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Alles was ich weiss..

Everlark
von

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Das Wiedersehen

I bruise you, you bruise me

We both bruise too easily

Too easily to let it show

I love you, and that's all I know.
 

-Art Garfunkel
 

Die Gebäude des Kapitols leuchteten draussen, als Katniss am Fenster stand; einen Brief in ihren Händen haltend. Sie hatte ihn schon fünf Minuten zuvor erhalten, doch sie konnte dessen Inhalt noch immer nicht fassen, geschweige denn, ihn aus der Hand legen. Haymitch war eigentlich erst ein paar Monate krank gewesen. Doch seine Leber war so mitgenommen, dass seine Krankheit ihren Tribut viel schneller forderte als angenommen. Jeder wusste, dass er schon jahrelang dem Alkohol verfallen war und er mit den Konsequenzen zu rechnen hatte. Diese waren jetzt eingetroffen.
 

Ihre Gedanken wanderten zum letzten Moment, an dem sie ihn gesehen hatte. Er starrte schweigend aus seinem Fenster hinaus als sie ging. Selbst in der Dunkelheit der Nacht konnte sie die herbe Enttäuschung in seinen Augen flackern sehen, doch er unternahm nichts um sie aufzuhalten.
 

Katniss konnte ihm keine Vorwürfe dafür machen.
 

Haymitch hatte ihr anfangs oft geschrieben, sie gebeten wieder zurückzukehren. Doch es schmerzte sie zu sehr, dieser Bitte nachzukommen. In den ersten Monaten nach ihrem Verschwinden waren die Nächte voller Albträume. Sie wachte jedes Mal auf. Schreiend. Weinend.

Oft würde sie nach Peetas starken Armen und sanften Küssen suchen, wenn die Träume kamen, doch sie erinnerte sich selbst daran, dass sie diejenige gewesen war, die ihn verlassen hatte. Das Bett war immer kalt und das Kissen roch nach allem Möglichen - aber nicht nach ihm. Es war ihre Schuld.
 

Die Briefe ihres Mentors waren in letzter Zeit öfters gekommen, selbst nach vier Jahren ohne Kontaktaufnahme ihrerseits. Meistens schrieb er, wie seine Krankheit verlief, neben der Bitte - oder eher dem Flehen - wieder zurückzukehren. Es gab Dinge, die aufgeschoben worden waren, Dinge, die der sterbende Mann ansprechen und bereinigen wollte. Und vor allem hatte Haymitch immer gewollt, dass sie ihn besuchte. Sie schloss ihre Lider und konnte die hellen, blauen Augen vor sich sehen.
 

„Katniss?“

Sie drehte sich um, Gale stand dort und blickte sie eindringlich an. Ohne nachzudenken stürzte sie in seine Arme und er umfasste ihren dünnen Körper.

„Was ist passiert?“
 

Sie zog sich aus der Umarmung.

„Haymitch.. ist von uns gegangen.“

Katniss merkte noch nicht einmal, dass sie weinte, bis sie die nassen Flecken auf dem Shirt des Mannes erkannte.

„Er wollte dass ich komme, Gale. Er wollte, dass ich ihn ein letztes Mal sehe. Doch ich war zu feige dazu! Und jetzt? Jetzt ist es zu spät.“
 

Gale nahm den Brief aus ihrer Hand und las ihn. Seine Augen weiteten sich, als er sah, von wem er stammte. Nachdem er ihn auf den nahe stehenden Tisch fallen liess, nahm er sie wieder in den Arm. „Es tut mir so leid.“
 

Er glättete ihre Haare und versuchte das Mädchen mit leisem shhh... zu beruhigen. Er wusste, dass Katniss jetzt gehen musste. Sie brauchte diesen Abschied, sonst würde es sie vollends auseinanderreissen.

„Soll ich mit dir kommen?“, fragte er sanft. Sie nickte als sie zu ihm aufsah.

"Bitte... Ihr alle. Alleine schaffe ich das nicht."

„Johanna ist auf dem Weg zurück. Wir können alle zusammen den Zug nehmen, okay? Geh und pack deine Sachen, Kätzchen.“
 

Als das Mädchen in ihr Zimmer ging, blieb dem jungen Mann nichts anderes als zu seufzen. Sie hatte sich über die letzten Jahre so sehr verändert. Sie war schmerzhaft dünn und die Muskeln, die sie einst aufgebaut hatte waren nicht mehr vorhanden. Sie war nichts mehr als eine verwahrloste Frau. Jahre voller Albträume machten die Frau launisch und schreckhaft, und egal was ihr die Ärzte verschrieben, es half nicht im Geringsten.
 

Gale griff nach dem Telefon um Johanna anzurufen. Sie wusste immer was zu tun war. Der besagte Brief auf dem Tisch war grauenhaft kurz, doch er schaffte es, alle ins Trudeln zu bringen.
 

Katniss,

Haymitch ist tot.

Beerdigung dieses Wochenende.

Bitte komm. Bitte.
 

Peeta
 

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Johanna legte der jungen Frau eine dünne Decke um ihre Schultern, bevor sie sich Gale anschloss, der am Fensterplatz sass. Katniss schlief tief und fest, dank der Schlafpillen die sie eingeworfen hatte. Jeder wusste, dass sie sie dringend brauchte, denn sie hielten sie quasi am Leben.

Als Katniss vor vier Jahren zu Johanna kam, war sie zerstört gewesen. Johanna hatte sie vor der Haustür ihres temporären Heims gefunden, tränenüberströmt und schwach, mit den Augen einer, die sich als nächstes etwas antun wollte. Die ehemalige Mentorin war sich nicht daran gewöhnt, sich irgendwo niederzulassen. Sie hatte nach der Rebellion immer ein freies Leben geführt, ging dorthin, wohin es sie gerade verschlug. Doch ihre Freundin brauchte sie. Ab diesem Moment konnte sie Katniss nicht mehr alleine lassen, so entschlossen sie sich dazu, im ersten Distrikt zusammen eine Wohnung zu beziehen. Katniss wollte dabei so weit weg sein von ihrer Heimat, wie es nur irgendwie ging.

Selbst vier Jahre später war Katniss noch immer gebrochen wie zuvor. Das einst so stolze Mädchen, welches nie aufhörte zu kämpfen und zweimal die Hungerspiele überstand, schien ebenfalls tot zu sein. Der Tod hatte sie nicht in der Arena ereilt, aber er hatte sie langsam aber stetig eingeholt.
 

Johanna hatte sich dadurch ebenfalls verändert. Sie begann, sich um andere zu kümmern, egal wie sehr ihr dies widerstrebte. Sie kümmerte sich um das Mädchen, welches auf dem Sitz ihr gegenüber schlief und diesen gänzlich für sich selbst beanspruchte.
 

Sie sah auf zu Gale, der einen Arm um sie gelegt hatte. Die ehemalige Mentorin sorgte sich auch um ihn, mehr als sie es zugeben wollte.

„Wie lange hat sie schon geweint, als du sie gefunden hast?“, fragte sie ruhig.

„Wahrscheinlich ein paar Minuten. Sie hat noch nicht einmal gemerkt, dass sie es tat.“

Gale blickte aus dem Fenster und beobachtete die Landschaft, die an ihnen vorbeizog. Er selbst war schon seit Jahren nicht mehr in Distrikt 12 gewesen. Er fragte sich, wie es seiner Familie ging. Seine Brüder und seine Schwester waren erwachsen geworden, ohne ihn. „Wir waren schon lange nicht mehr da.“

„Die Leute denken bestimmt, ihr beide wärt zusammen durchgebrannt und hättet irgendwo heimlich geheiratet“, begann Johanna zu scherzen. Viele dachten, dass Katniss und Gale zusammen waren. Im Kapitol gingen heisse Gerüchte deswegen herum. Was die Menge jedoch nicht wusste war, dass es Johanna‘s und nicht Katniss‘ Bett war, in dem er seine Nächte verbrachte.

Johanna selbst hatte nicht das Bedürfnis, den Leuten dies auf die Nase zu binden und die Situation richtig zu stellen. Weshalb sollte sie? Sollen die Leute doch denken was sie wollten.

Aber eines musste sie zugeben; manchmal versetzte es ihr einen Stich, Katniss und Gale zusammen zu sehen. Sie erwartete nicht von Gale, dass er durch die Strassen des Kapitols rannte und seine Affektion Johanna gegenüber herausposaunte. Aber sie wollte auch nicht, dass er ignorierte, wie wichtig er für sie war. Er gehörte gewissermassen ihr, und sie würde ihn nicht teilen wollen.
 

„Das hätte sogar passieren können. Früher. Aber wir sind nicht mehr dieselben“, antwortete er ehrlich auf Johannas Bemerkung. Da spürte sie wieder diesen verdammten Stich in der Brust.
 

„Nicht, dass da ständig dieser blonde, blauäugige Elefant im Raum wäre, der ihr keine Ruhe lässt“, bemerkte sie. Natürlich wusste jeder, auf wen sie anspielte. "Katniss ist selbst Schuld an ihrem Zustand."
 

Manchmal, wenn Johanna gereizt war oder sich über Katniss ärgerte, erinnerte sie immer wieder an das Offensichtliche: Katniss war diejenige, die Peeta verlassen hatte. Sie war diejenige, die den Mitternachtszug in Richtung Distrikt 2 nahm, wo Johanna gelebt hatte. In dieser Nacht hatte sie Johanna unter Tränen angefleht, bei ihr bleiben zu dürfen.
 

„Du verstehst nicht was sie durchgemacht hat“, argumentierte Gale und Johanna schüttelte den Kopf.

„Sie muss merken, dass sie diejenige war die sich selbst so hat werden lassen“, antwortete sie. „Ich liebe Katniss, aber es war ihre Entscheidung damals abzuhauen, und jetzt muss sie damit leben. Du kannst nicht immer damit kommen, von wegen 'es wäre wegen den Spielen', wegen Peeta oder ihren Albträumen. Es wird Zeit, sie mit allem zu konfrontieren. Du kannst sie nicht immer in Schutz nehmen.“

Johanna wusste, dass sie beinahe klang wie seine – sie hasste das Wort- feste Freundin. Sie benahm wollte nicht Eifersüchtig klingen oder gehässig erscheinen, aber Gale schaffte es immer, diese Seite aus ihr herauszukehren. Er zog die junge Frau an sich.

„Du hast ja Recht. Ich werde mich nicht einmischen, versprochen.“

Zur Bestätigung küsste er ihr kurzes Haar.

"Jaja, schon gut", antwortete sie etwas störrisch.

„Du weisst doch, dass zwischen mir und Katniss nichts ist. Langsam glaube ich nämlich, du bist ei-fer-süch-tig meine Gute.“
 

„Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst.“, antwortete sie lachend.

Sie drehten sich zum Fenster, sahen wie die Sonne langsam aufging und betrachteten die grauen Farbe der Gebäude von Distrikt 12.
 

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Das aprupte Stoppen des Zuges weckte Katniss aus ihrem Schlaf. Sie waren da.

„Guten Morgen Schätzchen“, sagte Johanna als sie sich aufsetzte. „Wie fühlst du dich?“
 

„Als wäre ich neben den Schienen mitgeschleift worden.“
 

„Du siehst so aus, als wärst du das“, antwortete sie und setzte sich zu ihr. Sie öffnete ihren Zopf, strich ihr durchs Haar und entwirrte es. Danach flocht sie es wieder zu einem neuen, schöneren Zopf. Sie zupfte an ihren Strähnen herum, bis sie wieder etwas präsentabler aussah.

„So. Jetzt siehst du wieder aus wie das missmutige Mädchen, das ich in den Hungerspielen kennenlernte.“

Katniss schaffte es, sich zu einem schwachen Lächeln durchzuringen. Johanna drückte ihre Hand.
 

Gale kam rein ins Abteil, nachdem er sich im Bad gewaschen und umgezogen hatte. Er hatte sich überlegt, wie er Johanna seiner Familie vorstellen wollte. Sie hat nie danach gefragt und er wusste beim besten Willen nicht, wann es der beste Zeitpunkt war, dies überhaupt anzusprechen.
 

„Wo werden wir untergebracht sein?“, fragte Johanna, als Gale sich zu ihnen setzte.

„Bei Haymitch“, antwortete er. „Meine Mutter Hazelle hat das Haus jahrelang für ihn gereinigt. Sie wollte, dass wir nachsehen ob es irgendetwas gab, was Katniss behalten wollte.“

Katniss sah ihren Freund an. „Ich denke nicht, dass ich etwas davon behalten will.“

„Naja, und wenn schon! Es ist bestimmt ein schönes Haus. Machen wir es uns dort gemütlich solange wir bleiben.“, gab Johanna von sich. Die Häuser der Sieger waren bekanntlich luxuriös und sie war sich sicher, dass die Siegerdörfer unabhängig von den Distrikten, gleich aussahen..
 

Das Mädchen starrte zu boden. „Lebt Peeta immer noch dort? Im Dorf der Sieger?“, fragte sie verstört. Ihre Stimme klang wehmütig.

„Ich habe keinen Plan, Kätzchen“, antwortete er liebevoll. Sie lächelte, denn es war schön den alten Spitznamen zu hören - auch wenn es sie nicht wirklich aufheiterte.
 

Katniss zitterte und fühlte sich schwach, als sie aus dem Zug stieg und ihre Füsse den Boden berührten. Es waren inzwischen vier Jahre vergangen, seitdem sie das letzte Mal hier gewesen war. Die vertrauten Gerüche in der Luft, liessen in ihr kurzweilig Glücksgefühle aufkommen. Wann war sie das letzte Mal in einem Wald gewesen? Es erinnerte sie an ihre Kindheit.

Sie griff nach ihrer Tasche und folgte ihren zwei Freunden, die nebeneinander standen und auf sie warteten. Es war schön, die beiden so zusammen zu sehen.
 

Die drei gingen in Richtung Marktplatz, wo die Bewohner der Stadt ihren Tag begannen. Es war nicht nötig zu erwähnen, dass allen die Münder offen standen, als sie das Trio sahen. Sie konnten die Menge flüstern hören, Gale winkte ein paar bekannten Gesichtern zu.

Dann kam das, wovor sich Katniss so gefürchtet hatte. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie das Gebäude sah, welches ihr definitiv bekannt vorkam. Sie sah das Schild am Balken hängen.

Mellark“.

Katniss stoppte für einen Moment, schaffte es kaum, zu Atem zu kommen. Tränen stiegen ihr in die Augen, als der Geruch frischen Brotes ihre Nase füllte. „Ich weiss nicht, ob ich das schaffe“, schluckte sie.

„Ist das sein Haus?“, fragte Johanna und schlang ihren Arm um Katniss‘ Hüfte. Diese konnte bloss nicken und versteckte das Gesicht hinter ihren Händen. Sie rang nach Luft.

„Ich glaube, Posy arbeitet hier", bemerkte Gale. Sorgfältig hob dieser Katniss' Gesicht ein wenig an, um sie zu untersuchen. „Wir sollten vielleicht einfach ins Dorf der Sieger gehen. Du siehst gar nicht gut aus. Wäre das in Ordnung?“

„Nein“, antwortete die junge Frau nach einem Moment. „Ich muss. Ich kann nicht jeden Ort in Distrikt 12 meiden, nur weil ich Angst habe, er könnte da sein. Ich werde ihn früher oder später treffen müssen.“
 

„Hey Katniss.“

Es war Peetas Stimme. Ihr Magen zog sich noch mehr zusammen.

„Sieht so aus als wäre es früher als später“, brummte Johanna Gale zu. Dann ging sie Peeta entgegen und umarmte ihn. „Hey, du siehst gut aus. Hast wohl viel von den Mehlsäcken herumgeschleppt, was?“

„Nicht so viel. Ich hatte anderes um die Ohren“, antwortete er, ohne Katniss auch nur einmal aus den Augen zu lassen. „Schön dich zu sehen, Gale.“

Er ging ihm entgegen und schüttelte seine Hand. „Posy ist in der Bäckerei, wenn du sie sehen willst. Mit Zoe.“
 

„Zoe? Das ist ihr Name?“, platzte Katniss plötzlich aus sich heraus.
 

Er stand direkt vor ihr, endlich konnte sie ihn ansehen. Er war noch immer kräftig gebaut, nur etwas grösser. Er war in der letzten Zeit noch etwas gewachsen. Sein Haar schien etwas dunkler geworden zu sein, doch seine Augen waren noch immer die selben. Tiefes, wundervolles Blau. Nach all der Zeit liebte sie es noch immer, sie anzusehen und in ihnen zu versinken. Wie auch immer, als ihre Blicke sich trafen merkte sie sofort, wie ausdruckslos und kühl sie ihr gegenüber geworden waren. Früher leuchteten sie hell für Katniss. Doch das war jetzt vorbei und sie wusste, dass sie dies verdient hatte.
 

„Irgendwer musste ihr ja einen Namen geben, oder?“, antwortete er harsch. Katniss schrumpfte zusammen. Sie fühlte Gales Brust hinter sich, als er seine Hand auf ihre Schulter legte. Peetas Blick verfinsterte sich zusehends.
 

„Wer ist Zoe?“, fragte Johanna neugierig, als hätte sie die gespannte Stimmung zwischen den dreien nicht bemerkt. Die Frage beantwortete sich allerdings von alleine.
 

Die Tür zur Bäckerei öffnete sich, ein feines Klingeln war zu hören. Die vier sahen zu, wie ein kleines Mädchen herausgestürmt kam und zu Peeta stürzte, einen weissen Beutel in ihren kleinen Händen. Sie mochte vier oder fünf Jahre alt sein. Ihre Haut schien zart und hell, ihre Augen leuchtend Blau. Ihr Gesicht hatte eine Herzform, ihre Nase war keck. Sie trug kleine Baumwollhosen, eine Olivenfarbene Jacke und das wohl kleinste Paar Stiefel, die Katniss je zu Gesicht bekommen hatte. Das wohl auffälligste an ihr waren ihre langen, dunklen Haare, geflochten zu einem einzigen Zopf.
 

„Sie sieht aus wie-“, Gale konnte noch nicht einmal seinen Satz beenden, als das Mädchen ihm das Wort abschnitt.
 

„Papa!“, rief das Mädchen und hob ihren Beutel begeistert in die Luft. „Frau Posy hat Muffins gemacht, aber sie sagte, ich soll mit dir teilen!“

Sie drehte sich mit einem breiten Lächeln zu den anderen drei Leuten, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Katniss‘ Herz setzte beinahe aus.

„Ich habe nicht genug Muffins für Sie alle.“
 

„Schon in Ordnung“, sagte Johanna lachend und sah Peeta an. „Niedliches Kind.“
 

„Mein Name ist nicht Kind! Ich heisse Zoe!“, rief das kleine Mädchen beleidigt. Gale konnte sich nicht zurückhalten und lachte. Das Feuer in den Augen des Mädchens erinnerte ihn an Katniss.

„Manieren, Zoe.“, sagte Peeta liebevoll. „Erinnere dich daran, was Effie letztes Mal am Telefon zu dir sagte.“

„Das mit den Manieren tu' ich doch, aber nicht den Teil mit dem Kleid. Das werde ich nie anziehen!“, antwortete sie. „Wer ist das?“

Sie zeigte auf die Drei.
 

Peeta kniete sich zu ihr herunter, so dass er mit ihr auf Augenhöhe war. „Der Mann dort ist Mister Gale, er ist Miss Posy’s grosser Bruder.“

Er zeigte auf Gale, der ihr mit freundlichem Lächeln zuwinkte. Sie winkte zurück.

„Neben ihm, das ist Miss Johanna.“

„Hey Zoe, was geht?“, grüsste sie.
 

„Und sie?“, fragte Zoe, zeigte auf ihr dunkles, langes Haar. „Wir haben das gleiche Haar.“
 

„Zoe, das ist deine Mutter. Katniss Everdeen.“

Manieren und Streitigkeiten

Hallo Leute :) Ich hab meine LieblingsFF aus dem Englischen übersetzt.

Die Rechte gehören Suzanne Collins und natürlich der Autorin dieser Story: http://www.fanfiction.net/u/242293/JLaLa
 

Link zur englischen Version:

http://www.fanfiction.net/s/7958615/1/All_I_Know
 

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Run, run, run away

Buy yourself another day

A cold wind's whispering secrets in your ear

So low only you can hear…

-The Civil Wars ("Kingdom Come")
 


 

“Das ist nicht Mama!“, behauptete Zoe, als sie sich Katniss näherte. Ihre Schritte waren leicht, federleicht, und Peeta musste daran denken, wie sehr ihr Gang ihn immer an Katniss erinnert hatte, wann immer sie zur Jagd aufbrach.
 

„Mama trägt ein rotes Kleid, wie auf dem Bild in meinem Zimmer. Und sie ist wunderhübsch! Wunderhübsch, weil sie sie sich genauso gerne dreht und herumwirbelt wie ich es kann.“

Sie untersuchte Katniss aufs Genaueste. Sie packte ihre Hand und zog die Frau runter, damit sie ebenfalls auf Augenhöhe war. Dann legte sie ihren Kopf schief, als sie ihrer vermeintlichen Mutter in die Augen starrte.
 

Peeta hielt seinen Drang, sich einzumischen, zurück. Er wusste, dass wenn er Katniss auch nur im Entferntesten zu Nahe käme, er nicht mehr Fähig sein würde, sich selbst aufzuhalten. Er würde nicht widerstehen können sie entweder zornig zu schütteln - oder innig zu küssen.

Zoe indes legte ihre kleinen, patschigen Hände auf die Wangen der jungen Frau, um ihr Gesicht zu untersuchen. „Da ist dasselbe Muttermal“, bemerkte sie, als sie über ihre Stirn fuhr.

„Ich glaube, Mama könnte vielleicht in Ihnen drin sein. Sie sehen aus wie sie... Nur sehr müde. Und warum weinen Sie?“

Zoe zog sich zurück, beschäftigt darüber, was die Tränen in Katniss‘ Augen zu bedeuten hatten.

Katniss hingegen lächelte sanft. „Weil du so hübsch bist. Das macht mich sehr glücklich“, antwortete sie zitternd. Daraufhin ergriff Zoe ihre Hand erneut.

„Wollen Sie meine Bäckerei sehen, Miss Katniss?“, fragte sie begeistert. Die Frau nickte bloss und Zoe zog sie ohne Widerworte mit sich.
 

Peetas Augen folgten den beiden, bis sie verschwunden waren. Er bemerkte erst dann die schockierten Blicke von Gale und Johanna, die auf ihm lagen.

„Warum hast du mir das nicht gesagt?“, fragte Johanna bestürzt. Sie hatte Kontakt mit Peeta gehalten, doch er hatte nie ein Wort darüber verloren. „Ich hätte sie sofort zurückgeschickt!“

„Katniss hat es euch nie erzählt?“, antwortete der Blonde schockiert und hielt sich den Hinterkopf. „Schön zu wissen, dass wir alle ihr so wichtig sind.“

Der sarkastische Unterton war nicht zu überhören.
 

„Sie hat darunter mehr gelitten als du denkst“, bemerkte Gale verteidigend und Johanna konnte nicht anders als ihre Augen zu verdrehen. Er hatte sein Versprechen, sich nicht einzumischen, bereits gebrochen.

„Das ist nicht deine Sache, Gale. Denk an dein Versprechen“, antwortete sie und hob die Hand an seine Brust.

„Da hat Johanna Recht. Es geht dich überhaupt nichts an“, meinte Peeta verärgert. „Sie soll gelitten haben? Wo war sie denn, wann immer ihre eigene Tochter geweint hat? Oder wenn sie krank war? Oder ihre ersten Schritte gemacht hatte? Wo war sie? Was glaubst du eigentlich, wie hart es für uns war? Wie hart es für mich war? Wenn Zoe lächelt, sieht sie genauso aus wie ihre Mutter. Was glaubst du, wie schwer es war etwas gleichzeitig zu hassen und zu lieben?“

Es war niemandem von ihnen möglich, diese letzten vier Jahre zu verstehen. Er wandte sich ab, er wollte ihre Gesichter nicht sehen. Und er wollte nicht zulassen, dass sie sein Gesicht sehen würden. Schweigen legte sich zwischen die drei. Das hatte gesessen.
 

„Ich verstehe nur nicht, warum sie uns dies nicht anvertraut hat. Warum sie diese Last immer alleine trug. Wir hätten sie nach Hause gebracht“, murmelte Gale und er wirkte verloren. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, das Gespräch wieder aufzunehmen.

„Ich weiss nicht, ob ich sie dann noch hätte ansehen können“, antwortete Peeta verbittert. Es machte die Sache nicht besser, dass sie und Gale zusammen nach Hause kamen. Es war wie ein Tritt in sein Gesicht.

„Haymitch wollte unbedingt, dass sie kommt. Aber nicht nicht nur für ihn zurückkommt, sondern für Zoe. Ich weiss nicht, ob ich ihre Rückkehr gewollt hätte, wenn er nicht gestorben wäre.“

Es dauerte einen Augenblick, bis er seinen Ärger verebben fühlte. Er drehte sich dem Pärchen entgegen.

„Kommt. Zoe wird sich wundern wo wir bleiben.“
 

Als Peeta die Bäckerei betrat, fand er Katniss am Ladentisch. Zoe zeigte ihr die verschiedenen Kekse, die in der Vitrine zur Schau gestellt wurden. Ihre Augen trafen sich einen Moment und auf einmal fühlte er sich wieder wie der junge Mann, der darauf hoffte, von ihr bemerkt zu werden. Er schüttelte den Kopf. Es war längst vorbei.
 

Gale und Johanna folgten ihm, Hand in Hand. Peeta schien es nicht zu bemerken.

Posy betrat die Front und Gale löste sich von ihr, um seine Schwester zu umarmen.

„Gale!“, rief diese und warf ihre Arme um ihn, als er sie in die Luft hob. Sie sah Katniss ähnlich, ihre Haut war von gleichem Ton, nur die Augen waren dunkler.

„Du musst unbedingt häufiger zu Besuch kommen! Ich bin jetzt gross, ganz ohne dich aufgewachsen!“

„Das stimmt“, antwortete er. Er blickte sich nach Johanna um und stellte die beiden einander vor. Sie schüttelten sich die Hände und Gale beliess es dabei. Johanna schien nicht beunruhigt darüber zu sein, dass er sie nicht als seine Freundin vorstellte.
 

„Papa macht mir immer meine Lieblingskekse an meinem Geburtstag“, erzählte Zoe. „Sie sehen aus wie Primeln! Kommen Sie auch zu meinem nächsten Geburtstag Miss Katniss? Ich werde fünf.“

Das Mädchen plapperte pausenlos, aber Peeta konnte war sich sicher, dass Katniss die Unterhaltung gefiel.
 

„Zoe“, ermahnte er dann sein Mädchen, „Ich glaube, unsere Gäste sind Müde. Bringen wir sie zu Grossvater Haymitch’s Haus, damit sie sich ausruhen können.“

Das Mädchen nickte und sprang Katniss entgegen. Wieder griff sie nach ihrer Hand, zog sie zu Peeta und packte auch die Seine. Sie zog die beiden Eltern zur Tür, die Peeta erst noch öffnen musste, damit sie die Bäckerei erst verlassen konnten. Das ganze tat er eher widerwillig. So wie sich die drei festhielten, sahen sie wirklich aus wie eine glückliche Familie. Nur waren sie keine. Und glücklich schon gar nicht.

Johanna und Gale folgten ihnen, nachdem sie sich von Posy verabschiedet hatten, und sie mussten sich etwas beeilen um die drei wieder einzuholen.
 

Zoe plapperte unterdessen immer weiter, während ihr Vater seine Blicke über Katniss schweifen liess. Sie war furchtbar mager, ihre Haut sah so dünn und bleich aus wie Papier, und unter ihren nun grauen, trüben Augen, fanden sich dunkle Ringe. Ihr Lächeln war als einziges dasselbe geblieben.

Sie trug schwarze Hosen und ein burgunderrotes Shirt. Ihre Klamotten hingen an ihrem schwachen, fahlen Körper. Sie war praktisch nichts mehr, ein Schatten ihrer Selbst. Absolut nichts im Vergleich dazu, wie sie früher ausgesehen hatte. Ihr wohlgeformter Körper, der ihre Klamotten ausfüllte, die Farbe ihrer Haut. Die kühlen Augen, die aussahen wie kühler Stahl - und nicht wie Nebel. Er dachte daran, wie sehr er es geliebt hatte sie anzufassen und ihre Haut unter seinen Händen zu spüren – bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte seine Lippen an sie zu pressen.

Das alles war vorbei. Unwiederbringlich verloren.
 

Als sie Haymitch’s Haus erreichten, sah er wie Katniss zögerte. Sie blickte nach oben, zum Schlafzimmer, als würde sie erwarten Haymitch dort zu sehen. Aber auch das war vorbei. Bevor sich Peeta versah, griff er nach ihrer Hand und führte sie ins Haus, nicht ohne ihre Tasche zu vergessen. Zoe rannte voraus, damit sie Gale und Johanna einlassen konnte.
 

„Ich wusste gar nicht, dass die beiden zusammen waren“, sagte er zu ihr und deutete auf Gale und Johanna, die sich wieder an den Händen hielten.

Bevor sie ihm antwortete, drehte sie sich zu ihm um.

„Sie haben es nie Offiziell gemacht. In Distrikt eins ist es nicht nötig, allem eine Aufschrift zu verpassen. Darum ist es nicht so wichtig, es herum zu erzählen.. Die Leute im Kapitol neigen sowieso dazu, alles zu glauben was sie wollen. Sie würden nicht aufhören weiterzureden und weiterzuspinnen, egal was wir sagten.“

Nach kurzem Zögern fuhr sie fort.

„Die meisten denken, dass er in meinem Bett schläft. Oder dass wir alle drei in einem Bett schlafen. Ist doch egal.“

„Und, tut ihr das denn?“

„Nein“, antwortete sie ernst, „Ich schlafe gar nicht.“

Sie wollte sich daraufhin von ihm loseisen, doch er liess ihre Hand nicht los.

„Lass. Du wirst mich vielleicht brauchen, sobald wir da drin sind“, warnte er sie.
 

Als sie eintraten, führte Peeta sie ins Wohnzimmer, wo es sich das Pärchen bereits auf der Couch gemütlich gemacht hatte. Sie hörten Zoe zu, die erzählte, wie sie immer geholfen hatte, sich um die Gänse zu kümmern. Egal wo man hinsah, überall gab es Fotos von Haymitch und Zoe – auch eines, wo er sie als Neugeborenes in den Armen hielt.

Peeta wusste, dass er mit seiner Warnung Recht gehabt hatte, als sie seine Hand drückte. Ihr Gesicht war noch bleicher als zuvor. Er erkannte die Anzeichen ihrer Stagnation und brachte sie sofort in die Küche, die zum Glück frei von Bildern oder sonstigen Erinnerungen war. Dort gab er ihr einen Sitz und brachte ihr ein Glas Wasser.

„Danke. Du hattest Recht. Du wusstest schon immer, wann ich dich brauche“, begann sie zögernd. Dann atmete sie tief durch.

„Setz dich bitte, Peeta.“, presste sie heraus.

Er setzte sich ihr gegenüber hin.

„Zoe ist wundervoll.“
 

„Das ist sie“, antwortete er. „Aber sie kann ganz schön anstrengend sein. Sie hat so ihre Wirkung auf andere… Keine Ahnung, von wem sie das hat.“

Er kam nicht drum herum sie anzulächeln.
 

„Ich weiss, dass wir darüber reden müssen“, begann sie endlich. „Lass uns das Wochenende hinter uns bringen… und dann reden.“

„Wie lange werdet ihr bleiben?“, fragte er.

„So lange wie ihr beide mich haben wollt. Oder mich aushaltet“, antwortete sie.

Für einen Moment waren sie still.

„Wir hätten dich für immer gewollt", antwortete er bitter. Dann stand er wieder auf und verliess die Küche, bevor er ihr noch sein ganzes Herz ausschüttete.
 

Sie hatte ihm schon viel zu viel genommen.
 

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Als Peeta ins Wohnzimmer zurückging, fand er Gale und Johanna vor sich – Zoe plapperte noch immer. Sie wäre nie zu müde dafür. Sie sass den beiden gegenüber, die Beine gekreuzt und den Rücken kerzengerade, etwas was sie von Miss Effie hatte, die der Überzeugung war, dass Manieren lebensnotwendig waren.

Effie kam ab und zu vorbei, wenn sie in den Distrikten herumreiste und in verschiedenen Schulen Vorträge über die früheren Hungerspiele hielt und besuchte Zoe, so oft es ging. Sie nannte das Mädchen meist „Die perfekteste Kombination“ der beiden Sieger und war stets beflissen, ihr alles beizubringen, was aus ihr eine feine Dame machen würde. Das Resultat ihrer Mühe war kaum zu übersehen.

Zoe bat Effie meist darum, ihr Geschichten über ihre Mutter zu erzählen. Peeta fragte sich oft, ob er es zulassen sollte, dass sie mehr über ihre Mutter erfuhr. Er wollte ihr das Herz nicht brechen und entschied sich stets dagegen. Er würde warten, bis Zoe älter war. Alt und fähig genug, mit dem neuen Wissen fertig zu werden. Wenn er ihr über die Hungerspiele erzählen konnte und wie sie ihren Zoll gefordert hatten. Wie sie Katniss verändert hatten, so sehr, dass sie am Schluss nicht fähig war, eine Mutter zu sein.

„Miss Effie sagt, dass man Gästen immer etwas zu trinken anbieten muss!“, sagte sie. „Aber ich darf keine Gläser anfassen, also kann ich Ihnen nichts geben.“

Peeta mischte sich ins Gespräch ein. „Was ist denn hier los?“

Augenblicklich machte seine Tochter kehrt und rannte an seine Seite.

„Deine Tochter hat uns auf ein paar Drinks bei dir zuhause eingeladen“, lachte Johanna. „Was bringt Effie ihr bloss bei?“
 

„Wahrscheinlich die perfekte Mischung zwischen Gin und Tonic?“, Gale grinste.
 

„Naja, Drinks habe ich nicht… Dafür aber Kuchen“, antwortete Peeta gelassen, und er sah, dass auch Katniss wieder hinzugekommen war. Sie wirkte noch verstörter als vorher „Wollt ihr auf einen Kuchen vorbeikommen?“

Er liess die junge Frau nicht aus den Augen als er fragte.

Sie nickte bloss und antwortete schwach.

„Das wäre schön.“
 

Das Haus in dem Peeta und Zoe lebten, war Katniss‘ altes Haus im Dorf der Sieger. Das Haus, in dem sie mit Prim und ihrer Mutter gewohnt hatte, und dasselbe Haus, aus dem sie gegangen war, vier Jahre zuvor.
 

„Ich kann es kaum erwarten, dein Daheim zu sehen, Zoe“, sagte Gale und pflückte sie vom Boden. Sie quiekte voller Vergnügen, als er sie hochhob und auf seine Schultern setzte. Johanna lachte ebenfalls, als sie Zoe rieten sich zu ducken. Sonst würden sie auf keinen Fall unter der Haustür durchpassen.
 

Katniss und Peeta folgten ihnen. Sein Blick verfinsterte sich zusehends. Katniss hingegen lächelte sanft. Sie freute sich, dass sich Zoe so vergnügen konnte. Zoe hatte das, was Katniss immer wollte als sie ein Kind war: Sorgenlosigkeit.

Peeta entging ihr Lächeln nicht.

„Siehst du, was hätte sein können?“, fragte er abfällig. Er verstand nicht einmal selbst, wie sich seine Laune um diese Frau so schnell verändern konnte.

Sie funkelte ihn an.

„Versuch wenigstens ein bisschen Neutraler zu sein", warnte sie ihn.
 

Peeta war am Ende von vier Jahren unterdrückter Wut angekommen. Und Katniss wusste, dass sie seine Wut verdient hatte. Welches Recht hatte sie denn, sich in das Leben seiner Tochter einzuschleichen? Ihr Mut sank bei dem Gedanken, dass sie sich niemals einen Platz verdienen würde, weder in ihrem noch in seinem Leben. Trotzdem liess sie sich seinen Ton nicht gefallen - ein wenig 'Katniss' schlummerte auch noch ihn ihr.
 

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Als sie eintraten, konnte sie den bekannten Duft von Backwaren in der Luft riechen; er war praktisch überall und hüllte das Haus in angenehme Wärme. Wenn sie sich umblickte, fand sie eine gute Mischung aus Fotos von Zoe, wie in Haymitch’s Haus, und Zeichnungen von Peeta. Das Wohnzimmer, in dem sie sich niedergelassen hatten, war sehr angenehm eingerichtet. Lebendig.

Als Katniss noch hier gewohnt hatte, hatte sie nie das Bedürfnis, etwas zu verändern. Sie dachte, Prim noch immer irgendwie spüren zu können, so liess sie alles wie es war.
 

Jetzt war das Haus voller neuem Leben. Es war anders. Besser.
 

„Papa, du darfst Gläser halten. Dann kannst du Mister Gale und Miss Johanna Kuchen und Drinks anbieten. Ich möchte Miss Katniss mein Zimmer zeigen. Ja?“

Bevor Peeta überhaupt etwas dazu sagen konnte, schnappte sie bereits nach Katniss‘ Hand und zog sie wieder mit sich.

„Hier lang", rief sie, dann führte sie das kleine Mädchen die Treppe hinauf und Katniss sah die Bilder, die im Treppenhaus angebracht waren. Für beinahe jede Stufe gab es ein Bild von Zoe, und Tritt um Tritt konnte man sehen, wie sie aufwuchs.

Ohne mich, dachte sie bitter.

Oben angekommen, zeigte sie einen Raum zu ihrer Rechten.

„Das ist Papas Zimmer.“

Dann zog sie Katniss zum Raum gegenüber.
 

Das Zimmer war gross. Die zwei Fenster liessen den Blick auf den Hintergarten zu. Überall gab es Regale mit Kinderbüchern, Spielzeuge, und in einer Ecke gab es ein kleines Zelt, gebaut aus weissen Leintüchern. Der Boden unter dem Zelt bestand aus einer dünnen, weichen Matratze und einigen Kissen, genauso wie die Wände. Zoe folgte ihren Blicken zum Zelt.

„Setzen Sie sich“, sagte sie höflich.
 

Katniss gab nach und setzte sich mit ihr in das winzige Zelt.

„Das ist aber gemütlich. Warum hast du es gerade in diese Ecke gestellt?“, fragte sie.

Zoe zog ein Kissen an sich und schaute Katniss an – ihre Augen waren ernst.

„Es ist hier, damit ich mit ihr sprechen kann.“

Sie zeigte auf das Bild, welches über ihrem Bett hing.
 

Katniss sah sich selbst. Sie wirbelte herum in ihrem roten Interviewkleid, in gehüllt in ein Meer aus Flammen. Ihr Gesicht lag im Profil, so erkannte man sie am besten an ihrem Zopf – ihr Markenzeichen.

„Papa hat das gemalt“, sagte Zoe, als sie mit ihren Fingern spielte. „Das ist das einzige Bild von ihr im Haus. Es macht ihn immer traurig. Er bittet Grossvater Haymitch oder Miss Posy mit mir zu spielen, wenn er zu traurig wird. Manchmal will er, dass ich in meinem Zimmer bleibe, bis er mich holen kommt.“

Dann spielte sie mit ihrem Zopf.

„Aber das passiert nur, wenn er wirklich ganz, ganz traurig ist.“
 

„Du bist sehr tapfer, Zoe.“

Katniss streichelte ihr Haar und fühlte, wie weich es war.
 

„Miss Katniss“, begann das kleine Mädchen und drehte sich zu ihr. „Ist meine Mama immer noch in Ihnen drin?“

Ihre Stimme klang hoffnungsvoll.
 

Katniss stiegen die Tränen in die Augen, dann nickte sie. Sie stand auf, reichte Zoe die Hand, damit sie ebenfalls aufstehen konnte. Dann gingen sie zur Mitte des Raumes, wo es genug Platz gab.

Sie holte luft, dann schloss sie ihre Augen und begann sich zu drehen – genau wie in jener Nacht, als sie das erste Mal zum Interview mit Caesar Flickermann geladen war. Sie wirbelte für ihre Tochter, so lange, bis sie sich benommen fühlte. Sie atmete schwer.

„Versuch du es.“
 

Zoe klatschte vor Begeisterung in ihre Hände und begann, ihre Mutter zu imitieren. Katniss schloss sich ihr an, bis die beiden sich zusammen drehten.

Dann legte sie dem Mädchen die Hand auf die Schulter.

„Oh, mir wird ganz schwindlig.“

Sie wusste, dass ihr Zopf sich etwas gelöst hatte und ihr Haar nun etwas wirr aussah. Sie fand Zoe, die sie auf einmal entgeistert anstarrte. Katniss kniete sich vor sie hin.

„Alles in Ordnung, Zoe?“, fragte sie.
 

„Da bist du ja, Mama“, wimmerte sie leise.

„Wo warst du?“
 

Sie berührte das Gesicht des Mädchens, ihre Hand zitterte.

„Ich war weg, Zoe…“, sie fühlte sich so schlecht, sie anzulügen. Sie konnte ihren Mut nicht aufbringen um ihr zu sagen, dass sie ging, weil sie es einfach nicht schaffte, ihre Mutter zu sein.

Zoe warf ihre kleinen Arme um Katniss‘ Hals und die Mutter schloss ihre Augen. Sie zog sie an sich und roch an ihrem Haar. Lavendel.

Selbst als Baby hatte sie schon den Duft von Lavendel.

Warum hatte sie dieses wunderbare Kind nur im Stich gelassen?
 

„Bleibst du bei mir?“, fragte das Mädchen.

Bevor Katniss überhaupt darüber nachdenken konnte, drückte sie das Mädchen noch inniger an sich, und wiederholte ebenjene Worte, die ihr einmal so viel bedeutet hatten.

„Immer.“
 

Sie öffnete ihre Augen und sah Peeta, der am Eingang stand.

Er sah nicht glücklich aus. Ganz und gar nicht. Katniss fuhr ein Schauer über den Rücken.
 

„Zoe, warum spielst du nicht hier oben für eine Weile?“, fragte sie das Mädchen und zog sich von ihrer Tochter weg. Es war unglaublich zu denken, dass sie es sich überhaupt erlaubte, sie in Gedanken ihre Tochter zu nennen. „Wir müssen unten miteinander sprechen. Erwachsenengespräche.“

Katniss schenkte ihr noch ein Lächeln, bevor sie Peeta nach draussen folgte.
 

„Nicht hier“, spottete er und nahm ihre Hand, als sie nach unten gingen. Als sie auf der untersten Stufe ankamen, zerrte er die junge Frau auf einmal ins Esszimmer und liess die Tür hinter sich zuknallen. Gale und Johanna, die noch immer im Wohnzimmer sassen, standen sofort auf als sie sahen was vor sich ging.

Katniss rieb sich ihr Handgelenk. Morgen würde sie bestimmt einen blauen Fleck davontragen. Er ging erst auf und ab, versuchte sich in den Griff zu kriegen, ehe er Katniss zornig anfauchte.

„Du hast kein Recht, Zoe so etwas zu sagen!“, begann er entrüstet.

„Ich bin ihre Mutter“, antwortete erhobenen Hauptes, gänzlich unbeeindruckt von seiner Stimmgewalt.

„Nein, bist du nicht!“, machte er weiter. „Du hast dieses Recht verwirkt, in dem Moment, als du aus dieser Tür rausgegangen bist! Zoe war gerademal zwei Wochen alt. Zwei Wochen! Du hast dir nicht einmal die Mühe gemacht zu bleiben, um ihr einen gottverdammten Namen zu geben!“
 

„Es tut mir Leid. Ich hatte Angst!“, antwortete sie ehrlich, ihre Stimme klang nun gar nicht mehr so überzeugt wie zu Anfang.
 

„Angst?“, er lachte und warf seine Hände in die Höhe.

„Angst sagst du? Weisst du überhaupt, was das bedeutet? Angst ist, nicht zu wissen wo die Mutter meines Kindes ist. Angst ist, wenn man versucht, für Zoe Vater und Mutter zu sein. Angst ist, wenn man weiss, dass man Zoe etwas antun könnte, wenn man wieder eine Episode hat. Verstehst du das? Wag es nicht, mir etwas von Angst zu erzählen! Du verstehst noch nicht einmal die Hälfte von dem, was wir beide durchgemacht haben!“

Er drehte sich erzürnt von ihr ab. Er hatte sich vorgenommen, ihr gegenüber nicht aggressiv zu werden, doch es war einfach zu viel für ihn gewesen, Katniss und Zoe zusammen zu sehen.
 

„Ich glaube ich liebe sie“, antwortete Katniss ruhig, beinahe geistesabwesend, mehr zu sich selbst als zu irgendwem anders. Verblüfft drehte er sich nach ihr um. Sie starrte ihm fest in die Augen.

„Ich könnte sie genug lieben, um hier zu bleiben.“
 

Peeta wich ihrem Blick aus und sah für einen Moment zu Boden, ehe er ihre Augen erneut traf. Er wirkte gebrochen, zerstört, mit einem einzigen Hieb ihrer Worte.

„Aber du hast mich nicht genug geliebt, um sie mit mir gross zu ziehen.“

Katniss öffnete ihren Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Der junge Mann war verbittert.
 

„Das dachte ich mir. Sag nichts, was du nicht halten kannst, Katniss.“
 

Gale und Johanna betraten den Raum. Sofort schlang dieser seinen Arm um Katniss. Er hatte genug gehört, der Wortwechsel zwischen den beiden war mehr als nur grausam gewesen.

„Wir gehen jetzt besser.“
 

„Ja, es war… seltsam“, stimmte Johanna ihm zu. „Wir sehen uns morgen. An der Trauerfeier.“
 

Peeta nickte nach einem Moment und seine Gäste gingen. Er blieb in der Tür stehen und sah, wie die drei zu Haymitchs Haus liefen. Katniss drehte sich noch einmal kurz um, um Peeta anzusehen, dann wandte sie sich ab und traute sich nicht, noch einmal Kontakt zu ihm aufzubauen.
 

So endete der erste Tag in Distrikt Zwölf.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2012-05-26T09:30:44+00:00 26.05.2012 11:30
Ich finde deine Story klasse.
Du solltest sie auf fanfiktion.de schreiben
Du würdest bestimmt viel
Erfolg haben.
peeta tut mir irgend wie leid.
Und schreib schnell weiter.
Von: abgemeldet
2012-05-06T13:29:11+00:00 06.05.2012 15:29

Nichts schlecht!
Zuerst dachte ich 'schock' hat Peeta da etwa ein Kind mit einer anderen!?
Aber dann ist es schon irgendwie niedlich :)
Gefällt mir bis dahin, hoffe es kommt noch was nach ;D


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