Zum Inhalt der Seite

Zombiekönig widerwillen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 1 - Wie Dad die Geburtstagstorte total versaute

Autorenkommentar: Ja, ich weis ich sollte nicht schon wieder eine Story anfangen, wenn ich hier noch zwei Unbeendete rumliegen habe. Leider ist die Beziehung zwischen mir und meiner Muße recht kompliziert. Die Gute ist eine furchtbar sprunghafte Zicke, und während ich mich noch mit den Fortsetzungen für meine alten Geschichten abmühe, kommt sie schon wieder mit einer neuen Idee um die Ecke.

Um der Wahrheit den Vorrang zu geben: Ich brauchte einfach mal was Lustiges. Natürlich werde ich auch an meinen anderen Geschichten weiterschreiben. Seht diese Story einfach als eine Art Auflockerung zu den eher ernsten Thematiken, meiner anderen Storys.

Noch eine kleine Warnung an jene, die meine Kurzbeschreibung nicht gelesen und/der verstanden haben: Dies ist keine Fantasy-Story im klassischen Sinne. Ich werde wahrscheinlich so ziemlich jedes Clicheé der klassischen Fantasy- und Horror-Monster auf die Schippe nehmen, dessen ich habhaft werden kann. Wenn Ihr also auf der Suche nach ­ernsthaftem Fantasy seid, sucht woanders. Wenn Ihr allerdings nichts dagegen habt, mal ordentlich zu lachen, dann wünsche ich Euch ab jetzt viel Spaß beim Lesen.

Kleiner Hinweis noch. Es werden immer wieder lateinische Begriffe auftauchen. Ich muss zu meiner eigenen Schande zugeben, dass ich diese mit Hilfe von Google Übersetzer zusammengestellt habe. Die Latein-Cracks unter Euch mögen es mir also verzeihen, wenn da Fehler drin sind, die Euch ­die Zehennägel umrollen.

____
 

Kapitel 1 oderWie Dad die Geburtstagstorte total versaute
 

Hallo, mein Name ist Rex Inmortuis, der Jüngere, aber meine Freunde dürfen mich Rex nennen. Alle anderen nennen mich Loser. Eigentlich bin ich ein ganz gewöhnlicher Teenager. Naja, vielleicht nicht ganz so gewöhnlich, wie gewöhnliche Teenager, aber ich finde schon, dass ich zumindest gewöhnlicher bin, als andere Teenager in meinem Alter. Jeder hat doch so seine kleinen Stories, die ihn vom Rest der Masse unterscheiden. Bei mir ist es nicht anders. Da wäre zum Beispiel die Sache mit der Krone, oder die Vampir-Assassinen, ganz zu schweigen von meiner Verlobung!

Aber vielleicht sollte ich erst einmal von vorn anfangen. Bis zu meinem sechzehnten Geburtstag verlief mein Leben relativ normal. Meine Mutter ist kurz nach meiner Geburt an einem schweren Fall von Sonnenallergie gestorben und seither lebe ich allein mit meinem Vater, einem schwerbeschäftigten Diplomaten und Jasper, unserem steinalten Butler in einer zugigen Burgruine. Warum mein Vater, der genug Geld hat, um seinen Sohn an eine der teuersten Privatschulen des Landes zu schicken, es vorzog in diesem gruseligen, vom Einsturz gefährdeten und vor allem kalten Gemäuer zu leben, anstatt mit mir in ein bequemes Einfamilienhaus zu ziehen, war mir schon immer ein Rätsel.

"Es ist halt ein Familienerbstück", pflegte er immer zu sagen, wenn ich ihn darauf anspreche. Überhaupt haben wir eine Menge schräger Dinge von Vaters Familie geerbt, den Namen zum Beispiel. Ich meine, mal ehrlich, welcher normale Brite heißt denn bitte "Inmortuis" mit Nachnamen. Das klingt doch wie eine Geschlechtskrankheit. Aber Vater ist total stolz auf den Namen und erzählt mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit, was für eine unglaublich alte und erwührdige Familie wir doch seien. Naja, immerhin schienen meine Vorfahren einen gewissen Sinn für Humor gehabt zu haben. Ich meine, schaut euch doch nur mal unser Familienwappen an: Ein goldener Sarg auf schwarzen Hintergrund und auf dem Sarg ein tanzendes Skelett mit Krone. Aber das Beste an dem Wappen war das Familienmotto, das auf einem Banner unter dem Wappen geschrieben stand: "Mors solum initium est."

Ich kann kein Latein, aber mein Geschichtslehrer, Mr Grimey schon. Als ich mir den Spruch von ihm habe übersetzen lassen, habe ich tierisch gelacht. Es war vielleicht ein Bisschen makaber, aber Humor hatten meine Vorfahren allemal. Leider war das auch schon das einzig coole an unserem Erbe. Meine Klassenkameraden teilten vor allem meine Meinung bezüglich meines Nachnamens, sehr zu meinem Leidwesen und aufgrund unser ungewöhnlichen Wohnsituation und meinem zugegebenermaßen ziemlich krassen Hang zu dummen Unfällen, hält sich das hartnäckige Gerücht, ich sei von irgendeinem Schlossgeist verflucht. Kurzum, fast die ganze Schule mied mich, oder machte sich über mich lustig. Einzig Jason Underwood stand zu mir, aber der zählte nicht wirklich. Klar, Jason ist schon ein klasse Kumpel, der keinen Hehl daraus machte, dass ihm mein angeblicher Fluch überhaupt keine Angst machte. Aber das lag daran, dass Jason ein Paranormal-Nerd war, der stand auf solche Sachen. Ehrlich, wenn der erstmal so richtig über Flüche und Geister und solchen Kram zu schwärmen anfing, fühlte ich mich mit meinem Eventuell-Fluch fast schon sexuell belästigt. Aber er war leider auch der Einzige, der überhaupt mit mir sprach. Wenn sich einer meiner Mitschüler dazu harablies mit mir zu sprechen, dann beschränkte sich das meist auf maximal ein bis zwei Sätze:

"Fass mich nicht an, Loser! Sonst trifft mich noch dein Fluch."

"Na Loser, wie geht's deinen Spukgespenst?"

"Mach Platz Loser, oder fall am besten gleich tot um."

Achja und dann war da noch SIE: Gabriella de Caelo, das wahrscheinlich schönste Mädchen, das je ihren zierlichen Fuß auf britischen Boden gesetzt hatte. Sie hatte lange, blonde Locken, strahlend blaue Augen und ein Lächeln, dass selbst den härtesten Macho dazu erweicht hätte, stundenlang Arien über Gabriellas Glanz zu singen. Sie ist die Frau, die ich einmal heiraten werde. Sie weiß es nur leider noch nicht. Jedes mal wenn ich ihr auf dem Gang begegne und sie mit einem unglaublich männlichen "Hi, Gabriella" grüßte, sah sie mich an, als fiele ihr gerade jetzt ein, dass sie etwas Schlechtes gegessen hatte und lief in einem großen Bogen an mir vorbei. Es war unser kleines Ritual. Einmal ging sie sogar soweit, mich direkt anzusprechen.

Sie sagte: "Fall tot um, Inmortuis."

Ich wäre fast in Ohnmacht gefallen. Gabriella kannte meinen Namen. Wäre ich in dem Moment tatsächlich tot umgefallen, wäre ich zumindest glücklich gestorben.

Nunja, das war jetzt ungefähr mein gesamtes bisheriges Leben, so im Groben und Ganzen. Fügt noch einen schwer beschäftigten Vater hinzu, der wegen seines Jobs als unglaublich wichtiger Diplomat fast andauernd auf Reisen war und schon habt ihr die Story meines Lebens. Zumindest bis zu meinem sechzenten Geburtstag. Von da an lief alles irgendwie schief - mehr oder weniger.

Es begann schon am frühen Morgen. Jasper fährt mich jeden Morgen in die Schule. Ich habe mich schon immer gefragt, warum er in seinem Alter überhaupt noch hinterm Steuer sitzen durfte. Sein genaues Alter kannte ich zwar nicht, aber jeder, der ihn sah, wusste, dass er bereits steinalt sein musste. Er lief immer leicht gebeugt und zog sein linkes Bein ein wenig nach. Seine Hände und sein Gesicht waren nicht einfach nur faltig, sie sahen aus, als hätte man zerknülltes Butterbrotpapier um seine Knochen gewickelt. Seine Stimme war immer heiser und klang irgendwie... staubig. Und er roch immer leicht muffig, wie eine Mischung aus Keller und Mottenkugeln. Wenn Jasper so durch die Gegend schlurfte, wurde er manchmal von Schnecken überholt. Überraschenderweise traf das nicht auf seinen Fahrstil zu. Wenn er hinterm Steuer saß, verwandelte er sich in den Schrecken der Straße. Er brach so ziemlich jede Geschwindigkeitsbegrenzung und wenn ihm ein anderer Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt stahl, dann fluchte er schlimmer als ich es in jeder Vormittagstalkshow jemals gehört hätte. So auch an diesem Tag. Ich klammerte mich an meinen Sitz und war furchtbar dankbar für den Sicherheitsgurt, der wenigstens etwas verhinderte, dass ich mir bei Jaspers Fahrstil diverse blaue Flecke holte. Unser Wagen bretterte um die Kurven als wären wir auf einer Verfolgungsjagd nach Bond-Manier. Dann geschah es. Auf einer Brücke, die über einen recht breiten Fluss führte, versuchte ein Kleintransporter ein Überholmanöver. Das war auf diesem Streckenabschnitt zwar verboten, aber für die Gegend hier nicht ungewöhnlich. Als der Laster dann aber ungefähr auf gleicher Höhe mit uns war, schwenkte er plötzlich kräftig aus und rammte uns mit voller Breitseite. Es war vermutlich nur Jaspers stuntmanreifen Fahrkünsten zu verdanken, dass wir nicht gleich über die Brücke flogen und im Fluss landeten. Unser Butler fluchte auf selbst für ihn äußerst obszöne Weise und schaffte es mit einem gewagten Lenkmanöver den Wagen auf der Spur zu halten. Aber der andere Wagen war noch nicht fertig. Kaum hatte Jaspers wieder alles unter Kontrolle, rammte uns das blöde Ding schon wieder. Ich fragte mich langsam, ob der Fahrer des Wagens total besoffen oder komplett weggetreten war. Als der Wagen uns ein drittes Mal zu rammen versuchte, war Jaspers vorbereitet. Er steurte gegen und trat aufs Gaspedal. Das brachte den Transporter dermaßen ins Schlingern, dass Jaspers auf die Bremse treten musste, um nicht doch noch so richtig erwischt zu werden. Als sich der andere Wagen auf der Straße schließlich quer stellte, trat der alte Butler wieder aufs Gas und fuhr lautstark triumphierend an dem Wagen vorbei. Ich versuchte einen Blick in die Fahrerkabine zu erhaschen, in der Hoffnung den Grund für dieses Abenteuer zu erfahren, sah aber seltsamerweise niemanden.

"Jaspers, sollten wir nicht lieber anhalten und einen Notarzt rufen? Vielleicht ist der Fahrer verletzt."

"Seien sie unbesorgt, junger Herr! Sobald dieser alte Butler sie sicher zur Schule gebracht hat, knöpfe ich mir diesen Halunken vor. Darauf können Sie sich verlassen."

Das war irgendwie nicht ganz was ich gemeint hatte. Ich warf noch einen besorgten Blick zurück, aber der Transporter war verschwunden. Sehr seltsam.

In der Schule erzählte ich erstmal Jason von meinem Abenteuer. Natürlich war er gleich Feuer und Flamme und spann die irrsinnigsten Geistertheorien, von den rachsüchtigen Geistern die auf dieser Strecke verünglückten, bis hin zum bösen Zauber einer Wassernixe.

"Oder es war sogar der Transporterfahrer des Todes, dessen Lieferung heute noch nicht ausreicht und der deshalb spontan entschieden hat, euch auch gleich mit einzusacken!"

"Transporterfahrer des Todes? Ernsthaft, Jason?"

Und mit einem Mal waren die Schrecken der vergangenen Stunde wie weggeblasen, denn am zweiten Tisch in der Fensterreihe saß SIE. Gabriella de Caelo war so makellos und wunderschön wie eh und je. Ihre blonden Locken trug sie heute zu einem niedlichen Pferdeschwanz gebunden und sie lächtelte so zuckersüß aus dem Fenster, dass man meinen wollte, heute wäre ihr Geburtstag, nicht meiner. Ehrlich, ich hätte nur zu gern alle meine Geburtstagsgeschenke an sie abgetreten, wenn sie mich dann auch so angelächelt hätte.

"Hi, Gabriella."

Mit einem Schlag änderte sich ihre Stimmung. Sie drehte sich zu mir und ihr Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck von - war das Empörung oder Enttäuschung?

"Bist du immernoch nicht tot, Inmatius?"

Sobald wir uns auf unsere Plätze gesetzt hatten, drehte sich Jason mit großen Augen zu mir um

"Alter, was war das denn?"

"Was meinst du?"

"Ich meine Gabriella! Hast du ihr denn nicht zu gehört?"

"Ja. Sie hat mit mir geredet. Schön, nicht?"

"Halloho? Erde an Rex! Kannst du mal für fünf Minuten dein hormonverseuchtes Gehirn auf Normalbetrieb umschalten? Weißt du nicht mehr was sie gesagt hat? Alter, das klang grad so, als wüsste sie von der Sache mit dem Transporter heute morgen. Das ist ja wohl voll gruselig!"

"Du spinnst, Jason!"

Als wenn irgendwas an Gabriella gruselig sein könnte. Überhaupt, wie hätte sie denn von dem Transporter wissen sollen. Jason las eindeutig zuviele Bücher über Verschwörungstheorien. Leider konnte ich seine Worte auch nicht einfach vergessen. Wahrscheinlich kam es mir deshalb so vor, als würde mich Gabriella heute ganz besonders oft böse anfunkeln. Es wirkte beinahe als ob irgendetwas überhaupt nicht nach ihren Vorstellungen lief und sie gab mir ganz allein die Schuld dafür. Der Schultag an sich verlief relativ ereignislos. Wie immer wurde ich von allen gemieden und verdrückte mich in der Hofpause mit Jason in die Schulbibliothek.

Da mein Geburtstag diesmal an einen Freitag war, hatten Jason und ich uns entschieden, nach der Schule gemeinsam zu mir zu gehen, um zu feiern. Er wollte dann das Wochenende bei mir verbringen, wo wir uns die komplette Doku-Reihe der "Ghosthunters" reinziehen wollte. Unnötig zu sagen, dass das Jason's Vorschlag war.

Auch die Heimfahrt über geschah nichts Außergewöhnliches - nirgends eine Spur von dem Brutalo-Kleintransporter.

Zuhause erwartete mich dann die nächste Überraschung: Dad war da. Gut, er wohnte hier, aber meistens war er auf irgendwelchen diplomatischen Reisen und konnte dann tagelang nicht heimkehren, selbst wenn es mein Geburtstag war. Aber jetzt stand er hinter dem völlig überladenen Gabentisch und zündete gerade die letzte Kerze auf meiner Torte an: Eine Nutella-Torte. Die hab ich am Liebsten. Dad trug einen teuren cremefarbenen Armani-Anzug, ein wenig zu dick aufgetragen für meinen Geschmack, selbst für meinen Geburtstag. Als er mich und Jason sah, kam er feierlich lächelnd auf uns zu. Ernsthaft, er tat gerade so, als hätte ich den Pulitzerpreis gewonnen. Dabei war es bloß mein Geburtstag und das war ja wohl eher seine Leistung als meine.

"Rex, mein Junge! Alles Gute zum Geburtstag!"

"Dad, was machst du hier?"

"Was denn? Darf ich nicht mal mehr den Geburtstag meines eigenen Sohnes feiern wollen?"

"Ich dachte, du wärst unterwegs in diplomatischer Sache in... Norwegen, oder so."

"Finnland, mein Junge. Aber das war nur eine reine Formsache. Man hatte dort selbstverständlich Verständnis dafür, dass ich den Geburtstag meines Sohnes lieber zuhause verbringen möchte."

"Wurdest du gefeuert?"

"Was? Nein, wie kommst du denn auf so einen Unsinn?"

Okay, nach allem was ich heute schon erlebt habe, hätte es mich nicht gewundert, wenn sich herausstellte, dass mein Dad von Aliens entführt wurde und das dort sein böser Klon war.

"Dad! Du brichst nie eine Dienstreise ab!"

"Ach, papperlapapp! Komm jetzt setzt euch doch endlich. Dein Freund Jimmy will sicher auch endlich von deiner Geburtstagstorte kosten."

"Jason, Sir."

Jason war es bereits gewohnt, dass sich mein Vater seinen Namen partout nicht merken konnte. Es war gewissermaßen zu einem Ritual zwischen ihnen beiden geworden, dass Jason Dad immer wieder verbesserte. Dementsprechend routiniert winkte Dad auch ab und schob uns beide zu den Stühlen, nur um sich selbst wieder vor die Torte aufzustellen, bereit eine feierliche Rede zum Wunder meiner Geburt zu halten. Dass Dad immer so maßlos übertreiben musste.

"Jaja, wie auch immer. Jetzt bin ich jedenfalls hier und ich bin mir sicher Jerry-...", "Jason", "-hat auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ich mit euch Jungs mal so richtig die Sau raus lasse."

"Dad!"

Also wirklich, warum war Dad nur immer so peinlich? Ich meine, klar freute ich mich darüber, dass Dad da war, aber musste er deswegen gleich einen auf Kumpel machen? Und überhaupt, wer sagt denn bitte schön heute noch "die Sau rauslassen"?

"Schon gut. Es muss dir nicht unangenehm sein, mein Junge. Ich bin nur so unsagbar stolz auf dich! Ich meine, Sechzehn, welcher Junge in deinem Alter kann schon von sich behaupten, so alt geworden zu sein?"

"So ziemlich jeder, Dad."

Meine Herren, er drückte heute aber auch ordentlich auf die Tränendrüse. Er war so gefangen in seinem väterlichen Stolz, dass er überhaupt nicht merkte, dass der Ärmel seines sauteuren Anzuges den Kerzen auf meiner Torte gefährlich nahe kam.

"Ich meins ernst, Rex. Sechzehn, das ist ein sehr wichtiges Alter. Die größten Männer der Geschichte haben mit Sechzehn..."

"Dad."

"Lass mich ausreden. Also, sie haben mit Sechzehn alle Entscheidungen getroffen, die für ihr späteres Leben sehr wichtig waren und..."

Sein Ärmel begann langsam zu schwelen. Dass er das nicht merkte, vor allem, weil ich den Gestank von verbranntem Stoff bis hier riechen konnte, war mir unbegreiflich.

"Dad!"

"Gleich, mein Junge! Was ich damit sagen will. Ich bin so stolz, dass du mein Sohn bist. Heute an deinem sechzehnten Geburtstag wirst du endlich..."

"DAD!!!"

"Was denn?"

"Du brennst!"

Mittlerweile stand der ganze Arm in Flammen. Ehrlich, sowas muss doch höllisch weh tun! Aber Dad schaute nur überascht seinen Arm an und machte dann ein Gesicht, als hätte der Hund gerade das Begonien-Beet umgegraben.

"Oh, verflixt!"

Dann ging alles ganz schnell. Mit einem Mal hüllten die Flammen ihn komplett ein, färbten sich kurz giftgrün und im nächsten Moment lag da, wo eben noch mein Dad gestanden hatte, ein Häufchen Asche.

Jason und ich starrten fassungslos auf den Haufen, der mal mein Dad war.

"Alter!"

"Ja."

"Dein Dad ist gerade..."

"Ja."

"Einfach WOSCH und das wars."

"Ja, Mann! Ich hab's gesehen, okay? Was mache ich denn jetzt!?"

"Ähm, also einen Krankenwagen rufen, wird jetzt wohl nichts mehr bringen."

"Was du nicht sagst, Sherlock!"

Es war echt unglaublich. Wenn du nicht gerade wissen wolltest, ob du von einem Poltergeist oder einem Schreck angegriffen wurdest, dann war Jason so ziemlich der nutzloseste, beste Freund, den man haben konnte. Zugegeben, ich war auch nicht viel besser. Ich stand wohl einfach unter Schock. Ich meine, mein Dad war gerade in Flammen aufgegangen, das kann einen schon ziemlich überforden. Ich konnte die ganze Situtation überhaupt nicht begreifen. Normalerweise sollten Menschen doch nicht so schnell verbrennen, oder? Und überhaupt diese sündhaft teuren Anzüge sind doch eigentlich aus feuerresistenterem Material, oder!? Ich war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich starrte einfach nur fassungslos auf das Häufchen Dad vor mir.

"Vielleicht sollten wir ihn erstmal... auffegen?"

Jetzt starrte ich Jason fassungslos an.

"Was!?"

"Na ich meine, bevor er sich in den Teppich reibt oder so. Asche tut man doch normalerweise in Vasen oder kippt sie ins Meer, nicht?"

"Eh, ja... ich glaube... ja... Das ist eine gute Idee! Jason, du kehrst Dad zusammen und ich hole Jasper!"

Damit stürmte ich aus dem Zimmer, nicht gerade meine größte Heldentat, das muss ich zugeben, aber ich wollte einfach weg von diesem Anblick. Auf dem Weg zur Eingangshalle rief ich lautstark nach unserem Butler. Endlich kam der Gesuchte aus der Küche geschlurft und trocknete sich seine Hände an seiner Schürze ab.

"Ihr habt nach mir gebrüllt, junger Herr?"

"Jasper, komm schnell! Dad ist verbrannt!"

"Ach, wie ungschickt von ihm. Ich hoffe, er hat nicht wieder die Polster eingesaut."

Jasper hätte in diesem Moment ein zweiter Kopf wachsen können, es wäre nicht verstörender für mich gewesen.

"Jasper, ich mein's ernst! Dad ist gerade in Flammen aufgegangen! Einfach so! Jetzt ist er nur noch Asche! Er..."

"Beruhigt euch, junger Herr! Ich bin mir sicher, das bekommen wir schon wieder hin. Ist nicht das erste Mal, dass sich der hohe Herr in eine brenzlige Situation gebracht hat."

Hat Jasper gerade ernsthaft einen Wortwitz gemacht? Mein eigener Vater ist gerade vor meinen Augen zu einem Haufen Dreck verbrannt und mein Butler reißt Witzchen!? Ehe ich eine angemessen schockierte Reaktion zustande brachte, schob mich Jasper wieder die Treppe rauf.

"Gehen wir erst einmal hinauf und sehen wir, dass wir ihren Vater wieder auf die Beine bekommen."

Als wir vor der Tür zum Speisesaal erreicht hatten, hörten wir von drinnen einen erstickten Schrei und lautes Geschepper. Alarmiert riss ich die Tür auf und fand Jason in einer ziemlich seltsamen Pose, auf einem Bein stehend mit den Armen rudern, panisch um Gleichgewicht bemüht. Vor ihm auf den Bodenfliesen lag meine zertrümmerte Geburtstagstorte, die Kehrschaufel und der Kehrbesen. Feine grauweiße Flocken rieselten langsam auf die breiige Nutella-Masse nieder.

"Sorry, man! Ich glaube, ich habe grad deinen Dad mit deiner Torte gemischt."

Hinter mir schnalzte Jasper missbilligend mit der Zunge.

"Also das könnte sich jetzt doch etwas schwieriger gestalten."

Zombie ist vererbbar

[style type="underlined"]Kapitel 2 [style type="italic"]oder[/style] Zombie ist vererbbar[/style]
 

Jasper war so alt, wie unerschütterlich. Ich glaube, ohne ihn wäre meine Familie schon vor Jahrzehnten jämmerlich untergegangen. Innerhalb weniger Minuten hatte er mich und Jason in die Küche verfrachtet und mit heißer Schokolade versorgt, um über den Schock hinweg zu kommen. Er selbst ging zurück in mein Zimmer um die Reste von Dad und meiner Geburtstagstorte aufzukehren. Jason und ich sprachen kein Wort miteinander. Wir tranken einfach unsere heiße Schokolade und vermieden es, einander anzusehen.

Nach ein paar Minuten kam Jasper zurück, die Ärmel hochgekrempelt und in der Hand einen Plastikbeutel, der sehr wahrscheinlich meinen Dad enthielt.

"Herrjeh! Ihr Vater ist wirklich ein Magnet für Missgechicke, junger Herr. Und ausgerechnet an Ihrem sechzehnten Geburtstag. Das er sich nicht einmal an so einem wichtigen Tag zusammenreißen kann."

Ich wusste immer noch nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass mein Butler sprach, als wären eingeäscherte Familienoberhäupter unter alltägliche Missgeschicke einzuordnen. Besonders da ich selbst mit viel existentielleren Problemen zu kämpfen hatte.

"Jasper, was passiert jetzt mit mir? Ich meine, wenn Dad... komme ich ins Heim?"

Diese Frage schien ihn tatsächlich zu überraschen. Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und schnalzte dann mit der Zunge, als hätte ich etwas sehr Albernes gesagt.

"Wie kommen Sie denn darauf? Nur weil der hohe Herr vorrübergehend verhindert ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie ins Heim müssen."

"Vorrübergehend verhindert? Jasper, mein Vater ist nicht einfach auf Geschäftsreise! Er ist tot! Verbrannt! Ex und Hopp! Der kommt nicht wieder!"

"Ja kann es denn sein, dass Ihr Vater Ihnen noch nichts gesagt hat?"

"Was gesagt?"

"Und dass, wo er sich doch extra frei genommen hat, um in aller Ruhe mit Ihnen darüber reden zu können."

"Worüber reden?"

"Also, das ist wirklich wieder typisch für Ihren Vater! Gerade, weil doch heute so ein ausgesprochen wichtiger Tag ist. Würde mich nicht wundern, wenn er das alles nur inszeniert hat, um sich der Verantwortung zu entziehen. Dabei weiß er doch ganz genau..."

"Jasper!"

"Ja, junger Herr?"

So langsam war ich es leid. Der Alte redete und redete, als müsste ich über alles Bescheid wissen, ohne mir auch nur andeutungsweise zu erklären, worüber ich eigentlich Bescheid wissen soll. Mit einem ziemlich unschönen Geräusch knallte ich meine Tasse auf den Tisch und funkelte Jasper finster an.

"Es wäre wirklich sehr hilfreich, wenn du mir endlich sagen würdest, worum es überhaupt geht! Ich meine, Dad ist ja ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage dazu."

Jasper wedelte ungeduldig mit der Hand.

"Oh, ach das! Nun, um es kurz zu machen, junger Herr, Sie sollten heute ofiziell als Thronfolger des Königs der Untoten anerkannt werden."

Man kann sich sicherlich denken, was in meinem Kopf vorging. Einerseits hielt ich das ganze für einen wirklich sehr schlechten und ausgesprochen makaberen Scherz. Andererseits habe ich Jasper Zeit meines recht kurzen Lebens noch nicht ein einziges Mal beim Scherzen erwischt. Während ich noch versuchte, diese neue Information zuzuordnen, füllte Jasper in aller Ruhe meine heiße Schokolade nach.

"Du willst mir jetzt allen Ernstes sagen, mein Dad ist ein... ein Zombiekönig?"

"Nunja, genau genommen ist Ihr Herr Vater der Regent aller Untoten. Zombies machen in seiner Gefolgschaft aber eine durchaus beachtliche Menge aus, ja."

"Das ist ja sowas von abgefahren!"

Jasper und ich sahen uns für einen Moment verwirrt an, bis wir realisierten, dass es Jason war, der gesprochen hatte. Mein bester Freund hatte den bisherigen Wortwechsel dermaßen still verfolgt, dass wir seine Präsenz schlicht vergessen hatten. Jetzt saß er auf dem vordersten Rand seines Stuhls, umklammerte seine Tasse, als wäre es der heilige Gral höchst selbst und sah mich mit vor Begeisterung geweiteten Augen an.

"Man ey, Rex! Das ist echt krass! Dein Vater der König der Untoten, enorm! Das heißt doch dann im Rückschluss, dass du eigentlich auch Untot bist, oder? Was bist du? Ein Vampir? Ein Geist? Nein warte, ich will's erraten... Eine Banshee vielleicht... Nee, wohl eher nicht. Du könntest ein Schreck sein, aber dafür bist du nicht körperlos genug..."

"So erheiternd Ihre Ideen auch sind, Mister Underwood, liegen sie doch gänzlich daneben. Der junge Herr ist natürlich ein Zombie."

"WAS!?"

Jason und ich ließen unserem Unglauben in perfekter Synchronität verlauten. Zombie, war ja nun wirklich, das Letzte was wir glauben konnten. Jedes Kind kennt doch heutzutage, dem Fernsehen sei Dank, die allgemeine Definition der Zombies: Halbverfaulte, stinkende Leichen, die ohne Sinn und Verstand durch die Gegend wankten und sich von menschlichen Gehirnen ernährten. Das passte so überhaupt nicht auf mich. Erstens war ich nicht halbverfault und stinkend. Ich achtete sogar mit einer geradezu pingeligen Reinlichkeit darauf, dass ich nicht einmal ansatzweise unangenehm müffelte. Und zweitens esse ich keine menschlichen Gehirne. Ich mag ja nicht einmal die Kaninchenhirnsuppe, die Jasons Mutter manchmal zu besonderen Anlässen kochte. Selbst, wenn Jason gern mal behauptete, ich würde mich in der Nähe von Gabriella in einen liebeskranken Zombie verwandeln, sprach eigentlich so ziemlich alles dagegen, dass ich ein Zombie sein sollte.

Doch Jasper ließ sich nicht beirren. Mit einer feierlichen Miene, die an seinem sonst immer recht verschlafen schauendem Gesicht, ziemlich deplatziert wirkte, bekräftigte er seine Aussage noch einmal.

"Ganz recht! Der hohe Herr, Rex Inmortuis, der Sanftmütige ist der zwölfte Regent aller Untoten Völker. Als Sohn der altehrwürdigen Familie Inmortuis, ist er, wie schon seine Vorväter vor ihm, ein vollwertiger Zombie, der edelsten Klasse. Folglich ist sein Sohn, Rex Inmortuis, der Jüngere, natürlich auch ein Zombie. Selbst wenn die autonome Gesellschaft der Vampire, aufgrund der Herkunft ihrer verehrten Frau Mutter, möge sie in Frieden ruhn, gern etwas anderes behaupten möchte."

Jason war hin und weg. Er klebte förmlich an den Lippen meines Butlers und sprach jedes seiner Worte lautlos nach. Während ich noch versuchte, die neuen Informationen zu verarbeiten, hauchte er ein verträumtes 'abgefahren'. Mein Butler räusperte sich, sichtlich erfreut über die ungeteilte Aufmerksamkeit meines besten Freundes. Bevor Jason noch auf die Idee kam mir spontan seine unsterbliche Nerdliebe zu erklären, musste ich mir schnell etwas einfallen lassen, um das verbale Ruder wieder an mich zu reißen.

"Das klingt ja alles schön und gut, aber kannst du das auch beweisen?"

Im Nachhinein hätte ich eigentlich bereits ahnen können, dass ich diesen Kampf verloren hatte. Das geheimnisvolle Lächeln auf Jaspers Gesicht und die Art wie er selbstzufrieden seine Ärmel wieder herunter krempelte, hätten mir Hinweis genug sein müssen.

"Nun, wie wäre es, wenn wir einfach Ihre Vorfahren fragen, junger Herr?"

"Und wie soll das gehen? Den letzten, mir bekannten Vorfahren trägst du gerade in einem Plastikbeutel herum."

Besagten Plastikbeutel umsichtig in den Kühlschrank stellend, bedeute er Jason und mir aufzustehen.

"Folgen Sie mir."

Neugierig, wie Jasper diese Unterhaltung mit meinen Vorfahren bewerkstelligen wollte und auch ein wenig besorgt, er könnte es tatsächlich schaffen, stieg ich schließlich, Jason im Schlepptau, hinter meinem Butler die Treppe zum Keller hinab. Mir war anfangs nicht ganz klar, was Jasper ausgerechnet im Keller wollte. Ich war schon unzählige Male dort unten gewesen und außer verschiedenen angestaubten Möbeln, meinem Fahrrad und ein paar Gläsern Apfelmus gab es dort unten nichts zu sehen.

Unten angekommen gingen wir an all diesen Dingen zielstrebig vorbei, bis wir vor der Wand stehen blieben, die der Treppe genau gegenüberlag. Ich sah den alten Butler, dessen geistige Zurechnungsfähigkeit ich zunehmend bezweifelte, ratlos an.

"Und was wollen wir hier?"

Doch noch ehe Jasper zu einer Antwort ansetzen konnte, meldete sich Jason, der die Nachricht, dass sein bester Freund angeblich ein Zombieprinz sei, scheinbar erfolgreich verarbeitet hatte, zu Wort.

"Mensch Rex, das ist doch offensichtlich! Hast du dich denn nie gewundert warum die Burg deiner Familie so riesig ist, euer Keller aber nicht einmal halb so groß, wie eure Eingangshalle? Hier gibt's bestimmt irgendwo einen geheimen Mechanismus, der die Tür zu einer geheimen Gruft oder so öffnet!"

Also Gedanken habe ich mir schon manchmal gemacht, aber welcher halbwegs normal denkende Mensch, würde da denn bitte an geheime Gruften denken? Sowas gab's doch nur in billigen Horrorstreifen und Abenteuerfilmen. Wobei, wenn man's ganz genau nahm, traf das auch auf Zombies zu.

Jasper hüstelte trocken, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.

"Wenn Sie bitte einen Schritte von der Wand weg gehen würden, Mister Underwood."

Kaum tat Jason wie geheißen, drückte Jasper auf einen Stein in der Wand, der besonders dadurch hervorstach, dass er sich, anders als seine umliegenden Artgenossen, die allergrößte Mühe gab, wie ein ganz durchschnittlicher Stein auszusehen. An dieser Stelle erwartet man eigentlich ein dumpfes Rumpeln, oder das ferne Rasseln von Ketten, die unbekannte Mechanismen betätigen. Zumindest aber das trockene Schaben von Stein auf Stein. Tatsächlich aber ertönte ein kurzes Gebimmel, nachdem sich die Wand neben dem Stein lautlos zur Seite bewegt hatte und den Blick auf einen verspiegelten Raum von ca vier Quadratmetern Fläche freigab. Eine Frauenstimme, die klang, als hätte die Dame seit 80 Jahren ununterbrochen kettengeraucht, verkündete emotionsneutral: "Kellergeschoss. Zu den Kerkern eins bis fünf drücken Sie bitte U1. Zu den Kerkern sechs bis zehn drücken Sie bitte U2. Zur Familiengruft drücken Sie bitte G1. Zur Grabstätte des ersten Ahnen drücken Sie bitte G2."

Während wir den vermeintlichen Fahrstuhl betraten, versuchte Jasper mit etwas verlegener Miene den unsäglichen Anachronismus zu erklären.

"Ihr Herr Vater ist der festen Ansicht, um sein Volk in die moderne Zeit führen zu können, müsse er zuerst bei sich selbst anfangen. Aus nostalgischen Gründen wurde allerdings zumindest das Treppenlabyrinth zum westwertigen Eingang der Gruft erhalten."

So fuhren wir dann mit einem hochmodernen Fahrstuhl, der sogar mit der obligatorischen und grässlich entnervenden Fahrstuhlmusik ausgestattet war, hinunter zur Gruft meiner Familie. Unten angekommen wurden wir erneut enttäuscht. Statt, wie erwartet, staubigen Verwesungsgeruch zu atmen, roch es dezent nach Zitrone und Desinfektionsmittel. Zumindest mit steinernen Sarkophargen wurde hier nicht gegeizt. Links und rechts die Wände entlang standen die Särge aufrecht, nur gelegentlich von der einen, oder anderen Urne unterbrochen, hinter verschlossenen Schaukästen aus Panzerglas. Ein wenig beunruhigend war die Tatsache, dass sich die Schaukästen auch von innen verschließen ließen. Jasper ging an den Grabstätten meiner Vorfahren vor bei, wobei er mir jeweis erklärte, wer darinnen zu finden war. Zuerst meine Mutter - eine Urne - dann kamen meine Großmutter und mein Großvater, die sich wohl schon zu Lebzeiten so wenig leiden konnten, dass zwischen Ihren Glaskästen noch zusätzlich eine schmucklose Betonwand stand. Ich lernte die Särge diverser Onkel, Tanten, Großtanten, und Großonkel, Urgroßmütter und Familienoberhäupter kennen. Unnötig zu erwähnen, dass ich mir kaum einen Namen gemerkt habe. Schließlich blieben wir vor einem Steinsarg stehen, der sich nur dadurch von den anderen unterschied, dass der Deckel schon reichlich ramponiert aussah. Grad so, als wäre er schon des öfteren runtergefallen. Jasper öffnete den Schaukasten und bedeutete uns hinter ihn zu treten, nachdem er sich selbst ein wenig seitlich zur Öffnung positioniert hatte, als hätte er Angst, ihn würde gleich etwas aus dem Sarg anspringen. Als der Butler ein paar Mal gegen den Sarg klopfte, wurde mir etwas mulmig zumute. Nannte man sowas nicht Störung der Grabruhe?

Doch mir blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken, wer hier wessen Ruhe störte. Kaum hatte er hastig seine Hand zurückgezogen, kippte der Deckel vom Sarg und krachte mit lautem Getöse zu Boden. Aus dem Sarg sprang ein recht kräftig gebauter Mann in Militäruniform, bewaffnet mit zwei Krummsäbeln. Das Haar, dass ihm auf dem Kopf fehlte, schien gänzlich für seinen enormen Schnauzbart verbraucht worden zu sein. Im ersten Moment hielt ich ihn für eine Steinfigur, bis mir auffiel, dass seine gräuliche Farbe eher von dicken Staubschichten herrührte. Ich hätte jetzt gern gesagt, dass er sich mit wildem Blick nach potentiellen Feinden umgesehen hatte, leider waren seine Augen aber blind. Als er sprach, klang er, als hätte er einen ziemlichen Frosch im Hals.

"Ist es soweit, Jasper?"

"Nein, Herr. Noch ist es nicht soweit."

Der staubige Soldat sackte ein wenig in sich zusammen und stierte dann schmollend in die ungefähre Richtung, aus der er Jaspers Stimme vermutete. Anscheinend war er auch noch etwas schwerhörig. Jasper stand genau auf der anderen Seite.

"Warum weckst du mich dann, du unsäglicher Hund? Weist du denn nicht mehr, dass ich erst dann aufzuwachen wünsche, wenn es soweit ist?"

"Natürlich Herr. Leider bedarf ich aber eurer Hilfe, bei der Einweisung des jungen Kronprinzen. Da sein Vater sich dazu derzeit außer Stande sieht."

"Was ist es es denn, dass ihn verhindert, häh? Ich hoffe doch keine bösartige Krankheit?"

"Nein Herr. Seine Majestät hat sich versehentlich auf die Geburtstagstorte des Prinzen geascht."

"Hah! Na das kann dauern! Ich weiss noch, als sich meine geliebte Edeltraud einmal versehentlich im Gemüsebeet entzündet hat. Hat dich ganze neun Monde gekostet, sie da wieder rauszuklauben, was? Und den Sand zwischen den Zähnen ist sie nie wieder los geworden."

" Ganz recht, Herr. Wie Sie nun sicher verstehen können, benötige ich also Ihre Unterstützung bei der Einweisung des jungen Kronprinzen. Ich darf vorstellen: Rex Inmortuis, der Jüngere, Kronprinz des Großkönigreichs der Untoten. Junger Herr, dies ist ihr Vorfahre, Rex Inmortuis, der Streitbare, achter Altkönig des Großkönigreichs der Untoten."

Bei der Namensvergabe der Königskinder schien meine Familie nicht gerade sehr viel Einfallsreichtum an den Tag zu legen. Noch ehe ich über diese Erweiterung in meiner persönlichen Liste der familiären Kuriositäten nachdenken konnte, schob mich Jasper auf meinen Urururopa zu und ich sah mich plötzlich gezwungen etwas zu sagen.

"Äh... Hallo."

Immerhin ein Anfang. Der Soldatenopa setzte so etwas, wie eine väterliche Miene auf, wobei eine beachtliche Menge Staub von den vielen Falten rieselte, in die sich sein Gesicht verzog. Während er mit mir sprach, lächelte er unverwandt einen Punkt ungefähr zweieinhalb Meter links von mir an.

"Na, mein Junge! Du hast doch sicher viele Fragen. Nur zu, immer raus mit der Sprache!"

So plötzlich den buchstäblichen Säbel auf die Brust gedrückt zu bekommen, überrumpelte mich dann doch ziemlich. Panisch nach einer klugen Frage suchend, sagte ich das erste, was mir in den Sinn kam.

"Sind Sie tot?"

Die Art, wie Jason sich die Hand vor den Kopf schlug, sagte mir, dass meine erste Wahl wohl nicht unbedingt meine beste gewesen war. Aber wenn man plötzlich mit seinem säbelschwingendem, offizell verstorbenem Urururgrossvater konfrontiert wird, dann kann einem so ein Patzer durchaus schonmal passieren. Opa Streitbar schien das ganze aber weniger schlimm zu finden, ganz im Gegenteil. Er fing sogar an lauthals zu lachen. Er lachte so heftig, dass sein ganzer Körper sich schüttelte und der Staub wie feiner, grauer Schnee an ihm herabrieselte.

"Der Junge gefällt mir! Wirklich ein guter Witz, Junge. Ein guter Regent sollte sich immer eine gehörige Portion Humor bewaren. Ich erinner mich noch, als ich einmal den ganzen Tag in Reimen geprochen habe und damit den Botschafter aus Weißrusland ganz verrückt gemacht habe, weil er Reime nicht ausstehen konnte."

Mit einem dezenten Hüteln lenkte Jasper die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Gott sei Dank!

"Mein Herr, bedauerlicherweise kam seine Majestät noch nicht einmal dazu, ihm seine Herkunft genau zu erklären. Ich fürchte, ihr müsst mit eurer Einweisung ganz von vorn anfangen."

Der achte Altkönig blinzelte überrascht, wodurch er mit seinen Wimpern kleine Staubwölkchen vor seinen Augen produzierte.

"Ja da beiß mich doch ein Nachtmahr! Nicht einmal das hat der ate Schluderjahn auf die Reihe gebracht. Er mag ja ein ganz augezeichneter Regent sein, wenn's ums diplomatiche geht und seine Modernisierungsmaßnahmen sind an sich ja auch ganz nützlich, aber er sollte wirklich mal was gegen seine unmögliche Schusseligkeit tun. Weisst du noch, wie er sich ein mal versehentlich im Labyrinth zum westlichen Eingang verlaufen hatte? Zwei Wochen mussten wir nach ihm suchen! Die ganze Verwandtschaft haben wir mobilisiert. Ich war unentwegt damit beschäftigt, seine Eltern von einander fern zu halten, damit sie sich nicht gegenseitig in Stücke reißen!"

Im Stillen hatte ich meinen Urururopa bereitst in Rex Inmortuis, der Gesprächige umgetauft. Der Alte wusste scheinbar zu allem eine Anekdote zu erzählen. Wenn er dabei nur nicht immer so wild mit den Säbeln gestikulieren würde. Die Chancen standen von Jaspers riss meinen Vorfahren in die Gegenwart zurück. Scheinbar war der alte Butler an derlei Eskapaden gewohnt. Die Tatsache, dass der staubige Schwatzkopf trotz allem Jaspers erste Wahl gewesen war, weckte in mir die Frage, welche sonderbare Exzentriker wohl in den anderen Särgen ruhten.

Den Blick wieder in meine ungefähre Richtung - ca. anderthalb Meter über meinem Kopf - richtend, begann er endlich mit der ominösen Einweisung, auf die Jasper anscheinend großen Wert zu legen schien.

"Jetzt hör mir gut zu, Junge! Ich mag es nämlich nicht, wenn ich mich wiederholen muss."

Irgendwie bezweifelte ich das, aber ich behielt meine Gedanken lieber für mich und nickte artig. Als mir einfiel, dass er das wahrscheinlich nicht sehen konnte, fügte ich noch ein angemessen unterwürfiges 'Jawohl, Sir' hinzu. Das schien ihm zu gefallen, denn er setzte wieder sein väterliches Lächeln au, und ließ sich sogar dazu herab, etwas weniger ausladend mit den Säbeln zu gestikulieren, während er sprach.

"Also, Junge. Das mag dir jetzt ein wenig komisch vorkommen, aber du kommst aus einer altehrwürdigen Familie von Zombies. Natürlich meine ich nicht diese halbverfaulten, stinkenden Kriecher, die entstehen, wenn man einer gewöhnlichen Leiche mit etwas Magie künstliches Leben einhaucht. Ich rede selbstverständlich von einer der edelsten und mächtigsten Klasse von Zombies."

Jasper warf mir einen Blick zu, den ich ohne große Anstrengungen als ein nonverbales "Ich hab's dir ja gasagt" deuten konnte.

"Unsereins ist von Geburt an untot und bleibt auch sein Leben lang untot. Wobei man in unserem Fall wohl eher von Nicht-Leben reden muss. Unsereins gibt es seit Anbeginn der Zeiten und, ganz gleich was diese affektierten Mistkerle aus der autonomen Gesellschaft der Vampire auch behaupten mag, ist unsere Rasse quasi der Ursprung aller Untoten auf dieser Welt."

Okay, ich war also sowas wie ein Urzombie. Cool. Sonderlich beeindrucken tat mich das jetzt noch nicht, ganz im Gegensatz zu Jason. Wo er Jasper noch eher respektvoll angesehen hatte, betrachtete er meinen Vorfahren mit unverholener Verehrung. Wenn es sowas wie einen Gott für Paranormal-Nerds gab, dann kam Rex Inmortuis, der Streitbare dem wohl sehr nahe. Da mein in Sachen Zombies, Geister und Co. sonst immer recht zuverlässiger Freund gerade in seinem persönlichen Traum schwelgte, blieb es an mir hängen, auszusprechen, was hier ganz offensichtlich nicht ins Bild passte.

"Aber Zombies sind doch eigentlich Leichen, oder? Wie können sie da Kinder bekommen?"

Hier meldete sich Jasper wieder zu Wort.

"Nicht alle Zombies waren ursprünglich Leichen, junger Herr. Der Begriff Zombies ist heutzutage durch das Bild der Medien geprägt. In Wahrheit ist Zombie aber eher eine Art Sammelbegriff, der sämtliche fleischlichen Untoten umfasst."

Um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, fiel der Soldatenopa meinem Butler hastig ins Wort.

"Mit Ausnahme der Vampire. Diese arroganten Mistkerle bestehen darauf, als eigenständige Gattung angesehen zu werden. Aber wenn du mich fragst, sind sie einfach nur Zombies mit einem sehr ausgefallenen Ernährungsplan."

Also waren Vampire sowas wie Hipster-Zombies. Damit konnte ich leben. Ich stand sowieso nicht auf diesen ganzen Vampir-Hype, dem die Mädels in der Schule alle verfallen waren.

"Jedenfalls ist unsere Familie seit Generationen dazu bestimmt, über die Völker der Untoten zu herrschen. Das betrifft sowohl die Zombies, als auch die Geisterwesen, Monster und die Formwandler."

Also schön. So langsam war ich doch ein wenig beeindruckt. Wenn das alles stimmte war mein Vater gewissermaßen der König von all den Monstern und paranormalen Erscheinungen, auf die Jason so abfuhr. Das schien Jason auch langsam aufzugehen. Denn jetzt sah er mich mit großen Augen an.

"Alter! Wenn dein Vater jetzt weg ist, bedeutet das dann, dass du..."

Bevor mein bester Freund den Gedanken aussprechen konnte, vor dem es mir so graute, fiel ihm Jasper ins Wort.

"Nun wollen wir mal nicht übermütig werden, Herr Underwood. Es wird mich zwar ein wenig Zeit kosten, seine Majestät von der Geburtstagstorte zu trennen. Aber das ist etwas, was ich mit einer Pinzette und ausreichend Geduld hinbekommen werde. Sobald ich alle Ascheteilchen beisammen habe, braucht es nur eines einfachen Zaubers und der König ist wieder hergestellt."

Das brachte mich auf eine andere Frage.

"Was ist eigentlich mit meiner Mutter? Vater meinte, sie wäre an einem schweren Fall von Sonnenallergie gestorben."

Mein Urururgrossvater schnaubte verächtlich und Jasper sah auf einmal ziemlich verlegen drein.

"Nunja, eure verehrte Frau Mutter war kein Zombie. Sie war ein Vampir. seine Majestät hatte sich, während eines diplomatischen Besuches in Transilvanien in sie verliebt und die beiden haben trotz starkem Widerspruchs von seiten beider Familien geheiratet. Unglücklicherweise teilte die Lady Isabell Ihres Vaters Hang zu Missgeschicken. Auf Ihrer gemeinsamen Hochzeitsreise auf Bali, entschied sie sich ausgerechnet kurz vor Sonnenaufgang einen Spaziergang am Strand zu machen. Einen verbrannten Vampir kann man mit Zombiemagie leider nicht wieder erwecken. Man benötigt das Blut einer gesegnenten Jungfrau, freiwillig gegeben."

Gut, das hatte ich verstanden. Eine Jungfrau, noch dazu eine gesegnete fand man heutzutage garantiert nicht so einfach. Obendrein musste man das Fräulein noch dazu überreden, ihr Blut freiwillig einem verbrannten Vampir zu spenden. Klang in der Tat ein wenig kompliziert.

Jasper seufzte dramatisch.

"Seither sind die Beziehungen zur autonomen Gesellschaft der Zombies äußerst gespannt."

"So gespannt, dass die in die Burg einbrechen würden?"

Jasons angespannt klingende Stimme überraschte uns. Wir sahen in die Richtung, in die Jason so beunruhigt starrte und tatsächlich: Direkt vor dem Fahrstuhl lungerten drei Gestalten herum, die man bei näherem hinsehen durchaus als Vampire identifizieren konnte. Zumindest waren die spitzen Eckzähne, die sie uns mit einem lässigen Grinsen präsentierten, sowie die Tatsache, dass einer von ihnen an einem Blutspendebeutel nuckelte, als wäre es ein Tetrapack, ziemlich eindeutige Indizien. Ansonsten sahen sie eher wie Rowdeys aus einem 80er-Jahre Greaser-Streifen aus . Der Typ, der ganz vorn stand, deutete eine Verbeugung an und zeigte ein Raubtierlächeln.

"Oh, lasst euch von uns nicht stören! Wir können den Thronfolger auch töten, wenn ihr zuende gequatscht habt."

Hals über Kopf ab

Kapitel 3 oder Hals über Kopf ab
 

Ich würde gern behaupten, ich hätte meinen Mann gestanden und wäre diesen Vampiren mutig entgegen getreten, aber um die Wahrheit zu sagen, ich hatte tierisch Schiss. Ich hab mir fast in die Hose gemacht, als einer der Vampire vortrat und mich mit ziemlich deutlichen Absichten angrinste.

Sofort war Jasper vor mir und hielt plötzlich ein Obstmesser in der Hand. Das klingt vielleicht nicht unbedingt bedrohlich, aber wenn man einmal gesehen hatte, was unser Butler mit einem simplen Apfel anstellen konnte, dann wollte man ganz sicher nicht, dass dieses Obstmesser gegen einen gerichtet wurde.

"Hah! Jetzt zeigt ihr endlich euer wahres Gesicht, feiges Blutsaugerpack! Von wegen friedliche Coexistenz! Ihr wart schon immer scharf auf den Thron."

Rex, der Streitbare war sofort Feuer und Flamme, wild schwang er seine Säbel und, nachdem ihn Jason geistesgegenwärtig in die richtige Richtung gedreht hatte, schaffte es sogar, seine Vorwüre mit einer gehörigen Portion wütendem Stierens den Vampiren entgegen zu schleudern.

Der Anführer des Mördertrupps zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.

"Eigentlich haben wir nichts gegen euch, aber unser Auftraggeber will den Thronfolger nunmal tot sehn. Kann man nichts machen. Geschäft ist eben Geschäft."

Jason mit einem Arm hinter sich ziehend, bedeutete uns Jasper mit dem Obstmesser, dass wir uns nach hinten in den Gang verziehen sollten. Dabei lies er unsere ungebetenen Gäste nicht aus den Augen.

"Verzeihen Sie bitte meinen Unglauben, meine Herren, aber wer wäre denn bitte in der Lage drei Gentlemen aus der vornehmen Loge der autonomen Gesellschaft wie billige Meuchelmörder zu engagieren?"

Das war scheinbar eine Beleidigung, denn einer der Vampire, er war im Vergleich zu seinen Kameraden recht klein, überragte mich aber dennoch um gut einen Kopf, fletschte die Zähne und trat bedrohlich einen Schritt vor. Sein Anführer jedoch blieb weiterhin gelassen. Mit einem neuerlichen Schulterzucken erklärte er: "Nun, auf jeden Fall jemand, der in der Lage ist, den Preis für den Kopf des Thronfolgers zu zahlen."

Der kleinere Vampir hatte wohl keine Lust mehr zu warten. Mit einem einzigen Sprung überbrückte er die Strecke vom Fahrstuhl bis zu uns. In der erhobenen Hand blitzte ein Messer. Zum Glück kam er nicht mehr dazu es zu benutzen. Mit einer Präzision, die ihm wohl keiner von uns zugetraut hätte, schwang mein Urururopa seinen Säbel und trennte dem Angreifer sauber den Kopf vom Hals. Für einen Moment wurde es totenstill, während wir alle - der geköpfte Unglücksrabe eingeschlossen - miterlebten wie sich zuerst der Körper und zuletzt auch der Kopf noch mitten in der Luft in Staub verwandelten. Der Moment stillen Bewunderns wurde leider ein wenig dadurch getrübt, dass er danach wild mit dem Säbel in der Luft rumstocherte und fragte: "Hab ich ihn erwischt!?"

Es war also doch bloß ein Glückstreffer und die Chance, dass er beim nächsten Versuch einen von uns filettierte, war ziemlich hoch. Zu derselben Erkenntnis war Jasper wohl auch gekommen, denn er drehte Opa Streitbar vorsichtig in unsere Richtung und bat ihn mit einem Höchstmaß an diplomatischer Ehrerbietung Jason und mich sicher durch den Westausgang zu bringen.

Den Säbel, wie eine Kriegserklärung an jedwede Gegner, die sich auf dem Weg zum Westausgang eventuell versteckt hatten, heroisch in die Höhe haltend, rief er: "Mir nach, Jungens", und rannte los. Kaum hatten Jason und ich uns in Bewegung gesetzt, brach hinter uns die Hölle los. Mit einem wütenden Knurren sprangen die beiden verbleibenden Vampire uns hinterher. Als ich kurz über die Schulter sah, konnte ich gerade noch sehen, wie Jasper den ersten Vampir mit einem steinernen Sargdeckel ausbremste, während er den anderen geschickt das Obstmesser in den Knöchel rammte, um ihn dann lässig aus der Luft zu pflücken. Danach zog mich Jason um eine Ecke, die ich verpasst hatte und wir rannten weiter meinem Vorfahren hinterher.

Als Jasper von dem Labyrinth am Westausgang gesprochen hatte, hatte ich eigentlich eher so eine Art hüfthohes Heckenlabrinth erwartet, wie man es von Gartenschows kennt. Aber scheinbar galt in meiner Familie eher die Regel 'Wenn schon, denn schon'. Das Labyrinth hatte man unterirdisch angelegt - komplett mit meterdicken Wänden und niedrig hängenden Decken. Ich hatte die leise Vermutung, dass der bedauernswerte Architekt, nach seinem ersten Entwurf wohl dem Wahnsinn verfallen war. Die Wege folgten keinem erkennbaren Muster, verliefen mal aufwärts, mal tiefer in die Erde, mal verliefen sie in Schleifen um einander herum, oder kreuzten sich in absurden Winkeln. Hinzu kamen die obligatorischen Fallen, verschiebbaren Wände, Sackgassen und scheinbar bodenlosen Gruben. Jeder Versuch sich den Weg zu merken war zum Scheitern verurteilt, oder führt unweigerlich dazu, dass einem vor lauter Orientierungslosigkeit schwindlig wurde.

Meinen Vorfaren schien das nichts auszumachen er lief mit beneidenswerter Zielsicherheit durch die Gänge, bog immer wieder so scharf in einen Seitengang ab, dass Jason und ich erst einmal anderthalb Meter in die ursprüngliche Richtung weiterliefen, bevor wir umdrehen und ihm folgen konnten. Obendrein schien er einfach nicht aus der Puste zu kommen. Er rannte einfach weiter, ohne jegliche Anzeichen von Erschöpfung mit einem ziemlich derben Schlachtlied auf den Lippen, während ich schon nicht mehr enntscheiden konnte, was mehr wehtat: Mein Seitenstechen, oder meine völlig überanspruchten Waden. Dem Aussehen nach zu urteilen erging es Jason nicht viel besser.

"Äh... Herr Streitbar, Sir? Wie... wie weit ist es eigentlich noch?", brachte er schließlich keuchend die Frage zum Ausdruck, die uns beide am brennendsten interessierte. Mein Urururopa blieb so plötzlich stehen, dass ich in vollem Lauf in ihn hineinrannte. Es fühlte sich an, als würde man gegen eine Betonwand rennen, so unerschütterlich stand er da mitten im Gang. Meine Nase teilte mir sehr schmerzhaft mit, was sie von diesem Manöver hielt und auf der Zunge schmeckte ich den Staub, den ich bei der Kollision versehentlich eingeatmet hatte. Jason hatte mehr Glück. Er schaffte es gerade noch so einen Bogen um uns zu schlagen, musste dann aber noch ein paar Schritte weiterrennen, bevor er genug an Schwung verloren hatte, um umzukehren.

Meinen Vorfahren lies das alles völlig kalt. Als hätte es diese kleine Komikeinlage nie gegeben, deutete er mit seinem Säbel in einen Gang, der für mich aussah, wie jeder andere auch.

"Wir müssen nur noch jenem Weg hinunter, dann kommen wir auf dem alten Friedhof raus. Sag bloß, du bist schon müde, junger Mann."

Jason grinste nur schief und zuckte mit den Schultern.

Opa Streitbar hatte die Wahrheit gesagt, wie ich mit einiger Erleichterung nach zehn weiteren Minuten feststellen durfte. Um ehrlich zu sein, hatte ich die ganze Zeit ein recht mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass wir einem durchgeknallten und vor allem blinden Zombie quer durch ein riesiges unterirdisches Labyrinth folgten. Am Ende des Ganges, auf den er zuletzt gedeutet hatte, erwartete uns eine steinerne Treppe, die in einen Raum mit zwei liegenden Steinsarkophargen führte: Noch eine Gruft. Diese Gruft allerdings bfand sich nicht wieder unter einer alten Burg, sondern im Freien inmitten eines heruntergekommenen, überwucherten Friedhofs. Ich war mir nicht ganz sicher, was die Leute in den Sarkophargen davon hielten, dass ihre Gruft eine Art Durchgangsportal für Generationen von Zombies war. Andererseits, verspürte ich keinen großen Drang, mich respektvoll bei den Toten für die Störung zu entschuldigen. Die Gefahr, sie könnten antworten, war mir eindeutig zu groß.

"Abgefahren!"

Jason sah sich auf dem Friedhof um, als wäre er ein Fünfjähriger in der Spielzeugabteilung eines Kaufhauses. Natürlich war dieser Ort hier wieder genau sein Ding. Was ich von mir nicht gerade behaupten konnte. Der Friedhof wurde wohl schon seit Jahrzehnten nicht mehr gepflegt. Überall wuchs Gestrüpp und Efeu, aus dem hier und dort ein verwitterter Grabstein hervorlugte. Andere Grabsteine waren schon vor Jahren umgekippt und versanken langsam im morastigen Boden des Friedhofs. Die wenigen Engelsstatuen, die verzweifelte Romantiker hier aufgestellt haben mussten, fochten einen auswechglosen Kampf gegen das alleserstickende Efeu und verwandelten sich immer mehr in unförmige Klumpen. Man füge jetzt noch eine gute Prise des im englischen Moor obligatorischen Nebels hinzu, würze das Ganze mit der Tatsache, dass die Sonne schon längst untergegangen war und schon hatte man die perfekte Kulisse für einen von Jason's heißgeliebten Trash-Horror-Filmen. Aufgeregt lief er zwischen den Grabsteinen umher und versuchte die verblichenen Inschriften zu entziffern. Vermutlich hoffte er über den einen oder anderen Dracula, Van Hellsing, oder zumindest einen entfernten Verwandten von Aleister Crowley zu stolpern.

Ich selbst war einfach nur hundemüde. Ich setzte mich auf den überraschend gut erhaltenen Grabstein eines gewissen Mr. Scrawney und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Langsam machten sich vage Schuldgefühle in mir breit. Schließlich hatten wir unseren alten Butler mit zwei mordsüchtigen 80s-Vampiren allein gelassen und mein Vater hatte bisher auch noch nicht zu seiner alten Form zurück gefunden. Allerdings hatte ich auch keine Ahnung, was ich dahingehend unternemen sollte.

Ich tat also, was jeder Teenager tat, wenn er mit einer Situation überfordert ist: Ich wälzte die Verantwortung auf jemand anderen ab.

"Na toll. Jetzt sitzen wir hier mitten im Nirgendwo fest, obendrein auf einem Friedhof. Nachts! Was machen wir denn jetzt!?"

Jason schien ernsthaft über meine Frage nachzudenken - guter alter Jason! Mein Vorfahre allerdings zuckte nur mit den Schultern und verteilte somit ein Bisschen mehr Staub in seiner unmittelbaren Umgebung. Ernsthaft, wann war das letzte Mal, dass der es mit richtigen Teenagern zu tun bekommen hatte? Gab es zu seiner Zeit überhaupt schon Teenager, oder wurde man damals einfach bereits erwachsen geboren?

"Nun mein Junge, im Moment können wir nicht viel tun, fürchte ich. Wir wissen nicht, wie viele dieser blutsaugenden Halunken noch in der Burg herumlungern. Zurück gehen können wir also nicht. Ich würde sagen für's Erste sollten wir den Kutscher wecken und uns zur königlichen Sommerresidenz begeben."

"Kutscher? Was denn jetzt wieder für ein Kutscher!?"

"Damit bin wohl ich gemeint, Sire und mit Verlaub, Sire. Euer hochwohlgeborener königlicher Stiefel steht in meinem Gesicht. Wenn ihr wohl die Güte hättet von mir herunterzukommen, Sire?"

Ich muss zugeben, nach den jüngsten Erlebnissen, überraschte es mich kaum noch, dass das Grab zu meinen Füßen plötzlich anfing mit mir zu reden. Anstatt also, wie von der Tarantel gestochen aufzuspringen, stand ich einfach, eine Entschuldigung murmelnd auf, und trat beiseite, damit sich Mr. Scrawney, der Kutscher aus seinem Grab erheben konnte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lefteye
2013-05-22T00:02:10+00:00 22.05.2013 02:02
Ich hab erst das erste Kapitel gelesen, aber es ist sehr amüsant. Ein bisschen erinnert es mich an Gregs Tagebuch... nur eben ohne Bilder. Klasse gemacht, also gut geschrieben =)
Von:  silberstreif
2013-04-27T20:02:28+00:00 27.04.2013 22:02
Gute Geschichte. Ist mir empfohlen worden und wurde der Empfehlung mehr als gerecht. Ich mag den schwarzen Humor und die gesamte Situation. :)
Weiter so!
Von:  Hotepneith
2013-03-22T20:53:22+00:00 22.03.2013 21:53
Oh, ich habe gehofft, dass du weiterschreibst. Danke.

Und den schrägen Humor hast du auch beibehalten.
mal abgesehen von dem Schlussgag mit dem Kutscher - die kleine, übraus...äh..dezente Beleidigung, dass sich edle Vampire als Meuchelmörder anstellen lassen würden, die Beschreibung des Labyrinths...
Jason sieht das alles als o normal an - ich glaube fast, er wird für den Zombiekönig eine echte Hilfe in der Hoffnung auf so etwas wie ein normales Teenagerleben.
Ach ich fand es enfach zum Dauerschmunzeln.



Ich hoffe, das nächste Kapitel kommt bald.

bye

hotep


Von:  Hotepneith
2012-12-19T14:56:25+00:00 19.12.2012 15:56
Eine wirklich originelle Idee und amüsant umgesetzt.
Ich fürchte Jasper wird noch alle Hände voll zu tun bekommen - immerhin dürfte weder der gerade zu meuchelnde Thronfolger noch dessen bester freund eine Ahnung davon haben, was nun zu tun ist. Und ob Säbelschwingen da die richtige Methode ist...? Ein Holzpflock wäre da wohl auch nicht schlecht.
Jedenfalls ein unvergeßlicher 16. Geburtstag...

bye

hotep





Zurück