworten. Den sofort bekam sie einen Heulanfall. Alle Angst und Panik der letzten Stunden fielen in diesem Moment von ihr ab, als sie ihren besten Freund hier sah.

Sie war noch nie so froh darüber gewesen, einen verlässlichen Freund zu haben.

Recherchen

"Dann packen wirs mal an." Alex stürmte in Avas Zimmer und schleuderte seinen Rucksack schwungvoll in eine Ecke. Ava folgte ihm ins Zimmer und schloss die Tür leise und vorsichtig hinter sich.

"Psst. Alex, Mum schläft noch. Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass du sie nicht verschlafen sehen möchtest." zischte sie und schnappte sich ihren Knallpinken Hocker. Sie platzierte ihn neben Alex, der es sich am Pc-Tisch gemütlich gemacht hatte, und setzte sich.

Während ihr bester Freund den Pc in Betrieb setzte, beobachtete sie ihn ruhig. Sie hatte ihn letzte Nacht sofort nach ihrem Treffen mit Geschichten bombardiert. Sie hatte ihm alles erzählt, was sie erlebt hatte. Jede Kleinigkeit, absolut Alles.

Dabei hatte sie nicht einmal darüber nachgedacht, wie es für ihn sein musste, seine beste Freundin in erbärmlichen Zustand nachts auf der Straße zu finden. Und sich dann auch noch seltsame Schauergeschichten anhören zu müssen. Wahrscheinlich hielt er sie einfach für betrunken oder verrückt. Aber seine Reaktion war äußerst seltsam gewesen. Er hatte zuerst gar nichts zu ihrer Geschichte gesagt. Er hatte ihr nur stumm zugehört während er sie nach Hause brachte. Als sie ihre Erzählungen beendet hatte, sagte er nur eines. "Ich helfe dir."

Dabei wusste sie nicht, welche Art von Hilfe er ihr angeboten hatte. Wollte er ihr wirklich dabei helfen, herauszufinden, wo sie gewesen war? Oder wollte er ihr einen Aufenthalt in der Psychiatrie spendieren?

Aber jetzt wusste sie, was er gemeint hatte. Er war gerade eben aufgetaucht, um Etwas im Internet zu suchen. Wie dies ihr weiterhelfen konnte, wusste sie nicht.

"Was genau hast du jetzt vor?" fragte Ava und bestaunte gespannt die Seite, die Alex gerade ansah. Dieser lächelte nur.

"Ich schaue mich erstmal etwas auf der Homepage unserer Schule um. Vielleicht finden wir ja schonmal etwas über diesen Fahrradkeller." erklärte er und tippste eifrig auf der Tastatur herum.

"Es war merkwürdig," merkte Ava an. "Wie kann so ein Gang vor den Schülern geheim gehalten werden?"

"Gang? Ha, was mich viel mehr verunsichert, ist diese Halle. Und die Tür, die spurlos verschwunden ist." schnaubte Alex.

Ava beäugte ihn daraufhin. "Du machst dich darüber lustig, oder? Du glaubst mir nicht!"

"Doch, ich glaube dir! Zumindest glaube ich, dass du daran glaubst."

Als er Avas entsetzten Gesichtsausdruck sah, sprach er schnell weiter.

"Wie dem auch sei. Ich habe versprochen, dir zu helfen. Und das tue ich jetzt auch." Er sah schnell wieder zum Bildschirm und las angestrengt irgendwelche Texte. Dass er in Wahrheit nur so tat, war offensichtlich. Aber Ava sagte nichts weiter dazu. Sie war froh darüber, dass er überhaupt mit ihr sprach. Der gestrige Tag war eeine echte freundschaftliche Glanzleistung gewesen. Zuerst dieser unnötige Streit in der Schule und dann hatte sie ihn nachts ais dem Bett gejagt, um ihn zu allem Überfluss noch mit Horrorgeschichten zu foltern. Dass er dabei überhaupt so ruhig geblieben war, zeugte von echter Freundschaft. Aber sie hatte sowieso nie an das freundschaftliche Band zwischen ihnen gezweifelt. Andernfalls hätte sie ihm auch nie von ihrem Horrortrip erzählt. Mit Alex als besten Freund konnte einem nichts nichts passieren, das hatte sich schon mehr als einmal gezeigt.

"Interessant." Alex deutete auf den Bildschirm. "Hier steht, dass es vor einigen Jahren einen Brand im Schulgebäude gegeben hat. Das Feuer war derart heftig gewesen, dass es sich auf das gesamte Gelände ausgebreitet hatte."

"Hä? Davon habe ich überhaupt nichts mitgekriegt." bemerkte Ava.

"Das ist jetzt ein paar Jahre her, Ava. Da waren wir noch gar nicht auf dieser Schule."

"Schon. Aber trotzdem hätten wir doch etwas davon hören müssen. Vor allem, wenns wirklich so schlimm war. Außerdem gibt es niergends Spuren eines Brandes. nicht einmal eine klitzekleine Brandspur."

Alex zog eine Augenbraue hoch. "Da hast du Recht. Das Feuer soll auch auf dem Gelände gewütet haben. Solche Verwüstungen zu restaurieren dauert Monate, wenn nicht sogar Jahre. Davon müsste noch einiges zu sehen sein."

Beide wechselten nervöse Blicke. Was war das nun wieder? Lamgsam fing Ava an, an ihren gesunden Menschenverstand zu zweifeln.

"Und was ist, wenn es ... nun ja ... etwas Übernatürliches ist?" fragte sie vorsichtig.

Alex prustete laut. " Was, etwas magisches? Na klar, was sonst."

"Ich meins ernst!", keifte Ava und erhob sich von ihrem Hocker, nur um es sich auf ihrem Bett gemütlich zu machen. "Denk doch mal nach, Alex! Zuerst erschien eine Lichtkugel, die scheinbar nur ich sehen konnte. Diese führte mich dann zu einer unbekannten Tür, die wiederum zu einer fremden Halle führte. Und was dort passiert ist, weißt du ja. Und jetzt lesen wir diesen Artikel über einen Brand, den es nie gegeben hat. Das ist doch nicht normal!"

Alex sog scharf die Luft ein und legte erschöpft seinen Kopf auf die Schulter.

"Meine Fresse ey! Wieso musstest du dem Licht auch folgen? Du hättest liegen bleiben sollen."

Ava wollte gerade eine gereizte Äusserung loswerden, als ihre Zimmertür sich leise öffnete und ein verschlafenes Gesicht im Türspalt erschien.

"Was ist das hier für ein Lärm?- oh, hallo, Alex."

"Mum! Sorry, wir waren wohl etwas zu laut.," sagte Ava und sprang schnell vom Bett. "Er wollte mir nur kurz beim Suchen helfen."

Avas Mutter trat ins Zimmer und linste kurz zum Computer, doch Alex war schneller. Er schaltete ihn aus und stellte sich nervös neben Ava.

"Ja genau, ich helfe ihr beim Suchen."

"Ach ja? und was sucht ihr genau?" fragte Avas Mutter, während sie sich die Augen rieb. Sie trug noch ihren roten Pyjama. Ihr langes, braunes Haar lag ihr wild im Nacken.

"Meine Schuluniform!" platzte es aus Ava heraus. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, also nahm sie das erste, das ihr einfiel. Und sofort bereute sie es. Denn Avas Mutter hatte jahrelang versucht, Ava diese Uniform schmackhaft zu machen. Ihrer Ansicht nach verhalf sie schlechten Schülern zu besseren Leistungen. Allerdings war ava nie auf diese Überzeugungs-Versuche eingegangen. Zum einen, weil es überhaupt nicht zu ihrem Stil passte. Und zum anderen, weil sie sich nicht lächerlich machen wollte. Denn auf ihrer Schule trug so gut wie Keiner eine Schuluniform. Nur einige Aussenseiter und Streber. Das Tragen dieser Uniform war für Leute wie Ava schlimmer als alle Hänseleien.

Deshalb sah Ah Alex sie jetzt auch äußerst ungläubig an. Auf dem Gesicht ihrer Mutter stand allerdings ein Ausdruck reinster Freude.

"Meinst du das ernst? Ach Ava, du weißt gar nicht, wie ich mich freue. Endlich läufst du auch mal etwas ... anders rum.," sagte sie erfreut und ging wieder aus dem Zimmer. "Ich habe die Uniform hier, komm mit."

Ava verzog das Gesicht scharf und folgte ihrer Mutter widerwillig. Alex allerdings blieb zurück. Er wollte seiner Freundin in einer solch peinlichen Szene lieber nicht zusehen. Also setzte er sich, schnappte sich seinen Rucksack und kontrollierte seine Unterlagen. Er wusste natürlich, dass er alle seine Schulsachen eingepackt hatte. Aber musste die Zeit ja irgendwie totschlagen. Er half Ava zwar bei den Recherchen, aber dies tat er nur, weil er sie nicht im Stich lassen wollte und ihr seine Freundschaft beweisen wollte. Insgeheim hielt er diese ganze Geschichte nämlich bloß für ein Hirngespinst. Ava redete ständig über übernatürlichen Mächten, Geistern, und ähnlichem Spuk. Sie interessierte sich einfach sehr für solche Sachen. Dies alles war natürlich eine gute Gelegenheit für sie, alles darauf zu schieben. Seine Gedanken behielt Alex aber lieber für sich. Zumindest fürs erste. Nach dem gestrigen Streit plus Versöhnung wollte er lieber nichts riskieren.

Nach einer Weile kam Ava dann zurück, mit der ungetragenen Schuluniform in den Händen.

"Oh mein Gott!", sagte Alex belustigt. "Du hast doch nicht etwa vor, dieses Ding da wirklich zu tragen?"

"Werd ich wohl müssen.," sagte Ava gereizt und kramte etwas in ihrer Kommode herum. "Aber dann kann ich wenigstens versuchen, etwas cool zu wirken. Hiermit." sie zeigte Alex eine Schere und einige Buttons, die sie aus der Kommode gekramt hatte. Dann nahm sie die Schere und versetzte dem Shirt der Uniform einen langen Schnitt unterhalb der Brust. Auch an den Ärmeln schnitt sie etwas herum. Die Buttons heftete sie an das Shirt und den Ärmeln. Dann schüttelte sie die Uniform aus und hielt sie hoch, um sich ihr Kunstwerk anzusehen.

"Und? Sieht doch einigermaßen verwegen aus? Komm, es wird Zeit."
 


 

Der Pausenhof war belebt wie immer. Überall standen und liefen Schüler und Schülerinnen, die redeten, lachten und lästerten.

"Und was machen wir als nächstes,?" fragte Alex "Sollen wir uns den Fahrradkeller mal ansehen?"

"Nein, ich werde mal sehen, ob ich jemanden ausquetschen kann. Vielleicht einen Lehrer." sagte Ava und sah dabei um sich. Sie wollte auf keinen Fall belauscht werden. Ihre Schuluniform führte sowieso schon dazu, dass sie belächelnde Blicke erntete. Sie wollte nicht auch noch als Verrückte abgestempelt werden.

Die Beiden ließen den überfülltesten Platz des Hofes hinter sich und näherten sich dem Raucherplatz. Was an sich fast noch schlimmer war, denn dort hielten sich nur die besonders beliebten Schüler auf. Und Ava war klar, dass sie wegen der Uniform wieder blöde Sprüche hören würde.

"Äh, Ava?," flüsterte Alex zögernd. "Du wolltest doch jemanden über diese Halle ausquetschen? Wie wärs mit der da?"

Er zeigte auf ein Mädchen, das beim Raucherplatz stand und genüßlich eine rauchte. Sie war ganz eindeutig auch ein Goth, wie Ava. Aber viel stylischer und auffälliger gekleidet als diese. Sie trug eine schwarze Lederjacke, darunter einen weiten, Pink und schwarz gefärbten Rock mit Rüschen, und an den Füßen hohe Schnürstiefel. Ihr schwarzes Haar trug sie offen. Es reichte ihr etwas über die Schulter und war damit länger als das von Ava. jedoch genauso glatt wie das ihre.

Neben ihr standen noch zwei andere Personen. Ein schlankes, zierliches Mädchen mit blondem Haar und ein blonder Junge, der gerade seine Brille putzte.

"Lisa? Du willst, dass ich LIsa anspreche?" fragte Ava und sah ihn fassungslos an. Sie sah ihn an, als hätte er gerade etwas sehr dummes getan.

"Wieso denn nicht?," setzte Alex überzeugt an. "Es ist doch bekannt, dass sie sich für Unheimliches und Unerklärliches interessiert. Übrigens genau wie du. Ich frage mich sowieso andauernd, wieso ihr nicht befreundet seid."

"Wieso sollten wir? Nur, weil wir zufällig die einzigen Gothics auf dieser Schule sind? Ich.... finde sie irgendwie Unheimlich. Ich weiß auch nicht..."

"Super! Du magst doch unheimliche Sachen. Also ran an den Speck."

Alex griff nach Avas Hand und zog sie mit sich, während er über den Raucherplatz flitzte, genau auf Lisa und ihren Kameraden zu. Ava protestierte natürlich lautstark und versuchte sich loszureißen. Aber nichts half, sein Griff blieb eisern.

Als sie sich ihr näherten, sah Lisa genervt auf und musterte die Beiden skeptisch. Auch ihre Freunde sahen die Beiden seltsam desinteressiert an.

"Hi.Na, ihr. Wie gehts denn so?" fragte Alex laut und sah in die Runde. Endlich ließ er Avas Hand los. Sie zog sie energisch zu sich und rieb sich ihr Handgelenk.

Lisa schien Alexs´ Frage überhaupt nicht mitbekommen zu haben. Sie sah ihn nur an, während sie still weiterrauchte.

"Wir wollten nur mal sehen, was ihr hier so treibt. Und wie es euch so geht." sagte Alex lächelnd, aber Ava traute ihren Ohren kaum. Was tat er da? Wollte er sich unbedingt blamieren?

"Verpiss dich, Hässlicher." sagte LIsa gelassen und wandte sich wieder ihren Freunden zu. Für sie war das Gespräch damit beendet.

Alex und Ava standen wie angewurzelt da und starrten sie nur an. Während Alex vor Scham errötete, errötete Ava vor Wut.

"Hey, kein Grund, um beleidigend zu werden. Er hat dir nichts getan!" sagte sie laut und patzig. Lisa sah nun wieder mit ihrem genervten Blick zu ihr. Es war ganz offensichtlich, dass sie keine Lust auf ein Gespräch hatte.

"Du bist diese Ava, oder? Die, die über den Schulhof stolziert und sich für was besseres hält.," sagte Lisa und sah Ava von Oben bis Unten an. "Aber wie ich sehe, bist du tief gesunken. Noch eine, die nicht zu sich selbst steht und sich lieber der Masse anpasst."

Da war er nun. Der Moment, in dem Ava es abgrundtief bereuen würde, diese bekloppte Schuluniform angezogen zu haben. Sie wandte sich energisch ab und lief mit zackigen Schritten davon. Alex schaute noch kurz zu Lisa und ihren Lakaien, folgte seiner Freundin dann aber schnell.
 


 

"Diese -," keifte Ava, als sie ihre Tasche auf ihren Stuhl warf. "Was bildet die sich ein?" Sie setzte sich auf ihren Tisch und verschränkte die Beine übereinander. Dass man hier in der Schule nicht auf Tischen sitzen durfte, interessierte sie gerade nicht sonderlich.

Alex hielt sich im Hintergrund. Er wusste, dass man sie in solchen Momenten lieber in Ruhe ließ.

Ava zog ihre Tasche zu sich heran und begann, ihre Unterlagen zu durchsuchen. Das war jetzt zwar nicht nötig, aber sie musste sich einfach ablenken. Sie hatte noch nie mit LIsa geredet, immer nur Erzählungen über sie gehört. Es wurde gesagt, sie sei sehr nett und hilfsbereit. Wo kamen diese Geschichten her? Ava begriff langsam, dass es nur Gerüchte sein mussten, von Leuten die sie gar nicht kannten.

Ob es wohl so war, dass Lisa sich von allen zurückzog, ausser von ihren Freunden? Wenn das der Fall war, hatte sie wirklich etwas mit Ava gemeinsam. Aber dieser Gedanke konnte Avas Wut im Moment auch nicht ändern.

Ava und Alex sahen gleichzeitig zur Tür, als diese sich öffnete und ein Mädchen eintrat. Sie sah die beiden über ihre roten Locken hinweg an.

"Oh. ich.." setzte sie erstaunt an, ging dann aber rückwärts wieder raus und schloss vorschtig die Tür.

"Was zum Henker war das denn?" sagte Ava.

"War das nicht diejenige, die letztens so allein rumgesessen ist?," fragte Alex. "Ich habe sie hier vorher noch nie gesehen. sie muss neu sein."

"Muss sie wohl," sagte Ava etwas desinteressiert und sprang vom Tisch. "Das ist aber egal gerade. Ich habe keine Lust mehr, hier untätig rumzusitzen. Ich suche jetzt jemanden, mit dem ich reden kann."

Alex machte sich schon bereit, ihr zu folgen, Ava hielt ihn jedoch schnell zurück.

"Nein, das mache ich besser alleine. Sorry." sagte sie nur.

Ohne seine Reaktion abzuwarten, verließ sie den Raum und lief mkt raschen Schritten zur Treppe. Sie wusste, wen sie suchen musste. Mrs McNab war stellvertretende Schulleiterin und Geschichtslehrerin. Wenn jemand die Geschichte des Kellers und der Halle kannte, dann sie. Ausserdem war sie eine der wenigenb Lehrer, mit denen Ava sich gut verstand.
 


 

Auf dem Schulhof suchte Ava nun schon seit einer halben Stunde nach der Lehrerin. AvaAber der Hof war menschenleer, denn der Unterricht hatte schon begonnen. Trotzdem suchte Ava weiter. Es war seltsam, dass sie sie hier nicht finden konnte. Denn Ava wusste genau, dass sie an diesem Tag Aufsichtsdienst auf dem Hof hatte, auch während der Unterrichtszeit. Mrs McNab war immer sehr zuverlässig, nur heute nicht. Es konnte aber auch gar nicht anders sein, bei Dem Pech, das Ava immerzu verfolgte.

Ava blieb entmutigt stehen und stemmte ihre Hände in die Hüften. Als sie entnervt aufstöhnte, spürte sie eine Hand, die sich von hinten auf ihre Schulter legte. Diesen sanften Handdruck kannte sie von Alex. Sie drehte sich um, um ihm ihre Enttäuschung zu zu zeugen. Aber sie erschrak und schreckte zurück. Denn vor ihr stand nicht Alex, sondern ein fremder Mann. Er war groß, schlank und hatte dunkelbraunes Haar, welches sich in seinem Nacken in einen kleinen Zopf wand.

Er sah ava mit seinen klaren Augen an. Viel zu klare Augen, dachte Ava.

Sein Alter war schwer einschätzbar. Er war recht jung, aber alt genug, um hier Lehrer sein zu können. Ava schätzte ihn auf knapp Dreizig, vielleicht auch ein wenig älter oder jünger.

Der Fremde nahm seine Hand von ihrer Schulter und grinste frech, als er ihr erschrockenes Gesicht erblickte.

"Ava, richtig?," fragte er ruhig. "Ich würde gerne etwas mit dir besprechen."

"Und woher kennen sie meinen Namen?" fragte Ava sachlich. Ihre Überraschung hatte sich soeben in Trotz verwandelt. Immer wollten alle mit ihr reden, wobei im Endeffekt sowieso nie etwas gutes dabei herauskam.

"Das erzähle ich dir unterwegs. Gehen wir ein Stück.

Ava lief wortlos neben dem Typen mit, bis ihr auffiel, in welche Richtung sie liefen. sie blieb stehen und sah ihn ungläubig an. Denn soeben hatte sie ihn wiedererkannt. Er war der Typ von Gestern Nacht. Der, der ihr in der unbekannten Halle begegnet war. Wieso hatte sie ihn nicht sofort erkannt?

"Du! Du bist der Typ von Gestern!," sagte Ava entgeistert. "Du willst mit mir reden? gut, reden wir über diesen ... Ort."

"Deshalb bin ich hier.," sagte der Mann und sein Gesichtsausdruck wurde etwas ernster. "Es gibt da einige Dinge, die wir klären müssen. Und das kann leider nicht warten."

Er lächelte wieder. " Ich bin übrigens Aiden."



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