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Endparadoxa Neun

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...
von

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Snow erwacht

Es war eine ruhige schwüle Nacht, die ihre Schläfer mit stetigem sanften Wellenrauschen durch die Tiefen des Unterbewussten wiegte. Die Fenster der Bewohner Neo-Bodhums standen alle weit geöffnet, um die Meeresbrise hereinzulocken. Vermutlich würde momentan jeder selbst unter der dünnsten Decke sich noch die Seele aus dem Leib schwitzen, was nahe legte, dass diese Nacht niemand seinen Körper auch nur mit einem Fetzen zu viel bedeckte. Dennoch zeigte sich die Atmosphäre so friedlich und sicher wie selten, somit schliefen alle trotz der unangenehmen Wärme ruhig und entspannt.
 

Maqui lag in der Fötusstellung, einen Schraubenschlüssel an sich gedrückt, auf einer ranzigen Matratze inmitten seiner Werkstatt und träumte einen surrealistischen Traum von unmöglichen Treppen, Klein'schen Flaschen und verzerrten Räumen.
 

"Und ich kann so etwas doch konstruieren...", dachte er sich trotzig, während sein Traum ihn vor weitere Paradoxa stellte, "... fügt man die Vierte Dimension hinzu..."
 

Lebreau lag im NORA-Haus langgestreckt auf ihrem Schlafsofa, von dem sie manchmal sagte, es wäre so hart, es würde ihren Hintern flach drücken und irgendwann würde sie einmal aufstehen und keinerlei Rundungen mehr haben. Dies war ein Wink mit dem Zaunpfahl an Maqui gewesen ihr ein bequemeres Schlafmöbelstück zu konstruieren, aber irgendwie war der Wink nicht in seinen zahlreichen durchaus vorhandenen Hirnwindungen hängen geblieben, sondern zu einem Ohr rein und zum anderen wieder heraus getreten...

Sie träumte davon Cocktails für ihre Freunde zu mixen, doch ständig verschüttete sie ihre Getränke bis der gesamte Boden des Hauses und schließlich der ganze Strand unter merkwürdigem gelben Wasser standen. Als das Gelb sich mit dem Blau des Meeres vermischte und ein einziger grüner Urozean entstand, wachte Lebreau kurz auf, drehte sich vom Rücken auf den Bauch (nun oblag es an den Brüsten flach zu werden, seufz), vergaß ihren Sinnlos-Traum von der einen schlaftrunkenen Sekunde auf die andere und schlief wieder ein.
 

Gadot lag seitlich im Sand und hatte mit der Lässigkeit eines Surfers nicht daran gedacht ins Bett zu kriechen. Solange die Sandflöhe nicht zu sehr bissen war ihm dieser Untergrund genauso recht wie jeder andere. Vielleicht lag das aber auch an dem Umstand, dass wenige Zentimeter neben ihm eine Laache aus Bierkotze fröhlich vor sich hinstank. Morgen würden sich die Möwen sicher die schmackhaftesten Stücke daraus hervorpicken... wenn sie in Gadot nicht eine weitaus bessere Mahlzeit sahen. Alkoholleichen waren sicher nicht so lecker wie andere, aber das war einer Möwe gleich...

Wirklich Zusammenhängendes träumte Gadot nicht, jedoch hoffte er tief in seinem Unterbewusstsein, sollte sein Magen noch einmal revoltieren, so möge er doch rechtzeitig aufwachen, bevor er an seinem eigenen Erbrochenen erstickte. Er, Gadot, mochte zwar nicht solch ein Held wie Snow sein, aber SO ein Ende...?

Aus seinem Mund quoll ein ungesund klingender Rülpser.
 

Yuj, der immerwährende Gegenpol Gadots, lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in einem Bett in einer Behausung nahe des NORA-Hauses. Es konnte sein Bett sein, musste aber nicht. Womöglich war es wirklich das Bett irgendeines anderen NORA-Mitglieds, doch wenn, dann lag das sicher nicht an zu viel Alkoholkonsum, sondern daran, dass diese behelfsmäßigen Gebäude alle so verflucht gleich aussahen... Dazu kam auch noch diese Dunkelheit, die völlig überdrehte Party... Nein, so wie Gadot würde er niemals abstürzen, da achtete er immer penibel drauf, allerdings war sicher in irgendeinem von Lebreaus Mix-Getränken irgendetwas zu viel drin gewesen...
 

"Alles... nur keine Penis-Hieroglyphen im Gesicht...", murmelte er im Schlaf.
 

In seinem Traum, war er eine Alkoholleiche, die völlig wehrlos von zahllosen wasserfesten Eddings "verschönert" wurde. Obwohl ihm so etwas noch nie passiert war, so hatte er doch die tief verwurzelte Angst eines Tages mal hässlich durch die Welt gehen zu müssen. Er liebte die Ästhetik und schönes Design. Krakelige Graffitis im Gesicht mussten daher nicht unbedingt sein (Und das reimt sich und was sich reimt ist immer gut!).

Eine Mücke, wohl die einzige, die sich dem Seewind aussetzen wollte, flog auf seine nackte Brust, da er sich seinen teuren Designer-Schlafanzug wegen der unangenehmen Wärme nicht zugeknöpft hatte (und er dazu in seinem Zustand ohnehin nicht in der Lage dazu gewesen wäre), und stach herzhaft in die Haut. Aber davon merkte Yuj nichts.
 

Am Zaun, der die Monster abhalten sollte, sank der Wächter in den Schlaf. Er war ein ziemlicher Taugenichts und hatte deswegen wohl aus Rache diese ungeliebte Schicht übernehmen müssen. Langsam sackte er im Sand zusammen, der Lauf seiner entsicherten Waffe diente ihm als sardonische Kinnstütze...
 

Noel trieb im Zimmer neben Serahs und Snows Schlafgemach, das sich ebenfalls im NORA-Haus befand, zwischen verschiedensten Traumwelten umher. Von allen hatte er wohl den unruhigsten Schlaf. Die Decke unter ihm war stellenweise zusammengeknüllt und auf Noels Stirn standen Schweißperlen, seine braunen Haaren hingen darüber in feuchten Strähnen. Beinahe hätte man ihn für fieberkrank halten können, doch dem war nicht so, eigentlich war ihm wirklich einfach nur viel zu warm.

Bei der Party am Abend hatte er sich stark zurückgehalten. Das Lärmen so vieler Leute war ihm nicht so koscher erschienen, wie er es vielleicht gerne empfunden hätte. Der Wunsch Serahs eine Pause in ihrem Abenteuer um die Rettung der Zukunft einzulegen, hatte zugegebenermaßen auch in ihm geschlummert und da die Zeit für sie beide ohnehin relativ war, was stand da zwischen ihnen und ein wenig Erholung? In der Ruhe lag bekanntlich die Kraft und würde ihnen vielleicht eine klarere Sicht auf die Dinge liefern.

Nun? Richtig! Das schlechte Gewissen. Es ließ und ließ sich einfach nicht abschalten und so hoffte er, dass sie bald wieder losziehen würden. Was nützten Ferien, wenn man sie nicht genießen konnte?
 

Im Zimmer nebenan lag Serah so dicht an Snow gekuschelt wie es ihre Körpertemperatur zugelassen hatte und das hieß ihn allerhöchstens mit einem Arm zu umarmen und auch der kochte bereits, so hatte sie sich im Schlaf unbewusst von Snow weggedreht, Mog lag jedoch nach wie vor in ihre Armbeuge geklemmt und mit etwas Glück würde er diese Nacht überleben ohne erdrosselt zu werden. Ihr Gesicht besaß einen seligen Ausdruck. Obwohl es unendlich schwer gewesen war, hatte sie Snow dazu überreden können mit ihr und Noel für kurze Zeit nach Neo-Bodhum in ihre gewohnte Zeit zurückzukehren. Snow hatte sich so gesträubt. Von wegen er dürfe sie und seine Freunde, die doch alle auf ihn zählten, nicht im Stich lassen. Sich nicht auf die faule Haut legen, während alles zu zerbersten drohte, selbst die als unverwüstlich geltenden Mauern der Vierten Dimension. Auf ihren jammervollen Blick hin hatte er sogar noch hinzu gefügt, dass er es lieber in Kauf nähme, dass sie jetzt mit ihm Schluss mache, als das Risiko einzugehen sie durch die unausweichlichen Zerstörungen, die sich ereignen werden, in den sicheren Tod zu schicken. Worauf sie gekontert hatte, dass er sie mit Sicherheit in den Tod schickte, wenn er sie nicht mit diesem kleinen Ferienaufenthalt an seiner Seite moralisch aufmuntern würde.

Wie hätte er da noch nein sagen können? Nun gut, er hatte es tatsächlich versucht. Er hatte an ihre Vernunft appelliert, ihr in Aussicht gestellt, nachdem all die bösen Buben in ihre Schranken verwiesen worden waren, dass sie beide dann für immer zusammen sein würden. Er hatte ihr noch einen Heiratsantrag gemacht, er hatte ihr versprochen, dass sie die Namen all ihrer Kinder aussuchen dürfe... Er hatte seine blonde Stoppelmähne endlich wieder unter seinem schwarzen Kopftuch verborgen, Er...

Und da hatte Noel ihm solch einen Tritt in den Hintern versetzt, dass er endlich einwilligte.
 

"Da siehst du mal, was er für ein Arschloch ist!", hatte Noel geschrieen.
 

Doch für Serah war allein die Tatsache, dass Snow wirklich und wahrhaftig zumindest für ein paar Tage endlich wieder Zeit mit ihr verbringen würde, ausreichend um völlig zu vergessen, wie widerborstig dieser sich verhalten hatte. Sie hatte sich ihm in die Arme geschmissen und Snow hatte sich glücklich mit ihr im Kreise gedreht, als wäre er es gewesen, der den Ferienvorschlag gleich zu Anfang gebracht und ihr diesen als besondere Überraschung unterbreitet hätte. Noels Gesicht war eine einzige verkniffene Maske gewesen. Irgendwo tief verborgen in einer Ecke ihrer Träume tauchte deswegen ein Funke Schuldbewusstsein in ihr auf, doch im Wesentlichen blieb Serahs Traumwelt ein Ideal bestehend aus Zweisamkeit mit Snow und der Sicherheit, dass Lightning immer zur Stelle sein würde, wenn sie sie brauchte und auch nicht nur dann...
 

Wenn sich die Gene, die für Selbstaufopferung verantwortlich waren, irgendwo über Generationen über Generationen angefangen bei den altruistischsten Vertretern irgendeiner Spitzhörnchen- oder Backenhörnchen-Art weitervererbt und getroffen hatten, dann in Snow. Seelenruhig schlief er an Serahs Seite, das Wissen, dass sich sein Rudel momentan außer Gefahr befand, war Valium für seine Seele.

Er war DER Held. Alle sahen zu ihm auf. Ein Snow, der sich nicht das eigene Herz für seine Familie rausreißen würde, existierte nicht! (Nicht einmal in einem Paradoxa!) Tatsächlich war Snow so darauf geeicht für jeden den Kopf hinzuhalten, dass er nicht in der Lage war sich vorzustellen wie weh er jenen damit tat, die ihn liebten. Nicht, dass er sich nicht in dieser Rolle als Fels in der Brandung gefiel, sie war ihm quasi auf den Leib geschneidert, aber seinen Freunden diente er aus Demut und nicht aus Arroganz. Er warf sich für sie in die Breche, weil er es eben konnte, weil er wusste wie wichtig Zusammenhalt war, eine intakte Familie. Für ihn waren sie keine Last, sie waren sein Lebensinhalt. Und das war das Dilemma. Auf der einen Seite war er der heldenhafte unbeugsame Snow, der mit dem Kopf durch die Wand im Beschützerinstinkts-Wahn die größten Gefahren auf sich nahm, egal ob er mit dem Leben davonkommen würde oder nicht. Auf der anderen Seite entfernte er sich dabei ungemein von jenen, die ihm am wichtigsten waren. Ob es daran lag, dass er für das Wohlsein seiner Familie weggehen musste, ob es daran lag, wie viel Kummer er ihr machte, wenn er sich Gefahren stellte, die drohten ihn zu töten, oder ob es schlussendlich daran lag, dass ein Snow, der sich für seine Familie opferte, diese unweigerlich schutzlos zurücklassen würde. Doch niemals hatte Snow darüber einen Gedanken verloren, dass sein Märtyrertod sinnlos sei. Die Selbstopferung DES Helden MUSSTE doch einfach ewige Glückseligkeit über seine Lieben bringen!

Ja, so funktionierte seine Logik. Vielleicht hätte ihm eine Portion Egoismus gut getan. Egoistisch genug, um seinetwillen bei Serah zu bleiben und die dräuenden Unheile und unerfüllbaren Herzenswünsche ein wenig warten zu lassen. Um seinetwillen seinen Platz als Boss der NORA-Gang zu verteidigen, die sich in seiner Abwesenheit bereits inoffiziell um einen neuen Anführer bemühten. Vielleicht war aber auch die Tatsache, dass er sich den dräuenden Unheilen und unerfüllbaren Herzenswünschen stellte, weil diese sonst seine Familie ausradieren und ihn allein zurücklassen könnten, ein exzellenter Beweis für durchaus vorhanden Egoismus in Snow. Zu kühn, um bei seinen Freunden zu bleiben, zu feige, um sie sterben zu sehen. Lieber sollten sie ihn tot sehen müssen als er sie. Diesen Egoismus würde er wohl niemals überwinden... Serah tot vor seinen Augen, sein Herz würde augenblicklich in zwei Hälften gerissen werden...

Aber Serah! Serah würde über seinen Tod hinweg kommen, so glaubte er. Sie würde jemanden finden, der ebenso gut wie er, Snow, auf sie Acht geben würde. Vielleicht würde dieser jemand sogar Noel heißen und Snow würde absolut keinen Groll, keine Eifersucht empfinden. Solange Serah nur glücklich war... solange sie nur... lebte...

Für Serah aber, war Snow genug, um niemals über seinen Tod hinweg zu kommen. Er mochte sich selbst noch so geringschätzen, sein Leben noch so unter das der anderen stellen, für sie war er alles!

Aber vielleicht lag es daran, dass Snow FÜR sie, aber nicht UM sie kämpfte, dass diese ikonenhafte Verehrung ihm gegenüber irgendwann nachlassen und sie wahrhaftig beginnen würde in Noel mehr zu sehen als nur den allerbesten Freund.

Doch das würde Snow, wie bereits erwähnt, nicht im Geringsten erschüttern und hier schließt sich der Kreis.
 

Langsam erwachte Snow, obgleich es draußen noch stockdunkel war. Zuerst dachte er sich nicht viel dabei, er würde sich einfach umdrehen, Serah fester in den Arm nehmen und wieder einschlafen, doch bevor er sich auch nur ein Stück rührte, bemerkte er, dass der Grund seines Erwachens ein diffuses Unwohlsein in seiner Magengegend war. Als Vorbild aller hatte er so ziemlich nichts Alkoholisches getrunken und runzelte entsprechend die Stirn über seine zunehmende Übelkeit.
 

"Puh...!", sagte er mehr überrascht über dieses Gefühl, als beunruhigt.
 

Vorsichtig, um niemanden zu wecken, stieg er aus dem Bett, das dankenswerterweise nicht knarrte, während Snow abermals einen unverhofften Seufzer losließ.
 

"Gute Güte...", murmelte er ganz leise zu sich selbst, beinahe hätte er sich selber wegen seiner merkwürdigen Schwäche ausgelacht.
 

So kannte er sich gar nicht. Normalerweise war er stets so vital gewesen, er hätte durch eine Wand rennen können und sich fragen, ob er womöglich wo gegengelaufen sei. Doch nun hieß es leise und kontrolliert zu sein und so schlich er langsam in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu besorgen. Obwohl er sich recht gut an die Dunkelheit gewöhnt hatte, sah er so ziemlich nichts als schwarze Schwaden, wo irgendwo der Schrank mit Gläsern sein musste und notgedrungen tastete er nach einem der Lichtschalter, die die kleinen Neonlampen über der Spüle und dem sonstigen Küchengerät anzündeten. Intuitiv fanden seine Finger den Schalter und das weiße Licht flackerte ein paar Mal, bevor es viel zu hell für Snows Geschmack die Küche beleuchtete. Nun endlich griff er nach einem Glas und hielt es unter den Wasserhahn. Hoffentlich funktionierten die Leitungen. Sie hatten das Wasserversorgungssystem nach wie vor nicht mackenfrei bekommen können, aber allein die Tatsache, dass sie als ungelernte Klempner und Handwerker fließend Wasser im Niemandsland Pulse möglich gemacht hatten (zumindest manchmal), war mehr als man sich eigentlich wünschen konnte.

Die Götter waren Snow jedoch zugetan und das Wasser floss klar und ohne zu stocken. Dennoch wartete Snow kurz, denn oft genug hatte er erlebt, wie sich plötzlich eine braune Masse oder infernalischer Schwefelgeruch aus dem Hahn gequetscht hatte. Doch auch in dieserlei Hinsicht, waren ihm die Götter gewogen und gierig hielt er das Glas unter den Strahl.

Aufgrund der Schwüle, trug Snow nichts am Leib als seine Unterhose, auf der vorn das NORA-Symbol aufgestickt war (NORA ist echt knorke, Alter. Und Snows Schwanz ist es auch! Voll die Interpretation, Dicker!). Ein Zeichen seiner Verbundenheit mit der Gruppe aus ehemaligen Straßenkindern. Sicher, auf Cocoon war für jeden einzelnen Menschen gesorgt worden, sogar für Waisenkinder, um die sich kein Mensch scherte, das soziale System hatte sich geschert und natürlich die Fal'Cie, die genügend Menschenmaterial benötigten. Aber das Waisenhaus bot ihnen nicht alles, was sie gewollt hatten. Abenteuer, hatten sie nur auf der Straße gefunden. Das war der Ersatz zum Freizeitpark gewesen, den ihnen ihre toten Eltern vorenthielten. Aber mit dem natürlichen Übertreten von Regeln wurde es bald mehr als die Suche nach Spaß, es wurde Ernst. Gelernt zu überleben, hatten sie nur auf der Straße. Und wem von ihnen waren diese piekfeinen Parks und zurechtgestutzen Gärten voller Pflanzen, die verreckten, wenn man sie nicht an Infusionen hing, und Häuser mit dem Charme von Massenproduktsware aus Plastik nicht auf die Eier gegangen? Also führte die Straße sie in Bezirke, die nicht mit Sicherheit und Sterilität verchromt waren und sie drangen in militärisches Sperrgebiet und die Wildnis vor. Was war das für ein Spaß gewesen! Was war das für ein bitterer Ernst gewesen...

Snow setzte das fast randvolle Glas an die Lippen und trank langsam Schluck für Schluck. Das kalte Wasser tat gut.

Obgleich der Ernst die Gefahren des Monsterbekämpfens und die Bedrohung von Militärs, die mit Mahnschriften wedelten, im Vergleich zu dem was dann geschah, nämlich der Purgation, ein naives Kinkerlitzchen war. Doch genug abgehärtet hatte er sie alle, um zumindest die Schlacht von Brückland zu überleben und das war es wert gewesen. Gadot, Lebreau, Yuj, Maqui… eigentlich war es unvorstellbar wie viel Schweineglück sie eigentlich gehabt haben müssen… Aber vor allen Dingen, dass er, Snow, die gesamte restliche chaotische niederschmetternde und doch neuerschaffende Reise überlebt hatte, das war wirklich allein der Tatsache zu verdanken, dass er ein L'Cie gewesen war. Geleitet von Hoffnung, geleitet von einer Bestimmung, geleitet von unzähligen Faktoren, die alle seinen Erfolg gewollt hatten.

Kaltes Neonlicht beleuchtete das L'Cie-Stigma auf seinem Arm.

Und aufgrund all dem, hatte er sich entschlossen, obgleich durch die Gnade der Göttin vom L'Cie-Dasein erlöst, wieder ein Erwählter zu werden. Mit unglaublicher Kraft, Magie, Beschwörungen, Bestimmung und Zeitlimit.

Das mitleidlose rote Auge glotzte ihn böse an. Wie widerlich das Stigma sich an seinen Arm zu klammern schien, wie eine fette Spinne. Eine Schwarze Witwe. Die Farben passten sogar. Perfekt.

Kalte Schauder liefen über Snows nackte Beine und keine zwei Sekunden später war sein gesamter Körper von einer prickelnden Gänsehaut übersäht. Verrückt aber war, dass ihm gleichzeitig nach wie vor so furchtbar warm, wenn nicht gar heiß war. Unkontrolliert begann er zu zittern, sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
 

"Lebreau, was hast du mir für einen verdorbenen Fraß vorgesetzt...??", schrie Snow in Gedanken, während aus seinem Mund nur Zähneknirschen drang.
 

Ihm schwindelte und er stützte sich mit dem rechten Ellenbogen auf die Küchentheke, das Wasserglas ließ er ungeschickt fallen. Laut klirrend zerbrach es auf dem Parkettboden.
 

"Fuck...", nuschelte Snow, sackte auf den Boden herab und stützte seinen bebenden Körper auf alle Viere.
 

In seinen Ohren rauschte es, dann erfüllte sie ein fiepsender Ton, wie man ihn in Filmen hörte, wenn nahe der Protagonisten ein gewaltiges Geschoss explodierte.

Ob jemand aufgewacht war? Bitte nicht, es war doch nur ein Glas gewesen...

Doch das konnte er nicht beurteilen, denn das Rauschen verschluckte jeglichen Ton... nur in der Ferne... war das... ein Gongen... wie von... war das etwa Glockengeläut?

Als das Rauschen und Fiepen (und die Glocken!) wieder nachließen, stellte Snow verblüfft fest, dass er mit dem Gesicht auf dem Boden lag. Dessen Kälte, das verschüttete Wasser und die zahllosen Glassplitter in denen das weiße Licht reflektierte ließen ihn wie den Eissee im neunten Kreis der Hölle wirken.

Sein linkes Auge zuckte nach oben, als es dem pulsierenden roten Schein, der aus seinem Stigma waberte, gewahr wurde. Fast schon mit Häme starrte ihn die Spinne an, deren dünne Beine wie Eisenspeere die Haut seines Arms verunzierten und... dabei so... erschreckend dreidimensional wirkten...

Vor Schrecken im Gesicht gänzlich aschfahl geworden, traf Snow die Erkenntnis wie ein blutroter Blitz.

Seine Zeit war abgelaufen.

Er würde sich in wenigen Augenblicken in einen Cie'th, in eine der unglückseligsten Kreaturen von ganz Pulse und Cocoon, verwandeln!

NEIN!

Er würde zu einem dieser Ungeheuer werden, die nur noch den Hass auf alles Leben kannten!

Er würde... ER WÜRDE ALL SEINE FREUNDE, SEINE LIEBE, MIT BLOSSEN HÄNDEN ERSCHLAGEN!!!

Nein, nicht mit Händen! Mit Klauen! Auswüchsen! Wucherungen von solch blasphemischer Widerwärtigkeit, dass jedes Ausholen, jeder Schlag wie ein Verbrechen an Vernunft und Naturgesetze selbst sein würde!

Fort! Fort! Weg von hier! Solange er noch menschliche Emotionen besaß, musste er mit aller verbliebenen Kraft so weit weg von hier, wie er konnte! Ans andere Ende der Welt! Vollkommen gleichgültig was aus ihm werden würde, sollte er als Cie'th verschmachten und verfaulen und sich selbst als faulendes Pfützchen Protoplasma noch in Schuldgefühlen suhlen bis in alle Ewigkeit, aber er musste hier WEG!

Keuchend versuchte er sich aufzurichten, auf die Beine zu kommen, er wankte, stieß mit dem Rücken gegen den Kühlschrank, ein Magnet mitsamt einem Bild, das ein Schüler Serahs ihr geschenkt hatte, fiel klackernd zu Boden. Das Küchenlicht bestand für ihn bloß noch aus wabernden grellen Blasen, die ihn schmerzten, ihn wütend machten, wie einen tollwütigen Hund. Es rummste gewaltig, als er ein paar unbeholfene Schritte nach vorn machte und wieder gegen irgendetwas prallte, ein nutzloses Möbelstück.

Sein Stigma glühte immer heller, immer auffordernder, immer verschlingender, die Finger seines linken Arms begannen unkontrolliert zu zucken. Snow riss sich mit all seinem verbliebenen Intellekt zusammen und zertrümmerte den Wasserhahn. Sofort spritzte ihm eine Säule Eiswasser ins Gesicht und irgendwie schien ihm die Kälte dabei zu helfen sich nicht selbst zu verlieren. Gerade wollte er sich umwenden, die Gartentür anpeilen und einfach losrennen und nie mehr stoppen, da bemerkte er, dass er zwar den Befehl an seine Hand gesendet hatte, vom Kühlschrank abdrücken und los, sich aber nicht ein Finger auch nur rührte.

Fassungslos stand er da, nass bis auf die Knochen, geistig mehr oder minder umnachtet und fühlte seine Hand, wie sie nicht mehr seine Hand war.
 

"Guaah!", schrie er und der donnernde Gong einer riesigen Glocke hämmerte von seiner einen Schädelwand zur anderen.
 

"Snow?! Snow! Oh mein Gott, Snow, bist du noch bei Sinnen?!"
 

Totenbleich stand Lebreau vor ihm, die aussah, als sei sie gerade aus dem Bett gefallen, ihre schwarzen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und ihr Negligée steckte an ihrer linken Hüfte in ihrem Baumwollschlüpfer fest.
 

"W-Weg...", gurgelte Snow und wieder hallten die Glocken in seinem Kopf... nur... für sein Empfinden hallte jedes Mal die gesamte Welt. Ein einziger Resonanzkörper, auf ewig von Schwingungen erschüttert. Und der Tremor begann sich in seinem Körper fortzusetzen...
 

"Snow!"
 

Da stand sie. Serah. Neben ihr flatterte ihr Mogry wie eine überdimensionale Hummel erschrocken umher.
 

"S... S-Serah...", krächzte Snow und streckte seine rechte Hand in einer bittenden Geste nach ihr aus, "Du musst…"
 

"Ihn töten!"
 

Für einen Augenblick rissen alle ihre Köpfe zu Noel herum, der seine zwei Schwerter fest und entschlossen in Händen hielt. Obwohl er nur eine viel zu große Schlafanzughose von Snow trug und aussah wie anstatt des Kleidungsstücks eingelaufen, wirkte er durchaus bedrohlich.
 

"Bist du verrückt geworden?!", kreischte Lebreau empört.
 

"Niemals!", schrie Serah panisch und stellte sich schützend vor Snow.
 

Mog zitterte. Er würde für Serah kämpfen, aber gegen wen er hier drohte zu kämpfen, das ertrug er nicht. Lebreau war indes zur Tür gerannt und schien ganz Neo-Bodhum aus dem Schlaf reißen zu wollen.

Die Nacht war so dunkel als wie zuvor, doch mehr und mehr Lichter glommen auf. Nach Snows Empfinden sah er sie wie bösartig glimmende Augen von Ungeheuern. Dann richtete er seine Konzentration wieder bestürzt auf Serah, die Noel mit bangem aber entschlossenem Blick fixierte.
 

"Serah, er hat recht...", hauchte Snow heiser. "... mit mir ist es aus..."
 

"Er wird zum Cie'th! Alles was wir noch für ihn tun können ist ihn zu töten solange er noch ein Mensch ist! Damit er als Mensch und nicht als Monster sterben kann. Begreifst du denn nicht, Serah?", sagte Noel mit ruhiger fester Stimme, "Es war seine eigene infantile Kurzsichtigkeit, die ihn dazu gebracht hat! Für ein bisschen mehr Macht, hat er seine Seele an einen Fal'Cie verkauft! Das ist der Preis, den er an Mademoiselle Karma zu zahlen hat!"
 

"Ich werde das nicht zulassen! Du magst es für barmherzig halten Snow wie ein Tier zu erschlagen, aber wer sagt denn, dass er sich verwandeln muss?", sagte Serah weinerlich, bevor sie sich umdrehte und Snows Gesicht mit beiden Händen umfasste. "Bleib bei mir!"
 

"Serah... Serah..."
 

In Snows Augen standen Tränen und liefen ungezügelt herab, seine linke Hand ergriff ihre Kehle und begann sie zu würgen.
 

"Schluss damit!!", rief Noel, entschlossen für das Unvermeidbare und stürmte vorwärts.
 

Als Jäger in einer sterbenden Welt war alles in ihm, jede Faser seines Körpers, darauf geeicht zu töten. Schnell und präzise. Einen groben unfertigen Klotz wie Snow zu töten stellte für ihn keine Herausforderung dar. Auch nicht, dass er Serah mit seinem Schwerthieb um jeden Preis verfehlen musste, denn auch das hatte er gelernt. Jeden seiner Hiebe konnte er auch verhindern. Sein Wille alleine lenkte seine Waffen. Einen Zufall gab es nicht, auch keinen unglücklichen. Das einzige, was eine Herausforderung war, waren die traurigen Augen des Klotzes... seine Tränen.

Oh Snow, dieser elende naive hassenswerte Bastard.
 

Snow indes - so erschüttert von der Liebe, die Serah für ihn empfand, die selbst im Augenblick ihres eigenen heranrasenden Todes, der von IHM ausging, nichts von ihrer Entschlossenheit verlor - begann wie ein Baby zu heulen.
 

"Alles wird wieder gut", sagten ihre Augen. "Ich liebe dich. Glaube mir, du wirst bei mir bleiben, für immer!"
 

Ja, dachte Snow, auf immer...

Was sie ihm in diesen wenigen Augenblicken zu vermitteln vermochte, es war so klar, machte so viel Sinn. Die Angst, die Wut, die Unsicherheit wichen aus ihm.

Sein Griff um ihren Hals wurde butterweich und er sank langsam auf die Knie, sein Gesicht presste er gegen ihren Bauch.
 

"Oh, verzeih mir!", flehte er in Gedanken.
 

Das Tosen in seinem Kopf ließ nach und alles verwandelte sich in weiche Watte. Kein rotes Licht ging mehr von seinem Stigma aus. Das Auge starrte resigniert und in seiner Wut erkaltet... vorerst.
 

"Snow, du glücklicher Bastard!", sagte Noel, der vor Anspannung zitterte, eines seiner Schwerter wie ein Fallbeil über Snows Kopf gerichtet. Er stolperte ein paar Schritte rückwärts und ließ seine Schwerter kraftlos auf den Boden fallen und sank auf die Knie.

"Dem Tod, verdammt noch mal, noch mal von der Schippe gesprungen..."
 

"Ja", nuschelte Snow versöhnlich. "Weil du mich verschont hast."
 

"Weil Serah dich irgendwie... irgendwie zurückgeholt hat!", sagte Noel fahrig. "Ich HÄTTE dich getötet, wenn ich nicht gesehen hätte, wie deine Menschlichkeit erhalten geblieben ist."
 

Serah umarmte Snow mit einem Arm, mit dem anderen tippte sie Mog an, der vor Schreck ohnmächtig geworden war.
 

"Versuche das nie wieder, Noel!", sagte sie todernst und von Snows Würgen noch ziemlich heiser. "Auch wenn du es nur gut gemeint hast, versuche nie wieder Snow zu töten!", sie musste husten, "Wenn du es jemals wieder versuchst, dann töte zuerst mich!"
 

"Aber-", setzte Noel an, doch ihr zutiefst missbilligender Blick ließ ihn verstummen.
 

Die Strenge mit der sie ihn maß, weil er anscheinend verfrüht zu einem Todesurteil gegriffen hatte, erinnerte ihn wieder daran, dass die süße liebenswerte Serah eine äußerst willenstarke Persönlichkeit war und ihre Meinung sehr gut in seinen Kopf projizieren konnte. So richtig es ihm vorhin nach geschienen hatte einen Menschen zu töten der an der Schwelle zum Cie'th stand, so voreilig und voreingenommen kam er sich nun vor. So musste sich ein von ihr gescholtener Schüler fühlen! Natürlich konnte er aber niemals gutheißen Serah zu töten, wenn es für Snow einmal wirklich soweit sein sollte unumkehrbar zum Cie'th zu werden. Ebensowenig wie er sein Schwert gegen Jul erheben würde, würde er damit Serah niederstrecken.

Eiliges und teilweise widerstrebendes schlurfendes Fußstapfen war draußen zu hören, als die NORA-Meute sich durch den Sand pflügte und ins Haus drängte, Lebreau an der Spitze.

Der Blick mit dem sie seine bedröppelte zusammengesunkene Gestalt maß, an deren Seite Todeswerkzeuge lagen, erinnerte ihn an den Serahs und schließlich fühlte er sich an den äußerst peinlichen Moment, wo ihn seine Großmutter mit der Hand in der Pluderhose erwischt und mit eben einem solchen Blick gemaßregelt hatte, erinnert. Konnte man sich noch schlimmer fühlen, aller Ernst der Lage von zuvor beiseite?
 

"He, Snow, alles okay bei dir?", fragte ein ziemlich benommen wirkender Gadot.

"Lebreau hat gemeint, du hättest einen Anfall und Noel wollte dich umbringen!", sagte Yuj zweifelnd und kratzte sich an einer roten Stelle an seiner Brust.

"Was habt ihr denn hier noch für eine Open-End-Party geschmissen?", wollte Maqui gähnend wissen.
 

"Ich... wisst ihr...", begann Snow zögernd.
 

Sollte er es ihnen sagen? Schon einmal hatte er sie nicht über seinen Zustand mit einbezogen und damit ziemlich übel vor den Kopf gestoßen... andererseits wollte er ihnen keine Sorgen machen. Blödsinn! Er hatte ihnen bereits Sorgen bereitet!
 

"Ihr wisst doch, dass ich wieder ein L'Cie bin..."
 

"Ja!", kam es von seinen Freunden unisono.
 

"Und L'Cie bleiben nicht ewig L'Cie..."
 

Unheilschwangere Blicke wurden ausgetauscht.
 

"Wisst ihr, ich glaube, ich hatte einen schwachen Moment und mein Stigma bekam einen Schub. Noel glaubte, meine Zeit sei abgelaufen und wollte mich... nun ja, töten, bevor ich als Cie'th Amok laufe. Aber Serah konnte uns beide beruhigen!"
 

Den letzten Satz sprach Snow mit einem hoffnungsfrohen Lächeln, doch seine Freunde starrten ihn sehr skeptisch und teils erschrocken an.
 

"Er wollte dich umbringen?!?", brüllte Gadot protestierend.

"Serah, ist das wahr?", fragte Yuj mehr oder minder ungläubig.

"'Kay...", nuschelte Maqui völlig verschlafen und döste beinahe im Stehen ein.

"Snow, diese L'Cie-Sache gibt mir schwer zu denken", sagte Lebreau mit immer noch schreckgeweiteten Augen.
 

"Snow hat dies für mich auf sich genommen, bitte verurteilt ihn nicht", versuchte Serah zu beschwichtigen.
 

"Aber sie spricht doch genau das an, was ich die ganze Zeit über sagte! Snow ist ein kurzsichtiges Schwein, das sich in der Rolle als Held allzu sehr gefällt!", giftete Noel.
 

"WAS SAGST DU DA, DU WICHT?!?", donnerte Gadot und stürzte sich auf Noel. "Niemand beleidigt meinen Freund Snow in meiner Gegenwart!"
 

Noel kam rasch auf die Füße und wich ihm mit Leichtigkeit aus.
 

"Viele Grüße an den Kater", sagte er leise lächelnd, als Gadot wie ein tumbes Wildschwein gegen die Wand prallte und sich den Kopf, den er einem Stier gleich gesenkt hatte, hielt. "Ich glaube morgen wird's doppelt so schlimm sein."
 

Serah stand auf, eine Hand ruhte auf Snows Schulter.

"Ja, vielleicht hast du recht, Noel, aber wir können Snows Stigmatisierung nicht rückgängig machen, wir müssen mit seinem Zustand, so wie er jetzt ist, klar kommen und das beste daraus machen. Ihm deswegen Vorhaltungen zu machen hilft uns nicht weiter. Ich sage ja nicht, dass ich es gut finde, dass er dies getan hat!"
 

"Ich mache ihm Vorhaltungen, weil es sein nicht vorhandene Voraussicht ist, die ihn überhaupt auf solche Ideen bringt!", konterte Noel. "Er lernt ja scheinbar nicht dazu!"
 

"Snow hat es aber wahrscheinlich aus Opferbereitschaft getan und nicht aus mangelnder Voraussicht. Wenn er 100% geben kann, dann tut er das, egal was er dafür erdulden muss. Oh, Snow, du bist zu lieb!", seufzte Serah und streichelte sein Haar.
 

"Dass du mich so akzeptierst macht dich zu gut, Serah, zu gut", sagte Snow gerührt und wischte sich über die Augen.
 

"Ich halte es nicht im Kopf aus...", stöhnte Noel und schlug sich eine Hand vor die Stirn.
 

"Gut, wir werden hier offensichtlich nicht mehr gebraucht", stellte Yuj fest und machte sich zum Gehen und Maqui folgte ihm.
 

Lebreau sah weiterhin extrem skeptisch drein.

"Ihr habt Snow nicht so gesehen wie ich ihn gesehen habe! Er sah zum fürchten aus. Für einen Augenblick glaubte ich hinter seiner Fassade ein Ungeheuer zu erblicken! Wer sagt mir, dass das nicht gleich wieder losgeht?"
 

"Diese Garantie kann dir niemand geben", sagte Noel mit geschlossenen Augen und düsterem Lächeln, dann wurde er von Gadot gepackt und zu Boden gerungen.
 

"Hab ich dich, du Made!", rief dieser triumphierend.
 

Schnell wand sich Noel aus Gadots eisernem Griff wie ein Wiesel, seine Schlafanzughose jedoch verlor er bei dem Manöver (Dreimal verflucht, seien Snows verdammte Übergrößen!). Abermals extrem peinlich berührt verlor er sofort seine Agilität und prallte ungeschickt mit dem Rücken an die Wand. Als letzter Mensch einer sterbenden Welt, hatte er vor der endgültigen Einsamkeit nur wenige andere Menschen gekannt. Da war seine Großmutter gewesen, sein Mentor Caius natürlich und Jul. Es hatte noch ein paar andere Jäger gegeben. Die lustige und manchmal melancholische... wie war doch gleich ihr Name gewesen? Sie hatte Chocobos über alles geliebt, war aber oft von deren Rücken gefallen wegen chronischer Ungeschicklichkeit. Als sie dann im Staub lag, hatte sie immer gelacht.
 

"Wenn das mal nicht das Genick war, das so gekracht hat!"
 

"Wenn da mal nicht der Arsch aus dem Leim gegangen ist!", spottete der erfahrene... wie hieß er denn noch mal?
 

Von allen Jägern hatte er den präzisesten Speerwurf gehabt und stets viel Beute gemacht. Die beiden hingen immer zusammen herum, obwohl er gut zehn Jahre älter als sie gewesen war. Vielleicht hatte er sie als seine Tochter adoptiert, vielleicht war da mehr gewesen. Eines Tages aber, kurz nachdem Noels Großmutter verstorben war, passierte ein weiteres Unglück. Mitten in der Jagd hatte sie wie aus dem Nichts ein Behemoth angesprungen. Er war direkt in die Flanke ihres Chocobos gefallen und hatte auch nur den Vogel gewollt, doch als sie aus dem Sattel fiel, hatte sie weit weniger Glück als sonst gehabt. Schreiend hatte ihr Freund oder Ersatz-Vater nach dem riesigen Ungetüm seinen Speer geschleudert, doch die Wut und Rage ließen ihn den tödlichen Punkt verfehlen. Als die Bestie den scharfen Schmerz in der linken Vorderpratze spürte, ging sie wie von Sinnen auch auf ihn los. Auf die Hinterbeine aufgerichtet mit einer fürchterlichen Waffe in der Hand, schlug und preschte sie solange auf den Jäger und seinen Chocobo ein, bis nichts mehr übrig geblieben war, woran man ihn hätte identifizieren können.

So hatten es ihm die beiden anderen Jäger erzählt, die ihre Chocobos angespornt und mit ihnen davongeritten waren, als jage Ragnarök selbst hinter ihnen her. Kein normaler Mensch hätte diese Bestie töten können und Noel hatte ihnen geglaubt. Etwas zu töten, war auch teilweise eine Kopfsache. Dermaßen demoralisiert, hätten die beiden nichts zustandebringen können und doch hielt er sie für den Rest ihrer erbärmlichen Leben für Feiglinge. Als dann aber die Erkenntnis ihn traf, dass die fröhliche Chocobo-Bändigerin nun tot war (Das war unser letztes Weibchen...), kam er ins tiefe Grübeln.

Sicher, da war noch Jul, aber Jul war Jul. Er konnte für sie nicht... diese Art und Weise empfinden, wie er es vielleicht mit den anderen Mädchen und Frauen in der Siedlung gekonnt hätte. Überhaupt hatte er nie... so empfunden. Wenn man mal darüber nachdachte, wäre es ohnehin sinnlos gewesen, die Menschheit würde definitiv aussterben. Also hatte er sich ganz auf sein Wächterdasein fixiert. Im Geheimen musste er allerdings dennoch manchmal darüber nachdenken. Was wäre... wenn doch...? Wenn Jul entweder Caius oder ihn als neuen Adam akzeptieren würde? Mal angenommen sie würde bis zur Geburt überleben und mal angenommen das Kind wäre weiblich... dann könnten sie eine inzestuöse Familie gründen und Backwood-Horrorfilme drehen. Schluss! Aus! Ende! Nieder mit solchen Gedanken!

Aber diese Gedanken waren immer wieder gekommen und sie endeten nicht unbedingt mit Kindern, sondern einfach mit... Sex.

Das Tabu dieses Gedankens hatte ihm mentale Ohrfeigen verpasst, bis er glaubte innerlich zu explodieren. Als letzter Mensch als Jungfrau sterben zu müssen, kam ihm sehr traurig vor, trauriger noch als überhaupt sein ganzer Lebensumstand und so hatte er einmal allen Mut zusammengenommen und halb im Scherz zu Caius gesagt:
 

"Würde Jul vielleicht keine Visionen mehr bekommen, wenn sie keine Jungfrau mehr wäre?"
 

Darauf hatte Caius ihn so mitleidig angesehen, dass er sich in Grund und Boden geschämt hatte...
 

"Jazz-Musik macht Babys schwul, wusstest du das?", sagte Caius plötzlich zu ihm und dann teilten sie einen der seltenen Momente, wo sie wirklich einmal herzhaft lachen konnten.
 

Das Dilemma war also geblieben. Er war mit seiner Intimität und seiner Sexualität die ganze Zeit über alleine gewesen und nun wurde er von allen Seiten damit konfrontiert. Snows nasser Körper und das Wasser aus dem kaputten Wasserhahn hatten Serahs Nachthemd durchsichtig werden lassen und sie trug keinen BH...

Schnell wie mit Hastga beschleunigt, raste er in sein Zimmer und knallte die Tür zu. Niemand musste unbedingt noch seinen Ständer sehen. Niemand.
 

Obwohl Snow sich ziemlich ungeschickt anstellte, schaffte er es nach einiger Zeit den Wasserzulauf des Wasserhahns abzuklemmen und er versuchte nun all des Wassers Herr zu werden, was die Küche unter Wasser setzte und bereits den Teppich des Wohnzimmers kräftig ruiniert hatte. Serah wischte es auf und wrang die durchnässten Lappen in ihren Putzeimer aus. Sie war die einzige, die ihm half (Mog hatte sich entschuldigt mit diesen kurzen Armen leider, leider nicht helfen zu können).
 

"Mit dem Teppich ist es aus...", bemerkte Snow verdrießlich und zutiefst beschämt, als er versuchte mit einem Handtuch, die Feuchtigkeit aus dem Stoff zu tupfen.
 

Serah sah auf und meinte: "Snow... mach dir doch deswegen keine Gedanken!"
 

"Richtig, ich besorge uns einfach einen neuen! Einen viel schöneren!", sagte Snow auf einmal äußerst motiviert. "Ein bisschen Grabräuberei auf Cocoon... schon haben wir hier einen Edelteppich nach PSIKOM- oder Eden-Art!"
 

"Ich glaube nicht, dass ich etwas von diesen Leuten hier liegen haben will..."
 

"Stimmt... na ja, so ernst habe ich das auch nicht gemeint, war mehr so eine Idee... In Cocoon liegt doch viel herum, was noch intakt ist und das die Leute hier gut brauchen könnten und dort oben eben nicht mehr gebraucht wird... Ohne jetzt taktlos gegenüber den Opfern sein zu wollen, ich meine das rein pragmatisch. Die Toten können nichts dagegen haben, wenn wir ihren Sachen um der Überlebenden willen einen neuen Sinn verleihen. Auf diese Sachen zu verzichten wäre als würde man Schuldgefühle aufgrund des eigenen Überlebens haben. Sich dafür zu entschuldigen noch am Leben zu sein, das ist doch pervers!"
 

"Du hast recht", sagte Serah. Ihr seitlicher Pferdeschwanz hing mit der Spitze ins Wasser, als sie sich auf den Knien wieder vorbeugte um Wasser mit dem Lappen aufzunehmen. Aus irgendeinem Grund spukte plötzlich das Wort "Nacktputzer" in Snows Gedanken herum und er senkte sofort den Blick auf sein Handtuch und tupfte weiter. Eigentlich traf dieser Gedanke viel mehr auf ihn zu, wie er hier fast unbekleidet und mit nass glänzender Haut kniete. "Wenn wir beginnen uns dafür zu schämen überlebt zu haben und keine Chance mehr haben uns von dieser Sünde reinzuwaschen, als selbst zu sterben, dann würden wir in einem nie endenden Teufelskreis aus Sühne leben. Aber sollten wir uns etwas nehmen, dann dürfen wir dies nicht respektlos tun", fügte sie noch hinzu.
 

"Serah", sagte Snow mit einem Mal sehr zerknirscht. "Ich kann das hier alleine machen, es war immerhin meine Schuld."
 

"In guten wie in schlechten Zeiten", antwortete Serah nur lachend, bevor sie ihren Lappen wieder über dem Eimer auswrang.
 

Snow fühlte, wie sein Herz von einem sehr warmen angenehmen Gefühl umschmeichelt wurde.
 

Noel hatte sich im Gegensatz zu Lebreau nicht wieder schlafen gelegt, sondern versuchte seine Latte verzweifelt mit psychosomatischen Methoden loszuwerden. Er hielt sein rechtes Ohr an die Zimmertür gepresst und belauschte Serahs und Snows Gesabbel. Ihre triefenden Schnulzereien erweckten in ihm die Sicherheit einen neuen Rekord im Weitkotzen aufstellen zu können, doch zur Abtörnung hatte es bisher leider noch nicht gereicht.

In guten wie in schlechten Zeiten, schleim, schleim, Serah, du darfst auf mir kriechendem staubfressendem Etwas deine Schuhe abwischen, schleim, schleim, aber Snow, sülz, schnodder, ich liebe dich sooo sehr, lass uns schauen wer besser unter den anderen kriechen kann, schleim, schleim.

Genau so hörte es sich stets für ihn an wann immer Snow und Serah zusammen waren. Der rosa glitzernde Kitsch, der ihm dann immer um die Ohren plüschte, weckte den Behemoth in ihm.

Snow, isch will dieschen Täppisch nischt kaufen! Natürlich Serah! Du hast ja so recht! Nein, Snow, du hast recht! Nein, Serah, ich lag ja so falsch! Snow, mein Höschen wird ganz feucht von deinem Gutmenschentum! Aber du bist doch die Gute von uns beiden, Serah! Kotz! Würg!

Endlich schrumpfte seine Erektion wieder zusammen. Nicht, dass er manchmal nicht gern wichste, aber momentan war ihm überhaupt nicht danach. Auch glaubte er, dass der tugendhafte Wächter der Seherin nicht solche... menschlichen Laster haben sollte. Gut, er war ein Mensch, aber mit höheren Verpflichtungen. Da hatte er körperlich und geistig fit zu sein und nicht den ganzen Tag im Bett mit sich selbst zu verbringen. Die Zukunft selbst lastete auf seinen Schultern. Wie konnte er es da überhaupt wagen seinen niederen Instinkte Zugang zu seinen Gedanken zu gewähren?

Und wieso mutierte Serah immer zum Heimchen am Herd, wenn Snow da war? Sie hatte so viel mehr auf dem Kasten, das wusste er zu gut von ihren gemeinsamen Reisen. Es war einfach nicht mit anzusehen. Snow hatte sie nicht verdient und das wusste dieser Blödmann wahrscheinlich auch. Leider fehlte ihm aber dieser Ticken Geringschätzung gegenüber sich selber, um sich Serah nicht zumuten zu wollen. Ha, mal wieder ein Beweis seiner Inkonsequenz.

Aber es gab einen kleinen Silberstreif am Horizont. Als Snow im Auenwald von Sunleth mit einem dummen Grinsen gesagt hatte, die Hochzeit sei vorerst vertagt, direkt nachdem Serah ihn stolz als ihren Verlobten vorgestellt hatte, hatte sie sehr betrübt ausgesehen. Noel wollte das einfach als Erkenntnis ihrerseits verstehen, dass sie gemerkt hatte, wie Snow alles nach seinem Willen bestimmte ohne Rücksicht auf ihre Gefühle. Wenn sie hingegen einfach nur traurig war, weil die Hochzeit sich hinauszögerte... nein! So vollkommen hörig konnte sie diesem 1,96 Meter Pavian doch nicht sein!

Jedenfalls... an diesem Punkt würde er ansetzen und ihre Beziehung, die eigentlich keine Beziehung war, Schrittchenweise aufdröseln. Sollten diese paar Tage Ferien also für irgendwas gut sein, dann dafür! Wenn Serah erst aus diesem Kleinmädchentraum aufwachte, würde sie ihm noch dankbar sein. Lieber Jungfrau bis ans Ende aller Tage als mit solch einem Vollhorst zusammen zu sein!

Zufrieden lächelnd blickte er aus dem Fenster der Dämmerung entgegen.

Bodhum am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

Noel hatte sich nicht für mehr als eine Stunde noch einmal ins Bett gelegt, bevor er in den klaren Morgen hinausgeschritten, möglichst leise ohne jemanden zu wecken, und mit seinen Kleidern über dem linken Arm durch den Sand unschlüssig Richtung Meer gestapft war.

Es lag so still wie ein Bergsee und wirkte so einladend, dass Noel plötzlich sehr euphorisch seine Kleider in den Sand legte und eine Badehose aus dem Bündel fischte. Dummerweise war sie genau wie die Schlafanzughose ebenfalls ein Kleidungsstück, welches er von Snow geliehen bekommen hatte und das ihm natürlicherweise viel zu groß war.

Unglücklich hielt er sie vor sich, wo sie sich wie ein Segel in der Brise blähte und dachte:
 

„Wieso…?“
 

Langsam schüttelte er den Kopf hin und her.
 

„Als ob er DEN Platz bräuchte, harhar!“, lachte er in sich hinein, doch sein Blick blieb weiterhin sehr skeptisch und unglückselig.
 

Am Ende würde er, Noel, es sein, der unfreiwillig für die Lacher sorgte, soviel war sicher!

Verstohlen ließ er seinen Blick über den Strand schweifen, der unschuldig und verlassen dalag. Keine Menschenseele ließ sich blicken und so verpasste jeder der Einwohner Neo-Bodhums die wirklich majestätisch schönen zartrosa bis hellblauen Farben am Morgenhimmel. Gut für ihn, schlecht für sie.

Er ließ seinen Blick auf die Gebäude fallen, die sehr nah am Meer standen und von deren Fenstern aus man ihn bequem beobachten könnte… so ein Dreck.

War da etwa eben ein verdächtiger Schemen hinter diesem Vorhang gewesen?

Erstarrt fixierte Noel das Fenster, doch nichts rührte sich mehr. Soweit hatten sie ihn also schon gebracht, Serahs verrückte Freunde. Er entwickelte eine krankhafte Paranoia, dabei wollte er nur ein bisschen im Meer schwimmen gehen!

Um sich selbst zu beweisen noch kein Kandidat für die Klapsmühle oder irgendwelche Pillen zu sein, riss er sich seine Hose herunter und stieg in Snows Badesegel, welches er sich provozierend langsam hochzog.

Da, habt ihr was zum Gucken, ihr nicht vorhandenen Voyeure!
 

„Alter!“, dröhnte eine tiefe Stimme.
 

Vor Schreck riss Noel den Hosenbund so schnell nach oben, dass er sich versehentlich etwas sehr Wichtiges quetschte.
 

„Aughh!!“, jammerte er und fiel fast auf die Knie.
 

Eine kleine Welle brach auf etwas, was er zuerst für angespültes Strandgut gehalten hatte. Knäuel von Algen, Tang und Meerestierüberresten verteilt auf seepockigen schwarzen Holzplanken, das Ganze garniert mit einem kaputten Fischernetz in dem sich eine orange-farbene Boje verheddert hatte. Nur war dies keine Boje, sondern Gadots grell gefärbter Haarschopf, doch konnte Noel dieses Ungetüm, das sich auf einmal aus dem Meerabfall schälte noch nicht ganz mit dem Kerl vereinbaren, den er unter höchst widrigen Umständen kennen gelernt hatte.
 

„Was fiepst du herum?“, fragte das Ding (aus dem Sumpf!). „Ich bekomme Kopfschmerzen davon! Oder besser gesagt: Noch schlimmere! Also lass mich in Frieden sterben, da muss ich nicht noch deinen käsigen weißen Hintern sehen!“
 

„Was in Etros Namen ist denn mit dir passiert?!“, fragte Noel fassungslos und glotzte den Haufen, der Gadot darstellen sollte, ungeniert an.
 

„Das Meer ist schön kühl“, antwortete Gadot stirnrunzelnd, als würde Noel fragen, wieso es Tag und Nacht gab. „Also dachte ich, ich geh darin pennen. Muss dann wohl etwas abgetrieben sein…“
 

„Eher irgendwo hineingetrieben…“, murmelte Noel und seine Mundwinkel zuckten.
 

„Heeey“, sagte Gadot mit pöbelnder Stimme. „Hast du was gesagt?“
 

Bevor Gadot ihn in einen extrem fischig stinkenden Schwitzkasten nehmen konnte, rannte er ins Wasser. Dabei musste er den Hosensaum festhalten, weil Snows bescheuerte Badehose sonst unweigerlich runtergerutscht wäre, aber am Entkommen hinderte es ihn nicht.

Der feuchte braune Sand unter seinen nackten Fußsohlen fühlte sich super an, er spürte wie seine Zehen sich hineingruben und ihn vorwärtspreschen ließen wie die Tatzen eines Geparden. Vom Meerwasser ließ er sich wenig bremsen, kaum stand es ihm über den Knien, ließ er sich hineinfallen und mit gleichmäßigen Schwimmzügen vorwärtsgleiten. Penibel achtete er darauf die Beine im Frosch-Schwimm-Style zu bewegen, alles um Snows dämliche Badehose an dem Platz zu halten wo sie hingehörte, aber dies blieb ein Randgedanke.

Hach, war das wundervoll!

Bisher war er nur in Süßwasser geschwommen, wie leicht ihn das Salzwasser zu tragen vermochte, faszinierte ihn ungemein. Als er noch ein wenig weiter rausgeschwommen war, drehte er sich auf den Rücken und ließ sich treiben.

Wundervoll…

Den Blick gen Himmel gewandt, wünschte er sich, dass der Tag bitte so weitergehen mochte. Mörgenröte war doch etwas ganz eigenes. Sie versinnbildlichte einen neuen Tag. Die Welt, durch die Nacht gereinigt, startete so klar und erfrischend kühl, neu und offen für alles. Wer das nicht sah, oder bei diesem friedlichen Anblick nicht empfand, der musste blind sein. Nicht nur in den Augen, sondern auch im Herzen.

Wie er so, als winziges Wesen, in diesem gigantischen Gewässer lag - klebte, wie ein Bakterium im Auge eines Riesen - stahl sich plötzlich die Einsamkeit in sein Herz und die Erinnerungen. Der Grund weshalb solch ein Morgen für ihn so schön war. Solange es einen Morgen gab, solange gab es jemanden, der ihn einen Morgen hieß und über diesen Morgen nachdachte, diesen Morgen spürte, lebte, ja… solange gab es… Leben. Etwas, was in seiner Zeit an Selbstverständnis verloren hatte.

Auf einmal begann seine melancholische Seite überhand zu nehmen und er drehte sich wieder auf den Bauch, bereit zurückzuschwimmen. Doch die Strömung hatte ihn kaum merklich gedreht und so starrte er der weiten Linie des Horizonts entgegen. Eine leere Weite, die er nicht ertrug! Er erschreckte sich furchtbar und drehte sich trudelnd zurück zur Küstenlinie.

Einsamkeit. Diese schreckliche Einsamkeit… Diese… Leere…

Die Hölle, falls sie existierte, war kein Ort von Flammen und Qualen. Sie war eine weite dunkle tote Ebene, wo es nichts gab und wo niemals jemand seinen Fuß hinsetzen würde. Nur die eigene Seele würde erbärmlich von aller Gnade verlassen in ihrem Käfig aus Unendlichkeit gefangen sein.

Noel versuchte das gute Gefühl von eben wieder aufleben zu lassen. Er dachte an Serah. Die liebe schöne starke Serah. Solch eine Person „Freund“ nennen zu dürfen, das allein war schon Grund genug glücklich zu sein. Besonders, wenn man sie „Freundin“ nennen durfte und davor noch so etwas wie „feste“ klemmen könnte. Prompt grinste Noel breit und konnte dieses Grinsen auch nicht mehr aus seinem Gesicht verbannen. Nach einigen Schwimmzügen Richtung Strand war das schreckliche Kaleidoskop aus schlimmen Erinnerungen und Einsamkeitsgefühlen verschwunden und immer, wenn es wieder aufzukeimen drohte, dachte er an all jene, die jetzt um ihn waren.

Gadot, der ihm aufgrund seines liebenswürdigen Beschützerinstinkts gegenüber Serah, immer mal wieder „Ich behalte dich im Auge“-Gesten zukommen ließ.

Snow, der ein Idiot war, aber selbst ein Idiot als Kumpan war besser als für immer alleine sein.

Lebreau, die alles im Griff zu haben schien und ihm versprochen hatte alles zu kochen, was er noch nicht kannte.

Maqui, der Mechaniker, Mechatroniker, Elektriker, Ingenieur, Metaphysiker, Erfinder und Genie gleichzeitig war.

Yuj, der…

Noels Gehirn schien wie leergefegt. Was tat denn Yuj?

Eilig schwamm Noel weiter, während er nachdachte, denn langsam wurde ihm das Meer etwas zu kühl.

Yuj säuberte das Katzenklo… er kellnerte ab und zu. Er…

Kurzerhand beschloss Noel mal mit ihm zu reden. Es konnte sicher nicht schaden, mehr über Serahs Freunde zu erfahren und damit wiederum rückwirkend über Serah. Allerdings glaubte er sie bereits besser zu kennen, als dieser ganze bunte Haufen. Was er aber nicht wusste war, wie er ihren Romantik-Nerv treffen sollte. Sie sah ihn als guten platonischen Freund. Wie sollte er sie da für sich gewinnen? Er hatte wirklich keine Ahnung. Überhaupt musste er in den Augen der anderen wie ein Höhlenmensch daherkommen.

Ich bin ein Jäger, ich komme aus einer kargen Ödnis, schaut meinen Lendenschurz aus Apotamkin-Leder an!

So stolz er auch auf seine Überlebenskünste und sein Kampfgeschick war, im zivilisierten Leben seiner Mitmenschen blieb er ein Primitivling, der von nichts eine Ahnung hatte. Es war doch zum Heulen!
 

Zurück am Strand, hielt er mit der einen Hand seine triefnasse Badehose an Ort und Stelle, mit der anderen klemmte er sich sein Klamottenbündel in die Ellenbogenbeuge und hastete in das Gebüsch unter den Stelzen eines der merkwürdigen Häuser Neo Bodhums.

Argh, hätte er das doch vorher schon getan, hier würde ihn wohl kaum jemand so einfach bespitzeln können!

Schnell trocknete er sich mit einem von Snows Pullovern ab, die dafür sicher nicht gedacht waren, und zog seine üblichen Kleidungsstücke wieder an. Gerade zurrte er seine Unterarmschiene fest, da kam ihm der Gedanke, dass seine Klamotten doch sicher langsam müffeln würden.

Mist! Klar, so ein Neandertaler wie er würde sich am Ende noch stinkend neben Serah setzen und sie debil angrinsen, während sie mit aller Macht versuchte nicht das Gesicht zu verziehen, um seine abgestumpften Gefühle nicht zu verletzen.

Mit einem klatschenden Geräusch schlug er sich beide Hände ins Gesicht. Wäre er eine Comic-Figur, würde über ihm nun eine kleine schwarze Wolke schweben (Und es würden diese geschwungenen Linien von ihm ausgehen, und zwar die, welche sicher nicht für einen klingelnden Mogry-Sinn standen, so glaubte er).

Kurzum fasste er einen Entschluss. Wenn Freundesuchen angesagt war, dann war jetzt die beste Zeit dafür.

Da er nicht wusste wo Yuj schlief, beschloss er Maqui in seiner Werkstatt aufzusuchen. Zwar schlief dieser bestimmt noch tief und fest, aber das hier war ein Notfall und wofür hatte man bitte Freunde? Außerdem war es ihm irgendwie unangenehm Lebreau zu fragen, die sicher noch nicht gut auf ihn zu sprechen war, da er versucht hatte Snow zu töten und von Serah wie ein blöder ungehorsamer Köter zurückgepfiffen worden war, damit er keinen Schwachfug anstellte, wie ihn nur ein dummer Höhlenmensch wie er fabrizieren konnte.
 

„Jetzt gehst du aber etwas zu hart mit dir ins Gericht!“, behauptete seine innere Stimme und eigentlich hatte sie ja recht.
 

Am Ende würde er enden wie Snow, der sich selbst maßlos geringschätzte, um für seine Bescheidenheit Lobhudeleien einzusammeln. Das Dumme war aber eben, dass wohl jeder neben Serah - so rein und tugendhaft wie ein Wesen aus einer anderen Welt - schlecht aussah.
 

Ach ja, Gadot würde er ebenso wenig fragen. Erstens war dieser wie vom Erdboden verschwunden und zweitens neigte er dazu, selbst wenn er ihm gegenüber mal freundlich aufgelegt war, ihm mit hilfreichen Sätzen wie „Hä, kapier ich nicht.“ zu antworten.
 

Als er vor Maquis Werkstatt stehen blieb, kamen ihm bereits einige verschlafen wirkende Einwohner Neo Bodhums entgegen, viele von ihnen hatten Schubkarren, Spaten und Forken dabei, wohl um auf dem Feld zu arbeiten. Fasziniert beobachtete er sie eine Weile, denn von Landwirtschaft verstand er nicht sonderlich viel. In seiner Zeit lebte man nur von Monsterfleisch. Einige jedoch, trugen Schusswaffen bei sich, der Monster wegen.

Indem Augenblick, wo der Trupp den Zaun passieren wollte, kam es zu einem äußerst genervten Genöle.
 

„He! Flemmard! Wach sofort auf, du Schnarchsack!“, brüllte der offensichtliche Anführer - ein riesiger grob wirkender Kerl - des Gummistiefelgeschwaders.
 

Am Zauntor war ein zusammengesunkenes Bündel zu sehen, welches sich kein bisschen rührte, bis es von dem Anführer mit einer Art Mistgabel leicht gepiekst wurde.
 

„Ah! Aua!“, schrie es auf und seine militärisch wirkende Mütze fiel ihm vom Kopf.
 

Es war der unglückselige Zaunwächter, der seine ganze Wache hindurch verschlafen hatte und sich nun noch halb im Schlaf von mehreren Monstern umlagert sah. Quiekend fummelte er an seiner Waffe herum, doch zum Glück konnte der Anführer sie ihm wegschlagen, bevor sie Unheil anrichten konnte. Dann wurde der Unglückswurm am Schlafittchen gepackt und so hoch gehoben, dass er den Boden unter den Füßen verlor.
 

„Du kommst jetzt schön mit, mein Freund. Rüben ernten!“, kündigte der Anführer mit strenger Miene an und warf ihn dann in eine der Schubkarren, in welcher ihm Dutzende von Erntewerkzeugen in den Hintern piekten.
 

Jaulend sprang der Wächter daraus hervor und heulte:

„Aber ich habe doch die ganze Nacht schon Wache schieben müssen!“
 

Niemand zeigte auch nur ein Fünkchen Mitleid und prompt bekam er eine der Schubkarren in die Hacken gerammt.
 

„Vorwärts, Marsch!“, donnerte der Anführer und jammervoll ergab sich der Wächter, der nun zum Rübenerntehelfer degradiert worden war, seinem Schicksal.
 

Wahrscheinlich war er in seinem früheren Leben ein verzogenes Balg gewesen, das nie wirklich hatte arbeiten müssen, bevor es zu Cocoons Fall gekommen war, dachte Noel. Jetzt müssen sich die Leute hier mit ihm herumschlagen… Wenn bei UNS jemand so unzuverlässig gewesen wäre…!

Kurz darauf wendete sich Noel wieder der Tür zu Maquis Werkstatt zu und ließ sich von seiner inneren Stimme anfeuern.

Steh zu dem, der du bist! Du hast keinen Grund herumzudrucksen!

Alles klar, dachte er grimmig lächelnd und klopfte laut gegen die Tür, damit ihn Maqui unter seinen Ohrenschützern auch hörte.
 

„Mjaaa, ja was denn?!“, hörte er eine ziemlich morgenmuffelige Stimme meckern, die ohne Zweifel Maqui gehörte.
 

Schlurfende Schritte waren zu vernehmen, die Tür schwang knarrend auf, dann stand Maqui vor ihm, das gelb-blonde stachelige Pixie-Haar an der linken Seite flach an den Schädel gedrückt, die Schutzbrille hing ihm schief über die Stirn.
 

„Sie wünschen? Darf ich Sie anbei auf das Lenora-Werkelstube-Mogry-Fusions-Paket aufmerksam machen? Viele Artikel sind so um bis zu 20% günstiger zu erwerben“, ratterte Maqui mechanisch herunter.
 

„Äh, öhm…“
 

Maqui rieb sich die Augen und meinte dabei:

„Ach du bist es, Noel.“
 

Wieso erkennt er mich erst, wenn ich diese tumben Höhlenmensch-Laute von mir gebe?!, heulte Noel in Gedanken.

Doch dann zwang er sich zu glauben, dass das nichts miteinander zu tun gehabt hatte.
 

„Ja, entschuldige, dass ich dich störe-“
 

„Joah, kein Problem, schlafende Genies soll man ja bekanntlich wecken.“
 

„… Ich brauche nur kurz deine Hilfe…“, endete Noel und fühlte sich langsam ziemlich unhöflich behandelt.
 

Als Maqui seine zunehmende Verstimmung bemerkte, änderte er sein Verhalten schlagartig.

„Okay, klar, was kann ich denn für dich tun? Snows Freunde sind auch meine Freunde, hier bei NORA helfen wir uns alle gegenseitig ohne Wenn und Aber! Das magst du mir vielleicht nicht abnehmen, aber ich bin genau deswegen Mitglied geworden. Snow ist ein echter Kracher wie er jedem hilft; brauchst du einen Bro, dann ruf nach Snow! Wow, ich wünschte ich wäre wie er und jeder würde an meiner Strippe hängen, weil jeder weiß, dass ich die Zuverlässigkeit gepachtet habe!“
 

„Aber ich benötige gerade deine Hilfe und du wirkst, tut mir leid, nicht wirklich begeistert, wie sollte das erst werden, wenn jeder…“

Noel ließ den Satz unvollendet.
 

„JAAH!“, krähte Maqui. „Deswegen gibt es auch einen Unterschied zwischen „wünschen“ und „sein“! Wäre ich wie Snow, dann würde es mich nicht so annerven, anderen helfen zu müssen, ich würde es mit Freuden tun. Und ich würde stark sein und nie mehr Angst haben und jedes Monster mit einem Fausthieb zu Brei zermatschen! Und ich hätte eine schöne Freundin wie Serah! Aber irgendwann bin ich soweit und werde sein wie er, wirst schon sehen!“
 

Noel konnte sich das nicht einmal in seinen kühnsten Träumen vorstellen. Beinahe glaubte er schon so etwas wie Sarkasmus in Maquis Stimme herauszuhören, doch am Ende war er sich sicher, dass es Maquis purer Ernst gewesen war.
 

„Na dann erzähl Onkel Maqui mal was du für Wehwehchen hast, ich helfe dir gern! Siehste! Schon ein Schritt in die richtige Richtung!“, frohlockte Maqui und schob Noel in seine Behausung.
 

Drinnen herrschte das reinste Chaos und Noel konnte nicht behaupten zu wissen was davon was darstellen sollte. Es gab Haufen aus Metallschrott, zusammengeschusterten Metallschrott und Plastikschrott, der mit Metallschrott verbunden war in einer Art Frankenstein‘schen Vermählung, merkwürdige Maschinenteile und Kabelsalate, leuchtende Energiekonservierer, alle möglichen Arten von Motoren und jede Menge Öl- und Ruß-Geschmier auf Boden, Wänden und sogar an der Decke, als sei dies das Schlachthaus eines Roboter-Serienkillers.
 

„Wow!“, rutschte es Noel heraus und Maqui nahm diesen eher fassungslosen Ausruf als Kompliment.
 

„Es gibt nichts, was ich nicht bauen könnte! Unmögliches in einer Stunde, Wunder über Nacht!“, sagte Maqui begeistert und fügte dann mechanisch hinzu: „Wunder sind von unseren derzeitigen Sparaktionen ausgeschlossen.“
 

„Eigentlich ging es mir nur darum zu erfahren wo Yuj so abhängt“, sagte Noel fast schon kleinlaut, aber mit dem Versuch einer coolen Attitüde.
 

„Was willst du denn bitte von Yuj?“, fragte Maqui so baff, dass ihm nicht einmal einfiel enttäuscht zu sein. Die Schutzbrille, die er sich zuvor fachmännisch und bereit zu neuen Taten, über die Augen gezogen hatte, ließ ihn wie einen blinzelnden Maulwurf aussehen.
 

„Nun ja, ich brauche-“
 

„Ich weiß!!“, schrie Maqui fast und begann dann haltlos zu giggeln.
 

Langsam verstand Noel die Welt nicht mehr. Andere Menschen konnten sooo anstrengend sein… Vielleicht war die Einsamkeit doch nicht so schlimm… zumindest manchmal.
 

„Du brauchst einen Rat was FRAUEN angeht!“, johlte Maqui mit einem entlarvenden Unterton und klatschte in die Hände. „Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche mit Serah zusammen, aber keine Ahnung wie man ihr Herz erobern soll!“
 

„Es geht mir um KLAMOTTEN!!!“, schrie Noel zurück, wurde aber scharlachrot im Gesicht über die Tatsache, dass Maqui ihn komplett durchschaut hatte.
 

Diesem wiederum war das überhaupt nicht aufgefallen und sein Gejohle legte sich abrupt.

„Ach so“, sagte er enttäuscht und wieder mit fast schon ernster Miene. „So einer bist du also.“
 

„Was soll das nun wieder heißen?“, fragte Noel, einerseits froh, dass das Serah-Thema wieder in der Versenkung verschwunden war, andererseits riss langsam sein Geduldsfaden…
 

„Naja, dass du eben… ein Modeopfer bist. Ich dachte, die sterben zuerst aus, aber sie scheinen ja zäher als gedacht zu sein.“

Maqui bedachte sein Outfit mit einem prüfenden Blick.

„Dabei hätte ich das eigentlich nicht von dir erwartet…“
 

„Meine Kleidung ist praktisch und im Nutzen liegt die Schönheit, nicht in irgendwelchen sinnlosen Kinkerlitzchen“, sagte Noel äußerst souverän.
 

„Boah, na dann wirst du dir mit Yuj tolle Diskussionen liefern können!“, antwortete Maqui ehrlich.
 

„Ja. Nein! Hör mal, ich möchte mir bloß Klamotten von ihm leihen, weil ich glaube, seine passen mir eher als Snows. Meine eigenen müssen mal wieder richtig gewaschen werden und nicht nur so halbherzig in einem Bächlein.“
 

Maqui nickte zuerst, als wäre ihm die Wichtigkeit von sauberen Klamotten durchaus bewusst, was beim Anblick seiner ölschmierigen Hosen fragwürdig wirkte, starrte ihn dann aber an, als wolle er zuerst „Du wirst von Sekunde zu Sekunde langweiliger“ sagen, bevor er jedoch erwiderte:

„Na, nicht dass ich sagen würde, Yuj würde nicht teilen, aber bei seinen Klamotten ist er sehr empfindlich. Außerdem sind seine Hosen so eng, da würde ich lieber unten ohne rumlaufen! Kommt natürlich darauf an, ob es dir wichtig ist später mal Babys machen zu können, aber… Willst du dir da nicht lieber ein paar Baggy-Pants von mir ausborgen?“
 

„Danke für das Angebot, aber ich glaube, die hätten bei mir Hochwasser…“
 

„Und du bist doch ein Modeopfer!“, sagte Maqui, mehr deswegen gekränkt, weil er glaubte Noel hätte auf seine geringe Körpergröße angespielt, als wegen des Ablehnens seiner Hosen.
 

Noel ließ ihn in dem Glauben und folgte dann dem grimmig dreinschauenden Maqui zu Yujs Haus.
 

„He, raus aus meiner Koje!“, donnerte Gadot, als er Yuj in seinem Bett vorfand.
 

Yuj fegte ein Geruch entgegen, der ihn davon überzeugte ein Fischkutter hätte sich über Gadot entleert.
 

„Blödsinn, das ist mein Bett“, nuschelte Yuj und drückte sich das Kissen über den Kopf.
 

Gadot packte ihn am Kragen und riss ihn so schnell hoch, dass einige Nähte am Kragen rissen. Sofort war Yuj hellwach.
 

„Bist du bescheuert?!“, greinte er. „Das ist ein limitiertes Stück der Eden-Reihe! Meins ist vielleicht überhaupt das letzte seiner Art?!“
 

„Ja und?“, sagte Gadot gemein lächelnd. „Sag nicht, dass es was wert ist, heutzutage investiert niemand mehr in sinnlose Güter!“
 

„SINNLOS?!?“, rief Yuj empört, bevor er sich losriss und aufgrund des Schwungs über das Bett und gegen Gadots Kleiderschrank kugelte.
 

Es gab ein lautes ungesundes Krachen zu hören, doch Yuj entknäulte sich mit einer fließenden Bewegung und stand nun herausfordernd vor Gadot, die Arme verschränkt.

Ein paar von Gadots Mitbewohnern schauten zur Zimmertür herein und eine Frau mit silber-violetten zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren schimpfte:

„Was soll der Radau??“
 

Weder Yuj noch Gadot ließen sich auch nur im Mindesten irritieren und Yuj öffnete dessen Schrank und angelte eine extrem kurze kleine grüne Hose hervor.
 

„Schon gut, ich gebe es zu. Ich habe im falschen Haus geschlafen. Aber wenn das hier dein Zimmer ist, wie kommt Lebreaus Hotpants hier herein?“
 

Verspielt steckte er einen Finger durch eine der Gürtelschlaufen und ließ das pikante Kleidungsstück durch die Luft kreiseln.
 

„Das…“ Gadot war sprachlos. „Die hast DU doch sicher hier hereingeschmuggelt!“
 

„Wieso sollte ich etwas hereinschmuggeln, um DICH zu entlarven, wenn ich geglaubt habe, dass das hier mein Haus ist? Tja, perfektes Alibi.“
 

„Woher solltest du sonst von der Hose wissen??“
 

„Ich habe einfach zufällig nach einem deiner Modeirrtümer greifen wollen, aber siehe da! Jackpot!“
 

„Du Sack!!“
 

Brüllend wie ein tobendes Nashorn und mit tiefrotem Gesicht stürzte sich Gadot auf Yuj, doch der warf die Hotpants breit grinsend zu einem von Gadots Mitbewohnern, der sie verblüfft auffing.
 

„Gadot steht auf Lebreau! Gadot steht auf Lebreau!“, begann Yuj einen nervtötenden Singsang, als er von Gadot gepackt wurde.
 

Sofort danach wollte Gadot nach der Hotpants greifen, doch der Mitbewohner warf sie begeistert an einen weiteren Kumpan weiter, der sie sich unter lautem Gejohle aufs Gesicht presste und tief inhalierte.
 

„Das ist eindeutig Lebreaus!“, stellte der Inhalierer mit ernster Fachkenntnis-Miene fest, bevor er sie weiterwarf.
 

„Woher willst du das wissen?!“, kreischte Gadot völlig außer sich und hastete der Flugbahn der Mini-Hose nach. „Ihr Säue, gebt sie zurück!“
 

Yuj, der dabei ständig am Schlafanzugoberteil mitgeschleift wurde wie eine Puppe, begann sich zuerst lachend und dann immer ernster werdend zu beschweren:

„Du leierst ihn aus! Du leierst ihn aus! Wenn der kaputt geht…!!“
 

Ein Mädchen mit kurzem blonden Haar schnappte das Höslein und warf es wie ein Frisbee aus dem nächsten Fenster und viele der Jungen begannen ein einstimmiges „Awww…“ zu nölen.
 

Als Gadot bemerkte, dass das Objekt all seiner Schmach nun vorläufig außer Reichweite war, wendete er sich wieder ganz dem Usurpator seiner Würde zu. Er riss ihm so heftig das Schlafanzugoberteil herunter, dass er fast Yujs rechten Arm ausgekugelt hätte und reckte seine mit der Trophäe bestückte Faust gen Zimmerdecke.
 

„Aua, du böser Mann!“, sagte Yuj, der ganz schwach von seinem Lachanfall auf dem Boden hin und her rollte und sich die Schulter hielt. „Beinahe hätte ich geglaubt, du willst mir wirklich was brechen.“
 

„Wer sagt denn, dass ich das nicht noch tun kann?“, antwortete Gadot breit lächelnd. „Aber ich habe eine bessere Idee…“
 

Er zerfetzte das Kleidungsstück in mundgerechte Streifen und diese weiter zu einem traurigen Textilkonfetti, welches er auf Yuj herabregnen ließ.
 

„Na, wie fühlt sich das an?“
 

Yujs Lachen fror komplett ein.

„Alter, das war gerade blanker Mord!!“, schrie er. „Und ein äußerst sadistischer noch dazu!“
 

„Wie du mir, so ich dir!“, sagte Gadot im Tonfall eines weisen alten Mannes, bevor er Yuj, der aufstehen und sich auf ihn stürzen wollte, mit einem Fuß gegen den Boden presste.
 

„Jungs, das hier… sind unsere Anführer und Vorbilder hier bei NORA“, sagte die Frau mit den silber-violetten Haaren mit einer trockenen Fremdenführer-Attitüde.
 

Gadots sonstige Mitbewohner schienen ihr Problem nicht recht zu begreifen und zuckten die Schultern.
 

„Was mache ich eigentlich hier??“, fragte sie sich darauf und ging kopfschüttelnd davon.
 

Da sich die Action im Raum gelegt hatte und niemand ernsthaft glaubte, dass sich Gadot und Yuj gleich eine Prügelei liefern würden, kehrte rasch Ruhe ein und die Mitbewohner gingen langsam wieder in ihr Tagewerk über. Einer der Gaffer tätschelte Gadot kurz den Rücken und sagte:
 

„He, es ist doch nicht schlimm auf Lebreau zu stehen, aber stell sicher, dass du nächstes mal einen Schlüpfer von ihr klaust! Obwohl… irgendwie riecht es hier schon genug nach Fisch… Naja, ist ja dir überlassen!“
 

Mit einem Augenzwinkern verschwand auch er und stieg die kurze Treppe hinunter in den Wohn- und Ess-Bereich der Behausung.

Kurz seufzte Gadot, dann schloss er die Zimmertür mit einem leichten Stoß seiner rechten Hand und blickte dann zu Yuj herab, der ganz entsetzt von Gadots schmutziger Fußsohle auf seiner nackten Haut war.
 

"Wo bist du denn gewesen?!", fragte Yuj angeekelt.
 

Gadot schwieg dazu nur, packte Yuj dann am linken Fußknöchel und schleifte ihn mit sich.
 

"EY!"
 

Zuerst wollte Yuj sich am Boden festkrallen, doch geistesgegenwärtig ließ er es bleiben, um seine manikürten Fingernägel nicht zu beschädigen. Stattdessen schützte er sein hübsches Gesicht vor jeglicher Schramme, die ihm der gefährliche Boden beibringen könnte.
 

"Mal sehen was für eine Stil-Ikone du noch bist mit nichts als deiner Haut an!", sagte Gadot feixend und öffnete das Fenster. "Aber ich lasse dir deine Hose, sonst stirbt noch jemand bei deinem Anblick. Du bist viel zu dünn!"
 

"Aus deiner Perspektive vielleicht, Anabolika-Mann!", erwiderte Yuj, bevor Gadot ihn zuerst mit einem Wrestlergriff packte, hochhob und schließlich kopfüber aus dem Fenster hängen ließ.
 

"Meine Muskeln sind durch jede Menge Training, Schweiß und Arbeit ganz natürlich gewachsen!", korrigierte ihn Gadot, dann ließ er seine Füße los.
 

"Verflucht seiest du, Anabolika-Mann!", rief Yuj im freien Fall.
 

"Ich rette dich, Yuj!", brüllte Maqui, der durch den Sand raste und eine Auffanggeste performte, als er Yuj völlig unverhofft aus dem Fenster fallen sah.
 

Noel, der das gesamte Theater mit unbezahlbarem Gesichtsausdruck mitbekommen hatte, schrie:

"Mach jetzt keinen auf Snow, in den Sand fällt er doch weicher als in deine knochigen Nerd-Arme!"
 

Doch es war ohnehin bereits zu spät gewesen. Yuj stürzte mit einem "Hmpfblääh!"-Aufschrei in eine Sanddüne, während Maqui über einen zu ausladenden Zipfel seiner Baggy-Pants stolperte und Gesicht nach unten ein paar Meter durch den Sand rutschte, zutiefst gedemütigt. Selbst wenn er schnell genug gewesen wäre, hätte er Yuj nur mit seinem Rückgrat abgefangen, welches ihm dies sicher zutiefst gedankt hätte.

Noel sah abwechselnd zu dem einen, dann wieder zum anderen. Die Menschen von damals... also heute... waren wirklich ein Haufen Einfaltspinsel. Da war ja selbst die Chocobo-Bändigerin lebensfähiger gewesen.

Gemächlich zog Noel Maqui am Kragen hoch, der sofort sein Gesicht bedeckte und bitter enttäuscht wirkte.
 

"Alter... ich bin zu nerdig für diesen Scheiß...", jammerte er.
 

Yuj kam von selber auf die Beine und wollte schon fragen, was Noel und Maqui hierher verschlagen hatte, als er durch ein rotierendes Kissen wieder von den Füßen gerissen wurde.
 

"Leg dich nicht mit Durch-hartes-Training-verdiente-Muskeln-Mann an!", johlte Gadot vom Fenster aus und ließ weitere Kissen regnen, die er allesamt wie Diskusse warf.
 

Auf einen Schlag war Maqui hellauf begeistert.

"Feindbeschuss! Alle Mann in Deckung! Ich liebe den Geruch von-"
 

Ein weiteres Kissen ließ ihn abermals den Sand küssen.
 

"Erklär' mir diesen Kindergartenmist hier später", sagte Noel mit einem verzweifelten Lächeln über diese ganze Abstrusität und griff nach Yujs Arm.
 

Dieser wiederum rief irgendwas von "Steroiden" zu Gadot hoch, der darauf umso wilder mit Kissen - wohl der gesamte Vorrat seiner Wohngemeinschaft - um sich warf.
 

"Komm mit ihm, wenn du leben willst!", röchelte Maqui zu Yuj.
 

"Wir sollen einfach kampflos aufgeben?", fragte Yuj empört.
 

"Der weise Mann wählt die Flucht, wenn er weiß, dass er momentan nicht gewinnen kann!"
 

"Stimmt genau!", stimmte Noel zu und versuchte nun auch Maqui hochzuhelfen.
 

"Nein! Geht ohne mich weiter, lasst mich hier liegen!"
 

"Whoa, Schluss jetzt damit!!"
 

Genervt zerrte Noel die beiden mit sich, nebenher immer noch "tödliche" Kissengeschosse abwehrend. Maqui johlte dabei immer wieder "Quick Time Event!" und zeigte Gadot den schlimmen Finger.

Wieso, so fragte Noel sich in Gedanken, waren Snows Jungs, obwohl sie doch fast tagtäglich gegen echte Monster mit echten Waffen kämpfen mussten, nach wie vor solche Spielkinder?
 

"NNNNNNNNNNNNNNNIIIIIIIIIIIIIIÖÖÖÖÖRRRRRR-BUMM!!!", ahmte Maqui das vermeintliche Geräusch einer fallenden Bombe nach, als ein Kissen wenige Meter vor ihnen aufschlug und eine unbeeindruckende winzige Sandwolke aufwirbelte.
 

Okay, es waren immerhin SNOWS Jungs. Was sollte man da anderes erwarten? Wie hatte Serah das nur all die Jahre ausgehalten?! Beim Gedanken an sie, drehte er automatisch den Kopf Richtung NORA-Haus und zu seinem maßlosen Entsetzen stand sie da, hörig an Snows Seite gedrückt, der breit grinste. Neben ihnen stand Lebreau, die eine "Ich kenne diese Leute nicht"-Körperhaltung angenommen hatte. Noel war sich sicher, dass Snow mit einer hochmütigen Nachsichtigkeit so etwas wie "Wie süß sie spielen, die Kinder", zu Serah sagte.
 

"Hier rein!", rief Maqui begeistert und zog Noel in den Eingang eines weiteren Neo Bodhumer Gebäudes.
 

Noel widersprach nicht. In Anbetracht, dass er unter keinen Umständen länger Serahs Blick, wie sie ihn Teil dieser Affenhorde sah, aushalten wollte, stürzte er sich durch die Tür direkt in eine überraschte Menge Wohngemeinschaftler, die gerade beim Frühstück saßen. Mit rasender Geschwindigkeit stürzten sie auf den reich gedeckten Tisch zu und Noel bremste mit aller Kraft ab, seine Fersen brannten, als würden sie jeden Augenblick Feuer fangen. Doch sowohl Maqui, der nicht so schnell geschaltet hatte und ihn vorwärts zog, als auch Yuj, der ihm gegen den Rücken prallte, machten eine Verhinderung des Desasters unmöglich.

Maqui hatte Glück und schleuderte unter den Tisch, wo er sich in zahllosen Beinen verhedderte, viele schrieen schmerzgepeinigt auf. Doch er, Noel, prallte mit dem Solarplexus direkt gegen die Tischkante. Ihm blieb die Luft weg und seine Augen rollten sich nach oben. Während er endlose Sekunden hin und her schwankte, tauchten in seinem Kopf Begriffe wie "stumpfes Bauchtrauma" und "innere Blutungen" auf.

Jawohl, so würde sein Ende aussehen. Tod durch Kissenschlacht. Krieger aus der Zukunft, verreckt am Frühstückstisch. Ehemaliger Schlächter von Behemoths beim Herumalbern mit ortsansässiger Störenfried-Gruppierung umgekommen. Neo Bodhums Stil-Ikone nach vergeblichen Wiederbelebungsmaßnahmen völlig aufgelöst.

Was? Moment!

Mit aller Macht erinnerte sich Noel an seine Überlebensausbildung und konzentrierte sich auf seine innere Kraft.
 

"Vita... Vita, Vita, Vita!!", presste er zuerst mühselig dann mit immer kräftigerer Stimme hervor, als er sich Schritt für Schritt heilte und vom Schock und Schmerz erholte.
 

Dennoch kippte er rücklings und wurde von Yuj aufgefangen.
 

"Wow, heftig!", sagte Yuj begeistert und Maqui kroch haltlos giggelnd unter dem Tisch hervor. "Das war der Knaller!!"
 

Noels Geduldsfaden riss endgültig. Was sollte dieser bescheuerte Affenzirkus?! Mit einem gezielten Stoß seines Ellenbogens stieß er Yuj zurück und baute sich vor allen Anwesenden auf.
 

"Was ist euer verdammtes Problem?!", schrie er. "Habt ihr euch alle das Hirn gestern aus dem Kopf gesoffen oder wie sieht das hier für euch aus?!?"
 

Maquis Lachen erstarb vollkommen und Yuj starrte ihn perplex an. Die Wohngemeinschaftler schauten teilweise überrascht, teilweise betreten drein und ein junger Kerl mit magentafarbenem Haar antwortete nur laut:
 

"Nach Party!"
 

Alle, außer Maqui und Yuj, rissen die Arme hoch und begannen begeistert zu jubeln.
 

"NEIN!", brüllte Noel. "Ich weiß, das hier ist eine Siedlung wo fast ausschließlich junge Leute leben, aber hier wohnen auch Familien mit Kindern! Mit kleinen Kindern! Was glaubt ihr, was ihr für Vorbilder seid, wenn ihr als ERWACHSENE tagein tagaus so einen Blödsinn veranstaltet?!"
 

Wieder betretenes Schweigen.
 

"Hey, Noel", begann Yuj. "Du hast durchaus recht, es hätte nicht damit enden sollen, dass du verletzt wirst, aber wir sind alle noch ein wenig überdreht, weil Snow endlich wieder da ist."
 

"Snow ist voll der Kracher!", schrie ein Mädchen, deren T-Shirt verdächtig mit einer Schneeflocke bedruckt war.
 

"Yeah! Snow ist so ein toller Typ!", stimmte ein Typ mit ein.
 

"Die Party gestern hat wirklich etwas reingepfiffen. Aber ein bisschen Spaß muss sein. Ist ja nicht so, als wären wir im Ernstfall nicht in der Lage zuzupacken", sagte Maqui ernst.
 

"Ja, Mann! Bleib mal locker, Snow ist-", fing ein weiterer Mitbewohner an, doch Noel platzte endgültig der Kragen.
 

"Ihr alle ständig mit eurem heißgeliebten Snow! Gratulation! Ihr kommt alle perfekt nach ihm!"
 

Geschmeichelt machten die Hausbewohner allesamt abwinkende und scharrende Gesten.
 

"Diesem inkompetenten, kindischen, verantwortungslosen Vollpfosten!"
 

Gerade als sie zu lautstarken Protestrufen ansetzen wollten, betrat Snow zusammen mit Serah und Lebreau den Raum. In breitbeiniger Heldenpose baute er sich vor ihnen auf und schenkte allen sein übliches "Alles wird gut"-Lächeln.
 

"Hey", begrüßte er sie. "Warum denn so ernst?"
 

Er gab Yuj einen Klaps auf den Rücken, wuschelte Maquis Haar und knuffte Noel in "Du bist echt knorke!"-Manier gegen die Schulter. Noel war sich sicher an der Stelle später einen ekligen Ausschlag vorzufinden. Ein Blick auf die restlichen Anwesenden verriet ihm, dass sie ihn, Maqui und Yuj quasi dafür anbetenden in Snows Gunst soweit oben zu stehen, dass dieser sie begrabbelte. Das Mädchen im Schneeflocken-T-Shirt versuchte sogar mit zitternden Fingern Maquis Stachelmähne zu berühren, die ja eben Snows Segen erfahren hatte.
 

"Nun", wollte Noel streitlustig beginnen, doch Serah ergriff seine Hand und sagte quietschfidel:
 

"Wie schön, dass du dich schon mit Snows Freunden angefreundet hast!"
 

Sie schien so fröhlich, dass Noels Zorn aller Wind aus den Segeln genommen wurde.
 

"Ja, wir, ähm... ja", antwortete er geistreich.
 

Maqui sah Yuj an, der mit den Schultern zuckte und sogleich waren auch die beiden wieder gut aufgelegt.
 

"Snow, Noel ist echt hammerhart drauf, er kommt ganz nach dir!", sagte Maqui begeistert und Noel wusste nicht, ob er ihm für diese Beleidigung eine reinhauen sollte.
 

"Ja, Mann, er ist flink wie ein Wiesel, wenn es darum geht Gadots Angriffen auszuweichen. Das macht mich neidisch!", fügte Yuj hinzu.
 

"Das hört man gern", sagte Snow hochmütig. "Aber ich erwarte auch nicht weniger von Serahs Beschützer!"
 

Er schaute drein, als erwartete er von Noel eine Art "Sir, stets zu Diensten, Sir!"-Antwort, doch als er nur einen von Noels besonders missgelaunten Gesichtsausdrücken als Erwiderung erhielt, schloss er mit einem weiteren absolut unnachtragenden "Du bist echt knorke, Noel"-Knuff gegen dessen Schulter das "Gespräch" ab.
 

"Freunde", sagte er nun ganz allgemein an alle gerichtet, "ich habe vor nach Cocoon zu reisen, um dort neues brauchbares Material für unser schönes Neo Bodhum abzugreifen. Hat wer Bock mitzukommen?"
 

Sofort reckten alle die Hände in die Höhe.
 

"Das Angebot gilt selbstredend nur für die wichtigen Charaktere!", sagte Snow lachend und jeder, der nicht durch einmalige Kleidung oder Haare herausstach, ließ den Arm wieder sinken und griff sich peinlich berührt lachend an den Hinterkopf.

Snow, du bist echt knorke...
 

"Eine Frage", meldete sich Noel zu Wort. "Serah, kommst du auch mit?"
 

"Klar!", antwortete Serah lächelnd, doch Snow ging sofort dazwischen.
 

"Hey, es würde mir viel besser gehen, wenn ich wüsste, dass du hier in Sicherheit bist", schnulzte Snow mit erzbesorgter Miene.
 

"Wo sollte sie denn sicherer sein als in unserer Nähe?", fragte Noel genervt. "Außerdem ist sie weitaus taffer und stärker als du glaubst."
 

"Ach, du willst auch mitkommen? Ich dachte, ihr beiden bleibt hier und du gibst auf sie Acht", sagte Snow, der die Weltordnung in Gefahr sah.
 

"Natürlich komme ich mit! Hier fällt mir die Decke auf den Kopf und wenn ich hier in der Nähe Monster wildern gehe, dann ist Serah ja auch wieder in Gefahr oder nicht?", brachte Noel ein Argument.
 

"Dir fällt hier die Decke auf den Kopf?! Na, wie wäre es mal mit Ernten helfen oder Kinder beschäftigen, in meinem Café Flaschenkisten tragen... hier steht so einiges an", schlug Lebreau einige sehr verlockende Beschäftigungsmöglichkeiten vor. "Ich bin mir sicher ein gut gebauter Jägersmann wie du wird hier an allen Ecken und Enden gebraucht."
 

"Genau!", sprang Snow auf den Zug auf.
 

"Sollten das hier nicht in erster Linie Ferien sein?", fragte Noel hilflos und blickte zu Serah.
 

"Er hat recht, eigentlich ist er sogar viel eher unser Gast! Und wenn wir ihn nach Cocoon mitnehmen, dann ist das auch keine Arbeit, sondern Sightseeing für ihn!", sagte Serah überzeugt und Noel nickte eifrig.
 

"Wir beide kommen auch mit!", sagte Maqui. "Wenn jemand dort nützliche Teile findet, dann ja wohl immer noch ich!"
 

"Schön, Maqui, genehmigt, aber was hat Yuj da oben verloren?", wollte Lebreau wissen.
 

"Ich bin Geleitschutz!", antwortete Yuj prompt.
 

"Du willst mir also nicht zur Hand gehen? Wir könnten deinen Job bei mir noch etwas ausweiten... als Oben-ohne-Kellner zum Beispiel, da würdest du dich sicher gut machen, wenn ich dich hier so sehe!", schlug Lebreau schelmisch vor, doch Yuj fühlte sich nur traurig an sein frisch verstorbenes Schlafanzugoberteil erinnert.
 

"Ich als Mode-Guru kann doch mein Wort nicht verbreiten, wenn ich Obenrum nichts trage! Das ist doch verkehrte Welt!"
 

"'Mode-Guru' nennt sich der Mann, der seit drei Jahren die gleichen Klamotten trägt...", hauchte Lebreau zuckersüß.
 

"Das sind meine Lieblingsklamotten und die sind zeitlos! (Außerdem seid ihr anderen auch nicht besser!)", konterte Yuj divenhaft. "Was sollte dir diese Geschäftsidee denn überhaupt bringen? Es ist nicht so, als ob mir die Leute Geldscheine in den Hosenbund würden stecken können, denn wir haben nach wie vor fast ausschließlich Güterhandel! Soll ich mir da Brotlaibe, Forellen und Kaurimuscheln in die Hose stecken lassen?!"
 

"Du bist Kellner und kein Stripper!", lachte Lebreau laut auf.
 

"Allerdings", stimmte Snow hüstelnd zu. "Also schön, Noel, Serah, Yuj, Maqui und ich gehen also nach Cocoon. Gadot werde ich gleich noch fragen, aber der kommt sicher hundertprozentig mit. Lebreau, du wolltest hier die Stellung halten, richtig?"
 

"Bleibt mir etwas anderes übrig?", sagte sie seufzend. "Sonst bekommt hier doch niemand etwas gebacken!"
 

Einladend sah sie die Wohngemeinschaftler an, die zu Statisten verkommen zu sein schienen.
 

"Ey, Snow, darf denn keiner sonst von uns mit?", fragte Schneeflocken-T-Shirt flehend.
 

"Ich brauche euch hier, wer schützt sonst meine geliebte Heimatstadt?", sagte Snow mit warmer sonorer Stimme und seine Verehrer und Verehrerinnen fächelten sich Luft zu und jauchzten den NORA-Slogan.
 

"Überhaupt. Wir sind mit Gadot zu sechst! Die ultimative Heldentruppe für ein episches Abenteuer!", erwähnte Maqui einen unumstößlichen Fakt.
 

"Ich halte die Sieben für die beste Zahl, denn die bringt Glück!", sagte Serah und Snow stimmte ihr sofort zu.
 

"Sechs ist fix, Acht hat die Macht", meinte Noel. "Aber nichts schlägt die holde Zweisamkeit!"
 

"Vergesst ihr da nicht jemanden?"
 

Mog kam wie ein Rieseninsekt durchs Fenster hereingesaust, drehte in ihrer Mitte eine Pirouette in der Luft und besprühte sie alle dabei mit Sternchen und Glitzer.

Simultan stemmten alle ihre Hände in die Hüften, beugten sich vor, legten den Kopf leicht schief und sagten zurechtweisend:
 

"Mo-hog!"
 

Irgendwo in Walhalla stützte Lightning ihre Stirn in ihre Handfläche und schüttelte den Kopf langsam hin und her.



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