Zum Inhalt der Seite

The Darkside

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

~
 

Er kannte den Sumpf der Großstadt.
 

Mit viel zu jungen Augen hatte er gesehen welche Monster dort lebten. Das Gesetz des Stärkeren kochte nirgends so heiß wie an diesem Ort. Und längst war er selbst gefährlich. Es gab nur diese zwei Möglichkeiten. Entweder man wurde stärker, oder man starb.
 

Nur ein einziges Problem machte sich dabei früher oder später bemerkbar. Wenn das Monster in einem selbst zu mächtig geworden war, neigte es nicht nur dazu alle Feinde zu vernichten.
 

Sondern auch alles andere, das jemals etwas bedeutet hatte.
 

~

Killerinstinkt

~
 

Der heiße Staub der Straße flirrte über blassem Beton. Stille hing in der Luft, zäh und lähmend. Selbst die Insekten schienen sich verkrochen zu haben. Eine ungute Vorahnung hielt jedes unbeteiligte Lebewesen im Umkreis von hundert Metern fern.
 

Im Innern des kleinen Autos schmeckte jeder Atemzug nach Schweiß.

„Was, wenn sie nicht hierher zurück kommen?“, flüsterte Suigetsu von der Rückbank. Sein starrer, wässriger Blick ergänzte das Bild von dem was man bei einer Google- Suche unter „Crackhead“ hätte finden können: blasse, fleckige Haut, dunkel umrandete Augen, struppiges, kurzes Haar in unnatürlich bleicher Farbe. Er konnte den zittrigen Atem kaum soweit unterdrücken, dass er nicht mehr zu hören war und klammerte eine schweißnasse Hand an die Rückenlehne des Fahrersitzes.
 

„Halt die Klappe“
 

Das Knurren des zweiten Mannes im Wagen war bedrohlich und dunkel. Hinter dem Steuer lauerte er wie ein schwarzer Panther mit hungrigem Blick und gnadenloser Miene. Beinahe zärtlich schob er das gefüllte Magazin in die Waffe zurück. Es rastete mit endgültigem Klacken ein.
 

Sasuke Uchiha hatte seine finale Jagd begonnen. Eine Blutspur aus Leichen folgte ihm durch die Abgründe der Stadt. Seit zwei Tagen hatte er nicht geschlafen, aber das war auch nicht nötig. Die Pupille seiner Augen war so weit, dass die lichtlosen Punkte bis zum äußeren Rand der Iris reichten. Zwei bodenlose Gruben, Fenster zu völliger Finsternis. Nur ein feiner, roter Ring aus Blut um sie herum ließ ahnen, dass das Monster in ihm längst begonnen hatte ihm die Seele auszusaugen. Bis die leere Hülle des Körpers aufhören würde zu funktionieren. Aber davon wollte er jetzt nichts wissen. Denn noch funktionierte alles einwandfrei.
 

Er beobachtete die Eingangstür des Hauses wie ein Raubtier aus seiner Deckung heraus. Ohne auch nur einmal zu blinzeln. Nichts regte sich hinter den Fenstern. Niemand ging durch die Haustür hinein oder kam heraus.
 

Suigetsu kratzte sich zum fünfzehnten Mal in den letzten Minuten am Arm. Seine Finger krampften sich in die Rückenlehne, er schob sich auf dem Sitz zurecht, atmete tiefer und sah sich zu Sasuke um.
 

„Boss-...“
 

„Ich sagte du sollst die Klappe halten oder ich blas´ dir deinen verfluchten Schädel weg“
 

Allein der Tonfall war einschüchternd. Reines Eis. Suigetsu schluckte weitere Einwände und grub seine Fingernägel ins Polster, kaute mit seinen spitzen, kaputten Zahnruinen an der rissigen Unterlippe. In diesem Augenblick fuhr ein Wagen in die Einfahrt.
 

Wummernder Bass dröhnte aus den eingebauten Boxen. Der braune Kombi wurde mit dem Ratschen einer Handbremse geparkt, die Musik verstummte. Vier junge Burschen stiegen aus, laut diskutierend und offensichtlich beunruhigt.
 

„Halt die Klappe“, drang die lauteste Stimme bis hinter die getönten Scheiben des Wagens der beiden Beobachter, „Halt die Klappe, verdammt! Wir müssen das Zeug holen und abhauen-... Itachi weiß garantiert schon Bescheid! Wenn wir hierbleiben sind wir genau so am Arsch wie diese Wichser von Orochimaru!“
 

In Sasukes reglosem Gesicht verengten sich seine Augen zu gefährlichen Schlitzen. Er beobachtete reglos wie die Männer durch die Tür ins Innere des Hauses verschwanden und die jämmerliche, dünne Sperrholztür hinter sich zuwarfen.
 

„Jetzt“, grollte er. Seine Oberlippe hob sich über blanke Zähne.

Und in Sekundenbruchteilen war er mit dem Helfer an seiner Seite und bis an die Zähne bewaffnet aus dem Auto heraus, auf der anderen Seite der Straße und vor der Eingangstür.
 

„Geh hinten rein und knall jeden ab der dir entgegen kommt“, kommandierte er. Suigetsu sprang mühelos über den Zaun zum Garten. Sasuke brach mit einem heftigen Fußtritt die Tür auf, dass Holzsplitter in alle Richtungen flogen, streckte die Arme aus und richtete beide seiner Schusswaffen auf die überrumpelten Gesichter die ihn anstarrten wie den Tod. Er eröffnete das Feuer ohne eine Sekunde zu zögern.
 

Es war wie ein Film. Sasuke schoss gezielt zwischen die Augen, nicht auf den Brustkorb. Sein Gehirn filterte Informationen wie Alter oder Geschlecht seiner Opfer bewusst als unwichtig aus-... das Kreischen einer Frau brachte ihn nur dazu, den Abzug noch etwas schneller zu drücken.

Ohrenbetäubender Lärm, das Krachen von Möbeln, Schreien, er ignorierte alles. Jeden Raum, jedes Versteck durchsuchend, exekutierte er alles was lebte. Im Wohnzimmer angekommen stieß er auf mehrere Plastikpäckchen mit weißem Inhalt auf dem Glastisch, kleine gläserne Pfeifen mit schwarz verbranntem Inhalt, Feuerzeuge, Spiegel und Rasierklingen. Eine der Frauen hatte im Moment ihres Todes ein Regal mit Schmucktellern umgerissen. Unter den Sohlen seiner Schuhe knirschten die Scherben. Von der anderen Seite kam ihm Suigetsu entgegen, er wirkte wie im Rausch und fletschte begeistert die spitzen Zähne.
 

Für einen Moment war es betäubend still.
 

„Oh, Jackpot!“, gluckste Suigetsu dann, als sein Blick auf den Tisch fiel, „Das sind mindestens-...“
 

„Rühr es nicht an“

Sasuke lud mit wenigen, geübten Bewegungen nach und hob den linken Arm mit der Waffe dann in Richtung Wohnküche. Eine breite Anrichte versperrte die Sicht. Er ging mit entschlossenen Schritten herum, zielte-...
 

Und starrte direkt in die tränennassen, schockierten Augen eines Kleinkindes, das dort mitten in der Küche stand, hilflos und wie erstarrt, vor einem zusammengekauerten, zitternden Mann, der ein klägliches Angstgeräusch von sich gab.
 

Sasuke blinzelte. Er fasste den Griff der Pistole fester. Das Monster in ihm brüllte auf, forderte Blut ohne Rücksicht auf menschliche Regungen. Außerdem stand das Wesen direkt in der Schussbahn.

Selbst schuld.
 

Aber bevor er abdrücken konnte, hallte etwas in seinem Kopf wieder. Die Stimme seines Bruders.

Die Welt verschwand für Sekundenbruchteile unter einem Schleier von Rot.

Für einen kleinen, winzigen Moment war er selbst dieses Kind und um ihn herum ein menschenleerer Gang voller Blut. Sein Puls begann in den Ohren zu pochen. Das Wummern wurde schneller und lauter, bis es sein ganzes Bewusstsein ausfüllte.
 

Und da gab der Mann unter der Spüle einen furchtbaren Schrei von sich, riss in einer heftigen Bewegung den Arm zurück und warf Sasuke etwas dunkles, rundes entgegen. Er kam schnell genug aus seiner Trance zu sich um zu verstehen, dass es eine Handgranate war. Mit katzengleichen Reflexen sprang er rückwärts, warf sich aus dem nächsten geschlossenen Fenster nach draußen.
 

Hinter ihm explodierte die Welt in Millionen Teile. Einen Moment lang hing er scheinbar in der Luft, dann wurde ihm von einer unglaublichen Macht der Brustkorb, das Trommelfell, die Augen zusammengedrückt und er flog bis über die Reihen der Müllcontainer, um ungebremst in die Backsteinwand dahinter zu krachen. Alles war weiß. Er konnte nichts mehr sehen. Seine Ohren versagten den Dienst, alles was er wahrnahm war ein schrilles, endloses Pfeifen in seinem Kopf.

Halb nahm er war, wie er hinter den schweren Stahlcontainern an der Wand herunterfiel wie eine Lumpenpuppe, sein Hinterkopf schlug an einer Kante auf, ein paar Haare blieben bei dem Sturz bestimmt auf der Strecke. Er glaubte erst, nicht mehr atmen zu können. Keine Luft zu bekommen.

Seine Lungen reagierten nicht. Er erstickte.
 

Als er endlich ein wenig keuchen konnte, flach, winzig, wirbelte er damit eine Menge Staub vor seiner Nase auf, die er beim nächsten Atemzug mit einatmete, wodurch er noch weniger Sauerstoff zu erwischen schien.
 

Die Ohnmacht schlang immer stärkere Ranken um seinen Geist, zog ihn abwärts in lähmende Dunkelheit. Er kämpfte verzweifelt dagegen an. Er musste die Kontrolle behalten. Sein Plan war fast vollendet. Es konnte doch jetzt nicht alles an so einer dummen Sache scheitern. Wegen jemandem, der so unwichtig war, dass er nicht einmal seinen Namen kannte. Er konnte jetzt nicht sterben. Aber er bekam keine Luft. Seine Muskeln reagierten nicht.
 

Noch einmal versuchte er seine krampfenden Lungen allein durch Willenskraft zu bezwingen.

Aber es ging nicht. Und irgendwann, in den nächsten Sekunden, war der Kampf vorbei.
 

~

Schutzengel

~
 

Als er zu sich kam, war das erste was er spürte der stützende Arm unter seinem Nacken, der seinen Kopf hielt und die Hand die seine Schulter fasste. Er lag auf dem Rücken- großartig. Einer seiner tiefsten, inneren Instinkte sagte ihm, dass auf dem Rücken zu liegen etwas war, das er auf keinen Fall akzeptieren konnte.
 

Es war zu viel Kapitulation. So als hätte er verloren.

Als wäre jemand anders stärker gewesen.
 

Eine unbekannte Kraft drückte ihm etwas über Mund und Nase und er hob automatisch den Arm, um es abzuwehren.
 

„Hey, er kommt zu sich!“, rief jemand wie durch eine dicke Schicht Watte. Sein Kopf klingelte immer noch wie ein Feuermelder. Er zuckte unter der Stimme zusammen. Verflucht, taten ihm die Ohren weh. Jedes Geräusch war wie ein Nadelstich direkt ins Gehirn. Endlich bekam er ein Handgelenk zu fassen, dieses verfluchte Handgelenk von diesem verfluchten Wichser der seine Luftzufuhr kontrollierte. Der fremde Arm war breit und warm und viel zu stark.

Sasuke zog den Kopf zur Seite.
 

„Ruhig... ruhig, es ist okay“, gurrte die Stimme ihm zu und kurz ließ sich der Arm aus Stahlmuskeln von seinen Händen wegschieben, ließ ihn von selbst nach Luft schnappen.

Sasuke fühlte sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sofort hatte er wieder das Gefühl zu ersticken. Da war zu viel Staub- zu viel Hitze-...
 

„Du bekommst Sauerstoff über die Maske“, sagte die Stimme weich und entnervend behutsam, „Das hilft dir beim Atmen. Keine Angst... ich hab dich.“
 

Angst?! Der Begriff allein triggerte eine Lawine von Widerstand. Sasuke Uchiha hatte niemals Angst. Das Wort war aus seinem Vokabular getilgt. Aber als die fremden Finger ihm den zischenden Plastiktrichter wieder übers Gesicht schoben und sanft dort hielten, wurden seine Hände kraftlos.

So ungern er es zugab- es half wirklich. Seine Lungen füllten sich langsam, mit jedem zitternden, flachen Atemstoß. Sein Verstand kam zurück und damit die erste Welle von Scham. Der womöglich gefährlichste Mann momentan auf den Straßen der Stadt, der Panther der reihenweise Leichen hinterließ wo er hinkam und in Sekundenbruchteilen tötete, lag im Arm seines Retters wie ein halbtotes Kätzchen.
 

Endlich konnte er blinzeln. Die Welt war ein verschwommenes Chaos aus Farbklecksen, aber langsam wurden die Konturen klarer. Dort an der Straße stand ein Krankenwagen, flackerndes Blaulicht blitzte rhythmisch auf. Jemand kam soeben über die Trümmer der Küche, wo jetzt ein breites Loch in der Wand klaffte, zurück ins grelle Sonnenlicht gestapft.
 

„Da hängt überall Hirn an den Wänden, war bestimmt wieder so ne Drogengeschichte“, rief eine Stimme aus sehr weiter Ferne, „Wird Zeit, dass die Polizei kommt... Der hat es vielleicht grade noch raus geschafft“
 

Polizei...? Sasuke sah auf das Handgelenk vor seiner Nase. Sein Blick glitt an dem Arm hinauf.

Derjenige, der über ihn gebeugt war hatte blondes Haar und Narbenstreifen auf der Wange die ihm seltsam bekannt vorkamen. Helle, durchdringende, blaue Augen. Und da verstand er. Es konnte keine Verwechslung sein. Ihre Augen trafen sich.
 

„Sasuke?“, flüsterte der Andere fassungslos.
 

Mit einem plötzlichen Kraftschub von Panik warf er sich herum. Er schnappte den Sanitäter am Kragen, stieß dessen Arm von sich und grub ihn unter sich, drückte mit dem Knie auf der Kehle des Anderen seinen Oberkörper in den Asphalt. Einen Moment überfiel ihn heftiger Schwindel. Das Pfeifen in seinen Ohren wurde wieder lauter. Unwillig schüttelte er den Kopf um das loszuwerden.
 

„Naruto!“, rief der zweite Mann bei den Haustrümmern alarmiert und begann zu laufen, „Hey!“
 

Sasuke biss die Zähne zusammen. Seine Gefühle waren ein flirrendes Chaos, er konzentrierte sich auf den Hass. Seine Finger verkrampften sich an der Kehle des Mannes den er einmal gekannt hatte und dann holte er aus, um ihm direkt ins Gesicht zu schlagen.
 

„Sasuke!“

Blind schlug er zu. Diese Stimme und dieser Name jagten ihm einen kalten Schauder über den Rücken, er versuchte den Ursprungsort dafür zu zerstören. Irgendetwas traf er auch und er traf es noch einmal und noch einmal, wollte es splittern spüren und es unter seiner Faust zertrümmern.

Dann war der zweite, fremde Mann auf der Straße zu nahe. Sasuke rollte sich von dem Körper des Anderen herunter, kam noch in der Fluchtbewegung auf die Beine, hob den Oberkörper und taumelte davon wie ein verletztes Tier.
 

„Sasuke!“, folgte ihm der Ruf aus der Ferne.

Das Geräusch stach sich durch seine Ohren mitten ins Gehirn. Er kam kurz aus dem Takt, strauchelte aufkeuchend und lief umso schneller weiter. Weg, nur weg, wie vom Teufel gehetzt.
 

Erst irgendwann, auf halbem Weg zu dem trockengelegten Kanal beim Wasserauffangbecken, als um ihn herum nichts mehr war außer sonnendürre Gräser und Sträucher und einige Betonmauern von Häusern die dort einmal gestanden hatten, verließen ihn die Kräfte ein zweites Mal.
 

Er sah die schwarzen Wägen nicht, die in gebürendem Abstand zur Straße parkten. Genau so wenig wie die Männer in schwarzen Anzügen, die auf ihn warteten. Nur in dem Moment, als spitze, italienische Lederschuhe neben seinem Gesicht auftauchten und eine große Hand ihm ins Haar griff um seinen Kopf nach oben zu ziehen, rollten noch einmal seine Augen zurück.
 

Die schwache Abwehrbewegung, das Zähnefletschen brachte ihm nur leises Lachen ein.
 

„Schön dich wieder zu sehen“, sagte jemand mit einer Stimme wie Samt direkt neben seinen verletzten Ohren und er stöhnte vor Schmerz und Hilflosigkeit,

„... kleiner Bruder.“
 

~

Gefangen

~
 

Er war auf einen Stuhl gefesselt.
 

Jedem, der sich in seiner Situation in dieser Lage wiederfand, war sofort klar was das bedeutete.

Seltsamerweise fühlte er kaum Angst, nur eine hysterische Art von Belustigung und das Gefühl, wirklich nichts mehr verlieren zu können.
 

Itachi Uchiha saß ihm gegenüber. Auf einer Art Thron, zusammengeschweißt aus Maschinenteilen und Autoschrott. Er tippte mit langen Fingernägeln auf die Platte des Tischs neben sich, von der an einigen Stellen die weiße Farbe schon abgeplatzt war, ein irritierendes Geräusch aus trockenem Klacken. Nicht weit von seiner Hand entfernt lag eine uralt aussehende Pistole neben einer offenen, halbleeren Schachtel Munition.

Er lächelte.
 

Sasuke konzentrierte sich darauf, ruhig zu bleiben. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er eine Hölle aus Schmerzen vor sich, aber das war kein Grund ausgerechnet diesem Menschen vorher schon Angst oder Schwäche zu zeigen.
 

Er war nicht mehr acht Jahre alt. Oder zwölf. Er war kein kleines, zahnloses Baby. Also erwiderte er den Blick mit aller Macht und Selbstbeherrschung die er zu bieten hatte.
 

„Ich bin beeindruckt“, sagte Itachi endlich und in seiner Stimme war nicht ein Hauch von Ironie.
 

Sasuke bemerkte, dass es seinen Ohren besser zu gehen schien. Zwar pochte sein Kopf, irgendwo dort musste er einen gehörigen Riss haben und bestimmt war sein Gesicht auch nicht spurlos davon gekommen. Aber das Klingeln war weg und es schmerzte nicht mehr bei jedem Geräusch.
 

Wie lange war er bewusstlos gewesen?

Die ganze Nacht? Wie viel Uhr war es?
 

Sie schienen in einer Art Scheune zu sein. Links von ihm machte sich ein einzelner Helfer an einem Päckchen Heroin zu schaffen, kochte seelenruhig eine Portion auf einem Löffel über der Flamme eines schmutzigen Bunsenbrenners. Sonst war kein Mensch zu hören oder zu sehen. Von den Balken der Decke hingen rostige Ketten. Tageslicht konnte man nicht erkennen. Instinktiv spannte Sasuke seine Arme gegen die Fesseln und machte sich nicht die Mühe, irgendetwas auf den

Gesprächsversuch zu erwidern.
 

„Du hast Orochimaru erledigt.“ Itachi hob eine Augenbraue. „Nicht schlecht. Von den anderen ganz zu schweigen. Aber er war immerhin der größte Boss im nördlichen Bezirk. Wusstest du vorher, dass er eine Schwäche für seine sehr jungen, männlichen... Gehilfen... hatte?“
 

Sasukes Miene regte sich nicht. Sein Blick blieb eisern in die schmalen Augen seines Bruders gerichtet. Nur sein Atem war etwas heftiger als normal.
 

„Du bist stark geworden, kleiner Bruder...“
 

Itachis Stimme war leise und anerkennend.
 

„Sogar sehr stark... genau so, wie du solltest“
 

Sasuke schluckte hart.
 

„Und das ist sehr gut. Es bedeutet...“, Itachi erhob sich. Sein langer Mantel streifte beinahe den Boden als er auf ihn zu kam. „Dass du irgendwo tief in deinem Kopf trotz allem immer noch der brave, kleine Junge bist“, er neigte die Lippen zu seinem Ohr. Sasuke kniff die Augen zusammen unter dem leichten Kitzeln seines Atems, „... der für seinen Bruder alles tun würde.“
 

„Nein“, zischte Sasuke zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Itachis Augen waren jetzt ganz nah. So nah vor ihm. Wenn seine Hand frei gewesen wäre, hätte er ihn berühren können. Sasukes Körper begann zu zittern.
 

„Jetzt wo wir wieder zusammen sind“, flüsterte Itachi gedankenverloren, ohne seinen hypnotischen Blick zu unterbrechen, "Kann der Kreis sich endlich schließen, was meinst du? Bringen wir die Sache von damals zuende"

Sasuke zitterte stärker. Sein Blick sprühte wilde Funken.
 

„Nein“, würgte er hervor.
 

Itachi wandte er sich ab um zu gehen.
 

„Bleib hier!“, Sasukes Schrei war gellend, beinahe hysterisch. Keine Reaktion. „Bleib hier!“, heulte er,

„Glaubst du, du kannst einfach wieder verschwinden? Komm zurück!“
 

Aus den Augenwinkeln sah er, wie der Handlanger- ein Kerl wie ein Schrank mit ungesund grauer Gesichtsfarbe- seelenruhig seine Spritze aufzog. Als ihm klar wurde wofür sie bestimmt war, prickelte ihm die Erkenntnis eiskalt den Rücken hinunter.
 

„Itachi!“
 

Er riss an seinen Fesseln. Das Holz des Stuhls knackte unter seiner Kraft. Verbissen fletschte er die Zähne, spannte die Muskeln und ignorierte den Schmerz dort, wo ihm das Seil in die Handgelenke schnitt.
 

„Itachi!“, brüllte er, „Du feiges Stück! Willst du nicht zusehen, wie der Dreckskerl deinem kleinen Bruder Drogen spritzt?! Hast du zu viel Schiss um es selbst zu tun?! Du kranker Psychopath! Ich bring dich-...“
 

Der helle Stich am Oberschenkel gab ihm schließlich den Rest.
 

„Ahh! Ich bring dich um, Itachi!“
 

Sein Heulen war tief und inbrünstig. Das Adrenalin, das auf einen Schlag in alle Zellen schoss, verstärkte Kraft und Rücksichtslosigkeit. Der Stuhl aus morschem Holz brach, Sasuke riss das schmutzige Seil auseinander, schnappte den ersten längeren Splitter- ein Teil eines Stuhlbeins- den er zu fassen bekam und rammte ihn dem größeren Mann mit voller Wucht ins Auge, so dass der zwei Schritte blind rückwärts taumelte und dann krachend zu Boden ging.
 

Mit zwei Sätzen war er an dem Tisch neben dem improvisierten Thron seines Bruders. Die Schusswaffe, die darauf für ihn bereit lag schnappte er mit zitternden Händen. Er folgte Itachi, riss die Tür auf, die in eine Art kleinen Wohnraum führte, hob den Arm zu der Gestalt die dort stand und drückte ab.
 

~

Bruderliebe

~
 

Er hatte nicht richtig getroffen. Einer der Querschläger hatte Itachi am Brustkorb verletzt und jetzt krümmte er sich gurgelnd und japsend am Boden. Er erstickte an seinem eigenen Blut.
 

Sasukes Hände zitterten viel zu sehr. Seine Handflächen waren so rutschig dass ihm die Waffe beinahe aus der Hand fiel. Er versuchte zwischen die Augen zu zielen, aber er konnte nicht mehr abdrücken. Es war unmöglich. Mit zusammengebissenen Zähnen stand er da wie gelähmt, unfähig sich von dem furchtbaren Anblick vor seinen weiten Augen auch nur abzuwenden.
 

„Sasuke“, japste Itachi. Seine Stimme war leise und kraftlos. „Das hast du... gut gemacht. Danke dir“
 

Langsam sank die Hand mit der Waffe herunter.

Sasuke fiel auf die Knie. Sein Gesicht war eine Maske aus Schrecken. Unter ihm färbte sich der Boden rot. Ein Teppich aus Blut. Genau wie damals.
 

„Sie wollten dir-... weh tun. Weißt du“

Er spürte wieder, wie das Blut in seinen Ohren zu pochen begann. Die Sicht vor ihm verschwamm zu Schlieren von rot. Irgendwo vor ihm tanzte Itachis verzerrtes, trauriges Lächeln in seinem Albtraum.

„So wie-... mir auch“
 

Er spürte zwei Finger an seiner Stirn. Eine Flut von Erinnerungen stürzte auf ihn ein. Bildfetzen, Worte, Emotionen. Der liebevolle, sanfte Itachi. Dieses freundliche Stupsen mit zwei Fingern gegen seine Stirn. Der fürsorgliche, beschützende Itachi. Der Itachi, der immer ernster geworden war im Heim. Der immer weniger Zeit für ihn gehabt hatte. Er hatte immer seltener gegen seine Stirn gestupst. Der Itachi mit den viel zu leeren Augen, der ihn zum Spielen weggeschickt hatte.

„Heute nicht, Sasuke“

„Ich muss noch etwas erledigen, Sasuke“
 

Wenn er es sich recht überlegte, war sein Bruder wirklich oft im Büro des Heimleiters gewesen.

Weil er so ein Wunderkind gewesen war, hatten sie gesagt...
 

Er spürte sich heimkommen über einen klebrigen, roten Teppich der nach rostigem Eisen stank. Es war totenstill in den Gängen. Das Heim war immer schon unheimlich gewesen, aber an diesem Abend war es ein Grab. Außer Itachi lebte niemand mehr. Keiner der Betreuer. Keiner seiner Freunde. Er hatte allen die Kehle aufgeschnitten. Mit einem Teppichmesser.
 

Und dann hatte er ihn entdeckt.

Die folgenden Minuten, das Grauen, die erstickende Angst als sein Bruder ihn durch das Gebäude gejagt hatte, würde er nie vergessen. Es hatte sich tief in ihn hinein gefressen, sorgfältig abgekapselt von jeder Gemütsregung. Er hörte noch die Worte in seinem Ohr. Du musst stärker werden, Sasuke, hatte er gesagt. Sonst erwischen sie dich, in dieser hässlichen Welt. Du musst noch stärker werden als ich. Und wenn du glaubst, dass es so weit ist... kommst du zurück zu mir und wir bringen alles zu Ende.
 

„Was-...“, seine Stimme versagte.
 

Es war viel zu still auf einmal an diesem schäbigen Ort, in diesem grauenhaften Augenblick.

Irgendwo draußen, in der Welt außerhalb dieser schmutzigen Wände, rollte rumpelnd der Donner eines beginnenden Gewitters.
 

Sasuke saß in Itachis Blutlache und sah seinem Bruder beim Sterben zu.
 

„Warum?“, krächzte er kaum hörbar. Seine Kehle war wie zugeschnürt.

„Wenn du-... Nur damit ich dich-..?“

Itachis Körper zuckte. Seine Augen glitten langsam zu.
 

„Ich bin zu-... tief abgestürzt, kleiner Bruder“

Sasuke war unfähig auch nur einen Muskel zu rühren. Er konnte nur da sitzen und mit weiten Augen zusehen.
 

„Bei dem was war-... ist es gut, jetzt“, die blutigen Finger glitten kraftlos von seiner Stirn, beschmierten die blasse Haut mit tiefdunklem Rot.
 

Die Zeit in dem kleinen Zimmer schien still zu stehen.

Itachi lächelte. Ein dünnes Rinnsal von Blut sickerte ihm aus dem Mundwinkel.
 

„Ich hab dich-... immer lieb gehabt, weißt du“, wisperte er. Sasuke sah die Welt in seinem Blickfeld verschwimmen. „Nein“, stieß er reflexhaft hervor.
 

„Nein!“
 

Ungläubig, fassungslos spürte er, wie sich eine unnatürliche Ruhe in seinem Innern ausbreitete, obwohl er gerade noch das Gefühl gehabt hatte, in tausend Teile zu brechen.

Ein warmes, schützendes Glücksgefühl flutete durch seine Adern, das ihn einhüllte wie einen Mantel und es wurde immer stärker. Er wusste sofort, dass es nichts mit normalen Gefühlen zu tun hatte. Die Droge begann zu wirken und sie wirkte mit voller Macht. Das Wissen allein brachte ihn noch mehr außer sich, er kämpfte erbittert um sein Recht auf Schmerz und Verzweiflung.
 

Aber die Tränen versiegten zu schnell.

Viel zu schnell wurde er ruhiger, egal wie sehr er versuchte dagegen anzukämpfen. Der goldene, künstliche Engelsgesang lullte ihn ein, betäubte ihn, zwang ihn zu Fassung und auf einmal schien es die beste Idee zu sein, sich einfach an der zerschossenen Brust des letzten Familienmitglieds das ihm genommen worden war, zusammenzurollen und mitten in all dem Blut an ihn gedrückt einzuschlafen. In hellem, vollkommenem Frieden zu schlafen und nie wieder aufzuwachen.
 

Mit letzter Kraft wuchtete er sich in stummer Fassungslosigkeit nach oben, fand stolpernd, bis in die Grundfesten erschüttert den Ausgang. Die Metalltür nach draußen war nicht abgeschlossen.
 

Ihn empfing eiskalter, strömender Regen und endlose Weite in jeder Richtung. Eine graue Welt aus Steppengräsern und niedrigem Gestrüpp. Über ihm rollte der Donner über die Fläche. Er hatte keine Ahnung wo er war, er wusste nur, dass er dort nicht bleiben wollte. Vielleicht, wenn er genug Abstand zwischen sich und das was passiert war brachte, konnte es ihn nicht mehr erreichen.

Dann konnte er sich einreden, es wäre alles nie passiert.
 

Seine Beine waren wie aus Gummi. Er schleppte sich vorwärts, verlor in kurzer Zeit jede Orientierung, jedes Zeitgefühl. In einer Grube aus Kies blieb er liegen. Unter dem weinenden Himmel rollte er sich zusammen, allein. Wie ein Embryo ohne Mutter. Ein Wesen, das es gar nicht geben sollte. So wie er im Grunde immer gewesen war.
 

Das letzte was er wahrnahm war die kalte Nase eines Hundes, der aufgeregt über sein Ohr schnupperte und einen Ruf aus weiter Ferne, dann wurde es Nacht um ihn.
 

~

Notaufnahme

~
 

Er mochte die Tatsache nicht, sich beim Aufwachen erst völlig neu orientieren zu müssen, weil er in bewusstlosem Zustand irgendwo anders hin geschleppt worden war. Definitiv nicht. Dass ihm das in letzter Zeit oft passiert war, änderte gar nichts daran.
 

Im Gegenteil, es machte seine Laune nur noch gereizter als er die Augen aufschlug und geblendet in strahlendes, makelloses Weiß blinzelte, in dem man sich sofort fremd fühlte, schmutzig und fehl am Platz. In der Nähe sprach jemand. Verschiedene Stimmen. Rechts über ihm hing ein durchsichtiger Behälter. Wasserklare Flüssigkeit tropfte in einen Schlauch der an einer Metallstange herunter abwärts führte, bis er unter der blendend weißen Bettdecke verschwand.
 

Sein Kopf rollte auf dem Kissen herum. Er spürte einen Verband an der Stirn.

Feindselige, dunkle Augen richteten sich auf die Menschen neben seinem Bett-... gleich mehrere auf einmal! Wer zum Teufel-...?
 

Abrupt versuchte er sich aufzusetzen-... und die Decke rutschte von seiner Brust, entblößte nackte Haut und eine Menge runder Aufkleber an ihm, von denen plastikummantelte Drähte wegführten, die wie graue Würmer an ihm herunterglitten. Was zum-... er zuckte zusammen, hob die Hand um das Zeug von sich weg zu reißen-... und scheiterte an Schlingen aus weißem Klettverschluss um seine Handgelenke.
 

Oh, das mochte er gar nicht...
 

Im selben Moment in dem er die Zähne fletschte und mit Wucht seine Muskeln nach oben zu reißen versuchte um diese lächerlichen Fesseln zu zerfetzen, warf sich jemand über ihn.
 

Er schrie vor Empörung, versuchte den Stahlklammergriff um seine Handgelenke abzuschütteln und seine Augen wurden weit, als er dieses blonde Zottelhaar, die Narben über den Wangen und die blauen, blitzenden Augen schon wieder sehen musste.
 

„Lass- mich- los!“, schäumte er.
 

„Hey, hey hey! Ruhig! Langsam! Um Himmels Willen, es ist okay! Es ist alles okay!“
 

„Fick dich!“, spie Sasuke und versuchte ihn durch einen heftigen Kopfstoß auszuknocken, dem er dummerweise auswich. In Ermangelung seiner Hände versuchte er, mit den Füßen zu treten. „Nichts ist okay!“
 

„Verdammt, Sasuke! Entweder du beruhigst dich, oder die müssen dir was spritzen, verstehst du? Du kannst hier nicht so ausflippen, du bist im Krankenhaus!“
 

Sasukes Blut gefror zu Eis bei den Worten. ... etwas spritzen?
 

Naruto schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf.

„Das ist nicht meine Entscheidung!“, beteuerte er, „Du wärst fast drauf gegangen, du-...“
 

Zwei Schwestern und zwei Pfleger in Weiß eilten herbei, ein Arzt im weißen Kittel erschien am Kopfende des Bettes, um ihm ein Beruhigungsmittel zu geben und hob die Hand erst zu dem Zugang in seinem Arm- und als er sich zu heftig wehrte zu der Infusionsflasche über ihm, die außerhalb seiner Reichweite war.
 

Sasuke sah die Spritze in seiner Hand und sein Gehirn setzte aus. Er riss mit bloßer Muskelkraft beide Fesseln durch, schnappte nach den Schläuchen der Infusion und fetzte sie herunter so dass die Verbindung riss und Infusionsflüssigkeit auf ihn und den Arzt herunterplätscherte. Sofort war er mit einem Sprung aus dem Bett, packte Naruto am Kragen und warf ihn rückwärts gegen einen Berg von Überwachungsinstrumenten, dass es nur so krachte.
 

Er zog sämtliche Schläuche von seiner Haut, schaudernd und panisch, aus der Wunde an seinem Handrücken troff Blut auf den Boden, aber er ignorierte es. Genau so wie die Tatsache, dass er nichts trug außer einem Höschen aus Gummifäden.
 

„Sasuke!“, Naruto hob beschwörend die Hände. Er hatte bei näherem Hinsehen ein deutliches blaues Auge und eine aufgesprungene Lippe und Sasuke konnte nicht anders als anzuerkennen, dass er den Versuch ihn ins Nirvana zu prügeln bisher überraschend gut weggesteckt hatte.
 

„Ganz ruhig, niemand tut dir was! Die Leute versuchen nur, dir zu h-...“

Sasuke packte das Nächste was er auf seinem Weg rückwärts den Gang entlang in die Finger bekam, um die Stimme zum Schweigen zu bringen. Neben ihm stand stand ein Wagen mit Tassen und Plastikbechern und genau das feuerte er dem Blonden gezielt ins Gesicht. Dank guter Reflexe schaffte der es, das meiste davon kurz vor dem Aufschlag abzuwehren. Wer war überhaupt dieser triefäugige Rotschopf mit dem Tattoo auf der Stirn, der so unbeteiligt daneben stand und glotzte? Hatte er den nicht auch schon öfter gesehen?
 

Ein todesmutiger Pfleger der schließlich von schräg hinter ihm versuchte, ihn zu Boden zu ringen, gab ihm den Rest. Sasuke schlug ungebremst nach dem Jochbein dass es nur so krachte, das Knie rammte er tief in den Solarplexus, seine Fußkante trat nach dem Unterkiefer. Mit einem Satz war er über den gurgelnden Mann am Boden hinweg, packte die nächste Schwester im Gang die ihn schafsäugig anglotzte und schmetterte sie mit Wucht rückwärts gegen die Wand-...

dann begann er zu laufen.
 

Er riss etwas im Vorbeigehen mit sich das nach Stoff aussah. Dummerweise entpuppte es sich bei näherer Betrachtung nur als Kissenbezug.
 

Nicht dass ihn solche Kleinigkeiten übermäßig irritieren konnten. Er lief nackt genau so schnell wie in angezogenem Zustand und in einem Krankenhaus wo man keinen Einfluss darauf hatte, welche Drogen einem die Weißkittel ins System pumpten, hielt ihn nichts. Jedenfalls nicht dünne Klettverschlüsse und ein blonder Idiot.

Wie war der Kerl überhaupt nur dorthin gekommen?
 

Dummerweise erregte ein nackter Mann erheblich mehr Aufsehen als ein angezogener, also war er gezwungen so schnell wie möglich in den nächsten öffentlichen Toiletten Zuflucht zu suchen. Dort schlug er die erstbeste ahnungslose Gestalt nieder, die ihm durch die Tür nach kam und bediente sich an Shirt und Jeans. Letztere waren etwas zu lang, sie reichten bis über die Hälfte seiner Fußsohlen, aber das war immer noch besser als das Gegenteil. Nur gefühlte zwei Minuten später stand er mit vernichtendem Blick, durch energische Handgriffe zurechtgezupfter Frisur und einem viel zu lockeren, dunkelblauen Shirt mit der silbern glitzernden Aufschrift: "Psycho Bitch", wieder vor der klapperigen Tür.
 

Und direkt vor dem mysteriösen Rotschopf aus dem Krankenhaus, der ihn mit grauen Augen ausdruckslos anstarrte.
 

~

Angebot

~
 

„Dreh nicht gleich wieder durch“, sagte der Rotschopf mit einer gleichmäßigen Stimme, die genau so emotionslos zu sein schien wie sein Gesichtsausdruck.
 

„Du bist viel zu eng gewickelt. Koks, schätze ich. Oder Crack?..“, seine leeren Augen kniffen sich etwas zusammen. „Sag nicht, es ist Meth...“
 

„Was willst du von mir?“, spie Sasuke zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Blut pulste immer noch in dreifacher Normalgeschwindigkeit durch seinen Kreislauf. Das Adrenalin machte seinen Kopf leicht und wattig. Seine Fäuste zitterten. Aber noch war alles gut. Er war stark.

Übermächtig. Er konnte diesem Wicht hier mit einem guten Treffer das Nasenbein ins Gehirn rammen wenn er wollte.
 

Der Rotschopf blinzelte.
 

„Folgendes ist Fakt“, begann er geduldig, „Du bist total drauf. Und zwar polytox. Ich weiß nicht warum, aber anscheinend stehst du drauf, dir Upper und Downer gleichzeitig reinzuziehen. Ergebnis ist dieser total überdrehte Zustand. Du glaubst, jeder will dich ermorden. Du schiebst Filme.“
 

Sein Blick glitt an Sasukes Gesicht hinunter auf seine Brust.
 

„... du hast auf der Unisex- Toilette eine Frau umgepumpt und ihr Shirt angezogen?“
 

„So genau hab ich nicht hingesehen!“, schnappte Sasuke. „Ist doch scheißegal!“
 

Der Rotschopf wechselte von leichtem Erstaunen wieder zu seinem ausdruckslosen, gelangweilt wirkenden Gesichtsausdruck.
 

„Fakt ist jedenfalls“, diese gleichmäßige, gefühlsleere Stimme war seltsam einschläfernd, „Meth und H verträgt sich nicht besonders gut. Kreislaufzusammenbrüche. Ein Freund hat dich vor ein paar Stunden in den Bergen gefunden, ausgeknockt in strömendem Pisswetter. Ich bin Gaara... wenn dir das Krankenhaus nicht gefällt, kann ich das nachvollziehen.“
 

Sasuke taumelte leicht. Er bemühte sich, die Schlieren vor seinen Augen wieder wegzublinzeln.
 

„Aber in dem Zustand bist du leichte Beute. Du solltest dich ausschlafen. Und nicht noch mehr... Aufmerksamkeit auf dich ziehen. Wenn du nicht in den nächsten paar Stunden wirklich ungemütliche Fragen beantworten willst...“
 

Seine grauen Augen waren hypnotisch. Sie lagen tief in dunklen Augenhöhlen. Und diese blasse, kranke Gesichtsfarbe... H, dachte Sasuke. Heroin. Ein Junkie.
 

Und irgendwie gab diese Erkenntnis den Anstoß. Scheiß drauf, dachte er. Weiter wegzulaufen schien tatsächlich eher aussichtslos. Auf ein Wiedersehen mit Kräften der Öffentlichkeit wie Ärzten und Polizei konnte er wirklich verzichten.
 

„Na fein, also wie ist dein grandioser Vorschlag?“, schnappte er. Es geriet nicht ganz so giftig wie geplant.
 

Die grauen, tiefen Augen blinzelten langsam.

„Du kommst mit mir“, sagte der Fremde, wandte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort zwischen vorbei eilenden Passanten auf dem Weg zur nächsten U-bahn. Sasuke konnte nur noch versuchen, mit ihm Schritt zu halten.
 

~

Zuflucht

~
 

Es war wirklich um einiges beruhigender sich in einem von Möbeln und Habseligkeiten vollgestopften Zimmer irgendwo in einem zweifelhaft legalen Viertel in ein Bett zu verkriechen das wunderbar dunkle Bettwäsche hatte. Erdige Farben. Braun und schwarz und rot, etwas das wirkte wie eine Höhle, nicht wie ein Seziertisch.
 

An der Wand hingen Teppiche mit seltsamen Mustern, ein Poster von ACDC und ein riesiger Traumfänger mit Bussardfedern. Es roch nach Sandelholz, irgendeinem dunklen, wilden Duschgel und ein bisschen nach großem Hund.

Sasukes Muskeln wurden zu Pudding als er den Kopf in das Kissen vergraben und die Bettdecke über sich gezogen hatte. Er atmete tief aus. Es gab sogar eine Tür direkt neben dem Bett, zu einem kleinen Balkon. Fluchtmöglichkeiten waren immer beruhigend. Und es war viel angenehmer als er sich einen Junkie- Unterschlupf vorgestellt hatte. Sicher, ein wenig unaufgeräumt, aber nicht übertrieben vermüllt und verwahrlost.
 

Natürlich wusste er nicht, ob der seltsame Rotschopf- Gaara- sobald er schlief Naruto anrufen und ihn her zitieren würde. Eigentlich war das relativ wahrscheinlich. Aber nicht einmal der blonde Idiot konnte so dumm sein, ihn nach allem was passiert war noch einmal in die Nähe von irgendeinem Weißkittel bringen zu wollen. Oder zur Polizei. Jedenfalls hoffte er das wirklich.
 

Er wurde das Gefühl nicht los, dass er Gaara von früher kannte... war er etwa auch in diesem Heim später mit Naruto gewesen? Das, in das sie ihn gesteckt hatten, nachdem-...
 

Sasuke kniff die Augen zusammen, schloss die Fäuste um den weichen Stoff unter ihnen und schob den Kopf tiefer ins Kissen.
 

Im Moment war er so furchtbar erschöpft davon, wegzulaufen. Er hatte es satt. Jetzt würde er liegen bleiben und sich ausschlafen. Und was auch immer danach passierte, darüber konnte er sich zu gegebener Zeit noch den Kopf zerbrechen.
 

~

Kiba

~
 

Er wurde wieder von saugendem Schnüffeln und Hecheln geweckt. Eine lange, glitschige Zunge schlabberte an seinem Ohr und kam in alle empfindlichen Winkel an denen er viel zu kitzelig war.

Sein Arm schoss nach oben, um was auch immer ihn so attackierte von sich zu stoßen. Er traf ins Leere, die feuchte Schnauze war weg, dafür hallte jetzt dröhnendes, dunkles Bellen durch das kleine Zimmer.
 

Sasuke zog die Decke von sich und hob den Kopf. Ein riesiges Biest von Hund stand in dem kleinen Raum. Es war weiß mit dunklen Schlappohren und schien irgendein Bastard zu sein, in dessen Ahnenreihe sich Doggen und anatolische Hirtenhunde befunden haben mussten. Sein langer, buschiger Schweif rotierte und er tänzelte aufgeregt von einer Pfote zur Anderen.
 

„Mach Platz, Akamaru“

Ein junger Mann schob sich durch die Eingangstür, drückte den breiten Kopf des Hundes zur Seite und warf ein Kleidungsstück auf den Sessel der am Fußende des Bettes stand. Er trug nur ein transparentes, ärmelloses Netzshirt, ansonsten war der beeindruckend breite Oberkörper frei. Zwei dicke, tiefschwarze Tribal- Tattoos rankten sich über beide Oberarme, in seinem Gesicht zogen sich rote Spitzen von den Wangenknochen zum Unterkiefer wie Reißzähne. Wilde Augen mit engen Pupillen flackerten zu Sasuke herüber.
 

„Na, aufgewacht?“, ätzte er.
 

Kiba.

Sasuke kannte ihn nicht besonders gut, aber er war definitiv kein Fremder. Seine Schmetterfaust war im ganzen Viertel berüchtigt gewesen. Der Hund schien bester Laune zu sein, er warf den Kopf zurück und stieß sein dunkel heulendes Bellen aus, das sicher noch drei Zimmer weiter zu hören war.
 

„Akamaru!“, hielt sein Herrchen genervt dagegen. Der Hund schnaubte, trabte zwei Schritte in eine Ecke um dort ein Plüschtier zwischen die gewaltigen Kiefer zu sammeln und es schweifwedelnd mit sich herum zu schleppen.
 

„Hab gehört, dein Name ist Programm?“, Kiba hatte sich inzwischen in voller Größe neben dem Bett aufgebaut und hantierte an einem Lederarmband, während er einen verächtlichen Blick auf das Shirt um Sasukes Oberkörper geheftet hielt. „Hast es ganz schön krachen lassen, Psycho- Bitch.“
 

Sasuke verzog das Gesicht zu einer sauren Miene und griff in den blauen Stoff. Er überlegte einen Moment ob es vorteilhafter war, das Shirt wieder loszuwerden und sich dem Fischnetz tragenden Freak mit bloßem Oberkörper entgegen zu stellen. Falls es schon wieder zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen musste. Worauf er im Moment nun wirklich nicht scharf war. Sein Körper fühlte sich an wie Blei, sein Mund war trocken und sein Magen ein winziger, schmerzender Knoten.
 

Jetzt wurde ihm auch wieder bewusst, dass er seit mindestens drei Tagen nichts anderes mehr zu sich genommen hatte als Red Bull und weißes, glitzerndes Teufelspulver. Er stützte seine Hand an die Stirn, die Lippen zu einer blassen Linie zusammengepresst.
 

„Das hier ist dein Zimmer?“

Seine Stimme klang leise, genervt und am Rand jeder Toleranzgrenze. Soweit nichts Neues. Unerfreulicher war, dass man ihm die Erschöpfung inzwischen auch anhören musste.
 

„So sieht´s aus.“
 

„Warum bin ich nicht bei...“

Wie war der Name noch gleich?
 

„Gaara...?“
 

Der Größere, mit dem Kreuz wie ein Gladiator hob herablassend eine Augenbraue.

„Sieh ihn dir an und überleg nochmal, ob es irgendwie seiner Resozialisierung guttut, Spinner wie dich auf der Couch liegen zu haben.“
 

„Mh“ Sasuke rollte sich schwer auf die Seite. Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und gab sich ein paar Sekunden um durchzuatmen.
 

„Also für´s Protokoll.“, grollte Kiba, „Du bist ein böser Junge, soviel ist mir klar. Ich will auch gar nicht wissen, was du sonst so tust. Aber das hier ist unser Zuhause. Wenn du auch nur dran denkst, hier eine Szene zu machen...“

Seine Stimme wurde leise und unverhohlen bedrohlich, die dunklen Augen funkelten herausfordernd, „Dann legst du dich mit mir an, okay?“

Er stützte einen Arm aufs Bett und beugte den Kopf näher, seine Stimme war ein dunkles, kehliges Grollen. „Und du willst dich nicht mit mir anlegen, glaub´s mir“
 

Sasuke sah ihn entgegen. Seine Mundwinkel zogen sich so schnell abwärts wie seine Augen schmaler wurden. Von ihm aus hätte er auf Kämpfe vorerst verzichten können. Er fühlte sich so zerschlagen und ausgepumpt als hätte er die letzten Jahre nichts anderes getan und im Grunde war es auch so. Aber dieser arrogante, zähnefletschende Muskelberg vor ihm bettelte förmlich um eine Lektion. Der schien nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wen er vor sich hatte.
 

Ein paar lange Sekunden dachte er nicht daran, zu reagieren, er erwiderte nur diesen hitzigen, wilden Blick vollkommen unbeeindruckt. Und dann, ohne weitere Vorwarnung stach er mit den Fingern nach den Augen des Anderen. Der Angriff war normalerweise zu schnell und zu drastisch für einen ersten Vorstoß. Er war völlig sicher gewesen, dass er treffen würde.
 

Umso verdutzter seine Miene, als die Hand von der Pranke des Anderen klatschend abgefangen wurde. Und der Größere drückte zu, drehte blitzschnell das Handgelenk.
 

Einen überrumpelten Schmerzenslaut konnte Sasuke sich nicht verkneifen. Dieses Tier brach ihm gerade die Finger, ohne mit der Wimper zu zucken! Jetzt schnappten seine Muskeln zusammen, er warf sich dem Anderen mit gefletschten Zähnen entgegen, aus dem Bett heraus-... und wurde von einer mächtigen Faust am Solarplexus gestoppt, die ihn am Kragen packte und mit Schwung zurück in die Matratze warf, so dass es ihm alle Luft aus den Lungen trieb.
 

Verfluchter Mist.

Wie konnte man sich nur so verschätzen? Schien so, als zollte die dauernde Überbeanspruchung seines Körpers jetzt ihren Tribut. Jeder Muskel tat weh. Kopfschmerzen-... Durst-... das war Sand im Getriebe. Es funktionierte alles nicht mehr wie es sollte.
 

„Bleib liegen.“, befahl Kiba grollend und nachdrücklich, „Bleib!“

Sasuke grub alle verfügbaren Fingernägel in den Arm auf seinem Brustbein und zog die Knie an, um wenigstens einen Fußtritt zu landen
 

„Ich... bin doch... kein Hund!“, gurgelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Kiba war unbeeindruckt von den blutigen Striemen, die Sasuke in seinen Unterarm kratzte. Er wickelte den Stoff des Shirts noch einmal um seine Hand und zog die Schlinge enger.
 

„Du bist Narutos Hübscher, ich weiß schon Bescheid“, knurrte er. „Trotzdem benimmst du dich in meinem Bett. Verstehen wir uns?“
 

Sasuke würgte einen hasserfüllten Gurgellaut hervor.
 

Ohne weitere Vorwarnung ließ Kiba das Shirt los. Die ersten zwei Sekunden brauchte Sasuke, um mit etwas mehr Sauerstoff die tanzenden bunten Punkte vor seinen Augen zu vertreiben. Als er den nächsten Vorstoß startete, wurde er wieder ins Bett geworfen, genau wie davor.
 

Er gab einen frustrierten Wutschrei von sich.

Kiba grinste leicht und ließ ihn sofort wieder los.
 

„Macht schon Spaß“, meinte er trocken, „Ich könnte so was den ganzen Tag tun. Da ist richtig Dampf dahinter... schätze, wenn du wieder fit bist hat keiner mehr was zu lachen. Du bleibst einfach liegen und wir sind Freunde. Kapiert?“
 

Sasuke rang nach Luft. Alles drehte sich. Nachdem niemand mehr nach ihm packte und er endlich in Ruhe gelassen wurde, verließ ihn die Kraft. Er krümmte sich auf die Seite und barg nur noch seinen pochenden, dröhnenden Schädel im Unterarm.
 

„Nichts für ungut“, hörte er Kiba, der in der Zwischenzeit wohl vom Bett aufgestanden war, „Nachdem wir das jetzt geklärt hätten... Wenn du Duschen willst, zweite Tür links. In der Küche ist Gulasch, bedien dich. Wasser gibt’s im Regal bei der Spüle so viel du willst.“
 

Im Moment war es schwer vorstellbar für Sasuke, überhaupt wieder aufzustehen. Wenigstens waren die Finger doch noch heil. Er blieb auf der Seite liegen, krümmte sich in Embryonalstellung, fühlte sich wund und entsetzlich und konzentrierte sich darauf, flach zu atmen, damit die Übelkeit nicht noch stärker wurde. Irgendwie half es, den Kopf über die Bettkante zu schieben.

Wenn er sich übergeben musste, saute er so damit wenigstens nicht das Laken voll. An dem hölzernen Bettrost, direkt unter seiner Nase hing etwas silbern glitzerndes. Sasuke streckte irritiert die Finger aus um es anzuheben.

Es war eine schmale Kette an der eine breite, schwarze Ledermanschette baumelte.

Was zum-...?
 

„Wenn du sonst nichts mehr brauchst, ruf ich jetzt deinen Chef an“, meldete Kiba.
 

Sasuke blinzelte mühsam, hob verständnislos den Kopf, sah ihn mit dem Rücken zu sich im Zimmer stehen und auf einem uralten Handy herumtippen.

„Ich hab keinen Chef“, brachte er unter aufgesprungenen, trockenen Lippen hervor.
 

Der Größere warf ihm einen Blick zu.

„Natürlich nicht“, meinte er und warf ihm das Mobiltelefon entgegen.
 

~

Lay All Your Hate On Me

~
 

„Hey...“, drang Narutos Stimme aus dem vorsintflutlichen Handy direkt an sein Ohr. Es klang seltsam.

Anders als wenn er wirklich nahe war. Trotzdem hoben sich die Häarchen auf seinen Unterarmen zu Gänsehaut.
 

„Hey“, murmelte Sasuke nach sekundenlangem Schweigen. Er saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett, eine Hand um seinen nackten Fuß geschlossen, Kopf und Schultern gesenkt.

Es war leichter, mit ihm zu sprechen wenn sie sich dabei nicht sehen mussten. Nicht glorreich, aber leichter. Er war nicht stolz auf ihre letzten Begegnungen. Das war sein wunder Punkt. Männer wie er konnten sich wunde Punkte nicht leisten.
 

„Hör zu“, Naruto klang müde, erschöpft. „Wenn du es grauenhaft findest, überhaupt auch nur dieselbe Luft zu atmen wie ich-... wonach es momentan echt aussieht... dann lasse ich dich in Ruhe, okay? Ich bleib dir vom Leib. Du bist alt genug, du kannst tun was du willst und gehen wohin du willst. Es war nur-...“

Der Lautsprecher gab ein schepperndes Fauchgeräusch von sich. Narutos Atemzug in den Hörer.
 

Sasuke lauschte wie betäubt.

War das Einbildung, oder klang die Stimme belegt? Irgendwie... traurig?
 

„Ich hab mir Sorgen gemacht“

Naruto atmete noch einmal hörbar durch.
 

„Verdammt, Sasuke. Ich wusste nicht mal mehr, ob du noch lebst. Und dann zieh ich dich bei so einem blöden Einsatz auf einmal hinter nem Mülleimer vor-... ich hab dich erst nicht erkannt, du warst voller Dreck und Betonstaub! Und kurze Zeit später ruft mich Kiba an, dass er was in den Bergen gefunden hat, das aussieht wie du! Die ganze Stadt steht Kopf, diese verrückten Kartellkriege sind der blanke Irrsinn! Ich kann jede Nacht fünf tote Nutten und zehn Crackheads und Dealer von der Straße sammeln! Die Polizei ist im Ausnahmezustand! In manchen Gegenden werden Leute einfach so abgeknallt, nur weil sie im falschen Moment über die Straße laufen... und irgendwo mitten drin bist du! Ich will...“
 

Noch ein tiefes Ausatmen.

„Ich will doch nur wissen, ob du okay bist“, Narutos Stimme klang rau.
 

Sasuke schluckte.

„Ich bin okay“, sagte er, in einem Tonfall der nach purer Ironie klang, und räusperte sich.
 

Ein paar Momente lang herrschte atemlose Stille zwischen ihnen.

„Sasuke?“, fragte Naruto betroffen.
 

Der Schwarzhaarige schloss die Hand um seinen Fuß, dass die Knöchel weiß hervor traten und presste die Lippen aufeinander.

„Warum machst du dir so einen Kopf?!“, stieß er bitter hervor. „Wir haben nichts mehr miteinander zu tun! Das kann dir echt scheiß egal sein!“
 

Der Blick aus seinen schwarzen, rot umrandeten Augen war hart und düster. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Kaputt und struppig fühlten sie sich an und an einer Seite hoffnungslos platt gelegen. Als das Zittern in seinen Muskeln stärker wurde, hielt er sich wieder am Fuß fest.
 

„Ich hab dich ins Koma geprügelt!“, schnappte er in den Hörer, „Dein Schädel war gebrochen! Ich bin abgehauen um ins Kartell zu kommen!“, er zitterte, „Und du willst mir erzählen, du machst dir Sorgen?“, er rang nach Luft und Fassung.

„Wie krank bist du eigentlich?!“, spie er hervor, „Du bist nicht mein Bruder! Ich hab keine scheiß Verwandten mehr! Willst du, dass ich dich das nächste Mal umbringe?!“
 

Bei dem letzten Satz brach seine Stimme und er zog es vor, lieber nichts mehr zu sagen.

Eine Weile lang blieb es still. Sasuke zwang sein heftiges Atmen nieder und lauschte angestrengt in den Hörer. Er klammerte sich an das Telefon. Das Zittern lief in Wellen über seine Muskeln. Er wagte kaum noch, Luft zu holen. Wasser drängte in seine Augen, aber er biss die Zähne zusammen und würgte jede weitere Regung hinunter.
 

„Du bist mein Freund“, sagte Naruto irgendwo am anderen Ende der Stadt in den Lautsprecher, und trotzdem klang es viel zu nah.

Sasuke schob seine Hand über den Mund um sich jedes Geräusch zu verkneifen, ließ den Kopf tiefer sinken und schloss die Augen. Lange, schwarze Haarsträhnen fielen ihm vors Gesicht.
 

„Klar... du bist ziemlich durchgeknallt. Aber wer von uns hat denn keine Probleme? Früher war ich ein paar Mal zu langsam und zu schlecht trainiert für dich, okay. Aber-... ich glaube ganz ehrlich nicht, dass du mich umbringst. Und wenn, dann ist es eben so. Hör zu, Sas... ich weiß, du bist sauer und wütend-... und ich hab mir gedacht, vielleicht bist du ja wütend auf mich! Also, wenn es dir irgendwie hilft-... lass deine ganze Wut ab jetzt einfach nur noch an mir aus, okay? Zieh da nicht noch mehr andere Leute mit rein. Das ist doch scheiße... Wenn du gegen irgendwen kämpfen musst... komm zu mir.“
 

Ein paar Sekunden lang war es ganz ruhig. Naruto schien auf eine Reaktion zu warten, die nicht kam.

„Okay...?“, fragte er schließlich atemlos.
 

Sasukes Schultern bebten, er schüttelte hilflos den Kopf.
 

„Gut, dann... naja. Das wollte ich dir nur nochmal sagen“, ein kleines, verlegenes Lachen schepperte im Hörer. Wie konnte der Kerl nur so klingen, nach allem was passiert war?
 

„Komm ruhig“, sagte er, der blonde Idiot, mit einer Stimme in der man das offene Grinsen hörte bei dem sich Sasukes Herz anfühlte wie ein schmutziger Lappen, den jemand auswrang:
 

„Ich kann´s vertragen. Komm einfach, ich fang dich auf“
 

~

Berufswahl

~
 

„Du bist Hundefrisör?!“, fragte Sasuke schon das dritte Mal in den letzten Minuten, weil er die Neuigkeit dermaßen für einen Witz hielt, dass er in jeder Ecke die versteckte Kamera vermutete,

„Ohne Scheiß?!“
 

Gaara ließ die langen, bleichen Finger konzentriert und ausdruckslos über die goldenen Locken des Spaniels streichen, der in der Mitte des Raums auf dem gepolsterten Tisch stand und setzte an der Kehle des Tieres die elektrische Schermaschine noch einmal an.
 

Das Gebäude mit den beiden Appartements im Dachgeschoß, Kibas Wohnbereich auf der einen- Gaaras und Rock Lees auf der anderen Seite, hatte ebenerdig, dort wo sie sich jetzt befanden, ein Tattoo- und Piercingstudio und-... diesen Schrecken hier gleich daneben.
 

„Fakt ist, das ist eine Arbeit, die absolute Ruhe und Konzentration erfordert“, murmelte der Rotschopf und tauschte die Schermaschine nach ein paar sorgfältigen, gezielten Strichen gegen eine blitzende Trimmschere, mit der er die Ohren zu bearbeiten begann.
 

„Ich muss keine Menschen anfassen. Oder mir dauernd ihr sinnloses Gerede anhören.“

Gleichgültig zuckte er eine Schulter und begann dann den Hund mit dermaßen raschen, ruckartigen Bewegungen der scharfen Klingen zu attackieren, dass Sasuke jeden Moment mit Gemetzel rechnete.
 

Stattdessen hechelte ihm in kurzer Zeit ein säuberlicher, perfekt getrimmter Vierbeiner vom Tisch entgegen, der sich einmal schüttelte und über den Haufen Fell zu seinen Füßen nicht allzu beunruhigt zu sein schien.
 

„Tiere beruhigen mich“, fügte Gaara in weicherer Tonlage hinzu und streichelte seine blasse, langfingrige Hand zärtlich über den runden Kopf des Hundes.
 

Sasuke verzog das Gesicht.
 

„Na gut, aber... du hättest auch Gärtner werden können.“

Gaaras graue Augen starrten ihn über den Hund hinweg lange und ausdruckslos an.
 

Er hob eine Schulter.

„Oder Informatiker?“
 

„Du meinst, alle Mitglieder der vierbeinigen Rasse sollten sich mit dem Schicksal abfinden, von dicken, hässlichen Damen traktiert zu werden, die ihre Bedürfnisse nicht ernst nehmen und ihren empfindlichen Hörsinn mit Quietschlauten foltern?“
 

Überfordert stützte Sasuke sich mit dem Rücken an die Spüle.

„Also-...“
 

„Das ist eine Sache der Ehre"

Gaara warf den Hund vom Tisch, der sichtbar erleichtert davonzockelte und kam langsam von der Mitte des Zimmers auf seinen Gast zu, im Vorbeigehen ein langes Rasiermesser von einem der Tische nehmend.
 

"Du findest meine Arbeit lächerlich? Das ist dein gutes Recht. Ich finde, jeder soll seine Meinung frei äußern können...“
 

Die Waffe in seiner Hand war beunruhigend. Der blasse Rotschopf hatte etwas an ihm, das ihn unberechenbar wirken ließ. Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Regung und er blinzelte nicht ein einziges Mal. Sasuke überlegte kurz, ob es angebracht war Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und einfach ein paar Schritte zurück zu gehen. Andererseits glaubte er nicht, dass dieser bizarre Barbier hier so dumm war, ihn mitten in seinem Studio abzustechen. Allein schon wegen der Sauerei. Abgesehen davon wich er niemals zurück.
 

„Jeder hat etwas das ihn antreibt...", murmelte Gaara in seinem gleichmäßigen Tonfall,

"Seine Bestimmung im Leben. Die Gesellschaft und das System überschütten uns mit Komplexen, bis wir nicht mehr daran glauben und unsere wahren Bedürfnisse nicht zulassen, weil wir glauben sie sind zu dumm oder schwach oder lächerlich.“
 

Jetzt war er zu nah. Sasuke blieb reglos stehen als der kalte Stahl der Rasierklinge an seine Kehle tippte, ganz leicht und beinahe zärtlich. Er atmete nur etwas tiefer und hielt aus den Augenwinkeln den starren Blickkontakt zu Gaara dicht neben ihm, in dessen unheimlichen, emotionsleeren Augen ihn etwas an abgetrennte Köpfe erinnerte.

Dieser Mann musste Übung mit seiner Klinge haben, aus seinem Leben vor-...

was auch immer das jetzt für ihn war.
 

„Fakt ist“, raunte der Rotschopf ihm ins Ohr, „Keine Bestimmung und kein tiefes, inneres Bedürfnis, das dafür sorgt, dass du dich so lebendig fühlst und so... angekommen... kann zu schwach oder lächerlich sein.“
 

Gaara hob die Klinge, um noch einmal bekräftigend an seine Haut zu tippen, dann wandte er sich ab um Hände und Messer in der Spüle zu waschen.
 

Sasuke schob sich endlich ein wenig zur Seite, die Hände an das kühle Metall der Ablage gestützt, seine Augen misstrauisch auf Gaaras Händen.
 

„Du warst mal ein Junkie“, bemerkte er.
 

„Ja“, Gaara legte das Messer zur Seite und begann stattdessen damit, seine weniger bedrohlichen Scheren zu säubern, „Ich war so drauf, dass ich die Spuren nicht mehr los werde.“
 

„Was hast du alles genommen?“
 

„Hauptsächlich Heroin.“
 

Sasuke sah zu, wie klares Wassser über die blassen Finger floss. Er fragte sich, wie oft der Andere sich schon Blut von den Händen gewaschen hatte.
 

„An den Armen und Beinen waren die Adern schnell hin. Gegen Ende hab ich am Hals gespritzt“, Gaaras gleichmütige Stimmlage veränderte sich kaum, der Blick aus seinen kalten Augen rollte wieder zu ihm hinüber , „... oder unter die Zunge.“
 

„Ewch...“, Sasuke verzog das Gesicht.
 

„Glaub nicht, dass Meth oder Koks irgendwie besser ist.“
 

„Ich bin nicht-... das hab ich nicht behauptet!“
 

„Gut“, meinte Gaara nur und ruckte den Kopf auffordernd in Richtung Frisiertisch,

„Dann kannst du die Haare jetzt aufwischen.“
 

„Was?!“, empört wich Sasuke zwei Schritte von ihm weg, warf einen Blick auf die Barbier- Kampfspuren und einen auf seinen merkwürdigen Gastgeber, „Ich bin nicht dein Praktikant, okay? Ich fass doch keine scheiß Hundehaare an!“
 

„Dann solltest du vielleicht Handschuhe anziehen.“, Gaaras Blick wurde von einer Sekunde zur anderen bohrend und tödlich.
 

„Du schuldest du mir nämlich was, Pretty Boy.“
 

~

Nerds

~
 

„Ufo- Watch!“, sang Rock Lee abends aus voller Kehle und hüpfte völlig überdreht in seinem grünen Strampelanzug durch die Wohnung, „Ufo- Watch! Ihr kleinen grünen Männchen, kommt alle her zu miiiir!“
 

Sasuke stand kopfschüttelnd und mit vor der Brust verschränkten Armen neben der Glasvitrine voller Actionfiguren.

„So wie er aussieht betrachten sie ihn als Artgenossen“, bemerkte er und hoffte in Kiba den einzig halbwegs normalen Menschen seiner Umgebung zu finden. Der Größere schnaubte belustigt. Sein Grinsen zeigte die unnatürlich langen, spitzen Eckzähne.

Und Sasuke wurde mit Seitenblick darauf wieder bewusst, wie sehr man Ansprüche an Normalität hier herunterschrauben musste. Dieser Freak hatte sich doch tatsächlich die Zähne machen lassen, um noch mehr auszusehen wie ein... Freak.
 

… zugegeben, seine Freundin fand es sicher auf eine absurde Art sexy...

Hatte er überhaupt eine Freundin?
 

Er ließ einen skeptischen Blick über den zappelnden Froschmenschen mit den unglaublichen Augenbrauen streifen, und seinen Mitbewohner, den soziopathischen Hundefrisör mit der Vorliebe für scharf geschliffenen Edelstahl. In ihrer hellen Dachwohnung reihten sich seltene Comicrelikte an Vitrinen voller Plastikpüppchen und vergrößerte Fotos von seltsamen, verschwommenen Lichtflecken die einem Ufo nicht ähnlicher sahen als ein zermatschtes Insekt auf einer Windschutzscheibe. Wenn hier irgendwer eine Freundin hatte, dann Kiba.
 

„Willst du wirklich nicht mitkommen, Sasuke?!“, Lees Augenbrauen, die tatsächlich den Eindruck machten als könnten sie alleine ein Land regieren und Thronfolger zeugen, waren auf einmal so nahe vor seinem Gesicht, dass Sasuke instinktiv mit dem Kopf zurück zuckte.

„Ugh“
 

Es war verdammt schwer eine Antwort zu formulieren, wenn das Gehirn dermaßen abgelenkt war.
 

„Wir fahren raus zum Stausee! Wusstest du, dass man da schon oft nicht identifizierte Flugobjekte gesichtet hat? Das ist so cool! Wir haben Nachtsichtgeräte! Und Proviant! Und-...“
 

„Vielleicht interessiert er sich nicht für Ufos, Lee“, bremste ihn Kiba, „Hör auf den Mann zu belästigen. Vielleicht bleibt er ja lieber zuhause und sieht sich die Sexy Sport Clips an.“
 

Lees Miene wechselte in wenigen Momenten von ungläubig zu neidisch zu ernsthaft irritiert.

„Wirklich?!“
 

„Tja, ich weiß auch nicht.“, Sasuke schob seine Hände tief in die Hosentaschen und setzte sein bestes Pokerface auf, „Die Sexy Sport Clips sind schon ziemlich cool.“
 

Kiba warf einen Blick auf die Beiden, brach in heulendes Gelächter aus und war eine Weile außer Gefecht gesetzt.
 

„Wo bleibt Neji?“, murrte Gaara von der anderen Ecke des Raumes her, der immer noch damit beschäftigt war eine Menge hochtechnischer Geräte in einen Rucksack zu packen, „Er wollte um Punkt neun Uhr hier sein. Jetzt ist es schon zehn nach. Das sieht ihm gar nicht ähnlich.“

„Whoa, warte mal!“, versuchte Lee ihn zu bremsen, „Bist du sicher, dass das da rein gehört?“
 

„Jedenfalls, Ladies“, Kiba wischte sich grinsend Lachtränen aus den Augenwinkeln und wich zurück Richtung Tür, „Ich wünsch euch noch einen zauberhaften Abend!“, er hob zum Abschied die Hand, „Meine Interessen sind weniger extraterrestrisch und mehr-... heiß, sexy und absolut menschlich.“
 

Sasuke hob den Kopf in vagem Interesse. Es war Freitag Abend. Er hatte defnitiv keine Lust mit ein paar asexuellen Freaks die X- Akten neu zu öffnen, aber Clubbing klang nach einer willkommenen Möglichkeit, ein paar... Spannungen abzubauen.
 

„Wohin gehst du?“, wollte er deshalb mit skeptischem Blick wissen. Kiba grinste ihn an, schlängelte den Arm langsam neben ihn an die Vitrine und kam näher, so nah dass er sich spielerisch herunterbeugen konnte, seine Reißzähne knapp neben Sasukes Ohr.
 

„Ins Darkside...“, raunte er verheißungsvoll und die Worte rollten weich und verboten von seiner Zunge. „... Willst du mitkommen?“
 

„Kiba! Das gibt Flecken auf dem Glas“, schimpfte Lee und brachte den Größeren damit zum Zurückweichen, „Wann wirst du es endlich in deinen Synapsen verknüpfen, dass es Dinge gibt, auf die deine Fingerabdrücke nicht hingehören?“
 

„Hey, kommt schon!“, Kiba hob beschwichtigend beide Hände, „Meine Fingerabdrücke tun eurer Superhelden- Vitrine doch nichts. Ich wette, sie steht sogar heimlich drauf! Habt ihr nicht grade auch Spiderman so verzückt ächzen gehört?“

Gaara trieb den lachenden Unruhestifter mit einem bösen Blick auf Abstand, im selben Moment tauchte ein keuchender junger Mann mit elfenbeinblasser Haut und langen, dunklen Haaren im Türrahmen auf.
 

„Tut mir leid, ich bin spät!“, schnaufte er.

„Neji!“, jubelte Rock Lee und reckte eine triumphierende Faust Richtung Himmel.
 

„Die Tür unten war offen, da bin ich gleich hoch... hey Kiba.“
 

Sasuke machte große Augen. DAS war Neji?

Dieser Typ ging mit, Ufos gucken?

Er hatte sich einen Steve- Urkle- Verschnitt mit Hornbrille und Latzhosen vorgestellt. Dieser Typ hier sah aus, als würde er Catwalks laufen.
 

„Lee, ich hab das Auto von meinem Onkel. Ich bring dich um, wenn du Erdnussflips auf die Sitzpolster krümelst!“

„Ist ja schon gut!“

„Können wir gehen?“
 

Gaara drückte dem Neuankömmling ohne weitere Umschweife eine der großen Taschen mit Gepäck in die Hand und beim Weg zurück zur Tür hinaus traf der Blick des Fremden in Sasukes Augen. Einen Moment lang blieb er stehen, sichtlich zögernd.
 

„Hallo...“, meinte er dann langsam. Seine Stimme war ruhig und angenehm, er nickte anständig, aber ein wenig steif mit dem Kopf, „Neji Hyuga.“

„Mh“, machte Sasuke wenig begeistert.
 

Er spürte wie Kiba versuchte, den Arm auf seine Schulter zu lehnen und schüttelte ihn sofort ab.

„Das ist Sasuke“, grinste der Größere, unbeeindruckt von seiner Feindseligkeit und ließ die Silben genüsslich über seine Lippen rollen, „Du weißt schon, -der- Sasuke... zur Zeit werter Gast in unsrem bescheidenen Heim. Wir gehen heute ins Darkside... Da ist Show Night, wie du ja sicher weißt... willst du nicht lieber mitkommen?“
 

Nejis Blick wurde noch ein Stück distanzierter. Er wich zurück, ließ seinen Blick unverhohlen abschätzend von Sasukes Augen an seinem Körper hinunter gleiten und schüttelte dann den Kopf.
 

„Nein, danke“, murmelte er nur knapp, „Viel Spaß.“
 

Und dann waren sie weg.

Sasuke beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Ein seltsames Kribbeln von Irritation und unguter Vorahnung, das in seinen Zehen anfing und sich langsam aber sicher bis zum Bauchnabel hocharbeitete. Er wandte den Kopf zu Kiba.
 

„Was ist das Darkside?“, fragte er misstrauisch.
 

~

Bondage

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verborgenes Potential

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verhältnisse

~
 

Kiba hatte ein wölfisches Grinsen im Gesicht, als er durch das Halbdunkel zurück zu der Sitzecke kam, wo er Sasuke zurück gelassen hatte. Er warf sich auf das Sofa neben ihm und an seiner Hand-... er hielt sie nicht geschlossen, es war ein leichter, zärtlicher Kontakt nur durch die Berührung der Finger-... folgte die Dame von der Bühne mit einem Handtuch über den Schultern und einem weißem, flauschigen Bademantel der sie einhüllte.
 

Sie strahlte übers ganze Gesicht, lachte hell, glucksend und ausgelassen und war immer noch ganz außer Atem.
 

„Ah!“, keuchte sie und stolperte fast über Gott-weiß-was, ihre Stimme leise und furchtbar schüchtern, „Huch! Oh, v-... verzeihung... hallo...“, eine unterwürfig tiefe Verbeugung in Sasukes Richtung, „Ich-... ich bin Hinata.“
 

Nach einem strahlenden Lächeln schlug sie die Augen nieder, ließ sich, als Kiba Platz genommen hatte, sofort auf den Boden sinken, um sich an seine Beine zu schmiegen. Ihre milchweißen Finger streichelten hingebungsvoll sein Knie. Er machte es sich bequem, seufzte glücklich und empfing die zarte Schönheit mit stolzem Grinsen auf dem Platz zwischen seinen Beinen.
 

„Uh... hallo.“, rang Sasuke mit überfordertem Blick aus sich heraus. Ihr weißer Bademantel klaffte vorn auf, wenn sie sich zum Sofa vorbeugte. Man konnte ihre Brüste sehen. Eigentlich sah man ihr bis zum Bauchnabel, aber es war ja nicht so als hätte man irgendetwas von ihr noch nicht gesehen...
 

Jemand Drittes kam zu ihrer Sitzecke her gestolpert, von Kopf bis Fuß noch in schwarzer Ninja- Tracht. Die Maske hatte er heruntergezogen, seine Hände waren frei und gewaschen, er strahlte ebenfalls übers ganze Gesicht- und etwas in Sasuke rutschte ins Bodenlose.
 

Es- war- Naruto.
 

„Wow, Hina!“, keuchte er, „Wahnsinn! Du warst echt gut!“

„Ich-... ich-... war so furchtbar aufgeregt!“, strahlte sie vom Boden aus, „Ich hatte solche Angst! Ich glaube, ich habe am ganzen Körper gezittert!“

„Hat man nicht gemerkt“, Naruto hob den Kopf und stockte kurz, als er Sasuke in einem der Ledersessel entdeckte, „Oh. Hey Sasuke... ähm... uh... mh-... Wusste nicht, dass du auch hier bist-...“
 

„Ich dachte, du wolltest noch was mit dem Flogger machen?“, mischte sich Kiba ein und hob eine Augenbraue zu dem Blonden. Der brach in spontanes Lachen aus,

„Shit Mann! Das hab ich total vergessen!“

„Dein Hirn ist echt so ein Sieb, Alter!“
 

Hinata stimmte in das Glucksen mit ein,

„Stimmt, es... uh... war irgendwie sehr... vanilla, wenn... man so drüber nachdenkt?“

„Sorry!“, Naruto hob beide Hände, „Mein Fehler! Du warst eben so niedlich, das hat mich voll abgelenkt!“
 

Sie lachte. Ein helles, ausgelassenes Lachen.

„Jetzt fang bloß nicht noch an, dich hier einzuschmeicheln!“, stöhnte Kiba, „Das kannst du mir nicht antun, sie schwärmt eh schon von dir!“

„Ja, aber... von ihm -schwärme- ich nur“, piepste ihre Stimme belehrend und ungewohnt wagemutig vom Boden her. Sie schob ihre weichen Hände an Kibas Schenkeln hinauf um sein Becken, legte den Kopf in den Nacken und rieb glücklich die Wange an seinem Schritt, „-Du- bist mein großer Mann!“
 

Kiba, beide Arme auf die Rückenlehne der Couch gelegt, grinste zu ihr hinunter, die verlängerten Eckzähne glommen im blauen Licht.

„Was soll man dazu noch sagen?“, seufzte er zufrieden. Er fasste herunter um ihr Haar zu streicheln- eine ihrer weichen Hände schlüpfte dabei zutraulich zwischen seine Beine und sie begann sanft, schüchtern aber in deutlicher Absicht zu reiben. Leicht zog er die Luft zwischen den Zähnen hindurch.
 

„Darf ich dich jetzt mit dem Mund befriedigen?“, flüsterte sie atemlos. Weite, glänzende Rehaugen, leicht geöffnete Lippen:

„Bitte... Master?“, ein Lächeln.
 

„Von mir aus“, brummte Kiba großzügig, sein Grinsen weit und unanständig, er ließ seine Schenkel lockerer auseinander sinken,
 

„Weil du es bist.“
 

~

Annäherung

~
 

An der Seite des Clubs- im Erdgeschoss waren Tanzflächen, die tatsächlichen Räume des „Darkside“ befanden sich die Treppe hinunter im Keller- war es ruhig genug um zu rauchen und sich ein paar Dinge durch den Kopf gehen zu lassen.
 

Die Nacht war nicht besonders kalt. Leichte Windböen brachten lange Haarsträhnen zum Flattern.

Ein wolkenverhangener Mond leuchtete ab und zu silbern auf den Bürgersteig. Sasuke warf das geliehene Geld von Naruto durch den Schlitz im Automaten und drückte auf den Knopf, zog die Schachtel heraus.
 

Mit zittrigen Fingern schob er sich eine Zigarette in den Mund, fasste sich instinktiv an die Hosentaschen der dunklen Jeans die er von Gaara bekommen hatte-... und hob einen lauernden, misstrauischen Blick, als Naruto ihm ein Feuerzeug entgegen hielt.
 

Kurz zögerte er. Drüben auf der Straße hinter den Baucontainern fuhr mit quietschenden Reifen und aufheulendem Motor ein Auto vorbei.
 

Naruto wandte den Blick ab und wartete, hielt die Hand still, grub die andere tief in die Hosentasche.

Behutsam nahm Sasuke ihm das Gerät aus den Fingern, sorgfältig darauf bedacht dass ihre Finger sich nicht berührten.
 

Er steckte sich den Glimmstängel an und nahm einen tiefen Zug.
 

„Bist du Raucher?“, wollte er wissen.
 

Naruto schüttelte den Kopf, lehnte sich an einen Stapel Bauholz und warf einen Blick auf Sasukes ausgestreckten Arm, der ihm wiedergeben wollte was ihm gehörte.
 

„Behalt es“, sagte er leise.
 

„Mh.“
 

Sie standen nebeneinander. In gebührendem Abstand, aber zum ersten Mal seit gefühlten Urzeiten halbwegs entspannt. Keiner sah den Anderen an, es war schon völlig genug, nur die Nähe zu spüren, geradeaus in die Nacht zu sehen.
 

„Also...“, begann Sasuke leise und verständnislos, „Was soll das? Ist sie seine-... Sexsklavin oder so?“

Naruto schnaubte amüsiert, schüttelte grinsend den Kopf und rieb verlegen den Fuß über die Kieselsteine.
 

„Nein...“, meinte er.

„Sie ist seine Freundin. Die beiden sind ein Paar. Sie stehen nur auf-...“, er rang nach passenden Worten.

„Auf... das was da unten eben passiert“
 

Sasuke verzog das Gesicht zu einer sauren Miene. Sein Blick war hart und abweisend. Er strich mit dem Daumen ein paar flatternde Haarsträhnen hinter sein Ohr und nahm noch einen tiefen Zug von der Zigarette. Warum war er so-... aufgewühlt?
 

Schockierte ihn das? Nicht wirklich... er hatte gewusst, dass es so etwas gab. Missbilligte er es? Pff, natürlich nicht. Was interessierte ihn das Sexverhalten anderer Leute? Von ihm aus konnte jeder poppen wie er wollte, solange ihn das nicht tangierte.
 

Noch einmal zog er tief und lange, bließ den Rauch langsam und nachdenklich zwischen den Zähnen hervor wieder aus. Warum war er so wütend? Und so-... so...
 

„Stehst du auf sowas?“, seine Stimme klang rau.

Er musste die Frage stellen. Vielleicht war sie aggressiver geraten als eigentlich beabsichtigt. Es konnte ihm völlig egal sein, was Naruto tat. Das war absolut seine Sache.
 

Der Blonde zog die Schultern hoch und wagte zum ersten Mal einen vorsichtigen, schüchternen Seitenblick. „Hey“, brummte er beschwichtigend, „Das mit Hina und mir und... du weißt schon, Kiba... das ist nur für die Session. Nur Sex okay? Wir sind nicht-... zusammen oder so?“
 

„Ist mir doch scheißegal mit wem du zusammen bist!“, fauchte Sasuke überraschend laut und bissig.

Er kniff die Lippen zusammen, beschwor sich um Ruhe und Selbstbeherrschung und konzentrierte sich auf seine Ersatzbefriedigung. Den Filter zwischen seinen Lippen.
 

Naruto seufzte hörbar. Er stieß sich von seinem Platz ab um sich aufzurichten und durch die Frisur zu streichen.
 

„Okay, ja“, verkündete er schließlich. „Ich steh auf so was. Nicht andauernd oder so, aber ab und zu-... ich weiß auch nicht, da ist einfach so was dran-... das gibt diesen Kick, verstehst du? Wenn du es perfekt triffst, flasht es dich total weg und du hast dieses Gefühl-... zu fliegen!“
 

„Ja, kommt mir irgendwoher bekannt vor“, ätzte Sasuke mit triefender Ironie.
 

Naruto seufzte noch einmal, es war ein Gott-gib-mir-Geduld-mit-ihm-Seufzen. Sasuke senkte den Kopf, schnippte Asche weg und schnaubte.
 

„Da ist diese Verbundenheit“, setzte Naruto noch einmal an. „Letztendlich hat es überhaupt gar nichts damit zu tun, wer von beiden stärker ist oder wer oben liegt oder so ein Mist. Darum geht es überhaupt nicht.“
 

Sasuke wagte verstohlen einen Blick aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber und richtete die Augen sofort wieder nach vorn.
 

„Wenn du-... mit jemandem in einer Session bist, dann-... ist es einfach im Grunde genau das Gleiche wie bei jedem Sex oder jeder Beziehung oder-... was auch immer-... es geht darum, die Verbindung zu spüren. Sich so total zu vertrauen, dass man einfach seine Ängste vergisst und-... dann ist man auf einmal so total offen, dass man irgendwie-... verschmilzt. Ich meine, das ist Liebe, oder?“
 

Sasuke starrte ihn an.

„Oh Gott, ich muss gleich kotzen!“, bemerkte er fassungslos, „Schreibst du Texte für das Bravo- Doktor Sommer- Team?“
 

„Ach Wichser, fick dich doch“, brummte Naruto.

Und dann mussten sie plötzlich beide gleichzeitig grinsen.
 

„Shit“, murmelte Naruto kopfschüttelnd, „Okay, vergiss den schnulzigen Scheiß. Ich steh drauf, weil es versaut und geil ist. Und weil mich das irgendwie anmacht. So sieht´s aus.“
 

Irgendjemand der streunenden Partygänger der Nacht schrie am Ende der Straße, das Kreischen wurde erst zu hysterischem Lachen und dann zu dem inbrünstigen Jubelschrei, der oft erst ab einer gewissen Promillezahl auftrat.
 

Zum ersten Mal trafen sich ihre Blicke. Kurz nur, sehr verlegen und bemüht neutral. Sasuke schlug als erstes die Augen nieder, drehte den Kopf wieder gerade aus, nuckelte an seiner Kippe.
 

„Okay, von da her kann ich das nachvollziehen“, bemerkte er, die Stimme dunkel und rau, kopfschüttelnd, die Schultern hochgezogen, „Aber von der anderen Seite-... Ich meine, das ist doch verrückt! Man muss doch total bescheuert sein-...“, er machte mit der Hand eine sinnlose Bewegung um das Ausmaß seiner Ungläubigkeit auszudrücken, „Oder völlig lebensmüde, oder den Selbsterhaltungstrieb von irgend so einem scheiß Lemming haben, wenn man sich freiwillig-... ich meine“, er schüttelte wieder den Kopf, „Freiwillig! Festschnallen lässt! Und-... und irgendso ein kranker Perverser“
 

„... wie ich...“, Naruto blickte zu Boden und räusperte sich.
 

„Wie du!-... Kann dann tun und lassen was immer er will! Das ist-... wow, das ist-...“

Er schüttelte noch einmal heftig den Kopf. Inzwischen war er mit all den gierigen Zügen schon fast beim Filter angelangt.
 

Sehr lange und sehr nachdenklich sah Naruto zu ihm herüber und beobachtete ihn. Ein Windstoß zauste ihre Haare. Sasukes lange Strähnen vor dem Ohr, Narutos weiche Häarchen im Nacken. Die Augen des Blonden waren ruhig auf den Anderen gerichtet.
 

„Willst du´s ausprobieren?“, fragte er unvermittelt.
 

~

Kollision

~
 

Der Satz berührte etwas tief in ihm.
 

In einer gähnenden Schlucht aus Finsternis, noch tiefer als dort wo sein Instinkt saß und ihn dazu kitzeln wollte, wieder wie ein Raubtier die Zähne zu fletschen. Nur ein kleines, kurzes Klopfen an diese besondere Stelle und es war wie ein Treffer auf einen Gong. Ein tiefer Impuls der ein Dröhnen, ein Vibrieren durch Mark und Bein gehen ließ das von den Fußsohlen bis zu den Fingerspitzen nachhallte und jede Zelle erschütterte.
 

Sasuke hatte die Augen weit aufgerissen. Sein Blick war irgendwo in der Schwebe zwischen ertappt und wutentbrannt.
 

Von den nächtlichen Straßen der Stadt kam ein brausender Wind auf, brachte schwarze Haare zum Flattern als würde sich all die Dunkelheit in ihm auf einmal wach und lebendig nach außen strecken und in blindem Tasten nach Kontakt und Berührung um seinen Kopf lodern.
 

Seine Kehle zuckte. Er wollte gleich reagieren- ihm sagen was er von solchen Ideen hielt und was der blonde Wichser ihn mal konnte. Aber noch während er daran dachte wurde ihm klar, dass es zu spät war. Dieser atemlose Moment von Sprachlosigkeit ließ sich nicht mehr zurücknehmen.
 

Das Brausen wurde stärker. Wahrscheinlich brachte der Wind Regen mit sich und sie würden demnächst sicher nass werden, wenn sie sich nicht entschließen konnten irgendwo Schutz zu suchen. Staub, Blätter und Zeitungspapier glitten raschelnd in weichen Wirbeln über den dunklen Asphalt. Vor dem Eingang des Clubs lachten Menschen.
 

Naruto hielt den Blickkontakt ohne zu blinzeln, blonde Strähnen flogen ihm ins Gesicht, peitschten ihm über die Nase aber er rührte sich nicht. Nur das kleine, verstehende Lächeln setzte sich kaum erkennbar in seinem Ausdruck fest. Und hinter den Pupillen glomm etwas auf. Etwas fremdes, hungriges.
 

Sasuke schnaubte, drehte den Kopf weg, grub seine Hände tief in die Jackentaschen und suchte Halt indem er sich mit dem Rücken an die Mauer hinter ihm lehnte.

„Spinnst wohl“, knurrte er.
 

„Ach so... stimmt ja“

Jetzt war es an Naruto schimmernde Zähne zu zeigen. In den Augen glitzerte etwas, das Spaß sein konnte-... oder Jagdlust.
 

„Du gehst lieber auf Nummer sicher...“

„Was soll denn das heißen?“, murrte Sasuke gereizt.
 

„Oh“, gurrte der Blonde übertrieben verständnisvoll, „Ist doch logisch. Hey. Ein Typ wie du kann eben kein Risiko eingehen.“
 

Instinkt brachte Sasuke dazu den Kopf zu heben, die Schultern zu straffen. Eine fein geschwungene Augenbraue zu krümmen.

"Soll das heißen, ich hätte Angst?", bemerkte er tonlos.

Ihm war die Veränderung in Narutos Aura nicht entgangen. Man sah es kaum. Aber irgendetwas waberte unter der harmlosen Oberfläche. Etwas, so gleißend und mächtig, dass er davor zurückwich, ohne zu wissen was es überhaupt war.
 

"Das hast du gesagt."
 

„Du weißt nichts über mich“, flüsterte Sasuke.

Sein Tonfall war flach, aber in seiner Miene lag alle Verachtung die er im Laufe der Zeit angehäuft hatte.
 

„Ich kann´s rausfinden“, Narutos provozierendes Lächeln verschwand.
 

Und dann fiel der erste Regen. Zuerst nur vereinzelt, mit einem Geräusch als würde jemand Luftpolsterfolie knacken. Satte, nasse Tropfen schlugen auf Schultern, Haare, streiften die Nasenspitze. Sasuke wich dem glühenden, tiefen Blick noch immer nicht aus. Er weigerte sich. Jede Bewegung wäre, als würde er offiziell aufgeben. Und er gab sich niemals geschlagen. Nicht hier und vor allem nicht vor diesem Kerl, Naruto Uzumaki...
 

Aber die Präsenz des Anderen schien sich vor ihm auszudehnen und stärker zu werden. Trotz des Regens konnte man das Wallen von Hitze und Macht beinahe spüren. Und aus den Tiefen der schwarzen Pupillen sah ihn etwas an, das ihn stocken ließ- eine gleißende, animalische Kraft, die ihm tief in die Seele sah und seinem Monster, der Dunkelheit in ihm, von Gleich zu Gleich gegenübertrat. Naruto streckte den Nacken, dehnte knackend die Halswirbel, machte einen Schritt auf ihn zu...

Die Häarchen an Sasukes Unterarmen sträubten sich.
 

„Lass den Scheiß“, warnte er leise.
 

„Was tu ich denn?“

So ein harmloser Ton.
 

Sasukes Oberlippe zuckte.
 

„Willst du dich hier draußen Prügeln? Im Regen?“ Naruto legte den Kopf schief, verlagerte sein Gewicht auf ein Bein, genau wie als Kind früher, tippte ungeduldig die Spitze seines Schuhs auf den Boden.
 

Ein Ziehen von überwältigendem Verlangen ließ Sasukes Adamsapfel bei den Worten reflexartig hüpfen. Der Vorschlag war bescheuert, aber-... oh Gott, er wollte das.

Dieser plötzliche Schwall von Gefühl war irritierend. Aber ihm fiel nichts ein, zu dem es ihn in diesem Augenblick so sehr hingezogen hätte, wie zu der Aussicht, Naruto an die Kehle zu gehen und zu wissen, dass er diesmal darauf gefasst war und ihm nichts schenken würde.
 

Der Himmel öffnete seine Schleusen. Außer ihnen suchte jeder Zuflucht unter dem nächsten Dach, Menschen flohen von der offenen Straße. Dicke Wassertropfen liefen ihnen übers Gesicht.
 

„Schon gut, vielleicht besser wenn wir´s nicht tun“, meinte Naruto endlich, die Oberlippe zum Grinsen über gefletschte Zähne gezogen. Er warf sich mit einem Kopfrucken nasses Haar aus der Stirn,
 

„Ich meine, immerhin kann mich anscheinend selbst Hinata im Vollkontakt besser händeln als d-...“
 

Der wilde, rebellische Aufschrei tat gut.

Es war wie eine Erlösung.
 

Sasukes Hand schoss vor, packte in Narutos schwarzes Oberteil, riss ihn zu sich und warf sich ihm entgegen so dass sie auf halbem Weg kollidierten und Sasukes blinder, entfesselter Hass sie beide niederriss. Naruto flog hart auf den Boden. Sein Rücken dämpfte den Aufprall, aber noch bevor Sasuke Abstand gewinnen und Zuschlagen konnte, packte er seinerseits zu. Im regenverschwommenen Flackern der Straßenlaterne glaubte Sasuke fast, auch bei dem Blonden Reißzähne blitzen zu sehen. Wie bei Kiba. Dann hatte Naruto ihn an Kragen und Schulter, riss ihn unter sich, warf sich mit ihm herum und sie rollten ineinander verbissen über die Straße wie zwei kämpfende Kater. Sasuke spürte sein Blut rauschen. Sein Körper bewegte sich fast von selbst. Er fühlte keinen Schmerz- überhaupt nichts. Jeder Schlag den er abbekam stachelte ihn nur weiter an.

Blanke, rohe Lust sich zu sträuben, zu kämpfen, sich gegen jemanden zu werfen der ihm mit gleicher Gewalt entgegenkam, pulste durch seine Venen. Und irgendetwas machte Narutos vertrauten Körper an seinem, die grimmige Wucht die ihm entgegenschlug, zu dem Besten daran. Blut im Mund zu schmecken, seinen stahlharten Griff zu spüren, die Entschlossenheit, das volle Gewicht seines Körpers... Und überall sein Geruch...

Kein anderer Kampf war je so gut und so schrecklich gewesen, wie einer von denen mit oder gegen Naruto.
 

Er hatte...

… es so vermisst.
 

Platschend wurde sein Kopf in eine der flachen Pfützen geschleudert. Naruto über ihm, der plötzlich doppelt so stark und schnell zu sein schien wie sonst, riss den verdrehten Arm hoch bis über die Schulterblätter, presste sein volles Gewicht auf ihn: heiße, brodelnde Energie- er drückte ihm grollend das Knie ins Kreuz und griff nach dem anderen Handgelenk. Sasuke schnappte nach Luft- ein Zucken, das automatisch durch seinen Körper lief, Reaktion auf den blendenden Schmerz.

Aber kein Laut kam ihm über die Lippen. Selbst wenn der Idiot ihm den Arm auskugelte, auf ein Geräusch konnte er lange warten.
 

Sie hielten inne, keuchend und durchnässt und trotzdem dampfend vor Hitze. Ein Wunder, dass noch niemand die Polizei gerufen hatte.
 

Sasuke war so befriedigt von dem Moment den sie hatten, dass er einfach nur schwer blinzelnd liegenblieb und auf den nächsten Impuls wartete.
 

„Willst du?“, wiederholte Naruto stattdessen atemlos und mit merkwürdig gepresster Stimme seine Frage von vorhin nahe an seinem Ohr. Sasuke wurde sehr still. Sein tiefstes Inneres bebte vor Resonanz.

Gleichzeitig schien sich alles an seinem Körper zusammenzuziehen. Er musste ein paar Momente die Luft anhalten, bis das erstickende Gefühl von-... er hatte keine Ahnung was das war-... wieder nachließ.
 

„Kein Sex“, warnte er leise und atemlos, „Fass mich einmal komisch an und du bist tot.“

„Du musst die Hosen nicht ausziehen.“
 

„Und nicht-... auf der Bühne.“
 

Langsam ließ Naruto seinen Griff locker.

„...Deal“, sagte er.
 

Sasukes Knie waren weicher als sonst, als er auf die Beine kam.
 

~

Ausflug (Lee, Gaara, Neji)

~
 

Die Nachtluft war mild.
 

Hier vor dem Dickicht am Ufer des Stausees tanzten Glühwürmchen im hohen Gras. Aus den mitgebrachten Boxen rieselte sphärische, verträumte Musik.

Sie saßen auf Campingstühlen neben dem weißen Bentley, zurückgelehnt bis alles was das Gesichtsfeld umgab nur noch der samtige Nachthimmel war und die Lichtsplitter darauf, die ihr kaltes Glimmen zur Erde schickten.
 

Keiner von ihnen sagte ein Wort. Neji atmete langsam und hörbar aus, schloss die Augen, entspannte die Miene, lockerte die Muskeln so gut es ging und rutschte tiefer in seinen Sitz. Gaara lag da, den Kopf im Nacken und den Blick ohne zu blinzeln auf tausend Sterne gerichtet. Lee hockte vornübergebeugt auf seinem Klappstuhl und spähte, geschäftig an der Feinjustierung kurbelnd, durch das aufgebaute Teleskop vor sich, die Tüte mit Erdnussflips auf dem Schoß. Nebenbei schob er sich knuspernd Nachschub zwischen die Lippen.
 

„Wahnsinn", staunte er, „Dieses Baby hier ist so gut, wenn ich das richtig einstelle, kann ich sogar M46 sehen, den Sternhaufen, mit NGC2438, das ist dieser planetarische Nebel... weißt du Neji, der bunte? Krass!"
 

Der Hyuga gab ein dumpfes, desinteressiertes Stöhnen von sich.
 

Gaaras Augen weiteten sich kurz,

„Da war eine Sternschnuppe."
 

„Unter uns-...", fand Lee knuspernd, „diese Ufo- Ausflüge jeden Monat sind das Beste was wir je angefangen haben.“
 

Neji hob widerwillig die Lider und starrte gedankenverloren aufwärts in den dunklen Himmel.

„Ich weiß nicht“, gab er schwach zu bedenken, „Wir haben bisher kein einziges Ufo gesehen. Vielleicht sollten wir es doch unseren astronomischen Ausflug nennen“

„Das klingt viel zu abgehoben, du Spießer! Ufo- Watch ist cooler! Außerdem -könnten- wir jederzeit Ufos sehen!“
 

„Es ist Gold“, meinte Gaara unvermittelt. Er schloss die Augen, sog tief die Luft ein, atmete lange aus:

„Wer weiß wo ich ohne die Ufo- Nächte jetzt wieder wäre...“
 

Nejis Augenbraue zuckte.

„Was fällt Kiba eigentlich ein, diesen Sasuke gleich mit ins Darkside zu schleppen?“

Sein Kopf hob sich, er setzte sich auf.
 

Gaara hob kaum sichtbar eine Schulter.

„Naruto ist auch da.“
 

„Ja und?!“, Neji funkelte den Rotschopf feindselig an.

„Das ist ja gerade das Problem!“
 

Gaara seufzte gleichgültig.

„Das mit den Beiden-... ist eben kompliziert?“
 

„Dieser dreckige Uchiha!“,

Mit grimmiger Miene hob der Hyuga seinen Campingbecher vom Boden und schloss beide Hände um warmen Thermoskannentee.

„Der hat ihn gar nicht verdient...“
 

„Wer von uns verdient so was schon?“,

Gaaras Kopf rollte herum, er betrachtete Nejis Profil, den eisernen Blick, der finster geradeaus gerichtet war.
 

Nejis Mundwinkel zuckten ein bitteres, kleines Bisschen.

„Du weißt was ich meine“ er pustete über die heiße Oberfläche und nippte an seiner Tasse. Gaara schnippte ohne hinzusehen eine Stechmücke von seinem Handrücken.
 

„Lass das doch ihn entscheiden. Hast du nicht jetzt einen festen Freund...?“
 

Nejis Kopf sank, er seufzte frustriert.

„Ja.“, knurrte er, „Aber der... hat damit gar nichts zu tun... und Sessions sind ihm zu stressig, meint er.“
 

„Herrje!“, protestierte Lee, ohne seinen Blick durchs Fernrohr zu unterbrechen, „Könnt ihr mal einen Abend vielleicht an was Anderes denken...? Gaara, du hast mich zuhause und zur Not sogar Kiba, ich kanns nicht fassen, dass du jetzt von Naruto anfängst! Reicht´s dir immer noch nicht?“
 

„Was, ich?! Er hat angefangen!“,

Gaara verschränkte die Arme vor seiner Brust.
 

„Also wirklich“, verteidigte sich der Hyuga gereizt, „Erstens, der Uchiha- Typ ist ein kranker Irrer, der aus irgendeinem Drecksloch gekrochen kam! Zweitens, ihr lasst ihn einfach so bei euch schlafen, nur weil Naruto euch nett darum bittet- seid ihr völlig bescheuert?! Drittens-...“
 

„Drittens“, ergänzte Lee sachlich, „Bist du eindeutig untervögelt und bereust es grade, dass du den Vorschlag abgelehnt hast, dich von einer -gewissen- uns bekannten Person vor Publikum bespaßen zu lassen...“
 

Neji zog eine bittere Miene.
 

„Uuh...“, grinste Gaara mit wissendem Seitenblick zu ihm hin.

„Das-... das versteht ihr nicht! Das ist nicht so einfach!“, der Hyuga konzentrierte sich auf seinen Tasseninhalt und versuchte die Umwelt gekonnt auszublenden.
 

„Nicht weinen, Neji...“, Gaaras starrer Blick haftete auf ihm,

„Deine Cousine wird dir ewig dankbar sein..."
 

Lee gab von hinter seinem Fernglas her ein trockenes Lachen von sich:

„Auf jeden Fall... und wenn du große Lust hast, den Rest des Abends zu jammern", er hob den Kopf und zeigte ein breites Lächeln, „Bist du herzlich eingeladen, dich stattdessen über meinen Schoß zu legen!", ein schneller Griff erwischte den Hyuga unverhofft um den Hals und zog ihn in etwas zwischen einer Umarmung und einem Schwitzkasten,

„Ich versohl´ dir deine hoheitsvollen fünf Buchstaben gleich hier nebenbei- mit der Kraft der Jugend! Wohoo!"

"Ack", Nejis Beine suchte vergeblich Halt am Boden, kickten dabei seinen Campingbecher um, „Lee! Verd-...! Was zur Hölle-...?!"

„Für die Freundschaft!“, jubelte der hochmotivierte Hobbyastronom und reckte den freien Arm hoch zum Himmel, „Whoo, ich hab dich erwischt! Krass, das war das erste Mal! Damit sind wir endlich ebenbürtige Rivalen, merkst du das, Neji? Merkst du´s?!"

„Lass mich sofort los, du Wahnsinniger! Ich verklag dich! Du bist ja wohl völlig durchgedreht!"
 

Das Grinsen zu Gaaras Seitenblick wurde sehr breit und unanständig, und der Hyuuga gab, sobald Lee endlich aufhörte, ihn durchzuschütteln und er wieder Luft bekam, ein empörtes Keuchen von sich.

„Pah!“, heftig klopfte er seine Kleidung zurecht, versuchte mit giftig funkelnden Augen die paar losen Strähnen seiner Frisur wieder in Ordnung zu bringen, „Du-... du spinnst doch komplett! Erstens, das gilt nicht, weil es kein faires Match war! Zweitens-... die Hölle friert zu, bevor du mich toppst, Lee! Egal auf welche Art!"
 

„Vielleicht sollten wir trotzdem Plätze tauschen, nur so zur Sicherheit.“, raunte Gaara ihm zu, „Seine Hand ist zu hart für dein zartes Hinterteil.“
 

Neji riss die Augen auf.

„Hat-... dein Bettvorleger mich hier gerade beleidigt?!“, fauchte er außer sich, „Bin ich wehleidig oder was?“

Gaara begann ohne Gnade zu lachen.
 

„Du? Niemals! Auf keinen Fall!“, Lee warf ihm amüsiert und aufgekratzt durch den unverhofften Triumph ein paar seiner Erdnussflips entgegen, „Bitte steck dir doch was in den Mund an dem du nuckeln kannst und beruhig dich!“

„Spinnst du meine Klamotten mit Müll zu bewerfen!", Neji wurde fast ernsthaft hysterisch, „Das ist Prada! Lass deine Fettflocken bei dir!"

„Mach halt den Mund auf!", hielt Lee furchtlos und in ähnlicher Lautstärke dagegen, „Oder kann ich vielleicht was dafür, wenn du dich lieber vollsauen lässt, statt zu schlucken?"

„Wa-... oh! Oh-..!", der Hyuga schnappte fassungslos nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, „Ich habe keine Ahnung, warum ich mit so obszönen Pöbeln wie euch befreundet bin! Das wird meinen Psychiater die nächsten zehn Jahre noch beschäftigen!"

„Ich sag dir warum, mein Freund", meinte Lee gutmütig, „Wir sind die besten Freunde die man sich wünschen kann-... und du bist Masochist."

„Fick dich, Lee!"

„Na na, es heißt: Fick dich, Sir!"

„Die Hölle friert zu, bevor ich dich mit "Sir" anspreche!"

„Aww, Mist! Einen Versuch war´s wert!"
 

Gaara gab ein zufriedenes Lachen von sich. Ein leises, melodisches Geräusch mit großem Seltenheitswert. Er griff immer noch grinsend nach dem Nachtsichtgerät neben seinem Hocker, um damit ans andere Ufer des Sees zu spähen.
 

Neji fluchte leise, wenn auch nicht ernsthaft böse. Nach dem kurzen Ausbruch war er wirklich beruhigter und nachdem er sich wieder gefangen hatte, kehrte vertraute Harmonie in ihre kleine Gemeinschaft zurück. Eine Fledermaus huschte lautlos vor ihnen durch die Luft. Von Richtung der Stadt her zogen sich dunkle Wolken über den Himmel.
 

„Nimms nicht so schwer, Neji“, Gaaras Stimme war weich und murmelnd, er schob den Kopf zur Seite und sah ihn nachdenklich an, „Er muss schon irgendwas dominantes haben, dieser Freund, sonst wär´s ihm nicht eingefallen, dir einen Wunsch abzuschlagen.“
 

„Guter Einwand“, stimmte Lee zu. Mehr Erdnussflips fanden ihr Ende zwischen seinen Zähnen. Neji zog eine schmerzliche Grimasse.

„Ich weiß nicht. Ich hoffe es.", seine Schultern sackten abwärts.
 

„Hey...", raunte Gaara mitfühlend, „... wird schon."
 

„Wenigstens hat er nicht gesagt: „Aber Schatz, ich will dir nicht weh tun“...“

Endlich gab Lee es auf an seinem Fernrohr zu schrauben und ging auf die Suche nach sauberen Tassen und Thermoskannentee.
 

„Das ist das Schlimmste.“, Gaara rollte in voller Zustimmung die Augen zu ihm.
 

„Gut, dass wir das Problem nicht mehr haben, hm?“

Lee streckte den Arm kurzerhand über Neji hinüber, um Gaara liebevoll mit den Fingern durch das kurze, rote Haar zu zausen und an den kurzen Strähnen zu zupfen.

„Alle deine Freunde und Mitbewohner zeigen dir ihre Zuneigung sehr spürbar, stimmts?“

Gaara lehnte sich grinsend in die Berührung, schloss die Augen wie eine große Katze.

„Bin eben ein Glückskind“, murmelte er.

„Kleiner Schmerzfetischist“, kam die warme Bemerkung zurück.

„Hrrm...“
 

Nejis ernüchterter Blick fiel auf das Tattoo über Gaaras linkem Auge. Das chinesische Schriftzeichen für „Liebe“. Mit elektrischen Nadeln und grellroter Farbe Stich für Stich in die Haut gehämmert. Gaara neigte den Kopf so, dass Lees Daumen darüber rieb und gab ein genüssliches Schnurren von sich.
 

Der junge Hyuga schüttelte überfordert den Kopf und lehnte sich notgedrungen weiter vor, um nicht im Weg zu sein.
 

„Oh Mann“, schnaubte er.
 

Um nicht völlig untätig zu sein und die peinliche Situation irgendwie zu überbrücken nahm er dem abgelenkten Gaara das Nachtsichtgerät aus der Hand und spähte selber hindurch. Hohe Schilfgräser am Ufer.

Scharfe Baumspitzen, hell und grünstichig durch die Gläser.
 

Und plötzlich ein gleißender Lichtpunkt wie aus dem Nichts.

„Was zum-...“
 

Er setzte das Fernglas ab. Über den Wald flog etwas wie eine Sternschnuppe, zog einen leichten Bogen und verschwand wieder in der Dunkelheit.

Neji ließ das Gerät sinken, erhob sich und stand fassungslos da, während hinter ihm seine Freunde völlig abgelenkt miteinander beschäftigt waren. Sein Mund klappte auf, wieder zu, er gestikulierte mit ausgestrecktem Arm, starrte vom Waldrand auf die beiden Anderen und wieder zurück.
 

„-... Habt ihr-... habt ihr das eben gesehen!? Shit!“
 

~

Berührung

~
 

Zittrig.
 

So fühlte Sasuke sich, zittrig und wie ausgehungert als Naruto die schalldichte Tür im Gang hinter den Clubräumen aufschloss. Mit leisem Quietschen schwang sie in den Angeln.

Naruto schob sich mit der Schulter dagegen, drückte sie weit genug auf, um den Durchgang frei zu machen. Er sah seinen Begleiter abwartend an.
 

Sasuke achtete darauf, dass nicht einmal ihre Kleidung sich zufällig streifte.

Und trotzdem konnte er wieder eine Ahnung der Wärme spüren die vom Anderen ausstrahlte.

In dem Moment in dem er an ihm vorbei ging umflutete sie seinen Arm, berührte ihn am Bogen des Unterkiefers.
 

Er fühlte sich selbst dabei so unterkühlt, dass er schauderte.

Mit lautlosen, weichen Tritten ging er vor bis zur Mitte des Zimmers. Dann wandte er den Kopf zur Seite und sah sich um. Hinter ihm ließ Naruto die schwere Metalltür ins Schloss fallen und der letzte, weiche Pulsschlag der Bässe riss ab.

Mit einem Mal war es unheimlich still.
 

Auf einer alten Kommode in der Ecke des Raumes flackerte ein kleines Licht. Künstlich, aber warm und golden, wie eine kleine Flamme. Es zog lebendige Schatten über rohe Betonwände, gab den strengen Linien in dem Raum eine weichere Note. Der Boden war ebenfalls nackter Beton. Dafür stand direkt vor ihnen, gegenüber der Tür ein riesiges, hölzernes X, bezogen mit schwarzem Leder und bestückt mit schimmernden Ketten und Schnallen.
 

Es war einschüchternd, schien den ganzen Raum zu überstrahlen und erinnerte an die Dinger an Kibas Bett. Und das wiederum erinnerte an Hinata- ein Gedanke, den Sasuke im Moment auf keinen Fall haben wollte.
 

Lieber ließ er seinen Blick weiter schweifen, auch wenn es nicht viel zu sehen gab.

Sein Gesicht hielt die übliche, starre Miene. Er fühlte sich nicht gut in Form-... nein, ehrlich gesagt rutschte er immer tiefer in einen beunruhigenden Ausnahmezustand. Aber je mehr er innerlich aus der Bahn geriet, desdo beruhigender war es, die äußerste Eisschicht zu erneuern.

Wenigstens die musste bleiben.
 

Sein finsterer Blick aus schwarzen Augen suchte nach seinem Begleiter, drang feindselig in Narutos Augen.
 

„Worauf wartest du?“, vom bedrohlichen Klang seiner Stimme war er angenehm überrascht.

Keine Spur von Zittern und Unsicherheit, und das, obwohl er sein Zwerchfell vibrieren spürte und alles unterhalb seines Brustkorbs kalt und verkümmert schien.

„Willst du nicht zeigen was du alles kannst?“
 

Naruto sah ihn an. Sein tiefer Blick war so glühend und intensiv, dass Sasuke nach kurzer Zeit schluckte und kurz davor war, einen Schritt zurück zu weichen.
 

„Komm hier her“, meinte der Blonde in versöhnlichem Ton und hob auffordernd die Hand, ging zu dem schwarzen Posten hinüber.

„Wenn du nichts dagegen hast, nehmen wir das Andreaskreuz. Das ist-...“

„Ich -weiß- was das ist“, schnappte Sasuke gereizt.
 

Narutos Grinsen war überrascht und belustigt, aber mehr fasziniert als alles andere. Und Sasuke spürte hilflose Wut bei der Art, wie das Kräfteverhältnis zu Gunsten des Blonden zu kippen schien. Er warf einen kurzen Seitenblick auf die schimmernden Schnallen und kalte Angst verknotete seine Eingeweide.
 

"Schon okay", versicherte Naruto leise und nickte, "Wir nehmen das wenn du möchtest. Ich werde dich nicht fesseln. Du bist frei und du bleibst frei. Außerdem-...“, er kratzte sich verlegen in der Frisur, kurzes Lächeln erhellte sein Gesicht,

„Ich kann niemanden in Fesseln legen, wenn wir keine-... du weißt schon-... Verbindung haben... Das bringt nichts.“
 

Sasukes Blick verlor einiges an Angriffslust. Keine Verbindung..?
 

„Uhm, du darfst jetzt dein Oberteil ausziehen“, schlug Naruto verlegen vor, „Wenn du möchtest. Wenn du schüchtern bist, lass es an. Aber schöner wär´s, wenn du-...“
 

Sasuke zog mit energischer Bewegung seine Jacke, sein Shirt von sich, um beides mit großer Überzeugung neben sich auf den Boden zu schleudern. Sein Selbstbewusstsein hing nicht von ein paar dummen Stofffetzen ab. Im Gegenteil, er war stolz auf seine Kraft, auf seinen Körper- und Luft um die Haut zu spüren, nach einem Kampf mit Naruto, fühlte sich gut an... Nass vom Regen war das Zeug außerdem. Er schüttelte kurz den Kopf um sein Haar zu lockern, dann richtete er sich zu voller Größe auf.
 

„Und jetzt willst du sehen, ob du mich klein kriegst, wenn ich mich nicht wehre?“, flüsterte er.
 

„Nein“, Naruto ließ die blauen Augen kurz über seine nackte Brust huschen und schluckte etwas,

„Ich hab doch gesagt... es geht nicht darum wer stärker ist. Komm hier rüber“

Er streckte den Arm zu einem der oberen Enden des Holzgestells.

„Die Schnallen sind für Subs... du nimmst die Schlaufen hier. Reinschlüpfen und festhalten. Sobald dir was zu heftig wird, lässt du einfach los. Okay?“
 

Sasuke nickte knapp, aber seine Verunsicherung wurde immer größer statt kleiner.
 

„Ansonsten spielen wir mit Zeitlimit. Eine halbe Stunde. Das reicht.“

"Hm."
 

Endlich schaffte es der Dunkelhaarige, näher zu treten. Er zog Schuhe und Socken aus, wagte den ersten Schritt auf die niedrige, schwarze Platte unter dem Foltergerät. Mit der Hand berührte er eine der ledernen Halteschlaufen über ihm. War es nicht Sinn dieses Spiels, Andere zu etwas zu zwingen das sie nicht wollten?
 

„Willst du, dass ich dich „Sir“ nenne?“, fragte er in ironischem Ton und seine Mundwinkel zuckten,

„... oder Master?“

„Wenn sich das gut für dich anfühlt?“, Naruto grinste schief.
 

Und dann war da auf einmal die warme Hand direkt auf Sasukes Schulter und unter dem Gefühl zuckte er unwillkürlich zusammen.

„Du musst mich nicht anders nennen als sonst auch.“, fuhr Naruto leise fort,
 

„Whoa, du bist total verkrampft“
 

Sasuke leckte sich über trockene Lippen, konzentriert darauf, sich bei der ungewohnten Berührung nicht am Holzkreuz zu winden. Ein leichtes Zittern ließ sich nicht ganz vermeiden, sonst hielt er eisern still.

„Kann dir doch egal sein“, presste er hervor.
 

„Ist es aber nicht... schließlich will ich dich beeindrucken, Dummkopf“, das Grinsen war deutlich hörbar auch wenn man Narutos Gesicht nicht sehen konnte.

„Und dafür musst du schon lockerer sein. Ganz locker und weich und geschmeidig~...“
 

„Idiot!“
 

Naruto lachte.

„Versuch gegen meine Hand zu atmen.“
 

„Woz-...?“, Sasuke musste das Wort abbrechen um sich den Laut zu verkneifen als Naruto seine Hand knapp über dem Becken in Richtung Bauchnabel drückte. Die Fingerspitzen reichten zu seiner empfindlichenTallie und das war gar nicht gut. Er ließ den Kopf hängen, atmete mühsam beherrscht aus.
 

„Gut“, hauchte Naruto, „Hier dagegen“
 

Sasuke holte Luft. Der erste Atemzug stockte irgendwo hinter dem Brustbein. Naruto drückte noch etwas, schob die zweite Hand dazu. Weiche Handballen gegen die stahlharten Muskelstränge über dem Becken. Der Dunkelhaarige verlagerte sein Gewicht, schob die Beine breiter um festeren Stand zu finden, spannte die Muskeln von den Oberschenkeln bis zu den Schultern und atmete tief.
 

Anerkennend rieb ihm Naruto den Rücken hinauf, schob eine Hand noch einmal über die Schultern und dann höher, zentral, in den Nacken.

Ein glühender Schauder erschütterte Sasuke bei der Berührung. Er krampfte seine Finger um die Halteriemen, hielt die Luft an, schloss die Augen und war wie erstarrt, als Narutos Finger aufwärts in die schwarzen Haare glitten.
 

„-... Nicht“, flüsterte er erstickt.

Sofort hielt Naruto inne, ließ die Hand sinken.
 

Beide atmeten durch.

„Okay, was willst du ausprobieren?“, erkundigte sich der Blonde, nachdem er einen Schritt zurück getreten war, „Wir haben ein paar Sachen zur Auswahl-... Flogger, Rohrstock, Paddle...“
 

„Ist mir egal“

„Irgendwas das du gar nicht willst?“
 

Sasuke drehte leicht den Kopf um einen warnenden Blick über die Schulter zu werfen.

„Wenn du mir mit der bloßen Hand auf den Arsch haust, schwör ich dir, ich reiß dir die Kehle raus“
 

Naruto lachte glucksend.
 

Er zündete in Sichtweite eine dünne Kerze an, die die Zeit angab. Genau eine halbe Stunde würde es dauern, bis sie ganz herunter gebrannt war. Dann hantierte er an einer der Schubladen der Kommode und kam zurück zu ihm. Als Sasuke den kühlen Lederriemen auf dem Schulterblatt spürte, direkt neben Narutos warmer Handfläche auf seiner Haut, griff er die Halteschlaufen fester, drückte sich mehr nach vorn und verschloss Körper und Geist so sicher es irgendwie möglich war. Den Schmerz und alles andere was bevorstand, würde er nehmen wie ein Mann. Seine Finger schlossen sich um die Halteschlaufen, so dass die Knöchel weiß hervortraten.
 

Er biss die Zähne aufeinander, kniff die Augen zusammen und wartete schweigend und reglos auf den ersten Schlag.
 

~

Raubtierbändiger

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Erkenntnis

~
 

Blonde Haare und durchdringend blaue Augen flackerten in seinem Kopf als es um ihn herum wieder dunkel war. Narutos Stimme schmeichelte immer noch seinen Gehörgang, pochte sanft an einem tiefen, gut verschlossenen Bereich seines Gehirns, als Sasuke schon längst wieder allein war und auf dem Weg zu seinem früheren Unterschlupf. Geröll knirschte unter den Sohlen seiner Schuhe. Es stank nach verschüttetem Bier und menschlichen Ausdünstungen. Um ihn herum flackerte brüchiges Neonlicht von einer einzelnen, spinnenumschwärmten Leuchte. All das Graffiti an den Wänden mischte bunte, scharfkantige Schrift mit tanzenden Schatten. Der Klang seiner Schritte hallte von kahlen Wänden wider. Er schritt eine enge Wendeltreppe hinauf, seine Hände tief in den klammen Taschen der Kunstlederjacke vergraben. Flaschensplitter, benutzte Kanülen, Papierschnipsel. Müll.
 

Die Luft war kälter. Sie fühlte sich feucht an und klebrig. An den Wänden hing der Geruch von altem Zigarettenrauch. Er wusste nicht was er erwartet hatte, als er endlich die oberste Stufe erreichte und den Blick hob. Fremde Männer, einen Hinterhalt, irgendetwas. Aber da war einfach nichts.
 

Gar nichts.
 

Vor ihm erstreckte sich sein Versteck. Eine alte Bauruine, die nie fertig gestellt worden war. Es hätte ein Bürogebäude werden können, rechteckig und weitläufig, mit einzelnen Betonpfeilern die die Decke abstützten. Etwa zwanzig Meter gegenüber von ihm fehlte ein Teil von Wand und Decke.

Mondlicht fiel hindurch und beleuchtete ein Rattennest aus alten Teppichen, einem modrigen Sofa, sogar einem kleinen Couchtisch. Überall leere Flaschen die herumlagen. Zerknüllte, leere Zigarettenschachteln in jeder Ecke. Benutzte Kondome. Dosen von Energydrinks.
 

Und über allem diese lähmende, völlige Stille.
 

Sasuke wagte ein paar Minuten lang gar nicht, weiter zu gehen oder auch nur einen Muskel zu rühren. Er ließ den Eindruck auf sich wirken, der ihn mit der schalen Erkenntnis konfrontierte, dass es nach einem totalen Krieg keine Sieger zu feiern gab. Es war jeder fort, für den es einen Unterschied gemacht hätte.
 

Schließlich ging er unentschlossen, mit langsamen Schritten zum Sofa hinüber. Die Hände in den Taschen seiner Jeans, die Schultern hochgezogen. Sein dunkler, gefährlicher Blick war leer und haltlos. Mit den Füßen schob er Müll zur Seite.
 

Und dann ließ er sich auf das Polster sinken.

Es war feucht vom Tau und der Nachtluft und gab unter ihm nach. Kurzes Aufflackern von Erinnerung an Szenen die sich an diesem Ort abgespielt hatten, mischte sich in seine Gedanken. Juugos stoische Miene. Suigetsus ausgelassenes Lachen als die rothaarige Nutte aus dem Bordell einen Block weiter ihn beim Versuch, halb betrunken irgendeine verrückte Geschichte zu erzählen, fast über den Haufen gerannt hatte. Er selbst, zurückgepresst in dieses Sofa, mit heißen Schenkeln und einem willigen Körper über sich, keuchend und für einen kurzen Moment nicht ganz so bitter und wütend wie sonst.
 

Der Moment, als er die Mordwaffen hier an diesem Tisch das erste Mal geladen und sich mit Munition präpariert hatte. Systematisch und mit diesem kalten, verrückten Entschluss zu Töten. Erst die Overlords. Dann die Handlanger. Jede kleine Schachfigur in diesem kranken Spiel und mit jedem Schuss ein Stück von sich selbst. Er stützte die Ellenbogen auf seine Knie, grub die Stirn in seine Hand. Am Ende des Weges brach die Illusion von Gerechtigkeit und Genugtuung in sich zusammen. Er hätte gern geweint. Ein Ozean von Verzweiflung und Einsamkeit begrub ihn unter sich.
 

Aber er konnte nicht. Er hatte es sich so lange verboten, dass er ausgetrocknet war.
 

In sich spürte er die bittere Erkenntnis, dass Naruto recht gehabt hatte. Und das war vielleicht das Schlimmste daran. Gerade eben war es auch so gewesen. Etwas in ihm musste immer noch kämpfen und vernichten, etwas das nicht verstanden hatte, dass es womöglich keinen Grund mehr zu kämpfen gab. Dieses Ding in ihm akzeptierte nicht, dass es vorbei war. Es brauchte einen Feind, es wollte schreien und wüten und gegen irgendjemanden anrennen, bis-... er wusste selbst nicht mit welchem Ziel. Vielleicht gab es überhaupt keins.
 

Unendlich leer, mit dem ziehenden Gefühl von Phantomschmerz in seiner Brust, ließ er sich nach hinten gegen die Lehne sinken. Er spürte es jetzt. Ganz deutlich. Sein Monster. Es zog schwarze Schlingen um seinen Brustkorb, versuchte jeden Funken von Wärme, jedes Zucken von Hoffnung das sein kleines Abenteuer in diesem Club womöglich geweckt haben konnte, wieder aus ihm heraus zu quetschen. Es blutete Finsternis, verseuchte alles was er berührte, fraß alles und jeden um ihn herum auf.
 

Und es verschlang jede Spur von Nähe und Mitgefühl, jede Hoffnung auf Hilfe wie eine kalte, hässliche Anakonda. Das war sein Preis dafür, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben.
 

~

Spurensucher (Hidan, Kakuzu)

~
 

Überall in der Stadt und der näheren Umgebung gab es sie. Verwahrloste Orte mit eingeschlagenen Fenstern und abgeplatzter Fassade, wie morsche Zähne in einem Haifischgebiss aus Beton und Stahl.

Nie waren sie so völlig ausgestorben wie es bei Tageslicht den Anschein hatte. Stattdessen bündelten sie ganze Rudel von lichtscheuen Zeitgenossen, und von solchen Orten- genau so wie von ganz bestimmten Wohnhäusern und Chemieküchen aus- zog sich ein Netz aus Versorgungswegen zu Händlern und Konsumenten.
 

Momentan war von nächtlichen Aktivitäten nirgendwo etwas zu sehen. An zweien der Verstecke, die näher an besseren Wohnvierteln lagen, war inzwischen die Polizei dabei, Spuren zu sichern- der Rest hütete immer noch unentdeckt und gemieden ein leichenkaltes Geheimnis.
 

Und einer der abgelegensten Punkte, weit draußen bei den Gebietsgrenzen, hatte Späher angelockt. Zwei große, breitschultrige Gestalten gingen hintereinander einen dunklen Feldweg von einem alten Bahnhofshäuschen zu einer still gelegten Fertigungshalle hinunter.

Die kargen Grasbüschel auf dem Feld zauste der Nachtwind, der Regenwolken aus der Stadt mit sich schleppte.
 

Der hintere der beiden Männer hatte den Kopf über das Display seines Smartphones gebeugt. Es tauchte glatt zurückgegelte, graue Haare und harte Gesichtszüge in ein bleiches Licht.
 

„Was hältst du davon, Kakuzu?“, seine Stimme klang rau, „„Suche Mann mit Pferdeschwanz. Frisur egal!“- Hey, das ist voll dein Typ!“

Die andere Gestalt, ein vermummtes Wesen mit tief in die Stirn gezogener Kapuze gab ein unwirsches Grunzen von sich. Seine schweren Stiefel zermalmten ein paar Büschel Moos, die sich zwischen den Steinen des Kieswegs an die Oberfläche drängten.
 

„Hör auf mir Kontaktanzeigen vorzulesen, Hidan“, grunzte er.
 

„Warum? Ständig maulst du rum, dass wir uns auf die Nerven gehen!“, der Grauhaarige hob einen Finger um weiter zu tippen, „Den letzten Paartherapeuten hast du in Stückchen zerhackt. Und der Fragebogen bei Love-Online sagt, du hast ein Beziehungsproblem. Ich versuch nur zu helfen, du Kackbohne!“
 

„Bei uns geht es aber um eine Arbeitsbeziehung! Das ist was anderes.“

„Nah-ah! Es geht darum, möglichst lange jemand anderen zu ertragen- bevor- man versucht, ihn zu Chop Sue zu machen. Das ist bei jeder Art von Gesellschaft gleich“
 

Hidan hielt mit einer Hand das Gerät vor sich, stützte die andere in seine Hüfte und rollte die Schultern.

„Ich meine, Liebe geht durch den Magen, okay! Aber wir beide wissen, was dann dabei rauskommt! Vielleicht findest du wen, dem du nicht gleich was abbeißen willst?“
 

Kakuzus böse Grimasse blieb leider durch den hohen Mantelkragen und den Lichtmangel der Umgebung so unsichtbar wie wirkungslos.
 

„... oh, hier! „Einsames Pflänzchen sucht Gärtner mit grünem Daumen...“ Der wär doch was!“
 

Kakuzu sparte sich einen Kommentar. Stattdessen ließ er den Blick in die Umgebung schweifen.

Auf dem nahen Parkplatz standen kreuz und quer einige verwaiste Autos. Spaßeshalber legte er seine riesige Hand auf eine der Kühlerhauben. Sie war kalt.

Hidan redete einfach weiter.
 

„... „Bringt dein Dünger mich zum Blühen?“- okay, das klingt nach sehr kranken Vorlieben... oh, aber das hier! „Schüchterner Puppenspieler mit geschickten Händen hat von Solo- Karriere die Nase voll! Wenn du wie ich romantische Sonnenuntergänge und Sportwetten liebst, melde dich unter nekofetischist@sandsturm.de!“
 

Ein paar Regentropfen fielen lautlos, Hidan hielt schützend seine Hand über das leuchtende Display.
 

„Scheiße, die Netzverbindung hier ist Dreck.“
 

Kakuzu, der Vermummte, sah mit kurzem Blick über seine Schulter. Sie waren an der Seite der Halle angekommen. Vor ihnen erhob sich ein dunkles Metalltor, das über einen rostigen Hebel von außen aufgeschoben werden konnte.
 

„Pack dein Spielzeug weg, du bist bei der Arbeit“, knurrte er.

„Jawohl, mein Meister“, Hidan rollte die Augen, ließ aber brav das Gerät in der Manteltasche verschwinden.
 

„Also nochmal“, Kakuzus Stimme war leise, kaum hörbar. „Damit das in deinen Schwachkopf rein geht"

Sein Partner beugte sich näher.

"Wir wollen wissen, warum unsere Informanten seit einer Weile so ungewohnt still geworden sind.“

„Ja“, seufzte Hidan, „Und warum unser guter Freund Steve, dieser Wichser von Hanfbauer den wir erwischt haben, Geschichten vom bösen, schwarzen Mann erzählt...“
 

Kakuzu verengte die Augen über grünschwarzen Kontaktlinsen zu Schlitzen.

„Bei dem was du mit ihm angestellt hast ist es sowieso kaum zu fassen, dass er noch zu sowas wie menschlicher Sprache fähig war.“
 

„Ich nehm das als Kompliment“

Hidan fasste die am Rücken festgeschnallte Stange, die sich bei näherem Hinsehen als dreiblättrige Sense entpuppte, an deren glutroten Sichelklingen sich das Mondlicht brach. In fiebriger Vorfreude bleckte er ein Gebiss voller weißer Zähne.

„Darf ich so loslegen? Ja? Bitte?
 

„Nein!“, zischte Kakuzu ihn an, „Das hier ist immer noch fremdes Revier, du Idiot! Und das heißt schnelle, saubere Arbeit. Keine Zirkustricks!“
 

„Ach scheiße...“

Schmollend schob Hidan die Sense wieder auf den Rücken und griff genau wie sein Partner in die Innenseite des schwarzen Mantels.

Kakuzu zog mit einiger Kraftanstrengung zu metallischem Knirschen das Tor auf.
 

Rumpelnd öffnete sich der Zugang. Im nächsten Moment standen sie in der Öffnung durch die das Mondlicht ins Innere des Gebäudes fiel, jeder den Arm mit einer entsicherten Beretta ausgestreckt. Aus dem Innern des Gebäudes schlug ihnen gähnende Dunkelheit und eine Wolke von Verwesungsgeruch entgegen.
 

„...oh, da fick mich doch ein Pferd“, stöhnte Hidan und hielt sich den freien Unterarm über die Nase,

„Das stinkt ja wie eine mongolische Gossenfotze“
 

Kommentarlos knipste sein Begleiter eine Maglite an, um in die Halle zu leuchten.

Schemenhaft riss das weiße Licht verdrehte Gliedmaßen, Körperteile, insektenumschwärmte Lachen von ausgelaufener Flüssigkeit aus den Schatten. Zersplitterte Holzplatten, sinnlos in die Höhe ragende Metallstäbe, rußschwarze Tonnen.
 

„Sieh dir das an...“, flüsterte er.
 

„Ja, verdammt“, Hidan hob genervt den Arm mit der Schusswaffe, „Und wir haben wieder keine Einladung zu der Party gekriegt!“
 

„Brandbeschleuniger... all die schwarzen Tonnen... ist dir klar wonach das aussieht?“

„... Barbecue?“
 

„Hidan, du gehirnamputierter Affe...“, Kakuzus Ton wurde gereizter, „Welcher normale Konkurrent erschießt nicht nur jeden auf seiner Liste, sondern versucht auch noch Stoff zu vernichten...? Der ist viel zu wertvoll! Das ergibt keinen Sinn!“
 

Hidan warf einen Blick in die Halle, schnaubte desinteressiert und kratzte sich an der Nase.
 

„Anscheinend jemand der gar keine Drogen mag... oder... du weißt nicht, was die so mit reingepanscht haben. Jedenfalls haben sie schneller Flecken gekriegt als eine Chiquita- Banane“

„Scheiße“, Kakuzu ließ seine Waffe sinken, „Die erzählen nichts mehr. Und unser Auftrag verzögert sich wieder... ich hasse sowas!“
 

Sie drehten um, ließen den Schauplatz hinter sich und kehrten in weitem Bogen zurück über Moos und Kieselsteine. Im Schatten des Bahnhofhäuschens standen Motorräder, zwei gewaltige, dunkle Maschinen. Der Lack schimmerte wie Wasser im Mondlicht.
 

„Ich werd nie verstehen, warum Chiquita damit Werbung machen kann, dass ihre Bananen nicht braun werden“, bemerkte Hidan und ließ verspielt seine Sense durch die Luft sausen. Es gab ein helles, sirrendes Geräusch dabei.
 

„Das heißt doch nur dass die Dinger mehr einbalsamiert sind als ägyptische Prinzen! Wer will sich freiwillig so ein Zeug in den Mund stecken?“

„Du hast dir garantiert schon ganz andere Sachen in den Mund gesteckt“, brummte Kakuzu, griff nach der Lenkstange seines Gefährts und schwang schwerfällig ein Bein über die riesige Honda.
 

„Hey, man muss alles mal ausprobieren“, Hidan ließ den Kopf in den Nacken rollen und schüttelte sich, „Und wenn es hier nicht bald wirklich was zu tun gibt, geh ich Passanten jagen. Ich warn´ dich nur vor. Die Leute hier machen keinen Spaß wenn sie nicht mehr zappeln und ich hab religiöse Bedürfnisse!“
 

Kakuzu grunzte. „Du und deine scheiß Satanisten- Sekte“

Er startete die Maschine, die mit lautem Grollen zum Leben erwachte. Hidan folgte seinem Beispiel.

„Das hat mit Satanismus gar nichts zu tun!“, brüllte er gegen den dröhnenden Motor an, „Wir verehren Jashin, den Gott von Perversion, Gemetzel und Chaos! Und bevor wir eine zünftige Jagd eröffnen können, sollten wir unseren guten Freund Steve nochmal fragen“
 

Kakuzu wandte sich zu ihm um,

„Du meinst, wenn er die restlichen fünf Finger verliert, fällt ihm mehr ein?“, hielt er zweifelnd dagegen.
 

„Er hat auch noch Zehen!“, Hidans Gesicht verzog sich in Sekunden zu einer irren Fratze aus hungriger Blutlust, „Weißt du, das ist auch das was ich an diesem unbekannten Verräter- Shinigami am meisten hasse“

„Was?“
 

Hidan ließ die Maschine aufheulen, warf den Kopf zurück und gab ein helles, überdrehtes Lachen von sich:

„Komm schon, nur Kopfschüsse? Der Wichser hat null Fantasie!“
 

Und damit setzte seine Maschine in einem Satz über die Gleise der Bahnstrecke, ließ eine Wolke aus Dreck und Staub hinter sich und folgte Kazukus Motorrad in leichtem Schlenker- hin zu drohenden Gewitterwolken. Hinein in die große Stadt.
 

~

Albtraum

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kollegen (Naruto, Shikamaru)

~
 

Ein grauer Morgen war angebrochen.
 

Naruto saß da und starrte mit verdächtig dunklen Augenringen ins Nichts, bis sein Partner zu ihm in den Wagen hineinkletterte, den Gurt fest schloss und die Tür mit einem Knall zuzog.

Dann endlich kam Leben in ihn. Er hob die Arme um sich zu strecken, kniff die Augen zusammen, gähnte ausgiebig, ließ den Kopf nach hinten rollen und gab ein langgestrecktes, helles Fiepen von sich. Danach schrubbte er sich mit den Fingern beider Hände den Hinterkopf- an einer Stelle sehr vorsichtig- kämmte lange Haarsträhnen aus der Stirn und schüttelte sich. Ein tiefes Schnaufen beendete die Übung.
 

Entschlossen griff er nach dem Lenkrad. Düster starrte er durch die Windschutzscheibe nach draußen. Sein Schlüssel fand mit mit glattem Ratschen das Zündschloss, er drehte das Handgelenk und mit gefälligem Brummen sprang der Motor des Wagens an.
 

„Du solltest nicht so lang in den Clubs rumhängen wenn wir den nächsten Tag Schicht haben“, kam der gemurrte Einwand von der Seite, "Wir hatten darüber gesprochen, weißt du noch?"

Shikamaru lag im Beifahrersitz, die Arme vor der Brust verschränkt, die schweren Stiefel gegen das Armaturenbrett gestützt, die Haare in seiner üblichen Frisur zum oberen Hinterkopf zusammengebunden, wo ein Nest aus struppigen Zotteln der Schwerkraft trotzte.
 

„Dein Privatvergnügen in allen Ehren, aber es ist doch irgendwie peinlich, wenn echt mal was passiert und wir sitzen hier drin, beide mit dem Reaktionsvermögen von ner toten Nacktschnecke“
 

„Maah, Shikamaru!“, maulte Naruto und überwand sich zu einem ausführlichen Schulterblick bevor er links abbog, „Das ist noch nie schiefgegangen, entspann dich mal... außerdem, kannst du das nicht netter ausdrücken? Das Reaktionsvermögen von nem toten Hamster, vielleicht?“
 

„Wo ist der Unterschied?“, der Nara rutschte sich in seinem Sitz bequemer zurecht und seufzte zufrieden.
 

„Keine Ahnung...", Naruto hob beide Schultern, "Ich wär lieber ein toter Hamster als ne tote Nacktschnecke.“
 

„Kommt doch drauf an woran der Hamster gestorben ist... Und sprich so früh am Tag nicht von Nagetieren, das zieht Stress an! Kennst du die Geschichte nicht, von dem Typen der den Rettungsdienst gerufen hat, weil er eine Rennmaus in seinem Arsch hatte?"
 

Naruto schüttelte mit skeptischem Blick den Kopf und versuchte im Verkehrschaos der Innenstadt einen Überblick zu behalten.
 

"Er hatte eine Rennmaus im Arsch?!"

"Ja, mann! Irgendwelche perversen Sexspielchen, was weiß ich-... bis die Sanitäter da waren hat der Freund von dem versucht, das Vieh rauszukriegen- er schiebt ihm also irgendeine Art Rohr rein um Platz zu schaffen, und weil er nichts sieht, nimmt er sein Feuerzeug-..."

"Shit..."

"Er hält das Feuerzeug also an das Rohr im Arsch, daraufhin gibt´s ne Methangas- Explosion, der Nager schießt raus wie eine Kanonenkugel, trifft den zweiten Typen am Kopf und knockt ihn aus, als die Sanitäter endlich da sind haben sie einen mit Gehirnerschütterung und Platzwunde und einen anderen mit Verbrennungen dritten Grades am Hinterteil. Ob die Rennmaus überlebt hat, weiß ich nicht mehr"
 

"Pfff..." Langsam kam Narutos Unerschütterlichkeit zurück, ein kleines Grinsen zupfte an seinem Mundwinkel.

„Da war ja der mit dem Maiskolben letzte Woche noch harmlos dagegen...“
 

„Ich weiß nicht woher diese Faszination der Leute kommt, sich ungeeignetes Zeug in ihre Körperöffnungen zu stopfen...“, Shikamaru schüttelte nur den Kopf, "Wie stressig!"

"Echt mal", meinte Naruto stirnrunzelnd, "Dabei gibt es so viel sicheres Spielzeug, das man nur-..."

"Zu viel Privatinfos, Uzumaki!"

"...´Tschuldigung"

Sie teilten ein schmutziges Grinsen.
 

Shikamaru lehnte sich nach vorn und begann am Radio herumzudrehen. Vom Bildschirm der Rückspiegelkamera über ihm baumelten flauschige blaue Würfel und ein Wunderbaum.

Die Lautsprecher knarzten und rauschten.

Abgehackte Wortfetzen rissen sich aus dem Schnelldurchlauf der Frequenzen, bis plötzlich fröhliches Klavierstakkato durch die Fahrerkabine schallte.
 

„Oh Gott, was ist das?“, stöhnte Naruto, „Wenn du mich wieder mit Schlagern nervst, Nara, ich schwör dir-...“

„Komm schon, man! Das ist ein Klassiker!“

„Mach nen anderen Sender rein, wir sind nicht beim Karaoke!“

„Du musst das hören! Uzumaki, du bist ein Kulturbanause-“

Naruto versuchte den Knopf zu erwischen, aber Shikamaru hielt längst seine Hand schützend davor und wehrte jeden Angriff ab. Und damit nicht genug, er drehte lauter, schloss hingebungsvoll die Augen und begann laut und ungewohnt leidenschaftlich mitzusingen.
 

„Where are those happy days“, heulte er, „they seem so hard to find!“

„Oh Gott“
 

Naruto kurbelte das Fenster herunter. „Hilfe!“, rief er, während er in den Kreisverkehr einbog und die Fahrerkabine nur so dröhnte vor alten Synthesizer- Klängen. Ein paar Passanten drehten sich sichtlich beunruhigt nach dem schwankenden Rettungswagen um.
 

„I try to reach for you, but you have closed your mind!“, sang Shikamaru unbekümmert, während er die Taschenlampe aus der Brusttasche seiner Jacke schamlos als Mikrofon zweckentfremdete.
 

„So when you´re near me darling, can´t you hear me SOS!“

„Nara!“

The love you gave me, nothing else can save me, SOS!“

„Oh man, womit hab ich das nur verdient?!“
 

Der Wagen brauste mit lauter Begleitmusik und zeternden, lachenden Insassen den Zubringer hinauf, über die Autobrücke und seinem Weg in andere Bezirke der Stadt entlang, während das Leben in den wohlhabenden Gegenden seinen gewohnten Lauf nahm. Menschen kamen zu spät, fanden keinen Parkplatz und traten in Hundehaufen. Sie machten sich Gedanken über die Farbe ihres Lippenstifts, die Weight- Watcher- Punktezahl ihres Mittagessens oder ihr zuhause vergessenes Handout für die Präsentation im Büro. Es war ein heller, erfreulicher Tag. Die Luft wirkte nach den kurzen Regenschauern der Nacht wie frisch gewaschen. Eine milde Brise machte den Smog aus Autoabgasen und Industriestaub leichter, die Sonne glänzte hinter hohen Bürogebäuden von einem metallgrauen Himmel.
 

Auf einigen der kargen Gräser und Pflanzen die sich durch den Asphalt gedrückt hatten und ihr raues Leben neben Litfaßsäulen, Hauswänden und Verkehrsschildern bestritten, glitzerten Tropfen von nächtlicher Feuchtigkeit. Und in anderen Gefilden der Stadt stritten sich streunende Katzen um Essensreste aus zerrissenen Müllbeuteln, fallen gelassene Zeitungsblätter gehörten zum Straßenbelag wie zertretener Kaugummi und hinter vergitterten Scheiben alter Videotheken vergilbten Filmplakate.
 

An der breitesten Straße dieser Gegend lag das Bordell, ein bizarres Gebäude wie ein verdorrtes Gewächs, in grauem, erschöpftem Schlaf. Fahnen und Banner in allen Farben des Abendrots hingen schlapp von den Wänden. Nur hinter wenigen Fenstern in den oberen Stockwerken waren die dicken, roten Vorhänge schon zurückgezogen, und nur ein einziges im dritten Stock war so früh am Morgen schon weit geöffnet.
 

Gegenüber empfing ein Bäcker die erste Kundschaft, ein altes Mütterchen mit krummem Rücken und einer halbleeren Flasche Strohrum im Gehwagen. Ein einsamer, letzter Nachtschwärmer taumelte geblendet vom Licht und halb taub seinem Versteck zu. Aber trotz der einzelnen Tropfen von Normalität war es still auf den Straßen. Sehr still. Nicht die Stille von Schlaf.

Eine Aura von kalter Reglosigkeit, die wie ein kriechender Nebel durch die Straßen zog und mehr Raum gewann. Es war als hätte eine Seuche zwei Drittel der Bevölkerung ausgelöscht. So rasch und so unerwartet, dass der Rest der Bewohner noch unmöglich begreifen konnte, was eigentlich wirklich passiert war.
 

~

Andere Umstände

~
 

„Sollst du überhaupt rauchen?“, fragte Ino, „Ich meine, in deinem Zustand und so?“ Sie stand ans Geländer gelehnt auf den Eingangsstufen eines Getränkemarkts und kaute Kaugummi. Ihr Lipgloss war grellpink und schimmerte leicht in der Sonne. Die langen, blonden Haare hatte sie in einen Pferdeschwanz hochgebunden, eine ebenfalls glitzernde Spange funkelte seitlich über dem Ohr.
 

„Ach, ist mir doch egal“, Sakura saugte nervös an ihrer Gauloises und warf immer wieder einen Blick die Straße hinunter. Ihre Stimme klang leise und bitter. In kleinen, einzelnen Wolken paffte sie Qualm über ihre dünnen Lippen und sah ihm nach, wie er sich vor ihr in der Luft auflöste.
 

Ino machte eine runde, rosa Kaugummiblase und ließ sie mit einem Plopp zerplatzen. Der Kragen ihres violetten Oberteils lag weit und locker um die Schultern wie ein Schal, dafür war der Rock umso kürzer und endete hoch überm Knie. Ein Bein hatte sie angestellt. Die Spitze der schwarzen Riemchensandalette mit Pfennigabsatz schleifte gedankenverloren über den Asphalt, immer ein Stückchen vor und zurück.
 

„Und wenn du ins Heim zurück gehst?“, schlug sie vor, „Ich meine, irgendwas werden die schon wissen“
 

Sakura schnaubte. Der Luftstoß pustete eine rosa Haarsträhne hoch in die helle Morgensonne.

„Würdest du sowas Kakashi erzählen? Oh hi, ich wollte mal wieder vorbei schauen, ach übrigens- ich hab meine Ausbildung geschmissen und außerdem-... ich bin unglücklich verknallt in den Typen der seit zwei Wochen spurlos verschwunden ist, oh, und noch was-... ich hasse mein Leben und will sterben. Bitte hauen sie mir irgendwas über den Kopf und ertränken sie mich in einer scheiß Badewanne.“
 

Ino sah sie missbilligend an.

„Das ist totaler Blödsinn“, sagte sie ihr, „Hör auf so zu reden! Ich meine, du kannst ihm doch einfach sagen, dass du Probleme hast und selbst nicht mehr weiter weißt..?“
 

Sakura warf ihr einen skeptischen Blick zu.

Ino zuckte die Schultern.
 

„Ich würde das sagen“, meinte sie, „Dazu verschmierst du dein Make Up noch ein bisschen, ziehst den Träger von deinem Top über die Schulter runter und machst diesen hilflosen Blick von unten hoch mit der zitternden Unterlippe-... Männer stehen auf sowas.“
 

„Er ist schwul“, stöhnte Sakura ernüchtert.

„Oh. Hm. Tja... und wenn du zu deiner-... du weißt schon, Patin gehst?“, Ino hob den Blick zu den Altglascontainern auf der anderen Straßenseite.

„Ist sie nicht die tolle Ärztin in diesem Krankenhaus?“
 

„Das ist ja noch schrecklicher!“, Sakura rollte die Augen, „Sie hat so viel in mich investiert, und jetzt?“
 

„Na hör mal, du bist doch kein Vergnügungspark der irgendwie Profit bringen muss?“
 

„Bin ich nicht?“, Sakura zog mit zitternden Fingern an der Zigarette. In ihren tiefen Augen glitzerte Feuchtigkeit.

„In dieser ganzen scheiß Welt dreht sich doch alles nur darum, wie nützlich man ist. Darum geht’s doch. Wenn man nichts kann und nicht genug Geld verdient, kann man genau so gut jämmerlich verrecken und niemanden interessierts.“
 

Ino sah betroffen zu ihr herüber.

„Hey“, meinte sie langsam, „Das wird schon alles wieder“
 

Sakura warf kopfschüttelnd ihre Kippe auf den Boden und trat sie mit der Spitze der weißen Absatzschuhe aus.

„Ich bin weg“, murmelte sie nur, „Wir sehen uns dann später. Oder auch nicht“
 

„Hey Sakura!“, rief Ino ihr nach und hob ihre perfekt manikürten Finger um zu winken, „Wag es bloß nicht, dich irgendwo runterzuschmeißen! Sonst komm ich und lach deine hässlichen Überreste aus!“
 

Sakura hob im Davonstöckeln ihren Mittelfinger, aber ein bisschen musste sie grinsen. Auch wenn ihr Umgangston ab und zu rau war- die Freundschaft zu Ino war im Moment ihre einzige Sicherheit.
 

Nur wenige Meter weiter bog ein Krankenwagen um die Ecke. Aus der Fahrerkabine drang das gedämpfte Wummern von Techno Trance. Die Reifen quietschten leicht in der Kurve, und Sakura warf einen Blick über ihre Schulter, rollte stöhnend die Augen.
 

"Nicht der schon wieder...“
 

„Sakura-chan! Hey!“

Der große Kastenwagen bremste abrupt, schob sich nah an den Gehsteig und rollte wie ein großer, zutraulicher Blechhund einen halben Meter hinter Sakuras energischen Schritten her.

Das Fenster wurde aufgekurbelt, ein blonder Zottelkopf schob sich heraus, lehnte den Arm lässig über die Tür und zog das Grinsen von Ohr zu Ohr.
 

„Was für ein Glück, dich zu treffen! Geht´s dir gut, ja? Du siehst wie immer echt toll aus!“

Naruto hielt den Wagen mit einer Hand in der Spur und strahlte wie ein Plutoniumstab.
 

Sie schnaubte, warf mit einer Hand kurze Haarsträhnen in Bonbon-rosa zurück um das Kinn höher zu recken und einfach stur weiter gerade aus zu stöckeln.
 

„Du hast es eilig, oder? Ich kann dich ein Stück mitnehmen, wenn du willst! Du bist bestimmt noch nie in ´nem Krankenwagen gefahren?“
 

Sie warf einen giftigen Blick zu ihm hinüber.

„Du bist bestimmt noch nie in deinem eigenen Krankenwagen hinten gelegen! Was aber passieren wird, wenn du nicht gleich wieder verschwindest!“
 

Naruto kratzte sich verlegen am Kopf,

„Lustig dass du das ansprichst, neulich war das echt so! Genau das wollte ich eigentlich auch erzählen, da-...“

„Kein Interesse!“

„Aber es geht um-...“

„Verpiss dich, Naruto!“

„Ich-...“

„Nein!“
 

„Okay... sorry. Vielleicht beim nächsten Mal?“, Naruto zog seinen Kopf wieder durchs Fenster, um sich vernünftig hinters Lenkrad zu setzen.
 

„Ich steh auf den Rock!“, rief er noch, winkte ihr zu während er überholte,

„Sieht scharf aus!“

Sie hob den Arm und reckte ihm ihren Mittelfinger entgegen.
 

Dann griff sie nach den Rändern besagten Kleidungsstücks um es tiefer zu zerren.

Der Krankenwagen ließ am Ende der Straße kurz und verspielt das Blaulicht aufheulen, bevor er Tempo gab und um die nächste Häuserecke verschwand.
 

Sie starrte ihm mit finsterem Blick hinterher und blieb stehen. Der Rock war immer noch so kurz, dass er nur bis knapp über das Höschen reichte. Schnaufend ließ sie die Schultern sinken und biss sich auf die Unterlippe. Neben ihr war der Aufgang zum Bordell.
 

„F.- Paradise“ stand in großen Neonleucht- Lettern blinkend über dem Eingang.
 

~

Ersatzbefriedigung

~
 

Sasuke rollte sich vom Bett, blieb am Rand der Matratze sitzen. Auf seinem Oberkörper schimmerte Schweiß. Mit gebeugtem Rücken hockte er da, die Unterarme auf den Knien und starrte vor sich hin.

Dann streckte er eine Hand zum Nachttisch, griff nach der Zigarettenschachtel, klopfte eine heraus und nahm sie zwischen die Lippen.
 

„Ich weiß nicht was dein Problem ist!“, beschwerte sich eine weibliche Stimme laut von der anderen Seite des Bettes her, „Kommst hier rein, knutschst und grapschst wie ein Irrer, schlägst mir dabei fast einen Zahn aus und kriegst dann ums Verrecken keinen mehr hoch! Und jetzt tust du als wär das meine Schuld!“
 

Sie ging mit energischen Schritten durchs Zimmer und riss ihr rotes Kleid vom Boden.
 

„Halt den Rand“, murmelte Sasuke.
 

Die Luft, die durchs Fenster wehte war kalt und frisch. Der ganze Raum schien einzuatmen um die peinlichen Geschehnisse der Nacht loszuwerden. Weiße Seidenvorhänge tanzten dick und bauchig im Wind der sie vor sich hertrieb.
 

Sasuke warf die Schachtel zurück, griff nach der Jacke neben dem Bett um das Feuerzeug zu finden. Wider Erwarten hatte der Ausflug hierher überhaupt nichts geholfen. Es ging ihm immer noch schlecht. Wenn überhaupt war er so gereizt wie schon lange nicht mehr. Eine spezielle Art von gereizt. Unbefriedigt, frustriert und empfindlich in seinem männlichen Stolz verletzt- eine ungute Mischung.
 

Sie schien allerdings völlig unbeeindruckt davon, sammelte die dicke Hornbrille vom Nachttisch, fuhr durch ihr rotes Haar und dachte nicht daran, aufzuhören:
 

„Fragt mich irgendjemand, ob mir das immer Spaß macht? Ich fand dich so geil am Anfang, weil du gut aussiehst! Aber irgendwas ist ja immer, wenn Kerle zu hübsch sind! Und du..! Bist einfach scheiße im Bett!“
 

Das saß.

Sasuke presste die Lippen um die Kippe herum zusammen und versuchte weiter, sie zu ignorieren.
 

„Ich meine, kannst du nicht zärtlich sein? Ein bisschen Streicheln, ist das zu viel verlangt? Ich glaub ich hab überall blaue Flecken, soll ich dem nächsten Kunden erzählen ein Rhinozeros hätte mich umgerannt?! Du hast wohl noch nie was von Vorspiel gehört?“
 

„Halt den Rand!“, schnappte er in gereizt dominantem Ton. So langsam spürte er wieder die gefletschten Zähne und dieses Brodeln von Mordlust, das seinen Rücken hinaufkroch und sich über den Hals aufwärts ausbreitete. Er mahnte sich zur Ruhe.
 

So verlockend es schien, es machte nur Ärger sie umzubringen. Noch mehr als sie am Leben zu lassen, auch wenn sie ihn nervte. Er hätte nicht herkommen sollen. Schnaubend nahm er das Feuerzeug in die Hand, schnippte mehrmals bis endlich eine zufriedenstellende Flamme erschien und er seine Zigarette anstecken konnte.
 

Kurz stutzte er, als sein Blick auf das Hilfsmittel in seiner Hand sank. Seine Finger zuckten leicht als ihm einfiel, wem es gehört hatte. Und wo dessen Hand vorher gewesen war.
 

… der Gedanke an diese Frau machte ihn fertig.

Wie konnte sie sich ihm so vollkommen ausliefern und dabei so-... so wenig würdelos wirken? Das ging nicht in seinen Kopf.
 

Überhaupt, dieser Abend in diesem... Club.

In dieser Grotte von Perversion mit diesen obszön bequemen Sofas aus weichem, schwarzen Leder und all der unsäglich von Sex aufgeladenen Atmosphäre, in der man die Pheromone förmlich schmecken konnte-... wo der blonde Idiot so nah bei ihm gewesen war...

Und so unbekümmert darüber gelacht hatte, wie er Kibas Freundin in eine derart heulende, tobende Extase gefingert hatte, von der er selbst nicht gewusst hatte, dass so etwas überhaupt möglich war. So einfach. So mühelos. Als wäre es so normal für ihn, wie zu atmen.
 

An das was danach passiert war, wollte er gar nicht denken. Er hatte mit dem Rest schon genug zu tun. Mit leerem Blick ins Nichts nahm Sasuke einen Zug von seiner Zigarette.

Kiba hatte sein Bett diese Nacht sicher selbst gebraucht. Und die Lederschnallen daran wohl auch...
 

„Ich geh Duschen, Arschloch!“, keifte seine... Gespielin war das falsche Wort. Professionelle Stoßdämpferin traf es eher. Er gab einen mürrischen Grunzlaut von sich, kratzte sich mit dem Daumennagel am Haaransatz und machte sich nicht die Mühe, aufzusehen.
 

Komm zu mir, flüsterte eine ferne Stimme in seinen Gehörgängen, Ich fang dich auf.
 

Schnaubend versuchte er, das Gefühl dabei abzuschütteln.

Er sah eine unbenutzte Kondompackung zwischen seinen Füßen auf dem Teppichboden liegen und bückte sich, um sie aufzuheben. Eigentlich wollte er sie zurück in die dafür vorgesehene Schale auf dem Nachttisch werfen, aber... Das flache, schwarze Briefchen knisterte zwischen seinen Fingern.

Er konnte den festen Ring unter seinem Daumen spüren... und die Stimme war auf einmal wieder ganz nah und warm.
 

...tiefer?
 

Oh, Fuck.

Da war sie, die Erektion die er in den nächtlichen Morgenstunden so bitter vermisst hatte.
 

Wenn er ehrlich war, hatte er sich in den meisten seiner heimlichen Fantasien früher vorgestellt, selbst den dominanten Part zu übernehmen. Aber das Bedürfnis ihn tiefer gehen zu lassen war so heftig und offensichtlich, dass er es auf der Zunge schmecken konnte.
 

So sehr er versuchte sich abzulenken, es abzuschütteln wie die Jahre davor-...

Beim Gedanken an Narutos warme Finger, die Berührung in seinem Nacken bekam er Gänsehaut.

Allein schon beim Klang seiner Stimme. Es war ein so tiefes, verzweifeltes Bedürfnis seine Nähe zu suchen, dass ihn keine Frau mehr darüber hinwegtrösten konnte.

Schleunigst schnippte er das Päckchen von sich.
 

Es war zu spät. Das war der einzige Gedanke, der in seinem Kopf pochte wie ein übler Kater.

Er hatte es wieder verbockt. Es war zu spät für Entschuldigungen.
 

Er war schon viel zu tief abgestürzt.
 

~

Art is a Bang

~
 

Vor dem Eingang des Bordells war um diese Tageszeit nicht viel los. Ganz verwaist war er trotzdem nicht und Sakura erstarrte in ihrer Bewegung als sie den Blick hob und die Person entdeckte, die dort am Treppengeländer stand und die Morgensonne genoss.
 

Eine große, schlanke Gestalt. Natürlich blond- der Farbton der glatten, langen Haare war etwas dunkler als bei Ino, mehr gold als platin- mit beneidenswert langen Beinen, die durch den seitlichen Schlitz im schwarzen Glitzerkleid voll zur Geltung kamen.
 

All das dramatische Make-Up, die Smokey Eyes und der ins violett gehende Lippenstift lenkten fast davon ab, dass es nichts an Oberweite zu sehen gab.

Sakura wich zurück, auf die Begegnung war sie nicht scharf gewesen. Allerdings musste sie irgendwie an der Tür vorbei, wenn sie drinnen nachsehen wollte- und da war sie schon entdeckt.
 

„Da bist du ja wieder, hn“, die Gestalt musterte sie abschätzend, verlagerte lässig das Gewicht auf das andere Bein. „Du bist anhänglicher als eine Filzlaus, hat dir das schonmal jemand gesagt?“
 

Sakura warf einen sehnsüchtigen Blick zum Eingang mit dem roten Samtvorhang. Dann lenkte sie die Augen wieder auf den Wächter davor, der eindeutig im Weg war. Sie biss sich auf die Unterlippe.
 

„Komm schon“, versuchte sie, „Ich will nur kurz Karin was fragen... das geht ganz schnell!“
 

„Ah-ahn. Vergiss es, Schätzchen. Du kommst hier nicht mehr rein“

Die hellen Augen der anderen Person taxierten sie abschätzend.
 

„So lange du hier nicht arbeitest, hast du hier nichts zu suchen- der Chef ist im Urlaub, Bewerbungsgespräche gibt’s erst wieder nächsten Monat. Und wenn du mich fragst, könntest du die Zeit besser nutzen als hier herumzuhängen und Kunden zu vergraulen. Zum Beispiel mal ein paar Runden auf den Stepper, hn“, eine Augenbraue wurde gehoben, der Kopf schief gelegt,

„Bisschen was gegen die Zellulitis am Hintern tun?“
 

„Alter-...“, Sakura schnappte empört nach Luft und rang um Beherrschung.

„Ich hab keine Zellulitis!“, fauchte sie, „Tu bloß nicht so als wär das hier dein Laden! Du bist nur die Quotenschwuchtel, Deidara!“
 

„Vorsicht, Schätzchen“,

Seine Augen wurden sehr schmal, die Lippen zogen sich zu dünnen Linien zusammen,

„Erstens, das nennt man Travestie und es ist eine Kunstform! Zweitens- ich mach das hier nur als Nebenjob-... hast du eine Ahnung wie viel Geld man für ein scheiß Studium braucht? Und drittens“,

er richtete sich auf und trotz seiner schmalen Schultern war er leicht beunruhigend, wenn er den Kopf neigte und seinen Blick hart und kühl werden ließ,
 

„Warum rede ich wieder mit dir? Wenn Mister Wichtig sich lieber professionell bedienen lässt, anstatt sich von Ischen wie dir einen Tripper zu holen, kann ihm das ehrlich gesagt keiner übel nehmen!“
 

Sakura klappte den Mund auf-... sie setzte zu einer wütenden Antwort an, als ihr die Bedeutung der Worte noch einmal durch den Kopf ging. Der Mund klappte wieder zu, sie runzelte die Stirn, hob den Blick:
 

„War er-... war er hier? Weißt du etwa was?“
 

„Oh mann“, Deidara rollte die Augen und wandte sich ab, „Was hab ich getan...“
 

„Komm schon, ich will doch nur wissen ob er hier war! Dann geh ich und lass dich in Ruhe!“
 

Er schnaubte.

„Dir ist hoffentlich klar, dass wir Kunden vollkommene Diskretion bieten, hn?“, mit dramatischem Seufzen begutachtete Deidara seine Fingernägel, „Von mir wirst du ganz sicher nicht erfahren, dass er letzte Nacht hier aufgeschlagen ist wie ein verlorenes Hündchen, zitternd vor Kälte und... Zuwendungsbedürfnis...“
 

Sakura schluckte hart.
 

„Deidara“, sagte sie langsam, „Du lässt mich sofort... da vorbei. Ich muss-...“

„Du -musst- jetzt leider verschwinden“, bestimmte er, seinen Blick kühl und funkelnd in ihre Augen gerichtet, „Und zwar sofort. Sonst muss ich dir so einen Tritt in den Hintern geben, dass du bis aufs Bahnhofsklo fliegst, wo du hingehörst. Das hier ist nicht dein Revier, Schätzchen.“
 

Sie starrte ihn an.

Die Tür war so nah. Die Aussicht -ihn- zu sehen-... selbst wenn es nur kurz war-... bevor sie länger darüber nachdenken konnte, war sie schon losgespurtet. Die Treppen hinauf, todesmutig an Deidara vorbei, ein Hechtsprung zum Vorhang-... wie in Zeitlupe nahm sie wahr wie er den Mund aufriss um zu rufen, wie ein Ruck durch seinen geschmeidigen Körper ging und er den Arm nach vorn streckte um sie zu packen und zurück zu reißen-... sie wich aus, drehte den Kopf über die Schulter nach hinten-...
 

Und kollidierte in voller Wucht mit einem harten Körper, der in genau diesem Augenblick durch den Vorhang hinaus wollte-... im ersten Moment sah sie nichts, quietschte auf, wurde von starken Händen gepackt, die sie zurück schoben-... und erkannte dann den Schraubstockgriff sofort wieder.
 

Tränen schossen ihr in die Augen als sie aufsah.

„Sasuke“, schluchzte sie.
 

~

Craving

~
 

Seine Wiedersehensfreude hielt sich in Grenzen.

Er blieb stehen wie angewurzelt und warf einen Blick auf sie hinunter als hätte ihm jemand aufs Oberteil gespuckt.
 

Anstatt zu antworten, versuchte er wortlos sie von sich zu schieben. Sie klammerte sich fest.

„Warte“, würgte sie hektisch hervor. „W-... warte! Ich-... w-... wo warst du denn? Keiner... wusste mehr wo du bist oder was du machst, und ich-... i-... ich...“
 

Er verstärkte den Griff an ihrem Kragen und drückte sie rückwärts- sie krallte sich an ihn, als wäre er die rettende Holztür im Eiswassermeer beim Untergang der Titanik.

„Ich weiß", japste sie, "ich-... w-... weiß ja, dass du gesagt hast du-... willst mich nicht mehr sehen, aber-...“
 

Jetzt versuchte er verbissener, sie loszuwerden, was fast zum Gerangel ausartete.
 

„Ich weiß das alles, aber-... ich kann mich ändern! Ich kann dir helfen, ehrlich! Ich tu-...“, ihr Atem stockte, die Tränen in ihren Augen liefen über, rollten abwärts, tropften vom Kinn auf den Boden,

„Ich tu alles für dich. Ich kann alles sein was du willst. Ich beweise es dir“
 

Er hielt inne.

Langsam löste er seinen Griff.

Sie hob die Handtasche wie einen Schild vor die Brust, um hektisch darin herum zu kramen.
 

„Hier.“, mit leiser, tränenerstickter Stimme schob sie Taschentücher und Schminkzeug zur Seite und ließ ihn einen Blick auf den Inhalt darunter werfen. Dort hervor lugten zwei dicke Bündel zusammengerollter Geldscheine. Und...
 

… weißes Pulver.
 

Eine erstaunliche Menge winziger, weißer Kristalle in kleinen Plastiktütchen.

Er hob den Blick und starrte sie an.
 

„Das ist alles echt“, beteuerte sie, „Und es ist unglaublich! Es wird dich umhauen!“
 

„Ihr habt sie ja wohl nicht alle!“, stellte Deidara fest, „Wollt ihr, dass ich die Bullen rufe?! Keine Drogen auf der Eingangstreppe!“
 

Sasuke packte Sakura am Oberarm und zerrte sie mit, die Treppe hinunter und in die nächste halbwegs geschützte Seitengasse.

Dort drehte er sie mit dem Rücken zur Wand.

„Was soll das sein?“, zischte er, „Willst du mich verarschen? Wo hast du das her?“

Sie biss trotzig die Zähne zusammen. Ihre Unterlippe zitterte.
 

„Da staunst du, was?“, stieß sie wackelig hervor, „Es ist für dich“
 

Konnte das sein?

Das Chaos in seinem Kopf wich einem Pulsschlag von tödlicher Klarheit.

Er war so gründlich gewesen. Hatte er bei seiner Jagd etwas übersehen?

... Sie?
 

„Irgendwie ist es schwierig an Nachschub zu kommen“, sie verfiel in nervöses Plappern und nestelte an ihrem Rock, „Keiner ist auf der Straße, vielleicht ist das hier das einzige gute Zeug das noch übrig ist- wir... können es mit Stärke und Backpulver strecken, und-...“
 

Etwas Dunkles wallte hinter seinen Augen auf. Etwas das anders war als einfach nur die Farbe seiner Iris.

Seine Hand schloss sich kalt und grausam über den unteren Teil ihres Gesichts, drückte Mund und Nase zu, sein Blick hob sich in ihre Augen. Dort, hinter den schwarzen Spiegeln war er kein Mensch mehr.

Es dauerte ein paar Momente, bis sie begriff was passierte. Erst war sie verdutzt, versuchte mehr unwillig ihn von sich zu schieben-... dann verkrampfte Erkenntnis und Todesangst ihre Muskeln.
 

Während sie immer hektischer zuckte, sinnlos mit den Beinen trat, kalte, feuchte Finger um seinen Arm klammerte, sah er ihr in die weit aufgerissenen Augen und hielt sie mühelos.

Er kam ganz nah.

So nah, bis die langen, schwarzen Haare die sein Gesicht rahmten ihre tränennasse Wange streiften.
 

Ihr Leben pulsierte unter seinen Fingern wie der Herschlag eines kleinen Vogels. Sie kniff die Augen zusammen. Er neigte den Kopf zu ihr. Und dann ließ er plötzlich noch einmal locker.
 

Wie eine große Katze ließ er sein Opfer einen Moment um Atem ringen, hielt sie an die graffittibeschmierte Wand gedrückt. Er brauchte nicht einmal seine Hände dafür. Sein Körper reichte aus. Und wie um sie zu beruhigen-... wie in abwesender Entschuldigung für das was er getan hatte oder noch tun würde, waren seine Finger sanfter geworden, streichelten ihr die Wange.

Schmierten Wimperntusche aus dem Gesicht. Sie zitterte.
 

„Nicht“, japste sie leise und wispernd, „Du machst mir Angst... und ich wollte noch-... ich wollte dir noch was sagen“

„Wo hast du das Zeug her?“, seine Stimme war ohne Mitleid.
 

Sie hob die Hand, um sich die Tränen abzuwischen- er hielt sie davon ab, seine Augen glommen drohend.
 

„G-... gekauft“, wimmerte sie.

„Lüg mich nicht an“
 

Sie gab ein gepeinigtes Schluchzen von sich.

„Ich hab es aufgehoben... gesammelt! Na gut, ein Bisschen hab ich geklaut...“
 

Seine Miene entspannte sich etwas.

„Du hast nichts weiterverkauft?“
 

„Nein!“
 

Jetzt ließ er ihre Hand los, damit sie wenigstens ihr Gesicht trocknen konnte.

„Das könnte ich nicht-... nicht ohne dich zu fragen!“
 

Langsam trat er einen halben Schritt zurück.

Etwas betreten senkte er seinen Kopf, überlegte.
 

„Woher hast du das ganze Geld?“, fragte er.
 

Sie biss sich auf die Unterlippe, versuchte seinem Blick auszuweichen.

„Verdient“, hauchte sie trotzig und tonlos.
 

Er runzelte die Stirn und schloss mit einem Griff die Hand wieder um ihren Unterkiefer. Sofort verkrampfte sie sich in Panik. Er ignorierte es. Mit grimmiger Ruhe zwang er ihren Kopf geradeaus, hielt so lange seinen Blick in ihre Augen gerichtet, bis sie ihn ansah.
 

„Womit?“, wollte er wissen.
 

Sie gab keine Antwort, aber ihr Schweigen sprach Bände. Das, und der beschämte Blick seitlich nach unten.

Er biss die Zähne zusammen, seine Kiefermuskeln zeichneten sich ab. Sie wimmerte gegen die Finger, die sie gepackt hielten wie eine Stahlspange.
 

Noch einmal neigte er seinen Kopf sehr nahe zu ihr, in seiner Stimme schwang ein eisiger Ton mit, „Glaubst du nicht, ich hätte Bescheid gesagt, wenn ich vorgehabt hätte zum Zuhälter aufzusteigen?“
 

Mit einem Ruck gab er sie frei, warf sie von sich.

Sie stolperte über ihre eigenen Füße, stürzte zu Boden und schlug sich die Knie auf, kam in Momenten wieder auf die Beine und wich vor ihm zurück.
 

„Ich hab´s für dich getan“, rief sie ihm weinend entgegen, „Für uns!“
 

„Es gibt kein uns“, bemerkte er bitter. „Gab es nie. Seit wir uns kennen, versuche ich dir das klar zu machen, verdammt.“
 

Sasuke schlug den Kragen der Kunstlederjacke hoch und grub die Hände in die Hosentaschen als er ein paar Straßen weiter war. Innerlich schauderte er. Der Anblick der kleinen Päckchen Stoff hatte mehr Drang und Gier ausgelöst als befürchtet. Obwohl er immer darauf geachtet hatte nie unkontrolliert und nur in bestimmter Absicht etwas zu nehmen, war jetzt gerade ein beschissener Zeitpunkt um ganz ohne chemische Unterstützung über die Runden zu kommen.
 

Und natürlich brauchte er auch Geld.

So bald wie möglich. Schließlich hatte er seine Arbeitgeber eliminiert.

Außerdem nagte die Hilfsbereitschaft von Kiba und den Anderen an seinem Stolz. Er musste dort wenigstens seine Schulden begleichen.
 

Die Herrscher im Handel mit illegalen Substanzen waren nicht gestorben, ohne ein Erbe zu hinterlassen. Er war kein Held im Schlösser knacken und Schätze aufspüren, aber er wusste, dass irgendwo noch eine Menge sein musste- von Geld, das normalerweise das Geschäft am Laufen hielt. Irgendwo in den Häusern und Verstecken die noch nicht alle ganz zerstört waren, gab es sicher noch Stoff, den er nicht gefunden und vernichtet hatte-... und genau so musste es auch Kisten voller Scheine geben. Verwaiste Schließfächer. Geheime Verstecke.
 

Auch wenn ihm Leichenfleddern und Diebstahl zuwider war-... irgendetwas brauchte er. Jetzt, wo er doch nicht tot war. Almosen annehmen kam nicht in Frage und bevor er anschaffen ging fror die Hölle zu, also-... wohl oder übel musste er den statistischen Wahrscheinlichkeiten über Gewaltverbrecher genüge tun und zu dem ein oder anderen Tatort zurückkehren...
 

Er hoffte nur, dass ihm noch keiner zuvorgekommen war. Ob es sich schon herumgesprochen hatte, dass die alte Schlange und seine Handlanger keine Geschäfte mehr machten?
 

Auf seinem Weg durch verwahrloste Straßen lag plötzlich etwas in Signalrot auf dem Boden vor ihm. Er blieb stehen um es aufzuheben.

Es war ein Gutschein für ein Fitnesscenter.
 

~

Alte Bekannte (Naruto, Shikamaru, Iruka)

~
 

„Sehr anständig von dir, Naruto, dass du immer noch hier vorbei schaust“, Iruka nahm die Tüte voller Donuts in Empfang, „Und danke nochmal für deinen Beitrag zur Kaffeepause“
 

„Oh bitte, bitte!“, Naruto kratzte sich grinsend am Hinterkopf, „Ich weiß eben was gut schmeckt! Und der Bäcker hier um die Ecke hat doch nur pappige Brötchen“
 

Das Konoha Heim für Kinder und Jugendliche hatte den Ruf, sich um besondere Härtefälle zu kümmern. Der weiße Lattenzaun war trotzdem nicht viel höher als einen Meter, so dass Iruka sich bequem mit den Unterarmen darauf lehnen konnte.

Es war keine moderne Einrichtung- das Gebäude war schier unglaublich klein für gut fünfzig junge Bewohner und von der Fassade bröckelte Farbe. Der Rasen war hügelig und zerzaust von Maulwurfshügeln und Moosflecken. Naruto wusste besser als jeder andere, was für eine frustrierende Arbeit es war, ihn zu mähen- es war Iruka-senseis beliebteste Aufgabe für ihn gewesen, um die Energie zu zügeln, die er sonst gern in gefährlichen Blödsinn gesteckt hatte.
 

Das Gartenhäuschen, das Naruto früher in einem Anfall von Zerstörungswut zerlegt und nach einer heftigen Standpauke und reichlich Auszeit im Einzelzimmer wieder brandneu aufgebaut hatte, war jetzt über und über bemalt mit quietschbunten Monstern und wildem Graffitti. Irgendwo vom Streetballplatz hinter dem Wohnhaus klang ausgelassenes Geschrei.
 

„Ah“, seufzte Naruto wehmütig, „Immer wenn ich hier herkomme, will ich fast wieder hier einziehen. Da kriegt man richtig Heimweh...“

Iruka lachte.

„Wenn es dir nichts ausmacht im Gartenhäuschen zu wohnen, jederzeit! Wir haben nur mal wieder großen Platzmangel....“

„Wo ist Kakashi?“

„Hat wieder mal verpennt, schätze ich... Und, ich hoffe du passt gut auf unseren Naruto auf, Shikamaru?“

Seufzend kratzte sich der Nara am Hinterkopf und warf einen Blick auf seinen Kollegen.
 

„Tja, ist zwar stressig, aber... wir sind inzwischen ein eingespieltes Team, würd ich sagen“

Iruka schüttelte leicht den Kopf. „Ich werd´s nie verstehen, warum du nicht ordentlich Medizin studierst...“
 

„Komm schon, Iruka-sensei!“, warf Naruto ein, „Wenn er Medizin studieren würde, wär er nicht mehr hier! Und ohne ihn wär ich echt ganz schön aufgeschmissen“
 

„Meine Mutter nervt auch schon andauernd", Shikamaru lehnte sich mit dem Rücken an den geparkten Rettungswagen, "aber studieren ist einfach viel zu anstrengend!“

Er fuhr damit fort, aus seinem Päckchen Tabak ein Paar Zigaretten zu drehen.
 

„Übrigens...“, meinte Iruka mit besorgtem Blick, „Habt ihr heute morgen schon Nachrichten gehört?“

„Hmm... irgendwas mit dem Kartell wieder, stimmts?“, Naruto zog unbehaglich eine Schulter nach oben, „Das will man gar nicht mehr so genau hören, ehrlich gesagt...“

„Das müsste jetzt um die Zeit wieder kommen“, Iruka gestikulierte zu Shikamaru und in Richtung der Fahrerkabine. „Mach mal das Radio lauter“
 

Der Nara gehorchte.
 

„... bis auf weiteres unbekannt“, knarzte die Stimme aus dem Lautsprecher.
 

„Bisher konnten durch Polizei und Gerichtsmedizin bereits dreißig Leichen identifiziert werden. Bei einem Großteil der Toten handelt es sich um führende Köpfe der örtlichen Drogenmafia, die ihrerseits aller Vermutung nach für etliche Straftaten, darunter auch Morde und Hinrichtungen sowie Menschenhandel, verantwortlich sind. Als Hintergrund der Taten wird eine Eskalation des Streits verschiedener Splittergruppen um die Gebietsherrschaft angenommen. Das Wetter-...“
 

Shikamaru drehte die Lautstärke leiser, schüttelte schnaubend den Kopf.

„Blödsinn“, murmelte er.
 

Naruto richtete seine großen blauen Augen auf ihn.

„Wie meinst du das?“
 

Der Nara warf die neu gerollten Zigaretten zurück in die Packung Tabak und sog genüsslich an der, die er sich schon angesteckt hatte.
 

„Morde durch die Drogenmafia sind normalerweise brutal und abschreckend. Wenn sich jemand Respekt verschaffen will, um die Gebietsherrschaft an sich zu reißen, statuiert er ein Exempel... er läuft nicht rum und ballert einfach wahllos alles zusammen.“
 

Iruka runzelte die Stirn.

„Was soll denn da sonst passiert sein?“
 

Shikamaru schnalzte mit der Zunge, neigte den Kopf etwas und zog wieder an seiner Zigarette.

„Mh, keine Ahnung... irgendeine Art von Rachefeldzug... Selbstjustiz... Vielleicht sogar heimlich von der Polizei selbst gedeckt?“

„Das hat ja wohl mit Recht und Ordnung wenig zu tun oder?“, meinte Naruto.

Shikamaru zuckte eine Schulter.

„Wie man´s nimmt. Was mir größere Sorgen macht ist, dass die Rechnung nicht aufgehen wird. Du kannst das Drogenproblem in einer Stadt nicht lösen, indem du einfach alle Dealer umbringst. Wer profitiert denn am meisten von so einer Aktion, wenn ein paar große Fische quasi aus dem Teich rausgezogen sind?“
 

Ratlos schüttelte Naruto den Kopf.
 

Shikamaru ließ Rauch zwischen den Lippen hindurch ausströmen.

„Der nächst größere Fisch“, knurrte er und schnippte seinen Zigarettenstummel in hohem Bogen zu Boden, „Das hier ist gesäubertes Jagdrevier ohne Konkurrenz... ist nur eine Frage der Zeit, bis die falschen Leute das mitbekommen. Und wenn das passiert, haben wir womöglich erst Recht ein Problem.“
 

~

Blutopfer

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Sonderbehandlung

~
 

Ein Ausflug in alte Arbeitsbereiche hatte Sasuke mit genug Bargeld ausgestattet um sich einen Kleinwagen zu kaufen. Alle Vorräte an Stoff waren dort aber schon vernichtet gewesen. Eine plötzliche, unkontrollierbare Gier hatte ihn dazu getrieben, alles danach zu durchwühlen obwohl er wusste, dass es aussichtslos war.

Nichts.
 

Und obwohl er versuchte sich einzureden, dass er locker darauf verzichten konnte sich mit Giftpulver zu pushen, war das Monster in ihm entschieden anderer Meinung.
 

Der Konflikt machte ihn zittrig und rastlos. Ein Zustand der ihm nicht passte. Zähneknirschend erinnerte er sich an den roten Gutschein in seiner Jackentasche. Bevor er bei Gaara und co. auftauchen konnte um seine Schulden zu begleichen- und hoffentlich kein Wort über Naruto und den gestrigen, schiefgelaufenen Abend zu verlieren- würde er eine Runde Laufen gehen.

Das würde ihm guttun.

Erschöpfung tat ihm immer gut.
 

Mit der Wegbeschreibung auf der Rückseite fand er den Laden auch schnell.

„Be Gai“ war ein neues Studio im Gewerbegebiet. Es befand sich im ersten Stock über einem Parkhaus, war zweckmäßig flach und rechtwinklig, mit viel Glas und Metall- irritierend war nur das Poster mit dem seltsamen Typen im grünen Strampelanzug neben dem Eingang, der seinen Nice-Guy-Daumen strahlend in die Höhe reckte. Die weißen Zähne glänzten unglaublich und die Frisur-... überhaupt, die ganze Erscheinung, hatte enorme Ähnlichkeit mit Lee. Wahrscheinlich der Eigentümer. Oder einer der Personal Trainer, die hier arbeiteten.
 

An der Kasse fiel der verdächtige Hinweis auf, dass junge Männer, bei denen die „Kraft der Jugend“ besonders groß war- von achtzehnten bis einundzwanzig- nur die Hälfte zahlen mussten. Die studioeigene Sauna war im Preis inbegriffen, aber erst ab achtzehn zugänglich.

Insgesamt gab es einen offensichtlichen Mangel an weiblicher Kundschaft, Sasuke entdeckte keine einzige Frau- dafür viele gutaussehende, durchtrainierte Männer, die alle keinen Wert auf zu viel Kleidung zu legen schienen...
 

Die gesammelten Tatsachen bedenkend kam er zu dem Schluss, dass dieser Ort wie für ihn geschaffen war.

Wenn er irgendwo entspannt ein paar Stresshormone abbauen konnte, dann hier.
 

Also steuerte er als erstes die Dusche an.

Nach zehn Minuten unter fließendem, heißem Wasser fühlte er sich langsam wieder wie ein Mensch. Einen Satz Trainingskleidung in diskretem Dunkelblau gab es zum Glück an der Kasse, genauso wie Müsliriegel und isotonische Kaltgetränke. Er deckte sich mit dem Nötigsten ein und sah sich den Trainingsraum näher an.
 

Es war schon länger her, seit er das letzte Mal diese Art von Konservensport betrieben hatte, aber es war nicht so abstoßend wie erwartet.

Das rhythmische Klacken und Zischen, die Kombination aus schwarzen Polstern und glänzendem Metall, der Duft nach frischem Schweiß und Pheromonen, Gesichter zwischen Qual und Extase, das alles fühlte sich seltsam vertraut an. Und irgendwie... beruhigend.
 

All die Riemen aus Klettverschluss, Gewichte, Beinstützen... Seile, Ketten und Karabiner... Sasuke genoss die Tatsache, dass er allein war und dass es keine aufdringliche Musikbeschallung gab.

Nicht im Moment, zumindest.
 

Er dehnte kurz seine Rückenmuskeln, trat an ein freies Laufband, warf seine Trinkflasche in die Halterung, stellte ein zügiges Tempo ein und trabte los.
 

Schon nach kurzer Zeit waren seine Muskeln angenehm warm. Sein Atem kam in einen gleichmäßigen Rhythmus, genau wie der Rest seines Körpers. Das rastlose Gefühl im Kopf wurde schwächer, der Druck ließ nach. Er schloss dankbar die Augen, ließ den Kopf leicht in den Nacken fallen, atmete tief durch.

Langsam, wenigstens für diesen kurzen, zeitlosen Augenblick in dem er das Gefühl hatte, in dem Rhythmus einfach ewig weiterlaufen zu können, ging es ihm besser.

Es war ein angenehmes Gefühl von Zeitlosigkeit und... Gleichgewicht in seinem Kopf.
 

Wie da, als er sich tief in Kibas Bett gegraben hatte um einfach zu schlafen.

Oder wie gestern, als dieser Lederriemen-...

Prompt kam er aus dem Takt, stolperte und sprang gerade noch rechtzeitig ab.
 

Keuchend stand er neben dem surrenden Laufband und starrte es an, als sei es ganz allein schuld an seiner ganzen Misere...
 

Er hatte die Kontrolle verloren, schon wieder.

Und was noch schlimmer war, Naruto hatte ihn zu keinem Zeitpunkt irgendwie bedroht oder beleidigt. Er war, egal wie man es betrachtete, kein bisschen grob oder drängend gewesen, sondern im Gegenteil... behutsam und sehr, sehr rücksichtsvoll. Was kein bisschen Sinn ergab, wenn man bedachte, dass er vorgehabt hatte, ihn in SadoMaso- Spielchen einzuweihen.
 

Eigentlich war der blonde Idiot doch selbst schuld an den Blessuren, die er sicher wieder davon getragen hatte. Genau! Warum hatte er ihn nicht einfach ordentlich festgebunden?
 

Mit düsterem Blick schnappte Sasuke seine Trinkflasche aus der Vorrichtung, nahm ein paar gierige, zornige Schlucke und wischte sich den Mund mit dem Unterarm, bevor er zur nächsten Maschine hinüberging, Platz nahm und nach der Querstange griff um seine Schultermuskeln zu stärken.
 

Keine Verbindung, hatte er gesagt... Pah! Behauptete ausgerechnet der, der jahrelang der Welt das Gegenteil verkündet hatte.

Er, Sasuke, war freiwillig mit in diese Folterkammer gegangen, freiwillig auf das verfluchte Podest gestiegen-... was für einen größeren Beweis für Verbindung gab es denn?!
 

„Kämpf nur noch gegen mich“, hatte er gesagt- ja, klar. Was dabei herauskam hatte man ja gesehen.
 

Verbissen zog Sasuke die Stange herunter, stellte mehr Gewicht ein, ließ seine Bewegungen heftiger werden, suchte die Schmerzgrenze.

Dieser Idiot Naruto hätte ihn festbinden – müssen -!
 

So funktionierte das bei SM, oder nicht?! Man band den Anderen fest, bis er sich nicht mehr rühren und vor allem nicht unkontrolliert schlagen oder treten konnte! Und dann quälte man ihn! Sonst ließ das doch kein Mensch freiwillig mit sich machen! Selbst Kibas Freundin hatten sie festgebunden-
 

Warum bekam ausgerechnet er beim ersten Mal unfaire Handycaps?!
 

Er riss die Stange so heftig hinunter, dass das Gewicht am oberen Ende der Schiene mit hässlichem Klacken anschlug. Sein Blick war wild und stechend auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, drang durch alles hindurch, zu etwas das nur er allein sehen konnte. Schweißtropfen rannen kitzelnd seine Schläfen, sein Kinn hinunter. Er ignorierte sie. Die Zähne gefletscht, die Muskeln ziehend und pochend trieb er sich bis ans Limit und darüber hinaus. So war er... Niemand hatte einen Porsche um damit im ersten Gang zu fahren- ein Körper wie seiner-... ein Kopf wie seiner brauchte Vollgas, Drifting und Vollgas, für etwas anderes war er nicht gemacht.
 

Erst als ihm wirklich so heiß war, dass er das Oberteil ausziehen musste, als seine Armmuskeln bei jeder Bewegung zitterten, hielt er inne. Er fuhr sich mit dem Handtuch übers Gesicht...
 

… und als er aufsah, bemerkte er ihn.
 

Jemanden, der ihn mit großen, braunen Augen von der anderen Seite des Raums her beobachtete. Es war kein großer Mann. Sicher einen guten Kopf kleiner als er, zierlich und mit weichen Gesichtszügen. Das kurze, zerzauste Haar hatte eine interessante Farbe: dunkles, rötliches Braun, wie geronnenes Blut... noch interessanter waren die langen Beine in der hautengen Trainingshose.

Und dieser... schier unglaublich runde, durchtrainiert kleine Hintern.
 

Sasuke blinzelte irritiert.

Er war sich sicher, dass er so ein erstaunliches Exemplar von Hintern noch nie gesehen hatte. Zwar konnte er nicht behaupten, dass er bisher so viel Zeit damit verbracht hatte, Rückseiten zu vergleichen. Sein Interesse in der Hinsicht war durch andere... wichtigere Aufgaben viel zu sehr abgelenkt gewesen. Aber das?
 

Die Lider seiner Augen sanken herunter, sein Blick wurde schmal. Das war wie ein verführerisches Steak für jemanden, der die letzten paar Jahre versucht hatte, nur von Salat zu leben. Es triggerte sehr simple Körperreaktionen. Das hier hatte nichts mit großen Emotionen zu tun, das war-... Sasuke schluckte etwas von all dem Speichel der sich plötzlich auf seiner Zunge sammelte-... einfach Instinkt.
 

Der Fremde senkte den Blick, neigte verspielt den Kopf und hob die Schultern um zögernd aber zielstrebig herüber zu schlendern.
 

„Hey“, sagte er mit heller Stimme als er nahe genug heran war und lehnte sich mit einem Arm auf die Maschine.
 

~
 


 

[Wer sich fragt, wer um Himmels Willen der neue Charakter sein soll- kein OC, sondern das angekündigte Crossover- nicht dramatisch, es geht nur um zwei Leute~ Link zum Beispiel-AMV nach dem nächsten Kapitel]

Monsterjäger

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Freiwild (Hidan, Sakura)

~
 

Mit hässlichem Schleifen schlug eine blutrote Sense Funken auf dunklem Asphalt. Das Geräusch hallte stille Straßen hinunter.

Keiner der Anwohner wagte einen Blick hinaus. Die Fenster und Vorhänge blieben dicht geschlossen. Keine Tür öffnete sich, wenn schmale Fäuste dagegen trommelten.
 

Der Tritt schwerer Stiefel, das Rasseln der Kette an dem wuchtigen Mordinstrument hatte etwas Endgültiges. Wie das Ablaufen eines Countdowns. Wieviel Zeit noch blieb war nicht zu ahnen- vielleicht zehn Minuten, vielleicht nur noch sechzig Sekunden bis das Schicksal zuschlug.
 

Die junge Frau- sie war fast noch ein Mädchen- beschleunigte keuchend ihren Schritt. Immer wieder sah sie sich über die Schulter hinweg um. Es war dunkel inzwischen, nicht alle Straßenlaternen funktionierten in diesem Viertel, und diejenigen die es taten spuckten fahle Pfützen Licht vor sich hin, die weder hilfreich noch tröstlich waren.
 

Weiße Absatzschuhe klackerten in hastigem Tempo. Schon wieder knickte sie auf der unebenen Straße um, rappelte sich auf, klammerte die Finger um ihre Handtasche und lief weiter. Sie versuchte, von der Straße herunter zu kommen. Irgendein Hauseingang, irgendein Versteck in das sie sich hinein ducken konnte, in dem sie vielleicht sicher war-... wieder das spitze, kreischende Schleifen von Metall, das sie zum entsetzten Aufschrei brachte. Als sie sich dieses Mal umdrehte, trat er hinter ihr in die Mitte der Straße, zwischen die Lichtkegel. Er war riesig. Ein Schrank von einem Mann, die Sense maß gut zwei Meter. Er nahm sie von einer Hand in die andere und schwang sie nach hinten.
 

Sakura schrie weinend auf. „Geh weg“, schluchzte sie, „Lass mich in Ruhe!“
 

Von Gullideckeln kroch weißer Dampf über den Boden, kräuselte sich um seine schwarzen Stiefel.
 

„Oh Gott“, Sakura schlug noch gegen eine weitere Tür, drückte fieberhaft auf alle Klingelknöpfe, die sie mit ihren zitternden Fingern fand, „Hilfe-... hilf mir doch jemand...!“
 

Die Sense schlug Funken. Ein Schleifen über den Asphalt, ein Messerwetzen fürs Schlachtfest.
 

„Oh Gott, bitte nicht!“, schluchzte sie. Ihr Stolpern nach vorn war halbblind vor Tränen, ihre Beine funktionierten kaum noch, so sehr zitterte sie.
 

„Nein!“, in einem letzten Spurt warf sie sich blind nach vorn, zur nächsten Tür, „Tu mir nichts! Tu mir nichts!“ Eine Klinke gab nach. Sie fiel durch den Eingang ins Innere eines Hauses. Eine mechanische Glocke kündigte mit weichem Gong Kundschaft an. Auf allen vieren kroch sie hastig vorwärts bis sie eine senkrechte Holzplatte spürte, kauerte sich dort zu einem kleinen Bündel Angst zusammen, kniff die Augen zu und schluchzte, zitterte einfach nur.
 

Es geschah nichts mehr.

Niemand kam ihr nach. Die Glocke blieb stumm.
 

Es zersplitterte kein Glas, keine Sense sirrte durch die Luft. Stattdessen war es angenehm warm. Nach ein paar Momenten bemerkte sie gedämpftes, rötliches Licht über schwarzen Regalen und verdunkelten Scheiben. Aus unsichtbaren Lautsprechern klang Smooth Jazz. Und als sie blinzelte, war über ihr das bemerkenswert bleiche Gesicht eines jungen Mannes mit ausdrucksloser Miene und kurzem, schwarzem Haar.
 

Genau wie sie schien er nicht so recht zu wissen, was er sagen sollte. In der einen Hand hielt er ein Buch über Benimmregeln und anstatt sie anzusprechen blätterte er eine Seite um, las etwas nach, wandte sich erst danach wieder ihr zu und räusperte sich.
 

„Suchen sie etwas Bestimmtes?“, fragte er in besonders höflichem Ton.
 

~

Sai (Sai, Sakura)

~
 

Langsam ließ Sakura die Arme sinken, mit denen sie versucht hatte ihren Kopf zu schützen. Sie sah sich um.
 

Genau wie die Regale waren auch die Wände des kleinen Ladens schwarz.

Von der Decke hingen dunkle Tücher in weichen Schwüngen herab wie ein Baldachin. Vor dem Hintergrund wirkten die quietschbunten Gegenstände, die hier ausgestellt waren, umso leuchtender.
 

Entlang der Regalreihen waren die Fächer voll von den verschiedensten, sonderbaren Gebilden. Die meisten waren länglich und schmal- es gab schmucklose, glatte Plastikzylinder in glänzendem Himbeerrot, es gab hellblaue Delfine mit silbernem Schimmer, Zwerge mit leicht gebogener Zipfelmütze, halb transparente Schmetterlinge an Klettverschlussbändern, Raupen, glitzernde Blümchen, aufgefächerte Federbüschel an schmalen Stäben, dicke Perlen an in Kunststoff getauchten Schnüren, glänzende Kugeln und Ringe, massive Zapfen aus Metall mit breiter Basis und mit Schmucksteinen aus geschliffenem Glas...

Hinter Sakura befand sich die Verkaufstheke- ebenfalls schwarz- und neben ihr stand dieser seltsame junge Mann und lächelte.
 

Es war ein eigenartiges Lächeln das irgendwie leblos wirkte, maskenhaft und einstudiert. Und er trug eine schwarze Schuluniform mit goldenen Knöpfen die wirkte wie eine Verkleidung.
 

Sakura brauchte einen Moment um all die Eindrücke einzuordnen.

Erst als sie hinter sich über die Verkaufstheke spähte, entdeckte sie die aufblasbare Puppe an der hinteren Wand, die mit grotesk runder, grellroter Mundöffnung und stumpfartigen Armen dort hing wie eine Trophäe.

Das, und die durchsichtigen Unterkörper von zwei Schaufensterpuppen rechts und links, mit beachtlichen Dildos, die von Lederschnallen fixiert in die Luft ragten... spätestens ab diesem Moment gab es keinen Platz mehr für Zweifel.
 

Es war ein Sexshop.
 

Augenblicklich schlang sie die Arme um ihr Dekolleté, presste die Beine zusammen und starrte verängstigt zu dem jungen Mann vor ihr, der einen kritischen Blick in sein Buch warf, sich noch einmal gründlich räusperte und sein Lächeln mit einer kleinen Verbeugung unterstrich.
 

„Willkommen!“, verkündete er.
 

Sakura rutschte ein Stück von ihm weg. An seiner Kleidung entdeckte sie ein Namensschild mit Aufschrift.

„... Sai...“, las sie flüsternd.
 

„Das ist mein Name!", bestätigte er, "Und sie sind-...?“
 

„... Sakura“
 

„Sakura-chan!“, sichtlich zufrieden endlich eine verwertbare Reaktion bekommen zu haben richtete er sich auf und präsentierte mit einer kleinen, eleganten Handbewegung das Angebot rundherum,

„Willkommen in diesem wunderbaren Geschäft der Liebe!“
 

„...L-... Liebe?"
 

„Wir unterstützen hier sämtliche Arten von Liebe! Egal ob homo, hetero, bi-, trans-, metro-, a- oder pansexuell... Gratis- Kondom?“
 

Er hielt ihr ein kleines, grün-schwarzes Päckchen unter die Nase, aber sie zog ein angewidertes Gesicht und er steckte es nach kurzem Zögern wieder in seine Hosentasche.
 

„Jedenfalls, was immer sie suchen, hier sind sie richtig.", begann er seinen Verkaufsmonolog herunterzurattern, "Wir führen die neuesten Designer- Toys, und eine breite Palette an Klassikern: Dildos, Vibratoren, Strapons, Kugeln, Plugs, Lotions, Schmuck, Zubehör... natürlich auch besondere Sparten wie Elektrosex, Leder und Fetisch, Bondage mit Seil, Tape, Straps, Ketten oder Metallstangen-... ähm, Maschinen... besonderes Mobiliar-... für spezielle Teile müsste man vorbestellen, aber...“, er richtete sich zu voller Größe auf und machte einen durchaus selbstzufriedenen Eindruck:

„Ich habe alles, ich kann alles besorgen. Seien sie nicht zu schüchtern zu fragen...

Gratis- Gleitcreme- Probe?“
 

Noch ein Päckchen tauchte vor Sakuras Nase auf, sie schob es mit der Hand beiseite und wandte entschieden den Kopf ab.

„Da... war ein Mann“, flüsterte sie und wischte sich Schminkflecken aus dem Gesicht, „So ein... unheimlicher Typ mit einer Sense... hier ist sonst niemand rein gekommen, oder?“
 

Der junge Mann sah sie lange an und schüttelte dann den Kopf.

„Niemand“, informierte er hilfsbereit, „Keine Angst... Ein Cousin von mir hatte dasselbe, und seit er die richtigen Medikamente bekommt-... keine Spur mehr vom Sensenmann!“
 

Sakura warf einen ängstlichen Blick zur Eingangstür.

„Ich...“, begann sie, „Vielleicht... wartet er noch da draußen...“
 

Sai legte seinen Kopf schief. Er zögerte.

„Können sie ihn denn genauer beschreiben?“
 

„Er... er hatte dunkle Kleidung... und... Springerstiefel...“, das Zittern lief in kleinen Wellen über ihren Körper als sie vorsichtig versuchte, sich aufzurichten und sich dabei an der Verkaufstheke abstützte, „...seine Haare sind nach hinten gekämmt und grau... er hat eine riesige Sense, und-... diese... Augen...!“, sie schauderte bei der Erinnerung, „Man sieht ihm an wie irre er ist!“
 

„Mmmh... sicher, dass es keine Einbildung war?“, Sai glitt hinter den Schreibtisch und zog dort einen Stapel an Zeichenblättern und Stiften hervor. „Vielleicht ist er hier aus der Gegend... mal sehen... hier sind alle Leute die heute hier waren, und ein paar die draußen vorbei gelaufen sind. Wenn dir einer bekannt vorkommt, hätten wir ein Phantombild und könnten die Polizei anrufen, würde das weiterhelfen?“

Ohne es zu bemerken war er in seiner Ansprache vom Sie zum du übergewechselt und seine Besucherin schien es nicht zu stören.
 

Sakura beugte sich näher.

Unter den obersten, noch unberührten Blättern war eine Flut von Skizzen, eine Sammlung von unterschiedlichsten Charakteren, mit schnellen, sicheren Strichen dargestellt- jeder mit seinen eigenen, ganz besonderen Merkmalen und jeder-...
 

„Warum sind die denn alle nackt?!“, leicht angewidert drehte sie die Zettel in ihre Richtung.

„Du zeichnest deine Kunden ohne Kleidung?!“
 

Sai hob die Schultern.

„Ich zeichne alle Menschen ohne Kleidung“, erklärte er. „Das ist viel interessanter.“
 

Sie rümpfte die Nase.

„Das ist ekelhaft!“
 

„Ist es nicht“, sein Lächeln wurde warm und ehrlich, als er auf seinem Hocker Platz nahm und die Arme auf dem Tisch verschränkte, „Es ist Kunst. Das, und es ist Übung für mein Debüt als Zeichner für erotische Comics- Leider wollte noch kein Verleger meine Entwürfe haben- aber besonders mag ich die Penisse.“
 

Obwohl sie immer noch verkrampft die Schultern hochgezogen hielt, musste sie darüber lächeln.

„Penisse sind total hässlich“, stellte sie fest.
 

„Findest du?“, er sah sie an, „Ich finde es faszinierend, dass sie so verschieden sind... Und damit meine ich nicht nur die Größe, es gibt beschnittene und unbeschnittene... dicke und dünne, krumme und gerade, ich hab mal einen gesehen der war gedreht wie ein Korkenzieher. Manche sind rasiert, manche nicht... manche haben viel Vorhaut und sind voller Runzeln, manche sehen sogar schlapp ganz glatt aus-...“
 

„Hör auf!“, forderte Sakura, „Du bist eklig. Und pervers. Was vielleicht kein Wunder ist, wenn du in einem Sex- Laden arbeitest, aber so redet man nicht vor Mädchen, okay?“
 

Nachgiebig nickte er, hielt den Mund und wartete geduldig auf das Urteil ihrer Inspektion.

„Nein...“, murmelte sie schließlich und schob die Zettel zusammen, „Nein... von denen sieht niemand so aus wie der... er war ganz anders“
 

Lauernde Angst kroch aus den Schatten des dunklen Ladens und ließ düstere Stimmung zwischen die Beiden sinken.

„Tja... dann“, begann Sai, um seine Kundin ein wenig aufzumuntern, „Warum bleibst du dann nicht einfach noch ein bisschen hier und siehst dich um?“
 

„Ja...“, flüsterte sie, "Na gut... Danke..."
 

~

Die dunkle Seite (Sai, Sakura)

~
 

Eine Weile lang war sie gut damit beschäftigt, all die glitzernden, bunten Dinge in den vorderen Regalreihen zu betrachten. Einige waren so seltsam geformt, dass sie sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie man sie benutzen sollte. Während sie sich im Laden umsah, ihre Finger über weiche Federn und Spitzenunterwäsche gleiten ließ, saß Sai am Verkaufstisch und zeichnete.

Die Musik im Hintergrund war ruhig und angenehm unaufdringlich. Sie spürte wie nach und nach die Beklemmung ein wenig nachließ.
 

Wenn sie doch nur noch Narutos Handynummer gehabt hätte! Jetzt gerade, in dem Moment, hätte sie wirklich gern seine Stimme gehört. Erst recht nach dem verstörenden Treffen mit Sasuke. Egal wie nervtötend und laut er sonst sein konnte, er war auch freundlich und stark... und so wunderbar sanft. Wenn er jetzt seinen Arm um sie legen und ihr sagen würde: Keine Angst Sakura-chan, ich beschütze dich-... dann würde es ihr sehr schwer fallen, sich nicht an seinen Brustkorb zu drücken und das Gesicht irgendwo in seinem Shirt zu verstecken. Nur aufgrund der außergewöhnlichen Umstände...
 

Ihr Blick fiel auf den voll konzentrierten Sai.

„Zeichnest du etwa mich?“, wollte sie misstrauisch wissen.
 

„Hmm“, gab er zurück.
 

„Nackt?“, langsam ging sie eine Regalreihe weiter.
 

Er antwortete nicht und lächelte nur.

„Perversling“, bemerkte sie, „Wenn ich irgendwann ein Comic finde, in dem irgendwelche versauten Zeichnungen von mir sind, verklag ich dich!“
 

„Keine Sorge“, Sai wischte mit raschen Bewegungen ein paar Radierspuren vom Blatt, „Versaute Comics von dir will garantiert kein Mensch lesen.“

„Oh... Hey!“
 

Endlich ging es ihr etwas besser. Beinahe hatte sie den Schrecken von vorhin schon abgeschüttelt, als sie um noch eine Regalreihe bog. Was sich dort vor ihren Augen erstreckte, ließ sie wie angewurzelt stehen bleiben.

Und je mehr sie entdeckte, desto deutlicher spürte sie auch eine gewisse, flaue Übelkeit.
 

Masken. Schwarzes Leder. Knebel. Peitschen und Riemen. Riesige Dildos. Groteske Teile von Verkleidung, die an Hundeschnauzen, Henker oder Wesen aus einer anderen Welt erinnerten. Von der Decke baumelte etwas, das aussah wie ein Leichensack. Schwarzes Material- wahrscheinlich Gummi- in Menschenform, das mit breiten Bändern in der Schwebe gehalten wurde. Einen halben Meter daneben hing ein netzähnliches Ding mit breiten Riemen und Platten, dessen vier Ecken mit silbernen Ketten an einem Haken befestigt waren-...
 

Eine Glasvitrine stellte auf drei Etagen silberne Instrumente zur Schau-... Zangen, Skalpelle, Kanülen und komplizierte medizinische Geräte-... ein Rad aus lauter scharfen Spitzen an einem Haltegriff-... Metallstifte in unterschiedlichen Längen und Größen, große Haken mit dicken Kugeln am normalerweise spitzen Ende.
 

Sie riss ihren Blick davon los, entdeckte Fesseln. Ketten. Halsbänder. Nachgebildete Körperteile, gegossen aus Wachs oder Plastik; aber nicht nur die allgegenwärtigen Penisse, ganze Hände und Füße, ganze Unterarme-... Und in einer fernen Ecke etwas besonders abscheuliches: ein Kopf-... eine Art Büste von einer Figur, deren bläuliche Haut wie ein Nadelkissen mit silbern schimmernden Nägeln gespickt war, auf beinahe jedem Zentimeter, als hätte ein verrückter Professor die Haut genau unterteilt, grausam methodisch und akkurat. Die Symetrie hätte beinahe schön sein können, wäre es nicht so abscheulich gewesen. Ganz besonders dieses Ding weckte in ihr ein Gefühl, als würde ihr Magen von einem bodenlosen Abgrund an Abartigkeit angezogen, ein Sog der sie taumeln ließ.
 

„Was... ist das?“, hauchte sie.
 

„Oh“, Sai sah kurz auf und nickte, „Pinhead... Figur aus einem klassischen Horrorfilm. Steht für Erkenntnis durch Schmerz. Mein Vorgänger fand, es wäre ein passendes Maskottchen für die S/M- Ecke. Inzwischen muss ich sagen, wirkt das nicht mehr ganz zeitgemäß. SSC und so weiter, die Szene hat sich weiterentwickelt. Aber es gibt immer noch einige, die den sehr... archaischen Ansatz für das einzig wahre halten. Naja, menschliches Sexualverhalten... ein faszinierendes Phänomen...“
 

Sakura wollte sich losreißen. Sie wollte nicht länger all diese Dinge sehen, aber es war wie ein Sog, ohne weiteres die Augen schließen konnte sie auch nicht. Endlich schaffte sie es, sich abzuwenden, ihr Herz pochte wieder heftiger, sie atmete mühsam durch.
 

„Und, was gefunden?“, wollte Sai arglos wissen, „Für deinen Freund vielleicht?“
 

Großer Gott-... Sasuke.

In diesem Augenblick fiel ihr die Szene von ein paar Stunden früher wieder ein, als er seine Hand auf ihr Gesicht gedrückt hatte und sie ein paar entsetzliche Momente lang das Gefühl gehabt hatte, sterben zu müssen.
 

Ob er... auf solche Sachen stand?
 

Zögernd sah sie sich noch einmal über die Schulter hinweg um.

Vielleicht reagierte er deshalb so genervt auf normale Annäherungsversuche.

Wenn sie zurück dachte, wurde ihr mit Schrecken klar, dass er tatsächlich immer nur dann freiwillig jemandem nahe gekommen war, wenn er gleichzeitig grausam sein konnte...
 

Nur wenn sein Gegenüber ganz starr war vor Angst, bekam er diese zärtliche Bettstimme...
 

Das hatte ja gerade noch gefehlt. Sasuke stand auf S&M?
 

Vor ein paar Stunden hatte sie ihm noch beteuert, sie könnte alles sein was er brauchte. Aber konnte sie das auch?

Sie bezweifelte es.
 

Dass er irgendwann in einem Rausch von Macht und Wahnsinn die Kontrolle verlor und einfach nicht mehr aufhörte, ihr die Luft abzudrücken, war zu wahrscheinlich. Sie liebte ihn-... sie war ihm hoffnungslos verfallen. Aber selbst sie hatte genug Instinkt um ihm nicht zu vertrauen.

Er hatte schon früher versucht sie zu töten.
 

„Das-... ist doch krank... das ist lebensgefährlich!“

Unbestimmt gestikulierte sie in die Ecke aus der sie gerade gekommen war.
 

Sai legte den Kopf schief und sah sie lange an.

„Hängt davon ab, mit wem man es tut“, sagte er.
 

Sie schwieg.

Einen kurzen Moment lang kam ihr der schwindelerregende Gedanke, dass sie vielleicht doch in eine Falle gelaufen war.
 

Vielleicht war der unheimliche Sensenmann mit Absicht nicht durch die Eingangstür nachgekommen. Vielleicht war es ein Verbündeter von diesem merkwürdigen, perversen Verkäufer. Sie warteten auf den richtigen Moment, und wenn sie sich weit genug in diese dunklen Ecken hinein wagte, würde der riesige Mörder plötzlich hinter ihr stehen und sie packen und dann-... würde sie mit den Handgelenken an Heizungsrohren aufgehängt und im Hinterzimmer zu Tode gefoltert werden, mit all diesen schrecklichen Dingen, die sie zur Tarnung hier vorn im Laden verkauften...

Vielleicht stellten sie das Video davon dann ins Internet, zahlten reiche Psychopathen nicht viel Geld für so etwas? Hatte sie das nicht mal im Fernsehen gesehen?
 

Eine Welle von Panik stieg in ihr hoch, sie atmete tief durch und versuchte vernünftig zu bleiben. Irgendwie war die Idee doch unlogisch-... wenn der Verkäufer sie angreifen wollte, hätte er es schon längst getan, oder? Sie kam wieder näher zum Verkaufstresen.
 

„Du... wirst mir doch nichts tun, oder?“, flüsterte sie und schob ihre Finger unsicher über die Tischplatte, „Bitte tu mir nichts... es geht mir so schon scheiße genug“
 

Sais Augen hoben sich.
 

„Falls es dich beruhigt-...“, bemerkte er sachlich, „Nicht jedes männliche Wesen das einen Blick auf dich wirft, will dich sofort vergewaltigen. Und ich bin da keine Ausnahme“
 

Trotz ihrer Lage konnte sie sich ein nervöses Grinsen nicht verkneifen, sie schlug die Augen nieder und kratzte mit dem Daumennagel an der Kante des Verkaufstischs.

„Jetzt weiß ich nicht, ob ich beruhigt oder beleidigt sein soll“, murmelte sie.
 

Sai erwiderte ihr Lächeln, ein wenig verschmitzter als vorher.
 

„Kann ich hier bleiben, bis deine Schicht zuende ist?“, flüsterte sie, „Ich hab solche Angst, dass dieser Kerl draußen irgendwo auf mich wartet... wenn der mich erwischt, wird er mir irgendwas furchtbares antun, das weiß ich... würdest du mich später nach Hause bringen? Wenn es kein zu großer Umweg ist?“
 

Sai zeichnete mit flinken Strichen auf seinem Blatt einen Penis mit kleinen Flügelchen links und rechts, dazu eine Sprechblase.
 

„Klar“, schrieb er mit großen Druckbuchstaben dort hinein.
 

~

Reue

~
 

Sasuke schlich nur ein paar Blocks weiter über stille Straßen zu Kibas WG.

Sein Kopf hing leicht vornüber, sein Schritte hatten nichts mehr von der üblichen Geschmeidigkeit. Insgeheim rechnete er damit, dass der merkwürdige Fremde schon feindliche Truppen mobilisiert hatte, um ihn zur Strecke zu bringen.

Die Kinderheim- Geschichte glaubte er ihm nicht wirklich. Natürlich hatte ihn dort jeder gekannt- sämtliche Mädchen der Einrichtung und ein paar der Jungs- allen voran Naruto, hatten in einer Tour seinen Namen gerufen. Aber er selbst hatte sich nicht sehr für andere interessiert. Deshalb war auch die Geschichte mit den Doktorspielchen Bullshit. Er war zu der Zeit nicht in der Verfassung gewesen, irgendjemanden an sich heran zu lassen.

Aber eigentlich war es doch auch egal...
 

Inzwischen war er sich nicht mehr so sicher, was für einen Unterschied es überhaupt machte, wenn ihn in den nächsten Tagen ein Swat- Team oder ein Meuchelmörder erwischte.
 

Vielleicht war das besser so.

Vielleicht hatte er genau das verdient. Dass mit seinem Kopf nicht mehr alles stimmte, merkte er doch selbst. Der Gedanke, von irgendeinem unbekannten Namenlosen niedergestreckt zu werden wie ein Stück Jagdwild gefiel ihm zwar nicht, aber... es war einfach verdammt erschöpfend auf Dauer, nur noch Feinde zu haben.
 

Womöglich war das ein guter Zeitpunkt um aufzuhören.

Seit der Sache mit Itachi fühlte er sich so... kraftlos...
 

Widerwillig schüttelte er den Kopf um die düsteren Gedanken zu vertreiben. Weg mit Gefühlen. Emotionen hatten noch nie geholfen. Kalt und sachlich bleiben. Sich auf klare, nahe liegende Ziele konzentrieren. Nur so hatte er bisher überlebt und deshalb... deshalb würde er jetzt erst einmal diese Sache mit Narutos Bekannten zum Abschluss bringen...
 

Er hob den Kopf und richtete seinen Blick geradeaus.

Straßenlaternen glommen gegen dunkle Hausfassaden und einen pechschwarzen Himmel. Von jedem einzelnen seiner Schritte war ein Echo zu hören, das sich in der Gasse der hohen Mauern fing. Dort vorn war sein Ziel.

Bei dem gesuchten Haus mit den Läden im Erdgeschoss waren noch einige Fenster hell erleuchtet. In der schäbigen Gegend strahlte es eine bemerkenswert ruhige Präsenz aus.
 

Sasuke hielt kurz inne und ging dann leise an den zur Straße geschobenen Restmülltonnen vorbei, über den Hof zum Eingangsbereich. In seinen schwarzen Augen spiegelte sich das Licht, das aus beleuchteten Fenstern heraus drang. Über den Eingang des Hauses rankte sich eine Kletterpflanze mit großen Blättern, die das Vordach zusätzlich abschirmte. Er ging darunter hindurch.

Bei der Tür zum Hundesalon war alles still und dunkel. Dort war niemand mehr. Aber aus dem Tattoo- Studio drang noch Licht und ein helles, fräsendes Sirren, das an Zahnarzt erinnerte.
 

Sasukes Nackenhaare sträubten sich bei dem Geräusch.

Er war gar nicht amüsiert gewesen, als Kakashi ihm früher nach diesem Unfall bei einem Waldgeländespiel erklärt hatte, dass er sich jetzt gegen Tetanus impfen lassen musste-...

Zahnarztbesuche hatte er meist erfolgreich vermieden.

Ein kurzer Test überzeugte ihn, dass die Holztür zum privaten Treppenhaus und den Wohnungen im ersten Stock nicht verschlossen war. Die Jungs mussten sich wirklich sicher fühlen. Entweder das, oder sie waren einfach nur dumm.
 

Kurz überlegte er, hoch zu gehen und an einer der Türen zu klopfen, um sein Entschädigungsgeld bei Gaara abzuliefern... aber die gemütliche Atmosphäre stieß ihn zurück. So seltsam die Mitglieder der Wohngemeinschaft ihm auch vorkommen mochten, es war klar, dass sie hier ein Zuhause hatten. Eins, in dem sie sich wohl fühlten... und das bisher friedlich und sicher gewesen war. Kiba hatte es mit seiner anfänglichen Drohung schon angedeutet und er selbst hatte auch das Gefühl-...
 

Er war ein Fremdkörper, der nichts Gutes mitbrachte. Seine bloße Anwesenheit war wie Gift. Womöglich hingen ihm schon fremde Killer an den Fersen. Er wusste genau, warum er in seiner Zeit bei Orochimaru keine freundschaftlichen Kontakte hatte brauchen können. In Verbrecherorganisationen wurden Beziehungen immer zuerst attackiert. Es war ein Schwachpunkt. Wem seine Freunde wichtig waren, der hatte keine. Ganz einfach.
 

Kurz hob er den Blick zu der Glastür vor ihm, die zum Tattooladen führte und ließ sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen. Kiba schien von allen am abgeklärtesten. Er schien am Besten klar zu kommen und er war am gestrigen Abend mit dabei gewesen, also-... vielleicht drückte er einfach Kiba ein paar Geldscheine in die Hand und konnte dann wieder verschwinden. Hoffentlich war der nicht wütend auf ihn, weil er Naruto verletzt hatte... schon wieder. Andererseits... moment. Seit wann machte er sich über solche Dinge Gedanken?
 

Vorsichtig schob er die Tür auf und das Ätzen des Summers klang nur schwach gegen das Sirren der elektrischen Nadel. Direkt beim Eingang blieb Sasuke stehen und nahm die Eindrücke in sich auf.
 

Im Raum stand die Tättowierliege, ein gepolstertes Ding wie es in Arztpraxen und Massagestudios gebräuchlich war und darauf lag bäuchlings und mit freiem Oberkörper ein junger Kunde, der sich mit schmerzverzerrter Miene ans Polster klammerte. Kiba stand hinter ihm und war mit dünnen Plastikhandschuhen und Tättowierwerkzeug bei der Arbeit. Seine dunklen Augen schimmerten, er war hoch konzentriert. Unter dem schwarzen Netzshirt konnte man Muskeln spielen sehen. Bei jeder noch so winzigen Bewegungen der großen Hände rollten sie unter der Haut. Man sah ihm an, dass er viel von seiner Zeit draußen verbrachte.
 

Sasuke schluckte hart. Nackte Haut, kleine Blutstropfen aus winzigen, kontrollierten Verletzungen... Schwarze Tinte und ein Zittern und Schaudern das ihm sehr bekannt vorkam-... dieses Gefühl... einerseits schrie der Instinkt dabei nach Kampf oder Flucht, aber irgendwie, unlogischerweise kam etwas dazu-... etwas Neues, Fremdes, das unheimlich war-... eine kitzelnde Sehnsucht, sich bewusst in den Schmerz zu ergeben. Es zu wollen. Ihn einfach machen zu lassen.
 

„Halt still...“, schmeichelte der Inuzuka, als der Kunde zu Wimmern begann, die Finger mehr verkrampfte und den Kopf zur Seite zog, „... Genieß es“

Seine große Hand schob sich mit zärtlicher Bestimmtheit über den Hinterkopf des Kunden. In Sasukes Bauch meldete sich dasselbe Kribbeln wieder, das er bei Naruto gespürt hatte. Ganz kurz war es da und er fragte sich unwillkürlich, ob Kiba auch Hemmungen hatte, Neulinge zu fesseln-
 

Da drang ein finsteres Grollen von unten rechts an sein Ohr. Ein schneller Blick zeigte Akamaru, das gewaltige Biest von Hund, das ihm den Schwinger gegen seine Nase wohl noch übel nahm, oder das vielleicht witterte, dass er nicht mehr so wehrlos war wie noch im Bett seines Herrchens. Das Tier hatte die Zähne gefletscht und sträubte das Nackenfell wie eine Bürste, so dass es noch größer wirkte als ohnehin schon-...
 

„Aus“, bellte Kibas Befehl durch den Raum und sowohl Sasuke als auch der Vierbeiner zuckten zusammen. Ein paar Momente lang wagte selbst der Kunde auf der Liege nicht mehr, auch nur den geringsten Mucks von sich zu geben.

Der Inuzuka griff nach einem sauberen Lappen und wischte sanft über die eben gestochenen Linien. Er nahm zur Kenntnis, wie Akamaru die Schnauze leckte, den Kopf senkte und leicht mit dem Schweif wedelnd zur Seite des Raumes trottete die hinter seinem Herrn lag, um sich dort mit ergebenem Seufzen wieder nieder zu lassen. Sasuke fand keine Worte. Er stand sprachlos da und starrte zu dem anderen Mann.
 

„Hätte nicht gedacht, dich so bald wieder zu sehen“, begrüßte Kiba ihn in gewohnt provokantem Ton, „Hattest du Sehnsucht nach mir?“
 

Sasuke gab keine Antwort.
 

„Der unbezwingbare Mustang“, Kiba schüttelte leicht den Kopf und grinste sein Reißzahngrinsen, "Sasuke Uchiha... Alle wollen ihn, keinen lässt er ran... Wie war deine Nacht, Black Beauty?“
 

„Einsam“, erwiderte Sasuke trocken und hob die Hand mit ein paar Geldscheinen, „Ich bin nur hier, um auszugleichen was ich euch schuldig bin.“
 

„Verdammt“, Kiba ließ einen glühenden Blick zum Papiergeld herüberflackern, „Und hier dachte ich, Jungs wie du zahlen grundsätzlich mit ihrem sexy Körper...?“
 

„Da bist du nicht der erste...“, Sasuke neigte bedrohlich den Kopf, „Aber es gibt da gewisse Risiken, vor denen dich ein Kondom nicht schützen wird“
 

„Mmh“, grinste Kiba verspielt, „Gefährlich wie immer... Ich versteh´ ja sonst nicht, was der blonde Idiot an dir findet, aber der Gedanke dir die Arroganz aus dem Gesicht zu vögeln ist schon wirklich verlockend... Mach dir nichts vor, schöner Mann. Der Mount Everest galt auch mal als unbezwingbar. Ich werd ihm nur raten, beim nächsten Versuch einen Schutzhelm zu tragen. Kein Wunder übrigens, dass er so ein Schwachkopf ist. Seit er zwölf ist, versucht er dich zu besteigen. Da müssen jedes Mal Millionen Gehirnzellen draufgegangen sein...“
 

Sasuke schnaubte leise. Er warf einen Blick zur Seite auf ein paar der ausgestellten Muster und Tättowierungen. Ein paar waren in Hochglanzfotografien verewigt. Drachen. Wölfe. Tribals. Ineinander verwundene Schlangen, die sich gegenseitig bissen...
 

"Immer noch dieses alte Gerücht..?“, fragte er ohne Kraft in der Stimme, „Nur wegen dem Kuss aus Versehen... Er ist nicht... er hatte nie... solches... Interesse“
 

„Ooh“, meinte Kiba, „Natürlich nicht. Wahrscheinlich hat er deshalb kein anderes Thema mehr als dich, wenn die Nacht tief genug ist. Und wahrscheinlich weiß deshalb jeder in seinem Umfeld wer du bist, selbst wenn er dich noch nie gesehen hat, weil er nicht aufhören kann zu erzählen wie toll du bist und wie missverstanden und dass ihr euch irgendwo tief in euren Herzen immer noch ganz vertraut seid, auch wenn du ihm bei jedem Treffen die Rübe zu Brei schlägst- Sasuke Uchiha, der geheimnisvolle, sagenumwobene Kindheitsfreund, für den er seine Techniken perfektioniert... du bist einfach nur ein guter Kumpel, mit dem er so gern mal wieder... keine Ahnung, ein Bier trinken würde...“
 

Sasuke schüttelte leicht den Kopf.

„Er steht auf Sakura, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht“
 

"Auf Sakura?"
 

"Sakura"
 

Kiba lachte lautlos. Es war ein weites, offenes Grinsen, nicht spöttisch oder boshaft sondern beinahe ein wenig mitfühlend.
 

"Was immer du meinst..."
 

Sasuke spürte einen bitteren Stich, seine Augenbraue krümmte sich, er richtete einen tödlich lodernden Blick auf den Inuzuka:
 

"Immerhin hat er klar und deutlich gesagt, dass er auf Frauen steht, dass er das nicht verstehen kann, wie man nur Männer bevorzugen könnte-... solche Leute wären wohl selber schwach und hätten in einem Kampf keine Chance-... das tut man als echter Kerl nur wenn keine Frauen da sind und der Schwächste liegt unten-... wenn ein Junge ihn anmachen würde, wüsste er nicht wie er reagieren sollte-..."
 

"Oh du meine Güte!", Kiba rollte die Augen, "Da war er, was, in der vierten Klasse? Und er kam von wo, diesem Drecksloch von Kinderknast, das sie später dann abgerissen haben? Wir machen alle Fehler, wir reden alle Mist, wenn wir jung sind und wütend und ahnungslos, ausgerechnet du solltest darüber ja wohl am Besten Bescheid wissen! Aber hey-... okay- vielleicht hast du recht, und die ganze Fixiertheit auf dich ist nur Freundschaft und brüderliche Liebe und so ein Shit. Vielleicht hat er Sakura dieses eine Mal einfach nur so aus Jux abblitzen lassen. Vielleicht geht er nur deshalb auf keine Liebeserklärungen ein, weil er einfach nicht so der Beziehungstyp ist! Vielleicht hat er mich damals nur einfach so ohne Grund gefragt, ob ich glaube dass Sex zwischen Jungs immer weh tut und warum es manchen Leute wohl so gefällt... Tatsache ist jedenfalls, dass seine Motivation nicht mehr zu bremsen ist, seit deine Neigungen offiziell sind“
 

Sasuke spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

"Meine... Neigungen?"
 

Kiba zuckte die Schultern, "Du bist zu Orochimaru gegangen", bemerkte er schlicht, "Freiwillig"
 

Es dauerte ein paar Momente, bis Sasuke die volle Erkenntnis über die Anspielungen, die diese Aussage beinhaltete, verstand und mit jeder Sekunde verstärkte sich ein übler Würgreiz.
 

"Was-... Das ist-... das hatte mit - sowas - doch nicht das geringste zu tun!"
 

"Ach, nein..? Der Typ hatte einen gewissen Ruf, wie du ja vielleicht weißt. Er hat dich nur einmal angezüngelt und schon warst du nicht mehr zu halten! Seit der bitteren Niederlage ist er wie blöd am Trainieren! Schon irgendwie komisch... Man traut es ihm gar nicht zu. Seine ganze Persönlichkeit, er ist zu soft für einen Master. Zu nett, zu vertrottelt... Sadismus passt nicht zu ihm, Dominanz irgendwie auch nicht... Wenn man einen Blick auf ihn wirft, denkt man shit, das wird nie was. Aber wenn man einmal gesehen hat, wie er mit der Neunschwänzigen richtig loslegt... da bleibt einem das Lachen schon mal im Hals stecken..."
 

Kiba wechselte seine Farbpatrone, was seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nahm und ihn wirkungsvoll ablenkte. Sasuke stand da wie angewurzelt und konnte keinen Muskel mehr rühren. Er atmete ein, atmete aus. Eine ganze Weile dauerte es, bis er die Fassung so weit wiedergefunden hatte, dass er in der Lage war, irgendetwas zu sagen. Schließlich neigte er den Kopf und leckte sich über die Unterlippe.
 

"Also", murrte er heiser, räusperte sich, „Nimmst du jetzt das Geld oder nicht?“
 

„Willst du herkommen und es mir ins Höschen stecken?“, Kiba grinste herausfordernd und hob demonstrativ seine Hände, „Ich bin beschäftigt, wie du siehst. Aber Gaara müsste oben sein. Geh rauf und mach das mit ihm aus. Er hat dich schließlich auch angeschleppt.“
 

~

Wahrheit

~
 

Die Holzdielen knirschten bei jedem Schritt. Es war dunkel im Flur. Sasuke setzte seine Füße möglichst nah am Geländer um unnötigen Lärm zu vermeiden.
 

Im ersten Stock war die Tür zu Lees und Gaaras Wohnung nur angelehnt. Ein schmaler Streifen Licht klebte am Boden und zog sich bis zur gegenüberliegenden Seite des Treppenhauses. Sasuke blieb davor stehen, er streckte die Hand aus, tippte mit den Fingern gegen die Eingangstür und ließ sie lautlos nach innen aufschwingen. Wäre er gekommen um einzubrechen oder jemanden umzubringen, hätte man es ihm kaum leichter machen können. Ein spöttisches Schnauben starb irgendwo auf dem Weg zwischen Lungen und Nase.
 

Er sah sich um. Der Schrein mit Actionfiguren war uninteressant, also machte er sich auf den Weg, ein paar Zimmer zu durchsuchen um einen Bewohner zu finden. Hoffentlich nicht Lee...

Sein ästhetischer Anspruch litt sehr in dessen Gegenwart, und nicht auf die gute Art. Wie Gaara ihn ertragen konnte entzog sich für ihn jeder Logik. Aber vielleicht war man als Ex- Heroin- Junkie einfach vollkommen anspruchslos...
 

Nicht überall brannte Licht. Irgendwoher kam Musik und gedämpfte, lebhafte Stimmen. Er war im Flur aus den Schuhen geschlüpft- völlig unverschämt war er schließlich auch nicht- und strebte jetzt auf leisen Sohlen dem Geräusch zu. Was er fand war ein Wohnzimmer.
 

Ein gemütlicher Raum mit Flachbildfernseher auf dem irgendein Anime lief, mit einem recht benutzt wirkenden roten Ledersofa, dessen Rückenlehne zur Tür gerichtet stand und mit überladenen Regalen an den Wänden. Neben Comics standen links und rechts Bücher über Astrophysik und den Weg des Kriegers im alten Japan. Auf einer schwarzen Kommode in der Ecke leuchtete eine Lavalampe, in der unendlich zähe Tropfen entgegen der Schwerkraft flossen. Ein Stück davon löste sich, verdichtete sich in der heißen Farbflüssigkeit zur perfekten Kugel... und das war der Moment, in dem Sasuke Metall an der Kehle spürte.
 

Dass es Gaara war, wusste er sofort und die Erkenntnis ließ ihn ganz still halten.

Er hatte seine Anwesenheit nicht bemerkt, es war völlig lautlos passiert und das vertiefte den Eindruck davon, dass irgendwo hinter der sonderbaren Erscheinung eine unheimliche, dämonische Kraft lauern musste, die selbst einen wie ihn als willkommenes Opfer ansah. Das Metall an seinem Hals war nur ein Löffel-... aber die Haltung der Hand und der Druck links vom Kehlkopf verrieten deutlich, dass dem Körper des Anderen die Bewegung vertraut war.
 

Aus den Augenwinkeln zur Seite blinzelnd sah er tiefrote Zaushaare, schwarz bemalte Augen und eine unheimliche Art von Hunger in dem blassen, dünnlippigen Grinsen. Gaara schob den Kopf etwas näher zu seiner Schulter.
 

„Fakt ist“, raunte er mit seiner gleichmäßigen, leicht belustigten Stimme und sein heißer Atem schickte kleine Spritzer Adrenalin in Sasukes Blutbahn,
 

„Für ein hohes Tier im Untergrund bist du erstaunlich leicht auszuschalten“
 

Gegen den Druck des Löffels gab Sasuke ein hohles Lachen von sich, das etwas gepresst klang,

„Weil ich mich gegen einen Hundefrisör und seinen Müslilöffel nicht ernsthaft wehre?“
 

Gaara ließ seinen Griff langsam locker und gab ihn frei.

Er warf ihm einen Blick aus dunkel umrandeten Augen zu und stocherte voller Zufriedenheit mit dem Löffel in der Schüssel mit Cornflakes, die er im anderen Arm gehalten hatte, während er das Sofa ansteuerte.
 

„Willst du auch Frosties?“, bot er an.
 

Sasuke rümpfte die Nase. „Nein danke“
 

„Hmm...“, Gaara ließ sich auf dem Polster nieder und zog die Beine in den Schneidersitz, um sich in den weichen Untergrund zu schmiegen und langsam blinzelnd seinen Blick wieder zu dem Besucher zu wenden, „Was bringt dich hierher? Suchst du Geld?“
 

„Tze“

Sasuke schnippte ihm mit verächtlicher Miene die Scheine ins Gesicht, die er in seiner Hand hatte.

„Vergleich mich nicht mit Abschaum wie dir. Ich bezahle euch“
 

Gaara schob sich einen großen Löffel Cornflakes in den Mund und beäugte das wie welke Blätter herabwirbelnde Papiergeld mit vagem Interesse.
 

„Damit wäre das wohl geklärt... Ich hab euch nicht darum gebeten, euch einzumischen“, mit einer ungeduldigen Kopfbewegungen warf Sasuke Strähnen seines langen Ponys aus den Augen,

„Ab sofort gehen wir wieder getrennte Wege. Wir kennen uns nicht und haben nichts miteinander zu tun, klar?“
 

Leises Mahlen von Maisflocken zwischen Backenzähnen mischte sich unter die gedämpften Stimmen aus den Lautsprechern des Fernsehers. Gaara hob die Augen, sah Sasuke unverwandt an. Er hielt den Blick, schob mit dem Löffel langsam aufweichende Cornflakes durch grellweiße Milch und legte dann etwas den Kopf schief.
 

„Schon komisch“, sagte er vor dem nächsten Bissen und leckte sich einen Milchtropfen vom Mundwinkel, „Dass du gestern das erste Mal im Darkside warst, meine ich. Irgendwie ist das... komisch, wenn man so drüber nachdenkt“
 

Sasuke hob herablassend eine Augenbraue.

„Ich kann gehen, wohin ich will“
 

„Schon“, Gaara widmete seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Ertränken hilfloser Cerealien,

„Ich meine bloß... das Darkside war ja nicht immer nur ein SM- Club“
 

In der Ecke blubberte lautlos die Lavalampe.

Gaaras Backenzähne zermalmten mit Milch vollgesogenen Maisbrei. Und Sasuke streckte die Hand aus, um mit einem Arm an der Sofalehne Halt zu finden. Das „nur“ war reichlich unnötig, fand er. Als ob ein Swingerclub für brutale Sexspielchen nicht schon krass genug wäre... woher wusste der Kerl überhaupt etwas darüber?
 

„Was soll es denn sonst gewesen sein?“
 

Diese ständige Andeuterei ging ihm auf die Nerven.

Der Kerl im Fitnessstudio... hatte der nicht auch schon kryptische Bemerkungen gemacht?
 

„Das Zentrum“, Gaara leckte den Löffel ab.
 

Sasuke spürte seinen Geduldsfaden gefährlich dünn werden.

„Wovon verflucht nochmal redest du?“, zischte er.
 

„Mmh...“, jetzt sah Gaara ihn wieder an. Dieser tiefe Blick aus Augen die aussahen, als ob man darin das Innere seiner Schädeldecke sehen konnte.
 

„Hast du den Begriff „Akatsuki“ schon einmal gehört?“
 

Eine fräsende Motorsäge... Dunkelheit. Kreischen in Todesangst. Blut. Blut, eine Menge Blut.

Sasuke blinzelte irritiert und versuchte mit leichtem Kopfschütteln die Bilder loszuwerden die auf ihn einstürzten.

Ein Video von einem an Haken aufgehängten Körper. Das zur Totenkopffratze geschminkte Gesicht eines irren Mörders. Ein Symbol- die rote Wolke auf schwarzem Grund. In Orochimarus Versteck hatte er eine ganze Festplatte voll übler Hinrichtungsfilme gefunden. Wackelig, mit Handykamera aufgenommen.

Und irgendwie damit verknüpft war die undeutliche Erinnerung an das Wort: Akatsuki. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, dachte er. Erpressungsmaterial.
 

Mit unverholenem Interesse starrte Gaara ihn an, als könnte er durch die Pupillen seiner Augen in ihn hinein blicken. Sasuke schüttelte den Schauder ab und runzelte leicht die Stirn:
 

„Das... ist ein Name für ein früheres Bündnis... ein riesiges, altes Kartell, bevor Orochimaru sein Gebiet erweitert und andere Bosse ausgeschaltet hat“
 

Gaaras belustigte Miene verzog sich zu einer grinsenden Fratze. Sein Lachen klang glucksend und hell.

„Ist das seine Version, ja?“
 

Sasuke biss die Zähne zusammen. Da war wieder diese Ahnung von dem Gefühl, dass der Boden schwankte. Irgendetwas geriet aus den Fugen. Das gefiel ihm nicht.
 

„Er hat sein Gebiet nicht erweitert", sagte Gaara zu ihm, "Er wurde ausgeschlossen. Weil er das Darkside verloren hat. Es war immer schon ein SM- Club, aber ab und zu war es auch ein Hauptquartier... ein Sammelpunkt für die Mitglieder. Die Pforte zur dunklen Seite der Stadt."
 

Einen Moment brauchte Sasuke, um langsam zu blinzeln, bis die Bedeutung der Worte über das Trommelfell wirklich ins Hirn gesunken war. Was zur Hölle-...?
 

"Der SM- Club war dazu da um ihr Geld zu waschen", fuhr Gaara unbeeindruckt fort, "Bis heute gibt es hier keinen anderen, eine Menge mehr oder weniger normaler Leute waren dort... aber der wirkliche Spaß ging los, wenn die Gesellschaft geschlossen war... du hast die Bühne gesehen? Dort, wo heute die Bühne ist, konnte man früher die Bretter wegschieben... dann war dort eine Grube."
 

Gaaras Augen glitzerten,

"Das war die Arena... und Orochimarus Lieblingsspiel. Gewinnst du, gewährt man dir einen Wunsch. Verlierst du, wird dir etwas weggenommen... ein Körperteil... deine Würde... dein Leben... meist hat das Publikum mitentschieden, was mit dem Verlierer passiert... Möglichkeiten um kreativ zu werden, gab es ja wirklich genug“
 

Sasuke spürte das zittrige, getriebene Gefühl wieder kommen. Das Gefühl, dass er Macht brauchte. Mehr Macht. Viel mehr. Seine Finger gruben sich in das Polster. Es fühlte sich nass an vor Schweiß.
 

„Ein Sieg in der Grube war immer der nächste Schuss für mich", flüsterte Gaara tief in Gedanken, "Das war wahnsinnig guter Stoff... direkt von der Quelle. Ich hab nie wirklich etwas gespürt und immer gewonnen... Aber sie hatten nicht nur solche Leute. Jeder, der bei ihren Geschäften mitmachen wollte, musste sich in der Grube beweisen... manche wurden nicht freiwillig rekrutiert. Und das letzte Zwangsmitglied war ihr Fehler. Er wusste, dass sie ihn holen würden und er hat vorgesorgt, sein Verbündeter war der Einzige, der Orochimaru gefährlich werden konnte. Es kam zum Kampf, Orochimaru wurde zurückgeschlagen. Das „Paradise“, das Darkside und ein Großteil der Straße gehören heute nicht mehr zu seinem Gebiet. Damit hatte er nicht gerechnet. Und es hat ihm den Respekt bei den Verbündeten gründlich versaut. Er war besessen von der Idee, sich eines Tages alles zurück zu erobern... Es hieß, wer das Darkside kontrolliert, kontrolliert den Untergrund... Aber der neue Chef hat ein anderes Hauptquartier und die Räume dort unten sind düster. Es stinkt jetzt noch nach Blut in manchen von den Hinterzimmern. Leute wie du und ich, uns macht das nervös, da kann der Master noch so gut sein. Obwohl sie das meiste wirklich gut renoviert haben... Der ganze Eingangsbereich ist komplett umgebaut. Und der neue Slingraum ist schon toll... “
 

Gaara hob die Müslischüssel an dünne Lippen und trank süße Milch.

Sasuke stand da wie vom Donner gerührt und versuchte, das eben gehörte noch einzuordnen.
 

„Jedenfalls“, fuhr Gaara nachdenklich fort, „Die meisten anderen sind verschwunden und haben sich aus der Gegend zurückgezogen... wie eine Krake, der man einen Tentakel abhackt und die in ihrem Loch auf den besten Moment wartet, um wieder zuzuschlagen... aber es gab ja dann das kleine Kartell hier so wie es die letzten Jahre war, nur noch auf die Stadt und die Randbezirke begrenzt. Das hat die Grenzen verteidigt. Mit Kisame, Itachi und Orochimaru an der Spitze... aber... naja... wie man hört... ist das inzwischen auch Vergangenheit...“
 

Sasuke fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

Er war sich sicher gewesen, einen so guten Überblick über den hiesigen Untergrund zu haben wie niemand sonst. Alles war perfekt gewesen. Er war niemand, der sich ohne Vorbereitung in Vorhaben stürzte. Seine lückenlose Information war ein wichtiger Teil seiner Überlegenheit-... und jetzt erfuhr er, dass es wesentliche Dinge gab, von denen anscheinend jeder dahergelaufene Freak besser informiert war als er! Alte Kartellbosse in der Nachbarschaft, von deren Kräften er keine Ahnung hatte-... Gladiatorenkämpfe als Aufnahmeritual-...
 

„Nein...“, verbissen schüttelte er den Kopf, „Das-... das kann nicht sein! Vor gestern Abend hat den Ort kein Mensch jemals erwähnt! Wenn er so wichtig war, wieso wusste ich nichts davon? Ich wusste sonst alles!“
 

„Tja... Hab gehört, er hat jedem persönlich die Zunge rausgeschnitten, der noch etwas davon erwähnt hat. Das Thema war sein Tabu. Und... wann bist du nochmal abgehauen...? Kurz danach? Als er so versessen darauf war, einen zu finden, der ihm eines Tages hilft, seine Herrschaft wieder voll herzustellen?“
 

Gaaras Grinsen bekam eine ganz andere Qualität. Er forschte in Sasukes Augen und eine fast kriminelle Belustigung über die Ratlosigkeit die er fand, übernahm seine Miene.
 

„Du hast nicht gewusst, dass Naruto das Darkside gut kannte, oder? Dass er bestimmt schon ein halbes Jahr lang immer wieder mit Kiba dort war, bevor der Kampf dort gewonnen wurde und er kurz darauf dich verloren hat? Ausgerechnet an Orochimaru? Wie alt wart ihr da, siebzehn vielleicht? Und gestern kommst du mit Kiba dorthin, das erste Mal, ohne den Hauch einer Ahnung auf was für schicksalsträchtigem Boden du dich befindest? Das ist doch...“, Gaara gluckste, ein hohes, merkwürdiges Lachen, „Einfach zu komisch, findest du nicht? Herrlich, geradezu... stell dir vor, Orochimaru hätte dir von seinem heimlichen Racheplan früher erzählt... hättest du Naruto dort unten dann umgebracht?“
 

Sein Grinsen zeigte zwei Reihen unheimlich schimmernder Zähne.

Sasuke wich zurück.
 

„Fakt ist“, flüsterte Gaara, „Du warst so ein Favorit von beiden, und keiner hat dir sein größtes Geheimnis verraten. Wie fühlt sich das an? Aber weißt du, vielleicht hat es ja auch nichts mit dir zu tun“
 

Als Sasuke bei seinem Weg durch den Flur zurück noch einmal über die Schulter blickte, sah er Gaaras Grinsen über der Sofalehne und die unheimlichen, reglosen Augen, die ihn verfolgten und ihn im Nacken kribbelten, schon als er ihn längst nicht mehr sah und nur noch die Stimme hörte, die ihm bis ins dunkle Treppenhaus hinaus nachklang:
 

„Vielleicht nennen sie es einfach nur deshalb... die dunkle Seite“
 

~

On Drugs

~
 

Helles, kratzendes Schleifen. Ein Geräusch wie Fingernägel auf einer Tafel. Etwas, das einem die Haare zu Berge stehen ließ: Metall auf Beton.
 

Es kam von weit entfernt, draußen, aber es ließ ihr das puckernde Herz beinahe aus dem Brustkorb springen. Sakura hatte sämtliche Lichter gelöscht. Leise atmend, wie ein kleines Tier in der Falle saß sie unterm Fenster bei der Heizung in ihrer winzigen Wohnung der Hochhaussiedlung und klammerte die Arme um ihre Knie.
 

Sai hatte sie nach Hause gebracht, wie verabredet.

Den ganzen Weg lang hatte er kein einziges Wort gesagt. Im Aufzug, diesem hässlichen gelben Ding in dem mit Edding Sprüche an die Wand geschmiert waren, hatte er ihr einfach nur gegenüber gestanden. Die Augen halb geschlossen, so dass man nichts von seiner Pupille sah, nur diesen aufwärts gebogenen Halbkreis der Wimpern... und dieses unheimliche, stille Grinsen im Gesicht.
 

Sie hatte sich die ganze Zeit über gefragt, was er wohl dachte. Sicher irgendetwas versautes. Und eigentlich hatte sie schon mit einer ekelhaften, perversen Frage gerechnet wie: "Darf ich deine Brust anfassen?" oder "Zeig mir dein Höschen" oder "Was bekomme ich eigentlich dafür, dich heim zu bringen?" Aber nichts.

Irgendwie machte ihn die Entscheidung, gar nichts zu sagen, noch unheimlicher.
 

Jedenfalls war sie froh gewesen, zuhause zu sein. So froh, dass sie die Tür zwischen ihnen gleich zugeknallt hatte. Ganze zwei Minuten hatte die Erleichterung angehalten. Dann war ihr klar geworden, wie dumm sie gewesen war.
 

Wieso schickte sie den einzigen Typen in Reichweite wieder weg? Ohne ihn war sie die ganze Nacht allein! Gut, Sai sah nicht aus wie ein starker Kämpfer, aber er war ein Mann! Das hätte den unheimlichen Verfolger vielleicht abgeschreckt!
 

Egal auf was für perverse Sachen er stand, es wäre besser gewesen, als hilflos darauf zu warten bis ein Serienkiller sie erwischte.
 

Genau das war der Typ mit der Sense doch, oder?

Der kurze Moment in dem er aufgetaucht war- eine bullige, breitschultrige Gestalt mit lässigem Schritt und runden Muskeln in all den Nebelschwaden- so etwas gab es sonst nur in Horrorfilmen! Oder in einem Albtraum. Und jetzt steckte sie in einem mittendrin und sie wollte aufwachen, einfach nur aufwachen! Das konnte doch alles nicht wahr sein!
 

Etwas kitzelte an ihrer Wange, sie wischte es schniefend weg. Blöde Tränen. Was brachte es, immer zu heulen? Überhaupt nichts, schlimme Dinge passierten trotzdem. Es war nutzlos und jämmerlich, aber es war wie ein Reflex. Sie konnte einfach nicht aufhören. Erschöpft ließ sie ihre Stirn an die Heizungsrillen sinken, schloss die Augen und schluckte. Ihre rosa gefärbten Haare hatte sie über ein Ohr zurück gestrichen. Sie waren zerzaust und strähnig. An der Seite des Halses konnte man durch die dünne Haut ihren Puls pochen sehen.
 

Eigentlich hätte sie jetzt furchtbar gerne geduscht. Aber da hörte sie schon wieder etwas, das ihr den Magen umdrehte. Etwas schliff und knirschte dort unten. Vielleicht nur jemand, der sein Garagentor öffnete...
 

Sie zog ihr Handy aus der Handtasche und versuchte, den ruckartigen Atem zur Ruhe zu zwingen. Weißes Licht biss ihr grell in die Augen, als das Display zum Leben erwachte.
 

Wen konnte sie anrufen?

Ino-... Sekundenlang starrte sie auf Inos Nummer mit dem kleinen, blauen Schmetterlingssymbol daneben. Oh Gott, Ino... wie gern hätte sie bei ihr übernachtet!
 

Aber was, wenn sie sie damit auch in Gefahr brachte? Das ging nicht.

Ino wollte sie auf gar keinen Fall in irgendeinen Mist mit hinein ziehen-...
 

Kakashi?

Der Name allein sorgte für ein Flackern von Trost und Hoffnung. Mit zitternden Fingern wählte sie, drückte das Handy so fest ans Ohr dass es schmerzte und lauschte auf das Freizeichen. Keine Antwort. Eine ganze Minute lang hoffte sie, aber am anderen Ende der Verbindung rührte sich nichts. Kalte, nackte Todesangst kroch wieder an ihr hoch, schloss ihren Brustkorb in eisigen Klammergriff.
 

Dieser Psycho war irgendwo vor dem Haus und kam näher. Sie konnte ihn hören. Wahrscheinlich war er ihr und Sai gefolgt und wusste jetzt wo sie wohnte. Es war eine Frage der Zeit, bis er in den Aufzug stieg, mit seinen schwarzen Stiefeln über den Flur schlurfte und ihre Tür fand. Und dann?
 

Kakashi antwortete nicht. Wahrscheinlich lag sein Handy irgendwo und er hatte es nicht einmal bei sich. Warum konnte dieser Typ nicht ein einziges Mal seinen Job ernst nehmen und zuverlässig sein, so wie man das von Leuten in seinem Beruf erwartete?! Andererseits war es auch mitten in der Nacht... Und er hatte schon einmal gemeckert, dass er nicht wollte, dass ehemalige Heimbewohner seine Privatnummer hatten... verdammt!
 

Was blieb ihr noch übrig? Die Polizei? Die würden glauben sie halluzinierte und würden ihr ihren Stoff wegnehmen. Und das ging auch nicht, den brauchte sie! Ohne das konnte sie genau so gut sterben!
 

Ihr Herz pochte so laut in ihren Ohren, dass es fast klang wie Schritte draußen auf dem Flur.
 

Nein, Moment. Das war keine Täuschung.

Es waren tatsächlich Schritte die näher kamen-... schwere entschlossene Schritte zu ihrer Tür.
 

Angst ergoss sich über sie wie kaltes Blei, sie war wie gelähmt als es klopfte. Ganz deutlich war es zu hören. Der trockene, hölzerne Ton hallte durchs stille Zimmer.
 

Ein paar Momente lang hatte sie das Gefühl ihr Herz würde aussetzen.
 

Dann zuckten ihr fieberhafte Gedankenfetzen durch den Kopf. Konnte sie aus dem Fenster über den Balkon flüchten? Die Wohnung war im fünften Stock, da würde sie sich den Hals brechen, wenn sie abstürzte. Verstecken konnte sie sich auch nirgendwo, ihr einziger Schrank war zu klein und zu voll, unterm Sofa war kein Platz-... Sie saß in der Falle!
 

Das Klopfen wurde stärker. Ein energisches, forderndes Donnern mit der Faust. Sakura starrte mit großen Augen auf den Hauseingang. Sie konnte sich nicht bewegen.
 

„Ich weiß, dass du da bist", drang die tiefe, männliche Stimme zu ihr durch, "Mach auf, oder ich trete die Tür ein!“
 

Sakura stockte der Atem. Konnte das-...?

Sie kämpfte sich auf die Beine, stolperte vorwärts, griff den Schlüssel und öffnete die Tür einen Spalt um hindurch zu spähen.
 

Es war dunkel, aber das Wenige was sie sah war genug.

Sofort zog sie die Türkette weg, riss die Tür auf und fiel der Gestalt vor ihr aufschluchzend in die Arme.
 

"Sasuke!"

Er fing sie auf.
 

Für einen Moment war alles wieder gut und vergessen.

Sie dachte nicht mehr daran, was er vor ein paar Stunden getan hatte, wie brutal er sein konnte, wie herablassend er sich benahm-... er war ein starker, vertrauter Mann, der genug Kraft hatte sie zu schützen, vor Dingen, die noch bedrohlicher waren als er.
 

„Sasuke! Oh Gott! Ein Glück, dass du da bist! Da ist dieser Typ, der ist riesig, und-... er hat diese Sense und er wird mich umbringen, oh Gott ich hab solche Angst!“
 

Sie klammerte die Arme um seine Tallie, drückte ihr Gesicht in die Kunstlederjacke. Er ließ es zu. Seine warme Handfläche fand sogar Kontakt mit ihrem Hinterkopf, er hielt sie bei sich und streichelte etwas, schnaubte belustigt.
 

„Was redest du für einen Mist?“, brummte er, „Du hast einen schlechten Trip. Setz dich aufs Sofa.“
 

„Nicht das Licht anmachen!“, schluchzte sie, als seine Hand zum Schalter wanderte, „Er wird es sehen! Er wird uns beide umbringen, oh Gott! Er ist ein Freak!“
 

„Schh...“, mit lockerem Griff um die zitternden Schultern fing er sie ein, knipste das Licht an und zauste ihr versöhnlich die Haare, „Beruhig dich. Das ist nur das Zeug. Du hast komische Paranoia. Komm schon, setz dich.“
 

Sie schluchzte, nahm auf dem Sofa Platz, zog die Beine an.

„B-... bleibst du heute Nacht bei mir?“

„Mal sehen."
 

Durch einen Tränenschleier beobachtete sie, wie er zum Fenster ging, die Lamellen der Jalousie mit zwei Fingern auseinander schob und seinen Raubtierblick nach unten zur Straße richtete. Konnte man diesen Typen von hier aus entdecken?
 

"Wo ist das Zeug?“, fragte er abgelenkt.
 

„H-... hier...“, sie umklammerte ihre Handtasche, öffnete den Verschluss, zog das erste Tütchen heraus. Wie klein es aussah. Es passte in eine Handfläche.
 

„Hätte es fast verloren. W-... warte kurz... ich mach dir was klar...“
 

Von den unheimlichen Geräuschen draußen war jetzt kein Mucks mehr zu hören.

Sakura atmete auf.
 

Dieser Freak sollte es nur versuchen und hier hereinplatzen, während Sasuke da war. Fast wünschte sie es sich, dass er kam. Der würde schon sehen, mit wem er sich anlegte...
 

Scheu hob sie einen Blick aus den Augenwinkeln, sah zu wie der Uchiha ruhelos, mit großen Schritten die Wohnung durchwanderte. Wirklich wie ein großes Raubtier im Käfig. Ganz so tödlicher Stimmung wie früher am Tag schien er jedenfalls nicht mehr zu sein... zum Glück. Aber die getriebene Unruhe fiel schon auf.

Ob das der Entzug war?
 

Er schob einen Flyer vom Pizzaservice zur Seite, griff nach der Hello-Kitty-Schneekugel auf ihrem Couchtisch- ein altes Wichtelgeschenk von Ino- betrachtete sie misstrauisch und warf sie mit grimmigem Schwung zurück. Lautlos wirbelten weiße Flocken um das ziellos über den Tisch rollende Kätzchen in Pastellfarben. Sakura beeilte sich. Sie krümelte eine satte Dosis Kristalle in eine Glaspfeife.
 

"Hier", flüsterte sie, "Gleich. Ich hab´s gleich"
 

Endlich fand seine Unruhe einen Anker. Er richtete seinen Blick auf das was ihre Finger taten, ließ sich mit tiefem Aufatmen bei ihr nieder, die Arme über die Lehne des Sofas gestreckt. Sein Knie wippte ungeduldig. Er hob kurz den Kopf um einen Blick an die Decke zu werfen. Seine Wangen wirkten eingefallen, die Haare stumpf, seine Augen lagen tief in den Höhlen. Dazu kam sein übellauniges Temperament, das in letzter Zeit noch unberechenbarer geworden war. Aber für sie war er unangefochtener Alpha, der König, ein Herrscher in seinem Gebiet. Sie reichte ihm die gefüllte Glaspfeife.
 

Als er sie ihr abnahm und sich darüber beugte, waren seine Finger beinahe sanft.
 

~
 

Sasuke war jenseits von schlechtem Gewissen.
 

Er sagte kein Wort davon, dass er Sakura nicht mehr hatte sehen wollen.

Die Gier war stärker. Es gab nur eins was die Unruhe und die Zweifel vertrieb, nämlich das hier.

Er schnippte das Feuerzeug an- Narutos Feuerzeug, das Bewusstsein gab ihm einen kurzen Stich- lauschte dem sachten Ticken schmelzender Kristalle und nahm einen tiefen Zug.
 

Heißer Rauch schlug in seinen Rachen, durch die Nase und beim langsamen, genüsslichen Ausatmen durchrann ihn ein heißes Prickeln als ob alle Häarchen auf seiner Haut sich gleichzeitig sträubten, ein goldenes, vibrierendes Glühen an ihm, in ihm, überall. Sein Kopf fiel in den Nacken.
 

Keine Angst mehr.

Keine quälenden Gedanken ob er alles bedacht hatte-... keine chaotischen Gefühle in Bezug auf Naruto. Alles Komplizierte wurde auf einen Schlag sehr, sehr einfach. Albträume, Flashbacks, Schwäche, nicht für ihn. Kein Mitleid. Keine Gefühle. Das brauchte er jetzt. Nur pulsierende, pure Macht die jede Zelle flutete und ihn unbesiegbar machte. Das Monster in seinem Innern gurrte vor Lust.
 

"... Sasuke?“
 

Mit unwirschem Blick öffnete er seine Augen.
 

„Ich-... muss dir was sagen... ich wollte es früher schon, aber-...“

Ihre rosa gefärbten Haare waren durcheinander. Ungelenk, mit betretenem Blick legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Seine schmalen, schwarzen Augen folgten der Bewegung.
 

„Du hast zugenommen...“, bemerkte er trocken.
 

„J-... ja genau, und-... ich glaube-... das heißt, es wäre möglich... es ist nicht ganz auszuschließen, dass du... irgendwie... daran schuld bist.“
 

„Ich bin schuld, dass du fett wirst?“, seine Stimme war gefährlich ruhig.
 

„N-... nein, das meine ich nicht... du verstehst das falsch..!“

Das feindselige Glitzern in den schwarzen Augen war kein gutes Zeichen. Sakura zog in böser Vorahnung den Kopf ein.
 

„Sasuke, ich-...“, sie schlang beide Arme um ihren Bauch, zog die Beine an, „Ich-... ach, ich weiß nicht... Entschuldigung. Vergiss es. Vergiss, dass ich was gesagt habe!“

Er schnaubte abfällig, richtete seinen Kopf wieder geradeaus.
 

"Hast du Lust auf Sex?", nervös leckte sie ihre Lippen.

"Mh", knurrte er.
 

Sakura ließ sich seitlich ins Sofa fallen, grub eine Hand in ihr Haar.

"W-... wenn du willst... ich meine... vielleicht könntest du-... von mir aus... ich meine, du könntest mich wenn´s sein muss auch mal ein bisschen-... Fesseln oder so, wenn du willst?“
 

Als er den Kopf wieder zu ihr wandte war sein Gesichtsausdruck entgeistert.
 

„N-... naja! Darauf stehst du doch, oder? Sado-Maso und Fesselspielchen und solche Sachen? Du bekommst immer diesen Blick, wenn du jemandem weh tust, und-... normalen Sex findest du langweilig, es braucht eine Menge Mühe dich halbwegs in Stimmung zu bringen, da dachte ich-...“
 

Fassungslos wich er zurück, stand vom Sofa auf, drehte sich halb um sich selbst-... und dann fletschte er die Zähne, holte aus und warf die Glaspfeife auf die Couch.
 

„Was weißt du schon über mich?!“, fuhr er sie an, „Du hast keine Ahnung! Überhaupt keine!“
 

„Dann sag mir doch was ich machen soll!“, Sakuras Augen glänzten schon wieder verdächtig, „Ich versuch doch nur-... I-... ich...“ Sie zog die Schultern an, „... ich versuch, alles richtig zu machen. Das ist schwierig bei dir, ich weiß nie, was du willst! Im einen Moment bist du nett, aber dann-... “
 

Sasuke warf einen Blick auf die übrigen Tütchen. Er griff sich unter ihrem panischen Aufschrei kurzerhand alles was übrig war und stopfte es in seine Taschen.
 

„Nein“, kreischte sie, „Nein, warte! Lass das-... lass mir was da! Nur eins! Bitte!“
 

„Das gehört mir!“, schnappte er in einem Ton der sie zögern ließ, „Es ist meins! Wag es bloß nicht, mir nachzulaufen!“
 

Sakura griff ihn am Ärmel, mit aller Kraft klammerte sie sich fest:

"Geh nicht! Okay, ich gebe es dir! Du kannst alles haben, aber bleib bei mir, bitte! Ich tu was du willst! Lass mich nicht allein! Er wird mich umbringen, Sasuke! Er ist da draußen, er kommt und holt mich, ich weiß es!“

„Hör auf zu spinnen, Herrgott!“
 

Er schüttelte sie von sich.

Die Tür flog mit einem Knall hinter ihm zu. Ihr verzweifelter Aufschrei blieb ihr vor lauter Angst in der Kehle stecken. Keinen Ton brachte sie mehr heraus.
 

In ihrer Wohnung war es wieder ganz still.
 

~

Schlaflos (Kiba, Gaara)

~
 

„Willst du nicht schlafen gehen?“, Kiba sah mit dem Handtuch über den Schultern und nassen Haaren noch einmal nach Gaara, der mit einem Kissen im Arm auf dem Sofa saß und den Fernseher anstarrte.
 

Verspielt streckte er die Hand aus und zupfte an roten Haarsträhnen. Gaara blinzelte nur.

„Mh... Lee hat Nachtschicht.“
 

„Ich weiß, na und?“, Kiba griff nach der Lehne, stieß sich vom Boden ab und machte kurzerhand einen Satz über die Rückseite des Sofas, um sich neben seinem Freund nieder zu lassen. Von der anderen Seite her drückte Akamaru schweifwedelnd seinen Kopf unter Gaaras Arm, bettelte um Zuwendung.
 

Der Rotschopf gab nach und begann ihn sanft zu kraulen.

„Du weißt, dass ich allein nicht schlafen kann“
 

„Naja“, Kiba zuckte mit den Schultern, „Wenn du willst, schließ ich dich fest, dann kannst du auch nicht schlafwandeln. Das hat schon Mal funktioniert, oder nicht?“ Gaara blieb unbegeistert, „Da war das mit Lee abgesprochen. Danke Kiba, aber... Ich will einfach auf ihn warten, okay?“
 

Kiba griff mit akzeptierendem Seufzen nach der Schale mit Erdnüssen auf dem Couchtisch und warf einen Blick Richtung Fernseher. „Ist das die Serie mit den schwulen Polizisten?“

„M-hm“
 

„Du solltest mit Hina mal ne Pyjama- Party machen, sie ist der totale Fan... hätt nicht gedacht, dass sie auf harte Action abfährt, nur wenn sich zwischendurch mal zwei muskelbepackte Kerle durch die Laken wühlen... warte mal, der Typ mit dem Schnauzer lebt wieder?“

„Sie wiederholen grade die ersten drei Staffeln bis die Produktion weiter geht“

„Ah, okay...“
 

Kiba warf sich eine Handvoll Erdnüsse zwischen die Kiefer und nickte kauend.

„Das mit der Zombie- Apokalypse find ich aber besser.“
 

Gaara stöhnte auf, „Oh nein mann, die zweite Staffel war voll schlecht.“

„Bullshit!
 

Vielsagend rollte Gaara die Augen und schüttelte seinen Kopf,

„Man fängt an, die Zombies sympathischer zu finden als die Hauptcharaktere!“
 

„Ach, halt die Klappe.“, Kiba warf ein Sofakissen zu dem Rotschopf hinüber, das der mit einer Hand abwehrte, „Du mochtest auch Lost nicht! Du Ketzer!“

Gaara kraulte in zufriedenem Widerstand Akamaru unterm Kinn.
 

Kiba ließ sich seufzend in den Polstern tiefer sinken.

„Und, hat der schwarze Ritter dich fürstlich entlohnt für deine treuen Dienste?“

„Er war hier“, Gaara hob die paar Geldscheine hoch, die Sasuke da gelassen hatte, „Hat was gespendet für die Pizza- Kasse...“, sein Blick wanderte zu Kiba herüber.
 

„Im Nachhinein hätte ich das schon gern gesehen. Du hast die beiden wirklich aufeinander los gelassen? Ausgerechnet... da?“
 

Kiba verschränkte die Arme hinter dem Kopf und seufzte.

„Na, wenn schon, denn schon. Ich hab mein Bestes versucht. Naruto hat ihn ins Separée mitgenommen-... und kam nach zwanzig Minuten zerbeult und zerkratzt wieder rausgeschlichen. Der schwarze Rächer war über alle Berge verschwunden“
 

„... wow“
 

Kiba lachte.

„Das hat ihm die Laune versaut! Aber hey. Er wär nicht der alte Vollidiot, wenn er das zu persönlich nehmen würde... und wer hätte das gedacht, heute kam der Uchiha ja schon wieder angeschwänzelt! So schlimm kann´s also nicht gewesen sein“
 

Gaaras Miene war ernst geworden.
 

„Ich hab kein gutes Gefühl, Kiba“, meinte er, „Nicht wegen Sasuke, sondern wegen dem ganzen... drumrum. Laut den Nachrichten ist das Kartell in der Gegend erledigt und Orochimaru war ein übler Spinner, aber...“,
 

Er drehte seinen Kopf langsam zu seinem Mitbewohner,
 

„Er wusste nichts über das Darkside", flüsterte er, “Und was da dahinter steckt. Er hat keine Ahnung, was da noch kommen kann“, sie wechselten einen Blick.
 

"Oder wer"
 

~

Der Henker

~
 

Sakura stand verloren und mucksmäuschenstill hinter ihrer Tür, als er weg war.

Sie lauschte atemlos in die Nacht um sie herum und lange Minuten passierte nichts.
 

Halb begann sie selbst zu glauben- zu hoffen- dass es wirklich nur Einbildung gewesen war. Oder dass der fremde Mann aufgegeben hatte. Er hatte Sasuke von Weitem gesehen und war abgehauen. Oder ihm war einfach langweilig geworden! Vielleicht war er schon lange weg...
 

Aber dann hörte sie es, ganz leise und anders als vorhin-... ein Schleifen von Metall auf Metall. Etwas kratzte an der Seitenleiste des Aufzugs.
 

Über hölzerne Türen. An der Wand ihres Ganges.

Zitternd stand sie da und hörte hilflos, wie das Geräusch immer näher kam. Ein feines Klirren dahinter, wie von einer Kette. Und der langsame, dumpfe Tritt schwerer Stiefel.
 

Und dann, nach einer langen Pause von Lautlosigkeit schabte es direkt an ihrer Tür.

Nur ganz leicht. Fast wie Fingernägel.

Ganz spielerisch.

Zentimeter von ihr entfernt.
 

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie musste sich schwer beherrschen, kein Geräusch von sich zu geben. Nur ein kleines Stück vor ihr war der Türspion.

Vielleicht sollte sie einfach durchsehen, ob dort wirklich jemand stand oder ob die Geräusche nur ein Produkt ihrer Fantasie waren. Aber sie hatte viel zu viel Angst!

Trotzdem, irgendwas musste sie tun. Die Unsicherheit, und das hilflose Warten darauf, dass vielleicht gleich etwas Schreckliches passierte, waren unerträglich! Irgendetwas war dort! Die Ungewissheit konnte sie nicht ertragen! Sie musste doch wenigstens wissen, womit sie es zu tun hatte! Sie konnte nicht bei diesen Geräuschen nur da stehen und nichts tun!

Vollkommen lautlos machte sie einen winzigen Schritt.

Sie versuchte, ihren keuchenden Atem zu beruhigen und hob sich auf Zehenspitzen. Zitternd legte sie nur die äußersten Fingerspitzen gegen die Tür und hob ihr Auge zu dem winzigen Guckloch nach draußen.
 

Da schlug mit einem satten Krachen und Splittern knapp über ihrer Stirn die rote Klinge einer Sense durchs Holz und sie kreischte hemmungslos und panisch auf.

Sofort brachte sie soviel Abstand zwischen sich und den Eingang wie nur möglich, aber dass ihr das nicht viel nutzte, wusste sie selbst. Die Klinge wurde ein paar Sekundenbruchteile auf und ab bewegt-... dann zog sie jemand mit einem kräftigen Ruck wieder zurück und der nächste Schlag schickte große Splitter sirrend durch den Raum und Sakura im Blitzstart zur Badezimmertür. Noch während sie heulend versuchte, den Schlüssel im Schloss möglichst oft umzudrehen fragte sie sich, was einen in solchen Situationen zu so dummen Ideen brachte, aber sie konnte doch einfach nicht da stehen und warten, bis er ihr den Kopf abschlug!
 

Ein mächtiges Krachen und Bersten von Holz machte ihr klar, dass er die Eingangstür völlig zersplittert hatte.
 

„Wo bist du, Schlampe?!“, lechzte Hidan, „Komm zu Papa“
 

Große, schwere Stiefel knirschten durch den Raum und dann-... wurde vor ihren Augen die Klinke zur Badezimmertür hinuntergedrückt, dem einzigen das sie noch vor dem sicheren Tod trennte.
 

„Nein!“, kreischte sie, „Oh Gott, Hilfe! Nein!“
 

Kurz überlegte sie, sich unter dem Waschbecken zusammenzukauern oder in der Badewanne- sich im Duschvorhang einzuwickeln, da gab die Tür auch schon mit einem Knirschen nach. Er warf sich allem Anschein nach mit der Schulter dagegen. Und das war eine Menge Gewicht. Die Scharniere quietschten.
 

"Nein, hör auf! Bitte!"

In den Filmen versuchten die Mädchen immer, die Tür zuzuhalten und von der anderen Seite dagegen zu drücken. Aber Sakura konnte die Tür nicht mehr anfassen. Es war als ob seine Bedrohlichkeit alles ansteckte, was er berührte. Das Donnern hörte auf. Anscheinend entschied er sich anders. Aber nur einen winzigen Augenblick blieb die Zeit stehen, dann sirrte etwas durch die Luft und splitternd bohrten sich drei Klingen auf einmal durchs Holz der Tür in ihr Badezimmer. Sakura konnte nur schreien. Sie hatte sich selbst eingeschlossen. Plötzlich verstand sie, warum Leute in Horrorfilmen seltsame Entscheidungen trafen. Man konnte nicht mehr klar denken, wenn -so etwas- plötzlich in der Wohnung stand. Die Klingen brachen die Tür in Stücke. Es war mehr ein Drücken und Reißen als ein Schneiden. Seltsamerweise schien sie stabiler zu sein als die Eingangstür, Sakura hörte ihren Mörder schnaufen vor Anstrengung. Er brach etwa in Höhe seiner Schulter ein Loch heraus, knirschend gab ein großes Stück Holz nach, splitterte und fiel polternd auf den Fliesenboden. Eine große Hand folgte die ziellos herumtastete, ein Arm mit gewaltigem Bizeps, nackte Haut, nur für einen einzigen, grauenhaften Moment. Als er nichts erwischte zog er sich wieder zurück und schob seinen Kopf vor das Loch.
 

Funkelnde, rotbraune Augen, die in dem Licht beinahe wirkten wie tief purpurrot.

Ein weites, gieriges Grinsen.
 

Sie erstarrte unter seinem Blick wie ein Kaninchen vor der Schlange. Er leckte sich seine Lippen.

"Komm schon her", keuchte er tonlos, "Wenn du nicht raus willst... muss ich eben zu dir rein!"

Und dann brach er mit seiner monströsen Kraft in den nächsten Minuten die Tür aus den Angeln.
 

In ihrer Verzweiflung griff sie nach allen Shampoo- und Creme- Tuben die sie in die Finger bekam und schleuderte eine nach dem anderen mit aller Kraft auf die Gestalt die im Staub der Zerstörung auftauchte. Dieser Berg von Kerl mit dem weitem, zähnefletschenden Grinsen, den aschgrauen, zurückgegelten Haaren und dem Stiernacken. Er schüttelte die Attacken ab, stieg über die Splitter die er hinterlassen hatte.
 

Sakura sah panisch nach rechts, links, wich zurück, fiel beinahe rückwärts in die Badewanne. Der Riese griff nach ihr, sie duckte sich, er erwischte nur ein Büschel ihrer Haare von dem sie sich kreischend losriss, abwärts tauchte und unter ihm hindurch sprang- frei, raus, weg, egal wohin, einfach weg!

Hinter sich hörte sie ihn fluchen. Sie bog scharf nach rechts, wandte sich zur Wohnungstür-... in der jemand noch viel Entsetzlicheres stand. Ein zweiter Mörder. Ein Wesen mit grau verfärbter Haut, grünen Kontaktlinsen, vermummtem Gesicht und hässlichen, schwarzen Nahtnarben an allen sichtbaren Körperstellen.
 

Sakura hatte nicht einmal mehr Zeit zu Schreien. Sie stoppte, floh in die entgegengesetzte Richtung und nahm dann doch die letztmögliche Chance- den Balkon. In verbissener Entschlossenheit kämpfte sie mit der störrischen Tür, riss sie zur Seite, stürzte hinaus, sah sich kurz um, zog sich dann am Geländer hinauf und heftete ihren Blick auf den Nachbarbalkon in einiger Entfernung. Wenn sie nur dort hinüber kam...! Wenn sie andere Menschen fand! Zur Hölle mit den Drogen, irgendwer musste die Polizei rufen!
 

Ein Blick nach unten ließ sie kurz inne halten. Sie schluckte. Ihr Magen fühlte sich an als würde er wie ein Jojo abwärts schlingern und sich wieder hochrollen. Das war so scheußlich tief! Ein falscher Schritt, ein Griff daneben und sie fiel fünf Stockwerke abwärts auf glatten Asphalt.
 

Der Kerl mit der Sense tauchte hinter ihr auf. Er sah wütend aus- ihr blieb keine Zeit mehr. Sie kniff die Augen zu, sprang nach vorn und spürte Finger am Fußknöchel. Entsetzt vor Schrecken kollidierte sie völlig unerwartet mit dem zweiten Geländer. Instinktiv klammerte sie sich fest, das Metall war verdammt hart und rutschig-... Ihre Hände fanden keinen Halt-... ein letzter, kurzer Schrei-... und in der lähmenden Sekunde in der sie abwärts fiel bremste die Zeit ab auf völligen Stillstand. Jeder Gedanke hörte auf. Da war kein Film ihres Lebens der vor dem inneren Auge ablief, nur Leere. Nichts. Ein weißes Blatt Papier.
 

Und gleich darauf spürte sie, wie etwas sie doch noch erwischte. Ein heftiger Ruck an der Kleidung, ein Ratschen- der Stoff hielt, sie wurde zurück gezogen, über die Brüstung. Ihr BH war verrutscht, ihr Oberteil hing in Fetzen. Sie war halbnackt, als sie wieder auf festem Boden stand. Der Sensenmann packte sie in den Haaren. Das war es.
 

Das war ihr Ende.
 

~

Heimkehrer (Lee/Gaara)

~
 

Über den Dächern stand ein grauer Morgen. Das Licht kroch nur zögernd über den Horizont. Gaara lag im Schlafzimmer auf dem Bett. Er rührte sich nicht mehr, kein Muskel zuckte, seine Augen waren weit offen. Mit großen, leeren Pupillen starrte er auf den Radiowecker, der in rotglühenden Digitalziffern die Zeit gerinnen ließ. Die Sekundenanzeige tickte gleichmäßig vorwärts, aber die Momente zwischen jedem Wechsel zogen sich immer länger. Die Stille war lähmend.
 

Einsamkeit saugte die Kraft aus seinem Körper, wie das Fehlen von Wärme Leben aus einem Reptil. Endlich, ein Geräusch. Gaara blinzelte. Seine Pupillen bewegten sich zur Zimmertür.
 

Draußen im Gang rasselte ein Schlüssel, knirschten Dielen, polterten Schuhe. Vertraute Schritte. Vertrautes Rascheln von Kleidung, vertrautes Seufzen. Gaaras Brustkorb weitete sich mit einem tiefen Einatmen, er blinzelte noch einmal, hob millimeterweit das Kinn von der Matratze. Die Schlafzimmertür ging auf, glitt sacht, beinahe lautlos über den Teppich, brachte einen Hauch von vertrautem Duft mit sich. Gaara schluckte als er ihn wahrnahm. Sein Körper spannte sich, sein Kinn hob sich höher, die Arme stemmten den Oberkörper aufwärts, er kam Lee entgegen der die Hand nach ihm ausstreckte, sich zu ihm beugte, warme Finger kräftig über die Kopfhaut rieb und ihm einen kühlen Kuss auf den Haaransatz drückte.
 

„Hey“, flüsterte er, seine Lippen noch auf der Haut, „Hast du auf mich gewartet?“

„Mmh“, seufzte Gaara. Er beugte den Hals, schmiegte sich dem Kontakt entgegen.

„Sorry“, Lee küsste ihm noch einmal auf den Haarschopf, seine Finger kraulten, „Das nächste Mal machen wir das wieder mit Kiba. Oh Mann... das tut mir leid... du brauchst doch deinen Schlaf, mh?“
 

Jetzt schloss Gaara die Augen, er blinzelte kurz. Ließ sich auf die Seite sinken, räkelte die Arme über den Kopf und erwartete den richtigen, tiefen Kuss, der folgen würde, sobald Lee sich umgezogen hatte. Viel Geduld brauchte er dafür nicht mehr. Lee wurde seine Kleidung mit demselben jugendlichen Enthusiasmus los, mit dem er alles andere tat. Mit einem zielstrebigen „Whapp“ landete erst das Oberteil und dann Hose und Socken am anderen Ende des Zimmers im Wäschekorb. Der Mann mit der Topffrisur hakte beide Daumen in den Bund seiner engen, weißen Unterhosen und schob sie sich ohne weitere Umschweife von den Hüften.
 

Gaara hatte schon wieder ein Kissen erwischt und hielt es umklammert. Bis zur Nase war sein Gesicht dahinter verborgen, die Augen weiteten sich mit einem Funkeln, als das letzte Kleidungsstück wich. Ganz instinktiv kuschelte er sich tiefer, ließ sich wieder ein Stück auf den Bauch rollen, zog ein Bein etwas an, duckte den Kopf weiter abwärts.
 

Mattes Halbdunkel warf blaue Schatten auf einen wie aus Marmor gemeißelten Brustkorb, stahlharte Bauchmuskeln, einen Körper wie aus Bronze gegossen. Lee griff nach seinem Schlafanzug. Das Halbdunkel saugte die Farbe aus lockerem Stoff in grasgrün, flaschengrün einfach nur schrecklich grün. Er schlüpfte in ausrangierte OP- Kleidung, schüttelte seine lackschwarzen Haare zurecht und schnürte das dünne Zugband über der Hüfte fest. Kein seltener Anblick zuhause, wenn alle Trainingsanzüge in der Wäsche waren. Besuchern, die ihn so zu Gesicht bekamen, erzählte er etwas von bequem und atmungsaktiv-... Tatsache war, dass es seinen Ruf als Freak wenig störte- Tatsache war aber auch, dass es Gaara reichlich egal war, worin er sich verpackte.
 

Als Lee über ihn kam, rollte der Rotschopf sich bereitwillig auf den Rücken, öffnete weit den Mund als er die Zunge des Anderen spürte.

Endlich schloss er die Augen. Endlich entspannten sich seine Finger- einen kurzen Moment lang zumindest, bevor ein Schaudern durch seinen Körper ging und er Arme und Beine anzog, um sie um die Rückseite seines Partners zu wickeln. Seine Finger spreizten die Hände zu Pranken um so viel wie möglich zu fassen zu bekommen, er gab ein leises, sehnsuchtsvolles Grollen von sich.
 

Lee seufzte nur entspannt. Er schob seine Hand mit einiger Mühe in der Umklammerung aufwärts zu Gaaras Kopf, um den Daumen auszustrecken und ihm die Schläfe zu streicheln während er hingebungsvoll ihren Kuss vertiefte. Nur Milimeter weit unter dem roten Tattoo, ganz leicht, ganz langsam. Als Gaara den Kuss unterbrach um tief einzuatmen, ließ Lee sich zur Seite sinken, seinen Kopf schwer ins Kissen fallen. Gaara schob die Nase in seine Halsbeuge, kroch dicht zu ihm, sog saugend Luft in die Lungen, murmelte gegen warme Haut, „Du riechst nach Blut“
 

„Sorry“, Lee flippte zärtlich seine Finger durch rote Haarzotteln, „Ich bin zu fertig um nochmal aufzustehen. Ich geh sofort duschen wenn ich wieder aufwache... versprochen“

„Mmh... und du schmeckst nach Schweiß“, Gaara drückte sein Gesicht fest und besitzergreifend gegen Lees Kehle, schob sich weiter zur Schulter und küsste alles was er unterwegs zu fassen bekam mit offenem Mund, weichen Lippen und sanfter Zunge.

„Ja“, Lee gluckste amüsiert, „Ich dachte, ich lass mich einfach von oben bis unten von dir abschlabbern, das spart unsere Wasserrechnung...“

Gaara gab ein empörtes Grunzen von sich, dachte aber nicht daran, aufzuhören.
 

„Ich hab dich vermisst“, flüsterte er erstickt, schlang seine Arme um den anderen Mann wie ein Löwe um seine Beute und öffnete beim Küssen seinen Mund immer weiter, bis ein großes Stück Muskel zwischen den Zähnen lag, um dann zärtlich daran zu knabbern.
 

„Mh“, gab Lee träge von sich, „Das tut gut... mach weiter“

Gaara rieb sich sehnsuchtsvoll an ihm, schmiegte sich so eng es ging an den harten, warmen Körper, spreizte seine Finger weit und glitt damit die Rückenmuskeln hinunter.
 

„Kann nur sein“, murmelte Lee nur noch sehr leise, „Dass ich nicht mehr viel reagiere... ich muss jetzt dann nämlich schlafen, okay? … Und das kannst du auch...“

Seine Hand hob sich zu Gaaras Ohr, er streichelte ihn dort wo der Haaransatz verlief, glitt ganz sacht mit Daumen und Zeigefinger über die Ohrmuschel und spürte Gaara darunter schaudern.

„Ich bin ja jetzt wieder da, hm?“
 

Er seufzte entspannt, kuschelte sich noch einmal zurecht und schloss dann die Augen. Seine Muskeln wurden locker, seine Hand sank. Sein Atem ging tiefer. Gaara konnte noch lange nicht damit aufhören ihn anzufassen, mit so viel Sinnen wie möglich in sein Bewusstsein zu prägen dass er da war, hier bei ihm, jemand der warm war, der lebte und atmete, der auf ihn reagierte und ihn so nah zu sich kommen ließ. Er schob Lees Oberteil aufwärts, drückte den Kopf darunter, wollte mehr Haut. Und als er sie hatte, streichelte er fasziniert mit den Handflächen, schmiegte sein Gesicht dagegen, atmete ganz tief ein.

Erst als er halbwegs beruhigt und befriedigt war, umschlang er Lee mit Armen und Beinen und drückte zu. Gaaras Umarmung hatte eine solche Kraft, dass sie einem Menschen mit normaler Statur womöglich den Brustkorb geknackt hätte. Lee lag darin wie aus Gummi, vollkommen unbekümmert. Leise und friedlich schnarchte er vor sich hin.

Gaara schloss die Zähne über den großen Schultermuskel beim Hals, biss so liebevoll zu, dass es kaum rote Druckstellen hinterließ. Ein inniges, tiefes Seufzen rang sich aus seiner Brust, er leckte noch einmal über die traktierte Stelle, küsste mit weichen Lippen aus purer Zuneigung. Dann vergrub er seine Nase hinterm Ohr seines Partners und war endlich, mit dem ruhigen Geräusch des Atems im Ohr, dem Spüren des gleichmäßigen Herzschlags, dem Gefühl dass er da war, entspannt genug um die Augen zu schließen.
 

Gerade als sein Bewusstsein in Richtung Schlaf driftete, spürte er wie Lee sich etwas rührte und instinktiv verstärkte er seinen Todesgriff-... aber dann waren da nur wieder sanfte Finger in den Haaren bei seinem Ohr, ein zärtliches Kraulen und Flüstern.

„Hey, ich hab dich lieb“
 

Gaara klammerte sich mit aller Kraft an, drückte seine Nase in Lees Haarschopf im Nacken.

„Mpfh“, grunzte er.
 

„Gib mir deine Hand“

Lee streichelte über Gaaras verkrampfte Pranke, die irgendwo an seinen Rippen Druckstellen hinterließ.
 

„Mh...“, das klang eher jammernd.

„Komm schon“, murmelte Lee im Halbschlaf, "Gib sie mir"

Seine Finger blieben sanft, streichelten Gaaras Handrücken bis er schließlich locker ließ.
 

Lee schob seine Hand über Gaaras, ließ seine Finger zwischen die des Anderen gleiten und verschränkte sie miteinander. Versichernd drückte er zu. Gaara seufzte, ein tiefes, tonloses „Huff“ gegen Rock Lees Nacken. Er schloss die Augen. Er entspannte sich. Die tiefe Wärme, die in ihn hinein sickerte half ihm, los zu lassen. Endlich konnte er schlafen.
 

Endlich war jemand da, der ihn festhielt.
 

~

Makellos (Neji, Tenten)

~
 

In hohen Räumen, gesäumt von schlanken Säulen und erhabenen Bogengängen aus weißem Marmor ruhte ein Aroma von warmem Holz. Der einladende Geruch frisch gewaschener Handtücher und kostbarer Duftöle wie Rose, Jasmin und Pachouli, der zusammen mit heißem Wasserdampf die Gänge entlang wallte, schmeichelte die Atemwege bis tief hinunter in die feinsten Verästelungen der Bronchien, um jeden Besucher willkommen zu heißen.
 

Die Hyuga-Wellness-Oase war ein Ort der Vollkommenheit.
 

Aus unsichtbaren Lautsprechern klang leise Instrumentalmusik. Hohe Milchglasfenster und teure Spots machten das Licht hell und flutend, aus vereinzelten Springbrunnen sprudelte kristallklares Wasser, zierliche, junge Damen in weißen Schürzen mit schmaler Spitzenborte waren unermüdlich dabei, in stiller Emsigkeit ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Wie gute Geister schienen sie nur für den einzigen Zweck zu existieren: jeden, der ihr Reich betrat etwas glatter, glänzender und wohlriechender zu machen.
 

Jeden Winkel in den Mauern schmückten kostbare Orchideen. Über die Bodenfliesen erstreckten sich Mosaike. Es war wie ein Elfenpalast.
 

Und genau hier war Neji Hyuga verabredet, zu etwas das ihn in ähnlich begeisterte Vorfreude versetzte wie die Aussicht auf einen Termin beim Proktologen.
 

Seit seiner Kindheit kam er hierher und all die Jahre hatten wenig dazu beigetragen, seine Scheu abzulegen. Was sollte er tun? Er war nun einmal jemand, der keinen Wert darauf legte, dass fremde junge Frauen an ihm herumzupften wie an einem Showpferd. Es war ihm unangenehm, jemanden so nah an sich heran zu lassen und wenn derjenige auch noch so professionell war.

Für das in Betracht ziehen von Körperkontakt brauchte er sonst gewöhnlich eine lange Phase gegenseitiger Koexistenz, ferner Bewunderung, zaghaften Interesses und verschämter, heimlicher Fantasien und selbst dann brachte er es nicht über sich, selbst den ersten Schritt zu machen. Seit seiner frühen Kindheit litt er an einem mittelschweren Fall von Sozialphobie.
 

In seinem alltäglichen Leben schränkte ihn das kaum ein, weil er ebenfalls von frühester Kindheit an gelernt hatte, sich zusammen zu reißen und professionell zu sein. Im Hyuga- Clan war Selbstüberwindung traditionsreicher Familiensport.
 

Aber genau wie er es nicht angenehm fand, sich von einem fremden Mann aus medizinischen Gründen in seinen Körperöffnungen herum bohren zu lassen- obwohl er, ja, homosexuell veranlagt war und ja, zu exzentrischen Entgleisungen seines Sexuallebens neigte- genau so schämte er sich dafür, seine weniger perfekten Seiten fremden jungen Damen zur Korrektur zuzumuten.

Kosmetikerinnen bekamen alles mit- schruntige Nägel, seltsame Abschürfungen an den Handgelenken, merkwürdige bläuliche Linien auf den Fußsohlen, genau so wie schrecklichen Spliss, Hornhaut, Pickel, Haare an Stellen an die ein perfekter Mensch nicht einmal denken wollte-...
 

Nejis mühsam aufrecht erhaltene, hoheitsvolle Mauer von Selbstbewusstsein schrumpfte in einem Kosmetikstudio auf die Größe eines kleinen Eisklümpchens am Rand eines Sees voller Lava.
 

Wenigstens gab es eine Person, die seinen Aufenthalt hier erträglich machte...
 

Er fasste nach der goldene Klinke der Tür zum vereinbarten Zimmer um sie herunter zu drücken, trat ein, wechselte einen langen Blick mit der Dame die dort auf ihn wartete und ließ sich mit schwerem, leidendem Ausatmen auf dem Sessel nieder.
 

"Hey, Neji!", klang es ihm fröhlich entgegen.

„Hallo", erwiderte er düster und mechanisch.
 

Sie gab ein vergnügtes Schnauben von sich.

"Hast du die Mail vom Management mit den neuen Leitlinien für Mitarbeiter etwa noch nicht bekommen?"
 

"Was?", seine Augen wurden groß und beunruhigt, "Mail? … Leitlinien?"
 

Sie hob einen Zeigefinger und zeigte ein perfektes, kundenfreundliches Strahlen- da stand sie, das Gewicht tänzelnd auf ein Bein verlagert, zwei kugelrunde Haardutts rechts und links vom Scheitel, ein breites Stirnband, die braunen Mandelaugen geschlossen, das weiße Oberteil zur lockeren Hose chinesisch geknöpft, und verkündete:
 

"Lächle! Du kannst sie nicht alle töten!"
 

"Tss...", Nejis Mundwinkel hoben sich in ein schwaches, widerwilliges Grinsen, "Das ist nicht schlecht."

"Genau das, was du hier manchmal brauchst, oder?", mit einem Griff hatte sie ihre hygienischen Gummihandschuhe bei sich, schlüpfte zu dem beunruhigend knirschenden Geräusch von gespanntem Latex hinein und zupfte sie an den Fingern zurecht.

"Sie nennen es "Hyuga Hotel", wir nennen es "Das Haus, das Verrückte macht."
 

"Das kannst du laut sagen", murmelte er und sah sich beunruhigt um:

"Äh... Wo... kann ich meine Sachen denn hinlegen?"
 

"Oh, tu sie einfach da auf den Hocker.", sie wedelte mit der Hand in die ungefähre Richtung, strich eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn zurück und klaubte ihren alten Kaugummi aus dem Mund um ihn sorgfältig in ein Taschentuch aus der bereit stehenden Kleenex- Packung zu kleben. Das Ergebnis warf sie ohne hinzusehen mit einer einzigen, lockeren Bewegung aus dem Handgelenk in den Mülleimer. Zielsicher wie immer. Natürlich traf sie.

Dann griff sie nach der Packung Pfefferminzdragees, um sich ein Neues zwischen die Zähne zu schnippen und ihre Finger noch einmal- einfach zum Spaß, ein altes Ritual- über ihr Arsenal an blank geputzten Utensilien gleiten zu lassen. Neji kannte das meiste davon inzwischen: Wimpernklemme, Pinzetten, Nagelfeile, elektrischer Hornhautschmirgler-... trotzdem wollte sich Entspannung bei ihm nicht so richtig einstellen, was einerseits fast Normalzustand war und andererseits sicher damit zusammen hing, was ihm am heutigen Tag noch bevor stand.

Weil sie im Gegensatz zu ihm bei der Arbeit war, prangte das goldumrahmte Mitarbeiter- Namensschild an der Seite ihrer Brust, auf dem mit säuberlichen Zeichen ihr Name stand:
 

Tenten.
 

"Ganz ehrlich", meinte sie, "als du angerufen hast, konnte ich es nicht glauben. Du? Das? Nicht in diesem Leben, hab ich gedacht. Aber hey, der Kunde ist König, stimmt´s? Also wie sieht´s aus... willst du vorher vielleicht ´ne beruhigende Handmassage? Gläschen Champagner? ... K.O- Tropfen?"
 

Er zog eine sauere Miene.

„Sehr lustig“
 

„Entspann dich... so schlimm wird es schon nicht!", sie legte den Kopf schief, "Oder vielleicht doch... Willst du ein Beißholz?“
 

„Uhm-...“, er wurde blass- noch blasser als sonst, seine Finger krampften sich um die Armlehnen.
 

„War doch nur Spaß“, sie grinste, „Hey, jetzt lach doch mal! Meine Güte, du guckst ja als wäre ich Hannibal Lecter!“
 

„Falls... deine Strategie mich zu beruhigen die Erwähnung von Horrorfilmen beinhaltet, von denen ich im zarten Alter von dreizehn wochenlang Albträume hatte, muss ich sagen, sie ist nicht besonders durchdacht!“, knirschte er mit blassen Lippen und weißen Knöcheln.
 

Tenten wedelte verheißungsvoll mit zwei hellblauen Streifen Wachspapier, ein kleines, gemeines Funkeln in ihren Augen.
 

"Bereit wenn sie es sind, Mister Hyuga", schmeichelte sie.
 

Neji griff sich tapfer eins der bereitliegenden Handtücher um es sich um die Hüfte zu schlingen und den weißen, flauschigen Bademantel den er trug möglichst würdevoll zur Seite zu legen. Dann schlüpfte er aus den FlipFlops, erklomm die Liege, rollte sich bäuchlings und ließ seinen Kopf in stummer Ergebenheit auf verschränkte Unterarme sinken.
 

"Du willst ernsthaft die kalte Version, ja?", vergewisserte sie sich.

"Ja", kam seine Antwort seltsam hoch und erstickt irgendwo zwischen Kopf und Armen hervor.
 

"Auch, wenn ich dich vorgewarnt habe, dass man nicht so gute Ergebnisse erzielt, und-...?"

Sein Kopf ruckte aufwärts:

"Jetzt tu es einfach! Herrgott! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!"

"Ist ja gut... du musst nicht gleich wieder so bissig werden, meine Güte... sehr wohl, Mylord!"

Schnaubend legete er sich zurück.
 

Sie schritt zur Tat. Und er hielt durch.

Ohne einen einzigen Mucks.

Er hielt ganze dreißig Sekunden lang durch, obwohl sich schon nach den ersten zehn verräterische Schweißperlen an den Schläfen bildeten, seine Venen unter der dünnen Haut um die Augen herum vor lauter Selbstüberwindung sichtbar hervor traten, er mit den Fingern am Rand der Liege verbissen Halt suchte und die Lippen zusammenpresste, bis davon nur noch ein einziger, blasser Strich zu sehen war.
 

Und dann, plötzlich, ohne weitere Vorwarnung, riss er den Oberkörper in die Höhe, stieß sie von sich, erhob sich etwas staksig von der Liege, griff nach seiner Herrenhandtasche, fischte sein Handy heraus und drückte die Kurzwahl.

Und kaum meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung, brach das ganze Elend aus ihm heraus:
 

„Lee! Gott sei Dank, dass du da bist... Du musst mir irgendwie helfen!“
 

~
 

„Was?“, das grüne Monster der Weststadt- momentan im dynamischen Trainingsanzug- hielt sich etliche Kilometer weiter sein Handy ans Ohr. Er stand mitten im Fitnessstudio, um ihn herum ein Rudel von Kung-Fu-Zwergen in Reih und Glied, dabei, lautstark ihre Übungen zu absolvieren. Aus zwanzig kleinen Kehlen klang ein herzhafter Kampfschrei-... Lee duckte den Kopf und ging ratlos im Halbkreis als hätte er schlechten Empfang, was die Verbindung aber auch nicht besser machte.
 

„Neji? Du liebe Güte, ist was passiert? Hattest du einen Unfall? Ist jemand verletzt?!“
 

~
 

Sichtlich gestresst klammerte der Hyuga frisch manikürten Finger um sein weißes Smartphone, „Es-... es ist eine Katastrophe!", keuchte er, "Ich dachte, ich schaffe es allein-... wenn man bedenkt, was ich früher schon mitgemacht habe-... eigentlich hätte ich es ja auch schon viel eher mal tun müssen, ich hab mich nur immer gedrückt, aber jetzt ist da dieser Job für den das wahrscheinlich vorteilhaft wäre und mein Freund-... ich dachte, vielleicht gefällt es ihm auch aber-... es ist-... ich kann das nicht! Das ist nicht auszuhalten! Ich bin kurz davor, Naruto anzurufen, ich werd noch verrückt! Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll! Lee, hilf mir!"
 

~
 

„Ähm...“, Lee rieb sich irritiert mit dem Handballen über den Rand seiner Augenbraue, "Ich höre, dass du mir irgendwas sagen willst, aber ich hab keine Ahnung wovon du redest...“
 

„Meister Lee?“, piepste ein kleines Stimmchen und jemand zupfte den Mann mit dem schwarzen Topfhaarschnitt am Hosenbein. Vor ihm stand ein etwa Sechsjähriger mit großen Augen und Schmolllippe und sah zu ihm auf. „Ich muss dringend Pipi und Bo-chan auch!“
 

Lee hielt die Hand an der Stelle über sein Handy wo er den Lautsprecher vermutete und ging fürsorglich etwas in die Knie.

„Ähm, na gut, also-... ihr wisst doch wo das Klo ist? Dann flitzt schon los, Männer! Nicht trödeln, nicht daneben zielen und zwanzig Kniebeugen extra, wenn ihr zurück seid, ja?“

„Okay!“
 

Er entließ sie mit einem Salut, hielt sein Handy von sich und wandte sich lautstark der restlichen Gruppe zu:

"Uuuund kurze Pause! Ich bin begeistert, wisst ihr wer Rocky Balboa ist? Mein Namensvetter, zusammen mit Bruce Lee! Und wisst ihr noch was?! Wenn ihr alle so fleißig weiter trainiert, könnt ihr die Beiden bald mit euerem Roundhouse- Kick in die Tonne treten! Yeah! Schön den Kopf oben halten, Leute! Die Kraft kommt aus dem Bauch raus! Konzentrieren, atmen und- Bäm! Ihr seid super! Zehn Minuten Zirkeltraining! Loooos geht´s!"
 

Die Zwergenkollonie flitzte los und Lee trabte auf bloßen Füßen zu seinem Rucksack, suchte eine stillere Ecke im Fitnessraum. Ohne viel Erfolg.

„Neji, ich hab keine Zeit!", flüsterte er, "Was ist los?“
 

~
 

„Lee, hör zu! Hör mir einfach kurz zu...", zischte der blasse Hyuga ins Handy, "Hast du mal den Begriff "Kaltwachsenthaarung“ gehört?“

Rock Lee stutzte irritiert.

„Für uns hat Rasieren eigentlich immer gereicht...“
 

„Dann solltest du dich sehr glücklich schätzen!", fauchte die Stimme aus dem Hörer, "Es ist Folter! Solche Gefühle hab ich sonst nur sehr spät abends zu besonderen Anlässen in meiner Freizeit-... und ich bin der Meinung, das Teufelszeug müsste selbst im Darkside verboten sein! Hast du schonmal das Gefühl gehabt, jemand würde dir bei lebendigem Leib in kleinen Streifen die Haut abziehen? So ist es! Hast du diese Werbung gesehen, in der lachende Frauen sagen: „Verlieren sie ihre Wachs- Jungfräulichkeit, es tut gar nicht weh“- Das ist gelogen! Sie hat erst den einen Unterschenkel und bevor ich hier fertig bin, kann ich mich einweisen lassen! Ich hoffe, du hast noch Fixierriemen an deinem Bett, denn heute abend brauch ich eine Gummizelle!“
 

~
 

Lee krümmte eine von seinen Augenbrauen, kratzte sich verwirrt am Kopf und drehte sich um sich selbst, als könnte das bei der Problemlösung irgendwie hilfreich sein.
 

„Und was soll ich da jetzt machen?!“, fragte er ratlos.
 

~
 

„Ich weiß nicht!“, heulte Neji, „Du bist doch auch ein Top! Verdammt! Gib mir einen Rat! Hilf mir da irgendwie durch!“
 

„Soll ich dir übers Telefon durchgeben, wie du atmen sollst?!“
 

„Verarsch mich nicht, Mann! Das ist nicht lustig! Ich habe Schmerzen! Nicht alle Masochisten stehen drauf! Das ist ein beschissenes Vorurteil!“
 

„Neji! Neji, wow! Hör zu-... Beruhig dich, okay? Ganz langsam-... wieso... ähm... fragst du denn nicht, wie heißt er noch gleich, deinen Freund? Das wäre doch eine super Gelegenheit, seine-... du weißt schon-... Topqualitäten zu testen und ihn mit dem Thema bekannt zu machen, oder?“
 

„Mein Freund“, knirschte Neji mit aus der Stimme triefendem Zynismus, „Hatte, ich zitiere wörtlich, „Schon was anderes vor“! Ich hab ihn -natürlich- zuerst gefragt, willst du wissen was er gesagt hat? Ich soll mich verwöhnen lassen, wir sehen uns dann wieder wenn ich schön entspannt bin- aber rate mal was! Ich bin nicht entspannt! Und es ist auch keine Entspannung in Aussicht!“
 

„Ist gut! Ist ja gut...“, Lee fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, „Uff-... okay! Ich... kann verstehen was du meinst, es ist nur so, das Problem haben wir jetzt eher selten-... und hör zu, ich hab hier Training mit den Kleinen, es ist wirklich gerade ein bisschen schlecht! Ich würde dir furchtbar gern helfen Neji, aber ich weiß nicht wie! Wieso kannst du nochmal nicht Naruto anrufen?“
 

Neji holte tief Luft.

„Weil! Ich das erste Mal eine feste, romantische Beziehung mit jemandem habe, der kein völlig wahnsinniger Nazi ist! Wir haben darüber gesprochen und waren uns einig, dass wir uns -nicht- treffen und -nicht- über frühere Aktivitäten sprechen sollten, bevor ich meinen Freund über gewisse... Dinge... aufgeklärt habe! Dass ich mit Naruto Sessions hatte, in ihn verknallt war und immer noch jedes Mal in Versuchung bin, ihn anzurufen, wenn es mir grade nicht gut geht macht die Sache nicht besser! Es ist nicht dasselbe wie fremd gehen, aber es kommt dem gefährlich nahe und das will ich nicht! Verstehst du! Diese Beziehung ist mir sehr wichtig!"
 

„Okay...", Lee schüttelte nur den Kopf, "Also... vielleicht solltest du Gaara fragen! Womöglich hat der eine Idee? Moment mal kurz, ich schalt ihn mit zu in die Leitung."
 

~
 

Gaara war hochkonzentriert dabei, in seinem Studio einen gewaltigen, schwarzen, russischen Terrier in Topform zu bringen und klemmte sich sein Telefon unters Ohr, während er weiter schnitt.

„Lee", meldete er sich mit monotoner Stimme, "Hast du den Einkaufszettel verloren?“
 

„Hey du! Äh, nein- Neji hat angerufen... hab nicht genau kapiert was er wollte, aber ich glaube es geht um ein Sub- Problem. Könnt ihr das klären? Ich muss jetzt aufhören! Wir sehen uns später!“

Der Rothaarige blickte stirnrunzelnd auf.

„Sub- Problem?“, murmelte er, „Um die Uhrzeit?!“
 

~
 

„Gaara“, Neji schluchzte fast in den Hörer, „Du kennst dich doch mit Schmerzen aus... Hast du einen Tip, wie man mehr aushält, wenn man eigentlich nicht viel aushält?“
 

„Mmmh“, der Angesprochene strich glänzendes, leicht gelocktes Fell in Tiefschwarz zurecht, „Gewöhnungssache... Fang langsam an“

„Ich bin ein bisschen unter Zeitdruck!“

„Das meiste davon geht im Kopf ab... Mitatmen, Akzeptieren, Trance... es gibt diese Techniken, aber davon weiß ich nicht viel, du musst vor allem", seine Augen bekamen einen lebhaften Schimmer, "Das Gefühl genießen, kurz bevor es passiert... deinen Pulsschlag spüren... die Peitsche lieben... mmmh...", einen Moment lang schien er ganz in seiner eigenen Welt, bevor seine Augen wieder mehr Fokus fanden.
 

"Weißt schon...", er schnippelte seelenruhig weiter, "Jemand wie du braucht da wohl einfach einen guten Top“

„Ich hab keinen guten Top!", spie Neji bitterböse ins Telefon, "Ich hab überhaupt keinen Top im Moment! Das ist ja mein verficktes Problem!“

„Hey, dann kann ich dir auch nicht helfen... Warum fragst du denn nicht Naruto?“
 

~
 

Neji fluchte.

Er unterbrach die Verbindung, starrte feindseelig auf das Display und fluchte noch einmal, bevor er langsam wieder besiegt und mutlos auf der Liege Platz nahm. Den Kopf ließ er hängen. Tenten stand mit hochgezogenen Augenbrauen daneben und ihre Hände mit den Wachsstreifen sanken.
 

Sie setzte sich zu ihm, rutschte nah, bis ihre Schultern sich berührten.

„Hey...“
 

„...Was“

Seine Stimme war flach und tonlos.
 

„Wie lange... uhm“, sie strich eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor sie ihn ansah, „Wie lange kennen wir uns wohl jetzt?“
 

Er zuckte schwach mit den Schultern.

„Ich weiß nicht... Schon immer?“, zweifelnd sah er auf.
 

„Schon Ewigkeiten!", nickte sie, "Und weißt du, eigentlich hatte ich schon gedacht, wir wären Freunde...“
 

„Sind wir“, beteuerte Neji, „Sogar sehr gute Freunde. Du bist-... mit Abstand der beste, weibliche Freund den ich habe.“

„Siehst du, und du bist der reichste, schwule Freund, den ich habe, also-... seit wir klein sind feile ich deine Fingernägel, mach dir die Haare, zupfe deine Augenbrauen- du hast mich dabei am Anfang fast mit der Pinzette erstochen-... deine Freunde und deren Erfahrung in Ehren, aber du hättest doch jetzt einfach mich fragen können!“
 

Neji starrte sie entgeistert an.

„... Dich?“
 

Sie rollte die Augen.

„Hallo-ho? Wer ist hier die Expertin! Vertraust du mir gar nicht?“
 

„Ich-... aber du bist eine-...“, Neji zögerte. Dann schüttelte er den Kopf und lenkte ein: „Versteh das nicht falsch, ich hab nur schlechte Erfahrungen gemacht und bei dem Thema-...“

„Ist ja gut... Hey. Hör mal zu, Hase.“
 

Sie tätschelte mit der Hand seinen Oberschenkel und Neji wurde still und aufmerksam.
 

„Vergessen wir das mit dem Wachs! Es funktioniert nicht. Hab ich ja gleich gedacht! Aber das ist nicht die einzige Möglichkeit. Ich teste mal ob es mit Zuckermasse besser geht, das ist warm und die Aua- Stellen sind kleiner. Vertrau mir ein bisschen und sprich mit mir, okay? Ich hab einen Koffer voll Zeug und eine Menge Tricks im Ärmel- wir kriegen das irgendwie hin. Wär doch gelacht, wenn nicht. Deal?"
 

Er wagte einen vorsichtigen, scheuen Blick zu ihr hinüber und musterte sie.

Dann nickte er kleinlaut,

„... Okay...“
 

„Magst du ein Pfefferminz?“, sie hob ihr kleines Plastikschächtelchen voller weißer Bonbons mit Kaugummi- Kern.

„Danke“, seufzte er und hielt seine Hand auf. Sie schüttelte etwas darauf.
 

Er schob es sich zaghaft zwischen die Lippen und kaute.

Sie hob ihre Hand, rieb wohlwollend seinen Rücken und er entspannte sich etwas. Interessiert musterte sie sein Profil von der Seite.
 

"Aber jetzt mal ohne Scheiß-", platzte es halb entsetzt, halb belustigt aus ihr heraus,

"Du Wahnsinniger subst im Darkside?! Das ist ja sowas von abgefahren!"
 

~

Schachmatt (Shikamaru)

~
 

„Meine Herren?“, Shikamaru salutierte mit zwei Fingern an der Schläfe und wurde mit großem Hallo empfangen. Runzlige Hände streckten sich ihm entgegen, Lachen, Schulterklopfen, anerkennendes Nicken. In Nullkommanichts wurde ihm der Stammplatz am Tisch frei geräumt, das große Shogi-Brett stand schon fertig aufgebaut auf der Platte. Menschen drängten sich um ihn, Männer mit mehr oder weniger silbernen Haarbüscheln, kleinen, funkelnden Augen und unterschiedlichster Statur. Er ging auf den Herrn mit den sanften Gesichtszügen und dem verschmitzten Lächeln zu, um ihn zu umarmen.

„Hallo Opa“
 

„Shikamaru, mein Junge!“, hustete der mit Freudentränen im Augenwinkel, „Schön, dass du doch noch gekommen bist!“

„Hast du heute nicht die Gitarre dabei?“, ein dicker, gemütlicher Herr mit Hosenträgern zog eine enttäuschte Miene.
 

„Nee, hab beim Üben die E-Saite zerfetzt, muss erst eine neue kaufen“, Shikamaru begrüßte den zweiten Anwesenden mit Handschlag, „Hey Yamada“
 

„Heute kriegst du einen besonderen Gegner, Kleiner!“, ein kleiner, sehniger Mann mit langem Schnurrbart und buschigen Augenbrauen hob seinen bunten Becher, er sprühte vor Vorfreude:

„Das wird ein Duell der Meister! Yamada und ich haben gewettet, also enttäusch mich bloß nicht!“

„Nur kein Stress...", grinste er, "Muroshi, na alles klar?“, noch eine Hand wurde geschüttelt.
 

Auf der anderen Seite der Tischplatte thronte ein sehr ruhiger Herr mit glühenden, klugen Augen, Spitzbart am Kinn und langer, gebogener Pfeife und sah zu ihm herüber.
 

Shikamaru senkte den Oberkörper, als er sich anschickte Platz zu nehmen.

Seufzend ließ er sich auf den Holzstuhl gleiten. Im Moment trug er nicht seinen Sanitäter- Overall, sondern normale Kleidung: Schlabberjeans, den dünnen, schwarzen Rollkragenpulli, grüne Funktionsweste mit praktischen Brusttaschen. Er neigte den Kopf in eine angedeutete Verbeugung.
 

„Eine Ehre, mit ihnen zu spielen, Meister Sarutobi“
 

Der Alte auf der anderen Seite des Tisches paffte an seiner Pfeife. Von den Winkeln seiner Augen streckten sich winzige Furchen über das kantige Gesicht, Netze aus Lachfältchen.
 

„Mmh“, brummte er, „Immer wieder eine Ehre, dich bei uns zu haben, Nara Junior“
 

Die Seniorenresidenz, in der Shikamarus Großvater untergebracht war, hatte einen sehr wechselhaften Ruf. Shikamaru kam zweimal in der Woche her. Wahrscheinlich gab es tollere Möglichkeiten seinen Lebensabend zu verbringen, aber immerhin waren die Räume hell und liebevoll dekoriert, es gab Tee und Kuchen, jeden Tag mehr oder weniger nettes Unterhaltungsprogramm, und nur wenige der Pflegerinnen waren vollkommen unausstehlich.
 

„Möchtest du Tee?“, ein sehr zierlicher Herr mit Kopfverband, dessen lange, weiße Augenbrauen bis auf die Wangen hinunter reichten, erschien an seiner Seite, „Oder vielleicht einen Kaffee?“
 

„Ähm, Kaffee wäre nett, danke“
 

„Was ist mit Kuchen?“, der Alte verteilte beim letzten Wort aufgrund einiger fehlender Zähne einen kleinen Spuckeregen in der näheren Gegend. Shikamaru wischte sich dezent das Gesicht.
 

„Klar... was für eine Sorte von Kuchen?“
 

"Ich glaube Nusskuchen!", der Regen wurde kurzzeitig zum Monsun, "War es nicht Nusskuchen?"

"Uff..."
 

"Ich weiß nicht, ob noch was da ist", gab Yamada, der Hosenträger- Mann zu bedenken und wackelte zweifelnd mit der gehobenen Hand, "Die dicke Schwester ist heute wieder im Dienst"
 

Meister Sarutobi wandte sich mit fragendem Blick an die Umstehenden.

"Tja. Hm. Oh, Chiyo?", er sah sich hilfesuchend zu der gebeugten, rundlichen Großmutter um, die mit ihrem Rollator nahe am Tisch vorbeiwanderte, "... bitte, weißt du vielleicht, ob es noch Kuchen gibt?"
 

Das Dörrpflaumengesicht der Alten zog sich zusammen, zwischen tausend Falten funkelte ein übler Todesblick, "Heb doch deinen faulen Hintern und sieh selbst nach, Hiruzen!", zischte sie.
 

Der Mann mit dem Kopfverband wackelte eifrig davon und kam nach wenigen Momenten wieder, in der einen Hand eine Kaffeetasse, in der anderen einen Teller samt Kuchenstückchen.

„Verzeiht meiner Schwester“, bat er Shikamaru mit resigniertem Kopfschütteln und tätschelte liebevoll seinen Arm, „Ich glaube, so langsam geht es zu Ende mit ihr. Heute morgen hab ich gedacht, sie wäre schon tot!“
 

„Du denkst jeden Morgen ich wäre tot!“, rief Chiyo vom anderen Ende des Raumes herüber und gab ein quietschendes, pfeifendes Lachen von sich, „Jedes Mal fällt er wieder drauf rein!“
 

„Vielen Dank“, Shikamaru nickte Ebizou zu, nahm einen höflichen Schluck viel zu süßen Kaffee und machte eine Handbewegung, um deutlich zu machen, dass er Sarutobi den ersten Zug überließ.

Der schüttelte nur belustigt den Kopf und gab das Angebot zurück.
 

Shikamaru streckte sich, kratzte sich seufzend am Kopf und begann dann zu spielen.

Gemütlichkeit machte sich breit. Einige Zuschauer scharten sich um den Tisch, manche teilten die Aufmerksamkeit, mit der sie das Spiel beobachteten allerdings mit einem Nickerchen oder den Nachrichten-
 

Muroshi rief mit säuselnder Stimme nach einer Praktikantin und ließ sich Tee nachschenken, wobei er mit wippenden Augenbrauen ihrem Rocksaum nachsah, als sie wieder davon stolzierte.
 

Der Rhythmus der klackenden Spielsteine auf dem Brett floss langsam in eine weite, angenehme Zeitlosigkeit. Der ruhige, stetige Pulsschlag des Lebens.
 

Kaffee und Tee waren vergessen. Alles was zählte war die epische Schlacht auf dem Brett.

Wagnisse wurden eingegangen, Bauern geopfert, Fallen gestellt, Könige geschützt, Gebiete erobert.
 

Shikamaru war völlig in seinem Element.
 

"Habt ihr heute schon die Zeitung gelesen?", wollte Yamada in die Stille hinein plötzlich wissen, "Die Welt ist verrückt geworden! Dutzende Tote, haben sie gesagt. Es herrscht wieder Krieg, ich sag´s euch! Und alles nur wegen diesen verflixten Drogengeschichten!"
 

„Jetzt wo du´s sagst“, warf Muroshi ein, „Die haben im Fernsehen ein Bild von einem der Bosse gezeigt-... geschminkte Augen und Ohrringe! Ich dachte Gangsterbosse waren mal breitschultrig und tättowiert? Heute will anscheinend jeder gut aussehen?“
 

„Wie hieß der noch gleich? Obi-... Oni-...“
 

„Orochimaru!“
 

Sarutobi streichelte seinen Ziegenbart und paffte nachdenklich an der Pfeife, bevor er die Hand hob, „Mmm, Orochimaru. Bildhübsches Kind. War einer von meinen Schülern. Wirklich ein Jammer, was mit ihm passiert ist"
 

Yamada hustete vor lauter Überraschung.
 

"Du kanntest einen Drogenboss?", wollte Muroshi ungläubig wissen und riss die Augen auf, "Na, wahrscheinlich hast du ihm seine Zukunft versaut, weil du ihm schlechte Noten gegeben hast! Da siehst du, was draus geworden ist!"
 

"Nein, er war wirklich brilliant“, Sarutobi kratzte sich nachdenklich an der Nase, „Hat sogar zweimal einen Preis in Chemie gewonnen, für Jugend forscht. Wer hätte wissen können, dass er damit nur Crystal Meth kocht?"
 

Die Alten teilten ein herzliches, raues Gelächter, Opa Naras Blick war besorgt.

"Passt du auch gut auf dich auf, Shikamaru?", wollte er wissen und legte seinem Enkel besorgt eine Hand auf die Schulter.
 

„Aber klar, Opa“
 

„Es ist ja nicht nur die Sicherheit“, piepste Ebizou von seinem Platz aus und reckte einen zaghaften Zeigefinger, „Das ist, als wäre er Sanitäter im Krieg! Man muss aufpassen, dass man nicht innerlich ganz kaputt geht, ihr wisst schon!“
 

„Er braucht jemanden,“, bestimmte Muroshi theatralisch, „der auf sein Herz aufpasst! Jemanden für die Liebe! Also Nara Junior- wie ist die Lage? Schon etwas in Aussicht?“
 

„Ehm-...“
 

„Hihi!“, kicherte Ebizou, „Seht mal, er wird rot Ah, das sind ja schöne Nachrichten! Hast du das schon gewusst, Nara? Dein Junge ist verliebt!“
 

„Oh mann... stressig...“, Shikamaru kratzte sich verlegen seufzend am Hinterkopf. Auf einmal war das Spiel völlig zweitrangig, niemand interessierte sich mehr dafür, dass soeben erbitterte Gefechte um strategische Punkte tobten, Thema Nummer eins war seine vermutete Liebesgeschichte, die sämtliche Lebensgeister weckte und die alten Herren unverhofft neugierig machte.
 

„Gehst du später noch zu ihr?“

„Keine Ahnung ob ich das schaffe, ich hab Nachtschicht, ich muss heute noch arbeiten, also...“

„Warum hast du sie nicht mitgebracht?!“, schnaufte Yamada, "Wir wollen auch mal wieder was Schönes sehen!"
 

Shikamaru setzte kopfschüttelnd den nächsten Spielstein, bevor er antwortete.
 

„Tja... heute ist anscheinend großer Spa- Tag, ich war sogar eingeladen, aber... was soll ich denn da, etwa zusehen? Ist doch sicher so nervig wie jemandem zum Shoppen hinterher zu laufen...“

"Was?!", Muroshi schlug empört mit der Faust auf den Tisch, "Du hast keine Ahnung von Frauen, Nara Junior! Eine Einladung zum Kosmetiker bedeutet, dass sie bereit ist, ihre intimsten Geheimnisse vor dir auszubreiten!“

„Uff... vielleicht will ich die gar nicht sehen?!“

„Dummkopf! Eine Frau ist wie eine edle Lotusblüte! Sie öffnet sich nicht zu beliebigen Umständen! Du bist offensichtlich zu jung um mit solchen Angeboten etwas anfangen zu können! Schick sie stattdessen zu mir!"

"Na das könnte dir so passen..."
 

Sarutobi sagte nichts dazu, er schmunzelte nur am anderen Ende des Tisches und setzte mit dezentem Klacken seinen nächsten Spielstein.
 

Yamada warf einen langen, nachdenklichen Blick auf Shikamaru.

"Hat sie denn wunderschöne, dichte Wimpern?", wollte er leise wissen.

"Und lange Beine!", bestimmte Muroshi, "Die Beine sind wichtig!"

"Und lange schwarze Haare...?", Opa Nara seufzte verträumt, "Die finde ich immer schön..."
 

Shikamaru rollte kopfschüttelnd die Augen.

"Ihr seid unglaublich... Also gut, sie hat wunderschöne, dichte Wimpern, lange Beine und die seidigsten, schwarzen Haare die man sich vorstellen kann, glatt und lang bis über die Schultern!"

Ein anerkennendes Raunen ging durch die Runde.
 

"Und wie heißt sie?", fragte Opa Nara.

Shikamaru stockte.
 

"Ähm... A... yumi...?"
 

Die älteren Herren beugten sich skeptisch zu ihm.

Dem jungen Nara blieb nichts anderes übrig, als abwehrend die Schultern hochzuziehen und auf seinem Platz immer kleiner zu werden.
 

"Uhm... ach... verdammt... Mist. Ich kann das nicht. Opa? Ich... muss dir was beichten. Mama hat es mir zwar verboten, weil sie meint, es regt dich auf. Aber was soll´s, ich kann dich nicht anlügen"
 

"Du hast überhaupt keine Freundin, stimmts?!", vermutete Ebizou skeptisch.
 

"Doch", seufzend fuhr Shikamaru sich mit der Hand übers Gesicht und dann durch die Haare, "Aber sie, naja..."
 

Er stockte.
 

"Sie... ist ist ein Mann. So, da habt ihr´s. Ich bin mit einem Mann zusammen"
 

Alle Anwesenden ließen sich wieder in ihren Stühlen zurück sinken. Sarutobi warf einen überraschten Blick übers Spielbrett und paffte an seiner Pfeife.
 

Shikamaru gab ein defensives Ächzen von sich und machte Anstalten, aufzustehen.

"Ich geh dann mal..."
 

"Halt!"

"Du bleibst hier!"

Sofort wurde er von Yamada, Muroshi und seinem eigenen Großvater mit sicherem Griff am Ärmel festgehalten und zurück auf den Stuhl gedrückt. Mit einem überraschten "Uff" saß er wieder auf seinem Platz.
 

Yamada wandte sich wieder ihrem Gast zu.

"Hat er wunderschöne, dichte-..."

"Ja!", bekräftigte Shikamaru augenrollend, "Alles andere was ich gesagt habe stimmt! Er hat wunderschöne, dunkle Wimpern, lange Beine, glatte schwarze Haare... Ich hab ganz ehrlich noch keine Frau gesehen, die so wahnsinnig hübsch war! Er ist wunderbar still und schweigsam, und wenn er mal redet ist seine Stimme überhaupt nicht schrill, sondern so angenehm... er spielt Go und Shogi und verdient eine Menge Geld..! Wahrscheinlich müsste ich den Rest meines Lebens nicht mehr ernsthaft arbeiten, wenn er mich mitversorgen würde! Er ist fast dauernd beschäftigt, aber wenn er mal bei mir zuhause ist und ich bin total kaputt von der Schicht dann lässt er mir ein heißes Bad ein, macht mir Tee, bestellt teures Sushi, massiert mir die Schultern-..."
 

Die Augen der Anwesenden wurden immer größer.
 

"Nara, du bist ein verdammter Glückspilz!", krächzte Muroshi, "Männer sind zwar nicht mein Geschmack, aber für diese Vorteile kannst du ruhig mal die Zähne zusammenbeißen, wenn er ran will!"
 

"Naja", Shikamaru kratzte sich verlegen am Kinn, "Also, wir... sind noch nicht so lange zusammen und wir hatten noch nicht so viele Gelegenheiten, aber von dem was ich bisher weiß ist er sowieso eher... uhm..."
 

Er warf einen Blick in die Runde und in verwirrte Gesichter.

"... passiv?"
 

"Wie heißt er?", forderte Opa Nara zu wissen.
 

"Neji", bekannte Shikamaru, ohne vom Tisch aufzusehen.

"Neji, wie weiter?"

"Neji Hyuga"
 

Es wurde mucksmäuschenstill.

"Ja...", verteidigte sich Shikamaru verlegen, "Ich weiß schon, anscheinend stammt er aus dieser superreichen Unternehmerfamilie..."
 

"Die Hyugas", Muroshi schnappte nach Luft, während er sich an der Tischplatte festhielt, "Haben Luxushotels in allen möglichen Metropolen! Hast du noch nie gehört, dass Schauspieler und Prominente sich in ein Hyuga-Hotel zurückziehen wenn sie irgendwo Urlaub machen?!"
 

"Ja schon, aber wenn ich das richtig verstanden habe wird er davon nie was übernehmen... die vererben das nur an direkte Nachkommen und er ist aus dieser Nebenfamilie, sein Vater ist nur der Bruder des Präsidenten..."
 

Opa Nara streckte die Hand aus und gab Shikamaru einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf.

"Au!", protestierte der, "Wofür war das?!"
 

"Shikamaru Nara!", krächzte er streng, "Du sagst seine Einladung in die Hyuga- Hotel- Spa- Landschaft ab und gehst lieber zu alten Knackern ins Altersheim, weil du fürchtest, es könnte nervig sein?! "
 

„Ja, naja! Ich dachte, das wird irgendwie peinlich-... mann, seht mich doch mal an, was soll ich denn in einem piekfeinen Beauty- Salon? Hätte ich zusehen sollen, wie ihn hübsche Mädchen mit Gurkenscheiben belegen wie eine Pumpernickelstulle...?“
 

Das Schweigen lastete vielsagend.
 

Shikamaru hob den Kopf, seine Schultern sanken.

"Oh mann", stieß er schnaufend hervor, "Ich bin echt ein totaler Idiot, oder?"
 

Der Gesichtsausdruck der Anwesenden sprach Bände. In die Sprachlosigkeit hinein kam eine zierliche Krankenschwester mit Häubchen, blütenweißer Schwesterntracht und einem seligen Lächeln: "Will noch jemand Tee?"
 

~

Folter

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nachtschicht

~
 

„Komm schon!“, Naruto kniete in seinem leuchtend orangeroten Overall über einem aufgedunsenen, bleichen Mann, zwei Handballen auf dem Brustbein und pumpte. Das Innere des Rettungswagens schwankte mit jeder Bodenwelle, die Instrumente und Mittel ringsherum klirrten im Takt. Durch die undurchsichtigen Fenster drangen Dunkelheit und fiebrig bunte Lichtblitze von Ampeln und Neonschildern.
 

„Komm schon! Verflucht!“
 

„Hältst du durch?“, kam die Stimme von vorn aus der Fahrerkabine, „Ich komm hier auch nicht weiter, keine Ahnung was da los ist, umgefallener Laster oder wasweißich! Inzwischen komm ich weder vorwärts noch rückwärts! Ich versuch´s auf der Standspur!“
 

„Ich bin okay“, brüllte Naruto zurück, „Konzentrier´ dich aufs Fahren, ich halte durch so lange es sein muss!“
 

Der Wagen neigte sich in eine drastische Rechtskurve.

„Das ist schon eine dreiviertel Stunde!“, kamen die Zweifel von vorn, „Wie ist die Sättigung?“
 

„Dreiundsechzig und immer noch asystol!“

„Scheiße... okay, weißt du was? Lass es-... lass es gut sein!“
 

„Was?! Spinnst du?! Auf keinen Fall!“
 

„Denk mal nach, der Typ ist seit einer dreiviertel Stunde herztot trotz aller Bemühungen und er hat eine miese Sauerstoffsättigung! Plus, wir wissen nicht wie lange er da lag... du tust ihm damit keinen Gefallen! Wenn er heute nicht zum Spaß stinkende Klamotten angezogen hat, ist das ein Penner, der danach entweder im Wachkoma liegt oder weiter säuft! Wir brauchen mindestens noch zwanzig Minuten zur nächsten Notaufnahme, seine Zeit ist gekommen, mieses Karma, wir kriegen keine Scheiß- Rettungsgasse, die Straßen sind blockiert- offensichtlich versucht dir das Universum klar zu machen, dass der Mann seine Chancen gehabt hat“
 

„Das Universum kann mich mal!“, zischte Naruto zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und richtete seine gesammelte Aufmerksamkeit im schwankenden Wagen wieder auf den Brustkorb des reglosen Körpers auf der Liege.

„Komm schon, verdammt!“
 

~
 

Eine halbe Stunde später saß er mit tauben Armen, leerem Blick und hängendem Kopf auf der Treppe beim Personaleingang neben der Notaufnahme. Grelles Neonlicht drang vom Eingang her, das Rattern der Rollen von Krankenliegen, aufgeregtes Rufen, das Pfeifen von Piepsern, das Weinen von Kindern.
 

Naruto saß da, rieb sich erst übers Gesicht, dann durchs Haar und ließ seine Hände dann kraftlos herunterfallen. Er rieb sich mit dem Daumen über Schwielen an den Fingern und starrte ausdruckslos auf seine Handfläche.
 

Und plötzlich gab ihm jemand einen herzlichen Klaps auf den Hinterkopf.

„Hey!“, Shikamaru hielt ihm mit vollem Mund einen Pizzakarton vor die Nase, „Sie haben doch noch einen Puls gekriegt, du Lebensretter. Herzlichen Glückwunsch, vielleicht hat er noch ein paar Jährchen!“ Aufatmend ließ er sich neben seinem Partner auf die Stufen sinken:
 

„Schnaps macht alles besser, also wenn schon menschliches Gemüse, dann wenigstens gut mariniert, oder?“, er schnaubte grinsend und klappte den Kartondeckel auf, „Iss was. Du hast es dir wirklich verdient“
 

Naruto schüttelte schwach den Kopf.

„Kein Hunger“
 

„Hey!“

Shikamaru tätschelte ihn beschwichtigend. „Entschuldige den Sarkasmus. Du weißt doch, wie ich das meine... Mann, fast anderthalb Stunden, deine Ausdauer ist echt übermenschlich. Gut, am Anfang haben wir uns abgewechselt, aber trotzdem-...“
 

„Er hatte ein Foto“, murmelte Naruto und rieb sich mürrisch mit der Handkante die Schläfe, an der verschwitzte blonde Strähnen sich kräuselten.

„Mh?“

Der Nara krümmte fragend die Augenbraue, schob sich den Mund voll mit noch mehr Pizza.

„In seinen Taschen“, fuhr Naruto fort, „Als er zwischendurch Puls hatte und ich nach Papieren gesucht hab. Da war ein Bild von seiner Frau und seiner kleinen Tochter“
 

Shikamaru ließ schwer den Kopf sinken und schnaufte tief.

Er hob die Hand, um sie in blondes Zottelhaar zu graben und Naruto kräftig zu zausen, bevor er es bei väterlichem Kraulen beließ und ihm fürsorglich seine Schulter klopfte.
 

„Was ist das Wichtigste?“, er hob einen mahnenden Zeigefinger, „Professionelle Distanz. Hör zu, du bist ein cooler Kollege. Ich will nicht, dass der Job dich hier vor nächstem Monat noch ganz kaputt macht. Du darfst nicht persönlich da ran zu gehen, hm? Wir kennen die Leute nicht, du musst knallhart sein, sonst drehst du durch... Sei ein guter Junge und sag mir, dass alles cool ist. Okay? Denn weißt du... wenn du bei einem Einsatz heute noch durchdrehen und einen Hysterischen kriegen würdest-... das wär´ echt das Letzte was wir gebrauchen könnten.“
 

Der Blonde schnaubte gekränkt und schob den tröstenden Arm von sich.

„Ich bin okay"

„Ja, klar“, Shikamaru seufzte und rutschte ein Stück auf kalten Steinstufen zur Seite, um das Band in seinem Haar zu öffnen, einmal mit den Fingern hindurch zu fahren und es dann wieder sorgfältig in einen strengen Zopf nach oben zu binden, „Mach dir keinen Kopf. Die ganze Welt ist verrückt. Und du bist echt ausgepumpt, mann. Deine Akkus gehören wieder aufgeladen. Also, Frage an dich... dieser komische Laden dort hinten, zwei Querstraßen weiter vom Puff, Ichirakus-... der hat doch auch Suppe zum Mitnehmen, oder?“
 

Narutos Kopf hob sich.

In den tiefen, blauen Augen zeigte sich ein kleines, ungläubiges Funkeln von Interesse.
 

„Na komm“, meinte Shikamaru versöhnlich und rieb sich verlegen die Nase, „Du bist der Held des Tages, ich geb eine aus. Die cooleren Fälle sind wahrscheinlich eh in der Ecke“
 

Etwas in dem misstrauischen Blick des Uzumaki schmolz, seine Unterlippe bebte in dramatischer Rührung, starke Arme schnappten um den Hals des überraschten Nara, der im nächsten Moment das volle Gewicht seines Partners an sich hängen hatte,

„Ohh Shika“, schniefte der Blonde, „Du bist der beste Kollege der Welt!“

„Ist ja gut!“, protestierte der, „Und du bist schwer!“

„Ich bin eben erschöpft und brauche jetzt ganz viel Liebe!“, jammerte Naruto.

„Darauf würde ich wetten... aber nicht von mir!“

„Trag mich zum Auto!“

„Hast du den Typen mit den Füßen reanimiert? Du kannst noch selber laufen! Lass los, du Arsch!“
 

Das halbherzige Gerangel zog sich noch den ganzen Weg über den Parkplatz, der Nara versuchte genervt, seinen Freund abzuschütteln, scheiterte an dessen Sturkopf und gab schließlich auf um ihn resigniert zum Wagen zurück zu schleifen.
 

„Ich darf die Musik dorthin aussuchen!“, verkündete Naruto zufrieden.

„Wie wär´s mit „Staying alive“ von den Bee Gees?“, konnte Shikamaru sich nicht verkneifen.

„Bloß nicht, von dem Rhythmus hab ich genug für die nächsten zwei Stunden!“

„Dann vielleicht „I just died“ von der Cutting Crew?“

„Dein Humor ist so schwarz, Alter, der könnte in Amerika Präsident sein!“
 

~
 

Sasuke bog mit hochgezogenen Schultern und raschem, energischem Schritt um eine dunkle Ecke im zwielichtigen Viertel der Stadt und blieb bei dem Anblick der sich ihm bot wie angewurzelt stehen.

Dort die Straße hinunter waren hell erleuchtet die halbrunden Vorhänge am Dach von Ichirakus Nudelsuppenrestaurant, am Bürgersteig parkte mit glühenden Rücklichtern und laufendem Motor der Krankenwagen- und wer da eben zwei Schüsseln Ramen zum Mitnehmen einpackte, hatte blondes Zaushaar, Narben auf der Wange und einen Augenkrebs erzeugend orangefarbenen Overall.
 

Augenblicklich warf er sich flach an die Wand in Deckung. Hoffentlich hatten sie ihn nicht gesehen...
 

Vorsichtig lugte er um die Ecke.

Da stand der Blonde und lachte den verfluchten Nudelsuppenverkäufer an, der Idiot. Nicht einmal stehen bleiben wie ein normaler Mensch konnte er, dieses Herumgetänzel von einem Bein aufs andere, dieses Tippen mit der Fußspitze auf den Boden hatte er schon seit er ihn kannte. Der Ton dieser durchdringend lauten Stimme war anders geworden als früher- dunkler, männlicher, aber er schallte immer noch unverkennbar die Straße hinunter, auch wenn man kein Wort verstand. Ja ja, musste Nudelsuppe essen lustig sein. Was hatten die nur so lange zu reden?
 

Endlich drehte der Uzumaki sich um und stieg zurück in den Wagen. Was war das für eine Hand, die sich ihm da entgegen streckte? Wer war bei ihm? Etwa der selbe Typ von damals, bei der gesprengten Dealerwohnung..?
 

~
 

Naruto gähnte sichtlich gerädert und öffnete den Deckel seines Mitnehmbechers. Shikamaru tat es ihm gleich. Routiniert knackten sie Einwegstäbchen und begannen einträchtig zu schlürfen.
 

„Ohne Scheiß“, meinte Shikamaru erst nach einigen Momenten, als er die Hälfte gegessen hatte,

„Du siehst fertig aus. Ist dein Lieblingskaktus gestorben?“

Naruto grunzte unbegeistert. „Nein, dem geht’s gut“

„Hmmm... dann lass mich raten, warte-... dein Ex hat dir klar gemacht, dass ihr lieber nur Freunde bleiben solltet und jetzt schmollst du, weil du die letzten paar Wochen keinen Sex hattest und alleine nicht einschlafen kannst?“

Naruto verschluckte sich an einer besonders fiesen Nudel und verbrachte die nächsten Momente damit, in die Suppenschüssel zu husten.

„Alter“, brachte er dann röchelnd heraus, „Ich... hatte einfach nur ein paar echt harte Nächte, okay? Nicht deswegen!“
 

„Schon klar“

Shikamaru justierte den kleinen Bildschirm der Kamera an der Heckseite des Wagens und warf einen kurzen Blick darauf.
 

„... Wir haben übrigens einen Stalker“
 

Naruto blieb der Bissen im Hals stecken.

„Hngrh?“, grunzte er irritiert.

„Mmh ... schwarze Haare... ist das der Typ von der Drogenhöhle da neulich, der dich zerfleischen wollte, weil du ihm Sauerstoff gegeben hast?“
 

Narutos Kopf ruckte hoch.

Auf einen Schlag war er hellwach und starrte auf den Bildschirm.

„... Zoom mal näher ran, ich kann gar nichts sehen!“
 

„Oh mann, dann ist alles verstellt und ich kann es wieder hinfummeln! So nervig...!“

Shikamaru zoomte.
 

Zum Vorschein kam eine Straßenecke, eine leicht angerostete Regenrinne und nur bei äußerst genauem Hinsehen ein paar schwarze Schatten merkwürdiger Form, die mit viel Fantasie ein paar Haarsträhnen sein konnten... Naruto kniff die Augen zusammen.
 

„Herzlichen Glückwunsch, dein Stalker!“, kommentierte Shikamaru ungerührt,

„Der will dir sicher persönlich danken, dass du ihn letztens so hoch motiviert ins Leben zurück geholt hast... mann, der war gleich danach schon so maßlos begeistert...“
 

Naruto löste sich ungläubig vom Bildschirm, kurbelte das Fenster herunter und reckte den Kopf heraus, um ihn angestrengt so zu drehen, dass er möglichst einen Blick um das Fahrzeug herum werfen konnte. Mit wenig Erfolg. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder mit sehr eng und konzentriert zusammengekniffenen Augen auf die Kamera. Mit noch weniger Erfolg. Nach einiger Zeit ließ er sich schnaufend zurück an die Rückenlehne des Sitzes fallen und hob seine Stäbchen. Mit mürrischer Miene widmete er sich seiner kurzzeitig vernachlässigten Nudelsuppe und schlürfte hingebungsvoll.
 

„Du glaubst, ich verarsche dich?“, meine Shikamaru mit ungläubigem Blick von der Seite, „Wieso sollte ich mir sowas ausdenken? Ich mach mir ein bisschen Sorgen, das ist alles!“
 

Kopfschüttelnd gab er dem Bildschirm der Rückspiegelkamera einen Fingerschnipp.
 

„Immerhin hab ich am wenigsten Ahnung was hier gespielt wird... Ist das dein Dealer? Dein Freund? Dein psychopatischer Mitbewohner, dem noch ein paar Skalps in seiner Trophäensammlung fehlen?“
 

„Tze! Nein-... das-... wir...“, Naruto rang nach Worten und fuchtelte kauend und augenrollend mit seinen Essstäbchen durch die Luft, „Das ist kompliziert. Und ich glaube nicht, dass du mich verarschst, ich glaube nur du siehst Sachen-... die ich nicht sehe..! Was waren das nochmal für Pilze auf deiner Pizza...?“
 

"Tze..." Shikamaru warf kopfschüttelnd noch einen Blick auf den Bildschirm. „Du bist einfach blind wie ein Grottenolm oder so was. Ich sag´s dir, wenn das dein territorialer Kampfstecher ist, der mich gleich anfällt, weil ich im selben Wagen mit seinem Boytoy sitze, kannst du in Zukunft mit jemand anderem fahren“
 

Naruto gab ein belustigtes Schnauben von sich und ließ schwer den Kopf zurück auf die Lehne fallen.

„Du bist so ein Depp...“
 

„Ja, lach nur! Noch lachst du! Dir wird das Lachen vergehen, wenn der hier frontal durch die Windschutzscheibe kracht und deinen treuen, unschuldigen Kollegen massakriert! Dann fährst du den Rest der Schicht alleine und kannst auch jeden Blutspritzer allein aus den Polstern schrubben! Hoffentlich hinterlasse ich so richtige, fiese Flecken!“
 

„Oh mann, Nara...“
 

Naruto zog seine Beine an, um sie entspannter am Amatourenbrett abzustützen und sich aufatmend in bequemere Position zu bringen. So ganz konnte er seinen Blick allerdings auch nicht abwenden, als Shikamaru es einfach nicht lassen wollte am Fokus der Rückspiegelkamera herumzudrehen.
 

Der merkwürdig geformte Schatten hinter der Regenrinne bewegte sich kurz und eindeutig. Naruto erstarrte und hielt mitten in Nudelkauen inne.

„Scheiße!“, stieß er hervor, „Da steht ja echt jemand!“
 

„Wirklich!“, stöhnte Shikamaru laut und resigniert, „Glaub mir halt, wenn ich was sage! Natürlich steht er da! Wahrscheinlich steht er sogar da mit seinem Munitionsgürtel und seiner Panzerfaust und pustet uns gleich in die Luft!“
 

„Schhh! Verdammt! Scheiße!“
 

Naruto wischte sich rasch mit dem Ärmel den Mund, stellte schleunigst den Nudelsuppenbecher beiseite. Ein paar Momente lang sah er ratlos, aber bemüht konzentriert geradeaus ins Nichts, atmete sehr tief durch. Dann schien er zu grübeln. Er hob den Daumen zum Mund, knabberte leicht am Fingernagel und zwang ihn wieder von sich.
 

Einen Entschluss fassend streckte er Zeige- und Mittelfinger vorsichtig zum Griff der Tür um sie zu öffnen, hakte ein und zog leicht an. Mit hörbaren Klacken löste sich der Verschluss. Die Tür des Wagens schwang auf.
 

Augenblicklich verschwand der Schatten hinter dem Regenrohr auf dem Kamerabildschirm im sicheren Dunkel der Hausecke.
 

„Lass ihn“, flüsterte Shikamaru so eindringlich, wie er das nur hinbekam ohne zu laut zu werden.
 

Naruto drehte nur den Kopf und sah sich zu ihm um. Seine weiten Augen sprachen eine deutliche Sprache. Shikamaru schüttelte vehement den Kopf zu dieser Idee.

„Vergiss es! Oh nein! Auf keinen Fall!“
 

Naruto hielt den Blick, seine Augen wurden noch ein wenig größer, ein Flackern von Bedauern schlich sich in seine Züge-... und dann glitt er in einer blitzschnellen Bewegung vom Sitz.

„Nein!“, zischte Shikamaru, griff nach ihm, erwischte ihn nicht mehr, „Verdammt, Naruto! Bleib hier!“
 

Der Blonde schloss die Wagentür von außen mit leichtem Schwung.

„Sasuke?“, fragte er ahnungslos in die Nacht.
 

~
 

Sasuke war flach an die Wand des Hauses gepresst, nur ein paar Meter weiter. Ein heißer Schauder, nervöses Zucken im Unterbauch-... schon allein diese Stimme seinen Namen sagen zu hören, löste so etwas aus. Das konnte nicht gesund sein! Seine Handflächen waren nass. Sein Atem ging flach und heftig, aber zum Glück völlig lautlos. Er drehte den Kopf in die Richtung aus der das Geräusch kam:

Da waren ferne Schritte.

Seine feinen Ohren zuckten. Schritte auf dem Asphalt.
 

Er kannte ihren Rhythmus, ihr Gewicht, jedes kleine Detail-... schmale Lippen hoben sich über seine blanken Zähne. Verflucht.
 

Das letzte Mal hatte er ihn halb bewusstlos am Rücken liegend zurück gelassen. Schon wieder.

Er war ihm überlegen.

Sein ganzes Leben lang war er Naruto Uzumaki körperlich überlegen gewesen, wann immer sie ernsthaft gekämpft hatten, es gab nicht den geringsten Grund für so eine Reaktion-... also warum waren seine Knie weich wie Butter? Warum sträubte sich jedes Haar an seinem Körper? Warum zitterte er? Der Kehlkopf an seinem Hals zuckte heftig.
 

Er hörte das Schleifen der Schritte langsamer werden. Sachtes Scharren der Kiesel unter den Sohlen der Schuhe. Das sachte Geräusch des Overalls bei jeder Bewegung, das Reiben der Hosenbeine bei jedem Schritt. Sasukes schwarze Augen blinzelten. Er senkte leicht den Kopf, befeuchtete trockene Lippen.
 

„Sasuke?“, wiederholte diese vertraute Stimme seinen Namen ganz nah. Es klang gepresst. Leise. … Ängstlich? Vielleicht nur eine Armlänge von ihm entfernt war der Andere stehen geblieben, unsichtbar hinter der Mauer. Sasuke ließ den Hinterkopf leicht zurück fallen, spürte rauen Stein an der Kopfhaut.
 

Wieso war er nicht schon viel früher einfach weggegangen? Er hätte im ersten Moment umdrehen sollen, dann wären ihm sämtliche unangenehmen Variationen erspart geblieben, auf die das hier hinaus laufen konnte, aber-...
 

Er hörte ihn atmen.
 

Wenn er ganz still wurde und sich konzentrierte, war Naruto nahe genug um ihn atmen zu hören. Die vorwurfsvollen Gedanken in seinem Kopf wurden leiser, dann verstummten sie ganz. Sasukes Zittern ließ nach. Er drehte den Kopf etwas mehr.
 

Für einen kleinen, winzigen Moment schloss er sogar die Augen.

Die Schläfe hielt er gegen harten Stein gedrückt.

Der Rhythmus seines Pulsschlags pochte lautlos gegen das Innere seines Brustkorbs, lautlos und heftig. So sehr, dass es ein Bisschen weh tat.
 

Er kannte dieses Gefühl...
 

Es war eng verknüpft mit der Erinnerung an Beschimpfungen und Gefluche... an verbissene Schlägereien. Heißen Schmerz in jeder erdenklichen Variation. Kratzen, Beißen, Boxen, Treten, an den Haaren ziehen-... gemeinsamen Flurputzdienst zur Strafe, der darin endete, dass sie sich in erbittertem Zorn nasse Lappen um die Ohren schlugen... Arroganz und Bissigkeit den ganzen Tag über, Provokation, bis einer von ihnen endlich einmal wieder zuschnappte. Gegenseitiges ins-Gesicht-Schnippen von Kartoffelbrei im Speisesaal, bis einer kurzerhand das Tablett griff und es dem Anderen über den Schädel zog-...
 

Die Erinnerung an gemeinsames Knien im Flur, nebeneinander, voller Trotz, eine gefühlte Ewigkeit lang bis zur Urteilsverkündung... Iruka- senseis irrwitzige Idee, sie in ein Doppelzimmer zu legen... Zusammen.
 

Und all die Nächte danach Narutos Atmen im anderen Bett...
 

Dieses ruhige, gleichmäßige Geräusch... und das sanfte, unerträgliche Pochen von Schmerz dabei, im Pulstakt gegen seine Rippen.
 

Sasuke blieb vollkommen regungslos.
 

Und dann startete jemand den Dieselmotor, der Krankenwagen in ein paar Metern Entfernung erwachte mit lautem Brummen zum Leben. Es durchfuhr den Uchiha wie ein Blitz, in geschmeidiger Bewegung stieß er sich von der Wand in seinem Rücken ab, seine Augen glommen ein letztes Mal im Schein der nahen Straßenlaterne, dann verschwand er in den Schatten.
 

Naruto riss der gleiche Lärm seinerseits aus der Erstarrung, er stieß sich das letzte Stück vorwärts, griff mit der Hand an die Regenrinne, wirbelte um die Hausecke... und alles was er noch sah waren Schuhsohlen in der Ferne, die sich im Laufschritt von ihm entfernten.
 

„Sasuke!“, bellte er hinterher, seine Stimme auf einmal wieder laut und voller Entschlossenheit, „Du schuldest mir noch ein paar Kopfschmerztabletten! Du Wichser!“
 

Aufgewühlt fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar, sah zu Shikamaru auf, der den Wagen neben ihn lenkte und sich aus der Fensteröffnung der Fahrertür lehnte.
 

~
 

Sasuke zitterte innerlich, versuchte das lästige Gefühl abzuschütteln und biss die Zähne aufeinander. Kopfschmerzen? Geschah ihm ganz Recht.
 

Er weigerte sich, Schuldgefühle an sich heran kriechen zu lassen.

Was er jetzt am nötigsten brauchte war Ablenkung. Irgendetwas, das die Erinnerung aus seinem Kopf brannte. Die tobenden Gefühle machten ihn wahnsinnig. Er wollte- er konnte nicht mehr über irgendwas nachdenken, er wollte im Moment nur noch eins: Stille. Auslöschung. Weißes Rauschen.

Seine letzte Dosis Stoff hörte schon wieder langsam auf zu wirken und weil er bestrebt war, innere Stimmen zum Schweigen zu bringen, zog es ihn unwiderstehlich zu äußerem Lärm, grellem Stroboskoplicht, zu Rausch, Sex und ohrenbetäubendem Bass. Jetzt war es sowieso egal. Kein Grund mehr, warum er den Schein wahren und sich bedeckt halten sollte. Wo es Fitnessstudios wie das „Be Gai“s gab, musste es auch Gayclubs geben und vielleicht war so etwas genau das, was ihm im Augenblick gut tat.
 

Ein paar Straßen weiter war das „Rasengan“.

Blau strahlte der Name in großen Lettern über dem silbernen, wuchtigen Gebäude in den matten Nachthimmel. Das Wummern der Musik war noch vor dem Eingang auf der Straße durch die Schuhsohlen im Asphalt zu spüren.

Genau das Richtige.
 

In seiner Hosentasche krampfte sich seine Faust um kleine Päckchen. Er wollte eintauchen. Tief.

In den dunklen, betäubenden Pool aus Rausch, Lust und pumpendem Rhythmus.
 

~

Dive in the Pool

~
 

Kakashi atmete tief durch. Seine silbernen Haare waren leicht zerzaust, die Halbmaske über seinem Gesicht wie immer sorgfältig bis unter die rot umrandeten Augen gezogen. Hier stand er, im Auge des Wirbelsturms, mitten auf der Tanzfläche im Rasengan.
 

Um ihn herum blitzten Lichter in verschiedenen Farben, kleine Leuchtpunkte flirrten in einem weiten Schwung über die Menge, führten den gleißenden Wirbel von spiralförmig aufblitzenden LED- Lämpchen an der riesigen Kuppeldecke weiter, der einen in einen hypnotischen Bann zog sobald man nach oben sah.
 

Eine wogende, brodelnde Masse aus halbnackten Körpern schwappte zum Pumpen und Rollen der Musik gegen ihn. Er ließ den Kopf in den Nacken sinken, schloss die Augen, öffnete seine Handflächen nach außen und spürte wie den ersten Schnee des Jahres herabregnende Glitzerflocken auf seinem Gesicht. Das Rasengan war ein Gay- Club voller Kitsch und Klischees, aber vielleicht kam er gerade deshalb so gern hier her. Es fühlte sich herrlich vertraut an und irgendwie so... nostalgisch. Und wunderbar unkompliziert.
 

Er musste einfach nur hier stehen und schon wollten alle möglichen Leute mit ihm... Kontakt aufnehmen. Kein kompliziertes Vorgeplänkel, keine Angst vor Zurückweisung, kein „Lass-uns-über-das-zwischen-uns-reden“. Einfach unverbindliche, wohlwollende, neugierige Berührung. Ohne Kommentar oder Vorstellung streifte jemand in all dem Gedränge ab und zu flüchtig mit der Hand über seine Schulter, manche ließen beim Tanzen die Finger über seinen Hintern oder die Oberschenkel gleiten, besonders Mutige kniffen sogar etwas zu.
 

Er hieß sie alle Willkommen.
 

Vielleicht war er im normalen Leben nicht leicht zu händeln... aber hier saugte er Nähe und Aufmerksamkeit in sich auf wie ein Schwamm. Außerhalb dieses Nachtlebens hatte und wollte er Niemanden. Hier konnte jeder der Nächste sein. Die Welt war voll von unglaublichen Möglichkeiten. Und war das nicht etwas Wunderbares?
 

Jemand schob sich von hinten an ihn heran, ließ ihm unvermittelt seine Hand direkt in den Schritt gleiten um ohne Umschweife zuzugreifen, langsam und nachdrücklich die Umrisse durch die Kleidung hindurch zu umfahren, in eindeutiger Absicht zu streicheln und damit nach der ersten Überraschung einen Wirbel aus Interesse heraufzukitzeln, fast so hypnotisch und pulsierend wie die glitzernde Spirale dort über ihnen-... Whoa...
 

Das war... ungewöhnlich.

Und nicht so, wie er Angebote sonst annahm. Aber er war definitiv offen für Neues. Noch widerstand er der Versuchung, sich umzusehen. Die Unwissenheit so lange wie möglich aufrecht zu erhalten war Teil des Thrills. Der Andere schien jedenfalls genau zu wissen was er wollte, Kakashi spürte den großen Körper, roch diesen schweren Duft von Leder und kühlem Aftershave... genoss die Hand zwischen seinen Beinen, die mühelos genau die richtigen Stellen fand-... Mmh... zwischen wogenden Körpern und pulsierendem Beat ließ er seinen Kopf nach hinten sinken, fand die kräftige Schulter des Anderen. Muskulöse Arme umschlossen ihn. Seine Augenlider sanken auf Halbmast, die Pupillen rollten aufwärts, fixierten den gleißenden Strudel über ihnen der blitzte und flirrte, die Farbe von weiß zu blitzend blau zu blutrot wechselte, sich als Spirale in seinen glasigen Augen spiegelte und seine Lebensenergie ins Universum saugte. Kakashi war bereit zu fallen.
 

Er war bereit, sich völlig in der Stimmung aufzulösen, ein Teil der Masse zu werden-... Die harte Hand des Anderen schob sich tiefer, packte ihn und rollte seine empfindlichsten Stellen zwischen festen Fingern. Ein kleines, heiseres Geräusch löste sich aus seiner Kehle-...
 

Da spürte er in seiner Hosentasche ganz deutlich wieder das verdammte Handy vibrieren.
 

Zur Hölle...?
 

Zähneknirschend unterbrach er die Stimmung, krümmte sich vorwärts, quetschte die Finger dazu, zog es hervor, warf im chaotischen Halbdunkel einen Blick auf das leuchtende Display. Schon wieder Iruka! Augenrollend stopfte er das Gerät tief zurück und beschloss es den Rest der Nacht zu ignorieren. Diesmal aber wirklich. Er hatte keine Ahnung was mit dem Mann los war! All die Jahre war er ein ganz normaler Kollege gewesen, sie hatten sich gegenseitig respektiert, waren sich aber im Großen und Ganzen sehr aus dem Weg gegangen. Und jetzt?
 

Seit er wegen diesem Rattenproblem in seinem Wohnblock aus der eigenen Wohnung ausgelagert worden war und bei Iruka netterweise eine – wohlgemerkt, vorübergehende - Unterkunft gefunden hatte, verhielt der Gute sich merkwürdig.
 

Gestern Abend zum Beispiel war er nichts ahnend vom DVD- Verleih zurückgeschlendert, in der Hoffnung auf einen entspannten Abend allein, mit einem schönen Bier, einem Pornofilm-... und hatte sich unverhofft in einer abgedunkelten Wohnung wieder gefunden.
 

Kerzenlicht...

Selbstgekochtes Essen...

Schmuserock als Hintergrundmusik!
 

Und seine Reaktion? Schweißausbrüche!

Iruka hatte anscheinend wirklich eine seltsame Art von Humor.
 

Ob das etwas zu bedeuten hätte, hatte er gewagt zu fragen, während er mit sehr flauem Gefühl im Bauch auf dem Stuhl Platz gegenüber von seinem Gastgeber Platz genommen hatte. Irgendeine Art Jahrestag? X- Jahre gemeinsame Jugend- und- Heimerzieher- Geschichte im Konoha- Heim für Ein-Personen- Katastrophen?
 

Nö, hatte Iruka völlig unbeeindruckt behauptet, er hätte einfach Lust zu Kochen gehabt, und Schmuserock fände er irgendwie so entspannend.
 

Hmmm...
 

Überzeugt war er davon nicht wirklich gewesen, denn-... mal ernsthaft, Möhrchen in Herzform? Klar, hatte Iruka geantwortet, mit beeindruckend gutem Pokerface das man ihm sonst gar nicht zutraute, er hätte vor Urzeiten dieses Gemüse- Schnitz- Set geschenkt bekommen und sich heute spontan entschlossen, das endlich zu testen.
 

Kein Kommentar...

Aber dann auch noch Rotwein zum Essen!
 

Kakashi war kein Freund von Rotwein... nicht, dass er den nicht mochte, das schon, aber irgendwie... war das schon wieder so verkrampft. Rotwein zum Essen war so bedeutsam. So... spießig.
 

Irgendwie war er mehr der Typ für Bier, aber wenn sein momentaner Zwischen- Vermieter ihm schon ein Glas einschenkte und ihn mit diesem lauernden Blick in die Mangel nahm, musste er ja gezwungenermaßen daran schnuppern und nippen und anerkennend etwas von fruchtig- schokoladiger Note brabbeln. Als ob er mehr Ahnung von Weinverkostung hätte, als ein Fisch von Fußball...
 

Zu allem Überfluss hatten ihn auch noch irgendwelche Volldeppen mit SMS bombadiert! Es gab Momente, in denen die Wahl eines Klingeltons besonders peinlich war, aber immer wieder war zwischen verkrampftem Small Talk gnadenlos das unverkennbare Zischen und Gleiten von Justin Timberlakes „Sexy Back“ aus seiner Hose gescheppert und jedes Mal hatte er wieder hektisch nach dem Ausknopf getatscht, während ihm hinter seinem Rotwein und seinem Herzmöhrchen- Feinkostfutter auf dem Stuhl immer heißer geworden war. Denn verdammt nochmal, er musste schließlich auch immer gleich lesen was Leute ihm schrieben, das konnte ja wichtig sein.
 

„Hey Kakashi, Bock auf nen flotten Dreier? War geil letztes Mal ;-) Izumo & Kotetsu“
 

„Grüße! Hab neues Zeug. Suche Testperson. Meld dich!- Cocoon“
 

„Aloha, du Verlierer der Jugend!!! Ich gebe es ungern zu, aber den letzten Sauna- Marathon hast du knapp gewonnen. RE- MATCH?!?!? - Mighty Gay“
 

Danach hatte er das Ding auf lautlos gestellt und irgendeine Entschuldigung erfunden die etwas mit „Hundefutter kaufen“ zu tun hatte. Unnötig zu erwähnen, dass er schneller aus der Tür heraus war, als man „Bindungsangst“ sagen konnte. Seit gestern Abend war er nicht mehr richtig zuhause gewesen, aber das war kein ungewöhnlicher Zustand. Feiern, vögeln, erst im Club dann auf irgendeiner Privatparty, irgendwo ein paar Stunden einschlafen, zerknittert aufwachen, duschen, umziehen, arbeiten gehen, weiterfeiern... Warum kam er wohl so oft zu spät und hatte diesen übernächtigten Ausdruck in den Augen?
 

Iruka übertrieb es einfach mit seiner gluckenhaften Sorge um ihn. Er musste doch nicht ständig wissen, wo er war. Der Mann nahm seinen Beruf viel zu ernst... der sollte einfach mal lockerer werden...
 

Auch wenn er ungern Gai rechtgeben wollte- ein Hoch auf die Götter der Jugend. Wegen grauem Haar und Ü-30- Partys bekam er zwar keinen Schreikrampf- aber so lange man noch nicht für Sex bezahlen musste, sollte man das doch ausnutzen so gut es ging...
 

~
 

„Oh mein Gott“, bemerkte Neji, sein blasses Gesicht erleuchtet von blitzendem Licht, strudelnden Leuchtpunkten und herunterrieselnden Glitterflocken, „Die spielen Petshop Boys? Ernsthaft? Sind wir schon wieder auf einer „Zurück-in-die-80er“-Party?“

„Komm schon, das ist ein Remix!“, rief Kiba mit im Licht glühenden Reißzähnen gegen den Bass an, „Und ich liebe den Song!... Let´s take a ride, run with the dogs tonight... in suburbia...!“

„Wenigstens nicht schon wieder Gangnam Style“, Neji schauderte leicht.

„Was?!“, protestierte Lee lautstark, „Ich liebe Gangnam Style!“

„War ja klar“, Kiba grinste breit, hob den Arm und flickte dem Hyuga mit einem Fingerschnipp Silberglitter von der Schulter, „Aber keiner will dich tanzen sehen und der arme Gaara kann sich nicht wehren! Übertreibs nicht schon, bevor ihr richtig loslegt!“

„Mein Junge hier ist hart im Nehmen!“, fürsorglich schlang Lee einen Arm um Gaaras Schulter und tätschelte ihn, „Der ist ganz andere Sachen gewöhnt!“

„Darauf würde ich wetten“, Kiba lachte, „Aber für alle anderen musst du Kotztüten verteilen, das gibt ne schöne Sauerei!“
 

„Ich hätte nicht herkommen sollen“, seufzte Neji leidend und rieb sich sehnsuchtsvoll mit der Hand übers Gesicht, „Ohh... Seht euch all die Leute an! Alle tanzen, trinken, freuen sich ihres Lebens~...“

„Ficken nach Herzenslust...“, ergänzte Kiba hilfreich. Neji stöhnte gepeinigt auf und war der Nächste, der von Lee tröstend getätschelt wurde.

„Wie kannst du nur so gemein sein!“, brüllte der Mann mit dem lackschwarzen Topfschnitt gegen die Musik an, „Der Arme sitzt inzwischen so lange auf dem Trockenen, dem laufen schon die Ohrläppchen blau an, stimmt´s Neji?“

Neji schmollte mit hoheitsvoll- kläglicher Miene vor sich hin.
 

„Ist sein eigenes Pech! Er muss einfach mal selbst die Initiative übernehmen“, Kiba ruckte mitleidslos mit dem Kopf in Richtung Hyuga, „Auf dem Arsch sitzen und auf Sensationen warten hat vielleicht bei Uzumaki funktioniert! Aber jetzt ist ein bisschen mehr Action angesagt! Was dir nur gut tun wird, wenn du mich fragst!“
 

Indigniert wandte Neji den Kopf ab, lange, seidige Haarsträhnen rutschten nach vorn über die Schulter, bevor Verzweiflung und Ratlosigkeit seinen Blick zurück brachten.
 

„Weißt du, das sagt sich so leicht!“, rief er, „Aber so was hab ich noch nie gemacht! Was soll ich denn anstellen? Was, wenn er mich dann auf einmal … pervers findet oder billig und unanständig?“
 

„Aber Neji!“, Lee war geschockt, „Wie kommst du auf sowas? Schau dich an! Welcher normale Mensch könnte dich je für billig zu halten?!“

„Ja, mann“, Kibas Grinsen zog sich von einem Ohr zum Anderen, „Du darfst halt die Rolex nicht ausziehen!“
 

Während Neji dem lachenden Inuzuka ein, zwei herzhafte Fingerknöchelstöße mit Schwung in die Rippen pumpte, gab es für Gaara Zuwendung und Aufmerksamkeit. Der Rotschopf blinzelte schwer. Er war unüblich warm angezogen für den dunstigen Club, ein weißer Schal vermummte sein Gesicht bis zur Nase. Lee schob die Finger in seine roten Strähnen, gab ihm einen Kuss auf den Augenwinkel und kraulte ihn, sprach mit ihm, bekam Blickkontakt und ein kleines Nicken.
 

„Ich brauche jetzt einen Drink“, schnaufte Neji finster, als er eingesehen hatte, dass es mehr brauchen würde, um Kibas Gelächter zu stoppen, als er austeilen konnte ohne von Sicherheitsleuten vor die Tür geschleift zu werden.
 

„Scheiß auf die Kalorien, heute Nacht gibt es Alkohol.“
 

„Yeah, wir trinken auf Nejis außerordentlich glatten Hintern!“, brüllte Kiba gegen die Musik an und klopfte ihm auf die Schulter, „Heute morgen noch ein gerupftes Hähnchen, abends der stolze Schwan- Mister Sexy persönlich!“
 

„Mein Hintern war vorher schon glatt“, motzte Neji empört, „Es ging um die Beine, okay?“

„Was ist das eigentlich für ein Job?!“, interessierte sich Lee, „Für den du total glatte Beine brauchst?“
 

„Ah", Neji seufzte, wedelte abwehrend mit der Hand durch die Luft, "ihr kennt doch die Geschichte von diesem Agentur- Typen, der mich in der Stadt vor diesem Café einmal angesprochen hat?“
 

„Klar!“

„Naja und das lief eben über den... das eine ist Kaffee-Werbung, das zweite ist fürs Hotel. Ich will das jetzt nicht ernsthaft irgendwie als festen Job machen oder so, klar, aber ich dachte, naja-... wenn man schonmal die Chance hat-...?“
 

„Kein Neji- PinUp- Kalender?“, Kiba zog eine gespielt enttäuschte Schmollmiene
 

Der Hyuga reckte sein Kinn höher:

„Ich habe dieses Jahr zufällig die Leitung im Marketing für unser neues Projekt", seine Stimme war kühl und bestimmt, "Das ist nichts anzügliches- total professionell und künstlerisch wirklich hochwertig! Wir hätten ein externes Model buchen können, aber das wäre teuer gewesen, und-... auf diese Weise bleiben die Ausgaben im Betrieb.“, er hob eine Schulter.
 

Kiba lachte, „Und die Preisfrage iiist... wird dein Onkel das jetzt wohl toll finden, dass du Budget gespart hast, oder wird er einen Blutsturz kriegen, weil sein vielversprechender Neffe sich mit nackten Schenkeln auf einem Werbeträger räkelt?“
 

„Das-... ist mir ehrlich gesagt scheiß egal!“, schnaubte Neji errötet, „Her mit dem harten Zeug!“
 

„Yeah! Gut so!“, Lee war begeistert von diesem Ausbruch an Kampfeswut, „Dann klappt´s auch mit deinem Nara! Komm über ihn wie eine Naturgewalt! So dass er hinterher nur noch hechelnd daliegt und nicht weiß, was ihn überfallen hat! Zeig ihm das wilde Feuer der Jugend! Woohooo!“
 

Neji, wieder einmal vom Klammergriff in Lees überschwänglichem Enthusiasmus geschüttelt, hob den Zeigefinger:

„Alkohol. Bitte.", gab er von sich, "Sofort.“

„Haha! Klar, was willst du?“

„Mh... Cosmopolitan.“

"Kiba, du?"

„Ich nehm ein Bier“

„Gut", jubelte Lee, "Ich will Dr. Pepper und Gaara kriegt ein Mineralwasser. Hat jemand kurz einen Stift?“
 

„Hey!“, aus der Masse tanzender Männer kam kichernd und glucksend Hinata heran gestolpert, „Guckt mal, was mir jemand geschenkt hat! Voll nett, oder?“, sie setzte sich einen Haarreif mit flauschigen, halb herabhängenden Hasenöhrchen auf und legte strahlend den Kopf schief. Kibas Augen glommen jagdlustig auf. Er schlang seinen Arm um sie, nahm sie in festen Griff, um ihr mit heißem Atem und spitzen Zähnen am Hals zu knabbern:

„Oh ja... zum Anbeißen, mmmrrh“

„Yieks!“, quietschte sie lachend, „Du kitzelst mich! Ahaha! Hör auf! Kiba!“

„Zu spät! Ich rede nicht mit meiner Beute! Heute Nacht gibt es Hasenbraten!“

„Kibaaaa!“
 

„Ach du sch-...“, entfuhr es Neji plötzlich, der den Blick auf eine der geschwungenen Treppen gehoben hatte, die die runde Tanzfläche säumten. Er schlug seinen Handrücken mit Schwung an Lees Arm, um Aufmerksamkeit zu bekommen, „Schaut mal wer da ist..!“

"Huh, was?"

Aller Augen hoben sich, folgten der Richtung in die er zeigte.
 

Dort, an der Spitze der Treppe stand jemand, dem das Gebläse der Luftumwälzung das unheilvoll schwarze Haar zum Flattern brachte. Den Kopf hoch erhoben, den Blick in die Ferne, eine solche Präsenz ausstrahlend, dass die Leute zurückwichen ohne dass er es nötig hatte sie zu berühren.

"Sasuke!“, staunte Lee.

„...Uchiha.“, zischte Neji mit feindselig schmalen Augen.
 

Kiba zog nur seine Freundin näher und verbarg ein stilles Grinsen in ihrem Haar.
 

~
 

Er bewegte sich wie in einem unsichtbaren Energiefeld. Alles um ihn herum geschah wie in Zeitlupe. Es war ein unwirklicher Zustand. Eine Traumsequenz.

Seine Haare flatterten, die Schnallen an seiner Lederjacke wippten leicht bei jedem Schritt abwärts, vor ihm teilte sich die Menge in zwei Hälften wie das rote Meer. Selbst der Flitter schien nur um ihn herum zu fallen. Sasuke setzte einen Schritt vor den Anderen, hob den Kopf, schloss kurz die Augen und fand sich wieder über dem riesigen, tosenden Strudel des Rasengan, der ihn unwiderstehlich in sich hinein saugte wie der Mahlstrom.
 

Unter der offenen Lederjacke war sein Oberkörper nackt.
 

Schimmernde Haut spannte sich über harte Muskeln. An seinem Bauch zuckten und rollten sie leicht bei jedem Schritt die Treppe hinunter. Der klar definierte Oberkörper, das sanfte Tal seines Brustbeins das sich über den Bauchnabel abwärts streckte, um über dem Verschluss der Hose in samtiger, glatter Haut zu münden-... die leichte Wölbung der Hüftknochen seitlich...
 

Seiner Aura von Dominanz und Gefährlichkeit war er sich sehr bewusst, und genau so wurde er auch behandelt. Er hatte die Dinge im Griff. Zumindest wirkte er so. Die Menschen wichen vor ihm zurück, bestaunten ihn aus der Ferne, wünschten sich, dass etwas von seiner wilden Energie auf sie abrieb. Ihm gefiel diese Vorstellung. Er mochte Bewunderung.
 

Ohne weitere Umschweife tauchte er deshalb auch hinein in die Menge und besah sich das Angebot... Ein paar Meter vorwärts, ein Rundumblick, ein glühender Augenkontakt und schon hatte er einen blassen, blonden Jungen mit schimmernd blauen Augen erwischt. Der Fremde starrte ihn an, fast schon mehr Angst in seinem Blick als Vorfreude-... regungslos wie ein Kaninchen vor einer Schlange, bevor Sasuke ihn kurzerhand am Kragen fasste, näher riss und ihm nach kurzem Zögern tief und grimmig die Zunge in den Rachen schob.
 

Der andere schmeckte nach Erdbeerkaugummi. Und er bot keinen Widerstand.
 

Mit kalten, nervösen Fingern versuchte er Halt an der nackten Haut von Sasukes Brustkorb zu finden. Der Uchiha grollte leise und tief in der Kehle, als er den anderen leicht und sehnsuchtsvoll in die Lippen biss. Das brachte ihm erschrockenes Keuchen, Zittern und völlige Schreckstarre ein. Langsam zog er sich zurück, betrachtete das glatte Gesicht. Jetzt erst fiel ihm die seltsam ovale Form auf, die kleine Stupsnase-... der reichlich fremde Gesichtsausdruck. Wie hatte er das übersehen können? Dieser Typ war nicht einmal richtig blond sondern wasserstoffgebleicht... ernüchtert stieß er ihn von sich.
 

Der nächste Fang den er machte-... er hielt sich nicht mit Flirten und Vorspiel auf, sondern zog einfach ein Stück weiter den Nächsten der ihm gefiel aus der Menge... hatte zerzaustes, aschblondes Haar, ein Lippenpiercing und rebellisch geschminkte Augen. Naturblond, immerhin... Und nicht so langweilig wie der erste. Vor ihm baute er sich auf, ließ seinen glühenden Blick von oben nach unten sinken. Er wusste gut, was seine Körpersprache für eine Wirkung hatte und heute Nacht zog er alle Register, streckte den Rücken, neigte einladend den Kopf-... mit Erfolg.
 

Der Andere drängte ihm mutig entgegen, hatte keine Angst auch auf Körperkontakt zu tanzen. Hellgrüne Augen blitzten mit sehr großen Pupillen, er grinste ein lüsternes Grinsen, legte frech den Kopf schief, als Sasuke ihn mit einer Hand auf dem Brustkorb zurück schob-... und dann, als er endlich durfte, kam er nah, ließ seine Hand auf die Hüfte des Uchiha rutschen, rieb die Nase am Schwung des Unterkiefers vor dem Ohr. Sasuke stand da wie versteinert, den Kopf leicht geneigt, die Augen geöffnet-... und reagierte auf die kühlen, lockenden Lippen an seinem Mund. Er küsste und ließ sich küssen. Aber als sie sich schließlich lösten, ließ er seine Augen über das Gesicht des Anderen huschen, rieb ihm sanft und ein wenig ratlos mit dem Daumen die glatte Wange, als würde er etwas vermissen.
 

Auch den zweiten schob er nach kurzer Zeit weg und anstatt noch mehr Versuche zu starten strebte er erst einmal in Richtung der nächsten Alkoholquelle. Grimmig verkrampften sich seine Kiefermuskeln. So wurde das nichts.
 

Wahrscheinlich musste er erst etwas trinken...
 

~
 

Kakashi steckte inzwischen mit durchgewölbtem Rücken und hohem, pochendem Puls an der Bar zwischen zwei großen, gnadenlosen Händen, die seine Zweifel im Sturm niederzwangen. Die erste lag tief hinten in seiner Hose und ließ die Finger in langen, genüsslichen Kreisen über beide Hinterbacken und in das schmale Tal dazwischen gleiten, die andere hielt ihn vorn fest im Griff um ganz langsam zu pumpen. Quälend, aufreizend, vollkommen in Kontrolle.
 

Später würde er nicht mehr sicher sein ob es der Alkoholpegel im Blut war, die Amphetamine, das Amylnitrit oder einfach nur der scharfe Lederkerl auf dem Barhocker vor ihm, dessen Atem nach torfigem Whiskey schmeckte und dessen Zunge in sicherer Dominanz seinen Mund in Besitz nahm. Jedenfalls fühlte er sich so zittrig und ausgelaugt wie schon lange nicht mehr.
 

Starke Finger massierten sanft seine rechte Hinterbacke und je näher sie dem ungeschützten Zentrum kamen, desdo nervöser wurde er. Zwei dicke Fingerkuppen rieben mit leichtem Druck in die enge Spalte hinunter und er unterbrach keuchend das heiße, rollende Gleiten der Zungen für einen Moment, bevor der Andere ihn zurück zog. Seine Schenkel zuckten, er rieb sein Becken nach vorn. Längst saß er mit gespreizten Beinen auf dem Schoß des Anderen und er hatte keine wirkliche Ahnung wie das eigentlich passiert war. Denn einerseits machte es ihn zwar verflucht scharf- okay. Aber andererseits war er über das Alter irgendwem auf dem Schoß zu sitzen doch weit hinaus-...
 

Die Hand an seinem Hintern löste sich langsam aus seiner Hose, streichelte ihm den Rücken. Der fremde Mann löste den Kuss, rieb seine vernarbte Wange an Kakashis glattem Gesicht.
 

"Du bist heiß, Junge", grollte er anerkennend, "Sicher, dass wir uns nicht schon mal irgendwo gesehen haben?"

"Nicht dass ich-... wüsste", schnaufte Kakashi.

"Mmmmh... warst du beim Militärdienst?"

"… Jepp"

"Welche Einheit?"
 

Ein hohles Lachen drängte aus der Brust des Mannes mit den silbernen Haarzotteln, er schüttelte nur den Kopf.

"Eine, von der man nicht fremden Leuten im Club erzählt", meinte er.
 

"Ach ja?", der Griff der Hand vorn wurde enger, so weit bis Kakashi unwillkürlich mit dem Becken zuckte um dem langsam deutlicher werdenden Schmerz zu entgehen.

"Ich war Ausbilder...", raunten vernarbte Lippen ruhig lächelnd in seine Ohrmuschel, "Und Spezialist für Verhörtechniken... mal sehen, ob ich das nicht noch rausfinde..."
 

Etwas in Kakashi verkrampfte sich, und er versuchte ein selbstironisches Lächeln.

"Lieber nicht... von sowas hab ich wirklich die Nase voll"
 

"Ach ja?", mit ernsthaftem Interesse schob ihn der Andere auf Abstand, musterte ihn. Er hatte eine wirklich eindrückliche Erscheinung: Ein dunkles Tuch um den Kopf geschlungen, breite Narben quer über dem Gesicht, dunkle, schmale, durchdringende Augen. Seine Stimme war rau und finster.
 

"Warst du ein böser Junge?"
 

Kakashi blinzelte.

"Themawechsel", bemerkte er kopfschüttelnd.
 

"Mmh...", der Andere hob die Mundwinkel, griff ihm in den dichten Haarschopf am Hinterkopf und zauste ihn leicht und wohlwollend. Er gab ihm einen langen Kuss unter die Schläfe, dann noch einen knapp vor das Ohr...
 

„Wir sollten später einen kleinen Spaziergang machen“, raunte er.

"Mh... wo-...hin denn?“
 

Diese große Hand glitt schon wieder tief und wie selbstverständlich auf nackte Haut. Mit seiner Maske bis aufs Kinn hinuntergeschoben kam Kakashi sich peinlich entblößt vor. Er versuchte sein Gesicht an der Schulter des Anderen zu verstecken.
 

„Es gibt da diesen Club, den nennt man das „Darkside“....“, flüsterte der Fremde.
 

Etwas in Kakashi erstarrte zu Eis.

„... reicht dir-... unser schöner Darkroom denn nicht?“, seine Stimme klang seltsam substanzlos und heiser.
 

„... nicht für das, was ich vorhabe“, schnurrte der Andere ihm ins Ohr.

Langsam glitten runde Fingerkuppen kleine Kreise auf empfindlicher Haut. Kakashi biss sich auf seine Unterlippe.
 

„Wenn ich einen schönen Mann wie dich sehe", fuhr der narbengesichtige Mann mit dem Ledermantel leise fort, küsste mit offenen Lippen sein Ohr, "will ich ihn einfach weinen sehen... es gibt nichts was so wunderschön ist wie ein stolzer, starker Mann... der sich unterwirft...“
 

Kakashis Kehle verkrampfte sich bei den Worten. Seine Eingeweide wurden zum eisigen Klumpen. Er kämpfte sich auf schwache Beine, schob langsam aber entschlossen die streichelnden Hände von sich, zog sich zurück ohne sich noch einmal umzusehen und verschwand in der Menge.
 

„Hey“, klang ihm die raue Stimme noch hinterher, „Was soll das? Haust du ab?!“

„Ich-... muss aufs Klo!", brüllte er zurück, "Hab glaub ich was Falsches gegessen!“
 

Phew...

Erst an der dunklen Treppe zu Toiletten und Darkroom hinunter bekam er das erstickende Gefühl wieder halbwegs unter Kontrolle. In seiner Hosentasche vibrierte schon wieder das Handy. Irgendwie war er fast froh darüber. Es vertrieb die Betäubung und half ihm zurück an die Oberfläche der Wirklichkeit.
 

Fahrig wischte er sich mit der Handkante kalten Schweiß von der Schläfe.
 

„Psst“, zischte eine merkwürdig vermummte Gestalt aus dem dunklen Winkel im Flur vor dem Herrenklo, „Hatake... Ich hab dir ne SMS geschrieben. Du hast bis jetzt nicht geantwortet. Willst du was Abgefahrenes ausprobieren?“
 

Kakashi hielt inne.

Hochgeschlagener Kragen, runde Sonnenbrille, vermummtes Gesicht...
 

„Shino, mann...“, lachte er mühsam, „dass sie dich immer noch nicht erwischt haben?“
 

„Hey, meine Ware ist exklusiv. Und nicht illegal. Hier- die neuste Entwicklung: absolut bombastischer Cocktail aus präzise abgestimmtem Insektengift..."

Er zauberte aus den Tiefen seines Mantels eine kleine, blauweiße Tube hervor.
 

"Ich hab´s in normales Gleitgel gemischt. Pur führt es wahrscheinlich zu unangenehmen Nebenwirkungen... Spanische Fliege ist dir ein Begriff? Das hier ist selbst in verdünnter Form viel effektiver. Einmal aufgetragen sorgt es für absolute Geilheit und eine stahlharte Erektion. Macht jeden Benutzer willenlos scharf... Kostprobe gratis! Ich will nur deinen Erfahrungsbericht, hm? Und du solltest demnächst mal vorbei kommen, für ein paar Testreihen...“
 

Kakashi nahm die Tube zwischen zwei Finger um sie misstrauisch zu betrachten.

„... Heißt „Kostprobe gratis“, noch kein Mensch hat das vorher mal ausprobiert?!“
 

Shino schwieg vielsagend. Unheimlich glommen schwarze, runde Brillengläser in der Dunkelheit.
 

"Du bist so ein Freak", seufzte Kakashi und steckte schulterzuckend die Tube ein, "Ich geh pinkeln..."

"Sparsam auftragen!", klang es ihm hinterher, "Du wirst mich anbetteln für die nächste Portion!“
 

„Ist klar...“
 

Er stieß die Tür zur Toilette auf und atmete durch.

Glücklicherweise war im Moment hier nicht allzu viel los. Es gab Momente und Tage wo kein Mensch in Ruhe sein Geschäft erledigen konnte, weil alles voll gestopft war mit notgeilen jungen Kerlen, bis zum Haaransatz voll mit Hormonen. Heute war keiner davon. Immerhin.
 

Kopfschüttelnd ging Kakashi zu der Reihe der Waschbecken, um den Hahn aufzudrehen, seine Hände darunter zu halten und sich einen Schwung kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen.
 

Dann blinzelte er, hielt sich mit den Händen am Rand des Beckens fest und hob schließlich langsam den Kopf.
 

Ausdruckslos starrte er in das Gesicht, das ihm von dem riesigen Spiegel her entgegensah. Glitzerflocken in seiner wilden, silbernen Mähne, ein müder, ausgelaugter Ausdruck rings um die Augen. Wassertropfen plitschten von seiner Nasenspitze abwärts ins Waschbecken, er riss ein Papierhandtuch aus dem Spender und rieb sich damit ab.
 

Hinter ihm warf plötzlich mit lautem Krachen ein großer, schwerknochiger Mann mit dunklem, weitem Ganzkörperanzug die Tür auf und kam kopfschüttelnd in den Waschraum, kunstvolle Linien aus dicker, sattvioletter Schminke im Gesicht, eine Kapuze auf dem Kopf, deren Ecken rechts und links sehr betont wirkten, als sollten sie eine Art Ohren darstellen.
 

"Hatake, alles fit?", knurrte er.

Der Angesprochene warf einen Blick seitwärts ohne den Kopf zu drehen.
 

„Hey Kankuro.“
 

„Gut dich zu sehen, Mann! Ich sag´s dir. Es ist nicht zu fassen. Da will man einmal im halben Jahr entspannt clubben gehen- ein paar kühle Blonde, ein bisschen Speed-... kaum mach ich einen Schritt auf die Tanzfläche seh ich meinen kleinen Bruder da mit seinem Hardcore- Freund!", er schüttelte wieder den Kopf, so dass die spitzen Ohren leicht wippten, "Mein Abend ist total gelaufen!“
 

Kakashi seufzte.

„Bleib geschmeidig“, brummte er und pellte nebenbei doch wieder sein unvermeidliches Handy aus der Jeans,

„Der Junge ist volljährig, der will nur seinen Spaß...“
 

Seit gestern Abend zehn Anrufe in Abwesenheit? Was wollten die alle von ihm?
 

„Von mir aus kann er auch Spaß haben!", beschwerte Kankuro sich lautstark, "Aber doch nicht in meinem Club, Mann! Das sind Bilder, die die Welt nicht braucht! Weißt du wie abtörnend das ist?! Du wackelst lässig rum, alles schön geil und so und dann hast du auf einmal jemanden vor der Nase den du als kleinen Knirps kennst und den du mal versucht hast, von all sowas abzuhalten, was du selber machst!“
 

Kakashi zog seine Maske zurecht und schmunzelte darunter amüsiert.

"Warst ja eh nicht erfolgreich, also reg dich nicht auf..."
 

"Tze, du kapierst das nicht! Es sollte verboten sein, dass Leute für die man mal so was wie ein Vorbild war in die gleichen Locations weggehen dürfen wie man selbst!"

Der geschminkte Kerl mit der Katzenöhrchen- Kapuze schüttelte sich vor lauter Widerwillen, baute sich breitbeinig vor einem der Pissoirbecken auf, zog mit hellem Sirren den Reißverschluss herunter und packte aus.
 

„Das ist zum Kotzen! Jahrelang sieht man kein Haar von ihm und jetzt wo er sich ausgetobt hat, bevölkert er meine Clubs! Ich war vor ihm da! Siehst du, was für ein verdammtes Glück, dass wenigstens unsere Schwester auf Muschis steht! Auf meine Kontaktanzeige haben sich auch nur lauter Psychos gemeldet!“
 

Kakashis flüchtiger Blick zur Seite auf Kankuros wirklich beeindruckend breites Exemplar von Hosen- Anakonda war reiner Reflex. Er blieb vor dem Spiegel stehen und piekte einen Finger gegen die dunklen Ringe um seine Augen, die ihm jetzt erst bei all dem Licht richtig auffielen. Neben ihm rauschte ein kräftiger Strahl ins Wasser.
 

„Mh“, grunzte der Hatake unbegeistert, „Kontaktanzeigen sind doch blödsinnig... nimm dir lieber ne Gratisprobe von Shino und feier durch...“
 

„Weißt du was? Ich glaube das mach ich auch“
 

Kankuro pinkelte in Ruhe zu Ende, schüttelte ab, packte umständlich wieder ein und kam zum Waschbecken. Sein Blick traf Kakashis im Spiegel, als er sich die Hände wusch.
 

„Irgendwer hat was von ner Gang Bang- Party erzählt. Vielleicht schau ich da mal vorbei. Hey! Wenn es cool ist, schreib ich dir ne SMS! Dann kannst du ja auch noch kommen! Man sieht sich, Mann!“, zum Abschied klopfte er Kakashi auf die Schulter.
 

„Mmh... hey warte kurz-...", ein schneller Griff von Kakashi bekam ihn am Oberarm zu fassen,

"Hast du noch Poppers?“

Kankuro stutzte, kramte dann in einer der unsichtbaren Taschen seiner Kleidung und warf dem Anderen etwas zu das Kakashi mühelos aus der Luft fing.

"Danke, du hast was gut bei mir..."

"Schon gut, vergiss es"
 

Als die Tür von außen her zufiel, konnte Kakashi sich endlich auf die Liste verpasster Anrufe in seinem uralten Handy konzentrieren. Mal sehen... Eine SMS von Asuma hatte er vorhin verpasst:
 

„Morgen Training? - A“
 

Bisschen kurz, wenn das alles war, was er nach längerer Kontaktpause zu sagen hatte, aber Kakashi fand es sehr beruhigend überhaupt ein Lebenszeichen von ihm zu haben. Er hatte immer halb den Verdacht, dass seine Freundin ihm irgendwann in einem Anfall von Heißhunger wichtige Körperteile abbeißen würde. Schwangere Frauen waren doch einfach unheimlich. Die Vorstellung von Geburten war für ihn eng verknüpft mit dieser Chestbuster- Szene aus "Alien". Er schauderte leicht.
 

Acht von zehn Anrufen waren von-... Iruka. Er scrollte weiter zurück in der Liste. Zur Hölle..? Sakura, mitten in der Nacht? Diese bescheuerten Kids und ihre blöden Scherzanrufe. Wie kamen die nur immer an seine Privatnummer? Bestimmt war sie total besoffen gewesen und hatte sich mit ihren Freundinnen halb kaputt gelacht...
 

Einen letzten Blick warf Kakashi in seine müden Augen im Spiegel. Dann schnippte er geübt gegen den Verschluss von dem kleinen Fläschchen das er bekommen hatte, hob es unauffällig zur Nase und sog ätzenden Geruch tief in sich hinein.
 

Unwillig schüttelte er den Kopf, blinzelte, zog die schwarze Gesichtsmaske wieder ordentlich über die Nase hoch und schob sich zurück in den Gang vor den Toiletten. Die eine Richtung des Weges führte zurück zur Tanzfläche, die andere in den momentan überfüllten Darkroom. Der Andrang war ganz schön bemerkenswert-... sein Blick schweifte zu schummrig rotem Halbdunkel hinter einem Vorhang aus klimpernden, herabhängenden Ketten. Mehr der Neugier wegen, ob er jemand Bekannten sah. Jede Menge Körper, jede Menge eindeutige Vorgänge aber nein, kein bekanntes Gesicht... Schwer blinzelnd machte er sich an den Aufstieg zur Tanzfläche und spürte in der Sekunde das bekannte, heiße Gefühl davon wie ihm Blut in die Wangen stieg. Ihm wurde sehr warm. Das Mittel von eben zeigte Effekt.
 

Und er hatte keinen Partner mehr, fuck.
 

Von solchen Gedanken abgelenkt und den Blick auf den Boden gerichtet machte er einen Schritt zur Seite um nicht auf ein beschmiertes Kondom auf dem Boden zu treten und stieß prompt mit jemandem heftig zusammen. Uff... Eine sehr große, warme Hand griff ihn an der Schulter um ihn vom Zurücktaumeln abzuhalten und eine sehr dunkle, melodische Stimme tönte mit schwer rollendem, amerikanischem Akzent:
 

„Whow~ langsam... alles okay bei dir, Bro~?“
 

Kakashi hob den Kopf.

Vor ihm stand ein massiver Kerl mit einer Haut wie ein Caramell- Bonbon, verspiegelter Sonnenbrille, Tattoos im Gesicht und auf der Schulter, Muskeln wie ein Bauarbeiter. Der andere schien selber recht peinlich berührt über den Zusammenstoß und hob abwehrend die Hände... in einer Bewegung, die verdächtig nach Gangsterrap aussah.
 

"Yo~, Alter, was geht, ey, du flasht mich extrem, kaum zu glauben denn ich hab dich echt gar nicht geseh´n, tut mir leid für dich aber nicht für mich, denn mal ehrlich, hey- für nen Mann mit grauem Haar bist du ganz schön scharf, ich frag mich ob ich nochmal mit dir zusammenstoßen darf, heh-", kurz hielt er inne und rieb sich fasziniert das Kinn, dann zog er ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche, "Mann, das war gar nicht übel..."
 

Kakashi blinzelte langsam.

Er hatte einmal mehr das Gefühl, auf der Straße des Lebens heillos verloren gegangen zu sein... seine Realität war die Ausgeburt irgendeines verrückten Hirns. Es konnte nicht anders sein.
 

Aber als er seinen Blick an dem breiten Körper des Anderen hinuntergleiten ließ, seine Augen über diese breiten Finger, diese riesigen Baggerschaufeln von Händen, dieses mächtigen Muskeln wanderten, hoffte er, dass das Schicksal ihm heute abend vielleicht doch noch ein bisschen gnädig war...
 

~
 

Sasuke kämpfte sich durch zur Bar und seine Genervtheit stieg beträchtlich. Zuviel Gedränge, zu wenig Stoff in seiner Blutbahn und ein ratloser, desorientierter Sexdrive, der sich nicht einmal durch beliebige Stellvertreter abreagieren zu lassen schien. Gott verdammt. So etwas ähnliches hatte er schon einmal gehabt, so genau erinnerte er sich an die Umstände nicht mehr, jedenfalls hatte sich das Bild von einer fast schmerzhaften, jämmerlichen Dauererektion, die sich einfach durch nichts mehr beruhigen lassen wollte sehr in sein Gedächtnis gebrannt. Damals hatte er gewichst wie ein Idiot bis die Handcreme alle war, er völlig wund und fast mit einer Sehnenscheidenentzündung geschlagen, aber egal was er angestellt hatte, er war einfach nicht gekommen und sein blöder Schwanz war beängstigenderweise immer halb hart geblieben.
 

Und auch wenn das in den meisten Situationen etwas sehr Gutes war, das dem Selbstbewusstsein eines Mannes sehr schmeicheln konnte, war es in diesem Moment einfach nur beängstigend gewesen.
 

Er erinnerte sich an den Horror des Gedankens, wie peinlich und umständlich ein Leben mit Dauererektion wohl sein musste, und dass er vielleicht lernen musste damit zu leben wie mit... einer dritten Brustwarze oder sonst irgendeiner Entstellung. Irgendjemand hatte erzählt, dass man bei so einem Problem zum Arzt musste, der eine Spritze mit irgendeinem entkrampfenden Mittel direkt in die Eichel spritzte und diese Vorstellung ließ ihn ernsthaft überlegen ob er vielleicht nicht doch lieber in Kauf nehmen wollte, dass sein Schwanz einfach abfiel-... Allein die Vorstellung! Den Göttern sei Dank hatte es von allein wieder nachgelassen. Und seither war das Phänomen zum Glück nie wieder aufgetaucht, also war es wohl wirklich nur eine dieser seltsamen Sachen gewesen, die einem im Laufe eines Lebens passieren konnten, einen danach aber in Ruhe ließen. Wie eine von diesen Kinderkrankheiten... Mumps... oder Keuchhusten.
 

Der Punkt war, im Moment hatte er ein ungutes Deja- Vu. Nicht körperlich, sondern emotional. Er hatte das Gefühl er konnte tun was er wollte, nichts machte ihn so richtig an, aber nichts brachte ihn auch wieder so richtig herunter von seinem ratlos erregten Zustand. Alkohol war seine letzte Hoffnung. Na gut- seine vorletzte.
 

Endlich war er an der Bar angekommen. Komisch, in dieser Sauna mit dem Rotschopf hatte es doch auch einigermaßen geklappt, seiner Gereiztheit die Spitze zu nehmen? A propos Rotschopf... da direkt vor sich erspähte er verdächtig bekannte Strähnen.
 

Er schob sich rücksichtslos und mit dem Einsatz von Ellenbogen vor zum Tresen und warf einen Blick zur Seite. Tatsächlich, da war er. Das blutrote Tattoo auf der seitlichen Stirn, diese leeren Augen, die blasse Haut ohne die geringste Spur von Sommersprossen, was ihn irgendwie noch humorloser wirken ließ. Mit weiter, heller Kleidung und einem bis zur Nase hoch geschlagenen weißen Schal. Dem musste ja wirklich kalt sein.
 

Sasuke sah, wie er mit dem Barkeeper Blickkontakt herstellte und einen kleinen Zettel mit Aufschrift über den Tresen schob. Es war zwar laut hier drin, aber diese Taktik schien ihm doch irgendwie ungewöhnlich zu sein.
 

„Hey“, rief er einfach mal, um auf sich aufmerksam zu machen.
 

Gaaras Augen glitten seitwärts, huschten einmal kurz und desinteressiert über ihn und richteten sich dann wieder nach vorne.
 

Sasuke war sprachlos.
 

„Redest du nicht mehr mit mir?“
 

Gaara ignorierte ihn geflissentlich, obwohl Sasuke sich sicher war, dass er ihn gehört haben musste. Das erste Mal hatte er ihn ja auch angesehen. Wenn auch auf eine Art, die ihm nun überhaupt nicht passte... gut, er musste zähneknirschend einsehen, dass Gaara bei aller Freakigkeit nicht zu unterschätzen war. Er war vermutlich gefährlich und ihm blieb nichts anderes übrig als ihm einen gewissem Respekt entgegen zu bringen. Irgendwie. Umso mehr brachte es ihn in Rage, dass er jetzt so behandelt wurde! Sie waren nie besonders herzlich miteinander umgegangen, aber das hier-... wenn er etwas überhaupt nicht ertragen konnte, dann war es die Tatsache, ignoriert zu werden.
 

„Du kleiner Pisser“, grollte er zwischen gefletschten Zähnen hervor und verengte die Augen zu Schlitzen, „Wofür hältst du dich?! Bist wohl was besseres, weil du einen scheiß Entzug gemacht hast?“
 

Diesmal sah Gaara wieder her. Er justierte den Schal vor seinem Gesicht, rollte genervt mit den Augen und machte eine Geste mit der Hand, die Sasuke so gar nicht deuten konnte. Die ersten Getränke kamen, Gaara nahm sie an, brach dazu den Augenkontakt wieder und Sasuke riss der Geduldsfaden.
 

„Ich rede mit dir“, zischte er und warf sich vorwärts, um in den weichen Schal zu packen, ihn wütend zurück an den Tresen zu stoßen, „Wie wärs mit einem bisschen Respekt?!“
 

Das Mineralwasser schwappte mit elegantem Schwung durch die Luft, landete halb in Gaaras Gesicht und halb auf seiner Kleidung, der Schal verrutschte, Sasuke stieß auf etwas merkwürdig unnachgiebiges darunter und erstarrte verdutzt. Mit grimmiger Heftigkeit schlug der Rotschopf Sasukes Hand von sich weg und zog in einer knappen Bewegung den Schal, den Kragen der Kleidung herunter, entblößte den Blick auf das, was darunter verborgen lag.
 

Der weiche Kashmere- Schal verdeckte einen schwarzen, massiven Maulkorb aus Leder, der die gesamte untere Gesichtshälfte umschloss, knapp unter der Nase ansetzte, über beide Wangen bis zu den Ohren reichte und mit breiten Schnallen am Hinterkopf geschlossen war. Um den Hals hatte er ein Stachelhalsband dessen Metallkrallen sich in die weiche Haut gruben. Ein zweites, breites Halsband aus schwarzen Leder zeigte blitzende D-Ringe vorn und an den Seiten und bot Halt für eine mittelstarke silberne Eisenkette, die ihm über die Brust herabhing und tiefer unten in der Kleidung verschwand.
 

„Oh... fuck...“, flüsterte Sasuke, „Oh fuck... das ist ja-... scheiße, das ist ja krank-... was ist das?“
 

Gaara rollte nur die Augen, schüttelte überschüssiges Wasser von den Fingern, schob den Uchiha entschieden mit dem Arm aus dem Weg und verschwand in Richtung Toiletten.
 

~

Macht und Verantwortung

~
 

„Warte!“, bellte Sasuke ihm hinterher.
 

Er erreichte die Toilette kurz nach dem Rotschopf, halbnackt und auf Krawall gebürstet und warf sich genau so in die offene Tür, beide Hände am Türrahmen abgestützt. Gaara hatte ihn wieder einmal aus der Balance geworfen und er hatte die Nase voll davon! Natürlich wusste er, dass es eine irrsinnige Idee war, einen Kampf anzuzetteln-... das hatte er auch gar nicht vor-... aber er konnte doch nicht einfach an der Bar stehen bleiben wie ein Idiot!
 

Gaara positionierte sich ungerührt mit dem Rücken zu ihm, am Waschbecken das am weitesten von der Tür entfernt war. Sorgfältig wickelte er den nassen Schal von sich, legte ihn auf die Ablagefläche, senkte dann leicht seinen Kopf um an der Schnalle am Hinterkopf zu nesteln.
 

„Hör auf, mich zu ignorieren, verdammt!“, der Uchiha schlug die Tür hinter sich ins Schloss, dass es nur so schepperte. Das innere Zittern hatte wieder eingesetzt. Gerade noch war er nur ein bisschen frustriert gewesen-... jetzt fühlte er sich wieder in Stimmung, irgendetwas kaputt zu treten. Der Anblick von Gaara in diesem-... schockierenden... Fetisch- Zeug, das war krass, es war unheimlich, es war-... er schluckte.
 

Seine Augen hingen daran, wie lange, weiße Finger die schwere Schnalle und den festen Sitz der Gurte lösten. Leder knirschte, Metall klimperte und allein diese sachten Geräusche waren in Sasukes wunder Verfassung auf gleich mehrere Weisen unerträglich. Bilder von dem verfluchten Club blitzten auf, das schwarze, ledergepolsterte X, glühende, blaue Augen die tief in seine Seele blickten, warme Handflächen auf seiner wehrlosen Seite-...

[style type="italic"]„... atmen...“ [/style]

Und Gaaras teuflisches, wissendes Grinsen, die rote Wolke auf schwarzem Grund, ein namenloses, blutüberströmtes Opfer das schrie-...

[style type="italic"] „Es war das Zentrum“

„Dem Verlierer wurde etwas genommen...“

„Wusstest du, dass Naruto das Darkside gut kannte?“

[/style]

Sasuke schüttelte unwillig den Kopf um seine Gedanken wieder klar zu bekommen, presste die Lippen zusammen und versuchte den dunklen Schauder zu ignorieren.
 

Wenn er vorher gewusst hätte, was er von Gaara erfahren hatte-... nichts auf der Welt hätte ihn mit Naruto allein in dieses Zimmer gebracht... und schon gar nicht an das Andreaskreuz. Oder doch? Das alles machte noch viel unverständlicher, warum er-... warum Naruto-... ihn nicht-...
 

„Herzlichen Glückwunsch“, knurrte Gaara da unvermittelt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Sasuke hob den Kopf.
 

„Du hast mir gerade den wundervollen Auftakt für einen wirklich... vielversprechenden... Abend versaut“

Die Finger des Rotschopfs schlossen sich um den weißen Stoff des Schals um ihn auszuwringen, lautlos tropfte klares Wasser ins Waschbecken. Neben ihm lag der schwarze Maulkorb auf der Ablage.

Sasukes Blick wurde wie magnetisch davon angezogen und konnte sich kaum wieder lösen.

„Wovon redest du?“, schnaubte er.
 

„Das Vorspiel gehört dazu“, Gaaras Blick glomm im Halbdunkel des Spiegels, „Weißt du, wie oft wir spielen? Einmal im Monat. Du hast mir gerade meinen einzigen Spielabend des Monats versaut.“
 

Sasukes Gehirn versuchte immer noch, sichtbare Tatsachen zu verkraften, was nicht einfach war.

„Ich konnte ja nicht wissen-...“, setzte er zur Verteidigung an, bevor der Versuch einer viel drängenderen Frage wich,

„Du-... könntest wahrscheinlich die meisten Idioten hier drin einfach umbringen bevor die Security merkt, dass etwas nicht stimmt... Warum-... lässt du sowas mit dir machen?“
 

„Es wäre sinnlos, dir das zu erklären“, seufzte Gaara schulterzuckend, "Manche Dinge kann man nicht beschreiben... man muss es selbst erlebt haben"
 

Sasuke schnaubte verächtlich.

„Ist das hier etwa auch ein SM- Club?“
 

„Nein“, Gaara trat hinüber zum Handfön und begann dort den weichen Stoff zu trocknen, „Wir gehen später ins Darkside“
 

„Aber-...“, der Uchiha leckte verständnislos seine rissige Unterlippe. Er trat ein paar Schritte näher, streckte die Finger ungläubig zu der Schnalle des Maulkorbs aus, „Du hast doch gesagt-...“

„Dass der neue Slingraum dort toll ist?“, Gaara neigte den Kopf, „Mhh richtig, das hab ich wohl...“
 

„Gehst du... mit Kiba?“, Sasukes Augen flackerten zwischen dem Monstrum aus Leder und dem kühl glänzenden Stachelhalsband an der weißen Haut hin und her.

Schon wieder spürte er dieses dunkle Kribbeln im Bauch. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, was für ein Gefühl das sein musste, in einem Club voller Leute unter normaler Kleidung den Kopf so in Leder verschnürt zu haben... den stetigen sanften Druck der Metallkrallen an der weichen Haut um den Hals, das kühle Gleiten der Kette auf der nackten Brust, die Enge des Lederhalsbands-... unwillkürlich rieb er sich mit der Hand selbst die Kehle und vor seinem inneren Auge sah er den Inuzuka mit den roten Reißzahnabzeichen auf der Wange, wie er in die Kette griff und eine lange, schwarze Peitsche schwang...
 

„Nicht anfassen“, mahnte Gaara und Sasukes Finger zuckten zurück als hätte er sich verbrannt,

„Nein, nicht mit Kiba... Mit Lee“
 

Sasuke blinzelte stumm.

„Du verarschst mich“
 

Gaaras Lächeln war dünn und spöttisch.

"Nein, das tue ich nicht"
 

„Oh... mann!“, der Uchiha verzog das Gesicht, wand sich vor Ekel und wich einen Schritt von ihm weg, „Das ist-... oh Gott..! Du bist sowas von abartig!“

„Mmh“, Gaara legte langsam den Kopf schief, über sein blasses Gesicht kroch ein Lächeln, „Du weißt nicht, was dir entgeht“
 

„Was mir entgeht?!“, Sasuke würgte, „Ich wäre weniger geschockt, wenn du gesagt hättest, dass du dich von Kibas Hund ficken lässt!“
 

Das Grinsen in Gaaras Gesicht wurde breiter.

„Ahh... aber er hat wirklich sehr beeindruckende... Argumente, wenn du verstehst was ich meine“

„Ich will das nicht hören!“, Sasuke hob beide Hände an seine Ohren, „Lalala!“

„Kennst du das geile Gefühl... wenn du ihn siehst und denkst, das kann unmöglich passen?“,

Gaara hielt sehr vergnügt seinen Blick auf Sasuke gerichtet, leckte sich demonstrativ leicht die Unterlippe, „Aber dann passt es doch und es fühlt sich so unglaublich voll und tief an, wie nichts was du dir jemals vorstellen konntest-...“

„Hör auf mir das zu erzählen!“, Sasuke rollte vor Horror die Augen.

„Nur darüber zu reden macht mich total scharf...“, Gaara genoss jeden Moment seiner Schadenfreude, während er den Schal glättete und die letzten feuchten Stellen unter den Luftstrahl hielt.
 

„Wie schön für dich“, schnaubte Sasuke verstimmt, lehnte das Becken an die Reihe der Waschbecken und verschränkte die Arme vor der Brust, „Dank dir hab ich noch ein Trauma mit dem ich klarkommen muss“

„War mir ein Vergnügen“, Gaara zuckte die Schultern, „Aber warum läufst du mir überhaupt hinterher? Brauchst du so dringend Gesellschaft? Was willst du?“
 

Stille fiel zwischen sie.

Sasukes Finger krochen wieder zu der Maulkorbschnalle, um gedankenlos daran zu tippen.
 

„Du schuldest mir ein paar Antworten“, meinte er trocken.
 

„Ist das so..?", bemerkte Gaara zweifelnd, "Ich sagte, Finger weg davon.“
 

„Ja, das ist so...“, Sasuke nahm den Maulkorb aus purem Trotz in beide Hände, um ihn sich genau anzusehen. Er war recht schwer... gepolstert an den Rändern... mit einem Mittelteil, den man wohl separat öffnen konnte um an den Mund heran zu kommen... hm.
 

„Zum Beispiel interessiert es mich, wer das Darkside im Moment kontrolliert...“, er starrte konzentriert auf seine scheinbar sinnlos beschäftigten Finger. „Hat... Naruto etwas damit zu tun?“
 

Gaara schickte ihm einen finsteren Blick aus den Augenwinkeln.

„Du tust nicht viel um dich beliebt zu machen, Uchiha. Warum sollte ich dir noch was erzählen..? Gib das her“, er hielt seine Hand auf, mit dem Erfolg, dass Sasuke den Maulkorb mit einer Hand hochhielt.

„Ah, vielleicht bist du mal nicht immer so böse zu mir?", gab er mit leisem Singsang- Ton und kühl gehobener Augenbraue zu bedenken, "Immerhin war ich derjenige, der dich vorhin höflich gegrüßt hat“

Gaara legte mit finsterem Ausdruck den Kopf schief.
 

„Vielleicht erzählst du mir was, weil du weißt, dass der, wem-auch-immer das Darkside denn nun gehört, bald ungemütliche Gäste bekommen wird?“, Sasukes Ton glitt von verspielter Provokation zu offener Drohung.
 

Ihre Blicke trafen sich.
 

„Du hast sie umgebracht, oder?“, wisperte Gaara und hielt den Blickkontakt ohne zu blinzeln. „Orochimaru und alle anderen... Du warst das.“
 

„Tss...“, Sasuke wandte den Blick ab und warf den Maulkorb scheinbar gleichgültig ein Stück in die Luft, um ihn wieder aufzufangen, „Wer weiß?“
 

„Ich kenne den Blick“, knurrte Gaara unbeirrt, „Diesen Blick von dir. Und er gefällt mir nicht. Es gibt keine Sicherheit, dass du dich nicht mit den falschen Leuten einlässt und noch mehr Schaden anrichtest. Es gibt keine Sicherheit, dass -du- nicht der größte Störenfried bist. Wenn du Naruto noch einmal schlägst, sind wir Gegner. Und ich sage es dir zum letzten Mal-... gib das zurück. Es ist nicht dein Spielzeug.“
 

Sasuke warf den Kopf zurück und lachte bitter auf.

„Oh, hat sich jemand bei dir ausgeheult? Was hast du denn mit Naruto? Bist du vielleicht selber scharf auf ihn, dass dich das so stört, hmm?"
 

Gaaras Lippen wurden sehr schmal.
 

Und dass er ihm keine Antwort gab, gefiel Sasuke gar nicht.

"Ist schon bitter, wenn Lee deine Alternative ist...“, flüsterte er, seine Stimme war süßes Gift, "Was tust du, wenn ich dir dein perverses Ding hier nicht wiedergebe..? Fängst du dann an zu heu-...“, weiter kam er nicht.

Gaara reagierte mit der Geschwindigkeit einer Sandviper- ein Ruck, ein blendender Schmerz, Wirbel von Schwarz und Rot vor den Augen-... Sasuke schnappte nach Luft.
 

Er fand sich wieder mit dem Kopf im Waschbecken und Gaaras freier Faust an seinem Hals- hätte der andere ein Messer gehabt... nur einen beliebigen spitzen Gegenstand, womöglich auch nur einen Schraubenzieher, würde er jetzt über genau diesem Porzellanbecken ausbluten, mit einem gezielten Stich in die Schlagader, genau so wie man ein Schwein tötete... und sein letzter Anblick würde sein wie sein Leben vor seinen Augen aus seinem Körper rann und im Abfluss verschwand.
 

Mühsames Husten rang sich aus seiner Brust. Er war wie zu Eis erstarrt. Sein Hinterkopf pochte, er war damit wohl hart am Wasserhahn aufgeschlagen, aber noch viel tiefer saß der Schock, in dieser Position zu liegen-...Gaara beugte sich über ihn.
 

„Hör mir gut zu, Uchiha“, flüsterte er ihm beinahe zärtlich ins Ohr, „Du hältst dich für unbesiegbar. Du bist es nicht. Egal auf welcher Seite du stehst, du wirst ungemütliche Gegner haben... und egal wie du dich drehst und wendest... soweit ich das sehe, ist es nicht mehr die Frage -ob- du gefickt wirst. Die Frage ist... von wem. Und du solltest schnell reagieren, wenn du das Ergebnis noch selbst beeinflussen willst. Denn sonst entscheidet das Schicksal. Und dann gefällt es dir vielleicht nicht...“
 

Damit ließ er ihn mit einem Ruck los, warf ihm noch einen finsteren Blick zu und nahm den Ledermaulkorb, der bei dem Handgemenge auf dem Boden gelandet war.
 

Er hob ihn auf, schob ihn vor Sasukes ungläubigem Blick vors Gesicht und zögerte kurz. Noch einmal setzte er ihn ab und sein dämonisches Lächeln flackerte auf.

„Fakt ist, jeder liegt irgendwann auf den Knien...", bemerkte er, "Frei- oder unfreiwillig. Einfach jeder von uns. Egal für wie mächtig und unantastbar er sich hält. So ist das Leben. Irgendwann kommt der Moment. Und es gibt nichts was du dagegen tun kannst... Es ist nur eine Frage der Zeit“
 

Damit schob er seinen Kopf in das Leder, wandte sich ab, zog die Schnalle fest und wickelte den Schal wieder um sich. Hinter ihm schwang mit leisem Quietschen die Tür zu.
 

Sasuke rappelte sich wieder auf.

Vorsichtiges Tasten am Hinterkopf überzeugte ihn, dass er wenigstens nicht stark blutete. Er rutschte zittrig mit dem Hinterteil von der Ablage, fuhr sich langsam durchs Haar.
 

Ein paar Momente lang war er noch wie betäubt, sein Blick stumpf und reglos nach unten gerichtet, so als könnte er nicht ganz begreifen, was eben passiert war.
 

Dann trat er plötzlich mit einem tiefen, hasserfüllten Aufschrei gegen den Papierkorb unter dem Handfön, fletschte die Zähne, trat auf das Ding ein bis die Plastiksplitter durch die Gegend flogen. Es war ein Rausch der Vernichtung, der nicht eher aufhörte, bis er in einem Feld von nassen Papierfetzen stand und nichts mehr hatte, das er in noch kleinere Stückchen brechen konnte.
 

Tief durchatmend warf einen Blick in den Spiegel, strich sich mit die Haare zurecht. Mit ungeduldiger Kopfbewegung warf er wirre Strähnen aus dem Gesicht, ruckte seine Jacke in Form.
 

Seine Kehle zuckte.

Er glitt instinktiv mit den Fingern in seine Taschen. Dort fühlte er glatte Päckchen. Ein Wirbel von Gier riss ihn unter sich.
 

Gleich war er in einer der freien Kabinen, schloss die Tür, fingerte mit zitternden Händen das Päckchen hervor. Scheiße, er brauchte jetzt dieses Gefühl. Vor ihm tat sich ein gähnender, schwarzer Abgrund auf. Hastig versuchte er das Zeug zwischen den Fingern zu feinerem Pulver zu zermahlen, krümelte etwas davon auf seinen Handrücken. Er hatte sich noch nie etwas durch die Nase gezogen und die Vorstellung war ihm auch zuwider.
 

Aber er hatte hier keine Glaspfeife, keine Alufolie-... und essen wollte er das Zeug auch nicht. Ein tiefes Ausatmen, er stählte sich innerlich für das bestimmt unangenehme Erlebnis, hob die Hand zur Nase und kniff die Augen zu, um mit einem Ruck tief einzuatmen und die ganze, breite Linie aus weißem Pulver tief in sich hinein zu saugen.
 

Augenblicklich spürte er widerlichen Schmerz in der Nase. Er schlug sich eine Hand vors Gesicht um sich von dem scheußlichen Gefühl abzulenken, spürte gleichzeitig wie ekelhaft schmeckende Flüssigkeit seine Kehle hinunter rann. Er hustete. Sein ganzer Kopf schien zu brennen. Kleine, nicht völlig zermahlene Kristalle sickerten ihm in den Rachen. Er beugte sich halb blind über die Toilette, würgte, spuckte ein wenig Schaum von sich. Ohh, wie ekelhaft..! Und eine heiße Welle von Scham und Selbstverachtung schlug über ihn.
 

Was... tat er hier eigentlich?
 

Schwer atmend biss er sich auf die Unterlippe. Alle Anderen hatte er tot geschossen und was war mit ihm selbst? Er wühlte die übrigen Päckchen Stoff hervor und starrte sie lange an.
 

"Versager", flüsterte er leise und bitter.
 

Das war die hässliche, stumpfe Wahrheit.

Irgendwie... war er immer schon ein Versager gewesen.

Ein Schwächling, ein Mamakind, ein nerviger kleiner Bruder der nichts kapierte und nur im Weg war. Ein überflüssiger Sohn... Ein unfähiger Beschützer. Ein Verlierer, der mit Frauen schlief und dabei die Sehnsucht unterdrückte, einem Mann in den Armen zu liegen. Der Idiot, der sich in jemanden verliebte, der Schwule "irgendwie komisch" fand. Er würgte noch einmal. Es war alles so sau erbärmlich. Warum konnte er diesen ganzen Dreck in seinem Innern nicht einfach aus sich heraus kotzen?
 

Mit heftiger Bewegung schleuderte er die Päckchen aus seiner Hand in die offene Toilette, griff nach der Spülung und spürte das Zittern in ihm etwas nachlassen, während er in das strudelnde Wasser starrte. Ein mächtiger, wirbelnder Strudel, der alles hinunterzog und in gnädigem Vergessen alles wieder ein bisschen besser zu machen schien. Ein bisschen sauberer. Wie dieser Club hier.
 

Er musste gegen die Sucht ankämpfen... Er konnte das doch-... sein Wille war legendär unbeugsam. So etwas würde ihn nicht in die Knie zwingen... In den Ohren hörte er sein eigenes Herz pochen. Gaaras Stimme in seinem Kopf hallte spöttisch: „Die Frage ist nicht mehr, -ob- du gefickt wirst. Die Frage ist - von wem...“
 

Im ruhiger werdenden, klaren Wasser tauchte ein kleiner Beutel mit weißem Pulver und Luftblase im Innern wieder auf und trieb langsam im Becken der Porzellanschüssel.
 

Sasuke drückte mit aller Kraft noch einmal die Spülung, blieb aber nicht mehr da um zu sehen ob er erfolgreich war, sondern floh aus der Kabine, warf die Tür hinter sich zu und gab sich ein paar Momente, um durchzuatmen.
 

Als er in den Spiegel beim Waschbecken aufsah waren seine Pupillen so weit, dass er nur noch einen feinen, roten Kreis drum herum sehen konnte. Seine Augen waren blutunterlaufen. Einzelne Adern durchzogen das Weiß auf angestrengte, kränkliche Weise. Er hielt eine Hand unter den Wasserhahn um sich den Mund auszuspülen. Dieser ekelhafte Geschmack hing ihm immer noch hinten auf seiner Zunge. Ein wenig von dem kühlen, klaren Nass schluckte er. Seine Kehle fühlte sich wund und offen an.
 

Langsam, pulsierend ließ die Anspannung nach. Er spürte das vertraute Rauschgefühl über sich kommen. Den Gedanken daran, was passieren würde wenn die Wirkung der Dosis nachließ, verdrängte er so weit es ging.
 

Beim Hinausgehen sah er einen Kondomautomaten an der Wand.
 

Kurz entschlossen trat er an ihn heran und zog sich ein Päckchen, zusammen mit einer Probe Gleitgel... Er war verflucht nochmal nicht passiv! Und das würde er jetzt beweisen.
 

~
 

Der Darkroom des Rasengan war ein düsterer, schwitziger Sündenpfuhl voller halb- oder ganz nackter Männer in verschiedenen Stadien der Extase. Ein verwirrendes Neben- und Übereinander von Körpern, eine Geräuschkulisse von Stöhnen und Ächzen neben dem Stampfen und Pulsieren der Bässe im Club... Sasuke war mittendrin doch im ersten Augenblick etwas verloren und überfordert von den plötzlichen -... Möglichkeiten... Die Atmosphäre, der Geruch von hemmungslosem Sex überall um ihn herum-... das war-... so viel auf einmal, es war-... unwirklich...
 

Er versuchte Gesichtszüge zu erkennen, stolperte über fremde Füße, rutschte halb auf benutzten Kondomen aus und war schon- überreizt und betäubt von diesem Overkill an Angebot- taumelnd auf der Suche zurück nach dem Ausgang um etwas Luft zu schnappen, da bemerkte er vor sich, nicht einmal zwei Meter entfernt an der Wand in dem Meer von fremden Gesichtern etwas... vertrautes.

Sein Mund war unangenehm trocken, wahrscheinlich hatte er zu viel Pulver erwischt und die Schemen verschwommen leicht vor seinen Augen... aber dieser helle, zerzauste Haarschopf... diese Halbmaske-... der entspannte Gesichtsausdruck...
 

War das Kakashi?
 

Ein paar Fremde blockierten die Sicht, schoben ihn weiter und in der Düsternis war es sowieso nicht gerade leicht, wirklich sicher zu sein... für einen Augenblick hatte er gedacht, er hätte Kakashi gesehen, flach an eine Wand gedrückt und ganz in den Händen von einem dunkelhäutigen Kerl, der aussah als könnte er Autos tunen und Prowrestler sein. Sasuke zog leicht die Nase hoch. Es fühlte sich immer noch an, als wäre dort etwas verstopft von all dem Pulverzeug. Das Gefühl war widerlich.
 

Konnte das wirklich Kakashi gewesen sein, dort hinten-..?

Sasuke sah sich um.
 

Irgendwie wollte er sicher stellen, ob sein Hirn ihm nicht einen Streich gespielt hatte. In welcher Richtung war es gewesen? Vor ihm war jemand sehr enthusiastisch dabei, seinem Begleiter einen zu blasen, zwei Schritte weiter waren sogar zwei junge Männer auf einmal an einem dritten zugange. Sasuke versuchte, möglichst wenig Körperkontakt zu den Leuten zu halten während er sich durch die Menge schob- ein hoffnungsloses Manöver.
 

Gerade hätte er jemandem schon fast die Hand gebrochen der ihn im Dunkeln angefasst hatte, da spürte er wieder einen Griff am Ellenbogen, fuhr herum-... Und die Welt bremste auf Stillstand... das... konnte unmöglich-...
 

„Buh!“, rief der Mann der vor ihm stand gegen den Lärmpegel und grinste ein spitzzähniges, unnachahmliches Grinsen. Er war blass und spitzgesichtig, mit kurzen, hellen Rattenhaaren- In dem unwirklichen, düsteren Licht wirkte er wie ein Geist. Eine Erscheinung.

Sasuke starrte ihn an.

Hatte er Halluzinationen?
 

„Suigetsu?!“
 

„Live und in Farbe!“, brüllte sein Gegenüber ihm mit überdrehtem Grinsen entgegen. Seine Augen flirrten, wirkten glasig und dieses winzige bisschen weggetreten, mit dem man sich in Wahnsinn oder im Amphetaminrausch wiederfand, wie in einer Paralleldimension. Das, und er hatte die schlechte Angewohnheit an allem Herumzufingern immer noch nicht aufgegeben. Im Moment zupfte er zudringlich an Sasukes Jacke, rutschte von dort an schnell abwärts zum Hosenbund.
 

„Ich wusste, dich hat´s nicht erwischt! Haha!“

Die Atmosphäre um sie herum war betäubend. Die Hitze, all der Geruch nach Schweiß und Sex, der Mangel an Sauerstoff ließ Sasuke schlingern.

Suigetsus zudringliche Finger wurmten sich zwischen die offene Front der Jacke, suchten so gierig nach Haut wie nach der nächsten Ladung Stoff. Er kam nah mit dem Kopf, um ihm die nächsten Sätze ins Ohr zu rufen:
 

„Ich hab´s immer gesagt! Sasuke Uchiha ist ein beschissener schwarzer Panther! Der wahre König der Straße! Nachdem du untergetaucht warst, hab ich mich auch mal zurück gezogen... War ne ganz schöne Explosion! Aber so leicht bin ich ja nicht totzukriegen... war fleißig und hab allen Stoff zusammengesucht den ich finden konnte! Du findest kein Stäubchen Zeug mehr irgendwo! Es gibt ein Versteck, das niemand kennt außer mir! Also...“, er legte den Kopf schief, „Was hast du dir überlegt, um denen da draußen ne Lektion zu erteilen?“, sein Brustkorb bebte vor Aufregung, „Wird Zeit, deine Herrschaft so richtig offiziell zu machen, oder?!“
 

Sasuke wich zurück, schob die klammernden Finger auf Abstand.

„Du spinnst“, meinte er, „Ich hab nie gesagt, dass ich vorhätte, weiter zu machen. Es ist vorbei!“

„Was?“, Suigetsu blinzelte verständnislos, „Aber... das kannst du nicht tun! Scheiße! Du kannst doch nicht... das Kartell vernichten, nur damit es kaputt ist!“

„Ich kann tun was ich will, klar?“, das unmissverständliche Knurren, zusammen mit dem sehr aufrechten Rücken, dem herrisch über den Anderen geneigten Kopf und dem glühenden Blickkontakt hatte immer gewirkt. Immer.
 

Dieses Mal duckte Suigetsu sich nur erschrocken darunter weg, seine Miene rutschte von Fassungslosigkeit hin zu blanker Angst:
 

„Aber-... scheiße, die machen uns fertig! Orochimaru war schon ein kranker Wichser, aber die-... Du kannst dir nicht vorstellen, was da schon für Sachen passiert sind! Ich hab Geschichten darüber gehört! Du musst die Kontrolle über das Gebiet übernehmen, Mann! Ansonsten killen die uns! Die kriegen mit, wen du kennst! Mit wem du zusammen warst, wer deine Freunde sind, wen du fickst, einfach alles! Erst zerlegen die deine Kontakte, dann ficken sie deinen Verstand und erst wenn sie mit dem Ergebnis zufrieden sind, bist du selbst dran! Die werden nicht einfach schießen-... das ist eine persönliche Sache! Du hast die persönlich beleidigt, Mann, weißt du was das bedeutet?!“
 

Sasuke wich zurück. Er wollte nichts mehr davon hören. Sein Kopf dröhnte.

„Lass mich in Ruhe!“, schnappte er, „Es gibt kein Zeug mehr im Umlauf und es wird auch keins mehr geben! Ende der Geschichte, kapiert?!“
 

„Sasuke!“
 

Er reagierte nicht mehr. Verbissen kämpfte er sich hinaus, zurück zu mehr Luft und Platz um ihn herum, zurück auf den Flur vor den Toiletten, wo irgendein seltsam vermummter Typ ihm Käfersalbe andrehen wollte-... wirklich, nur Verrückte an diesem Ort..! Die Treppe hinauf in den Club und von dort aus nach ein paar kurzen, betäubten Momenten schließlich ganz hinaus. Die Laune auf andere Menschen und laute Musik war ihm erst mal vergangen.
 

Klare, kalte Nachtluft umschloss ihn, beruhigte seinen erhitzten Kopf, seinen kurzen, keuchenden Atem. Die Hände tief in die Taschen vergraben, den Kopf gesenkt wanderte er stille Straßen hinunter, einfach gerade aus. Er hustete gepresst.
 

Eine ganze Weile lang konzentrierte er sich nur darauf, seinen Atem gleichmäßiger werden zu lassen und das Gefühl, als ob ihm eine riesige, stählerne Faust langsam den Brustkorb zerdrückte, loszuwerden... Schließlich blieb er stehen. Es ging ihm etwas besser... Stille und die Einsamkeit taten ihm immer gut. Die nächtliche Stadt war sein natürlicher Lebensraum...
 

Einen ratlosen Blick schickte er die Straße hinunter, dorthin wo nächtlicher Betrieb die Gegend heller und belebter machte. Von dort her war er gekommen.
 

Vor ihm lagen mehrere Möglichkeiten weiter zu gehen und einen Augenblick war er sich völlig unschlüssig. Dann fiel sein Blick auf einen kleinen Kaugummiautomaten auf der anderen Seite der Straße, umgeben von Unkraut das sich durch Risse im Asphalt gedrückt hatte, zwischen dunklen Hintergassen.
 

Er war orange.

Unter der Straßenlaterne bei der er stand war die Farbe trotz des nicht mehr fabrikneuen Zustands klar zu erkennen. So leuchtend und... warm, irgendwie.
 

Sasuke ging darauf zu.
 

Seine Schritte waren langsam. In ihm wuchs die seltsame Sehnsucht, einen Krankenwagen zu suchen... Einfach so, nur irgendeinen. Der Anblick würde ihn beruhigen... Orange war so eine warme, lebendige Farbe... Gut, früher hatte er sie penetrant und aufdringlich gefunden, aber wenn es drum herum kalt und dunkel genug war, war es wie eine Signalfackel. Wie ein Leuchtfeuer. Selbst völlig blutverschmiert...
 

Blutverschmiert... er blinzelte.

Trat einen Schritt zurück und richtete seinen Blick auf etwas, das ihm vorher nur beiläufig aufgefallen war- im Lichtkegel der Laterne zog sich zu seinen Füßen eine dunkle Spur aus Tropfen und Schleifspuren, verschwand in gekrümmter Linie um die nächste Ecke, und... es hätte Farbe sein können, aber jetzt fiel sein Blick auf den Laternenpfahl vor ihm. Als er genauer hinsah war es gut zu erkennen.
 

Es war der blutige, verschmierte Abdruck einer Hand, als hätte sich jemand mit letzter Kraft daran abgestützt. Sein Herz sprang ihm in die Kehle und begann, schwer zu pochen.

Er hatte kein gutes Gefühl.
 

~

All die Vergessenen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Hilflos

~
 

„Aussteigen!“, bellte der dunkelhaarige, junge Mann vor dem Rettungswagen offensichtlich wild entschlossen und mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. „Sofort!“

„Der schon wieder“, grollte Shikamaru und legte einen Gang ein, „Jetzt reichts. Den fahr ich um“

„Sasuke!“, Naruto schnappte nach Luft. „Nein, warte, warte! Shika, lass den Scheiß!“
 

Der Uchiha kniff die Augen zusammen gegen das Fernlicht, das Shikamaru geistesgegenwärtig aktiviert hatte. Der Motor des Fahrzeugs heulte bedrohlich auf, Sasuke fletschte die Zähne und zielte auf den Beifahrersitz.

„Mach weiter, wenn du deinen Partner tot sehen willst!“, brüllte er provozierend.
 

„Scheiße, hört auf!“, Naruto öffnete die Tür. Er sprang vom Sitz, ignorierte Shikamarus Protestruf. Langsam hob er die Hände, kam so Schritt für Schritt vorwärts, bis er ausreichend weit im Scheinwerferlicht stand, um erkannt zu werden.
 

„Hör auf damit, Sasuke“, beschwor er den Anderen, die Augen weit und rund, „Bitte-... du musst nicht-... hör einfach auf!“

Sasukes Blick brach als er ihn sah, er schluckte heftig.

„Du... du solltest mitkommen...“, meinte er unsicher, ein Hauch von Erleichterung in der rauen Stimme, „Ich-... hab Sakura-...“
 

Narutos Miene rutschte in Eiseskälte.

„Weg von ihm!“, brüllte Shikamaru aus dem geöffneten Fahrerfenster heraus, „Das ist garantiert eine Falle!“
 

Die Muskeln des Uzumaki bebten, er kam ein, zwei steife Schritte auf den perplexen Sasuke zu, der alarmiert den Arm mit seiner Waffe sinken ließ, dann flog er gegen ihn, riss ihn zu Boden, packte ihn mit einem tiefen Aufschrei am Kragen, schlug ihm mit solcher Wucht ins Gesicht, dass der Uchiha kurzzeitig schwarz sah und ihm alle Zähne klirrten. Die Waffe fiel ihm aus der Hand, schlitterte vor das Auto. Sasuke bockte instinktiv den Rücken auf, um seinen Angreifer von sich zu werfen, versuchte etwas Verwundbares unter die Nägel zu bekommen, aber Naruto schloss beide Knie um seinen Brustkorb wie eine Bärenfalle, gab keinen Milimeter Spielraum.
 

„Wo ist sie?“, grollte er, justierte seinen Griff und zog den Kragen von Sasukes Jacke erbarmungslos eng, brachte ihn zu ersticktem Japsen, „Was hast du mit ihr gemacht?! Wo. Ist. Sie?!“
 

Sasuke konnte nicht antworten- er wehrte sich. Erstens bekam er kaum Luft, zweitens war er außer Stande zu sprechen,wenn sein Mund voller Blut war und er vor Schmerz nichts mehr sah und drittens-... es war Instinkt. Sein Überlebensinstinkt hatte ihn fest im Griff, denn Naruto war stark wenn er wirklich ernst machte- verdammt stark. Umso verbissener schlug er nach Augen und Nase, versuchte Haare zu fassen zu bekommen, spuckte, trat, wand sich-... es war beileibe nicht das erste Mal, dass sie auf diese Art kämpften, aber dieses Mal lag kein Funken Befriedigung darin, nur Verzweiflung... und Sasuke hatte keine Ahnung wie das zu stoppen war. Es spürte bebende, blanke Panik. Und das Schlimmste war, er spürte sie auch bei Naruto. Sie kämpften, als ginge es um ihr Leben. Und irgendwie tat es das auch. Nur dass er wusste, dass sie einander nicht töten durften, weil jeder von ihnen für die nächste halbe Stunde zu wichtig war und mit jedem Moment sinnloser Gewalt kostbare Zeit davon rann, die hilflose Panik noch mehr schürte, den Kampf noch erbitterter machte-...
 

„Weg von ihm!“, brüllte Shikamaru aus seinem sicheren Platz in der Fahrerkabine noch einmal und fluchte, als er wieder ignoriert wurde. Die Beiden waren ineinander verbissen wie zwei kämpfende Hunde-... fieberhaft kramte er in den Hilfsmitteln die er zur Hand hatte, versuchte es mit ein paar gellenden Pfiffen auf den Fingern und ein paar gezielt geschleuderten Verbandspäckchen. Keine Chance.
 

Fluchend und vor sich hin schimpfend suchte er unterm Sitz. Irgendwo war dieses lange Abschleppseil. Sobald er es hatte atmete er noch einmal tief durch, löste den Knoten um es vor sich auszubreiten, zog das lose Ende durch den Schnapphaken und stieg aus dem Wagen.
 

Sein Partner, von einem tollwütigen Straßenpunk zerfleischt?

Nicht in seiner Schicht...
 

~
 

Sasuke sah nicht, wie der Nara schwarzes Seil durch seine Finger gleiten ließ, den Blick auf das Chaos aus Gliedmaßen und Bewegung still fokussiert. Er sah nicht, wie er die Schlinge lockerte, sie ums Handgelenk fliegen ließ bis sie Schwung hatte-... er bemerkte nicht, wie der Andere einen gezielten Schritt näher kam und das Seil losschickte-... es war als würde der Schatten unter Shikamarus Hand sich strecken und alles was Sasuke davon mitbekam war der kurze, dumpfe Schmerz als die Schnalle seinen Knöchel traf-... und der unerwartete Ruck, der ihm fast das Bein ausriss-... jedenfalls fühlte es sich so an. Er schlitterte wie von Geisterhand gezogen über den Asphalt, schürfte sich den Rücken auf-... und blieb dann im ersten Moment verwirrt liegen.
 

„Weg von ihm!“, wiederholte Shikamaru eisig und Sasuke spürte den scharfen Luftzug, als ein zweites Seilende bedrohlich knapp über seinen Kopf hinwegsirrte, „Naruto? In den Wagen. Und du, Freundchen-... ab auf den Bauch. Hände hinter den Kopf. “
 

„Nein“, japste Sasuke, „Naruto! Du musst-...“

„Halt den Mund!“
 

Der Nara hob beim Näherkommen die Waffe auf die Sasuke fallen gelassen hatte, zog ratschend den Entsicherungshebel und richtete den Lauf auf ihn.

„Ab. Auf den Bauch“, wiederholte er drohend, „Sofort! Und ich schwöre dir, mach noch eine falsche Bewegung und ich schieß dir in die Kniekehlen“
 

Sasuke schluckte. Er starrte aufwärts in seinen eigenen Waffenlauf und sah sich gezwungen einzusehen, dass er nur noch sehr reduzierte Wahlmöglichkeiten hatte. Wie in Zeitlupe drehte er sich um-... es ging gegen alle Instinkte einer entsicherten Waffe den Rücken zuzudrehen, aber er biss sich auf die Unterlippe und konzentrierte alle Gedanken nur auf sein Ziel-... er konnte nicht-... er konnte es nicht vermasseln-... er hatte eine Mission und wenn die scheiterte konnte er sich genau so gut selbst erschießen, also-... Shikamaru riss grob seine Hände dorthin wo er sie haben wollte als ihm das Ganze zu zögernd ging, außerdem hatte er keine Hemmungen sein Knie mit vollem Gewicht genau zwischen die Schulterblätter zu pressen.
 

Sasuke biss knirschend die Zähne zusammen, drückte die Stirn gegen den Asphalt, beschwor seinen sich windenden Selbsterhaltungstrieb um Ruhe und Fassung.

„Schön stillhalten“, grollte der Nara, „Verd-... Naruto? Ich brauch dich hier doch kurz. Halt ihn fest, damit ich ihn fesseln kann. Bis die Bullen mit Handschellen hier sind, bleibt der nicht frei. Der ist zu gefährlich...“
 

Sasuke kämpfte verzweifelt gegen aufbrodelnde Panik, die ihm jeden klaren Gedanken zu rauben schien. „Naruto“, platzte er schließlich beinahe flehend wieder heraus, als er bekannte, warme Finger in ungut mörderischem Griff um die Handgelenke spürte. Er versuchte den Kopf zu drehen, versuchte den Killerinstinkt zu ignorieren, der ihn immer heftiger zu übermannen drohte, versuchte ganz ruhig zu bleiben, sich bloß nicht zu wehren als er Seilschlingen spürte. Seine Stimme bebte. Es war ihm egal.
 

„Es ist nicht so wie du denkst! Ich weiß, ich hab... Scheiße gebaut! Wir hatten ein paar... Differenzen! Aber ich schwöre dir, Sakura liegt da zwei Straßen weiter und sie wird verbluten, wenn du mir jetzt nicht glaubst! Sie wird sterben, okay?! Wenn du nichts tust, wirst du das ewig bereuen! Sie hat nach dir gerufen! Sie will, dass du bei ihr bist! Ich hab versucht Hilfe zu holen-... also egal was ihr tut, fahrt gefälligst zuerst dort hin, verdammt! Und zwar schnell! Vielleicht ist es noch nicht zu spät!“
 

Narutos Griff verlor an Härte, er stockte-... richtete den Blick auf Shikamaru, der mit kühler Miene kurzentschlossen umdrehte, zur Fahrerkabine zurück ging, mit einer Rolle Panzertape und einer dicken Mullbinde in der Hand zurück kam.
 

„Nein“, keuchte Sasuke panisch, rappelte sich auf, rutschte auf den Knien zurück und biss die Zähne zusammen als er in den Haaren gepackt wurde und der Nara Daumen und Zeigefinger in seine Wangen presste, um ihm die Mullbinde zwischen die Kiefer zu schieben, „Nein! Naruto! Naruto, sie wird sterben! Das ist kein Scherz! Sie verblutet! Sie braucht dich! Ich schwöre es, ich hab sie gefunden! Glaub mir! Bitte-... was soll ich machen, dass du mir glaubst?!“
 

„Warte“, der Blonde griff leicht und bittend an Shikamarus Handgelenk und schüttelte stumm den Kopf.

„Soll das ein Witz sein?“, schnaubte der Nara, „Er macht dich wahnsinnig mit seiner Winselei! Am Ende glaubst du ihm wirklich noch!“
 

Naruto nickte leicht. Seine merkwürdig leer wirkenden Augen suchten Sasukes Blick, der weit und bebend an ihm Halt suchte.

„Ich glaube ihm“, meinte er leise, „Lass uns fahren“
 

Shikamaru verdrehte die Augen zum Himmel und schlug sich stöhnend die Hand an die Stirn.

„Dieser Mann!“, betonte er heftig und gestikulierte lebhaft zu dem reichlich mitgenommenen Uchiha,

„Hat versucht dich umzubringen! Und es war nicht das erste Mal! Was! Ist falsch! Mit deinem Kopf?!“
 

„Ich bin eben ein Idiot“, meinte Naruto in gereizter Nüchternheit. Er wandte sich ab, um zurück zum Wagen zu schlurfen, „Schon gut, du musst nicht fahren. Gib mir den Schlüssel. Du kannst hier bleiben und auf die Polizei warten, es wird nicht lang dauern“
 

„Einen Scheiß werde ich tun“, schnaubte Shikamaru. Er packte Sasuke im Nacken, riss ihn auf die Beine und stieß ihn zu Naruto hinüber, „Du passt auf ihn auf! Und wenn er mich einmal falsch anguckt während der Fahrt, kann´s sein, dass er aus Versehen einen Zeh verliert!“
 

~

Freier Fall

~
 

Es war dunkel und still und zu eng für die drei Männer in der kleinen Fahrerkabine.

Die brodelnde Feindseligkeit machte die Luft darin dick wie Sirup.

Sasuke konnte kaum Atmen. Vielleicht hatte Naruto ihm eine Rippe zerquetscht, vielleicht war es wegen der Fesseln die auf seiner Haut brannten als hätte man sie in Säure eingelegt, vielleicht war es aber auch wegen dieser erstickenden, eiskalten Wut die ihn von rechts und links zu zermalmen drohte.

Er wagte nicht, sich zu Shikamaru oder Naruto umzusehen, die neben ihm saßen wie steinerne Wächter, dunkel, unbeweglich und ohne eine Gemütsregung. Stumpf versuchte er den Blick auf der scheinwerferhellen Straße zu halten.

„Da vorn links“, zwang er sich zu sagen. Ein heiserer, wunder Ton.
 

Niemand antwortete.

Shikamaru kurbelte schweigend am Lenkrad. Hinten im Wagen klirrten Geräte.
 

Narutos Kiefermuskeln zeichneten sich ab. Wenn Licht in die Kabine blitzte konnte man sehen wie er die Zähne zusammen biss.

„Woher kannst du eigentlich solche Cowboytricks?“, wollte er plötzlich wissen.

Der Blick aus blauen Augen ging glatt an Sasuke vorbei zu Shikamaru.
 

„Meine Familie hat diesen Wildpark“, knurrte der Nara, „Wenn ich mit zwölf schon so einen brünftigen Hirsch bändigen konnte, komm ich damit auch klar.“
 

„Hm. Ziemlich gut.“
 

Sasuke senkte mühsam aufatmend den Kopf und grub so fest er konnte Fingernägel in seine Handballen. Er fühlte sich entsetzlich. Offen gesagt erfüllte es ihn mit heller Panik, zu wissen wo sie hin fuhren und was sie dort finden würden.
 

„Da vorne ist was“

Shikamaru reckte den Kopf, wurde langsamer.
 

Sasuke hatte das Gefühl auf halbe Größe zusammen zu schrumpfen. Oh, shit... er spürte Narutos Griff im Nacken, der schmerzhaft zuzog. Flach atmend hielt er still. Die Panik in seinem Magen verdichtete sich zu dumpfer Übelkeit. Er konnte kaum hinsehen.
 

Aber dort, im Licht der Scheinwerfer lag der Körper des Mädchens leblos in Blut und Kieselsteinen.

Naruto blieb völlig still. Er reagierte nicht. Kein einziger Muskel zuckte.

Sasuke spürte seine Augen brennen, sein Herzschlag flatterte ihm im Rachen.
 

Sag doch was, dachte er.

Warum sagst du denn nichts?
 

„Ich dreh um“, bemerkte Shikamaru und legte den Rückwärtsgang ein, um den Wagen zu wenden.

Sasuke hob in einer üblen Vorahnung den Kopf.
 

„Es... ist... vielleicht nicht sicher“, würgte er hervor, „Vielleicht ist es wirklich eine Falle. Aber ich hab damit nichts zu tun-... wenn-... ihr mir die Waffe wieder gebt, könnte ich-...!“

Narutos Schraubstockfinger bohrten sich mit solcher Kraft in seinen Nacken, dass er vorsichtshalber verstummte bevor der Andere ihm das Genick brach.
 

„Ich hab dir gesagt, wir hätten ihn knebeln sollen“, bemerkte der Nara nur.
 

Prasselnd rollte der schwere Wagen im Halbkreis über die Kiesel, Shikamaru hielt den Blick auf der Rückspiegelkamera und setzte zurück so weit es nur ging.
 

„Schick ihn zuerst raus“, ordnete er an, „Nimm ihn als Schild, wenns sein muss. Wir klettern nach hinten, machen die Türen auf, holen die Liege raus, laden sie ein und fahren schleunigst wieder weg von hier. Verstanden?“
 

Der Blonde nickte leicht. In der Düsternis der Fahrerkabine sah er merkwürdig bleich aus.
 

„Naruto“, rief Shikamaru ihn sanft.
 

Ein paar Momente lang passierte gar nichts. Dann drehte der Blonde abrupt seinen Kopf zu ihm und nickte noch einmal. Seine Augen waren weit und fremd. So musste ein Fuchs in der Falle aussehen.
 

„... Verstanden“, sagte er, seine Hand fiel von Sasukes Genick abwärts als würde sie nicht mehr zu ihm gehören, die Stimme heiser und leise,
 

„Tun wir´s.“
 

Als sie von innen die Türen aufstießen, ihren Gefangenen hinauswarfen und ausstiegen war alles sofort nur noch kalte, konzentrierte Geschäftigkeit.

„Du kannst auch fahren“, bemerkte Shikamaru während er die Liege herunter klappte, den leblosen, zerschnittenen Körper beherzt unter den Armen griff.

„Ich bin okay“, erwiderte Naruto verbissen und hob ihre Beine.

Sasuke kannte diesen Ton... er hieß, dass er ganz und gar nicht okay war, aber bereit, jedem mit einem einzigen Schwinger fünf Zähne auszuschlagen, der Zweifel hatte.
 

Um den Körper des Mädchens wurden Gurte gelegt, schwarze Gurte um Brust, Bauch und Beine, die sie auf der Liege hielten. Sasukes Kehle wurde sehr eng. Seine eigenen gefesselten Handgelenke, der Anblick, die ganze Situation, das war-... es war zu viel-... einen betäubten Moment lang war er nicht mehr in der Lage, zu reagieren-... Naruto war geistesgegenwärtig genug, seinen starren Körper am Arm zurück ziehen, ihn aufwärts in den Wagen zu zerren bevor die Türen sich schlossen.
 

Immerhin-... niemand hatte auf sie geschossen. Kein Angriff...

Niemand hatte sie daran gehindert, Sakuras Körper von der Straße zu bergen.

Sasuke war verwirrt. Wussten die Täter nichts davon? Konnte sie es tatsächlich geschafft haben, in diesem Zustand allein zu fliehen? Auf keinen Fall... Es musste pure Berechnung sein... aber was hatten sie vor? Wer steckte dahinter?

Wie würde der nächste Schlag aussehen?
 

Der rostige, nasse Geruch von Blut füllte den ganzen, winzigen Raum des Krankenwagens. Ihm wurde schlecht davon. Jetzt, so im Licht sah sie noch viel kaputter aus als vorher... so verdammt viel Blut-... ihre Haut sah aus wie aus Wachs-... war sie tot?
 

„Viggo, achtzehner“, kommandierte Shikamaru. Naruto handelte.

„Fünfhundert VEL. Schließ das Pulsoxy an“
 

Sasuke stand hilflos daneben. Er verstand nur Bahnhof. Plastikverpackungen mit medizinischen Instrumenten wurden über ihren halbnackten, blutverkrusteten Körper hin und her geworfen. Alles was er tun konnte war zusehen, während Dinge passierten von denen er keine Ahnung hatte und der Kloß in seinem Hals immer größer wurde. Ugh, eine Nadel! Und was für ein Riesending! Urrgh, er hasste Nadeln- das konnte er nicht mit ansehen!
 

Irgendetwas begann mechanisch zu piepen, die Wände schienen immer näher zu kommen. Auf einmal wurden ihm all die ekelhaften, fremden, bedrohlich spitzen Geräte um ihn herum sehr bewusst- sie schienen auf ihn einzustürzen, ihn zu erdrücken, Sakuras weißer Körper voller Wunden, so tief dass man das Gewebe darunter sehen konnte schien immer größer zu werden, füllte sein ganzes Gesichtsfeld aus. Ihm wurde heiß und kalt.
 

„Schere“, kommandierte Shikamaru und als Sasuke sah wie er genau das aus der nächsten Plastikverpackung zog und ansetzte, machte sein Körper von selbst eine instinktive Bewegung weg von ihm- er kollidierte mit der kalten Innenwand der Wagentür, wollte sie öffnen, wurde an seine Fesseln erinnert und ging keuchend ein Stück in die Knie.
 

Oh Fuck. Oh, fuck, fuck fuck...
 

„Naruto?“, klang die Stimme des Nara wie durch Watte in seinen Ohren. Überdeutlich drangen all die anderen Geräusche in seinen Kopf, ekelhaftes Reißen von Stoff, metallisches Ratschen und Gleiten der Scherenblätter, Piepsen irgendeiner Maschine-...
 

„Was?“
 

„Er kippt um“
 

Tatsächlich sah Sasuke die Welt auf einmal nur noch in schwarz-weißen Schatten, ein lauter werdender Pfeifton in den Ohren machte ihm bewusst, dass er seinen Körper gar nicht mehr spürte. Flach atmend presste er sich an die Innenseite der Wagentür, versuchte dort etwas Halt zu finden. Oh nein, Katastrophe-... er konnte nicht umkippen oder sich übergeben, nicht jetzt, nicht hier, nicht vor ihnen-..!
 

„Der kippt um, Naruto“

„Nein, tut er nicht“
 

Verdammt richtig, er weigerte sich! Mit dem letzten Bisschen Willenskraft klammert er sich an den Rest seines Bewusstseins. Nicht vor diesem verfluchten Klugscheißer, der so tat als wüsste er alles! Aus purem Trotz schon nicht! Aber Gott verdammt, war ihm schlecht..! So grauenhaft hatte er sich noch nie gefühlt. Zumindest konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Er hatte eiskalten Schweiß am ganzen Körper.
 

„Bleibst du bei ihr?“, drang Shikamarus Stimme durch den engen Raum,

„Ich schwör dir, wir brauchen kugelsichere Fenster, da würd ich mich gleich viel besser fühlen...“

„Ja. Klar. Beeil dich, okay?“
 

Ein Schaukeln des Wagens als der Nara zurück nach vorn kletterte, ein Ratschen des Schlüssels und sobald mit einem lauten Grollen und Vibrieren der Motor zum Leben erwachte spürte Sasuke auf einmal Berührung an seinen Händen, Lippen an seinem Ohr, jemand der ruhig mit ihm sprach.
 

„Setz dich hier hin“
 

Er gehorchte blind, stolperte zwei wackelige Schritte dorthin wo der Nara vorher gestanden hatte, fand eine Sitzgelegenheit und sackte darauf. Ihm war zum Heulen zumute. Er konnte Sakura nicht ansehen. Er konnte nicht. Jemand löste stumm seine Fesseln.
 

Mit leisem Poltern glitt das Seil zu Boden. Seine Hände waren frei. Er war frei... Tief aufatmend schlug er die Augen auf, hielt sich seitlich fest, als der Wagen zu sehr schwankte.
 

„Naruto...“
 

Es war ein helles Wimmern, klein und kaum hörbar, aber einen verrückten Moment lang war er einfach nur schrecklich froh.

Sakura. Dem Himmel sei Dank, sie lebte noch. Obwohl-...
 

Wenn sie in der Lage war zu Sprechen, würde sie früher oder später erzählen was er getan hatte. Beziehungsweise, was er nicht getan hatte. Sasuke biss die Zähne zusammen, rieb sich beide Hände übers Gesicht, kauerte mit hängenden Schultern und eingezogenem Kopf auf seinem Platz. Beim Aufblicken sah er, wie sie ihre blutigen Finger ein wenig hob. Naruto fing sie sanft ein, schloss seine große Hand darüber.

„Ich bin da“, sagte er leise, „Es ist okay. Du bist in Sicherheit“
 

„N-... Naruto“

Ihr Körper zuckte und bebte leicht... sie weinte... Immerhin sah sie nicht mehr so tot aus wie kurz davor, aber dieser Zustand war fast noch unerträglicher. Sasuke wandte den Blick ab, um sie nicht ansehen zu müssen. Er konnte das... nicht aushalten. Gab es denn wirklich keine Chance aus diesem Höllengefährt auszusteigen?
 

„Naruto, d-... da waren... diese zwei Männer...!“
 

Widerwillig horchte Sasuke auf.
 

„Der eine-...“, sie schluchzte leise. Egal wie viel Mühe sich Naruto gab ihre Hand zu halten, ihr die Wange zu streicheln, sie schien innerlich völlig zusammenzubrechen.

„Er hat mich-... er hat-...“
 

Narutos eisblauer Blick glitt herüber, traf unvermittelt in Sasukes Augen. Der wich ihm sofort aus, schluckte mühsam, rieb leicht die Druckstellen am Handgelenk.
 

„Er hat mich ver-... uhh-...“
 

„Schh...“, raunte Naruto ihr zu, „Versuch nicht zu sprechen wenn dich das anstrengt...“
 

„Ich glaube er hat kein Kondom benutzt-...“, brachte Sakura hervor,

„Vielleicht kriegen sie das Schwein, wenn sie mich untersuchen, oder?“
 

Naruto schaffte es irgendwie, auf wundersame Art völlig ruhig zu bleiben.

„Ich bin sicher... die Ladies im Krankenhaus werden da alles tun was möglich ist“, versprach er leise.
 

Sie weinte nur noch viel heftiger.

„Was ist mit-... meinem Baby?“
 

Naruto war sichtlich verwirrt.

„Uhm-...“, er wechselte noch einen kurzen, verdatterten Blick mit dem Uchiha, um sich ihr dann wieder zuzuwenden,

„Sasuke ist hier... er hat Hilfe geholt. Wir müssten gleich ankommen, keine Angst mehr. Du bist jetzt in Sicherheit.“
 

„Nein“, weinte sie, „N-... nein, das meine ich nicht-... mein-... ich war-...“
 

Sasuke kam ein grauenhafter Verdacht.

Es war als würde jemand Eis durch ihn hindurch schütten. Ihre nächsten Worte kamen unwirklich, gedämpft durch den rauschenden Puls in seinen Ohren. Auf einmal verstand er. Oh Fuck.

Ohh...

Zu wissen was sie sagen würde, bevor er es hörte, machte es kein Bisschen weniger schrecklich:
 

„Ich bin schwanger“
 

Narutos starrte ihn an. Sasuke konnte nichts tun. Er sah hilflos zurück.
 

„Es-... ist vielleicht von dir, Sasuke-...“, schluchzte Sakura, „Das wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen...! Tut mir leid, irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt“
 

Sasukes Kehle zuckte. Er wollte schreien... Er wollte wirklich, aber es kam kein Ton heraus.

Stattdessen schob er beide Hände in seine Frisur, grub seine Finger in Haare und Kopfhaut, sackte seitlich gegen die Wageninnenwand, schlug die Schläfe dagegen- Nein. Nein! Ohh shit. Nein, nein nein...!
 

„Wir wissen leider nichts“, erklärte Naruto sehr sanft und sehr mühsam beherrscht, schob ihr schützend eine große Hand über den notdürftig bandagierten Bauch, „Wir können nicht in dich reinsehen. Die Wunde ist zum Glück nicht so tief... im Krankenhaus haben sie einen Ultraschall.

Das wichtigste ist jetzt, dass du versuchst, ganz ruhig zu bleiben, okay?“
 

„Ja“, brachte Sakura kraftlos heraus, „Ich-... ich hab so gehofft, dass du kommst-..! Danke, Sasuke... ich bin... so froh, dass ihr da seid... dass ich nicht mehr dort bin-... oh Gott-... ich werd nie wieder was anrühren, ich versprechs...! Niemals... nie wieder!“
 

Die Notaufnahme war ein greller, nach Blut und Desinfektionsmittel stinkender Hafen in der Nacht.
 

Sasuke taumelte aus dem Gefährt, er war nicht scharf darauf dort auf Menschen zu treffen, die sich womöglich noch an seinen Berserker- Modus vor kurzem erinnerten, als er-... er wusste nicht mehr, wen er alles bei seiner Flucht niedergeschlagen hatte... aber allein beim Wagen zu bleiben war auch keine gute Option.
 

„Puls und Blutdruck stabil“, meldete Shikamaru, als sie im Flur von einer Ärztin mit beeindruckend massiver Oberweite, strengem Blick und langem, blondem Haar in Empfang genommen wurden,

„Multiples Trauma, keine terminalen Verletzungen erkennbar“

„Du liebe Zeit, ist das-...“

„Sakura Haruno“, er nickte, „Frag nicht, nach heute Nacht brauch ich echt Urlaub“

„Ab in Raum zwei“, ordnete sie an, „Was ist passiert, habt ihr was mitbekommen?“
 

In wenigen Momenten war sie umgelagert auf eine Krankenhausliege wurde weiter geschoben und verschwand außer Sichtweite.

Zurück blieb Sasuke.
 

Allein mit... ihm.
 

„War es das wenigstens wert, huh?“, Narutos Stimme war ein abgründiges Grollen. Eine so arktische Kälte lag darin, dass Sasuke ihn fast nicht wieder erkannte.
 

Er wandte den Kopf um ihn anzusehen und stelle fest, dass der Blonde ihn keines Blickes würdigte.
 

Und auf einmal spürte er Angst. Echte Angst... Drei Jahre ungeheulter Tränen brannten ihm hinter den Augenlidern, aber selbst jetzt- besonders jetzt- war er hilflos-... er konnte keine Gefühle zeigen. Er konnte nicht erklären, was passiert war.
 

„Wovon redest du?“, brachte er tonlos hervor.
 

Narutos Augenbrauen zuckten, er drehte den Kopf und-... jetzt wagte Sasuke nicht mehr, ihn anzusehen. Sie standen auf dem kalten, grell erleuchteten Flur des Krankenhauses Schulter an Schulter, ratlos, verletzt und furchtbar weit voneinander entfernt.

So wie es sich anfühlte, war diese Nacht die letzte Brücke zwischen ihnen gesprengt worden.

Es war passiert.
 

Sie würden nie wieder Freunde sein.
 

„Muss sich ja für dich gelohnt haben“, grollte Naruto, „Ist doch sonst gar nicht so deine Art. So rein aus purer Nächstenliebe mit jemandem zu schlafen, den du eigentlich gar nicht leiden kannst“
 

„Was weißt du schon“, flüsterte Sasuke. Die Tränen brannten, aber sie fielen nicht.
 

Naruto drehte sich zu ihm um, blaues, vernichtendes Feuer in seinen Augen.

„Nein, wirklich. Das interessiert mich jetzt. Machst du das öfter, so... Mitleidsficken? Eine Runde Uchiha- Sperma für alle?“
 

Sasuke senkte den Kopf, aber Naruto war noch nicht fertig. Er wurde lauter, bis wahrscheinlich die letzte Hilfsschwester im Medikamentenzimmer ihn auch hören konnte:
 

„Ist das nicht edel von dir! Deine kostbaren Gene in der Gegend herum zu verteilen, eine milde Gabe für die Armen, wer hat noch nicht wer will nochmal..!“
 

„WAS willst du von mir?!“, heulte Sasuke und fuhr herum. Er konnte nicht einfach da stehen und sich erniedrigen lassen. Es war Instinkt zurück zu schlagen, einer der tief aus seinem Innern kam. Je mehr es weh tat, desdo mehr wehrte er sich und desdo mehr verlor er die Kontrolle:
 

„Hör auf mich anzumachen, verdammt! Ich wusste nicht dass sie schwanger ist, okay?! Ich hab keine Ahnung wie das passieren konnte, es-...“
 

Naruto lachte ein kaltes Lachen, so verächtlich dass Sasuke Gänsehaut spürte.

„Ich kann´s nicht fassen...“, zischte er, „Wie das passieren konnte? Du hast sie ohne Gummi gefickt, du Genie!“

„Sie hat gesagt es ist okay!“, platzte Sasuke hysterisch heraus, „Ich dachte, sie nimmt die Pille oder wasweißich! Es war nur-...“

„Ach wieso sagst du das denn nicht gleich?“, Naruto kam noch ein bedrohliches Stück näher, die Zähne gefletscht, „Wie schlau von dir, darauf zu hören, natürlich! Wie war noch gleich das Ergebnis von deinem IQ- Test im Vergleich zu meinem?!“
 

Sasuke stieß ihn heftig auf Austand:

„Du bist doch nur eifersüchtig, dass sie dich nicht rangelassen hat!“, heulte er vollkommen außer sich,

„Was willst du hören?! Ja, ihre Pussy ist wirklich so eng und feucht-... wobei ich da jetzt nicht mehr sicher bin!“
 

Es klatschte.

Narutos Rückhand kam mit einer solchen Wucht, dass sie ihm den Atem nahm.

Und obwohl er glaubte - wusste - dass er das verdient hatte, schlug er mit einem Aufschrei zurück.
 

Menschen kreischten, Gegenstände krachten, ein Tumult brach los-... sie rollten sich über den Flur, verbissen, hasserfüllt, völlig außer Kontrolle.
 

„Was zum?!“, hörte man wie aus weiter Ferne Shikamarus Stimme, „Ihr seid wohl verrückt geworden!“
 

Jemand packte sie am Kragen, sie wurden von mehreren Händen aufwärts gezerrt, eine Tür öffnete sich, sie wurden hindurch geschleudert, mit einem Krachen schloss sich der Raum und plötzlich war dumpfes Halbdunkel um sie herum.
 

Sasuke schlug um sich in völliger Raserei:

„Du willst wissen, ob ich sie mochte?“, spie er zwischen blutigen Zähnen hervor,

„Ob wir wenigstens Freunde waren oder so ein Scheiß? Ich hab sie gehasst! Ich hab sie gehasst, als ich meinen Schwanz in ihr hatte, weil ich wusste, dass du sie willst! Sie hat mich angebettelt, kapierst du das?! Es war ihr egal ob ich es ernst meine!

Weißt du wie scheiß erbärmlich das ist, wenn du so verknallt bist, dass du nur noch an eine Person denken kannst, egal wie viele andere du fickst?“
 

Naruto warf ihn rückwärts, sie kollidierten mit einem Metallregal, Sasuke schlug sich heftig den Kopf an einer scharfen Kante und machte sich auf alles gefasst.

Die Sicht verschwamm ihm vor den Augen. Er schmeckte Blut. Narutos Unterarm presste sich so gegen seine Kehle, dass er spürte wie der Hustenreiz aufkam.

Als er hoch blinzelte hatte der Blonde den freien Arm hoch erhoben, seine Faust zitternd-... aber er schlug nicht zu. Er zitterte am ganzen Körper vor Hass und blinder Wut, aber er schlug nicht zu.
 

„Warum bist du so?“, fragte er stattdessen verständnislos und mit leiser, gebrochener Stimme.

„Warum tust du... allen so weh...? Was ist dein Problem... scheiße!“, In seinen Augen glitzerte es verdächtig, „Was willst du eigentlich, Sasuke?“
 

Der Uchiha sah ihn an.

Und in dieser Sekunde wusste er, das musste das Gefühl sein, kurz bevor man hingerichtet wurde. Auf einmal hatte er keine Angst mehr. Für einen kleinen, goldenen Moment sah er in blaue Augen, sah seinem Tod ins Gesicht und eine tiefe Ruhe durchfloss ihn.
 

Es gab jetzt nichts mehr zu retten. Er konnte nur noch die Waffen strecken...

nur noch loslassen, aufgeben und verstehen, dass sein Kampf hier zu Ende war...
 

Ganz langsam neigte er seinen Kopf nach vorn, schloss die Augen für die wahrscheinlich dümmste Entscheidung seines Lebens...
 

Und ihre Lippen berührten sich.
 

~
 


 

AUTORENKOMMENTAR:
 

Yeah, und hier sind wir beim 50sten Kapitel von "The Darkside"! 8D Unglaublich, oder? Gleichzeitig auch whooo! Der erste, zaghafte Kuss des Hauptpairings! Jaa, Sasuke traut sich noch nicht so richtig! Aber das wird schon noch ^^ Nach 50 Kapiteln, ist das zu fassen? xD Jetzt kann es doch eigentlich nur besser werden, oder? Oder? Vielleicht wird es auch erst recht schlimm?

Wer weiß..? Nur die nächsten Kapitel werden das klären..! Hah! Ich hoffe ihr bleibt der Story treu!

Jetzt gibt es jedenfalls erstmal einen kleinen Grund zu Feiern! Allen die bis hierher durchgehalten haben- ihr seid super! ^____^ Danke fürs Lesen! Bis zum nächsten Kapitel~

Kiss Kiss, Bang Bang

~
 

Es schmeckte nach warmem Atem und Nudelsuppe.

Genau wie ihr erster Kuss.
 

Mehr wagte Sasuke nicht, nur dieses eine, weiche Nippen an seinem Mund. Der Damm war gebrochen und das hier war was von ihm übrig blieb- so viel gnadenlose, brutale Ehrlichkeit, dass es ihn selbst erschreckte.
 

Der Blonde blieb stehen wie zur Salzsäule erstarrt. Seine Lippen waren kalt von der Nachtluft und starr vom Schock. Dass er nicht reagierte war die bittere Erfüllung von einer ebenso bitteren Vorahnung. Aber das war okay... Sasuke hatte ja irgendwie damit gerechnet...
 

Sobald er zurück wich- nur ein Bisschen, wurde der Schmerz unerträglich. Es fühlte sich wirklich an, wie zu sterben.

In einer merkwürdigen, unwirklichen Sekunde schoben sich Traum und Albtraum übereinander. Sein ganzes Leben- na gut, eine beachtliche Zeit davon-... hatte er nicht geglaubt, dass so etwas je passieren würde und jetzt- jetzt war er da, der Moment, und der Andere hatte sich noch nie so... fremd angefühlt. Es war alles so falsch, so gescheitert, so... zu spät...
 

Naruto wich auf Abstand und Sasukes Kopf sackte auf seine Brust. Es gab nichts mehr zu sagen. Ausweichen konnte er nicht, das Metallregal bohrte sich immer noch in seinen Rücken, Naruto hielt ihn dagegen gepresst.
 

Aus den Augenwinkeln sah Sasuke nur, wie die gehobene Faust des Anderen langsam sank. Er hörte tiefes, stockendes Atmen, hob den Blick und sah auf in blaue Augen.

Und dann spürte er sie. Die Hand, Finger in seinem Haar, eine warme Hand die sich in seinen Nacken schob, ein blutiger Daumen, der zitternd seine Wange streichelte. Naruto schluckte hart.

„Sas-...“, begann er, bevor seine Stimme brach, aber das war genug.
 

Sasuke stieß sich nach vorn, presste blindlings die Lippen auf seine, saugte hungrig an seinem Mund, grub ihm mit vernichtender Kraft seine Klauenfinger ins Oberteil und gab ein kleines, ungewolltes Geräusch von sich, als er spürte wie Narutos Arme sich um ihn schlossen.
 

Er dachte nichts mehr. Er fühlte nichts mehr, alles reduzierte sich auf den raschen, weichen Puls der in seinen Ohren pochte und die ganze Welt füllte.

Er spürte sein Herz schlagen.

In diesem goldenen, heißen Moment von sinnlosem, hoffnungslosem Glück pochte es klein und heftig. Alles was er hatte und je gewesen war steckte in diesem Kuss. Er war so erbärmlich schlecht darin seine Gefühle zu zeigen, aber er hoffte-... wusste-... dass Naruto vielleicht verstand. Wenn ihre Körper heftig genug kollidiert waren, hatten sie sich immer verstanden, irgendwo tief in der weißen, unendlichen Welt in ihrem Innern. Was ihm entgegen flutete war so eine unglaubliche, bedingungslose Welle von Zuneigung, dass er nichts anderes tun konnte als den Mund zu öffnen und Narutos Atem in sich hinein zu saugen als ob es das einzige war was ihn überleben ließ.
 

Der Andere blieb verkrampft. Er küsste nicht wirklich zurück, aber das war nicht schlimm. Seine Umarmung war mehr als genug. Sie gab einem das Gefühl, dass alles irgendwie wieder gut werden konnte, auch wenn Sasuke genau wusste wie bescheuert das war...
 

Nur sehr langsam trennten sie sich wieder, heftig atmend, Stirn an Stirn. Unfähig sich anzusehen, aber genau so unfähig loszulassen.
 

„Du zitterst...“, flüsterte Sasuke. Es war die Wahrheit.

Narutos Muskeln schlotterten furchtbar, wahrscheinlich noch heftiger als davor, sein Atem kam kurz und ruckartig.

„Du auch.“, brachte der Blonde mühsam heraus. Ein tiefes Schaudern durchlief Sasuke in leisen, regelmäßigen Wellen.
 

„Mir ist eben kalt.“, log er flüsternd und biss die Zähne zusammen.
 

Naruto gab ein Prusten von sich. Ein nervöses, überfordertes Geräusch das kein wirkliches Lachen war.

„Was läufst du Blödmann auch halbnackt durch die Gegend?“, stöhnte er und seine Mundwinkel zuckten aufwärts.
 

Etwas in Sasuke schmolz bei dem Anblick- es reichte nicht, das zu sehen. Er musste es fühlen. Er musste Lippen dagegen drücken, die weich und nachgiebig waren, so weich, dass dem Anderen klar werden musste, wie sehr er Narutos Verzeihung brauchte. Er brauchte sie. Wofür hätte er sonst Sakura retten müssen?
 

Tief saugte er diesen Duft in sich auf, hielt sich an ihm fest. Narutos Hände rutschten über seinen Rücken, die Lederjacke verschob sich-... und das Gefühl der warmen Fingerkuppen, die mehr aus Versehen auf blanke Haut stießen, war wie ein Stromschlag der Hitze durch ihn hindurch pulste, alles auf einen Schlag anders werden ließ... und irgendwo in sein vernebeltes Hirn quetschte sich der Gedanke, wie grotesk und abartig es wäre, wenn sie jetzt Sex haben würden-...
 

Hier drin, in dieser verfluchten, halbdunklen Abstellkammer, während sie beide noch mitten im Nervenzusammenbruch steckten, keiner von ihnen wirklich zurechnungsfähig war und Sakuras Unterleib ein paar Zimmer weiter zusammengeflickt wurde...
 

Allein der Gedanke war geschmacklos... ekelhaft geradezu, aber ihm war das egal.

Naruto war immer noch viel zu -freundschaftlich-, viel zu- tröstend-, nicht -eindeutig- genug-... und Sasukes Körper bog und krümmte sich heftiger gegen ihn, in flirrendem Rausch von Crystal, Verzweiflung und Adrenalin.
 

Er legte den Kopf zurück-... seine Augen glitzerten dunkel, er spürte wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief als Naruto sich zögernd, wie hypnotisiert von den schwarzen Pupillen näher beugte, wie alles in ihm sich zusammenzog als Narutos Daumen mit etwas mehr Absicht sein Steißbein streifte-...
 

Und in diesem Moment donnerte mit reichlich Schwung eine Faust an die Tür.
 

„Lebt noch einer?!“, kam gedämpft Shikamarus Stimme, und Sasuke schloss seinen leicht geöffneten Mund mit einem Klacken der Zähne. Sein Blick sprühte pures Gift. Oh, er wusste schon, wen er die nächste Zeit über mit glühender Leidenschaft hassen würde... über wessen Tod er sich viele Gedanken machen würde.
 

"Da will so ein Typ mit dir reden, Naruto! Komm raus, wenn noch was von dir übrig ist!“
 

„Ich-... ich komme gleich!“, brüllte Naruto etwas wackelig zurück, und Sasuke fand den Satz überhaupt nicht lustig.
 

„Sag ihm, er soll sich verpissen.“, zischte er.
 

„Das geht nicht-... ich muss noch arbeiten...“
 

„Du hast einen Schock, du musst gar nichts mehr! Lass dich krank schreiben!“
 

„Halt die Klappe!“, hielt Naruto dagegen, „Du bist selber total auf Speed oder wasweißich! Sieh dir mal deine Augen an!“
 

"Tss!"
 

"Selber, tss!"
 

"Idiot!"
 

"Miststück."
 

Sasuke grub seine Fingernägel fester, kniff die Lippen zusammen und legte schließlich in dunkler Herausforderung seinen Kopf schief.
 

"Ich könnte irgendwas Dummes tun, wenn du mich los lässt...", drohte er leise.
 

"Du kannst auch problemlos was Dummes tun, wenn ich versuche dich festzuhalten.", Naruto rollte die Augen, "Wenn du mir irgendwas wirklich klar gemacht hast, dann das-... Die Lektion hat gesessen!"
 

Sasukes Mundwinkel zuckten nach unten, seine Finger wurden kraftlos. Sein Blick sank. Er gab ein schwaches Schnauben von sich.
 

„Es-... ich-... wir-...“, Naruto ließ ihn los, versuchte mit entschuldigend gehobenen Händen eine passende Verabschiedung zu finden, während er einen halben Schritt rückwärts ging:

„Hey, ähm-... lass uns-... wir sehen uns später, ja?“
 

Der Uchiha verzog das Gesicht.
 

Ratlos ließ Naruto die Arme sinken, wandte sich dann schließlich ab, ließ Sasuke stehen wo er war und ging zur Tür. Der Dunkelhaarige hob den Kopf.
 

„-...Warte!“
 

Mit ausgestreckter Hand hielt Naruto inne.
 

"… was ist?"
 

„Hör zu-...“ Sasukes Stimme war plötzlich sehr verändert, „Sprich mit niemandem-... geh mit keinem mit-... glaub nichts, was sie erzählen, du-...“, er zögerte, leckte sich über die Unterlippe und formulierte es noch einmal anders,

„Hier... ist es vielleicht nicht mehr sicher.“
 

Naruto schnaubte und sah sich über die Schulter hinweg zu ihm um. Ein letzter Blickkontakt, seine Augen waren blau und glimmend,
 

„Ich kann auf mich selbst aufpassen, klar?“, murrte er.
 

Und kurz darauf war er weg.

Die Tür fiel mit einem Krachen ins Schloss. Sasuke starrte sie ein paar Sekunden lang einfach nur an. Dann blinzelte er, senkte wie betäubt seinen Kopf wieder. Die Gedanken schossen wild darin durcheinander-

Naruto... jemand wollte Naruto sprechen?
 

Sie waren auf der Straße nicht angegriffen worden, aber kaum hatten sie Sakura ins Krankenhaus eingeliefert, wollte jemand Naruto sprechen?

Woher wusste dieser jemand überhaupt, dass er hier war...?
 

Ein flaues Gefühl überkam ihn.
 

Dem ersten Impuls, zur Tür hinaus hinterher, kam er nicht nach...

Er hatte keine Waffe mehr, und womöglich rechnete wer- auch- immer Naruto dort draußen auflauerte schon damit.
 

Aber zur Hölle... Sakura hatten sie vielleicht erwischt.

Mehr bekamen sie nicht.
 

Und wenn er sein Revier nur mit Zähnen und Fingernägeln verteidigen musste...
 

~
 

Mit zitternder Hand fuhr Naruto sich durch seine blonden Strähnen, als er wieder ins grelle Licht der Station stolperte. Er machte einen zerzausten Eindruck, seine Augen waren immer noch weit und ausdruckslos-... hilflos sah er sich um. Nur ein kleines Stück weiter hob Shikamaru den Arm und winkte ihn zu sich her-... neben ihm stand jemand Fremdes in einem hellen Trenchcoat.
 

Jemand, der blondes, kurzes Haar und eine Brille trug und dabei wirkte wie jemand, der sich eine Menge Spaß im Leben verkniff, nur um eine gute Entschuldigung für seinen Sadismus zu haben. Sein Blick, mit dem er herübersah als Shikamaru in Narutos Richtung nickte, war schneidend und kalt.
 

Wirklich Lust auf die Unterhaltung hatte Naruto nicht, als seine Beine ihn die paar Schritte zu den Anderen trugen.

„Hey.“, atmete er.
 

„Herr Uzumaki?“, der Fremde griff in seine Brusttasche, ließ eine silberne Marke kurz aufblitzen und schob sie wieder zurück, „Betäubungsmittel- Kontrollbehörde... Mein Name ist Kurabayashi. Können wir uns kurz unterhalten?“
 

Naruto schluckte. Sein Instinkt sträubte ihm die Nackenhaare und drängte ihn, sich umzudrehen und einfach wegzulaufen. Weit weg.
 

„Klar.“, meinte er mit erstickter Stimme.
 

„Ausgezeichnet... Folgen sie mir.“
 

~
 

Für Sasuke war es kein Kunststück, durchs Fenster zu klettern. Seine Sinne liefen auf Hochtouren. Womöglich galt dasselbe auch für seine Paranoia, aber das war ja nicht zwingend ein Nachteil... Geduckt schlich er am Gebäude vorbei.

Unter grell erleuchteten Fenstern blieb er im Schatten, trabte rasch vorwärts auf die Eingangsseite und in den Parkplatz davor, zwischen die Autos. Kies knirschte unter seinen Schuhen, mit dem kalten, klaren Duft der Nachtluft mischte sich der Geruch von Dieselöl.
 

Was für eine Art von Killern war verrückt genug, ihren Schlag in einem vollbesetzten, öffentlichen Krankenhaus zu setzen? Er konnte sich das nicht vorstellen... Andererseits hatte er sich auch nicht vorstellen können, dass jemand so etwas mit Sakura tun würde... nur um zu zeigen, wie leicht er es konnte-... diese verdammten Schweine...
 

Sein Blick aus dunklen Augen scannte angestrengt die Umgebung auf Auffälligkeiten. Irgendeine Art von schwarzem Lieferwagen... oder ein Auto mit verdunkelten Scheiben vielleicht, ein-... halt-... er erstarrte in seiner Bewegung.
 

Dort, bei dem mattgrünen Cabrio stand jemand der ihm bekannt vorkam...

Jemand, der sich gelangweilt auf ein kleines Motorrad lehnte und seine kurzen Haarsträhnen um die Finger zwirbelte... es war eine eigentümliche Haarfarbe... braunrot... wie geronnenes Blut...
 

Sasuke biss knirschend die Zähne zusammen, sein Puls beschleunigte sich.

Er hatte geahnt, dass der Kleine verdächtig war... aber das?! Seine Augen wurden finster und schmal.
 

Der Kerl war ja sowas von tot!
 

~
 

„Sind sie wegen-... wegen Sakura hier?“, Naruto rieb seine Hände an der Hose ab, bevor er versuchte, sie in die Jackentaschen zu schieben, „Whoa, das-... ging echt schnell-... also, ich hab keine Ahnung wie oder wann das passiert ist-... mein Kollege und ich, wir waren die ganze Nacht im Dienst... ich meine, ich wusste, dass die Gegend nicht gut für sie ist! Aber-... sowas-...! Und diese Leichen da-...“
 

„Offen gesagt geht es hier nicht um sie. Nicht in erster Linie, zumindest.“, Kurabayashi schüttelte leicht den Kopf, „Die Kollegen von der Kriminalpolizei werden sich darum kümmern... wir sind wegen Ihnen gekommen.“
 

„... Wegen-... wegen mir?“, Naruto schluckte,

„Bin... ich in Schwierigkeiten?“
 

Kurabayashis kühle, helle Eulenaugen hinter der Brille blinzelten.

„Sagen Sie es mir. In diesem Krankenhaus sind in letzter Zeit größere Mengen an rezeptpflichtigen Medikamenten verschwunden...“
 

Naruto starrte den Fremden mit offenem Mund an.

„... echt jetzt?“
 

„Würden Sie sich freiwillig einem Bluttest unterziehen?“
 

„N-... nein! Ich meine-... Nein!", hilfesuchend sah Naruto sich nach Shikamaru um. Von dem war allerdings nichts zu sehen. Womöglich nutzte er die Chance um ein paar Sekunden allein zu sein und sich für den Rest der Nacht zu beruhigen.
 

"Dafür gibt es doch überhaupt keinen Grund! Ehrlich, glauben sie ich würde meinen Arbeitgeber beklauen?“
 

„Sie sind kein unbeschriebenes Blatt, Herr Uzumaki...“, Kurabayashi zuckte die Schultern, „... Sachbeschädigung, Körperverletzung... Erregung öffentlichen Ärgernisses...“
 

„H-Hey...! Shit!-... das ist ewig her!“, Naruto senkte die Stimme zu einem Flüstern, sein Blick war gehetzt, „Ich hab mich geändert!“

„Sie waren im Konoha- Heim, ist das richtig?“

„... J-... ja, aber-...“
 

Kühle, gefühllose Augen musterten ihn und der Uzumaki schien darunter zu schrumpfen.

„Dieses Heim kümmert sich um besonders schwer erziehbare, traumatisierte und-oder delinquente Jugendliche. Ist das richtig?“

Narutos Blick sank zu Boden.

„... Ja“, murmelte er.
 

„Und Sie waren dort, weil Sie als nicht führbar galten, als impulsiv, unkontrolliert und gefährlich?“, Kurabayashi nahm lässig eine Zigarette aus einem silbernen Etui in der Jackentasche und drehte sie zwischen den Fingern.

Naruto konnte nicht antworten. Er biss sich mit leerem Blick auf die Unterlippe.
 

„Verstehen sie, Herr Uzumaki...“, Kurabayashi deutete mit kurzem Kopfrucken an, ihm durch die Tür des Haupteingangs nach draußen zu folgen, „Die Geschichten in Verbindung mit Ihren... privaten Aktivitäten... geben einem zu Denken. Sie haben Kontakte ins Rotlichtmillieu, leben ihre sadistischen Machtfantasien in zwielichtigen Einrichtungen aus...“

„Hey! Das ist nicht-...“

„Jemand in hilflosem Zustand vor sich liegen zu sehen erregt Sie, nicht wahr?“
 

Naruto blieb stehen. Sein entsetzter Blick traf auf reflektierende Brillengläser.

„I-... ich würde nie-...“

„Interessant, dass Sie diesen Beruf gewählt haben... man wird fast regelmäßig mit Hilflosigkeit konfrontiert, oder? Ein paar Minuten lang Macht über Leben und Tod, fast wie ein Gott, das ist-...“
 

„Nein!“, bestimmte Naruto heftig.
 

"Ach...?"

Kurabayashi musterte ihn.
 

„Ich würde nie-...“, Naruto stieß die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Niemals-... sowas ausnutzen. Das ist krank. Ich bin gern stark, ja-... aber unterstellen Sie mir nicht sowas. Das Eine hat mit dem Anderen überhaupt nichts zu tun, okay?“
 

"Hm", der Brillenträger schob sich die Zigarette zwischen die Lippen,

„Wenn sie das sagen... was ist mit diesen ganzen, fraglichen Diagnosen? Antisoziale Persönlichkeitsstruktur... unkontrollierbare Aggressionsattacken-... nicht einzuschätzende Gefahr für Betreuer und andere-...“
 

Naruto schüttelte heftig den Kopf.

„Das ist Bullshit!“, meinte er mit bebender Stimme, „Der Typ, der das Gutachten geschrieben hat, war ein totaler Idiot, und-... damals ging es mir richtig dreckig-... alles war-... alles war anders-...“
 

~
 

Der kleine Rotschopf bei seinem Motorrad wurde blass, als der Uchiha plötzlich vor ihm stand.

„Sasuke!“, stammelte er verdutzt.
 

„So sieht man sich wieder.“, Sasukes Stimme war ironisch ruhig, „Was machst du hier?“
 

Der Kleine schluckte sichtbar, verlagerte sein Gewicht von einem zum anderen Bein.

„Ähh-... ich, uhm-... mein Freund, er... holt sich Tabletten gegen seine, ähm, Aggressions- Attacken...? Ich hab ihn nur her begleitet! Komischer Zufall, oder? Hehe...“
 

Sasuke konnte seine Angst beinahe riechen.
 

„Erzähl mir nochmal wie das war...“, forderte er lauernd, seine leicht aufwärts gezogene Oberlippe ließ eine Reihe von blanken Zähnen sehen, „Mit diesen Doktorspielchen im Konoha- Kinderheim“

„Ah, das-... ähm, also-...“, der Andere rieb sich den Hinterkopf, bevor er inne hielt, „Warte-... das war nicht im Konoha- Kinderheim“
 

Sasuke spürte das Blut aus seinem Gesicht weichen.
 

„Wovon redest du?“, fragte er tonlos, „Was war es sonst?“
 

„Es hieß Chidori... Tausend Vögel.“
 

Die Welt verschwand hinter einem Schleier von rot. Plötzlich hatte er wieder diesen nassen, schweren Geruch in der Nase, wie von rostigem Eisen...

Schreie. Teppichmesser. Klaffende Löcher im Hals. Ein schmatzender, klebriger Teppich, der ihn festhalten, in sich hinein saugen wollte.

Sasukes Augen waren weit und dunkel.
 

„Du lügst!“, keuchte er, „Es gibt keine Überlebenden vom Chidori- Kinderheim außer mir... Mein Bruder ist damals Amok gelaufen, es war in allen Zeitungen!"
 

Heiß und gleißend blubberte Wut und Panik zugleich in ihm auf, seine Hand schoss nach vorn und er packte den Kleinen am Kragen:
 

"Du verfluchter, schlecht informierter Schnüffler!“, grollte er, "Für wen arbeitest du?!“
 

Grob riss er den Anderen vom Motorrad herunter, zur Motorhaube des Cabrios. Der brachte vor Überrumpelung nur einen schwachen Laut hervor.
 

~
 

Kurabayashi sah Naruto schweigend an.

In den schmalen, kalten Augen war kein Vorwurf, keine Verachtung.
 

„... stimmt es, dass Sie von Betreuern als „Monster“ bezeichnet wurden?“
 

Narutos Blick war weit und unfokussiert. Er schüttelte nur leicht den Kopf.

„Sie... können sich nicht vorstellen, wie das war.“, flüsterte er.
 

„Nein... ich denke nicht.“, räumte Kurabayashi ein. Er hielt ihm das silberne Etui entgegen,

„Vielleicht war ich etwas vorschnell-... Manchmal schieße ich übers Ziel hinaus. Dafür entschuldige ich mich. Rauchen sie?“
 

„Nein... Danke.“
 

„Ich will offen zu Ihnen sein... Wir haben Anweisung, Sie zu überprüfen.“
 

Naruto nickte stumm.

"O-... okay."
 

„Einige sind der Ansicht“, bemerkte der Ermittler, „dass verlorene Jungs wie Sie nie mehr richtig auf die Beine kommen. Einmal ein Verbrecher, immer ein Verbrecher...“
 

Sie durchquerten die Eingangstür, kühle Nachtluft empfing sie.

„Ich habe meine Gründe, die Theorie anzuzweifeln. Wir beobachten Sie schon eine Weile. Trotzdem muss ich den Hinweisen nachgehen... Und Sie müssen zugeben, dass der Schluss nahe liegt, sich an Sie zu wenden, wenn man nur ihre Hintergründe und Strafakten ansieht...

Wir sind an einer größeren Sache dran und die zentrale Person, auf die viele Spuren hinführen ist jemand, der mit ihnen im Konoha- Kinderheim untergebracht war und den Sie vermutlich gut kennen... seien Sie ehrlich- In welchem Verhältnis genau stehen Sie zu Uchiha Sasuke?“
 

Naruto erstarrte.

„Sasuke? Uhm-... W-... was-... ist mit ihm?“
 

Kurabayashi blieb stehen, um sich zu ihm umzusehen.

„Wir befürchten, dass es nicht gut für ihn aussieht.“, gab er zu, „Beliefern Sie ihn mit Medikamenten?“
 

„Nein!“, erwiderte Naruto geschockt.
 

„Hmm...“, Kurabayashi musterte eine Weile seinen Gesichtsausdruck, bevor er zufrieden nickte, „Wissen Sie, wo er sich aufhält?“
 

„Uh-...", Naruto wand sich unter der Frage, "ähm... das ist schwer zu sagen... mal ist er da, wissen sie, und dann ist er-... ähm... wieder weg-...“
 

„Tja... das dachte ich schon.", Kurabayashi nickte langsam und schob seine Hand in die Tasche, um sein Feuerzeug hervor zunehmen,

"Danke für Ihre Kooperation...“
 

Er schnippte das Feuer an, um sich vor den Türen des Krankenhauses die Zigarette anzuzünden und einen tiefen Zug zu nehmen.

Naruto atmete durch, erleichtert darüber, dass das Gespräch vorbei zu sein schien.
 

„Wenn ich noch etwas in privater Sache bemerken dürfte-...“, meinte der Brillenträger beiläufig,

„...Sie haben wirklich einen faszinierenden Stil.“
 

„Huh?“, Naruto blinzelte irritiert.
 

„Für einen Top...“, ergänzte der Andere, „Ihre Showsessions sind inspirierend.“
 

Der Uzumaki sah den Ermittler mit offenem Mund an.

In diesem Moment hörten sie einen erstickten Aufschrei vom Parkplatz.
 

~
 

„Shit! Lass mich-... lass mich los!“, Kai versuchte ihn weg zu drücken, was Sasuke nur dazu brachte ihn noch fester zu packen.
 

„W-... warte! Das ist die Wahrheit!“, japste der Kleine in steigender Panik, „Ich weiß, dass es dieses Unglück gab, aber ich war vorher wirklich mit dir zusammen dort! Du hast viel geweint und hattest oft Heimweh... und warst total auf deinen großen Bruder fixiert...“
 

„Ich dreh dir den Hals um, du kleine, schäbige Ratte!“, Sasukes Grollen war finster.

„Ich hab Erinnerungslücken!“, Kais schmaler Rücken kollidierte hart mit dem Blech des Cabrios, und Sasuke spürte mit gewissem Staunen wie muskulös der zierliche Körper war. "Au!" Die Beine des Anderen in der schwarzen Motorradkluft zappelten in der Luft,

„Scheiße! Hör auf mich zu würgen!“, flehte er hoch und hektisch, „Wenn ich zu großen Stress habe, kriege ich Anfälle! Kurz nach der Sache von dir weiß ich nichts mehr! Ich bin irgendwo in nem Hinterhof aufgewacht, voller Blut! Von dem Unglück hab ich später in den Nachrichten gehört- das ist die Wahrheit, ich schwöre-... ich schwöre es!“
 

„Ach ja?!“ fauchte Sasuke, „Wer hat dich her geschickt?! Woher wusstest du, dass wir hier sind?! Ich mag es überhaupt nicht, was ihr mit meinem Mädchen gemacht habt!“

„Wovon redest du?“, Kai wimmerte nur noch, die dichten Wimpern über zusammengekniffenen Augen waren verdächtig feucht, „Ich hab nichts mit irgendeinem Mädchen gemacht! Ehrenwort! Und wir wussten auch nicht, dass du hier bist-... das war reiner Zufall, okay?!“

„Vielleicht sollte ich mit dir dasselbe machen, dann kommt die Erinnerung sicher wieder!“

„Du bist total verrückt!“

„Vielleicht- aber ich lass mich von euch nicht verarschen!“
 

~
 

„Was zum-...?!“
 

Kurabayashi fiel die Zigarette aus der Hand. Naruto erstarrte, als er die paar Meter weiter mitten in einer Reihe geparkter Autos den völlig außer Kontrolle geratenen Uchiha bemerkte, wie er einen jungen, zierlichen Mann würgte und seinen Kopf immer wieder auf das Blech der Motorhaube eines Autos schmetterte.
 

Der Brillenträger reagierte- unter dem hellen Trenchcoat hatte er ein Pistolenhalfter mit einer Dienstwaffe, und die zog er:
 

„Keine Bewegung!“, gellte der Ruf bis zu den Kämpfenden hinüber, „Sie, mit der Lederjacke! Gesicht zum Wagen und Hände hinter den Kopf!“
 

~
 

Sasukes Kopf zuckte herum. Der Ausdruck in seinen Augen war flirrend und fiebrig, wie ein tollwütiges Tier.
 

„Nicht schießen!“, flehte Naruto, „Fuck, warum muss jeder hier gleich mit der Waffe rumfuchteln! Können wir nicht drüber reden, wie vernünftige Leute?!“
 

„Tu lieber was er sagt“, wisperte Kai vom Blech des Wagens herauf zu Sasuke, ein Auge zusammengekniffen, das andere vorsichtig geöffnet, „Er ist immer so schnell besorgt-... und dann wird er immer so furchtbar ungemütlich...“
 

„Halt die Klappe!“, zischte der Uchiha ihm zu und riss den Anderen vor sich, zwischen ihn selbst und den auf ihn gerichteten Lauf der Waffe. Kai hing nach Luft schnappend und wie gelähmt in seinem Schraubstockgriff.
 

Kurabayashis Augen wurden sehr schmal, der Blick hinter seiner Brille war tödlich.

„Loslassen!“, bellte er und ging einen Schritt nach vorn, „Sofort loslassen und Hände hinter den Kopf! Das ist die letzte Warnung!“
 

„Komm doch!“, fauchte Sasuke mit leicht irrem Funkeln in den Augen, und seine Stimme rutschte zurück in hysterische Tonlagen, „Fang mich, wenn du kannst! Und geh bloß weg von diesem Idioten von Sanitäter, sonst brech ich deinem kleinen Freund gleich hier das Genick!“
 

Kurabayashi und Naruto sahen sich an.
 

Den Moment nutzte Sasuke, um den Rotschopf kurzerhand über das Motorrad zu werfen, sich in den Sattel zu schwingen und die Maschine zu starten.
 

„Stehen bleiben!“, Kurabayashi- jetzt spürbar selbst am Limit mit seinen Nerven- feuerte seine Waffe ab. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall.

Naruto schrie auf-
 

Sasuke duckte sich und gab Tempo, mit einem wilden Aufheulen des Motors, einem Schlenker der Maschine in den Verkehr, verschwanden der Uchiha und seine Geisel im vor Neonlicht flirrenden Chaos der Nacht.
 

~

Jagdsaison

~
 

Fahrtwind peitschte ihm ins Gesicht, grelle Scheinwerfer blendeten, er fuhr in halsbrecherischem Zickzack ohne sich an irgendwelche Verkehrsregeln zu halten durch laute, gleißende Straßenschluchten. Riesige Laster brummten und zischten, Autos hupten, jemand musste so heftig auf die Bremse treten um einen Zusammenstoß zu vermeiden, dass die Reifen auf dem Asphalt nur so kreischten.
 

Sasuke spürte eine grimmige Unruhe in sich, die ihn vorwärts trieb wie einen Wahnsinnigen. Er wusste nicht einmal, wo er hinfuhr. Zuerst war er nur einem dunklen Instinkt gefolgt, aber langsam keimte in ihm die Vermutung, dass der kopflose Fahrstil ihm hier über kurz oder lang den Hals kosten würde.
 

In Vollbremsung ließ er die Maschine bei der nächsten Chance auf die Standspur schlittern. Er packte in die Kleidung des reglosen Bündels vor ihm und riss ihn hoch, warf ihn auf den Platz hinter sich wo er mühelos in den Sattel glitt und zum Glück keine Anstalten machte zu fliehen oder von der Maschine zu springen. Kommentarlos schmiegte ein warmer Körper sich an seinen Rücken als Sasuke wieder Gas gab, schmale Arme schlangen sich um seinen Bauch und blieben dort. Kein Gezappele, kein Protest-... Sasuke kam der merkwürdige Gedanke, dass der Kleine wohl nicht zum ersten Mal mit verrückten Entführern zu tun hatte.
 

Seltsamerweise beruhigte ihn das sogar-... es war fast ein bisschen tröstend. Wenigstens einer von ihnen strahlte Ruhe aus, machte nicht alles noch schlimmer, gab ihm Zeit, seine Situation zu bedenken.
 

Er fing an zu überlegen in welcher Gegend er überhaupt war. Die Stadt war ihm gut bekannt und er hatte mehr als ein Notfall- Schlupfloch, mehr als ein Versteck für Zusatz- Schusswaffen falls er in Engpässe kam. Wer sich mit so vielen Gegnern anlegte, brauchte zumindest in der Hinsicht ein paar eiserne, gut platzierte Reserven.
 

Wo war das nächste Depot?

Sasuke entschied, dass es für den direkten Weg zu weit entfernt war. Er musste umkehren-... geschickt eine Schleife fahren und-...
 

Kurz wagte er einen Schulterblick.

Dummerweise sah er dabei direkt in die Augen seines unfreiwilligen Begleiters und bereute es gleich. Besonders, als er spürte, wie der ihn daraufhin sanft drückte, sich noch ein klein wenig mehr an ihn schmiegte.
 

„Schon gut“, hauchte er, „Ist schon gut... es kommt alles in Ordnung"
 

„Halt die Klappe“, knirschte der Uchiha.
 

„Ich weiß, dass du Angst hast“, Kai rieb seine Wange leicht an der Schulter vor ihm, „Du bist wütend und du hast Angst- aber...“
 

„Wenn ich was gar nicht leiden kann, ist es Psychogequatsche!“, schnappte Sasuke, „Also halt jetzt die Klappe, verdammt!“
 

Der kleine Rotschopf verstummte. Als sich die Straße zu mehr freier Fläche öffnete- glattes Schwarz unter ihnen- verlagerte Sasuke kurzerhand das Gewicht, zog das Lenkrad herum, wendete in halsbrecherischem Manöver in voller Fahrt, kam gerade noch so durch einen kleinen Schlenker an dem wild hupenden Wagen vorbei, der ihnen als erstes entgegen raste.

Erst Momente später spürte er, wie die Arme um seinen Bauch sich fester klammerten.
 

„Hast du überhaupt einen Führerschein?!“, kam die nicht mehr ganz so entspannte Stimme von hinten. Sasuke schnaubte verächtlich, zog mit ungutem Augenglimmen und kleinem Aufwärtszucken der Mundwinkel das Tempo noch etwas mehr an.
 

„Ich glaub ich muss kotzen“, stöhnte Kai nur Momente später.

„Fahr doch mal bitte rechts ran, ja?“
 

„Auf keinen Fall“, gab er unwirsch zurück, „Reiß dich gefälligst zusammen!“

„Ich kann nicht-... urgh-... tut mir leid-... aber den halben Döner von vorhin hast du jetzt gleich im Genick-...“
 

„Untersteh dich bloß!“, Sasukes Rücken verkrampfte sich, er versuchte sich umzusehen, drosselte zwangsläufig auch das Tempo.

Der kleine, an ihn geklammerte Rotschopf zuckte: Ein tiefes, wellenartiges Krampfen der Muskeln, hingebungsvolle Würggeräusche-...
 

Und Sasuke bremste mit voller Kraft.

Schlitternd kam das Motorrad zum Stehen, Kai sprang mit wackeligen Knien vom Sattel, machte zwei Schritte auf eine Hausecke zu, beugte sich vorwärts und übergab sich.
 

„Oh mann!“, stöhnte der Uchiha vor lauter Ekel, zwang seine Augen weg von dem Anblick, „Geht´s noch?! Was für eine Sauerei!“
 

„Sorry!“, Kai hustete kläglich, „Wenn ich nicht selber fahre passiert so was manchmal!“
 

Sasuke rollte kopfschüttelnd die Augen. Nervös glitt sein Blick die Straßen hinunter, versuchte die Umgebung im Blick zu behalten. Dieser Komplize, der sich an Naruto herangeschlichen hatte, war vermutlich schon unterwegs. So wie er ausgesehen hatte, nahm er sicher die Verfolgung auf.

Und das war sehr gut. Denn dann war er im Vorteil. Er brauchte nur ein bisschen Zeit um den Hinterhalt vorzubereiten. Zeit, die verrann, während der Blödmann kotzte. Mit so einer linken Taktik hatte er nicht gerechnet!

Er verfluchte sich selbst dafür, aber sein Ekel machte es ihm unmöglich, einfach weiter zu fahren...
 

Noch war kein Auto zu sehen. Das Cabrio-... hatte es diesem Typen gehört? Wenn ja, war es wirklich ein Kinderspiel... große, auffällige Wagen waren einfach im Blick zu behalten. Der Verkehr und die Straßen schränkten die Beweglichkeit ein, machten sie kontrollierbar...
 

In der Ferne hörte man Reifenquietschen und wildes Hupen... vielleicht war es nur Zufall, aber Sasuke ahnte-... spürte dass er das war.

Heh.

Ganz genau.
 

Persönliche Bindungen machten schwach... er musste ihn nur in vorteilhaftes Gelände locken, sich mit seinem Köder verschanzen... und jeder, der auftauchte, war dann seiner Willkür ausgeliefert..
 

„Beeilung!“, schnappte Sasuke, als der Rotschopf- unglaublich- sogar ohne körperlichen Zwang zu ihm zurückkehrte, durchatmete, wieder zahm in den Sattel glitt.

„Mann“, stöhnte der, schlang seine Arme wieder eng um ihn und schmiegte Wärme an seinen Rücken, „Schade um das gute Essen“
 

Sasuke rollte die Augen.

„Ich will jetzt nichts mehr hören, klar?“
 

Als er die Maschine wieder startete, fiel es ihm auf.
 

Vorn an der Kreuzung, vielleicht zwanzig Meter von ihnen entfernt, stand jemand mit einem riesigen, schwarzen Motorrad. Soweit nichts außergewöhnliches, aber etwas daran reizte seine Aufmerksamkeit... die Gestalt auf der Maschine blieb vollkommen reglos und anonym, verhüllt in dunkle Motorradkluft. Auch als die Ampel auf grün schaltete, rührte sie keinen Muskel.
 

Und in dieser Sekunde keimte in Sasuke der unheimliche Verdacht, dass er vielleicht selbst gejagt wurde... dass der Typ mit der Brille und der kleine Rotschopf hier doch vielleicht nicht sein größtes Problem waren...

Und die Erkenntnis, dass er wieder einmal vorschnell entschieden hatte- dass es ein Fehler gewesen war gleich zuzuschlagen anstatt erst einmal geduldig abzuwarten und mehr herauszufinden- kam zu spät.
 

Als das grüne Cabrio kreischend und schlitternd in die Kreuzung brach, gab er trotzdem Tempo und die Maschine beschleunigte, flog nur so zwischen Autos hindurch, über den Fußgängerweg wo einzelne Nachtschwärmer sich gerade noch so zur Seite warfen.
 

„Er ist echt ganz schön sauer, Sasuke!“, tönte Kai von hinten und der Uchiha biss die Zähne zusammen. Irgendwie musste er versuchen, nach links auszubrechen... wenn er jetzt-... ah, shit-..!

Ihm setzte das Herz ein paar Schläge aus, als er vor der Kurve einen Blick nach dort warf wo er hinwollte-... auf der anderen Seite der Straße, kaum zu sehen hinter der Gegenspur und den paar geparkten Autos, tauchte ein zweites schwarzes Motorrad auf wie ein Schatten.

Sie flankierten ihn wie Wölfe ihre Beute, hinderte ihn seitlich auszubrechen und brachte ihn durch geschickte, gezielte Manöver auf einen anderen Weg. Sasuke spürte seine Kehle eng werden.
 

Was zur Hölle passierte hier?!
 

Anstatt seine Verfolger zu locken... wurde er abgedrängt?

Unmöglich-..!
 

Aber so verbissen er sich weigerte, die Sache einzusehen-... mit jedem Ausbruchsversuch, mit jedem Stunt den er hinlegte, jeder neuen Taktik die er testete, spürte er wie die Schlinge sich zu zog...
 

Und je deutlicher er das spürte, umso mehr stieg die Panik, umso weniger konnte er noch klar denken. Er konnte es nicht fassen, dass ihm das passierte-... sein Herz raste, seine Finger die sich um den Griff der Maschine krampften waren schweißnass-...
 

Sakura war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen um ihn unvorsichtig zu machen-... es hatte mit Absicht niemand gleich angegriffen... Wer auch immer seine Jäger waren, das hier zeugte von viel Talent und Erfahrung. Das waren Profis. Sie hatten ihn erwischt-... und je mehr er versuchte, sich zu befreien, desdo härter wurde er mit der Unausweichlichkeit konfrontiert...
 

Oh, und er biss darunter die Zähne zusammen, schüttelte heftig den Kopf dass die wilden, schwarzen Haare um seine Stirn nur so flogen. Es ging nicht in seinen Kopf, dass er die Beute sein sollte. Er weigerte sich! Wer ihn in die Enge trieb sollte schon sehen, was er davon hatte! Niemals würde er in die Knie gehen-... er würde aufrecht sterben und dabei mitnehmen wen er konnte! Diesen Idioten stand der höllischste Kampf ihres Lebens bevor...
 

„Sasuke“, meldete der Rotschopf sich atemlos von seinem Rücken.

Er verkniff sich eine bissige Antwort und spürte, wie weiche Finger seinen Bauch streichelten, „Hör mal, das hat alles doch keinen Sinn, hm? Je mehr du dich stur stellst, desdo schlimmer machst du es-... im Grunde wollen wir dir doch nichts Böses! Ich weiß, es sieht für dich nicht so aus, aber wenn du nur einmal zuhörst-...“
 

„Halt die Klappe!“, schrie Sasuke völlig außer sich und geriet beinahe mit dem Motorrad aus der Balance, „Ihr wart selbst schuld, euch mit mir anzulegen... Ich werd dich umbringen! Dich und deinen bescheuerten Freund-... und dann finde ich den, der euch geschickt hat- jeden, der mit euch verbündet ist-... wenn´s sein muss, rotte ich die ganze, verfluchte Stadt aus!“
 

Die Strecke führte heraus aus dem Zentrum, weg von den viel befahrenen Straßen- natürlich- einen breiten, recht neu geteerten Anlieferweg entlang, der sich in einem Bogen krümmte und in einer Brücke über die Straße spannte, geradeaus, auf ein weitläufiges Gelände voll flacher, unscheinbarer Industriehallen zu.
 

Sasuke kannte die Gegend nur flüchtig. Natürlich wusste er ungefähr wo er war, aber die Erkenntnis ließ die Haare in seinem Nacken sich prickelnd sträuben. Sie jagten ihn in Kisames Revier.
 

Es war eine alte Fabrik.
 

Vor dem schmiedeeisernen Tor dort, das halboffen stand brachte er in einem plötzlichem Anfall von Widerwillen das Motorrad zum Stehen. Das Heck brach aus, rutschte in qualmendem Halbkreis über Asphalt und hüllte ihn ein in giftige Rauchschwaden.
 

Mit aufheulendem Motor kam das grüne Cabrio die Straße herauf geschossen. Stur hielt der Uchiha seinen Kopf gebeugt und den Blick in blendendes Fernlicht gerichtet. Auch wenn er nichts sah, er weigerte sich irgendjemandem die Genugtuung zu geben, sich geblendet zusammen zu krümmen.
 

Der Gefangene hinter seinem Rücken zerrte ängstlich an seinem Oberteil- und im nächsten Moment peitschten Schüsse. Neben ihm prallte ein Querschläger mit scharfem Platzen eines Steins von der Mauer.
 

Sasuke bockte das Vorderrad des Motorrads auf, wendete, wich zurück. Vielleicht war es doch keine gute Idee, aus reinem Trotz an einem Ort stehen zu bleiben wo er in voller Schusslinie eine Zielscheibe bot, selbst aber gar nichts sehen konnte. Er gab wieder Tempo, duckte den Kopf dicht über die Maschine und jagte schnurstracks auf das Gelände. Falle oder nicht- mit Mauern im Rücken, einer Deckung zwischen sich und dem Gegner würde er sich viel besser fühlen.
 

Bis auf das Mondlicht das zwischen Wolken hervorschien war es dunkel.
 

Weit und breit sah man keine Spur von Nachtwächtern oder einer Alarmanlage. Alles war wie perfekt vorbereitet für einen Kampf ohne Zeugen. Zum Anliefereingang kam man durch eine abschüssige Straße direkt ins Kellergeschoss des Gebäudekomplexes. Dort war mit einem Motorrad irgendwann auch kein Fortkommen mehr. Türschwellen und enge Durchgänge versperrten den Weg. Sasuke zerrte seine Geisel vom Sattel und ging zu Fuß weiter.
 

„Warte mal-... du solltest mir zuhören“, keuchte der Rotschopf, „Ich weiß, für dich sieht es aus als wären wir Gegner... aber-... wir brauchen uns irgendwie gegenseitig-... wir könnten-...“
 

„Wir“, zischte Sasuke mit allem Gift das er aufbrachte, „Können gar nichts! Und ich brauche niemanden! Ich bin auf niemandens Seite, nur auf meiner, kapiert?! Ich mache keine Deals!“, seine Augen flirrten Wahnsinn, er hielt den Kleineren mit gefletschten Zähnen am Kragen gepackt, „Es ist zu spät für Deals! Ich werde jeden von euch nur zerquetschen, der mir in die Quere kommt!“
 

Kai schloss den halboffenen Mund.

„Ist ... das dein letztes Wort?“, flüsterte er.

„Verdammt richtig!“, schäumte Sasuke, „Mit dir fange ich an-... und dann ist dein bescheuerter Freund an der Reihe!“
 

Der Rotschopf senkte ein wenig den Kopf. Der kleine, weiche Körper sank in sich zusammen, die großen Augen schlossen sich... für einen kleinen Moment war er still.

Und dann explodierte er zu einem Bündel von Muskeln, Sehnen und Killerinstinkt.
 

Sasuke war so überrumpelt, dass er ihn aus dem Griff verlor. Bevor er überhaupt richtig wusste was passiert war, sprang seine Geisel ihm ins Gesicht, warf sich in einer halben Flugrolle über seinen Rücken und trat ihm dann so gezielt zwischen die Schulterblätter, dass er mit kehligem Laut zu Boden ging.
 

Schmerz pochte, aber das was am meisten weh tat war sein Stolz als der Instinkt ihn von seiner Bauchlage zurück auf Hände und Knie hoch trieb. Als er sich ungläubig über die Schulter weg umsah brachte der glimmende Blick des kleinen, unverhofft starken Rotschopfs in der dunklen Fabrikhalle eine schaurige Erinnerung an Gaara mit sich.
 

Natürlich war es nicht Gaara- aber die Parallele schmeckte Sasuke so überhaupt nicht. Er machte einen Sprung nach vorn, entwischte dem Kleinen, der in Sekunden den Spieß umgedreht hatte, nur um Haaresbreite. Dessen Turnschuh traf mit einer Wucht den Asphalt, dass es nur so knallte. Sasuke stolperte, kam auf die Beine, wich weiter zurück, zog seine Nase milimeterweit außer Reichweite. Das war nicht Kung Fu, es war nicht Taekwondo, es waren keine Polizeigriffe sondern kurze, präzise Stöße, hungrig nach Blut. Dieses kranke Hündchen war wie ausgewechselt... Von Anschmiegsamkeit und Beißhemmung keine Spur mehr!
 

Und Momente später flogen ihm auch wieder Kugeln um die Ohren. Gegner Nummer zwei war am Schauplatz eingetroffen, und er war wirklich überhaupt nicht begeistert. Das Dröhnen der Schüsse in der dunklen Halle, das Splittern und Pfeifen der Querschläger war ohrenbetäubend und machte ihn in kurzer Zeit so orientierungslos, dass er lange genug stehen blieb um sich niederreißen zu lassen. Ein Ruf und das Etwas in seinem Rücken hörte auf, ihm die Wirbelsäule zu zermalmen. Es hielt keuchend still. Er selbst tat dasselbe.
 

Ein paar Sekunden lang hatte er die sinkende, panische Gewissheit, dass das hier der Wendepunkt war.
 

Die Kontrolle über das Geschehen war ihm völlig entglitten. Es gab keine Pläne mehr, nur noch den Kampf bis aufs Blut.
 

„Nicht bewegen“, hallte Stimme des Brillenträgers bedenklich nah und kurz darauf hörte er eilige Schritte von Ledersohlen auf Beton, ein charakteristisches Klimpern und metallisches Ratschen im Nacken, das ihm Gänsehaut über den Körper jagte. Kurz hatte er den Impuls wieder um sich zu treten, als er Handschellen spürte-... aber der heiße Lauf der Pistole, die sich an seine Schläfe presste überzeugte ihn doch davon, kraftlos zu bleiben. Es saugte Widerstand aus ihm heraus.

Ihm blieb nichts als sein bitterer Gesichtsausdruck, als der Fremde ihn auf die Füße zerrte. Mit Handschellen wurden seine Handgelenke an ein nahes Heizungsrohr gekettet, das seitlich an der Wand entlang lief- offenbar hatte der zweite Fremde von Sasukes Wehrhaftigkeit gehört und wollte kein Risiko eingehen...

Mit ausgestreckter Waffe trat der Brillenträger einen Schritt zurück.
 

„Haben wir dich“, zischte er triumphierend, „Lange genug hat es ja gedauert... du schuldest uns ein paar Antworten, Freundchen. Wir werden uns schön unterhalten...“
 

Erinnerungen an Menschen in Panik vor Folter und Mord blitzten durch Sasukes Kopf. Eine Frau hatte einmal gedroht, sich auf die Zunge zu beißen und sich damit selbst zu töten... wie um Himmels Willen konnte das überhaupt funktionieren?

Er hatte wenig Hemmungen, sich selbst Schmerz zuzufügen wenn es dem größeren Ziel half, aber-...Ohne Zyankali- Kapsel kam ihm das Ganze jetzt, wo er selbst in der Lage war, lächerlich aussichtslos vor.
 

„Kai...“, befahl der kühle Blonde, der den gefesselten Uchiha hinter seinen Brillengläsern hervor beobachtete wie einen aufgespießten Käfer-

Der Brustkorb des seltsamen, kleinen Rotschopfs hob und senkte sich heftig, sein Blick war wieder groß und hündchenartig, wenn auch ein wenig betreten, als er aufsah.
 

„Hol Verstärkung.“

„Okay“
 

Der Kleine nahm ein Handy aus der Hosentasche und drückte mit dem Daumen darauf herum. Sasuke schluckte.

Er drehte seine Hände in engen Metallringen und Erinnerungen fluteten sein Gehirn.
 

[style type="italic"]„Ich kann niemanden fesseln, wenn wir keine... Verbindung haben“[/style]
 

„Tss...“
 

Bitter biss er die Zähne zusammen. Verflucht schlechtes Timing, jetzt an sowas zu denken... Naruto...

Seine sanften Hände im Rücken, während er am Andreaskreuz stand. Jetzt in die kalten Augen dieses Fremden zu starren, war... bitter.
 

[style type="italic"]„Du bist mein Freund“[/style]
 

[style type="italic"]„Warum bist du so? Warum tust du allen so weh? Was willst du?“[/style]
 

[style type="italic"]„...Tiefer?“[/style]
 

Die Erinnerung von Gaara in den Sanitärräumen dieses Clubs, mit dem wissenden Blick und dem Ledermaulkorb in seinen Fingern...

[style type="italic"]„Früher oder später wirst du gefickt. Die Frage ist nur, von wem...“[/style]
 

Sasuke schluckte hart, er ballte die Fäuste, biss seine Zähne zusammen. Langsam begann er zu verstehen was das bedeutete. Und er wollte es nicht-... Er konnte hier nicht sterben. Er konnte auf keinen Fall vor diesen furchtbaren Fremden unter Folter nachgeben-... nicht, wenn er immer noch die Ahnung von Narutos Lippen an seinen spürte. Die Tatsache, dass der Brillenträger blond war und ihn bei jedem Blick an den anderen erinnerte, machte alles noch viel schlimmer.

Zunehmend unruhig zog er an den Fesseln, versuchte die Panik zu unterdrücken die in ihm aufwärts brodelte, als er spürte wie tief und aussichtslos er sich diesmal in die Situation hineinmanövriert hatte.
 

Innerlich schrie er. Er verzog seine Miene nicht, aber irgendwo in seinem Brustkorb schrie Sasuke.
 

Sein Atem ging kurz und bemüht unauffällig. Seine Hände waren nicht frei, aber dieser Wichser würde ihn auf keinen Fall anfassen-... Nicht, so lange er noch treten konnte. Seine Nasenflügel weiteten sich. Er senkte den Kopf, richtete einen tödlichen, herausfordernden Blick auf den Mann mit der Waffe.
 

„Wirds bald?“, raunzte der und neigte den Kopf zu seinem kleinen Komplizen.

„Ich krieg igendwie hier kein Netz“, jammerte der Rotschopf, „Ich versuchs draußen“ und damit trabte er mit federnden Schritten davon.
 

Zurück blieben zwei, die beide nicht sonderlich einverstanden damit waren, plötzlich miteinander allein zu sein.
 

Der Blonde, Kurabayashi, fasste den Griff seiner Waffe noch fester, straffte den Rücken und ließ die Augen noch etwas schmaler werden.

Sasuke schaffte es endlich, ganz regungslos zu bleiben, die Arme entspannt zu halten und nur seinen glühenden Blick sprechen zu lassen. Etwas, in dem er gut war. Seine Augen waren eine Waffe für sich. Er hatte schon ganz andere Leute damit in die Knie gezwungen...
 

Sekunden wurden zu Minuten, Minuten zogen sich endlos. Die Stille der Dunkelheit, die von dem bisschen Mondlicht durch ferne Fenster nur schärfere Schatten bekam, breitete sich weiter aus, wurde schwer und bedrohlich.
 

Schließlich hielt es keiner der Beiden mehr aus ohne zu sprechen.
 

„Braucht ganz schön lange“, flüsterte Sasuke, „Wenn ihm mal bloß nichts passiert ist...“
 

Das saß. Kurabayashis Haltung schwankte, er wich zurück, sah sich um.

In diesem Moment hörte man aus weiter Ferne ein merkwürdiges Geräusch.
 

Es war noch ganz leise, schwer zuzuordnen. Aber es klang rau und hässlich schleifend. So wie wenn jemand am anderen Ende der Flure und Gänge eine Metallklinge über den Boden zog.
 

Beide hielten den Atem an.
 

Sasuke spürte ein flaues Gefühl weit hinten in seiner Kehle.

„Wie viele Komplizen hast du?“, wollte der Blonde flüsternd wissen. Er war sichtlich blasser geworden, aber Sasuke war so gierig nach jedem winzigen bisschen Unsicherheit bei seinem Gegner, dass er die Zähne fletschend ein böses Grinsen zog und beschloss, das Spiel mitzuspielen.
 

„Rate mal“, zischte er.

Kurabayashi fluchte.

Und die merkwürdigen Geräusche kamen näher.
 

Das charakteristische Schleifen mischte sich mit einer Art hallender, dumpfer Schläge, die in ungeduldigem Rhythmus durch die Rohre dröhnten und die Sasuke sogar an der Kette vibrieren spürte. Sein Blick wurde wild und flirrend- natürlich hatte er Angst. Sein einziger Triumph war, in den Augen des Anderen die gleiche Angst und Verwirrung zu sehen und das reichte in diesem verzweifelten Augenblick aus um seine Stimmung in höchste Höhen zu pushen. Ein irres Lachen blubberte in ihm hoch, brach aus ihm heraus. Es war schrill, hysterisch und vollkommen wahnsinnig- natürlich musste der Andere das falsch verstehen und natürlich machte es nichts an der Situation besser-... aber allein nur zu wissen, dass sein Gegenüber die Macht über ihn verlor, war das Beste was er sich jetzt vorstellen konnte-...
 

Der Andere sah sich immer nervöser um, schien das Vertrauen in seine Waffe allein immer mehr zu verlieren. Er biss die Zähne zusammen, hob den Kopf hoch, so als könnte er auf die Art besser entscheiden, woher das Geräusch kam und was er als erstes tun sollte. Schließlich gab er sich einen Ruck, senkte die Pistole, blaffte ein letztes, befehlendes: „Du bleibst genau da wo du bist!“- und verschwand.
 

Er sprintete in die selbe Richtung, die sein Partner eingeschlagen hatte und war innerhalb von Sekunden weg, verschluckt von pechschwarzer Dunkelheit.
 

Zurück blieb Sasuke, der nach einem kurzen Innehalten sofort begann an den Fesseln zu zerren. Das Metall gab nicht nach. Er warf sich entschlossen zurück, hob einen Fuß und versuchte gegen das Rohr zu treten das seine Arme aufwärts gestreckt hielt. Es war zu massiv. Keine Chance. Innerlich eine Menge Flüche unterdrückend zog er mit zunehmend zitternden Händen, während er spürte wie das Adrenalin in seinem Körper mit jedem Pulsschlag mehr wurde.
 

Irgendwann lief Blut-... er spürte kaum einen Schmerz, sah nur die aufgerissene Haut, spürte das warme Kitzeln als ein Tropfen seinen Unterarm hinab rann. Seine Finger waren schon taub. Sein Herz wummerte in seinem Brustkorb, dröhnte durch ihn hindurch, schüttelte ihn. Mit weitem Blick sah er auf.
 

Das Schleifen war jetzt ganz nah. Es kam von vorn aus dem Korridor. In ihm zog sich alles schmerzhaft zusammen, er spürte sich schrumpfen, während sein Körper eine kalte Hülle blieb und er sinnlos zurückwich so weit es nur irgendwie möglich war.
 

Und dann, weit hinten, am Anfang der Halle trat es langsam aus den Schatten, beleuchtet von silbernem Mondlicht.
 

Ein Wesen wie aus einem Horrorfilm.
 

Breite Schultern, nackter Oberkörper, glatt zurückgestrichene, graue Haare.

In der Hand hielt er eine riesige, dreiblättrige Sense mit blutroten Klingen, die er mit lässigem Schwung durch die Luft sirren ließ, während er in gelassenem Schritt auf sein Opfer zutrat.
 

Sasuke war wie gelähmt. Es musste ein ähnliches Gefühl sein, wenn man mitten im dunklen Meer trieb und einen riesigen, weißen Hai auf sich zu schwimmen sah.
 

~

Showdown

~
 

„Fahr!“, flehte Naruto, „Fahr, fahr, fahr!“

„Was glaubst du denn was ich mache?!“, schimpfte Shikamaru zurück, als der Rettungswagen quietschend in die Kurve ging, „Ich hoffe dir ist klar, dass das eine scheiß Idee ist!“
 

„Lass uns bitte später darüber reden!“, Naruto hing mit weißen Knöcheln am Fenster, den Blick angestrengt nach vorn gerichtet, „Da vorne links und dann hoch!“

„Ich weiß... hätte ich nur das Betäubungsgewehr mitgenommen! Ich will nen anderen Partner! So viel Stunts nur in dieser Nacht, stressiger gehts ja nicht mehr! Ich werd den Job hinschmeißen und ab jetzt nur noch Eiscreme-Trucks fahren!“
 

„Shikaaa!“
 

~
 

Sasuke schluckte hart. Er versuchte noch einen halben Schritt zurück zu gehen, aber die Kette fing sich an der Rohrhalterung zur Wand und hielt ihn klirrend dort fest wo er war.
 

Selbst wenn er die Hände frei gehabt hätte-...

Sein Gegner schwang eine Sense von einem Kaliber, die einen Menschen mit einem Hieb in zwei Hälften teilen konnte.
 

Der Uchiha biss die Zähne zusammen. Er überlegte kurz, ob er versuchen sollte, sich den Daumen zu brechen um aus den Handschellen frei zu kommen-... die Nummer hatte er mal in irgendeinem Film gesehen- aber so abgebrüht war er nicht! Erstens würde er wahrscheinlich ohnmächtig werden-... vor Schmerzen oder diesem ekelhaften Geräusch und-... urgh, er konnte nicht einmal daran denken. Finger zu brechen war so etwas ekelhaftes!
 

Zweitens hatte er keine Ahnung, wie das richtig gemacht wurde. Angenommen, er brach sich den Daumen an der falschen Stelle-... dann hatte er höllische Schmerzen und hing immer noch fest! Das konnte er nicht riskieren...
 

Sein Atem ging stoßweise. Er schluckte hart. Als all die Angst in ihm einen Höhepunkt erreichte, spürte er ein vertrautes Gefühl-... er konzentrierte sich darauf tief auszuatmen-... und er wurde ganz ruhig...
 

Langsam machte er einen Schritt nach vorne, hielt den Blick fest auf seinen Gegner gerichtet, suchte sicheren Stand auf dem Boden indem er die Füße auseinander schob.
 

Hidan hob den Kopf.

Er saugte gierig Luft durch seine Nase als würde er Witterung aufnehmen, hob die Oberlippe über eine Reihe kräftiger Zähne. Seine Schultermuskeln rollten unter der Haut, Schritt für Schritt pirschte er sich näher heran. Die gewaltige Sense ließ er lässig neben sich über Beton schleifen, hob sie dann um sie mühelos über seinem Kopf durch die Luft zu wirbeln und sie auf der anderen Seite wieder zu senken. Mondlicht brach sich auf den scharf geschliffenen Klingen. Der Tritt der schweren Springerstiefel hallte hohl von den Wänden wieder. Kleine, gierige Augen hefteten sich auf Sasuke, die aufwärts gefesselten Hände, die Lederjacke, den schutzlosen, nackten Oberkörper darunter-... Hidan leckte die Lippen, ein tiefes Schaudern schüttelte ihn, er reckte den Hals nach vorn, beschleunigte seinen Schritt, schwang die Sense nach hinten... und begann dann zu laufen.
 

Mit tiefem, unheimlichem Heulen riss ihn sein Blutdurst und seine Gier vorwärts. Er stürzte sich auf den Uchiha wie ein Kampfhund. Kreischend schlug seine Sense glühende Funken auf dem Beton die in die Dunkelheit spritzten wie Feuerwerk. Der Widerschein fing sich in Sasukes dunklen Augen.
 

Rasiermesserscharfe Klingen durchschnitten die Luft mit einem mächtigen, dunklen Summen, zischten ihm blitzend entgegen- Sasuke warf den Kopf in den Nacken, sah die Schneideblätter haarscharf über seiner Nase vorbei gleiten, mit ohrenbetäubendem Splittern krachten sie in die Wand dahinter, spritzten zurück, Hidans Oberarmmuskeln zuckten als er mit Wucht wieder ausholte, die Sense zurückschwingen ließ und den nächsten Hieb tiefer ansetzte.

Mit bedrohlichem Surren zischten die Schneideblätter gegen den ungeschützten Bauch und die Flanken- Sasukes Körper flog aufwärts. Seine Muskeln rissen ihn hoch, der Rücken wölbte sich, in fließender Bewegung glitten Schulterblätter, Becken, Beine gerade noch so darüber hinweg, bevor er auf den Füßen landete. Noch ein weiterer Schwinger von der anderen Seite- mit gleichem Ergebnis.
 

Hidan blinzelte ungläubig und hielt schwer atmend inne.
 

„Du kleiner Scheißer“, keuchte er,

„Deine Mutter hat sich wohl von ner Katze ficken lassen, dass du so gelenkig geworden bist!“
 

Sasuke starrte ihm entgegen. Seine Stimme war leise.

„Sag nichts gegen meine Mutter“
 

Hidan kam näher, zwei Schritte, ließ den Arm vorschnellen, packte nach Sasukes Händen, hielt gehässig die Zähne gefletscht. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnaufend. Er roch nach Schießpulver und frischem Schweiß.
 

„Was sonst?“, höhnte er und warf den Uchiha mit purer Körpermasse zur Wand zurück, „Was machst du sonst? Huh? Was machst du?“
 

Sasuke verstummte. Er drehte den Kopf seitlich und kniff angewidert die Augen zusammen als Hidan zu nah kam um ausführlich an ihm zu schnuppern.

„Du riechst nach der Kleinen mit den rosa Haaren“
 

Sasukes Kehle zuckte. Er verkniff sich eine bissige Antwort, versuchte ganz ruhig zu bleiben.
 

„Die ist schon geil, oder?“, lechzte Hidan, „Nicht so viel Titten, aber... unschuldig, irgendwie...“ Sasukes Oberlippe begann zu zittern, zuckte ein wenig über gefletschte Zähne.
 

„Leider mussten wir sie laufen lassen. Kakuzu wollte das unbedingt“, Hidan atmete geräuschvoll in sein Ohr, „Aber weißt du was...? Dich dürfen wir behalten... das heißt- solange du durchhältst“ Gänsehaut war ein Reflex, den Sasuke nicht unterdrücken konnte. Es war keine der guten Art-... sondern eine die sich anfühlte, wie in flüssiges Blei einzutauchen. Seine Augenlider hoben sich etwas. Lautlos und flach hob und senkte sich sein Brustkorb.
 

„Und weißt du was?“, der Muskelberg fasste mit einer Hand wieder die Sense fester, um die Klingen in weitem Bogen aufwärts schwingen zu lassen, „Vielleicht kriegen wir den Sanitäter ja auch noch...“
 

Sasuke riss sein Knie hoch, rammte es mit aller Kraft zwischen die Beine des Anderen- stieß auf einen Tiefschutz an dem er sich mit Sicherheit einen blauen Fleck holte. Hidan lachte laut auf- der Uchiha schlug sein Knie ein Stück höher in den harten Unterbauch. Das brachte ihm immerhin ein kleines „Uff“ - und genug Abstand um die Beine anzuziehen, sich mit dem Rücken an die Wand zu werfen, an ihm hochzuspringen und ihm mit der Schuhsohle ins Gesicht zu treten. Gut, es fehlte der nötige Schwung, aber zumindest gab der Andre ein unbegeistertes Grunzen von sich.
 

„Hey, aua!“, Hidan wich außer Reichweite und hielt sich die Nase. „Du Kleiner-...!“
 

Sasuke stählte sich für den Zusammenstoß. Das Metall sirrte aufwärts, wirbelte in einem tödlichen Ring und kam abwärts mit ordentlich Schwung.
 

Es krachte. Sasuke duckte sich, schloss die Augen um sie vor herumspritzenden Metallsplittern zu schützen. Der Druck auf den Fesseln war plötzlich weg. Das Heizungsrohr war durchtrennt, in der Betonwand klaffte ein langer Riss. Aus was auch immer diese Klingen geschmiedet waren, normaler Stahl konnte das nicht sein... Blitzschnell war er frei, duckte sich auf den Boden um dem nächsten Hieb auszuweichen und begann dann zu laufen-... draußen, vor den äußeren Mauern des Gebäudes hörte man Schüsse in schneller Folge-... gut, keine Impulsentscheidungen mehr! Er brauchte Abstand und einen besseren Überblick-... vielleicht fand er auch etwas um die verfluchten Handschellen loszuwerden-... seine Beine flogen nur so über den Boden, er lief um sein Leben, seine Freiheit, seinen Stolz-... und inzwischen war sogar ihm klar genug, dass es für alle drei Dinge in letzter Zeit verdammt eng geworden war...
 

~
 

Kurabayashi feuerte aus der Halbautomatik auf einen unsichtbaren Feind. Er hatte sich hinter einem Container verschanzt und musste feststellen, dass nach sorgfältiger Recherche und einer einzigen unglücklichen Wendung ihr ganzer Auftrag zum Teufel ging.
 

Sie befanden sich, nüchtern ausgedrückt, in einer Welt voll Scheiße.
 

Hier war er, ohne Verstärkung, mit dem vorletzten Magazin und einem verschollenen Partner, irgendwo in einer Falte am Arsch dieser Stadt. In irgendeiner beschissenen Fabrikruine, die die perfekte Kulisse abgab für ein gediegenes Fuck-up.
 

„Kai!“, brüllte er, ohne Hoffnung auf eine Antwort.
 

Wenn irgendjemand es schaffte, hinter seinen Container zu kommen und aus der anderen Richtung zu feuern, war er tot.
 

„Ich bin hier“, kam eine ferne Stimme zurück.

Sein Puls legte noch einmal ein paar Takte zu als er aufhorchte.
 

„Ich komm zu dir!“
 

„Was?!“
 

Wenn es eine Antwort gab, ging sie im höllischen Lärm unter. Wer auch immer ihn unter Beschuss hatte, war auf ein Maschinengewehr umgestiegen. Kurobayashi ging in die Knie, konnte sich nur hinter den fraglich stabilen Metallplatten die Hände über die Ohren halten und die Augen zusammenkneifen. Wie Höllenfeuer ratterten eine Flut von Kugeln durch die Luft, brachten die ganze Umgebung zum dröhnen.
 

„Kai!“, brüllte er außer sich in der ersten Feuerpause.
 

„Gib mir Rückendeckung!“, kam es zurück.
 

Rückendeckung? Kurabayashi blinzelte auf die kleinkalibrige Waffe in seiner zitternden rechten Hand. Wie stellte der sich das vor?
 

„Auf drei!“, klang die ferne Stimme, „fertig?“
 

Kurabayashi fiel fast die Waffe aus der Hand, so sehr zitterte er plötzlich.
 

„Drei!“
 

Er warf sich um die Ecke des Containers, kniff die Augen zusammen und feuerte das Magazin leer. Aus einer Grube bei der Frontwand des Hauptgebäudes flog etwas kleines, wendiges, als im selben Moment das dröhnende, vernichtende Donnern des Maschinengewehrs wieder einsetzte und mit stakkatoartigen Feuerblitzen die Nacht erhellte wie Stroboskoplicht in einer Diskothek.
 

Kurabayashi spürte sich schreien. Er hörte nichts, spürte nur einen kurzen Ruck an der Schulter-... alles ging unter in der tosenden Zerstörung um ihn herum. Wie besessen drückte er den Abzug, sah mit weiten Augen eine Gestalt auf sich zukommen. Die Jacke des Rotschopfs war offen- das weiche Haar vom Wind zerzaust, sein Blick fokussiert-... er beschleunigte noch mehr, zog die Füße vom Boden, flog auf ihn zu und landete in einer Welle von Kieseln und Staub am Container.
 

Kurabayashi sackte zurück an kaltes Metall. Er rang nach Atem, sank in die Knie. Erst jetzt spürte er heißen Schmerz und etwas warmes den Arm abwärts laufen, griff mit der Hand danach. Es war klebrig.
 

„Hal! Oh mann... Hal, ist-... ist alles okay?“, sein Partner war weich und flüsternd über ihm.
 

„Sieht das aus, als wär alles okay?!“, schnappte er bitter, „Sieh dir an was du angerichtet hast!“
 

„I-... ich hab doch nur-...“
 

„Halt die Schnauze!“
 

„Oh mann-... du blutest-... scheiße, das tut mir leid!“
 

„Ist mir sowas von egal!“
 

„Tut´s sehr weh?“
 

Kurabayashi biss knirschend die Zähne zusammen. Das Rattern der Kugeln setzte wieder ein, inzwischen schlugen einige durch ihre Deckung, brachten den Kies vor ihnen zum Spritzen wie kleine Steine eine Teichoberfläche.
 

„Muss dir was beichten“, brüllte der Kleine atemlos gegen den Lärm. Er hatte sich auf seinem Schoß zu einer menschlichen Kugel zusammengerollt um so wenig Trefferfläche wie möglich zu bieten, „Ich glaub ich hab das Handy verloren. Muss mir vorhin irgendwie aus der Tasche gefallen sein“
 

Das Rattern und Blitzen steigerte sich noch mehr, es war nichts mehr zu verstehen. Kurabayashi schloss die Augen, zog den Kopf ein, sie hielten sich aneinander fest. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ die Angriffswelle noch einmal nach.
 

„Vergiss es“, keuchte Kurabayashi mit substanzloser Stimme, „Ist jetzt sowieso egal. Selbst wenn wir Verstärkung rufen könnten würden die zu lange brauchen“ Der Rotschopf blieb so liegen wie er war, drehte nur den Kopf zu ihm und blinzelte aufwärts.
 

„Aber ich hab ja längst Verstärkung gerufen!“, schnaufte er, „Kripo und die normalen Bullen... Alle verfügbaren Einheiten... die müssten eigentlich jeden Moment hier sein!“
 

~
 

„Zur Hölle-...“, rauschte es aus Shikamarus Handy, „Ja? Sabaku? Ähm... Polizeirevier und so weiter, was gibts?“
 

Der Nara lenkte mit einer Hand, während er mit der anderen das Mobiltelefon am Ohr hatte- Narutos skeptischer Seitenblick sprach Bände über ihre „keine Handys am Steuer“- Diskussion, aber offensichtlich war ihm das im Moment egal.
 

„Kankuro? Äh-... lustig, dass ich bei dir jetzt rauskomme-... ich wollte den Notruf von vorhin nochmal bisschen abändern-... beziehungsweise, es gibt hier noch ein Problem“
 

„Scheiße! Nara! Heißt das, du bist indirekt Schuld, dass ich mitten in der Nacht angerufen werde und meinen Arsch zur Arbeit schleppen kann?! Fuck! Willst du wissen, wie mich das interessiert, wenn sich die Drogenfuzzies gegenseitig in Fetzen reißen?!“
 

„Hey, jetzt beruhig dich mal! Kannst du mich über das Handy orten?“
 

„Seh ich aus wie die Spinner vom CSI? Wir sind doch hier nicht im Fersehen!“
 

„Wir haben hier eine Geiselnahme und-... scheiße-... sieht aus, wie ne Schießerei da vorne...“
 

„Dann halte großflächig Abstand! Herrje! Jeder Vollidiot hält sich heute für John McClane!“
 

Der Nara seufzte, "Wird schwierig. Ich... hab einen Kumpel hier sitzen, das... ist ne ziemlich persönliche Sache“
 

„Mh... Freundin?“
 

„Negativ... ist kompliziert, sagt er! Beeilt euch bitte, okay? Und bringt besser noch einen Notarzt mit!“
 

„Sag mir nicht, wie ich meinen Job machen soll! Scheiße, ich will einen Kaffee!“
 

~
 

Sasuke rannte die scheinbar endlosen Treppen nach oben.

Nicht weil er in Panik war und ihm nichts anderes einfiel. Er hatte durchaus einen Plan. Entweder der funktionierte, oder... es gab keine Alternative. Es musste einfach funktionieren!
 

Hidan saß ihm dicht im Nacken und er dachte auch nicht daran locker zu lassen. Es war mühsam genug außer Reichweite seiner Klingen zu bleiben, die immer wieder rechts und links in dem engen Gang Funken schlugen und tiefe Schnitte in die Betonwände rissen. So schwer und bullig der Kerl aussah, so verdammt schnell war er auch. Und seine Ausdauer war nicht von schlechten Eltern, er rannte wie eine Maschine.
 

Knie hoch, abstoßen, Knie hoch, abstoßen, Knie hoch- man sollte meinen, dass ihn die Handschellen, jetzt wo er nicht mehr damit an der Wand festhing weniger gestört hätten, aber das war leider nicht so. Sie störten extrem! Sasuke blieb nichts anderes übrig als seinen keuchenden Atem zu ignorieren, den metallischen Geschmack im Mund und den immer deutlicher werdenden Schmerz in den Muskeln. Fuck!
 

Er drehte kurz den Kopf etwas und tauchte dann bei der nächsten Chance seitlich zu einer Metalltür. Mit dem ersten Griff bekam er sie nicht auf- seine schweißnasse Hand rutschte ab- aber die Sense, die nur durch ein kurzes Aufzucken von Licht sichtbar wurde und nach seinem Kopf zielte, schnitt sie glatt in zwei Hälften. Der obere Teil klappte mit langem, leisen Quietschgeräusch auf, schwang in den Flur und Sasuke zögerte nicht lange. Er ging in Stellung, schätzte Hidans nächste Bewegung ab und sprang dann über die übriggebliebe Hälfte, hinein in den Raum.
 

Eine Kette rasselte. Sasuke sah sich nicht um. Er konnte sich nicht umsehen! Das war genau der Moment, in dem man den Fokus verlor! Augen nach vorn, zielfixiert bleiben, das war die beste Überlebenschance...
 

Die Halle in der er sich wiederfand war recht groß und hatte eine Fensterfront auf der linken Seite, durch die man aufs Außengelände der Firma sah. Draußen in der Dunkelheit flackerten an einer Stelle weiter hinten Lichtblitze von ganzen Schusssalven, es war hier schon laut genug zu hören, dort unten musste ein unglaubliches Getöse sein- und dort, vor dem Tor auf der Straße aufwärts, näherte sich etwas Großes mit heulender Sirene und flackerndem Blaulicht. Etwas sehr großes. Größer als ein Polizeiauto.
 

Sein Herz machte einen heftigen Sprung.
 

Grollen, Fluchen und Klappern der Waffe ließ vermuten, dass sein Verfolger ebenfalls über die halbe Tür kletterte- jetzt wagte er doch einen Blick, und tatsächlich. Der Andere stand sogar schon auf der anderen Seite des Durchgangs auf beiden Beinen.

Jetzt sah Sasuke auch, was der Ursprung des Rasselns war-... die Sense hatte anscheinend eine Verlängerung im Griff, mit der man sie auch zur Wurfwaffe umfunktionieren konnte. Oh mann-... Hidan ging zum Angriff über, er wirbelte die Sense rechts, links, über dem Kopf so schnell dass man die Schneideblätter kaum noch mehr sah-... Sasuke holte kurz Luft, trat einen halben Schritt rückwärts, sah dann zur Fensterfront... und nahm Anlauf.
 

Mit Hidans mordlüsternem Heulen im Rücken rannte er, zog die Arme vor seinen Kopf, beschleunigte noch mehr, hielt die Luft an-...
 

Und sprang geradeaus aus dem Fenster.
 

Glas splitterte in alle Richtungen, und er fiel im nächsten Moment haltlos und mit rudernden Beinen und Armen durch kühle Nachtluft. Der Wagen mit Blaulicht näherte sich in rasender Geschwindigkeit auf der Straße daruner-... das konnte knapp werden-... er biss die Zähne zusammen, zog die Beine eng unter sich-...
 

~
 

Ein heftiger Schlag auf die Motorhaube des Wagens ließ Shikamaru auf die Bremse treten. Er fuhr einen sinnlosen Schwenker- und im nächsten Moment splitterte das gesamte Glas der Frontscheibe in tausend winzige Glasstücke, eine rote Sense schlug sich hindurch, hätte um ein Haar Narutos Schädel gespalten.

Shikamaru verlor die Kontrolle. Verbissen versuchte er den schleudernden Wagen aufrecht zu halten-... vergeblich. Er fiel in heftigem Splittern und Krachen zur Seite, schlitterte eine gute Strecke über Asphalt. Verbandspäckchen, Schläuche, Instrumente fielen durcheinander. Und als alles wieder zum Stillstand kam, herrschte Stille.
 

Naruto rappelte sich leise hustend, kopfschüttelnd aus seiner seltsam eingequetschten Lage zwischen Sitz und Amaturenbrett. Er war halb in seinem Gurt verheddert und brauchte einige Anstrengung, bis er es schaffte den Verschluss zu lösen und sich zu befreien. Um ihn herum lagen die Splitter der Scheiben wie Eiskristalle.

Sie waren überall. In seinen Haaren. In seinen Ohren. In seinem Mund.
 

„Shika“, keuchte er, „Lebst du noch?“
 

Ein Stöhnen kam von irgendwo unter ihm.

„Wenn ich nein sage“, jammerte der Nara, „Krieg ich dann früher Feierabend?“
 

Sehr wackelig und vorsichtig versuchte Naruto, einen Fuß auf den Boden zu bekommen ohne auf Shikamaru zu treten oder irgendwo abzurutschen.

„Du bist der Beste“, flüsterte er, „Ehrlich, du hast so was gut bei mir... Ich bin gleich zurück.“
 

„Warte! Naruto! Du hast nicht mal ´ne Waffe!“
 

Der Uzumaki war aus der jetzt offenen Windschutzscheibe geklettert und sah sich um.

„Dafür brauch ich keine“, gab er zurück, krempelte dann seine Ärmel hoch und trabte los.
 

„Naruto!!“
 

~
 

Hidan schlug nach Sasuke- er war hinterher gesprungen, schlauerweise zuerst in einen Container mit Dämmmaterial- und obwohl der Fall beide mitgenommen hatte- der Uchiha lag keuchend am Boden und rang um Bewusstsein und Körperkontrolle, sein Angreifer stand mit kleinen Schnittwunden an Stirn und Armen durch seinen ungeschützten Oberkörper schwankend auf beiden Beinen-... gingen sie sofort wieder in Kampfmodus.
 

Keuchend schlurfte der Sensenschwinger zu Sasuke, blieb breitbeinig vor ihm stehen, lachte seinen Triumph in den Nachthimmel. Dann hob er seine Waffe, holte weit damit aus-... und im nächsten Moment sprang ihm etwas von hinten an die Gurgel. Ein orangeroter Overall, kräftige Beine, ein energischer Arm der ihm direkt ins Gesicht packte.
 

Sasuke hob den Kopf zu dem Anblick, seine Augen wurden weit, sein Mund klappte auf.
 

Naruto schloss seine Oberschenkel um Hidans Nacken, hakte die Beine fest, schlang einem Unterarm um die Kehle und grub ihm zwei Finger in seine Nasenlöcher.
 

Das Monster war im ersten Moment überrumpelt und heulte im nächsten vor Schmerz. Er bockte, drehte sich um sich selbst und versuchte, was auch immer ihm da auf den Schultern saß von sich herunterzureißen. Naruto duckte sich tiefer, festgeklammert wie ein Schlageisen, zwang ihm den Kopf in den Nacken, presste den Hals enger. Der Stab der Sense fuhr durch den Kies, spritzte Steinchen aufwärts, die schweren Springerstiefel traten auf der Stelle.
 

Sasuke rappelte sich auf, kam auf die Knie, auf die Beine, wich zurück und starrte fassungslos auf die Szene.
 

„Auu!“, gurgelte Hidan, „Du tust mir weh! Ah! Hör auf, scheiße!“
 

Narutos Miene war kaum zu sehen unter fliegenden blonden Strähnen, er hielt den Kopf gesenkt, aber seine Reaktion sprach Bände- er blieb genau wo er war und gab noch etwas mehr Druck.
 

Klappernd fiel die Sense aus breiten Händen, blieb in sinnlosem Schwung ein paar Meter entfernt liegen. Mit gepeinigtem Brüllen ging Hidan auf ein Knie. Das zweite folgte Momente später. Naruto zog noch einmal kräftiger, der Größere versuchte mit einem letzten Aufbäumen den Kopf zu schütteln, mit den Fingern an orangenem Synthetikstoff Halt zu finden-... dann rutschten seine Hände abwärts, er fiel nach vorne wie ein gefällter Baum, landete mit heftigem Aufprall bäuchlings im Kies.
 

Sasuke war sprachlos.
 

Naruto lag keuchend auf dem größeren Mann, seine Beine halb unter dem muskelbepackten Körper begraben. Langsam löste er seine Finger, entspannte sich. Seine Hände zitterten leicht. Die Knöchel bluteten etwas vom Aufschlag am Boden.
 

„... Bist du okay?“, brachte er gerade noch so heraus.
 

Sasuke nickte langsam, der Mund immer noch offen.
 

„Gut...“, Naruto rieb sich mit dem Ärmel übers Gesicht, wischte die Finger an seiner Hose, richtete blaue Augen auf ihn, „Wo ist... dieser Typ? Dieser andere?“
 

Sasuke schüttelte nur den Kopf. Er hatte keine Ahnung. Was für ein Typ überhaupt? Ach ja, der Kleine... er hob die Schultern.
 

„Hast du ihm was getan?“
 

Wieder Kopfschütteln, diesmal sicheres.
 

„Wow-... scheiße...“, Naruto lehnte sich etwas zurück, blickte abwärts auf den Kopf zwischen seinen Schenkeln und klopfte leicht mit den Fingern darauf, „Und wer zur Hölle ist der hier?“
 

Sasuke blieb in sicherer Entfernung und schüttelte wieder den Kopf.
 

„Ich hab keine Ahnung“, brachte er tonlos hervor. „Ist er... tot?“
 

„... Nur bewusstlos“, Naruto fuhr sich völlig erschöpft durch das Haar am Nacken. Seine Finger und seine Stimme zitterten immer noch, „Weißt du, warum du bei Bondage und Suspensions nie beide Seiten am Hals zu sehr abdrücken solltest?", er deutete abwärts, „Deswegen... mann, hat der eine Kraft... echt jetzt! Wie ein Bulle...“
 

„Wie... wie lange hält das an?“
 

Sasuke sah mit einiger Beunruhigung wie kraftlose Finger leicht zucken. Eine silberne Augenbraue des Bewusstlosen krümmte sich nur ein paar Milimeter.
 

„Uhh...“, Naruto blinzelte, „Keine Ahnung... nicht lange...“
 

In diesem Moment öffnete der Kopf zwischen seinen Schenkeln die Augen wieder.
 

„Pass auf!“
 

„Whoa!“, Narutos Hände flogen zurück an die Schultern des Größeren, als der massige Körper zuckte, sich etwas vom Boden hob und versuchte, die Arme in den Boden zu stemmen um sich aufwärts zu wuchten.
 

Der Blonde griff nach der Pranke des Silberhaarigen, kämpfte sie hinter sich, zog ihm den Daumen zwischen die Schulterblätter in einen Hebelgriff und brachte die Schultern damit sicher wieder zurück auf den Boden. Hidan gab ein tiefes Grollen von sich, das in Winseln endete als Naruto den Daumen noch tiefer drückte. Sämtliche Finger der freien Hand gruben sich in den Kies.
 

„Ruhig, Großer“, schnaufte der Uzumaki mit bebender Stimme, als er wieder nachgab, „Du tust mir nichts, ich tu dir nichts, einverstanden? Siehst du... schon besser. Einfach still halten...“
 

Das vielstimmige Geräusch von Polizeisirenen näherte sich aus der Ferne. Sasuke atmete auf, wich vorsichtshalber aber doch wieder ein Stück weit in schützende Dunkelheit um sich einen Fluchtweg freizuhalten. Auch Naruto atmete auf. Er drehte den Kopf. Für einen Moment war nicht mehr hundert Prozent seiner Aufmerksamkeit an einer Stelle...
 

„Shikamaru!“, brüllte er, „Ich brauch dich hier!“
 

Sein Gefangener nutzte die Chance, zog den Kopf weg und warf sich seitlich über die Schulter wie ein Krokodil am Angelhaken. Naruto fluchte. Hidans Hand rutschte ihm aus dem Griff. Er konnte sich nur noch an seinem Kopf festklammern, wurde schmerzhaft über Kies gerissen, überrollt, aufwärts gezogen-...
 

Sein Gegner bäumte sich unter ihm, brüllte, warf sich absichtlich zu Boden um ihn mit seinem Körpergewicht zu zerquetschen, rappelte sich wieder auf, kam trotz der Last auf zwei Beine und begann blindlings zu laufen- direkt auf nächste Wand zu.
 

Sasuke stockte der Atem. Das war-... so etwa das Szenario, das er bei der Aktion schon zu Anfang befürchtet hatte... er stand wie gelähmt da und konnte nichts tun als nur zuzusehen-... es war einfach viel zu verrückt!
 

Naruto saß dem fremden Killer im Nacken wie ein Cowboy bei einer Rodeoshow und er hielt seine Stellung mehr schlecht als recht. Wenn der Anblick nicht so grotesk und furchtbar gewesen wäre, hätte es ziemlich lustig ausgesehen... Auf so eine Idee konnte auch nur der blonde Idiot kommen...
 

Der Uzumaki krallte sich fest wie besessen, er ließ sich durch den Dreck ziehen, er steckte heftige Treffer weg, brachte den Anderen nur noch tiefer in Raserei. Hidan rollte sich über den Boden, warf sich mit voller Kraft gegen Wände, drehte sich, zog den Kopf abwärts-... und bekam ihn schließlich am Kragen des Overalls zu fassen.
 

In einer heftigen Bewegung riss er ihn abwärts- Naruto wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert, landete hart auf dem Rücken.
 

Sein Gegner fletschte die Zähne, schüttelte sich einmal mit weiten Augen und starrte auf ihn herunter-... und dann ging er mit großen Schritten zu seiner Waffe zurück. Mit dem ersten Griff kam wieder Leben in die riesige Sense. Sie wirbelte aufwärts-... Hidan sah hinab zu dem am Boden liegenden Uzumaki und setzte sich in Bewegung. Er ging zu seinem finalen Angriff über.

Polizeisirenen heulten näher und lauter-... die ersten mussten schon auf dem Gelände eingetroffen sein-... Hidan begann zu laufen, er gab sein blutrünstiges Heulen von sich, riss die Waffe über sich, holte aus-...
 

Naruto hob den Kopf, konnte nur sinnlos den Arm heben. Er sah keine Klinge, nur ein blutrotes Blitzen, das direkt auf ihn zukam. Und spürte nur einen warmen, schwarzen Schatten, der sich kurz vor dem Auftreffen über ihn warf. Ein kurzes Geräusch als ob Stoff zerfetzt wurde, ein Klatschen von einem Schwall voll Blut-... und dann war da auf einmal viel nasse Wärme, die durch Narutos Overall, über seine Finger floss.
 

„Nein!“, keuchte er.
 

Irgendwo aus der Ferne hörte man einen scharfen Pfiff der Hidan dazu brachte inne zu halten, den Kopf zu heben und mit einem letzten Knurren zu verschwinden.
 

Das Peitschen der Schüsse um sie herum war längst verstummt. Alles war erleuchtet von Blaulicht, immer mehr Menschen füllten den Platz. Shikamaru kam auf sie zu gehumpelt.

„Naruto?“
 

Naruto lag fassungslos auf den Knien, Sasukes zuckender Körper über ihm.
 

„Nein“, würgte Naruto, „Sasuke-...“
 

Er verlor so viel Blut, so schnell. Der Rücken an seinen Armen fühlte sich jetzt auf einmal so... unglaublich leicht und knochig an. Dunkle Augen sahen angestrengt hoch in Narutos Gesicht. Als seine Lippen sich öffneten, floss ein Schwall Blut davon abwärts.

„Nein!“, keuchte Naruto. „Du verdammter Idiot! Warum machst du das?“
 

Sasukes Augenlider flatterten, sanken. Er hustete, würgte, versuchte zu atmen. Blut lief ihm aus der Nase.
 

„Nein!“, Naruto spürte, wie ihm die Tränen kamen, „Oh, nein, nein nein! Verdammt!
 

SASUKEEE!!“
 

~

Morgengrauen (Kakashi, Iruka)

~
 

Schwarze Schatten färbten sich blau. Über den Horizont kroch Licht auf Asphalt und Hauswände. Bald würden die Laternen ausgehen.
 

Kakashi hantierte mit dem Schlüssel, brauchte zwei Anläufe bis er das Schlüsselloch traf. Ein plötzlicher Ausfall seines Gleichgewichtssinns ließ ihn vorwärts gegen die stützende Tür taumeln, ein paar Momente lang durchatmen und still halten, bis er seinen Beinen wieder traute.
 

Natürlich bemühte er sich, leise zu sein. Natürlich scheiterte er jämmerlich. Er stolperte über die Schwelle, stieß fluchend mit dem Schienbein gegen das Schuhregal im engen Flur. Dass er für den Versuch, sich die schmerzende Stelle zu reiben, gleich ein Bein vom Boden hob war auch nicht die glorreichste seiner Ideen am Ende der Nacht. Wenigstens wurde sein Sturz seitlich in die Gaderobe von einer Menge Jacken und Regenschirmen aufgefangen.
 

Sich mit hängendem Kopf in der völlig zerzausten Frisur kratzend, kam er schließlich ohne Schuhe und mit nur noch einer Socke am Ende des Flurs an, öffnete die Tür zum Wohnbereich-... und der Schreck durchzuckte ihn, als er bemerkte, dass jemand dort vor ihm im Dunkeln stand. Nach dem unvermeidlichen Adrenalinstoß, der seine Schulter mit dem Türrahmen kollidieren ließ, gab er ein klägliches Ächzen von sich und rieb sich die Hand durchs Gesicht.

Es war nur Iruka.
 

Moment-

Scheiße, es war Iruka. Er war ja so etwas von geliefert...
 

„Wo warst du?“, wollte der Jüngere mit sehr ruhiger Stimme wissen.
 

Er hielt die Arme verschränkt und warf ihm aus dem Halbdunkeln einen Blick zu, der mit Sicherheit einen Eimer Wasser hätte schockfrosten können. Kakashi blinzelte langsam und runzelte dann die Stirn. Moment, ging ihn das überhaupt etwas an? Wohnung hin oder her- für dieses bedrohliche Augenfunkeln gab es ja wohl überhaupt keinen Anlass. Er war entschieden zu alt, um sich für spätes Heimkommen zu rechtfertigen, zu alt, zu müde-... und zu betrunken...

Deshalb ließ er die Schultern sinken und gab nur ein abwehrendes Grummeln von sich.
 

„Weg“, brummte er.
 

Iruka legte den Kopf schief.

Sein Mund war ein schmaler Strich und das Glimmen in seinen Augen finster genug, um seinen momentanen Mitbewohner in der Bewegung zu stoppen. Kakashi hatte eigentlich lässig in Richtung Gästezimmer schlurfen wollen, traute sich dann aber doch nicht. Schwankend blieb er stehen und warf einen unsicheren Blick zurück zu dem Hausherrn. Da stand er, ein Racheengel mit Marmormiene, völlig unbeeindruckt davon, dass er als Erzieher von Kampfknirpsen der seinen Zivildienst im Kindergarten gemacht hatte eigentlich wenig zu bieten hatte gegen einen-... na gut, etwas angetrunkenen... aber immer noch fitten Berufskiller, mit Zweitausbildung zum Jugend- und Heimerzieher...
 

„Wieso gehst du nicht an dein Telefon?“
 

Der Tonfall klang jedenfalls nach Militärgericht.

Kakashis Augenbrauen krümmten sich, er neigte den Kopf als ob er sich verhört hätte.
 

„Warte“, meinte er leise und hob eine Hand, „Warte mal-... stop, Auszeit bitte“
 

Er sprach in sehr weichem Ton, weil er es nicht wirklich auf einen Streit anlegen wollte. Er hasste Streits. Und er war Iruka auch dankbar, dass er ihn hier ertrug. Trotzdem schien es dringend angebracht, die Dinge wieder ein bisschen ins rechte Licht zu rücken.
 

„Mein Feierabend...“, begann er vorsichtig, „Ist mir nunmal wichtig. Ich muss manchmal einfach den Kopf frei kriegen- siehst du, ich verstehe ja, dass du Details wissen willst, aber-...“
 

Er verstand außerdem, dass dem guten Iruka die Anwesenheit eines fremden Mannes in seiner Junggesellenwohnung etwas zu Kopf stieg. Immerhin war er, naja, von den grauen Haaren mal abgesehen immer noch ziemlich gut in Form: Gestählter Körper, gefährliche Aura, verwegene Narbe und alles... Und wer wusste wann Iruka das letzte Mal- oder ob er überhaupt schon jemals- so richtig beglückt worden war. Manchmal machte der Jüngere einen etwas verklemmten Eindruck. Aber vielleicht sollten sie ein für alle Mal klar stellen, dass das hier nicht eine von diesen Groschenroman- Geschichten war, in denen der mysteriöse Fremde mit der dunklen Vergangenheit sich Hals über Kopf in die holde Jungfer verliebte, nur weil sie sich zufällig gerade ein Badezimmer teilten...
 

„Du musst auch verstehen, dass ich nicht vierundzwanzig Stunden erreichbar sein ka-...“
 

„Es ging um Pakkun“, schnitt ihm Iruka das Wort ab.

Kakashi hob blinzelnd, völlig aus der Balance gebracht seinen Kopf.
 

„Wha-... huh?“, gab er schwach von sich.
 

„Es war ein Notfall“, Irukas dunkle Augen funkelten zornig, „Warum glaubst du Witzbold, versuche ich wohl zehnmal nacheinander, dich anzurufen?! Weil ich solche Sehnsucht nach dir habe? Mal ehrlich, Kakashi! Wovon fantasierst du?“
 

Das saß. Der Mund des Älteren schloss sich wieder.

Er spürte ein Brennen auf den Wangen und blinzelte noch einmal.
 

„W-... was...?“ Seine Stimme versagte.
 

Iruka rollte mit entnervtem Schnaufen die Augen zur Zimmerdecke,
 

„Doktor Inuzuka hat angerufen! Es ging ihm schlecht! Ich hab wer-weiß-wie-oft versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen, ohne Erfolg! Letztendlich musste ich selbst in die Tierklinik fahren- er ist da mitten im Zwinger zusammengebrochen! Anscheinend hat er seit er dort ist weder gefressen noch getrunken!“
 

„Oh...“

Kakashis Blick war verändert. Nichts mehr von Härte, Langeweile, Genervtheit-... da war echte Bestürzung. „Oh nein!“, flüsterte er, „Oh... oh shit! Nein! Was-... fehlt ihm?“
 

„Sein Herrchen“, Irukas Ton wurde sanfter.

Als er sah, was für ein Effekt seine Nachricht hatte, sanken die Schultern, der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht ließ nach, „Zum Glück nichts Lebensbedrohliches. Er hat eine Infusion bekommen und ein paar Streicheleinheiten, dann ging es ihm schon wieder besser. Er kommt einfach nur mit dem Tierheim nicht klar“
 

„Oh!“, Kakashi raufte sich stöhnend die Haare, „Shit! Shit-... dass es sowas sein könnte, darauf wär ich nie gekommen, ich-... oh mann, ich bin so bescheuert. Wie kann man nur-... Ohh, bitte hau mir irgendwas über den Kopf...“
 

„Weißt du-...“
 

„Komm schon“, der Ältere ächzte gepeinigt, „Sonst kann ich jetzt nicht mehr schlafen vor lauter schlechtem Gewissen!“

Er machte einen Schritt nach vorn, immer noch nicht wirklich sicher auf den Beinen, stolperte über seine eigenen Füße und packte nach dem Arm des Jüngeren um nicht Gesicht voran auf dem Boden zu landen.

„Uwah!“
 

„Was zum-...!“, Iruka fing ihn auf, „Kakashi! Du bist ja voll wie ein Aquarium!“

„Ich weiß-... tut mir-... tut mir leid“

Von seinem pochenden Hinterteil wollte er gar nicht erst anfangen... auf einmal kam er sich sehr erbärmlich vor. Eine Hand immer noch fest in Irukas Oberteil versuchte er sein Gleichgewicht wieder zu finden, schob seine Wange in Reichweite und versuchte den treuherzigsten Blick, den er zustande brachte: „Komm schon“, flüsterte er, „Es ist ungesund wenn du deine Wut immer runterschluckst“
 

Iruka sah ihn an, glimmende Augen im Halbdunkel und Kakashi senkte den Kopf.
 

„Ich bin ein Arschloch, Iruka. Das ist die Wahrheit. Ich unterstell´ dir komische Sachen. Dabei bin ich derjenige, der nervös ist... Ich bin Gesellschaft einfach nicht mehr gewöhnt. Das ist mir alles zu viel. Deshalb versuch ich auch möglichst nicht hier zu sein. Ich hab deine Anrufe alle mit Absicht ignoriert. Und... ich hab gedacht, du bist verklemmt und spießig. Und dass du es mal wieder nötig hast-... solche Sachen denk ich. Dabei bist du so... nett zu mir“, Müdigkeit und Schwindel brachten ihn zum Schwanken, er fing sich kurz mit der Stirn an Irukas Schulter ab, bevor er wieder zurück wich und blinzelte.
 

„Und“, ergänzte er in tief bewegtem Ton, „Und du hast dich um Pakkun gekümmert. Du-.. du bist so-... und ich-...“, er schüttelte langsam den Kopf, „Ich fühl mich beschissen. Also-... lass uns kein Drama draus machen und das klären wie echte Kerle-... Hau mir eine runter und-... lass uns dann nochmal neu anfangen? Okay..?“

Iruka forschte schweigend in seinem schwerer werdenden Blick.
 

Dann schluckte er, hob zögernd die Hand.

Kakashi schloss die Augen, drehte leicht den Kopf-... und spürte ein warmes, sanftes Tätscheln auf seiner Wange.
 

„Böser, böser Mann“, mahnte der Andere tadelnd. Seine Hand blieb beim letzten Kontakt ungewohnt lange liegen.
 

Kakashi blinzelte. Ihre Blicke trafen sich.

„So etwa?“, Irukas Hand zuckte zurück.
 

„Mh“, der Ältere schob den Kopf noch ein wenig näher, „Das war... unerwartet, aber-... ja... vielleicht solltest du auch die anderen Backen, du weißt schon- zur Sicherheit...?“
 

„Du siehst eindeutig zu viele Pornos!“, Iruka stieß ihn von sich, „Geh deinen Mops trösten!“

Kakashi konnte sich ein dümmliches Grinsen nicht verkneifen, obwohl er sich immer noch schrecklich fühlte.
 

„Wo ist er?“

„Ich musste ihn mit nach Hause nehmen. Keine Sorge, er ist okay... Den ganzen Weg von der Klinik nach Hause hat er schon friedlich auf meinem Schoß geschlafen“
 

„Oh mann, Iruka“, Kakashi schnaufte und rieb sich verlegen den Hinterkopf,

„Danke... ehrlich...“
 

Behutsam öffneten sie die Tür zum Gästezimmer.

Helles, heiseres und völlig erschöpftes Winseln fiepte vom Boden her. Der Silberhaarige tastete nach dem Lichtschalter, beugte sich abwärts obwohl die Bewegung seinem Kopf gar nicht guttat, ließ sich dort einfach fallen um sitzen zu bleiben, bis der Raum wieder aufhörte sich zu drehen-... ein kleines, warmes Bündel aus glattem Fell und Hautfalten und unwiderstehlich weichen Pfötchenballen sprang ihm auf den Schoß, leckte ihm verzweifelt die Hände, das Gesicht, alles was es erreichen konnte, schmiegte sich an ihn, zitternd am ganzen Körper.
 

„Pakkun“, stöhnte Kakashi und nahm ihn vorsichtig auf den Arm, „Oh...“, seine Stimme wurde sehr weich und sehr, sehr schuldbewusst, „Oh, mein Schnuffelhundchen... ist ja schon gut... Papa ist hier...“, Pakkun wand sich in seinen Händen, versuchte verzweifelt mit seinen kleinen Pfötchen hochzuspringen, ihm das Kinn zu lecken, Kakashi schmiegte sein Gesicht in das weiche Fell, „Mmh... Es tut mir leid-...“, murmelte er, „Das tut mir alles so leid... ich lass dich nicht mehr allein, okay? Ja, ich weiß...“
 

Er spürte Irukas wohlwollenden Händedruck auf der Schulter, als er zu ihm hoch blinzelte. Der Jüngere ging neben ihm in die Hocke. Pakkun, endlich etwas ruhiger, leckte voller Hingabe auch ihm die Hände, als Iruka sanft seine kleinen Öhrchen streichelte.
 

„Geht es den Anderen gut?“, wollte Kakashi leise wissen.
 

„Hmm... Naja, soweit man sehen kann. Bull scheint es ziemlich egal zu sein, wo er ist- Biscuit versteht sich gut mit den anderen Hunden...“

„Heh“, der Ältere schnaufte erleichtert und erlaubte sich ein kleines Lächeln, „das ist typisch“

„Wegen Urushi... meint sie, du musst unbedingt einen guten Hundetrainer finden“
 

Kakashi seufzte tief.

„Muss das sein?“
 

Iruka warf ihm einen skeptischen Blick zu,

„Gemessen an der Tatsache, dass er sich nicht mal anfassen lässt?“
 

„Weißt du, was sie mit ihm gemacht haben? Du würdest dich auch nicht mehr anfassen lassen, wenn dir sowas passiert wäre!“
 

Schweigend sah Iruka ihn an.

„Kann sein... aber ab und zu muss er zum Tierarzt. Willst du ihn jedes Mal mit dem Blasrohr betäuben?“
 

Kakashi grunzte abwehrend.
 

„Was ist das überhaupt mit dir und diesen... Hunden?“, wollte Iruka ratlos wissen, „Da musst du dir echt mal was anderes überlegen. Du kannst doch nicht jeden Streuner von der Straße sammeln, wenn du nicht einmal eine Wohnung hast!“
 

„Mh“, Kakashi kratzte sich düster am Hinterkopf.
 

„Das mit Pakkun ist ja schon schlimm genug! Du weißt, dass hier eigentlich keine Haustiere erlaubt sind. Noch mehr Hunde sind keine Option!“
 

„Ich weiß... ich... verspreche, ich such eine andere Lösung. Okay?“

„Okay“, Iruka schnaufte nach ein paar Momenten und erhob sich dann, „Gut... ich schätze, das geht in Ordnung. Du kommst klar, oder? Ich geh schlafen, in ein paar Stunden muss ich wieder aufstehen. Wie willst du eigentlich deine Eier am Morgen, gekocht? Gebraten...?“
 

„Gekrault?“, Kakashi blinzelte unschuldig aufwärts, bevor er sich bremsen konnte.

Iruka gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Aua..!“

„Gute Nacht!“
 

Die Tür schwang leise zu. Und mit Irukas festen Schritten verschwand auch sein Geruch, dieses typische Duschgel. Genau das, was Kakashi das letzte Mal einfach auch... hm... geliehen hatte, um sich die Haare einzuseifen. Ob es Absicht gewesen war, um den ganzen Tag den Geruch in der Nase zu haben, obwohl er gar nicht zuhause gewesen war?
 

„Er macht Frühstück“, sagte er zu dem kleinen Bündel Hund auf seinem Schoß, das mit innigem, tiefem Blick zu ihm aufsah.

„Du machst Frühstück?“, wandte er sich dann doch noch einmal Iruka nach, „Für mich?“
 

„Ich mach immer Frühstück am Wochenende!“, kam Irukas empörte Behauptung, „Für alle Gäste!“
 

Kakashi hob skeptisch die Augenbraue zu Pakkun, der in ähnlich purem Zweifel den runden, zerknautschten Kopf mit den Knopfaugen schief legte.
 

„Für alle Gäste, sagt er“, murmelte Kakashi, nahm den kleinen Mops in die Hände und hob ihn so hoch, dass er ihn auf bequemer Augenhöhe ansehen konnte, „Ich seh hier niemanden außer uns... vielleicht denk ich nur wieder zuviel... aber, hm. Was meinst du..?“, er schob verschwörerisch, mit schmalen Augen den Kopf noch ein wenig näher:
 

„ ... Will er was von deinem Herrchen?“
 

Pakkun gab ein inniges Seufzen von sich und leckte Kakashi seine lange Zunge einmal quer übers Gesicht.
 

~

Das weiße Rauschen

~
 

Stille. Die Außengeräusche waren verstummt.

Alles was Naruto noch hörte war der Herzschlag in seinen Ohren. Alles was er sah waren Sasukes große, schwarze Augen, ein Blick der langsam brach und dabei in seinem versank. Tiefer und immer tiefer. Wie jemand, der in einem dunklen Meer abwärts strudelte, längst außer Reichweite um noch von der Oberfläche aus nach ihm zu fassen. Jemand, dem man nur zusehen konnte, während immer mehr und mehr Wasser sich zwischen sie schob, ihn für immer verschlang, auf den Grund zog. Irgendwohin, wo er für immer unerreichbar sein würde.

Shikamaru schrie ihn an. Er sah ihn durch einen Schleier von Tränen, spürte den Griff am Kragen- wie jemand ihn schüttelte.
 

Aber er konnte schon längst nicht mehr denken. Alle Störungen schlug er beiseite, mit einer Wucht und einem blinden Hass, den er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Er hielt Sasuke so verzweifelt in seinem Arm als könnte es reichen, den Körper mit aller Kraft festzuhalten während unaufhaltsam das Leben aus ihm heraus rann wie Sand aus dem oberen Teil einer Sanduhr. Was mit Sakura passiert war, hatte sein tiefstes Inneres erschüttert-... Sasuke brachte etwas in ihm zum Splittern. Der Schmerz war ein glühendes Messer. Es zerfetzte seinen Verstand. Er lag auf den Knien bei ihm und in seinem Innern tobte ein wildes Tier.
 

Als er Hände spürte die versuchten ihn wegzuzerren, kauerte er sich nur tiefer und fletschte die Zähne. Niemand sollte ihn anfassen. Niemand würde ihn bekommen. Er würde ihn beschützen. Etwas, das er davor nie gekonnt hatte-... er würde ihn nicht enttäuschen, jetzt wo er sich selbst nicht mehr helfen konnte. Während der Uchiha zuckend und sinnlos nach Luft schnappte und Blut gurgelte, hatte Naruto hatte selbst das Gefühl, zu ersticken. Vielleicht... konnte er hier mit ihm sterben...
 

Jemand griff seine Schulter, eine Stimme kam undeutlich. Er schüttelte nur den Kopf, als ihn ein kurzer Schmerz von der Seite her traf. Die Stimme wurde deutlicher:
 

„Naruto!“
 

Shikamaru gab ihm noch eine Ohrfeige.
 

„Komm zu dir! Sieh mich an!“, befahl er barsch.
 

Aus verschleierten, fremden Augen starrte der Blonde aufwärts.
 

„Kompression!“, brüllte Shikamaru und Naruto verstand überhaupt nichts, „Kompression, du musst draufdrücken!“

Naruto konnte keinen Muskel rühren, keinen Laut von sich geben, er schnappte noch mehr nach Luft obwohl seine Lungen schon viel zu voll waren und starrte ratlos durch den Schleier von Tränen zu einem Mann, den er als Freund erkannte-... was-...?
 

„Drück das hier! Fest!“ Shikamaru griff seine Hand, presste sie auf eine Menge Kompressen und dicken Stoff in das warme Sprudeln an Sasukes nacktem Brustkorb. Naruto zitterte am ganzen Körper. Sein Zustand in dieser Abstellkammer war nichts dagegen gewesen- seine Hände schlotterten, langsam drang klare, entsetzliche Realität wieder in sein Bewusstsein, und er schüttelte nur den Kopf.
 

„Sasuke!“, stieß er hervor, „Oh Nein! Sasuke, nein! Sasuke!“
 

„Naruto!“, fauchte Shikamaru, „Reiß dich zusammen und tu was ich sage, hörst du?!“
 

Blinzelnd sah Naruto zu ihm herüber. Gegenüber von ihm lag der Nara auf den Knien in fieberhafter Arbeit, seine Handgriffe waren rasch und gezielt. Wo hatte er den Notfallkoffer her? Er hatte gar nicht mitbekommen, dass er zum Wagen zurück gelaufen war um ihn zu holen...
 

Fassungslos, bewundernd sah der Blonde zu, wie er mit Nadeln und Ampullen hantierte, bemerkte fast dankbar, wie er Sasukes Hand aufwärts zog. Der Körper des Schwarzhaarigen schien zu spüren dass etwas passierte-... und begann sofort, sich zu sträuben.

„Halt ihn fest!“, kam die Anordnung. Shikamaru riss in Ermangelung einer freien zweiten Hand die Verpackung des Venenzugangs mit dem Mund auf. Sasukes Arm zuckte. Trotz seines Zustands-...auf einmal begann er sich doch noch erstaunlich heftig zu winden, aller Widerstand der noch in ihm steckte richtete sich gegen den Sanitäter. Er bäumte sich auf, gab ein nasses Röcheln von sich, seine Beine traten sinnlos über den Boden.

„Verd-...“, Shikamaru hielt die blutigen Finger, die immer wieder aus seiner Hand rutschten, Naruto griff nach dem schmalen Handgelenk um die Venen am Handrücken für die Nadel bereit zu halten-... aber jedes Mal, sobald die Spitze die Haut berührte und Shikamaru versuchte, die Kanüle sanft weiter zu schieben gurgelte ein gepeinigtes Geräusch aus dem Hals des Uchiha, er versuchte mit aller Kraft, sich zu wehren.

„Ruhig“, versuchte Naruto ihn zu beschwören, er krümmte sich über ihn, versuchte ihn mit bittendem Murmeln entspannter zu halten.

„Junge!“, stöhnte sein Kollege ungeduldig, „Halt einmal still, verdammt nochmal! Wir retten dir gerade das Leben! Naruto, hilf mir!“, der Blonde biss die Zähne zusammen, griff das Handgelenk fester und spürte das angewiderte Zucken und Schaudern darin viel zu heftig, als die Nadel sich unter die Haut schob und Shikamaru endlich aufatmen konnte: „... gut... das ist drin... Halt ihn fest, dass er sich das nicht wieder rausreißt.“
 

Sasuke-... es war nur noch schwer zu sagen ob er wirklich klar bei Bewusstsein war oder seine Muskeln nur instinktiv reagierten- gab ein hasserfülltes Röcheln von sich, schüttelte den Kopf, schmierte dabei Blut über Narutos Jacke, seinen Schoß, seine Finger.

„Er verblutet“, sprach Naruto mit dünner Stimme seine Panik aus und Shikamaru schüttelte grimmig den Kopf. „Er erstickt. Wir intubieren“

„W-was?“, keuchte Naruto angstvoll, „Aber-... er ist noch wach!“
 

Sasuke würgte und hustete kleine, rubinrote Spritzer über die nächste Umgebung.

„Deshalb legen wir ihn vorher schlafen“, bemerkte Shikamaru sarkastisch und zog milchig weiße Flüssigkeit in eine Spritze- legte das eingeschweißte Gerät mit Griff aus chirurgischem Stahl und dem langen, gekrümmten Metallschnabel neben sich bereit. „Sonst erledigt sich das Problem gleich von selbst“

„Nein-... schh... ganz ruhig“, murmelte Naruto auf den Verletzten ein, beugte sich näher zu ihm, „Ich bin hier... ich halte dich fest... du wirst nicht sterben, Sasuke. Hörst du mich? Ich verbiete es dir. Stirb nicht, du Idiot! Bleib bei mir. Das ist ein Befehl!“
 

Shikamaru griff den Handrücken, schob die Spritze auf den Plastikzugang, drückte langsam, konzentriert weiße Flüssigkeit in die Vene. Sasukes Augen öffneten sich noch einmal, er riss sie weit auf, sah Naruto vorwurfsvoll, haltlos, verraten an-... ein letztes Krümmen ging durch seinen Körper, dann rollten seine Pupillen nach hinten.
 

Shikamaru griff nach dem Laryngoskop, riss die Packung auf, hielt es fest. Mit einem Schnappen des Handgelenks klappte es auf, rastete ein.

„Stopp die Blutung“, sagte er zu Naruto.

„Sei-... sei bitte vorsichtig“, keuchte der bebend zurück, „Brich ihm bloß keinen Zahn aus, okay?“
 

Der Nara griff nach Sasukes Kinn, öffnete mit dem Daumen die Kiefer, konzentrierte sich... und schob dann gekrümmten, medizinischen Stahl langsam- sorgfältig über die Zunge nach unten.
 

~
 

Kankuro schlug die Tür des Polizeiautos zu. Seine Haare waren zerzaust, seine Uniform war zerknittert und wie um einem universellen Gesetz folge zu leisten begann es jetzt auch noch leise zu nieseln.
 

Nichts passte besser zu einem nächtlichen Tatort als Regenwetter.
 

Er kratzte sich an der Augenbraue, an der immer noch Reste von lila Schminke zu erkennen waren und begann dann- humpelnd und etwas breitbeinig- zu seinen Kollegen zum Schauplatz der Ereignisse hinüber zu schlurfen. Was für eine Scheiße...
 

Kurabayashi, dieser blasse Typ mit den Eulenaugen, der aussah wie der versaute Sekretär in einem Schwulenporno, kam mit erhobener Hand reichlich mitgenommen hinter seinem Container hervor, teilte die neuesten Neuigkeiten mit Streifenpolizisten und Kripo- Beamten. Sein Schoßhund von Partner zitterte von den Nachwirkungen des Adrenalins noch wie Espenlaub und wurde irgendwo in ein Auto verfrachtet. Von den wirklichen Verbrechern war- natürlich- kein Haar mehr zu sehen.
 

Die nächste halbe Stunde waren er und seine Kollegen damit beschäftigt, die Gegend großzügig mit Absperrband zu dekorieren-... völlig nutzlos, wenn man Kankuro fragte, schließlich kam seiner Ansicht nach kein Schwanz freiwillig hierher, das Gelände war schon seit Wochen verwaist.
 

Er verbrachte also jede Gelegenheit damit, zu rauchen und beschäftigt auszusehen.

Als der weiße Kombi der Kriminalpolizei vorfuhr, gab er ein tiefes Stöhnen von sich und versuchte hastig, seine Kippe auszutreten.
 

Lieutnant Ken Ichiyouji, stellvertretender Abteilungsleiter in seinem Distrikt, war jemand, der viel zu verdammt gut aussah um Kriminalbeamter zu sein. Kankuro hatte keine Ahnung ob er wusste, was er im ganzen Kollegenkreis für Gesabber auslöste. Als die Tür des Wagens aufging und sein schlanker, schwarzer Schuh sich auf schmutzigen Kies senkte kam sofort irgendein Azubi mit Schirm angelaufen. Ichiyouji stieg aus- blütenweißer Mantel, hellgrauer Anzug, lila- blassblaues Hemd, burgunderfarbene Krawatte. Und diese seidigen, perfekten, blauschwarzen Haare in halblangem Schnitt, wie immer bis zu den Schultern. Er ließ einen Blick in die Gegend schweifen und hatte dann-... verdammt nochmal-... tatsächlich schon wieder ihn im Visier.
 

Es war wie ein Fluch!

Kankuro drehte sich schnaufend um und versuchte zur nächsten Ansammlung von Kollegen hinüber zu flüchten-... aber es war schon zu spät.
 

„Sabaku!“
 

Er erstarrte und straffte sich innerlich für die Begegnung, bevor er den Blick über die Schulter wagte.
 

„Lieutnant Ichijouji?“, knirschte er.
 

Ein wütender Blick traf ihn, und er wusste ganz ehrlich nicht, was er angestellt hatte um das zu verdienen:
 

„Wie ist die Situation?“
 

„Uhm-... oh-... ja... also...“, Kankuro kratzte sich verlegen am Hinterkopf und machte eine weite Handbewegung auf den gefällten Krankenwagen, Glassplitter, Blut, verstreute Patronenhülsen, Sanitäter die versuchten einen Verletzten zu stabilisieren,
 

„... Wir, äh, arbeiten dran“
 

„Was ist passiert?“
 

„Uhm... Schießerei... wir sind uns nicht sicher... es hat vielleicht was mit den zerstückelten Leichen zu tun“

„Da kommen wir gerade her. Was haben sie?“
 

„Ja, also... der Notruf hierfür ist kurze Zeit später eingegangen... die, ähm, Sanitäter hier haben beide Anrufe getätigt-... waren an beiden Schauplätzen...“
 

„Lieutnant Ichijouji“, Kurabayashi kam mit blutender Schulter herüber gehumpelt. Er sah zwar reichlich verschwitzt und mitgenommen aus, seine Brille hatte aber interessanterweise gar nicht gelitten. Einmal fuhr er sich durch die Haare, dann war er wieder ganz respektabel ansehnlich. Kankuro stand leicht belämmert daneben und fühlte sich fehl am Platz. Er hatte das Gefühl, dass irgendetwas Außergewöhnliches passiert sein musste, eine Art Verschiebung im Raum- Zeit- Kontinuum: zwei dermaßen hübsche Polizeibeamte auf einem Fleck die zusammen irgendeinen Fall diskutierten, konnte man unmöglich ernst nehmen.
 

„Hier sind die Umstände, wie wir sie sehen", knurrte der Blonde, "Es gibt mindestens zwei gut organisierte Täter. Sie waren schwer bewaffnet, trotz der unvorhersehbaren Situation auf einen Kampf vorbereitet und offensichtlich mobil genug um schnell von hier zu verschwinden. Bisher waren wir überzeugt, dass unser Hauptverdächtiger eng mit ihnen zusammen arbeitet, aber aufgrund der Tatsache, dass der ebenfalls angegriffen wurde, müssen wir die Theorie überdenken“
 

„Ist das immer noch diese Drogensache?“, bezweifelte Ichijouji.

„Davon können wir ausgehen“, Kurabayashi nahm seine Brille ab um die Gläser von Nieselregen zu befreien, „Es ist außerdem zu vermuten, dass die vielen Toten der sogenannten "Kartellkämpfe" in letzter Zeit, die zerstückelten Leichen von heute Abend, das weibliche Folteropfer und dieser Vorfall hier alle miteinander verknüpft sind“
 

„Wenn sie das sagen...“, Ichijouji blinzelte nachdenklich aufwärts in den Nachthimmel, „Gut, dass es Spezialisten für sowas gibt... wir wissen ihre Unterstützung zu schätzen. Dieses Drogenhandel- Millieu hier, ganz ehrlich...“, er schüttelte leicht den Kopf.

„Sobald das Mädchen wieder aufwacht, will ich, dass sie befragt wird. Die Sanitäter sollen auch eine Aussage machen. Das hier sind keine normalen Verbrechen mehr-... das ist nicht einmal ein einzelner Serienmörder, das ist-...“, er schluckte und sah sich mit weiten Augen um, „Das ist... Wahnsinn...“
 

„Das ist Krieg“, erwiderte Kurabayashi, der seine Brille langsam wieder auf die Nase schob und den Kopf wandte, bis sich gleißend das Scheinwerferlicht eines Polizeiautos in den Gläsern spiegelte, „Und wir sind mittendrin. Das hier“, sein Kopfrucken wies auf das Chaos hinter ihm und um sie herum, „War vielleicht erst der Anfang“
 

~
 

„Das ist erst der Anfang“, äffte Kankuro wenig begeistert, aber leise genug seine Vorgesetzten nach, als er sicher unter gleichgesinnten Kollegen stand.

„Für wen hält er sich, den Typen von CSI Miami?“

„Wir können die Drecksarbeit machen!“, ein Anderer warf mürrisch die Zigarette zu Boden, trat mit der Spitze des Stiefels die Glut aus, „Haben uns grade schon Sorgen gemacht, Sabaku. Allein zwischen zwei von der Sorte...“

„Ich dachte die ganze Zeit nur sie müssten ins Pornogewerbe umsteigen, da würden sie wahrscheinlich mehr verdienen“

„Du Sau!“, Gelächter von allen Seiten. Kankuro grinste nur, fingerte nach seinem nächsten Glimmstängel. Ein kleiner Strohhalm von Trost in dem Sumpf aus Frust, Stress und Resignation.
 

„Ich schwör´s euch", stöhnte ein junger Officer voller Sommersprossen, "Lieutnant Ichijouji ist eigentlich in Wirklichkeit ne Frau und hat seit mindestens zehn Jahren andauernd ihre Tage“

„Käpt´n Ichijouji ist schwul wie ein rosa Flamingo und gehört nur mal ordentlich flachgelegt“, knurrte Kankuro und schnippte an seinem Feuerzeug.

Allgemeine Erheiterung. „Sabaku, das kannst du nicht sagen! Er ist verheiratet und hat drei kleine Kinder!“

„Hat das schon irgendwen aufgehalten?", Kankuro schlug paffend seinen Kragen hoch, Niselregen im Genick war unschön, "Ich schwör´s euch. Mein Gaydar versagt nie“

„Und Kurabayashi?“

„Der fickt seinen Partner, aber das ist jetzt wirklich kein großes Geheimnis mehr“

„Stimmt mann, das weiß sogar ich“, lachte die Sommersprosse.

„Sie sollten mal aufhören so viel zu quatschen und mehr Action bieten“

"Yeah!"

„Tut mir leid dir das sagen zu müssen, aber der Money- Shot ist nicht Teil unseres Arbeitsvertrags“

„Scheiße, ich wusste ich bin im falschen Job...“, grinste Kankuro.
 

„Sabaku!“, Ichijouji schickte aus zehn Metern Entfernung einen bitterbösen Blick zu der Gruppe Kollegen herüber, „Wenn sie Zeit haben sich zu amüsieren, helfen sie gefälligst der Spurensicherung die ganzen Patronenhülsen hier einzutüten!"

Kankuro rollte die Augen.
 

„Jawohl, Sir", erwiderte er.
 

~
 

Irgendwann traf der Notarzt ein und der zweite Krankenwagen. Sasuke wurde beatmet und so schnell wie möglich mit Elektrolyt- und Blutplasmainfusion abtransportiert.

Naruto stand völlig neben sich. Sakura lag irgendwo weiter weg in einem Krankenhausbett in künstlich verstärkter Bewusstlosigkeit.
 

Die Spurensicherung tauchte alles in Flutlicht wie die groteske Bühne einer Freilichtshow, der Abschleppdienst nahm den Unfallwagen mit-... es war alles ein riesiges Chaos. Und nicht gerade sehr leicht zu erklären.
 

Shikamaru wusste, er würde sich rechtfertigen müssen warum sie auf eigene Faust die Klinik verlassen hatten bevor der Wagen überhaupt fertig gesäubert gewesen war-... warum er hier oben einen weiß- Gott- wie- teuren Klinikbesitz total zerstört hatte... warum er seine Kompetenzen überschritt... er kratzte sich mit leerem Blick am Hinterkopf.
 

Diese Nacht war wahrscheinlich die stressigste seines gesamten bisherigen Lebens.
 

Er legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und genoss den leisen Regenschauer. Es waren wirklich nur ein paar Tropfen. Minuten später klarte der Himmel auf, Wolken zogen weiter, so leicht und lautlos und vollkommen unberührt von den Problemen der Erdbewohner. Shikamaru sah ihnen wehmütig nach und fühlte sich müde auf einmal. Sehr müde und alt.
 

Tsunade warf ihm im Krankenhaus einen langen, strafenden Blick über zusammengekniffenen Lippen und halbrunden Brillengläsern hinweg zu. Einer, der sagte, dass sie nicht zufrieden war. Er spürte sie war enttäuscht von ihm. Und irgendwie fühlte er sich auch so.
 

Als hätte er alle enttäuscht.

Glücklicherweise gab es an diesem Tag kein Verhör mehr. Es war alles viel zu durcheinander. Er wurde nach Hause geschickt, mit der Empfehlung sich erstmal auszuruhen. Und genau das hatte er vor.
 

Es wurde hell, als er zu seinem Pickup auf dem Parkplatz hinüber schlurfte. Er fühlte sich merkwürdig. Wie betäubt. Die Bilder der Nacht hingen ihm was das Blut und Gemetzel anging zwar nicht wirklich nach, aber wann immer er die Augen schloss sah er diesen wild flirrenden Blick aus sonst eigentlich freundlichen, blauen Augen seines Freundes vor sich und spürte das beunruhigende Gefühl, als Naruto ausgeflippt war. Er dachte nur... wenn es so weit kam, dass sie sich von dem Wahnsinn anstecken ließen-... wer blieb dann noch übrig, um den Überblick zu behalten?
 

Wo war das Rückgrat der ruhigen Logik? Des vernünftigen Menschenverstands?

Wo war die Menschlichkeit? Wofür überhaupt noch Leben retten, wenn um sie herum alles von einem riesigen Mixer der Zerstörung verschlungen wurde? Ergab das einen Sinn?

Oder war es einfach nur...
 

„Stressig“, seufzte er tonlos.

Er schwang sich in den Sitz, schloss die Tür und drehte den Schlüssel. Mit einem Brummen erwachte der Motor des grünen Landrover- PickUps zum Leben.
 

Shikamaru kurbelte das Fenster herunter, legte den Arm auf den Türrahmen, ließ kalte Morgenluft durch die Fahrerkabine strömen... und atmete ganz tief durch. Er wollte jetzt nur noch nach Hause. Nach Hause und in sein Bett.
 

Und wenn er erst einmal schlief, konnte ihn die Welt dort draußen mal so was von kreuzweise...
 

~

Morning Glory (Shikamaru / Neji)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Erinnerung

~
 

In der Dunkelheit hallten Stimmen. Eine davon war vertraut. Sie erinnerte ihn an blondes Haar. Blond, wie goldene, wogende Weizenfelder unter einem blauen, blauen Himmel, an einem warmen Tag. Einem Tag wie diesem, als er am See gespielt hatte... in einem Meer aus Grashalmen an der Böschung, die größer waren als er.
 

Insekten hatten gezirpt. Irgendwo in der Ferne klang das Knattern eines Rasenmähers oder eines kleinen Flugzeugmotors... und er war wieder dort, fünf Jahre alt, arglos und glücklich. Ganz still und mit angehaltenem Atem schlich er sich durch hohe Grasrispen an sein ahnungsloses Opfer heran, spannte die Muskeln zum Sprung-... wartete auf den perfekten Moment und warf sich dann mit lautem „Buh!“ und einem gewaltigen Satz in die Arme des Anderen.
 

Itachi lachte.

Sein Lachen war klar und hell. Man spürte jeden Knochen an ihm, aber er war warm und seine Hände waren immer sanft. Sasuke schmiegte sich an ihn. Er wusste, wie stark sein Bruder sein konnte. Er hatte gesehen, wie er im Training mit diesen sanften Händen in einem Schlag einen Stapel Bretter gespalten hatte, als hätte er eine Axt. Es machte ihn stolz. Richtig stolz.
 

„Ich hab dich, ich hab dich!“, rief Sasuke aufgeregt, „Jetzt bist du tot!“

„Oh nein!“, der Itachi der Erinnerung umarmte ihn lachend, ging widerstandslos zu Boden und griff sich in dramatischer Geste an die Brust, „Du hast mich erwischt-... ohh... urgh-... grhh-...“

„Ich bin der Stärkste!“, verkündete Sasuke und kletterte triumphierend auf den Bauch seines Bruders, platzierte sich kniend auf ihm. Itachi griff ihn an den Seiten und stemmte ihn mit weitem Lächeln in die Luft über sich: „Das bist du!“
 

„Haha! Hey!“
 

Der Abend kam nie langsam. Er war immer einfach nur plötzlich da. Im einen Moment war es noch gerade am schönsten, die Sonne golden, die Luft weich wie Samt und voller Gerüche: Erde, Blätter, die sich leise kräuselnde Oberfläche des Wassers. Sonnenwarme Steine an denen man Eidechsen fangen konnte. Und im nächsten Moment konnte man kaum noch bis zum nächsten Schritt sehen. Sasuke floh an die Seite und an die warme Hand seines Bruders, die seine eigene sicher umfasste.
 

„Gehen wir nach Hause, Sasuke.“
 

Er wollte nie wirklich nach Hause gehen. Die Wildnis am See war viel spannender. Aber wenn Itachi diesen sanften Ton für ihn anschlug, war es schwer, bockig zu sein. Viel schwerer als bei seiner Mutter.
 

„Wenn wir groß sind, gehen wir zusammen ganz weit weg, ja?“, fragte er.
 

Itachis warme Hand drückte ihn sanft.

„Würde dir das gefallen?“
 

„Ja! Wir bauen ein Floß und fahren auf eine einsame Insel! Und da fangen wir Fische und machen Feuer und schnitzen spitze Stöcke! Und ich bin dann der König, und du bist der zweite König“
 

Itachis Lächeln konnte man in der Stimme hören:

„Wenn du groß bist, möchtest du bestimmt lieber eine schöne Frau heiraten?“
 

Sasuke blickte auf in der Dunkelheit und ein plötzlicher Ruck von Emotion stieß ihn vorwärts. Er drückte seinen Kopf an die Hüfte seines Bruders und hielt ihn mit beiden Armen ganz fest.
 

„Nein!“, klagte er, „Ich hasse schöne Frauen! Ich will nur mit dir zusammen sein, für immer und immer und immer!“
 

Itachi lachte. Es war ein weiches, helles Geräusch.

Und als Sasuke mit großen Augen zu ihm aufsah, spürte er das kräftige Schnippen mit zwei Fingern gegen die Stirn.
 

„Au!“, protestierte er und rieb sich beleidigt die Stelle.

„Dummer, kleiner Bruder“, sagte Itachi liebevoll und seine schwarzen Augen glänzten im Licht der Straßenlaterne...
 

~
 

Jemand rief nach ihm.

In der ewigen, kalten Dunkelheit rief jemand seinen Namen, und ihm wurde auf einmal klar, dass er längst allein war.
 

Ganz allein...
 

Alle waren fort. Es gab niemanden mehr. Sie hatten ihn alle verraten. Sie hatten ihn alle allein gelassen.

Die Verzweiflung darüber, die ihm zum ersten Mal vor vielen Jahren und danach immer wieder neu in die Knochen gefahren war, hatte eine Wunde gerissen, die nichts heilen konnte. Es würde für immer ein Loch bleiben, eine hässliche, harte Narbe die ihn entstellte, jedem zeigte, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war.
 

Und irgendwo, weit im Hinterkopf, einer tiefen Kammer seines Instinkts, wusste er dass er starb.

Jetzt gerade. Einfach so. Allein.
 

Er hatte immer Angst vor dem Tod gehabt.
 

Aber jetzt, wo es passierte, blieb ihm einfach nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden. Es war genau so, wie Gaara gesagt hatte: Am Ende ging jeder Mensch in die Knie.

Ausnahmslos jeder. Es war einfach nur eine Frage der Zeit.
 

Widerstand war auf einmal so mühsam. Und er war... es so unendlich leid, zu kämpfen. Er wollte nicht mehr. Wozu auch? Es war alles sinnlos. Seine Kraft war verschwunden und es würde so leicht sein, einfach aufzugeben...
 

Etwas rumpelte und als er sich für einen kurzen Moment in seinem Körper wiederfand, einen verschwommenen Blick in die äußere Welt werfen konnte, war alles ein Wirbel aus grellem Licht, rumpelndem, ratterndem Untergrund und Bewegung. Er schloss schnell die Augen wieder.
 

Der Schmerz war nicht einmal das Schlimmste.
 

Das Schlimmste war, dass das Gefühl von Sehnsucht und Einsamkeit, diese unendliche Leere in ihm nicht verschwunden war.

Es war noch viel stärker und übermächtiger als sonst.
 

Jetzt, wo ihn keine Illusion von Kraft, keine Gedankenblockade mehr davor schützte, hatte er bittere, heiße Sehnsucht nach seiner Mutter. Nach seinem Bruder. Sogar Sehnsucht nach seinem Vater, irgendjemandem. Nur einmal noch eine Familie haben... eine Verbindung. Dieses Gefühl, nach Hause zu kommen. Etwas haben, wohin er gehörte. Da war kein helles Licht am Ende des Tunnels für ihn. Da war niemand, der die Hand nach ihm ausstreckte.
 

Da war nur kalte, ewige Finsternis überall, die ihn tiefer zog, er war allein in der Asche aus seinem Hass.

Und auf einmal wurde ihm klar: das musste die Hölle sein.
 

In heftigem Ruck schoss Leben zurück in seinen Körper, er bäumte sich auf wie ein Fisch auf dem Trockenen, riss die Augen auf und sah für einen Moment wieder klar-... aber die Wirklichkeit war noch schlimmer: Fremde, Gegner, sie taten irgendetwas mit ihm-... er wollte schreien, aber es ging nicht, da war etwas in seinem Mund- und als er den Kopf zur Seite wand um sich zu wehren, kam der Schmerz. Er schlug in ihn ein wie ein Axthieb, zuckte ins Rückgrat, bis in seinen tiefsten Kern und brachte ihn dazu, hilflos die Finger in etwas zu graben, irgendetwas, einen Untergrund der ihn hielt-...
 

„Er ist wach-... er ist wach, Achtung!“

„Verd-... gib ihm mehr Propofol!“
 

Jemand schloss die Arme um ihn, fing sein Gesicht ein, beugte sich schützend über ihn, küsste ihm die Stirn. „Sasuke“, wisperte er immer wieder, „Sasuke, Sasuke.“
 

Er schnaufte in würgenden, kurzen Stößen, immer dicht an der Panik, die drohte ihn zu überrollen, saugte vertrauten Geruch der ihn von allen Seiten umfing, Wärme, Nähe, Erinnerungen an goldene Haare und blaue Augen und wirre Sehnsucht aus der Ferne... Und dann verstand er auf einmal.
 

Er hätte sich früher entscheiden sollen.
 

Bevor er zurück in die Dunkelheit fiel, wo ihn nichts mehr erreichte, hatte er die vage Hoffnung- zum ersten Mal in einer traurigen Tradition falscher Entscheidungen- dass er eine davon nicht mehr lange bereuen musste...
 

~
 

Ein paar Mal kam er noch zu Bewusstsein. Es war ein unwirkliches, verschwommenes Driften aus einer satten Dosis von Schmerz- und Betäubungsmitteln in eine Wirklichkeit, in der er kaum seinen Körper spürte, geschweige denn wirklich verstand, was gerade mit ihm geschah.
 

Später würde er sich an mechanisches Piepsen erinnern und Wärme um seine Hand. Eine Frauenstimme sagte etwas, das er nicht verstand.
 

Die beruhigende Gegenwart bei ihm verließ ihn nicht. Sie war da, ein heller Schatten in seinen Träumen, ein sicherer Hafen in den hilflosen Phasen von Halbbewusstsein, in denen er weder sprechen, noch auch nur einen Finger bewegen konnte.
 

Das nächste Mal als er wacher wurde, war als jemand mit vertrauter Stimme leise auf ihn einsprach und seine Panik beruhigte, die hochzuschwappen drohte, als die Welt sich drehte und kippte, als brennender, unguter Schmerz in seinen innersten Kern hineinzuckte und für eine ganze Weile pochend dort blieb... als er kaum noch Luft bekam und sein Kopf sinnlos, wie der einer Marionette mit durchgeschnittenen Fäden nach vorn baumelte. Dann wurde es plötzlich kalt und dunkel und laut überall... aber er fiel zurück in watteweiche Gleichgültigkeit und verlor das Bewusstsein.
 

Das letzte Mal als er aufwachte, baumelte er kopfüber in einem endlosen Treppenhaus. Die ganze Welt war ein Treppenhaus, weiß und eckig, blank und vollkommen grauenhaft. Die Schmerzen waren wieder stärker und er hatte die bittere Gewissheit, dass er sterben würde. Er würde fallen und sich das Genick brechen- oder noch schlimmer, fallen und einfach immer weiter fallen. Bis in alle Ewigkeit. Für einen Moment hatte er das Gefühl, er sei wieder in einem von diesen grausamen, endlosen Fieberträumen, die ihn nach dem Chidori- Drama verfolgt hatten. Aber die beruhigende Gegenwart war noch da. Sie war unter ihm, um ihn, über ihm. Er schloss irgendwann einfach die Augen, hörte auf das atemlose Keuchen und das beruhigende Murmeln.
 

Seinen Namen hörte er ab und zu.

Sasuke... Sasuke...
 

Er konnte sich nur an Einen erinnern, der das so gesagt hatte.
 

~

Im Fuchsbau

~
 

Sasuke wachte langsam auf aus einem tiefen, traumlosen Schlaf.
 

Noch bevor er die Augen öffnete gab er ein kleines, entspanntes Ächzen von sich, weil er sich nach langer Zeit wieder einmal unglaublicherweise wirklich erholt fühlte. Um ihn herum war es angenehm warm und weich. Sein Kopf lag auf einem Kissen. Es roch nach sauberen Laken. Nur sein Rachen war trocken und es schmerzte ein bisschen im Hals, aber das war erträglich. Mmmh...
 

Schwerfällig rieb er seinen Kopf noch etwas an der weichen Unterlage, schob sich tiefer unter die Decke, genoss das angenehm schwere Gefühl in den Gliedmaßen. Er fühlte sich merkwürdig... sicher. Der Zustand, dass er noch länger die Augen nicht öffnen wollte, obwohl er wach war, einfach nur weil es bequemer war liegen zu bleiben, war so ungewöhnlich, dass er sich über sich selbst wunderte. Er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern.
 

Wahrscheinlich ging es zurück bis in die Zeit, als er noch ein Kind gewesen war. Ein kleiner Junge, der aus purer Verwöhntheit keine Lust hatte, aufzustehen und zur Schule zu gehen. Leise seufzend akzeptierte er die vertraute Welle von Traurigkeit, die jedes Mal kam, wenn er sich an etwas aus seiner Kindheit erinnerte-... aber selbst die war erträglich. Jetzt rümpfte er leicht die Nase, rieb sich die Augen und blinzelte verschlafen, während er seine langen Haarsträhnen aus dem Gesicht nach hinten wischte.
 

„Mmmh...“, grunzte er.
 

„Auch mal wach, Trottel?“, begrüßte ihn eine vertraute Stimme.

Sasuke stutzte. Er rappelte sich mühsam mit einem Ellenbogen aufwärts, spürte ein ungutes, lähmendes Stechen und Ziehen in der Seite, zuckte zusammen-... aber der Schmerz war nicht genug, um ihn von dem völlig surrealen Anblick abzulenken.
 

Was zur Hölle?
 

Er blinzelte ungläubig, machte vermutlich ein reichlich dummes Gesicht und blinzelte noch einmal langsam wie um zu überprüfen ob er vielleicht noch schlief und das hier nur eine Art von verrücktem Traum war.
 

„Was denn?“, maulte Naruto.
 

Er stand in Spitzenschürze, mit Pfanne und Pfannenwender in der Hand am Herd einer winzigen Einbauküche unter einem Dachfenster und... brutzelte irgendwas. Durch das offene Fenster schien die Sonne. Eine frische Brise von draußen her brachte die zarten Pflanzen, die in kleinen Töpfchen um den Herd herum standen und von der Decke hingen, zum leichten Flattern der filigranen Blätter-...
 

Es sah aus wie eine Dachwohnung. Eine stinknormale, reichlich enge aber irgendwie gemütlich eingerichtete Dachwohnung. Und er lag auf dem Sofa. Auf einem alten, braunen Polstersofa, bezogen mit weißen Laken und weißer, flauschiger Decke... mit spitzenbehäkelten Kissen, auf denen er offenbar die ganze Zeit friedlich geschlafen hatte!
 

Er war dermaßen fassungslos, dass er nichts anderes tun konnte, als mit dummem Gesicht und halboffenem Mund seinen Lieblingsfeind anzustarren.
 

„Guck nicht so!“, Naruto hob misstrauisch eine Augenbraue und hantierte weiter mit Küchengeräten, „Ich würd ja sagen, reg dich nicht auf, aber weil du ja immer gern das Gegenteil von dem machst was man von dir will-... bitte flipp jetzt so krass wie möglich aus und achte besonders darauf, dir den Schlauch aus der Seite herauszureißen, der deinen rechten Lungenflügel daran hindert, wieder wie ein kaputter Luftballon in sich zusammenzuschnurren...“
 

Sasuke zuckte etwas zusammen und wurde noch blasser als er ohnehin schon war, als er den Kopf drehte und tatsächlich eine Art Gummischlauch entdeckte, der unter der Decke hervorragte und in einem seltsamen Gerät mündete, das mit leisem Surren unappetitlich rötliche Flüssigkeit abzusaugen schien. Na wunderbar...
 

„Und bevor du wieder den wilden Mann spielst wie im Krankenhaus-... lass um Himmels willen den Zugang drin! In der Infusion sind Elektrolyte und Schmerzmittel. Du wirst sowas von viel mieser drauf sein, wenn du die nicht kriegst. Und mal ganz ehrlich, das will nicht mal ich mir hier freiwillig antun. ´kay?“
 

Sasuke warf einen angewiderten Blick auf seinen linken Handrücken, auf dem aus einem dicken Verband ebenfalls ein viel dünnerer Schlauch herausragte, der bis zu dem Infusionsständer neben dem Sofa führte, an dem mehrere Flaschen hingen und vor sich hintropften.
 

„Was... ist passiert?“, brachte er mühsam heraus.

Es klang reichlich krächzend und er räusperte sich, was seinen Rippen gar nicht zu gefallen schien. Unbegeistert verzog er das Gesicht und versuchte wieder ruhig weiter zu atmen.
 

„Du... warst ein Trottel wie immer, was soll schon passiert sein?“, schnaubte Naruto betont beiläufig, wich seinem Blickkontakt aus und schaufelte etwas aus der Pfanne auf einen Teller.
 

Sasuke schnaubte spöttisch.

„Wenn ich mich richtig erinnere warst -du- der Trottel. Welcher Depp außer dir kommt auf die Idee, einem bewaffneten Kerl an den Hals zu springen der ungefähr doppelt so groß ist, und ihn mit bloßen Händen niederzuringen?“

„Heh", Naruto rieb sich verlegen den Hinterkopf, "Zuerst hat es ja funktioniert!“
 

Es roch wundervoll... nach gebratenen Eiern, nach frischem Gemüse und... aufgebackenen Brötchen...
 

Sasukes Magen gab ein bedrohliches Grollen von sich und sein Besitzer schob mit peinlich berührtem Gesichtsausdruck eine Hand über den flachen Bauch.
 

„Willst du was essen?“, grinste der Blonde, „Cola steht neben dir auf dem Couchtisch. Ich dachte, wenn ich ein Wasserglas hinstelle wirst du wieder voll paranoid und du glaubst noch ich hätte dir irgendwas reingemischt ohne es dir zu sagen“
 

Sasuke warf einen Blick zum besagten Tisch. Ein sauberes Glas stand da, neben einer Dose Cola und einer Packung Schmerztabletten.
 

„Cola...“, er verzog das Gesicht.
 

„Sag bloß, du trinkst keine Cola.“
 

„... Pepsi ist mir lieber.“
 

Naruto rollte die Augen:

„Du spinnst doch total!“
 

Sasuke streckte die Hand aus, versuchte sich möglichst wenig zu bewegen, um das Stechen in seiner Seite nicht noch mehr zu provozieren. Die Coladose fühlte sich glatt und kühl an. Er hakte den Finger unter den Verschluss. Mit einem Zischen öffnete sie sich, lebhaftes Sprudeln darunter brachte die Oberfläche der Flüssigkeit zum Tanzen. Er goß sich etwas davon in das Glas, setzte es ab, wartete bis der Schaum wieder in sich zusammengefallen war und nippte dann daran. Es war so überwältigend süß, dass sein ganzer Mund sich zusammenzuziehen schien.

Irritiert rieb er sich seine Kehle.
 

„...irgendwie tut mir der Hals weh...“
 

„Kommt vielleicht daher, dass Shikamaru dir seinen harten, steifen, zwanzig Zentimeter-... Beatmungstubus da runtergeschoben hat“
 

Sasuke hustete geschockt, verschluckte sich beinah an Cola und wusste kaum, was er sich als erstes halten sollte- die Seite oder den Mund, um peinliche Sabberunfälle zu verhindern.
 

Narutos Grinsen war breit und schadenfroh.
 

„Tja, das ist immer erstaunlich... Hättest du nicht gedacht, so ein Kaliber da unterzubringen, was?... Hier!“, er warf ihm schwungvoll etwas vom Pfannenschaber auf einen Teller, steckte eine Gabel dazu und ein halbes Aufbackbrötchen, schob beides zu ihm auf den Couchtisch.
 

„Nicht zu schnell essen, sonst kotzt du. Und glaub mir, du kriegst einen Lappen und putzt selber, wenn das passiert!“
 

Mit unbegeistertem Grummeln nahm Sasuke die Drohung zur Kenntnis und drehte den Teller etwas, um den Inhalt misstrauisch zu beäugen. Köstlicher Duft drang ihm in die Nase. Er schluckte all das Wasser in seinem Mund, versuchte seinen Magen zu ignorieren, der schon wieder sehr lautstark nach Zuwendung forderte.
 

„Was ist das?“, fragte er, und piekte vorsichtig mit der Gabel darin herum.
 

„Omelette“
 

„Sowas wie Rührei?“
 

Naruto rollte die Augen.

„Nein, nicht sowas wie Rührei. Omelette!“
 

„Mh...“
 

Sehr vorsichtig nahm er ein winziges Stück davon auf die Gabel, schnupperte ausgiebig, streckte die Zunge etwas nach vorn um zu kosten, nahm es dann ganz in den Mund und kaute.
 

Ein warmer, goldener Schwall von Geschmack flutete seinen Mund. Er stöhnte leise. Oh Gott-... was war das? Fassungslos starrte er auf den Teller.
 

Rasch nahm er noch eine Gabel. Nicht zu viel... nur ein Stückchen-... wesentlich schneller verschwand es diesmal zwischen dünnen Lippen-... und tief durchatmend ließ er es über die Zunge rollen. Da war gebratenes Ei-... samtweich und golden, mit einer feinen Butternote... die würzig süße Ahnung von frischen Frühlingszwiebeln... und Tomaten... winzige Stückchen von getrockneten Tomaten-... er hatte es immer für dummes Geschwätz von Wichtigtuern gehalten, aber jetzt hatte er tatsächlich das Gefühl, die Sonne darin schmecken zu können-... einen friedlichen Kräutergarten, irgendwo weit entfernt von der Stadt und dem Wahnsinn, irgendwo, wo Leute nicht nur eine Wohnung hatten, sondern-... zuhause waren.
 

Er stöhnte ungläubig.
 

„Was ist das?“, wollte er noch einmal wissen.
 

„Omelette!“, wiederholte Naruto ein wenig ungeduldig, „Meine Güte, anscheinend hat es deinen Kopf noch schlimmer getroffen als die Lunge!“
 

„Warum bin ich hier?“, fiel Sasuke plötzlich ein. Nicht, dass er sich beschweren wollte. Ganz und gar nicht. Aber..

„Wo sind wir?“
 

„In Sicherheit“, seufzte Naruto, stützte sich rücklings auf der Theke ab und legte den Kopf etwas schief, „Das ist nicht meine Wohnung, falls du dich das fragst. Ganz doof bin ich ja auch nicht. Und hey... ich weiß zwar nicht, wer da jetzt alles inzwischen hinter deinem Hintern her ist und aus welchen Gründen, aber-... glaubst du, ich lass dich da hilflos im Krankenhaus, bis irgendeine gruselig pfeifende, falsche Krankenschwester mit Augenklappe und sexy Uniform dir Gift in die Venen spritzt?“
 

Sasuke musste widerwillig lächeln.

„So wie in Kill Bill?“
 

„Verdammt richtig!"

Naruto wischte sich mit dem Handballen eine zu lange Haarsträhne aus den Augen,

„Du hast ja auch so eine Aura wie in Kill Bill um dich rum-... ich wette du würdest selbst im Wachkoma noch Leuten die Zunge abbeißen die dich ungefragt knutschen, genau so wie Uma Thurman... mann, da kann ich echt froh sein, dass ich nie Bill war!“
 

„Kannst du echt", jetzt grinste Sasuke mit gemeinem Augenfunkeln,

„Der Name wär noch beschissener als Naruto"
 

„Danke, Arschloch!"
 

~

Was nötig ist (Kakashi, Shino)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

The Good, The Bad and The Doggy (Kiba- WG)

~
 

„Guuuuuten Morgen, ihr Freunde der Sonne!“, jauchzte Lee, der mit nichts als nur einem Duschhandtuch um die Hüften zum Frühstückstisch sprang wie ein junges Reh.
 

„Na, seid ihr heute auch so gut drauf? Ich hab bei meinem Morgen- Marathon einen neuen Rekord aufgestellt, die Kraft der Jugend war, wie man hört, stark in Padawan Neji- und! Es gibt wieder Erdbeerpudding! Darauf einen kräftigen Hüftstoß der Jugend, wooohoo!“
 

Kiba hatte die Zähne tief im Körnerbrötchen, was ihn vom Antworten abhielt, aber seine Augenbraue zuckte verdächtig. Er sah zerzaust aus, die braunen Haare standen in alle Richtungen ab, das verwaschene Shirt hatte er garantiert nach dem Aufstehen wahllos aus einem Wäschehaufen herausgezerrt... der Kaffee in dem Becher vor ihm war tiefdunkelschwarz und noch viel zu voll. Eigentlich, theoretisch hatte es einmal eine gewisse Zeit lang die Bemühung gegeben, es zur Hausregel zu erheben, dass man ihn weder ansprechen noch Krach machen sollte, bevor der erste Kaffee leer war. Leider biss man bei Lee mit solchen Ideen auf Granit.
 

Und mit Akamaru war es genau so schwierig. Der Vierbeiner war ein erklärter Fan von grundloser und spontaner Begeisterung. Er sah sich immer davon inspiriert, aufzuspringen und seine Zustimmung kund zu tun. Schnurstraks kam er deshalb unter dem Tisch vor geschossen, um bellend und mit rotierender Rute um Lee herum zu springen, was das Duschhandtuch gefährlich ins Rutschen und Kibas Augenbraue noch mehr zum Zucken brachte.
 

Hinata streichelte ihrem Freund den Oberarm. Sie war frisch geduscht, die noch feuchten Haare hatte sie in einen lockeren Knoten hochgesteckt, was den blassen Hals und das weiche, blaue Band darum mehr zum Vorschein brachte. Auch sie trug eins von Kibas Shirts, ein frisches allerdings, das ihr viel zu groß war, ihre enorme Oberweite auch nicht besonders kaschierte und über die eine Schulter nach unten rutschte. Außerdem strahlte sie wie ein Kernkraftwerk.

Ein zutiefst befriedigtes, weibliches Kernkraftwerk, was wenig Zweifel daran ließ, warum Kiba so übernächtigt wirkte und auf der Suche nach Trost und morgendlicher Ruhe die Nase in seiner Kaffeetasse versenkte.
 

Gaara ignorierte den ausgeflippten Topffrisurträger mit geübter Gelassenheit. Er saß auf der anderen Seite der Tischplatte, hatte auch kleine Augen und einen Kissenabdruck quer auf der Wange, wirkte aber durchaus guter Dinge. Die kurzen Haare konnte man kaum mehr zerzausen, sie waren nur sichtlich platt gelegen. Das schlabberige, dunkelgraue Red Hot Chili Peppers- T-Shirt das er trug, ein Relikt vom vorletzten Festival, war sicher nicht absichtlich zweideutig, Lees grüne OP- Hosen dazu gaben einen interessanten Kontrast. Er strich sich in tiefer Versunkenheit eine dicke Schicht Erdbeermarmelade auf ein halbes Milchbrötchen.
 

„Das ist die richtige Einstellung, Akamaru!“, lobte Lee den Hund, weil ihm sonst niemand zuhörte, „Jetzt nur noch einen großen Schluck Eiweiß- Shake und dann rocken wir diesen Tag mit meeeeehr Poweeeeeer, wohoooo!“
 

Kiba hob gepeinigt von der Lautstärke seinen Kopf, aber Lee hatte sich schon trällernd und hüpfenderweise vom Esstisch zur Küche hinüber begeben, wo er sein Handtuch noch einmal ordentlich justierte um es vom weiteren Abrutschen abzuhalten und den großen, amerikanischen Kühlschrank öffnete um daraus ein paar abenteuerliche Zutaten herauszupflücken und sie in den Standmixer auf der Theke zu werfen.
 

Im Essbereich es hell und warm.

Obwohl es zwei getrennte Appartements gab, hatte es sich eingebürgert zusammen zu essen wann immer es möglich war. Der Raum hier war lichtdurchflutet durch das große Ostfenster, die hellen Holzmöbel wirkten gemütlich und einladend.
 

Kibas Wohnung war kleiner, bei Gaara und Lee gab es die offene Küche und den großen Esstisch, also war es schnell Tradition geworden, sich hier zu treffen. Auf der Anrichte der Küchenzeile hielten sich ein paar Kräutertöpfchen mehr oder weniger tapfer, vom Thymian reckte sich ein letzter Zweig wie ein Mahnmal gen Decke und das Basilikum sah auch aus als hätte es seine besten Tage schon hinter sich. Zur Essensauswahl gab es reichlich: Auf der Platte des Esstischs türmten sich Päckchen von Wurst und Käse, Marmeladengläser, eine halb leere Packung Kellogs Frosties, Kaffee, Tee, Milch, Kakao, Orangensaft...
 

Während Kiba sich übermüdet am Bartschatten kratzte und abzuschätzen versuchte, ob er mit zwei Scheiben rohem Schinken für die untere Hälfte seines Vollkornbrötchens zufrieden war, hielt Hinata sich gesittet an Tee und Honigtoast.

„Gibst du mir mal die Butter?“, brummte ihr Freund. Sie reagierte sofort.
 

Akamaru hatte sich wieder halbwegs beruhigt, er tappte mit glücklichem Seufzen zu seiner Wasserschüssel, um schlabbernd einen halben Meter Fliesenboden mit Tropfen zu besprenkeln und danach die nasse Schnauze auf Gaaras Schoß zu schieben, der ihn selbstverständlich zu kraulen begann.
 

Obwohl Kiba einen schmaläugigen Blick zu den Beiden hinüber warf, tat der Vierbeiner so, als hätte er sein Herrchen noch gar nicht bemerkt. Ein schmachtender Augenaufschlag mit in den Nacken gelegtem Kopf hoch zu dem kleinen Rotschopf, dann ein genießerisches Schließen der Augen unter sanften, blassen Fingern. Glücklich seufzend leckte sich der Hund mit der Spitze der langen Zunge über seine weiße Schnauze.
 

Kibas Augen wurden noch schmaler. Aber bevor aufgeklärt werden konnte, was ihm an dieser Szene nicht passte, kamen Lee und sein Fitnessdrink in die Quere. Wahrscheinlich gab es keinen anderen Menschen, der so viel Lärm dabei machen konnte, nur ein Glas mit merkwürdig grünem Mixgetränk in den Rachen zu stürzen. Seine Schluckgeräusche durchdrangen die ganze Küche.
 

„Ahh!“, gab er lautstark und zufrieden von sich, „Wenn man sich erst mal an den Geschmack gewöhnt hat ist es gar nicht so übel!“
 

Kiba warf ihm über die Schulter hinweg einen Blick zu.

„Was um Himmels Willen ist denn da überhaupt drin?“, zweifelte er.
 

„Es-... es sieht so grün aus“, hauchte Hinata eingeschüchtert.
 

„Nur gute Sachen!“, Lee hob ein zweites, volles Glas mit stolzgeschwellter Brust und war im nächsten Augenblick zurück bei den Anderen, „Die wecken die Power der Jugend und laden dich nach besonderer Anstrengung blitzschnell wieder auf mit Saft und Kraft! Hier!“, und damit knallte er das Gebräu direkt vor Gaara.
 

Der Rotschopf warf einen skeptischen, langen Blick darauf- und dann einen zweifelnden aufwärts zu seinem Freund.
 

„Das ist gut für dich!“, beteuerte der, „Nach einem Originalrezept von Meister Gai!“
 

„Gib dem armen Mann eine Pause“, brummte Kiba, „Der hatte doch garantiert genug Eiweiß- Shake letzte Nacht“
 

„Was bist denn du überhaupt hier?“, Lee stützte tadenlnd eine Hand in die Hüfte, „Du hättest ausschlafen können! Ich war mir sicher, du würdest bis nach Mittag gut ausgeknockt sein! Als ich zum Laufen raus bin, warst du noch so süß weggetreten! Hat der böse Kiba dich aufgeweckt?“
 

Fürsorglich schlang er die Arme um den Hals seines kleinen Partners und rieb hingebungsvoll die Wange an roten Haarzotteln,
 

„Mohh, ich glaub sogar, deine Augenringe sind noch schwärzer als sonst... mein armes Erdbärchen! Lass dich knuddeln... Gute- Morgen- Kuss!“

Er drückte einen innigen Schmatzer auf Gaaras Haarschopf. Dann, als sei er auf den Geschmack gekommen, noch einen, noch einen und noch einen direkt daneben.
 

Gaara aß seelenruhig weiter ohne eine Miene zu verziehen, nur seine Schultern entspannten sich sichtbar.
 

„Der „böse Kiba“?“, Kiba hielt inne damit, sein halbes Brötchen zu bestreichen und hob das Buttermesser in Richtung Lee, „Vielleicht hat er einfach Lust gehabt, mal früh aufzustehen! Du hast ihn so durchgeschüttelt, dass seine innere Uhr voll im-... Eimer ist. Ich hätte fast das A-wort gesagt, aber in dem Arsch hat mit Sicherheit gestern nichts mehr Platz gehabt!“
 

Gaaras Lächeln um die Ränder des Marmeladenbrötchens wurde sichtbar und deutlich unanständig.
 

„Was gibt’s da so frech zu grinsen?“, Kibas Augen blitzten auf.
 

„Nichts“, Gaara hielt die Augen sofort wieder zum Teller gerichtet und zerrieb ein paar Krümel zwischen den Fingern:

„... ein Gentleman genießt und schweigt.“
 

„Tze... Weißt du, warum er wahrscheinlich in Wirklichkeit Augenringe hat, Lee? Weil kein Mensch mit dir in einem Bett schlafen kann!“
 

„Was?!“, Lee, um Gaara herumgewickelt wie eine Schlingpflanze, riss empört die Augen auf, „Ich bin ein absolut verträglicher Bettgenosse! Ich schnarche nur äußerst selten, und-...“
 

„Du bist Rock- Gaylord- Lee, der Homofürst! Sieh ihn dir an, Mensch! Vor lauter Schreck sind ihm die Augenbrauen abgefallen! Deine sind so dominant, dass sie alle Konkurrenz gnadenlos unterdrücken! Bestimmt liegt er Nachts immer auf der Hundedecke im Eck und weint sich in den Schlaf, der arme Mann!“
 

„Pah! Gar nicht!“, Lee schnaubte seinen Beschützerinstinkt über Gaaras Haarschopf hinweg, „Mein Schatz ist eine Ein- Mann- Kampfmaschine, so wie Chuck Norris! Der liegt nirgendwo in der Ecke!“
 

„Wie Chuck Norris?“, Kiba hob zweifelnd eine Augenbraue, „Eher wie Hannibal Lecter!“
 

„Wenn ihr schon über unsere Schlafzimmer- Situation nachdenkt, solltet ihr euch lieber um meinen zarten Körper Sorgen machen!“, brüstete sich der Mann mit der Topffrisur und machte damit freundlicherweise alle Anwesenden wieder neu darauf aufmerksam, dass er beinahe nackt war:
 

„Würdest du dich trauen, mit Gaara zusammen in einem Bett zu schlafen? Er ist eine menschliche Tentakelqualle!“

„Ich dachte er wäre ein Waschbär. Sieh dir die schwarzen Augen an!“

„Er ist-...“

Lee spähte zögernd zu seinem Freund hinunter,

„Ein... menschlicher, tentakeliger... Erd-... Wasch-... bär-... Oktopus...?“
 

Gaara blinzelte schräg aufwärts zu ihm.

„Du sagst die süßesten Sachen“, kommentierte er mit seiner emotionslosen Stimme.
 

„Ich hab dich so wahnsinnig lieb“, gurrte Lee, „Hab ich das heute schon mal gesagt?“ Er schmolz gegen ihn, drückte noch einen geräuschvollen, dicken Kuss auf den Zottelkopf, „Mmmmmh!“
 

Der kleine Rotschopf schluckte friedlich seine Tabletten, spülte sie mit Orangensaft abwärts und ließ sich die Haare durchwühlen.
 

„Jedenfalls“, seufzte Lee und erhob sich, „Grausam werden die Liebenden wieder vom Schicksal auseinandergerissen! Oh! Dieses Drama der Jugend! Der Abschiedsschmerz!“
 

„Regel mal runter, du gehst nur zur Arbeit!“, stöhnte Kiba, „Und zieh dir bloß noch was an, bevor du raus gehst...“
 

„Mein treuer Gefährte! Das werde ich tun!“, Lee strahlte mit Zahnpastalächeln und Daumen nach oben seine Zustimmung und wandte sich dann wieder wispernd seinem Partner zu.
 

„Küsschen?“
 

Gaara gab ihm brav seinen Kuss auf die Lippen.

„Mmh...“, Lee seufzte, „Noch ein Küsschen?“

Gaara öffnete willig den Mund, schloss die Augen und die übrigen Tischgenossen wandten sich leicht beschämt von dem Anblick so viel purer, ungezügelter Leidenschaft früh am Morgen still ihrem Frühstück zu.

Als Lee sich wieder löste, leckte Gaara die Lippen, seine Augen weiter und deutlich wacher als vorher.
 

„Ahh! Das hat gut getan!“, befriedigt streckte sein Partner den Rücken und hob eine Hand hoch zum Abschied, „Auf bald! Mögen unsere Wege sich heute abend um achtzehn Uhr wieder kreuzen! Und, Gaara! Das Masturbier- Verbot gilt bis Samstag, nicht vergessen, auch wenn´s schwer fällt!“
 

„Mh“, der Rotschopf widmete sich mit selbstverständlichem Nicken und tiefer Versunkenheit wieder dem Erdbeerbrötchen.
 

Kibas Blick blieb an ihm hängen.

Der ruppige Hundeführer sah seinen Mitbewohner lange und unzufrieden an. Selbst als Lee schon längst mit ein paar weiten Sätzen im Schlafzimmer verschwunden- und kurz darauf vollständig bekleidet aus der Tür hinaus geflitzt war.

Endlich rückte er mit der Sprache heraus.
 

„Ich schließe daraus, dass ihr gestern Nacht wirklich Spaß hattet...?“
 

„Mmmh.“

Gaara nickte nachdrücklich mit vollem Mund.
 

„So viel Spaß, dass jemand irgendwann in den frühen Morgenstunden die Idee hatte, sich zur kleinen Stärkung zwischendurch ein paar Erdnussbutter- Johanisbeergelee- Toasts in die Figur zu schieben...?“
 

Gaara stockte und kaute etwas zögernder. Sein Blick blieb sorgfältig auf dem Teller, der Kopf leicht gesenkt. Die Farbe seiner Haare kroch auf die Ohrspitzen über.
 

„Was ja auch gar kein Problem wäre... wenn er das Zeug nicht jedes... verdammte... Mal... brüderlich mit Akamaru teilen würde!“
 

Gaara zog den Kopf ein. Der Hund verschwand bei dem Ton seines Herrchens lieber unauffällig unterm Tisch.
 

„Weißt du was?“, der Inuzuka hob einen drohenden Zeigefinger, „Ich bin heute Morgen auf dem Weg ins Bad fast in Hundekotze ausgerutscht. Was mich vom Duschen mit meiner Freundin abgehalten und eindeutig meine sonnige Laune vermiest hat. Weil ich dann in Boxershorts erst mal Kotze vom Boden schrubben durfte und dabei bemerken musste, dass es verdächtig nach den Überresten von Erdnussbutter- Johanisbeergelee- Toast aussah, was- wie jeder der Anwesenden hier weiß- total verboten ist für den Hund! Also! Wer hat das zu verantworten?!“
 

Gaaras Hand hob sich zögernd zur Decke.
 

„Jah“, gab er zu, „Ich hatte Hunger und dann stand er auf einmal da, und-... Ich hatte auch wirklich, wirklich ein schlechtes Gewissen dabei, aber-... Fakt ist, wenn er mich mit seinen großen, feuchten Augen so ansieht, dann... kann ich einfach nicht nein sagen-...“

Akamaru leckte heimlich von unterm Tisch hervor in besitzergreifender Zufriedenheit Gaaras Arm.
 

Kiba war nicht nicht amüsiert. Unter seinem Blick schrumpfte der Rotschopf noch ein paar Zentimeter.
 

„Du bist sauer-...", gab er beschwichtigend von sich, "Das kann ich nachvollziehen. Dabei hab ich versucht, ihm noch klarzumachen, dass es ihm nicht guttun wird-... er wollte es trotzdem... und ich dachte naja, nur ein Bisschen ist vielleicht nicht schlimm... aber dann wollte er immer mehr... und-...“
 

Gaara verstummte, als er in Kibas Blick sah.
 

„... sorry?", versuchte er die Flucht nach vorne, "Kiba, es war doch nur Toast...“
 

Der Inuzuka legte das Buttermesser ab, das er noch in der Hand hatte.

„Du hast meinen Hund mit Erdnussbutter angefixt", bemerkte er eisig und lauernd, „Schon wieder."
 

„Jaa... Ich weiß... scheiße, Kiba. Das war keine böse Absicht-... hör zu, ich verstehe, dass du sauer bist.", Gaara seufzte. Er schob seinen Teller von sich, peinlichst darauf bedacht nicht den Kopf zu heben oder aufzusehen, wich er mit dem Stuhl zurück.
 

„Schätze, ich bin in Schwierigkeiten?"
 

„Darauf kannst du wetten. Wenn es um Akamaru geht, hört der Spaß bei mir auf. Und das weißt du."
 

"Verstanden. Wieviel?"

Der Rotschopf erhob sich, stützte beide Hände parallel auf die Tischplatte und senkte den Kopf etwas weiter.
 

"Mach einen Vorschlag", Kiba lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
 

Gaara leckte die Lippen.

Einmal noch atmete er tief durch, um den Inuzuka dann mit lauerndem, verstolen hungrigem Blick von schräg unten her anzublinzeln:
 

"Fünfzig? Keine Ahnung...", meinte er mit gepresster Stimme, "Ich bin nicht gut mit sowas. Aber du solltest wissen... dass ich vollkommen akzeptiere, wofür auch immer du dich entscheidest. Es ist okay. Und vernünftig. Du solltest dir nur was ausdenken, das mich auch wirklich", Gaaras Stimme wurde rau und dunkel:

"... abschreckt..."
 

Sehr langsam glitt sein Blick nach unten, er senkte demonstrativ bereitwillig seinen Kopf wieder.
 

"Nimmst du den Gürtel? Das wäre gut... dein Gürtel tut echt verflucht weh..."

War da Vorfreude in der leichten Atemlosigkeit seiner Stimme zu hören?
 

Kiba beobachtete das kleine Schauspiel abwartend.
 

"Nein...?", Gaaras Mundwinkel zuckten, er leckte sich wieder die Unterlippe, sein Kopf sank noch ein wenig tiefer:

"Okay... kein Problem. Ich hol dir was anderes... uhm... den Rohrstock?"
 

Kiba hob eine Augenbraue.

Er rührte sich nicht, ließ seine Finger nur nachdenklich am Griff seines Kaffeebechers entlang gleiten.
 

"Auch nicht?...", Gaara runzelte irritiert die Stirn, hob den Kopf und wagte es, einen Blick zu Hinata hinüber zu werfen:
 

"Haben wir noch was Härteres da als den Rohrstock?"
 

Hinata wurde glühend rot, wie auf Knopfdruck.
 

„Ich habe eine bessere Idee“, unterbrach ihn Kiba kühl,
 

„Scheint, als wärst du ein Bisschen verwöhnt von den Umständen hier. Ich bin für Abwechslung... das wird dir gut tun. Wenn du ein so dringendes Bedürfnis danach hast, bestraft zu werden, weißt du... Mistress Hinata wird heute den ganzen Tag da sein. Ich erlaube dir hiermit, dich in sämtlichen Anliegen an sie zu wenden.“
 

Gaaras Mundwinkel sanken Richtung Erdanziehungskraft. Er hob den Kopf und sah Kiba fassungslos in die Augen. Hinata- gerade wieder einigermaßen beruhigt- verschluckte sich an dem Stück Toast, dass sie soeben zu essen versucht hatte und begann erbärmlich zu husten.
 

„Das-... kann nicht dein Ernst sein.", stieß der Rotschopf entgeistert hervor.
 

„Oh, das ist mein voller Ernst“, Kiba belegte ungerührt sein halbes Brötchen mit den letzten Scheiben rohem Schinken, „Du pisst mich an, also hast du heute nichts mehr von mir zu wollen. So einfach ist das. Mistress Hinata hier wird sich in Master Lees Abwesenheit um dich kümmern- und du, mein Lieber, bist besser brav zu ihr. Ich bin sicher, dass sie dich auch übers Knie legen wird, wenn es nötig ist.“
 

Die junge Hyuga rang überfordert nach Luft, ihr Mund klappte auf und zu, aber es kam kein Laut heraus. Ihr gehetzter Blick kreuzte den Gaaras über dem Tisch, flog zurück zu ihrem Freund und sie fiel fast in Ohnmacht.
 

„Komm schon“, flehte der Rotschopf in völlig neuem Ernst, „Das kannst du nicht machen! Bitte nicht sowas-...!“
 

"Betteln zieht bei mir nicht, das solltest du inzwischen wissen.", der Inuzuka zuckte die Schulter, "Sag: Danke, Sir."
 

"Nein! Kiba! Das ist echt eine scheiß Idee!"
 

"Freut mich, dass sie dir nicht gefällt! Deshalb ist es ja auch eine verdammte Bestrafung!", Kibas Augen glommen warnend auf.
 

"Aber-... das geht doch nicht-... das ist-..."
 

„Es reicht! Jetzt ist Ruhe im Puff!“, Kibas flache Hand kollidierte scharf mit der Tischplatte, „Sind wir hier im Debattierclub? Ich will nichts mehr hören, bevor ich meinen Kaffee getrunken habe! Dann geh ich mit Akamaru raus-... und ihr zwei Hübschen rauft euch besser zusammen, denn ich will Ruhe und Frieden hier wenn ich zurück bin! Keinen kotzenden Hund, keinen Wunschzettelsub und in erster Linie kein Geheule mehr, ist das verstanden?! Wenn ich von dir, Gaara, heute noch einmal angemault werde, such ich mir einen anderen Single- Tail- Übungspartner! Und du kannst Playpiercings für die nächsten drei Monate komplett vergessen! Ist das jetzt angekommen? War das deutlich genug für deinen dicken Schädel? Krieg ich ein "Sir, ja, Sir?"“
 

"Jawohl, Sir", knirschte Gaara, den Kopf tief gebeugt, "Ist ja schon gut... ugh, verdammt."

Er fiel zurück auf seinen Platz und schickte bitter beleidigte Blicke über die Tischplatte, zu der jungen Hyuga, die mit hochrotem Kopf auf der anderen Seite saß.
 

„L-... lass uns beide unser Bestes geben, Gaara-kun?“, piepste sie zaghaft.
 

Der Rotschopf grub stöhnend den Kopf in die Hände:

„Ich glaube, ich geh nochmal zurück ins Bett...“
 

~
 

Rock Lee hatte sich inzwischen angezogen und mitsamt Umhängetasche auf sein überaus praktisches und aerodymanisches Fahrrad geschwungen, mit dem er in annähernder Lichtschwindigkeit Richtung städtisches Krankenhaus unterwegs war. Er trainierte ganz nebenbei für den nächsten Triathlon, als ob er noch nicht schon genug zu tun hatte. Kiba verglich ihn manchmal mit der berühmten Duracell- Batterie.
 

Auf den langen Geraden kräftig in die Pedale tretend, an Fußgängerüberwegen alte Mütterchen vorbeilassend, an roten Ampeln den Blick schweifen lassend, einen Fuß am Boden, die Finger auf die Bremsen und Gangschaltungen trommelnd, genoss er die frische Luft.

Sein Weg führte eine ganze Weile lang durch die Stadt, dann den ganzen, langen Stadtpark hindurch wo man ordentlich Gas geben konnte und schließlich wieder ein Stück durch urbanes Gelände, bis er vor einem großen, kubistischen Gebäudekomplex ankam. Summend sprang er ab, schnallte sein Fahrrad in die Radhalterung, schulterte seine Tasche und schlenderte pfeifend von der Seite her über helle Arkaden, wo Menschen in Bademänteln im Rollstuhl oder einen Rollator vor sich herschiebend unterwegs waren und ihn skeptisch anblinzelten.
 

Vor dem Personaleingang und dem Aufzug war das Chip- Lesegrät. Er zog den Schlüsselbund aus der Tasche-... ein gewaltiges Ding mit einer Vielzahl an Schlüsseln für alle Gelegenheiten- nahm seinen Zeiterfassungschip aus dem Chaos und schwenkte ihn daran vorbei. Es piepte einmal.
 

Natürlich ignorierte er den Aufzug und nahm stattdessen die Treppe. In halsbrecherischem Tempo trappelte er die Treppen hinunter, schlenderte unten angekommen beschwingten Schritts weiter, grüßte eine der Putzfrauen („Wunderschönen guten Morgen, Madame“) und tauchte ein in eine Welt aus Neonlicht und kühlen Grüntönen...
 

Vergnügt pfeifend schwenkte er hinter den Umkleidenvorhang und begann sich auf seine Arbeit vorzubereiten.

Gerade war er mit einem Bein auf dem Weg in die neue Hose, als sein Handy schepperte. Und ja, er hatte ein Smartphone, das neuste Modell und er seufzte etwas, als er den Namen auf dem Display sah.
 

„Neji“
 

„Oh mein Gott“, schluchzte es förmlich aus dem Hörer, „Lee, was hab ich getan?!“
 

„Hey! Was ist denn jetzt wieder los? Bist du schon im Flieger?“
 

„Nein, das verzögert sich alles, irgendwelche Fluglotsenstreiks oder so... mal ehrlich, diese Leute sollten sich weniger beschweren und einfach mehr arbeiten, ich meine, stell dir mal vor, wir würden streiken, unglaublich!“
 

„Ehrlich gesagt hab ich vor einem Monat-...“
 

„Ah, jedenfalls, worum es ging-... wieso hast du mich nicht aufgehalten?! Das war ja so eine bescheuerte Idee!“
 

„Wovon redest du?“, zum Glück war Lee sehr geübt darin, sich unter erschwerten Bedingungen und mit nur einer Hand an- und auszuziehen, was er direkt wieder unter Beweis stellen konnte.
 

„Du kannst Kiba ausrichten, es ist seine Schuld wenn ich entscheide weg zu bleiben, meinen Namen zu ändern und nie wieder zurück zu kommen! Wieso musste er mich zu so einem Mist überreden? Oh mein Gott! Ich-... ich konnte nicht mehr klar denken, Lee! Das war quasi temporäre Unberechenbarkeit! Er ist kein Master, wir hätten ihn behutsam an das Thema heranführen müssen, behutsam verstehst du? Stattdessen-... oh mein Gott! Lee, wie kann man nur so blöd sein? Wie kann man einfach vor ihm-... oh mein Gott! Ich hab mich bis auf die Knochen blamiert, ich werde ihm nie wieder ins Gesicht sehen können! Ich war total hochgepusht mit Hormonen und Koffeein, ich-... ich wusste nicht was ich tue! Was soll ich jetzt machen?!“
 

„Neji-...Deine Nerven waren in letzter Zeit echt schon am Limit, es musste was passieren, sonst wär´ dir bestimmt was geplatzt, also... Vielleicht wird er ein Bisschen irritiert sein, wenn er wieder aufwacht- aber damit werden wir alle leben müssen! Und jetzt atmest du in eine Tüte, oder was auch immer du machst wenn du durchdrehst und kommst wieder runter! Ich muss auch mal arbeiten, weißt du?“
 

„Aber-...“
 

„Vor zwanzig Minuten warst du noch voll des Glücks! Wenn du so weiter machst mit den Stimmungsschwankungen, setzt dein Psychiater dich noch auf Litium wie diese Tante von dir! Du setzt dich jetzt hin, isst ein Snickers, atmest tief durch und zählst langsam bis zehn oder so was! Ist dein Therapeut etwa immer noch im Urlaub?“
 

„Der Kerl hat die Chance wahrscheinlich genutzt und ist nach Timbuktu abgehauen“, knurrte der Hyuga, „Ich kann doch jetzt kein Snickers mehr essen Lee, ich bin auf dem Weg zu einem verdammten Fotoshooting!“
 

„Dann schieb es dir in den-..!“, Lee stockte, als ein Kollege durch den Eingang zu ihm ins Umkleidezimmer kam und räusperte sich.
 

"Äh-... Hör mir zu", sagte er, "Du bist wundervoll und liebenswert und du gehst jetzt da raus und machst einen tollen Job! Erzähl heute abend, wie es gelaufen ist, ja?"
 

Damit legte er auf und lächelte seinen Kollegen an.

"Deine Freundin?", bekam er mitleidig entgegen geseufzt.

"So was ähnliches..."
 

Die Intensivstation lag in gedämpftem Licht. Apparate surrten, ab und zu machte das sanfte Klingen eines Alarms auf sich aufmerksam. Computerbildschirme flirrten, die Kaffeemaschine im Pausenraum stotterte und sprotzte gemütlich vor sich hin. Lee kam aus der frischen, kühlen Atmosphäre des Morgens draußen in warme, abgestandene Luft und Dunkelheit und es fühlte sich merkwürdigerweise an, wie zurück in ein Schlafzimmer zu kommen.
 

Man hätte meinen können, dass der Arbeitsplatz Stress, Angst und Trauer auf kleinen Raum komprimierte, aber für Lee war es mehr wie eine Art Zwischenwelt. Es herrschte eine eigentümliche Ruhe. Der Tod war mehr ein stiller Besucher als ein böser Feind und so normal, so wenig bedrohlich, dass alles angenehm friedlich war.

So friedlich, dass die Augenlider schwer wurden und die Informationen der Übergabe in einen weichen Wortbrei ineinanderstrudelten. Lee nippte an seinem Kaffee, schloss die Augen und dachte an den Geschmack von Gaaras Haut auf seinen Lippen. An seinen Gesichtsausdruck, rotes Haar und kleine Laute. An die Art, wie seine Muskeln ganz weich wurden und er zu ihm aufwärts blinzelte.
 

Mh...
 

Er konnte und würde alle wichtigen Informationen später am Computer checken. Und er war froh, als er endlich aufstehen und etwas tun konnte. Tief durchatmend nahm er sich eine Waschschüssel, ließ routiniert warmes Wasser einlaufen, mischte Kondensmilch mit ätherischem Zitronenöl, schnupperte den angenehm frischen Duft, nahm sich Waschlappen und weiche Handtücher und marschierte in sein erstes Zimmer.
 

"Guten Morgen", trällerte er fröhlich, "Ich helfe ihnen heute beim Waschen, Miss-..."- er riss die Augen auf, seine Knie wurden weich, die Waschschüssel rutschte aus seinen Armen. Klirrend fiel sie zu Boden, verbreitete Zitronenduft im ganzen Raum. Fassungslos starrte Lee auf den blutverkrusteten Körper im Bett.
 

"S-... Sakura!", keuchte er.
 

~

Papa Bär (Asuma, Kakashi)

~
 

Das satte, klatschende Auftreffen von einem mit voller Wucht ausgeführten Schlag auf nackte Haut war so ein zutiefst befriedigendes Geräusch, so ein zutiefst befriedigendes Gefühl, dass es schier unmöglich war, es bei Einem zu belassen. Wenn man einmal damit angefangen hatte, wollte man es immer wieder tun.
 

Kakashi schickte den nächsten Drehkick mit noch mehr Biss gegen Asumas Kopfgegend, Tritt, Tritt, Schlag, noch ein Drehkick und es klatschte jedes Mal noch lauter-... sein Trainingspartner konnte nur Blocken, was ihn nicht von dem glucksenden, mühsam unterdrückten Lachen abhielt, das durch all die Anstrengung gepresst klang und Kakashi noch mehr aufstachelte.
 

Sie wichen auseinander, keuchendes, konzentriertes Atmen, umkreisten sich in kurzer Distanz, die bloßen Füße streiften mit dumpfem, flüchtigem Geräusch über Bodenmatten. Kaum zu sehen, wenn man seine Bewegungen nicht gut kannte, war das leichte Zucken in Kakashis Hüfte, eine seltsame, nur Sekunden andauernde Steifheit im unteren Rücken und die unnötige Aggression, mit der er angriff- genau das war es, was Asuma aus dem Takt brachte und es ihm unmöglich machte, die Sache ernst genug zu nehmen.
 

Er wischte sich blinzelnd mit dem Unterarm Schweiß von der braungebrannten Stirn, sein fester Bauch zuckte vor Belustigung unter dem Shirt. Kakashi stieß sich nach vorn wie ein Blitz, warf ihn aus dem Gleichgewicht, fegte sein Standbein weg- nur die guten Reflexe retteten den Dunkelhaarigen, indem er seinen Arm über Kakashis Rücken warf, den Sturz stoppte und sofort zurück auf die Fußballen kam- die nächsten Sekunden gab es eine verbissene Rangelei darum, wer den besten Griff ansetzen konnte und als erstes sein Gleichgewicht wiederfand.

Kakashi kämpfte Asuma in einen Schwitzkasten, beide Männer taumelten zur Wand des Dojos.
 

Asuma hatte den Oberkörper des Anderen in einem Griff der Knochen knacken konnte, Kakashi versuchte ihm seitlich die Luftröhre zu zerquetschen- natürlich nicht wirklich ernsthaft. Ein paar wütende Versuche in die ein oder andere Richtung zu rucken oder zu zerren endeten damit, dass der jeweils Andere mit äußerster Kraft dagegen hielt und niemand wirklich weiterkam. Beide keuchten, keiner war bereit dem Gegner auch nur einen Zentimeter nachzugeben. Schließlich war das Ende der Sprachlosigkeit erreicht.
 

„Gibst du auf?“, kam es erstickt von Asuma, dessen hochgerutschtes Shirt leider die Hälfte seines Gesichts verdeckte.

„Träum weiter“, Kakashi hatte die Oberhand und hörbar mehr Sauerstoff, was seiner Stimme mehr Nachdruck gab und einen grollenden Unterton, der nur davon getrübt wurde, dass sein Becken wieder eindeutig und sehr unpassend zuckte, was Asuma zum Auflachen und den Silberhaarigen zum verbissenen Angriff brachte: Nur ein paar Momente später knallte es, Asuma lag auf dem Rücken, sein zerzauster Kopf knallrot vor Atemnot und Belustigung, zwei Reihen weißer Zähne im offenen Grinsen, ein muskulöser Arm seltsam abgewinkelt, der massige, breite Oberkörper eingequetscht zwischen der holzgetäfelten Wand und einem vollkommen unentspannten, zähnefletschenden Kakashi:

„Sag, dass du aufgibst!“

"Nein!"
 

Asuma kicherte unterdrückt, ein winziges, helles Geräusch aus dem Schnaufen des Kampfgetümmels und der Masse seines Körpers, das Kakashis Angriffslust etwas dämpfte, jetzt wo er keine Bedrohung mehr darstellte. Der Dunkelhaarige versuchte die Beine zu heben um eine Art Hebelgriff anzusetzen, aber es wirkte eher halbherzig.

Kakashi verstärkte seinen Druck und die Lautstärke: „Sag, dass du aufgibst!“, forderte er.

„Nein!“, hielt Asuma dagegen. Ihre Blicke trafen sich.
 

Schnaufend warf sich Kakashi schwere, verschwitzte Haarsträhnen aus der Stirn.

„Sag es...!“, drohte er kehlig, „Sonst...!“, er kämpfte eine Hand frei und wackelte vielsagend mit den Fingern.

Der Dunkelhaarige biss sofort die Zähne zusammen, versuchte sich durch heftiges Winden aus seiner Lage zu befreien.

"Neinneinnein-...!"
 

„Ich hab dich gewarnt!“
 

Kakashis langen Finger griffen in die unteren Rippen, krümmten sich in rascher Folge in viel zu empfindliche Stellen. Asumas ganzer Körper zuckte, er brüllte auf, seine Beine stießen unkontrolliert ins Leere und er gab Geräusche von sich, die in kurzer Zeit mehr an ein überdimensioniertes Meerschweinchen erinnerten, als an einen gefährlichen Kämpfer.
 

„Hör auf!“, heulte er, „Ahh! Gnade! Gnade!“
 

„Sag, dass du aufgibst!“, bellte Kakashi stur.

Asuma biss die Zähne zusammen, keuchte heftig, ließ den Kopf zurück fallen. Dunkle, warme Augen funkelten aufwärts.

„... niemals!“, zischte er, holte Luft-...
 

Und Kakashi griff zu, mit dem Erfolg, dass sein Opfer mit sämtlichen Gliedmaßen zuckend um sich schlug, als voller Brust schrie, vor Lachen kaum noch zum Luftholen kam:

„Ahh! Okay! Okay, ich gebe auf... ich gebe auf..!“

Kakashi sah ihm prüfend ins Gesicht, hob eine Augenbraue, stoppte-...

„-... Nicht“, presste Asuma hervor und sein volles, dröhnendes Lachen, als Kakashi ihn erneut attackierte, schallte durchs ganze Dojo.
 

„Was macht ihr denn hier?“, von all dem Lärm angelockt stand Kurenai plötzlich in der Tür. Sie trug ein rotes Sommerkleid, ihre unregelmäßigen schwarzen Locken fielen weich um die Schultern, die dunklen, rötlichbraunen Augen wirkten besonnen und ernsthaft. Wie immer trug sie nur diesen Hauch Makeup: etwas Wimperntusche und Lippenstift in perfektem, dunklem Rot. Sie schaffte es, den absolut grellsten Rotton zu tragen, der noch eindeutig ladylike war und nicht ins niveaulose abglitt. Kakashi konnte sie dafür nur bewundern. Für eine Frau sah sie wirklich gut aus... sogar der Babybauch passte irgendwie zu ihr. Asuma wischte sich Lachtränen aus den Augen und rieb seine große Hand über den kurzgeschnittenen Bart.

„Hallo, Schatz“, gab er völlig erledigt von sich, „Was macht... äh, das Essen?“
 

„Ich wollte gerade den Tisch decken.", bemerkte sie, "Und ich hoffe, dass ihr euch derweil nicht gegenseitig umbringt, sonst könnte ich mir die Zeit sparen... soll das nicht Training sein? Wie alt seid ihr, vierzehn?“
 

Asuma gluckste, kam auf wackelige Beine und grinste von einem Ohr zum Anderen. „Ah, das ist Training, weißt du-... geheime, vergessene Kampftechniken von den Urvölkern der Fidji- Inseln...“
 

Sie rollte schmunzelnd die Augen: „Ihr Männer bleibt Kinder, egal wie alt ihr seid... kannst du den Grill dann anwerfen, Asuma?“

„Ah, ja, Schatz“

„Bleibt Kakashi zum Essen?“
 

Die beiden Männer wechselten einen Blick, Kakashi erhob sich ebenfalls.

„Ja, bleib doch ein Bisschen“, Asuma gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, „Ist schon lange her... du wirst mich das ganze Bier doch nicht allein trinken lassen?“
 

„Na gut... ich-... kann ich aber vorher nochmal euer Bad benutzen?“
 

Asuma lachte wieder, „Na klar, den Hausflur runter, die letzte Tür links“

„Danke“

„Hast du Sackratten oder so?“

„Du willst es nicht wissen!“
 

Mit der Hand durch sein dunkles, verschwitztes Haar fahrend grinste Asuma, als er ihm nachsah und dabei zu Kurenai hinüber ging. Er fasste seine Freundin sanft um die Hüfte und drückte ihr einen weichen Kuss auf die Lippen.
 

„Ich hab Tzaziki gemacht“, informierte sie.

„Mmmmh“, seufzte er glücklich.

„Nicht mehr mit zwölf Knoblauchzehen wie letztes Mal. Du wirst sehen, das Rezept funktioniert auch ohne dass man seine Verdauungsorgane wegätzt.“

„Mmmmh, man kann nie genug Knoblauch haben...“

Sie streichelte ihm die bärtige Wange, „Oh doch, wenn man zwei Wochen später noch die Fenster vom Schlafzimmer offen lassen muss, weil man es sonst zur giftgasverseuchten Zone erklären müsste...“

„Das hält Einbrecher und böse Menschen fern“, er schlang die Arme um sie und drückte ihr weiche Lippen auf ihre Schläfe, „Und Vampire“

Sie lachte leise und schob ihn von sich, „Ich dachte, das ist dein Job? Los jetzt, wir wollen was essen!“

„Mmmh!“
 

~
 

Asuma hantierte frischgeduscht, in kurzen Hosen, Schürze und mit einer fabrikneuen Zange an dem kleinen Kugelgrill, als Kakashi wieder auftauchte. So recht schien es nicht zu funktionieren mit dem Feuer, aber der braungebrannte Mann mit den kräftigen Oberarmen war weit davon entfernt, sich davon irritieren zu lassen. Kurzerhand spritzte er eine satte Dosis Flüssiganzünder über den Haufen Holzkohle, was die Stichflamme geschätzte zwei Meter hoch lodern ließ. Als er Kakashi sah, ging ein Strahlen über sein Gesicht, er hob gut gelaunt die Zange zum Gruß und stützte stolz eine Hand in die Hüfte, um den Blick über seinen Autoritätsbereich schweifen zu lassen. Ein paar saftige Steaks und Spieße auf der einen- Maiskolben und Grillkäse auf der anderen Seite, letzteres natürlich von Kurenai. Bekanntermaßen duldete kein echter Mann Gemüse auf seinem Grill... außer, er hatte eine Freundin.
 

„Na, alles wieder fit im Schritt?“, begrüßte er seinen Freund mit etwas zu breitem Grinsen.

„Erinner mich nicht daran“, murrte Kakashi kopfschüttelnd, „Ich hoffe ich hab jetzt für zwanzig Minuten wenigstens Ruhe...“

„Hast du dir was eingefangen?“

„Ah... nein. Ist nicht ansteckend. Hoffe ich zumindest.“
 

„Da bin ich beruhigt! Hey... das hier muss noch ne Weile brennen bevor wir schöne Glut haben. Gehen wir mit dem Bier hinters Haus?“

„Klar“
 

Asuma hatte es eilig, die Grillzange loszuwerden, zwei Bier aus dem Kasten zu klauben und an Kurenai vorbei zu schleichen, die immer noch Schüsseln mit Brot und Salaten von der Küche auf die Veranda trug.

„Hinterm Haus“ war eigentlich neben dem Haus. Das Liebesnest von Kurenai und ihrem Partner lag zusammen mit dem Dojo in der Neubausiedlung am Hang, die Veranda war seitlich eine Art Balkon von der aus man einen hübschen Blick über weite Teile der Stadt und das Gelände der unteren Nachbarn hatte. Es war außerdem überwuchert mit ganzen Vorhängen von Prachtwicken und anderen Pflanzen, was es wirklich zu einem hübschen, etwas verborgenen Fleckchen machte. Abends konnte man von hier aus mit Sicherheit schön die Sterne beobachten.
 

Asuma öffnete beide Flaschen routiniert und zu leichtem Ploppen mit dem Öffner an seinem Schlüsselbund, reichte seinem Gast eine davon und stieß mit ihm an, bevor er sie an den Mund setzte. Beide Männer tranken schweigend, Asuma setzte das Bier auf dem Rand der Betonumgrenzung ab, bevor er eine verdächtige Packung aus seiner Hosentasche fingerte, flugs eine dicke West zwischen die Lippen schob, sie mit seinem Feuerzeug ansteckte, mit geschlossenen Augen einen tiefen, erleichterten Zug nahm und den Rauch genüsslich durch die Nase wieder ausströmen ließ.
 

„Oh Mann... das hab ich gebraucht“, seufzte er.

Kakashi beäugte ihn von der Seite her, stützte einen Arm auf dem Rand der Umgrenzung, vor den Hängekästen mit blutrotem Klatschmohn.
 

„Sie denkt, ich hab aufgehört... und das werd ich auch fast müssen, ich meine, wenn der kleine Zwerg erstmal da ist...“, Asuma lächelte wehmütig, „aber weißt ja, die Sucht...“

Er sog so heftig an seinem Glimmstängel, dass seine Wangen sich einhöhlten, ließ den Tabak ein, zwei Sekunden lang seine Wirkung tun und atmete spürbar entspannter aus.
 

„Ich sag´s dir“, bemerkte er gut gelaunt, „Das hier, das ist einfach das Beste was dir passieren kann“, er schüttelte leicht den Kopf, während er den Blick in tiefer Zufriedenheit über die Stadt schweifen ließ, „Tut mir leid, für die lange Sendepause, aber... wir waren ziemlich beschäftigt. Kinderzimmer streichen... Schwangerschaftsgymnastik, der ganze Kram... Außerdem, phew... seit sie schwanger ist? Alle erzählen immer, dass die Frauen launisch werden, aber das ist halb so schlimm. Hey, ich weiß, dass ich mieser drauf wäre, mit so einem kleinen Zwerg in mir drin. Aber der absolute Hammer ist, wie die Hormone auf einmal brodeln... Mann! Ich meine, sie war vorher schon sexy, aber in letzter Zeit..? Ohh, Mama! Ich sag dir was, wenn´s nach mir geht will ich noch mehr Kinder“, glücklich strahlend zog er an der Zigarette, blinzelte Richtung Sonne.
 

„Du findest auch noch deine bessere Hälfte, Mann! Ich weiß es einfach!“

In einem plötzlichen Ausbruch von Zuneigung wandte er sich zu Kakashi und klatschte ihm herzhaft seine breite Hand auf die Schulter.
 

Das ironische Lächeln des Silberhaarigen erreichte seine Augen nicht.
 

„Doch!“, bekräftigte sein Freund, „Lass einfach mal ein bisschen locker! Nicht immer so den Kontrollfreak raushängen lassen!“

Kakashi schnaubte kopfschüttelnd und diesmal wirklich belustigt.

„Du hältst mich für einen Kontrollfreak?“
 

„Wirst sehen“, Asuma nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier und klemmte die Kippe dann mit höchst zufriedenem Gesichtsausdruck wieder in den Mundwinkel, bevor er sich aufrichtete und den Rücken streckte, „Wie geht dieser Song? „Sooner or later, this happens to everyone“!“

„Der Song heißt „Love comes quickly“, und das... weckt grade echt nicht die besten Assoziationen.“

„Haha! Du bist einfach zu pervers, Mann! Du musst nur jemanden finden, der noch perverser ist als du und alles ist wunderbar! Glaub´s mir!“
 

Kakashi grinste nachdenklich. Dann versteinerte sich seine Miene.
 

„Hör zu, gestern im Club“, begann er, „Hab ich jemanden gesehen. Nur ganz kurz. Ich dachte erst, ich würde es mir nur einbilden, weil jemand vorher gemault hat, dass Leute, für die man mal sowas wie ein Vorbild war nicht in die gleichen Clubs gehen dürften, aber...“
 

„Mh?“
 

„... es war Sasuke.“

Kakashis Gesichtsausdruck wurde merkwürdig ernsthaft, er richtete seinen Blick hinunter in ferne Straßen.

„Sasuke Uchiha.“
 

Asuma runzelte seine Stirn, hielt noch einen Moment inne, bevor er den nächsten Schluck Bier trank.

„Sollte man den kennen?“
 

„Das war mein erster, verdammter Fall in einer Aneinanderreihung pädagogischer Katastrophen...“, Kakashi verschränkte die Arme auf der Brüstung, „Tze. Ich dachte damals wirklich, es bräuchte vielleicht nur irgendwas-... dummes, kleines wie ein verdammtes... Bezugsgespräch, damit er die Kurve kriegt. Ich hab dir davon erzählt, weißt du noch? Ungeklärter Mordfall in der Familie, Eltern tot, beide Söhne kommen ins Kinderheim. Der Ältere dreht nach ein paar Monaten völlig durch, schlachtet da die gesamte Belegschaft ab und verschwindet dann erstmal ohne eine Spur, der Kleinere kam zu uns.“
 

„Mh“
 

„Augen wie jemand, der schon dreißig Jahre gelebt hat, so ein kleiner, hübscher, schwarzhaariger... völlig verstörter Junge, hat die erste Zeit kaum gesprochen. Später sah´s zwischendurch sogar mal ganz gut aus... man hatte den Eindruck er kommt mehr aus sich raus, macht mehr mit, zeigt auch mal wieder Gefühle... dann hatte er diesen wahnsinnigen Krach mit dem anderen Kerl, Naruto... du hast ihn bestimmt mal gesehen, der Blonde mit den Narben im Gesicht? Auch so ein kleiner Psychopath, aber nett eigentlich-... jedenfalls... wir haben ihn bewusstlos in einer Blutlache unten am Überlaufbecken gefunden... Schädelbasisbruch, mehrere Rippen drin, der andere muss ihn mit dem Kopf so lang auf den Beton geknallt haben, bis er aufgehört hat sich zu bewegen...“
 

Asuma zog kopfschüttelnd an seiner Zigarette.

„Scheiße, Mann...“
 

„Ja, naja... Sasuke Uchiha war über alle Berge, selbst mit Polizeiunterstützung haben wir ihn nicht wieder gefunden. Später kam raus, dass er tatsächlich von einem der Drogenbosse abgeworben worden ist. Orochimaru, klingelt da was?“
 

Asuma runzelte die Stirn und schien nachzudenken.
 

„Sein Bruder war Itachi Uchiha. Der Heroin verteilt hat? Weißt du nicht mehr?“
 

„Scheiße, jetzt wo du´s sagst“, Asumas Augen weiteten sich, „Itachi... Scheiße, der war doch in dieser Sekte-... nein, das war mehr wie ein Syndikat... Akatsuki!“
 

„Richtig, Akatsuki. Gegen die es damals nur eine verdammte, halbherzige Aktion gab. Wir beide wissen, mit wessen Unterstützung. Und mit wessen-... toller Idee, nach dem ersten Schlag aufzuhören.“
 

„Jiraya...“, nickte Asuma, „Und... Danzou.“
 

„Danzou Shimura war da noch Polizeichef und wollte das Hauptquartier zerstört haben. Das war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen... er hatte schon seine kleine, spezielle Spezialeinheit wie wir beide wissen, aber er hätte allein keine Chance gehabt. Da kam ihm dieser Putsch von Jiraya und seinen Prostituierten gerade recht“
 

„Shit-...! Ging es damals nicht um den Terroristen-... diesen Bombenleger, wie hieß er noch gleich-... so ein junger Kerl?“

Kakashi nickte, „Dem wurde ein Deal vorgeschlagen, Rückendeckung durch Sondereinsatzkommando und sauberes Vorstrafenregister, gegen Maulwurf spielen und Unterstützung bei der Aktion-... blöderweise ging einiges schief, erstens wurde ausgerechnet Itachi Uchiha auf ihn losgelassen- zweitens hat der gute Danzou nie beabsichtigt ihn wirklich rauszuhauen, er ist nur deshalb nicht draufgegangen, weil Jiraya ihn unter seine Fittiche genommen hat-...“
 

„Jetzt fällt´s mir alles wieder ein... das war kurz bevor-...“
 

Kakashis Miene wurde kalt und bitter.
 

„War eine kurze Genugtuung, dass Danzou trotz des Erfolgs zurückgetreten und von der Bildfläche verschwunden ist. Und, zugegeben, bis jetzt hat man auch nicht mehr viel von ihm gehört. Aber komischer Zufall, dass plötzlich Drogendealer in der ganzen Stadt sterben wie Fliegen. Komischer Zufall, dass sich Sasuke Uchiha auf einmal aus seiner Höhle traut und offen und ohne Rückendeckung durchs Nachtleben marschiert, als wäre es sein Revier-... und weißt du, was heute morgen im Briefkasten war?“
 

Er zog einen Flyer aus der Hosentasche, entknitterte ihn und schob ihn zu Asuma hinüber. Der nahm ihn zwischen seine Finger und beäugte die Aufschrift.

„Wahlwerbung?“, meinte er stirnrunzelnd, „„Für eine sichere Stadt“... Danzou?! Will in die Politik?!“
 

„Offensichtlich“, knurrte Kakashi, „Anscheinend interessiert niemanden – sein – Vorstrafenregister... und vielleicht hat er seine Vorliebe für einen -gewissen- Familienstamm nicht verloren-... weißt du noch, diese ganzen Werbegeschenk- Kugelschreiber von Uchiha- Pharmazeutics in seinem Büro?“
 

Asuma zog eine ungläubige Miene.
 

„Komm schon, meinst du nicht das ist alles etwas weit hergeholt?“

„Ich halte es für möglich, dass er es irgendwie geschafft hat, Sasuke zu manipulieren, dass der für ihn die Drecksarbeit macht! In so was ist er ganz groß, wie wir wissen!“
 

Asuma schüttelte seinen Kopf und zuckte die Schultern,

„Ich halte es für möglich, dass der kleine Uchiha ganz von selbst durchgedreht ist... da scheint doch irgendwas in der Genetik kaputt zu sein... ich meine, erst die Eltern, dann das komplette Kinderheim? Ihr könnt froh sein, dass der Kleine sich bei euch anscheinend auf eine Person beschränkt hat, die diesen Uchiha- Wahnsinn irgendwie absorbieren konnte...“
 

„Jedenfalls“, bestimmte Kakashi grimmig, nahm den Werbezettel wieder an sich und stopfte ihn zurück in die Tasche, „Dieser Wichser kommt auf keinen öffentlichen Posten und erst recht nicht an Stellen wo er irgendwas zu bestimmen hat. Nur über meine Leiche. Dafür werde ich sorgen.“
 

„Kakashi“, Asuma senkte seine Stimme, „Um Himmels Willen, pass auf was du sagst! Ich versteh dich ja, aber-... das ist keine Option! Der Kerl ist mindestens siebzig, lange macht der es sowieso nicht mehr!“
 

„Der Kerl“, zischte Kakashi plötzlich spürbar bissig, „Ist schuld daran, dass ich ein so ein Wrack bin! Vielleicht nicht allein schuld, aber er war definitiv der nachhaltige, ausschlaggebende Faktor! Und er hat nie seine Rechnung dafür bekommen!“
 

„Hör zu... was mit dir passiert ist, war schlimm. Erst das mit Obito und Rin-... und dann noch dieser ganze Mist mit Danzou! Ich hätte mehr für dich da sein sollen-... du hättest vielleicht doch nochmal einen zweiten Anlauf mit nem anderen Psychologen versuchen sollen... keine Ahnung. Jedenfalls-... das war die Vergangenheit. Wir sind jetzt anders. Leute umzubringen ist keine Lösung! Und das sage ich als Ex- ANBU, das will schon was heißen.“, er neigte den Kopf in Richtung Veranda,

„Ich meine, schau dich um“, flüsterte er, „Auf uns wartet was besseres! Meine Freundin ist schwanger... wir wollen heiraten... das Leben fängt endlich an!“
 

Kakashi schnaubte freudlos, sein Blick ging in weite Ferne.

„Das Leben“, knurrte er, „Ist das, was passiert, während man versucht sich von Flashbacks abzulenken...“
 

Kurenais Stimme drang von der Veranda her und Asuma drückte eilig seinen Zigarettenstummel zwischen den Mohnblumen aus.

„Ja, Schatz!“, rief er. Er warf Kakashi einen schmerzvollen Blick zu und klopfte ihm noch einmal die Hand auf die Schulter,
 

„Jetzt komm schon.“, raunte er, „Reiß dich zusammen und denk an was anderes. Du sagst doch selbst immer, Rache bringt keinem was.“

Kakashi trank mit finsterem Blick ins Nichts seinen letzten Schluck Bier.
 

~
 

Es war eine stillschweigende, unausgesprochene Selbstverständlichkeit, düstere Themen abzuschütteln und sich wieder dem geruhsamen Alltag zuzuwenden, sobald sie nicht mehr unter sich waren. Asuma schlenderte- breit und unschuldig in Kurenais Richtung lächelnd, die einen misstrauischen Blick zu ihm schickte- auf den inzwischen auf Betriebstemperatur gebrachten Grill zu, nahm die Zange wieder an sich und begann dann genussvoll und konzentriert, dicke Fleischscheiben auf den Rost zu packen. Es zischte, die ersten unverwechselbaren Aromen von Grillkohle und brutzelnden Steaks hoben sich in die sonnige Luft der Veranda.
 

„Ah, Kakashi“, rief er herüber, „Du kannst übrigens dieses eine Buch wiederhaben, was du mir mal ausgeliehen hast. Ich fand´s scheiße!“
 

„Was?!“, der Silberhaarige nahm am Tisch platz, nickte dankbar als Kurenai anbot, ihm Salat auf den Teller zu geben, „Icha Icha Paradise? Das ist genial!“
 

Asuma rümpfte kopfschüttelnd die Nase.
 

„Also ich fand es super.“, Kurenai lächelte, während sie sich Limonade ins Glas goß, „Wie sie sich am Anfang so überhaupt nicht leiden können, und dann-...“
 

Kakashi sah überrascht auf: „Ja, oder? Ein paar Mal bringen sie sich vor lauter Hitzköpfigkeit fast um, dabei...“
 

„... ist doch vom ersten Moment an klar, dass sie total aufeinander stehen!“, ergänzte Kurenai. Unter ihrem perfekt roten Lippenstift schimmerten weiße Zähne.

„Wie sie es beide einfach nicht zugeben können, obwohl jeder außer ihnen -weiß-, dass sie vom Schicksal füreinander bestimmt sind!“
 

„Ja, genau!“, platzte Kakashi heraus, „Und diese eine, schreckliche Stelle, wo man erst denkt er ist tot, dabei-...“

„Gott, ich hab so geweint! Das passiert mir sonst nie!“
 

„Kurenai“, Kakashi lehnte sich tief beeindruckt weiter vor, „Ich hab dich total falsch eingeschätzt! Du bist super... Ich könnte dich küssen! Und das ist echt lange her, dass ich das mal zu einem Mädchen gesagt habe.“

„Ah...“, Kurenai strahlte und lehnte sich halb im Spaß ebenfalls ein wenig mehr über den Tisch, „Weißt du, ich hab eine Schwäche für empfindsame Männer...“, schmeichelte sie mit augenzwinkernd laszivem Unterton, „Und irgendwie bist du heute so ungewohnt sexy...“
 

Asuma hob den Blick skeptisch von seinem Grill zu den Beiden herüber.
 

„Äh, hallo?“, rief er, „Kommt nicht auf dumme Ideen, ihr zwei!“
 

~

Fall und Zufall (Sai, Sakura)

~
 

„Hallo. Ist Sakura Haruno hier? Ich bin ein Freund von ihr“
 

Lee starrte in ein unheimlich lächelndes Pokerface. Der Junge vor ihm war blass, sehr blass. Er hatte kurze, schwarze Haare, eng anliegende, dunkle Kleidung und er hielt einen kleinen Strauß Schnittblumen in der Hand, was auf den ersten Blick angemessen schien. Das Irritierende an ihm war dieses stille Lächeln in seinem Gesicht, das- egal aus welchem Blickwinkel man es auch betrachtete- einfach nicht zu den Umständen passen wollte.
 

„Uhm-... ja also-... arbeiten sie für die Polizei oder für die Presse?", Lee beäugte ihn skeptisch, ganz wohl war ihm mit der Sache nicht.

"Wissen sie... Befragungen sollten wirklich noch warten bis sie stabiler ist...“
 

Das Lächeln des fremden Jungen wurde etwas breiter, er öffnete seine Augen nur einen schmalen Schlitz weit, so dass schwarze Pupillen zum Vorschein kamen.
 

„Nein“, sagte er höflich und merkwürdig akzentuiert, „Von der Polizei bin ich nicht.“
 

„Hm. Ja gut, also...“, Lee zögerte immer noch, „Wenn sie, uh, ein Freund sind? Ich bin sicher, sie wird froh sein, wenn sie nicht allein ist...“
 

„Sehr freundlich, danke.“, und damit hatte sich der Besucher schon an seiner Schulter vorbei geschoben.
 

~
 

Mit teilnahmslosem Gesicht, endlich befreit von Schmutz und letzten Blutspuren aber dafür mit erschreckend bleicher Haut lag Sakura im Bett und starrte zur weißen Zimmerdecke. Frische Tränenspuren zogen sich von den Augenwinkeln über die Wangen. Dicke Verbände umhüllten Finger an beiden Händen, ihre Haare waren aufgefärchert auf dem Kissen, ein wenig gekämmt aber immer noch hoffnungslos strähnig.

Sie schien in Gedanken weit weg zu sein. Irgendwo, verloren in den Ereignissen der letzten Nacht... vielleicht auch der letzten Tage, Wochen, Monate...
 

Durch den Vorhang schob sich Sai ins Zimmer. Er bewegte sich lautlos, auf einmal war er da, stand dicht neben dem Bett und sah einfach auf sie herunter. Sie reagierte nicht gleich, aber sehr bald spürte sie die Präsenz neben sich. Zu dem langsam schneller werdenden Herzschlag, der in großen Ziffern auf dem Bildschirm neben ihr blinkte, wandte sie langsam die weiten Augen von dem Blick geradeaus zu ihrer Seite hinüber.
 

Sie sagte kein Wort. Sie konnte auch keinen Muskel bewegen, stattdessen änderte sich ihr Blick von müder Verwirrung langsam in blanken Schrecken. Die Zahlen auf dem Bildschirm überschlugen sich, die Hände auf ihrer Bettdecke begannen zu zittern. Erst leise und kaum sichtbar, dann breitete sich der Horror aus, ihr ganzer Körper begann unwillkürlich zu zucken, ihr Atem wurde rasch und flach, sie brachte keinen Laut aus ihrer Kehle.
 

Sai legte leicht und mahnend seinen Zeigefinger auf die Lippen.
 

"Gute Besserung, Sakura-chan", raunte er, "Schön, dich wieder zu sehen. Ich hab dir Blumen mitgebracht, schau. Freust du dich?"
 

Sie lag stocksteif da, keuchend, zitternd, den Blick entsetzt und ungläubig auf ihn gerichtet.
 

"Deine Körpersprache lässt mich darauf schließen, dass du überrascht bist.", erklärte er bedauernd, "Dabei gibt es doch keinen Grund dafür, oder? Schließlich haben wir uns ja schon kennen gelernt..."
 

"I-... ich hab dich erst einmal gesehen", brachte sie hervor, flüsternd, brüchig, "D-... du-... was-... warum-...?"
 

Mit perfekt einstudiertem Lächeln legte er seinen Kopf schief.

„Nur keine Aufregung!", beruhigte er, "Ich bin natürlich hier, damit du dich besser fühlst. Freunde machen das so. Sie bringen Blumen ins Krankenhaus, nicht wahr? Außerdem habe ich in einem Manga gelesen, dass sie sich Apfelstücke schneiden. Ich habe extra ein Messer mitgebracht... Magst du Apfelstücke, Sakura-chan?“
 

Sie starrte ihn an, gab am ganzen Körper zitternd kleine, panische Geräusche von sich, in ihren Augen wallten neue Tränen auf.
 

Mit einem Ruck wurde nur einen Sekundenbruchteil später der Vorhang zurück gezogen und Lee kam dahinter zum Vorschein, sein unerschütterlich positives Strahlen im Gesicht: „Frühstüüüück! Na, wollt ihr Beiden was trinken? Ähm, ich kann mir schon denken dass du keinen Hunger hast, Sakura, deshalb hab ich dir einen Smoothie mitgebracht-... Ich hab immer welche im Rucksack, aber ich brauch sie nicht immer, weil ich jetzt diese super speziellen selbstgemixten Fitness- Drinks habe, jedenfalls- dadurch musst du nichts essen, aber wenn du dich wenigstens zu ein paar kleinen Schlucken überwinden könntest, wird das deinem Körper gut tun. Da sind alle wichtigen Vitamine und Mineralstoffe drin die er braucht um neue Kraft aufzubauen...“
 

Sie starrte ihn an, die Augen gehetzt und voller hilfloser Tränen und brachte kein einziges Wort heraus.
 

"Ähm... okay, ich stell das Tablett einfach hier ab, ja?"

Der Mann mit der Topffrisur lächelte versichernd, bemerkte dann aber auch die seltsame Stimmung und stutzte.
 

„Ist... äh... alles in Ordnung bei euch?“
 

„Aber natürlich“, erwiderte Sai, sein Lächeln undurchschaubar und fuchsartig, „Alles ist in bester Ordnung. Wir machen nur Smalltalk. Das ist eine Kommunikationsform zur Festigung sozialer Bindungen.“
 

„Oh... Äh... Na dann ist ja gut“, Lee schüttelte die Unsicherheit ab und nickte zufrieden, „Wenn irgendwas ist, einfach klingeln, okay?“
 

Den Vorhang schloss er hinter sich betont vorsichtig wieder.
 

"W-... wer bist du wirklich?", brachte Sakura wispernd zwischen hektischen, kurzen Atemzügen hervor, als sie wieder allein waren, "Warum bist du hier? Wer hat dir gesagt was passiert ist? Woher weißt du, dass ich hier bin? W-... was-...?!"
 

"Schh..."

Nur ganz leicht beugte Sai sich vor um ihr ins Ohr zu flüstern:
 

„Wenn ich dir alles verraten würde, müsste ich dich töten, Dummerchen. Und das wollen wir doch nicht.“
 

Er stellte seine Blumen kurzerhand in ein Wasserglas auf dem Nachttisch, zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz, um seelenruhig seine Utensilien auszupacken.
 

"Bitte, sei einfach ganz entspannt.", riet er ihr zuvorkommend, "Lass dich nicht von meiner Anwesenheit stören. Ich hege wirklich nicht den Wunsch, dir zu schaden. Im Gegenteil. Außerdem... ist das doch eine gute Gelegenheit für uns, um uns näher kennen zu lernen?"
 

Er hatte Zeichenblock und Feder hervorgeholt, die Beine locker überschlagen und wischte nun leicht mit dem Handrücken über das weiße Blatt.
 

"Für den Anfang sollten wir Themen wie gesundheitliche Probleme und außergewöhnliche Hobbies noch etwas zurück stellen-... am ratsamsten ist Konversation über Alltägliches-... vielleicht möchtest du einfach eine Kleinigkeit von dir erzählen? Aus deinem Leben... zum Beispiel...", Seine Augen öffneten sich, das Lächeln flackerte, erstarb um einer fokussierten Ernsthaftigkeit Platz zu machen.
 

"Wie der Mann genau aussah, der dich gestern verfolgt hat. Er hatte eine Sense... mit drei roten Klingen vielleicht?"
 

~

Unter die Haut

~
 

Sasuke schlief viel.
 

Tatsächlich war sein Kopf nur kurze Zeit nachdem er ein, zwei winzige Häppchen Omelette und Aufbackbrötchen hinuntergezwungen hatte, wieder vor schierer Müdigkeit in die Kissen gesunken. Er hatte eine Position gesucht, die den Umständen entsprechend bequem war- auf der Seite- und seinem ewigen Gegner dabei zugesehen, wie er seitlich zu ihm an der Spüle stand und Geschirr abwusch, ohne auch nur einen einzigen Blick herüber zu werfen.
 

Seine Augenlider waren schwer geworden, als er die kräftigen Hände in Seifenschaum beobachtete, wie sie Teller und Pfanne griffen, den rauen Schwamm entschlossen über verkrustete Essensreste schrubbten, wie die Muskeln im Unterarm sich unter der Haut voller weicher, blonder Häarchen abzeichneten. Kleine Spritzer von Wasser, mit weißem Schaumflocken dekoriert, glitzerten darauf und Sasuke schluckte unwillkürlich.
 

Etwas an der Situation hatte seinen Kopf angenehm leer, seine Muskeln locker gemacht... nicht die Hilflosigkeit. Daran wollte er besser nicht denken... Auch nicht die Tatsache, dass es Naruto war, der kaum zwei Meter von ihm entfernt stand. Zumindest konnte er sich das zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen...
 

Aber dieses tröstliche, beinahe beruhigte Gefühl trotz eines unvorteilhaften Zustands... es war ihm nicht vollkommen fremd.

Ja, Krankenhäuser waren ein rotes Tuch für ihn. Besorgte Mädchen machten ihn aggressiv. Fremde wählten einen ganz schlechten Zeitpunkt um sich vorzustellen, wenn es ihm gerade nicht gut ging...
 

Trotzdem gab es da noch etwas anderes, manchmal, ganz selten... zuletzt hatte er es vor vielleicht einem halben Jahr gespürt: Er war in erbärmlicher Verfassung gewesen und nur Juugo- schweigsamer, starker Juugo- hatte in seiner Nähe bleiben, ihm Tee ans Bett bringen und ihn zurück in die Kissen betten dürfen. All sein normalerweise bitterer Widerstand war verpufft, seine bissige Abneigung gegen Schwäche war stumm geworden, er war ruhig geblieben, entspannt und in erstaunlich milder, nachgiebiger Stimmung, in der er sich selbst kaum noch wieder erkannt hatte. Beinahe so wie jetzt.
 

Und dann war da noch etwas. Eine Erinnerung.

An einen Moment, in dem er als Kind dieses eine Mal auch verletzt gewesen war...
 

Nicht sehr schwer- er wusste noch, dass es ihm nicht besonders lange leid getan hatte. Das bisschen Schmerz war gleich vergessen gewesen, als er die Arme um seinen Bruder hatte schlingen dürfen, den warmen, starken Rücken unter sich gefühlt hatte, den vertrauten Geruch des Nackens vor seiner Nase, das warme, unerklärlich schöne Gefühl im Bauch... Kurz davor hatte er hart trainiert und gekämpft, seine Männlichkeit unter Beweis gestellt und dann... war es nur ein kleiner Fehltritt, ein kurzes Stolpern gewesen, das ihm die lang ersehnte Umarmung brachte, die willkommene Entschuldigung für schamlose Nähe zu dem ersten und größten Helden in seiner kleinen Welt. Gut, ein bisschen einseitig vielleicht... aber besser als das ewige Zurückschnippsen auf Distanz mit zwei Fingern an seiner Stirn.
 

Damals war es pures Glück gewesen und heute erinnerte er sich noch an das wohlige Gefühl getragen zu werden. Vielleicht kam das manchmal durch. Womöglich hatte er- ein stolzer, unbezwingbarer Uchiha- einen der glücklichsten Momente seines Lebens gehabt, als er nicht auf eigenen Beinen stand.

Die Erkenntnis war... seltsam. Und neu. Aber... auf einmal war sie einfach da.
 

Ausdruckslos blinzelnd lag er auf dem Sofa in dem kleinen Dachzimmer, atmete ein und aus und rieb sich mit dem Daumen über die Unterlippe.
 

Narutos Narbenstreifen auf den Wangen, das Profil von ihm, während lange, blonde Haarsträhnen in seine Stirn hingen und seine Augen in Schatten hüllten, waren das letzte Bild das sich in seinen Kopf prägte, bevor er die Lider schloss und sich an unendliche, bleierne Müdigkeit aufgab.
 

Ab und zu wurde er wach um zu blinzeln, sich müde umzusehen, aber jedes Mal reichte es aus, seine Position nur ein wenig zu ändern, den Kopf bequemer ins Kissen zu schieben um weiter zu schlafen: als Naruto an seinen Infusionen hantierte... als seine Lage so unbequem wurde, dass ein Arm anfing, vor Blutmangel zu kribbeln... einmal einfach nur so, ohne Grund: er wurde wach und sah sich erkundigend nach dem Blonden um, bemerkte ihn mit hängendem Kopf und hängenden Schultern rücklings an der Zimmertür sitzend, wie er ein Ohr an die Holzplatte geschmiegt hatte als würde er nach draußen lauschen, das Gesicht entspannt in erschöpftem Halbschlaf.
 

Ansonsten war Sasuke ruhig und, ja: schlief viel. Was ihm gut tat.
 

Schlaf war sonst normalerweise ein Zustand, in dem er seiner aggressiven Unruhe am meisten ausgeliefert war. Sie wand sich durch seinem Bauch wie eine hungrige Schlange, scharrte mit scharfen Krallen an seiner inneren Schädeldecke, bis er genug davon hatte, nicht aufrecht zu stehen.

Im Moment war das alles einfach völlig weg. Hier auf dem Sofa gab es nicht einmal Albträume oder blutige Bilder in seinem Kopf... nichts. Seine Finger lagen so ruhig auf der Bettdecke, dass er sie zum Anfang der nächsten, längeren Wachphase selbst erst verwundert betrachtete. Kein Zucken, kein Zittern. Nur ruhige, warme Gelöstheit.
 

Aufatmend rappelte er sich schließlich hoch auf die Ellenbogen, rieb sich den letzten Schlaf aus seinem Gesicht und blinzelte.
 

Seine Kehle war trocken und in seinem Brustkorb pochte ein Schmerz, der ihn davon abhielt auch nur einen einzigen Muskel mehr als unbedingt nötig zu bewegen. Sehr mühsam und äußerst vorsichtig setzte er sich weiter auf, schob die Decke von sich herunter, griff nach dem halbleeren Colaglas. Sein Arm war bleischwer. Alles an ihm fühlte sich schwer an.

Langsam setzte er das Getränk an die Lippen, schluckte koffeeinhaltiges Süßgetränk das schon erheblich an Kohlensäure verloren hatte. Eine unbedachte Bewegung, ein Zucken und übler Schmerz schoss ihm in die Seite, als wollte ihn etwas in der Mitte auseinanderreißen. Sasuke verzog das Gesicht.
 

„Hey“
 

Narutos Stimme so nah hinter ihm war ein Auslöser für sofortige Gänsehaut.

Sasuke reagierte mit finsterem Blick, brachte die Augen aber nicht genug aufwärts um ihm ins Gesicht sehen zu können.
 

„Geht´s... mit den Schmerzen und so?“
 

„Mh“, murrte er.
 

Eine Hand schob sich in sein Blickfeld mit einem metallisch knisternden Briefchen Tabletten, drückte kommentarlos eine davon heraus. Sasuke hob mit hängendem Kopf die freie Handfläche, der Andere ließ die weiße, längliche Pille darauf fallen, er nahm sie an, schob sie sich zwischen trockene Lippen und schluckte, spülte sie mühsam mit Cola abwärts.

„Danke“, murmelte er kaum hörbar.
 

Naruto erwiderte nichts.
 

Er wich aber auch nicht mehr zurück auf Abstand. Während Sasuke trank- in ruhigen, langsamen Schlucken das ganze Glas leer, bis er sich ein wenig erfrischter fühlte- stand Naruto in seinen lockeren Hosen scheinbar unschlüssig neben dem Sofa. Beinahe so nah, dass ihre Oberschenkel sich berührten. Sasuke spürte, wie er sich verkrampfte. Nicht sehr, hauptsächlich innerlich, aber-... einfach weil der blonde Idiot zu verdammt nah war.
 

Er hielt mucksmäuschenstill den Kopf gesenkt, spürte wie alles in ihm sich noch mehr zusammenzog, als der Blonde ohne weitere Umschweife sein Knie hob und sich mit einem Unterschenkel seitlich bei ihm auf dem Sofa niederließ. Jetzt berührten sie sich definitiv. Nur die Decke war zwischen ihren Schenkeln, aber der Druck und die Wärme-... da war der Andere ganz deutlich spürbar. Naruto atmete durch, Sasuke starrte auf einen Punkt auf seinem Shirt und rührte keinen Muskel.
 

Schließlich brach der Uzumaki die Stille.
 

„Uhm. Wie sieht´s aus... der Verband, ist damit... du weißt schon, noch alles gut?“
 

Jetzt hob Sasuke zum ersten Mal seine Augen. Ihr Blick streifte sich. Lang genug um zu erkennen, dass Naruto selbst nervös wirkte. Nervös, aber... konzentriert. Und nicht bedrohlich. Kein Bisschen.
 

Sasuke blinzelte an sich abwärts. Er trug ein hellblaues Klinikhemd.

Langsam hob er seinen Arm, verlagerte das Gewicht, begann den Stoff von seiner Seite zu zupfen, legte den Oberkörper frei und eine dicke Schicht weiße Polster und Binden, die sich um seinen ganzen Brustkorb und bis über eine Schulter zogen kamen zum Vorschein. Unter dem Verband sah man nur seinen flachen Bauch und ein paar Häarchen in dem dünnen Streifen aus Flaum unterm Bauchnabel, die nicht dem Rasierer des Operateurs zum Opfer gefallen waren. Beim Rand des Verbandes prangten Kleckse vom Desinfektionsmittel, was jemand wohl in hektischer Entschlossenheit bis unter die Rippen zum Bauch geschmiert hatte...
 

Die Mundwinkel des Uchiha zuckten. Es war orange.

Warum musste gottverdammtes Desinfektionsmittel ausgerechnet leuchtend orange sein? Das war fast so, als hätte jemand seinen Besitzanspruch mit Signalfarbe auf ihn gekleckert...
 

„Sieht gut aus“, nickte Naruto in behutsamem Ton, „Nichts nachgeblutet und so. Der kann noch bis Morgen dran bleiben.“
 

„Was... genau ist passiert?“, wollte Sasuke noch einmal wissen.
 

„Ah, dein Brustkorb war aufgeschlitzt-... hier an der Seite.“

Narutos zaghafte Finger streckten sich, blieben aber in ausreichender Entfernung um den Verband nicht zu berühren, „Die Klinge ging einmal durch - ratsch!- bis zur Lunge, der Schnitt war von hier unten... bis da oben ungefähr“, kaum merklich kamen die Finger ein wenig näher, streiften zart über weiße Kompressen. Sasuke sah ihnen zu.
 

„Du hast echt geblutet wie ein Schwein, ich dachte, whoa-...!“, schon war seine Hand wieder in beruhigendem Abstand zurück, „Das war überall, auf mir, auf dem Boden und halt auch innen drin-... äh... wieviel weißt du über, mh, wie das mit der Atmung funktioniert?“
 

Sasuke blinzelte.
 

„Ich weiß... dass man bei Bondage und Suspensions nie beide Seiten am Hals abdrücken darf.“, flüsterte er.
 

Naruto kratzte sich lachend am Hinterkopf, „Ah, äh, okay, das hat damit nix zu tun-... du musst dir vorstellen, die Lunge ist wie ein Luftballon, der so innen an deinen Rippen klebt- naja, so ungefähr... und, wenn jemand durchsticht- oder durch schießt-, dann- pow- löst sich der Kleber und es hält nicht mehr-... stattdessen kommt lauter Blut und Luft und all sowas da rein gesprudelt“, er unterstrich seine Erklärung mit lebhaften Handbewegungen, „der Platz wird eng, die Lunge wird kleiner, kann sich von selbst nicht mehr weiten, die Luft wird knapp... und ja-... wenn man eben nichts tut, bricht der Kreislauf zusammen... oder derjenige wird vor Schock bewusstlos, hört ganz auf zu atmen, verblutet oder-... naja.“
 

Sasukes Blick ging ins Leere.

„Verstehe“, flüsterte er kaum hörbar.
 

„Ähm-... genau... die gute Nachricht ist, dass es zwar natürlich ein kritischer Zustand ist, aber... zum Glück doch ganz gut in den Griff zu kriegen, wenn man schnell genug reagiert... Mann, hattest du ein Glück, dass der Krankenwagen direkt ein paar Meter weiter lag, was?“
 

Sasukes Mundwinkel zuckten humorlos. Er sah abwärts auf seine Hände.

„Huh“, meinte er.
 

„Jeeedenfalls“

Narutos Ton wurde ein gutes Stück ernster, „Bist du operiert worden, die haben das zusammen geflickt-... und zum Glück war kein Knochen kaputt, also... das wird eine, vielleicht zwei Wochen dauern, bis alles einigermaßen verheilt ist und die Fäden raus können. Den Schlauch kann man schon nach ein paar Tagen ziehen. Normalerweise. Eigentlich solltest du echt im Krankenhaus sein, mann. Wenn sich da was entzündet, sind wir am Arsch. Aber-... mir ist keine bessere Möglichkeit eingefallen! Und dann dachte ich naja, du bist zäh wie Unkraut, du kriegst es hin, wenn ich dich in dem Zustand durch die Gegend schleppe... und... das... Krankenhaus kriegt es hin, wenn ich mir ein paar Sachen... uhm... ausleihe... Aber es wäre echt blöd gewesen, wenn dich nach der ganzen Mühe irgendwer weggesnufft hätte. Oder vom Fleck weg verhaftet... Wie´s aussieht hast du nämlich gleich mehreren Leuten ziemlich ans Bein gepinkelt.“
 

Sasuke senkte den Kopf. Seine Mundwinkel zuckten in ein mikroskopisches, selbstzufriedenes Lächeln, ohne dass er es wirklich wollte.
 

Narutos Mundwinkel flackerten mit, er schnippte ihm spielerisch und provozierend nach einer langen, dicken Haarsträhne über der Stirn.

„Böser Junge", bemerkte er, "Du hast es drauf, Leute dazu zu bringen, dir in den Arsch treten zu wollen... das kannst du!“

Sasuke senkte leicht den Kopf, hob die Mundwinkel gar nicht schuldbewusst noch ein Stückchen weiter.

„Beeindruckend“, Naruto nickte halb im Scherz, „Aber ich bin als Erstes dran... die sollen sich hinten anstellen. Wenns um´s Arschtreten geht, bin ich der Mann für den Job, schon vergessen?“
 

Einen Moment war Sasuke sich unsicher, wie zwei- oder eindeutig das gemeint war. Schwarze, tiefe Augen hoben sich vage beunruhigt in leuchtendes Blau. Naruto grinste nur harmlos und schnippte noch einmal.
 

„Lass meine Haare!“, maulte Sasuke und drehte den Kopf weg.
 

Naruto schnippte mit noch breiterem Grinsen erst recht weiter und Sasuke hob seine Hand: „Lass es, Idiot!“
 

„Tu was dagegen.“

Der Blonde hörte trotzdem auf, sah ihm in die Augen. Ihre Blicke verhakten sich ineinander und diesmal war es nur noch halb so merkwürdig.
 

„Du bist der einzige Mensch den ich kenne“, bemerkte Naruto, „bei dem seine Bettfrisur weniger verrückt aussieht, als der Style mit dem er normal rumläuft.“

„Tss..“, Sasuke wagte sachtes ein Kopfrucken aufwärts, das etwas von einem störrischen Pony hatte:

„Dafür kann man das was du auf dem Kopf hast, ja wohl kaum Frisur nennen.“
 

„Stimmt, ich nenne es Pelzmatte!“, gluckste Naruto strahlend, „Hier, willst du Flöhe?“, er tauchte den blonden Schopf nah zu Sasukes Brust und schrubbte sich kräftig die Kopfhaut.

„Hey!“, kam der empörte Ausruf, „Idiot! Hör auf!“, Sasukes blasse Finger griffen in warmes Haar, an warme Haut, er hatte automatisch den Fuß gehoben um ihn von sich zu treten, aber in dem Moment spürte er wie Naruto nachgab, sich lachend kleiner duckte, widerstandslos in seinen Griff schmolz-... und für einen Moment hatte er den Kopf des Anderen in beiden Händen.
 

Er war so warm.
 

Naruto war immer so warm. Die blonden Haare fühlten sich fest an und beinahe ein bisschen drahtig, nicht so weich und seidig wie seine eigenen-... in kraftloser Wut knuffte er das kichernde Bündel auf seinem Schoß, erntete zwar befriedigend spürbares Zucken, aber keine Gegenwehr. Erst als sein verbissenes Knuffen und Kneifen zu viel wurde hob sich eine Hand, fing in beim nächsten Angriff ab- Handfläche gegen Handfläche. Sasuke versuchte, sich daraus zu befreien, aber Narutos Finger erwiesen sich als äußerst anhänglich. Genervt schüttelte er seinen Arm, sträubte sich weg-... und spürte wie seine Kraft wegsackte, ihm einen Augenblick schwarz vor Augen wurde und er reglos durchatmen musste um sich wieder neu zu fangen. Naruto hielt sofort still, seine Finger wurden sanft. Er stützte, wartete bis Sasukes Blick wieder klarer geworden war, der Schwarzhaarige leicht seinen Kopf schütteln und tiefer aufatmen konnte.
 

Unter zerzausten, blonden Strähnen blinzelten blaue Augen forschend aufwärts.

Der Uchiha wich mit dem Blick mürrisch zur Seite aus.
 

„Keine Panik“, meinte Naruto bemüht leichtfertig, „Du hast... eine Menge Blut verloren, aber das wird wieder. Ich geh mal schauen, ob ich nicht ein paar saftige Jungfrauen finde, die sich von dir in den Hals beißen lassen, heh. Obwohl ich jetzt schon sagen kann, hier in der Gegend könnte das mit den Jungfrauen echt schwierig werden...“
 

Sasuke schnaubte halb belustigt, halb bitter. Seine Mundwinkel zuckten und bevor er nachdachte, war es ausgesprochen:

„Ich steh eigentlich nicht so auf Mädchen“
 

Und in dem Moment wurde ihm klar, dass er das noch nie vorher gesagt hatte. Vor niemandem. Und erst recht nicht vor ihm. Natürlich blieb die Befürchtung, sich erst recht Blößen geben... aber stattdessen geschah etwas Seltsames. Kaum hatte er es laut ausgesprochen, durchfloss ihn ein heißes, intensives Gefühl der Erleichterung. Er fühlte sich nicht schwächer, im Gegenteil- es war mehr wie ein kleiner, persönlicher Triumph über eine alte Angst... Überrascht sah er auf, suchte mehr aus Neugier eine Reaktion im Blick des Anderen.
 

Naruto schnaubte die Neuigkeit einfach von sich, wie den nächsten, ironischen Scherz:
 

„Sag bloß, du meidest auch gar nicht deswegen nur die Sonne, weil du dann glitzerst und von allen Seiten rudelweise Fangirls gerannt kommen, wie in dieser AXE- Werbung? Echt jetzt, du bringst mich ganz durcheinander!“
 

Sasukes Mundwinkel hob sich für ein ehrliches, schwaches Schmunzeln.

„Du bist das Chaos auf zwei Beinen, durcheinander ist dein Normalzustand“, stichelte er ohne Gift dahinter.
 

„Oh Mann! Jetzt wo du´s sagst!“

„Wenn du mich nicht hättest, Idiot.“

„Über sowas Schreckliches will ich ja nicht mal nachdenken, Miststück!“
 

Die Stimmung zwischen ihnen war merkwürdig entspannt-... viel entspannter und freundlicher, als Sasuke es aus früheren Zeiten kannte. Lächeln flackerte hin und her, Augen funkelten in einem seltsamen, verspielten Feuer das viel mit der alten, vertrauten Kampfeslust zu tun hatte aber auch irgendwie... anders war. Mehr...

Noch nicht völlig eindeutig, aber...
 

Sasuke stutzte. Auf einmal wurde ihm klar, wie schrecklich nah sie sich waren.

Narutos Hand war in ihrem Gerangel vorhin an Sasukes Oberarm, unter den Ärmel des Klinikhemds, gerutscht. Sasuke streckte seinen Arm um den blonden Schopf zurück auf Abstand zu schieben...
 

Aber auf halbem Weg verlor er jede Entschlossenheit, als er die leichten, unverwechselbaren Linien der Wangennarben unter dem Daumen spürte.

Wie viele Jahre träumte er jetzt schon davon, nur einmal kurz zu testen wie sie sich anfühlten?
 

Naruto hielt still für ihn.
 

Ihre Blicke tauchten ineinander, jetzt fühlte es sich nicht mehr so seltsam an. Sasuke spürte ein spitzes, nervöses Flattern im Bauch. Es wurde heftiger, griff auf seinen gesamten Körper über-... mühsam schluckend wandte er die Augen ab, spürte wie Naruto sich seinerseits zurückzog, verlegen lachte und die Hände von ihm nahm, als hätte er sich verbrannt.
 

„Shit, Mann...“, murmelte der Blonde in sich hinein und stand auf.

Und noch während Sasuke versuchte, mit seinem klopfenden Puls klar zu kommen, kramte Naruto etwas Raschelndes aus einem Pappkarton.
 

"Uh-... ähm-... achja... Sasuke?"

"Huh?"
 

Sasuke leckte sich unwillkürlich die Lippen, versuchte mit intensivem Blick auf das überaus hässliche Sofapolster zu vertrauter Gleichgültigkeit zurück zu finden.
 

„Es... gibt da noch was, das du wissen musst... ähm“, Naruto hob eine längliche Plastikpackung um damit zu wedeln, „Du kriegst nicht nur Infusionen und die Tabletten, sondern auch-... uhm. Naja“
 

Er kam zurück zum Sofa und hielt die Packung mit leicht betretenem Gesichtsausdruck so, dass Sasuke den Inhalt direkt vor der Nase hatte.

Es war eine Fertigspritze.
 

So schnell konnte er gar nicht reagieren, wie der Uchiha die Bedrohung von sich schlug. Es gab einen Knall irgendwo in der Ecke des Zimmers, wo die Packung gelandet war und Naruto rieb sich die schmerzenden Finger.
 

„Aua..!“

„Das ist nicht witzig“, zischte Sasuke mit Todesblick.

Naruto sah beklommen abwärts.

„Soll es nicht sein...", er berührte die gesträubten Häarchen auf Sasukes Unterarmen mit sachtem Zeigefinger, "Sowas kriegt einfach jeder nach einer Operation. Die sind gegen Blutgerinsel...“

„Vergiss es!“
 

„Okay“, seufzend erhob sich Naruto, tappte hinüber um die Spritze zu suchen.

Sasuke rappelte sich vorsorglich weiter auf, behielt ihn misstrauisch im Blick.
 

„Komm mir bloß mit dem Ding nicht zu nahe!“, warnte er.

Naruto seufzte nur noch einmal.
 

„Ich mein´s ernst!“

Mit hochgezogenen Schultern rutschte er bis zum hintersten Rand des Sofas. Naruto kam zurück. Die unheilvolle Packung in einer Hand haltend ließ er sich wieder mit einem Knie und einer Pobacke bei dem Uchiha auf dem Polster nieder und sah ihn an.
 

„Hör zu“, stellte er fest, „Ich kann dich nicht dazu zwingen."

Sasuke schnaubte sehr einverstanden.
 

"Aber es ist so-... das ist Standard im Krankenhaus und nicht ohne Grund. Es sind schon Leute daran gestorben, dass ihnen vom vielen Liegen und von der Wunde Blutklumpen in die Adern gerutscht sind! Ja, die Chancen sind gut, dass sowas nicht passiert! Aber weißt du was? Ich würde es echt beschissen finden, wenn du den Sensenmann aus der Freak- Hölle überlebt hast und dann auf meinem Sofa an einem Scheiß- Blutgerinsel krepierst!“
 

Sasuke zog wenig begeistert die Mundwinkel abwärts.
 

„Ich weiß, du stehst da nicht drauf“, meinte Naruto beschwichtigend, „Aber die Nadel ist wirklich nur ganz kurz und total dünn... muss nur unter die Haut, ist sofort vorbei. Wie ein Mückenstich! Wahrscheinlich wirst du es nicht mal spüren!“
 

Sasuke warf einen schmalen, angewiderten Blick auf die Plastikpackung in seinen Händen.

„Vergiss es“, zischte er, „Du steckst sowas nicht in mich rein!“
 

„Wie du willst.“
 

Naruto stand auf, erhob sich, legte die Spritze auf den Couchtisch und ging, um sich etwas zu Trinken zu holen- eine kleine Plastikflasche mit Sprudelwasser vom Tisch unter dem Dachfenster.

Sasuke sah misstrauisch auf. Irgendwie hatte er mehr... Beharrlichkeit erwartet.
 

Eine Weile wartete er ab... lauerte auf einen Blick, ein Gequängle, irgendeine Form von Aufmerksamkeit. Nichts. Stattdessen klaubte sich Naruto ein Mangaheft von der Ablage unter dem Couchtisch hervor, verzog sich damit in größtmöglichen Abstand und machte es sich im Schneidersitz auf einem Kissen am Boden gemütlich- ihm demonstrativ den Rücken zudrehend- ohne seinen Gast auch nur noch einmal anzusehen.
 

Sasuke war irritiert. Was sollte denn das jetzt? War es nun wichtig, dass er sich dieses Zeug spritzen ließ oder nicht? Bitterer, dicker Widerstand stieg ihm in die Kehle, aber ohne dass der blonde Idiot sich als Blitzableiter zur Verfügung stellte, war es mehr ein Ringen mit sich selbst und seinen eigenen Zweifeln.
 

Er versuchte, die Sache als Erfolg für sich zu verbuchen und sich in zufriedenem Trotz wieder zurück in die Kissen zu betten, aber... das vertraute Triumphgefühl wollte sich nicht wirklich einstellen. Warum hatte er, obwohl er die Diskussion gewonnen hatte, das Gefühl, dass er sich irgendwie selbst aufs Kreuz gelegt hatte? Was... waren das für ungewohnte Methoden? Warum saß Naruto so lässig da, als hätte er die Runde gewonnen- und zwar egal, wofür er sich noch entscheiden würde?
 

Scheiße... Sasuke versuchte sich zu entspannen, aber die Plastikpackung in seinem Blickfeld war eine ständige Erinnerung an etwas, das ihm überhaupt nicht passte. Wenn er versuchte, nicht hinzusehen, spürte er die Unzufriedenheit davon nur stärker.

Schwächling, wisperte eine kleine Stimme im Hinterkopf, Versager. Angsthase...
 

„Du willst doch nur eine Entschuldigung, meinen Arsch zu begrapschen“, grollte er, und selbst für seine momentanen Verhältnisse musste er einsehen, dass das Argument reichlich schwach war.
 

„Die kommt nicht in deinen Arsch, sorry“, erwiderte Naruto ohne hinzusehen.
 

Sasuke schloss den Mund wieder und blinzelte.
 

„Wohin denn sonst?“, versuchte er Narutos Hinterkopf zu provozieren.

Endlich drehte der Blonde sich etwas um.
 

„In den Bauch“, bemerkte er gleichgültig.

Sasuke spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich.
 

„In den-... in den Bauch?!“, stieß er fassungslos hervor.
 

Naruto zuckte die Schultern, bevor er sich zurück zu seiner Lektüre wandte:

„In deinen Unterbauch. Wie gesagt, nur unter die Haut. Aber schon okay, keine Panik. Ich werd´ dich nicht anfassen.“
 

Sasuke biss die Zähne zusammen. Es war eine neue Erfahrung, mit Naruto zu kämpfen, während der stur so tat, als sei er überhaupt nicht beteiligt-... entweder, er war wirklich so gleichgültig und naiv wie es schien-... und die Rolle spielte er absolut überzeugend! Dann war es lächerlich von ihm selbst, sich darüber den Kopf zu zerbrechen-... oder aber, es war eine Art von Berechnung. Auf einem Level, das er dem Blonden nie zugetraut hätte. Dunkle Anerkennung hob sich in seiner Brust, zugleich mit der nervösen Erkenntnis, dass sie- gemäß dem Fall, dass es wirklich Berechnung war- längst beide wussten, dass er nur noch seine Niederlage eingestehen konnte. Schachmatt in drei Zügen. War es so? Vielleicht hatte der Idiot- so unvorstellbar es schien- doch ein, zwei Dinge dazu gelernt in den letzten Jahren..?
 

Sasuke warf einen Blick zu der Spritze, spürte flaue Angst in den Muskeln und den grimmigen, stolzen Trotz der ihn instinktiv dagegen trieb.
 

„Kannst du das überhaupt?“, forschte er.
 

Naruto sah sich zu ihm um, sein Blick war tief und ernsthaft.

„Hey. Ich würde es nicht machen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass ich es kann“, bemerkte er.
 

Diesmal hielt er den Blickkontakt. Sasuke spürte etwas in sich heiß und zittrig werden. Und als hätte er es gespürt-... als hätte er die Lücke in der Verteidigung- gerochen- stand Naruto auf.
 

Sasuke verkrampfte sich, als er ihn auf sich zukommen sah, glühende, heiße Angst lähmte ihn, er biss die Zähne zusammen um still zu bleiben-... Naruto bewegte sich ganz entspannt, behutsam... er nahm zutraulich wieder Platz auf der Seite des Sofas, nahm langsam, beinahe zärtlich die Plastikpackung in die Hand.

„Fuck-... ich hasse Nadeln.“, stieß Sasuke mit enger Kehle hervor.
 

„Hey, ich auch“, grinsend riss Naruto mit kurzer Bewegung die Packung auf, „Als wir uns bei diesem einen Waldgeländespiel so geprügelt hatten und ich zum Impfen musste, weißt du das noch? Ich hab die Schwester in die Hand gebissen und dem Arzt auf den Kittel gekotzt. Iruka fand´s gar nicht geil...“

Sasuke schnaubte ein Stück seiner Anspannung mit dem unerwarteten Bild in seinem Kopf von sich, konnte ein Zucken der Mundwinkel nicht ganz verkneifen.

„Tss... du bist sowas von peinlich!“

„Mann, ich war eben noch klein, na und?!“, grinste der Blonde. Er machte eine auffordernde Handbewegung.
 

Und langsam, sehr widerwillig schob Sasuke die Decke zur Seite. Ungläubig starrte er abwärts.

„Sind... das deine Boxershorts?“, wollte er tonlos wissen.
 

„Uh-... jaah... keine Sorge, ich hab auch nicht hingesehen, als ich sie dir übergezogen hab.“

„Dann hast du meinen Arsch ja doch angefasst, Wichser!“

Naruto lachte, Sasukes Tonfall klang zu empört und die Situation war einfach zu grotesk:

„Nein, Mann! Ich wollte nur, dass du nicht aufwachst und nackt bist! Das war total nett und rücksichtsvoll von mir, okay?“
 

Sasukes schwarze Augen glommen in einer milden Version von mörderisch:

„Du bist so ein Idiot!“

„Extra für dich, Spongebob Schwammkopf- Unterhosen, Mann!“, gluckste Naruto.

„Ich fühl mich sehr geschmeichelt.“

„Solltest du, das sind die Schönsten die ich habe!“

„Glaub ich dir sofort...“
 

„Sei ruhig jetzt...“, der Mund des Blonden war in breites Lächeln verzogen, er sah abwärts und zog ein flaches Päckchen aus seiner Hosentasche, dass er kurzerhand mit den Zähnen aufriss. Es entpuppte sich als Desinfektionstupfer.
 

Sasuke sah zu, spürte sanfte Finger, den Druck und ein kräftiges, kühles Wischen entsetzlich nah an viel zu empfindlichen Stellen zwischen Bauchnabel und Leistenband. Ihm wurde heiß und kalt, unter der Bauchdecke knäulte sich ein Bündel von Widerstand.
 

„N-... nicht so schnell! Ich-... ich überleg mir das nochmal!“

„Okay“, Naruto nahm die Spritze zwischen die Zähne, erhob sich und justierte kurzerhand seine Position so, dass das zweite Bein ebenfalls auf dem Sofa war, Sasukes Becken zwischen seinen Oberschenkeln. Er griff abwärts, schickte sich an den Bund der Unterhose abwärts zu streifen und Sasuke war sich sicher, er hätte spätestens jetzt einen Satz vom Sofa gemacht, wenn der blonde Idiot ihn nicht durch pures Körpergewicht festgehalten hätte.
 

„Halt! Geht´s noch, hör auf! Was machst du!“

„Ich will nur den Bund noch ein Stück aus dem Weg haben...“

„Du willst mich begrapschen, gib´s zu!“

„Du würdest doch meine Eier abreißen, wenn ich dich ungefragt begrapschen würde, Mann! Entspann dich! ... Kannst du´s denn selbst mit den Fingern noch ein bisschen runter-...?“

„Ich wette du denkst dir das grade nur aus, du perverser Spinner!“, keuchte Sasuke atemlos.
 

Das Grinsen unter blondem Zaushaar und langen Wangennarben war nur ein kleines Bisschen dunkler als gewöhnlich,

„Glaub´s mir, da würde ich mir ganz andere Sachen ausdenken...“
 

„Muss das ausgerechnet da sein?", klagte Sasuke, "Ich bin da empfindlich...!“

„Hey“, Naruto lehnte sich nach vorn bis ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten und gab ihnen beiden ein paar Momente, um wieder ernsthaft zu werden.

„Ist schon gut...“, wisperte er dann, „Ich bin vorsichtig.“
 

Tief und abschätzend sah er seinem Gast in die Augen. Mit einem leisen Plopp zog er die Schutzkappe von der Nadel, fasste sanft mit zwei Fingern eine Hautfalte an Sasukes weichem Unterbauch. Der zog sich zusammen. Er konnte nicht still halten, er konnte nicht- alles an ihm sträubte sich:
 

„Warte-... warte!“, keuchte er, packte nach seiner Hand.
 

Naruto hielt völlig still.

Ein paar atemlose Momente bewegte sich keiner der Beiden.

Ganz langsam ließ Naruto Sasukes Bauch los, legte weich, unendlich weich seine Hand über die des Anderen und löste mit warmen Fingern und tiefer Zärtlichkeit Sasukes verkrampften Griff. Sanft schob er seinen Arm zur Seite, aus dem Weg und der Uchiha bot keinen Widerstand, keuchte nur leicht, biss in schlimmer Vorahnung seine Zähne zusammen, ließ den Kopf vorwärts kippen.

Ihre Lippen waren sich jetzt ganz nah.
 

„Hey“, wisperte Naruto dagegen, „Vertraust du mir nicht?“
 

Sasuke blinzelte schwach, schüttelte langsam aber entschieden den Kopf.

„Niemandem“, flüsterte er rau zurück.
 

Naruto rieb sanft die Nase an seiner Wange. Ihre Lippen streiften sich nur einen winzigen Hauch.

Sasukes Augenlider flatterten. Er konnte ihn schmecken-... wenn er den Kopf noch ein wenig drehte-... Als seine Hand langsam losgelassen wurde, ließ er sie da, wo sie war. Die warmen Finger an seinem Bauch waren zurück und die Erwartung des Unvermeidlichen bohrte ihm heiße Angst in die Eingeweide- er versuchte sich dagegen zu wappnen, weit weg zu denken, seinen Geist zu verschließen-... und spürte warme, feuchte Lippen auf seinen. Naruto küsste ihn. Es war ein sanfter Kuss, aber ein eindeutiger-... und als Sasuke die heiße Zunge spürte, die seine verkrampften Lippen leicht streifte, ging ihm das Gefühl durch und durch. Er konnte nicht atmen, keinen einzigen Muskel bewegen, nur spüren... seine Augen schlossen sich ganz von selbst. Und den winzigen, hellen Stich irgendwo weiter südlich, nahm er nur noch sehr am Rande war.
 

Langsam, ganz sachte trennten sie sich nach langen Momenten wieder.

Naruto leckte verstolen seine Mundwinkel, starrte abwärts. Sasuke saß immer noch da wie vom Donner gerührt, wie unter einem Bann, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Wortlos wich der Blonde zurück. Ein kleines, metallisches Schnalzen war das Geräusch der Nadelsicherung, die über die gebrauchte Spitze klappte.
 

Sasuke blinzelte langsam, atmete zitternd die Luft aus, von der ihm nicht klar gewesen war, dass er sie angehalten hatte.
 

„Das war´s...“, Naruto fing sich wieder, zupfte peinlich berührt etwas Decke zurück über entblößte Haut und schaffte ein Lächeln, „Und, schlimm?“
 

Der Uchiha schüttelte leicht den Kopf, bevor er es über sich brachte, dem Blick des Anderen wieder zu begegnen.

„... brennt ein bisschen“, meinte er heiser.
 

Naruto schnippte ihm noch eine Haarsträhne aus der Stirn.

„Pussy“, bemerkte er freundlich und bekam dafür nur einen kleinen Moment später Sasukes Fuß in befriedigend sattem Klatschen gegen den oberen Innenschenkel.
 

„Ah!“, jaulte er, „Spinner! Pass lieber auf wo du hinschlägst!“
 

„Tss. So viel kann da doch nicht kaputt gehen...“, Sasuke zog ein gemeines Grinsen.
 

„Arschloch!“

„Du bist immer noch ganz klar zu langsam für mich“, stichelte Sasuke, von dem winzigen, späten Triumph besänftigt.
 

Es war erleichternd zu spüren, dass sich im Grunde nichts zwischen ihnen verändert hatte. Nicht wirklich. Oder doch? Sasuke kratzte verstohlen an der Stelle beim Bauchnabel. Das Brennen war unangenehm-... aber nichts gegen das beunruhigende Kribbeln überall, das ihn erfasst hatte und immer noch keine Anstalten machte, nachzulassen.
 

Er sah dem blonden Chaoten zu, wie er sich beim Versuch, der nächsten- nicht wirklich ernsthaften, mehr Kontakt suchenden- Attacke auszuweichen, das Schienbein am Couchtisch stieß und kläglich fluchte, und schüttelte den Kopf über sich selbst. Die ganzen Jahre hatte er nie eine Antwort auf die "warum er"- Frage gefunden. Es war unerklärlich. Wahrscheinlich war es schwere Geisteskrankheit, die ihn immer wieder zu diesem ganz bestimmten Idioten zurück trieb. "Warum so" war ein ganz neues Thema und er hatte keine Lust darüber nachzudenken... lieber sah er zu, wie die Hosen sich über dem Gesäß spannten, als der Blonde sich vornüber beugte um sein wehes Bein zu reiben.
 

„Zum Glück weiß ich“, keuchte Naruto und sah sich mit einem Tränchen im Augenwinkel zu seinem wehrhaften Gast um, "... dass du eigentlich so gern ein echter Goldschatz sein würdest-... du kommst nur so selten dazu! Auch wenn du nicht weißt, dass du es weißt- keine Sorge: Ich weiß es!"

„Ach ja?“, Sasuke schnaubte spöttisch, "Du redest so einen Müll wenn der Tag lang ist..."
 

„Was denn! Wenigstens einer von uns muss Vertrauen haben, oder? Sonst funktioniert einfach nichts... ich vertraue hiermit offiziell dem guten Kern von dem du nicht glaubst, dass du ihn hast- lege mein Leben in deine Hand, wenn ich heut abend hier übernachte- und vertraue darauf, dass du mich nicht im Schlaf erwürgst, Herr Uchiha!“
 

Sasuke grinste.

„Du und dein Optimismus.“
 

Naruto warf die Spritze mit einer geübten Bewegung aus dem Handgelenk zielgenau in den Müll.

"Echt jetzt", schnaufte er, aber es klang zufrieden, "Hatte ich übrigens schon erwähnt, dass du die jeden Tag kriegst?"
 

Sasukes Grinsen erstarb.

Seine Augen wurden weit und beunruhigt, die Schultern sanken, eine Ahnung von Schweißperlen erschien an seinen blassen Schläfen:
 

"Was?!"
 

~
 


 

_____________________________________
 

AUTORENKOMMENTAR:
 

.... endlich xD

Der Tod und das Mädchen (Sai, Sakura)

~
 

Er sah ihr beim Schlafen zu. Ihre Lippen waren leicht geöffnet. Wenn er die Finger ausstreckte, und langsam über ihr Gesicht bewegte, konnte er den warmen Luftzug spüren, der die Schlafenden von den Toten unterschied.
 

Erstaunlich, dass sie es überhaupt fertig brachte zu schlafen. Gut, die Medikamente die sie bekam, waren sicher daran nicht unbeteiligt. Aber im ersten Moment, als sie ihn mit diesem weiten, entsetzten Blick angestarrt hatte, hätte er darauf wetten können, dass sie ihn nicht aus den Augen lassen würde, so lange er hier war.
 

Und auch wenn ihn ihre Begrüßung ein wenig enttäuscht hatte- er hatte es verstanden. Ein verletztes Reh machte keinen Unterschied zwischen Wilderer und Wildhüter. Aber das Verhalten von Tieren war so viel leichter vorherzusehen, als das Verhalten von Menschen.
 

Und weibliche Menschen hatte er immer besonders bizarr gefunden.

Keins seiner Bücher hatte ihn darauf vorbereitet, dass ihre Todesangst sich im Bruchteil einer Sekunde in Aggression wandeln, und sie ihm zuflüstern würde:
 

„Dann bring mich doch um, wenn du willst!“
 

Sie hatte noch eine Bezeichnung für ihn benutzt, die wahrscheinlich eher ein Schimpfwort als ein Spitzname war, auch wenn er den Unterschied zwischen beidem immer noch nicht ganz verstand.
 

Und dann hatte sie- vorsichtig- versucht, sich von ihm weg, auf die andere Seite zu drehen. Sie hatte den Kopf ins Kissen gelegt und die Augen geschlossen, als würde sie sich abschotten wollen von seinem Anblick und allem, was dem noch folgte.
 

Nichts Böses sehen. Nichts Böses hören.
 

Nichts Böses sagen.
 

Irgendwann im Laufe des Vormittags war jemand von der Polizei vorbei gekommen, der sein Glück versuchen wollte. Aber auch dort hatte sie stur geschwiegen. Es war die einzige Art, auf die sie noch eine gewisse Macht ausüben konnte, die wirkungsvollste Waffe, die ihr geblieben war. Totalverweigerung, wenn jeder von ihr erwartete, das gebrochene, willige Opfer zu sein.
 

Den größten Ärger und die heftigste Irritation in ihrer Umgebung erreichte sie dadurch, gar nichts mehr von sich zu geben, und damit hatte sie wirklich Erfolg.

Es war keine besonders kluge oder logische Entscheidung. Es war ein Impuls aus naiver, egoistischer Sturheit, aber vielleicht machte sie genau das so... er legte seinen Kopf schief ohne den Blick abzuwenden-...
 

… interessant...
 

Sai musste zugeben, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihren erstaunlichen Dickkopf unter der breiten Stirn irgendwie anzuerkennen. Natürlich war sie in diesem kleinen Spiel am unteren Ende der Nahrungskette, aber durch ihre schlichte Weigerung, sich weiter den Regeln der Anderen zu unterwerfen, schaffte sie es, zumindest für kurze Zeit, für etwas Aufregung und Turbulenzen zu Sorgen.
 

Als sie ihm das erste Mal bei seinem mehr oder weniger zivilen Beobachtungsstandort vor die Füße gefallen war, hatte er nicht erwartet, dass ihn auch seine heimliche Zweitbeschäftigung wieder in ihre Nähe bringen würde. Der Sexshop war ein perfekter Ort für Verhaltensstudien aller möglichen und unmöglichen Auswüchse der Spezies Homo sapiens. Ein gemütlicher Hochsitz, von dem aus man einen guten Überblick hatte, und in dem es ihm nach all der langen Zeit so gut gefiel, dass er beinahe selbst vergessen hatte, dass er auch noch etwas anderes war, als Verkäufer und Comiczeichner. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass jemand erschreckt von Halluzinationen bei ihm Zuflucht gesucht hatte, nur um sich dort noch mehr zu erschrecken. Was die Drogen nicht an Schreckensbildern aus dem Unterbewusstsein wühlten, schafften die Kombination aus Alkohol, Schlafmangel und bizarrem Sex.
 

Erst im Nachhinein hatte er über ihre Geschichte gegrübelt.

Jemand mit einer Sense, hatte sie gesagt. Die Aussage war allgemein genug, um jedes mögliche Schreckensbild des Todes zu sein, wie es seit dem Mittelalter in den Köpfen- und seit der jüngeren Vergangenheit in kleinen Programmkinos - herumspukte. Auch der irre Blick in den Augen war eine vage Information, vage genug, um ihr keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Etwas anderes hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Die Haare...
 

… nach hinten gekämmt und grau, hatte sie gesagt...
 

Und irgendetwas in den Tiefen seiner Hirnwindungen reagierte auf dieses Detail, aber noch lange nachdem er sie nach Hause begleitet hatte, wusste er nicht, was es war. Erst später- viel später, zu spät- als sein spezielles Handy geklingelt hatte, war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen.

Es war Hidan.
 

Schon Jahre her, seit er das erste Mal die geheimen Aufzeichnungen über ihn gelesen hatte.
 

Seine genaue Herkunft und sein Alter waren unbekannt. Sein Äußeres schien natürlich zu sein und die einzige Vermutung wie das Erscheinungsbild zustande gekommen sein konnte, war eine seltene und unvollständige Form des Albinismus, die sich in grauen Haaren und dunklen, rubinroten Augen zeigte. Vergleichbare Fälle von Genmutationen gab es im Tierreich, bei Nagetieren oder Reptilien, aber bisher waren keine Fälle bei Menschen bekannt. Zumindest nicht, soweit er wusste. Das war die erste Merkwürdigkeit, die ihn faszinierte...

Das zweite war seine Zugehörigkeit: über Hidans frühe Vergangenheit konnte nämlich nur gemutmaßt werden. Vermutlich hatte er schon in frühem Alter angefangen zu morden, vermutlich hatte er wie viele seiner Art an Tieren "geübt", bevor er sich auf menschliche Opfer spezialisierte... Seine Taten zeigten die typischen Merkmale eines Serienkillers- das Auswählen des Opfers und die Jagd, die Morde selbst, die er mit stark rituellem Charakter beging, die Art wie er auch seine Tatorte hinterließ: typisch waren der Kreis und darin ein gleichschenkliges Dreieck aus Blut auf dem Boden...
 

Sai mochte dieses Zeichen irgendwie- Auf eine völlig wertfreie Art und Weise natürlich, jenseits von Moral und Verstand-... es war so wunderbar schlicht und symmetrisch.
 

Er wusste aber außerdem, dass Hidan nie allein und ziellos herumtollte. Interessanterweise schien er so gar nicht richtig zu funktionierten- er war längst ein Werkzeug, ein abgerichtetes Monster: Der Höllenhund von Akatsuki.

Und er war nie lange ohne einen Herrn unterwegs...
 

Als er die Information bekommen hatte, dass es Grund zur Annahme gab, dass Akatsuki in die Stadt vorgedrungen sein könnte (sie verwischten ihre Spuren gut, aber stille Späher waren sehr aufmerksam), war ihm klar geworden, dass es nur noch wenig Hoffnung für das flachbrüstige, seltsame Mädchen mit dem rosa Haar und den erschrockenen Augen gab.

Er hatte sich vorgestellt, wie sie unter Hidans Sense gestorben war, und der Gedanke war merkwürdig... unangenehm gewesen.
 

Kurz darauf hatten sich die Ereignisse überschlagen:

Hidan war in voller Aktion gesichtet worden, bei einer alten Fabrik, vor einer Menge von Polizisten- was für ein atemberaubender Anblick das gewesen sein musste.
 

Wie einem weißen Hai auf offenem Meer beim Springen zuzusehen.
 

Und Opfer waren aufgetaucht: Eins davon-... das rosahaarige Mädchen- lebend, was eine mittlere Sensation war. Natürlich hatte er sich sofort an ihren Namen erinnert. Er vergaß äußerst selten irgendetwas. Und natürlich hatte er sich sofort freiwillig gemeldet, als es darum ging, sie zu überwachen.
 

Man ging davon aus, dass sie früher oder später zurück kommen konnten, um sie vollends zu töten, und andererseits hatte sie womöglich interessante Details mitbekommen, die wertvolle Hinweise lieferten...
 

Sai brannte einerseits nach der langen Zeit seines Trainings und der erzwungenen Ruhe auf einen wirklichen Einsatz- immerhin war der Gegner einer von Akatsuki! Der Nervenkitzel, den es brachte, sich mit ausgerechnet ihm anlegen zu dürfen, war mit keiner Trainingssimulation vergleichbar.
 

Und andererseits...
 

… er warf noch einen Blick auf ihr Profil, während sie ruhig atmete und die Augen geschlossen hielt.
 

Er hatte es interessant gefunden, sie wieder zu sehen...

Wenn er ganz ehrlich war, hatte er sich sogar ein wenig auf die Begegnung gefreut. Dass sie jetzt glaubte, er hätte etwas mit ihren Peinigern zu tun, war vielleicht absehbar gewesen. Irgendwie, im weitesten Sinne, hatte sie ja sogar Recht damit.

Aber bei all der Mühe, die er sich damit gegeben hatte, höflich zu sein und sie zu beruhigen hatte er gehofft, dass sie vielleicht... er war sich nicht sicher-... irgendwie anders war...?
 

Nunja, vermutlich - war- sie ja anders. Sie hatte einem der berüchtigtsten Menschen in die Augen geblickt, und... lebte noch. Er brachte sie nur nicht dazu, etwas von dieser Andersartigkeit mit ihm zu teilen...
 

Der Mann, der sich Sai nennen ließ, seufzte lautlos und ließ die Schultern hängen. Seine sozialen Fähigkeiten waren nun einmal leider- und das war ihm selbst klar- katastrophal schlecht. Sie wollte nicht mit ihm reden. Lieber sprach sie anscheinend mit niemandem mehr, und bei dem was passiert war, konnte man es ihr kaum verübeln.
 

Jetzt schlief sie also- oder tat so als ob- und die dunkle Bedrohung ließ auf sich warten. So lange Sai neben dem Krankenbett Wache hielt tauchte niemand bei ihr auf. Nicht einmal die Spur einer Bedrohung konnte man entdecken.
 

Nach ein paar Stunden hatte Sai angefangen, auf einen Kampf zu hoffen. Es war entsetzlich langweilig am Bett einer Kranken zu sitzen die einfach nur schlief. Seine feinen Instinkte hatten zwar den ganzen Vormittag keine Entwarnung gegeben, aber die Butterfly- Messer unter seiner dünnen Jacke, die kleinkalibrige Waffe mit Schalldämpfer, waren nicht zum Einsatz gekommen.
 

Die bedrohliche Präsenz mit der er rechnete- die er in seinem Kopf beschwor, näher zu kommen, auch wenn ihm klar war, dass er in Telepathie nicht besonders begabt sein konnte- wagte sich nicht in unmittelbare Reichweite.

Er hatte zwar das Gefühl, dass etwas ums Krankenhaus herum schlich und die Kreise enger zog- einmal, als er sich einen dieser eingeschweißten Kuchen holte, glaubte er aus den Augenwinkeln heraus zu sehen, dass jemand mit verdächtig bulliger Statur, die Kaffeekannen im Flur austauschte. Jemand lag auf der Lauer und hoffte auf seinen Auftritt, kein Zweifel...
 

Der Hai umkreiste die Rettungsinsel.
 

Aber er tat dem jungen Mann, der sich Sai nennen ließ, nicht den Gefallen, in voller Pracht zu erscheinen. Und das war nur für sehr kurze Zeit amüsant. Dann wurde das Spielchen frustrierend. Auch offensichtliche Nachlässigkeit, zum Beispiel seine Entscheidung, zwischendurch zur Toilette zu gehen und sich viel Zeit mit dem Händewaschen zu lassen, konnte ihn nicht mehr anlocken. So wenig schlau sein Gegner auch sein mochte, er hatte offenbar gute Instinkte, die ihn davon abhielten, einem Jäger direkt in die Falle zu laufen, und es zu früh und zu unüberlegt auf ein Kräftemessen ankommen zu lassen.
 

Nunja...

Im Grunde brauchte er nicht wirklich dringend die Informationen. Wahrscheinlich wusste sie sowieso nicht viel. Aber dass sich jetzt gar nichts tat...?
 

„Komm raus, komm raus“, summte er vor sich hin, als er vor dem Fenster des Krankenzimmers stand und die Lamellen der Jalousie mit zwei Fingern auseinanderschob, „Wo immer du auch bist...“
 

Hidan konnte eine großartige Trophäe abgeben. Aber sein Partner- wahrscheinlich Kakuzu- war nicht zu vergessen... er war der Gefährlichere von Beiden. Sie waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur die Vorhut für eine Macht, mit deren Bekämpfung sich seine ganze Ausbildung- im Grunde sein komplettes Leben- beschäftigt hatte.
 

Es war essentiell, so schnell und sauber wie möglich mit ihnen fertig zu werden, bevor mehr passierte.
 

Und im Moment, jetzt gerade, war es kaum auszuhalten nur hier zu warten, ein wenig zu zeichnen und ein paar Äpfel zu schnitzen, die sie nicht essen würde.
 

Unvollständiger Albinismus...

Die Sense...

Ruby Eyes...
 

Sein Assoziationsgedächtnis ratterte. Wieder beobachtete er ihre Lippen. Wie die Augenlider ein wenig flatterten. Es gab einen großartig hypnotischen Song von den Smashing Pumpkins. Thru The Eyes Of Ruby... er erinnerte sich sogar an den Text.
 

Wrap me up in always, and drag me in with maybes

Your innocence is treasure, your innocence is death

Your innocence is all I have

Breathing underwater and living under glass

Forever lost inside ourselves...
 

„The night has come...", flüsterte er ihren geschlossenen Augen zu, "... to hold us young."“
 

~

A Friend in Need (Team Shikamaru, Kankuro)

~
 

„Hey Chouji.“
 

An der Theke des kleinen Familienrestaurants war die Luft dampfig. Es roch nach Frittiertem, nach Fleisch, Knoblauch, Ingwer und Soyasauce. Shikamaru winkte dem schwer beschäftigtem Mann mit den vollen Wangen, dem runden Gesicht und der weißen, bauschigen Mütze auf dem Kopf, der vor den Augen der zahlenden Kundschaft Garnelen über heißes Metall schlittern ließ.
 

Auf den Ruf hin hob er den Blick und ein Strahlen erhellte die Miene. Er winkte zurück. Ein, zwei gekonnte Schlenker aus dem Handgelenk, die das Essen dazu brachten Saltos zu vollführen-... dann schob er das Ergebnis auf einen Teller zum Anrichten und reichte es an seine Kollegen weiter.
 

„Hey, Shikamaru!“
 

Ihre Handflächen trafen sich über der Holzplatte der Theke, ein kräftiger Händedruck.
 

„Schwer beschäftigt, wie man sieht?“
 

Chouji wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Schläfe und zog sein breites Lächeln:

„Du sagst das, als wäre es was Schlechtes?“
 

„Kennst mich doch“, Shikamaru musste selbst grinsen, „ich könnte deinen Job niemals machen.“
 

„Was für ein Glück, sonst wär ich ja arbeitslos!“
 

„Heh, wenn man´s so sieht... hey, habt ihr immer noch diese Spezialitäten-aus-aller-Welt-Karte?“
 

„Zur Zeit ist mexikanische Woche, also...“ Der Koch hob eine Schulter.
 

„Perfekt, dann hätte ich gern eine Tüte voll von diesen Churros mit Karamell- Füllung.“
 

„Kommt sofort, Kumpel." Chouji strahlte sein ansteckendes Grinsen und Shikamaru atmete etwas auf, rieb seinen schmerzenden Nacken, als er den Blick durch den Gastraum schweifen ließ. Er fühlte sich nach der Nacht wie durch den Fleischwolf gedreht. Jeder Muskel tat weh und eigentlich wäre er noch viel lieber als sonst einfach liegen geblieben. Warum verdammt nochmal war sein Freund auch ausgerechnet jetzt außer Landes? Er hatte diese besondere Technik von-... irgendetwas mit Chakra- Druckpunkt- Massage... Mmmmmh...
 

Heute wäre ein sehr guter Tag dafür gewesen, ihn mit jammervollen, bedürftigen Kurznachrichten zu nerven, bis er endlich geantwortet hätte, dass sie sich in einem Hotel treffen konnten... oder, noch besser, bis er direkt zu ihm nach Hause gefahren wäre. Er selbst hätte sich keinen Zentimeter vom Sofa bewegen müssen. Na gut, vielleicht noch vorher zum Duschen. Und dann... mmmh... hätte er alle Viere von sich gestreckt und einfach darauf vertraut, dass Neji sich gut um ihn kümmerte. Was der ja ausgesprochen gerne tat. Es war also gewissermaßen eine win-win-Situation!
 

Vielleicht, nur vielleicht, wäre sogar ein Gute-Besserungs-Blowjob drin gewesen-... und verdammt- er hatte an dieses Gerücht, von wegen dass Männer besser blasen konnten, nie geglaubt, bis Neji sich das erste Mal intensiver um ihn "gekümmert" hatte... auch gestern hatte er ja eine kleine Kostprobe seiner phänomenalen Fähigkeiten gegeben, aber was er meinte war ein anderes Mal-... dieses Mal, als sie beide ein bisschen Wein getrunken hatten und Neji nur ein kleines Bisschen beschwipst gewesen war-... nicht so viel, er vertrug einfach nur so verdammt wenig-... der Abend hatte mit ihnen Beiden knutschend auf dem Sofa geendet, und Neji hatte unter Beweis gestellt, dass er mit sehr viel deutlicherer Hingabe und Leidenschaft oral in Aktion treten konnte als er... sich normalerweise von hinten beglücken ließ. Mmmh... das war kurz vor ihrer ersten, gemeinsamen Nacht gewesen, und vielleicht war es nicht fair, seine Vergleichsmöglichkeiten zu verallgemeinern, aber-... Nejis Blowjobs waren außergewöhnlich. Er fragte sich immer noch, wie jemand, der so zugeknöpft und verklemmt wirkte wie der Hyuga so versaute Techniken drauf haben konnte, wenn er in die richtige Stimmung kam.
 

Die Stimmung hier jedenfalls half seinen Kopfschmerzen überhaupt nicht: Viel Kundschaft. Kleine Kinder rannten um Plastiktische, zerrten an Kunstpalmen. Eins heulte, das ganze Gesicht voll mit Schnodder und Tomatensauce. Oh Mann... Was ihn daran erinnerte, dass Kinder extrem stressig waren. Wahrscheinlich war er doch besser daran, sich nicht fortzupflanzen.
 

Er würde sich irgendwann damit zufrieden geben, dass sein Partner eine von diesen diesen mopsgesichtigen Sofaratten in die Beziehung bringen würde, die sich „Prinz Poochie vom Rosengarten“ oder „Amalia aus der Parkstraße“ nennen ließen. Allein beim Gedanken daran konnte er ein ironisches Grinsen nicht ganz verkneifen. Das würde ihm vermutlich ähnlich sehen...
 

Wo doch jeder wusste, dass ein echter Hund erst ab einem halben Meter Schulterhöhe anfing...

Was Kiba hatte- das war ein richtiger Hund! Wenn es nach ihm ginge, würde er irgendetwas kräftiges, robustes vorziehen... ein Viszla... sein Vater schwärmte für diese Rasse... ein Setter... oder ein Schäferhund...
 

Moment mal-... Ein Schäferhund?
 

Und Sekunde- das Alarmsignal in seinem Kopf, das den Gedanken gestoppt hatte, brachte ihn dazu, auch gleich in übler Vorahnung an sich herunter zu blicken:
 

Wie jeden Morgen hatte er sich aus dem Fundus von noch-nicht-allzu-stinkigen Klamotten das erstbeste herausgegriffen: Eine kurze Funktionsweste in Army-Grün, darunter eins von diesen unglaublichen, schwarzen Netz-Tops, das normale Leute nur in Schwulenclubs trugen-... eine dreiviertellange Hose in Tarnfarben, und-... er schlug sich stöhnend die Hand vor die Stirn- natürlich wieder die verdammten Springerstiefel, die er schon viel zu gewohnt war!
 

Er war tatsächlich eine wandelnde Wichsvorlage für jeden mit Militär- Fetisch, und das nicht nur ganz aus Versehen, sondern auch noch vollkommen ungewollt! Er durfte nicht einmal daran denken, dass er auch noch einen großen Hund haben wollte! Wie konnte das sein?

Er war ganz sicher nicht irgendwie dominant und auch nicht andeutungsweise an der Sache interessiert, und irgendwie-... irgendwie musste er das auch ganz schnell seinem Freund klar machen, sonst kamen sie damit noch in Teufels Küche!
 

Sobald er mit seinen Terminen heute fertig war, würde er Birkenstocksandalen kaufen gehen!
 

Und dann-...
 

Er seufzte ergeben und ließ die Schultern sacken.

„Stressig“, murmelte er, während er sich gedankenverloren in der Frisur kratzte. In diesem Moment gellte ein schriller Schrei durch den Gastraum.
 

„Shikamaru!“
 

Er zuckte zusammen. Sein Name in dieser Tonlage gebrüllt, konnte zwei Dinge bedeuten: Mutter oder Ex- Freundin, und er hatte sich noch nicht entschieden was schlimmer war. Jedenfalls war es ein konditionierter Reflex, sofort Deckung zu suchen und auszumachen, aus welcher Richtung der Feind kam- ah, von der Treppe-... und es war Ino.
 

Der Blick in ihren Augen flackerte seltsam, sie hatte rote Flecken im Gesicht als ob sie geweint hätte. Sämtliche Gäste ignorierend marschierte sie auf ihn zu, baute sich vor ihm auf, holte tief Luft-... was ihre Oberweite noch mehr hervorhob- sein Blick sank automatisch eine Etage tiefer-, und gab ihm eine klatschende Ohrfeige...

„Du Arsch!“, brüllte sie ihn an.
 

„Was-...?! Was hab ich denn gemacht?“, protestierte er und hielt sich die schmerzende Wange.
 

„Hallo, Sakura ist im Krankenhaus?! Vor zehn Minuten hat die Intensivstation angerufen, dass sie mich als Kontaktperson angegeben hat! Ich soll ihr das Nötigste vorbei bringen! Warum hast du nichts gesagt?! Du hattest doch Dienst gestern Nacht, oder nicht?!"
 

„... Oh.“, gab er wenig hilfreich von sich.
 

„Du Arschloch", sie schluchzte, "du musst doch was gewusst haben! Ihr wisst immer was! Warum hast du mir nicht gleich Bescheid gesagt?! Wolltest du, dass ich mich nicht aufrege?! So ein Schwachsinn! Sie wollten mir nicht am Telefon sagen was los ist! Um Himmels Willen-... sie hat sich doch nichts angetan, oder?“
 

„Wie... kommst du denn darauf?", stammelte er schwach.
 

„Ich-... sie hat es-... oh Gott, ich mach mir solche Vorwürfe!“, Ino raufte sich verzweifelt die Haare, „Sie hat sowas angedeutet-... und ich hab sie nicht wirklich ernst genommen! Ich meine, ich wusste dass sie Probleme hat, aber-... oh Gott, Shikamaru!", ihre Augen waren voller Tränen, „Was, wenn das alles meine Schuld ist? Ich hätte ihr sagen sollen, dass sie bei mir übernachten soll, dann wäre das alles nicht-“
 

„Hey... Nein, warte. Das ist doch Blödsinn...“

Sein Blick traf den Choujis hinter der Theke, der die Churros in eine Papiertüte füllte und ähnlich hilflos aussah.
 

„Daran ist niemand schuld, okay?", beteuerte er. „Manche Dinge...", er fuchtelte nach Worten ringend mit einer Hand in der Luft herum, "passieren einfach.“

„Wie kannst du das sagen?!", fauchte sie, "Ich hätte mehr auf sie aufpassen sollen...“
 

„Wenn du bei ihr gewesen wärst, wär dir vielleicht auch was passiert! Sind wir doch einfach froh, dass sie noch mal davongek-... ah... ich meine-...“

Er verstummte.
 

Ino wurde sehr still, ihr Blick bohrte sich in seinen.

„Shikamaru, Nara!“, drohte sie leise, „Du weißt was und du sagst mir jetzt sofort, was passiert ist!"
 

„Ähh, Schweigepflicht?“
 

„Schweigepflicht?!“, ihr Gesicht verzog sich in eine wütende Fratze, „Meine beste Freundin wär fast gestorben und alles was du von dir gibst ist: „Schweigepflicht“?! Wie kannst du so kaltschnäuzig sein? Eine scheiß- SMS hätte ausgereicht, dann hätt ich frei nehmen können und nicht meiner Mutter versprochen bei einer Achtzig-Leute-Hochzeitssaaldeko zu helfen! Du wusstest, dass ich ihre beste Freundin bin!"
 

"Hey-... Ich hatte gestern Nacht wirklich andere Sorgen, als dir eine SMS zu schreiben, weißt du! Es war -wirklich- stressig, okay? Ich weiß, das sage ich oft! Aber gestern Nacht-... das war ein völlig anderes Level, verstehst du?! Das hat die Stress- Skala komplett gesprengt!"
 

"Du bist ein beschissener, emotionsloser Wichser! Das muss vorübergehende Geisteskrankheit gewesen sein, als ich dich mal toll fand! Ich fahre jetzt zu Sakuras Wohnung und schau mal, ob ich Pyjamas und Unterwäsche finde! Und dann gehe ich zu ihr ins Krankenhaus!"
 

„Ino?“ Chouji hinter der Theke sah schrecklich besorgt aus.

„Ist schon gut. Ich bin okay", behauptete sie mit belegter Stimme. Sie gab sich einen Ruck, um zur Theke zu gehen, sich darüber zu lehnen und ihm einen raschen Kuss zu geben, „du arbeitest weiter- ich ruf dich später an, Schatz." rasch wischte sie sich mit der Handkante die übrigen Tränen weg.
 

„Fahr nicht selbst, wenn du so durcheinander bist!“, rief er ihr hinterher.

„Tu ich nicht, ich nehm die U-Bahn. Ich texte dir, wenn ich da bin.“
 

Shikamaru stand da wie betäubt und sah ihr zu, wie sie in Richtung Ausgang stöckelte-

hellblondes, langes Haar in hohem Pferdeschwanz, kurzes Kleid, Riemchensandalen, lange Beine...
 

Und plötzlich sah er wie in einer Vision üble Vorahnungen davon, wie Ino in einem schmutzigen U- Bahn- Waggon hinunter in zwielichtige Viertel fuhr... Wie sie einen graffittibeschmierten Hochhauskomplex betrat, mit dem Fahrstuhl nach oben fuhr, wie in den Schatten des leeren Gangs etwas dort auf sie wartete-... Etwas mit einer Sense, das hinter ihr auftauchte, sie von der Zimmertür bis ins Treppenhaus jagte- wie die Sense auf ihre panisch schreiende Gestalt herunterfuhr und rubinrotes Feuerwerk aufplatzte: erst an ihrem linken Bein um sie am Rennen zu hindern... dann an dem Arm, den sie ausstreckte, um sich zu schützen, dann im Gesicht-... und dann, zuletzt, wie das Ding sie auf blutiger Schleifspur wimmernd und zuckend außer Sichtweite zog-...
 

„... Warte!“, stieß er hervor.
 

Sie blieb wie angewurzelt stehen, stemmte eine Hand in die Hüfte und drehte sich augenrollend zu ihm um:
 

„Was?!“
 

Der Nara schluckte.

„Du... uhm... solltest allein nicht dorthin gehen. Bring ihr... doch einfach was von dir mit?“
 

Sie schnaubte:

„Wovon redest du, huh?!“
 

„... Wirklich“, Shikamaru spürte eine flaue Übelkeit, „Du solltest nicht zu der Wohnung gehen. Wer weiß, wie die... naja... aussieht.“
 

„Wenn´s um das rosa Schneckchen redet, hat er Recht!“ Jemand polterte durch den Eingang, eine bullige, schwerknochige Gestalt mit zerzaustem, dunkelbraunen Haar, zu breitem Grinsen und verschlagenen, kleinen Augen. In Zivil war er fast nicht wieder zu erkennen- er tippte sich beim Blick auf Shikamaru zur Begrüßung mit zwei Fingern an die Stirn und nickte ihm zu,
 

„Das gibt’s doch nicht, muss ich deine hässliche Fresse jetzt etwa auch noch in meiner Freizeit sehen, Nara?“
 

„Kankuro!“ Shikamaru war seltsam erleichtert von seinem Anblick.

Ino dagegen wich angewidert auf Abstand.

„Was-... soll denn das heißen?“
 

Der große Sabaku hob eine Schulter

„Tja, die Wohnung von dieser, wie heißt sie gleich? Mit den rosa Haaren? Ist ein Tatort. Muss echt wild da aussehen, ist noch alles abgesperrt. Im Moment kommst du da auf keinen Fall rein. Frag mich eh, ob das alles wohl in der Wohnung passiert ist... und die Preisfrage: warum ist sie nicht auch so ein Puzzle für Fortgeschrittene, wie diese Anderen, die ihr gefunden habt?“
 

Ino wurde blass wie ein Leichentuch.

„I-... ich-...“, sie warf einen letzten, fassungslosen Blick zu Shikamaru und gestikulierte dann schwach zur Tür, „Ich... ruf dich später an, Chouji.“

Damit taumelte sie über die Schwelle und war einen Moment später verschwunden.
 

Shikamaru rollte die Augen in Kankuros Blick.
 

„Wirklich...? Hast du nicht auch sowas wie absolute Schweigepflicht, was ungelöste Fälle angeht?“
 

Der Andere zuckte die Schulter.

„Jah, aber findest du´s nicht auch irgendwie geil, wenn sie so angewidert gucken?“
 

Shikamaru warf ihm einen ernüchterten Blick zu:

„Das Opfer ist ihre beste Freundin, Mann. Wenn ich schon unsensibel bin, was bist dann du?“
 

„Wer ich bin? Der Schrecken, der die Nacht durchflattert?"

„Nicht lustig. Alter-... das ist echt geschmacklos."

Kankuro hob die Schultern noch einmal.

„Das Leben ist nunmal echt geschmacklos! Kann ich vielleicht was dafür? ... Was für ein Stress übrigens, Mann! Wegen eurem Biomüll haben wir heute eine beschissene Sonderkonferenz! Jeder, der nicht in appetitlichen hundert- Gramm- Stückchen im Kühlschrank liegt muss antanzen, egal ob er eigentlich frei hätte. Weißt du, wie mich das ankotzt? Ich hab vielleicht zwei Stunden geschlafen! Bevor ich da rein gehe, brauch ich was zum Kaffee, das meinen Blutzucker auf Touren bringt!“
 

Shikamaru reichte ihm wortlos seine Churros- Tüte.

Kankuro nahm sie ihm mit erstauntem Blick ab.

„Guter Mann!“, bemerkte er anerkennend.
 

„Kann ich mit dir mitkommen?“, Shikamaru schob die Hände tief in die Hosentaschen, „Ich dachte, hilft euch vielleicht, wenn ich noch eine Aussage mache, also... je eher ich das hinter mir habe, desto besser... irgendwie ist das so ein blödes Gefühl...“

Kankuro vertilgte mit genüsslichem Schmatzen das erste Stück.
 

„Keine Panik. Die werden schon was von dir übrig lassen. Du stehst unter meinem persönlichen Schutz, verstanden?“ Seine fettigen Finger angelten sich das nächste Stück aus der Tüte.
 

"Ach ja?"

Shikamaru beobachtete ihn von der Seite,

„Meinst du das ernst?“
 

„Mmh-... hey... du bist meine persönliche Lieblingszecke. Das bedeutet, nur ich darf dich niederknüppeln. Na gut, abgesehen von vielleicht meiner Schwester... mein Beileid übrigens nochmal, wobei ich sagen muss, dass mir ihre jetzige Wahl besser gefällt."
 

„Du bist so ekelhaft..."

„Und du huldigst der Macht des Gesetzes mit kalorienhaltigen Opfergaben! Natürlich mein ich das ernst, Mann. Eine Hand wäscht die Andere. So läuft das... lass mich machen, das ist eine viertel Stunde Routine...“
 

Shikamaru nickte langsam.

„Ich verlass mich auf dich.“
 

Kankuro schmatzte.

„Dein Freund und Helfer, Mann!"
 

~
 

Tatsächlich war es schneller vorbei als befürchtet. Er wurde in einen Raum gebracht, ein junger Polizist- womöglich frisch von der Ausbildung- ließ ihn seine Version der Geschichte erzählen und tippte artig ein Protokoll.

Vermutlich war nichts Neues dabei. Aber sie waren zufrieden, schüttelten ihm die Hand, nickten ihm freundlich zu. Er wurde entlassen und nutzte die Ausläufer seiner Glückssträhne, um so schnell wie möglich im Krankenhaus vorbei zu schauen. Dort war das Gespräch weniger angenehm.
 

Nicht nur sein Personalchef- der Krankenhausleiter persönlich war zur Konferenz mit ihm angetreten, ein humorloser Mann mittleren Alters mit blitzender Brille und kurzem, silbernen Haar. Er stellte präzise Fragen, wie Pfeile in wunde Punkte, und es schien ihm zu gefallen, wie sein Angestellter sich dabei auf dem unbequemen Holzstuhl wand.
 

Ob er sich vorstellen könne, auf einen wie viel stelligen Betrag ihn das Krankenhaus verklagen dürfte? Ob er generell der Auffassung sei, Krankenhauseigentum würde ihm gehören, sobald er außer Sichtweite war? Ob es gängige Praxis gewesen war, just aus Spaß an der Freude herumzufahren und Benzin zu vergeuden, statt vorschriftsmäßig zu warten, bis ein Auftrag kam?
 

Shikamaru war ein mickeriges, eingeschüchtertes Häufchen Elend, als der Mann mit ihm fertig war und er endlich gehen durfte. Die Entscheidung, wie in seinem Fall verfahren werden sollte- insbesondere was gerichtliche Schritte betraf- würde einige Wochen beanspruchen, meinten sie. Erst dann konnte ein Urteil gefällt werden. Perfide Taktik, ihn darüber im Ungewissen zu lassen, was die Zukunft noch Schlimmes bereit halten würde...
 

An der frischen Luft brauchte der Nara daraufhin erst einmal eine Zigarette.
 

Das war nicht mal mehr einfach nur stressig, das war-... eine mittlere Vollkatastrophe, denn natürlich hatte er kein Geld.
 

Im Nachhinein konnte er selbst nicht mehr sagen, was ihn geritten hatte, als er Narutos Drängen nachgegeben hatte und einfach hinterher gefahren war. Wie konnte man nur so dumm sein? Wie konnte er je auch nur eine Sekunde geglaubt haben, dass das keine üblen Konsequenzen nach sich zog?
 

Nur ein kleines, wisperndes Stimmchen im Hinterkopf behauptete weiterhin, dass es alles halb so schlimm gewesen wäre, hätte er nicht die Kontrolle über den Wagen verloren. Hätte dieser Irre ihm nicht die Windschutzscheibe zerschlagen. Wäre ihr treues, altes Gefährt nicht umgestürzt.
 

Auf dem direkten Weg zum Schrottplatz hatte er nur einen einzigen Gedanken, der ihn etwas aufheiterte- oder ihm zumindest ein zynisches Grinsen abrang: sein Outfit war in dem Fall leider komplett nutzlos gewesen. Es hatte den Klinikchef nicht dazu bringen können, sich spontan vor ihm auf den Boden zu werfen und ihm die Stiefel zu küssen. Schade aber auch... In dem Fall zumindest...

Shikamaru hatte das Gefühl, dass allein der Blick seines Chefs seine Eier auf Rosinengröse hatte zusammenschrumpeln lassen. Er brauchte dringend etwas, das ihn wieder entspannte...
 

Tief ausatmend hob er den Kopf in den leichten Wind.
 

Er nahm noch einen Zug von der Zigarette, bevor er sie in den Rinnstein schnippte und mit tief in die Hosentaschen geschobenen Händen die Straße entlang schlenderte, auf direktem Weg zum Schrottplatz.
 

Die Luft war frisch, selbst in dieser Gegend, wo lange Betonmauern sich an breite, graue Asphaltstraßen drückten. Schließlich sah er das Tor vor sich. Es unterbrach einen gut drei Meter hohen, von Holzplatten und Wellblech verstärkten Drahtzaun. "Welcome to Hachibi Island", stand dort in rot- schwarzer, dicker Graffitti- Schrift quer darüber, verziert von einer Pracht aus gesprayten Hibiscusblüten, bunten Vögeln und beschuppten Reptilien. Irgendwo, aus unsichtbaren Boxen dahinter, drang leise Rap- Musik...
 

~

Ein bisschen Bee

~
 

Der Rest der Geschehnisse dieses Tages war schnell zusammengefasst: der Mann mit der Figur wie ein Prowrestler und der caramellbraunen Haut, lud Shikamaru rappend und reimend ein zu ein bisschen mehr Love, Peace und Harmonie mit dem Kosmos und erklärte, dass alle seine „Bro´s“ sich bloß keine übertriebenen Sorgen machen sollten, weil das total den kreativen „Flow“ blockierte und gar nicht "swag" war.
 

Shikamaru stand mit einer spendierten Bananenmilch schließlich vor seinem demolierten Krankenwagen im Hof und ließ sich erklären, wie Bee diesen speziellen Blechkameraden hier in Nullkommanichts wieder auf die Räder bringen würde (er wirbelte dabei jedenfalls sehr effektvoll den Schraubenschlüssel um den Zeigefinger), als sich zur gleichen Zeit Kakashis prähistorischer Daihatsu Rugger geradezu schüchtern durchs Tor schob.

Wie sich herausstellte, hatte der Mann ebenfalls ein Problem, und zwar eins, das nichts mit seinem Auto, sondern mehr mit Platzmangel zu tun hatte: Er suchte ein vorübergehendes Gelände, um notleidende Straßenhunde unterzubringen und Bee erklärte mit weit ausgestreckten Armen und charmantem Akzent, Hachibi Island sei groß genug für alle Schiffbrüchigen auf der großen Grand Line des Lebens, insbesondere, wenn sie so einen treuherzigen Hundeblick und so weiches Fell hatten-... bei der letzten Bemerkung strubbelte er seine große Hand liebevoll durch Kakashis silbernen Haarschopf, der leicht beschämt vor Shikamaru darunter zur Seite sah.
 

In kürzester Zeit hatte der legendäre, der unvergleichliche, der einzig wahre Killer Bee damit gleich zwei Männern den Tag gerettet. Der alte Spruch bewahrheitete sich: es schadete tatsächlich nie, einmal bei ihm vorbei zu fahren.
 

Bei Kibas WG löste sich derweil der kurz aufgeflackerte Groll des Morgens auch schnell wieder in übliches, freundschaftliches Gezicke und Wohlgefallen auf- auch wenn Gaara das Piercingstudio belagerte und sich weigerte, seine Wassermelone- Hinata hatte, fürsorglich wie immer, einen Teller mit großen Stücken heruntergebracht- draußen zu essen.
 

Kakashis silberner Geländewagen tauchte auch dort auf als der Tag sich schon Richtung Abend neigte: im Gepäck eine Transportbox mit seinem speziellen Problemfall-... Urushi. Der kniehohe, zaushaarige Mischling in hellem braun- weiß fletschte die Zähne, biss ins Gitter und war nicht davon abzubringen erst Gaara, dann alle anderen wie verrückt anzukläffen, bis Kiba ihn seufzend samt Kiste vom Wagen hob und versprach, sich um die Sache zu kümmern.
 

Bis auf ihn hatten sämtliche Angehörigen der Inuzuka- Familie beruflich mit Hunden zu tun, und man musste dazu wissen, dass er vor seiner verrückten Idee mit dem Tattoo- und Piercing- Laden, (die seine Mutter immer noch nicht verstehen konnte) zusammen mit seiner Schwester auch Hunde trainiert hatte. In der Inuzuka- Familie ließ sich so etwas im Grunde kaum vermeiden.

Seine herzallerliebste Mutter, die die Tierklinik leitete, hatte vor einiger Zeit schon ausdrücklich ihn für Kakashis Problemköter- Fall vorgeschlagen- ein mehr als durchsichtiger Versuch, den verlorenen Sohn zurück in die Tradition des Inuzuka- Clans zu locken, aber Kakashi schien jetzt so dermaßen dankbar über die Aussicht, zumindest vorübergehend eine Lösung gefunden zu haben, dass Kiba es nicht übers Herz brachte, abzulehnen. Außerdem hatte der Anruf von Shino ihn auf den Besuch vorbereitet-... und von gleich zwei Quellen empfohlen zu werden war eigentlich gut-... nur nicht, wenn man versuchte, sich von diesen Dingen zu lösen.
 

Neji in weiter Ferne war schließlich- ganz im Gegensatz zu seinen hysterischen Ausbrüchen sonst- in seinem neuen Job vollkommen professionell.

Ohne mit der Wimper zu zucken nahm er alles hin, was ihm zugemutet wurde, in einer stoischen Entschlossenheit ertrug er Make- Up, seltsame Kleidung, unbequeme Posen, unverhofft kaltes Wetter so als hätte er Übung darin-... und natürlich war seine Haltung dabei immer aufrecht, seine Ausstrahlung immer gespannt und würdevoll-... natürlich bekam er Beifall von den Verantwortlichen und nickte zum Abschluss höflich, zeigte geschliffene Umgangsformen für hohe Gesellschaft- und natürlich blieben nach seinem Rückzug aufs Zimmer, wie jedes Mal, augenrollende Kollegen und Kolleginnen zurück die tuschelten, während er allein und mit leerem Blick ins Nichts auf dem großen Hotelbett sein Handy umklammert hielt:

„Er ist so ein Kotzbrocken, oder?“

„Furchtbar.“
 

Im geheimen Versteck von Naruto und Sasuke dagegen war es ruhig, quasi komplett ereignislos- blieb noch die Polizei, die den Nachmittag über eine sehr dringende und erschöpfende, aber wenig zielführende Sonderkonferenz veranstaltete.
 

Irgendwann flackerten in der Öffentlichkeit doch Bilder von Sakura durch die Nachrichten.

„Ausnahmezustand“, titelten Zeitungen.

„Hat Polizei noch Autorität oder herrscht völlige Anarchie?“
 

Und viel später, als es draußen schon dunkel wurde, als die Straßenlaternen sich flackernd einschalteten und ihr erst matt rosafarbenes, später gelbes Licht verbreiteten, saßen zwei Männer immer noch in der hauseigenen Bibliothek mit angrenzendem Archiv der Polizeihauptquartiers.
 

Sie waren auch müde, sie waren auch nicht ohne Blessuren aus der vergangenen Nacht davon gekommen, aber sie waren immer noch bei der Arbeit...
 

~

Recherche (Hal, Kai: Crossover- Detectives)

~
 

Kai kehrte zum blank polierten Holztisch in der Ecke der Bibliothek zurück, ließ einen Stapel Notizen auf die Platte und sich selbst aufseufzend in einen Stuhl fallen, während sein Partner auf der anderen Seite des Tisches völlig in die Internetseiten seines Notebooks vertieft war.

Seine Brillengläser leuchteten bläulich im Widerschein des Bildschirms, wie die Augen einer Eule in der Nacht.

Überhaupt hatte er einige Ähnlichkeit mit so einem Vogel, wenn man darüber nachdachte... lautloser Flügelschlag, scharfe Klauen unter fluffigen Daunen, durchdringender Blick, bevorzugte Jagdzeit nach Einbruch der Dunkelheit...
 

Kurabayashi Hal zählte damit sicherlich nicht zu den größten und gefährlichsten Tieren des Großstadtdschungels. Die Vergangenheit hatte bitter gezeigt, dass seine Schwächen im Nahkampf erbärmlich waren. Für alles, was nichts mit Recherche, Infiltration und präzisem, komplikationslosem Zuschlag zu tun hatte, war er unbrauchbar, aber... Kai hatte sich an seine stille, manchmal ein wenig altkluge Art längst gewöhnt. Er fühlte sich angenehm zuhause in seiner Gegenwart. Hal war wie ein warmes Wohnzimmer, ein gemütlich altmodischer Ohrensessel, in den man sich kuscheln konnte. Zu dem man gern zurück kam.
 

Umso weniger mochte er es, wenn sie Meinungsverschiedenheiten hatten und die Stimmung zwischen ihnen angespannt war, genau so wie jetzt. Kai streckte die Arme über den Tisch, schob den Oberkörper dazu und ließ ein, zwei Momente seine Wange auf der kühlen Fläche abkühlen, bevor er sprach.
 

„Wie fandest du die Besprechung? Dieser Ichiyouji ist nicht mal schlecht, oder?“
 

„Gute Absichten, zu wenig Ahnung“, Hal hob den Blick nicht vom Bildschirm und seine Finger nicht vom Touchpad, „Ehrlich gesagt frage ich mich auch, ob wir es nicht einfach lassen sollten.“
 

Jetzt sah er herüber, haarscharf über den Rand seiner Brille und die obere Seite des Notebooks. „Wir haben beide noch Urlaub... Lassen wir die Stadt hier zur Hölle fahren und fliegen nach Florida. So, wie du immer wolltest. Key West?“
 

„Du hast gesagt, Florida ist dir zu heiß, da spinnt dein Kreislauf“, stöhnte Kai leise von der Tischplatte her.
 

Hal beobachtete ihn.
 

„Ich hab meine Meinung geändert“, bemerkte er tonlos.
 

„Du bist angeschossen worden“, murrte Kai, „Bitte krieg jetzt nicht so einen „Vielleicht-sind-wir-morgen-tot“- Koller. Wir sind ganz nah an was Großem dran, so was fühlt man einfach... fühlst du das nicht?“
 

Ihre Blicke trafen sich.
 

„Doch“, flüsterte der ältere Blonde ernsthaft, „Genau das ist es, was mir Angst macht.“
 

Kai schob die Hand übers Gesicht.

„Sag sowas nicht!“, bat er jammernd, „Wir haben keine Angst! Wir sind vom Drogendezernat. Denk nur mal, was wir schon alles für Fälle zusammen hatten! Krankes Zeug!“
 

„Nicht so wie das.“ Hals Stimme blieb wispernd.
 

„Ich weiß.“ Kai richtete sich wieder auf, nahm die Hände vom Tisch zurück, schob die Unterlagen vor sich und begann, sie durchzublättern. „Ich weiß... aber-... weißt du, wenn ich mir sicher wäre, dass die Sache mit dem Chidori- Kinderheim nur mich getroffen hat, könnten wir das jetzt einfach lassen. Dummerweise weiß ich, dass ich nicht der Einzige war. Ich mach mir nur diese Gedanken-... was, wenn es immer noch nicht vorbei ist? Was, wenn sie nur... anderswo weitermachen?“
 

Eine unangenehme Stille fiel zwischen sie, Hal hob die Hand und rieb sich schließlich die Augen unter der Brille, strich sich über den Unterkiefer und ließ seine Hand dort, während er einen Artikel auf dem Bildschirm las.
 

„Okay. Fassen wir nochmal die Fakten zusammen“, schlug er konzentriert vor, „was haben wir?“
 

„Gut dass du fragst, ich hab was gefunden“, zufrieden blätterte Kai in seinem Blätterstapel, zog die Kopie einer alten Zeitung heraus, „Ich hab die Hintergründe der bekannten früheren Insassen des Heims überprüft. Und jetzt halt dich fest-... es waren alles Vollwaisen!“
 

Hals Augen unter der Brille flackerten auf.
 

„Das klingt vielleicht erst mal nicht ungewöhnlich, aber-... in unserer Zeit sind die meisten Kinder doch im Heim, weil die Eltern überfordert sind oder psychisch krank oder drogenabhängig... Ist doch seltsam, dass so viele der Chidori- Kinder tatsächlich keine Eltern mehr hatten! Autounfall, Raub mit Todesfolge, mysteriöser Mord...“, er zog die Luft zwischen den Zähnen hindurch und blätterte weiter, „Weißt du, was noch seltsam war? Ich hab Sasukes Eltern überprüft... und sie waren Angestellte bei Uchiha Pharmazeutics.“
 

Er hob den Blick und leckte sich kurz die Lippen,
 

„... Genau so wie meine auch.“
 

Hal tippte lange Finger gegen sein Kinn, beobachtete ihn betroffen und schob sein Notebook so, dass der Andere auf den Bildschirm sehen konnte,

„Zu den Müttern, deren Namen du mir gegeben hast, habe ich auch ein paar Recherchen angestellt-... sie waren alle hier in Behandlung auf der gynäkologischen Station des Krankenhauses-... was erst mal kein Wunder ist, aber damals kam ein neues Medikament gegen Schwangerschaftsübelkeit in die Testphase... willst du wissen, wer junger Pharmazie-Student im Praktikum dieser Abteilung war?“
 

Kai sah ihn fragend an.
 

Sein Partner öffnete ein Foto, in dem die Forschungsabteilung eine Auszeichnung entgegennahm.

Links im Hintergrund befand sich ein dünner, junger Mann im weißen Laborkittel, das Gesicht durch die schlechte Zeitungsfotografie kaum zu erkennen, deutlich dafür das dünnlippige, reptilienartige Lächeln und die langen, schwarzen Haare.
 

„... Ist das Orochimaru?!“, flüsterte er.

Hal gab keine Antwort, sein Blick gab Auskunft genug.
 

„Dreimal darfst du raten, wer der Konzern war, der dahinter stand“
 

„Uchiha Pharmazeutics“, stöhnte Kai und grub sich die Finger einer Hand in die Haare,

„...Aber was hat das zu bedeuten?! Wie gehört das zusamen? Was ist das alles?“
 

„Ich weiß es nicht“, Hal drehte das Notebook wieder zurück, „aber jetzt kennst du den Grund für meinen Vorschlag, die Sache sein zu lassen. Manche Dinge muss man nicht wissen. Noch haben wir die Chance, uns zurück zu ziehen.“
 

Kai schüttelte den Kopf.

„Nein-... nein, ich meine-... stell dir nur mal vor-... wie ich schon gesagt habe-... woher wissen wir, dass sie aufgehört haben? Woher wissen wir, dass sie nach allen Risiken die sie eingegangen sind alles einfach hingeschmissen haben, nachdem einer ihrer Schützlinge aus der Reihe fiel? Was, wenn es noch andere Kinder gibt?! Was, wenn sie nur noch keiner gefunden hat?! Und was, wenn wir etwas tun könnten, damit es-... aufhört?!“
 

Hal blinzelte.

"Das ist... reine Spekulation, wir haben keine Beweise..."
 

„Richtig! Und ich weiß, du hörst es nicht gerne“, fuhr Kai vorsichtig fort, „aber-... ich muss versuchen, mit Sasuke noch einmal Kontakt aufzunehmen...“

„Auf keinen Fall.“

„Lass mich ausreden! Er ist der einzige Überlebende, der sich -erinnert-! Wenn wir ihn wegen irgendwas vorzeitig festnehmen wird er uns niemals helfen! Dann haben wir ihn für immer verloren! Wahrscheinlich können wir ihm erstens nichts nachweisen und zweitens-... es geht um seine Familie! Er ist der Schlüssel zu allem! Wir brauchen ihn! Ich brauche ihn! Wir können ihn nicht festnehmen, Hal! Er ist wütend und er ist durcheinander und ja- vielleicht ist er komplett gestört, gefährlich und durchgeknallt, aber er ist unser Mann!“
 

Der Blonde seufzte resigniert.
 

„Wie auch immer. Lass uns die Verschwörungstheorien für einen Moment vergessen. Wir haben ein dringenderes Problem.“
 

Kai ließ den Kopf zurück auf die Tischplatte sinken,

„Den Sensen- Schlitzer...“, murmelte er.
 

„Die Leichen waren nicht nur verstümmelt!“, betonte sein Partner.

„Ich glaube, wir sollten uns jetzt erst mal darauf konzentrieren. Auch wenn es auf den ersten Blick nichts mit dem Rest der Sache zu tun hat-... wir wissen, es gibt mindestens zwei Täter, die zusammen arbeiten. Derjenige, den wir bei der Fabrik mit der Sense gesehen haben, war womöglich derselbe, der die Morde begangen hat. Der Gerichtsmediziner sagt, dass bestimmte Organe- Herz, Leber, Lunge, sogar die Augen- bei den zerstückelten Opfern gefehlt haben. Das kann doch kein Zufall sein...? Vielleicht ist es eine Art Ritual-... vieles hat Züge von einem Serienkiller, aber-... wir wissen, es sind ganz zufällig doch auch alles Organe, die als Transplantationsware auf dem Schwarzmarkt eine Menge wert sind...“
 

„Du meinst, einer schlachtet-...“, Kai kniff angewidert die Augen zusammen, „und der andere weidet sie aus? Ugh.“
 

„Ich meine, wir dürfen nicht den Fehler machen und unsere Gegner unterschätzen... was aussieht wie chaotischer Wahnsinn hat vielleicht...“
 

Hal hob eine Schulter.
 

„Irgendwie ein System.“
 

~

Schlachtvieh (Hidan, Kakuzu)

~
 

Tief in den Eingeweiden der Stadt wurde es nie richtig kalt, aber auch nie mehr richtig warm. Es roch immer ein wenig metallisch, wie nach getrocknetem Blut, auch wenn es in Wirklichkeit nur die Ausdünstung all der alten Schienen und Waggons war. Die Luft dort unten war schon durch tausend Lungenflügel geflossen. Tausend Mal geatmet worden. Auch die Nacht, die draußen an der Oberfläche hereingebrochen war, spürte man nur an der Tatsache, dass immer weniger Reisende sich in die Tunnel verirrten. In einem Aufenthaltsraum der U-Bahn- Arbeiter, abseits vom Treiben der Öffentlichkeit, versuchte Kakuzu gerade, mit seinem Laptop Verbindung zum World Wide Web herzustellen.
 

„Du hast gut reden, du hast keine Ahnung!“, schimpfte Hidan.

Auf seiner schweißglänzenden Stirn prangte ein kleiner Spritzer Blut. Der Rest davon trocknete auf dem Boden, auf dem der Nachtwächter lag, halb in die Ecke unter seinen Schreibtisch gestopft, auf dem noch die halbleere Tasse Kaffee stand.
 

„Es war ein simpler Auftrag“, grollte Kakuzu, „versuch nicht, dich da rauszureden.“
 

„Ich hab´s versucht, okay? Es war schon jemand da! Und nicht nur irgendjemand, sondern einer von -denen-!“
 

„Das war nur, weil du zu lange gewartet hast! Ich hab dir gesagt, du sollst gleich zurück zum Krankenhaus, um sechs Uhr ist Schichtwechsel-... vier bis fünf ist die beste Aktionszeit!“

„Am Arsch! Vier bis fünf ist die beste Bett-geh-Zeit nach einer beschissenen Nacht!“
 

„Sag bloß, du schmollst immer noch deswegen...“

„Du hast sie mir weggenommen!“, Hidan rammte in hilflosem Frust seine riesige Faust in eine der Schließfachtüren für persönliche Gegenstände, „Ich war noch nicht fertig! Jashin wird mir den Arsch dafür aufreißen, ich weiß es! Ab jetzt werden wir lauter Pech haben, und -du- bist schuld!“
 

„Ich fass es nicht...“
 

„Und es hat schon angefangen! Dieser Uchiha war wie ein-... glitschiger-... Aal, nicht zu kriegen! Und dann das-...“, er rollte die kleinen Augen, „vielleicht stehe ich ja immer noch unter Schock, Mann!“
 

„Vielleicht hättest du gern meinen Stiefel in deinem Arsch.“
 

„Es gibt nichts, hörst du- nichts- was dich auf so was vorbereitet! Stell dir das nur mal vor! Auf einmal springt dir so ein völlig Wahnsinniger ins Genick! Krallt dir die Finger einfach in die Nasenlöcher!“, Hidan raufte sich die Haare und stiefelte auf viel zu engem Raum vor den Überwachungsbildschirmen auf und ab,

„Wie krank ist das?!“
 

„Beruhig dich“, Kakuzu starrte auf den Bildschirm und tippte genervt auf dem Touchpad herum, „wir hatten nicht mit so viel Gegenwehr gerechnet, aber es ist schon okay.“
 

„Es ist nicht okay!“, klagte Hidan, das Weiß seiner Augen weit und rund um seine Pupillen, „Er hat mir weh getan! Ich hab ihm gesagt er soll aufhören, aber er hat einfach weiter gemacht!“
 

„Du redest Schwachsinn! Was bist du, ein neunzig Kilogramm schweres Baby?! Reiß dich jetzt zusammen, wir kontaktieren den Boss!
 

Hidans Mund klappte zu. Er warf einen wilden, verlorenen Blick auf Kakuzu und rieb sich mit der Handfläche seinen Hals. Der Ältere warf widerwillig einen Blick zu ihm hinüber.

Tatsächlich konnte man auf der Haut immer noch ein paar feine, rötliche Abschürfungen erkennen.
 

Kakuzu seufzte lautlos, trat einen nachdrücklichen Schritt zur Seite und beugte sich mühsam nach unten.

Mit seinem Messer schnitt er einen der Hosenträger vom Blaumann des Arbeiters. Dann erhob er sich wieder, zog den Stoff um Hidans breites Genick und schloss beide Enden kurzerhand zu einem Knoten.
 

„Danke...“, erwiderte der Jüngere sichtlich verblüfft, „was ist das? Ein Verband? Oh... nett von dir. Du stehst doch ein bisschen auf mich, oder?“
 

„Das ist, damit ich dich besser erdrosseln kann“, knurrte Kakuzu und wandte sich rasch wieder ab, „jetzt will ich kein Geheule mehr hören.“
 

Er aktivierte die Videoübertragung.

Nur Schatten waren auf dem Bildschirm zu sehen. Eine schemenhafte Gestalt, eine verzerrte Stimme:
 

„Meine Botschafter“, hallte es seltsam metallisch und wispernd aus den Lautsprechern, „wie ist es euch ergangen?“
 

Kakuzu überwand sich dazu, so schnell wie möglich seinen Bericht zu machen. Augen zu und durch.

„Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht“, bekannte er, „die Gute-... wir wissen, wer es war.“

„Sasuke Uchiha“, platzte Hidan mit verächtlich gefletschten Zähnen heraus, „Itachis kleiner Bruder.“

„Womöglich macht er mit Jirayas Mündel gemeinsame Sache...“, ergänzte sein Partner.
 

In der Stille summte die Neonröhre über ihnen.
 

„Sprecht weiter.“
 

Kakuzu warf einen Blick auf den toten Wachmann und fuhr fort:

„Die Polizei war auch verdächtig schnell dort... und-...“

„Was ist mit dem Mädchen?“, verlangte die Stimme aus dem Laptop zu wissen, „Habt ihr den Köder beseitigt?“
 

Kakuzu sah sich vorwurfsvoll zu Hidan um, der betreten drein sah.

„Es ist schon jemand bei ihr“, verteidigte er sich mit hörbarem Widerwillen, „und nicht nur irgendjemand... einer von diesen-... ihr wisst schon...!“
 

„Unerfreulich“, sagte die Stimme ruhig, „Äußerst... unerfreulich.“
 

„Aber irrelevant“, versprach Kakuzu, „es wird in Ordnung kommen, wir kümmern uns darum.“
 

„Ich würde mich ungern selbst auf den Weg machen müssen.“
 

„Das wird nicht nötig sein“, die beiden Männer wechselten einen Blick, „es könnte nur... vielleicht mehr Kollateralschaden geben, als vermutet...“
 

Die Stimme aus dem Bildschirm hatte durchaus nichts dagegen. Ganz im Gegenteil. Er gab die offizielle Aufforderung, in der angeschlagenen Stadt so viel Schrecken und Chaos zu stiften, wie nur irgend möglich. Es sei der richtige Zeitpunkt. Die Moral der Gesetzeshüter sei angeschlagen, mit genug Wucht und Nachdruck würde sie brechen wie trockenes Holz. Dann gab es nur noch die Wächter aus der Wurzel der inneren Sicherheit. Sie mochten offenen Kampf nicht, also war direkte Aggression auch gegen sie eine sinnvolle Stategie. Ohne viel Gelegenheit, um ein neues Gefolge um sich zu scharen war Sasuke Uchiha nur ein einsamer Irrer und der kleine Uzumaki? Zu jung... zu jung und ahnungslos, um viel auszurichten.
 

Ein perfekter Moment, alles vorzubereiten für die Alte Ordnung.

Und den wahren Meister.
 

Ein Grünschnabel wie der Uchiha oder der Uzumaki konnte auf dem Thron der Unterwelt auf keinen Fall akzeptiert werden, das war geradezu Blasphemie.
 

~
 

Als das Gespräch über moderne elektronische Kommunikationsgeräte längst beendet war, blätterten weit entfernt von den beiden Männern in einem halbdunklen Raum weiche, milchweiße Finger in durchscheinend dünnen Seiten. Ein kleines Lächeln spielte um einen kindlichen Mund und eine klare Stimme rezitierte laut und feierlich vor den starren Glasaugen seiner stummen, blinden, reglosen Gefolgschaft, was man im Kerzenlicht lesen konnte:
 

„Der Engel der Finsternis ließ seine Sichel über die Erde sausen; und er erntete vom Weinstock der Erde und warf es in die Kelter des Zornes Gottes... des grossen Zornes Gottes...
 

Und getreten wurde die Kelter der Stadt, und Blut spritzte aus der Kelter bis hinauf an die Zügel der Pferde- tausendsechshundert Stadien weit...“
 

~

Kontakt

~
 

Ein paar Tage Ruhe, Sicherheit und geregelte Nährstoffzufuhr und Sasuke Uchiha war wieder in deutlich besserer Verfassung.
 

Die Schmerzen waren erträglich. Seine Kraft kam zurück.

Der Weg vom Sofa zum Bad kam ihm nicht mehr vor wie ein Trainingsparcours der Navy Seals, den er auf schlotternden Knien absolvierte, mehr kriechend als aufrecht und alle seine Hilfsmittel hinter sich her schleifend.

Es mochte vielleicht lustig aussehen, wenn sich jemand mit baumelndem Klinikhemd, Spongebob- Boxershorts, leichenblassem Gesicht und nach allen Richtungen abstehenden Haaren am Infusionsständer festklammerte, aber das war es ganz und gar nicht. Soviel konnte er inzwischen aus persönlicher Erfahrung versichern. Es war - nicht – lustig, sich dabei auch noch den Zeh am Couchtisch zu stoßen, über die vielleicht anderthalb Zentimeter hohe Teppichkante zu stolpern, mit irgendeinem der Schläuche an der Türklinke hängen zu bleiben und sich am Ende der Strecke aus purer Erschöpfung ins Waschbecken zu übergeben... überhaupt gar nicht lustig.

Aber Sasuke war nun einmal ein Krieger mit Leib und Seele.
 

Seine unbezwingbare Willenskraft triumphierte über alle Widrigkeiten, die das verfluchte Universum ihm vor die Füße warf. Er wäre auch auf dem Bauch liegend weiter gerobbt, wenn es nur bedeutete, dass er am Ende beim Pinkeln auch seinen eigenen Schwanz halten durfte.

So gottfroh war er über den Erfolg nach dem ersten- und mit Abstand härtesten- Versuch die Herausforderung zu meistern, dass ihm tatsächlich eine kleine Träne im Augenwinkel hing, als er nach erledigter Sache in den Spiegel hochblickte und feststellte...
 

... dass er aussah wie vom Tod persönlich gefressen, für ungenießbar gehalten und wieder ausgespuckt.
 

Bevor er ins Licht der Öffentlichkeit zurück trat, brauchte er jedenfalls dringend eine vernünftige Bürste- nicht dieses alte, verratzte Ding hier, dem schon fünf Zinken fehlten- und Gel. Und vielleicht noch ein bisschen Concealer... Shit.

Die Mischung aus Schmerz, Erschöpfung und Erleichterung über eine erledigte Aufgabe war allerdings einer der wenigen Umstände, zu denen Tränen verzeihlich- sogar beinahe ehrenhaft- waren, also war das okay. Er hatte sich einfach nur kaltes Wasser über die Hände laufen lassen und die Spuren von seinem Gesicht gewischt.
 

Naruto tat übrigens während der ganzen Zeit nichts weiter, als ihn von wo-auch-immer-er-gerade-war amüsiert und ein wenig beeindruckt dabei zu beobachten, wenn Sasuke sich wieder einmal an den Grenzen seiner physischen und psychischen Leidensfähigkeit abquälte.
 

Kein „Kommst du klar?“, kein „Lass mich dir helfen“.

Nur der aufmerksame, interessierte Blick, der einen dabei im Nacken kitzelte.
 

Es war schwer zu sagen, ob Sasuke ihm dafür mehr danken oder ihm mehr das Nasenbein brechen wollte. Am Anfang zumindest. Der Uchiha brauchte nicht besonders lange, um sich für Dankbarkeit zu entscheiden. Narutos entspanntes Vertrauen in seine Fähigkeit, sich noch selbst zu waschen und sonstige... Geschäfte zu erledigen, auch wenn er anfangs kaum zwei Schritte allein gehen konnte, war merkwürdig besänftigend.
 

So besänftigend, dass Sasuke sich dafür auch klaglos seinen Verband wechseln ließ, wenn der Blonde Spinner es für nötig hielt. Dass er sich mehr oder weniger bereitwillig für die verflixte, all abendliche Spritze frei machte, dass er es sogar ertragen hatte, als nach zwei Tagen der venöse Zugang in seinem Handrücken den Geist aufgegeben- und Naruto ihm blass um die Nase erklärt hatte, dass er jetzt wohl oder übel einen neuen legen musste, was er im Gegensatz zu anderen Dingen -nicht- besonders gut konnte. Drei Versuche mit zitternden Fingern und eine Menge hervorgestotterte Entschuldigungen hatte er dafür gebraucht, und Sasuke war sehr in Versuchung gewesen, ihm in den Haaren zu packen, daran zu reißen und ihm -auch- weh zu tun, einfach weil er am liebsten -geschrien- hätte-...
 

Aber die Stimmung zwischen ihnen war, von so kleinen Zwischenfällen einmal abgesehen, geradezu unwahrscheinlich entspannt.
 

Naruto war eine Menge der Zeit gar nicht da, vielleicht war das mit ein Grund. Er verschwand oft einfach so ohne ein Wort oder eine Erklärung, blieb stundenlang weg und tauchte irgendwann wieder auf, ohne eine Begrüßung. Erst nachdem er dann irgendetwas getan hatte- eine neue Flasche Wasser aus seinem Rucksack heraus gepellt, mehr Tabletten auf dem Couchtisch abgelegt, ein verdammtes Manga vom Boden gesammelt- sah er seinen Gast wieder an, sprach mit ihm, tat so als sei überhaupt nichts passiert. Sasuke fragte nie nach.
 

Und einerseits war er froh über die Pausen von ihrer Gemeinschaft -... er brauchte Abstand. Nicht umsonst zog er sich sonst gern in stille Einsamkeit zurück wann immer er konnte. Es tat ihm gut... es half ihm, wieder Kraft zu schöpfen. Außerdem musste ihm keiner dabei zusehen, wenn er aß.
 

Naruto stellte nach dem ersten Versuch mit Omelette immer nur kleine Portionen neben ihn auf den Couchtisch, aber dafür tat er das mehrmals am Tag. Vor Sasukes aufmerksamem Blick vom hoch aufgetürmten Kopfkissenberg herunter, erschienen Bruschetta mit süßen, fruchtigen Paradiesäpfeln, frischen Kräutern, Meersalz und goldgelbem Olivenöl... eine kleine Tasse Gazpacho... Caprese mit cremigem Mozarella... ein paar warme Happen Hähnchen in Sahnesauce, mit getrockneten Tomaten und Reis... es war vielleicht nicht Haute Cuisine, aber es sprengte in Sachen Köstlichkeit komplett seine Welt. Sein lange vernachlässigter Magen stellte das aggressive Knurren ein, hörte auf, sich nach den ersten Bissen immer schon vor Aufregung zu verkrampfen und wechselte zu mehr Zutraulichkeit und einem sehnsuchtsvoll leisen Gurren, wenn ihm das Klirren von Besteck in den Ohren klang und die ersten, verheißungsvollen Düfte aus der Küche die Geruchsknospen kitzelten-... Sasuke schämte sich ein wenig dafür.
 

Er schämte sich, dass gewöhnliches Essen in ihm das Bedürfnis auslösen konnte, kleine Seufzer der Seligkeit von sich zu geben, sich die Finger- oder sogar noch den Teller zu lecken, die Augen zu schließen...
 

Es war leichter, sich den Genuss dabei einzugestehen, wenn er ganz allein und unbeobachtet war. Essen machte ihn so verwundbar. Deshalb lag er still, gab sich Mühe zu schlafen oder immerhin möglichst unbeteiligt und desinteressiert auszusehen, wenn Geschirr neben ihm auf der Tischplatte klapperte. In solchen Momenten konnte es vorkommen, dass er die Zeit herbei sehnte, in der Naruto einfach wortlos durch die Tür verschwand und man für eine unbestimmte Weile lang nichts mehr von ihm sah oder hörte.
 

Und dann gab es andererseits auch Phasen, in denen er wach in der stillen Wohnung lag, Figuren im Muster der Rauhfasertapete zu erkennen glaubte und einfach darauf wartete, Narutos Gegenwart wieder zu spüren, weil sie ihn ruhiger schlafen ließ. Wahrscheinlich eine dumme Angewohnheit von früher-... sein Körper war daran gewöhnt und erinnerte sich... Genau. Das musste es sein. Was auch sonst...
 

Die geschickte Balance zwischen Ruhe und Aufmerksamkeit half ihm jedenfalls sehr dabei, seinen Kopf schon bald wieder hoch zu tragen. Die Wunden verheilten gut-... sein Körper erholte sich. Nicht nur von der Verletzung, zumindest ansatzweise sogar von den Strapazen davor. Sein Geist war so ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Und Naruto stellte schließlich fest, dass es Zeit sein sollte, ihn von dem Schlauch in der Seite zu befreien.
 

Eine sehr gute Nachricht. Sasuke war nur dafür.
 

Bis sich herausstellte, dass das etwas war, dass Naruto unmöglich selbst tun konnte. Sie mussten entweder zurück ins Krankenhaus, oder... Naruto hängte sich an sein Handy und war die nächsten zwanzig Minuten damit beschäftigt, zu schmeicheln, zu winseln, zu betteln und zu beschwichtigen. Schließlich klang das dumpfe, enthusiastische Dröhnen seiner Schritte nah über den Boden, und als Sasuke aufsah, bekam er einen triumphierend gereckten Daumen und ein nervös- erleichtertes Aufatmen:
 

„Er kommt gleich“, verkündete Naruto zufrieden.

Sasuke spürte, wie seine Haut sich auf unangenehme Art und Weise zusammenzog, er spähte von seinem Platz her zu seinem Gastgeber.
 

„Wer kommt?“, wollte er alarmiert wissen.
 

Naruto strahlte nur ein entschuldigendes Lächeln und kratzte sich verlegen den Hinterkopf.
 

~
 

„Wo sind die Handschellen?“
 

Shikamaru war schon vom ersten Moment an eindeutig nicht in Kuschelstimmung. Er stand in der Tür, sah Sasuke dort auf der Couch liegen und sein Blick richtete sich sofort auf Naruto. Der hob die Hände,
 

„Weg- er ist frei... aber hör mir zu, es ist okay Shika! Echt jetzt! Es ist wirklich okay!“
 

Der Nara schüttelte nur den Kopf und hob seine Hand um an den Fingern abzuzählen, „Körperverletzung, Nötigung, versuchter Mord...“

„Äh, du wolltest ihn überfahren, können wir nicht sagen wir sind irgendwie quitt?“, flehte Naruto.
 

Seine sonnige Laune prallte auf gereizte Nüchternheit.

Shikamaru erwiderte den Bettelblick mit humorlos gesenkten Augenlidern.
 

„Ich fass den nicht an, wenn der nicht vernünftig gesichert ist.“, bestimmte er.
 

„Was glaubst du denn was ich bin?!“, zischte Sasuke vom Sofa her, „Irgendein Vieh?“
 

„Du benimmst dich schlimmer als irgendein Vieh, also nein.“, Shikamarus Augen glommen in kalter Warnung, „Ich glaube, du bist ein bösartiger, gefährlicher Bastard ohne gesunden Menschenverstand oder auch nur einen Funken Impulskontrolle!“
 

„Jetzt-... hört doch mal-...“, versuchte der Uzumaki.
 

„Du...“, bleiche Uchiha- Finger gruben sich klauenartig in den bestickten Kissenbezug,

„... erbärmlicher...!“
 

„Leute!“, Naruto stand mit hoch erhobenen Armen zwischen den beiden und versuchte die Wogen zu glätten.
 

„Jetzt atmen wir alle tief durch und beruhigen uns wieder, ja?“
 

Sasukes Blick sprühte Gift und Galle, aber er schluckte sichtbar, duckte sich hinter die Lehne des Möbelstücks und beließ es dabei, Shikamaru mit lauerndem Blick zu beobachten. Er mochte den Nara nicht- ganz und gar nicht-... und offensichtlich beruhte das auf Gegenseitigkeit.
 

Ihr Besucher ließ seinen Blick schweifen.

„Was sollte das überhaupt werden?!“, wollte er wissen, „Du hast-... wie zum Teufel hast du das ganze Zeug-...?!“, er starrte auf Infusionsflaschen, Medikamente, das Ding, das in Sasukes Brustkorb steckte, „... Ich fass es nicht! Der Typ von der Drogenfahndung fragt dich ob du Medikamente klaust, und kaum lässt er dich vom Haken, schnappst du dir ein beschissenes Unterdruckgerät, eimerweise Krankenhauseigentum und entführst den Hauptverdächtigen von der Intensivstation!“
 

„Ich hab´s mir nur ausgeliehen!“, Narutos Augen waren groß, blau und unschuldig,

„Echt jetzt! Es war für einen guten Zweck!“
 

„Na klar... Hast du überhaupt eine Ahnung, in was für scheiß Schwierigkeiten du uns gebracht hast?“, Shikamaru warf kopfschüttelnd sein schwarzes Täschchen das er dabei hatte auf den Tisch, das Skalpelle, Scheren und- Sasuke rutschte soweit es ging an die Lehne zurück- Nahtmaterial zum Vorschein brachte. „Wenn die Bullen gerade nicht so verdammt überfordert wären, hätte bestimmt schon mal jemand gefragt, wo du eigentlich abgeblieben bist! Ich hab gesagt, dass ich glaube du hast einen Schock und ein Schleudertrauma... und dass du wohl erst mal zwei Wochen nicht in die Arbeit kommst...“

„Ist doch perfekt!“, Naruto strahlte unbekümmert, „Keine Sorge, ich hab mich längst krank gemeldet! So doof bin ich auch wieder nicht!“
 

„Da wär ich mir jetzt nicht so sicher...“, der Nara tränkte seine Hände in Desinfektionsmittel und sah immer noch nicht ganz begeistert aus, „Dir ist schon klar, dass du hier womöglich einen polizeilich gesuchten Schwerverbrecher auf deinem Sofa liegen hast?“
 

„Im, äh, Zweifel für den Angeklagten?“, bot der Blonde treuherzig an.
 

Shikamaru schüttelte nur stöhnend den Kopf.

"Du bist echt schlechter Einfluss. Du bringst Leute, die - eigentlich- nur keinen Stress haben wollen dazu, irgendwie lauter illegales Zeug zu veranstalten! Dienstanweisungen zu ignorieren, sich mit verrückten Killern anzulegen, einen verdammten Krankenwagen zu schrotten... Eingriffe zu erledigen, für die sie eigentlich gar keine Zulassung haben..."
 

"Aber... Shika, komm schon", wand sich der Blonde verlegen, "Legal, illegal, ist das nicht irgendwie schrecklich relativ..? Außerdem sind wir doch die Guten! Wenn überhaupt, dann bringen wir hier die guten Seiten von illegal, so ähnlich wie... Robin Hood, oder... die Boondock- Saints?"

Der Nara warf ihm einen langen, vielsagenden Blick zu.

Er war mit seinen Vorbereitungen fertig.
 

„Ich sag´s nochmal. Keine Handschellen, kein Job für mich“, seufzte er und kramte nach seinem Päckchen Tabak, „Was ihr in eurer Freizeit macht ist mir scheißegal, aber ich steh nicht drauf, von Verrückten angefallen zu werden. Also?“
 

„Musst ja gewaltige Angst vor mir haben, du Pisser!“, grollte Sasuke mit gefletschten Zähnen.
 

„Oh, mach ruhig weiter damit, den zu beleidigen, der gleich mit einem Skalpell an deinen Brustkorb soll!“, bekam er höhnisch zurück.
 

Die Kiefer des Uchiha schlossen sich klackend. Er saß mit angewinkelten Beinen und feindseligem Blick auf dem Sofa, von Kopf bis Fuß gespannt wie eine Stahlfeder.
 

„Der fasst mich nicht an, wenn meine Hände nicht frei sind, Naruto!“, zischte er.
 

„Hey, kommt schon, kommt schon!“, Naruto versuchte es mit seinem charmantesten Lächeln, „Seid doch nicht so... Shika, die Idee mit den Handschellen ist nicht cool-... Sasuke, er will dir doch gar nichts Böses! Frieden, okay? Also, du willst... mehr Sicherheit, Shikamaru...? Und, uhm, Sasuke-... du... willst ihm nicht ausgeliefert sein, stimmt doch?“
 

Der Uchiha schnaubte verächtlich.
 

„Gut, das Ganze wird vielleicht fünf Minuten dauern... Irgendwie müssten wir das doch verdammt nochmal hinkriegen... oder nicht?!“
 

~
 

Es war geradezu unwirklich. Surreal. Naruto fühlte sich immer mehr wie in einem verrückten Traum.

Aber Sasuke hatte tatsächlich zugestimmt, sich von ihm halten zu lassen. Natürlich mit einem Blick und einer Formulierung, als würde er sich zu einem unendlich großen Gefallen herablassen-... aber schlussendlich lag er hier auf der Seite, die Augen geschlossen, den Kopf stur und stolz ins Kissen gedrückt und seine festen, kräftigen Handgelenke-...
 

... in Narutos warmem Griff.
 

Shikamaru schob ihm das dunkle Shirt das er trug bis unter die Achseln aufwärts, löste den Verband, tränkte alles großzügig in Desinfektionsmittel und schritt dann mit Skalpell und Pinzette zur Tat.

Sasuke rührte sich nicht. Er lag vollkommen still da, atmete gleichmäßig, gab nicht den winzigsten Mucks von sich. Naruto hielt ihn nicht wirklich fest- seine Finger waren mehr symbolisch am Platz und das wussten sie beide-... und nur für Fall, dass Sasuke noch irgendwelche Zweifel darüber haben sollte, rieb er versichernd mit dem Daumen über die blasse Haut.
 

„Uhm... sollten wir...“, Naruto schluckte. Er sah abwärts auf auf wildes, schwarzes Haar im Kissen vor ihm und blasse Haut unter Shikamarus Händen.
 

„Sollte er... nicht wenigstens was zum Draufbeißen kriegen?“, zweifelte er atemlos.
 

„Der hat mit Sicherheit schon ganz andere Sachen überstanden“, brummte Shikamaru auf seine Arbeit konzentriert und griff nach mehr Wattetupfern.

Narutos Herz begann zu hämmern.
 

Wenn er die Finger ein wenig verschob, konnte er den Puls unter Sasukes Haut pochen spüren, mindestens ebenso hoch wie sein eigener. Und irgendwie, seltsamerweise... beruhigte ihn das. Er streichelte mit den Fingern über der Stelle entlang. Eine kleine, zärtliche Berührung, dort wo seine Haut wirklich dünn war. Er wusste, dass Sätze wie: „Du bist sicher“ oder „Niemand tut dir weh“ nicht durch den dicken Schädel drangen, Berührungen dagegen schon. Manchmal zumindest. Der kürzeste Weg zwischen ihnen war nicht ein Lächeln, sondern die Verbindung, der winzige, unerklärliche Impuls, den es auslöste, wenn ihre Haut aufeinander traf. Wenn sie sich wirklich berührten... und wenn Sasuke zuhörte. Obwohl ihnen beiden klar war, dass gerade die „niemand tut dir weh“ Botschaft nicht stimmte. Sie stimmte niemals. Aber vielleicht war das auch eine schlechte Übersetzung... Vielleicht wollte er eher sagen: „Egal wie weh es tut- Nimm es an. Öffne dich. Es ist okay...“ Und, seltsam... dieses Gefühl... aber trotz allem was schon passiert war, fühlte er sich wieder- sobald er Sasukes Energie vor sich hochbrodeln fühlte- wie von Licht aufgeladen...
 

Auch wenn es für ihn nie gut ausgegangen war, wenn Sasuke ernsthaft unter Stress geriet-... wenn er spürte, wie all diese unsichtbare Kraft ihn ihm sich zu einer Naturgewalt sammelte, wie sie sich unter bedrohlichem Donnern langsam hoch und immer höher aufbäumte, vergaß er die Logik, den Selbsterhaltungstrieb und warf er sich einfach dagegen. So hoffnungslos süchtig und todesverachtend, wie ein Surfer in die Welle seines Lebens-... das war sein Element. Das war der Platz im Universum, an den er hin gehörte... Mitten in Sasukes Wucht-...
 

Alle seine Sinne schienen mit einem Mal schärfer zu sein als sonst. Er richtete seinen Blick auf die Haut über glatten Muskeln. Der Griff seiner Hände war leicht-... er würde das kleinste Zucken spüren- behutsam ließ er seine Finger höher gleiten, schloss sie um Daumen und Handballen, streichelte deutlicher... und sein Herz schlug heftig, als er den Anderen reagieren spürte: Sasukes Hände erwiderten seinen Griff etwas. Es war kein Festhalten mehr- sie spürten einander- nicht gepackt oder krampfhaft... Einfach nur so.

Sie hatten noch nie wirklich Händchen gehalten.
 

Naruto starrte auf Sasukes zerzausten Hinterkopf mit den schwarzen Strähnen und war sich sicher, dass es auch niemals passiert wäre- nicht unter normalen Umständen und garantiert nicht nur zufällig einfach so zwischen ihnen beiden. Sie würden es auch garantiert niemals nach diesem Moment wieder zugeben, aber es war-... es war-... einfach...
 

Es war ein überwältigendes Gefühl, als ihm klar wurde, was es bedeutete. Sie hatten zum ersten Mal eine Verbindung-... einfach so! Tatsächlich, wirklich eine Verbindung-... Sasuke war völlig in Aufruhr, auch wenn er davon nichts nach außen hin zeigte-... aber er blieb ruhig genug, um sich ganz auf ihn zu konzentrieren, und er selbst-... er hatte zum ersten Mal all diese unglaubliche Energie unter sich, um sich, in seinen Händen und sie trug ihn, umspülte ihn, ließ sich führen, verschmolz mit seiner-... atemlos ließ er die rechte Hand noch etwas locker, öffnete seinen Griff-... und sein Herz machte einen Sprung, als er Sasukes Körper reagieren und ihn zufassen spürte. Wieder rieb er mit dem Daumen, ein „Ich bin hier“, „Ich bin stolz auf dich“... und Sasukes Schulter hob sich, seine Finger zuckten ein wenig, er drückte die Stirn tiefer ins Kissen-...

Shikamaru Brachte sie beide mit einem Räuspern zurück auf den Boden der Tatsachen.
 

„Wenn ich „jetzt“ sage atmest du ganz tief ein, fest wieder aus und hältst dann die Luft an. Verstanden?“, meinte er.
 

Naruto blinzelte. Sasuke gab keinen Laut von sich.

Shikamaru rollte die Augen.

„Verstanden?“, wiederholte er noch einmal ungeduldiger.
 

„Fick dich“, grollte Sasuke leise und in ersticktem Ton in sein Kissen. Naruto verzog das Gesicht.

Auweia. Das... war allerdings... suboptimal...
 

„Ähh...“, begann er mit banger Stimme.

„Fick du dich auch“, die gefletschten Zähne, den brodelnden Hass konnte man selbst durchs Kissen gedämpft noch hören. Es brachte den kleinen Höhenflug endgültig zur Bruchlandung. Weg war die Verbindung, Sasukes Wucht drohte ihm aus den Händen zu schnalzen wie ein riesiges Gummiband und sorgte für ein klein bisschen Panik:
 

„Ähh-... Shika! Kannst du ihm nicht-...“, sein Griff wurde fester, obwohl er wusste dass es nichts nützte, „ich glaube er hat Angst, dass es weh tut-... ich hab irgendwo-... ähm-... noch dieses Xylocain- Betäubungs- Spray-...“
 

Was auch immer es war, das er gesagt hatte, -irgendetwas- schien eine Wirkung zu haben. Sasuke riss ohne viel Mühe und mit entschiedenem, nachdrücklichen Ruck seine Hände aus Narutos Griff, stemmte den Oberkörper vom Sofa, hob den Kopf und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
 

Der Blonde schluckte trocken.
 

„W-... was?“
 

Sasuke rollte die Augen.

„Ich“, stellte er nüchtern und hörbar gereizt klar, „Habe. Keine Angst. Dass es weh tut.“
 

Naruto nickte verunsichert.

„O-... okay...?“, krächzte er.
 

„Ich kann es nur nicht leiden-...“, und der nächste Todesblick ging in Richtung des Nara, „Wenn dieser Arsch hier meint, Anweisungen geben zu müssen.“
 

„Okay... äh...“, Naruto befeuchtete seine Unterlippe, „Er versucht, dir zu helfen und das ist- echt- nett von ihm und wir sind ihm ewig dankbar-...“, ein nervöser Blick zu Shikamaru, der über all das Drama nur die Augen verdrehte, zurück zu Sasuke, „Du... solltest auf ihn hören, es ist wichtig, dass du richtig atmest-... damit alles gut geht?“
 

„Fein“, der Uchiha nickte gelassen, „Kein Problem. Nur -der- Wichser“, sein Zeigefinger richtete sich feindselig auf Shikamaru, „Kommandiert mich hier nicht herum. Nur über meine Leiche.“
 

Naruto blinzelte irritiert.

„Schlag was vor“, meinte er ratlos und ignorierte den Nara, der im Hintergrund andeutete, Sasuke notzuschlachten, damit das ganze Elend ein Ende haben konnte.
 

„Ich zähle bis drei“, bestimmte Sasuke, die großen, schwarzen Augen tief in Narutos Blick, seine Stimme bewundernswert ruhig.
 

Naruto spürte die seltsame Sehnsucht, ihn anzufassen. Nur ein bisschen... wieder diesen Kontakt von kurz zuvor zu suchen... er musste noch irgendwo sein...
 

„... Shika?“
 

„Ja, weißt du, warum nicht? Vielleicht macht er einfach alles selbst, weniger Stress für mich! Ich glaube, die Idee finde ich wirklich gut-...“
 

„Okay-... ich zähle“, unterbrach ihn Naruto, seine Stimme war fest, aber gleichzeitig ein wenig bebend. Sein Blickkontakt mit dem Uchiha war tief... tief, und-... fragend... sie sahen sich in die Augen, Sasuke mit seiner dunklen, mächtigen Aura, er selbst atemlos vor Staunen über den Moment, obwohl er genau diesen seit Jahren gesucht, gefühlte Millionen mal in verschiedenster Weise durchdacht, darauf hin trainiert hatte... jetzt war er hier. Sasuke war da. Und er wartete... auf irgendetwas von ihm.
 

„Leg dich wieder hin“, flüsterte Naruto.
 

Es war kein Befehl. Mehr ein Vorschlag. Eine unausgesprochene Frage. Und Sasuke seufzte leicht, senkte den Kopf, seinen Blick- nicht sehr weit, nur ein würdevolles, kleines Bisschen... dann legte er sich zurück auf die Seite. Starrte scheinbar gelangweilt ins Nichts, hob die Arme, bis er wieder auf Narutos- im Moment kraftlose- Finger traf.
 

Der Blonde spürte sein Herz schwer und heftig klopfen, seinen Mund trocken werden. Einen kurzen Moment schloss er den Griff weich um Sasukes Handgelenke... und dann löste er eine Hand, um mit einem der Finger sanft Sasukes Schläfe zu berühren.
 

„Schließ die Augen...“, flüsterte er.
 

Der Uchiha reagierte.
 

Naruto hielt beide Handgelenke des Anderen in seinem Griff, sah ihn vor sich liegen und ein unbeschreiblicher Wirbel von Zuneigung raubte ihm beinahe den Atem.
 

„Eins.“ Sasukes nackter Brustkorb weitete sich.

„Zwei“, Naruto schob die freie Hand- einfach nur so weil er es konnte und ihn berühren wollte- in Sasukes Nacken. Das glatte Haar dort war seidig und ein wenig feucht vom Schweiß, seine Haut war samtig und warm und unglaublich weich... der Uchiha ließ ihn gewähren, beinahe glaubte er sogar, zu spüren wie er den Kopf etwas drehte, ihm mehr Raum gab...

„Drei. Einatmen-...“ und vielleicht war es Instinkt, vielleicht einer von Jirayas Lehrsätzen, jedenfalls tippte sein Zeigefinger leicht zur Aufforderung auf Sasukes Brustkorb- der Uchiha atmete tief und hörbar ein- „Ausatmen-...“ Naruto wechselte zur Fläche zweier Finger, und kräftig atmete Sasuke aus. Hier war Sasuke- fucking- Uchiha und gehorchte aufs Wort!
 

Der Uzumaki war hingerissen.
 

„Mann, und deswegen das ganze Drama“, Shikamaru zog die Drainage, schloss mit einem einzigen Zug der Pinzette an den verbleibenden Nahtfäden das kleine Loch, gab einen Klecks Salbe auf eine Kompresse und klebte Verbandsfolie auf, „Für nichts! Das hättet ihr hundert mal besser allein hingekriegt“
 

Naruto brauchte ein paar Momente, um sich im hier und jetzt wieder zu finden. Vor allem, um sich bewusst zu werden, dass sein Freund und Kollege neben ihnen stand und auf eine Reaktion wartete. Widerwillig gab er den Uchiha frei, räusperte sich, rieb sich wackelig lachend den Hinterkopf-...

„Heh, Blödsinn, ich hätte nichts hingekriegt! Ich hab das noch nie gemacht! Das ist gruselig! Danke dass du da warst, echt! Du hast was gut bei mir!“
 

„Meine Güte, was ich bei dir alles gut habe...?“
 

„Ich, äh, lad dich mal ein! Auf ein Bier-... oder so!“

„Klar... wie auch immer, ich bin weg... dann viel Spaß noch!“

„Du bist der Beste, Shika!“

„Du kannst mich mal“

„War das ein Angebot?“

„Machs gut, Spinner!“
 

Shikamaru war weg und übrig blieb eine stille Wohnung und wirklich, wirklich merkwürdige Stimmung zwischen ihnen.
 

Sasuke schien keinen Grund zu sehen, nicht so halb nackt auf dem Sofa liegen zu bleiben, er sah an sich hinunter und berührte neugierig den Verband, die transparente mit-dieser-Membran-kann-man-sogar-duschen-Folie. Und Naruto konnte es im Nachhinein kaum fassen, wie die unglaubliche Uchiha- Sturheit zugeschlagen hatte: was war das noch einmal für eine Diskussion wegen der winzigen Spritze gewesen, und so etwas Beängstigendes, wie sich ein langes Stück Plastik aus dem Torso reißen zu lassen hatte keinen Mucks, kein Muskelzucken, nicht den winzigsten Laut provoziert? Wenn es etwas gab das noch größer war als sein Stolz, dann ja wohl seine Dickköpfigkeit... Natürlich würde er kein Geräusch machen, wenn Shikamaru dabei war. Vermutlich hätte der Nara ihm die Gedärme ausreißen können und Sasuke hätte nur die Zähne zusammengebissen.
 

Jetzt war er also weg, der Schlauch... die Drainage- so hieß das Ding richtig-... und der Uchiha war auf einmal so fürchterlich, so beängstigend frei... kein kleiner Kasten mehr, der seinen Bewegungsradius einschränkte. Kein dicker Verband. Nur noch ein kleines Pflaster...
 

Sasukes hübscher Kopf hob sich, der intensive Blick richtete sich direkt auf ihn.

„Und jetzt?“, sprach er die einfache Frage aus.
 

Narutos Hirn war auf Standby. „Äh-...“, der Blonde kratzte sich am Kopf, „Uhm-... ah-... naja, also...“

Sasuke warf ihm einen entnervten Blick zu, der genau sagte, was er von dieser Unentschlossenheit hielt... Fuck.
 

„Ich, uhm, dachte, ich hol uns vielleicht später was vom Lieferservice, und, äh, wir könnten... zur Feier des Tages... ja... mal... zusammen essen...? Oder so?“, beeilte sich Naruto zu sagen.
 

Sasuke sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

„Warum das denn?“
 

„Ähh...“, der Blonde versuchte, sich gegen die plötzliche Kraftlosigkeit zu stemmen, die die Formulierung und dieser Tonfall auslösten.
 

„Tjaa... Naja...! Weil... da gibt es diesen echt guten Thai in der Nähe, und-... äh-... magst du thailändisches Essen?“

Sasuke zuckte die Schulter.

„Nie probiert...“, murrte er, „Warum kochst du nicht einfach wieder?“
 

Überrascht ließ Naruto die Hände sinken.

„Naja... erstens, ich hab die letzte Zeit viel zu viel gekocht, das mach ich sonst nie, ich brauch ne Pause sonst krieg ich noch Koch- Burnout oder sowas... und zweitens, thailändisch kann ich halt nicht.“
 

Sasuke schnaubte ein halb amüsiertes, halb spöttisches Lachen:

„Mir ist übrigens da was eingefallen. Irgendwann bei so einer blöden Aktion im Heim sollten wir einen Steckbrief schreiben... Was wir mögen, nicht mögen und so. Wir saßen nebeneinander, und ich hab bei "Lieblingsessen" Tomaten eingetragen. Weißt du das noch?"
 

Naruto sah ihn ertappt an.

"Uhrm..."
 

"... Hast du mir deshalb die ganze Zeit lauter Zeug mit Tomaten drin vorgesetzt?"

„Äh...“
 

Der Blonde war unfähig zu einem Gegenschlag.
 

Sasuke schüttelte dunkel grinsend den Kopf:

„Dir ist schon klar, dass ich diese Steckbrief- Sachen nie ernst genommen und einfach nur irgendwas hin geschrieben hab, damit ich wieder meine Ruhe hatte? Mann, ganz ehrlich. Glaubst du ich hatte- irgendein- Lieblingsessen? Und dann auch noch so was bescheuertes? Welcher Depp isst denn bitte Tomaten pur? Die sind einfach in fast allem drin, Ketchup, Pizza, Spaghetti, also wenn man möglichst wenig über sich selbst sagen will... verstehst du den Witz daran nicht?“
 

Naruto spürte seine Wangen heiß werden.

„Uh... sie... naja... aber... sie sind doch auch wirklich schön rot und... glänzend, und so?“
 

Sasuke lachte, ein kurzes, ungewohntes Geräusch zwischen Zuneigung und Grausamkeit.

"Tss... das ist so typisch für dich“,

Er erhob sich in einer geschmeidigen Bewegung vom Sofa, rollte dann die Muskeln und schritt mühelos hinüber zum Bad.
 

„Thailändisches Essen... von mir aus, ich geh duschen. Damit kann ich doch endlich mal wieder gehen, oder nicht?“
 

„Ähm, klar! Pass einfach auf, und... du weißt schon“
 

Kurz bevor er die Tür hinter sich zu zog, hielt Sasuke inne. Wie erstarrt blieb er stehen, schien sich ebenfalls etwas unsicher zu werden und drehte sich noch einmal um.
 

„Also...“, sein Blick flackerte von Narutos Augen zum Boden und wieder zurück, „Sind wir dann eigentlich... fertig... so, miteinander?“
 

Es klang seltsam. Irgendwie so, als würde er mehr damit meinen, aber Naruto wagte nicht, ihn darauf festzunageln. Er gestikulierte zu der kleinen, einsamen Plastikverpackung auf einem Stapel von Mangas.
 

„Nur eine Spritze noch. Heute abend. Sonst...“
 

„Mh“, Sasuke nickte kurz. Es war unmöglich, abzuschätzen was ihm durch den Kopf ging. Einen kurzen Moment waren sie beide still. Naruto hatte den verrückten Gedanken, dass der Andere vielleicht genau wie er über gute, logische Gründe nachgrübelte, warum sie sich jetzt unmöglich schon trennen konnten, aber-... ihm selbst fielen jedenfalls keine ein.
 

„Die letzte Spritze, was?“, wiederholte Sasuke.

„... Jepp“
 

„Na dann...“

Er verschwand im Bad, zog die Tür zu.
 

„Soll ich... dir irgendwie... helfen oder so?“, rief Naruto ihm mit roten Ohren nach, „Nur zur Sicherheit? Nicht, dass dein Kreislauf unter der Dusche zusammenklappt?“
 

Aber Sasuke schloss das Badezimmer von innen ab- etwas, das bisher durch all die Schläuche nicht möglich gewesen war- und gab keine Antwort mehr.
 

~

Love is all around (you just ain´t recieving)

-Zwischenspiel-
 

Naruto: Aaaahhhhh omg, Sasuke! Jetzt seh ich´s erst! Das letzte Kapitel war 69, ist dir das klar? Neunundsechzig, Mann!

Sasuke: … na und?

Naruto: Das bedeutet, du hast deinen Einsatz verpasst, und total falsch reagiert!

Sasuke: … wirklich.

Naruto: Ja, nachdem ich sage: „Soll ich dir helfen“, hättest du sagen müssen: *Stimme verstell- „Oh Naruto, jetzt wo du´s sagst! Ich fühl mich soooo schwach auf einmal! Ich glaube, du musst mir den Rücken waschen!“

Sasuke: … tss.

Naruto: Und dann, wenn wir grade beide zusammen im Bad stehen, sagst du: „Huch, Naruto! Vor lauter Schwäche ist mir jetzt die Shampooflasche aus der Hand gerutscht!“

Sasuke: … die Shampooflasche...

Naruto: Jepp! Warte, jetzt wo du´s sagst ... ich hab mal eine ziemlich verstörende Geschichte gelesen, in der eine Shampooflasche und dein Hintern vorkamen... Genauer gesagt, eine Shampooflasche IN-...

Sasuke: NARUTO!

Naruto: Was denn! Ich erzähl doch nur! Jedenfalls, nach der Dusche hätte es dann richtig rund gehen sollen. Du und ich, auf dem Sofa, in Neunundsechziger- Stellung, oohhh yeah... *__*

Sasuke: …

Naruto: Das hier ist übrigens Kapitel 70, weißt du...

Sasuke: … es gibt keine Sexstellung, die „70“ heißt, oder? <.<

Naruto: Nein, aber... ist dir schonmal aufgefallen das in manchen „runden“ Kapiteln irgendwas... Bedeutendes zwischen uns Beiden passiert? Kapitel zehn, Kapitel zwanzig... Kapitel fünfzig...

Sasuke: Was soll schon Bedeutendes zwischen uns passieren? Wir haben uns jetzt schon... viermal geküsst und es ist immer noch nichts-...

Naruto: …

Sasuke: … Was guckst du denn so?... Moment-... dieser Blick von dir gefällt mir nicht... hör auf, mich so an zu grinsen! Naruto?! Was passiert in diesem Kapitel?!?!
 

…. =^__________^= …
 

~
 

„Lass mich mitgehen“, forderte Sasuke, als er mit einem Handtuch um die Hüften und einem um seine Schultern wieder aus dem Bad kam. Er versuchte, seine Haare trocken zu rubbeln, die schwarzen Strähnen waren noch nass, fielen aber schon wieder deutlich lockerer über die Stirn.
 

Naruto sah ihn fragend an.

„Essen holen“, ergänzte der Uchiha etwas ungeduldig, „Ich muss frische Luft schnappen, mir fällt hier drin noch die Decke auf den Kopf.“

„Mann, das geht nicht“, Naruto rollte die Augen.
 

„Und warum nicht?“
 

„Na weil...“, der Uzumaki gestikulierte hilflos mit den Händen, „Da draußen ein ganzes Rudel von verrückten Spinnern rumläuft, die dich alle lynchen wollen?“
 

„Und?“, Sasuke war unbeeindruckt, „Erstens- ich bin das gewöhnt. Zweitens- wahrscheinlich stehst du jetzt schon genau so auf ihrer Liste. Drittens-...“
 

„Mann! Ich geh nicht einfach nur Essen holen, Sasuke!“, Naruto rollte die Augen, „Ich muss auch noch... bei mir zuhause vorbei, und...“

„Ah ja?“, eine schmale, schwarze Augenbraue hob sich erst recht interessiert.
 

„Ja... normale Leute haben normale Sachen zu erledigen, okay?“, grummelnd senkte Naruto den Kopf, „Ich muss zum Beispiel die ganze Dreckwäsche hier zum Waschsalon bringen und... mich eben um... Angelegenheiten kümmern... lauter sterbenslangweiliges Zeug!“
 

„Von mir aus können wir auch von einer U- Bahn- Endhaltestelle bis zur anderen fahren.“, bemerkte Sasuke nachdrücklich, „Wenn ich dafür nur aus diesem Zimmer hier rauskomme!“
 

Der Blonde rieb sich mit einer Hand grübelnd durch die Frisur, sein Blick ging nachdenklich in die Ferne:

„Ich weiß nicht, Mann...“
 

„Aber -ich- weiß was, Mann“, echote der Uchiha mit zunehmender Dringlichkeit, „Und zwar, dass ich frische Luft und eine Zigarette brauche. Ist mir egal ob der Ausflug kurz ist oder langweilig oder ob es Makkaroni regnet- nimm mich einfach mit raus, kapiert?! Das war keine Bitte! Du willst nicht versuchen, mich einzusperren, ich schwöre es dir!“
 

„Okay!“, Naruto hob abwehrend eine Hand, „Ja! Schon gut! Alter! Ich muss noch mal kurz drüber nachdenken, ähmmmm-... fein, du darfst mit! Bist du jetzt glücklich?“
 

„Hm“, Sasuke wandte sich ab, die unverhohlene Selbstzufriedenheit glühte beinahe sichtbar um ihn herum. Er drehte Naruto den Rücken zu und nahm den Stapel frischer Wäsche, der extra für ihn bereit lag, genauer unter die Lupe.
 

„Hör ich ein „Danke“?“, forderte Naruto leicht genervt.
 

„Ich weiß nicht, hast du Halluzinationen?“, gab der Uchiha arrogant zurück.
 

„Du bist ein Bastard“, Naruto seufzte tief, „Und... ein Miststück.“
 

„Mmmhm...“, Sasuke schnurrte fast. Er entschied sich für ein enges, schwarzes Shirt und lockere, dunkle Hosen.
 

„Aber hör mal.“, Naruto beobachtete, wie die Muskeln seines nackten Rückens spielten, als der Uchiha sich das Shirt über den Kopf zog, „Wenn du mitgehen willst, gibt es eine Bedingung.“
 

„Die wäre?“
 

Der Blonde ließ sich aufatmend rücklings aufs Sofa fallen, warf einen Arm über die Lehne und drehte den Kopf in Sasukes Richtung.
 

„Ich hab keine Lust darauf, dass du meine Geheimwege mitkriegst... wo genau wir sind, wie man hier rauf kommt und so... Wir haben hier immerhin sowas wie ´ne Ausnahmesituation! Und ich hab schon gesagt, dass das hier nicht alles mir gehört.“
 

„Hm?“, der Uchiha blinzelte irritiert, „Was soll das heißen?“
 

„Das soll heißen...“, Naruto zupfte gedankenverloren an seinen Fingern, „Dass ich entscheide, dass du, wenn ich dich mitnehmen soll, nichts sehen darfst.“
 

„Tss...“, Sasuke schüttelte verwirrt den Kopf über die seltsame Idee, dann runzelte er die Stirn.
 

„Was willst du machen, mir die Augen zu halten?“
 

Naruto tippte sich nachdenklich mit den Fingern auf die Unterlippe...
 

~
 

„Du bist so ein... extremer Idiot!“
 

Naruto kicherte leise.

„Halt still!“
 

„Das sagst du mir?!“, schnaubte der Uchiha empört, „Du bist derjenige der rumzappelt!“
 

Narutos Kichern klang nicht, als würde er etwas davon besonders bereuen. Er war dabei, eine der übrigen, weißen Mullbinden sorgfältig unter frisch gewaschenen, schwarzen Haaren um Sasukes Kopf herum zu wickeln und dabei die Kompressen auf den Augen zu überdecken.
 

„Gleich fertig“, versprach er mit hörbarem Grinsen in der Stimme, „Soo...“
 

„Sehr lustig“, knurrte Sasuke, „Das ist so bescheuert... wehe, du malst auch noch irgendwas drauf, wie dieses eine Mal...!“
 

Der Blonde hielt fasziniert inne...

dann stopfte er kurzerhand den Rest der Binde unter vorherige Lagen.
 

„Naruto!“, Sasukes Hände auf seinen Knien verkrampften sich alarmiert.
 

Der Uchiha hörte wieder helles Glucksen, das Ploppen einer Edding- Kappe. Eine leichte Ahnung von Lösungsmittel stieg ihm in die Nase, er spürte sachtes Zurückstreichen seiner Haare, dann das Scharren von Filzstift über dem Verband.
 

„Naruto!“, warnte er aufgebracht, rührte sich aber keinen Millimeter.
 

Der Blonde malte große, runde Kringel und konnte das Lachen kaum unterdrücken.
 

„Du hast die tollsten Ideen!“, gluckste er, malte dicke ,schwarze Kreisen in seine Kringel und brach in lautes Gelächter aus, „Haha! Scheiße, damit siehst du aus wie Lee! Ist das geil!“
 

„Du Arschloch!“, Sasukes Finger gruben sich in seine Knie, „Mach das sofort weg!“
 

„Jetzt warte doch mal! Mein Kunstwerk ist noch nicht ganz vollendet! Ich bin gerade total kreativ!“

„Untersteh dich...!“,
 

„Da fehlen noch Wimpern...“, Naruto setzte den Stift an und setzte kleine, fröhliche Locken an den Rand seiner Kringel, wich dann zurück um seine Arbeit zu bewundern.
 

„Oh shit... ahaha! Sasuke, HAHAHA!“

„Hey!“
 

„Ich hab dir wunderschöne Wimpern gemalt! Scheiße, jetzt siehst du aus wie ein -weiblicher- Lee! Oh Gott, HAHAHA! Mein Bauch, aaahhh! Ich kann nicht mehr!“
 

„Mach das weg, verdammt!“, unter dem Rand des Verbands wurde Sasukes Gesichtsfarbe merklich dunkler, seine Hände waren zu Fäusten geballt, aber immer noch saß er da wie versteinert.
 

„Gleich, ja? Ich muss nur noch ein Foto machen...“
 

„NEIN!“
 

Narutos Hand fing blitzschnell Sasukes ab, als die aufwärts zuckte um sich den Verband vom Kopf zu reißen, „Spaß! Hey, Spaß... ganz ruhig, ich mach´s nicht. Keine Angst, ich bin doch nicht so böse...“
 

„Mrrh...“, knurrte Sasuke nicht ganz überzeugt, ließ sich aber widerwillig davon abbringen, die Binde selbst abzunehmen.
 

„Du unterstellst mir nur so was, weil du selbst so ein Bastard bist!“, erklärte Naruto freundlich, aber nicht ohne zufriedene Gemeinheit in seiner Stimme, „Dabei bin ich immer lieb! Oder, war ich jemals so böse wie du?“
 

Er zupfte den Rest des Verbands unter der Schlinge hervor und begann ihn vollends abzuwickeln, die Zeichnung damit zu überdecken. Sasuke grummelte vor sich hin.
 

„Die richtige Antwort ist: „Oh nein Naruto, du bist SO lieb und ich bin so böse!““, half der Blonde ihm flötend und spielerisch auf die Sprünge.
 

„Naruto, du bist SO ein Arschloch!“, knurrte Sasuke.
 

„Warte mal-..!“, hauchte der Uzumaki, „Psst...! Hab hab ich da eine Stimme sagen gehört: „Bitte wickel das wieder ab und lass mich dein wunderschönes Kunstwerk durch die ganze Stadt tragen“...?“
 

Sasuke gab ein Geräusch von sich, das klang als hätte man einen Welpen getreten.

„Naruto... du bist so lieb“, knirschte er.
 

„Ich weiß, oder“, lachte der Blonde gönnerhaft, „Manchmal bin ich von mir selbst ganz gerührt!“
 

~
 

„Ein Aufzug?“, flüsterte Sasuke. Seine feinen Ohren analysierten die Geräusche und sortierten sie sofort ein.
 

„Ja“, hauchte Naruto zurück, „Der ist nur schon uralt und war in letzter Zeit immer mal wieder futsch... hey, wär doch lustig, wenn wir jetzt drin sind und er bleibt auf einmal wieder stecken?“
 

„Nein, das wäre -nicht- lustig!“, knurrte Sasuke.
 

„Haha! Aber so schlimm wär´s jetzt auch nicht, oder?“

Das sachte Klacken, als Naruto den Knopf zur richtigen Etage drückte. Sasukes Ohren zuckten. Die Luft in Aufzügen war immer vor lauter Reglosigkeit beinahe klebrig...
 

„Du hast keine Platzangst, hm?“

„Nein“

„Nicht mal, wenn du nichts siehst?“

„Dann sehe ich auch nicht, wie viel Platz um mich rum noch ist, Vollidiot.“
 

Mit bedenklich hohlem Klang und Geratter schlossen sich die automatischen Türen und sie setzten sich abwärts in Gang. Mit geschlossenen Augen war das seltsame Gefühl im Bauch, dass es beim Start immer gab, stärker.
 

Sasuke versuchte, sich seitlich gegen die kühle, metallene Wand zu lehnen und an gar nichts zu denken. Seltsame, ruckartig sachte Geräusche neben seinem Ohr hielten ihn davon ab.
 

„Was machst du?!“, fragte er irritiert.
 

„Ich teste, ob du was durch siehst!“
 

Ungläubig schüttelte Sasuke den Kopf.

„Und?“, schnaubte er.
 

„Mmmh... nope, wahrscheinlich nicht. Es sei denn, du bist so abgebrüht, dass du nicht einmal zuckst, wenn eine Faust auf dich zu kommt...“
 

„Tss...“, Sasuke verschränkte abwehrend die Arme vor seiner Brust.
 

„Normalerweise funktioniert das ganz gut... bei Leuten, die Angst um ihr hübsches Gesicht haben...“
 

Da schwang etwas Dunkles in Narutos Stimme mit, aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte ging ein Beben durch den Aufzug, es knirschte. Glücklicherweise reagierte der Uchiha auf den Schrecken nur mit totaler Erstarrung.
 

„Woops“, meinte Naruto, „Keine Sorge, das hat er öfter.“
 

Sasuke spürte Wärme und eine Bewegung neben sich, ein Klicken- Naruto stoppte den Aufzug anscheinend über einen Hebel, wartete einen Moment und löste die Bremse dann wieder. Stotternd ruckelte es abwärts.
 

Narutos Arm war an seiner Seite, und Sasuke spürte die Muskeln, die Ruhe die er ausstrahlte.
 

„Siehst du? Geht wieder... Du hast wirklich überhaupt keine Angst, was?“

Der Uchiha rümpfte die Nase. Er war sich nicht sicher ob man das überhaupt sah, aber er tat es trotzdem.
 

„Abgebrüht“, flüsterte der Uzumaki.
 

Sasuke schnaubte geringschätzig. Und in diesem Moment hielt der Aufzug an, die Türen knackten und metallisches Klappern hallte um sie herum.

"Gehen wir", hauchte Naruto. Und Sasuke spürte seine Berührung, die Hand genau zwischen seinen Schulterblättern. Noch bevor er einen Druck fühlen konnte, machte er schon seinen ersten Schritt nach vorn.
 

~
 

Der Uchiha schluckte schwer, als ihm kalte Luft um die Nase schlug. Einer von Narutos Hoodies, die in die Stirn fallenden Haare und eine Sonnenbrille verdeckten ausreichend viel von seinem Gesicht, dass der Verband über den Augen wohl nicht sofort jedem auffallen würde. Und wenn doch... war es ihm auch egal. Mit der Kapuze erkannte man ihn sowieso nicht. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, die Schultern gesenkt, seine Haltung war aufrecht aber entspannt. Narutos sachte Berührung in seinem Rücken war eine Sache, die seine gesamte Aufmerksamkeit auf einen einzigen Punkt fokussierte.
 

In diesem letzten Moment im Aufzug hatte er sie schon wieder gespürt...

Diese Wärme.

Verdammt nochmal...
 

Er atmete langsam, konzentriert durch und schritt vorwärts, um all die Reaktionen die das Gefühl in ihm lostrat wieder unter Kontrolle zu bringen. Narutos Wärme drang tief, fand so mühelos Stellen an denen er viel zu empfindlich war, und das Gefühl kam immer noch so heftig und unvermittelt, dass er darunter zurückschreckte, obwohl er sich inzwischen doch schon mehr daran gewöhnt hatte... und... obwohl er es nicht einmal unangenehm fand. Im Gegenteil!

Es war einfach nur so verdammt intensiv.
 

So unerträglich intensiv, so dass er danach erst wieder jeden Funken Selbstkontrolle, jeden Krümel Coolness, jede verbitterte Bissigkeit zusammen kratzen musste, um es wieder auf sicheren Abstand zu schaffen. Jedes Mal, wenn Naruto dann auch noch sanft weiter drückte, anstatt auf beruhigende Distanz zurück zu weichen, stieg seine Befürchtung, dass diese Mauer aus Eis, die er so mühsam aufgebaut und über die Jahre als Schutzwall gepflegt und verbessert hatte, irgendwann einfach brach.

Warme, geschickte Finger würden Schwachpunkte finden, sich sanft aber beharrlich weiter hinein schmelzen und irgendwann würde ein einziges Antippen ausreichen. Dann würde alles splittern, er würde in den Scherben seiner Verteidigung stehen.
 

Und das durfte auf gar keinen Fall passieren.
 

All die Dunkelheit aus den Untiefen zu entfesseln, seine Kontrolle zu sprengen, musste sein wie eine Kernschmelze, ein Vulkanausbruch, eine Supernova-... eine einzige Katastrophe.
 

Andererseits...
 

Und genau das war es, was ihn schlucken ließ-... andererseits gab es da etwas in ihm, das sich fragte, ob diese Hände, die er in letzter Zeit besser kennen gelernt hatte, nicht vielleicht doch noch mehr Kraft haben konnten, wenn es darauf ankam... mehr, als er ihnen zutrauen wollte... mehr als früher...
 

Narutos helle Präsenz schmiegte sich um ihn wie ein Mantel, da war nichts Feindliches mehr das versuchte ihn zu unterdrücken, zu brechen, ihm etwas zu nehmen an dem er sich festhielt... nur bedingungslose, grundlose Zuneigung, unabhängig von allem das er tat oder sagte...
 

Und ab und zu spürte man diese Ahnung von einer goldenen, heißen Macht darunter, die sich bis jetzt noch nie in voller Größe gezeigt hatte. So war nie irgendeine Frau mit ihm umgegangen. Und etwas Wildes in ihm... wollte genau das. Wollte die Kraft herausfordern und sie fest gegen sich spüren-... etwas in ihm kitzelte ihn, lockte seine Faszination, reizte den Kampfgeist und brachte all seine Nervenenden zum Summen...
 

Und erstaunlicherweise spürte er im Moment keine Angst. Er sah zwar nichts, ja-... aber es war nicht so, als hätte er das nicht jederzeit leicht beenden können. Naruto zerrte ihn nicht mit sich, er hielt nur den Stoff des Kapuzenpullis zwischen zwei Fingern und lenkte ihn damit über winzige Impulse nach links oder rechts... die Luft war kühl und frisch. Es musste dunkel sein-... sie hatten gewartet, bis es mehr schützende Schatten gab, weniger Tageslicht. Das Brausen der Autos in all den fernen Straßen, der rhythmische Klang ihrer Schritte, das Hallen aus U-Bahn-Schächten... alles war so viel deutlicher.
 

„Achtung, Rolltreppe“, Naruto zog leicht am Stoff und Sasuke bremste auf Stillstand. „Geh langsam. Rechts von dir ist das Geländer.“

Der Dunkelhaarige hob die Hand, tastete, stieß auf Metall, bekam die leicht klebrigen Gummiummantelung zu fassen und verzog das Gesicht.
 

„Du bist echt wahnsinnig... leicht zu führen“, murmelte die vertraute Stimme leise und erstaunt neben ihm, „Wow... reagierst total auf die winzigsten Zupfer, das ist krass...!“

Die unverhohlene Bewunderung in den Sätzen war seltsam schmeichelnd.
 

Sasukes Mundwinkel hob sich ein paar Millimeter.
 

„Bleib dicht neben mir“, Naruto griff locker mehr von dem Pullover, sein Arm schob sich auf Sasukes Rücken. Der wandte leicht den Kopf in Richtung seiner Stimme, rückte ein wenig näher.

„Mach einen Schritt, wenn ich „Jetzt“ sage-... jetzt“
 

Sasuke wurde ein wenig überrascht vom abrupten Ende der Rolltreppe, aber er war ebenfalls überrascht davon, wie gut alles zu laufen schien. Sein Mundwinkel hob sich in stillem Triumph noch ein wenig weiter. Sein Herz pochte. Diese ganze Sache war einfach nur verrückt, aber gleichzeitig... aufregend. Seine Sinne streckten sich weiter, er spürte die Ohren feiner werden, seinen Geruchssinn, seine Balance-... mit der Wucht einer Sturmböe rauschte neben ihnen ein Zug durch den Tunnel. Sasuke hob den Kopf, spürte den Wind sein Gesicht streifen, lauschte dem ohrenbetäubenden Rattern der Gleise, dem Kreischen der Bremsen...
 

„Der Hammer, wie kalt dich das alles lässt“, bemerkte Naruto staunend, und Sasuke verkniff sich den Widerspruch, dass es ihn ganz und gar nicht kalt ließ. So etwas hatte er noch nie ausprobiert... es eröffnete eine vollkommen neue Welt. Als die Hand zwischen seinen Schulterblättern kurzzeitig den Stoff losließ und mit der ganzen Fläche seinen Rücken rieb, nur ein klein wenig, lehnte er sich leicht dagegen.
 

„Warum nicht?“, gab er schließlich zurück, „Hast du gedacht, ich bleibe wimmernd im Aufzug sitzen?“
 

„Nein, aber... “, Narutos Hand blieb still, hörte auf ihn zu streicheln, fasste etwas vom Stoff des Hoodies wieder zwischen Daumen und Zeigefinger.
 

„Die nächste ist unsere.“
 

Im entscheidenden Moment gab Naruto ihm kurz doch mehr Hilfestellung. Das Einsteigen in eine U-Bahn, wenn man weder Höhenunterschied, Abstand vom Bahnsteig, entgegenkommende Menschen oder im Weg stehende Fahrräder und Kinderwägen sah, war nicht so einfach. Drinnen gab es eine Metallstange um sich festzuhalten und alles entspannte sich wieder. Sasuke dachte mit einem Spritzer von Hitze irgendwo tief im Unterbauch, dass die Schlaufen über dem Gang an den Querstangen hier beunruhigende Ähnlichkeit mit ein paar Schlaufen haben mussten, die tief in sein Gedächtnis gefräst waren.
 

Manchmal, wenn er über die Kraft in dem Anderen nachdachte, fiel ihm ein, wie er an diesem einen Abend nur einen winzigen Eindruck davon erhascht hatte. Und mit jedem Mal nachdenken, wurde die Reue schlimmer. Warum zum Teufel hatte er so reagieren müssen? Nur mal angenommen, er hätte noch einmal die Chance und würde-... stehen bleiben..?

Angenommen, er hätte gar keine Chance gehabt, sich zu befreien? Angenommen-... nur mal angenommen, auch seine Beine hätten in Schlaufen gesteckt und ihn durch diesen heftigen, intensiven Moment hindurch festgehalten?
 

Heute Nachmittag, in der Dusche, mit den frischen Eindrücken der Sofa- Episode im Kopf hatte er sich jedenfalls zu genau diesem Bild selbst befriedigt. So heftig, dass er seinen an die Fliesen gedrückten Unterarm beinahe blutig gebissen hatte, um nur ja keinen Laut dabei von sich zu geben.
 

Natürlich nahm er die Augenbinde nicht ab.

Den Teufel würde er tun. Ihm war egal, wie lächerlich Narutos Gründe dafür waren, sie ihm überhaupt anlegen zu wollen. Es war wie ein Spiel... ihr kleines, persönliches Spiel. Und es gefiel ihm viel zu gut, um es vorzeitig abbrechen zu wollen.
 

Etwas in ihm schreckte noch vor der Aussicht zurück, dass sie weiter gehen würden, wenn er nicht mehr bremste-... ja. Denn vielleicht ging es zu weit. So weit, dass die entfesselte Energie alles im näheren Umkreis, vor allem sie beide, zu Staub pulverisieren würde. Aber etwas in ihm... wollte es auch. Es wollte, dass genau das passierte. Und sein Widerstand wurde schwächer.
 

~
 

„Wir sind da“
 

Naruto hantierte mit einem Schlüssel, „Du kannst es jetzt abnehmen“
 

Sasuke schob einen Daumen unter den Verband über seinen Augen, streifte ihn mühelos vom Kopf. Einen Moment musste er blinzeln, dunkle Flecken tanzten vor seinen Augen, das plötzliche Kunstlicht um sie herum war zu grell.
 

Dann sah er sich schweigend um. Sie standen in einem Flur. Weiße Wände, weiße Türen. Bei einer davon ließ der Uzukami gerade sanft und mit leisem Ratschen seinen Schlüssel ins Schloss gleiten.

Sasuke blinzelte. Wahrscheinlich sagte es einiges über seinen Hormonzustand, dass allein schon der Anblick etwas hinter seinem Bauchnabel kribbeln ließ. Er atmete zittrig aus.
 

Der Blonde sah sich zu ihm um, warf ihm einen Blick zu und ruckte mit dem Kopf.
 

„Was?“, flüsterte Sasuke irritiert.

„Geh von der Tür weg“, hauchte der Andere ihm entgegen.
 

Erst jetzt verstand er. Er wich zur Seite.

Behutsam schloss Naruto auf, ließ die Tür aufschwingen, hielt sich neben ihr an die Wand gedrückt.

Nichts passierte. Alles blieb still.
 

Sie sahen sich an.

Naruto bückte sich, öffnete seine Schnürsenkel, zerrte einen seiner Schuhe vom Fuß.

„Was machst du?“, flüsterte Sasuke ungläubig.

Naruto machte hektische Gesten, die ihn unmissverständlich zum Schweigen bringen sollten und der Uchiha krümmte eine Augenbraue.
 

Der Blonde hob den Schuh auf die Fingerspitzen, spähte vorsichtig um die Ecke der Wand in die Wohnung, holte aus und warf das Kleidungsstück dann mit entschlossenem Schwung hinein, um sofort wieder in Deckung zu gehen.
 

Es klirrte und schepperte unheilverkündend.

Naruto verzog das Gesicht.
 

„Okay... ich glaube, die Luft ist rein“, flüsterte er.

„Soll das ein Witz sein?!“, zweifelte Sasuke, „Du hast gerade deinen Turnschuh da rein geworfen, die Luft ist garantiert nicht mehr rein!“

„Wichser!“, Narutos sonniges Grinsen zeigte zwei Reihen weißer Zähne, „Ich hab frische Socken an, ja?! Das nächste Mal kannst gerne du checken, ob da drin schon einer steht, der uns mit Kugeln durchsieben will!“

"Tss..."
 

Sie traten in einen engen Flur.

Naruto knipste das Licht an.
 

„Oh Scheiße“, kicherte er.

Der Turnschuh lag auf einem Stapel von Geschirr in der Spüle. Mindestens ein Teller war dabei zu Bruch gegangen, die Hälfte davon lag in weißen Porzellanscherben auf dem dunklen Fliesenboden.
 

Sasuke schlüpfte aus seinen Schuhen. Er war vollkommen damit beschäftigt, die Eindrücke in sich aufzunehmen. Das hier war also Narutos Wohnung...
 

„Sieh nach, ob sich nicht doch einer auf dem Klo versteckt“, kam die Bitte. Sasuke drückte die Klinke zur ersten Tür neben ihm. Über der Toilette hing eine Tuschezeichnung von einem springenden Tempellöwen-... Gleich daneben gab es eine winzige Dusche mit halb zurückgezogenem, blassgelben Vorhang. Moosgrüne Fliesen. Ein Waschbecken mit einem fleckigen Spiegel. Ein weißer Zahnputzbecher mit einem Frosch darauf. Orange-weiße Zahnbürste, die Borsten schon etwas zerfranst... Sasuke spürte den merkwürdigen Schmerz in seiner Brust wieder. Ein Ziehen, eine hoffnungslose, alte Sehnsucht.
 

Da, Bürste. Rasierer. Eine große, grün-glitzernde Tube Haargel! Er schob die Kapuze endgültig zurück in seinen Nacken, wagte aber kaum, einen Blick auf sich selbst im Spiegel zu werfen. Er musste fürchterlich aussehen...
 

„Sasuke?“
 

Sein Kopf hob sich, er ließ den Raum zurück, um wieder in den winzigen Flur samt sehr improvisiert aussehender Einbauküche zu gehen. Die Scherben des Tellers waren inzwischen zusammengefegt.
 

Und Naruto war eine Tür weiter. Besser gesagt, in dem einzigen, übrigen Raum den es sonst noch gab. Sasuke streifte den Vorhang aus dunklen Perlen zurück, neigte leicht den Kopf zur Seite, als er darunter durch ging... und sah sich um.
 

Was einem als erstes ins Auge fiel, war das große Bett. Die Bettwäsche war dunkel, ein erdiger Braunton der kleine, orange-goldene Akzente darin zum Glänzen brachte. Über die Wand, das Regal und eine Pflanze mit langen, herabhängenden Blättern, war eine Lichterkette drapiert, durch die am Kopfende des Bettes eine handvoll kleiner Sterne ihren Schein verbreiteten. Irgendwo in einer anderen Ecke gurgelte ein schwach beleuchteter Zimmerbrunnen. An der Decke waren winzige Lichtpunkte still am aufblitzen und wieder verglimmen, aus unsichtbaren Lautsprechern perlte Musik,eine Dimmlampe sorgte für sanfte Beleuchtung. Das, was im Halbdunkel von der Wand zu sehen war, schien alle Farben des Sonnenuntergangs darzustellen, und überall um sie herum waren Pflanzen.
 

Nicht übertrieben viele, aber doch so viele, dass überall wo man hinsah irgendetwas wuchs, sprießte und grünte. Dort beim Fernseher stand eine Zimmerpalme, irgendein Gewächs das sich besonders wohl zu fühlen schien war mit seinen Ausläufern bis hoch zur Decke und um das Fenster gekrochen, ein Farn streckte wohlig seine Federblätter aus, ein paar Kakteen standen in Reih und Glied über dem einzigen Bücherregal... sogar für ein paar winzigste, zarte Triebe war Platz in einem kleinen, handlichen Zimmergewächshaus aus Plastik.
 

Der Blonde war noch damit beschäftigt prüfend seine Finger in Töpfe zu dippen, er goß hier und da fürsorglich aus einer Messinggießkanne Wasser nach, strich über dicke, grüne Blätter...
 

Und Sasuke war fast ein wenig erschüttert.

Er wusste nicht genau, was er sich vorgestellt hatte... ein schmutziges, trostloses Rattenloch... irgendetwas nichtssagendes... ein Metallgitterbett mit wahllos herumliegendem Sexspielzeug...
 

Das hier-... das-... brachte einen dazu, irgendwie... noch bleiben zu wollen.

Für eine Weile. Vielleicht für eine Pappschachtel voll von thailändischem Take-Away-Essen... vielleicht-... Sasuke schluckte beklommen-
 

Vielleicht noch... für eine Nacht..?
 

„Kannst dich ruhig derweil irgendwo hinsetzen.“, gab Naruto von sich, „Ich würd dir ja gern was anbieten, aber ich hab nur verdorbene Milch im Kühlschrank. Bin eh gleich fertig“ Er hatte einen Koffer voll Schmutzwäsche unter dem Bett vorgezerrt und war jetzt dabei, das Zeug mit beiden Händen in die Reisetasche mit Sasukes Wäsche zu stopfen, die er von der anderen Wohnung mitgenommen hatte.
 

Sasuke sah ihm nur einen Moment lang zu, dann begann er, seine Blicke genauer schweifen zu lassen. Neben dem Bett hing immer noch dieses seltsame, uralte Werbeposter von Cup-Ramen an der Wand, das ihm damals im Heim schon heilig gewesen war...
 

CDs fand er nicht auf den ersten Blick... dafür Bücher... schwer vorstellbar, dass Naruto irgendetwas außer Mangas las, aber da standen immerhin einige Harry Potter-Bände... eher lustlos zusammengewürfeltes Fantasy- Zeug... ein paar Pflanzenratgeber, langweilig-... ein Bildband über Bondage..?
 

Er warf einen flüchtigen Blick auf Naruto, der völlig abgelenkt war, fasste danach, zog das schwere Ding kurzerhand aus dem Regal und strich ehrfürchtig mit den Fingern über den Einband. Eine schlichte aber effektvolle schwarz- weiß- Fotografie von gefesselten Männerhänden in dickem Seil prangte vorn auf dem Buch.... Der Wirbel von Faszination in seiner Magengrube ließ sich nicht mehr verleugnen, aber immer noch war die Vorstellung irgendwie-... er schnaufte leicht-... krass...
 

Er schlug das Buch auf und stieß direkt auf ein Bild von einer Gestalt, bewegungsunfähig und mit hochgewölbtem Rücken am Boden fixiert, auf der Haut, die gesamten Körperseiten hinunter waren Wäscheklammern befestigt, unglaublich viele, eine direkt neben der anderen, zwei säuberliche, lange Reihen davon, jede mit einer dünnen Schnur am Ende nach oben gezogen, wie dutzende Strahlen von Spannung, die sich jeden Moment in heißen Schmerz zu verwandeln drohten-...
 

Rasch klappte er das Buch wieder zu, schob es zurück, schluckte schwer.
 

Sein Blick glitt zum nächsten, viel unverfänglicheren Werk und-... was zur Hölle? Ein Roman von Haruki Murakami?!
 

Sasuke pflückte das Buch aus dem Regal und warf einen Blick auf den Titel.

„Naokos Lächeln- nur eine Liebesgeschichte“
 

Tss... als ob. Er grinste hämisch in sich hinein. Das war nicht Narutos, auf keinen Fall, das war hundertprozentig von irgendwem... ausgeliehen-...
 

Und tatsächlich, im rechten, unteren Eck der ersten Seite stand mit zarter, zierlicher Bleistift-Schrift ein fremder Name:
 

Hyuga.
 

Sasuke blinzelte. Seine Mundwinkel zuckten, seine Finger verkrampften sich, er schob das Buch etwas zu grob wieder zurück. Dieser verräterische Stich in seiner Brust erinnerte ihn nur allzu deutlich an ihr erstes, heftigeres Zusammentreffen... und tief durchatmend zwang er sich zur Vernunft. "Nur für die Session", hörte er Narutos Stimme in seiner Erinnerung, und: "... Willst du?"
 

Shit.

Wenn er ihn noch einmal fragen würde...
 

"Okay", kam die Stimme des Blonden vom Boden her. Er schloss mit hellem Surren den Reißverschluss, schulterte dann die schwere Tasche.

„Sollen wir gehen?“
 

"Ich kann die auch tragen", bemerkte Sasuke.

Er bekam einen irritierten Blick.
 

"Was ist los mit dir, hast du heut deinen Sozialen?"

Nichtsdesdotrotz warf ihm Naruto die Tasche zu. Sasuke fing sie auf.
 

"Lass mich halt einmal nett sein", brummte er.
 

Sie gingen schweigend die Straße hinunter. Nebeneinander. Sasuke trug Narutos Tasche- wobei man fairerweise sagen musste, dass die Hälfte der Wäsche von ihm war- und dabei ging ihm durch den Kopf, dass er noch nie irgendjemandens Tasche getragen hatte.
 

Wahrscheinlich hatte er auch noch nie irgendwelche normalen Dates gehabt. Nicht, dass es keine Angebote gegeben hätte. Aber, wenn er so zurück dachte-... war er jemals-... jemals in seinem Leben mit irgendjemandem einfach Essen gegangen- na gut, beziehungsweise, hatte Take-Away-Essen geholt und mit dieser Person irgendwie... Zeit verbracht? Absichtlich? Wo ihm relativ egal war, was genau sie taten und der einzige Impuls war, den Abschied noch eine Weile... hinauszuzögern?
 

Der Waschsalon war zu der Uhrzeit ziemlich voll. Das hieß, es gab zwar nicht allzu viele Menschen, aber sie mussten eine Weile suchen, bis sie eine freie Maschine gefunden hatten. Sasuke starrte auf Narutos Finger, als der in seinem typischen Enthusiasmus alles von seiner Tasche in die Trommel stopfte. Das Licht hier war viel zu grell. Es roch nach Waschpulver, überall surrten und rumpelten Wäschetrommeln. Der Blonde schlug schwungvoll die gläserne, runde Tür zu, drückte den Startknopf, fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
 

Als sein Blick Sasukes Augen fand, kam der sich beinahe etwas ertappt vor.

"So!", schnaufte der Uzumaki.
 

Sasuke konnte nur denken, dass er nicht aussah wie man sich jemanden vorstellte, der in seiner Freizeit Frauen fesselte und sie an Haken von der Decke baumeln ließ. Seine Hände sahen nicht aus wie Hände, die Schnallen festzurrten oder sich um Lederriemen schlossen, um Sexspielzeug und womöglich sogar um Peitschengriffe. Diese blauen Augen, dieses verschmitzte, offen strahlende Lächeln-... so war doch nicht jemand, der Lust daran hatte zu herrschen, zu führen, in Kontrolle zu sein-...?

Jemand, der mit genau diesen funkelnden, blauen Augen zusehen wollte, wenn jemand vom Boden her zu ihm aufblickte... wie ein anderer für ihn seine Ängste hinter sich ließ... sich ihm öffnete... unter seinen Fingerspitzen zuckte und schauderte-... jemand der mit diesen weichen Lippen kleine obszöne Dinge flüstern wollte, die einem anderen nicht nur die Knie weich und den Schritt heiß werden ließen, sondern tief ins Innerste drangen- in den Kopf, die Persönlichkeit- tief... durch alle Mauern hindurch. An allen Masken vorbei-

Bis in den innersten Kern.
 

Sasuke schluckte. So sah Naruto nicht aus. Und so war er doch nicht. Mussten solche Leute nicht groß sein, dunkelhaarig und breitschultrig? Mit tiefer Stimme sprechen, einen schneidenden Blick haben, Dominanz ausstrahlen? Nicht so... albern sein und weich und... wohlwollend?

So wie Naruto eben?
 

Andererseits... und der Gedanke sorgte für einen winziges Zucken von Scham irgendwo in seinem Magen. Wenn jemand ihn selbst ansah-...
 

War es nicht lächerlich unvorstellbar, zu glauben, dass einen Mann wie ihn auch nur möglicherweise, vielleicht, irgendwann einmal eine Fantasie davon erregt hatte...
 

Nicht in Kontrolle zu sein...?
 

~
 

„Also...“, Naruto pellte einen knittrigen Flyer aus seiner Hosentasche und reichte ihn weiter, „Wir haben so anderthalb Stunden Zeit... wir können hier rumsitzen und unseren Unterhosen beim rumwirbeln zugucken, aber ich hab jetzt Hunger. Holen wir uns was zu essen. Es gibt hier in der Gegend noch andere Läden, wenn du auf irgendwas bestimmtes Bock hast, sag´s einfach. Ich... hab nur nicht mehr so viel Geld.“
 

Sasuke entfaltete naserümpfend den schon recht mitgenommen wirkenden Zettel. Auf dem Deckblatt war ein goldener Tempellöwe, ganz ähnlich wie der, den Naruto über seinem Klo hängen hatte.

„Du hast doch von diesem Thai rumgeschwärmt, jetzt will ich auch so was.“, brummte er.
 

„Gut, such was aus, ich ruf an. Dann haben sie´s schon fertig wenn wir vorbei kommen. Willst du da essen, oder...?“

„Wir können doch in deine Wohnung zurück?“
 

„Uhmmm...“, Naruto druckste seltsam herum, zuckte aber schließlich die Schultern, „Jah, klar. Okay... das könnten wir auch...“
 

„Was denn? Willst du lieber auf diesen unbequemen Holzbänken hier hocken? Oder im Thai-Restaurant, wie irgend so ein... schwules Pärchen?“
 

Naruto schlug die Augen nieder.

„Mh“, brummte er heiser und flippte mit einem Fingerschnipp gegen den Zettel, „Such jetzt was aus, endlich...!“

„Hetz mich nicht!“, Sasuke schlug abwehrend nach seiner Hand, erwischte sie aber nicht.
 

„Gib her, ich such was für dich aus, wenn du noch ne halbe Stunde brauchst um dich zu entscheiden! Mann!“

„Jetzt sei nicht so ungeduldig! Krieg mal dein ADHS in den Griff!“
 

„Sasukeeeeehhh!“
 

Zwei Minuten später hatten sie gewählt und angerufen und waren zum Aufbruch bereit. Beim nach draußen gehen warf Naruto noch einmal einen Blick zur Seite, in ihre Maschine. Sie hatten eine auf Augenhöhe bekommen. Er klopfte mit dem Fingerknöchel an das Glas, lächelte.
 

„Sieh mal“, meinte er, „Wie sie ihre Saltos drehen. In friedlicher Eintracht, Mann... wir sollten uns echt ein Beispiel nehmen.“
 

Sasuke drehte sich, die Hände in den Hosentaschen, auf der Schwelle noch einmal um.

„Kommst du?“
 

~
 

„Vorsicht, die Aludinger sind heiß“

„Willst du einen Teller?“

„Nein... hast ja eh keinen sauberen“

„Stimmt... heh.“
 

Der winzige Tisch in Narutos Zimmer war belagert vom Zimmerspringbrunnen. Und auf dem einzigen Stuhl stand ein Blumentopf mit einer kleinen, rosa Pompom-Blüten tragenden Mimose, also setzte Sasuke sich auf den Boden vors Bett. Naruto folgte ihm.
 

„Da sind ja Tomaten drin...?“, grinste er mit Blick in Sasukes Blechschale.

„Halt die Klappe.“, bekam er ohne viel Gift dahinter zurück geknurrt.
 

Sie aßen schweigend. Bis Sasuke, nach etwa fünf bis zehn Sekunden, ein dezentes Husten nicht mehr unterdrücken konnte.
 

„Scharf?“, Narutos Grinsen wurde breit, „Und ich sag dir noch, nimm nicht das Scharfe! Wer nicht hören kann, muss fühlen, Mister Uchiha.“
 

„Tss“, Sasuke blinzelte mit eisernem Gesichtsausdruck die Tränen weg und versuchte, das nächste Husten dezent zu überspielen, „Wieso denn? Ist lecker.“
 

„So lecker, dass einem die Tränen kommen?“, Narutos Augen funkelten amüsiert.
 

„Halt die-...“, Sasuke hustete. Sein Kopf nahm eine bedenkliche Rotfärbung an, „...Klappe!“
 

„Wow, Sasuke... wenn ich´s nicht besser wüsste, würde ich sagen, das Essen hier tritt dich voll in die Eier...! Wenn das eine Wette wär, wüsste ich fast nicht auf wen ich setzen soll! Ich meine, ich würde natürlich auf dich setzen, klar, aber... kriegst... du die Schweißausbrüche jetzt auch, weil, äh, das Essen so gut ist?“
 

„Halt die...“, Sasuke rang nach Luft und griff nach der ebenfalls vom Lieferservice geholten Colaflasche. Pepsi hatte es keine gegeben, „Halt die Klappe, Naruto!“
 

Natürlich hielt der Uzumaki nicht die Klappe. Es machte ihm viel zu viel Spaß.

„Wow, guck mal! Sind das tatsächlich ganze Chilischoten? Junge, das sieht gefährlich aus... sicher, dass du damit klar kommst?“
 

Sasuke trank mit drei gierigen Zügen die halbe Flasche leer und starrte feindselig auf sein Essen.

„... Ist da etwa Brokkoli da drin?“, keuchte er, „Ich hasse Brokkoli! Ich glaube, ich ess nur den Reis.“
 

Naruto warf die Arme in die Luft und stöhnte enttäuscht.

„Nein, Sasuke! Du kannst nicht so aufgeben, wo ist dein Killerinstinkt?! Du bist doch meine Kampfsau! Zeig dem blöden Brokkoli wer der Boss ist!“
 

Der Uchiha schüttelte nur den Kopf, grub die Stäbchen in seinen Reis und nahm zwei, drei große Bissen voll, um seine Atmung wieder zu beruhigen.
 

„... ich wette, das ist überhaupt nicht so schlimm“, bemerkte Naruto lauernd, „und du bist nur eine Pussy“ Herausfordernd wackelte er mit den Stäbchen. „Bist du eine Pussy, Sasuke?“
 

„Du kannst mich mal.“
 

„Versprich mich nicht solche Sachen, wenn du´s nicht ernst meinst! Hmmmm, wenn ich eine von diesen Chilischoten ganz esse, und danach dreißig Sekunden nichts trinke, was krieg ich dafür?“
 

Sasuke gab noch ein letztes, unterdrücktes Husten von sich und blinzelte zu Naruto, der inzwischen im Essen herumpickte und eine fette, leuchtend rote Chilischote hervorwühlte. Das Ding war fast so lang wie sein kleiner Finger. Er schauderte.
 

„Du kriegst von mir die offizielle Bestätigung, dass du total verrückt bist!“, bemerkte er.
 

„Mmmh... nein, das reicht mir nicht. Leg was drauf!“
 

„Dann kriegst du... die Garantie, dass du die nächste halbe Stunde nichts mehr schmecken wirst. Und dass dir das Ding höchstwahrscheinlich die Zunge wegätzt.“
 

„Mann, Sasuke“, Naruto konnte es nicht lassen mit seinen Stäbchen an der Chilischote herumzustupsen. Sein Grinsen war eindeutig nicht mehr harmlos.

„Wo ist deine Fantasie? Das sind lahme Einsätze... ich hab ne bessere Idee, wir spielen Schnick-Schnack-Schnuck, und der Verlierer muss sie essen.“
 

„Warst du zu viel mit Kakashi zusammen oder woher kommt deine Lust auf solche bescheuerten Spielchen?“
 

„Das haben wir früher auch immer gemacht, weißt du noch? Komm schon, einmal! Um der alten Zeiten willen!“
 

„Schnick-Schnack-Schnuck ist bescheuert. Denk dir was Anderes aus.“
 

„Wenn ich sagen würde, du hättest einen Wunsch frei, wenn du die Chili essen würdest... was wär dir das wert?“
 

„Mh... dass du mich nicht mehr nervst.“

„Das ist leicht, ich nerv dich nämlich gar nicht wirklich... du glaubst es nur... eigentlich gefällt´s dir, wenn ich dich ärgere...“

„Tss, träum weiter!“

„Du weißt, dass es stimmt“, Naruto hob die Chilischote verheißungsvoll hoch und drehte sie zwischen zwei Fingern.
 

„Hochverehrtes Publikum“, murmelte er dramatisch, „Werden sie Zeuge wie ein jahre- und jahrzehntelanger Kampf sich in einem einzigen Moment entscheidet! Heute Nacht wird Geschichte geschrieben! In der linken Ecke, etwas angeschlagen aber mit ungebrochenen Ego, Saaaaaasukeeee Uchihaaaaaa! Uuuund in der rechten Ecke der Herausforderer, der unglaubliche, der einzig wahre, der grandiose und unvergleichliche Narutooooooo Uzumakiiiiii!“
 

Sasuke rollte unterdrückt die Augen, hielt den Blick aber aufmerksam auf jeder noch so winzigen Bewegung des Blonden. Sein Körper spannte sich unbewusst.
 

„Ladies und Gentlemen! Ich werde jetzt einfach diese Chili des Todes essen, und damit beweisen, dass wir Uzumaki- also ich- dem Uchiha- Clan- repräsentiert durch Sasuke- überlegen sind! … und, dass Blond natürlich die bessere Haarfarbe ist!-... Und dass ich das Recht habe, öffentlich zu verkünden, dass der mutige, große Sasuke im Angesicht der Gefahr gekniffen hat, wie ein-...“
 

Der Dunkelhaarige packte nach der Hand des Anderen, seine Zähne blitzten gefährlich auf, er streifte Narutos Finger mit den Lippen, als er herzhaft die Schote abbiss-... und nur ein paar Momente später ein tiefes, entsetztes Schaudern durch seine Schultern ging. Naruto reagierte schnell, er griff Sasukes Nacken mit einer Hand und hielt ihm die andere Handfläche über den Mund. „Lass es drin“, flüsterte er anfeuernd und mit dunklem, triumphierenden Lächeln, „Schluck´s runter-... schluck es!“, aber obwohl Sasuke Anstalten machte, es wirklich zu versuchen, warf er den Blonden kurz darauf in hohem Bogen von sich, stemmte sich vom Boden hoch, flüchtete Richtung Bad.

„Sasuke!“, Naruto folgte ihm auf dem Fuß.
 

Der Uchiha war viel zu abgelenkt. Er schlug den Klodeckel aufwärts, spuckte signalrote Chilireste zusammen mit reichlich Speichel in die Tiefe der Schüssel, hustete, würgte.

„Hey“, Narutos Berührung zwischen den Schulterblättern brachte ihn nur zu einem leichten Zucken, dann nahm er sie einfach zur Kenntnis und ließ sich streicheln, während er zitternd über der Kloschüssel hing.
 

Der Blonde war wieder sanft und schmeichelnd. Die Berührung war angenehm... aber Sasuke war jenseits davon, es genießen zu können. Immer wieder presste unwillkürlicher Würgreiz seinen Magen in Richtung Kehle. Sein gesamtes Mundinneres stand in Flammen und es gab keine Chance, das Gefühl irgendwie wieder loszuwerden, bevor es selbst abklang.

Entgeistert keuchte er, fassungslos über sich selbst.
 

Als Naruto versuchte, ihm fast ein wenig entschuldigend die langen Haare aus der Stirn zurückhalten und übers Ohr zurück zu streichen, schlug er wütend seine Hand weg.

Dafür war das Streicheln im Rücken okay. Und den kommentarlos angebotenen Zahnputzbecher nahm er auch, obwohl das bisschen Wasser nur wenig wegspülen konnte, angesichts der massiven Lava, in die seine Lippen und Zunge sich verwandelt hatten.
 

„Mein Fehler“, raunte Naruto, als der Uchiha das erste Mal wieder seitlich, halb wütend, halb vorwurfsvoll seinen Blick suchte. Dieses Lächeln brachte wieder all die Erinnerung, warum er sich überhaupt erst in diesen Idioten so hoffnungslos dämlich verknallt hatte. Die Finger auf seinem Rücken kraulten ihn zärtlich. Und ihre Blicke trafen sich, sanken ineinander. „Du bist der mutigste.“
 

Sasuke wollte erwidern, dass es sich trotzdem so anfühlte, als ob Naruto das Spiel gewonnen und ihn verarscht hatte, aber er gab keinen Mucks von sich. Einerseits, weil seine Lippen sich anfühlten wie auf doppelte Größe angeschwollen und er jede Bewegung vermeiden wollte, andererseits... weil er zwar verfluchte Schmerzen hatte, aber jetzt schon wusste, dass er nichts davon wirklich bereuen würde. Sein trotziger Stolz war schon wieder dabei, die unangenehmen Nebeneffekte von sich zu schütteln.
 

Womöglich hatte er wirklich ein bisschen Lust am Leiden? Ausreichend abgeschreckt davon, um solche Aktionen sein zu lassen, war er jedenfalls nie... und Schmerz war die Auszeichnung eines Kriegers. Außerdem- wie sehr unterschied sich die Chili- Geschichte schon von dem einen Mal, als sie beide in einem Anfall von „ich-kann-mehr-als-du“ so viel gegessen hatten, bis sie sich übergeben mussten?
 

Schnaubend wanderte er wenig später zurück ins Wohn- und Schlafzimmer, sie setzten sich wieder auf den Boden. Narutos Blick hing immer noch sehr fasziniert an ihm und Sasuke musste seine Überlegung vom Waschsalon korrigieren- der Blonde war schon immer ein Trickster, ein Streiche-spieler gewesen. Reaktionen zu provozieren und ungeteilte Aufmerksamkeit zu verlangen war Narutos Königsdisziplin. Kopfschüttelnd schob er den Rest des Essens von sich.
 

Naruto stellte kommentarlos seine eigene Portion in die Mitte.
 

„Sorry, das-... ich wollte nicht, dass du kotzen musst“, meinte er verlegen.

Sasuke zuckte nur eine Schulter. „Hab einen leichten Würgreiz“, bemerkte er.
 

„Echt jetzt?“

„Mmh. Scheiße, das war ganz schön heftig...“
 

„Heheh!“, Naruto lachte, zog die Nase kraus, rieb sich mit der Hand wieder verlegen den Hinterkopf, „Ich wusste, du kannst da nicht widerstehen!“
 

„Wenn ich mich nicht grade übergeben hätte, könntest du noch was abhaben. Versuch bloß mal, jemanden nach ner Chili- Überdosis zu küssen.“
 

„Whoa, das wär... ziemlich scharf! Haha!“
 

Sasuke schob sich mit dem Rücken so weit zurück, dass er sich am Bett anlehnen konnte. Er atmete zitternd durch. Womöglich war es noch die Nachwirkung dieser verrückten Aktion die seine Hormone in Wallung brachte, womöglich auch irgendein Seiteffekt von all dem Capsaicin-... hatte er nicht mal irgendwo gehört, dass es körpereigene Endorphine ankurbelte und als natürliches Aphrodisiakum galt? Gut, ein Aphrodisiakum mehr für die Hardcore- als die Romantik- Fraktion, aber jedenfalls fühlte er sich tatsächlich ungewohnt waghalsig kurz danach.
 

Und er bedachte die Situation...

Was auch immer es war-... inzwischen hatte er doch den relativ sicheren Eindruck, dass Naruto seine früheren Berührungsängste und die seltsamen Kapriolen, was Interesse am gleichen Geschlecht betraf, irgendwie hinter sich gelassen hatte. Aus der „bist du etwa schwul?!“- Phase schien er herausgewachsen zu sein. Er wirkte sicherer mit sich selbst, mehr in Balance, und-... wenn er es nicht besser wüsste, hätte er schwören können, dass er die letzten Tage sogar geflirtet hatte.
 

Natürlich auf eine extrem subtile: „Ich mach doch nix anderes als früher, das ist alles rein freundschaftlich“- Art... aber... einfach, die Art und Weise wie er ihn manchmal ansah- direkt in die Augen, dann beinahe scheu abwärts, über die Schulter, das war so ein: „Ich will ja nicht sagen, dass ich wollen würde, aber wenn -du- wollen würdest könnte ich womöglich ein bisschen bisexuell sein“-

Vielleicht- er wagte nicht einmal ernsthaft darüber nachzudenken- war Narutos... „Angebot“ dort im Darkside wirklich nicht mit bösen Hintergedanken passiert. Sondern... ganz ehrlich gemeint gewesen..?
 

Sasuke war nervös. Er hatte nie so zermürbend uneindeutige Interessenten gehabt.
 

Wollte Naruto wirklich... das... mit ihm?

Und zweitens- wollte er selbst überhaupt, dass er es wollte? Er wusste schon lange, dass er Männer bevorzugte. Aber es gab in den dunkleren Kreisen der Straße und des Untergrunds immer noch unangenehme Vorurteile. Dass jemand, der mit anderen Männern schlief kein „richtiger“ Mann sein konnte... oder nicht gefährlich genug. Beides war kein Ruf, mit dem man sich schmücken wollte. Dazu kam, dass man gutaussehenden, jungen Männern wie ihm automatisch unterstellte, nunja, „einzustecken“-... und-... das war nun einmal so tief verbunden mit einem Inbegriff von Schwäche, Schmutz und Verachtenswürdigkeit, dass es beinahe ein wenig wehtat.
 

So unglaublich es wirken mochte- er hatte nicht gerade viel Erfahrung.
 

Die Situation war perfekt- die Umgebung, der Zeitpunkt... angenommen, nur einmal angenommen Sex zwischen ihnen wäre nicht völlig undenkbar-... wenn nicht jetzt, wann dann? Es war die perfekte Chance.
 

Nach diesem Abend würden sie vermutlich beide wieder ihrer Wege gehen, und dann würde es schwer sein, noch einmal so einen Moment zu finden. Womöglich würden sie wieder Gegner sein.

Und Naruto machte keine Anstalten, eindeutig zu werden. Womöglich musste er die Sache selbst in die Hand nehmen. Nur damit er sich hinterher nicht ein Leben lang Vorwürfe machen musste, es nie auch nur einmal versucht zu haben...?
 

Sie aßen schweigend. Teilten brüderlich die selbe Alu- TakeAway- Portionsschale.
 

Sasuke zerbrach sich den Kopf.

Denk nach, Uchiha, denk nach...! Er hatte sich noch nie-... fürs Protokoll- noch -nie- Gedanken darüber machen müssen, wie er mit jemandem umgehen konnte, der ihn nach dem ersten Blickkontakt nicht von selbst ansprang. Normalerweise musste er die Mädchen- oder auch die Männer- nur von sich schieben-... Aber jetzt? Sein Hirn war wie leer gefegt.
 

„Also...“, begann er bemüht lässig und räusperte sich, „Hast du... äh... Kondome da?“
 

Naruto verschluckte sich kurz an seinem Essen. Nickte dann aber.

„Kondome, Gleitgel, alles am Start“, kommentierte er, und gestikulierte ebenso lässig in Richtung Nachttischschublade.
 

Sasuke schluckte schwer.
 

„Irgendwie hab ich mir deine Wohnung anders vorgestellt“, gab er zu, „Du hast nicht mal ein Metallgitterbett.“
 

Naruto rollte die Augen und schluckte den Bissen, den er im Mund hatte.

„Hast du eine Ahnung, was die Dinger kosten?!“
 

„Mh“, Sasuke zuckte mit einer Schulter, „Dachte nur. Du bist doch, wie nennt man das?
 

„Der Master of Desaster?“, freches Grinsen.
 

„Nein, so ein-... Sado... Kerl. Typ.“, Sasuke suchte nach Worten, „Dominant-... ein Dom?“
 

„Ich bevorzuge den Ausdruck „Top“.“, eins seiner charmant- verspielten Lächeln huschte über das Gesicht des Blonden, „Es bedeutet gleichzeitig „oben“ und „super“!“
 

Der Uchiha schüttelte mit ernüchtertem Blick den Kopf.

„Schön, also... wie auch immer, ich dachte du hast hier garantiert eine Menge...“, gab es eine Art, das irgendwie subtil auszudrücken? „... Zeug“
 

Naruto legte den Kopf schief.

„Was für Zeug?“

„Keine Ahnung, irgendwie krankes Zeug... Dildos und so, Sexspielzeug eben.“
 

Das Grinsen des Blonden kroch langsam von einem Ohr zum Anderen, sein Blick wurde unverholen interessiert.

„Oh, hier fehlt Sexspielzeug...? Mann! Jetzt wo du´s sagst! Ich wette, es bräuchte eine Menge Ketten und Leder und riesige Dildos um dich zum Heulen zu bringen-...“, er stockte vielsagend und richtete seinen Blick auf Sasukes verschmähtes Essen, „-... warte mal...“
 

Der Uchiha zog eine unbehagliche Grimasse, senkte den Kopf:

„Ist ja gut. So hab ich das nicht gemeint, nur...“, er zuckte die Schultern,

„Kiba“, betonte er, „Hat zum Beispiel Ledermanschetten an seinem Bett.“
 

Naruto hob eine belustige Augenbraue.

„Du musst es ja wissen“, meinte er.
 

„Und Ketten!“
 

„Das ist eben Kiba! Außerdem...“, Naruto mampfte mit einer Hand mehr von seinem Curry und wedelte mit der anderen vage in der Luft herum, „Vielleicht hab ich -meine- Schnallen ja nur gut versteckt.“
 

Sasuke sah ihn einen Moment kritisch an, dann drehte er sich um und warf kurzerhand die Bettwäsche zurück, um den Rahmen zu begutachten.

„Hey!“, kam der prompte Protest, „Hör auf dami-...“
 

Der Uchiha hob den Blick zur Seite und erstarrte.

Dort, zwischen Nachttisch und Kopfkissen, im Schatten des Winkels, hing etwas am Bettpfosten. Es war eine schmale, dunkle, auf den ersten Blick vollkommen unauffällige Schlinge aus rundem Leder. Behutsam glitt er mit den Fingern darunter, nahm sie von ihrem Platz.
 

„Nein! Lass das wo es ist!“, Narutos Stimme hatte eine vollkommen neue Ernsthaftigkeit angenommen. Sasuke drehte sich zu ihm um.
 

„Ich mein´s ernst“, drohte der Blonde leise, und da war kein Funken Verspieltheit mehr in den blauen Augen, „Das ist nicht, was du denkst. Gib es her“
 

Sasuke hob leicht die Hand, Naruto entriss es ihm mit nachdrücklichem Ruck, zog es an sich.
 

Ein paar Momente lang war die Stimmung zwischen ihnen voll von Ungesagtem und alter Verletzlichkeit.
 

Langsam sank Sasuke auf seinen Platz zurück. Naruto hielt Kopf und Schultern gesenkt. Er strich mit dem Daumen über die Schlinge, der Appetit schien ihm erst mal vergangen.
 

„Ich hab noch einen Wunsch frei“, fiel Sasuke ein.

„Ich hab die Chili gegessen-... und jetzt will ich, dass du dafür was für mich tust. Fair ist fair.“
 

„Technisch gesehen“, meinte Naruto leise, ein brüchiges Grinsen zupfte im Mundwinkel, er hob leicht die Schulter, „Hast du sie wieder ausgespuckt?“
 

Sasuke senkte den Blick.
 

„Erzähl mir, was es damit auf sich hat. Und-...“, seit sie sich kannten, hatte er etwas darüber wissen wollen, aber Naruto hatte auch anderen auf die Frage nur Blödsinn erzählt, einen Scherz daraus gemacht oder das Thema gewechselt.

Jetzt war es Zeit für Bekenntnisse.
 

„Woher hast du eigentlich diese Narben in deinem Gesicht?“
 

Es wurde still.

Narutos Finger hielten sich an der Schlinge fest, fühlten, streichelten gedankenverloren. Sein Kopf war gesenkt, er wirkte wieder ein wenig wie früher-... schutzlos, verloren.. wie früher, wenn irgendwelche Psychotricks der Betreuer ihn dort erwischt hatten, wo jeder sehen konnte, dass es ihm weh tat. Wenn man ihn in irgendwelchen bescheuerten Therapiegruppen in die Enge getrieben hatte. Er selbst hatte dort seine Eismauer perfektioniert und wie die meisten anderen schnell gelernt, dass es Methoden gab, sie auszutricksen, ihre Fragen nicht wirklich an einen heran kommen zu lassen... aber Naruto war nicht so klug gewesen, nicht so vorsichtig. Er rannte instinktiv und weit offen in jede Provokation und war dann allein und jämmerlich ohne Verteidigung.
 

In solchen Sitzungen war Sasuke wütend geworden. So sehr er den blonden Chaoten sonst gehasst hatte, es war unerträglich gewesen, ihn all dem ausgeliefert zu sehen. Es hatte seine Verachtung geschürt. In diesen Momenten... wollte er es einfach nur beenden. Alles. Und er hatte den Impuls verstanden, der einen dazu brachte zu töten. Zu töten und zu vernichten, mit aller Kraft und all seinen Fähigkeiten. So lange, bis nichts mehr übrig war.
 

„... Früher“, begann Naruto heiser, „Also... bevor wir im Konoha- Heim waren, du weißt schon... waren wir beide ja noch wo anders. Was dir passiert ist, wusste man ja, also-... bei mir war nicht so ein großes Unglück, sie haben das glaube ich einfach geschlossen und alle die noch übrig waren, weiter verteilt. Wahrscheinlich weil es kein Geld mehr gab oder so... Jedenfalls war ich da, seit ich denken kann. Ich hab keine Erinnerung an... meine Mutter oder meinen Vater, da ist gar nichts... Jedenfalls... es war sowas wie eine alte Kaserne, es gab einen Hof... in dem zwei große Bäume standen, die fast nie Blätter hatten... und dort, gegenüber vom Haus mit den Schlaf- und Essenssäalen war ein kleineres Gebäude. Da waren noch Hundezwinger von früher drin.“
 

Er biss sich auf die Unterlippe, seine Hände seltsam kraftlos. Sasuke sah ihn an und wagte es kaum zu atmen.
 

„Immer wenn sie mich dort rein geworfen haben... war es ganz dunkel. Die Fenster waren zugenagelt. Da war-... niemand mehr, und-... irgendwann kam diese Angst-... dieses-... dieses Gefühl weißt du, wenn du solche Angst hast, dass du glaubst, du stirbst? Ich hab´s da gefunden. Es lag auf dem Boden.“
 

Der Uchiha warf einen Blick auf die höchstens fingerdicke Lederschlinge in den Händen des Anderen.

Zwei silberne Ringe glänzten an beiden Enden.
 

„... Ein Halsband?“
 

"Hmm."
 

„Es hat überhaupt keine Schnalle?“
 

„Nein, das ist so ein Lederwürger. Für Jagd- und Schutzhunde und so was in der Art... dass du es mit einem Griff über- und wieder abstreifen kannst, weißt du?“

„Ah.“

„Ich glaube, sowas wär heute nicht mal mehr erlaubt“, schnaubte Naruto, „Weil es keinen Stop hat. Siehst du? Wenn du hier ziehst-...“, er streifte es um sein eigenes Handgelenk und hakte einen Finger in den äußeren Metallring. Die Schlinge zog sich mühelos fest.

„Mh...“, Sasuke spürte ein Zupfen irgendwo unterm Zwerchfell.
 

„Sie haben immer gesagt, ich wäre so, dass es kein Mensch jemals mit mir aushalten würde.“
 

Gedankenverloren spielte Naruto mit den Metallringen zwischen seinen Fingern.
 

„Aber-... als ich da im Dunkeln lag und das hier in der Hand hatte... da dachte ich-... ich weiß, es ist verrückt, aber ich dachte eben einfach-... es wäre vielleicht ein Zeichen, weißt du? Nämlich, dass ich nicht der Einzige bin, der weiß, wie es in der Hölle aussieht. Es gibt mindestens noch einen anderen. Das hier war mein Beweis. Und ich dachte mir, wenn das so wäre, dann... ich hab mir eben vorgestellt... dass er vielleicht-... irgendwo... noch da draußen sein könnte. Und dass ich ihn irgendwann finden würde. Wir würden uns sofort erkennen, weil-... wir einfach irgendwie verbunden wären. Und egal wie furchtbar... furchtbar alles war, wir beide zusammen würden... das irgendwie... für uns wieder gut machen. Jeder für den Anderen. Ich wollte einfach nur... einen Freund, irgendein anderes Wesen! Und es war mir ehrlich gesagt egal“, er hob mit neuem Trotz in den Augen den Blick, „Ob er zwei oder vier Beine oder was auch immer haben würde, heh!“, mit einem Schulterzucken und tiefem Durchatmen schüttelte er die Düsternis von sich und ließ die Schlinge locker zwischen zwei Fingern baumeln.
 

„Hier, häng das bloß wieder hin. Echt peinlich, Mann! Andere Kinder hatten Teddybären, ich hatte ein Lederhalsband zum rein heulen. Schon kein Wunder, dass ich jetzt solche seltsamen Hobbys hab, was?“
 

Sasuke sah ihn lange und nachdenklich an. Er nahm die Schlinge zurück. Sie fühlte sich glatt und warm an. Mit seltsamem Gefühl hängte er sie behutsam an den Platz über den Bettpfosten.

„Ich hatte einen Dinosaurier“, brummte er.
 

Naruto lachte auf.

„Einen Dinosaurier?“
 

„Ja, er hieß „Rory“.“
 

Der Blonde prustete ungläubig. Ihre Blicke trafen sich wieder. Ein verlegenes Schmunzeln zupfte an Sasukes Mundwinkeln.

„Ich hab immer so kleine Städte aus Bauklötzen gebaut, und dann gespielt, dass Rory kommen und alle fressen würde.“
 

„Hahaha! Mann, das ist so typisch für dich!“

Sasuke lächelte.
 

„Du musst das mit den Narben nicht erzählen, wenn du nicht willst“, meinte er.
 

„Ah... ach so, die“, Naruto kratzte sich flüchtig mit einem Finger die Wange, „Doch, ist schon okay. Du kannst es wissen.“
 

„Waren es ein paar Ältere in eurem Heim?“

„Nein, das... war ich selbst.“
 

Sasuke erstarrte.

„... Was?“
 

„Ja... das war kurz nachdem ich das erste Mal in der Psychiatrie war, da war ich... so acht vielleicht? Und es war alles-... mh... kennst du das Gefühl, wenn es-... irgendwann einfach alles zu viel ist und du denkst ich kann nicht mehr, ich kann nicht, ich halte das keine Sekunde länger aus?“
 

Sasuke nickte beklommen.
 

„Ich war so klein und so schwach und so-... hilflos!“, Naruto gestikulierte fahrig mit den Händen. Sein Lächeln wurde zu einer erstarrten Maske aus Zähnefletschen und einem Blick der an ihm vorbei, weit ins Nichts ging. Seine Stimme verlor die übliche Kraft.
 

„Und ich hatte genug davon! Ich dachte, scheiß drauf! Ich wollte nie wieder Angst haben! Ich wollte nicht mehr diesen Schmerz! Ich wollte nie wieder, niemals-... niemals wieder so machtlos sein. Ich wollte mich in irgendwas verwandeln, das stark ist. Etwas, das Zähne und Klauen hat, irgendwas großes. Ich dachte mir, wenn sie mich schon nicht mögen, können sie wenigstens Angst vor mir haben. Also hab ich mir ein paar Messer gesucht und bin damit ins Bad... die ersten zwei waren zu stumpf, aber dann hab ich... naja... Mich verwandelt. Ich war so hochgepusht, ich glaub es hat nicht mal weh getan. Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran... Es war aber eine ganz schöne Sauerei. Die Betreuerin die mich gefunden hat, ist auf einen Schlag weiß geworden wie ein Bettlaken, heh. Und wie die geschrien hat! Allein dafür hat es sich irgendwie gelohnt, zumindest dachte ich das in dem Moment. Natürlich kam sofort wieder der Krankenwagen und ich war wieder in Isolation... aber das war mir dann auch scheißegal...“, sein Grinsen hatte eine gefährliche, raubtierhafte Note. Dann hielt er inne. Seine Mundwinkel zuckten, die Gesichtszüge wurden weicher. Sein Blick sank in Richtung Fußboden.
 

„Nach der Geschichte hat sich keiner mehr in meine Nähe getraut. Irgendwann-... wusste ich nicht mehr, was schlimmer war...“
 

Sasuke starrte ihn an. In seiner Brust wühlten wilde Emotionen durcheinander.

Und als der Blonde einen scheuen Blick zu ihm hob, suchte all die Empörung, all der geschockte Hass ein Ventil.
 

„Scheiß auf die Anderen!“, stieß der Uchiha hervor, in seinen Augen brannte ein dunkles Feuer, „Scheiß auf sie Alle.“
 

Naruto sah auf seine Finger hinunter und lächelte. Dieses verlegene, entwaffnende Lächeln.
 

„Egal jetzt, okay?", schnaufte er, "Vorbei ist vorbei! Wir sind hier, es geht uns Beiden gut-... naja, den Umständen entsprechend, deine Lippen sehen immer noch verdammt rot aus“, er grinste etwas, „Die Nacht ist jung... und wir auch...?“
 

„... Hm.“
 

„Und naja, ich hab mich gefragt... wo du schon mal hier bist, und... das vielleicht unser letzter, naja, Abend ist...“
 

Der Uchiha spürte seine Ohren heiß werden, er starrte wie gebannt auf Narutos spielerische Verlegenheit.

„J-... ja?“
 

„Ähm... wie soll ich das-... also...“, der Uzumaki kratzte sich in der Frisur, wand sich auf seinem Platz, „Ach was soll´s ich sag´s einfach! Uhm... du, Sasuke?“
 

Unglaublich blaue Augen tauchten in seine und der Uchiha spürte Wärme in seinen Körper fluten. Atemlos hielt er still, versuchte seine instinktiv verkrampften Hände wieder zu entspannen.

„U-huh..?“
 

„Willst du... vielleicht... könntest du dir vorstellen mit mir...“
 

Sasuke spürte wie sein Inneres vor Resonanz bebte. Seine Kehle war wie zugeschnürt, er brachte keinen einzigen Laut hervor. Alle Konzentration brauchte er schon für sein verbissenes Mantra, dieses Mal auf keinen Fall wegzuzucken-... einfach nur verflucht nochmal reglos zu bleiben, egal wie schwer das sein würde-...
 

„... mein Geschirr abzuwaschen?“, ergänzte der Blonde.

Sasukes Gesichtsausdruck entgleiste.
 

„Ahahaha!“, Naruto wippte auf den Fersen nach hinten, hielt sich den Bauch, „Oh Gott, dein Gesicht! Scheiße, das war zu geil! Sei nicht böse, ich mein´s nur lieb! Komm, pack zusammen, wir gehen zurück in die andere Wohnung!“
 

Sasuke saß da, fassungslos, mit halb harter Erektion in seinen Hosen und unfähig, irgendetwas darauf zu erwidern. Das schlimmste war, dass er diesmal nicht einmal einen bissigen Spruch zurück geben konnte.

Er ließ kraftlos die Schultern sacken.
 

Vielleicht war es Schicksal. Er würde es nie wagen, sich dem Anderen anzuvertrauen, und das hier war das Beste was er bekam. Sehnsucht aus der Ferne, Druckausgleich durch leidenschaftlichen Hass, die gelegentliche Lust daran, sich an ihm zu Reiben, mit ihm auf Körperkontakt zu kämpfen... und sich einsam unter der Dusche selbst zu befriedigen.
 

Mit lautlosem Seufzen nahm er den Müll mit, folgte dem Blonden zurück zum Waschsalon und von dort aus zu ihrem Versteck.
 

~
 

„... Ich dachte, du willst deine Geheimwege nicht verraten?“

„Will ich auch nicht, aber du hast die Binde weggeworfen, oder?“

„... Scheint dir ja nicht sehr wichtig zu sein.“

„Was soll ich machen, dir die Augen zuhalten?“
 

~
 

Als sie im Aufzug nebeneinander standen war Narutos warme Hand über seinem Gesicht das schönste Gefühl, das er seit langem gehabt hatte. Er fühlte sich nicht mehr nervös, sondern fast geborgen. Seltsam- aber sie waren sich so nah. Und auf einmal war er so ruhig. Sasuke dachte an die Spritze und spürte Widerwillen und ratlose Erregung. Vielleicht sollte er seine Unterhose- aus Versehen- nur ein kleines Stück weiter hinunter schieben als sonst? Er hatte nicht die geringste Ahnung. Aber irgendetwas musste passieren.

Es ging nicht anders.
 

Irgendetwas... musste einfach sein.
 

Sobald die Zimmertür hinter ihnen zugefallen war, gab Naruto ihn wieder frei.

Sasuke warf einen Blick auf das Sofa, streifte den Pullover ab und begann sofort, die lockeren Hosen auszuziehen.
 

„Was machst du?“, kommentierte Naruto mit belustigt gehobener Augenbraue.
 

„Ich-... das-... ist bequemer so“, knurrte er. Schwupp, folgte sein Shirt auf den Haufen der überflüssigen Kleidungsstücke. Das einzige Problem war die jetzt nicht mehr ganz so dezente Erektion in den Shorts.
 

„Und-... weißt du was? Ich glaub ich geh vorher nochmal duschen!“

Mit drei großen Schritten hatte der Uchiha beinahe fluchtartig die Wohnung durchquert, die Badezimmertür knallte hinter ihm, das Schloss schnappte energisch zu.
 

„Du bist sowieso ein Freund von luftigen Outfits, oder?!“, rief Naruto ihm nach.

Der Dunkelhaarige gab keine Antwort.
 

„Soll ich dir helfen?“, versuchte der Uzumaki es nochmal.

„Fick dich“, ächzte es gedämpft von drinnen.
 

Das Schmunzeln unter den blonden Strähnen wurde deutlicher, herausfordernder.
 

„Ähm... was hast du grade gesagt? Ich glaube ich hab dich nicht richtig verstanden!“
 

„-... Klappe!“
 

„Schön sauber rubbeln!“, Naruto hielt eine Hand an die Seite des Mundes, damit der fröhliche, ermunternde Ruf sicher ankam, „Vergiss nicht die Stellen, wo die Sonne nicht hinscheint!“
 

Das Geräusch, das Sasuke von drinnen von sich gab, war schwer zu definieren.

Es klang jedenfalls gefährlich.
 

~
 

„Ganz ruhig...“

Narutos leicht gekrümmter Zeigefinger streichelte nun schon seit bestimmt einer halben Minute Sasukes empfindlichen Unterbauch seitlich des Bauchnabels. Der Uchiha lag ergeben, mit nichts als nur dunklen Boxershorts an, auf die Unterarme gestützt in den Sofapolstern und wartete auf den Stich.
 

„Tu es einfach“, flüsterte er.
 

Der Blonde schüttelte den Kopf.

„Du bist total verkrampft...“
 

„Ja... weil du mich so seltsam streichelst! Das-...!“

„Schhh...“
 

Sasuke verstummte.

„Ich weiß, dass du lockerer werden kannst“, flüsterte der Uzumaki und wechselte zur Handfläche, die er weich, langsam über Sasukes Seite streicheln ließ. „Atme zu meiner Hand“
 

Der Dunkelhaarige biss die Zähne zusammen. Er gab ein kleines, klägliches Geräusch von sich und zog den Kopf zurück. Seine Nippel wurden hart. Kleine, empfindliche Nervenbündel. Und Narutos Finger waren sanft, quälend sanft und langsam. Der Blick aus seinen blauen Augen ging tief, es gab nur die Wahl ihm auszuweichen- sich wegzudrehen, die Augen zu schließen-... oder sich ihm zu stellen. Sasuke entschied sich für Letzteres.
 

Trotzdem versuchte er, so flach wie möglich zu atmen. Er konnte doch unmöglich jetzt-... er konnte nicht entspannen. Es gab da ein kleines Problem! Er durfte keine Erektion bekommen, während Naruto so über ihm saß. Nicht jetzt. Nicht so. Das war doch-... mit aller Macht versuchte er, unbeteiligt zu bleiben, das Unvermeidliche wenigstens noch ein wenig hinauszuzögern-... es war unglaublich peinlich. Der Andere hatte ihn noch nicht einmal wirklich angefasst!
 

Aber Narutos Lippen waren so nah und er sah am Rand seines Blickfelds, wie der Andere leicht mit der Zungenspitze darüber fuhr.
 

"Sasuke", flüsterte er, strich mit dem Daumen zentral, streifte feinen Flaum unterm Bauchnabel. Der Uchiha stöhnte leise, biss die Zähne zusammen. Sein ganzer Körper bebte. Oh nein-... ohh nein, bitte nicht-... träge strich Narutos Finger an weichen Häarchen vorbei, und Sasukes Schwanz pochte und zuckte unweigerlich vor Interesse, er füllte sich mit Blut, streckte sich höher, heiß und vollkommen offensichtlich, nur von lächerlich dünnem Stoff verdeckt. Es gab nichts mehr was er dagegen tun konnte.
 

Narutos Lächeln war nur einen Atemzug weit entfernt.
 

"Ist schon gut", wisperte er, schmiegte sich näher, kam warm und schwer über ihn, schob seinen Kopf an Sasukes Wange vorbei, die Lippen zu seinem Ohr, "Ist okay"

Es war nicht okay- nicht für Sasuke. Er hielt sich mit klammen Fingern an Narutos Oberteil fest, damit er nicht aus Impuls wieder irgendetwas Dummes tun würde, schüttelte stumm und verbissen den Kopf.

"Doch", flüsterte es bei seiner Halsbeuge. Narutos Haare kitzelten sein Gesicht.

Sasuke wand unruhig sein Becken zwischen den festen Schenkeln, schüttelte seinen Kopf noch einmal.

"Ehrlich", diesmal war das Wort kaum hörbar. Er spürte es mehr bevor der Blonde ganz sacht an der Haut seines Halses nippte, "Weißt du-..." Naruto rollte wortlos sein Becken dichter. Und Sasuke spürte die Härte zwischen seinen Beinen durch alle Lagen von Stoff hindurch.
 

Die Erkenntnis kam über ihn wie eine Springflut, legte alle Zweifel lahm und machte auf einen Schlag alles klar, alles einfach. Sie kollidierten mit einer Wucht die sich ähnlich anfühlte, wie vor einem guten Kampf. Alles war vertraut irgendwie, aber auch völlig anders und irgendwie-... endlich richtig. Offene Lippen, Zungen, Hitze, Verlangen, Sehnsucht-... Sasuke schlang seine Arme um den Anderen, grub ihm aus Verzweiflung und wilder Leidenschaft sämtliche Fingernägel ins Kreuz. Als er Narutos Zähne in sanfter Gewalt an seinem Schulteransatz spürte, wie der Andere immer schwerer über ihm wurde, knabberte, saugte, mit immer deutlicherem Besitzanspruch, wurde ihm heiß wie noch nie, er schnappte nach Luft, wölbte den Rücken hoch, warf den Kopf herum, keuchte-... bei dem hellen, heißen Stich der Spritze im Unterbauch wäre er um ein Haar gekommen.
 

Dann zog Naruto sich etwas zurück, warf das gebrauchte Instrument Richtung Couchtisch. Es landete mit leisem Klappern. Sie sahen sich an. Sasukes Blick war schwarzes Feuer, Narutos Augen kornblumen- himmelblau, sturmwindblau. Ihr Ausdruck fuhr in die Glut des Dunkelhaarigen wie ein Windstoß.
 

Sasuke konnte nichts sagen-... er war unfähig, sich mit Worten auszudrücken. Stattdessen packte er einfach Narutos Handgelenk, zog den Arm des Anderen dicht, presste die Hand zwischen ihnen abwärts.
 

Als der Blonde ihn wieder küsste, ließ er sich von ihm den Kopf in den Nacken drücken und gab ein kehliges, tiefes Geräusch von sich, das halb Verlangen war und halb Kapitulation.
 

~

Schmelzpunkt

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Money, Money (Deidara, Suigetsu u.a.)

~
 

„Scheiße.“
 

Suigetsu zuckte zusammen, als Flüssigkeit auf sein Gesicht herunterplätscherte. Er hustete, würgte gequält, versuchte die Arme zu bewegen. Aber die Handschellen, die sich in schartige Wunden gruben und noch mehr Blut zum Sickern brachten, hielten bombenfest. Genau so wie seit dem letzten Abend... und die ganze, erbärmliche Nacht lang.
 

Hidan hockte sich zu ihm herunter, blieb kauernd über dem Brustkorb sitzen. Dämonisch rubinrote Augen schienen im Halbdunkeln zu glühen. Er legte seinen breiten Kopf schief.
 

„Sieht so aus, als schmeckt ihm mein Sprite nicht, Kakuzu“, bemerkte er.
 

„Merkwürdig ... dabei sieht es so aus, als hätte er sonst immer großen Durst gehabt ...“
 

Der vermummte Riese mit den Wundnähten im Gesicht schob mit dem Fuß eine der herumliegenden Plastikflaschen zur Seite, zu einem bunten Haufen von Artgenossen. Das meiste an Müll im Raum waren leere Flaschen von Softdrinks und Getränkedosen, Becher von Milchshakes und Bubble-Tea. Er griff nach dem nächsten, dicken Bündel von Geldscheinen aus dem Berg auf dem Tisch, um sie sorgfältig durchzuzählen.
 

Das Chaos in dem kleinen Zimmer ignorierte er genauso wie den verletzten Mann, der an die Heizung gekettet auf dem Rücken lag, während sein Partner ihm mit sichtlichem Spaß Limonade übers Gesicht und in offene Wunden kippte.
 

Erst vor kurzem war er damit fertig geworden, den ebenfalls beachtlichen Berg von Plastikpaketen zu prüfen und abzuzählen, der säuberlich an der hinteren Wand aufgestapelt war. Mit dem Skalpell hatte er in einige davon hinein gestochen, die Substanz geprüft die auf der schmalen Klinge zurückgeblieben war; daran gerochen, an einem seiner Finger geleckt, ihn hinein getupft und in den Mund gesteckt.
 

All die Bündel von gehortetem Geld zu zählen machte ihn sichtlich zufriedener: Vollkommen in seinem Element blätterte er die Scheine durch, sortierte alles in säuberliche, gleichmäßig große Stapel. Es gab hier noch eine Menge davon.
 

„Hört auf damit“, schluchzte Suigetsu gurgelnd vom Boden her. Seine Abwehrbewegungen waren nur noch schwach und sinnlos, ein Zucken mit den Beinen, das Müll von ihm weg schob.
 

„Was- ... hab ich euch denn getan? Ihr müsst das nicht tun- ... ihr- ...", er wimmerte elend, "Ihr müsst das doch nicht tun ... lasst mich doch einfach gehen ... Scheiße!“
 

Hidan beugte sich tiefer über ihn. Er sog den Geruch in sich auf; Angstschweiß, Alkohol, menschliche Absonderungen- leckte die Lippen und schmierte mit der flachen Hand fasziniert Blut und Flüssigkeit übers Gesicht seiner Beute.

"Mmmh, das wird gut ...", lechzte er. "Wir beide werden viel Spaß miteinander haben ... Jashin wird sehr zufrieden sein ..."
 

"Lange genug hat´s gedauert", brummte Kakuzu von seinem Platz am Tisch her. „Immer noch keine Spur von dem Anderen, aber wenigstens haben wir endlich das Nest gefunden.“
 

"Scheiße!", krächzte Suigetsu hilflos. "Was wollt ihr denn? Lasst mich doch einfach gehen! Fuck- ... das ist bestimmt nur ein schlechter Trip- ... ich muss einfach nur aufwachen- ... aufwachen- ... !"
 

„Darf ich?“, Hidans Blick war starr und glasig, seine Stimme rau, als er zu Kakuzu aufsah.
 

„Sicher“, brummte der gleichgültig. „Tob dich aus ... wir warten nur auf den Alpha."

„Ohh, ja ...", Hidan zückte ein Schnappmesser das im Halbdunkeln glänzte. "Mach schön den Mund auf...“
 

„Wartet! Ihr wartet auf wen?!“ Suigetsus Stimme war hoch und hysterisch. „Da liegt ihr aber falsch! Ihr macht einen schrecklichen Fehler!“
 

„Sei so gut und schieb ihm dieses Mal doch was zwischen die Zähne", brummte Kakuzu, "Wir wollen kein Publikum anlocken ...“
 

„Aww, komm schon!" Hidan protestierte. "Es bringt mich voll in Fahrt, wenn sie schreien!“
 

„Neinneinnein! Wartet!" Suigetsu rüttelte an den blutverkrusteten Handschellen. "Er- ... er wird nicht kommen! Ihr verschwendet eure Zeit! Er ist raus!“
 

Kakuzu stutzte, drehte langsam den Kopf herum. Die gelben Kontaktlinsen bildeten einen durchdringenden Kontrast zu der lederartigen Haut und den schwarzen, öligen Haaren.

Hidan hielt ebenfalls inne, verdutzt über den plötzlichen Stimmungswechsel seines Partners, er warf einen zweiten, misstrauischen Blick auf das sich windende Opfer zwischen seinen Knien.
 

Suigetsu rang nach Luft, seine spitzen Zähne ragten über dünne Lippen. Sein gehetzter Blick huschte aus blassen Augen zwischen den beiden Fremden hin und her.
 

„Was willst du damit andeuten?“, wollte Kakuzu wissen.
 

Suigetsu hustete etwas.
 

„Na ... das was ich grade gesagt habe.“ Er hustete wieder. „Er ist nicht mehr im Geschäft- ... scheiße ... er wird nicht mehr wieder kommen, okay? Er ist über alle Berge! Abgehauen! Er hat zu mir gesagt- ... Suigetsu, hat er gesagt, ich will nie wieder irgendwas mit alldem zu tun haben- ... und seitdem hab ich ihn nicht wieder gesehen! Womöglich ist er in irgendeinem beschissenen Kloster und meditiert oder wasweißich! Ich bin- ... ich bin also sozusagen sein Nachfolger, okay? Genau genommen- ..." Er blinzelte, hob den Kopf etwas, sein Blick flirrte kampflustig. " ... bin quasi ich der Alpha in diesem Bezirk! Ja! Ich bin- ... der Einzige, der die Gegend kennt und ... der noch im Geschäft ist!“ Er hielt inne um Luft zu holen:
 

„Kapiert?!“
 

Eine sprachlose Stille breitete sich aus.
 

"Hey hey hey! Moment mal!“ Hidan schnaufte alarmiert. „Was soll das- ... Ich kann ihn doch trotzdem- ...?!“

„Nein", entschied Kakuzu unwirsch. "Noch nicht.“
 

„WAS?!“

„Warten wir, was der Boss dazu meint ... Die Geschichte soll er sich selbst anhören.“
 

„Was?! Nein! Kakuzu!!“
 

Trotz seiner erbärmlichen Lage- vielleicht sogar gerade deshalb, fing Suigetsu, als er Hidans entgleisten Gesichtsausdruck sah, hysterisch zu lachen an.
 

„Halt die Klappe, du Fischkopf!“
 

„Hidan, geh runter von ihm!“
 

„Das ist unfair!“
 

„Runter.“
 

„Der kleine Scheißer lacht mich hier aus!“
 

„Du tust was ich sage, oder trägst verdammt nochmal die Konsequenzen!“
 

Der bullige Mann verzog das Gesicht als hätte ihn jemand an besonders empfindlicher Stelle getreten und trollte sich von dem Anderen auf dem Boden, verzog sich erst in eine Ecke auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, suchte dann doch die Nähe seines Partners.

„Das ist scheiße!“, wimmerte er.
 

„Und du“, sagte Kakuzu herablassend zu dem immer noch atemlos lachenden Suigetsu, kniff die künstlich verfärbten Augen zusammen. „Lach nur ... solang du noch kannst. Wir werden sehen, wie lange das anhält.“
 

~
 

„Scheiße“
 

Deidara murmelte den Fluch, weil die Tasche mit Malutensilien gerissen war, nachdem er nur zwei Schritte aus dem Laden gemacht hatte. Er sammelte die Teile der Holzrahmen einzeln heraus, klemmte sie umständlich unter den Arm, nahm die Rolle Leinwand unter den anderen und hielt den Rest in der Papiertüte so, dass die Farben möglichst nicht durch das Loch kullerten und sich mitsamt seiner sauer verdienten Ersparnisse auf der Straße verflüchtigten.
 

Mit hängendem Kopf trat er den Weg zu seinem Atelier an.
 

Vielleicht war es etwas hochtrabend, es „Atelier“ zu nennen. Es waren ein paar kahle Räume in einer Gegend, die man nicht einmal mit viel Wohlwollen „Künstlerviertel“ nennen konnte. Es sah aus wie verlassene Fixerstuben, und genau das war es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Im Müll hatte er sogar geschwärzte Löffel gefunden. Wenigstens war das Licht gut und der Platz ausreichend. Und er war nicht einmal allein da, aber er könnte schwören, dass die anderen dieser „Kunststudenten“, die dort mehr oder weniger regelmäßig herumschwärmten und sich Terpentin und Ideen teilten, noch verrückter waren als er.
 

Dieser Somi oder Soubi oder wie der hieß zum Beispiel: langes Haar, Brille, ein gutes Stück älter und- ... einfach nur krank. Er malte abgründige Bilder, schmierte mit Krähenfedern und Tusche düstere Ergüsse von Lyrik auf Pergamentpapier und winselte seinem verschwundenen Psychopathen- Freund hinterher. Freak. Vielleicht, dachte Deidara, war der Rest der Welt bei genauerem Hinsehen doch nicht so viel normaler als er ... dieser andere, Nagisa, war ja noch schlimmer- ein Lächeln wie Zuckerguss, aber- ... der Spruch, dass Gott jedes Mal ein Kätzchen tötete, wenn man masturbierte, war ja allseits bekannt- ... Kaworu Nagisa war mit dem Gerücht verschrien, tatsächlich mal ein Kätzchen getötet zu haben, auch wenn keiner so genau wusste, ob das wirklich stimmte: Angeblich einfach so, ohne besonderen Grund, Knacks- Genickbruch. Allein die Möglichkeit jagte ihm Gänsehaut über den Rücken. Einmal, bei einer späten Diskussionsrunde mit einer Menge Wein und ausgezeichnetem Gras hatte der Kerl Sprüche abgelassen wie „Die Essenz des Glücks besteht in seiner Zerbrechlichkeit“- und dass ihn die feine Linie zwischen Tod und Leben, Glück und Unglück so faszinierte.
 

… war das unheimlich, oder was?
 

Auf eine gewisse Weise war er damit zwar näher an Deidaras Kunstverständnis, als der gute Soubi- Deidara war sich relativ sicher, dass der Typ sich nur gern in Schmerz und Seelenpein suhlte, und die Leinwände nebenbei mehr aus Langeweile bekleckerte- aber bei all den abartigen und abgefahrenen Dingen, die Deidara in seinem jungen Leben schon gesehen und für die er Verständnis hatte, war kein Platz für so etwas krankes wie einen Kätzchenmörder.
 

Denn immerhin- ... Kätzchen!

Es war ein merkwürdiger Gedanke, vielleicht der Normalste in seiner Umgebung zu sein.
 

Dann allerdings musste er mit einer gewissen Scham an die heimlichen Videos seiner ersten ... Kunstprojekte denken, die ihn immer noch mehr auf Touren brachten als jeder normale Porno den er je gesehen hatte ... An die selbstgebastelten Sprengsätze, seine ersten Skulpturen aus Plastiksprengstoff, die verwackelten Handkamera- Bilder durch seine vor Aufregung zitternden Hände und sein heftiges, erregtes Atmen im Hintergrund auf der Tonspur, wenn alles zu seiner Vollendung kam- ... Und dann sah er ein, dass er auf seine Weise womöglich auch ganz schön gestört war. Ziemlich beunruhigend heftig gestört, sogar ... Hm.
 

Aber immerhin war er inzwischen doch relativ handzahm, resozialisiert und stubenrein, so wie die Spießergesellschaft sich ihre Künstler eben wünschte ... Manchmal fühlte er sich zwar wie amputiert dabei, aber er war brav und verkniff sich seine Leidenschaft normalerweise bis zu Sylvester und ein paar seltenen, sehr besonderen Ausnahmen ... vielleicht hätte er lieber als Nebenjob bei einem Abriss- Unternehmen anheuern sollen?
 

Gerade bog er an der Kreuzung vor dem Gebäude der alten Galerie ab, als sein Blick auf jemanden fiel, der eine Litfaßsäule mit Postern beklebte. Von Natur aus neugierig blieb er stehen und spähte nach Hinweisen, für was für neue Veranstaltungen geworben wurde.
 

Nicht, dass er wirklich Geld hatte, auf Konzerte und Partys zu gehen, aber das hielt ihn nicht jedes Mal davon ab ...
 

Ah, eine neue Ausstellung! Schien sogar eine recht große Sache zu werden ... wow ...

… aber schade, nichts Zeitgenössisches. Hm.
 

Stattdessen- ... wie bitte? Deidaras Gesicht verzog sich in Ekel und Ungläubigkeit. Pff ... ja klar! So ein Thema? Sollte das vielleicht ein Witz sein? Wie man das überhaupt Kunst nennen konnte, entzog sich seinem Verständnis. Also wirklich. Bei all den Möglichkeiten, die sie hätten haben könnten?

Die Dummheit der Leute machte ihn immer wieder einfach fassungslos!
 

Und schon wieder juckte es ihn in den Fingern, irgendetwas mit großem Getöse in seine molekularen Bestandteile zu sprengen ... Hm.
 

Vom Ende der Straße kam zu allem Überfluss auch noch ein Polizeiauto. Die Bullen, na das passte ja ... Schnaubend wandte er sich ab. Nichts wie weg ...
 

~
 

„Woah!“ Kankuro zog abrupt die Lenkung des Wagens herum und brachte das flott unterwegs gewesene Polizeiauto quietschend zum Stehen, mitten auf einer Bushaltestelle,

„Ich glaub´s nicht!“
 

„Was ist?“, maulte sein Partner, aber da hatte der Sabaku schon die Tür aufgerissen, war ausgestiegen und baute sich in voller Größe vor dem Posterkleber und seiner Litfaßsäule auf. Der arme Mann, der dort nichts Böses ahnend seine Arbeit getan hatte, zuckte zusammen und drehte sich eingeschüchtert zu ihm um, als hätte er mit dem langen Arm des Gesetzes nicht allzu gute Erfahrungen gemacht- ... aber der breitschultrige, grobknochige Polizist beachtete ihn überhaupt nicht. Stattdessen hielt er den Blick auf das Poster fixiert, und seine Augen leuchteten.
 

„Wahnsinn ... krass- ... Alter, das muss ein Traum sein!“
 

Der Mann im Streifenwagen kurbelte das Fenster hinunter, streckte den Kopf hindurch.

„Was hat dich denn auf einmal gebissen, Sabaku?“
 

„Sieh dir das an!“
 

Kankuros Partner kniff die Augen zusammen.
 

„Pygmalions Traum- ...“, las er. „Große Sonderausstellung über plastische, menschenähnliche Darstellungen in der Kunst. Von mystisch- religiösem Gebrauch über Spielzeug bis hin zu lebensnahen Holzgliederpuppen ... na und?“
 

„Marionetten!“ Kankuro war in heller Aufregung, „Alter! Die Ausstellung ist über Puppen und Marionetten! Und das Bild auf dem Poster da drauf! Sieh dir das doch mal an!“
 

„Dieses Ding?“
 

Vor einem dunklen Untergrund sah man eine Art Holzpuppe in sehr schlichtem, alt wirkendem Stil. Sie hatte einen Klappmund wie ein Nussknacker, Glasaugen die einen starr anglotzten, wildes Haar aus Kokosfasern und einen Mantel aus Sackleinen.
 

„Im Ernst, das ist hässlich wie die Nacht“, bemerkte der Mann im Auto. "Tut mir leid, wenn ich deine Gefühle verletze, aber ... jedes Kind fängt doch an zu schreien wenn es so ein Monstrum sieht, und ich würde dem auch nicht im Dunkeln begegnen wollen! Barbie- Puppen, okay. Polly Pocket, von mir aus. Meine Tochter ist verrückt nach dem Zeug. Aber das Ding da? Würd ich sowas auf meinem Speicher finden, würd ich es salzen und abfackeln, weil ich Angst hätte, dass es anfängt sich nachts von selbst zu bewegen und meine Familie abzumurksen ...“
 

„Du hast doch keine Ahnung!“ Kankuro schob die Hände in die Jackentaschen und wandte sich ab, „Mann! Das ist sowas wie eine Legende unter den Puppenspielern! Wie für Briefmarkensammler die blaue Mauritius! Eine frühe Marionette von einem Künstler, dessen wirklicher Name nicht einmal bekannt ist! Der da Vinci der Marionettenbaukunst! Er hat diesen unverwechselbaren Stil- ... das ist DER Puppenmacher! Wenn auf dieser Ausstellung Zeug von ihm ist- ... Scheiße, ich darf nicht mehr so viel feiern! Ab jetzt wird gespart für den Eintritt! Mann, ich bin ein totaler Fan!“
 

„Du bist ein totaler Freak, Sabaku.“
 

„Na und?“ Kankuros Grinsen war so breit und zeigte so viele Zähne wie das der berühmten Cheshire- Cat, als er zum Auto zurück kam,

„Hab ich jemals was anderes behauptet ...? Komm, gehen wir noch ein paar Autofahrer nerven!“
 

~
 

Die Kante eines besonders widerspenstigen Rahmenteils drückte Deidara zwischen die Rippen, als er über den Zebrastreifen trabte, der Balanceakt mit den Farben nagte an seiner Geduld.
 

Jemand der Kunden aus dem Paradise hätte ihn vermutlich auf offener Straße nicht einmal wieder erkannt. Er hatte seine blonden Haare weder gekämmt noch gewaschen, ein provisorischer Haargummi hielt die strähnigen Zotteln halbwegs zusammen. Sein schwarzes Tank Top passte gut zu der lockeren Haremshose, darüber trug er irgendein viel zu großes und viel zu tief ausgeschnittenes Shirt in blasslila, das ihm über eine Schulter heruntergerutscht war. An den Füßen hatte er ausgelatschte Flipflops. Womöglich sah er genau so aus, wie man sich einen ständig abgebrannten Kunststudenten vorstellte. Wie ein Obdachloser mit Farbklecksen an den Fingern.
 

Wenigstens das Wetter war gut.

Vor dem Schaufenster des Elektrogeschäfts wurde er noch einmal langsamer und schnupperte sehnsuchtsvoll. Mmh ... Jedes verdammte Mal wenn er an diesem Dönerladen vorbei kam machte der Duft ihn so unglaublich hungrig ...
 

Aber nein- ... auch wenn sein Magen knurrte und ihm das Wasser im Mund zusammenlief- ... das ging jetzt nicht!
 

Er hatte gerade seine ganze übrige Kohle für Material ausgegeben, und das obwohl er noch nicht einmal einsah, warum er sich unbedingt bis zur Verzweiflung mit Ölmalerei beschäftigen musste. Königsdisziplin der klassischen Kunst, von wegen! Seine Kunst hatte nichts mit bescheuerten Farbklecksereien zu tun! Früher hätte er sich niemals dazu herab gelassen ...
 

Aber das war vielleicht die Fähigkeit, zu der einen das brave, angepasste Spießerleben brachte: den Kopf auszuschalten und Dinge zu tun, die völlig wider seine Natur gingen. Einfach nur, weil ein Professor oder eine Studienordnung oder die verdammte Gesellschaft es erwarteten.
 

Deidara senkte den Kopf gefügig noch ein wenig weiter. Seine blauen Augen richteten sich auf den Asphalt vor seinen Füßen, während er einen Schritt vor den anderen setzte.
 

Er war schon dankbar für all die zweiten Chancen, die er bekommen hatte. Aber manchmal, nur manchmal fragte er sich, für wen er das eigentlich tat ...
 

Tief in Grübeleien versunken erreichte er endlich das Atelier. Seine Flipflops stießen an knirschende Glasscherben und herumliegende Weinflaschen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass kürzlich mal wieder jemand kreativ gewesen war, oder versucht hatte, seiner Muse auf die Sprünge zu helfen.
 

Es stank immer irgendwie charakteristisch, wenn man das Treppenhaus aufwärts ging. Jedes Gebäude hatte einen besonderen Geruch, der einem schon nach der Eingangstür direkt entgegenschlug. Drüben im Paradise war es Parfüm, eine Menge davon- schweres, blumiges Parfüm, und immer leicht abgestandene Luft- hier war es Terpentin und Beton.
 

Wenn Deidara Terpentin roch, dachte er nie an Ölfarben. Er dachte an Molotov- Cocktails ... mit einer gewissen Wehmut, weil das in eine Zeit gehörte, die irgendwie hinter ihm lag. Eigentlich. Theoretisch.
 

Da war eine wilde Seite in ihm, die noch manchmal bedrohlich die Zähne fletschte, wenn seine Professoren und das ganze Leben ihn nervte, aber ... Hm ...
 

Im ersten Stock hingen altmodisch hergestellte schwarz- weiß- Fotos zum Trocknen an einer Wäscheleine, die quer durch das ganze Zimmer gespannt war, aus gewaltigen Boxen schallte die neunte Symphonie von Beethoven und Deidara verzog das Gesicht ...
 

Auch das noch. Er war nicht allein.

... das war Nagisa.
 

„Hallo!“ Der Weißhaarige hatte die unangenehme Angewohnheit, wie ein Geist aus dem Nichts vor einem aufzutauchen. „Keine Sorge, ich bin so gut wie weg! Wollte nur die letzten Bilder entwickeln. Ich räum´ sie zusammen und dann kannst du die Kreativität total fließen lassen!“
 

Deidara erwiderte ein gequältes Zähnefletschen, nickte grummelig und warf einen irritierten Blick auf die Fotos. Im Gegensatz zu ihm studierte Nagisa nicht mehr, er verdiente tatsächlich nicht schlecht mit Hochglanzfotografien von- ... mh, hauptsächlich irgendwelcher obskuren Spartenmode ... Brauchte irgendwer wirklich fließende, schwarze Kleider und Halsketten aus Kleintierwirbelsäulen?

Was ihn schon wieder unbehaglich an die Kätzchen- Geschichte erinnerte. War bestimmt frei erfunden. Aber trotzdem. Urgh ...
 

Er schnaubte, stellte die Rahmenbauteile ab und begann sich etwas missmutig nach einem guten Platz für seine beschissene Lasurtechnik. Irgendwo, wo das Licht von der Seite kam. Oh Mann, er hatte jetzt schon keinen Bock darauf ...
 

„Übrigens.“ Nagisa zauberte einen Umschlag aus seinem Ärmel und überreichte ihn großzügig, „Das war heute in deinem Briefkasten. Dachte, ich tu dir einen Gefallen und bring es her. Du bist nun mal öfter im Atelier als zuhause.“
 

„Weil du das beurteilen kannst.“ Deidara schnappte knurrend nach dem Brief und riss ihn an sich, warf einen skeptischen Blick auf den Absender.
 

„Gern geschehen“, lächelte Nagisa unbeeindruckt. „Er ist vom Vermieter. Hab ich auch bekommen, er will die Miete erhöhen. Was mir egal ist, ich will ja sowieso zum nächsten Termin umziehen.“
 

Deidara spürte das Blut in seinen Adern gefrieren.

Mieterhöhung?

Das klang überhaupt nicht gut ...
 

„Also dann.“ Der Andere zupfte die Fotos von der Leine in eine Schachtel, stopfte die in einen Rucksack, aus dem bei flüchtigem Blick auf den Inhalt eine Menge schwarzes Seil quoll, schloss den Reißverschluss und schulterte ihn. „Möge die Muse dich küssen!“
 

„Gehst du jemanden umbringen oder was?“
 

„Ich bin ein paar Tage bei meinem Freund.“ Er stoppte, um nach einem Foto in seiner Westentasche zu kramen. „Er hat bald Prüfungen und ist völlig fertig, der Ärmste. Ich leiste moralischen Beistand ... hier, siehst du? Das ist er.“
 

Deidara warf einen Blick auf das Foto und verzog das Gesicht.

„ ... da ist ein Sack über seinem Kopf. Alter!“
 

„Ja.“ Nagisa seufzte versonnen, betrachtete zärtlich das Polaroid. „Ist er nicht allerliebst? Er ist so- ... weißt du, irgendwie so ... zerbrechlich ...!“
 

„Das ist ekelhaft.“
 

„Das ist Kunst!" Nagisa lächelte engelsgleich. "Viel Erfolg noch!“
 

Er schulterte seinen Rucksack, hob den Arm um zu winken und kurz darauf war er auch schon wieder weg. Deidara schauderte, er steckte den Arm aus und hob den Mittelfinger langsam und nachdrücklich in die Richtung, in die er verschwunden war.
 

Dann warf er einen Blick auf seine noch völlig ungespannte Leinwand und einen auf seinen Brief. Er schnaubte. Angewidert drehte er letzteren zwischen den Fingern. Ein braves Bürgerleben war so ... entnervend kompliziert manchmal ...
 

... Nein.
 

Jetzt nicht.

Wenn er jetzt den Brief öffnete und eine schlechte Nachricht bekam, würde sein blödes Ölmalerei- Beispiel nie fertig werden. Also überwand er die quälende Ungewissheit und legte ihn in Sichtweite auf einen Hocker, bevor er die Leinwand spannte, sein Stillleben arrangierte und die Vorzeichnung machte.
 

Urgh.

Grundierung auftragen ... fein ...
 

Terpentingeruch stieg in seinen Kopf, machte ihn leicht und sonderbar. Er tupfte mit seinem Pinsel kleine Farbnuancen auf die glatte, gleichmäßige Fläche. Das war der Bereich, den man ihm zugestand. Brennende Inspiration, betäubt und gebändigt in stupide, stumpfsinnige Pinselei. Wilde Kreativität, eingepfercht in ein zweidimensionales, plattes Viereck aus starren Vorgaben ...
 

Deidara atmete tief durch, blinzelte, strich sich blonde Haarsträhnen übers Ohr zurück, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatten, und rieb kurz die Augen, um sich wieder zu konzentrieren. Ahh, das war so schwer ... blöderweise hatte er bei all seinem Genie nicht sehr viel Disziplin vorzuweisen, was ihm immer wieder im Weg stand.
 

Etwas dunklere Tupfer hier, und- ... argh, nein- ... das war falsch- ... verdammt! Wenn er versuchte, das wegzuwischen, murkste er die ganzen bisherigen Farbschichten durcheinander! Seine Finger krampften sich um den Pinselgriff, er starrte feindselig den Fehler an und holte mit dem Arm aus, um den Pinsel dann beherrscht und sorgfältig beiseite zu legen.
 

Wenn er die Augen schloss, loderten Flammen dahinter.

Er erhob sich schwer auf die Beine, ging ein Stück durch den Raum, legte den Kopf ächzend in den Nacken.
 

Dann ging er zum Hocker, riss den blöden Brief an sich und fetzte den Umschlag auf.

Er las.
 

Sehr geehrter Herr Blablablah ... Renovierung ... blah ...
 

Seine Augen wurden groß und rund.

Von wegen Mieterhöhung! Der Eigentümer wollte alle Mieter vom Erdgeschoss und dem ersten Stock ausquartieren- wegen Renovierung, Energiesparvorschriften und was auch immer- ... und die Alternativwohnung, die er ihm für die Zwischenzeit anbot, sprengte sein Budget ...
 

Und zwar deutlich!
 

Zornig schob er seine Daumenspitze zwischen die Zähne und biss auf den Nagel. War das überhaupt legal, was dieser Kerl da so tat? ...im Grunde war es gleichgültig, weil jemand wie er sich mit Sicherheit nicht auch noch einen Anwalt leisten konnte, wenn es drauf ankam.
 

Sch ...

Das war so ungerecht! Das aller ätzende dabei, wenn man versuchte, brav und angepasst zu leben, war das Gefühl, dass die Anderen es auch nicht taten, man dadurch nur aufs Maul bekam und sich noch nicht einmal wehren durfte ...
 

Fuck ...
 

Was sollte er machen? Am Umziehen führte wohl kein Weg vorbei, aber etwas billigeres als das Studentenwohnheim gab es im ganzen Umkreis nicht, und selbst die etwas besseren Appartements waren gnadenlos überfüllt ... im Moment konnte er es sich einfach nicht leisten, eine andere Wohnung zu mieten! Vielleicht konnte er versuchen, irgendwie mehr zu verdienen? Mehr Stunden zu arbeiten, mehr Tage in der Woche..?
 

Aber die Nächte im Paradise- so sehr und so professionell er sich inzwischen in seine Rolle dort hineingefunden hatte- schlauchten ihn. Es war verflucht anstrengend, acht Stunden lang im Korsett und auf High Heels, mit all dem Glitzer und Tamtam eine gute Figur zu machen. Von wegen weibisch, das war verflucht harte Arbeit und nur etwas für unerschrockene, abgebrühte Typen, die sich von höllischen Schmerzen nicht beeindrucken ließen. Wie war dieser Spruch gewesen, den er von dem Bösewicht in irgendeinem Buch gelesen hatte? „Ich spüre den Schmerz, aber ich respektiere ihn nicht.“ Genau so war das bei ihm auch, aber das bedeutete nicht, dass er dringend noch mehr davon wollte.
 

Womöglich war jetzt schließlich doch der lange befürchtete und vermiedene Zeitpunkt gekommen, sich zu überlegen, ob er sich nicht auch ... zu kleinen Extra- Zuwendungen überwinden konnte ...

Herrje! Nicht offiziell, mehr so unter der Hand- ... mit saftigem Trinkgeld konnte man da schon rechnen. Auch wenn der Chef das nicht gerne sah. Wie schwer konnte das sein, irgendwem im Séparée einen runter zu holen? Er konnte sich ja sogar aussuchen, wen er sympathisch genug dafür fand und wen nicht?
 

Andererseits- ... baah ... nur weil er im Puff arbeitete, hieß das doch noch lange nicht, dass er frei verfügbar war! Er war keine Nutte, kein Stricher und sein Stolz hatte ein gewisses Interesse daran, dass das auch so blieb!
 

Natürlich war ihm klar, dass man in keinem Bereich ohne solide Ausbildung dermaßen schnell so viel Geld verdiente wie mit Drogen oder mit Sex, und Drogen verabscheute er. Er sah sich auch nicht für wenig Geld bei Mac Donalds hinter dem Tresen stehen.
 

Aber- ... vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit?

Konnte er nicht einfach wieder im Paradise unterkommen? Dort musste er für ein Zimmer fast nichts an Miete zahlen- ... früher hatte er eine Wohnung da gehabt! Sicher ... dort gab es immer Platz für jemanden der es brauchte, und er war ja schon lange dabei. Der perverse Onkel hätte ihn sicher sofort wieder aufgenommen, wenn er die Sache besprochen hätte. Dummerweise war der gerade weg, und Samui, die stellvertretende Chefin, wollte er nicht dafür anbetteln. Nach ihrem letzten Streit standen sie ernsthaft auf Kriegsfuß. Ganz zu schweigen davon, dass er den kleinen Nervbolzen- Naruto- auch überhaupt nicht leiden konnte, und der war in letzter Zeit viel zu präsent dort gewesen. Wohnte der nicht sonst woanders? Urgh ... und last but not least, der ganze Zickenterror in einem Haus voller Tussies ... Gut, die meisten davon waren sehr umgänglich, wenn man wohlwollend eingestellt war. Aber dann waren da doch immer diese subtilen Missverständnisse und Hintenrum- Keifereien, das entnervende „Die hat das-und-das über mich gesagt, dabei stimmt das doch nicht, wie kann sie nur?“, oder, „Wir sind alle beste Freundinnen- außer zu denen, die grade nicht anwesend sind“ urgh. Danke, nein.

Klar wurde der große Oberboss davon nicht behelligt, weil alle viel zu sehr damit beschäftigt waren, sich bei ihm einzuschmeicheln- aber er selbst steckte dann mittendrin.
 

Und er war dann quasi auch auf der Arbeit zuhause. Wollte er das? Klares Nein. Er fand es sogar richtig ätzend. Allein die Vorstellung davon ... Hm.
 

Vielleicht sollte er, bevor er voreilige Aktionen veranlasste, doch noch einmal die Lage am Arbeitsmarkt checken ... Manchmal gab es auch lukrative Last- Minute- Angebote! Vielleicht sollte er bei einem von diesen Medikamenten- Tests mitmachen ... es klang zwar gruselig und gab immer wieder unheimliche Geschichten über Leute, bei denen das furchtbar schief gegangen war ... aber mal ehrlich, heutzutage brachte doch kein Konzern mehr Zeug in die Testphase, das wirklich gefährlich war, oder?
 

Vielleicht ging er auch einfach mal wieder Modell stehen ... womöglich gab es noch Angebote dafür.

Das war zwar auch peinlich und extrem unbequem, aber immerhin irgendwie für einen guten Zweck ...
 

Er musste dringend am schwarzen Brett seiner Uni vorbei schauen ... und das am besten ...
 

... sofort.
 

~
 

„Rechts oder links?“ die Zange glänzte metallisch und in Kibas Lächeln sah man den Reißzahn blitzen. Seine Kundin schluckte und fixierte die Instrumente auf dem Tablett, während der Inuzuka seine Handschuhe zurecht zog.
 

Es roch nach Desinfektionsmittel, und eine satte Menge davon wurde gerade über sterile Tupfer geschwappt, sammelte sich in einer chromfarbenen Nierenschale.
 

„Ich- ... ich weiß nicht“, stotterte sie. „V- ... vielleicht rechts?“
 

„Warum sich für eins entscheiden?“ Gaara schob seinen Kopf auf die Arme, die er an der Sessellehne verschränkt hatte und blinzelte langsam. „Ich würde definitiv beides nehmen.“
 

„Uh ... wirklich?“ Sie legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufsehen zu können, und der Rotschopf hob mit zufriedenem Lächeln die Schultern.
 

„Gaara ...“, stöhnte Kiba. „Muss das immer sein? Ich bin sicher, der Yorkshire- Terrier braucht noch Lockenwickler von dir!“
 

„Schon geschehen.“ Gaara hob das kleine Hündchen vom Boden, das sich an seine Füße geschmiegt hatte.

Miss Precious, voll weißer Hunde-Lockenwickler, gab ein helles, entschlossenes Seufzen von sich und leckte ihrem Frisör des Vertrauens die Nase.
 

Die junge Kundin auf dem Piercing- Stuhl kicherte bei dem Anblick.

„Ist schon okay“, beteuerte sie. „Ich bin eigentlich sogar froh, wenn noch jemand dabei ist- ... fast hätte ich den Termin abgesagt, weil meine Freundin nicht konnte ...“

„Siehst du?“ Gaara setzte den Hund wieder zurück auf den Boden. „Wir leisten emotionalen Beistand. Sie findet es gut!“
 

„Solange du vor lauter emotionalem Beistand nicht anfängst auf meinen Stuhl zu sabbern ...“
 

Die junge Kundin lächelte nervös zu dem Rotschopf hinauf,

„Hast du denn auch ein Piercing?“
 

„Mmh ...“
 

„Wenn es nach ihm ginge, hätte er keinen undurchlöcherten Fleck mehr am Körper.“ Kiba warf noch einen prüfenden Blick auf den vorher ausgewählten Schmuck der bereit lag, und kippte die Nierenschale, um die Kompressen wirklich gründlich in Desinfektionsmittel zu tränken.
 

Gaara grinste etwas. „Mein Master ist leider total dagegen“, gestand er leise.
 

„Dein- ...“, die Kundin sah mit offenem Mund zwischen ihm und Kiba hin und her. „Ihr- ...?“
 

„Schau nicht so vorwurfsvoll!“ Kiba hob abwehrend eine Hand. „Ich bin nur das Teilzeit- Herrchen!“
 

„Mmmh, also ..."

Leicht und genießerisch rieb Gaara seine Schläfe gegen die Kopflehne des Piercing- Sessels.

"Eins hab ich trotzdem. War eine große Ausnahme. Und das Tattoo, aber das sieht man ja ...“
 

„Was für ein Piercing ist es denn?“

„Eins, das ich hier leider nicht zeigen kann ...“
 

„Ladies! Links oder rechts?“ Kiba wurde langsam ungeduldig.
 

„Äh- ... uh- ... rechts zuerst, bitte.“
 

Sie errötete noch ein wenig stärker und die gewählte Brustwarze wurde sorgfältig desinfiziert. Im Hintergrund lief ihre mitgebrachte CD, der verstärkte Bass brachte den Boden leicht zum Vibrieren.
 

"Panic at the Disco ...", stellte Kiba anerkennend fest.

"Hm", nickte sie atemlos, biss sich ein wenig auf die Unterlippe. "Ich konnte mir nur nie den Titel von dem Song merken, heh!"

" ... Lying is the most fun a girl can have without taking her clothes off!"

"S-stimmt!" Sie lachte nervös und errötete noch ein wenig mehr, beim Blick auf sein dunkles Reißzahnlächeln.
 

„... Hast du eine Freundin?“
 

Kiba schmunzelte, ohne sich ablenken zu lassen.

„Oooh jaaah ...“, brummte er.
 

„Ist die ... denn nicht eifersüchtig, wenn du ... sowas machst?“
 

„Es verdient meine Brötchen. Und wie du feststellen wirst ... bin ich ein ziemlich guter Stecher ..." Sein Grinsen wurde noch etwas tiefer. "Meiner Freundin weiß das zu schätzen, von dem her ..."
 

Mit großen Augen blinzelte die junge Kundin auf den Stahl, den der Inuzuka in die Hände nahm, sah rasch und hilfesuchend zu Gaara auf.

"Heh... Und du?"
 

„Er ist schwul.“
 

Sie lachte.

„Das hatte ich mir schon gedacht!“
 

„Warum das denn?“, Gaara krümmte missbilligend eine Augenbraue.
 

„Naja wegen deinem ... Beruf, und so?“
 

„Als ob das etwas damit zu tun hätte."

Er schnaubte verächtlich. "Und um das mal klar zu stellen- ich würde mich nicht als schwul bezeichnen.“
 

„Da hast du was angerichtet“, grinste Kiba kopfschüttelnd. „ ... Jetzt legt er los ...“
 

„Ich bin mir relativ sicher“, fand Gaara. „Dass das Geschlecht an sich für mich keine besondere Rolle spielt, genau so wenig wie sonst irgendetwas Äußerliches! Es geht doch einfach nur darum, dass man sich auf eine besondere Weise versteht ... und sich zueinander hingezogen fühlt ... abgesehen davon bin ich völlig zufrieden mit einer Person, ich muss mein Interesse nicht auf ganze Menschengruppen ausweiten ... oder Partner tauschen ... oder mehr Leute zum Sex mit einbeziehen ...“
 

"Jedem wie´s ihm gefällt ... entspann dich.“ Kibas Blick blieb an seiner jungen Kundin hängen. „Entschuldige, sein Freund ist ein Kerl, aber er würde sich nicht als schwul bezeichnen. Keine Ahnung, wie man das sonst nennen soll.“
 

„Muss man denn immer alles kategorisiert haben?“ Gaara verzog das Gesicht. „Warum macht es die Leute so unruhig, wenn sie nicht alles in Schubladen einordnen können? Schwul, hetero ... dominant, devot ... schwarz, weiß, krank, gesund ... erst versucht man mit den Worten was zu beschreiben, aber dann werden die Worte auf einmal Gesetz und alles versucht sich ihnen zu unterwerfen, weil es sonst überhaupt nicht mehr als real akzeptiert wird ... Ist das denn nicht irgendwie ... total verrückt?“
 

„Weißt du ...“ Kiba seufzte und wechselte noch einmal die Handschuhe. „Du hast wahrscheinlich Recht , aber- ... manche Leute- ich auch- haben gern klare Verhältnisse ... und solange du gleichgeschlechtlich verpartnert bist, reicht den meisten „schwul“ als Information völlig aus ...“
 

„Grmh ...“
 

Die Zange schloss sich um den Nippel der jungen Kundin.
 

„Du darfst dich jetzt zurücklehnen und genießen“
 

Sie gab ein leises, banges Geräusch von sich.

„Uhm ...“
 

„Schau mich an, okay?“

"U-huh ..."

„Nicht hecheln ...", mahnte er ruhig und konzentriert. "Schön ruhig und gleichmäßig atmen ...“

„Uhrg- ...“

„Genau so ... keine Angst, ich mach´s ganz sanft ... Eins ..."

Er setzte an.

"Zwei..." Sie biss die Zähne zusammen.

"Und... drin. Sieht sehr gut aus ..." Er schob den Schmuck in den Stichkanal, befestigte ihn, tränkte alles in mehr Desinfektionslösung. "Gut gemacht ... Sieh dir das an."
 

"Ah ..." Sie blinzelte zögernd an sich herunter, während er noch ein drittes Mal in frische Handschuhe wechselte, das bisschen Blut wegwischte, das geflossen war und alles noch einmal sorgfältig desinfizierte.
 

"Herzlichen Glückwunsch. Die Piercing- Jungfräulichkeit ist Geschichte ... was sagst du zu deinem ersten?"
 

"Uh ..." Sie blinzelte ungläubig an sich herunter. "Wow ... das war- ... wow- ..."
 

"Bleib noch ´ne Weile liegen ... komm runter, genieß das Gefühl ... nimm dir noch was zu trinken. Ich räum nur auf und bin gleich hier drüben. Wenn du wieder aufnahmefähig bist, erklär ich dir, wie du´s pflegen musst. Okay?“
 

"Uhm ... okay."
 

Kiba drehte den Lautstärkeregler der Anlage noch einmal etwas lauter und begann dann, seinen Arbeitsplatz sauber zu machen. Sie atmete schwer, warf einen glücklichen Blick auf das frisch gestochene Piercing und einen voller Stolz und Emotion hoch zu Gaara. Er teilte einen verschwörerischen Blick- sah zu Boden und pfiff leise nach dem kleinen Hund.
 

"Wir ziehen uns diskret zurück", flüsterte er zu der Terrierdame und hob sie vom Boden. "... dein Frauchen will einen Moment allein sein“
 

Das Hündchen gab ein fröhliches Kläffen von sich.
 

~
 

Putzen ... Babysitten ...

Das konnte doch nicht ihr Ernst sein!
 

Deidara stöhnte ernüchtert zum gefühlt zwanzigsten Mal, als er vor der riesigen Wand bei der Mensa nach einer guten Idee suchte.
 

Alle möglichen Vorschläge waren so abwegig und so vollkommen wider seine Natur, dass jeder davon vermutlich für den unbeteiligten Betrachter ziemlich lustig hätte werden können ... aber lustig war das für ihn ganz und gar nicht.
 

Außerdem war die Bezahlung bei vielem ein schlechter Witz.

Warum wurden Ausbildungsberufe bezahlt, aber wenn man versuchte an einer Uni zu studieren taten alle so, als wäre das nur ein verdammt teures, neunzig Prozent aller Zeit raubendes Hobby?
 

Tze ... schien als müsste er wohl oder übel doch mit Samui reden ...

verdammt ... er hasste diese frigide Plunze ...
 

Gerade wollte er sich schon wieder abwenden, da fiel ihm doch noch eine Anzeige auf.
 

Beinahe verdeckt von all den anderen Zetteln lugte sie aus der Tiefe hervor. Sie schien schon eine ganze Weile lang unbeachtet dort zu hängen, Deidara nahm sie in die Hand und riss sie vom Brett ab.
 

„Suche: jungen, gesunden Menschen mit ebenmäßiger Haut als Gesellschaft und Haushaltshilfe für älteren Herrn mit Handycap in weitläufigem Anwesen. Großzügige Entlohnung. Vorstellungsgespräche bei- ...“
 

Und dort folgte eine Adresse. Ganz unten stand noch der per Hand geschriebene Zusatz:

„Blondinen bevorzugt“
 

Deidaras Augenbrauen hoben sich Richtung Haaransatz.
 

Da ließ einer aber wenig Zweifel offen. Hm ...

Ein merkwürdiger Kitzel von ungutem Bauchgefühl und Neugier erfasste ihn. Auf der einen Seite erweckte diese Anzeige den Impuls sich weit, weit davon fern zu halten, weil es einfach nichts annähernd Seriöses sein konnte. Ebenmäßige Haut. Blondinen bevorzugt. Ja, klar ...
 

Andererseits gab es gewisse Dinge, die ihn daran ... reizten und seine Fantasie beschäftigten. Handycap ... weitläufiges Anwesen ...
 

Nicht zu vergessen, natürlich die großzügige Entlohnung. Dahinter war als Diskussionsgrundlage ein Pauschalpreis pro Stunde notiert, der ihn beeindruckt blinzeln ließ. Natürlich sollte man sich vorher darauf einigen, was „Gesellschaft und Haushaltshilfe“ konkret bedeutete ...
 

Aaaber ...
 

... wieso eigentlich nicht?

Da war irgendein alter, freudloser Senior, der vom Hals abwärts gelähmt für ein paar Stunden hübsche Gesellschaft in der Woche bereit war, einen saftigen Preis zu zahlen? Vielleicht war das geradezu perfekt für ihn? Okay, er glaubte zwar nicht, dass er einen "Ziemlich-beste-Freunde"- Kumpel bekam, sowas wollte er auch überhaupt nicht, wahrscheinlich war es wirklich ein alter, hässlicher Perverser mit ausgesprochen mieser Laune, aber ...
 

Hm.
 

Es machte ihm nichts aus, bewundert zu werden. Von ihm aus konnte er auch in Strapsen und französischem Hausmädchen- Kostüm putzen, solange der Preis stimmte und der Kerl ihn nicht anfasste. Show war etwas, in dem er Erfahrung hatte ...
 

Außerdem bekam der Kerl mit der Travestie- Nummer von ihm quasi zwei zum Preis von einem! Wenn das mal kein Schnäppchen war ... last but not least war das eine Arbeit, die ihm nicht besonders schwer vorkam. Womöglich konnte er sein Studienzeug sogar mitnehmen?
 

Sweet..!
 

Konnte doch nicht schaden, sich das nochmal anzusehen. Vielleicht war dafür sogar heute noch Zeit? Er zückte sein Handy und warf einen genaueren Blick auf die angegebene Adresse ...
 

YOLO, Motherfucker.
 

~
 

"Sorry Kakashi" Aoba hob bedauernd die Schultern und packte das Gerät wieder weg, "Ich kann das wirklich nicht ausleihen. Jedenfalls nicht umsonst, klar?"

"Was? Oh, komm schon! Man kann alles Mögliche ausleihen! Bücher ... Autos ..."
 

"Es ist ein Präzisions- Scharfschützen- Gewehr."

"Scheiße, aber ich HAB einfach nicht so viel Geld, Mann!"

"Sorry." Aoba zuckte noch einmal die Schultern, "Dann kann ich dir auch nicht helfen."

"Was soll ich denn machen?! Ich bin ein verdammter Erzieher!"

"Wozu brauchst du bitte ein Scharfschützengewehr?"

"Scheiße, du weißt genau, dass ich sowas nicht erzählen kann!"
 

Aoba seufzte.
 

"Komm schon, du weißt dass ich dich sehr mag. Aber das geht einfach nicht, sowas musst du einsehen. Du kennst mein letztes Angebot- weiter kann ich echt nicht runter gehen."
 

"... Und das ist wirklich dein letztes Wort?"

"Das ist mein letztes Wort"

" ... es wird auch nichts helfen, wenn ich den Hundeblick mache?"
 

Aoba grinste belustigt.

" ... Nein, Trottel."
 

"Und wenn ich ..."

"Nein."

"Komm schon, du bestimmst die Bedingungen! Ich hab kein Geld, aber vielleicht fällt dir ... ich weiß nicht ... was anderes ein, was du haben willst?"
 

Aoba lachte.

"Komm schon, Kakashi. Wir treffen uns einmal im Monat mindestens in der Sauna oder auf irgendeiner merkwürdigen Party. Tut mir echt leid, aber wenn du nicht gerade eine Niere spenden willst fällt mir nichts ein, was ich für einen dermaßen hohen Preis von dir haben wollte. Ich würd dir wirklich gern helfen, aber bist du dir sicher, dass eine Sniper Rifle deine Probleme löst?"
 

"Du bist der Typ der damit handelt! Du wärst pleite, wenn niemand glauben würde, dass Waffen Probleme lösen!"
 

"Oh Mann." Aoba schüttelte schmunzelnd den Kopf und brachte seinen Besucher unter freundschaftlichem Schulterklopfen zur Tür. "Ernsthaft jetzt ... ich verhandle nicht. Du kennst jetzt den Preis. Ich würde dir ehrlich wünschen, dass du das Ganze nochmal gut überlegst ... ganz ehrlich ... vielleicht findest du eine andere Lösung. Aber wenn du das wirklich brauchst ... weißt du ... bring das Geld und wir sind im Geschäft." Er nickte noch einmal aufmunternd. "Okay?"
 

"Okay", knurrte Kakashi, sah sich kurz darauf mit der Außenseite der geschlossenen Appartementtür konfrontiert und seufzte tief.
 

Justin Timberlakes "Sexy Back" schepperte gedämpft und leise aus seiner Hosentasche. Er pellte das Handy heraus, nahm den Anruf entgegen.
 

"Ja?"
 

"Halloooooooooooooo mein heißblütiger Rivale der Jugend!"

"Gai."

"Was ist mit unserem Re-Match?! Du hast nicht zurück gerufen!"

"Ja, weißt du was? Ich hab grade an dich gedacht." Kakashi drehte auf dem Absatz um, schob die freie Hand in die Hosentasche und ging den Gang entlang in Richtung Haupttor. "Ich hätte jetzt Zeit ... und eine Idee. Was hältst du davon, wenn der nächste Gewinner auch ... du weißt schon ... mal ein Bisschen mehr gewinnt, als nur Ruhm und Ehre?"

"Oh-ho! Was für ein aufregender Vorschlag! Erzähl mir mehr!"
 

~
 

Deidara war mit neuem, etwas präsentablerem Outfit- Jeans, Sneakern, einem quergestreiften Shirt, sowie frisch geduscht und frisiert auf direktem Weg zu der Adresse, zu der die Anzeige ihn geführt hatte. Soeben war er durch das schmiedeeiserne Gatter geschritten und ging jetzt die Auffahrt hinauf.
 

Es war tatsächlich ... eine Villa ...
 

Eine alte, von außen schon relativ verwittert und zerfallen wirkende Villa, die zwischen dürren Bäumen und hinter einem verwilderten Vorgarten stand. Grau und mächtig erhob sich das Gebäude, und so sorglos er darauf zu schlenderte, so sehr schien die Luft kühler zu werden, je näher er den Mauern kam.
 

Deidara verlangsamte schließlich doch seinen Schritt.

Unauffällig sah er sich nach allen Seiten um, checkte seine Umgebung. Er hatte genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, was ihm hier nicht gefiel.
 

Erst diese merkwürdige, zweifelhafte Jobanzeige ... und dann dieses Haus?
 

Noch einmal warf er einen Blick auf den mitgenommenen Zettel vom schwarzen Brett.

„ ... mit ebenmäßiger Haut ...“

Brr. Er dachte an die Szene mit der Lotion und dem Eimer, von "Schweigen der Lämmer" und die Härchen auf seinen Armen sträubten sich.
 

... Blödsinn.

Er schnaubte verächtlich.
 

Aufmerksam richtete er seinen Blick auf die Eingangstür.

Und unauffällig fühlte er noch einmal nach den kleinen, entscheidenden Dingen, die er für seine private Sicherheit dabei hatte. Alte Gewohnheit. Ganz ohne Selbstverteidigung und ohne das was ihn ausmachte, ging er nicht auf Konfrontation mit fremden, perversen Grundstückbesitzern ...
 

Tief und langsam durchatmend brachte er seinen Impuls, umzudrehen und Abstand zu gewinnen, unter Kontrolle. Seltsamerweise war es auch genau das, was ihn dazu trieb, jetzt erst Recht weiter zu gehen. Neugierig, herausfordernd funkelten blaue Augen unter seinem langen, goldenen Pony hervor, der schief über seine Stirn hing. Er gab sich einen Ruck und schritt genau auf die Eingangstür zu.
 

Beherzt stieg er die paar Stufen hoch, drückte auf den kleinen, weißen Klingelknopf an der Sprechanlage.

In dem Moment fiel ihm auf, dass alles um ihn herum seltsam still war- ... keine Grillen zirpten, keine Vögel zwitscherten in diesem Garten, es herrschte Totenstille. Alles schien den Atem anzuhalten- er tat es auch.
 

Dann endlich knarzte eine blecherne, unfreundliche Stimme aus dem kleinen Lautsprecher:
 

„Wer ist da?“
 

Und Deidara konnte es nicht lassen:
 

„Eine kleine Pfadfinderin“, flötete er in lockendem Singsang- Ton. „Wollen Sie Kekse kaufen?“
 

~

Der schmale Grat

~
 

„Hallo?“
 

Deidara stand immer noch vor dem Haus. Nichts rührte sich. Nicht nur der Garten blieb lautlos, auch das andere Ende der Anlage war völlig still.
 

„Okay, das war nur ein Witz“, bemerkte er augenrollend nach ein paar Sekunden, „ich bin hier wegen dieser Job- Anzeige ... Sie suchen doch jemanden für einen Job, oder? Hallo ... ?“
 

Wieder blieb es sekundenlang still, dann ertönte endlich unvermittelt das Summen des Türöffners.
 

Deidara griff nach dem Türknauf und drückte. Na endlich ... er schnaubte leicht.
 

Es war der Moment, in dem er sich ein letztes Mal noch über die Schulter umsah, wo ihm etwas auffiel. Er sah es nur aus den Augenwinkeln, etwas, das er später als Hirngespinst abtun wollte, aber das sich doch in dem Sekundenbruchteil in sein Hirn geprägt hatte wie ein Stempel, ein Ausrufezeichen ...

Da war doch ein Vogel-

Ein Rabe. Er saß gleich neben dem Eingang, nur ein Stück entfernt, auf einem sinnlos herumstehenden Marmorsockel voller Flechten und Moos, und er war vollkommen starr. Leblos. Seine Augen hatten einen dumpfen, leeren Glanz.
 

Wie aus Glas.
 

~
 

„Hallo?“
 

Vor ihm öffnete sich eine große Eingangshalle. Es roch ekelhaft. Muffig und alt.

Nach Holz, alten Büchern und zu wenig gelüftetem Stoff, obwohl der Raum ziemlich weitläufig schien. Hoch, wie unter einem Grauschleier, und mit einer geschwungenen Doppeltreppe die in den ersten Stock führte.
 

Genauso, wie man sich so eine unheimliche, alte Villa vorstellte.

Deidara spürte ein Kribbeln auf der Haut, leicht genug um es zu ignorieren.
 

Der Holzboden knarzte bei jedem Schritt, auch wenn man versuchte, leise zu gehen. Zögernd trat er in den Raum hinein, blieb direkt in der Mitte stehen.
 

Es war totenstill.

Genau wie im Garten, nur dieses Mal noch viel endgültiger. Sobald die Tür hinter einem ins Schloss gefallen war, fühlte man sich wie von einer unsichtbaren Blase umgeben, in der die Zeit einfach still stand. Nur ein feines, entferntes Ticken schien aus den Wänden zu kommen, aber das konnte genauso gut Einbildung sein.
 

Selbst die Luft hier schien vollkommen reglos.

Eine schweres, sakrales Schweigen drückte von allen Seiten her auf ihn ein, eine ähnliche Art von Beklemmungsgefühl, wie man es in einem Grabmal oder an einem heiligen Ort hatte. Deidara versuchte das Gefühl abzuschütteln und sah sich um. Keine Bilder ...
 

Er hielt Ausschau nach den obligatorischen, gruseligen Gemälden, die man an so einem Ort sonst erwartete, aber es gab keine.
 

Außerdem gab es niemanden, der ihn empfing. Die Halle war leer. Weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Hatte nicht gerade noch jemand mit ihm gesprochen?
 

„Hallo“, rief er noch einmal, diesmal ein wenig forscher und ungeduldiger, „jemand zuhause? Bin daahaa, wer noohoch?! Ju- huu!“
 

Im oberen Stockwerk öffnete sich eine Tür.

Sofort verstummte er.
 

Auf leise quietschenden Reifen schob sich reglos eine dunkle Gestalt hervor.
 

Langsam löste sie sich aus den Schatten, ein unförmiges, buckliges Wesen in einem Rollstuhl, verhüllt von einem schwarzen Mantel und mit einer Aura von solcher Bedrohlichkeit, dass die Umgebungstemperatur sofort um ein paar Grad zu sinken schien.
 

Man konnte sie dort oben auf der Treppe im Dunkeln kaum wirklich erkennen, aber der Auftritt reichte Deidara schon ... er spürte ein kaltes Angstkribbeln im Bauch, riss sich zusammen und blieb fest stehen wo er war, um sich mit gehobenem Kinn und forschem Blick der Musterung zu stellen.
 

„Hey“, meinte er schließlich betont lässig, „Hier bin ich ... tja ... wie sag ich das jetzt am besten ... ich brauch Geld und sie brauchen anscheinend Gesellschaft, also ... hm. Wie sieht´s aus?“
 

~
 

Der Alte ließ sich Zeit damit, ihn zu mustern. Obwohl Deidara sein Gesicht nicht sehen konnte kam es ihm vor, als würde er spüren wie kleine, böse Augen gemächlich über seinen Körper glitten, ihn berührten wie unsichtbare Finger.
 

Und ihm wurde klar, dass er das hier unterschätzt hatte. Ein schauriges Gefühl kroch unter seine Haut. Das hier würde verflucht nochmal kein leichter Job werden. Wenn es ihm jetzt schon so ging, wollte er da wirklich noch freiwillig etwas ausziehen? Er schluckte hart, bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Hände waren feucht, als er die Fäuste ballte.
 

„So ...“, sprach das Wesen endlich.

Die Stimme- ... selbst seine Stimme klang schnarrend und auf so eine Art und Weise unnatürlich, dass es Deidara die Nackenhaare sträubte.
 

„Du möchtest also für mich arbeiten ...“
 

Der Satz klang nach.

Einen Moment hatte Deidara die verrückte Fantasie, dass all die Bösartigkeit, die von dem Alten ausstrahlte, sich auch wie ein Nervengeflecht durch den Boden und alle Wände zog und weiter erstreckte ... es sah aus wie ein Haus, aber irgendwie schien es zusammen mit dem Buckeligen eine Einheit zu bilden, als wäre auch das ganze Haus ... böse. Er rollte innerlich die Augen über sich selbst. Zu viele Gruselfilme.
 

„Hm ... ja“, erwiderte Deidara unsicher und schob die Hände in die zu engen Hosentaschen. „Das heißt- ... erst müsste ich wissen ... hm ... was ich überhaupt machen soll.“
 

Der Alte schien zu überlegen.

„ ... Erzähl mir etwas über dich“, die dunkle, raue Stimme hallte von den seitlichen Wänden wieder.
 

„Hm“, begann Deidara. „Na gut, also ...“ Er kratzte sich flüchtig an der Stirn.

„Was wollen sie wissen?“
 

Das Wesen blieb vollkommen reglos.
 

„Erst einmal- ... ich bin kein Stricher, okay?", stellte Deidara klar. "Und das steht auch nicht zur Diskussion. Anschauen ja, anfassen nein! Das ist eine wichtige Grundregel! Geht das für Sie so in Ordnung?“
 

Der Alte wackelte gemächlich mit dem Kopf.

„ ... Ich denke, das kommt mir entgegen“, erwiderte er.
 

„Gut“, Deidara atmete etwas auf. „Tja, also ... ich weiß nicht, was Sie sich so vorstellen- ... ich könnte vielleicht ... keine Ahnung- ... also ich ... mache so eine Art Travestie- Show in einem Nachtclub. Als Nebenjob- was allerdings wirklich nicht sein muss, ich wär´ ihnen dankbar wenn Sie das nicht dringend sehen wollen, also- ... “
 

„In was für einer Art von Nachtclub?“
 

Deidara stutzte ein wenig.

„Uhm ... es nennt sich „F.- Paradise“ ... sagt ihnen das was? Nicht gerade die nächste Nachbarschaft, wenn man so sagen darf ...“
 

Der Rollstuhl des Alten bewegte sich noch ein Stück nach vorn.
 

„ ... Warum willst du hier arbeiten?“
 

Deidara rollte ratlos die Augen und schüttelte kurz den Kopf um den langen Pony wieder zur Seite zu bringen,

„Hm ... tja, okay. Das ist so. Ich bin Künstler.“
 

„ ... Was für ein Künstler?“
 

„Naja ... also ... ich studiere Kunst." Er räusperte sich. "Eigentlich - habe ich schon vor Jahren meinen persönlichen Stil entwickelt, der gar nichts mit Malerei oder klassischer Technik zu tun hat, es ist mehr so eine Art ... Happening, verstehen Sie? Aktionskunst- ... die sich verbindet, mit- ... wie soll ich sagen- ...?“ Er gestikulierte, während er nach den richtigen Worten suchte. „Plastik! Skulpturen- ... in verschiedener Größe, es geht um die- ... um die Transformation, genau! Hm! Transformation ist ein zentrales Thema- ... Leben ist Bewegung, verstehen Sie? Und ich konzentriere mich nicht auf den langen Prozess, sondern- BÄM! Auf die- ... die Verschmelzung von Zerstörung- und Schöpfungskraft- ... denken Sie an den Urknall! Es ist perfekte Schönheit, die sich verbindet mit etwas total- ... rudimentären, katharischen! Ekstase und Entsetzen in einem perfekten Augenblick, hm! Dieser Moment, in dem pure Energie sich in einem Knall Raum verschafft! Stellen Sie sich das nur vor! Dieser eine Moment, in dem Sie einen Blick in das Auge Gottes werfen! Das lässt einfach niemanden kalt! Das lässt sich überhaupt nicht vergleichen mit öden Ausstellungen und Galerien- ... das ist Zukunft- ... ach was- ... das ist überhaupt die Essenz von Kunst! Also um in einem einfachen Satz zusammenzufassen, Kunst ist ... “
 

Er holte tief Luft:
 

„ ... eine Explosion“, schloss er.
 

Und dann hob er die Hand, um seine Finger andeutend zu spreizen.

„Kaboom“, fügte er verheißungsvoll flüsternd hinzu.
 

Der Alte rührte sich, gab keinen einzigen Laut von sich, aber für einen kleinen Moment hatte Deidara das Gefühl, dass sich etwas verändert hatte. Irgendetwas in der Atmosphäre war anders. War das ... Interesse?
 

„Kunst ist eine Explosion?“, schnarrte der Alte schließlich mit seiner unangenehmen mechanischen Stimme.
 

„Hm. Genau.“ Deidara schob stolz auf sich selbst seine Schultern zurück.
 

Die bucklige Gestalt gab ein merkwürdiges Geräusch von sich.

Zuerst klang es wie ein Husten, oder wie ein kaputter Motor- ... bevor Deidara klar wurde, dass es Lachen war.

Der Alte lachte.
 

„Das ist das Dämlichste, was ich je gehört habe“, dröhnte er dann in einschüchternder Lautstärke, „Kunst ist eine Explosion ... du Jungspund hast doch überhaupt keine Ahnung! Hah! Schwachsinn ... wie ich sehe haben deine Lehrer bei dir noch nicht viel Erfolg gehabt!“
 

Deidara spürte ein eisiges Gefühl von Scham und Ernüchterung an sich hinunter sickern- gleichzeitig horchte er auf ... dieser Alte ... er klang als wüsste er, wovon er sprach. Was hatte es damit auf sich? Diese herablassende Arroganz die ihm entgegenschlug, und gleichzeitig die spürbare Emotion bei dem Thema? Hm ...
 

„Du bist eingestellt“, knarzte der Buckelige. „Deine Kunst will ich sehen. Ich habe eine Vorliebe für besondere Menschen ... du könntest einer von ihnen sein ..."
 

~
 

„Au! Auauau- ... ahh, nicht so fest ... Gai!“, Kakashi grub die Finger ins Polster der Massageliege, während ein Mann mit lackschwarzem Topfhaarschnitt und grünem Trainingsanzug sich an seinem Rücken abmühte.
 

„Wirklich, mein dynamischer Freund“, gab der Andere in besorgtem Ton von sich. „Kein Wunder, dass du in diesem Zustand kein Match gewinnst! Deine Muskeln sind so verkrampft, dass es mir ein Rätsel ist, wie du es geschafft hast, dich heute Morgen überhaupt anzuziehen!“
 

„Ist mir auch ein Rätsel ...“, stöhnte Kakashi leise und drehte den Kopf seitlich, um bequemer zu liegen. „Aaaau- ...!“
 

„Nun reiß dich aber mal- ...“
 

„Ahhh ... owww ... uhuhuuu ... urgh ...“
 

Gais kräftige Finger zuckten zurück:

„- ... Kakashi!“, mahnte er empört.
 

Der Mann mit dem wilden, silbernen Haarschopf ließ alle Gliedmaßen gummiartig von der Liege baumeln und gab ein mitleiderregendes Stöhnen von sich.
 

„Du machst mir Angst!" Zweifelnd stützte Gai eine Hand in die Hüfte, die linke Augenbraue hob sich dick und buschig zum Haaransatz: „Wenn es so schlimm ist, dass es schon weh tut, wenn ich dich noch nicht einmal – anfasse – solltest du wirklich zum Arzt gehen!“
 

„Nein, nein ...“ Kakashi ächzte gedämpft ins Polster. „So schlimm ist es nicht ...“
 

Maito Gai war ein alter Freund und inzwischen auch hochmotivierter Eigentümer des einschlägigen Fitnessstudios „Be Gai". Obwohl der Laden vor allem von einem gewissen Szenepublikum favorisiert wurde, gab es auch familienfreundliche Kampfsportgruppen für Kinder, sowie die üblichen Bauch- Beine- Po und Pilates- Übungsstunden dreimal die Woche. Kakashi tauchte in unregelmäßigen Abständen dort auf; wenn ihm langweilig war, wenn er Abwechslung brauchte, vor allem aber wenn er selbst nicht mehr weiter wusste:
 

Denn auch wenn Gai keinen Hund aufnehmen wollte (Ningame, seine riesige Schildkröte hatte einen geradezu heiligen Platz als geliebtes Erbstück und Studiomaskottchen und sollte keine anderen Vierbeiner neben sich haben) und auch wenn er kein Geld springen ließ, wie erhofft- Gai blieb ein Fels der Beständigkeit in Kakashis sturmumtoster Brandung des Lebens.
 

Zugegeben, ein quietschgrüner, schriller Fels- ... und einer, der so unglaublich überzeugt war, von der Ästhetik in jugendlich- männlichen Körpern, dass er am liebsten einen studioeigenen Dresscode erlassen hätte, nachdem man nur noch nackt, im Fundoshi oder im flaschengrünen Funktions- Trainings- Ganzkörperanzug Sport machen durfte (Kakashi wunderte sich, dass er nach wie vor keine Belästigungsklage am Hals hatte)- ... aber immerhin ein Fels.
 

Keiner, um ihn auf Dauer zu bevölkern und sich dort nieder zu lassen, aber doch genug, um als Schiffbrüchiger seines Lebens zwischendurch etwas Luft zu holen.
 

„Das gefällt mir nicht!“ Gai stemmte die kräftigen Hände in die Hüften und wölbte seine muskulöse Brust nach vorn. „Du bist sonst so stark und biegsam wie ein junger Bambussprössling! Dieser Zustand ist unakzeptabel. Fühlst du dich nicht wohl? Bist du krank?! Wirst du etwa- ... alt?!“
 

„Lass mich einfach hier liegen ...", seufzte Kakashi träge und kuschelte sich auf der Liege zurecht, „oder ... trag mich doch in die Sauna ... die Wärme tut bestimmt gut. Oh, und heute sollte der neue Band von Icha- Icha- Paradise eigentlich ankommen, den ich bestellt habe ... du könntest bei Iruka vorbeifahren und sehen, ob das Päckchen im Briefkasten steckt ... ?“
 

Gai schnaubte empört „Du bist ja gut! Vielleicht sonst noch was?!“
 

„Ja ... wenn du willst, kannst du mir einen Smoothie machen. Aber nur wenn du willst. Mit Apfel und Ananas ...“
 

Der Meister der atmungsaktiven Trainingsanzüge gab ein hörbares Schnauben von sich.

Er ließ einen kritischen Blick am hingestreckten Körper seines heißgeliebten Freund und Rivalen auf und ab wandern, der auf der Liege lag wie ein benutzter Pariser.

Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ den Raum.
 

Als er zurück kam trug er etwas überm Arm, etwas, das er kurzerhand über Kakashis nackte Schultern packte: es war eine säuberlich verschweißte, im Wärmeschrank aufgeheizte Moorpackung für verkrampfte und überdehnte Muskeln, nach zu viel Training im Studio. Kakashis Kopf fuhr hoch, sein ganzer Körper zog sich zusammen:
 

„Ah-…! Ahhh! Auauau, das ist zu heiß! Zu heiß! Auuu ... ahh ...“

Gais breite Hand hielt ihn mit sanftem Nachdruck unten, er murmelte dunkle, beruhigende Worte und justierte das schwere Ding ordentlich auf dem Rücken des Anderen. Schnell erschlaffte die Gegenwehr, seine Arme sanken wieder ... Kakashi stöhnte besiegt und leise. Sein Kopf sackte widerstandslos auf das Polster, die Augenlider schlossen sich.
 

„Wirklich“, meinte Gai kopfschüttelnd, während er eine Decke über ihn zog, „trotz allem pures Glück, dass du her gekommen bist. Du siehst erbärmlich aus! Als hättest du seit Tagen nicht mehr geschlafen!“
 

Kakashi grunzte etwas. Wie Recht er nur damit hatte ...
 

„Und wofür brauchst du denn bitte auf einmal Geld?“
 

„ ... kann ich nicht sagen ...“
 

„Du hast doch nicht etwa mit Glücksspiel angefangen, oder?“
 

„ ... nein ...“
 

„Du kannst mit mir über alles reden! Bist du Alkoholabhängig? Gestern kam erst diese Dokumentation darüber im Fernsehen! Freunde sind füreinander da, um sich in schweren Zeiten beizustehen! Du würdest das Gleiche für mich tun! Sprich dich aus! Wenn du eine starke Schulter brauchst, um dich auszuweinen- weißt du doch, ich bin immer hier!"
 

Kakashi gab ein schwer verständliches Murmeln von sich.
 

„Na gut ..." Gai schien mit seinem Werk zufrieden zu sein. „Am besten, du schläfst erstmal eine Weile ... dann geht es dir sicher besser. Ich schwöre, du brütest bestimmt etwas aus! Man muss auf seinen Körper besser achten, Kakashi, besonders wenn man in unserem Alter ist! Ich meine, wir sind immer noch- ... aber, du weißt schon! Nimm lieber schnell zuhause Vitamin C! Soll ich Iruka anrufen, dass er dich abholt?“
 

„Nein ...“, stöhnte Kakashi kaum hörbar. „Der muss arbeiten ... das ... geht schon, ich kann selbst fahren ... lass mich einfach nur noch hier ein bisschen ... liegen ...“
 

Schwer hoben sich dunkle Wimpern, er blinzelte aufwärts.

„Danke", flüsterte er.
 

Gai warf ihm einen Blick zu, einen Blick der sagte, dass es immer so bleiben würde. Er würde immer da sein, ein ewiger Rivale, ein Freund, jemand, der ihn besser kannte, als er sich selbst- und der vermutlich auch besser wusste, was gut für ihn war- egal was ihm noch bevor stand. Folter, Tod, Mordanklage ... Gefängnis ...
 

Das war beruhigend.
 

Dass er all diesen Turbulenzen, durch die sein Leben ihn warf, wenigstens noch diesen Fels in der Brandung hatte. Egal wie quietschgrün bemoost er auch war- ... das war gut.
 

Jeder sollte einen haben.
 

~
 

Neji zitterte. Das Smartphone fiel ihm fast aus der Hand, so sehr zitterten seine Finger.

Zum er-wusste-nicht-wievielten Mal musste er den Versuch unterbrechen, eine Nachricht zu schreiben und sich nur konzentriert darauf beschränken, durchzuatmen.
 

Seinen Blick heftete er an die Wand. Er biss sich hart auf die Unterlippe, so lange bis er Blut schmeckte. Es half ihm, sich wieder zu konzentrieren.

Reiß dich zusammen, Hyuga!
 

Immer noch war er beim ersten Wort, das er geschätzte zwanzigmal neu getippt und wieder gelöscht hatte, und ihm war sehr wohl bewusst, wie lächerlich das hier war. Mal ehrlich!
 

Es war nur eine Kurznachricht, an seinen festen Freund, etwas das er ständig- ...

Oh Gott. Ihm war schlecht.
 

Jemand, der sein Problem nicht kannte, machte sich garantiert keine Vorstellungen davon, wie schwer es irgendjemandem fallen konnte, eine verdammte Nachricht zu schreiben!
 

Verglichen damit, was er sonst so für Sachen tat!
 

Er hielt Vorträge, er organisierte, er sorgte dafür, dass viele Menschen ein nicht gerade unwichtiges Projekt am Laufen hielten. Neuerdings zeigte er sogar seine besten Seiten vor einer Kamera. Neji war immer der Beste gewesen- ... in so gut wie allem.
 

Gut, im Schulschwimmen war er untergegangen wie ein U-Boot, aber sonst-...!
 

Strahlend an der Spitze der Exzellenz. Einserschüler schon seit der Frühförderung. Literatur- eins. Mathematik- eins. Geschichte, Sport, Chemie- ... überall eins. Selbst Musik- wenn er sich daran zurück erinnerte, welche Angst er als Kind vor seinem Klavierlehrer gehabt hatte und mit welchem Widerwillen er mit dieser verfluchten Violine sein feines Ohr malträtiert hatte, nur weil man ihm klar gemacht hatte, dass Verweigerung keine Option war, weil ein Hyuga- Sprössling einen Ruf zu verteidigen hatte ...
 

Gemessen an allem, was er schon überstanden hatte, wie schrecklich gewohnt er es war, Widerstände in sich nieder zu kämpfen, konnte eine einzige, simple Kurznachricht doch nicht das sein, was ihn am allermeisten aus dem Gleichgewicht warf.
 

Aber das war es.

Er schluckte hart.
 

Die letzten Tage war er tausend Tode gestorben.

Sein Hochleistungshirn hatte ihm tausendundeine Möglichkeit geboten, wie seine Aussprache mit Shikamaru grauenhaft schief gehen würde, und alle paar Sekunden kamen noch ein paar neue, niederschmetternden Variationen dazu.
 

Neji Hyuga war ein sehr starker Mann mit außergewöhnlich vielen Talenten.
 

Aber in manchen Punkten war er hilflos und wurde zu dem hier: einem nervlichen Wrack, einem verängstigten, verzweifelten Sonderling, der keine Ahnung hatte wie er mit jemandem intime Details über seine ... Vorlieben ... besprechen konnte. Nicht einmal mit seinem festen Freund.

Insbesondere nicht mit seinem festen Freund!
 

Klar war, dass sein gewagter Vorstoß nicht ausreichte.

Sein Stunt hatte sicherlich einige Fragen aufgeworfen, als er über Shikamaru an diesem einen Morgen nach einer langen Nacht voller Clubbing und ungestillten Fantasien förmlich hergefallen war- ... er schämte furchtbar dafür. Wie aufdringlich! Was hatte ihn nur getrieben, sowas zu tun? Das war ganz und gar nicht seine feine, wohlerzogene Art! Kiba war schuld, er hätte nie auf ihn hören sollen! Was für eine Ahnung hatte schon Kiba? Er war ein Top, um Himmels Willen. Er ging nur davon aus, was ihm gefallen würde! Was wusste er schon von Männern wie Shikamaru?
 

Er hätte seinen Freund vorher vorwarnen müssen!

Das wäre er ihm bitter schuldig gewesen. Das ganze Thema gemeinsam mit ihm besprechen, und zwar ausführlicher als die gekrächzte Frage zu einer seltsamen Fernseh- Dokumentation, wie er eigentlich zu Fetisch und Fesselspielchen stand- ... und dann kein Wort mehr dazu zu sagen, als Shikamaru müde und gelangweilt bemerkt hatte, das sah stressig aus und er interessierte sich nicht dafür.
 

Problematisch daran waren zwei Dinge, erstens: er tat sich furchtbar schwer, mit Leuten die er nicht sehr gut kannte über irgendetwas zu reden. Egal was es war. Je persönlicher, desto schlimmer. In seiner Familie sprach man nicht über Dinge, schon gar nicht über Probleme. Sie wurden tot geschwiegen. Oder aber zur Katastrophe dramatisiert. Der Hyuga- Clan war da extrem konservativ.
 

Zweitens: von Anfang an hatte er die ungute Befürchtung gehabt, dass Shikamaru das Thema falsch verstehen konnte. Und je weiter er kam, desto größer wurde die Angst. Denn mit der quälenden Unfähigkeit, verständlich Bedürfnisse mitzuteilen, kam die Panik alles zu verlieren. Zu versagen. Abgelehnt, ausgelacht, bemitleidet- ... fallen gelassen zu werden. Er würde Schluss machen. Shikamaru würde garantiert Schluss machen, wenn er nicht die richtigen Worte fand..!
 

Und, was noch erschwerend dazu kam:
 

Der Nara hatte sich seit dem denkwürdigen Morgen bisher nicht gemeldet. Kein Anruf, keine persönliche Nachricht- ... was einerseits natürlich an dessen großer Bequemlichkeit liegen konnte (solange er nichts Bestimmtes wollte, war er niemand, der ständig Nachrichten schrieb und Neji akzeptierte das, er war selbst kein Fan von ständiger Nerverei und Süßholzgeraspel)- ... andererseits blieb da eben doch das ekelhafte Gefühl im Bauch, das ihm die schrecklichsten Horrorszenarien vorspielte und ihm kalten Schweiß aus den Poren trieb.
 

Was, wenn er ... ihn schon längst nicht mehr wollte?

Wenn er anderen Freunden von dem ... Erlebnis ... erzählte und sich dabei über ihn lustig machte?
 

„Dieser Typ den ich hatte ... notgeile Schlampe, echt ekelhaft ... natürlich hab ich mich nie mehr bei ihm gemeldet ...“
 

Der Gedanke war nicht nur bitter, er war absolut unerträglich. Er machte es noch ein bisschen schwerer, die richtigen Knöpfe zu drücken. Darüber klar nachzudenken, erst recht noch darüber zu sprechen, die Dinge ... zu klären. Wie normale Leute das angeblich machten ...
 

Normale Leute ...
 

Verzweifelt rieb er sich seine Stirn, dort, wo die alte Narbe manchmal noch etwas juckte. Das war es ja gerade, er war nicht normal! Er hielt sich für ganz und gar nicht normal, und manchmal, wenn er in so schlimmen Momenten war, hatte er das Gefühl irgendwann noch komplett den Verstand zu verlieren ...
 

Was für ein Idiot hatte wohl das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ein großes Hirn alles einfacher machte? Schwachsinn. Nichts machte es leichter, einfach nichts, im Gegenteil. Er konnte leichter und schneller Sachen auswendig lernen, toll. Dafür war er den Rest der Zeit allein mit der Hölle in seinem Kopf.
 

Mit neuer Entschlossenheit nahm er das Handy wieder an sich. Er schrieb keine Nachricht mehr, er rief an. Es klingelte lange Sekunden. Die Zeit zog sich länger und länger. Beinahe eine halbe Minute lang. Neji spürte, wie sein Magen sich schmerzhaft verkrampfte. Er hielt durch.

Endlich nahm jemand ab, man hörte das Rascheln von Laken und ein übermüdetes:

„Mmmhhh?“
 

„Hey ...“, Neji fühlte sich atemlos, ihm wurde heiß und kalt aber er sprach einfach weiter, „Shikamaru- ... ich bin´s- ...“

„Neji?!“ Ein unterdrücktes Gähnen, aber gleich darauf der wachere, freundliche Ton. „Hey..! Ahh so ein Glück ... hab schon überlegt ob ich mir Sorgen machen muss ... ist dieser Job da von dir gut gelaufen?“
 

Der Hyuga atmete auf, lächelte wackelig. „Ja ... ist ja schon ein paar Tage her...“

„Das ist cool ...“ Der Andere sprach immer noch als läge er flach auf dem Sofa und mit dem Gesicht im Kissen, während er die Augen kaum einen Spalt aufbekam.
 

Vermutlich war das auch eine ziemlich genaue Beschreibung dessen, wie er im Moment gerade aussah. Aber man hörte das ehrliche Lächeln in seiner Stimme, und Neji wurde ein wenig warm ums Herz.
 

„Mmmh ... mein Freund ist ein Supermodel!“

„Eh- ... na ... das würde ich nicht sagen- ...“

„Hast du eine Plakatwand gekriegt?“ Shikamaru grunzte träge und zufrieden. „Du wärst bestimmt sexy auf einer Plakatwand ...“

„Ehm ... heh!“

„Aber ich bin mir nicht sicher ob mir das gefällt ... mmmh ... ich glaub nämlich, da werd ich ein bisschen eifersüchtig ...“
 

Neji musste etwas lachen. Es klang zwar heiser und holperig, aber es tat ziemlich gut. Der Tonfall gerade eben- ... der löste eine Menge Verkrampftheit, der Andere war so mühelos entspannt und auf eine so gutmütige Art verspielt ... ein bittersüßes Ziehen in seiner Brust machte sich bemerkbar. Er ließ den Kopf sinken.
 

„Du fehlst mir“, flüsterte er und war betroffen darüber, wie ehrlich er es meinte.
 

„Du mir auch“, gab Shikamaru leise zurück.
 

Eine Weile schwiegen sie beide am Telefon, hörten einander nur atmen.
 

„Willst du nicht rüberkommen und mir ne Weile Gesellschaft leisten?“, fragte der Nara dann.

„Du schläfst doch ...“, bemerkte Neji zögernd. „Ich will dich nicht stören.“
 

„Wir können auch zusammen schlafen ...“
 

Neji sah es fast vor sich: Shikamaru, mit dem Kopf halb ins Kissen vergraben, einem faulen Blinzeln, dem kaum sichtbaren, entspannten Schmunzeln auf den Lippen ...
 

„Du kommst jetzt rüber ...", schnurrte der Nara, „und ziehst deinen hübschen Anzug aus ... kuschelst dich zu mir unter die Decke, und dann ... schlafen wir einfach nur“, ein tiefer, entspannter Atemzug, „mmmmh ... was meinst du?“
 

Neji schluckte hart.
 

Er dachte an seinen Terminplan. An die bevorstehende Aussprache, den Berg von Arbeit, der auf ihn wartete, seinen Onkel, der Ergebnisse sehen wollte ...
 

„Okay", flüsterte er.
 

~
 

Sasukes Augenlider waren schwer ... so wunderbar schwer und träge.
 

Das Wasser um sie herum fühlte sich herrlich warm an.

Tanzende Schaumkronen dufteten nach Pachouli, Lavendel und Sandelholz ... ein dunkler, hypnotischer Duft, der ihn einlullte und nicht wirklich zu Naruto zu passen schien. Ihm selber gefiel er sehr gut ... es erinnerte ihn an ein Duschgel, das er früher gehabt hatte ... nur natürlich viel ausgewogener, dekadenter ...
 

Der Blonde hatte- abgesehen von der obligatorischen Axe- Phase und dem sinnlosen Versuch, die Werbung nachzuspielen und sich in einer Wolke von Duft einzunebeln, was Mädchen erfahrungsgemäß mehr auf Distanz hielt, als sie anzulocken- immer hellere, frischere Düfte bevorzugt. Melisse. Zitronengras ... diesen Hauch von Orange ...
 

Sasuke machte sich absichtlich schwer, drückte den Rücken fest gegen den Körper des Anderen und ließ seinen Kopf dann zur Seite rollen, auf die warme Schulter hinter ihm ...
 

Sie lagen zusammen in der Badewanne. Narutos Schenkel schmiegten sich um ihn und Sasuke lag tiefenentspannt in dessen Armen ...

Nicht nur das- er hatte außerdem einem Vorschlag zugestimmt, den er in normalem Zustand nicht einmal annähernd in Betracht gezogen hätte ... nicht einmal in seinen kühnsten Träumen.
 

„Bereit?“ Naruto hantierte mit etwas und das Gefühl seine Muskeln hinter sich rollen zu spüren war angenehm. Kein Grund, die Augen zu öffnen ... kein Grund, beunruhigt zu sein ... Sasuke gab ein leises, nachgiebiges Grummeln von sich.
 

„Okay ... halt still“, raunte die Stimme direkt neben seinem Ohr und der Klang gefiel ihm ... die Tonlage gefiel ihm sehr ...
 

„Ich mein´s ernst, Sasuke ... ramm mir nicht deinen Ellenbogen ins Gesicht, okay?“
 

Der Uchiha runzelte mürrisch die Stirn ...

Kurzerhand ruckte er mit dem Kopf hoch um dem Idioten klar zu machen, dass es einfach nicht möglich war, ihn noch kooperativer zu kriegen, da- ...
 

„- Mhpf!“

„Uwah!! Hoppla- ... Hahaha!“
 

Wäre er eine Katze gewesen, hätte sich in dem Moment Sasukes gesamtes Fell gesträubt.

Unverhofft mit einer Handvoll Rasierschaum zu kollidieren war überraschend ... ekelhaft. Und Naruto, der blöde Idiot, lachte sich nur halb kaputt darüber!
 

„Ahaha! Oh shit, oh shit ...! Sasuke, das wollte ich nicht! Sorry, sorry ...“
 

„Urgh- ... Verd- ...!“ Sasuke hob den Arm, versuchte wenigstens Mund und Nase von dem Zeug zu befreien, „du bist so ein verdammter- ...!“

„Alter, es tut mir leid, okay?! Haha!- ... Shit, ich wollte es grade drauf machen, und du-... hahaha! Rammst dich Kopf voran rein, aaahahhaha! Shit!“

„Nicht. Lustig“, grollte Sasuke erbost.

Aus purem Unmut griff er kurzentschlossen zur Seite nach dem nackten Knie seines Badewannen-Tango-Genossen und zwickte dort mit kräftigen Fingern übers Gelenk- dort wo der Blonde früher zumindest einmal lächerlich empfindlich gewesen war- ...

Ein nicht gerade männlich entspanntes Aufquietschen war die Antwort, ein heftiges Zucken das einen guten Schwall Wasser über den Rand der Badewanne schwappte- ...
 

„Saskääääh!“, jaulte der Blonde gepeinigt auf.

„Hör auf zu lachen!“, bestimmte er.

„Oh Gott- ...“, Naruto hielt sein Handgelenk fest umklammert. „Oh sh- ...! Okay! Gnade! Gnade! Das sah nur eben sau lustig aus ... entspann´ dich, ich mach´s ja auch wieder sauber ... hehe ... komm her, ich mach das schon ... du darfst dich einfach nur nicht so bewegen!“
 

Grummelnd ließ Sasuke locker. Er ließ sich langsam zurücksinken, seinen Arm zur Körpermitte hin wegschieben ...
 

„Lass den bloß da“, warnte Naruto immer noch glucksend. „Nicht ... mehr bewegen. Bleib..!“

„Mrh ...“
 

„Okay ... wo waren wir..?" Ein tiefes Durchatmen. "Phew! Komm hierher, leg dich her ... so ...“
 

Sasukes Kopf sank wieder zurück auf die Schulter des Anderen. Sorgfältig verteilte Naruto Rasierschaum ... Sasukes Augen schlossen sich. Er konzentrierte sich auf die Berührung ... spürte, wie der Andere mit den Fingerkuppen kleine Kreise fuhr ... von den Ohren über den Kieferbogen hinunter bis über die Kehle ... ein wohliger Schauder durchfloss ihn ...
 

„Brav ...“, raunte Naruto ihm direkt ins Ohr, und da war er wieder, dieser besondere Tonfall ... Sasukes Finger zuckten leicht, entspannten sich aber rasch wieder ...
 

Der Uchiha spürte, wie Naruto ihm behutsam mit einem feuchten Waschlappen übrigen, fehlplatzierten Schaum von der Nase streichelte. Keine Kommentare mehr ... nur noch Schweigen und die Berührung, und- ... Sasuke sank langsam wieder tiefer hinein ...
 

Seit den Erlebnissen auf dem alten Sofa, hielt der Blonde fast ständig Körperkontakt, und das war verhängnisvoll ... Es hielt seinen Geist weich und offen, seinen Körper entspannt und wehrlos ... es verschaffte ihm eine ständige, niedrige Dosis von leichter, subtiler Erregung, nach der er vermutlich schon längst süchtig war. Seither hatte er nicht einmal mehr darüber nachgedacht, dass er doch eigentlich fort wollte ...
 

Selbst jetzt streichelten Narutos Finger sanft und verspielt seine Seite und er räkelte sich nur noch wohlig darunter.
 

Das Allerschlimmste war, dass die Berührung nicht einmal mehr besonders aufreizend sein musste. Seine Nervenenden waren so überempfindlich, dass ein leichtes, verheißungsvolles Antippen reichte, um ihn reglos und aufnahmebereit zu machen ... so wie auch jetzt. Sasuke spürte zunehmende Erregung durch seine Adern prickeln, spürte wie sein Rücken sich ahnungsvoll begann durchzudrücken, wie seine Schenkel sich wieder leicht öffneten- ...
 

Aber dann hob Naruto die Hand mit dem Nassrasierer, und er konnte ein argwöhnisches Blinzeln nicht verhindern.
 

„Wehe du schneidest mich“, drohte er mit seiner tiefen Stimme.
 

„Lass den Kopf so“, erwiderte der Blonde nur gelassen.
 

Mit pochendem Herzen hielt Sasuke still.
 

Er spürte eine Gänsehaut, die sich von seinem Nacken abwärts ausbreitete, im gleichen Tempo, in dem die Klinge über seine Haut fuhr. Stumm blinzelnd starrte er hinauf zur Zimmerdecke.
 

Naruto rasierte in sorgfältigen, langen Strichen.
 

Prüfend reckte Sasuke seinen Kopf etwas mehr in den Nacken, spürte das Prickeln den Rücken hinunter, als der Anderen mit der Rasierklinge seine Kehle streichelte- ... und spürte dann das sachte, grundlos zärtliche Anstupsen mit der Nase am Hinterkopf, das einen warmen Tupfer von Gefühl in ihm auslöste.
 

„Naruto ...", begann er atemlos.
 

„Mmh?"
 

Er sprach nicht weiter. Wieder einmal fehlten ihm Worte, um zu beschreiben was er eigentlich sagen wollte. Stattdessen sah er einfach nur weiter geradeaus. Naruto fragte nicht nach. Er war überraschend gründlich. Und er ließ sich Zeit.
 

Seine Fingerkuppen fühlten nach übriggebliebenen Stoppeln, und dann spürte Sasuke sein kleines, kehliges Lachen am Rücken.
 

„Heh..! Wer hätte gedacht, dass selbst jemand mit so mickerigem Bartwuchs wie du so stoppelig wird, wenn er sich ein paar Tage nicht richtig rasieren kann?“
 

„ ... Sei froh, dass du nicht verletzt warst“, gab Sasuke schwach murmelnd von sich. „Ein paar Tage ohne Rasieren ... und du würdest aussehen wie ein verdammter, blonder Yeti“
 

„Hey!“, Naruto schloss seine Schenkel ein wenig fester um ihn, „du bist ganz schön frech, wenn man deine Lage bedenkt!“

Das leichte Grinsen kam instinktiv, und Sasuke erntete dafür einen Knuff.
 

„Naja… aber ist schon okay“, Naruto tätschelte ihn wohlwollend mit der freien Hand, bevor er weiter arbeitete: „Das heißt, dass es dir wieder besser geht.“
 

„Mrrrhh ...“, schnurrte Sasuke zufrieden und streckte die Beine soweit die Wanne es zuließ,

„Mir geht’s gut, so lange du mich nicht schneidest, Idiot. Denn dann muss ich dich leider umbringen ...“

Naruto schmunzelte: „Sei brav und halt still, Miststück.“

„Ich will hinterher nur nicht so aussehen wie du ...“

„Hee, das kannst du auch voll vergessen ... meine Schönheit ist einzigartig!“

„Tss..!“

„Lach nicht! Arsch ... los, nimm den Kopf nochmal hoch.“
 

Narutos Finger schoben ihn leicht aber nachdrücklich in die gewünschte Position, Sasuke ließ es zu. Er blinzelte, sah dann aber keine Notwendigkeit, seine Augen offen zu lassen.
 

„Naruto ...“, setzte er nochmal an.

„Was denn?“
 

„Was ... was heißt das für dich- ... passiv sein?“
 

Eine Weile lang gab der Blonde keine Antwort, er arbeitete weiter, schien über seine Worte nur nachzudenken.
 

„Wie meinst du das?“, gab er zurück.
 

„Mmh ...“ Sasuke überlegte.
 

„Weißt du ... es ist nicht so, dass ich völlig hinterm Mond gelebt habe ...", begann er. „Ich hab genug Dinge gesehen- ... ich weiß, was SM bedeutet. Das heißt ... ich dachte zumindest, ich weiß es. Aber du und Kiba- ... ihr- ...“, er wusste nicht genau weiter, „du machst das irgendwie ... nicht so wie ich dachte. Anders ..."
 

Naruto schnaufte. Aus Sasukes Lage war es unmöglich daraus irgendwie abzuleiten, was ihm durch den Kopf ging.

„Wie, anders?“, hakte er schließlich nach.
 

„Du weißt schon", der Uchiha rollte die Augen, „anders ... als dieses Bild eben, was man so davon hat.“
 

„Was für ein Bild hat man denn?“
 

Sasuke war schon wieder leicht genervt.
 

„Na dieses Bild eben", er hob die Hand aus dem Wasser, „von ... dem Chaps und Lederkäppi tragenden Dom, du weißt schon- ... der rumbrüllt und seine Peitsche schwingt ...“
 

Naruto schnaubte belustigt. „Du hast mich eindeutig noch auf keiner Party gesehen!“
 

„Oh Gott, danke für das Bild in meinem Kopf, Arschloch!“, Sasuke rollte die Augen.

„Hahah!“
 

„Nein- ... jetzt im Ernst.“
 

Der Uchiha starrte grübelnd in den Berg von Schaum am Fußende der Wanne, der ein wenig aussah wie der Fujiyama. „Warum ... hast du mich nicht gefesselt? Warum hast du gesagt, wir hätten keine Verbindung?“
 

„Oh.“ Naruto blinzelte. „Das. Ja, sorry ... das kann man falsch verstehen. Ich meinte keine Verbindung, so wie- ... kein Vertrauen. Kein Flow, keine- ... Connection, ich weiß nicht wie ich das ausdrücken soll. Für eine Session, weißt du.“
 

„Ah." Sasuke blinzelte. „ ... nein. Was?“
 

„Das ist so ...", der Blonde schien fürs erste zufrieden, legte den Rasierer in die seitliche Seifenschale und kratzte sich mit dem Daumen die Augenbraue, „ein bisschen Rumspielen ist kein Problem, aber eine richtige Session, wo du tatsächlich, körperlich, ausgeliefert bist- ...“, er machte eine dramatische Pause, „also, wo du dich nicht mehr von allein befreien kannst, das geht nicht ohne ... Verbindung ... Vor allem nicht bei Leuten wie dir oder mir, die schon nervös werden, wenn jemand einfach nur hinter ihnen steht."
 

„ ... huh."
 

„Ja, die Verbindung, das ist- ... was, das wächst, wenn man sich viel berührt, miteinander Zeit verbringt, redet ..."
 

„Berührt haben wir uns eine Menge... durch die ganze Prügelei und so. Früher?" Sasuke krümmte die Augenbraue.
 

„Jaah ... aber zwischendurch lange nicht mehr! Das war das, was ich meinte: Man braucht eine sichere, gesunde, gemeinsame Basis. Du musst den Anderen ... fühlen können, mitschwingen, verstehst du was ich meine?"
 

„ ... Nein."
 

„Du ... naja!“, Naruto gestikulierte bemüht, „klinkst dich quasi in den Anderen ein, du fusionierst ... du ... machst eine DNA- Digitation, synchronisierst eure ... Seelenwellenlängen ...“
 

„ ... was?!“
 

„Du verschmilzt euer Chakra zu einer Einheit- ... ähm- ... zwei Elemente ... verbinden sich- ... und so ... das gehört überall zu den fortgeschrittenen Techniken, Mann, echt jetzt!“
 

„Du liest eindeutig zu viele Mangas“, bemerkte Sasuke spöttisch.
 

„Ist halt so.“ Naruto hob die Schultern. „So kann ich´s mir am besten vorstellen! Außerdem hab ich schon mal versucht, dir das mit normalen Worten zu erklären, und du hast gesagt du kotzt gleich.“
 

„Tss.“
 

„Selber tss, Bastard.“
 

Mit triefend nassem Waschlappen wusch Naruto die letzten Spuren Rasierschaum von Sasukes Gesicht. Der rümpfte die Nase und hielt sich mit widerwillig verkrampften Fingern am Wannenrand fest, ließ ihn aber wortlos machen.
 

Danach blickte er stumm unten zur Wasseroberfläche, hob die Handfläche und den weißen Schaum darauf. Man spürte kaum dass er da war ... es knisterte aber leise, wenn man versuchte, ihn zusammen zu drücken ...
 

„Wir haben lange nicht mehr zusammen trainiert", bemerkte er tonlos.
 

„Hast du Lust?" Naruto machte Anstalten, aus der Wanne zu steigen. „Wir könnten ins Sarutobi- Dojo. Wenn dir schon egal ist, wer dich alles lynchen will und so ... ist nicht weit von hier."
 

„Hn." Sasuke beobachtete nachdenklich seine Finger durch Schichten von Schaum. „Du hast keine Chance gegen mich, ich hoffe das ist dir klar ..."
 

„Lass mich jetzt mal eben raus", seufzte Naruto. „Wenn ich noch länger da drin bleibe, werd ich zur menschlichen Riesenrosine verschrumpeln..!“
 

„Tss, eher zum Nacktmull ...“

Sasuke lehnte sich widerwillig etwas vor, immer noch seinen Gedanken nachhängend.
 

„Hey, als wir da waren ... du weißt schon. Im Darkside ... "
 

Er sah sich nach dem Blonden um, der nach einem Handtuch griff und sich abrubbelte. Seine Augen glitten vom Nacken die Rückenmuskeln hinunter bis über den Hintern und die kräftigen Beine. Gut in Form ...
 

„ ... da hast du gesagt, es ist egal wie ich dich nenne ... ?"
 

„Hm?"
 

„Du hast gesagt, ich muss dich nicht anders ansprechen. Aber ... die meisten tun das doch, oder? Sich anders ansprechen."
 

Naruto sah sich um. Helle, blaue Augen trafen in forschendes Schwarz.

Er zuckte mit einer Schulter.
 

„Ja, wie man will ... viele Subs sagen „Sir“. Jedes Mal, wenn du das aussprichst, sagst du damit ja auch sowas wie: „Du bist mein Chef“ ... und das ist irgendwie schon schön, meinst du nicht?“
 

„Und wann sagt man „Herr“ oder „Meister?“ ... alles nur frei nach Vorliebe?“
 

„Schon ... naja, aber ... also bei den Leuten hier in der Gegend die ich kenne ist es oft so, dass Subs jeden Top mit „Sir“ ansprechen- aber nur ihren persönlichen- oder einen, mit dem sie auch wirklich schon mal eine Szene hatten- auch mit „Master“. Das ist dann irgendwie nochmal was Intimeres, weißt du?“
 

„Mmmh ...“ Sasuke legte nachdenklich den Kopf schief.
 

„Ich kann dich dann also nennen wie ich will? Theoretisch?“

Er verschränkte die Unterarme auf dem Rand der Badewanne und beobachtete den Uzumaki, wie er umständlich versuchte, ein Paar Socken überzuziehen.
 

„Klar ... Manche nehmen einfach auch den Vornamen. Da gibt’s keine so starren Regeln.“
 

Ein dunkles Schmunzeln flackerte über Sasukes Züge. Seine Stimme war weich und samtig,

"Wie wär´s dann mit ... Vollidiot?“
 

„Wa- ...!“
 

Naruto drehte sich zu ihm um, dunkle Uchiha- Augen glitzerten lauernd.

„Nein? Hm ... Lord Helmchen?“, schmeichelte er.
 

„Ey!“
 

„Jetzt hab ich´s: -Meister- Vollidiot!“
 

„Sasukeeeee!“ Naruto griff drohend nach dem Rasierer und ließ ihn zwischen Daumen und Zeigefinger wippen. „Wenn du so frech bist, rasier ich dich gleich noch woanders!“
 

~

Wendung

~
 

Federnd setzte Sasuke den Fußballen auf die Bodenmatte.

Weicher, graugrüner Kunststoff gab nach unter ihm.
 

Er machte einen Schritt, zwei- und auf einmal kamen Gefühle zurück: Wie der Luftstoß in ein stilles Zimmer, wenn jemand ein Fenster aufriss. Verblüfft hob er den Kopf. Er erinnerte sich.
 

Auf einmal erinnerte er sich wieder ganz genau:
 

Nicht an sein übliches Kampfsport- Training, nicht an die mehr oder weniger ernsthaften, heimlichen Trainings- Matches mit Naruto.

Nein... an ihr erstes Mal.
 

Kurz nach der Einweisung ins Konoha- Heim.
 

Ihr erstes Mal, als sie körperlich kollidiert waren. Er selbst war sich sicher, dass ihm das einen Ruf bei den Betreuern eingebracht hatte, den er bis zum Schluss nicht mehr losgeworden war.

Zu Recht, wenn er so darüber nachdachte. War das wirklich schon so lange her?
 

Auf einmal verschwamm die Umgebung vor seinen Augen und da war die Art, wie das Licht sich an den Holzwänden fing. Der gleiche, unverwechselbare Geruch der Bodenmatten, dumpf und aufregend. Die Stimme des jungen, dynamischen Trainers, den er damals schon außergewöhnlich attraktiv gefunden hatte, hallte in seiner Erinnerung:
 

„Sucht euch einen Partner! Egal wen, er sollte nur einigermaßen gleich groß sein!“
 

Und dann sah er alles wieder genau vor sich:
 

Er selbst war hier, blass und klein, ein verlorener, schmaler Junge mit großen, schwarzen Augen und stumpfem Blick ins Nichts. Ihm gegenüber der schlimmste Idiot der Einrichtung, ein von allen verstoßenes, kleines Monster mit schmutzig blonder Zottelmähne, entstelltem Gesicht und flirrendem, wildem Ausdruck... Man musste nur einen Blick auf ihn werfen, um ihm anzusehen, dass er verrückt war.
 

Und nur für den Fall, dass jemand noch Zweifel hatte, war da ständig diese bedrohlich verkrampfte Anspannung in ihm, diese entnervend laute, raue Stimme, seine aufdringliche, penetrante Art...

Er benahm sich so, dass jeder normale Mensch Abstand hielt.
 

Abgesehen von diesem Mädchen, mit Haaren in bonbonrosa, die ihm auf die einzige Art seine Grenzen klarmachte die er zu verstehen schien: sie schlug ihm ungeniert ins Gesicht. Und anstatt gleich zurück zu schlagen und ihr das Genick zu brechen, wie jeder das von ihm erwartet hätte, umschmeichelte er sie stattdessen, duckte sich in ihrer Nähe und veränderte seine Stimme in ein lockendes Gurren wenn er mit ihr sprach.
 

In Sasukes Augen machte ihn das noch viel gestörter.
 

Und ausgerechnet mit diesem Subjekt zusammen war er an diesem Ort gelandet. Einem Heim für verlorene Kinder.

Die Hoffnungslosesten.
 

Weil er keine Lust auf die Übung gehabt hatte-... keine Lust, überhaupt irgendetwas zu tun, was irgendwer von ihm wollte- (das war die Zeit gewesen, in der er durch Totalverweigerung versucht hatte, das blanke Ausmaß des Schreckens klarzumachen, für das keine Worte je ausgereicht hätten) war er bis zum Schluss alleine geblieben.
 

Alleine mit ihm-... der keinen Partner fand, egal wie sehr er sich anstrengte.

Und plötzlich waren sie sich gegenüber gestanden.
 

„Dann mach ich eben mit dir, Arschloch!“, verlangte das kleine, wilde Monster und zog die Nase hoch. Seine eigene Version der Vergangenheit reckte das Kinn, die Arme fest vor der Brust verschränkt:
 

„Auf keinen Fall.“
 

Egal wie der Blonde sich aufspielte, jeder sah auf den ersten Blick, dass er ein Opfer war. Gezeichnet. Und Sasuke verachtete das. Er verachtete Schwäche. Es erinnerte ihn an Dinge, die er vergessen wollte.
 

„Aber du bist auch allein, oder nicht?“
 

„Ich will keinen. Ich mach da nicht mit.“
 

„Hier geht’s nicht darum was du willst! Bist du vielleicht blöd oder was?“
 

Diese flirrenden, blauen Augen! Dieses aufgeregte Schnaufen. Und immer dieses Herumgezappele. Verdammt, nochmal. Gab man ihm keine Tabletten dagegen?
 

„Es nervt mich zwar auch, aber du bist ja neu und so! Also mach ich mit dir, jetzt komm schon!“
 

„Du bist auch neu. Und keiner will mit dir zusammen sein, weil du voll gestört bist.“, zischte Sasuke, „Sieh´s ein, du Psycho.“
 

Zack, und schon war die Hand des Blonden an seinem Revers und das Gesicht mit gefletschten Zähnen direkt vor seinem: „Wichser-...!“
 

Er schlug zurück ohne Vorwarnung. Niemand fasste ihn ungestraft an. Gewalt war super. Gewalt war wunderbar. Ein heißes, weißes Feuer das alles fraß. Angst. Einsamkeit. Einfach alles.
 

„Hey!“

„Verdammt nochmal, ihr Beiden-...“, zwei der Betreuer hatten sie rasch am Kragen und zerrten sie auseinander. Er ließ vom Anderen ab und schlug den Arm des Erwachsenen von sich, wich schmollend zurück bis zur Wand- Naruto versuchte nicht sich zu befreien. Der blonde Idiot hängte sich mit beiden Händen an den Griff seines Erziehers, legte den Kopf in den Nacken und wurde laut... wie immer, wie Sasuke später feststellen würde, wenn er nichts mehr kaputt machen konnte:
 

„Iruka- Senseeeei!“

„Schluss jetzt, Naruto! Ich hab genug davon!“

„Aber er hat-...!“

„Ist mir egal was ER gemacht hat! DU hörst auf!“

„Aber-...! Das ist voll unfair!“

„Kein Aber! Genau darum geht es, deine Aggression in den Griff zu kriegen! Die Übung ist wichtig! Und du tust was ich sage, oder den Rest des Tages bleibst du wieder direkt neben mir!“

„Ooooh mann!“
 

Der Blonde jammerte unbegeistert, duckte aber kleinlaut den Kopf und schluckte jeden weiteren Widerstand. Schmollend kamen sie einander wieder näher. Taxierten sich abschätzend.
 

„Okay“, begann der bärtige, junge Trainer von der Mitte des Raumes und klatschte motiviert in die Hände, „Respekt! Ist das Wichtigste! Kein Mann, der etwas auf sich hält- und ich hoffe auch keine Frau- kämpft jemals ohne Respekt! Egal, wer ihr seid- und egal, ob der andere euer Freund oder euer Feind ist- sobald ihr eure Kraft an ihm einsetzt, übernehmt ihr Verantwortung! Das ist die Lektion für heute! Zeigt euren Respekt und verbeugt euch!“
 

Sasukes und Narutos Augen trafen sich. Vielleicht zum ersten Mal wirklich, und sicherlich zum ersten Mal so bewusst und intensiv. Beide zögerten.
 

„Ich respektiere dich, wenn du mich respektierst“, forderte Naruto in seltsamer, verkrampfter Halb- Verbeugung. Sasuke machte keine Anstalten, seinen Kopf zu senken. Vorsichtshalber reckte er sich noch ein bisschen höher, „Vergiss es.“, zischte er.
 

„Rei!“, bellte das Kommando durch die Halle und widerwillig, mehr aus Reflex nickte Sasuke kaum sichtbar- Naruto beugte sich in der Hüfte. Der schwelende Blickkontakt blieb und schlug Funken zwischen ihnen.
 

„Gut, üben wir eine leichte Haltetechnik am Anfang! Kein Werfen, kein Schlagen- und schon gar kein Würgen! Einer von euch legt sich hin-... ja, er ist Uke für den Moment- aber denkt dran, der Uke ist nicht das Opfer! Ukeru heißt nicht „verlieren“! Sondern auch „auffangen, bekommen, retten“! Genau wie Tori nicht „kaputt machen“ heißt, sondern „wählen, aufnehmen, fassen“! Ihr gehört zusammen, auch wenn ihr kämpft, verstanden?!“
 

Was für ein-... Bullshit!

Sasuke war fassungslos. Wer dachte sich so bescheuerte Sprüche aus? Egal wie man versuchte es hübsch zu reden, derjenige der unten lag war so gut wie tot. Und hatte Glück, wenn der andere nicht lange herumspielte sondern allem mit einem gut gezielten... Schnitt oder Stich oder Tritt oder was auch immer ein Ende machte!
 

Noch verdutzter war er, als er bemerkte, dass Naruto ihm plötzlich zu Füßen lag, sich bereitwillig auf den Rücken rollte und hochblinzelte.
 

„Ich rette dich, Sasuke“, sagte er treuherzig, streckte Arme und Beine von sich-...
 

… und das war das erste Mal, in dem der Uchiha wieder etwas anderes in sich spürte als nur die betäubte Leere nach dem Unaussprechlichen. Sein Pulsschlag stolperte, er schluckte ausdruckslos und spürte- unerklärlicherweise- Hitze in seinem Gesicht.
 

„Nur wenn ihr aufeinander achtet, wird das funktionieren!“, fuhr der Trainer laut fort, „Und ihr wechselt natürlich durch, also-... ich zeige euch jetzt, auf was ihr als Tori achten müsst-... Kakashi, würdest du-...?“
 

Sasuke beobachtete ungläubig und mit immer größer werdenden Augen was ihnen dort vorgeführt wurde. Sein Mund wurde trocken, sein Bauch begann seltsam zu flattern als er den beiden Männern zusah... Das-... konnte unmöglich ihr Ernst sein. Das war... nicht richtig! Niemand konnte ihn zwingen, so etwas zu machen!
 

Aber da lag immer noch dieser Blonde mit seinem hässlichen Narbengesicht unter ihm und blinzelte furchtlos direkt in den Abgrund in seiner Seele...

Vielleicht konnte er... hm-... vielleicht...
 

Zögernd, zittrig ging er hinab auf die Knie als sie die „Haltetechnik“ kopieren sollten.

Ganz langsam stieg er über den Anderen, vorsichtig, zögernd, bis er auf allen Vieren über ihm kauerte. Dann stockte er.
 

Der Junge... Naruto... roch nach seinem frischgewaschenem Judo- Anzug.

Nach Salz und Seetang, und nach etwas Unvergleichlichem.

Dem Duft seiner Haare, seiner Halsbeuge... einem Duft, der auf Anhieb unglaublich beruhigend war. Und er konnte sich selbst nicht erklären warum, aber irgendwie...

... erinnerte er ihn an frische Tomaten...
 

„Also-...“, sie konnten sich kaum in die Augen sehen.

„Ähm-...“

„Ich glaube, du musst-...“

„Tss. Halt die Klappe, Idiot.“
 

Trotz seiner betont kalten Unfreundlichkeit bebte Sasuke am ganzen Körper. Ganz vorsichtig senkte er sich tiefer, sah wie Naruto den Kopf ergeben zur Seite drehte. Er schob einen Arm behutsam unter seinem Nacken hindurch, klemmte Narutos eigenen unter die Ellenbeuge, rutschte abwärts... ließ die Beine am Anderen seitlich hinunter gleiten. Hakte sie unter die Knie und zog an-...
 

Und dann war er vor Scham und Herzklopfen wie erstarrt, als sie mit Hüfte, Bauch, Brust und gespreizten Beinen so dicht aufeinander lagen.

Der Andere trug sein gesamtes Gewicht, ohne einen Mucks von Protest. Er war weich und fest zugleich unter ihm... und warm... und als er mit einer Hand ganz leicht in Sasukes Oberteil fasste, durchfuhr den Uchiha ein heißer Schauder. Als er es endlich wagte, geradeaus zu blinzeln, einen vorsichtigen Blick in das vernarbte Gesicht vor ihm zu werfen, stürzte er haltlos in unglaublich klare, blau strahlende Augen...
 

Sie starrten sich an. Atemlos. Und dann...
 

„Was guckst du so?“, platzte der Uzumaki heraus, „Bist du schwul, oder was?!“
 

Der Rest war Geschichte.

Der Beginn einer bitteren, brutalen Hassleidenschaft.
 

Und hier waren sie, Jahre später, zusammen am gleichen Ort.
 

~
 

Naruto näherte sich von schräg hinter ihm.
 

Seine Schritte waren gelassen und kraftvoll, die Narben viel feiner als früher. Der weiße Judoanzug betonte seine kräftigen Hände. Er hatte sich wirklich verändert.

Der Uchiha zog nervös ein Bein an, wandte sich zu ihm um, und machte einen unwillkürlichen Schritt seitwärts.
 

Ihre Blicke trafen sich.

Und da war es wieder- das eigentümliche Ziehen und Kribbeln im Bauch.

Jeden Schritt, den der Blonde näher kam, gab es ein Geräusch auf den Matten. Ein sachtes, entschlossenes Vorwärtsdrängen, der tappende Rhythmus zum Auftakt von etwas, das Sasuke von den Haarwurzeln bis zum kleinen Zeh in Aufregung versetzte, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt und ihn unter Strom gesetzt...
 

Er konnte kaum beide Füße gleichzeitig auf dem Untergrund behalten. Je näher Naruto kam, um so unmöglicher wurde es. So als würde der Blonde den Boden auf dem er stand zum Glühen bringen, die Luft zum Prickeln, und Sasuke wand und krümmte sich unter der fremden Empfindung.
 

Seine Augen wurden groß, sein Kopf neigte sich seitwärts zum Anderen. Er wich aus, drehte sich mit ihm:
 

Und sie umkreisten sich beinahe wie früher, eine Spirale aus Kraft zwischen ihnen, Narutos Ausstrahlung, Sasukes Innerem... das fühlte sich anders an, als nur zu kämpfen. Es war mehr wie eine Art Tanz.
 

Und Sasuke dachte an seine Berührung die letzten Tage... Träge Fingerspitzen auf dem Sofa und in der Badewanne. An das sanfte Reiben der Stimme in Narutos Kehle, wenn er ihm leise ins Ohr sprach. Seine warmen Lippen auf nackter Haut. Die heiße Energie, wenn der Blonde sie heftig in ihn hinein stieß und er empfing-... er hatte sich nie in seinem Leben vorstellen können, dass es sich so gut anfühlen konnte, einfach nur zu empfangen...
 

Und ja... jetzt war er wieder wie hypnotisiert.
 

Auch wenn sie sich nicht berührten nahm er den Anderen wahr, auch wenn sie nicht sprachen verstand er- allein durch die Körpersprache und die Energie in der Luft.
 

Sie trafen sich in der Mitte. Naruto blieb stehen, hob die Hand und augenblicklich hielt Sasuke still. Ihre Schultern berührten sich fast, so nah waren sie sich. Sasuke neigte den Kopf zu ihm, hielt Blickkontakt und die Haut an seinem gesamten Körper schien zu kribbeln. Wie unter einem Bann rührte er keinen Muskel. Seine gesamte Aufmerksamkeit lag auf dem Anderen. Langsam streckte der Uzumaki den Arm aus, berührte ihn zwischen den Schulterblättern und löste ein kleines Zucken aus. Nicht vor Erschrecken, mehr wie das Ergebnis eines kleinen, elektrischen Übersprungs. Sasuke blieb ruhig, atmete langsam durch, ließ ihn machen.
 

„Du spürst es, oder?“, flüsterte der Uzumaki fasziniert.

„Was?“
 

Sasukes Stimme war flach und ein wenig atemlos, aber er hatte das Gefühl, die Antwort zu wissen. Naruto lächelte leicht.
 

„Die Verbindung“
 

Ein wohliges Schaudern ging durch den Uchiha, von dort aus wo Narutos Hand ihn berührte.
 

„Heftig“, der Blonde streichelte sanft seine Rücken, seine blauen Augen funkelten, „Und wie du das spürst, huh?! Mit der Augenbinde war´s ja schon der Wahnsinn, aber das-... ich hab noch keinen erlebt, der so empfindlich drauf reagiert-... der sich so einklinkt-... das ist-... whoa, das ist-...“, ein langer, erregter Atemzug, „... richtig geil.“
 

Sasuke befeuchtete seine Lippen.

„... Wovon... redest du?“
 

„Na, von dir!“, Naruto war hellauf begeistert, „Früher hab ich so viel nicht kapiert... sie haben gesagt, du bist bockig und lässt dir von keinem was sagen, aber in Wirklichkeit warst du da schon extrem empfindlich... stimmt´s? Weißt du noch, als du hier mal krass ausgeflippt bist?“
 

Beschämt senkte der Uchiha seinen Blick. Das war nicht gerade etwas, woran er so dringend erinnert werden wollte.
 

„Aber es war total logisch!“, fuhr Naruto eifrig fort, „Sie hatten kein Recht, dich dazu zwingen zu wollen, dass du auch mal unten bist! Das war nicht okay, Sasuke! Niemand darf einen zu so was zwingen, wenn man selbst nicht soweit ist. Nicht mal für einen guten Zweck...“
 

Der Uchiha hob seine Augen, sein Blick flackerte unsicher, feindselig in Narutos Gesicht.
 

„Schon ironisch, dass du das sagst...“, stieß er hervor, „Gaara meint, es passiert ja eh irgendwann... Man hat also sowieso keine Wahl.“
 

„Doch.“, Narutos Blick ging direkt in seine Augen, eine strenge Entschlossenheit lag darin:

„Hat man. Jetzt gerade zum Beispiel... Hast du definitiv die Wahl.“
 

Sasuke wich mit dem Blick aus.

Stattdessen trat er noch ein winziges Stückchen näher, so nah bis ihre Kampfkleidung sich gerade so berührte. Brust an Brust. Sein Kopf neigte sich in Narutos Halsbeuge.
 

„Du willst mich doch auch unterwerfen“, hauchte er tonlos.
 

„Nicht, wie du denkst“, gab Naruto zurück und seine Hand war warm, seine Stimme ohne Druck, „Ich will, dass du frei bist, Dummkopf. So jemand wie du muss doch frei sein. Sonst geht er kaputt, oder nicht?“
 

Das kam unerwartet. Sasuke spürte einen Stich in der Brust. Irgendetwas an diesen Worten traf einen wunden Punkt. Einen gut verborgenen, der sehr schmerzte... und es war eine so wohltuend feinfühlige Berührung, dass er ungläubig spürte wie ihm rein aus Reflex, vor lauter verblüffter Erleichterung, Wasser in die Augen schoss. Tief durchatmend blinzelte er es zurück, atmete langsam aus.
 

Naruto schloss die Arme locker um ihn, kraulte ihm zärtlich den Rücken.

Stumm schmiegte Sasuke sich näher.
 

„Machst du diesen Haltegriff?“, fragte er schließlich, als er seiner Stimme wieder traute, ruhig und emotionslos zu sein.
 

Naruto rieb sanft die Wange an seiner, berührte mit den Lippen sein Ohr:

„Nicht, wenn du es nicht willst.“, flüsterte er.
 

Sasuke senkte den Kopf, legte die Stirn leicht auf Narutos Schulter ab, ließ seine Hände über die Hüfte des Anderen rutschen, griff mit kalten Fingern den Stoff des Oberteils.
 

„Vielleicht will ich ja.“, hauchte er fast unhörbar.
 

Und dann, nach einem atemlosen Moment von vollkommener Stille, ging alles auf einmal sehr schnell. Naruto schlang feste Arme um ihn, griff ihn sicher im Revers, Sasuke spürte seinen Herzschlag rasch und die Kehle eng werden. Plötzlich fühlte er sich ganz leicht-

Schwerelos.
 

Sein Gewicht wurde über den Schwerpunkt nach hinten gestoßen, Narutos Bein nahm ihm den festen Stand- ein einziges, entschiedenes Wegfegen und die Welt kippte hintenüber. Im nächsten Moment lag er flach auf dem Rücken und Adrenalin schoss ihm in den Kopf, aber seine Schultern wurden von einem unerbittlichen Gewicht abwärts gedrückt, jemand hielt ihn durch sein heftiges Aufbäumen hindurch fest und sicher genau dort wo er ihn haben wollte-...
 

„Guh-...!“

„Schh...“
 

Im einen Moment war alles blendende Panik und rasender Puls, im nächsten verstand er, dass es Naruto über ihm war der ihn fest im Arm hielt... dass es okay war-...

„Alles gut...Ich hab dich. Ganz ruhig.“
 

Und sobald seine automatische Abwehr aufhörte, ließ auch der Druck nach. Sasuke zog die Beine an, stemmte beide Füße auf den Boden und blieb dann so-... das Herz pochend, sein Atem tief. Naruto war über ihm.
 

„Sehr gut“, der Uzumaki lächelte, ließ locker, richtete sich etwas auf, „Ich glaube, du bist noch heil... nur ein bisschen rot im Gesicht. Geht´s dir gut?“
 

Sasuke schnaubte. Und fühlte dann in sich hinein. Seine schwarzen Augen richteten sich in Narutos Blick.

„... Den Umständen entsprechend“, gab er ausweichend zu.
 

Naruto lachte.

„Ohh, ist mein Arm etwa nicht bequem genug, eure Hoheit?“
 

„Fick dich“, knurrte Sasuke grinsend und rückte sich etwas zurecht, „Mmh. Doch... fühlt sich... eigentlich gut an...“
 

Tatsächlich. Es erstaunte ihn selbst, aber es war ganz ähnlich wie bei dem ersten Kontakt mit dem Lederriemen... viel angenehmer und ganz anders als erwartet. Nun war es natürlich so, dass er bei einer Vergangenheit mit einer Menge von Kämpfen bei weitem nicht das erste Mal unter Naruto lag. Aber er hatte sich tatsächlich bisher standhaft gesträubt, sich freiwillig in die Position werfen zu lassen. Es war... auf den zweiten Blick gar nicht schlimm. Im Gegenteil... es gefiel ihm sogar...
 

Dieses tiefe Einverständnis und das angenehm warme Kitzeln im Bauch-... Narutos Griff war nicht grob, sondern mehr wie eine sehr feste Umarmung. Zum Glück hatte er sich nicht entschieden, ganz über ihn zu steigen wie er selbst damals- er hielt ihn vom Platz neben seinem Oberkörper her fest, und das war genau die richtige Mischung aus Nähe und Abstand, zum Anfang...
 

Und-... seltsamerweise, genau wie mit den Treffern des Lederriemens, fühlte er sich jetzt auch im Haltegriff nicht etwa feindlich behandelt, sondern sogar... außerordentlich wohl und sicher. Er konnte spüren, wie sich seine Laune auf einmal besserte, seine grimmigen Abwehrbarrieren sich senkten, und das machte ihn... seltsam verspielt...
 

„Schön weich...“, mit funkelndem Blick kuschelte er sich ein wenig bequemer,

„Liegt bestimmt... an deinen schlappen Muskeln!“
 

Dass Naruto- wunderbar vorhersehbar- sofort den Griff zum Schwitzkasten drückte, brachte ihn nur zu einem rauen, aufgekratzten Lachen, auch wenn es nicht mehr so bequem war:

„Du bist noch ganz schön ungezogen“, grinste der Blonde, „Pass lieber auf, sonst kommt die Supernanny und schickt dich noch auf die stille Kellertreppe!“
 

„Hah-...! Die-... kann mich mal-... ah-... ich bin zu alt für die!“

„Naa, na na!“, Naruto quetschte noch ein wenig fester, was Sasuke ihm durchaus nicht übel zu nehmen schien, „Sie kann dich mal-... was...? Du lässt dich von der Supernanny am Arsch lecken?!“

„Argh-...!“

„Sasuke, Sasuke...!“, sein Grinsen war weit, „Ich hatte ja keine Ahnung... dass du auf ältere Frauen stehst..!“

„Haha-... Arschloch!“

„Alter, dein Oberteil verrutscht auch schon wieder... warum ziehst du dir überhaupt noch was an? Nicht mal deine Klamotten mögen dich!“

„Haha! Du Arschloch!“, Sasukes halbherziges Zappeln war nicht einmal scheinbarer Widerstand. Es gefiel ihm noch viel zu gut in der Lage.

„Komm mal her, du...“
 

Naruto erhob sich, löste den Griff nur um beherzt in Sasukes Revers zu greifen- eine Hand links, eine rechts, so packte er den stabilen Stoff des Oberteils, riss ihn mit einem Ruck zurecht, aufwärts und warf ihn mit abruptem Schwung auf die Matten.

„Bleib liegen“, bestimmte er.
 

Sasuke japste. Zuerst war er viel zu verdutzt um darauf irgendwie zu reagieren, aber Naruto wiederholte die Bewegung, und beim zweiten Mal hielt er Blickkontakt. Als er den Zeigefinger des Uzumaki vor Augen hatte, fielen seine Hände von selbst neben den Kopf.
 

„Brav“, kommentierte Naruto lächelnd. Er sammelte sorgfältig beide Hälften des Oberteils in eine starke Hand, rückte ihn lässig zurecht und stieg so über ihn, um sich zufrieden auf ihm nieder zu lassen.
 

„Ugh-...“, Sasuke hustete, „Du bist schwer, Idi-...“
 

„- Schh!“
 

Da war der Zeigefinger wieder vor seinen Augen, und sofort hielt Sasuke den Mund.
 

Naruto saß auf ihm, den Kopf gebeugt, den Körper aufrecht, mit gewölbter Brust und gestreckten Schultern. Einen merkwürdigen stolzen Ausdruck hatte er in den Augen, der es Sasuke warm im Unterbauch werden ließ.
 

„Was z-...“
 

„Schh.“
 

Sobald Sasuke mit Stille und Reglosigkeit reagierte, wurde die strenge Hand wieder weich und wohlwollend, streichelte ihm sanft die Wange. Der Uzumaki nickte bestätigend, in seinen Augen glomm Anerkennung, ruhige Konzentration.
 

„Ich will“, bestimmte er leise, „Dass du genau so bleibst.“
 

Sasuke wagte kaum zu blinzeln, während er aufwärts sah. Er atmete flach und rührte sich nicht.
 

„Sag mal „Mayday“.“
 

„Mayday?“
 

Grinsend hob Naruto beide Arme in die Luft, wackelte mit den Händen,
 

„Safeword!“
 

Sasuke rollte die Augen.
 

„... Ich brauche kein Safeword bei dir.“, murrte er.
 

„Jetzt noch nicht...“, schmunzelte der Blonde, „Gib mir mal deine Hand.“
 

Er gehorchte.

Als ihre Handflächen sich trafen, war es unglaublich vertraut.
 

Narutos Hände waren warm und rau. Sasukes Finger waren oft kalt, deshalb fühlte es sich gut an, auch wenn er nicht wusste was der andere wollte. Er ließ sich Zeit. Streichelte Sasukes Handrücken, ließ ihre Finger aneinander streifen, schob ihre Handflächen aneinander und glitt schließlich mit seinen Fingern in die Zwischenräume von Sasukes eigenen. Der Uchiha atmete tief ein dabei. Das war wahnsinnig intim. Für Sasuke war es intimer als der meiste Sex, den er bisher schon gehabt hatte. Das warme Gefühl in seinem Unterbauch wurde stärker.
 

„Wenn du gehebelt wirst...“, begann Naruto, „Oder dich jemand im Würgegriff hat... was machst du dann?“
 

Sasuke schnaubte verächtlich.

„Ich bringe ihn um?“, bemerkte er.
 

„Ernsthaft jetzt.“

„... Abklatschen?“
 

„Wenn deine Hände nicht frei sind?“

„Maitta?“
 

Naruto nickte versonnen.
 

„Maitta ist ein Safeword für Wettkämpfe. Genau so wie „Mayday“ in einer Session.“

„Hmm...“
 

„Aber wenn du „Maitta“ oder Mayday sagst, ist der Kampf vorbei. Oder das Spiel. Oder die Szene.“
 

Sasuke hörte ihm aufmerksam zu.
 

„Was sagt man, wenn man nur unterbrechen will..? Weil was zu heftig wird... oder man ´nen Moment braucht um alles erst mal wieder neu zu sortieren?“
 

Der Druck von Narutos Fingern wurde langsam kräftiger, rauer und Sasuke spürte, wie ihm die nervöse Erwartung unterm Bauchnabel kribbelte. Er ließ ihn machen, seine Mundwinkel hoben sich etwas, gleichzeitig schluckte er und spannte vorsorglich seine Beine an.
 

„... Timeout...?“, vermutete er heiser.
 

„Bingo~..!“, Narutos Lächeln war sonnig, aber auch ein wenig gefährlich. Seine Stimme rutschte in leise, tiefere Register, „Das heißt... wenn ich dir richtig weh tue, sagst du...?“
 

Der Griff wurde härter. Sasuke biss sich auf die Unterlippe, aber er sah einfach nur wie gebannt zu, wie Naruto die Hand löste, den Griff wechselte und die Finger fest darum schloss.
 

„Danke...?“, lachte er spontan und atemlos, die erste dumme Idee die ihm einfiel.
 

„Das auch“, Narutos Grinsen zeigte sämtliche Zähne, „Aber wenn´s dir mal ernsthaft zu heftig wird...?“
 

Kontrolliert bog er die Hand am Gelenk nach unten. Bis zum neunzig Grad- Winkel war es gerade so noch okay, aber viel weiter ging nicht. Sasuke wusste das- Naruto wusste es auch. Trotzdem drückte der Uzumaki unaufhaltsam weiter abwärts, und trotzdem biss Sasuke die Zähne zusammen, ließ die Spannung erst durch seinen ganzen Körper laufen, bevor...
 

„Ah-..!“, japste er, klopfte instinktiv mit der Fußsohle auf die Matten unter ihm, „-... Timeout!“

„Mmmh... guter Junge!“
 

Naruto beugte sich tiefer, und für einen Moment glaubte Sasuke, er wollte ihm einen Kuss geben. Zur Belohnung... Aber kurz davor hielt er inne. Nur Millimeter entfernt, gerade so blieb er und sah ihm in die Augen. Atmete. Wartete auf eine Reaktion. Sasuke hielt völlig still, spürte die Gänsehaut an seinem Nacken hinaufprickeln, seine Augen waren weit und glasig.

Wie in Trance hob er langsam seine Hand:
 

„Mach´s nochmal“, hauchte er.
 

Naruto schmunzelte, bevor er sich langsam zurückzog, die Spannung löste.

„Ahh, nochmal dasselbe ist langweilig... Da gibt’s so viel andere Möglichkeiten... “, zärtlich nahm er Sasukes Kopf in beide Hände, „zum Beispiel... das hier?“
 

Sasuke spürte die warmen Finger sein Gesicht streichen, die beiden Daumen unter den Knochen des Unterkiefers einhaken und die wissende Bewegung nach innen-... dorthin wo er weich und verletzlich war-... und den intensiven Schmerz, der seinen gesamten Körper dazu brachte, wie ein Klappmesser hochzuschnappen.
 

„Aaaarghh! Aua!“, japste er.
 

„Aua ist kein Safeword~...!“
 

„ Timeout! Timeout! Ahh, shit-...!“
 

Naruto ließ lächelnd nach- fuhr ihm mit beiden Händen durchs Haar, grub die Finger hinein, hielt ihn so am Boden und sie sahen sich an. Sasuke war atemlos. Sein Herz pochte deutlich, unter dem Bauchnabel war ihm heiß geworden.
 

Und auf einmal sah er wie die Schultern des Blonden sanken, seine Mundwinkel sich hoben und sein gesamter Ausdruck sich veränderte. Die Augen glitzerten hell und aus seiner Miene strahlte ein Ausdruck von purem Glück:
 

„Ich... ich kann das hier grade kaum fassen“, stieß er mit belegter Stimme hervor, „Sag mir, dass das wirklich passiert... und nicht nur irgend so ein verrückter Traum ist“
 

Sasuke zog eine Augenbraue nach oben,

„Ich kann zur Abwechslung gerne mal dir weh tun, wenn du Zweifel hast“

Aber der Uzumaki ließ sich davon nicht beirren.
 

Er wippte auf die Fußballen zurück und lachte leise. Ein Lachen, in dem eine ganze Menge fassungslose Erleichterung mitschwang.
 

Wie jemand, der nach einem Leben unter der Brücke im Lotto gewonnen hatte. Oder jemand, der nach einer tödlichen Krankheit das rettende Spenderorgan bekam.

Oder jemand... der einen lange verloren geglaubten Freund endlich wieder hatte.
 

„Sasuke“, sagte er, und seine Stimme war dick und brüchig.

Der Uchiha hörte darin die drohenden Tränen von Wiedersehensfreude, die der Andere sich die ganze Zeit über bisher tapfer verkniffen hatte, und er hatte überhaupt keine Lust auf rührselige Szenen-...
 

Stattdessen nutzte er lieber die Chance, um den blonden Idioten bei den Schultern zu packen, sein Gewicht herumzuschleudern, dass der Uzumaki einen Sekundenbruchteil später selbst auf dem Rücken lag und er triumphierend über ihm hockte.
 

„Was?“, knurrte er ohne viel Angriffslust. Er setzte sich zurecht, streckte den Rücken und krümmte drei Finger zu Klauen, um sie in provokanter Geste leicht über die Narben auf Narutos Wange zu ziehen, so als sei er allein derjenige, der dafür verantwortlich war:
 

„Hier bin ich doch, du Idiot. Fang jetzt bloß nicht an zu heulen!“
 

~
 

Deidaras Schritte waren dumpf unter ihm, und obwohl er sich mit großen Augen umsah hatte er jetzt schon das Gefühl, sich in diesem Labyrinth von Gängen und Zimmern hoffnungslos zu verirren. Sein Orientierungssinn war ohnehin schon nicht hundertprozentig top, aber das? Das war lächerlich. Der Albtraum jedes Innenausstatters.
 

Leise schnaubte er. Seine Finger zuckten immer wieder zu dem Smartphone in seiner Tasche, weil er, je weiter er kam, immer mehr sonderbare Dinge sah, die er gern fotografiert hätte.

Keine Bilder, ja... aber je weiter er kam, desdo mehr von einer unheimliche Art Fresken an der Wand. Links und rechts des Flurs waren Holzvertäfelungen, darunter ein altmodisch gemusterter Teppichboden, der jedes Geräusch zu schlucken schien. Es war gespenstisch still. Wie in den Eingeweiden eines Ungeheuers, das sich nach außen hin nur wie ein Haus tarnte, um ahnungslose Opfer in seine Fänge zu locken.
 

Da über der Tür war ein Hase-... oder besser gesagt, der ins Holz geschnitzte Kopf davon, wie eine starre Maske. Weiß bemalt und in einem unheimlich naiv- kindlichen Stil, wie uraltes Spielzeug eines Vergangenen Zeitalters. Durch all die Jahre war die Farbe nur noch blass zu sehen und die Maserung des Holzes kam wieder zum Vorschein. Daneben über der Tür der Kopf eines Vogels. Eine Tür weiter der einer Maus. Und unten, über den Leisten geschnitzte Würfel, zerschlissene, bunte Bauklötze... Dazwischen eine endlose Aneinanderreihung reglos tanzender Menschenfiguren... Kinder... Puppen.
 

Deidara schauderte.

Die Polonaise des Todes, so nannte er dieses Flurbild in Gedanken.
 

Puppen-... er traute diesen grinsenden Fratzen nicht.
 

Zu seiner grenzenlosen Verblüffung war da doch noch eine andere ganz normale, lebende, atmende Person bei ihm, offensichtlich seine Vorgängerin in Bezug auf das Hauspersonal. Es beruhigte ihn sehr, einen normalen Menschen an diesem Ort zu treffen. Irgendwie war sie ihm auf Anhieb sympathisch. Ein zierliches Persönchen mit einem strahlenden Lächeln, unglaublich weißem, gestärktem Kragen über dem schwarzen Rüschenkleid und ebenso weißen Manschettenärmeln. Ihr Name- der, mit dem sie sich vorstellte- war Maria. Und das bemerkenswerteste an ihr waren die Haare. Nussbraune, glatte Haare bis über die Schultern... was sie wohl für Shampoo benutzte? Hmm...
 

„Es ist ein bisschen verwirrend“, erklärte sie gerade leise und entschuldigend, „Aber du wirst dich zurecht finden.“
 

„Hm“
 

Sie bogen um eine Ecke und gingen durch einen hohen Korridor, an dem links und rechts schwere, rote Vorhänge den Blick auf die Wände verdeckten. Deidara starrte sie an und ein kriechender Ekel zwang drängte ihn dazu, der schrecklichen Neugier nachzugeben und sie beiseite zu reißen, zu sehen was dahinter war. Nur eine Wand...? Oder...? Bedrohliche Enge drückte von den Seiten her auf ihn ein.
 

„Im Grunde ist es ganz einfach. Links und Rechts gehst du mit dem Staubwedel drüber, überall wo Teppich ist saugst du, unten in der Halle kannst du bohnern, dafür gibt es aber so ein spezielles Gerät in der Putzkammer. Mehr ist es eigentlich nicht. Viel wichtiger sind die Regeln: du darfst dich Herrn Hiruko auf keinen Fall nähern, wenn du ihn siehst. Du darfst keine Türen öffnen, die verschlossen sind, und du darfst Herrn Hiruko niemals, unter absolut keinen Umständen anfassen.“
 

Deidara ließ sich die Dinge durch den Kopf gehen und nickte langsam vor sich hin. Sein Blick wurde von Gesichtern mit verschiedenem Mienenspiel im Holz einer Zwischenwand abgelenkt. Diese Schnitzkunst-... sie sahen beinahe aus, als hätten sie einmal gelebt...
 

„Hm.“, machte er abgelenkt.
 

Maria sprach weiter:

„Manchmal kann es sein, dass er seltsame Wünsche hat. Vielleicht will er, dass du etwas bestimmtes für ihn anziehst. Aber es ist nie anzüglich oder so“, ein kleines, tapferes Lächeln flog über ihre Miene, „Ernsthaft, er ist zwar seltsam, aber es ist nicht so schlimm wie man denkt. Er ist eben... ein ziemlich verschrobener, alter Künstler. Aber anscheinend war er extrem berühmt. Vielleicht läd er dich mal zum Tee ein, wenn er dich wirklich mag. Aber wundere dich nicht, wenn er am anderen Ende der Tafel sitzt und die ganze Zeit über nichts isst oder trinkt. Das tut er niemals in Gesellschaft.“
 

„Aha.“
 

Herr Hiruko also.

Der Mann hatte offenbar eine ganze Reihe von schrägen Hobbys...
 

Als sie weitergingen, um noch eine weitere Ecke, waren die Wände seitlich Vitrinen, in denen liebevoll eine Landschaft aufgebaut war. Dort hingen, jede in einer besonderen Stellung, Marionetten, so als wären sie lebendig in ihrer kleinen Welt und wären bis vor kurzem noch ihren ganz normalen Geschäften nachgegangen.
 

Deidara sah genauer hin: manche waren klein, aber ihre Größen variierten doch ganz erheblich und alle waren außergewöhnlich. Manche hatten fast Lebensgröße. Die Haare auf den kleinen Köpfen waren schimmernd und voll. Es sah beinahe aus, als wären sie echt. Auch die Zähne in leicht geöffneten Mündern der Größeren... und ihre Fingernägel... verblüffend. Er hatte noch nie Marionetten mit so realistischen Fingernägeln gesehen...
 

„Bist du eigentlich religiös?“
 

Die Frage kam unerwartet, und Deidara blinzelte.
 

„Uhm, nein... kann man nicht gerade sagen“
 

„Oh. Schade. Herr Hiruko hat eine Vorliebe für Religion und Mystik. Wenn du ihm ein Gebet vortragen kannst, wird er sofort viel... freundlicher.“
 

„Ach ja?“
 

„Ja... der Junge der vor mir hier gearbeitet hat, Surya, war Hindu. Er hat erzählt, dass Herr Hiruko ihn immer Verse aus dem Bghagavad Gita hat vortragen lassen, die er auswendig konnte... das muss ihm sehr gefallen haben. Anscheinend ist ihm die Art der Religion nicht so wichtig, aber er liebt alle Verse, die sich seit Tausenden von Jahren nicht verändert haben... sie haben den „Klang der Ewigkeit“, sagt er.“
 

Deidara hob die Augenbrauen und sparte sich einen Kommentar.
 

„Was ist mit Surya?“, wollte er stattdessen wissen, „Gefeuert worden?“
 

Ihre großen, braunen Augen huschten an ihm hoch, „Uhm... ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Es muss wohl andere Probleme gegeben haben. Er hat mich noch herumgeführt und mir alles gezeigt... am nächsten Tag war er weg. Vielleicht wollte er schon länger aufhören.“, sie zuckte die Schultern, „Heh, ich hoffe ja, dass ich noch nicht gefeuert werde“, ein unsicheres Lächeln, „Das... ist erst eine Woche hier.“
 

Deidara hatte ein seltsam mulmiges Gefühl dabei, als er sie ansah. Diese Augen waren plötzlich wie die großen, feuchten Augen dieser Kuh, die er auf ihrem Schulausflug zu einer großen Farm früher als Kind einmal begeistert gestreichelt und mit abgerissenem Gras gefüttert hatte. Danach hatten sie sich die Hamburger- Fabrik angesehen, und als seinem kleinen, unschuldigen Hirn der Zusammenhang klar geworden war, war er weiß geworden und hatte sich an Ort und Stelle übergeben. Lange her...
 

„Wohnst du hier in der Nähe?“, fragte er, um sich abzulenken und die merkwürdige Stimmung abzuschütteln.
 

„Oh! Nein... es gibt Gästezimmer, wenn du hier arbeitest. Du musst nichts dafür zahlen.“
 

„Hm“, trotz so gut wie allem an dem hier, das sämtliche Alarmglocken schrillen ließ... irgendwie konnte er nicht verleugnen, dass ihm das ganz gelegen kam. Sicher, seinen privaten Kram musste er irgendwo anders unterbringen... vielleicht konnte er ihn in den Kellerräumen im Atelier zwischenlagern? Viel hatte er sowieso nicht...
 

„Musst du nochmal was besorgen, oder-...?“, fragte sie, „Sonst zeig ich dir, wo du dich zurückziehen kannst. Herr Hiruko ist heute leider noch ziemlich beschäftigt... aber er zahlt dir tatsächlich jede Stunde, die du hier bist. Egal was du machst. Also... was meinst du?“
 

~
 

Das Gästezimmer war ein kleiner, enger Raum, ganz und gar ausgekleidet mit einer vergilbten, uralten Tapete in schimmelgrün. Mit Vögelchen- Muster. Es gab eine Menge irgendwie kindlicher Sachen hier drin, was alles noch creepiger machte. Eine Spieluhr, ein Puppenhaus...

Irgendwie sah es aus, als sei das Ding hier einmal eine Art Kinderzimmer gewesen, oder- noch gruseliger- extra hergerichtet worden um Leute wie ihn zu empfangen.
 

Geradezu vollgestopft mit Antiquitäten, uraltem Spielzeug und einem mit Schnitzereien verzierten Himmelbett trotzte es genau so der Zeit, wie alles andere hier an diesem seltsamen Ort. Die halb transparenten Seiden- Vorhängen, die von den Seiten des Bettes herunter hingen, waren vollkommen reglos. Kein einziger Luftzug bewegte sich hier.

Aus einer Ecke glotzte ihn ein großer, glasäugiger Teddy an, vom Schrank herunter lauerten gleich drei Exemplare von pausbäckigen, grotesk bewimperten Ringellockenpuppen in Rüschenkleidchen.
 

Deidara fuhr sich kopfschüttelnd durch die Haare. Schräg. Einfach... verdammt schräg. Und er war Künstler um Himmels Willen- er hatte schon eine ganze Menge von schrägen Sachen gesehen!

Kurzerhand gab er sich einen Ruck, warf seinen Seesack auf die Matratze und sich selbst dazu, rollte sich auf den Rücken um die Federung zu testen und fuhr prompt zusammen.
 

Oh mann... natürlich.
 

„Hallo, schöner Mann“, murmelte er ironietriefend, schob sich den Unterarm unter den Kopf um bequemer zu liegen und streckte die freie Hand aus. „Gefällt dir, was du siehst, mh?“

Dort an der hölzernen Decke war ebenfalls eine Schnitzerei.
 

Eine bunt bemalte, verzerrte Clownsfratze mit geschlossenen Augen und breitem Nussknacker- Mund. Verächtlich schnippte Deidara mit dem Finger dagegen.
 

Sicher war, dass er hier ganz bestimmt nichts von dem essen oder trinken würde, was der Alte ihm anbot. Wusste doch jeder, dass es in keinem Märchen, keiner Geschichte und keinem Gruselfilm eine gute Idee war, von seltsamen Leuten Nahrungsmittel anzunehmen. Und ja, er rechnete schon damit, dass das hier einfach nur ein einsamer alter Kerl war und der Typ vielleicht krank im Kopf aber nicht wirklich SO krank sein würde...
 

Aber wenn doch, naja. Er war nur hier für Kohle. Vollkommen hilflos war er nicht...

Da hatte der Alte sich vielleicht verschätzt.
 

Deidara nahm etwas Plastiksprengstoff aus seiner Tasche und begann langsam, ihn zwischen den Fingern zu kneten.
 

„Du willst meine Kunst sehen, alter Mann?“, flüsterte er zu der Clownsfratze über ihm.
 

„Zeig mir erst mal, was DU draufhast...“
 

~
 

Nur ein paar Zimmer weiter, fuhr auf quietschenden Reifen der Rollstuhl mit seiner unförmigen, buckeligen Last in die Mitte des dunklen Raums, in dem ein einziger Laptop mit blau leuchtendem Bildschirm auf einem Tisch stand.
 

Das Wesen hielt inne. Es gab ein tiefes Ächzen von sich, ein ungesundes Röcheln und Zischen und auf einmal klappte sein Kopf nach vorn.

Es sackte in sich zusammen.
 

Und dann öffnete sich sein Rücken.

Stück für Stück, Rippe für Rippe, knackend und knirschend platzte er in einem obszönen Schauspiel auf und wie aus einem Kokon, wie aus der hässlichen Puppe einer Zikade entstieg ein koboldhaftes Elfenwesen, ein androgynes Etwas mit übernatürlich blendender Makellosigkeit.

Haaren in einer Farbe wie Blutstropfen auf Schnee, dunkle Augen voll von einem Ausdruck weit jenseits von Menschlichkeit und Gewissen, mit milchblasser Haut, vollen Knabenlippen und weißen, kindlichen Fingern.
 

Lautlos kletterte es aus seiner Schale, schritt wie schwebend zum Tisch hinüber um eine Taste zu drücken.
 

„Meine Botschafter“, sagte er leise, „Berichtet.“
 

~
 

In seinem Unterschlupf blinzelte Suigetsu widerwillig in die Bildschirmkamera des Laptops, als Hidans Griff in seinen Haaren ihm den Kopf hochhielt oder zumindest drohte, ihn andernfalls mit einem Ruck zu skalpieren, wenn er nicht still hielt. Ein heiseres Wimmern aus seiner Kehle unterstrich seinen unschönen Zustand.
 

Blut trocknete in einem Rinnsal unter dem rechten Nasenloch und über das Kinn hinunter, sein eines Auge war zugeschwollen und leuchtete in allen Farben.
 

„Das ist er“, schnaufte Kakuzu, schwenkte den Laptop noch etwas herum und nahm ihn dann wieder weg, um ihn etwas entfernt auf den Tisch zu stellen, „Der Nachfolger. Sagt er. Behauptet, der Uchiha stört uns nicht mehr. “
 

Hidan hob einen seiner schweren Stiefel und setzte ihn sorgfältig zwischen die Beine ihres Gefangenen, dessen Wimmern sofort deutlich lauter und alarmierter wurde.
 

„Sollen wir uns um ihn... kümmern?“
 

Suigetsus gepeinigtes Heulen vor Schmerz aus dem Hintergrund beeindruckte seine Besucher wohl ebenso wenig wie ihren Auftraggeber.
 

„Er sagt, er kennt das Revier. Und er wäre bereit, alte Bindungen hinter sich zu lassen. Für uns zu arbeiten.“
 

„Oh mann... Bullshit“, grollte Hidan aus dem Hintergrund, „Mit sowas wie dem kann man keine Geschäfte machen! Die Ratte verspricht dir was du willst, weil sie sich vor Angst grade einscheißt... das ist ne erbärmliche Drogenvotze!“
 

„Halt die Klappe“, zischte Kakuzu.
 

„Was?!“, maulte er, „Stimmt doch!“
 

Die Stimme aus den Lautsprechern schwieg.

Hidan schmollte, Kakuzus Augenbraue zuckte-... Suigetsu blinzelte mühsam, kniff rissige Lippen zusammen.
 

„Bitte bringt mich nicht um“, wisperte er, „Oh Gott... fuck... ich tu alles was ihr wollt“

„Schnauze“

„Hidan!“
 

Endlich-... ein leises, zufriedenes Summen aus knisternden Lautsprechern.
 

„.... Ausgezeichnet.“
 

Alle Anwesenden blinzelten in verblüffter Ungläubigkeit auf einen schwarzen Bildschirm.
 

„Er ist ausgezeichnet“, wiederholte die Stimme, „Ich bin sehr zufrieden mit euch.“
 

Hidan und Kakuzu blinzelten sich ratlos an, Kakuzu wandte sich zuerst wieder um.
 

„Was sollen wir-...?“
 

„Lasst mich mit ihm sprechen.“
 

Kakuzu zögerte kurz, dann machte er einen Schritt über leere Plastikflaschen und hielt den Bildschirm wieder vor das Gesicht ihres Opfers.

Suigetsu versuchte mühsam zu schlucken, seinen abdriftenden Blick in dunkles Nichts zu fokussieren und trotz seiner rauen Kehle etwas zu sagen.
 

„H-... Hallo?“
 

„Hör mir gut zu, Mensch. Drei Dinge kommen unerwartet und wenn man nicht an sie denkt: der Messias, der Fund... und der Skorpion.“
 

Suigetsus Unterlippe zuckte. Er war sichtlich überfordert-... so ziemlich allem was gerade passierte.
 

„Der Skorpion ist der Herr der steinigen Orte. Sein Stich kommt aus dem Verborgenen. Und sein Gift... bedeutet größte Qual oder höchste Glücksseligkeit. Es ist die Pforte zum Paradies... oder zur ewigen Hölle. Du, Mensch, wirst der Zeuge sein, wenn die Zeit anbricht. Du sollst es am eigenen Körper spüren und Wegbereiter sein. Für mich und für den, der nach mir kommt. Du sollst der erste sein, der die Wirkung erfährt. Und du sollst die Kunde verbreiten. Damit sich jeder dem wahren Herrn beugen wird, wenn er seinen rechtmäßigen Platz wieder einnimmt. Und seine rechtmäßige Herrschaft antritt, auf dem Thron der Unterwelt.“
 

Stille. Ein Geräusch, als würde er mit den Fingern schnippen.
 

„Sorgt dafür, dass er schluckt.“, kam die nüchterne Anweisung.
 

Suigetsu spürte seinen Magen zu Eis werden. Er riss sein noch halbwegs funktionstüchtiges Auge auf, versuchte zu strampeln, seinen Kopf aus Hidans Stahlspangengriff zu winden-... vergeblich. Kakuzu, der große, dunkel vermummte der Beiden, nahm eine kleine Packung aus der Innentasche seines Mantels. Eine Handvoll Pillen waren darin-... weiß, rund und klein, vielleicht halb so groß wie ein Daumenfingernagel, mit einem blutroten Skorpionssymbol als Prägung.
 

„Nein-... nein! Wartet! Was ist das?! Was gebt ihr mir?!“
 

Weitere Proteste gingen in ersticktem Gurgeln unter, als Hidan ihm den Kiefer aufzwang, ihm den Kopf in den Nacken drückte, Kakuzu beinahe sanft seine Hand über die Lippen schob und die Tablette unwiederbringlich in seinen Rachen fallen ließ, mit etwas Sodapop nachspülte.
 

Suigetsus Beine zuckten, er riss in blanker Verzweiflung seine Wunden an beiden Handgelenken wieder blutig, brach in Sekundenschnelle in Schweiß aus und gab helle, panische Geräusche von sich, als der Mann mit den grauen, zurückgegelten Haaren und dem Stiernacken ihm die Kiefer fest zusammendrückte. Was auch immer es war, es löste sich langsam auf, setzte seine Wirkstoffe frei... und ging ohne weiteren Widerstand sicher ins Blut über.
 

Suigetsu begann zu zittern, sein Blick wurde starr, sein Körper schlotterte und wurde steif als hätte er einen epileptischen Anfall- erst als der Anfangseffekt wieder nachließ und er heftig keuchend, nassgeschwitzt in sich zusammen sackte, ließen die unerwünschten Besucher wieder von ihm ab.
 

„Freu dich“, brummte Kakuzu, tätschelte wohlwollend seine Wange, „Du hast die Ehre als erster... Zivilist dieses Zeug zu testen. Brandneu entwickelt. Kickt gut rein, oder?“
 

Der Gefangene starrte mit zitternden Pupillen ins Leere, sein Körper sank kraftlos gegen die Kante des Schreibtischs, er gab ein ersticktes Ächzen von sich.
 

„Tja... der einzige Nachteil sind die Entzugserscheinungen. Schon nach der ersten Dosis, in etwa... zwölf Stunden. Die willst du nicht haben.

Was bedeutet, dass du schön brav bleiben wirst... denn ansonsten kannst du den Nachschub vergessen. Ahja, von früheren... Experimenten wissen wir, dass ein Zustand ähnlich dem Hirntod eintritt, wenn man zu lange oder zu hochdosiert konsumiert. Alle Körperfunktionen bleiben erhalten, aber eigene Impulse werden vollkommen unterdrückt... du wirst... sozusagen... ein Zombie. Eine Puppe. Und wenn niemand so nett ist, dich dann regelmäßig mit Nahrung und Flüssigkeit wieder aufzufüllen... bist du tot.“
 

Suigetsu konnte nicht antworten. Seine Augen waren weit aufgerissen, ohne zu blinzeln lag er da, heftig schnaufend, die Pupillen so weit, dass die Iris darum nur noch ein winziger Kreis war. Seine Beine begannen schon wieder zu zittern.
 

„Mmmh... scheint, als hättest du etwas viel erwischt“, Kakuzu beugte sich herunter, um die blutverklebten Handschellen zu lösen.
 

„Vielleicht schießt es dich ja bei der ersten Dosis schon hinter den Point of no Return in den Orbit... das wäre auch kein so herber Verlust. Aber vielleicht kannst du vorher doch noch etwas nützlich sein.“
 

Er warf das Päckchen mit den übrigen Pillen auf den Tisch.
 

„Du bist jetzt unser Mann, also benimm dich auch so. Bring das Geschäft wieder zum Laufen. Andernfalls... hey Hidan. Wenn unser Dornröschen hier wieder aus seinem Schlummer aufwacht, gehört er so gut wie zur Familie. Zeigen wir ihm... was mit Leuten passiert, die versuchen, uns in die Quere zu kommen.“
 

„Oh mann, na endlich!“
 

~
 

Suigetsu war kalkweiß, ein paar Stunden später.

Er saß mit weiten Augen immer noch reglos auf dem Platz an der Kante des Schreibtischs, wo sie ihn zurückgelassen hatten, rührte sich nicht einen Millimeter.
 

„Was sollen wir mit dem Rest?“, fragte Hidan gerade seinen Partner, wischte mit dem noch halbwegs sauberen Teil seines Unterarms ein paar Blutspritzer von seinem Gesicht, „Wieder ein Überraschungspaket für unsere Freunde bei der Polizei?“
 

„Nein“, Kakuzu winkte ab, „Dafür müssten wir schon einen Polizisten erwischen.“
 

„... also aufräumen?“
 

„Aufräumen.“
 

Es gab hübsche Päckchen in schwarzen Mülltüten...

Etliche.
 

Sie wurden säuberlich verpackt in Kartons und danach verschickt mit der Post.
 

Die deutliche Aufschrift: „Pflanzendünger“ würde auch den leicht strengen Geruch erklären, falls es mit der Zustellung mal etwas länger als üblicherweise dauern sollte.
 

Irgendwo, hinter den Grenzen der Stadt, in einer Anlage für biologische Schädlingsvertilger, nahm Tage später jemand die Päckchen entgegen. Er öffnete sie leise summend, mit einer schwarzen und einer weißen Hand. Die Pflanzen in den Gewächshäusern strotzten vor Grün, und vielleicht lag es auch an dem Laubhächsler, der mit ohrenbetäubendem Rattern und Surren seinen Dienst tat, wenn er unter nassem Spritzen und Knirschen und dem Heraufwirbeln einzelner Stücke mit schier unstillbarem Appetit große Teile klein fräste und das Material in bequem portionierbarer Masse dem ewigen Kreislauf des Werdens und Vergehens zurückführte...
 

~
 

Ein ohrenbetäubendes Gebell brach los.
 

Urushi, die kräftige, kniehohe Promenadenmischung aus Kakashis Rudel flitzte von seinem Schlafplatz unter der Eckbank, wie eine Kanonenkugel zwischen Lees und Gaaras Beinen hindurch, war mit einem Satz auf dem Fensterbrett und stemmte beide Vorderpfoten gegen das Glas, um wie besessen, mit gefletschten Zähnen und fliegenden Speicheltropfen durchs Fenster zu kläffen. Sein Rückenfell war gesträubt wie eine Bürste, der Schweif kerzengerade in der Luft.
 

Lees Gesichtsausdruck war ein einziges Fragezeichen.
 

„Whow-... was hat ihn denn gebissen?“
 

Gaara hob eine Schulter.

„Mmmh... Kiba meint, er hält sich für Superdog... und das sind seine verrückten Psi- Kräfte.“
 

„Was?!“, Lee lachte schallend, „Er braucht ein Cape! Superdog to the Rescue!“
 

„Nein, okay...“, schmunzelte der Rothaarige, „Er hat es anders ausgedrückt: sein „emotionaler Radar“ ist riesengroß, er bekommt sofort mit wenn irgendwas nicht stimmt, selbst wenn es irgendwo draußen ist... und er meint dann, jemand müsste was tun. Das versucht er dir klarzumachen. Und wenn niemand reagiert, glaubt er, er wäre selbst verantwortlich. Deswegen ist er ständig so überspannt.“
 

„Ooohkay“, Lee warf einen skeptischen Blick auf den Hund, der an der Scheibe scharrte und sich gebärdete wie in akuter Tollwut, „Das klingt anstrengend“
 

„Mmmh. Die Theorie ist, dass er deswegen im Tierheim so durchgedreht ist. Zu viel Stress überall.“
 

„Und wieso hat er dich dann mal beinahe angefallen, als du nur ins Bett wolltest?!“
 

Gaara rollte vielsagend die Augen und senkte seine Stimme ein wenig:

„Kiba meint, vielleicht hat er -es- gespürt.“
 

„Oh...“

„Mmmh...“
 

„Okay... ich finde, er bräuchte trotzdem ein Cape! Hey, wenn ich morgen dran denke, kauf ich ihm eins! Na, Urushi! Wie findest du das, Kleiner?! Hey, gib mir fünf! Hallo, Kumpel!“
 

Lee schlenderte sorglos zu dem Vierbeiner hin und bekam den Blick aus der Hölle mit dazugehörigem Monstergrollen als Antwort, so plötzlich und bitterböse, dass selbst er inne hielt.
 

„Whoa!“, blinzelte er, die Hände abwehrend in der Luft, „... Ich spreche ja nicht so gut hündisch wie ihr, aber-... hat er mich grade beleidigt?“
 

Ein gellender Pfiff drang vom unteren Stockwerk herauf, und Urushi, der Monsterhund spitzte die Ohren. Ein heiseres, leises Antwortwuffen wie zu sich selbst, ein zaghaftes Schweifwedeln-... und im nächsten Moment war er winselnd an der Tür, kratzte, sprang an die Klinke hoch, warf den Kopf zurück um laut zu jaulen.
 

„Ein Glück, dass wir keine direkten Nachbarn haben“
 

Die Tür ging auf, Urushi rollte sich vor lauter Erleichterung einmal quer über den Boden und sprang dann Kiba mit solcher Wucht entgegen, dass der die Treppen beinahe wieder abwärts gepoltert wäre.

„Alter-... was zum-...?!“
 

Der Inuzuka streckte den Kopf herein, eine Hand im Nacken des Vierbeiners, der die Vorderpfoten um seinen Hals klammerte, und den er soeben versuchte, von sich zu zerren,

„Hi...“, brummte er, „Ähm... ich... nehm ihn mal besser mit runter, da hab ich ihn mehr im Blick. Sorry...“
 

Endlich löste sich das Tier von ihm, und er hielt ihn am Nackenfell von sich, mit dem Ergebnis, dass er mit großen Augen und angelegten Ohren hektische Schwimmbewegungen durch die Luft machte und sich winselnd die Schnauze leckte.
 

Selbst Akamaru, der wahrscheinlich aus purer Neugier mit nach oben gekommen war, warf einen skeptischen Blick auf den Artgenossen und dann einen bedauernden auf seinen Rudelführer, als würde er sich ein wenig fremdschämen.
 

Kiba schloss die Tür wieder, und Gaara schüttelte nur leicht den Kopf, als sie wieder allein waren. „Hier“, meinte er, schüttelte das Wasser aus dem Sieb voller Salatblätter, stellte es in die dazu gehörige Plastikschüssel, drückte den Deckel darauf und reichte das Ergebnis seinem Freund,
 

„Du kannst das machen. Also... wo waren wir? Du wolltest grade was erklären?“
 

„Ach ja... jedenfalls!“, Lee nahm die Schüssel, stellte sie auf den Tisch und griff die Kurbel mit der freien Hand, „Um auf vorhin zurück zu kommen: Das ist der Grund, warum ich dir nur - total - ans Herz legen kann, auch einen Trainingsplan zu erstellen! Ich könnte dich coachen, dann würden wir uns im Studio sehen und hätten ganz nebenbei auch mehr Zeit miteinander! Wäre das nicht-...“, er drehte die Kurbel der Salatschleuder mit solchem Enthusiasmus, dass man den Eindruck hatte es könnte kein heiles Blatt dabei wieder herauskommen sondern nur grüner Brei, „... einfach toll?“
 

Gaara schob sich ein Stück Gurke, die sich soeben im Schnippelprozess befand, zwischen die Lippen und schüttelte entschieden den Kopf, „... nein. Du. Und ich. Und Sport- oh nein!“
 

„Ach, komm schon...!“, Lee versuchte den motivierenden Dackelblick, „Das wird toll! Ich werde ganz locker sein und total langsam mit dir einsteigen...“
 

„Du kannst nicht „langsam einsteigen“, Lee“, Gaara nahm ihm augenrollend den Salat ab, um die in Mitleidenschaft gezogenen Blättchen in die Schüssel zu kippen, „Du musst Leute coachen die dein Tempo auch mithalten. Das gibt sonst nur sinnlosen Frust. Und ich - hasse - Sport.“
 

„Aber das ist total gesund, und es würde dir total guttun-..!“
 

Gaara warf ihm einen warnenden Blick zu.

„... Bitte.“
 

„Aber-...“, der junge Mann mit der lackschwarzen Topffrisur war sichtbar nicht glücklich, „Ich dachte nur... ich bin sonst so viel unterwegs, das macht mir ein schlechtes Gewissen.“, mit zweifelnder Miene putzte er ein paar Radieschen.
 

„Ist doch Quatsch...“
 

„Heute wurde du-weißt-schon-wer verlegt, und-... das ist alles so furchtbar, ich muss ständig dran denken was wäre, wenn irgendjemand dich attackiert hätte... und dann denk ich, meistens bist du hier mit Kiba, vielleicht verbring ich zu wenig Zeit mit dir?“
 

Gaara hob den Kopf, wechselte einen fragenden Blick mit Lee, dessen Augen verräterisch glänzten. Er beugte sich kurzerhand näher und gab ihm einen versöhnlichen Kuss auf die Wange.
 

„Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen“, beruhigte er ihn.
 

„Ja, aber-...!“, widersprach Lee, „Ich will nicht, dass sich jemand von uns irgendwann, irgendwo an einem Krankenbett schreckliche, schreckliche Vorwürfe machen muss!“
 

„Muss er schon nicht.“
 

„Bist du ganz sicher, wirklich?“
 

„Lee...zwing mich nicht mit dir zu trainieren... ernsthaft!“
 

„Na gut... mann... es tut mir leid. Es war, wie gesagt, wirklich nur ein ganz lieb gemeinter, neutraler Vorschlag.“

„Mmmh.“
 

Der Mann mit der Topffrisur schnitt vor sich hinbrütend etwas Brot auf.

„Gehst du jetzt eigentlich zu dieser Heimtiermesse?“
 

„...wahrscheinlich nicht.“
 

„Was?! Warum nicht?! Du bist doch sogar extra eingeladen! Das ist eine totale Ehre, trau dich ruhig! Du schaffst das, ich glaub an dich!“
 

„Vielleicht, aber-...“, Gaara sah auf seine Finger, nahm einen tiefen, zittrigen Atemzug und stählte sich dann für die Konfrontation, als er den Blick seines Freundes suchte.
 

„Ich-... ich hab überlegt-... Lee, ich will versuchen, die Medikamente abzusetzen... oder, wenn das nicht geht, wenigstens soweit wie möglich runter zu reduzieren, und auf Depot umzustellen.“
 

„Oh?“
 

Der Rotschopf war blasser als sonst, leckte nervös über trockene Lippen und suchte Halt im Gesichtsausdruck seines Freundes,
 

„Ja ... ich hab schon mit Dr. Battour darüber gesprochen... und er meinte, es wäre okay. Es ist nicht undenkbar ... ich müsste eben mehr darauf achten genug zu schlafen, regelmäßig zu essen, keinen unnötigen Stress zu haben und so ... regelmäßige Tagesabläufe, sichere Notfall-... pläne... das Ganze...“
 

„... Klar.“
 

Gaara schluckte schwer.
 

„Ja … also … Erstmal nur reduzieren. Ich meine, dann sehen wir ja. Und- ... ich hab … schon Angst, was passieren wird, aber... ich will das versuchen, verstehst du?“
 

Lee sah auf, kam nach kurzem Nachdenken zu ihm herüber und schlang starke Arme um seinen Rotschopf, gab ihm einen Kuss in den Nacken und schmiegte sich an ihn, hielt ihn so lange bis der Andere sich entspannte.
 

„Hey“, kurzerhand zupfte er ein Salatblatt aus der Schale um zu naschen, „Wenn du das willst, geht das nirgendwo besser als hier, oder? Und wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist ne gute Gelegenheit. Versuch es. Wenn dein Körper irgendwie ohne Medikamente klar kommen kann, wird es schon funktionieren. Und wenn nicht, dann ist es eben so... Du bist grade gut eingestellt, oder? Das wird schon, wir unterstützen dich. Aber...“, er wiegte nachdenklich den Kopf hin und her,

„Du weißt schon.... regelmäßiger Sport wäre -gerade dann- eben auch-...“
 

„Oh mann, Lee...!“
 

„Ich mein´ ja nur!“
 

~
 

„Mal im Ernst“
 

Sasukes Stimme war ruhig und dunkel, als er Narutos Hände einfing, die sich nach ihm ausstreckten und zu seinen Schenkeln hinunterdrückte, wo sie akzeptierend blieben und streichelten. Sein Kopf war herrisch gebeugt, er saß über dem Uzumaki, der Andere lag flach und wehrlos am Rücken, und trotzdem war da dieses süße Gefühl von kurz zuvor, dieses angenehm warme Kitzeln im Bauch bei dem Haltegriff, irgendwo noch tief in ihm.
 

Es änderte auch nichts daran, wenn er Narutos Hände wieder griff und sie mit seinen eigenen fest neben den Kopf des Anderen auf die Matten drückte. Kein bisschen von dem alten Dominanzgehabe konnte an dem Gefühl etwas ändern. Und... es gefiel ihm. Aber...
 

„Wenn jemand passiv ist- Gaara behauptet ja, jeder kann passiv sein, aber-... ich finde, -er- ist es zum Beispiel schonmal nicht-... was heißt das? Passiv, submissiv, du weißt schon, was... ist überhaupt ein Sub?“
 

„Was für eine Frage..!“, Naruto schnaufte beeindruckt und blinzelte leicht überfordert, "Oh wow."
 

„Ich dachte immer-...“, Sasuke ließ ihn abrupt los, verlagerte sein Gewicht zurück nach hinten, saß aufrecht und bequem über ihm auf den Knien, ein wenig unschlüssig:

„... bei SM ist der passive Part doch ein Nichts. Ein Sklave...? So ein wurmähnliches, rückgratloses Etwas, das dir am Stiefel klebt und von morgens bis abends nur winselt-...“
 

Naruto streckte lächelnd die Arme wieder am Boden abwärts, hielt Blickkontakt und fand Sasukes Knöchel, streichelte zärtlich, hingebungsvoll mit den Fingern und warmen Handflächen über die nackten Fußsohlen.
 

„Sowas... das keine Rechte hat, keine eigene Meinung-...“, Sasuke zuckte leicht, biss sich mit dunklem Blick auf die Lippe um das wohlige Stöhnen zu verkneifen das hochdrängte, seine Knie wichen leicht auseinander und er sank noch ein wenig schwerer auf den Anderen,
 

„... eine Art... lebendes Sexspielzeug.“
 

„Mmh...“

Naruto hob eine Augenbraue. Sasuke legte den Kopf schief:

"Oder wie eine Art Groupie.", ergänzte er.
 

„Ahh, das kannst du so nicht sagen.“, der Blonde hob eine Schulter.
 

„... ach nein?“
 

„Naja“, Naruto nahm den rechten Arm aufwärts, spielte gedankenverloren an der offenen Seite von Sasukes weißem Kampfanzug, glitt mit der Kuppe des Zeigefingers federleicht über die Haut gleich darunter,
 

„Ich denke, submissiv ist jemand... der es einfach gern etwas heftiger mag... der sich nicht immer groß einen Kopf um alles mögliche machen will? Jemand, der... sich fallen lassen und auch mal abschalten möchte? Jemand, der... auf den Thrill dabei steht?“
 

Sasuke runzelte seine Stirn.

Er ließ den Blonden mit beiden Handflächen an seinen Schenkeln aufwärts gleiten, bis der heiße Schauder durch ihn hindurch kitzelte, als er beide Hände auf seinen Po unter dünnen Hosen schob. Die Erregung wandelte sich in Energie und die aufgekratzte Lust darauf, ihn jetzt anders zu spüren. Härter. Heißer. Heftiger. Mit einem Ruck kam er auf die Beine, zog Naruto entschlossen an der Hand mit sich aufwärts, wich tänzelnd über die Matten zurück:
 

„Schluss mit dem Gequatsche“, grollte er hungrig, die Spannung summte durch seinen Körper, seine Schritte federten leichtfüßig:
 

„Lass uns jetzt endlich kämpfen!“
 

~
 

Sie trainierten genau so wie früher.

Freestyle.
 

Zwei Männer, die sich einander mit allem was sie hatten entgegen warfen. Es hatte etwas zutiefst raues, sinnliches, sich gegenseitig- um eine angemessen drastische Wortwahl zu benutzen: die Scheiße aus dem Leib zu prügeln. Sasuke fragte sich, ob es vielleicht nur ihm allein so ging.

Oder sportlichen, schwulen Männern allgemein.
 

Ob es in jeder Sportart so war, dass man den Gegner so intensiv spürte. Sicher nicht in jeder, in der man nicht so auf Vollkontakt kam. Das war hier nämlich der eigentliche Kick: Es pushte ihn jedes Mal, einen Schlag zu spüren, die Bewegung voraus zu ahnen, zu reagieren bevor der Andere es tat, Energie in sich hinein pumpen zu lassen und sie direkt wieder zurück zu stoßen-...
 

Es war intim. Und gierig. Und herrlich befriedigend. Sein Oberteil verabschiedete sich irgendwann mittendrin aus dem Gürtel, wie immer, und er hätte auch keinen großen Wert mehr auf seine Hosen gelegt.
 

Wenn er gegen Naruto kämpfte spürte er kaum was ihm weh tat, er spürte kaum wie sehr er schwitzte oder wie erschöpft er war. Das kam später. Wenn sie dabei waren, achtete er nicht darauf. Es war viel zu geil. Wie ein Rausch.
 

Und heute konnte er endlich hemmungslos angreifen, um genau das zu bekommen. Heiß, wütend schickte er Fußtritt um Fußtritt gegen den Kopf des Anderen, spürte den eisernen Griff um den Knöchel, das Fegen nach seinem Standbein. Normalerweise war er immer bemüht gewesen, Narutos engen, körperbetonten Kampfstil von sich zu schleudern, ihn auf Abstand zu bringen.
 

Normalerweise war es auch so, dass er hauptsächlich verteidigte-... Schläge, Fußtritte um Distanz zu gewinnen- und dass Naruto angriff-... mit allen Mitteln und extrem direkt. Schmetterfäuste gegen den Solarplexus, gegen die Nase, Griffe ans Revers, um den Hals-... Naruto rollte im Kampf auf einen zu wie eine entfesselte Naturkatastrophe... diese Welle von heißer Wucht und dem auf einmal vollkommen unzensierten Instinkt, zu überwältigen, zu unterwerfen, einen Gegner mit purer Übermacht in die Knie zu zwingen, das war direkt in der Luft zu schmecken wenn er ernst machte. Es war nicht so, dass Sasuke das nie bemerkt hätte, er hatte es nur... bisher nie - so - gesehen.
 

Und als er Anlauf nahm, um vom Ende der Halle- zwei Sätze die senkrechte Wand hinauf und mit Schwung wieder herunter- umzudrehen und ihm entgegen zu sprinten, hatte er einen Moment lang ein Deja- vu von damals, im alten Überlaufbecken, kurz bevor die Geschichte zwischen ihnen zum ersten Mal bitter geendet hatte.
 

Naruto kam frontal auf ihn zu, die Faust gehoben, die Zähne gefletscht-... und Sasuke erinnerte sich an die bittere Leere danach. Das Gefühl, das so unerträglich vertraut war. Das ihn immer begleitet hatte. Außer... mit ihm. Er hatte damals keine Wahl gehabt, oder? Davon war er irgendwie überzeugt gewesen. Er war sich nach wie vor noch nicht sicher. Aber heute?
 

„Du hast jetzt die Wahl“, hatte der Blonde gesagt, und „Ich will, dass du frei bist“
 

Sasuke gefiel es, die Wahl zu haben. Es gefiel ihm auch sehr, frei zu sein...
 

Kurz vor dem Aufprall traf er, rein aus Neugier und Wagemut, eine neue Entscheidung. Er schlug nicht zu, blockte nur soweit nötig um das Nasenbein nicht zertrümmert zu kriegen-... und dann ließ er sich einfach so mit dem ganzen Körper in die Kraft des Anderen fallen, ließ es zu, dass Naruto ihn ungebremst von den Füßen riss.
 

„Whoa!“

Die Welt wirbelte in buntem Chaos, einen Moment war es unmöglich zu sagen, wo oben und unten war, er flog durch die Luft, spürte irgendwann einen Griff am Arm und kollidierte so hart mit der Bodenmatte, dass ihm Funken vor die Augen stoben und ihm einen Moment lang die Luft wegblieb.
 

„Alter!“
 

Das war Narutos Stimme. Sasuke rang nach Atem. Er zog die Beine an, hustete leicht, blinzelte aufwärts. Der Blonde hielt immer noch seinen Arm fest und sah fassungslos auf ihn herunter:
 

„Was war das denn! Scheiße! Ich wollte dich noch am Kragen packen, dass du nicht voll aufs Kreuz krachst, aber dein scheiß Kampfanzug hängt ja schon wieder sonst wo! Zieh dich mal ordentlich an, Mensch, sonst kann ich das nicht mehr verantworten! Fast hätt´ ich dir noch den Arm ausgekugelt!“
 

Sasuke grinste spöttisch. Ihm tat alles weh, aber er bereute es kein Bisschen. Mit dem Daumen wischte er sich den Mundwinkel, weil es metallisch schmeckte. Wahrscheinlich hatte er sich beim Aufprall etwas auf die Lippe gebissen.
 

„Tss... bei MMA kämpft man immer ohne Oberteil.“, bemerkte er und rappelte sich wieder auf.
 

„Schön für dich! Ich hab nun mal keinen schwarzen Gürtel in MMA, bei so Situationen kickt der Judo- Instinkt einfach rein!“
 

Sasuke schüttelte sich. Fuhr sich durch die verschwitzten, zerzausten Haare. Seine Mundwinkel zogen sich aufwärts, er konnte nicht einmal erklären wieso. Er war bis zu den Haarspitzen voll mit Glückshormonen. Diese neue Sichtweise eröffnete eine schier ungeahnte Menge an Möglichkeiten.
 

„Idiot, es gibt keine Gürtel bei MMA.", knurrte er, "Und Judo ist eh nur für Pussys.“
 

„Ah ja?“, Naruto stuppste ihm zudringlich seine Zehen in die Seite, „Beim Kickboxen spürt man aber nicht so gut, wann irgendwas für den Anderen zu viel wird... beim Karate auch nicht, oder?“
 

Sasuke hob gleichgültig eine Schulter, „War mir immer relativ egal, ob dem Anderen was zu heftig wird... ist ja seine Entscheidung, sich mit mir anzulegen. Oder sich bei nem Wettbewerb anzumelden. Wer zu schlecht ist, kriegt ein paar aufs Maul, so einfach ist das.“
 

Naruto stieß ihm, diesmal etwas mahnender, seine Fußkante in die Seite, „Alter!“
 

„Was?“, Sasuke schüttelte nur den Kopf einmal kurz und richtete provozierende Augen zurück zu ihm, „Ist doch so.“
 

„Siehst du, das ist eben nicht so-... du musst echt mal lernen ein bisschen einfühlsamer zu werden!“
 

„Tss, wieso sollte ich? Du bist der Top oder nicht?“
 

Naruto zielte mit einem halbherzigen Schwinger und der offenen Hand nach seinem Hinterkopf, traf nur nicht weil der Uchiha sich elegant wegduckte.

„... Du bist echt so ein Bastard.“, bemerkte er.
 

„Ich weiß“, gab Sasuke ungeniert selbstzufrieden von sich.
 

„Trinkpause?“
 

„Hn.“
 

~
 

Oh, es tat gut nach ein paar heftigen Runden den Kopf zurück zu legen und kaltes, klares Wasser aus der Flasche zu saugen, die Kehle abwärts laufen zu lassen und übers Gesicht zu wischen. Das Beste.
 

Sasuke schüttelte Tropfen aus schweißnassem Haar und richtete einen glühenden Blick hinüber zu Naruto.
 

„Aber... sag mal“, begann er noch einmal nicht ganz überzeugt, „Ein Sub -oder ein Sklave -ist doch der, der auf den Knien liegt und dem Anderen die Füße küsst. Richtig? Jemand, der sich unterwirft. Der Schwächere. Der Passive.“
 

Naruto setzte schnaufend sein Wasser ab, keuchte, wischte sich übers erhitzte Gesicht:

„Ja... naja-... nein.“
 

"Wie, nein?"
 

Er schnalzte leicht mit der Zunge und ließ die Flasche mit zwei Fingern wieder zurück in seine Sporttasche fallen,
 

„In Pornos vielleicht... aber die meisten Subs die ich kenne sind eigentlich sogar eher selbstbewusst. Ich meine, du musst wissen was du willst, wenn du Leute suchst, die das mit dir machen-... abgesehen davon braucht es- ehrlich mal- Eier aus Stahl, um sich fallen lassen zu können, obwohl man weißt, dass dem Anderen alles mögliche einfallen kann, also-... echt jetzt... phew! „Schwach“ finde ich das nicht wirklich. Obwohl ja die Notbremse theoretisch immer bei dir bleibt-... aber-... ich seh das einfach nicht so gern mit "schwach" und "stark" oder pervers und nicht pervers, das kommt immer drauf an, wie man spielt, mit wem-... und selbst dann ist es immer nur eine Variation. Total individuell, Mann! Das ist so wie... mit Musik!“
 

"Musik", Sasuke blinzelte verständnislos.
 

"Ja!“, Naruto sah auf, „Musik ist toll, oder? Jeder liebt Musik- auf die ein oder andere Art, es verbindet Menschen-... es ist gefühlvoll und kreativ-... Genau so wie Sex! So, und wenn, sagen wir, Tantra jetzt klassische Musik ist, okay, dann ist BDSM vielleicht mehr sowas wie-... Rockmusik! Und-... verdammt, weißt du wie viele verschiedene Arten von Rockmusik es gibt? Punkrock, Klassic Rock, Alternative, Indie, Hardrock... wow! Manche Leute rümpfen die Nase und sagen oh, das ist so brutal, dieses laute ins-Mikro-brüllen und die aggressiven Beats-... es gibt sogar welche die meinen es -macht- aggressiv, und alle die Rockmusik hören sind böse-... aber im Grunde ist es doch nur, naja... Musik halt! Klassik ist schon total künstlerisch wertvoll und alles, aber ich mag Rockmusik, weil es eben-... rockt!", er hob zur Bekräftigung eine locker geballte Faust mit leicht abgespreiztem Zeige- und kleinem Finger:
 

"Und deshalb kannst du das nicht so verallgemeinern. So wie nicht alle, die Punkrock hören Bier saufen und keinen Job haben, oder nicht alle Fans von, ich weiß nicht, Mozart- verklemmte Eierköpfe sind-... genau so sind auch nicht alle Subs total unterwürfig. Also-... zumindest vielleicht nicht so, wie du dir das jetzt vorstellst. Und es ist ja auch total egal, oder? Wenn du gern Emo- Musik hörst, gibt´s ja auch keine Regel, dass du dich ab dann nur noch schwarz anziehen darfst, oder?"
 

Sasuke legte den Kopf schief, "Du findest, SM... ist wie Rockmusik?“
 

Naruto sah ihn fragend an, zuckte einmal die Schultern:

„Klar!“
 

Der Uchiha unterdrückte ein geschocktes Lachen:

„Sicher, dass du das jetzt nicht ein bisschen krass verharmlost?“
 

In diesem Moment unterbrach sie der Handy- Klingelton.

Das Geräusch war irritierend genug, etwas das in eine Wolke von Testosteron hinein drang mit technischem, ernüchternden Plastikjingle.
 

Sasuke blinzelte und seine beleidigten Ohren versuchten für die ersten paar Momente vergeblich, die Töne irgendeinem bekannten Song zuzuordnen.
 

Noch irritierender war, dass Naruto tatsächlich nachsehen ging. Hallo, sie hatten hier eine wichtige Diskussion! Sie waren beschäftigt!
 

„Hi!“, Naruto wandte sich atemlos seinem unsichtbaren Gesprächspartner zu und weg von dem Uchiha.

„Ja... heh, nein schon gut. Du störst nicht.“
 

Sasukes Augen wurden schmal. Natürlich störte der blöde Anrufer!
 

„Was gibt’s denn? Ah... Mh. Okay? Wer kommt sonst noch?“
 

Der Blick des Blonden flackerte hinüber zu Sasuke, der nur immer noch irritierter wurde.
 

„Mmh. Gut, ich komme... nein, beruhig dich. Ich komme. Hey... wird schon!“
 

Leichtes Nicken, der Blonde begann schon einmal, seine Tasche zu schultern,
 

„Ja... bis gleich!“
 

Er schloss das Handy, sah sich zu Sasuke um und wandte sich zur Tür:

„Okay... also... sorry, aber... ich muss dann gleich nochmal los... Hab mich gerade verabredet.“

„Was?... Mit wem?“
 

„Mmmh... mit Leuten. Neji und Kiba und so...“

„Neji und Kiba?“
 

Sasuke verstand nicht.
 

„Ja, Gaara kommt auch, Hinata, Lee vielleicht...", Naruto druckste herum, und rückte schließlich doch mit der Sprache heraus:
 

"Neji hat diesen Freund und-... er will, dass ein paar Leute dabei sind, wenn er versucht ihm klarzumachen, dass nicht nur totale Freaks ins, uhm, Darkside gehen.“
 

Sasuke hob fassungslos beide Augenbrauen:

„Und da ruft er euch an? Der muss ja total verzweifelt sein.“
 

Naruto grinste.

„Was willst du machen?", wollte er wissen, "Gehst du zurück ins Versteck?
 

„Allein? Auf keinen Fall, ich verkriech mich doch nicht, während du draußen rumtollst.“

„Aber...“, der Blonde zögerte.
 

„Komm mir nicht mit "es ist gefährlich"", schnaubte Sasuke, "Du bist genauso in Gefahr, inzwischen. Und du bist so ein Trottel, dass du es wahrscheinlich nicht mal kapieren würdest, wenn dich jemand angreift. Bis es zu spät ist.“

„Danke für die Blumen, Arsch...", Naruto rollte die Augen, "Wie du vielleicht weißt, hab ich auch ein -bisschen- Straßenerfahrung.“

„Es geht hier nicht ums Streber verprügeln. Idiot. Wenn die dich erwischen, bist du tot.“
 

Der Uzumaki stutzte ungläubig.

„Willst du mir verbieten, meine Freunde zu treffen?“
 

„Nein.", kurzerhand schulterte Sasuke sein eigenes Gepäck, "Ich will mit.“
 

„Alter-...“, Naruto lachte ungläubig, „das ist bescheuert-... wenn du da mitgehst denken die, du wärst mein Sub oder so...“

„Vielleicht denken sie ja auch DU wärst MEIN Sub“
 

"Pff!", Naruto lachte schallend auf, "Ja, na klar!"
 

„Wann ist das Treffen?“, verlangte Sasuke zu wissen.
 

„Jetzt dann... so... im Irish Pub.“, der Blonde hob den Blick. Ihre Augen trafen sich. Sasuke bewegte sich zuerst Richtung Dusche:
 

„Na dann beeil dich mal lieber!“
 

~

Devils Dance Floor

~
 

Sasuke war neugierig.
 

Und vielleicht war es mehr als das, er spürte diese seltsame Art von Anspannung: das Kribbeln, das in letzter Zeit immer stärker und in immer kürzeren Abständen in ihm hochstieg. Die Angst davor rückte mehr in den Hintergrund. Inzwischen hatte er sogar das Gefühl, dass vielleicht keine mehr da war. Gut- das war übertrieben ...
 

Aber von Naruto angefasst zu werden sorgte immer noch für Gänsehaut. Jetzt erst Recht: Wenn der Andere ihn berührte, zog sich das Gefühl wie ein goldenes Rieseln durch seinen Körper. Jede Zelle schien einmal kurz aufzuglühen, und er schmiegte sich instinktiv dagegen. Nicht auf ihn zu reagieren- was er eine verflucht lange und bittere Zeit versucht, und tatsächlich auch bis zur Perfektion beherrscht hatte- war so widernatürlich. Es ergab keinen Sinn mehr.
 

Auf ihrem Weg abendliche Straßen entlang, fiel sein Blick auf Narutos Hände.
 

Während er in lockerem Abstand folgte, zwei Schritte hinter dem Uzumaki her, sah er die Innenseite von Ring- und kleinen Finger. Nicht sehr viel. Aber genug, um den Zug zu spüren, der von diesem kleinen Finger aus an ihm zupfte. „Die Verbindung“, nannte er es ...

Tss ...
 

Wohl eher die unsichtbare Führkette ...
 

Genau so stellte er sich das nämlich vor: Ihr Schicksalsfaden war keine flimsige rote Schnur, sondern eine silberne, schmale Kette. Es störte ihn nicht einmal.
 

Im Gegenteil, ein wohliger Thrill, ein warmes Glühen unterm Bauchnabel machte sich breit, wenn er sich ganz darauf konzentrierte. Kein Mensch um sie herum ahnte etwas, und Sasuke trottete einfach mit tief in die Hosentaschen gegrabenen Händen hinter dem Blonden her. Niemand außer ihm sah die feine Verbindung vor seinem inneren Auge an der er folgte, auf die er achtete, die er selbst bei Schlenkern und Richtungswechseln nie zu straff oder locker werden ließ.

Natürlich nicht. Sie existierte nur in der Welt zwischen ihnen.
 

Kurz fragte er sich, ob Naruto überhaupt ahnte, was in ihm vorging.
 

Aber dann sah er das winziges Krümmen der Finger, den Blick zur Seite, sein wissendes Lächeln im Mundwinkel. Und Sasuke schloss aus plötzlichem Impuls zu ihm auf und folgte so nah, dass er beinahe die Schulter des Anderen streifte. Er hatte das Gefühl, dass seine Schuhsohlen kaum den Asphalt berührten.
 

Heute Abend fühlte er sich sehr bereit, für Mutproben und eine zweite Chance. Sein Puls pochte heiß hinterm Bauchnabel.
 

Von den Restaurants und Cafés an der Seite des Wegs roch es nach Pasta und Wein. Der Abend war lau. Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wohin sie unterwegs waren.
 

Aus den Augenwinkeln hielt er Ausschau nach Anzeichen für eine Bedrohung. Irgendwo dort draußen mussten seine Gegner aus dieser Nacht noch sein ... irgendwo lauerten sie.
 

Aber die Umgebung war fast lächerlich friedlich.

Ein ganz normaler Abend. Pärchen, die ausgingen. Lachende, plaudernde Menschen. Kläffende Hunde. Aufdringliche Spatzen.
 

Beinahe ein bisschen kitschig.

Selbst der dunkle Himmel über der Stadt glühte noch an den Rändern, in Erinnerung an seine eben verschwundene Sonne.
 

Es war ein ganz und gar unspektakuläres Gasthaus, vor dem sie schließlich stehen blieben. Sasuke warf einen skeptischen Blick hoch zu der Holztür des Eingangs, und einen zweifelnden zu dem Uzumaki, der sagte: „Das kann nicht dein Ernst sein.“
 

Aber Naruto strahlte nur sein gewinnendes Lächeln.
 

Und mit einem lautlosen Seufzer rollte Sasuke die Schultern, duckte den Kopf und folgte ihm über die Schwelle.
 

~
 

Hinter der eisenbeschlagenen Tür empfing sie Gelächter, eine fröhliche, trotz des frühen Abends wohl schon zum Teil etwas angeheiterte Gesellschaft von- für Sasukes Geschmack- fast schon zu vielen Menschen, und eine rassige, getriebene Art von Musik mit viel Rhythmus. Irgendwo zwischen Irischer Folklore, mittelalterlichem Gefiedel und Punkrock- Gebrüll.
 

Sasuke blieb nach seinem Schritt über die Schwelle stehen wie angewurzelt- seine Ohren dröhnten, das Aroma von Guinnes, Bratfett und verbrauchter Luft war wie ein Schlag auf seine feine Nase- ... insgesamt war das hier ein Kulturschock für ihn. Pubs waren nicht seine Welt, und ein solches schon gar nicht- freiwillig wäre er nie auf die Idee gekommen, einen Fuß hier herein zu setzen. Überhaupt hatte er sich schon den ganzen Weg lang gefragt, wer um alles in der Welt ein SM- Treffen in einem Irish Pub vorschlug- ... gut, es machte einen etwas verrauchten Eindruck von draußen, der Name hatte nichts mit Kleeblättern, Kobolden oder Regenbögen zu tun- es hieß schlicht: „The Black Stuff“- ... und innen gab es mit genug Fantasie vielleicht doch ein paar vage Gemeinsamkeiten mit Kerkern oder Gewölbekellern: all die rauen Steinwände, die geschwärzten Holzbalken- ... an bestimmten Stellen sah man sogar einen der obligatorischen Metallringe in der Wand blinken, die gewisse ... Assoziationen weckten, wenn man sie mit Hintergedanken bemerkte. Aber bitte ... ein popeliges Pub?
 

Narutos Blick über die Schulter zurück traf seinen, und das Schmunzeln verriet, dass der Idiot genau wusste, wie sehr ihn das hier irritierte- ... und dass es ihm nicht wirklich leid tat.

Wichser.
 

Widerwillig setzte Sasuke sich in Bewegung, folgte dem Anderen- ... igitt, war der Boden hier etwa klebrig? Womöglich hatte einer sein Bier umgekippt. Angewidert hob er sein Bein, sah die Bedienung mit dem Putzlappen schon hinterm Tresen hervor eilen und trat zur Seite. Die Worte, die der Sänger der Band aus den Lautsprechern raunzte, schnappte er nebenbei auf:
 

„Her breath began to speak, as she stood right in front of me

The colours of her eyes were the colour of insanity

Crushed beneath her wave like a ship I could not reach her shore

We´re all just Dancers on the Devil´s Dance Floor ...“
 

Mmh ... ein Tanz auf dem Parkett des Teufels ... tja, für nicht weniger war er hier. Als er den Kopf hob, und Narutos blondem Schopf mit dem Blick folgte, der sich zielsicher durch die Menschen schlängelte, entdeckte er dort an einem der langen, groben Holztische in einer Nische des Gastraums tatsächlich bekannte Gesichter: Gaara, mit seinen roten Haarzotteln und den blassen Augen, nuckelte mit ausdruckslosem Blick an einer Cola. Sasuke kam der nicht sehr politisch korrekte Gedanke, dass er sich hier wie zuhause fühlen musste ... hätte ihm nur jemand noch eine grüne Weste angezogen ...

Daneben Kiba mit seiner allgegenwärtigen Lederjacke- gerade in angeregte Unterhaltung vertieft mit- ugh, Shikamaru, dessen schlechte Entschuldigung für eine Frisur wie immer aussah, als hätte er eine Ananas auf dem Kopf ... wirklich, wie konnte man nur so herumlaufen? Sasuke verzog das Gesicht. Neben dem Inuzuka saß seine Freundin mit dem unschuldigen Hundeblick und dem langen, dunklen Haar, die es trotz allem noch irgendwie hinbekam, schüchtern und naiv zu wirken- Sasuke konnte sie kaum ansehen, weil ihm dabei wieder die unmöglichsten Bilder ins Hirn drängten- ...
 

„Swing a little more“, röhrte der Refrain aus den Musiklautsprechern, „A little more, oh the merry-o, swing a little more, on the Devil´s Dance Floor ...“
 

Sasuke konnte nicht anders, als die Hintergrundmusik verdammt passend zu finden. Auf der anderen Seite der Tischplatte, neben Shikamaru, hockte- ...

Ugh.

… dieser Neji.
 

Der Kerl wirkte, wie aus dem feuchten Traum irgendeines schwulen Modedesigners direkt durch die Decke und auf seinen Platz gefallen. Er schien am aller wenigsten zum Rest der Truppe zu passen: In der lauten Wirtshausatmosphäre wirkte er ein wenig verloren, aber all die raue Stimmung um ihn herum schien geradezu von ihm abzuperlen wie von einer verfluchten Lotuspflanze: sein seidiges Haar glitt ihm über die Schultern wie in einem Shampoo- Werbespot, er war eingehüllt in fließende, seidige Stoffe in dezenten Schattierungen von Weiß- ... Sasuke vermutete irgendeinen Farbton zwischen Elfenbein und Eierschale- und selbst aus der Entfernung konnte man sehen, dass seine Hände manikürt waren, die Fingernägel auf perfekte, brave Kürze gefeilt ...

Sasuke konnte kaum den teuflischen Drang unterdrücken- ... ihn an seinen perfekten Haaren zu packen, daran quer über die Platte des Tischs und schmutzigen Boden zu schleifen, mit ihm das verschüttete Bier an der Theke aufzuwischen ... irgendetwas an ihm reizte einen, in die perfekte Hülle hinein zu schlagen. Aber- ... Moment, hieß das etwa, der Kerl war mit dem Nara hier?
 

Pff.

Was für eine unglaubliche Kombination!
 

Er mochte sie beide nicht. Aber dem Nara noch Sado- Maso- Techniken beibringen zu wollen war ja wohl die größte Schnapsidee des Jahrhunderts. Diese ahnungslosen Idioten hier züchteten sich noch ein Monster ... Und was zur Hölle, der perfekte Neji Hyuga konnte seinen Freund nicht allein dazu bringen, ihn in die nächstbeste Folterkammer schleifen zu wollen? Wirklich? Verdammt, selbst Sasuke hätte ihn gern in eine Folterkammer geschleift, und er mochte den Typen nicht mal!
 

„Jedenfalls“, erzählte Kiba gerade mit sichtlich Spaß bei der Sache über die Lautstärke der Musik hinweg, als sie am Tisch ankamen- die junge Frau an seiner Seite leuchtete dazu wie ein menschlicher Lampion:

„Sie also los, bringt mir das Zeug in Rekordgeschwindigkeit, auf dem Rückweg stolpert sie über irgendwas- ...“

„Es- ... es war eine Tasche!“, piepste Hinata atemlos, „Irgendjemand hat seine Tasche im Weg liegen lassen!“

„Egal was es war, plötzlich hör ich es nur so schräg hinter mir quietschen- ... dreh mich um und da flatscht sie der Länge nach hin! Faceplant mitten im vollbesetzten Café!“

Shikamaru brach in nicht gerade sehr Gentleman-haftes Gelächter aus.
 

„K- ... Kiba!“, der Rotton in Hinatas Gesicht wurde noch ein paar Nuancen dunkler, aber der Inuzuka fuhr gnadenlos fort:

„ ... Der Kaffee fliegt, landet mir zielsicher direkt im Schritt- zum Glück war das Zeug ja nur lauwarm!“

„Oh Gott..!“

„Sie reißt den Kopf hoch: knallrot. Rutscht- ich schwör´s dir- auf allen Vieren den restlichen Meter zu unserem Tisch- ...“

Auf Hinatas Stirn hätte Naruto eins seiner guten Omelettes braten können, so dermaßen glühte sie. Sasuke war fasziniert.
 

„ ... Brabbelt irgendwas von Entschuldigung“, Kibas linker Fangzahn blitzte, „Reißt eine Handvoll Servietten aus dem Spender- ... und versucht allen Ernstes, mir an Ort und Stelle die Hose trocken zu rubbeln!“
 

Beide Männer erlagen einem herzlichen Lachanfall, während Neji eine verkniffene Miene zog und soweit es ging mit seinem Stuhl an die Wand zurück rutschte, um sich an Shikamarus Stuhllehne vorbei zu quetschen. Kibas Freundin sah aus, als würde sie in jedem Augenblick wahlweise in ein Wölkchen Scham verpuffen oder im Boden versinken.

„E- ... es war mein erster Tag ...!“, wimmerte sie, „Ich hatte solche Angst, gefeuert zu werden!“

Kiba schlang einen Arm über ihre Schulter:

„Ah, und es war Liebe auf den ersten Blick!“, er drückte ihr einen innigen Kuss auf die Schläfe, „Du hast mich „Mein Herr“ genannt, obwohl wir uns nicht mal kannten! Es war also quasi Schicksal!“

„J- ... ja, aber ... das ist mir so schrecklich peinlich..!“

„Macht nichts ... ich steh drauf, wenn dir was peinlich ist!“

„K- ... Kiba!“
 

„Hey Neji“, Naruto begrüßte den Hyuga leise wispernd, der sich endlich zu ihnen durch gekämpft hatte und schlang einen Arm um ihn. Sasuke stutzte. Er hatte halb vermutet, dass der Hyuga nur zur Toilette wollte- ... stattdessen sank er zielsicher an Narutos Brust. Seine langen Finger gruben sich in den Stoff am Rücken des Uzumaki und Sasuke spürte sie so zudringlich, als hätte der Kerl ihn selbst angefasst.
 

„Ich bin so froh, dass du da bist“, hauchte der Mann mit dem unglaublichen, schiefergrauen Männerrock, der seinen eierschalefarbenen Fummel komplettierte, und Narutos warmes Lachen dazu tropfte Gift in Sasukes Gemüt.

„Was ist denn nur los mit dir?", flüsterte der Blonde, „Deine Aura ist ja wieder total zerknittert!“

„Ach ... weißt du ...“
 

Es gab einen seltsam ratlosen Moment zwischen Beiden, in dem der Hyuga ernsthaft Anstalten machte, Naruto die Jacke abzunehmen- und der Blonde sie halbherzig festhielt. Blickkontakt zwischen ihnen war flackernd und seltsam. Und dann war da dieses Erröten auf den hohen, blassen Wangenknochen und Naruto, der ihn lachend noch einmal zurück in den Arm zog.
 

Sasuke brodelte.

Er fixierte aus schmalen Augen den Fremdkörper im Arm des Uzumaki, als könnte er ihn allein dadurch in Brand setzen. Und just in diesem Moment sah der Hyuga in seine Richtung, den Kopf immer noch auf Narutos Schulter ...
 

Ihre Blicke trafen sich.
 

Alles vernichtendes Feuer traf undurchdringliches Eis und die Umgebungstemperatur schien zu kippen. Sie brauchten nur den Bruchteil einer Sekunde um sich einig zu werden: Bei all den verschiedenen Arten auf die man jemanden nicht mögen konnte, gab es eine, die es als die beste Idee überhaupt wirken ließ, dem Anderen beim ersten Blickkontakt direkt die Augen auszukratzen ... das beschrieb das Verhältnis zwischen ihnen sehr treffend.
 

Ausgerechnet der Mann, der gar nichts von dem Geschehen mitbekommen hatte, verhinderte Schlimmeres: Shikamaru nämlich, der in dem Moment die Hände über dem Kopf zusammenschlug:
 

„Oh Mann- Naruto!"
 

„Shika!“, der Blonde ließ den Hyuga los und reckte enthusiastisch den Arm,

„Das trifft sich super, jetzt kann ich dir endlich dein Bier zahlen!“
 

„Ich brauch mehr als ein Bier heute Abend ...“, der Nara hielt kopfschüttelnd seine Stirn in die Hand gestützt, „Das gibt’s doch nicht! Gerade hatten wir´s noch davon, dass Kiba und ich uns kennen und jetzt spazierst du zur Tür rein? Warum kenn ich hier eigentlich fast jeden? Ich bin mit zu verdammt vielen Perversen befreundet!“
 

„Darüber würd ich mir auch Sorgen machen“, grinste Kiba von seinem Platz herüber, „Wobei du nach allem was man hört, vielleicht doch besser am FemDom-Stammtisch aufgehoben wärst?“
 

„FemDom?", der Nara runzelte seine Stirn, „Warte, das ist ...?“
 

„Wenn deine Freundin- ... oder deine weibliche Flamme ... du weißt schon“, Naruto deutete einen gekonnten Peitschenhieb an, inklusive dazugehörigem Schnalzgeräusch.

„Oh Mann- Auszeit ...“, Shikamaru hob beide Hände, „Können wir – bitte – heute Abend mal nicht über Ex- Freundinnen reden?! So als allgemeine Regel, ja?“

„Haha! Siehst du, er legt schon Tabus fest!“

„Der Mann ist fürs Leben gezeichnet", Kiba sah mit amüsiert funkelndem Blick zu, wie der Nara einen tiefen Schluck Bier nahm, „Der verdrängt gerade noch seine letzten Traumata!“

„Sind sie zu stark, bist du zu schwach!“, der Uzumaki klopfte seinem Kollegen herzlich die Schulter, „Kein Grund, sich zu schämen, Mann, du bist in guter Gesellschaft! Soll ich mal auspacken, was Sakura früher alles schon mit mir gemacht hat?!“
 

„Nein, sollst du nicht!“, Kiba machte eine unmissverständliche Handbewegung, um den Uzumaki endlich dazu zu bringen, sich hinzusetzen, „Das sollte keine Einladung sein, hier gleich Striemen zu vergleichen, ihr Helden des Alltags! Wir sind hier nicht im Subbie- Sitzkreis!“

„Sind wir nicht?!“, meldete Gaara sich mit unverhofft trockenem Humor.

„Wir haben heute gemischte Gesellschaft ... und deshalb sollten wir vielleicht nochmal betonen, dass nicht jeder Ausbruch von- nennen wir es „spontanem Zuwendungsbedürfnis- ... automatisch auch was mit safe, sane und consensual zu tun hat ...!“

Naruto schnaubte belustigt: „Definiere „sane“, ein paar von uns haben sogar ein Attest über ihre Gestörtheit! Und „safe“ funktioniert manchmal auch in der Theorie vorher besser - ...“

„Na gut- ... Risk Aware- ... wie heißt das andere? Ich hab´s vergessen, egal. Nara?“, er lehnte sich über den Tisch, „Merk dir einfach, das ist wie beim Fußball mit den Hooligans: Nur weil eine Seite dabei auf die Fresse kriegt, ist es nicht zwingend Fair Play und ein gutes Spiel!"
 

Shikamaru rollte die Augen, „Sag jetzt lieber nicht, Sex ist wie Fußball ... das war das, wo ich immer im Tor stand und unsere Mannschaft nie gewonnen hat ...“

„Haha! Oh Mann, Shika du bist echt einmalig ...“

„Dafür hat er sich seine Ex- Freundinnen alle aus der Frauenmannschaft ausgesucht!“, Kiba bekam seinen Lachanfall kaum wieder unter Kontrolle, „Da hatte wenigstens einer Übung im Bälle treten!“

Der Nara vergrub das Gesicht in den Händen, „Hatten wir gerade nicht schon was ausgemacht, was das Thema betrifft?!“
 

„Alter!“, Naruto schob sich gut gelaunt an Shikamarus Stuhllehne vorbei um auf einen der leeren Plätze dahinter zu kommen, „Lass den armen Mann, sowas nennt man halt „Orientierungsphase“! Die hatte doch jeder mal irgendwann ...!“
 

„Jaah, der eine mit gewalttätigen Ex-Freundinnen ...“, der Inuzuka wiegte den Kopf hin und her,

„ ... der andere mit krankhaft sadistischen Bandenchefs ...“
 

Sasuke fühlte sich von Blicken taxiert, und seine Mundwinkel zogen sich abwärts ... Wieso sah ihn dabei jeder auf einmal so komisch an?!
 

„Master Kiba!“, Naruto war endlich nahe genug und schlug kräftig ein in Kibas Pranke, die der ihm über der Tischplatte entgegen hielt, betonte die Respektsbekundung spielerisch noch mit einem Salut.

„Uzumaki, du Meisterdompteur! Du lebst ja immer noch, wir wollten schon Wetten abschließen.“, Kiba fasste herzlich zu, „Lee will später übrigens deinen zerkratzten Rücken sehen. Ich hab ihm erst erklärt was du vorhast und ihn dann dran erinnert, wie mein Arm damals aussah, nachdem dein Tiger ihn mal so herzlich lieb gehabt hatte.“
 

Naruto lachte nur. Und Sasuke wurde ganz flau im Magen. Das war nur Spaß, oder?

… hatte er- ... wirklich Narutos Rücken zerkratzt? Würde der Blonde so etwas erzählen?! Oder sogar vor seinen Kumpels herumzeigen? Er warf ihm einen flüchtigen Blick zu.
 

„Hey Hinata!“, der Uzumaki hob die Hand unbekümmert zu der jungen Frau, die sofort wieder anfing zu glühen.

„S- ... S- ... Sir!“, japste sie, knickte eilig in die typisch asiatische Höflichkeitsneigung, so weit, dass ihre Nasenspitze fast die Tischplatte berührte, und hätte damit auch jedem Uneingeweihten deutlich klar gemacht, was sein Anblick, seine Hände, allein der Klang seiner Stimme in ihr alles auslösten.

„Na, geht’s dir gut?!“, der Blonde schien ihren Zustand gar nicht zu bemerken- oder jedenfalls ging er nicht darauf ein.
 

„Jetzt, wo du da bist, geht es ihr sogar noch besser“, Gaara hob nur seinen starren Blick, blieb sonst mit hängenden Schultern sitzen und hielt klamme Finger um sein nasses Colaglas geschlossen.
 

„Hey Gaara!“

„Wir erzählen grade, wie wir uns alle kennen gelernt haben“, informierte Kiba auf seinen Platz gelümmelt, den einen Arm lässig über der Stuhllehne, „Du kannst gleich mit einsteigen und erzählen, wie Neji direkt einen Schrumpfkopf aus mir machen wollte, als er das mit Hinata und mir rausbekommen hat ... “
 

„Ich war lediglich besorgt!“, zischte Neji mit steifem Rücken und verkrampften Fingern von seinem Platz her, noch ein paar Nuancen blasser als sonst, „Mit sehr gutem Grund, wie du weißt!“
 

„- ... und wo wir dann rausbekommen haben, dass er selber ja schon eine Weile lang heimlich auf der wilden Seite spazieren ging- ...“

Neji schnappte nach Luft: „Wir reden NICHT über Ex- Freunde!“

„Jahh“, Naruto lachte, „Die Regel, Mann! Entspannt euch mal wieder! Habt ihr denn überhaupt mit der Geschichte auch richtig von Anfang an angefangen? Dass -du- ausziehen wolltest, weil deine Mutter dich terrorisiert hat?“
 

„Noch ein Schicksal, das wir beide teilen“, Kiba warf Shikamaru einen leidvollen Blick zu, „Schreckliche Mütter ...“

„Oooh ja ...!“
 

„Der Grund, warum wir also überhaupt in dem Café waren- ... wollt ihr eigentlich auch was trinken? Hier, die Karte- ... War der, dass ich mit Lee zusammen eine Wohnung gesucht hab ...“
 

Sasuke hatte sich lautlos an der Wand entlang geschlichen, um auf den Platz zu kommen, der ihm am erträglichsten schien. Ganz hinten, gegenüber von Kiba und Hinata. Er fühlte sich sicherer mit einer Wand in seinem Rücken. Für ihn war der Empfang nämlich weniger herzlich als für Naruto: Gaara warf ihm im Vorbeigehen einen schmalen, lauernden Blick zu, Shikamaru ignorierte ihn konsequent- ... sein flüchtiger Blickwechsel mit dem Hyuga hätte sowieso um ein Haar den gesamten Gastraum schockgefrostet. Nur Hinata hatte ihn freundlich und atemlos persönlich gegrüßt. Mit ihrem klassischen, unterwürfigen Verbeugungsritual ... Sasuke war ein wenig angewidert davon und würdigte sie keines Blickes. Einzig und allein für den Inuzuka hatte er ein kleines Nicken übrig, einen kurzen Blickwechsel- ... die vage Ahnung im Hinterkopf, dass seine Rückendeckung hier nicht von Nachteil sein konnte ...
 

„Wartet, wartet- ...“, Shikamaru ächzte, „Ihr redet von Rock Lee? Der auf der Intensiv arbeitet? Den kenn ich doch auch, oder?! Ich fass es nicht!“

„Genau der!“, Kiba grinste von Ohr zu Ohr, „Seine Familie- obwohl ich mich echt den ganzen Tag darüber kaputt lachen könnte, ohne Scheiß du musst dir mal von seinen Eltern erzählen lassen- war ihm wohl auch mal zu viel des Guten, und da ...“

„Nein, das war so ...“, mischte Gaara sich trocken ein, „Sein Meister Gai hatte ihm geraten, dass er sich besser weiterentwickeln könnte- ...“
 

„Sein - Kampfsport- Meister- Gai“, ergänzte Kiba mit bedeutsam erhobenem Zeigefinger, „Wobei wir uns da nicht so sicher sind ...“

„Aber du warst da doch noch gar nicht mit ihm zusammen?“, piepste Hinata ihren Einspruch von der Seite her zu dem Rotschopf, „Als das passiert ist, warst du doch noch- ...“
 

„Ladies, Ladies.“, Kiba stoppte die Diskussion mit gehobener Hand, „Die Sache mit Gaara ist eine Geschichte, die aus Jugendschutz- Gründen erst nach elf Uhr erzählt werden darf ...“
 

„Jugendschutz?!“, Naruto lachte auf, „Ich dachte, das ist ein SMler- Treffen! Wo ist denn mein Homie Lee überhaupt?“

„Noch im Studio“, informierte Gaara augenrollend, „Da ist so eine Art Eltern- Informations- Abend wegen der Kung- Fu- Zwerge ...“
 

„Ohhh, was?!“, Naruto machte ein geschocktes Gesicht, „Dann bist du ja ganz allein mitgekommen?!“

Gaara hob leicht die Schultern,

„Was hätte ich denn machen sollen, allein zuhause bleiben?“

„Ohhh!“

Der Rotschopf reagierte prompt auf die Mitleidsbekundung, ließ Kopf und Schultern sinken und warf einen Blick von tief unten aufwärts zu dem Uzumaki.

„Oohh!!“

Kurzentschlossen warf Naruto seinen Stuhl zurück, sprang auf und schlängelte sich noch einmal um die Tischplatte herum, um Gaara in eine rippenknackende Umarmung zu ziehen und ihn damit aus purer, herzlicher Zuneigung fast vom Stuhl zu werfen.
 

Kiba räusperte sich missbilligend:

„Ähm ... ja ... gut, dass du uns daran erinnert hast ... das hier ist ein SMler- Treffen ... also ...

Kannst du jetzt mal aufhören, den Rotschopf zu betatschen? Ich glaube, dass das nicht mal in Irland Glück bringt!“

„Aber er ist so flauschig- ...“, der Uzumaki fuhr ihm ausgiebig mit der Hand durchs Haar, „Warst du erst beim Frisör?“

„Nein ... ist das neue Shampoo ...“

„Ohhh!“
 

„Alter!“

Kibas Faust kollidierte so prompt und heftig mit der Tischplatte, dass der Bierdeckelhalter ein Stück hüpfte, „Jetzt ist aber Schluss hier mit Streichelzoo! Du kannst doch nicht reinkommen und erstmal reihum alle Subs knuddeln! Wir haben hier eine Ruf zu verlieren!“, er gestikulierte in Shikamarus Richtung, „Herr Nara ist nämlich zu uns gestoßen, um die Perversen in freier Wildbahn zu bestaunen, und Subs knuddeln ist natürlich, wie jeder weiß, für einen echten Master total verboten. Also, benimm dich jetzt mal wie ein echter Master, sonst nimmt dich ja kein Mensch ernst!“
 

„Sagt der Mann, der -seine- Sub mit am Tisch sitzen lässt?“, Naruto richtete sich lässig auf und zeigte ein verspielt dunkles Grinsen.
 

Kiba verzog zerknirscht das Gesicht; „Oh Mann- ... es gibt einen sehr guten Grund dafür, okay?! Ich hab die Hunde dabei und es wird sonst zu verdammt eng da unten. Was ist deine Entschuldigung?!“, sein Kopfrucken wies auf Sasuke.

Der Blonde winkte ab.
 

„Oh, ER ist ja offiziell gar kein Sub!“

„Pff, natürlich nicht!“

„Er ist zum Schnuppern hier, also verschreckt ihn bloß nicht!“

„Wenn du mich fragst, hat er beim letzten Mal schon eine verdammt gute Nase voll genommen! Also ist er wohl eher hier für Nachschlag!“

Naruto grinste, sagte aber nichts dazu, als er auf seinen Platz zurück kletterte.
 

Shikamarus rechte Augenbraue wanderte Richtung Haaransatz.

„Wartet mal- ... sorry, aber- ... Naruto, DU bist ein ... wie nennt ihr das? Master?“
 

Der Blonde wies schulterzuckend zu dem Uchiha neben ihm:

„Er hat sich auch schon beschwert, dass ich zu wenig Leder trage ...“
 

Kiba hob grinsend sein Guinness:

„Dein Junge weiß halt, was gut ist!“
 

Dem hatte Sasuke selbst nichts mehr hinzuzufügen.

Er blieb in die Karte vertieft und blendete alle weiteren Unterhaltungen aus, bis die Bedienung kam um Bestellungen aufzunehmen. Aus purem Trotz über die unmögliche Örtlichkeit bestellte er ein Kilkenny und nutzte die Wartezeit danach, um den Blick aus der Deckung heraus möglichst unauffällig über die Gesellschaft gleiten zu lassen ... Insbesondere die Garderobe der passiven Partner war ... interessant.

Hinata trug heute nicht wieder das auffällige, breite Tuch um den Hals, sondern tatsächlich ein schlankes, schwarzes Ausgeh- Halsband aus Samt, das sich eng an die Haut schmiegte ... und das mühelos als normaler, ein wenig exzentrischer Schmuck durchging. Von dem winzigen silbernen Ring vorn hing eine Art Anhänger, eine schmale, lange Quaste aus glitzernden Silberfäden, die ihr bis ins Dekolleté floss. Mit genug Fantasie hatte es entfernte Ähnlichkeit mit einer Krawatte ... oder eben mit Leine und Halsband. Eine ziemlich feminine Art für ein Statement zu sorgen. Hm ...
 

Der unerträgliche Hyuga dagegen schien nichts Offensichtliches an sich zu haben, das seine ... Hobbys unterstrich- ... was insofern Sinn ergab, weil Naruto ja erzählt hatte, dass sein Freund- Shikamaru, ugh, die Kombination machte ihm Kopfschmerzen- der Sache skeptischer gegenüber stand ...
 

Am meisten irritierte ihn aber Gaaras nackter Hals. Ihn ohne alles in der Öffentlichkeit zu sehen, stand in krassem Gegensatz zu Sasukes letzten Eindruck von ihm, der ihm noch lebhaft im Gedächtnis war: Ketten, Leder, Metallkrallen ...
 

Der Rotschopf starrte zurück.

Mit einem Ausdruck, den Sasuke schwer deuten konnte, und der ihm nicht sehr willkommen war. Er versuchte sich abzuwenden, aber den Kommentar verhinderte er nicht mehr:
 

„Und, Uchiha ...?“, gurrte Gaara ihm zu, „Hast du deinen Meister gefunden?“
 

Sasuke biss die Zähne zusammen. Es waren nicht so sehr diese Worte, mehr dieses entnervende Raunen: so subtil spöttisch und wissend, auf eine Art dass es nicht jeder mitbekam.

Mit finsterem Todesblick straffte er sich, hielt dagegen:

„Ich sehe, du trägst gar kein Halsband, heute? Vor kurzem hast du sogar noch zwei gebraucht.“
 

Gaaras Augen wurden kalt. Etwas an dem was Sasuke gesagt hatte- oder wie er es gesagt hatte- reizte ihn. Blöderweise- oder glücklicherweise- schien Kiba die brodelnde Stimmung zwischen ihnen bemerkt zu haben:
 

„Hey, komm schon“, warf er sich dazwischen, „Er kann doch sein Krallenhalsband nicht tragen wo es jemand sieht! Überleg mal. Die armen Leute wissen ja nicht, ob sie Amnesty International anrufen sollen, oder die PETA!“
 

Zum Rest der Gesellschaft gewandt schlang er einen Arm um seine Partnerin und hob die Stimme:

„Jedenfalls! Wollt ihr wissen, wie die Geschichte – eigentlich- angefangen hat? Also irgendwann, als Naruto sich entschieden hatte, der größte Pokemon- Meister der Welt zu werden ...“

„Hey!“, protestierte der Uzumaki.

„Sorry, sorry- Hahaha!“
 

~
 

Sasuke hielt sich an sein Getränk.

Es war befriedigend dunkel und bitter, sehr passend zu seiner allgemeinen Verfassung. Für seine Verhältnisse schaffte er es sogar, sich einigermaßen zu entspannen, also konnte er den Abend wohl als Erfolg verbuchen. Selbst trug er nicht viel zur Unterhaltung bei, jedenfalls nicht aktiv, er war einfach nur da und beobachtete. Hinata zum Beispiel hatte nach kurzer Zeit entschieden, dass sie einen fettigen Burger brauchte, um ihre sündigen Gelüste zu stillen- eine Idee, die Neji auf der anderen Seite des Tisches anscheinend- seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen- aus irgendeinem Grund fast die Fußnägel hochrollte. Die Beiden schienen tatsächlich verwandt zu sein ... Geschwister? Hmm ... nein, dafür war das Verhältnis dann doch irgendwie zu distanziert ... Halbgeschwister? Aber die Ähnlichkeit war wirklich frappierend ...
 

Egal ... interessanter war die Frage, was den zugeknöpften Langhaarschönling so störte ... Sasuke hatte viel Spaß daran, sich Theorien zu überlegen. Vielleicht war er auf einer strengen Diät ... oder er war Vegetarier? Hmm ... und der Nara- ... mal ehrlich, was war das für ein schlechter Witz? Die Knoten von diesem sadistischen Arsch saßen jedenfalls um Längen härter als das Getüddel, an das er sich von Naruto früher erinnerte ...

War das nur Selbstverleugnung oder schon schizophren ...? Und wer von den Beiden wohl einsteckte ...?
 

In heulendem, grün und blau geschlagenen Zustand hätte er sie beide gerne gesehen, allerdings hätte er keinem von beiden gern eine Peitsche in die Hand gedrückt. Das war der Stoff aus dem Albträume waren ... Mmmh, nein. Er sollte sich nicht länger die Stimmung vermiesen mit unerfreulichen Überlegungen, also ... sein Blick glitt hinüber, zurück zu Narutos Händen, mit denen er lebhaft gestikulierte, während er irgendetwas erzählte. Hmm ...
 

Dann schon lieber das ... wobei ... sowohl vorhin im Dojo als auch davor in der Wanne war er so beinahe ... auffällig vorsichtig gewesen. Wirklich auffällig vorsichtig. So, als fürchtete er, ihn beim geringsten Hauch von zu viel Druck und Ruppigkeit zu erschrecken. Das was sie schon zusammen getan hatten, konnte man jetzt beim besten Willen nicht wirklich SM nennen. Oder ...?
 

Andererseits ... all die kleinen Momente hätten dieses ... warme Gefühl von Zuneigung und Verbundenheit vermutlich nicht so deutlich herausgekitzelt, wenn der Blonde mehr Boss- Allüren ausgepackt hätte ... Und dann diese Episode unter ihm auf dem Sofa ...
 

Gedankenverloren beobachtete er sein Profil. Die feinen Linien auf der Wange erinnerten daran, dass Naruto nicht einfach nur nett war.
 

Sasuke selbst hatte eine sehr gute Vorstellung von der schieren Zerstörungskraft, die da irgendwo hinter der ständig lächelnden, herumhampelnden Fassade verborgen lag ... irgendwo hinter dem Zwang, ständig harmlos und niedlich zu wirken. Hinter seinen blauen Augen lag ein ausgewachsenes Raubtier.
 

Warum setzte er immer wieder nur an, wich dann aber schleunigst wieder auf sichere Basis? Einen Schritt vor, zwei zurück? Was sollte das ...?
 

Vielleicht- ... hatte Naruto auch Angst? Konnte das sein? Angst, ihm zu zeigen, wie er wirklich war ... Angst, dass Sasuke davor zurück schreckte ... wie vermutlich eine Menge von anderen Leuten. Vielleicht testete er nur das Wasser, zögerte aber, auch nur ein klein wenig weiter zu gehen ... es klang vielleicht seltsam, aber ... war ein Top auch nervös und angespannt, vor seinem ... ersten Mal ...? Vielleicht hätte er eine Art ... Versicherung gebraucht? Nicht nur das Safeword, sondern eine Art Okay- Code, die ihm klar machte, dass alles gut war?
 

Die Anderen hier am Tisch- mit der Ausnahme des blöden Nara vielleicht- schienen jedenfalls schon zu wissen, dass er auch anders konnte ... er wirkte viel gelöster in der Gesellschaft, ließ seine dunkle Seite ein wenig flackern. Und was hatte Kiba noch einmal gesagt?

„Wenn man gesehen hat, wie er mit der Neunschwänzigen richtig loslegt“ ...
 

Sasuke nahm einen entschlossenen Schluck von seinem Bier.
 

Der Idiot glaubte doch nicht, dass er ihm beim letzten Mal ins Gesicht gesprungen war, weil er Angst vor ihm bekommen hatte..?! Was für ein bescheuertes Missverständnis! Natürlich hatte er keine Angst vor ihm! Vielleicht ... ein wenig ... vor seinen eigenen Reaktionen. Okay ...
 

Aber doch nicht vor ihm! Sie kannten sich wahrscheinlich besser als sonst irgendjemand- ... gut, vielleicht nicht in der Rollenverteilung- ... das war Neuland- ... aber das verspielte Herumgehample, dieses ständige Abwiegeln reizte doch nur. Er wollte Klartext. Naruto sollte ihn endlich zeigen, seinen ach so legendären Master- Modus ...
 

Er hatte doch einen, richtig?
 

~
 

In die ausgelassene, irgendwie aufgekratzte Stimmung hinein, in der Geschichten von früher zum Besten gegeben wurden, in der Hinata sich ihren Burger mit Gaara teilte, der die Pommes dazu vom Teller klaute- in der irgendwo unterm Tisch Hundemarken klimperten und ein Stupsen ans Knie Sasuke zusammenzucken ließ, bevor er einen Blick abwärts riskierte und die Wand von Fell sah ... das Biest schien nur seine Liegeposition zu ändern- ... sprang plötzlich mit einem Krachen die Tür auf und eine vertraute Gestalt stürzte in den Gastraum. Eine Gestalt mit glänzend lackschwarzem Haarschopf und Augenbrauen, die jeden männlichen Schnauzbart im Vergleich kümmerlich wirken ließen.
 

„Ihr ahnt nie was mir passiert ist!“, platzte Lee laut heraus.

Er ließ sich einfach auf den Stuhl am Kopfende des Tischs fallen, seine Augen groß und geschockt.
 

„Was?“, wisperte Hinata, als niemand vor ihr das Wort ergriff.

„Ich bin von der Polizei kontrolliert worden!“
 

Kiba unterdrückte ein Prusten:

„Hast du wieder versucht, dich im Mini Cooper umzuziehen?“
 

„Nein!“, Lee riss die Augen noch etwas weiter auf, „Sie haben gefragt ob ich Drogen genommen hätte! Ich! Könnt ihr euch das vorstellen?!“
 

Naruto blinzelte ungläubig.

„ ... Echt jetzt?!"
 

„Ich schwör´s! … gerade bin ich vom Studio raus, hatte es natürlich eilig, war auf dem Weg hierher- ... da hat mich ein Streifenwagen rausgewunken!“, ganz mitgenommen streckte er seine Hand aus, um Gaara den Kopf zu streicheln, der sich ein wenig zu ihm geneigt hatte:

“Einer von den Polizisten kam rüber- ... ich kurbel das Fenster runter, frag ihn ganz höflich: „Gibt es vielleicht ein Problem?“ Und er nur so: „Haben sie illegale Substanzen konsumiert?“

Ich natürlich total geschockt: „Wie kommen Sie denn darauf?!“ Und er: „Sie wirken so unnatürlich aufgeregt und euphorisch!““
 

Das prustende Gelächter einiger Tischgenossen war nicht gerade sehr einfühlsam, nur Gaara blieb zutiefst loyal und schmiegte sich mitfühlend an:

„Musstest du pinkeln?“, schnurrte er.
 

„Ja!“, geschockt schlang Lee den Arm seinen Freund, „Er meinte, entweder ich geb eine Urinprobe oder wir fahren ins Krankenhaus zum Blut abnehmen! Als ich dann meinte, ich glaub ich hab sogar noch Butterfly- Nadeln im Kofferraum, wenn sie Röhrchen da hätten könnten wir das gleich machen, wollten sie noch mein Auto durchsuchen!“

„Hahaha!“, Naruto verschluckte sich fast vor lauter Lachen, „Oh Gott, Lee!“
 

„Bis ich erklärt hatte, dass ich ein berufliches Interesse am privaten Besitz von medizinischem Material habe, stand ich schon bestimmt eine viertel Stunde lang da in der Gegend rum und hatte wirklich dann keine Geduld mehr, also mein´ ich zu ihm: „Geben sie einfach den blöden Becher, sie kriegen gleich hier und jetzt ihre Urinprobe“, da hat er so einen gehässigen Spruch gebracht von wegen: „Das wäre dann wohl noch Erregung öffentlichen Ärgernisses“! Dabei hätte ich ihn locker wegen sexueller Belästigung anzeigen können! Als wir nämlich dann in dem öffentlichen Klo gleich neben dran waren, sind ihm fast die Augen raus gefallen, so hat der auf meinen Schwanz gestarrt! Krass, oder?!“
 

Er schüttelte sich noch einmal, atmete tief durch und winkte dann ein wenig schwach in die Runde,

„Uh, hallo übrigens. Entschuldigung! Schön, euch zu sehen.“
 

„Lee, die haben dich voll durchschaut!“, gluckste Kiba, „Du bist der neue Boss der Unterwelt, Mann!“
 

„Ich glaube, ich bin jetzt noch ganz zittrig, seht ihr? Meine Hände zittern!“, Lee hielt sie demonstrativ vor sich auf die Tischplatte.
 

„ ... War es mein Bruder?“, murrte Gaara.

„Huh?“, Lee blinzelte, „Keine Ahnung ... ich hab deinen Bruder vielleicht einmal gesehen und das ist ewig her ...“

Der Rotschopf rollte die Augen:

„Das war garantiert mein blöder Bruder, der Depp“, knurrte er.

„Ahh- daran hab ich gar nicht gedacht! Wie heißt er gleich nochmal?“

„Kankuro ... Kannst du ihm das nächste Mal bitte per Roundhouse- Kick einfach seine bescheuerte Mütze vom Kopf treten?“

„Was?!“, Lee war geschockt, „Spinnst du?! Ich kann doch keine Polizisten angreifen, die lynchen mich! Dann passiert das gleiche wie in GTA und die schicken Hundertschaften und Hubschrauber nach mir ...“

„Ja, wär doch irgendwie geil ...“, Gaaras Grinsen war leicht verklärt.

„Was!“, Lee wurde wieder laut, „Das wäre überhaupt nicht geil! Gaara, ich bin entsetzt!“

„Hrrmmm ...“

„Hör sofort auf, so unanständig zu grinsen! Ich glaube, wir müssen uns zuhause nochmal über deine delinquenten Neigungen unterhalten, mein Freund!“

„Hmmm~ ...“, Gaara rieb seine Stirn zutraulich an Lees Schulter.
 

„Kan- ... kuro?“, Shikamaru keuchte, „Kankuro Sabaku? Du- ... heißt Sabaku mit Nachnamen?“
 

Mürrisch blinzelte der Rotschopf von seinem Platz in Lees Arm zu ihm herüber.

„ ... ja ... und?“

„Du- ... du bist Kankuros kleiner Bruder?! Ich fass es nicht, ihr seht euch kein Bisschen ähnlich!“

„ ... Dankeschön“
 

Gaara versprühte wieder den Charme eines Seeigel- Kaktus, obwohl er immer noch halb auf dem Schoß seines Freundes lag.

Shikamaru fuhr sich fassungslos über die streng nach hinten gezurrte Frisur, klappte den Mund auf und zu, ruderte mit den Händen, bevor er die passenden Worte fand- ... „Dann- ... uh- ... dann ist Temari ja deine Schwester?!“

„Ja ...“, der Rotschopf runzelte die Stirn, „Was ist mit ihr?“
 

„Das fragst du im Ernst?! Ich bin Shikamaru! Ihr Ex- Freund! Wir waren ziemlich lange zusammen!“
 

„Ach ... du bist der Typ, nach dem sie entschieden hat, dass sie doch eigentlich lieber lesbisch sein würde ...?“
 

In die plötzliche Stille hinein atmete Neji hörbar laut durch und bemühte sich, in gezwungen heiterem Ton zu schlichten:

„Wieso reden wir eigentlich schon wieder über Ex- Beziehungen? Konzentrieren wir uns doch lieber auf das, was jetzt ist- ...“

„Ja, aber- ... warte mal!“, Shikamaru hob die Hand um die Verhältnisse zu sortieren: „Dass ich das nochmal klar kriege- ... Also ... Kiba und ich, wir kennen uns durch unsere Eltern ...“

„Jah ...“, der Inuzuka nickte, „Und ein paar seltsame Hobbys ... da fällt mir ein, habt ihr die Bilder vom Mittelaltermarkt schon gesehen? “, er hob den Kopf zu Naruto, „Hina, gib mal das Smartphone!“

„Deine Freundin ist Hinata- ...“, fuhr Shikamaru langsam fort, „Und sie ist gleichzeitig Nejis Cousine ...“

„Korrekt.“, gab der Hyuga steif von sich, und in Sasukes Kopf ratterten einige Rädchen- ... Ahh ... Cousine. Rätsel gelöst ...
 

„Mit dem -ich- jetzt zusammen bin ... Neji war mit Lee auf einer Privatschule, der mit Kiba zusammen eine WG gegründet hat- ... Kiba, du bist seit Ewigkeiten der beste Kumpel von Naruto, der jetzt zufällig mein Kollege ist- ... und Lee´s fester Freund ist tatsächlich ausgerechnet Gaara Sabaku, der kleine Bruder von Temari! Meiner Ex- Freundin!“

„Toll! Wir sind alle irgendwie miteinander verbunden!“, gab Kiba halb ironisch von sich, während er abgelenkt auf dem Smartphone herumtippte, „Das ist genau wie in einer von diesen Soaps! Jetzt müsste nur noch irgendwer schwanger sein!“

Zwischen Naruto und Sasuke sackte die Stimmung in unangenehme Frostlagen.
 

„Ahh, endlich!“, der Inuzuka hob das Gerät, um sie alle triumphierend an seinen Fotos teilhaben zu lassen: „Hier, seht ihr? So cool! Da sind wir beide, Hina und ich- ... natürlich standesgemäß angezogen ... heh ... da ist Akamaru ... nochmal Akamaru ... der Stand von meiner Schwester mit den Hunden ... Akamaru und Kuromaru ... haha, aww, da war er so süß mit dem Schmetterling- ... verdammt, ich hab echt viele Bilder von Akamaru gemacht ...“
 

Sasuke war kurz davor die Augen zu verdrehen und sich abzuwenden- mal ehrlich, wie konnte man sich nur so für eine vierbeinige Pelzmatte begeistern?- Als die Sache doch noch unverhofft eine interessantere Wendung nahm.
 

„Ah, hier ist der Pranger den sie da hatten! ... Sehr cool, sowas hätte ich ja gern für zuhause. Aber ganz schön sperrig, das Teil ... hier nochmal aus einer anderen Perspektive ...“
 

Naruto beugte sich näher über den Tisch und das Handy.

„Mit Metall verstärkt innen, oder ohne?“, wollte er wissen.
 

„Ohne ... siehst du? Aber gut abgeschliffen ... sah richtig alt aus. War vielleicht auch richtig alt, keine Ahnung.“

„Ohne Metall ist es im ersten Moment angenehmer“, wisperte Hinata, „Aber nach einer Weile ändert sich das total, die Kante ist zu schmal um sich richtig draufzulehnen.“

Narutos Blick flackerte aufwärts zu ihr.

„Wie eine Stressposition?“

„Ja, so ähnlich wie ´ne leichtere Stressposition“, Kiba zuckte die Schultern, „Allerdings nur wenn du genug Zeit hast um das richtig wirken zu lassen ...“

„Habt ihr´s ausprobiert?“
 

„Ja, aber nicht so lang“, Kiba hob eine Schulter, „Man konnte sich für zehn Minuten oder so reinschließen lassen, und es gab ne Schlange von kichernden Touristen die auch alle mal dran kommen und ihr Foto schießen wollten, also so geil war´s nicht. Wir wollten später abends nochmal hin, weil meine Schwester ja da ihren Stand hatte, aber- ... meh, mit der Familie eine Ecke weiter hat man auch nicht so richtig Ruhe dazu. Vielleicht könnte ich aber über Hana rauskriegen, wo sie das Ding her hatten, das kann man sicher mieten ... für eine kleinere Party oder so ... ahh, und das hier war der Stand wo man Metall prägen konnte, siehst du? ... Da haben wir diese Platte fürs Halsband gemacht ...“

„ ... Cool ...!“
 

Sasuke wich etwas zurück, er bemerkte Shikamarus skeptischen Blick auf das plötzliche Interesse an mittelalterlichen Foltergeräten.
 

"Also ...“, begann der Nara erneut und räusperte sich dezent, „Ihr ... seid wirklich alle irgendwie Sado- Masos, jetzt ... ernsthaft ...“

„Naja ...“, Kiba klang eine gute Portion konzentrierter, während er auf der Suche nach vergessenen Highlights seine restlichen Fotos durchscrollte, „Wir sind bestimmt nicht "die" Szene. Oder "die" SMler. Es gibt da eine Menge Grüppchenbildung, wie ... wahrscheinlich bei allem. Wir sind einfach nur ein paar Leute, die sich gut kennen, sich gut verstehen und auch schon zusammen gespielt haben oder sich haben spielen sehen ...“

„Hmm, jepp“, bestätigte Naruto nickend, „Ist echt gut, wenn man da ein paar Leute kennt. Gerade bei sowas ... ich meine, schon wegen Sicherheit und allem ...“

„Wir sind so was, wie die zweite Familie von deinem Schatz“, brachte Kiba die Sache auf den Punkt, „Also- ... nimm es als Kompliment, du bist hier quasi zur Begutachtung eingeladen.“

Naruto schickte ein großherziges Strahlen zu Shikamaru hinüber:

„Von mir bekommst du ein Ja!“
 

„Aber ...“, Kiba packte das Handy weg, um Shikamaru anzusehen und sich zu vergewissern: „Nur um das nochmal klar zu kriegen- ... du hast noch gar nie so was ausprobiert?“
 

Der Nara schüttelte einfach den Kopf.
 

„Nicht ihm mal ... keine Ahnung, ihm im Eifer des Gefechts einen Klaps gegeben, seine Handgelenke festgehalten?“
 

Shikamaru sah reichlich verunsichert aus und schüttelte zögernd den Kopf.

„Uhm ... nein? Nein, wieso sollte ich sowas tun?“
 

Kiba schnalzte mit der Zunge.

„Tja, dann ... versteh´ das nicht falsch, aber- ... mir stellt sich dabei doch die Frage, wie er drauf kommt, dass du ihn toppen willst- ... oder könntest?“
 

„Also ich kann das total verstehen“, unterbrach Lee, der inzwischen auch sein Getränk bekommen hatte- einen leuchtend bunten Gemüsesaft: „Er will sich das eben nur ansehen! Ohne Verpflichtungen, ohne Druck- einfach mal so! Ist doch völlig in Ordnung! Bei mir war das ja so ähnlich, erinnert ihr euch? Ich war auch am Anfang verunsichert und wusste nicht, was ich damit anfangen soll- ... was genau er braucht. oder will, oder nicht kriegen darf ...“, seine rechte Hand rieb Gaara hingebungsvoll die Schulter, „Er wusste es ja selbst nicht mal wirklich! Aber ich dachte: Okay, schau es dir einfach an, und- ... dann sind wir ganz ohne Vorurteile da ran gegangen, haben uns zusammen reingefunden, und so langsam ...“

„Was heißt da „ohne Vorurteile“ “, Gaara blickte skeptisch zu ihm aufwärts, „- ... du warst auch nicht gerade begeistert am Anfang."
 

„Ja, aber dann- ...", Rock Lee zuckte die Schultern, „Nachdem ich einen Bezug dazu hatte, unter dem ich mir auch was vorstellen konnte, war alles auf einmal viel logischer! Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich sowas ähnliches schon lange mache- ... und dass ich nicht Leute kopieren muss, deren Stil doch gar nicht zu mir passt! Dafür passt er perfekt zu jemand anderem!“
 

Hinata gab ein zustimmendes, glückliches Seufzen von sich und schmiegte sich an Kibas Arm.
 

Shikamaru warf dem Pärchen einen langen Blick zu.

„Okay ...“, meinte er, „Bei euch beiden ... fasziniert mich das ja irgendwie schon ... ich meine, ich bin mir nicht sicher, ob das nicht schon wieder sexistisch ist, aber ... ihr seht ja doch beide ganz zufrieden aus?"
 

Hinata nickte rasch.
 

„Uhm ... okay, und du fühlst dich nicht- ... irgendwie unterdrückt oder so? Was ist mit Emanzipation?"

Sie schüttelte heftig den Kopf.

„Ich bin emanzipiert!", beharrte sie leise.
 

„Okay ...", er klang nicht ganz überzeugt, sein Blick ging weiter zu Lee und Gaara:

„Bei ... euch Beiden kann ich mir das jetzt irgendwie gar nicht vorstellen ...“

„Du musst es dir auch nicht vorstellen!“, winkte Lee ab.
 

„Weißt du, es gibt da die klassische Leder- Fraktion- ...“, Kiba wies in einer unbestimmten Handbewegung auf Naruto, Sasuke, Hinata und sich selbst, „Und dann gibt es noch Leute, die stehen auf grüne Ganzkörperstrumpfhosen ...“

„Das ist mein Trainingsanzug!“, protestierte Lee empört.

„… Gummi ...“, zählte Kiba wenig beeindruckt weiter auf, „Klinikspielchen ... Mummification- sowas finde ich zum Beispiel schon ziemlich bizarr, und ich mach selbst eine Menge kranken Scheiß, also ...“

„Hey, don´t judge.“, warf Gaara ein und schickte einen Blick zur anderen Seite der Tischplatte, „Manche von uns stehen darauf, sich anpinkeln zu lassen.“

„Musst du das- ... so- ... formulieren?!“, fauchte der Hyuga geschockt.

Gaara zog ein irritiertes Gesicht: „Wie denn bitte sonst?!“

„Oh Gott, Gaara!“
 

„Ähm ...“, versuchte Hinata hilfsbereit einzuspringen, „es ist ... vielleicht schwer da generell was zu sagen ... aber ich denke, jedes Pärchen findet einfach seinen eigenen Stil ... man sollte nichts tun, womit man sich selber nicht wohl fühlt ...“

Shikamaru nickte sehr langsam und skeptisch.
 

„Auch- ... wenn man- ... nur manchmal zusammen spielt, aber zum Beispiel mit jemand anderem in einer festen Beziehung ist- ... in jeder Kombination ist es einfach so- ... unterschiedlich, und es gibt ja auch einfach so viele verschiedene Varianten- ... allein schon beim Fesseln ... so viele unterschiedliche Möglichkeiten ... manche mögen zum Beispiel Metall ... oder Ketten ...“

„Unbequem.“, murrte Gaara, „Dann lieber Segufix ...“

„Oder Hanfseil ...“, fuhr sie fort, „Oder Kokosfaser, das ist ziemlich hart- ... ich, uhm ... mag vieles! Man kann ja auch mit einem ganz weichen Seidenschal anfangen ...“

„Da zieht sich aber der Knoten auch verdammt zu!“, warf Kiba etwas zerknirscht ein, „Mach das bloß nicht mit teurem Zeug! Ich hab das schon mal fast nicht mehr aufgekriegt, und es war- ihr- Schal, der war so ungefähr zwanzig Zillionen wert- ... mir ging echt die Pumpe!“

Naruto prustete: „Du bist so ein Vollpfosten!“

„Hey, wenigstens ist – meine- erste Suspension nicht mitsamt Aufhängung von der Decke gekracht!“

„Das- ... war nur das beschissene Material von dem Billig- Flaschenzug! Und da war ich noch jung und unschuldig! Seitdem checke ich das IMMER vorher, und meine paar hundert Suspensions seither waren alle gut!“

„Seine letzte war toll!“, schwärmte Hinata.

„Hey“, maulte Kiba, „Du sollst auf meiner Seite sein!“
 

„Ah, übrigens Naruto!“, Lee hob die Hand und begann, in seiner Tasche zu kramen, „Da fällt mir ein, du kriegst ja noch was von mir.“

„Hm?“, der Blonde hob den Kopf und bekam eine kompakte, schwarze Mappe zugeworfen, kaum größer als für ein Nagelset.

„Aaaah, richtig! Da war ja noch was!“

„Säuberlich sterilisiert im Autoklaven.“

„Cool. Haha! Stell dir vor, die Polizei hätte echt dein Auto durchsucht und das gefunden!“
 

„Was ist das?“, Sasuke streckte die Hand danach aus.

„Uhm ... Sounding- Equipement“, Naruto gab es ihm eher widerwillig.

„Sounding?“
 

Sasuke konnte seine Neugier nicht zügeln. Im Innern des Täschchens fand er, sauber aufgereiht und in Folie eingeschweißt, rätselhafte Metallstäbchen in unterschiedlicher Länge und Dicke, manche davon mit einer kleinen Kugel vorn oder leicht gekrümmter Spitze ...
 

Gaara zog ein mitleidiges Lächeln.

„Das heißt, die kommen in deine Harnröhre“, bemerkte er hilfsbereit.

Sasuke wurde blass. Er spürte wie ihm schwindelig wurde und schob das Zeug schleunigst von sich, war froh, als Naruto es auf Nimmerwiedersehen in der Tasche verstaute.
 

„Und- ... habt ihr´s ausprobiert?“, wollte Neji mit merkwürdig gepresster Stimme von dem Rotschopf wissen.

„Jaa, war nicht so mein Ding“, er hob die Schultern.

„Ernsthaft?! Habt ihr auch genug Gleitgel benutzt?“

„Hör mal“, bemerkte Lee leicht angesäuert zu dem Hyuga, „Weißt du, wieviel Übung ich habe, wenn´s darum geht, Katheter zu schieben?“

„Ich versteh nur den Kick dabei nicht“, stimmte Gaara zu und hob die Schultern noch einmal, „Es ist nett, aber es haut mich jetzt nicht total um ...“

„Du- ... bist wahrscheinlich nur schon total abgestumpft“, Neji hob fassungslos seinen Zeigefinger in Richtung des Rotschopfs, „- ... wobei mir das inzwischen Angst macht- ... wie kannst du denn bitte an der verdammten Harnröhre abgestumpft sein?“

Gaara grinste leicht: „Was glaubst du woher -er- seine ganze Übung hat? - ... ah, Quatsch ... wir sind eben nicht alle überall gleich empfindlich..!“
 

„Sehr richtig- ... und wo wir grade beim Thema sind!“, Kiba lehnte sich über den Tisch, „Neji? Erzähl uns doch nochmal von der Sache bei deinem Kosmetiker neulich- ...!“
 

„Ah, Naruto!“, Lee hob strahlend den Kopf, „Stimmt ja, das weißt du noch nicht! Er hatte eine unverhoffte Session! Im Kosmetikstudio!“

„Was?!“, Shikamaru war irritiert.

„Jaa, ich war beim Sport plötzlich ruft er an“, Lee gluckste unterdrückt, „Ich denk mir so: Was ist jetzt los? Da fragt er mich, ob ich weiß, was Kaltwachsenthaarung ist- ...“

Naruto begann laut zu lachen und schlug sich mit der Hand an die Stirn.

„Gaara, was soll ich machen?“, äffte der Rotschopf ihn leise nach, „Meine Kosmetikerin kriegt mich nicht in Subspace!“

Narutos Lachkrampf verschlimmerte sich, Hinata gluckste mit- Shikamaru und Sasuke verstanden kein Wort.
 

„Das- ... ist aber nun mal genau der Punkt!“, verteidigte Neji sich sichtbar erhitzt vor Peinlichkeit, „Es ist nicht automatisch erregend, nur weil etwas weh tut! Die Stimmung gehört dazu- ... wir freuen uns ja auch nicht, wenn wir uns im Dunkeln den Zeh stoßen oder gehen ja auch nicht- ... lieber zum Zahnarzt als andere Leute!“

„Also ich geh gern zum Zahnarzt.“, bemerkte Gaara schlicht.

Neji rümpfte die Nase: „Du magst komische Dinge!“

„Ich finde es riecht da so gut ... fast wie in Kibas Laden ...“

„Ja“, schwärmte der Inuzuka ironisch, „Dieses wundervolle Aroma aus Sagrotan, Latexhandschuhen und Angstschweiß ...“

Der Hyuga schüttelte nur den Kopf:

„Siehst du?“, bemerkte er anklagend, „Du bist schuld an den ganzen Vorurteilen! Du bist einfach total pervers!“

„Ja, ich mag es auch, wenn sie sagen, dass du den Mund ganz weit aufmachen sollst“, Gaaras Stimme driftete in einen verträumten Klang, „Und dann mit den Händen so richtig rein gehen, und- ...“

„Okay, stopp mal!“, Naruto hob die Hand, „Ich glaub, Shika wird schon ganz grün um die Nase, nehmt mal ein bisschen Rücksicht auf die Vanillas!“
 

Shikamaru sah tatsächlich etwas blass aus.

„Das ... ist irgendwie grade- ... ugh- ...“, versuchte er reichlich aussichtslos zu erklären.
 

„Entspann´ dich“, winkte Kiba ab, „Wie Hina schon meinte, es gibt da die volle Bandbreite. Dein Schatz ist ein völlig anderer Typ als der Rotschopf hier ... zum Glück, wenn du mich fragst. Obwohl alles so seine Vor- und Nachteile hat ... aber du musst ihm nicht wehtun, um seine Aufmerksamkeit zu kriegen.“

„Obwohl es hilft ...“, murmelte Naruto kaum hörbar und in sachtem Singsang- Ton in Richtung Tischplatte.
 

„V- ... vielleicht will er doch mal was- ... anderes sehen?“, flüsterte Hinata zu ihrem Partner gewandt, „Das ist alles hier doch nur Theorie ... man kann ewig darüber reden, aber- ... letztendlich geht es ums Machen, nicht wahr?
 

Kiba ließ seinen Blick zu Shikamaru hinüber flackern:

„So sieht´s aus“, seufzte er, „… Hast du Lust das Ganze mal ein bisschen ... be- greif- barer präsentiert zu bekommen ... ?“

Shikamaru zuckte die Schultern, „Uhm ... weißt du, wenn ich jetzt schon mal hier bin ...“

Kibas Blick schwenkte direkt zu dem Blondschopf:

„Hast du die Schlüssel?“

Naruto nickte kurz: „Jepp.“

„Also“, der Inuzuka stellte sein Glas mit dumpfem Aufprall auf den Tisch, „ ... jetzt geht jeder nochmal aufs Klo, und dann reiten wir los!“
 

Sasuke suchte in der allgemeinen Aufbruchsstimmung Orientierung bei Naruto und krümmte eine Augenbraue.

„Wohin?“, wollte er leise wissen.
 

Narutos Lächeln war diesmal nur winzig, er krümmte einen einzigen Mundwinkel:

„Rate mal“, flüsterte er.
 

~
 

______________________________
 

AUTORENKOMMENTAR:
 

>8D Yay, es geht endlich WEITER! Und das ist sehr gut so! Das hat diesmal echt ungeahnt lange gedauert, ich hoffe, dass ich die nächsten Kapitel wieder schneller hinkriege, denn es wird spannend, wir stehen kurz vor Narutos und Sasukes erster "richtiger" Session- Szene, und ich glaube ich bin mindestens genau so aufgeregt wie die beiden, haha xD <3
 

Die Hintergrundgeschichte hat für die nächsten drei- bis vier Kapitel erstmal ruhig zu sein, das kommt früh genug wieder, jetzt ist Naru/Sasu- Action und mehr BDSM dran-... endlich mal, oder was sagt ihr? xD Ich hoffe, dass noch keiner wie Shika grüne Nasenflügel bekommen hat, denn wir steigen in den nächsten Kapiteln tatsächlich ein bisschen tiefer in die Materie... zu bizarre Praktiken wird es erstmal wahrscheinlich nicht geben, aber-... joah, schau´n wir mal! ´xD
 

Gaaaanz liebe Grüße, und ich hoffe ihr hattet Spaß! Bis demnächst ;D

LG, somali~
 

(PS, die Pub- Musik ist übrigens von "Flogging Molly"... ihr wisst schon, warum der Band- Name irgendwie ZU passend war um das zu ignorieren-... und wenn ihr´s nicht wisst, lernt ihr im übernächsten Kapitel vielleicht was dazu~... xD)

Whip it!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Boom Boom Pow

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Soul Surfer

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Zuhause

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Finsternis

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Der rote Mond

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Save The World Tonight

~
 

Wie ein weisser Blitz flog etwas durch die Öffnung der gesplitterten Tür.
 

Akamaru prallte in Hidans Rücken mit der Wucht einer Kanonenkugel, seine Kiefer rissen den erhobenen Unterarm aus der Bahn. Einen Moment lang blieb die losgelassene Sense wie von selbst in der Luft schweben, dann fiel sie scheppernd zu Boden. Der weisse Hund war auf den Hinterbeinen stehend fast auf Augenhöhe mit dem bulligen Mann; als er den Arm losliess um ernst zu machen und sich nach dem Hals des Anderen streckte war sein Maul ein zähnestarrender Abgrund. Hidans Überlebensinstinkt hatte ihn sofort ins mähnenartige Fell seitlich des Kopfes packen lassen, er hielt die geifernden Kiefer jetzt mühsam auf Armlänge von sich, aber die handtellergrossen Pfoten des Hundes hatten sich schon um seinen Rücken gekrallt, zogen ihn unausweichlich in eine tödliche Umarmung.

Hidan schrie, das Grollen aus dem weit aufgerissenen Fang des Hundes war mehr ein Brüllen, beide taumelten ein paar Schritte im Kreis wie ein groteskes Tanzpaar. Weisses Fell wogte, Büschel feiner Haare sanken durch die Luft, dort wo panische Finger verzweifelt versuchten, Halt zu finden- und abrutschten.
 

Kiba blinzelte... rappelte sich auf die Ellenbogen-... blinzelte wieder.
 

"Kakuzu", heulte Hidan, der sich sichtlich nicht mehr zu helfen wusste und mit der Situation überfordert war, "Kakuzuuuu!"

Akamarus Wolfsfänge schnappten so nah vor seinem Gesicht, dass spritzender Geifer ihn quer übers Auge traf und halb blendete. Instinktiv wollte er mit einer Hand den Störfaktor fort reiben, bereute es aber sofort, denn es war unmöglich. Seine Armmuskeln zitterten vor Anstrengung das gewaltige, wilde Biest von sich zu halten, das nur aus Muskeln, Fell und Killerinstinkt zu bestehen schien. Das winzigste Lockern des Griffs würde ihn jetzt das Leben kosten.
 

"Hilfeeee! Das Vieh bringt mich um!"
 

In dem Moment tauchte der zweite, kleinere Hund in der Tür auf, nahm in vollem Lauf die ungeschützte Rückseite des Menschen ins Visier, sprang ab... und grub die Kiefer so tief in das Sitzfleisch, dass er daran hängen blieb, selbst als seine Pfoten den Boden nicht mehr berührten und er durch die Bewegung herumgeschleudert wurde.

Hidan heulte.
 

Und Kiba... Kiba schluckte leicht. Er blieb die ersten paar Momente noch weitgehend reglos, sein Kehlkopf zuckte, er starrte ungläubig, als könnte er gar nicht glauben was sich vor ihm für eine bizarre Szene abspielte. Tränen brannten ihm in den Augenwinkeln, er rappelte sich mühsam in Sitzposition, wischte sich mit zittrigen Händen Blut vom Gesicht...
 

"Kiba!", Rock Lees vertrauter Haarschopf tauchte auf der anderen Seite von Blut, Chaos und Zerstörung im Türrahmen auf, seine grossen Augen suchten Blickkontakt.

Der Inuzuka schluckte noch einmal, seine Mundwinkel zuckten heftig.

"... Lee", stiess er hervor, seine Stimme brach.
 

"Kiba!"

Ungeachtet der Tatsache, wie schlichtweg lebensmüde es war, sich in das tobende Chaos zu stürzen, stiess der Mann mit der Topffrisur sich kurzerhand von der Schwelle ab und suchte den direkten Weg. Seine grün-gelben Sportschuhe hinterliessen rote Spuren als er endlich bei ihm war und neben ihm in die Hocke ging.

"Hey...", Lees Hände waren stark und behutsam, er berührte ihn sacht an der Schulter. Kiba spürte den Kloß im Hals und das Ziehen in seiner Brust. Er hatte plötzlich ein überwältigendes Bedürfnis zu heulen.

Auch wenn das verflucht nochmal überhaupt nicht cool war.
 

~
 

Kankuro kam zu dem Schluss, dass irgendwelche Kräfte des Universums ihm seine Kippe nicht gönnten. Das Heulen und Kläffen war schlimmer als je zuvor, und er wusste jetzt auch wo es her kam.
 

Dort hinten, nur eine Querstrasse weiter, war Bee's Schrottplatz.

Hachibi Island.
 

Es war keine wirkliche Neuigkeit, dass der Schrottplatz so etwas wie eine neutrale Zone war, und der Eigentümer dort eine Menge unterbringen konnte. Viecher... Leute... zweifelhafte Handelsware womöglich? Er war sich nicht sicher, der Typ machte einen grundguten Eindruck, aber theoretisch konnte alles möglich sein. Einmal war er über eine riesige Art von Waran gestolpert, und wer wusste ob der so legal dort gewesen war.

Der Punkt war, es interessierte niemanden. Denn Bee's Schrottplatz wurde nicht kontrolliert. Killer Bee war ein Bro, genau so wenig konnte man den Weihnachtsmann per Strassensperre kontrollieren, oder seinen Sack der Zollfahndung schicken. So etwas tat man nicht.
 

Es gab eine stillschweigende Übereinkunft unter den Bullen der Gegend, eine verschworene Einigkeit selbst auf ausdrücklichen Durchsuchungsbefehl hin ein bisschen im Sand zu scharren, Hände zu schütteln und wieder abzuziehen, und das war ausnahmsweise mal etwas, das ihm an seiner Truppe auch gut gefiel. Denn im Grunde gab es überhaupt keinen Grund dafür... der Eigentümer hatte weder Geld noch Macht- nichts, dass diese Art von Kooperation üblicherweise erzwang. Er war einfach... es war eben einfach Killer Bee, verdammt.
 

Kankuro hatte zwar ernste Zweifel daran, ob der fast schon mystische Ruf darin, neben Alltagsproblemen auch die schier aussichtslosesten Situationen irgendwie mit schlechtem Hiphop und ein bisschen Feenstaub wieder gut zu machen, wirklich gerechtfertigt war- seiner Vermutung nach verkaufte der Typ dort Klienten nur Pot und jeder fühlte sich nach einer ordentlichen Dröhnung wahrscheinlich gleich besser... aber dann hatte er diese Dienste auch noch nie selbst beansprucht.
 

Alles was er wusste und zu wissen brauchte war, dass er Bee für einen netten Typen hielt. Jedenfalls einen, der es nicht verdient hatte, auf seinem eigenen Grund und Boden irgendeine Art von Ärger zu haben, der dieses Spektakel auslöste, das in seinen Ohren klang wie hunderttausend heulende Höllenhunde...
 

Herrgott, hatte er alle Streuner der Stadt dort versammelt? Zuzutrauen wäre es ihm, der Mann stellte jeder hungernden Kreatur einen Teller vor die Tür.
 

Zwei Gedanken rangen in seinem Kopf um Vorherrschaft, während er dem Ort des Geschehens näher kam- der erste war "Zum Glück hab ich die Dienstwaffe noch", denn er war seit seiner Spätschicht noch nicht zuhause gewesen... und der zweite "Wann war die letzte Schießübung?" Wenn er sich richtig erinnerte, war er der Drittschlechteste des Reviers.
 

Quatsch, versuchte er sich selbst zu beruhigen, während er den tröstlichen Stahl der Waffe und ihr Gewicht mit der Hand suchte, bestimmt hat sich nur eine Katze aufs Gelände verirrt. Oder irgendwelche geisteskranken Einbruchstouristen dachten, sie hätten etwas davon, wenn sie über den Zaun klettern und Schrott klauen... sind bestimmt schon wieder weg... welcher Nullachtfünfzehn- Ganove nimmt es schon mit einem Rudel halbwilder Viecher auf, ganz zu schweigen von Bee selber...?
 

Er wollte nur einmal nachsehen, sagte er sich.

Safe.
 

Nur nachsehen, und bestimmt war es nichts, dann konnte er umdrehen und direkt zur nächsten Bar. Auf dieses ganze Theater hin brauchte er einen Drink.

Aha, und war war er ja auch schon... der hohe Zaun. Wellblech außen, Maschendraht innen... sah ganz ruhig aus. Die Flutlichtanlage beim Eingang funktionierte, der Bewegungsmelder sprang an sobald er näher kam...
 

Da war niemand weit und breit. Die Straße war leer.
 

Kankuro spürte wie es in seinem Magen seltsam zuckte und Härchen in seinem Nacken sich sträubten, als ihm klar wurde, wie bizarr und unwahrscheinlich das eigentlich war, was er gerade erlebte. Als er näher zum Tor kam, das Nachts geschlossen war und jeden Blick ins Innere des Platzes verwehrte, kam zu dem Bellen und Heulen ein schauriges Rattern... von etwas, das am Maschendraht zerrte. Ein metallisches Scharren von Krallen an Stahl, das ihm durch und durch ging. Ein Rumpeln und Scheppern, das den ganzen Zaun zum Vibrieren brachte, von kleinen Körpern, die sich dagegen warfen.
 

Nervös und mit schwitzigen Händen rieb er sich den Nacken, weil er nicht wusste was er sonst machen sollte.
 

Er ging ein paar Schritte zurück, öffnete unruhig das Waffenholster... nur für den Fall. Sie waren nicht... auf Blut aus, oder...? Irgendeine seltsame Hirnkrankheit...? Werwolf-Gene...? Der Anfang der Zombie- Apokalypse? Herrgott... ein Gedanke zuckte ihm durch den Kopf bevor er ihn verhindern konnte, und das lähmende Ekelgefühl der völlig kindischen, unlogischen Angst dadurch sickerte in seine Muskeln, als er den stummen Himmelskörper über der Stadt prangen sah...
 

Der rote Mond... der rote Mond macht sie rasend...
 

Kankuro wich lieber noch ein paar Schritte zurück, bemerkte, dass sein Atem rasch und hörbar geworden war. Er war zu gottverdammt feige für das hier...!

Der Zaun begann immer heftiger zu wackeln. Er suchte Halt am Griff seiner Waffe.
 

Scheiße.

Das hier war worst case fuer ihn. Ehrlich. Er war nicht Polizist geworden weil er so idealistisch war. Er konnte kein Held sein. Mit seiner Rolle als Arschloch war er durchaus zufrieden! Hey, wenigstens war er ehrlich was das anging- er tat es für das Geld... und den kleinen Kick von Macht und Status... die beruhigende Gewissheit, auf der richtigen Seite von Schlagstock und Gittern zu stehen...

Scheiße, warum passierte ihm sowas?! Sein Job war nie ein Versuch von Selbstverwirklichung gewesen, mehr eine Art... Flucht. Eine Rechtfertigung. Für alles, was er nie gewesen war. Er war unfähig, Leute zu retten! Alles was er konnte war Dinge noch schlimmer zu machen. Die paar Mal, die er viel, viel früher klägliche Versuche gestartet hatte, waren im Desaster geendet! Sein Pech mit Einsätzen war der Running Gag im ganzen Revier! Wenn irgendwo ein Stein geworfen wurde, bekam garantiert er ihn an den Helm, wenn ein Besoffener bei der Einkassierung kotzte, dann aber mit Sicherheit ihm auf die Uniform, wenn jemand bei der hochernsten Razzia beim Stürmen an der Türschwelle hängen blieb und sich mitsamt seiner ganzen Ausrüstung hinpackte... ja gut, das war ihm noch nie passiert, aber WENN es jemandem mal passieren würde, dann sicher ihm. So viel Glück hatte er mit Heldentaten.

Er war sicher wenn er den Kopf unten hielt und mit der Masse schwamm. Ab und zu ein bisschen beschlagnahmtes Zeug abgreifen, ein paar nicht zu gefährliche Passanten anpöbeln... hey, er wurde oft genug selbst angepöbelt, er gab nur zurück was er abbekam.

Selbst sein verdammter Informant hatte ihm schnell klargemacht, wer die Regeln bestimmte... war es da vielleicht ein Wunder, dass er wenigstens in seiner Freizeit die Fäden in der Hand behalten und nicht auf Risiko spielen wollte...?
 

Dieses Geräusch des Scharrens ging unter die Haut. Das Zittern des Zauns verriet, dass etwas dabei war, am Maschendraht hochzuspringen... es kam in beängstigende Höhen- hatte er da eben nicht eine Schnauze gesehen?

Seine Finger krampften sich um die Waffe. In seinem Kopf tanzten verstörende Bilder von Hunden mit glühend roten Augen, die den Zaun einrissen um sich auf ihn zu stürzen und ihn zu zerfleischen. Hatte er genug Kugeln...?
 

Und plötzlich war das Tier da. Eine Promenadenmischung, braun-weiß gefleckt, hing dort oben, unwahrscheinlicherweise, auf einem Zaun der mit Sicherheit über zwei Meter hoch war, tastete mit den Pfoten über glattes Metall und sprang scheinbar leichtfüßig abwärts... ein zweites folgte kurz darauf, eine Art Windhund mit schmutzigbraunem Fell, der von Kankuro gar keine Notiz zu nehmen schien... beide flitzten nur vielleicht einen halben Meter weit an ihm vorbei sobald sie festen Boden unter den Pfoten hatten und jagten in vollem Lauf eine Gasse hinein.
 

In Kankuros Kopf rasten sinnlose, wirre Gedanken durcheinander. Sein Mund war trocken. Er verstand nicht. Blinzelnd starrte er auf den Zaun und dorthin wo er die Hunde immer noch in der Ferne laufen sehen konnte, dann wieder auf den Zaun.
 

Und im Nachhinein würde er es niemandem erklären können, nicht einmal seiner Schwester. Nicht einmal sich selbst. Aber in einem Moment von vorübergehendem Hirnausfall warf er den Rest seiner Kippe zu Boden, zertrat die Glut, nahm seine Waffe in die Hand...
 

... und begann hinterher zu laufen.
 

~
 

Hidan warf mit einem Aufschrei und seiner geballten Köperkraft den Hund herum, trat nach den Rippen. Er schaffte es, das Tier von sich zu schleudern, trat mit dem Stiefel den breiten Kopf rückwärts, so dass es einen Moment lang benommen war. Seine roten Augen glänzten wirr. Hinter sich greifend quetschte er dem kleineren Tier mit solcher Kraft den Hals ab, dass es irgendwann loslassen musste- dann schleuderte er es mit sichtlicher Abscheu direkt an in Richtung der nächsten Wand. Zwei Handgriffe und er hatte die Sense wieder.

Ein wilder Tritt schickte scheppernd gleich zwei der losen Plastikstühle in Akamarus Richtung, der vorerst grollend auf Abstand blieb...
 

Hidans Atem ging schwer, inzwischen lief ihm sein eigenes Blut frei vom Körper. In der Mitte des ganzen Gemetzels hatte er seinen Platz behauptet, jetzt streckte er die Schultern, suchte festen Stand, hob den Kopf, die Reichweite seiner Sense beschrieb den Radius seiner Macht und ein irres Lachen blubberte ihm aus dem Hals.
 

"Mehr", rief er hell. Er hob die Arme, legte lachend den Kopf in den Nacken, seine Augen glühten und funkelten, "Mehr! Ja! Noch mehr Zerstörung! Noch mehr Blut! Noch mehr... Wahnsinn!"
 

Im selben Augenblick tauchte Gaara keuchend und mit verschwitzten Haarsträhnen in der Tür auf. Ein Blick auf die Szene ließ ihn zurückprallen als sei er gegen eine Glastür gelaufen. Über seinen Blick huschte etwas Fremdes, Dunkles. Er stöhnte leise auf, seine Knie gaben nach, er sackte seitlich gegen den Rahmen der Eingangstür, eine Hand an die Schläfe gepresst, Fingernägel, die sich haltsuchend in sein Tattoo gruben.

Lee hob den Kopf zu ihm- blitzschnell scannte er die Situation, alle brisanten Baustellen des Geschehens, seine Miene wurde angespannt, ratlos...
 

Als an dem zusammengesackten Gaara, der inzwischen am Boden kauerte, zwei fremde Hunde vorbei huschten.
 

Kiba sah Hidan, wie er die Arme ausgebreitet hielt, die blutrote Sense in seiner Hand, seine nackte Brust vor Schweiß glänzend, eine Fleisch gewordene Macht der Zerstörung-...
 

Und einen Moment lang schien die Zeit still zu stehen, als sich von allen Seiten her und in hohem Bogen Vierbeiner auf ihn stürzten. Es war unwirklich. Zum Lachen verrückt. Wie ein irrer Traum. Oder Albtraum...? Einer der Hunde verbiss sich in die schon blutende Schulter, einer fasste den Arm, Urushi schnappte sich einen Unterschenkel... Akamaru sprang ihm an die Kehle.

Kiba hatte seinen eigenen Hund noch nie so im Blutrausch gesehen. Er erkannte ihn selbst nicht wieder.
 

Aber Hidan kämpfte wie ein Besessener. Er trat einem Hund mit vollem Schwung seinen Springerstiefel in die Rippen, ein kurzes Blitzen der Sense teilte ihn in zwei Hälften- den zweiten, den Windhund, brachte er mit einer geschickten Körperdrehung in Reichweite- die Klinge der Sense erwischte ihn in der Luft, er hatte nicht einmal mehr Zeit zu schreien. Ein Schwall von hellrotem Blut spritzte hoch-... erwischte Gaara, der noch zu der bewusstlosen Hinata gekrochen war, um sie behutsam an der Schulter zu schütteln-... mitten im Gesicht.
 

Der Rotschopf erstarrte dort wo er war, in der Hocke auf allen Vieren kauernd über Hinata. Rubinrote Tropfen rannen zwischen weit augerissenen Augen hinunter, perlten von seinen Wimpern, fielen von der leicht geöffneten Unterlippe. Wie eine Kerze in einem dunklen Raum, die mit der Faust erstickt wurde, starb etwas in seinen Augen.
 

"Komm hoch!", Lee entschied sich dafür, Naheliegendes zuerst anzupacken und griff seinem Freund kurzerhand unter die Achseln, um ihn zuerst zu bewegen, "Schnell, auf geht's!"

"Nein!", Kiba sträubte sich mit aller verbliebenen Kraft, "Hinata! Lass mich-... bring um Himmels Willen erst Hina hier raus!"
 

"... hör auf dich zu wehren! Ist gut, hey... komm schon, ganz ruhig jetzt"

Lee war stark, wenn sein Griff sich schloss... verdammt stark. Er schleifte den größeren- und um einige Kilo schwereren- Kiba unzeremoniell über klebrige Fliesen zur Eingangstür, unbeeindruckt davon, dass der sinnlos dabei mit den Füssen trat und versuchte, die Finger nach Hinata auszustrecken, sie irgendwie festzuhalten, als der Weg nach draussen sie nahe an ihr vorbei führte.

"Du verstehst das nicht!", japste Kiba mit brüchiger Stimme, "Neinneinnein-... der zweite Typ, mann! Er hat eine Pistole! Ihr müsst-...! Wir alle müssen-...!"

"Du musst genau hier bleiben", Lee sprach behutsam, ging in die Hocke, um ihm direkt in die Augen zu sehen, "Ich hole sie. Okay?", er hob den Kopf: "Gaara?"

"Scheiß auf Gaara", schrie der Inuzuka verzweifelt, "Hol sie zuerst da raus!"
 

In dem Moment löste sich bellend ein Schuss.
 

Mit einem hellen Aufjapsen wurde Akamarus massiger Körper nach hinten geschleudert, schlug polternd am Boden auf und rührte sich nicht mehr.
 

Ein paar Momente lang blieb alles ruhig.
 

Dann schrie Kiba.

"Nein- Nein! NEEEEIIIIIIIIN!"
 

"Hidan", grunzte das vermummte Wesen und legte die Waffe auf Gaara an, der taumelnd auf die Beine kam... sein Kopf hing nach vorn, seine Arme baumelten kraftlos.

Ein längst vergessenes Lächeln war ihm ins Gesicht gekrochen und hockte dort, verschleiert vom Schatten tiefhängender Haare.
 

"Rückzug. Hintertür. Das war ein verfluchter Befehl!"
 

Kakuzu löste die Sicherung, zielte... Der kleine Rotschopf gab ein merkwürdiges Geräusch von sich. Ein tiefes Summen, das sich veränderte, als er den Kopf in einer fliessenden Bewegung drehte und ihn plötzlich direkt ansah. Der Blick aus seinen Augen war merkwürdig intensiv, so als hätte das Dunkel der Pupille darin direkte Verbindung zum Kern einer Supernova. Ein unnatürlich breites Lächeln zog sich von Ohr zu Ohr. Im einen Moment öffnete er leicht den Mund, leckte sich Blut aus dem Mundwinkel... und im nächsten war er direkt vor ihm, hatte eins der größten Fleischermesser aus Kakuzus Sammlung in seiner Hand und öffnete damit in einem Ruck seinen Arm bis zum Knochen.

Beeindruckt betrachtete Kakuzu den Schnitt, da war der Rotschopf schon so dicht, dass er Nase an Nase mit ihm stand... hob das Messer. Kakuzu zuckte zurück.

"Hidan!", wiederholte er polternd. Ein zweiter Ruck blitzenden Stahls trennte zwei Finger von der Hand, die er reflexartig vor sich gehoben hatte. Er spürte keinen Schmerz als er sie fallen sah.

"Hidan!", donnerte er.
 

"Gaara!", Lee hatte das Gefühl, selbst auszubluten, als er sah was geschah. Fieberhaft schleppte er Hinata zu ihrem Freund, der im Moment nicht mehr in der Verfassung war um sich darüber zu freuen. Er hätte gern auch Akamarus Körper aus der Zerstörung geborgen... und den mit Springerstiefeln niedergetretenen, armen Urushi, der leblos dalag, während ihm ein feines Rinnsal von Blut aus der Nase sickerte. Oder den namenlosen Windhund, den der Schlag der Sense nicht völlig halbiert hatte, und der sich jetzt zum Steinerweichen winselnd im Todeskampf wand.

Oder den in zwei Teile gehauenen Mischling, für den jede Hilfe zu spät kam. Lee spürte auch für ihn ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Er hatte tapfer gekämpft... als jemand, der nicht einmal wirklich verstand, wofür... und nur vom Ruf des Rudels mitgerissen wurde... oder?

Am liebsten hätte er jeden Einzelnen hier aus der Ruine des ehemaligen Diners in seinen Armen geborgen, hinausgetragen und den Toten eine würdige Ruhestätte gesucht.
 

Aber dafür war jetzt keine Zeit. Hilflos musste er zusehen, wie Gaara-... oder das, was momentan Gaaras Körper kontrollierte-... hinterrücks von Hidan attackiert wurde. Glücklicherweise hatte er in dem Zustand unglaubliche Reflexe. Die Sense kam mit Schwung, klirrend prallten zwei Klingen aufeinander. Hidan liess die Waffe herumwirbeln, schlug dem Rotschopf mit dem Ende des Griffs das Kinn aufwärts.
 

Lee schüttelte nur den Kopf, er keuchte leicht, wippte unruhig auf der Stelle- und stiess sich dann vorwärts, weil er unmöglich diesem Kampf zusehen und sich nicht einmischen konnte...

Zwei gegen einen? Das war unehrenhaft. Wenn er mit im Spiel war, dann war es wenigstens wieder fair.
 

Leichtfüssig war er auf der Platte des Tresens, glitt herunter, nahm zuerst den vermummten Mann ins Visier- Schlag, links, rechts, Doppelschlag, Drehkick- die Pistole flog in mehreren Saltos zur nächsten Wand, ein Schuss löste sich, der Querschläger spritzte durch den Raum und durchschlug eine Deckenleuchte. Lees Körper schlüpfte mühelos in einen vertrauten Zustand. Den Fluss des Kämpfens. Es war wie ein Tor in seinem Geist, das sich öffnete...

Seine Reflexe machten fast alles allein. Die Bewegungen waren zu schnell um erst über sie nachzudenken. Er fühlte sie mehr. Er fühlte im Bauch wo die Energie seines Gegners hinfloss und reagierte instinktiv, noch bevor der Andere die Bewegung ausgeführt hatte. Das war der wirkliche Kampf. Darum ging es. Der Rest war einfach nur Technik... Handballen gegen Kinn, Handkante gegen Kehlkopf, Knie gegen Solarplexus, Faust gegen Nasenbein-... die Schläge flossen aus ihm wie das Rattern einer Halbautomatik- Waffe.
 

"Rückz-...", würgte Kakuzu, bevor er mit dem Rücken unter dem Ansturm der Wucht an der Wand aufschlug, "Urgh! Verd-..."

"Gaara!", Lee spürte den Mordinstinkt seitlich hinter sich und wich der Klinge nur haarscharf aus. Der Rotschopf hielt einen Moment völlig inne... neigte den Kopf, um die Halswirbel knacken zu lassen. Und dann ging er gezielt auf ihn los.

"Sh-...! Gaara, komm zu dir!"
 

Handkante gegen Kinn, Fußspitze in Magengrube, Handfläche über Wange, links, rechts:

"Gaara!"

Lee duckte sich gerade noch so, als die blitzschnell geschwungene Klinge über ihn hinweg sauste... wunderbar, anstatt ihn aufzuwecken hatte er ihn erst recht wütend gemacht. Planänderung: Angriff, vor, weiter, Druckstoss auf Solarplexus-...! Gaaras Körper gab mit sachtem "uff" um seine Faust herum nach, wurde von der Wucht des Treffers nach hinten geschleudert und flog ein paar Meter aus dem Bereich der Theke heraus, um rücklings in eine Pfütze von Blut und Cola zu schlittern.

Lee fuhr herum, um Hidan und seiner Sense gerade noch so auszuweichen- um Haaresbreite- das hatte er so nicht mit eingeplant. Statt zwei gegen zwei stand er jetzt da mit drei Gegnern, von denen er einen gleichzeitig von sich fernhalten- und auch noch vor den anderen beschützen musste... er atmete tief durch... krümmte die Hände zu Klauen und duckte sich in der Stellung des lauernden Tigers...
 

... der erwartete Angriff blieb aus.
 

Beide Fremden keuchten und bluteten... das Interesse an Kämpfen schien allgemein deutlich abgeflaut. Vorerst gab es nur stille Blickgefechte... Hidan schien der Unterlegene zu sein was Geduld und Fokus anging. Aber statt deshalb klein bei zu geben, gab er nach ein paar Momenten ein Wutschnaufen von sich, wollte losstürzen, dem Rad von Gewalt einen neuen Stoss geben...
 

Da unterbrach sie die donnernde Stimme vom Eingang her:
 

"POLIZEI! Waffen fallen lassen!"
 

Kankuro stand dort und fasste nervös seine Waffe nach, neben der er deutlich sichtbar die Polizeimarke hochhielt.
 

"Das Gelände wird umstellt!", drohte er, "In zwei Minuten werden alle verfügbaren Einheiten hier sein! Also... nehmt jetzt die Waffen runter, geht, äh, auf den Boden und nehmt verdammt nochmal die Hände hinter den Kopf!"
 

Er klang nicht völlig überzeugt.

Aber es genügte, um selbst Hidan klarzumachen, dass der Kampf hier vorbei war. Wortlos, widerwillig, aber ohne weiteren Kommentar folgte er Kakuzu, der durch die Hintertür schlüpfte und in der Nacht verschwand.
 

"Hey!", rief Kankuro ihnen nach, "Ich sagte: keine Bewegung!"
 

Lee hob bereitwillig seine Hände neben den Kopf. Er runzelte die Stirn, als er den Polizisten genauer ansah.
 

"... Du?!"

"Du!", Kankuro liess empört die Waffe sinken-... als sein Blick seitlich auf Gaara fiel und er neu zusammenzuckte: "Oh sch-...!"
 

Der Rotschopf hielt das riesige Messer in der Hand und hatte die blitzende Klinge direkt auf sein Auge gerichtet.

"Mutter", flüsterte er gurrend, fast liebevoll...

Dann holte er kräftig Schwung.
 

Kankuro stöhnte auf und schlug sich schützend den Unterarm vor die Augen, Lee reagierte blitzschnell- schleuderte den nächstbesten Aschenbecher. Das Ding traf nach sirrendem Flug Gaaras Schläfe und knockte ihn... leider nicht komplett aus, ließ nur seinen Kopf kurz nach hinten fliegen. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er fremde Augen auf Lee gerichtet, die Zähne gefletscht, schnaufte tief und heftig. Seine Lippen zogen sich höher und höher, bis sein Gesicht nur noch eine einzige Fratze war, seine Anspannung brachte die Luft um ihn her fast zum Knistern... und dann gab er einen unmenschlich klingenden Laut von sich, der einem das Blut in den Adern gefieren lassen konnte.
 

Lee verzog keine Miene.

"Komm schon", schnaufte der Kung Fu- Kämpfer, sprang wieder hinterm Thresen vor, schleuderte einen Stuhl durch die nächstbeste Fensterscheibe, um einen neuen Ausgang zu schaffen... abseits der übrigen Menschen, "Du willst mich haben? Komm hierher"

Der Rotschopf machte blind, taumelnd einen Schritt auf ihn zu, die Augen unfokussiert und weit aufgerissen, die Zähne gefletscht, das Messer fest in der Hand.
 

"Gut so! Hier rüber...", Lee ging seitwärts von ihm weg, sah sich kurz um, um den Fluchtweg zu sichern, winkte ihn nickend näher. "Komm zu mir!" Als Gaara vorstieß um mit tödlicher Wucht die Klinge nach ihm zu schlagen, fing Lee klatschend seine Hand ab, hielt der Kraft ein paar Momente lang mühsam stand, sah tief in den Sog von unendlichem, schwarzem Hass dort in seinen Pupillen. "Gaara", keuchte er, bevor er loslassen, zurückweichen musste, weil der Andere viel zu stark war und drohte, ihn unter sich zu zerquetschen, "Ich bring dich weg von hier... komm. Dort hin wo du wieder sicher bist. Hörst du mich?"
 

~
 

Als die Beiden außer Sichtweite waren, ließ Kankuro die Waffe sinken, wischte sich zitternd die verschwitzte Stirn. Was für eine scheiß Nacht...
 

Dann sah er sich um. Auf einmal schien es so verdammt leer und leise.

Zu seinen Füßen saß jemand, in die Ecke des Eingangs gepresst. Ein recht großer, kräftiger junger Mann in schwarzer Lederjacke. Braunes, zottiges Haar.

Kankuro beugte sich tiefer, ging in die Knie.

"Hey", meinte er und räusperte sich sofort. "Ehm... hey."
 

Wilde, weit aufgerissene Augen starrten ihn an. Ein feines Zittern lief in Wellen über den schweren Körper. Kankuro hatte das Gefühl, irgendetwas sagen zu müssen...
 

"Ähm... alles wird gut?", bot er an. Einen Spruch, der zumindest in all den Vorabend- Serien immer gut kam. Der Andere reagierte nicht, bis all auf das Wasser, das sich in den unnatürlich weiten dunklen Augen sammelte.
 

"Mein... mein Hund", krächzte er.
 

"Uhm... ist er hier?"

"Ja... ich... kann ich zu ihm?"

"... klar. Kannst du stehen?"

Er nickte.
 

Es geriet etwas wackelig. Aber als er einmal wieder auf eigenen Beinen stand, stapfte er- langsam aber entschlossen- zurück... und ging neben einem riesigen, weißen Tier in die Knie.
 

"Akamaru...", presste er hervor, legte eine Hand auf das weiche Fell, das Wasser in seinen Augen quoll über.
 

Ein kaum hörbares Winseln und schwaches Schweifwedeln waren die Antwort.
 

Kankuro rief umgehend den Tierrettungsdienst. Außerdem die normalen Notfallsanitäter, den Rest seiner Kollegen (natürlich hatte er bei seinem Dauerlauf durch die Stadt niemanden verständigt und stattdessen geblufft)... das Mädchen, die junge Frau die außerdem noch hier war, schien bewusstlos zu sein, aber sie lebte, sie atmete, sie hatte regelmäßigen Puls...
 

Sein neuer... Schützling dagegen war ansprechbar, wach, stand auf eigenen Beinen-... und schien vollkommen durch den Wind. Rastlos ging er im Kreis, hierhin, dorthin, zog sich stumm an den Haaren, weil er nicht wusste, wo er hin sollte, wo sein Platz war, bei wem er bleiben und wachen sollte-...

Der Anblick konnte einem das Herz brechen.
 

Kankuro schloss einen Arm um ihn, als er nah genug an ihm vorbei strich, hoffte ihn so etwas Ruhe finden zu lassen... Er stieß auf überraschend wenig Widerstand. Als hätte er nur darauf gewartet, drückte der Andere ihm seine Stirn an die Schulter, schlang die Arme um ihn, hielt sich fest.
 

Da standen sie jetzt. Inmitten von diesem ganzen... Schlachtfeld. Kankuro streichelte unbeholfen die breiten Schultern, fuhr mit der Hand durch zottiges, braunes Haar, spürte die feste Umarmung des Anderen immer erstickender werden, das Zittern und Zucken, dass dazu kam, die erstickten Geräusche... er seufzte auf, barg sein Gesicht und hielt ihn einfach.
 

Ein seltsames, warmes Pochen in seiner Brust setzte ein, als er beruhigenden Nonsens murmelte und dunkle Haarzotteln kraulte...
 

Hatte er... etwa gerade zum ersten Mal jemanden gerettet?
 

~
 

Als der Krankenwagen kam, Tierrettung, Polizei... (inzwischen hatte der arme Kerl seinen gesamten Mageninhalt auch draussen vor der Tür in einen betonierten Blumenkübel gekotzt, und scheiße, das war wohl nun wirklich kein Wunder, wenn er sich vorstellte, was dort drin passiert sein musste)

... als das Vakuum der Stille nach dem Sturm von blitzendem Blaulicht und routinierter Betriebsamkeit unterbrochen wurde, blieb er noch da, überliess der zitternden Hinata, die inzwischen wieder bei Bewusstsein war, seine Jacke... stellte sicher, dass alles reibungslos lief, die Beiden gut untergebracht und versorgt wurden...
 

Sämtliche seiner Kollegen warfen einen Blick auf das Gemetzel und dann mit offenem Mund einen ungläubigen auf ihn, als sie mitbekamen, dass er angeblich ganz allein die Angreifer dieses Massakers hier in die Flucht geschlagen und den Tatort gesichert hatte. Und das auch noch in seiner Freizeit! Er bekam eine Menge Schulternklopfen, Lob und Ehre, sogar einen ungläubigen und dann sehr respektvollen Blick mit kleiner Verbeugung von ihrem gestrengen Kripo-Chef. Wow...
 

Vor allem aber war er ehrlich froh über die doch irgendwie tröstliche Nachricht, dass Hund und Freundin... und Kiba selbst wohl wieder auf die Beine kommen würden... er bestand darauf, sie bis ins Krankenhaus zu begleiten, nur um zu garantieren, dass sie sich auch wirklich sicher fühlten...
 

Dieser plötzliche... Emotionsschub war seltsam. Niemand hatte ihm erzählt, dass es sich... wenn man jemanden rettete, anfühlen konnte, als würde man gleichzeitig selbst von ihm... auch ein bisschen gerettet. In den ganzen blöden Abenteuerfilmen über Feuerwehrmänner und ach so mutige Polizisten kam das so nicht vor-... dort grinsten die Retter ihr Zahnpastalächeln in die Kamera und verloren bei all den Heldentaten den Überblick, so als wäre es eine Art Leistungssport und nicht... naja...
 

Das.
 

Es brachte ihn wirklich zum Grübeln.
 

Später, als er zuhause war, ein Bier aus dem Kühlschrank seines dunklen Appartements fischte und dann in den Keller ging, sah er sehr lange die Puppe an, an der er gerade arbeitete. Er sah sich im Raum um. Jedes einzelne Teil, jede einzelne Marionette, die er im Laufe der Zeit gebaut hatte... all die Stunden von Arbeit. All die Schwielen an seinen Fingern.
 

Er dachte daran, wie sehr er sie mochte. Zärtlich liess er ein paar davon mit einem leichten Stoss seiner Fingerspitzen an den Fäden schwingen. Und dann dachte er darüber nach, wie es sein konnte, dass er nicht einmal gewusst hatte, was für Leute sich mit seinem eigenen Bruder eine WG teilten... sein Bruder, der heute Nacht wieder heftig entgleist war.
 

Er dachte darüber nach, was gewesen wäre, wenn er sich heute- wie früher- entschieden hätte, sich nicht einzumischen. Den Kopf unten zu halten. Vielleicht hätte jemand anders geholfen. Vielleicht. Vielleicht nicht.

Die Zeiten waren verrückt.
 

Für ihn, beschloss er, war es vielleicht an der Zeit... ein paar entscheidende Dinge zu ändern.
 

~

Schlaflied

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (208)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20]
/ 20

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Scorbion1984
2021-01-31T05:11:28+00:00 31.01.2021 06:11
Leider konnte ich nirgendwo eine Firtsetzung dieser FF finden .
Vielleicht kannst Du hier weiter hochladen .
Würde mich sehr freuen .
Von:  Scorbion1984
2020-04-23T09:29:06+00:00 23.04.2020 11:29
Schade ,ich dachte das auch Du weiter schreibst wie so viele Andere ,während dieser Krise !
Antwort von:  somali77
23.04.2020 20:21
Die Fic ist auf fanfiktion.de schon wesentlich weiter hochgeladen, da ich auf Mexx nicht so oft reinschaue ´xD lg!
Von:  Scorbion1984
2019-12-10T17:19:17+00:00 10.12.2019 18:19
Nun habe ich mal wieder geschaut ,ob Du diese tolle FF vielleicht doch weiter schreibst !
4Jahre fast sei dem letzten Kapitel ,schade aber nichts ,aber wie heißt es doch ,die Hoffnung stirbt zuletzt ,also werde ich die Hoffnung noch nicht aufgeben !
Trotz allem wünsche ich Dir eine schöne Advents-so wie Weihnachtszeit !🎄🎁🎆
Würde mich freuen ,wenn Du mal eine Nachricht mir schicken würdest !💻📧

Von:  Scorbion1984
2018-04-04T08:28:17+00:00 04.04.2018 10:28
So nun haben wir schon April 2018 ,schade das Du nichts von Dir hören lässt !
Hatte so gehofft das Du weiter schreibst !!!
Von:  Scorbion1984
2017-07-13T06:31:25+00:00 13.07.2017 08:31
Ich will ja nicht draengeln ,aber schreibst Du noch weiter ?
Gib doch bitte mal eine Info !
Von:  Scorbion1984
2017-04-21T12:00:21+00:00 21.04.2017 14:00
Da bin ich schon wieder ,seit Oktober nichts von Dir hier gelesen ,schade ! Gebe mir doch bitte Bescheid wenn es weitergeht !
Dann brauche ich nicht immer wieder nach schauen !
Von:  Stevy
2016-10-11T20:29:21+00:00 11.10.2016 22:29
Heilige sch**** , ist die ff gut. Lachen musste ich über deine Filmzitate " jetzt geht jeder nochmal aufs Klo, und dann reiten wir los... Nur ein Beispiel...
Unheimlich spannend geschrieben, regelmäßiger Wechsel zwischen den verschiedenen szenarien, und einen wirklich flüssigen schreibstil. Auch in den adult kappis, bist du sehr darauf bedacht es professionell wirken zu lassen, was mich wirklich beeindruckt hat.
Auch die Wandlung die sasuke, durch den "umgang" mit naruto, durchmacht ist dir gut gelungen zu beschreiben und für den Leser wirklich real wieder zu geben.

Ich freue mich aufs nächste kappi und wünsche dir viel Kreativität 😘
Von:  Scorbion1984
2016-10-04T05:52:22+00:00 04.10.2016 07:52
Gruselig ,was so alles Geschichten über Itachi rumerzaehlt werden !
Trotzdem tolles Kapitel,am meisten freue ich mich das Du weiter schreibst ,wäre schade gewesen hättest Du aufgehört !
Ich mag diese FF ,sie ist sehr vielschichtig !
Von:  jyorie
2016-10-04T05:07:16+00:00 04.10.2016 07:07
Hallo (^o^)y

uh, Deidaras Schlaflied ist echt grusselig. Ich glaub so im halbdunkeln sind fast alle Puppen zum fürchten. Das kleine Kind bei Kakashi, war das eine Erinnerung von Deidara, oder ist das paralell passiert? Das sind ja ganzschöne Brocken, die sich die Kinder da über Itachi zusammen gereimt haben, Kinder können ja so grausam sein. Verständlich, das der kleine da kein Auge mehr zutun möchte.

Hatte guten grusselfaktor das Kapitel. Was ein Glück habe ich es nicht heut abend gelesen, sonder nachmittags im Hellen – sonst könntest du sicher sein, das ich das Licht angemacht hätte – hi hi ... genauso wie Kakashi der in die Küche musste, weil es dort heller ist (bei dem Satz musste ich schmunzeln).

Liebe Grüße, Jyorie
Von:  Liescha
2016-09-17T21:09:10+00:00 17.09.2016 23:09
Huhu,
Lass uns doch nicht so lange zappeln


Zurück