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Der Medic-nin

von

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Die Hütte im Wald

„Das Labor ist auch leer! Verdammte Drecks-scheiße, der Bengel ist schon wieder ausgeflogen!“

Enttäuscht und mit leicht angewidertem Gesicht blickte sich der Jashinist in der winzigen, spartanisch eingerichteten Holzhütte um.

Es gab nur diesen einen Raum; weder ein Schlafzimmer, noch ein Bad waren vorhanden.

Nur das angrenzende Laboratorium, das um einiges größer war, als die Bruchbude, an der es angebaut war.

Von Ordnung schien der Bewohner dieser windschiefen Behausung nicht viel zu halten.

Der Küchentisch bog sich unter der Last von Blumenkübeln, die allesamt mit vertrocknenden, übel riechenden, und nicht besonders dekorativen Pflanzen bestückt waren.

Mindestens ein Dutzend halbvoller oder leerer Flaschen fristete sein stummes Dasein zwischen den beiden wurmstichigen Stühlen.

Ein geöffneter Schrank offenbarte nebst wüst ineinandergetürmtem Küchengeschirr und lieblos hineingestopften Handtüchern einen Satz blitzblanker Reagenzgläser, Pipetten, Büretten, Trichter und Glaskolben.

Aus der halb geöffneten Türe zum Laboratorium stank es bestialisch nach Essigessenz, ätherischen Ölen und Spiritus.

Hidans Partner Kakuzu öffnete neugierig den maroden Vorratsschrank, und rümpfte die Nase, als ihm ein Laib angeschimmeltes Brot vor die Füße fiel.

Zwischen etlichen, übereinandergestapelten Einmachgläsern mit undefinierbarem Inhalt, und einer Haarbürste in einem Block mit Küchenmessern, krabbelte ein fetter Tausendfüßler; Kakuzu schloss den Schrank rasch wieder, und verpasste frustriert dem verdorbenen Brot einen deftigen Tritt.

Was für ein Loch! Und überall flog vollgekritzeltes Papier herum.

Nicht zu vergessen, die ubiquitären Spinnenweben und vor allem diese vielen, schwarze Hühnerfedern, oder wie-der-Geier-von welchem Vogelbürzel diese nervigen Teile abgefallen waren…

„Igitt. Was für eine verfickte, stinkende Hexenküche.“ motzte Hidan, und schnupperte pikiert an einem Bund Trockenpilze, welches von der Decke baumelte. „Und noch dazu am Arsch der Welt! Wie kann man hier nur freiwillig wohnen?“

Kakuzu runzelte die Stirn, und betrachtete eine Tasse mit abgebrochenem Henkel, die er soeben in dem Kleiderschrank gefunden hatte.

Lumpenschrank hätte es wohl eher getroffen.

Mit spitzen Fingern fischte er den Teebeutel aus dem Ding.

Er war noch warm und feucht. „Ich vermute fast, dass das Bürschlein hier überhaupt nicht wirklich wohnt.“ murmelte er abwesend. „Er ist ein kleiner Waldschrat, Hidan. Der Typ schläft, speist und wäscht unter freiem Himmel. Schau dir an, wie es hier aussieht.“

Er deutete auf das schimmelige Brot zu seinen Füßen. „Das hier ist nur eine Arbeitsstation für den Kerl, kein Zuhause. Er kommt wahrscheinlich nur hierher, um seine Vorräte zu lagern und Tränke zu brauen.“

„Woher willst du das wissen?“ murmelte der Jashinist trotzig. „Warum nimmt er sich kein Zimmer in Yuga? Ist doch total schnuckelig dort. Vielleicht ein bisschen verschlafen und spießig, aber die haben alles,- heiße Weiber, ein gutes Brauhaus, … und die machen in dem einen Restaurant, in dem wir waren, doch echt geile Rindersteaks, oder?“ Er hatte keinen Bock, mit Kakuzu durch diesen gottverdammten Wald zu latschen, um nach diesem schrägen Milchbubi zu suchen.

Der Taki-nin rollte mit den grünen Augen. „Dummkopf! Wer würde diesen Typen schon gerne zum Nachbarn haben? Der Kleine ist nicht viel gesellschaftstauglicher als du, Hidan. Der ist einer, der Giftspinnen neben einem Kindergarten züchtet. Einer, der fröhlich Krötentunnel quer unter dem Marktplatz gräbt. Einer, der die schönsten Hausfassaden der Stadt mit schlecht haftenden Lehmklumpen verschandelt, damit Wildvögel einen Nistplatz bekommen. Yuga hasst den Jungen, selbst wenn er nichts als seinen lebensgefährlichen, gemeinnützigen Job macht. Und er macht ihn gut. Sehr gut sogar. Deswegen will der Leader ihn auch haben. Lass uns versuchen, seiner Chakraspur zu folgen. Wir müssen ihn endlich schnappen. Vielleicht ist er die letzte Chance für den Uchiha.“

Fallobst

Schmale Hände, mit langen Fingern zupften behutsam in schwindelnder Höhe ausgewählte Mistelzweige von der dicken Rinde des riesigen Kaytsal-baums, der wie ein schlanker Segelmast die meisten anderen Baumkronen dieses Waldes überragte.

Die Person, die man in Yuga nur als ‚Doku‘ kannte, ließ ein um das andere Ästchen der parasitäre Heilpflanze, die den ausgedörrten Baum besiedelte, in ihre abgewetzte Sammeltasche wandern.

Der Wind zerrte an dem hellbraun karierten Leinenstoff seines viel zu großen Hemdes, welches mit einem speckigen Ledergürtel um die Taille zusammengehalten wurde.

Derbe, flache, vor Dreck starrende Trekkingstiefel undefinierbarer Ursprungsfarbe suchten Halt auf dem spröden Holz.

Die notdürftigen Flicken im Kniebereich der zerschlissenen Jeanshose scheuerten über borkige Rinde, und begannen, sich langsam aus der dilettantisch eingefädelten Naht zu lösen.

Dokus hochkonzentrierte Mine verwandelte sich plötzlich in ein breites Grinsen.

Er schlang die Beine um einen dicken Ast, und ließ sich kopfüber hinab, wobei ihm fast seine obligatorische Strickmütze vom Haupte gefallen wäre.

Mit der einen Hand zog er sich die giftgrüne Kopfbedeckung sich wieder tiefer in die Stirn, mit der anderen tastete er nach dem dicken Pilzschwamm, den er gerade unter sich entdeckt hatte.

Gerade hatte er ihn fast von dem dünnen Ast, auf dem er wuchs, gelöst, als er sich just von einem markerschütterten Laut so sehr erschrecken ließ, dass er selbst fast den Halt verloren hätte, und in die Tiefe gestürzt wäre.

„Rrrraaah! Rrrraaah! Rrrraaah!“

„…Oh, Mann! Scheiße!“ kam es Doku wenige Augenblicke später rau über die Lippen, als er sich wieder gefangen hatte.

Das Herz schlug ihm noch bis zum Halse, und die Knie zitterten.

Es war ein dicker Rabe gewesen, der lautlos direkt im Geäst über ihm gelandet war, und dann seine durchdringenden Warnrufe in die Welt geschmettert hatte.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Doku von einem Baum gestürzt wäre, und sich aufs Übelste verletzt hätte… Aber aus dieser Höhe würde er wahrscheinlich nicht mehr mit einem gebrochenen Knöchel, einer Platzwunde und einer geprellten Rippe davonkommen…

Finster schielte er zu dem gefiederten Störenfried hinauf, der den Kopf geneigt hatte, und nun mit einem schwarzen Vogelauge abwartend auf ihn herabglotzte.

„Was hast du für ein Problem, Mann?“ knurrte Doku nervös, und stopfte gewaltsam den Pilzschwamm in seine übervolle Tasche. „Brütest du hier, oder was ist los? Ich dachte immer, ihr Raben seid die Lebensform mit der größten Intelligenz hier im Wald.“ - Er räusperte sich - „Abgesehen von mir natürlich... So langsam müsste mich doch deine ganze Sippe kennen, und kapiert haben, dass ich euch nichts-…“

„Rrrraaah!“

Doku zuckte erneut zusammen. Mit einem weiteren, ohrenbetäubenden Schrei erhob sich der imposante schwarze Vogel nun wieder in die Lüfte, drehte zwei, drei hektische Kreise um den Baum, und flatterte von dannen.

„Na also… geht doch… Verrücktes Vieh…“

In Dokus Schläfen begann es unangenehm zu pochen; der Schreck von eben hatte seinen Kreislauf etwas durcheinandergebracht, und schwarze Sterne flimmerten vor seinem Sichtfeld.

Er beschloss spontan, dass er genug Mistelzweige für heute geerntet hatte, und wollte gerade zusehen, dass er wieder festen Boden unter den Füßen bekam, als eine gewaltige Erschütterung, einem Erdbeben gleich, den riesigen Baum erzittern ließ.

Doku, der sich gerade behände und hektisch wie ein eiliges Eichhörnchen die dicken Äste hatte hinunterhangeln wollen, rutschte ab, fasste ins Leere, und bretterte Meter um Meter, Hals über Kopf, den knorrigen Stamm hinab, mitten durch das seitlich heraus wuchernde Gehölz.

Er spürte, wie sich seine Handflächen an der Rinde wund scheuerten, vernahm ein hässliches Knacken, von dem er nicht wusste, ob es berstende Äste oder brechende Knochen waren, und keuchte auf, als endlich ein dicker Seitenast, auf dem er bäuchlings landete, seinen Fall abrupt bremste.

Doku hatte der harte Aufprall den Atem verschlagen, er hustete trocken, und spürte erst jetzt den brennenden Schmerz der zahlreichen Schürfwunden, die er sich während des Falls zugezogen hatte.

Fast sein ganzer Körper fühlte sich an, wie ein einziger, pulsierender Bluterguss, besonders dort, wo die Äste sich durch seine Klamotten gebohrt, und die ungeschützte Haut an Bauch, Schultern und Oberschenkeln aufgeschrammt hatten.

Er stöhnte krächzend auf, und wollte sich an die Stirn fassen, von der es rot und warm auf den weit entfernten Boden tropfte, doch ein Zweig, der den Soff seines Ärmels aufgespießt hatte, hinderte ihn an dieser Bewegung.

Überhaupt befand er sich in einer ziemlich unbequemen Position, kopfüber und völlig verstrickt in das Geäst.

Ein wahnsinniges Lachen ertönte plötzlich tief unter ihm, und als Doku den Hals durchstreckte, erkannte er zwei Gestalten, die am Fuße des Kaytsal-baums standen, und zu ihm hochblickten.

Beide trugen eine Art Uniform, schwarze Mäntel mit weiß umrandeten, roten Wolken.

Der eine, ein junger Mann mit silbernen, nach hinten gegelten Haaren, zerrte an einer dreischneidigen Sense, deren Klingen sich tief in den Baumstamm gegraben hatten.

Sein irrer Blick beunruhigte den Medic-nin.

Es sah von oben so aus, als trüge er purpurfarbenen, schlampig aufgetragenen Lippenstift, doch als er diesen genüsslich von seinem Mundwinkel leckte, und Doku einen weiteren Tropfen seines Blutes dabei beobachten konnte, wie er in die Tiefe fiel, wurde dem Medizingelehrten klar, dass es sich nicht um dekorative Farbe im Gesicht des Mannes gehandelt hatte.

Was, zum Teufel, wollten diese Typen von ihm?!

Waren das vielleicht Auftragskiller aus seiner Heimat Yuga, die vom Dorfoberhaupt den Befehl bekommen hatten, ihn endlich umzulegen, damit er nie wieder die Gelegenheit bekommen würde, irgendwelche seiner unkonventionellen Pläne in die Tat umzusetzen?

Gut, die Giftsumachplage, die er zu verantworten hatte, hatte wirklich nicht zu seinen glorreichsten Aktionen gehört, aber ihm dafür gleich Kopfgeldjäger auf den Hals zu hetzen?

Doku wusste ja, dass er nicht besonders beliebt in Yuga war, aber hey,- er war immerhin der einzige Bewohner mit medizinischen Kenntnissen, und er hatte seinen Job bisher immer…

Plötzliche Übelkeit machte sich in Dokus Magengegend breit. Er schloss ächzend die Augen.

Und schon wieder dieses irrsinnige Gelächter von dem Sensen-Typen, das sich in seinen Verstand fraß, und ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

„Mann, Kakuzu; der Knirps macht ja jetzt schon schlapp! Scheiße, ich dachte, der hätte ein bisschen was auf dem Kasten! Wo bleibt denn da die Herausforderung? Ey, Kleiner! Kommst du jetzt freiwillig runter, oder soll ich dich kommen, und dich pflücken?“

Die Sense wurde aus dem berstenden Holz gerissen und ein zweites Mal zum Schlag angesetzt.

„Lass das, Hidan!“ vernahm Doku eine tiefe, knarzige Stimme. „Wir brauchen ihn möglichst unversehrt. Wenn dieser Baum niederfällt, und den Hänfling unter sich begräbt, wird nicht mehr viel Nützliches von ihm übrig bleiben.“

Hidan winkte lässig ab. „Quatsch, Unkraut vergeht nicht so schnell. Lass mir doch nur einmal meinen Spaß, Frankenstein!“

„Ich gebe dir gleich Spaß, wenn du nicht sofort deine verdammte Sense weg steckst!“ donnerte es ungehalten zurück.

„Lass mich raten,- sonst übernimmst du hocherfreut diese Aufgabe, steckst du sie mir sonst-wo-rein?“

„Halt die Fresse, du Schwachkopf! Oder denkst du vielleicht, dass es den Leader amüsieren wird, wenn wir ohne den Bengel zurück kommen? Oh, ich vergaß – du kannst ja nicht denken. Aber vielleicht ist dieser Spargeltarzan da oben die letzte Hoffnung für den Uchiha. Wenn er versagen sollte, kannst du dich immer noch mit ihm… beschäftigen…“

Doku überlief bei den letzten Worten ein kalter Schauder, und hob ermattet die schwer gewordenen Lider.

Er sah noch, wie sich faszinierende schwarze Fäden schlangengleich den gesplitterten Baumstamm emporschlängelten; geradewegs auf ihn zu…

Hoch über ihm ließ der Rabe noch einmal seinen warnenden Schrei erklingen, dann wurde es endgültig schwarz vor Dokus Augen.

Gefangennahme

„Sieh mal, Kakuzu. Die dicken Bandagen um den Brustkorb… Hehe, sieht aus, als wäre der Typ schon öfter so derb auf die Fresse geflogen!“

„Du sollst lediglich nachsehen, ob er ernsthaft verletzt ist, und nicht so dämlich an ihm herumfingern, du Aas. Er ist noch halb ein Kind.“

„Wen stört´s?“

„Pff. Mich nicht. Meinetwegen kannst du mit ihm machen, was du willst, du kranker Perversling. Aber bitte sehr erst dann, wenn dir Pein grünes Licht gibt. Wir brauchen den Knirps noch, und zwar in psychisch und physisch halbwegs guter Verfassung.“

„Und das ist er deiner Meinung nach ?! Muhahaharr! Schau dir den Typen doch an. Denk allein mal zurück, an seine zugesiffte ‚Wohnung‘ mit der Schimmelfarm! Als ob der jemals alle Tassen im Schrank gehabt hätte…“

„…was man von dir natürlich bedenkenlos behaupten könnte…“

„…geschweige denn, was seine körperliche Verfassung anbelangt…“ fuhr Hidan unbeirrt fort, und piekste dem bewusstlosen Doku fast mitleidig mit dem Zeigefinger in den flachen Bauch, „Was für ein erbärmliches Weichei! Keine Muskeln, kein Speck,- der Zwerg hat gar nichts auf den verknacksten Rippen. Ha! Und erst dieses weibische Babyface! Der Kleine sieht auf wie ein gezuckertes Schwuchtel-schnittchen... Fuck!“

Völlig unerwartet war Doku plötzlich mit einem Ruck hochgefahren.

Seine vor Schreck geweiteten Augen schienen Hidan aufzuspießen, und dem Jashinisten verschlug es tatsächlich für einen Moment die Sprache bei diesem fremdartigen Anblick.

Geistesgegenwärtig ergriff Kakuzu Dokus Handgelenke, pinnte sie über seinem Kopf auf den klammen Waldboden, und setzte sich auf seine Oberschenkel, bevor der Junge noch auf dumme Ideen kommen konnte.

Doku fauchte, und wand sich wie eine Schlange unter dem Taki-nin, der unweigerlich über dieses merkwürdige Bild, welches ihm geboten wurde, grinsen musste.

„Scheiße…“ gluckste Hidan, und beugte sich grinsend über ihren Gefangenen. „Was bist du denn für eine niedliche, kleine Missgeburt? Hey, Kakuzu; mit wem, findest du, hat unser Pussy-Kätzchen hier Ähnlichkeit? Hä?“

„Keine Ahnung… mit deiner Mutter…?“ kam es gelangweilt von dem Finanzier.

Das, was er da gerade sah, hatte irgendwie mit überhaupt nichts Ähnlichkeit, was er bisher in seinem langen Leben zu Gesicht bekommen hatte.

„Ich wusste gar nicht, dass du so witzig sein kannst… Na, mit Orochimaru, du dementer Flickenteppich!“

„Zügele deine Zunge, oder ich stopf dir dein unverschämtes Maul!“

„Oh, la la… womit denn, mein Hübscher?“ zirpte der Jashinist provokativ.

Kakuzu schüttelte resignierend den Kopf, schnarrte irgendein ordinäres Schimpfwort, und ließ es auf sich beruhen.

Solche ‚Diskussionen‘ mit Hidan führten ab einem bestimmten Punkt ohnehin zu nichts, außer ziemlich blutrünstigen Enden.

Kopfschüttelnd warf er einen Blick auf Doku, der verzweifelt versuchte, sich aus seinem eisernen Griff zu befreien.

„Lassen Sie mich los! Was wollen Sie überhaupt von mir, hä?“ krächzte die halbe Portion mit brüchiger, nicht besonders tiefer Stimme.

Er schien tatsächlich noch ziemlich grün hinter den Ohren zu sein.

Kakuzu legte den Kopf schief, und starrte skeptisch auf Doku hinab.

Er fand nicht, dass der Zwerg unter ihm Ähnlichkeiten zu dem Herrn der Schlangen aufwies.

Der Kleine war etwas blass, aber nicht so kreidebleich wie der berüchtigte Sannin.

Unter dem leicht hochgerutschten Saum der grünen Wollmütze ließ sich zwar ein ebenso dunkler Haaransatz erkennen, aber seine Züge waren keineswegs maskulin, hart und kantig, wie die des Gründers Otogakures.

Aber vielleicht hatte Hidan mit seiner Behauptung doch nicht völlig daneben gelegen.

Diese Augen…

Kakuzu brauchte zwei Sekunden, bis er registrierte, was mit ihnen nicht stimmte.

Er zog die Stirn in Falten, und beugte sich tiefer über seinen Gefangenen.

Man sah tatsächlich nichts Weißes, nur die großen, blaugrünen Iriden.

Und wie bei Orochimaru wurden diese durch senkrecht geschlitzte Pupillen geteilt, was ihnen diesen typischen, seltsam raubtierhaften Ausdruck verlieh.

Der stechende Blick des Hänflings wollte so gar nicht zu seinem femininen Gesicht und der androgynen, fast zerbrechlichen Erscheinung passen.

Wahrscheinlich wirkte der Knabe deshalb eher komisch als respekteinflößend.

Aber es waren nicht nur die Augen, die Kakuzu stutzen ließen…

Doku begann, noch verzweifelter zu zappeln, als er Kakuzus vermummtes Gesicht immer näher kommen sah.

Auch ihn irritierte das, was er da vor sich hatte, aber in seine Faszination mischte sich vor allem ein Gefühl.

Panik.

Unheimliche Stoffbahnen, die ein dunkles, versteinert wirkendes Gesicht, fast vollkommen verhüllten.

Zwischen den Leinen diese smaragdfarbenen, rotgeränderten, kalten Seelenspiegel…

Er wirkte so leblos.

„Was, zum Teufel ist das…?“

…Und diese Stimme, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ…

Ein plötzlicher, explodierender Schmerz in seinen Handgelenken ließ Doku aufkeuchen, als Kakuzu unvermittelt seinen Griff um sie verfestigte.

Es knackte hörbar, und Kakuzu nutzte die Gelegenheit, um Doku zwei Finger zwischen die Lippen zu schieben.

Doku begriff, was sein Peiniger vorhatte, und presste fest die Kiefer zusammen, und versuchte, den Mund wieder zu schließen.

Doch Kakuzu ging mit einer solch unnachgiebigen Gewalt vor, dass Doku sich schließlich zum Nachgeben gezwungen sah, wollte er nicht riskieren, einen oder mehrere Zähne zu verlieren… insbesondere einen von den ganz Speziellen…

Er lockerte seinen Kiefer, ließ es zu, dass Kakuzu seine Lippen auseinanderzwang.

„Hab ich mich doch nicht verguckt…“ grunzte Kakuzu schließlich zufrieden.

Er schien tatsächlich eine sadistische Befriedigung bei dem Unterfangen zu verspüren. „Sieh dir das an, Hidan!“

„Schöne, gepflegte Zähne… vielleicht ein bisschen groß… und ein wenig schief.“

„Ja, fällt dir denn sonst nichts auf, oberflächlicher Idiot?!“

„… ein Vampirgebiss eben, genau wie der verfickte Oto-fuzzy! Wie ich gerade schon sagte…“

„Was laberst du für einen Müll? Wenn der Kerl solch auffällige Hauer gehabt hätte, wär mir das sicher nicht entgangen.“

„Sicher? Tja, in deinem Alter lässt das Sehvermögen bekanntlich schon mal nach… Unter anderem…“

„Ich zeigt dir gleich, …“

Doku schenkte dem gehässigen kleinen Wortgefecht der beiden kaum Beachtung.

Kakuzu hatte den Griff um seine Handgelenke wieder ein wenig gelockert… vielleicht gelang es ihm ja, sich ganz aus ihm zu winden?

Sein Körper war gespannt, wie eine Sprungfeder.

Doch seine zaghaften Versuche blieben vergebens.

Zu sehr schmerzten die geschundenen Knöchel, und zu stramm hatten sich die Klauen des Hünen um seine schmalen Gelenke geschlossen.

Er spürte, wie sein rechtes, unteres Augenlid vor Nervosität zuckte, während sich die beiden Kontrahenten über ihm weiter anbrüllten.

Doku begann zu zittern.

Er begann zu befürchten, nicht mehr lebendig aus dieser Affäre herauszukommen…

Die rechte Hand des Vermummten hielt sein Kinn fest umklammert, sein Daumen drückte unangenehm auf seinen Mundwinkel; er könnte es doch riskieren, einfach zuzubeißen, und sein Gift in die Blutbahn dieses Mannes zu jagen…

Aber was dann?

Selbst wenn ihm das Glück hold sein sollte, und der Maskierte bestenfalls selig sabbernd ins Land der Träume abdriften würde – sein wahnsinniger Partner würde nur wenige Sekunden später dafür sorgen, dass Doku die Radieschen von unten wachsen sehen konnte… da war er sich sicher!

„Ist ja jetzt auch scheißegal!“ knurrte Kakuzu seinem Partner schließlich entgegen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Der Bengel ist wach, und so, wie er sich wehrt, scheint er nicht sonderlich lädiert zu sein. Er soll sein Zeug zusammenpacken, und dann…“

Kakuzu verengte seine Augen plötzlich zu schrecklichen, grünen Schlitzen. „Sag mal, Kleiner, wie alt bist du überhaupt?“

Doku presste die Lippen aufeinander und schwieg trotzig.

Prompt kassierte er eine derbe Ohrfeige von dem Vermummten. „Ich hab dich was gefragt!“

„…Ähm… neunzehn…“ log Doku dann schließlich. Er war sich in diesem Moment nicht einmal sicher, ob es wirklich vorteilhaft war, sich als fast ein Jahrzehnt jünger auszugeben, aber was sollte er tun?

Doku zwang die Tränen, die seine Augen füllen wollten, zum Versiegen. Seine Wange brannte…

Was hatten diese Gestalten nur mit ihm vor?

Kakuzu tauschte einen verunsicherten Blick mit Hidan.

Man hatte sie geschickt, um nach einem ‚ seltsamen, aber hochbegabten jungen Heiler‘ zu suchen, der ‚abseits des verschlafenen Dörfchens Yuga‘ in einer ‚bescheidenen Hütte‘ hauste, und sich ‚von früh bis spät in der Wildnis herumtrieb, um Ausgangsstoffe für seine außergewöhnlichen Arzneien zu suchen‘.

Tja, und diese Angaben hatten sie nun zu diesem husky-äugigen Winzling geführt.

Aber… war er auch der, den sie suchten?

„Bist du Yugas Medic-nin?“ wollte Kakuzu dann wissen.

Doku schüttelte langsam den Kopf.

Hidan warf den Kopf in den Nacken, und schickte sein hysterisches Lachen in den Himmel.

Kakuzu packte Doku hart am Kragen, und riss ihn zu sich heran, so dass sich ihre Nasen fast berührten.

„Lüg nicht…“ schnarrte er gefährlich leise, und beobachtete mit Genugtuung, wie sich Dokus Pupillen vor Erregung zusammenzogen, bis sie nur noch schmale, schwarze Striche waren.

„Ich… ich habe nicht gelogen…“ brachte Doku schließlich hervor. „Yuga hat keinen Medic-nin mehr. Er ist vor einigen Jahren verstorben. Und ich… ich habe noch nie eine Ninja-Akademie von innen gesehen. Aber…“

„Was, aber?“ bellte Kakuzu ihm ungeduldig entgegen.

„Ich... versorge Yuga mit Arzneimitteln. Und… ich sehe auch ab und an nach den Kranken…“

„Gibt es in der Umgebung sonst noch jemanden, der das tut?“

„Nein, ganz sicher nicht. Sonst wäre ich überhaupt nicht mehr hier…“

„Na dann…“Hidan rappelte sich auf, stemmte die Hände in die Hüften, und blickte triumphierend auf ihn hinab. „Dann bist du wahrscheinlich tatsächlich der, nach dem wir gesucht haben! Nicht zu fassen… Egal. Wir werden ab heute deine Dienste in Anspruch nehmen, Süßer. Du kommst mit zu uns, und kümmerst dich um einen Kollegen. Und wenn du dich weigerst, dann kümmern wir uns um dich.“

Doku schluckte schwer.

„Keine Sorge, wenn du tatsächlich so gut bist, wie man sagt, dann krümmt man dir kein Haar. Vielleicht gefällt es dir sogar bei uns. Du wirst dich wie zu Hause fühlen, umgeben von Tunten, Monstern und Geistesgestörten…“

„Schließ nicht immer von dir auf andere, Hidan…“ schnarrte Kakuzu süffisant, und zerrte Doku wie beiläufig hoch. Er packte ihn von hinten mit einer Hand um den Nacken, und drängte ihn vorwärts.

„Jetzt geht es erst einmal zurück, in deine Drecksbude. Wahrscheinlich musst du einige Geräte und Substanzen von dir mitnehmen. Ich bezweifele, dass Sasori über alle Mittel verfügt, ein Heilmittel für Itachi herzustellen.“

„Ein Heilmittel,- wofür?“ wagte Doku schließlich zu fragen.

„Du redest ab jetzt nur, wenn du gefragt wirst!“ bestimmte der Grünäugige.

„Aber…-„

„Klappe halten!“ brüllte Kakuzu, und ein paar Vögel stoben aus dem Unterholz auf. „Los. Wird’s bald?“

Grob stieß er den Jungen vor sich her, und Hidan folgte ihnen in einigem Abstand, ein fröhliches Liedchen vor sich hersummend…

Siffbude

„Mann, Mann, Mann, was bist du bloß für eine Schlampe…“ säuselte Hidan, als er Doku mit verschränkten Armen dabei beobachtete, wie er ein paar zusammengeknüllte Wäschestücke aus dem mottenbesiedelten Schrank in seinen Rucksack stopfte. „Hat dich deine Mutter keine Zucht und Ordnung gelehrt?“

Doku würdigte den Jashinisten, der lässig an der Wand lehnte, keines Blickes.

„Ey, ich rede mit dir, Schwuchtel!“

„…Ich hatte nie eine Mutter, die mir so etwas hätte beibringen können.“ erwiderte Doku schließlich gelassen. „Die einzige richtige Mutter, die ich jemals hatte, hat mir zum Beweis ihrer Fürsorge jede Menge rohen Fisch in den Hals gereihert, anstatt ihn selbst zu fressen, und sich die eigenen Federn ausgerissen, um uns ein warmes Nachtlager zu bereiten. Stellt Sie diese Antwort zufrieden?“

„Ich wusste gleich, dass du ein abgefuckter Freak bist…“ schnurrte Hidan genüsslich.

Kakuzu, der gerade damit beschäftigt war, sich Dokus Aufzeichnungen anzusehen, drehte sich zu den beiden um.

Er musterte Doku von oben bis unten.

Der Kleine schien weder Fisch noch Fleisch, wirkte weder erwachsen, noch wirklich kindlich, und seine Erscheinung allein erlaubte keinen eindeutigen Schluss auf sein Geschlecht.

Erst jetzt fiel Kakuzu auf, dass seine Augen im Halbdunkel seiner schäbigen Hütte das Restlicht reflektierten. Grünliche Fluoreszenz tauchten die Iriden des Knirpses in ein eigenartiges, kaltes Glühen. Was für eine fremdartig anmutende Gestalt…

„Woher kommen deine Eltern eigentlich,- aus Yuga?“ fragte er neugierig.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich eher nicht.“ erwiderte Doku kurz angebunden. Seine Stimme klang fest, beinahe selbstbewusst. Kakuzu grinste. Gerade hatte der Dreikäsehoch noch gezittert, wie Espenlaub. Nun wollte er sich anscheinend keine weitere Blöße geben, und den abgebrühten Typen mimen…

Gelang ihm aber nicht wirklich…

„Ah, eine Promenadenmischung ohne Stammbaum, also. Wie sympathisch… Und bei wem bist du dann aufgewachsen?“

„Bei einer Kormoranfamilie.“

Wollte der Knirps nun austesten, wo bei Kakuzu die Grenzen der Geduld lagen? „Quatsch nicht… Wasservögel ziehen keine… Menschen… groß.“

„Dazu kam es auch leider nicht. Ein Fischer hat mich gefunden, aus dem Nest geholt, und dann ins Waisenhaus von Yuga gebracht..“

„Aha… Nun gut… Und dann?“

„…Wurde ich flügge, habe mich hier niedergelassen, wo es mir bedeutend besser gefiel, und mir mein eigenes Zuhause zusammengezimmert.“

„Ja. Sehr beeindruckend… Nun lass dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen!“ ärgerte sich Kakuzu. „Erzähl mal was über deine Karriere als Medic-nin!“

Doku seufzte, und warf eine Handvoll Socken in seine Tasche. Es sah nicht so aus, als würde nur eine einzige davon zu der anderen passen. „Ich sagte doch schon,- ich habe keine Ninja-Ausbildung. Und außerdem dachte ich, ich sollte nicht so viel reden, und wir hätten ohnehin zu wenig Zeit?“ kam es ein wenig flapsig von seinen Lippen. Ein wenig ZU flapsig.

Doku zuckte zusammen, als eine Kaffetasse dicht neben seinem Kopf an der Wand zerschellte.

Hidan lachte meckernd. Kakuzu hingegen schien überhaupt nicht amüsiert.

„Ich warne dich, treib es nicht zu weit. Du bist nicht in der Position, Spielchen zu spielen, Junge… Überleg dir gut, ob du es mit mir verscherzen willst.“

„Uuuuh…“ flötete Hidan, und klimperte mit den Wimpern. „Pass lieber auf deinen süßen Knackarsch auf, Kleiner,- ich glaube, Kuzu-Chan interessiert sich für dich. Er will, dass du ein bisschen NETTER zu ihm bist... Das verlangt er von mir auch immer, bevor er über mich herfällt, wie ein Tier!“

Dokus Augen weiteten sich vor Entsetzen.

„Hör nicht auf den Dummschwätzer. Der kann nicht anders.“ knurrte ‚Kuzu-Chan‘ mit herablassender Arroganz. „Warum hat man dich auf der Akademie nicht gewollt? Yuga bildet kaum Ninjas aus,- die müssten doch über jeden Nachwuchs, der ihrer Streitmacht den Rücken stärkt, erfreut sein! Sogar über einen Sonderling wie dich…“

Doku zuckte fahrig mit den Schultern, und packte hektisch seine Unterwäsche ein. „Hm… Äh… Tja… Nö. War mir sowieso egal. Wofür muss ich zum Beispiel einen Schattendoppelgänger erschaffen können, wenn ich nur Arzneimittel herstellen will?“ Er lachte nervös. Es klang nicht echt. „Na, ja. Die Fertigkeiten, die ich dafür brauche, habe ich mir selbst angeeignet. Durch Experimente, Selbstversuche, und mithilfe von Bergen von Fachliteratur. Selbst ist… der Mann, nicht? Ich brauche niemanden, der mir beibringt, wie man kämpft, und ich brauche kein Stirnband mit dem Symbol des Dorfes. Obwohl es vielleicht einen erstklassigen Knieschoner abgegeben hätte… Krankheiten heilen kann ich auch sehr gut ohne einen Ninja-Rang.“

„Hört, hört… Und, wie läuft das Geschäft so?“ hakte Kakuzu hellhörig nach. „Wenn du echt so gut bist, wie man sagt, müsstest du ja schon ordentlich was auf der hohen Kante haben, oder?!“

„Ich nehme nicht von jedem Patienten Geld an. Manche beispielsweise bieten mir als Gegenleistung an, meine Wäsche zu waschen, oder erlauben mir, mich von ihren Erntefeldern zu bedienen.“

Hidan blickte skeptisch grinsend an der zierlichen Gestalt hinab, die in ziemlich verdreckten und ausgefransten Klamotten vor ihm hockte, und seinen abgewetzten Rucksack packte, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. „Du siehst nicht aus, als würdest du auch nur von einer dieser beiden Möglichkeiten Gebrauch machen…“

Doku ging nicht auf diese gehässige Bemerkung ein, und fuhr fort. „Und wieder andere Personen behandele ich völlig umsonst. Das, was ich an Lohn bekomme, geht meist ohnehin vollkommen für neue Geräte und Grundsubstanzen drauf, die ich nicht selbst herstellen kann. Alles andere, was ich brauche, gibt mir der Wald, der Fluss, das Gebirge und das Meer.“

Kakuzu schüttelte verständnislos den Kopf; was für ein idealistischer Trottel...

„Ach du Scheiße, ein Öko-Hippie-Greenpeace-Flachwichser…“ sprach Hidan laut aus, was beide dachten, und verdrehte die Augen. „Lass dir ruhig mehr Zeit mit dem Packen. So ein Vogel wie du bekommt sowieso keinen störenden Besuch…“

Doku blickte nüchtern in die Runde und schulterte seine Tasche. „Ich habe meine persönlichen Sachen fertig gepackt.“

Kakuzu musterte den kleinen Rucksack. „Viel ist es ja nicht. Nun gut. Und was musst du mitnehmen, um das Arzneimittel für unseren Kollegen herstellen zu können? Überlege gut, denn ich kann dir nicht sagen, wann und ob du deine Bruchbude jemals wieder sehen wirst.“

Doku sog scharf die Luft ein, und zwang sich zur Ruhe. „Tja. Solange ich nicht weiß, an welcher Krankheit der Herr leidet, würde ich sagen – das ganze Labor!“

„Wenn wir wüssten, was der Typ hat, hätten wir den langen Weg zu dir nicht auf uns genommen, sondern irgendeinen beschissenen Medic-Nin aus der Umgebung gekidnapped.“ schnarrte Kakuzu. „Und im Übrigen: Falls du es noch nicht wusstest: Du erlebst mich gerade verhältnismäßig gut gelaunt. Fordere dein Glück nicht heraus. Den schnippischen Unterton solltest du dir lieber sparen…“

„Verzeihen Sie.“ räumte der Jüngere schnell ein. „Aber es wäre wirklich vorteilhafter gewesen, wenn Ihr Kollege zu MIR gekommen wäre. Und überhaupt… warum werde ich überhaupt überfallen und bedroht? Sie hätten mich auch einfach FRAGEN können, ob ich Ihren Kameraden behandeln würde,- ich wäre ohne zu zögern mitgekommen, und hätte Ihnen geholfen, ohne etwas dafür zu verlangen!“

Keine zwei Sekunden später befand sich Dokus Kehle im eisernen Griff von Kakuzus Händen.

Hart wurde er mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt, so dass der Putz abbröckelte.

Kakuzu lehnte sich langsam, ganz langsam zu ihm vor, während der deutlich Kleinere erstickt nach Luft rang.

„Jetzt hör mir mal ganz genau zu, Winzling. Du wirst nicht lange genug leben, um es ein zweites Mal von mir zu vernehmen.“

Der Taki nin kam mit seinem verhüllten Mund gefährlich nahe an Dokus Gesicht, und der Junge konnte die Wärme seines Atems noch durch die Bandagen und durch den Baumwollstoff seiner eigenen, grünen Mütze an seinem Ohr spüren, als der Ältere im die Worte zuraunte:

„Du scheinst nicht zu wissen, wen du vor dir hast. Aber Unwissen schützt vor Strafe nicht. Wir sind die, die nicht nach etwas fragen zu brauchen. Wir nehmen uns einfach das, was wir wollen. Wir sind die, die keinen Regeln folgen. Wir machen die Regeln. Und wir sind die, die dich, ohne mit der Wimper zu zucken, kalt machen, wenn du rumzickst, unsere Erwartungen enttäuschst, oder uns schlicht und ergreifend zu sehr auf den Senkel fällst.“

Abrupt entließ der den jungen Mediziner aus seinem Würgegriff, und der Katzenäugige rutschte japsend an der Wand herab.

Wie der Estrich an der Wand war auch seine gesammelt wirkende Fassade völlig zerbröckelt.

Der Junge zitterte, seine Zähne klapperten aufeeinander; und plötzlich schlug er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Mund, als hätte er sich versehentlich auf die Zunge gebissen.

Dann wurde er plötzlich ganz still, und starrte nachdenklich ins Leere.

„Ich hoffe, wir haben uns verstanden!“ bellte Kakuzu ihm noch entgegen, bevor er sich umdrehte, und voran, Richtung Labor stapfte. „Und jetzt hoch mit dir. Es wird Zeit, deine Hexenküche auszusortieren. Na, los. Wird´s bald!“

„Ähm, Kakuzu… Ich glaube, dein Mundgeruch hat den Kleinen ins Koma versetzt…“ machte sich Hidan bemerkbar, der das Schauspiel bisher mit amüsierter Faszination verfolgt hatte.

„…Was? Soll das ein Scherz sein?“

„Nö. Der Zwerg ist eingepennt. Oder er fand deine Rede vielleicht einfach zu öde… Vielleicht ist er auch spontan gestorben…“

„Was zum…“

Kakuzu hatte auf dem Absatz kehrt gemacht, und zerrte das Fliegengewicht einhändig am Kragen hoch. An seinem schlanken Hals sah man noch die roten Abdrücke seiner Hände. Hatte er dem Hänfling vielleicht doch zu hart zugesetzt?

Aber er schien noch zu leben, denn Kakuzu konnte seinen Herz so deutlich und so schnell pulsierend schlagen spüren, als flatterte ein großer, wilder Vogel unter seinem Hemd.

Er verpasste ihm eine Ohrfeige, worauf der Junge kurz seine Augen öffnete.

Kalter Schweiß glänzte auf seiner Stirn.

Seine Pupillen waren riesige, schwarze Seen.

Er nuschelte etwas zusammenhangloses, dann leckte er sich mit der gespaltenen Zunge über die blassen Lippen.

Eine dünne Blutspur zog eine schmale, rote Linie über die fahle Haut.

Und zum zweiten Male an diesem Tage flüchtete sich der Junge in eine Ohnmacht.

„Na, wunderbar.“ maulte Hidan gelangweilt. „Dornröschen, Teil zwei… Hat der Bengel die Fallsucht, oder was?“

„Er hat eine kleine, aber tiefe Wunde auf der Zunge. Blutet aber kaum.“ murmelte Kakuzu abwesend. Er bette den Bewusstlosen notdürftig auf den Boden, und betrat etwas ratlos das Laboratorium.

Es war überraschend sauber und ordentlich in diesem Raum, der viel größer war, als die verdreckte Wohnstube.

Doch was sollte man aus diesem Wust an Standgefäßen, Einmachgläsern, Geräten und Instrumenten mitnehmen? Kakuzus Blick fiel auf eine kleine Tasche.

Es schien eine Art Notfallkoffer zu sein. Spritzen, ein paar Lösungen und Pillen flogen dort herum, Skalpelle und Verbandszeug, sowie einige wohlbekannte, obligatorische Geräte zur Untersuchung eines Patienten.

Damit konnte man schon mal nichts falsch machen. Sollte der Knirps, insofern er bald wieder erwachte, den Uchiha zu Gesicht bekommen, und eine Diagnose stellen, konnte man immer noch Zetsu und Sasori schicken, um die erforderlichen Gegenstände ins Hauptquartier zu schaffen.

Er griff nach der Tasche, und kehrte zu seinem Partner zurück, der sich inzwischen grinsend neugierig über den komatösen Bengel gebeugt hatte. „Schau mal, was ich zwischen der Wäsche gefunden habe!“

Er winkte seinem Kollegen mit einem blaukarierten BH entgegen. „Entweder ist der Milchbubi doch nicht schwul, oder er ist ne Transe… Egal, ob das Teilchen ihm gehört oder seiner Trulla – Geschmack hat keiner von beiden.“

„Schmeiß das Ding weg, und lass uns von hier verschwinden.“

„Von mir aus. Du nimmst den Rucksack, und ich trage den Pimpf?“

„Wenn es dich glücklich macht…“

Hidan grinste zur Antwort, lud sich den schmächtigen Doku auf die Schultern, und schlug mit der flachen Hand auf seinen Hintern. „Yeeee-hah! Auf geht´s! Bloß raus aus diesem Siff! Wenn ich so was, wie DAS hier sehe, weiß ich erst unser Hauptquartier richtig zu schätzen!“

Unterweisung

Als Doku mit brummendem Schädel auf einer unbequemen Liege erwachte, wusste er zunächst nicht, wo er sich befand. Sein noch wirrer, angestrengter Blick verfing sich unfokussiert an den nackten Wänden des Raumes, der wirkte, als sei er aus grobem Tuffstein herausgeschlagen worden.

Er vernahm das Plätschern von Wasser, welches glockenklar in dem höhlenartigen, kühlen Gemäuer wiederhallte.

Der Geschmack von geronnenem Blut erfüllte seinen trockenen Mund, und seine Glieder schmerzten nun unausblendbar heftig von den Blessuren, die er sich bei dem Sturz von dem hohen Baum zugezogen hatte…

Ach ja… der Sturz… der Sturz aus zwanzig Metern Tiefe, den er diesen beiden seltsamen Gestalten zum Vorwurf machen konnte, die ihn dazu genötigt hatten, … -

„Er wacht auf.“

Ein Schemen schob sich in Dokus Blickfeld, und nach einigem Blinzeln erkannte Doku das makellos schöne Antlitz einer jungen Frau.

Sie trug einen ihm seltsam vertraut vorkommendes Kleidungsstück; schwarz, mit roten Wolken. Wo hatte er das gleich noch mal gesehen?

Kühl blickende, Bernsteinfarbene Augen musterten ihn mit einer solch durchdringenden Intensität, dass ihm das Blut in den Kopf schoss.

Unwillkürlich schnellte seine Hand in die Höhe, wobei ein heftiges Stechen seinen linken Oberarm durchzuckte, und seine zittrigen Finger tasteten nach seiner Mütze.

Vergeblich.

Er fühlte keinen weichen, verhüllenden Baumwollstoff, sondern die störrische Widerborstigkeit seiner dunklen Federn, die anstelle von Haaren in wild aussehender Manier seinen Kopf bedeckten. An seiner Stirn, kurz unter dem Federansatz, schien ein schmaler Verband zu sitzen, unter dem es unangenehm pochte, als er ihn berührte.

„Verzeihung. Es war notwendig, dir einen Teil deiner Kleidung zu entfernen, um deine Wunden zu versorgen.“ erklärte die bildschöne Frau sachlich, woraus Dokus erdbeerfarbene Schamesröte abrupt in den blutleeren, fahlen Ton der Panik ausblich.

Mit weit aufgerissenen Augen ließ er die linke Hand zu dem Bund seiner Hose schnellen, die rechte Hand suchte nach den Bandagen um seinen Brustkorb.

Aufatmend stellte er fest, dass sich beides noch an Ort und Stelle befand, was Konan ein kaum erkennbares Lächeln entlockte.

„Wahrscheinlich kannst du selbst am besten beurteilen, was dir fehlt, und dich selbst professioneller verarzten, als ich es vermag. Ich habe bisher nur deine Wunden an Armen und Beinen ausgewaschen, und sie verbunden. Die Bandagen um deinen Oberkörper habe ich vorsichtshalber nicht entfernt. Sie sind noch relativ sauber und sitzen tadellos. Obwohl ich fürchte dass du dir vielleicht mehr als diese eine Rippe geprellt haben könntest.“

Die hübsche Blauhaarige tippte Doku mit einer kühlen Fingerspitze vorsichtig an die unterste Rippe der linken Seite, und der junge Mediziner zuckte zusammen.

Konan musterte ihn ruhig mit undeutbarem, nüchternem Blick.

„Du hast im Schlaf gelacht.“ fuhr sie fort. „Und wirres Zeug geredet. Kakuzu berichtete, dass du von einem Baum hinunter gestürzt bist. Ich hoffe, dass du keine inneren Verletzungen erlitten hast. Vielleicht kann man eine leichte Gehirnerschütterung nicht ausschließen. Hidan meinte, du hättest dir, womöglich mit Absicht, auf die Zunge gebissen, bevor du zum zweiten Mal bewusstlos wurdest.“

Schon wieder spürte Doku die Hitze in seine Ohren steigen, und versuchte, sich aus seiner liegenden Position aufzurichten.

"Was... habe ich denn erzählt?" nuschelte er fahrig.

"Nichts als zusammenhanglose Worte." war die einsilbige Antwort. Etwas Staub rieselte von der Decke, und Konan hob den Blick. "Bring ihn zum Leader, Zetsu."

"Mit dem größten Vergnügen."

Der unheimlichen Stimme, die plötzlich von oben ertönt war, folgte ein Geräusch wie von aufbrechendem Erdboden.

Doku sprang alarmiert von der Bahre hoch, und konnte gerade noch erkennen, wie etwas aus der Decke auf ihn zu geschossen kam; etwas, das aussah, wie zwei erdverkrustete, armdicke Wurzeln...

Dann packte es ihn, und Doku schrie vor Schmerz und Überraschung auf, als die Wurzel-hände, die so hart schienen wie der Stein, aus denen sie entsprungen waren, seine geschundenen Oberarme umklammerten.

Durch einen Schleier aus herabrieselnden Erdbröckchen hörte Doku die Stimme der jungen Frau, diesmal streng und schneidend. "Bitte etwas weniger grob, Zetsu! Der Junge ist verletzt!"

Doku starrte mit offenem Mund nach oben, ungeachtet der Tatsache, dass ihm bald Sandkörnchen und Staub zwischen den Zähnen knirschen würden.

Über ihm hatte sich ein Gesicht aus dem steinernen Klumpen hervorgehoben.

Oder waren es zwei?

Die eine Hälfte hatte feine, beinahe schön anmutende Züge. Es war jedoch bleich, wie der Halbmond in einer kalten Winternacht. Ein gelbes Auge blickte mit einer Mischung aus Amüsement und arroganter Gnädigkeit auf ihn hinab.

Die andere Hälfte konnte man nicht einmal eindeutig als Gesicht identifizieren. Sie war vollkommen schwarz, man konnte keinerlei Mimik erkennen, wenn man von der grauenhaft verzerrten Mundhälfte absah, welche zu einem gierigen Grinsen verzerrt war. Scharfe Zähne blitzen gefährlich aus der Dunkelheit. Und ein gelbes Raubtierauge funkelte pupillenlos und unmenschlich aus dem rabenschwarzen Antlitz hervor.

Das faszinierendste an diesem Wesen jedoch waren die pflanzenartigen Auswüchse, die den Kopf gleich einer Venusfliegenfalle einrahmten.

Wenn diese Kreatur Dokus Arme nicht so unbarmherzig fixiert hätte, hätte Doku gerne die Hand nach ihm ausgestreckt, um die riesigen Blätter zu berühren...

Das Etwas hatte sich bereits völlig aus der steinernen Decke gelöst, und ließ sich, ohne Dokus Arme dabei aus dem eisernen Griff zu lösen, fallen, um mit einer katzenhaften Geschmeidigkeit auf beiden Füßen zu landen.

Nun, da es vor ihm stand, erkannte Doku, dass er um einiges größer war, als er selbst.

Und auch er trug diesen Mantel mit den roten Wolken...

Er beugte sich zu ihm herab, und sein harlekinhaftes Gesicht kam dem seinen so nahe, dass Doku der unangenehme Geruch verrottenden Fleisches in die Nase stieg, der seinem blutbefleckten Mantel anhaftete.

"Du riechst gut, junger Medicus." raunte das Ding, das die hübsche Frau 'Zetsu' genannt hatte, Doku mit einer einschmeichelnden Freundlichkeit zu, und das geifernde Grinsen der schwarzen Hälfte ging nahezu nahtlos in das milde Lächeln der weißen Seite über. Doku schauderte.

"Kennenlernen könnt ihr beiden euch später noch zur Genüge." unterbrach Konan den geladenen Augenblick. "Bring ihn zu Pain. Er wird ihn in seine Aufgaben unterweisen."

"Jawohl, Konan." Zetsu trat zahm, aber immer noch gefährlich grinsend, von Doku zurück, und löste seinen Griff. Erst jetzt merkte der geschwächte Mediziner, wie unangenehm die Hände des Stein-Pflanzen-Wesens die Durchblutung seiner Arme unterbrochen haben.

Doch seine Erleichterung währte nicht lange, denn die Kreatur fasste mit seiner kräftigen Hand grob um Dokus Genick, und riss dabei zwei, drei Nackenfedern aus.

"Mitkommen." sprach das Ding nun mit einer knarzigen, unbarmherzigen Stimme, und manövrierte den ächzenden und stolpernden Medicus ohne jedes Einfühlungsvermögen vor sich her.
 

"Du bist also der begabte Medicus aus Yuga."

Es war mehr eine skeptische Feststellung, als eine Frage, die der Mann mit dem rotblonden Haar und den vielen Piercings stellte.

Doku antwortete daher nicht, zumal er es als hochmütig empfunden hätte, sich selbst als 'begabt' zu bezeichnen.

Doch der Druck von Zetsus Klaue um seinen Nacken verfestigte sich, und zwang ihn schließlich doch zu einem zögerlichen Nicken.

Pain musterte den Neuankömmling nüchtern. Seine Mimik verriet nichts.

"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du großen Erfolg mit deinen unkonventionellen Methoden zu verbuchen hattest." sprach er dann. "Nun brauchen wir deine Hilfe."

Pain schien nicht einmal zu blinzeln, während er mit Doku sprach. Starr und kalt sah er ihn an, mit seinem eisigen Rinnegan. "Wie man dir vielleicht schon erklärt hat, ist ein Mitglied unserer Organisation erkrankt,- woran, weiß niemand. Wir sind auf deinen medizinischen Sachverstand angewiesen. Finde heraus, an welcher Krankheit dein Patient leidet, und finde dann heraus, wie man sie bekämpfen kann. Vorzugsweise, BEVOR der Uchiha daran stirbt. Andernfalls..." - er machte eine kleine Pause. "-stirbst DU."

Doku schauderte, als er plötzlich Zetsus vorfreudig lächelnde Lippen dicht an seinem Ohr spürte, und sein heißer Atem seine kühle Wange streifte.

"Du wirst das Hauptquartier nicht verlassen." eröffnete Pain. "Du darfst dich frei im Wohnbereich bewegen, dir steht das Labor von Sasori zur Verfügung, und wenn du etwas brauchst, oder Fragen hast, wende dich an Konan. Zetsu wird dir Geräte und Arbeitsmaterialien beschaffen, sollten dir welche fehlen. Ausgang steht dir nur zu, wenn es der Sache dienlich ist. Und dies ausschließlich in observierender Begleitung. Ich warne dich nur einmal. Wenn du versuchst, zu fliehen, oder dir andere Arten von Dummheiten erlaubst, die der Organisation in irgendeiner Weise schaden, werfe ich dich deinem neuen Freund hier zum Fraße vor. Erfülle deine Aufgabe, und du wirst diesen Ort lebendig verlassen. Ich erwarte keine Wunder. Nimm dir Zeit, wenn du sie brauchst. Nur nicht ZU viel..."

Mit diesen Worten wandte er sich um, verschwand im Schatten des unterirdischen Labyrinths, und ließ einen völlig verstörten Doku zurück, dem es eiskalt den Rücken hinunterlief, als ihm bewusst wurde, dass Zetsu bereits unlängst mit gierigem Appetit an seinem Federhaar zu schnuppern schien.

Er fuhr herum und blickte in die beiden so unterschiedlichen Gesichtshälften - schwarze, vernichtende Lust gepaart mit weißer, sachlicher Verspieltheit.

"Du hast gehört, was der Leader sagte, Doku." sprach die weichere Stimme Zetsus. "Es gilt, keine Zeit zu verschwenden. Folge mir. Ich bringe dich zu deinem Patienten. Vielleicht ist es dein letzter."

Am Krankenbett

Das Zimmer, in welches Doku von Zetsu geführt worden war, war düster wie ein Kerker, und fast ebenso spartanisch eingerichtet.

Die einzige Lichtquelle in diesem Raum stammte von einer müde flackernden Öllampe.

Ein kleiner runder Beistelltisch kauerte in einer Zimmerecke zwischen zwei großen, altmodischen Ohrensesseln, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Zwei hohe Schränke standen an der Südwand, gleich zwei finsteren, unnachgiebigen Wachmännern, dicht beieinander.

Und an der Ostwand ließen sich, mit einem deutlich größeren Abstand voneinander, zwei grob zusammengezimmerte Bettkästen erkennen.

Das eine Bett war leer, und ordentlich gemacht.

Vor dem anderen hockte eine hünenhafte Gestalt, die den beiden Besuchern den Rücken zugewandt hatte.

Dokus Augen brauchten, obwohl sie der Nachtsicht mächtig waren, einige Sekunden, bis sie die andere Person ausmachen konnten; die Person, die IN diesem Bett lag.

Der junge Mann, über den sich der riesenhafte Kerl, der ihnen den Rücken kehrte gebeugt hatte, war so blass, dass sich seine Haut kaum von der weißen Bettwäsche abhob.

Das lange, feine Haar schien wie Fäden aus flüssigem Pech auf die Kissen zu fließen.

Er war schön, insofern Doku das beurteilen konnte; nicht einfach nur gut aussehend oder bloß attraktiv, sondern er besaß tatsächlich jene Schönheit, die man eigentlich nur bei Frauen vorfinden konnte.

Seine feinen, fast aristokratisch wirkenden Gesichtszüge wirkten auf eine beängstigend anziehende Weise feminin. Doch sie spiegelten gleichzeitig auch die kalte, schicksalshafte Aura des Todes wieder.

Er hatte die Augen geschlossen, nur die bleichen, fein geschwungenen Lippen bewegten sich leicht, als er leise mit dem breitschultrigen Hünen sprach.

Natürlich musste es sich bei seinem neuen Patienten um den schmächtigeren, liegenden der beiden handeln, da war sich Doku zumindest sicher, und sofort ergriff ein vertrautes Gefühl von ihm Besitz.

Er wusste nicht, ob es einen Namen für diese Empfindung gab, die ihn zur Ruhe zwang, klares, analytisches Denken auch in Extremsituationen ermöglichte, und trotzdem den empathischen, zwingenden, und mitunter auch hysterisch verzweifelten Unterton des Verantwortungsgefühls trug.

Doku zuckte zusammen, als er ein weiteres Mal Zetsus kräftige Hand spürte, die sich um sein Genick legte, und ihn vorwärts drängte.

„Ich unterbreche euch zwei ja nur ungerne bei eurem Tete a Tete.“ schnarrte die dunkle Stimme Zetsus. „Aber ich störe nur, um euch endlich den Medic-nin aus Yuga vorzustellen. Team Zombie hat es tatsächlich geschafft, ihn lebendig ins Hauptquartier zu schaffen, und nun steht er Akatsuki frei zur Verfügung…“

Doku hörte den Hünen entnervt schnauben, dann drehte er sich unwillig zu den beiden Besuchern um.

Sein Blick traf Doku direkt und unvermittelt, und der Junge kam nicht umhin, überrascht nach Luft zu schnappen.

Das waren keine menschlichen Augen, die ihn da mit unverhohlener Angriffslust anstarrten.

Das waren die Augen eines Tiefenjägers; Augen, die ihm schon oft begegnet waren, wenn er auf dem Meeresgrund nach Korallen und Muschelschalen getaucht hatte.

Augen, die ihn hier wie damals mit einer unangenehmen Mischung aus aufdringlicher Neugier und überheblicher Abschätzigkeit taxierten, die klar machte: Du wirst meine Beute, wenn ich mich dazu herablasse, dich fressen zu wollen. So sicher, wie der Ozean tief ist…

Doku hatte es unter Wasser nie auf eine Konfrontation mit den Knorpelfischen ankommen lassen, deren faszinierende Haut dieselbe blaugraue Färbung hatte, wie die des Mannes, der sich nun vor ihm zu seiner ganzen, stattlichen Größe erhob.

Und, grundgütige Mutter Natur, auch er hatte Kiemenspalten unter seinen stechenden Raubfischaugen, die ihn nun langsam, von oben bis unten musterten!

Er hob einen Arm, dessen Bizeps sicher einen größeren Umfang hatte, wie der Dokus beider Oberschenkel zusammen, und tippte dem Medicus gegen die bandagierte Hühnerbrust, worauf dieser hörbar japste.

„DAS ist der Medic-nin?“ grollte es aus einem Mund, in dem zwei Reihen gefährlich scharfer Zähne blitzten. „Willst du mich auf den Arm nehmen, Zetsu? Das ist ein Kind!“

„Ich bin … neunzehn…“ erwiderte Doku, wobei er versuchte, seine Stimme möglichst tief zu stellen.

„Er ist neunzehn…“ wiederholte die dunklere Stimme des Pflanzenmannes in säuselndem Tonfall, dann fügte die weiße Stimme hinzu: „Und er ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, sagt man.“

Kisames starrende Blicke flogen einige Sekunden wild zwischen dem gelassen grinsenden Zetsu und dem angespannten, schmächtigen Doku hin und her, dann griff er nach dem leeren Wasserglas, welches auf Itachis Nachttisch stand, und holte aus.

Einen furchtbaren Moment glaubte Doku, der aufgeladene Hüne wollte ihm das gläserne Gefäß auf dem gefiedertem Kopf zerdeppern, doch der Haifischmann begnügte sich damit, das Ding an die nächstgelegene Zimmerwand zu schleudern, an der es klirrend zerbrach.

Kurz sah es so aus, als wollte er dann dennoch die restliche Wut an dem eingeschüchterten Hänfling auslassen, denn der Riese stapfte grimmigen Blickes einige Schritte auf Doku zu, doch anstatt dem kleineren eine zu zimmern, warf er den Kopf in den Nacken, um in ein tiefes, kehliges Lachen auszubrechen.

Ratlos glotzte Doku auf die beeindruckenden Sägezahnreihen, die sich bei diesem schaurig wirkenden Unterfangen entblößten.

„Ich glaub es nicht! Soll das ein Witz sein?“ lachte Kisame, doch es hörte sich nicht wirklich amüsiert an. „Uchiha Itachi liegt in seinen letzten Zügen, und was tut unser ‚Leader‘?“

Der Haifischmann gestikulierte energisch mit seinen Bratpfannen-großen Händen über Dokus eingezogenen Kopf herum, und der Junge spürte die mühsam gebändigte Aggression, die aus seinen Worten troff. „Er lässt einen blutjungen Bengel aus der hintersten Ecke Yugas herkommen! Nicht einen aus Ame, oder Kiri, oder auch aus Konoha. Nein, es musste ausgerechnet Yuga sein, dieser hinterwäldlerische Haufen geballter Unfähigkeit!“

„Du weißt, dass man eine Person nicht nach seinem Äußeren beurteilen sollte, Kisame.“ ließ sich plötzlich eine leise, aber eindringliche Männerstimme vernehmen, die die seines Partners sofort zum Schweigen brachte. „Aber ebenso wenig geben dir Alter und Herkunft einen Anlass für eine eindeutige Einschätzung.“

Doku klappte unwillkürlich die Kinnlade hinunter, als der blaue Unhold sich umdrehte, und den Blick auf Itachi wieder freigab, welcher inzwischen die Augen geöffnet hatte. Der Schmerz hatte die feinen Gesichtszüge nur noch verfeinert.

Tiefschwarze Seelenspiegel ließen den jungen Mediziner nicht mehr aus ihrem Bann. „Der Leader wird sich etwas dabei gedacht haben, als seine Wahl auf diesen Burschen fiel. Stille Wasser sind tief, Kisame. Aber…“

Der Federhaarige schluckte, als die angenehm sonore Männerstimme einen Moment lang erschöpft verstummte, und schwere Augenlider sich über die rabenschwarzen Iriden senkten.

„Aber dennoch wünsche ich, dass in Zukunft von jeden weiteren medizinischen Maßnahmen an mir abgesehen wird. Lasst ihn gehen.“

Kisame schnellte entrüstet vor. „Soll das jetzt heißen, dass du einfach aufgibst?“, bellte er empört.

Itachi schenkte seinem Partner nur ein müdes Lächeln. „Es geht zu Ende mit mir, Kisame. Ich spüre die Umarmung des Todes stärker als je zuvor, und ich weiß, dass er mich dieses Mal nicht wieder loslassen wird. Es sieht aus, als hätte das Schicksal doch einen anderen Plan mit mir, als erwartet.“

„Ja, aber… Was wird dann mit deinem Bruder?“ Aus Kisames Stimme ließ sich ein Unterton heraushören, der neben hilfloser Wut auch blanke Verzweiflung wiederspiegelte.

Itachis entspanntes Gesicht verfinsterte sich kaum merklich, doch er blieb seinem Partner die Antwort schuldig.

Die großen Fäuste des Riesen ballten sich, und Doku starrte mit wachsendem Unbehagen auf die dicken Adern, die sich die muskulösen Oberarme entlang schlängelten.

Mit vernichtendem Blick fixierte der Blauhäutige den jungen Mediziner, der sich immer unwohler in seiner Haut zu fühlen begann. „Ich kann deine Entscheidung verstehen.“ knurrte er, mehr zu sich selbst, als zu Itachi. „An deiner Stelle würde ich auch einen Tod in Ruhe und in Würde vorziehen, bevor ich als Versuchskaninchen eines kleinen Quacksalbers aus Yuga ende, der noch grün hinter den spitzen Ohren ist.“

In dieser Sekunde trat Konan in das Krankenzimmer, elegant ein Tablett in einer grazilen Hand balancierend, auf welchem ein Schüsselchen mit warmer Suppe dampfte.

„Und?“ erkundigte sie sich mit einem skeptischen, aber erwartungsvollen Blick in die Runde. „Wie läuft es?“

„Es läuft geradezu fabelhaft…“ säuselte Zetsus schwarze Seite sarkastisch. „Herr Uchiha verweigert jegliche Untersuchung und Therapie, und Herr Hoshigaki unterstützt ihn dabei, indem er die Kompetenz unseres kleinen Doc´s in Frage stellt. Die kooperative Motivation in diesem Raume ist nicht mehr zu unterbieten. Soll ich dich mit Details verschonen, meine Liebe?“

„Ich bitte darum.“ seufzte die Angesprochene und stellte das Tablett auf Itachis freigewordenen Nachttisch ab. Sie durchbohrte den Liegenden dabei streng mit ihren goldfarbenen Augen. „Itachi, entschudige mich bitte, aber ich hoffe, dir ist bewusst, dass wir dir diesen Jungen nicht gebracht haben, um dir die Entscheidung zu überlassen, dich von ihm behandeln zu lassen oder nicht. Er WIRD dich behandeln, und zwar auf den BEFEHL des Leaders hin. Eine Option gibt es nicht. Akatsuki braucht dich, Itachi. Wir können uns nicht leisten, dich zu verlieren.“

Sie wandte sich von ihm ab, und trat nun dicht vor Kisame, der unwillkürlich einen Schritt vor der energischen Frau zurückwich.

Oh ja, die nach außen hin so sanfte Konan konnte energisch sein. Vor allem, wenn sie die Interessen des Leaders vertrat.

Ihre Stimme hatte sich nicht erhoben, aber die bestimmte Art, mit der sie die folgenden Worte aussprach, verliehen ihnen eine gewisse Schärfe.

„Kisame, Itachi wird möglicherweise sterben, während dieser Knabe ihn behandelt. Aber er wird mit tödlicher Sicherheit sterben, wenn er es nicht tut. Gib ihm eine Chance, sein Können zu beweisen, was haben wir zu verlieren?“ Es war nicht zu übersehen, dass diese Frau in jenem Punkte keinen Widerspruch dulden würde.

Kisame biss sich auf die Unterlippe, und bemerkte nicht einmal, dass sie blutete, als er auf Itachi hinabsah. Dieser erwiderte seinen Blick, jedoch ohne jede Wildheit.

Sein abgeschlagener Gesichtsausdruck verriet halbherzige Abgeneigtheit, dann jedoch nickte er ergeben.

Kein eigenwilliges, stolzes Aufbegehren.

Sein Schweigen war wie eine stumme, kampflose Niederlage.

Kisame schluckte mühsam seine Wut hinunter, und verließ mit zornigen, schnellen Schritten das Zimmer; nicht ohne Doku eine wüste Drohung entgegen zu knurren.

Es klang so, wie:„Mal sehen, wie lange du hier überlebst, Federschädel. Wenn du einen Fehler machst, wird es dein letzter sein.“

Dann fiel die Tür krachend ins Schloss.

Doku atmete tief durch.

Dann trat er zu Itachi ans Bett, und kniete sich vor ihm nieder.

Er senkte den Blick, als sich die onyxfarbenen, matt gewordenen Iriden unverwandt auf ihn richteten.

Er wollte nicht in der eisig kalten Melancholie ertrinken.

Er wollte nicht den Tod sehen, der sich in seinen Augen spiegelte, denn er war so nah, als würde er ihn tatsächlich bereits in seinen Armen halten; ungewillt ihn loszulassen.

Der Tod ließ nicht gerne los, das wusste Doku. Aber er nahm gerne den mit, der sich in seiner Nähe aufhielt.

Dennoch beugte sich Doku vor, lehnte sich dicht zu dem Todgeweihten hinab, bis sein Mund dicht vor dem Ohr des Kranken verharrte.

„Danke.“ flüsterte der Federhaarige.

Das Labor

„Und? Wie macht sich unser junger Mediziner?“ formulierte Yahikos Mund mit Nagatos Stimme, als Konan zwei Porzellantassen mit heißem, duftenden Tee füllte, den sie soeben vorsichtig in einer randvollen Kanne in das Büro des Leaders gebracht hatte.

Die blauhaarige Schönheit setzte sich Pain gegenüber, und atmete erst einmal tief durch.

Sie waren allein in seinen Gemächern. Endlich.

Kakuzu und Hidan hatten die Aufmerksamkeit des Ame lange genug mit ihrem unsinnigen Geschwätz eingefordert.

„Schwer zu beurteilen, wenn du mich fragst. Er verhält sich zurückhaltend, passiv, abwartend… Er wird es nicht leicht haben.“ wich sie schließlich aus.

„Akzeptiert Itachi ihn zumindest als seinen Arzt? Bringt er ihm genügend Vertrauen entgegen, um eine Behandlung durch ihn zuzulassen?“

„Nun, du kennst Itachi.“ Konan seufzte. „Wahrscheinlich duldet er Dokus Anwesenheit bloß der reinen Höflichkeit halber, aber er tut es. Begeistert war er jedenfalls nicht von dem Gedanken, sein Patient zu werden, aber er ist mittlerweile auch zu ermattet, um großen Widerstand zu leisten. Die Krankheit hat ihn zermürbt. Allerdings bereitet mir Kisames aggressives Verhalten Kopfzerbrechen. Er hat eben deutlich gezeigt, wie wenig er von jungen Heilkundlern aus Yuga hält. Weiß der Himmel, was er mit dem Knaben angestellt hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. Ich hoffe, er wird dem Iryonin keine Steine in den Weg legen, wenn er mit seinen Therapieversuchen beginnt. Immerhin geht es um seinen Partner.“

Pein nickte abwesend. „Gerade deshalb wird Hoshigaki sich nach allen Regeln der Kunst querstellen, Konan. Quasi, um sein Revier zu markieren. Ich will ihm nichts unterstellen, aber er scheint nach all den Jahren ziemlich an dem Uchiha zu hängen, zumindest auf seine eigene, groteske Art und Weise. Er wird den jungen Arzt mit Argusaugen beobachten, und dann Gnade ihm, wenn er einen Fehler macht, oder gänzlich versagt.“

Konan schüttelte den Kopf. „Das wird er nicht. Er ist etwas Besonderes. Unbeachtet seines Äußeren. Ich glaube, er ist mit Herzblut bei der Sache, und er hat Talent.“

Ein schiefes Lächeln schlich sich auf Pains Gesicht, und er fixierte seine Partnerin mit dem Rinnegan über den Rand seiner Teetasse. „Du magst den Burschen, oder? Warum auch nicht? Seine faszinierend blauen Augen können eine Frau sicherlich schnell um den Verstand bringen.“

Konan runzelte die Stirn. „Unsinn, Nagato; er ist noch halb ein Kind. Aber gerade deshalb braucht er hier jemanden, an den er sich wenden kann. Sonst wird er in diesem Gemäuer untergehen, bevor er überhaupt dazu kommt, seiner Aufgabe nachzukommen. Mir hat nicht gefallen, wie Zetsu ihn angestarrt hat…“

„Akatsuki hat seine eigenen Regeln. Er wird sich der Hackordnung fügen müssen… Aber meinetwegen kümmere dich ruhig ein wenig um den Bengel, damit die Jungs ihn nicht gleich zur Begrüßung zerfleischen. Schließlich wollen wir ausreichend lange von seinen Fähigkeiten profitieren. Doch gewöhne dich nicht zu sehr an ihn. Seine Überlebenschancen werden stets ein wenig schlechter stehen, als die des Uchihas. Vergiss dies nicht, in deinem eigenen Interesse. Die Wahrscheinlichkeit, dass er das Hauptquartier jemals lebend verlassen wird, ist demnach ziemlich gering.“

Pain nippte nachdenklich an seinem Tee, er war so heiß, dass man sich kaum an seinem herrlichen Aroma erfreuen konnte.

„Wo ist er jetzt?“ fragte er dann.

„Bei Zetsu. Er zeigt ihm die Räumlichkeiten, und bringt ihn dann ins Labor. Die Gelegenheit ist günstig; Sasori ist mit Deidara auf Mission, und er hat noch etwas Zeit, in Ruhe die Bestände und die Ausrüstung zu überprüfen. Ich habe ihm zuvor angeboten, sich erst einmal in Orochimarus altem Zimmer zurückzuziehen, und sich dort ein wenig zu erholen. Vielleicht hat der Junge eine Gehirnerschütterung oder ähnlich Schlimmes erlitten, als er von Hidan und Kakuzu aufgegriffen wurde. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Aber er hat abgelehnt. Er wollte sofort mit den Vorbereitungen beginnen.“

„Braver Junge. Ich hoffe, er weiß, dass es nicht nur für Itachi um Leben und Tod geht.“

Konan verzog leicht affektiert den Mundwinkel. „Ich denke, dass haben Kisame, Zetsu und nicht zuletzt auch du ihm bereits eindeutig zu verstehen gegeben.“

Pain lächelte, und starrte gedankenverloren an die karge, fensterlose Felswand vor ihm. „Es wird nicht schaden, ihn beizeiten an diesen Umstand zu erinnern…“
 

Von Kopf bis Fuß völlig verkrampft stolperte Doku hinter Zetsu her, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte.

Er hatte ein schlechtes Gedächtnis, was Namen betraf, insofern sie nicht die von chemischen Substanzen oder von seltenen Pflanzen oder Käfern waren…

Den einzigen Namen, den er sich hatte merken können, war der von seinem bemerkenswert gutaussehenden Patienten, dem Schwarzkirschauge, Uchiha Itachi.

Die richtigen Namen von ‚Haifischvisage‘ wusste er ebenso wenig wie den des ‚Obermotzes‘ mit dem vielen Metall im Gesicht. Wie man die schöne Dame nannte, konnte er auch nicht mit Sicherheit sagen, obwohl er sich zugetraut hätte, sie unter tausend anderen blauhaarigen Frauen erkennen zu können.

Und erst recht wusste er nicht, wie er die überdimensionale Venusfliegenfalle nennen sollte, die ihn hinter sich her schleifte.

Vor Zetsu gruselte es Doku ganz gewaltig. Nicht wegen seines Äußeren. Von der Optik her fand Doku Zetsu sogar derart faszinierend, dass er am liebsten ein Portrait von ihm gezeichnet hätte, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Was ihn ängstigte, war allein seine von Schizophrenie geprägte Persönlichkeit. Oder besser; seine Persönlichkeiten.

Nicht genug damit, dass die schwarze und die weiße Seite seines Körpers ein jeweiliges Eigenleben zu führen schienen, und sich sogar zuweilen miteinander um die Vorherrschaft stritten…

Es war die Sache, dass eine dieser beiden Zetsus,- Doku wusste noch nicht mit Sicherheit, welche von beiden-, eindeutig verrückt war.

Und zwar nicht die Art von ‚verrückt‘, wie beispielsweise Doku selbst es war.

Doku war harmlos verrückt, - nicht unbedingt harmlos für sich selbst, aber zumindest, was die Unversehrtheit anderer Leute betraf. Meistens, jedenfalls.

Er war schlicht und ergreifend unkonventionell, ein Querdenker, ein Freigeist; er kümmerte sich nicht um Tradition, Sozialpolitik, Etikette, oder gesellschaftliche Verpflichtungen, Vorschriften und Erwartungen… Er machte seine Erfahrungen gerne selbst, und erfand mit Vorliebe Alltäglichkeiten für sich neu.

Manchmal ging dabei etwas zu Bruch, gelegentlich auch einer seiner Knochen…

Aber Zetsu…

Zetsu war gemein-gefährlich-verrückt.

Doku hatte das Gefühl, dass diese Verrücktheit das Bersten unzähliger, fremder Gebeine bewirken konnte, und dies wahrscheinlich schon längst getan hatte.

Vor allem in den Momenten, in denen Zetsu ihn angrinste, war er sich dieser Vorstellung sicher.

Dann erinnerte ihn der Pflanzenmann ein wenig an ‚Haifischvisage‘.

Beide hatten die Reißzähne eines Raubtieres.

Obwohl ihm ‚Haifischvisage‘ eindeutig aggressiver begegnet war, hätte sich Doku lieber von ihm durch das Hauptquartier führen lassen, als von ‚Venusfliegenfalle‘.

Bei dem Blauen war er sich wenigstens eindeutig sicher, woran er war.

Er fand ihn Scheiße, und würde ihm mit Vorliebe die Fresse polieren, wenn sich ihm die Gelegenheit bot.

Bei Zetsu wusste er nie so genau, woran er war.

In einer Sekunde schien er freundlich gesonnen, fast schon irreführend anteilnehmend, dann wieder ließ er einen vernichtend sarkastischen, mitunter morbiden Kommentar auf Dokus Kosten fallen, und im nächsten Moment schien er sich am liebsten auf ihn stürzen zu wollen, und ihm weiß-der-Geier etwas antun zu wollen, bis… bis sein zivilisierteres Ich sein bestialisches Alter Ego wieder gezügelt bekam…

Im Augenblick gab Zetsu sich wieder verstörend zuvorkommend und gastfreundlich, als er ihn die Gänge entlang lotste, und ihm die Zimmer zeigte, die für ihn von Belang waren.

Doku erfuhr, dass sich Itachi und ‚Haifischvisage‘ ein Zimmer teilten, sowie auch die beiden Männer, die ihn zu diesem Ort gebracht hatten.

Zetsu nannte sie ‚Kakuzu‘ und ‚Hidan‘,- so schimpften sich also der sensenschwingende Waschbrettbauch mit der irren Lache und die Vogelscheuche mit der Reibeisenstimme.

Dann gab es das Zimmer von ‚Deidara und Sasori‘, die gerade ausgeflogen waren, sowie zwei Einzelzimmer; eines gehörte dem Pflanzentypen, das andere einem gewissen Orochimaru, den es aber anscheinend ebenfalls woanders hin verschlagen hatte.

Der Glückliche… er hatte es richtig gemacht…

Doku wagte nicht zu fragen, wo der Leader und die blauhaarige Schönheit nächtigten; aber wahrscheinlich taten sie es gemeinsam, und in einem angemessenen Abstand zu ihren… Untergebenen.

Wenn dies der Fall war, war der Typ mit der Karottenstäbchen-Frisur wahrlich um seinen guten Fang zu beneiden,- zumindest, was seine Freundin betraf.

Seine Gefolgsmänner nämlich konnte man sich wohl kaum unglücklicher auswählen, wenn Doku an die verstörenden Gestalten dachte, die er bis jetzt kennen gelernt hatte.

Kein Wunder, dass Uchihas Gesundheit unter dieser Gesellschaft gelitten hatte…

Er war ihm bis jetzt noch am wenigsten monströs erschienen, was Optik und soziales Verhalten gleichermaßen betraf.

Hier unten war augenscheinlich die Normalität die Rarität, die Menschlichkeit die Mutation…

Eigentlich, dachte Doku, hätte er sich hier bestens aufgehoben fühlen müssen, aber dem war nicht so.

Er wünschte sich die Spießigkeit Yugas herbei, die undankbaren, vorurteilenden Lästermäuler der Einwohner, ihre vertrauten, abschätzigen Blicke…

Zetsu führte Doku inzwischen durch den armseligen Wohnbereich, vorbei an Küche, Waschraum, Vorratskammern und den Türen einiger hallengroßer Arbeitszimmer, von denen eines das Labor war, das er sich erst mit Orochimaru, später dann mit Sasori geteilt hatte.

Er schloss ihnen auf, und betätigte einen Schalter, worauf nach und nach eine kleine Armee kalt leuchtender Halogenstrahler an der hohen Decke aufzuflackern begannen.

Als eine schwarze Pranke sich wie die Tatze eines Pumas auf Dokus Oberarm legte, und sich die Finger wie scharfe Klauen besitzergreifend in sein Fleisch bohrten, hatte Doku das Gefühl, nicht in ein Laboratorium, sondern in die verfluchte Speisekammer dieser bipolaren Bestie gezerrt zu werden.

Mit einer hektischen Bewegung schlängelte sich Doku aus Zetsus Griff, funkelte ihn warnend aus seinen fluoreszierenden Schlangenaugen an, und strich sich dann demonstrativ die abgetragene Kleidung glatt.

Zetsu grinste dreist zurück, und schloss die schwere Sicherheitstüre hinter ihnen zu. „Warum so verkrampft, Doc? Fühlst du dich nicht wohl hier, in meinem Reich? Das wäre bedauerlich, denn in diesen vier Wänden wirst du ab jetzt den Großteil deiner Zeit verbringen. “

Doku schaute sich nervös in dem großen Laboratorium um, und erkannte mit wenigen Blicken, dass es bedeutend großzügiger und moderner ausgestattet war, als das seine. Perkolator, Exsikkator, Büretten, Pipetten, alles schien vorhanden.

„Alles was hier fehlt, ist ein Fenster…“ murmelte er anerkennend, und bemerkte für einen Moment nicht, dass sich Zetsu, geschmeidig und lautlos wie ein Panther, hinter ihn geschlichen hatte, und seine Pranken nun mit einem Male seine Schultern beschwerten.

Um Himmels Willen, begann dieser unheimliche Typ soeben, ihm sanft den verspannten Nacken zu massieren?

„Entspann dich, Doc.“ säuselte der weiße Zetsu beinahe zärtlich in Dokus Ohrmuschel. „Wir sind hier auf sicherem Boden. Niemand wird hereinkommen, um dich zu überwachen, wenn ich bei dir bin. Und was sich in diesen Räumen ereignet, bleibt in diesen Räumen.“

„Wie meinen Sie d..-„

„Pssst, Doc… Wenn du mal Zeit für dich brauchst,- und diese Augenblicke werden kommen, das kann ich dir versichern-, dann werde ich sie dir gewähren. Es ist anstrengend, sich stets zusammenreißen zu müssen, um sich keine Schwäche zu geben. Wenn du mit mir allein bist, Doku, musst du nicht um deine Contenance ringen, die du mit deiner höflichen Lässigkeit kaschierst. Ich durchschaue deine Fassade, und ich weiß, wie es in dir aussieht.“

Doku wollte widersprechen, doch ein weißer Finger legte sich bereits über seine leicht geöffneten Lippen.

„…Und das ist in Ordnung.“ sprach der schwarze Zetsu ebenso besänftigend weiter. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. „Es ist natürlich. Im Übrigen ist es ist ein Zeichen von Stärke, sich schwach zu zeigen, und seinen Instinkten zu folgen. Und ich muss gestehen, ich brenne darauf, dich zu erleben, wenn du dich endlich gehen lässt, ich warte darauf, deine enthemmten Schreie zu hören, den Duft deines Angstschweißes zu riechen, dein Zittern zu spüren, und dich im Staub liegend zu sehen, wenn du-...“

Doku wirbelte herum, -es war mehr ein Impuls, als eine aggressive Geste-, er riss seine türkis opaleszierenden Augen auf, und die Pupillen waren nun mehr schmale Schlitze in den riesigen, stechenden Iriden; er verzerrte seinen Mund zu einem freudlosen Grinsen, als er Zetsu drohend entgegen fauchte, und dabei seine scharfen Giftzähne fletschte.

Der Federhaarige war übermüdet, entkräftet, völlig überreizt, und ja, er war bereit, diesem gemeingefährlichen Etwas den gesamten Inhalt seiner im Gaumen liegenden Giftdrüsen zu injizieren!

Zetsu lächelte. Seine gelben Augen hatten einen beunruhigenden Glanz bekommen.

„Genau so will ich dich sehen, Doc.“ murmelte er gedankenverloren, und streckte seine weiße Hand aus, um in das Federhaar des Jüngeren zu fassen, doch Doku duckte sich mit einer schnellen Bewegung unter seinem Arm weg.

„Fassen Sie mich nicht noch einmal an.“ forderte er, wobei er sich darum bemühte, seine brüchige Stimme fest klingen zu lassen. „Wenn Sie wirklich daran interessiert sind, dass ich meinen Job anständig erledige, dann tun Sie mir einen Gefallen, und halten Sie sich fern von mir.“

Der Pflanzenmann zwinkerte dem Kleineren beinahe fröhlich zu, fasste ihn fast neckisch ums Kinn, und zog ihn zu sich heran, wobei er vertraulich die Stimme senkte. „Es ist nicht so, als würde es mir einen Nachteil verschaffen, wenn der Uchiha verreckt. Im Gegenteil. Wenn du versagst, und der Uchiha vorzeitig sein Leben aushaucht, dann erwartet mich eine doppelte Gefälligkeit. Eine, die tot ist, und eine, die noch lebt, und die sich wehren wird, wenn ich anfange, sie zu verschlingen...“

Mit schockierter Erkenntnis sah Doku, wie sich seine lange, blassrote Zunge über die Lippen leckte, bevor er ihn aus seinem Griff entließ.

Verflixt und zugenäht!

„Krank… der Typ ist vollkommen krank!“

Doku hastete mit übergroßen Schritten den endlosen Flur hinunter, über den Zetsu ihn vor wenigen Minuten entlanggeführt hatte. Er war einfach abgehauen, feige, wie ein Kaninchen, und mit Zetsus befriedigtem Gelächter im Rücken davongejagt.

Überaus erwachsen und männlich, ja…

Er wusste nicht einmal, wohin er nun eigentlich gehen wollte. Schließlich war er hier unten jetzt so etwas wie ein Gefangener mit einem begrenzten Grad an Freilauf. Den wollte er ja gerne nutzen, aber wohin sollte er schon großartig flüchten?

„Alle hier, allesamt sind sie völlig krank.“ Das war das Stichwort.

Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen, und sich allmählich seinem Patienten zuwenden. Dessen Art von Krankheit war wesentlich angenehmer auszuhalten als die seiner gestörten Kollegen…

Er kam zu der Stelle des Flures, an dem die Türen am dichtesten beieinanderlagen, der Wohnbereich, wie er sich zu erinnern glaubte.

Von wo war er gleich nochmal hergekommen? Die dritte Tür von links… dann müsste sein Patient aller Wahrscheinlichkeit nach…

Doku klopfte kurz an das morsche Holz.

Erst kam gar keine Reaktion, dann schnarrte ein ungeduldiges „Wer stört?“ durch die Tür, das Doku eine Gänsehaut auf dem Rücken bescherte.

Das war definitiv nicht die angenehme, besonnen-melancholisch klingende Stimme des Uchihas… das war die ziemlich genervte Reibeisenstimme der tassenwerfenden Vogelscheuche!

Diesem cholerischen Typen wollte Doku nicht öfter als nötig über den Weg laufen.

Zwar empfand er in Sachen Gruseligkeit -Vogelscheuche < Venusfliegenfalle-, aber auf seine Gesellschaft war er deshalb keinen Deut begieriger.

Also antwortete er einfach nicht, drehte sich schleunigst auf dem Absatz um, und steuerte schnurstracks die gegenüberliegende Tür an. Er öffnete sie vorsichtig, linste durch den kleinen Spalt, und erkannte das feine Antlitz seines schlafenden Patienten.

Erleichtert stellte er fest, dass ‚Haifischvisage‘ nicht anwesend war, und schlängelte sich daher flink durch die schmale Öffnung in das Zimmer, um dann die Tür so leise wie möglich hinter sich zu schließen.

Dann atmete der junge Mann erst einmal auf, und ließ sich mit dem Rücken gegen die Tür auf den Boden sinken.

Er hätte nicht zu träumen gewagt, dass ihn die Gegenwart eines Todgeweihten jemals derart beruhigend auf ihn wirken würde, aber es tat gut, alleine in einem Raum mit dem Uchiha zu sein, der ihn in seiner Abgeschlagenheit noch nicht einmal wahrgenommen zu haben schien.

Doku kniff die Lippen zusammen, und lauschte den regelmäßigen, leicht rasselnden Atemzügen seines Patienten, bis sich auch seine eigene nervöse Atmung zu beruhigen begann.

Doch seine Gedanken bekam er trotzdem nicht in angenehmere Richtungen gelenkt.

Bis jetzt hatte er sich nicht wirklich als Gefangener im eigentlichen Sinne gefühlt, aber nun, da ihm mehr und mehr bewusst wurde, dass er eingesperrt war, in einer Höhle voller Wahnsinniger, überkam ihn erstmals der claustrophobische Gedanke, dass auch er in diesem kaltfeuchten Bau sterben könnte.

Eine unbehagliche Vorstellung.

Zum Kotzen, wenn man es genau betrachtete…

Sein Magen krampfte sich unheilverkündend zusammen, und der junge Mediziner kämpfte zähneknirschend mit der Übelkeit.

Doku hätte sich damit abfinden können, irgendwo unter freiem Himmel von einem dieser Killermaschinen kaltgemacht zu werden, aber ihnen hier, in diesem Loch ausgeliefert zu sein…

Ein unvermittelt lautes Hämmern an der Tür, an der er lehnte, ließ ihn unter einem gellenden Aufschrei zusammenfahren.

Er jagte hoch, seine weit aufgerissenen Augen erfassten für einen Sekundenbruchteil einen erschrocken hustenden, ziemlich wachen Itachi Uchiha, dann stieß jemand von außen die nach innen öffnende Tür mit einer solchen Wucht auf, dass es den Jungen vermutlich im wahrsten Sinne des Wortes aus den Latschen gehauen hätte, wenn es sich bei Dokus Tretern nicht um solide, fest zugeschnürte Wanderstiefel gehandelt hätte.

Folglich flog der Junge mitsamt seinem verdreckten Schuhwerk undefinierbarer Ursprungsfarbe auf die Fresse.

Die Prellung an seiner Rippe kreischte auf, als sein zierlicher Oberkörper auf den unebenen Steinboden aufschlug, die Schürfwunden an seinen Händen rissen auf, als er reflexartig mit ihnen seinen Fall abzudämpfen versuchte, und sein Kopf dröhnte, wie der Resonanzkörper eines singenden Pottwals.

„Tz, tz, Kleiner, immer, wenn ich dich sehe, küsst du Mutter Erde, kann das sein?“

Reibeisenstimme, Schrägstrich, Vogelscheuche. Wunderbar.

Doku stöhnte zur Antwort gequält auf, du spürte, wie ihm das restliche Blut in den Kopf schoss.

Aber eigentlich durfte es ihm gnädigst am Arsch vorbeigehen, was Reibeisenstimme/Vogelscheuche/Mr.-Reißt-die-Tür-auf-ohne-vorher-reingebeten-worden-zu-sein von ihm dachte! Der Kerl hatte ihn sozusagen hierher verschleppt, da hatte er alles Recht der Welt, sich so oft vor ihm auf die Schnauze zu legen, wie er es für nötig hielt! Er war fertig mit den Nerven!

Uchiha hüstelte immer noch erbarmungswürdig vor sich hin.

„Hast du gerade bei mir geklopft?“ verlangte Reibeisenstimme zu erfahren.

„Hab mich in der Tür geirrt!“ erklärte Doku dem Boden knapp.

Er spürte, wie er am Hemdrücken gepackt wurde, und man ihn in die Höhe zerrte.

Dann den Griff einer Tasche, den Reibeisenstimme ihm in die aufgerissene Hand drückte.

Sie war schwer, die aufgeschürfte Haut brannte, und Doku nahm die andere Hand zu Hilfe, um das Gewicht zu verteilen. Er erkannte das abgewetzte Ding.

„Meine Arzttasche…“

Kakuzu nickte hoheitsvoll. „Hab sie aus deiner Bruchbude mitgehen lassen. Dachte, du könntest sie brauchen. Nach deiner zweiten Ohnmachtsattacke konnte man dich ja nicht mehr fragen, was du aus deinem Labor noch mitzunehmen gedachtest.“

Doku sah auf, um sich zu bedanken, und in dem Moment rutschte der Verband herunter, den Konan ihm wie ein Stirnband um den Kopf gewickelt hatte, und nahm ihm die Sicht.

Er hörte Kakuzu abfällig schnauben. „Vier Stiche… Dilettantische Arbeit. War das Konan?“

Bevor er dazu kam, die Tasche in aller Vorsicht abzulegen, um seine Hände für sinnvollere Aktionen frei zu bekommen, wie beispielsweise das Entfernen seiner Augenbinde, traf ein brennender Schmerz seine Schläfe, als Kakuzu ihm unnötigerweise mit der Fingerspitze auf die frische Naht tippte. „Wenn das nächste Mal irgendetwas genäht werden muss, dann fragst du mich gefälligst.“

Doku zischte auf, und ließ die schwere Tasche fallen, die natürlich auf seinen Zehenspitzen landete, die bis zu diesem Augenblick vielleicht die einzigen Stellen an seinem Körper waren, die nicht schmerzten.

„Was hast du eigentlich alles da drin, du Weichei,- Goldbarren?“ schnarrte Kakuzu, und als Doku ungeduldig den Verband von seiner Nase herunterriss ihn augenrollend anblickte, dachte er erst, er würde ihm breit, und amüsiert von seinem eigenen Witz entgegen grinsen.

Tat er jedoch nicht, allein die Nähte an seinen Mundwinkeln vermittelten diesen Eindruck.

Im Gegenteil, sein Gesichtsausdruck wirkte eher missgelaunt, herablassend und verachtend.

Die stechend grünen, pupillenlosen Iriden musterten ihn abfällig von oben bis unten. „Du siehst nicht nur so aus, wie ein Mädchen, du kreischt auch so, wenn man dir das mal sagen darf.“ ließ er Doku dann mit zynisch-väterlichem Unterton wissen. „Du solltest dir ein stärkeres Nervenkostüm zulegen, wenn du dich hier über Wasser halten willst. Einigen von den Jungs traue ich zu, dass sie dich nach allen Regeln der Kunst zerpflücken, wenn du dich ihnen als zart besaitete Mimose präsentierst. Wenn sie erst auf den Geschmack gekommen sind, dann…“

Doku zwang sich, innerlich abzuschalten. Er wollte nicht hören, was die „Jungs“ – die Monster- abenteuerliches mit ihm anstellen könnten. Er starrte auf Kakuzus sich bewegende Lippen. Ob er sich all diese Narben auf Gesicht und Körper selbst zusammengeflickt hatte? Woher sie wohl stammten?

„…du froh sein, wenn man dir nur den Hintern…“

Es sah… ziemlich wild aus. Um nicht zu sagen,- furchtbar. Und an ihn sollte sich Doku wenden, wenn er sich in, hoffentlich nicht allzu absehbarer Zeit, nähen lassen musste? Besten Dank!

„…wirst du dir noch wünschen, du hättest ins Gras gebissen, als wir dich damals vom Baum…“

Dann ließ sich Doku lieber von Konans zarten Händen verarzten, ganz egal, wie lange oder viele Stiche sie brauchte…

„… Ansonsten kannst du dich sicherlich selbst hinreichend verarzten, immerhin kommst du vom Fach, nicht?“

Doku nickte zahm, und starrte Kakuzu dabei immer noch abwesend und leicht unfokussiert ins vernarbt-vernähte Gesicht. Ihm lag die haarsträubend freche Frage auf der Zunge, ob ‚Metallgesicht‘ mit Vorliebe Abnormitäten wie ihn, Venusfliegenfalle und Haifischvisage in seinen seltsamen Verein aufnahm… aber da er selbst im Glashaus saß, wollte er nicht mit Steinen werfen. Nicht, dass noch jemand auf falsche Gedanken kam, und meinte, er wollte sich als weitere Monstrosität rekrutieren lassen. Insofern er überhaupt die Chance dazu bekommen sollte, und diesen Aufenthalt längere Zeit lebendig überstand. Außerdem zweifelte er nicht daran, dass Vogelscheuche ihn für diesen Spruch, der übrigens gar nicht in seinem betont höflichen Naturell lag, den gefiederten Kopf abgerissen hätte. Zu recht, wie Doku fand.

Itachi Uchiha räusperte sich vernehmlich. Sein Husten hatte sich gelegt. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn, die Augenringe gruben sich dunkel in das fahle Gesicht.

Man sah ihm an, dass er wünschte, dass sich die Herrschaften mitsamt ihrem unangemessenen Gesprächsstoff aus seinem Zimmer entfernen mochten.

„Ja… Ich denke, ich sollte jetzt auch langsam mal mit den Untersuchungen beginnen.“ murmelte Doku, schroff und scheinbar unbeeindruckt das Thema wechselnd.

Kakuzu runzelte irritiert die Stirn, nickte aber dann bestätigend. „Tu das, Junge. Zeit ist Geld.“

Er hatte sich schon zum Gehen gewandt, als ihm plötzlich doch noch etwas Wichtiges einfiel.

„Ach, übrigens, Doku…“

„Bitte?“

„Wir beide…“ er deutete mit einem offensichtlich angenähten Zeigefinger auf sich, dann auf den Mediziner. „…wir beide könnten in Zukunft gut miteinander auskommen, wenn du folgende Regel konsequent befolgst: Mach weniger Schaden, als du nützt. Das bezieht sich nicht nur auf den Uchiha. Wenn du hier irgend etwas beschädigst, ganz egal, was dann musst du dafür die Konsequenzen tragen. Repariere es, ersetze es, oder begleiche es, mit welchen Mitteln auch immer, sonst beschädige ich DICH! Glaube mir, am besten, du lässt es gar nicht erst darauf ankommen! Ich hätte keinen Anlass dazu, zimperlich mit dir umzugehen. Deinen Wert musst du dir erst einmal erarbeiten.“

War das nun eine psychopathische Art von einem Freundschaftsangebot oder einfach eine machohaft-mörderische Drohung? Doku runzelte verständnislos die Stirn, und prompt wurde ihm von dem Älteren über den noch brav gehaltenen Mund gefahren.

„Du brauchst mich gar nicht so ignorant anzuglotzen, Bürschchen. Du weißt genau, wovon ich rede! Ich habe deine sogenannte Wohnung gesehen. Hier bei uns liegt vielleicht einiges im Argen, aber wir befinden uns nicht in deiner schäbigen Waldhütte,- hier wird nach gewissen Regeln gespielt,- nach MEINEN Regeln! Haben wir uns verstanden?“

Okay, es war eher die machohaft-mörderische Drohung…

Doku seufzte trübsinnig und murmelte etwas Unverständliches zurück.

„Wie war das?“ bellte die Vogelscheuche drohend. „Verscherz es dir nicht mit mir, Junge! Ich habe dich bereits darauf hingewiesen, dass du dir deine neunmalklugen Kommentare sparen solltest, wenn du nicht irgendwann mit abgeschnittener Zunge aufwachen willst!“

„Natürlich… Verstanden.“ beeilte Doku sich, zu antworten.

„Na also. Geht doch.“

Doku verdrehte – natürlich nur gedanklich – die Augen. Er war jedoch heilfroh, als der reibeisenstimmige Feldwebel, der sich anscheinend auch gerne in Lappalien hineinsteigerte, ihm daraufhin befriedet den Rücken kehrt, und den Raum verließ. Doku beschloss für sich, seinem Rat Folge zu leisten, denn er hatte keine Lust darauf, sich dieses Ungetüm von einem Mann zum Feind zu machen. Hier unten zählte jedes Individuum, das anderen Freizeitbeschäftigungen nachzugehen beliebte, als ihm den Hals umzudrehen. Und was machte es schon, sich einmal der genussvoll ausgespielten Autorität eines anderen zu beugen, und vielleicht mit ein bisschen weniger Hektik und etwas mehr Organisiertheit durch die Weltgeschichte zu flitzen? Immerhin ging es um sein Leben. Und Doku zählte sich seit der Geschichte mit dem Kaytsal-Baum definitiv zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies.

Itachis neuerliches gedämpftes Husten erinnerte ihn daran, dass er in dieser Position nicht hanz alleine befand, und so klaubte sich der Federhaarige seine schwere Tasche vom Boden, und schleifte sie zu dem Uchiha ans Krankenbett.

Dann schnappte er sich den Nachttisch, und rückte ihn umständlich zur Bettmitte hin, anstatt sich einfach den Schemel zu nehmen, der nur zwei Meter weiter entfernt am Fußende des Bettes stand.

Er setzte sich, und sah Itachi freundlich an, mit seinem breiten, fangzähnigen Grinsen, und seinen leuchtenden Raubtieraugen.

Mit seinem zerzausten Federhaar, in welchem noch ein welkes Blatt des Kaytsal-Baumes hing, seinen dreckigen, zerrissenen Klamotten, den blutigen Wunden und den zahlreichen Bandagen und Pflastern bot seine schlaksige, jugendliche Erscheinung einen, gelinde ausgedrückt, denkwürdigen Anblick für einen kompetenten Mediziner…

„Guten Abend, Herr Uchiha. Ich bin vorhin leider nicht dazu gekommen, mich vorzustellen. Mein Name ist Doku, und ich bin ab heute Ihr Arzt…“

erste Untersuchung

Doku konnte förmlich fühlen, wie sich die Spitzen seiner koboldhaften Ohren vor lauter Nervosität rot färbten.

Er hatte Itachi zunächst einige unverfängliche Fragen nach seinem Befinden gestellt, die ihm äußerst knapp und nüchtern beantwortet worden waren.

Anscheinend redete der Uchiha nicht besonders gerne, und nicht besonders viel.

Und er schien nicht die geringsten Ambitionen zu haben, Doku bei seinen Forschungen an seiner Krankheit zu unterstützen. Doku musste quasi um jede einzelne Information betteln, denn Itachi zeigte ebenso wenig Interesse an einer zwischenmenschlichen Konversation wie auch an der Diagnose und zukünftiger Prognose seiner eigenen Krankheit.

Inzwischen hatte der junge Mediziner herausgefunden, dass der Patient primär unter einem zeitweise gestörten Sehvermögen litt, starken, sporadisch auftretenden Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und gelegentlicher Atemnot, begleitet von starken Hustenanfällen mit blutigem Auswurf.

Itachis ruhige, unbeteiligte, ja fast intonationslose Stimme machte Doku genauso hibbelig, wie der stetig abwesende Blick des Sharinganträgers.

Als er ihm nun das schwarze Satinhemd seines Pyjamas aufknöpfte, um das Stethoskop zum Einsatz zu bringen, zitterten Dokus zerkratzte Hände wie Espenlaub. Sehr professionell, Doc… Einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt du hier…

Doku schenkte Itachi ein hastiges, entschuldigendes Grinsen, das eher wie ein verzweifeltes Zähnefletschen aussah und unerwidert blieb. „War ein harter Tag heute, und ich hatte noch keinen Kaffee!“ glaubte Doku, sich rechtfertigen zu müssen, aber Itachi schnaufte bloß als Antwort auf diese unnötige Information.

Umsichtig wärmte Doku das kalte Metall des Abhörgerätes in seinen Händen, bevor er es Itachi auf die Brust legte.

Doku lauschte.

Nichts.

„Hm.“

Er verlegte die Position des Metallkopfes.

Immer noch nichts.

Doku kicherte nervös, aber er begann zu frösteln.

Hier unten, zwischen Haifischvisagen, Vogelscheuchen, Venusfliegenfallen und Co schien ihm mittlerweile nichts mehr unmöglich. Und in dieser Gesellschaft war ihm Itachi ohnehin fast schon ZU normal erschienen. Konnte es also vielleicht tatsächlich sein, dass…? „Okay…. He, he… Sieht so aus, als… wären Sie… nun ja, als wären Sie… tot, Herr Uchiha… hach, ja… Nun, öhm… zumindest scheint Ihr Herz stehen geblieben zu sein, und… Ähm… tjaaa…“

Der Angesprochene bedachte ihn mit einem langen, kühlen Blick.

„Der Schlauch von Ihrem Gerät… hat ein Loch…“ bemerkte der Patient dann sachlich.

Doku schwieg einen Moment bestürzt.

„Hm. Ja, da haben Sie wohl recht.“ gab er dann betont gelassen zu. „Waren bestimmt die Ratten… Dämliche, gefräßige Viecher!“

Betretenes Schweigen.

Ja, Doc. Wirklich sehr professionell. Peinlicher konnte es wohl kaum noch werden.

Bekümmert registrierte Doku Itachis stoisch-resignierten Gesichtsausdruck. So sah jemand aus, der bereit und gefasst darauf war, den Tod in Empfang zu nehmen. Wahrscheinlich hatte er ihm soeben jegliche Hoffnung auf Rettung zunichte gemacht. Bravo, Doc…

Er schluckte schwer. „Okay, dann werde ich sie eben ganz traditionell abhorchen, wenn Sie gestatten…“

Bestätigendes, aber merklich entnervtes Aufseufzen Uchihas.

„Gut.. dann… Bitte ganz entspannt weiter ein-und ausatmen…“

Doku befürchtete fast, dass seine glühenden Ohren die Haut des Uchihas versengen würden, als er sich über ihn beugte und seinen Kopf auf seine Brust legte.

Sein Patient war recht schmal gebaut, und in seiner augenblicklichen körperlichen Verfassung eher als mager anstatt als muskulös zu bezeichnen, trotzdem ließ sich noch der Ansatz einer trainierten Brustmuskulatur erkennen, wie Doku unwillkürlich anerkennend zur Kenntnis nahm.

Seine Haut war samtig, kühl, verwirrend angenehn duftend…

Rasch schloss er die Augen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Herzschlag – natürlich vorhanden,

Schlagkraft - unauffällig,

Kammergeräusche - unauffällig,

Klappentöne - unauffällig,

Rhythmik - unauffällig,

Tempo – okay, leicht erhöht, aber noch nicht grenzwertig…

„Was zum Henker treibst du da?!“ donnerte es plötzlich lautstark durch das Zimmer, und der Jungmediziner schreckte hoch, als fühlte er sich bei einer strafbaren Heimlichkeit ertappt.

Er sah eben noch Herrn Haifischvisage, der mit wütendem Blick auf ihn zu stapfte, ausholte, und ihn dann auch schon prompt mit einer einzigen Handbewegung wegfegte.

Verdammte Schwerkraft… sie ließ ihn Sternchen sehen, wahrlich nicht zum ersten Mal an diesem beschissenen Tag.

Der Riese hatte nicht einmal zugeschlagen,- wenn er das vorgehabt hätte, läge Doku jetzt sicher mit gebrochenem Genick am Boden-, sondern er hatte ihn einfach, wie ein lästiges Ungeziefer beiseite befördert. Dennoch hatte das ausgereicht, um Doku binnen Sekundenbruchteilen in eine horizontale Position zu manövrieren, und ihm sämtliche bereits vorhandenen Prellungen, Schürfwunden und Hämatome ins Gedächtnis zu rufen.

Zum Glück hatte der Blaue ihn wenigstens an der unversehrten Schläfe getroffen.

Entgeistert, verstört, aber auch mit einer gehörigen Portion Empörung starrte Doku empor, und begegnete Kisames flackerndem Blick, der rastlos zwischen ihm und seinem ebenfalls flachliegenden Partner hin und her jagte.

„Kisame, halte dich zurück.“ drang Uchihas dunkle Stimme an sein pochendes Ohr, bevor Doku eine hirnverbrannte Frage stellen konnte, die ihm vielleicht doch noch eine gebrochene Nase beschert hätte.

„Wieso sollte ich? Was veranstaltet der Grünschnabel denn da überhaupt mit dir?“ verlangte der Riese röhrend zu erfahren. ‚Wie ein wutentbrannter, blau angelaufener Gorilla, der sein Territorium markiert… sein Aquarium… ein Gorilla-Haifisch, Haifisch-Gorilla, oh Furcht, oh Graus, seht es euch an, das gar mächtige Silberrücken-Alpha-Männchen des Goldfischteichs! Erzittert vor seinem aquatischen Gebrüll! Blubb, glubb, babbel, bla! Ugh, ugh, ugh, aaaargh, aaargh!! ‘ schoss es Doku zusammenhanglos und wenig geistreich durch den Brummschädel. Und gleich würde es Schläge regnen, wie aus Maschinengewehr-Salven, Halleluja! Ihm war plötzlich zum Kotzen zumute.

„Das hättest du ebenso gut erfahren können, BEVOR du auf den Iryonin losgegangen bist, Kisame. Das hier… sollte eine medizinische Untersuchung werden…“ Itachis Tonfall hatte nun einen Hauch von Sarkasmus intus, und Doku wusste nicht, ob er sich auf Kisames unüberlegtes Vorpreschen bezog, oder auf seine dürftigen Leistungen als routinierter Medicus. „Ja, das sollte es…“ bestätigte er dennoch schwach, und kam sich dabei ziemlich armselig und verdammt lächerlich vor.

Kisame glotzte geringschätzig auf Doku hinab. Dann fiel sein Blick auf das offensichtlich defekte Stethoskop auf dem verrückten Nachttisch. Er stieß abwertend die Luft zwischen seinen spitzen Zähnen aus. Dann zerrte er Doku rüde am eingerissenen Hemdärmel hoch, auf seine zittrigen Beine.

„Weitermachen!“ befahl er schroff. „Aber damit eines klar ist: Keine Doktorspielchen an meinem Partner, wenn ich dich dabei nicht genauestens im Blick habe, Freundchen!“

Doku errötete, und schielte hilfesuchend zu seinem Patienten rüber.

„Kisame…“ raunte es halb warnend, halb irritiert aus den Laken hervor, doch Kisame bestand auf seiner Forderung. „Ich trau dir nicht halb so weit, wie ich dich schmeißen kann, Bürschchen.“

Der Federhaarige schätzte diese Strecke immer noch auf mehrere Kilometer, aber sei es drum…

„Es ist eine Sache, wenn du nicht in der Lage bist, zu verhindern, dass Itachi von seiner Krankheit dahingerafft wird. Aber wenn ich sehe, dass deine Untersuchungsmethoden Schuld an seinem Tod getragen haben, dann werde ich dich eigenhändig vierteilen, deine Gliedmaßen an Zetsu verfüttern, dir dein Herz aus der Hühnerbrust reißen, und ihm dann deine zersplitterten Rippen als Zahnstocher anbieten.“

Doku, der fasziniert und aufmerksam zugehört hatte, vermutete, dass Haifischvisage ihm soeben mit der geistig umnachteten Venusfliegenfalle gedroht hatte, und ihm wurde flau in der Magengegend. Unter diesem Druck sollte er arbeiten?

Jetzt hatte er also nicht nur den aas-geiernden Kannibalen und die materialistische Vogelscheuche im Nacken, sondern auch noch einen lauernden Haifisch, der seinen eigenen Patienten vor ihm beschützen zu müssen glaubte. Sonst noch was? Dokus Nerven waren nie die Besten gewesen, und so langsam fürchtete er, sie endgültig zu verlieren. Sein Augenlid hatte wieder zu zucken begonnen.

Herrlich, dann konnten diese Höhlenmenschen ihn tatsächlich bald in ihren Reihen der geistesgestörten Monstrositäten aufnehmen. Betrübt senkte er den Kopf.

„Kisame, würdest du jetzt bitte von ihm ablassen? Ich denke, wir alle wissen nun, was du von diesem jungen Mann erwartest, und er wird sich mit Gewissheit an deine Anweisungen halten. Es ist alles in bester Ordnung, und es besteht keine Veranlassung, ihm zu drohen, oder ihm grob zuzusetzen. Habe ich recht, Doku?“

Der Federhaarige blinzelte irritiert zu seinem Patienten hinüber und nickte hilflos.

Tatsächlich wäre er in diesem Moment am liebsten durch die geschlossene Türe hindurch gebrettert, und einfach unter hysterischem Geheul davongerast, so schnell ihn seine Beine trugen.

Bei dieser bildlichen Vorstellung musste er unwillkürlich auflachen, aber es klang eher wie ein trockenes Schluchzen.

Kisame runzelte die Stirn, legte den Kopf schief, und glotzte vorwurfsvoll zu seinem Partner hinab. Sein Blick sagte alles: Ist das dein Ernst, Itachi? Soll ich diesen Freak wirklich auf dich loslassen? Willst du so einem Vogel wirklich deine Gesundheit; dein LEBEN anvertrauen?

Aber der Uchiha schloss kurz die Augen, und nickte besonnen. Scheinbar hegte er keine Bedenken gegen diese Zukunftsaussichten.

Konans Besuch durchbrach die angespannte Konstellation.

Sie war gekommen, um dem Kranken einen neuen Krug Wasser und ein kleines Abendbrot zu bringen.

Offenbar war sie es, die sich hier üblicherweise um die Kranken und Verletzen zu kümmern pflegte.

Doch ihre Aufmerksamkeit galt diesmal weniger Itachis Befinden.

„Wie geht es dir, Doku?“ fragte sie, und die ehrliche Anteilnahme in ihrer rauchigen Stimme hätte den aufgelösten Jungen fast zu Tränen rühren können. Er hätte sie küssen mögen, für ihre bloße Anwesenheit. „Ich habe dich gesucht, und Zetsu meinte, du hättest völlig aufgewühlt das Labor verlassen, als er das Gespräch mit dir suchte.“

„Ich… ich wollte nur so schnell wie möglich mit meiner Aufgabe beginnen, und nach Herrn Uchiha sehen.“ druckste der Katzenäugige herum, und zupfte fahrig an den Fetzen seines Hemdärmels herum.

Kisame schnaubte verächtlich, und Konan lächelte sanftmütig.

„Und wer sieht nach dir, Doku?“ fragte sie vorsichtig. „Ich will dir nicht zu nahe treten, aber du machst nicht den Eindruck, als wärst du im Augenblick zu einer überlegten Handlung in der Lage. Schau dich an, du zitterst am ganzen Leib, einige deiner Wunden sind wieder aufgebrochen, und du siehst aus, wie ein Gespenst. Hast du überhaupt schon etwas gegessen, geschweige denn getrunken?“

Doku schüttelte nach einigen Überlegungen den Kopf, und zuckte zusammen, als sich der Raum um ihn herum unkontrolliert zu drehen schien.

„In dieser Verfassung nützt du niemandem, Doku. Es ist schon spät. Lass es genug sein für heute, und komm zur Ruhe. Ich zeige dir, wo du dich waschen kannst, und in welchem Zimmer ein Bett für dich hergerichtet wurde. Dort steht auch ein kleines Abendessen für dich bereit. Folge mir bitte.“

Doku schluckte sehnsüchtig, und sah sich fragend zu seinem Patienten und dessen Leibwächter um, als warte er auf eine Erlaubnis.

Erst, als Itachi kurz die Hand hob, und Kisame eine wegwerfende Geste formulierte, mit der man ansonsten eine lästige Fliege verscheuchte, verabschiedete sich der Junge aus Yuga, und wünschte eine angenehme Nacht.

Kisame schüttelte heftig sein blaues Haupt, als der schmächtige Junge aus seinem Blickfeld verschwand. „Unmöglich, dieser Bengel…“

„Wir sollten seine Mühen respektieren, Kisame. Auch, wenn er seiner momentanen Aufgabe nicht ganz freiwillig nachgeht. Es ist vielleicht die letzte seines Lebens. Geben wir ihm wenigstens die Chance, sie zu erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er scheitern wird, ist ohnehin groß genug, findest du nicht?“

Der Hoshigaki senkte betroffen seinen Blick, und blieb seinem Partner die Antwort auf diese rhetorische Frage schuldig

Zicke !

„Wo bin ich hier eigentlich gelandet?“ wollte Doku wissen, als er Konan über den Flur folgte. Er hatte keinen Schimmer, wie weit man ihn von Yuga fortgeschleppt hatte. Und was waren das für Gestalten, die an einem Ort wie diesem hausten?

„Je weniger du weißt, umso besser für dich.“ war Konans knappe Antwort, und Doku begnügte sich für heute damit. Die Blauhaarige deutete auf eine der Türen. „Hier schläfst du.“

Dokus Herz setzte kurz aus. Seine Augen quollen fast aus den Höhlen. War die Lady jetzt etwa auch komplett irre geworden?! „Das ist nicht Ihr Ernst,- das ist doch das Zimmer von der fleischfressenden Pflanze!“ japste er entsetzt.

Konan unterdrückte ein Lächeln. „Nein, Doku; Zetsus Zimmer liegt schräg gegenüber. Dieses Zimmer hier ist schon vor einiger Zeit frei geworden. Es gehört dir allein.“

Doku schnaufte erleichtert, riss sich dann eine längere schwarze Feder vom Kopf und stopfte sie in das Schlüsselloch seiner Zimmertür. „Damit ich mich auch ja nicht im Zimmer vertue…“ erklärte er murmelnd, als er Konans amüsiert-irritierte Blicke in seinem Rücken spürte.

Sie begleitete ihn noch bis zum Waschraum.

„Auf der Ablage zwischen den beiden Waschbecken habe ich ein frisches Handtuch für dich hingelegt. Ich wusste nicht, ob du die Gelegenheit hattest, dir ein eigenes mitzunehmen.“ Sie hielt kurz inne, schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Wenn… es irgendwelche… Probleme geben sollte…“ fuhr sie dann zögerlich fort, und musterte Dokus müdes, lausbubenhaftes Gesicht nachdenklich, und ihre Stimme wurde noch leiser, „…dann wende dich an mich. Ich werde dir dann den Schlüssel für meine separate, kleine Waschzelle geben. Ich weiß, wie es hier manchmal zugehen kann, und wenn es die Situation erfordern sollte, dann kannst du gerne auf dieses Angebot zurückkommen. Pain muss nichts davon erfahren.“

Doku starrte Konan fasziniert an. Jetzt, wo die ganzen Deckenstrahler ausgeschaltet waren, und nur das warme Licht einiger Fackeln die Gänge erleuchtete, wirkte ihre engelsgleiche Erscheinung noch mystischer.

„Danke… Mach ich…“ brabbelte er etwas stumpfsinnig hervor, und schluckte beklommen, als Konan ihm ein sanftes Lächeln schenkte, und sich mit einem höflichen Gruß zur Nacht von ihm verabschiedete.
 

Doku schlurfte ins Bad, und nahm mit stummer Missbilligung die unangenehme Tatsache zur Kenntnis, dass man diesen Raum selbst schon einmal NICHT hinter sich abschließen konnte. Die Dusche, die in der hinteren, linken Ecke des Raumes installiert war, war durch einen schmutziggrauen Vorhang abgetrennt. „Ach, du Scheiße!… Apropos Scheiße…?“

An der Ostwand schloss sich noch ein kleiner Verschlag an, in dem sich die Toilette befand.

Doku linste vorsichtig in die Kammer, die sich jedoch in einem relativ annehmbaren Zustand befand, wenn man daran dachte, wie viele Männer sie täglich beanspruchen mussten, und er atmete auf, als er den Schlüssel entdeckte, der in der lackierten Holztür steckte.

Erleichtert schlurfte er dann zu den Waschbecken hinüber, erschrak kurz vor seinem eigenen – höchst schaurigen - Anblick im Spiegel, und schenkte seinem unansehnlichen selbst dann ein breites Grinsen. „Ist doch halb so wild… das wird schon, Doc…“ sprach er seinem nicht mehr ganz taufrisch wirkenden Abbild Mut zu.

Er befreite sich ächzend von seinem verdreckten, und ziemlich zerfetzten Hemd, und ließ es achtlos auf den Boden fallen. Auch die Hose streifte er mit einer ungeduldigen Bewegung von seinen Beinen, die mottenzerfressenen Socken und matschigen Stiefel gleich mit dazu.

Dann riss er sich nicht besonders zimperlich die durchgebluteten Pflaster und Verbände von der Haut, mit Ausnahme der strammen Bandagen um seinen Brustkorb.

Doku beglückwünschte sich selbst für seine exzellente Heilhaut, und begutachtete nun beinahe zufrieden den dicken Schorf, der sich an zahlreichen Stellen seines malträtierten Körpers gebildet hatte.

Manche waren mit hässlichen Hämatomen in allen Regenbogenfarben unterlegt, aber keine der Wunden zeigte die Anzeichen einer Sepsis. Wäre auch mal was Neues gewesen, aber man konnte sich ja nie sicher genug sein.

Nun stand er da, barfuß, nur in den etwas zu großen, blaukarierten Boxershorts mit dem peinlichen Dinosaurier-Aufnäher und seiner mittlerweile ziemlich durchgesifften Oberkörper-bandagierung.

Er liebäugelte kurz mit der verführerischen Vorstellung, sich auch den letzten verhüllenden Stoffbahnen zu entledigen, und sich eine herrlich erfrischende, eiskalte Dusche zu gönnen, verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder. Er stand hier schließlich nicht an einem verlassenen Wald-Wasserfall oder einem einsamen Wildwasserbach…

Also ließ er das kalte Nass schließlich aus dem Wasserhahn des kleinen Waschbeckens sprudeln, nahm die Kernseife zur Hand, und versuchte sich in möglichst gründlicher, allumfassender Katzenwäsche.

Fast wäre Doku mit seinem linken Fuß auf seinen eigenen Kleidungsstücken ausgerutscht, die auf den glatten, tropfnassen Fliesen lagen, als er sich bei der Aktion fast verrenkte, auch sein rechtes ein zur abschließenden Reinigung mit einer etwas zu kriegerischen Bewegung auf die Armaturen zu positionieren.

Zu guter Letzt mabövrierte er umständlich seinen gefiederten Schopf unter den eiskalten Wasserstrahl, und wusch sich prustend und schnaufend Erde, Blut und Laubreste aus den Federn.

Als er wieder aufblickte, klebten sie triefnass und schwarz an seinem aschfahlen Gesicht.

So richtig schäbig sah er aus, und jetzt, wo er sich den Siff aus dem Gesicht gewaschen hatte, wirkte sein Teint fahl wie der einer Wasserleiche. „Bäh!“ spie Doku seinem unerfreulichen Abbild angewidert entgegen, und zeigte ihm seine gespaltene Zunge.

Er blieb schockiert in dieser lächerlichen Grimasse stecken, als ihm plötzlich die Gestalt HINTER seinem Spiegelbild auffiel, die sich lässig an den Türrahmen gelehnt hatte, und die Arme vor der schmalen Brust verschränkt, dem Schauspiel beigewohnt hatte. Das eine saphirblaue Auge, welches nicht hinter langen, blonden Haarsträhnen versteckt war, blitzte ihm provokativ entgegen.

Doku wirbelte, tropfnass, und halbnackt, wie er war, herum, und glotzte die Erscheinung mit offenem Mund an, wobei ihm erst gar nicht bewusst war, wie trottelig er dabei aussah.

Sie musste etwa in seinem Alter sein, war fast ebenso klein und zierlich wie er selbst, und sie trug diesen obligatorischen schwarzen Mantel mit den roten Wolken. Das glatte Haar war zu einem etwas exzentrischen Zopf hochgebunden, und ein neugierig lauerndes, etwas arrogant wirkendes Lächeln umspielte die fein geschwungenen Lippen. Der taxierende, leicht laszive Blick aus einem kajal-umrandeten Auge brachte Doku in Verlegenheit.

‚Hier unten scheinen nur extrem abnorme Gestalten, -wie Zetsus, Haifischvisagen und Vogelscheuchen -, oder extrem attraktive Geschosse, -Konan, Itachi, Sensenheini und dieses hübsche Blondie- herumzugeistern. ‘ ging es ihm durch den Kopf.

Das karrotten-rote Nadelkissen mit den komischen Kreiselaugen stufte er mal großzügig als Zwischending von beiden Kategorien ein… Man musste aber wirklich zugeben, dass vor allem die Frauen, die er sich da für seinen Verein rekrutiert hatte, einfach nur verdammt heiß waren!

Doku zählte sich selbst in aller Bescheidenheit zu den abnormen Gestalten, aber fand dennoch den Mut zur Höflichkeit, sich dem Mädchen vorzustellen. „Hi…“ begann er drucksend, und grinste linkisch, wobei er sich die nassen Federn aus dem Gesicht strich. „Entschuldige, dass ich dir in diesem Aufzug begegnen muss…“ fügte er hinzu, als die Blicke der Blondine amüsiert seine schmächtige Gestalt bis hinab zu seinen Dino-Boxershorts glitten. „Ich bin Doku; man hat mich aus Yuga kommen lassen, um Herrn Uchiha zu behandeln. Tja… sieht so aus, als würde ich für einige Zeit bei euch bleiben. Und… und du bist…?“

„Deidara, un.“ antwortete „die Blondine“ mit süffisantem Lächeln und schockierend maskuliner Stimme, und Doku entfuhr vor Überraschung ein unartikulierter, krächzender Laut. „Hääargh?!“

Deidara -, un- zog kokett eine Augenbraue in die Höhe, bewegte sich –wackelte der Typ dabei mit den Hüften?- betont lässig zum benachbarten Waschbecken, und löste seinen Zopf. „Wegen dem Uchiha bist du also hier, hört, hört, un…“

Dann kämmte er sich in aller Seelenruhe sein güldnes Haar, und würdigte Doku, der ihn immer noch aus geweiteten Katzenaugen anstierte, keines weiteren Blickes.

Irgendwann schaffte es der Mediziner schließlich, seine temporäre Schockstarre zu überwinden, und sich wieder seiner provisorischen Körperhygiene zu widmen.

Geräuschvoll perlten die Wassertropfen ins Waschbecken, als er seine klatschnassen Federn über ihm auswrang.

Deidara registrierte aus den Augenwinkeln ein, zwei blauschimmernde Federn, die sich der komische, etwas verklemmt wirkende Typ dabei ausriss.

„Unser selbsternannter Hausmeister Kakuzu dreht durch, wenn du den Abfluss mit den Dingern verstopfst, un…“ säuselte der Blonde herablassend, und Doku, immer noch arg irritiert von seiner männlichen Stimme fischte sofort brav seine Federn aus dem Gulli und schnipste sie zu den benutzten Pflastern auf die Armaturen. Deidara schielte ihn pikiert von der Seite her an, erfasste das Waschbecken, das vor Dreck und geronnenem Blut starrte, und zuckte angewidert zusammen, als sich Doku plötzlich wie ein nasser Hund schüttelte, und die von Konan frisch geputzten Spiegel, sowie ihn selbst mit einem eiskalten Nieselschauer beregnete.

Mit gerümpfter Nase wischte sich Deidara mit einem Mantelärmel über das hübsche Gesicht, und hängte das schwere Kleidungsstück dann gleich an einem Garderobenhaken auf. Sein Körperbau war gar nicht so fragil, wie Doku angenommen hatte. Auf jeden Fall war der Typ durchtrainierter als er selbst, was aber auch kein Kunststück war. Doku war allenfalls ein wenig drahtig, weil er viel zu viel in der Weltgeschichte herumturnte, sich dabei von nichts als von Grünzeug ernährte, und nur einmal die Woche einen rohen Fisch zum Frühstück verschlang.

„Wir haben auch eine Dusche, un…“ bemerkte der Blonde nun langgezogen, und sah ihn vielsagend aus seinem schönen, blauen Auge an. Anscheinend hatte er einen charmanten Sprachfehler. Oder einen Tick? „Ich empfehle dir, sie auch zu benutzen, un. Die Bandagen solltest du auch mal wieder wechseln, un. Mit Verlaub,- die Schweißflecken unter deinen Armen sind nicht nur deutlich zu sehen, sondern auch zu riechen, un…“

Doku konnte im Spiegel die faszinierend rasche Wandlung seiner Gesichtsfarbe von leichenblass zu tomatenrot nachvollziehen. „Verzeihung, aber ich hatte heute einen harten Tag…“ knurrte er leicht gereizt.

„Da bist du nicht der einzige, un.“ schnarrte Deidara, den es jetzt erst von einer wochenlangen Mission mit Sasori zurück ins Hauptquartier der Akatsuki verschlagen hatte, und wusch sich fast übertrieben gründlich die Hände.

Doku linste missgelaunt zu dem jungen Mann hinüber, sparte sich aber einen weiteren Kommentar. Ziemlich zickig war dieser Typ… Jetzt schenkte er ihm plötzlich ein unwiderstehliches, fast versöhnliches Lächeln. Doku fühlte sich davon überrumpelt, konnte nicht beurteilen, ob es ernst gemeint war oder nicht, und griff nach dem Handtuch auf der Ablage, um sich die Federn abzutrocknen. „Ausweich-Handlung“ nannte man dieses Phänomen beispielsweise bei einigen Papageienarten, die ihre Verlegenheit oder unangenehme Situationen mit Gefiederpflege überspielten…

Als Doku wieder aufblickte, hatte eine weitere Gestalt das Bad betreten. Der rothaarige Typ schien nicht überrascht von Dokus Anwesenheit, sondern murmelte nur leise etwas, was klang wie „…besetzt?“

„Bin schon so gut wie fertig!“ beeilte sich Doku zu sagen. „Guten Abend, mein Name ist übrigens Doku, ich bin der Mediziner aus Yuga.“ Er schämte sich, sich in diesem Aufzug einem solch seriös und ernsthaft wirkenden Menschen wie diesem hier vorstellen zu müssen. Er hielt ihm dennoch nach einer respektvollen Verbeugung die Hand hin, aber der Rotschopf ignorierte seine Geste einfach und starrte ihm schweigend mit müden, emotionslosen Augen ins Angesicht.

„Er ist wegen dem Uchiha hier, Sasori, un.“ erklärte Deidara seinem Partner in leierndem Tonfall.

„Sie sind Sasori?! Der Sasori?“ Doku trat einen Schritt auf den Giftmischer zu, und riss begeistert seine Raubtieraugen auf, wodurch sie unnatürlich groß wirkten. „Ihr Labor ist fantastisch! Gut, ich hatte nicht die Ruhe, mich genau umzusehen, aber die Gerätschaften sind erste Klasse! Sehr gepflegt, bestens sortiert, und auf dem neuesten Stand, wie es den Anschein hatte. Nur im Reagenzienschrank habe ich einige Substanzen auf den ersten Blick vermisst… Darf ich fragen, welche Indikatoren für die Bluttests bereitstehen?“

„Keine.“ dämpfte Sasori mit einem einzigen Wort Dokus Euphorie. „In diesem Labor wurde unter Orochimarus Leitung bereits an allem Möglichen gearbeitet, aber noch niemals an der Erforschung von Krankheiten oder der Herstellung von Arzneistoffen. In den letzten Wochen war die Produktion von Humangiften das einzige, was in diesen Räumlichkeiten stattgefunden hat.“

Doku nickte nachdenklich. Das war ja schon mal was. Jede Arznei war im Grunde ein Gift, es kam bloß auf die Dosis an. Er selbst konnte ein Liedchen davon singen…

„Darf ich mich trotzdem an Sie wenden, wenn es um fehlenden Laborbedarf oder Fragen zu den Instrumenten geht…?“

Sasori wandte sich unwillig ab. Offenbar wollte er möglichst wenig mit der Angelegenheit zu tun haben. „Zetsu wird sich um alles kümmern.“ raunte er abwehrend, und beraubte Doku damit jeder Hoffnung seinen Ansprechpartner in Sachen Laboratorium auswechseln zu können.

Doch Deidara kam dem Federhaarigen unerwartet zu Hilfe. „Überleg dir die Sache noch mal, Sasori, un… Noch ist das Labor funktionsfähig, un…“ Er tippte seinem Partner neckisch auf die Schulter, rollte mit den Augen, und heftete seinen stechenden Blick dann demonstrativ auf das verdreckte Waschbecken, wobei er mit den Lippen das Wort „Schlaaaaaam-pe…“ formulierte.

Eine kurze Regung zeigte sich in Sasoris Gesicht, indem sich seine kleinen Nasenlöcher für einen Sekundenbruchteil weiteten. Aber er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl.

„Ich werde einen Blick auf deine Arbeit haben.“ räumte er schließlich ein, und Doku wusste, dass er diese Nacht vielleicht doch besser schlafen können würde, als erwartet.

Nachtruhe? Fehlanzeige!

Doku steuerte barfuß, in seinen Dinosaurier-Shorts am den Beinen und mit seiner restlichen Wäsche in den Armen zielstrebig auf die Tür mit jenem Schlüsselloch zu, welches er mit seiner Feder markiert hatte.

Drinnen angekommen, stellte er bestürzt fest, dass man ihm keinen passenden Schlüssel gewährt hatte, mit dem er dieses Türschloss auch zu seiner Zweckbestimmung führen konnte. Er zweifelte daran, in diesen vier Wänden abschalten und entspannen zu können…

Der Raum war ziemlich klein, aber sauber und aufgeräumt. Er war mit einem kleinen Schreibtisch ausgestattet, einem hohen Schrank, und einem Stuhl, an welchem die linke Armlehne fehlte.

Natürlich gab es auch hier kein Fenster. Eine kleine Öllampe brannte auf dem Nachttisch, just neben dem ordentlich gemachten Bett. Sie stellte zwar die einzige Lichtquelle dar, machte ihn aber auch mit seiner flackernden Flamme irgendwie nervös.

Seinen alten Rucksack hatte ihm jemand vor den Matratzenkasten gestellt, wie er in ihrem matten Schein erkennen konnte. Morgen würde er in ihm nach frischen Klamotten und seiner Zahnbürste kramen, jetzt hatte er wirklich keinen Nerv mehr dazu…

Doku leckte sich kurz mit der gespaltenen Zunge über die trockenen Lippen. Irrte er sich, oder konnte er den Geruch von Petersilie und Dill wahrnehmen?

Er blickte sich noch einmal genauer im Raum um, und entdeckte dann die Schüssel mit lauwarmer Gemüsebrühe, die Konan –möge sie Mutter Natur segnen! - ihm gnädigerweise hingestellt haben musste. Daneben standen ein kleiner Korb mit frischem Obst und ein großer Krug voll Wasser. Und ein kleiner Laib duftenden Brotes, das in ein sauberes Küchentuch gewickelt war.

Doku starrte es begierig an. Wie lange hatte er schon kein Brot mehr gegessen… zwei Jahre? Drei? Er zog kurz die Möglichkeit in Betracht, dass man es vergiftet haben könnte, aber das hätte zum einen keinen gesteigerten Sinn ergeben, und zweitens... war ihm doch egal!

Doku brockte sich die Hälfte des Gebäcks in die Suppe, und schlang sein Mahl gierig hinunter, fast ohne zu kauen. Dann verspeiste er den Rest des Brotes trocken, und spülte ordentlich mit Wasser nach.

Er hatte gar nicht gemerkt, was für einen Kohldampf er die ganze Zeit geschoben hatte, und das Brot kam ihm wie das Köstlichste vor, das er jemals seine Speiseröhre hinunter gezwängt hatte. Er rülpste dumpf.

Pappsatt ließ er sich dann auf das Bett fallen. Die Schüssel mit dem Obst ließ er unberührt. Er hatte sich lange genug fast ausschließlich von Früchten, Wurzeln, und fadem Gemüse ernährt, und verspürte gerade kein gesteigertes Verlangen nach diesem verdammt gesunden Zeug.

Der Federhaarige löschte noch schnell die nervtötende Lampe, und kuschelte sich wohlig aufseufzend in die duftende Bettwäsche. Wenigstens eine Annehmlichkeit hatte diese komische Sklaverei bei den Wolkenmänteln. Es war herrlich weich, auf dieser Matratze…

Die letzten Monate hatte er ausschließlich auf Bäumen geschlafen, als Ratten und Schimmel seine ursprüngliche Behausung heimgesucht hatten. Wie oft war er mit schmerzendem Rücken in den unmöglichsten Positionen, verstrickt im wirren Geäst aufgewacht, oder von einem wütenden Uhu in den Nacken gepickt worden, weil er sich den falschen Baum ausgesucht hatte?

Es war wunderbar angenehm, sich nun in die weichen Laken zu schmiegen.

Aber gleichzeitig erfüllte Doku nun ein gewisses, claustrophobisches Gefühl der Beengung.

Irgendwie fehlte ihm jetzt das die frische Brise des Nachtwindes. Das Geschrei der Nachtvögel. Das Rauschen in der Baumkrone über ihm, durch welche ab und zu ein Stern am tiefblauen Nachthimmel hervor blitzte.

Doku wälzte sich herum. Er kam sich vor, wie in einem Sarg.

Er entledigte sich schließlich sogar den Bandagen um seinen Brustkorb.

Doch noch immer hielt das beklemmende Gefühl an.

Auf dem Flur hörte er plötzlich ein hysterisches Lachen, vermutlich von dem irren Sensenheini, und das Gezeter der Vogelscheuche. Doku begrub seinen Kopf unter dem dicken Kissen, und wickelte die Decke enger um seinen Körper.

Dann kehrte wieder Stille ein.

Und irgendwann übermannte den angespannten jungen Mediziner dann doch der Schlaf.
 

Als Doku aufgrund einer zum Bersten vollen Blase einige Stunden später erwachte, ging sein wirrer Alptraum, den er gehabt hatte, beinahe nahtlos in eine grausige Panikattacke über. Zuerst befiel ihn das fürchterliche Gefühl, nicht zu wissen wo er sich befand, er konnte noch nicht einmal sagen, wo oben und unten war. Im nächsten Moment fühlte er sich eingeengt von einem dicken, weiche Etwas –der Bettdecke-, in der er sich gefangen glaubte, wie in den stickigen Gedärmen eines gigantischen Untiers.

Kaum hatte er sich davon befreit, empfing ihn eine Dunkelheit, die er sonst höchstens von den seltenen wolkenverhangenen Neumondnächten Yugas kannte. Eine Dunkelheit, in der auch nachtsichtige Augen einige Sekunden brauchten, bis sie sich zurecht fanden.

Doku sprang mit einem hysterischen Satz aus dem Ding, das er wenig später als Bett identifizieren würde, stolperte einmal desorientiert und wild um sich tastend quer durch den kleinen Tuffstein-raum, schlug sich die frisch genähte Schläfe an irgendeinem kleinen Feldvorsprung an, und jaulte eher vor Schreck als vor Schmerz auf.

Dann endlich hatten sich seine Augen an die Dunkelheit angepasst, und reflektierten das Quäntchen Licht, das schwach unter dem Türspalt hervorleuchtete. Es reichte aus, um ihm die grausige Erkenntnis zu vermitteln, wo er sich –immer noch- befand.

Doku unterdrückte ein Schluchzen, und tapste resigniert zum Bett zurück.

Er hätte nicht annähern sagen können, wie spät es war. Normalerweise stand Doku mit den Vögeln auf, die gegen fünf Uhr morgens die nahenden ersten Sonnenstrahlen mit ihrem lärmenden, unverständlichen Begrüßungsformeln willkommen hießen.

Aber in diesem sonnenlichtleeren, unterirdischen Bunker schien die Zeit eine Illusion zu sein.

Doku zappelte nervös mit den Füßen herum, stand dann auf, taperte rastlos durch sein Zimmer, wie ein Tiger in seinem Käfig, und wurde sich dann wieder des Druckes in seiner Blase bewusst, den er aufgrund seines kleinen hysterischen Anfalls vollkommen verdrängt hatte.

Er legte sich die Bandagen an, und beschloss, es zu wagen, die Toilette aufzusuchen.

Die Zimmertür quietschte unnötig laut, als er sie öffnete, und auf den Flur schlich.

Alle elektrischen Lichter waren gelöscht, keine einzige Fackel loderte mehr, es brannte nur noch eine einzelne, flackernde Ölfunzel am Ende des Ganges.

Die Leute schienen noch zu schlafen.

Wie auf Samtpfoten flitzte Doku um die Ecken, und erreichte schließlich, gerade noch rechtzeitig, die Örtlichkeiten.

Erleichtert schlenderte er zwei Minuten später den Gang zurück. Noch einmal Zickzack, dann war er wieder im Wohnbereich…
 

Ein kreischender Schrei traf Doku fast wie ein Faustschlag ins Gesicht, als er just um die Ecke bog, und fast mit Hidan zusammengekracht wäre, der diese Nacht Wache halten musste. Doku schrie gellend zurück, und duckte sich instinktiv, als Hidan im Affekt ausholte, um ihm eine zu zimmern.

Keine Millisekunde zu früh.

Der unerwartete Anblick Dokus fluoreszierender Iriden hatte den Jashinisten völlig aus dem Konzept gebracht, und nun war er von einem Moment auf den anderen auf übelsten Krawall gebürstet. Noch wusste er nicht, auf wen er da gerade gestoßen war, zu ungünstig waren die Lichtverhältnisse.

Doku, der in Abwehrhaltung auf dem Boden kauerte, konnte jedoch sehr genau erkennen, wie der junge Mann mit mörderischem Grinsen auf den Lippen genüsslich nach seiner Sense griff…

„Neineinein! Hilfe! Sasori!“ schrie er verzweifelt, da dies der einzige Name war, der ihm gerade einfiel. Er mochte Skorpione. Sie waren interessante Geschöpfe und lieferten ausgezeichnete Gifte. Er war sich im Moment aber nicht sicher, ob er je wieder ein lebendes Exemplar dieser Gattung zu Gesicht bekommen würde, weil er selbst wahrscheinlich gleich seinen Status als lebendes Exemplar seiner Gattung verlor. „Hilfe! Der Typ ist wahnsinnig geworden!“

„Fuck! Bist du das, Doku, du kleiner Schwanzlutscher?“ meckerte Hidan, der Dokus typische, brüchige Stimme erkannt hatte, und verengte die Augen zu kleinen, violetten Schlitzen.

„Nein! Doch! Jaa, Mann, ICH bin´s!“ jammerte der Federhaarige mit einer Mischung aus Erleichterung, Empörung und Verzweiflung, und fuchtelte wild mit den Händen herum.

„Was ist hier los?“ bellte Reibeisenstimme von irgendwoher. „Was soll der Kindergarten? Wir haben vier Uhr morgens!“

Hidan ließ die Waffe sinken, und stieß ein schrilles Lachen aus. „Muhahaharr! Verfickte Scheiße, Mann, wenn ich nicht unsterblich wäre, hättest du kleine Missgeburt mich gerade wahrscheinlich zu Tode erschreckt!“

Er wuschelte ihm mit der freien Hand durch die Federn, und Doku atmete wieder ein wenig auf. „Und ich hätte mir vor Angst sicher in die Hosen gemacht, wenn ich nicht gerade vom Lokus gekommen wär.“ gab er offen zu. Seine Stimme zitterte unüberhörbar.

„Ach , ja?“ Hidan schielte skeptisch auf Doku herab. „Warste wirklich nur pissen, oder wolltest du dich viel mehr VER-pissen, Kleiner? Ich rate dir eins, versuch das lieber nicht, wenn ICH Wache schiebe. Ich bin ziemlich schnell mit meiner Sense, wenn du verstehst, was ich meine…“

„Du und schnell? Weder mit der Sense, noch mit dem Verstand, wenn du mich fragst. Du hast ja nicht mal mitbekommen, dass der Zwerg überhaupt sein Zimmer verlassen hat, stimmt´s?“ stichelte Kakuzu, der zur Schadensbegrenzung herbeigeeilt war.

„Und im übrigen, Hidan, rate ICH dir, deine alles opfernden Drecks-griffel von dem Jungen zu lassen, Hidan.“

„Willst das Schatzi wohl ganz für dich allein haben, du nimmersatter, oller Geizhals.“ zirpte Hidan, wackelte vielsagend mit einer hellen Augenbraue, und kniff Doku nach Großtantchen-manier kräftig in die Wange. Der Jung-mediziner starrte ihm entsetzt ins befriedigt grinsende Gesicht. Was, zum Geier, wollte der denn damit wieder andeuten?

„Was glotzte denn so, Süßer, biste etwa ein kleiner Homophobiker?“ erkundigte sich Hidan gespielt teilnahmsvoll.

„Ähm… Nein, das sicher nicht…“ stammelte Doku irritiert. „Aber…“

Hidan schlug ihm darauf freundschaftlich auf den Rücken.„Ist ja irre! Hast du das gehört, Kakuzu? Freut mich, Schnuckelchen, merk ich mir! Wär ja auch ziemlich ungünstig gewesen, so eine Homophobie, hier unten, in dieser Mördergrube voll notgeiler Hurensöhne, die sich wochenlang mit dicken Eiern durch die Gänge quälen müssten, wenn sie nicht so wahllos in der Gegend rumf-…“

Doku quakte gepeinigt auf, und hielt sich die spitzen Ohren zu. Seine großen, runden Augen spiegelten das nackte Grauen wieder. Kakuzu schritt ein, bevor das große Drama begann, denn das gefiederte Nervenbündel machte den Eindruck, als würde es jeden Moment zu plärren anfangen. Das brauchte er nicht. Nicht um die Uhrzeit.

„Es reicht jetzt, Hidan, lass den Jungen in Ruhe, Er muss gleich noch arbeiten, …im Gegensatz zu dir.“ Er wandte sich Doku zu. „Und du, Winzling, sieh zu, dass du deinen armseligen kleinen Hintern in dein Zimmer zurückbewegst. In knapp zwei Stunden bekommst du Besuch vom Weckdienst.“ -Hidan winkte ihm fröhlich zu, und sendete ihm einen unheilverkündenden Luftkuss zu – „Und pünktlich um halb sieben will ich dich taufrisch und in angemessenem Aufzug in der Küche sehen.“ Kakuzu starrte missbilligend auf Dokus alberne Dino-Shorts. „Nach dem Frühstück kannst du dich dann frisch gestärkt und ausgeschlafen deiner Aufgabe zuwenden, insofern…“ –verächtlicher Seitenblick auf einen gewissen jashinistischen Sadisten- „…man dich lässt. Abmarsch, jetzt, alle beide!“

Freak-Frühstück

Als Hidan – ausnahmsweise überpünktlich - um sechs Uhr seinen Weckdienst antrat, und ohne anzuklopfen, und mit erwartungsvollem Grinsen auf den Lippen in Dokus Zimmer hineinpolterte, war der Jungmediziner zu seiner Enttäuschung schon wach, vollständig bekleidet, und scheinbar nicht im Geringsten über den unverhofften Besuch erschrocken.

Der Hänfling deutete eine höfliche Verbeugung an, und war flugs an ihm vorbei durch die Tür gehuscht, noch bevor Hidan auch nur den Namen seines Gottes hätte aussprechen können.

„Hey, Moment mal, du Mücke…“ murmelte der überrumpelte Sensenschwinger dem Kleineren noch halbherzig hinterher, aber der gefiederte Winzling war schon aus seinem Blickfeld gedüst.

Hidan zuckte mit den Schultern. Dann eben nicht.

Er hatte jetzt auch nicht wirklich Bock, dem komischen Vogel hinterherzuflitzen, und darauf acht zu geben, dass der kleine Hinterwäldler auch ja keinen Unsinn verzapfte.

Sollte Kakuzu doch die Nanny spielen; er, Hidan würde sich zunächst ausgiebig seinem wohlverdienten Schönheitsschlaf widmen – nicht, dass er ihn nötig gehabt hätte- und sich alles andere im HQ gepflegt am Knackarsch vorbei gehen lassen.

Missgelaunt trollte sich der Jahinist von dannen, um wenigstens seine Kollegen mit effektivem Karacho aus den Federn zu scheuchen.

Doku nutzte die Gunst der frühen Stunde, und stürmte zielstrebig, bewaffnet mit Schwamm und Zahnbürste, das Bad.

In brutal anmutender Hektik schrubbte er sich die vampiresken Kauleisten, doch zu viel mehr kam er nicht.

Zetsu hatte soeben das Bad betreten. Das Grinsen, das sich auf dem geteilten Gesicht ausbreitete, troff nur so vor vorfreudiger Gier.

Doku flüchtete prompt, und in derart hysterischer Panik, dass er sich nicht einmal die Zeit gönnte, um sich den Zahnpastaschaum vom Mund zu wischen.

Den Rest seiner spärlichen Morgentoilette erledigte er in aller Hast über der Spüle in der Küche, wobei er von Kakuzu, der kurz darauf den Raum betrat, argwöhnisch observiert wurde.

Der Taki-nin ließ den Gefangenen gewähren, bis dieser begann, sich die Federn unter dem eisigen Strahl des Wasserhahns zu waschen.

„Junge, das hier ist zwar kein Luxushotel, und unser Verein stellt auch nicht unbedingt die Perle der kultivierten Zivilisation dar, aber es wäre mir sehr recht, wenn du das nächste Mal unser Badezimmer aufsuchst, wenn du vorhast, deine Version von Körperpflege zu exerzieren.“

Doku, der die Anwesenheit der Vogelscheuche bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht registriert hatte, wirbelte herum, und beförderte mit einem energischen Kopfschütteln die klatschnassen Federn, die ihm in die Stirn fielen, aus seinem Sichtfeld.

Kakuzu runzelte die Stirn. „Und außerdem werden hier unter anderem für den menschlichen Verzehr bestimmte Nahrungsmittel zubereitet, also hör gefälligst damit auf, deine Milbensammlung kreuz und quer in dieser Küche zu verteilen!“

Doku überlegte ernsthaft, dem sprechenden, morgenmuffeligen Flickenteppich eine passende verbale Retorkutsche zuteil werden zu lassen, aber stufte ein solches Unterfangen dann doch noch rechtzeitig als die reinste Form eines Selbstmordversuches ein.

Er nahm also am Küchentisch platz, trockenete seine Federn mit einem herumliegenden, nicht mehr ganz taufrisch aussehenden Küchentuch ab – wobei er weitere, missbilligende Blicke des Grünäugigen auf sich zog- und beobachtete ihn dann schweigsam dabei, wie er sich leise vor sich hin murrend einen Kaffee aufsetzte. Dabei schielte der Taki immer wieder grummelig auf seine Armbanduhr, und stieß derweil ausgezischte Verwünschungen in die Stille der Küche, die nur von dem leisen Blubbern der Kaffeemaschine gestört wurde.

Dann traf nach und nach der Rest der Belegschaft in der Küche ein.

Konan und Pein zogen es ausgenscheinlich vor, ihr morgendliches Mahl fernab der Besatzung zu genießen, Hidan schlief den Schlaf der Gerechten, und Itachi tauchte verständlicherweise ebenfalls nicht bei der obligatorischen Früh-Schlacht auf.

Doku fühlte sich immer unwohler, als erst Zetsu den Raum betrat, sich ihm direkt gegenüber setzte, und ihn mit einem solch zweideutigen Blick bedachte, dass Doku sich vorkam, als hätte er vor, IHN zu frühstücken, - und er sich kurz darauf von dem riesigen, hungrig aussehenden Kisame zu seiner Linken und dem mies gelaunten Kakuzu zu seiner Rechten flankiert sah.

Unruhig wippelte der Federhaarige auf seinem Stuhl herum.

Als kurze Zeit später auch noch Sasori und Deidara zu der bedrohlich schweigsamen Versammlung stießen, und Doku mit stechenden, forschenden, teils feindseligen Blicken taxierten, schien der Jungmediziner buchstäblich auf seinem Platz in sich zusammen zu sinken.

Haifischvisage und Venusfliegenfalle machten sich in beängstigendem Tempo über einen randvoll gefüllten Kessel her, der etwas enthielt, was einfach nur ein Wust aus grob zerteiltem rohem Fleisch seien konnte.

Die penetrante Geräuschkulisse, die die beiden Carnivoren dabei produzierten, verursachte selbst Doku einen Gänsehautschauer.

Deidara, der anmutig an einem Toast knabberte, würdigte das bereits zur Routine gewordene, blutige Spektakel nicht eines Blickes, sonden beobachtete stattdessen mit begeisterter Schadenfreude, wie Dokus Nervosität wuchs und wuchs.

„Jetzt glotz nicht so, Hasenfuss, iss endlich was!“ raunzte Kakuzu Doku über den Rand seiner dampfenden Kaffeetasse zu, und verpasste seinem Sitznachbarn unter dem Tisch einen Tritt.

Der Jüngere schluckte, nahm seinen ganzen Mut zusammen, und langte nach links, wo ein Teller mit angeschnittenem rohen Fisch lockte. Doch bevor seine Finger das rosafarbene Lachsfleisch berühren konnten, bohrte sich eine Gabel mit bestialischer Wucht in das Filet, und ließ es sekundenbruchteile später an einem Stück in einem reißzahn-gesäumten Schlund verschwinden.

Die starren Augen des Haifischmannes blitzen dem entsetzen und eingeschüchterten Doku in grimmigem Triumph entgegen.

Deidara machte sich kaum die Mühe, sein verhaltenes, charmant klingendes Gelächter zu unterdrücken. „Das ist hier ja wie im Zoo, un!“ amüsierte er sich, und stieß seinem Danna kumpelhaft mit dem Ellenbogen in die Seite.

Sasori starrte jedoch bloß weiter mit finsterer, unbewegter Miene in die Weltgeschichte hinein, und nippte unbeteiligt an einem giftig aussehenden Getränk, dass wie eine Mischung aus starkem Kaffe und zähem Teer wirkte.

Kakuzu knurrte entnervt, beugte sich über den Tisch, und pfefferte Doku schließlich zwei Scheiben Toast auf den leeren Teller. Nach einigem Zögern ließ er dann noch eine Scheibe Käse auf das Brot segeln. „Die Hühnerbrust soll gefälligst essen, und zwar schnell!“ blaffte er dann seine Kollegen und Doku gleichermaßen an.

„Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit! Weiß der Geier, weshalb immer ich mich um jeden Scheiß kümmern soll… Der Leader will, dass gleich wie gehabt drei Teams zum Training erscheinen; Sasori-Deidara, die jashinistische Schlaftablette und ich, und Kisame, dich will er heute mit Zetsu trainieren sehen…“

Man sah eine Sekunde lang wildes Aufbegehren im Blick des Blauhäutigen, dann aber nickte er abwesend.

„Und du, Krümel“ ,wandte sich Kakuzu im herablassenden Befehlston an Doku, „du kannst sofort damit beginnen, dir weitere Lebenszeit auf diesem Planeten zu verdienen, indem du damit anfängst, dich um den Uchiha zu kümmern!“

Der Küchentisch barst fast unter dem gewaltigen Fausthieb, der ihn nun unvermittelt traf.

„Was?! Ich habe mich wohl eben verhört!? Du willst Itachi in seinem Zustand allein mit diesem fahrlässigen Chaoten lassen?!“ brüllte Kisame. Sein blutverschmiertes Haifischmaul kam Doku immer näher, als der empörte Blauhäutige sich über ihn hinweg zu Kakuzu lehnte.

Der Finanzier ließ sich jedoch –zumindest von außen betrachtet- nicht einschüchtern. „Anweisung des Leaders.“ schnarrte er nur brüsk.

Doku stopfte sich, die Augen angstvoll geweitet, das Käsesandwich in den Rachen, während die beiden Hünen über seinen Kopf hinweg lautstark miteinander diskutierten.

Die Konversation endete damit, dass mit Geschirr geworfen wurde, Kisame wutentbrannt die Küche verließ, und Kakuzu ihm einige Drohungen hinterherbrüllte.

Zetsu stützte genüsslich das Kinn in die Hand, und schielte begierig zu Doku hinüber. „Und was gibt es als Dessert?“ säuselte er in aller Seelenruhe vor sich hin.

Doku räusperte sich, als könne er ebenfalls kein Wässerchen trüben, erhob sich vom völlig verwüsteten Tisch, und fegte sich Brotkrümel und Fischgräten vom Kittel. „Danke für´s Essen. Ich bin dann mal beim Herrn Uchiha…“ murmelte er belanglos, und machte sich drauf und dran, unauffällig von diesem Sündenpfuhl zu verschwinden.

„Viel Spaß, Schätzchen, un…“ gurrte Deidara höhnisch. Der Blonde bezweifelte, dass es dem Neuzugang vergönnt sein würde, einfach nur seinen ihm auferlegten Pflichten nachzugehen. Kisame war ein Dickschädel, impulsiv, und bereit, seinen ach ja so wertgeschätzten Partner bis aufs Blut gegen alles und jeden zu verteidigen. Notfalls auch gegen einen schwächlichen Hänfling wie diesen, der seinen geliebten Itachi tot-zu-therapieren könnte… Außerdem schien Zetsu ein Auge auf das Bürschlein geworfen zu haben, was seine Lebenserwartung hinsichtlich dieser Woche nochmals um fünfzig Prozent reduzieren mochte.



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Kommentare zu dieser Fanfic (18)
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Von:  Saika_a
2012-10-08T20:09:50+00:00 08.10.2012 22:09
tja, die lebenserwartung ist ja eine interessante Rechnung...
a_A
Von:  Saika_a
2012-10-04T19:47:11+00:00 04.10.2012 21:47
tja, die lebenserwartung ist ja eine interessante Rechnung...
a_A
Von:  fahnm
2012-10-03T19:35:52+00:00 03.10.2012 21:35
Super Kapi^^
Von:  Saika_a
2012-06-15T13:44:18+00:00 15.06.2012 15:44
zu gern hätte ich Hidans Gesicht gesehen, als er geschrien hat°°)
a_A
Von:  fahnm
2012-06-13T20:14:58+00:00 13.06.2012 22:14
Hammer Kapi^^
Von:  fahnm
2012-06-09T20:59:53+00:00 09.06.2012 22:59
Super Kapi^^
Von:  Saika_a
2012-06-09T19:53:49+00:00 09.06.2012 21:53
man, du bist ja richtig produktiv!!
oder hast du die Kapitel vorgeschriben?
auf jeden Fall sind sie klasse - weiter so!!
a_A
Von:  fahnm
2012-06-08T21:30:49+00:00 08.06.2012 23:30
Super Kapi^^
Doku ist ja schon ein Witzbold.^^
Von:  fahnm
2012-06-07T22:49:02+00:00 08.06.2012 00:49
Klasse Kapi^^
Von:  Saika_a
2012-06-05T18:49:54+00:00 05.06.2012 20:49
uähhhhh...
bin ich froh, nicht in Dokus Haut zu sein...
a_A


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