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Happy Day

von

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Kapitel 1

Völlig genervt verzog ich mich auf eine freie Zweierbank im vorderen Bereich des Busses, direkt hinter die eindösenden Lehrer. Die restlichen Schüler hatte sich im hinteren Teil des Gefährts verschanzt und fingen an fröhlich zu quasseln. Jemand wie ich hatte da keinen Zutritt, also versuchte ich Abstand zu halten. Während der Fahrt kam eine chaotische Euphorie auf, die auch die Lehrer aus ihren Träumen riss und ansteckte. Alle grölten unseren Abschlusssong und wuselten durch den engen Bus. Nachdem ich mich grummelnd ans Fenster gesetzt hatte, kramte ich meinen iPod hervor und drehte die Musik auf volle Lautstärke. Endlich konnte ich abschalten. Ich war noch viel zu müde um den Tag richtig zu beginnen und Kaffee hatte ich auch noch keinen bekommen. Da ich so einen Trubel eh nicht mochte, war er mir gerade jetzt viel zu viel. Als wenn ein Wandertag an sich nicht schon total bescheuert war. Nein! Unsere Schulleitung musste ja auf die abwegigste Idee überhaupt kommen und den kompletten Jahrgang, an seinem letzten Wandertag vor dem großen Abschluss in einen Vergnügungspark karren.
 

Nach ca. einer Stunde Fahrt, merkte ich, dass unsere Buseskorte, die immerhin drei Busse umfasste, auf einen Rastplatz fuhr um dort eine Pause zu machen. Die Lehrer wollten uns alle raus scheuchen, wofür ich nicht wirklich Begeisterung aufbringen konnte, ich machte mich also einfach noch ein bisschen kleiner, als ich eh schon war und die Lehrerin sah meinen Kopf nicht mehr zwischen den Sitzen des Reisebusses. Hatte eben doch seine Vorteile wenn man nicht ganz so riesig war. Aber wenn das so weiter ging, würden wir unser Ziel nie erreichen! Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe, sodass die Morgensonne darauf schien und summte leise mit, als ein neuer tragender Rhythmus begleitet von einem tiefen Basslauf und einer Samtigen Männerstimme an mein Ohr drang. Ach wie ruhig es hier doch sein konnte, wenn man denn alleine war. Eine laue Brise fuhr mir durch das Haar, da beide Bustüren noch offen standen. Die Luft war so früh am Morgen trotz Hochsommer noch etwas frisch, aber sie roch so unendlich gut! Ich fing an den Song richtig mit zu singen. Die Musik und der Sommer machten mich glücklich. Ich weiß, dass es albern klingt, aber ich lebte nun mal für die Musik und oft genug hatte sie mir schon das Leben gerettet, denn ohne sie, wäre ich schon lange nicht mehr hier. Die letzten Klänge ertönten... ich seufzte entspannt. Plötzlich spürte ich, wie sich der Sitz neben mir bewegte. Erschrocken fuhr ich herum und blickte direkt in das mürrische Gesicht von Suzuki Akira, unserem absoluten Schulschwarm. Geschockt starrte ich ihn mit meinem ziemlich entgleisten Gesichtszügen eine Weile an. Was machte der denn hier? Mein Herz stolperte los und rutschte förmlich unter den Sitz, an den ich mich vor Schreck geklammerte hatte. Meine Gedanken überschlugen sich. Warum saß er so plötzlich neben mir? Neben MIR!?
 

Meine Reaktion schien ihn nicht weiter zu beeindrucken. Als ich mich wieder gefangen hatte, drehte ich mich schnell zum Fenster. Ich hatte ihn schon lang genug angestarrt. Scheiße! Wie konnte ich mir nur diese Blöße vor ihm geben? Jetzt wusste er sicher Bescheid! Mir war warm geworden. Sehr warm! Bestimmt war ich rot geworden! Misst!

Eine Weile passierte einfach nichts und da mein iPod bereits den nächsten Song anspielte, konnte ich auch nicht hören, ob er immer noch da war oder ob er wieder gegangen war. Ich wurde unruhig. Sollte ich nachsehen? Aber was, wenn er noch da war? Langsam drehte ich mich wieder um und erstarrte in meiner Bewegung, sobald ich ihn sehen konnte. Da saß er immer noch und musterte mich, also drehte ich mich langsam wieder zurück! Oh man! Was war das denn für eine bescheuerte Aktion? Mein Kopf dürfte mittlerweile einer Tomate nicht unähnlich sehen. Verkrampft starrte ich aus dem Fenster und versuchte angestrengt meinen Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen.
 

Plötzlich wurde mir der Kopfhörer aus dem Ohr gezogen.

"Hey! Was wird das?" Fragte er mich vorsichtig.

"Was willst du von mir?" Stellte ich unsicher die Gegenfrage, ohne mich komplett zu ihm um zu drehen.

"Du bist doch Takanori aus meiner Parallelklasse oder?" Was?!

"Woher weißt du meinen Namen?" Grummelte ich ihn an.

"Ich habe jemanden aus deiner Klasse gefragt."

"Aha~ Das erklärt aber immer noch nicht, warum du dich einfach neben mich setzt." Merkte er denn nicht, dass ich meine Ruhe haben wollte?

"Der Platzt war noch frei, oder hattest du ihn für jemanden reserviert?" Grinste er mich leicht verlegen an. Die Art von dem Kerl passte mir ganz und gar nicht. So falsch und aufgesetzt. Oder? Das konnte doch nicht echt sein! Und natürlich hatte ich den Platz nicht reserviert. Für wen auch? Es gab ja für gewöhnlich niemanden, der an dieser Schule auch nur daran Dachte mit mir zu reden. "Nein hatte ich nicht, aber der Bus ist gerade leer! Es gibt genügend andere Plätze! Also warum hockst du dich ausgerechnet neben mich? Ist dir überhaupt bewusst, dass du dich gerade in der Gegenwart des unbeliebtesten Schülers der ganzen Schule aufhältst? Und das freiwillig?" Mein Ton wurde schärfer. Was für ein Spielchen trieb er hier mit mir?

"Ja das ist mir durchaus bewusst! Und um auf deine Frage, was ich hier mache zurück zu kommen, ich bin vor meiner Klasse geflohen. Die sind mir viel zu hektisch und zu laut! Und außerdem, will mir nicht in den Kopf, wie die Schule darauf kommt uns in einen Vergnügungspark zu schicken! Sowas bescheuertes!"

Ich horchte auf. Er dachte anscheinend genau so wie ich! Irgendwie wollte das nicht so recht in meinen Kopf.

Der sonst so umjubelte, mochte den Trubel gar nicht? Konnte das sein? Oder ging es hier nur um diesen einen Morgen? Ich war vollkommen verwirrt. Aber Moment! Er sagte, er sei nur hier, weil er geflohen ist. Na toll! Also wollte er nur meine abschreckende Wirkung für sich ausnutzen! War ja wieder klar! Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er sich aus persönlichem Interesse an mir als Person hier her begeben hätte, - in die Höhle des Löwen, die Gruft des Abschaums, zum König der Idioten.

//Ach ja mein lieber Takanori, wieder mal weit gefehlt!//

"Na dann hast du ihn ja gefunden, deinen ruhigen Ort." Mit diesen Worten, steckte ich mir genervt meinen Kopfhörer wieder ins Ohr und drehte mich zum Fenster. Nach einer Weile pikste er mich in die Seite. Ich zuckte erschrocken zusammen.

"Du bist ja kitzelig!" Grinste er mich an. // Wow der Herr kann ja auch freundlich schauen!//Das war ich gar nicht von ihm gewohnt. Im Gegenteil!

"Na und? Bin eben empfindlich!" Fauchte ich ihn an, bevor ich mich wieder abwendete.

"Hey!"

Er hatte mir schon wieder den Kopfhörer weg genommen. "Ignorier mich nicht!" //Also doch Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom!// Innerlich gab ich mir gerade einen genervten Facepalm, wieso war ich auch so dumm und hatte ihn nicht einfach ignoriert? "Ich dachte du wolltest deine Ruhe haben?! Also was ist dein Problem?" Ich schaute ihn genervt an, doch das schien ihn nicht zu verunsichern. "Nunja... Weißt du... Eigentlich bin ich hier, weil ich mit dir reden wollte. Und da du ja in den Pausen nicht zu erwischen bist, dachte ich mir, dass das wohl meine letzte Chance vor dem Abschluss ist." Er kratzte sich verlegen am Kopf. Recht hatte er ja. In den Pausen verkrümelte ich mich immer schnellst möglich aufs Dach um meine Ruhe zu haben. Ich sah ihn entgeistert an. "Und worüber willst du mit mir reden?" "Wie machst du das?" "Wie mache ich was?" "Na dass dich alle in Frieden lassen? Wie schaffst du das?" War das sein Ernst? "Äh~ keine Ahnung... Ich bin einfach ich selbst?! Denke ich..." "Hm... Misst! Ich weiß, eigentlich kommt es reichlich spät jetzt vor dem Abschluss, aber wie gesagt ich hatte auch schon vorher versucht dich in den Pausen zu finden. Nunja... Ein bisschen mehr hatte ich mir schon von deiner Antwort versprochen. Aber gut... Also muss ich mehr ich selbst sein." //Also doch...!//
 

"Machst du dich über mich lustig?" Platzte es in erbitterten Ton aus mir heraus. Kein Wunder wie ich fand. Solche Einfalspinsel gab es ständig. Erst taten sie einen auf Nett und sobald man ihrer Masche auf den Leim ging, lachten sie einen aus und hängten die Sache an die große Glocke. Danach war man dann für die nächste Woche die Lachnummer der ganzen Schule, da man so dumm gewesen war und geglaubt hatte, dass es doch noch Menschen gab, die vernünftig mit einem umgehen konnten. //Aber nicht mit mir!//

"Nein warum sollte ich? Ich bin beliebt genug! Im Gegenteil! Ich wäre gerne so wie du!" "Was? Ich dachte du genießt es im Rampenlicht zu stehen." Er lachte leise auf. "Oh nein! Das tue ich bestimmt nicht! Wie soll ich ich selbst sein, wenn das Augenmerk der ganzen Schule auf mir liegt. Man muss aufpassen was man sagt und welche Meinung man vertritt, sonst bekommt man ziemlich schnell Probleme." "Ach und wie bist du?" Fragte ich skeptisch.

Eine Weile herrschte absolute Stille. Dann kam die Antwort, nur ganz leise Richtung Boden geflüstert, so dass ich sie fast nicht verstanden hätte. Aber sie verfehlte ihre Wirkung nicht. Dieses kleine harmlose Wort, was mit einem mal schwer wie Blei zwischen uns schwebte. "Ich bin schwul." Entsetzt starrte ich ihn an. War das sein Ernst? Oder wollte er mir damit nur ein Geständnis ab locken und dann zugeben, dass er gelogen hatte um mich vor der ganzen Schule zu outen? Zuzutrauen wäre es ihm ja.

"Mund zu es zieht!" Langsam schloss ich ihn. "I-ist das dein Ernst?" "Wäre es denn schlimm?" Kontert er traurig, ja fast resigniert. "Äh... Nein! Natürlich nicht! Warum sollte es?" "Nunja, für die anderen wäre es das. Warum für dich nicht?" Sollte ich ihm das echt erzählen? //Besser nicht!// "Ich hab damit einfach kein Problem. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Warum sollte ich jemanden deshalb verurteilen?" Plötzlich schien eine große Last von ihm ab zu fallen. Er strahlte mich förmlich an. Das hatte ich auch noch nie bei ihm gesehen. Aber so sah er gleich viel lieber aus, als mit seiner sonst so ernsten Miene. "Dann ist ja gut!" Entfuhr es ihm erleichtert.
 

"Aber warum erzählst du mir das? Ich meine ich könnte es den Anderen sagen. Du kennst mich nicht und weißt nicht ob du mir vertrauen kannst!" "Kannst du es beweisen?" Eine meiner Augenbrauen wanderte in die Höhe. Worauf wollte er hinaus? "Nein! Natürlich nicht!" "Siehst du? Es steht dein Wort gegen meines! Glaubst du im Ernst, dir würden sie eher glauben als mir?" Bei seinen Worten wurde mir schlagartig übel. //Oh nein! Nicht schon wieder!// "Nein... natürlich nicht..." antwortete ich leise mit verbitterter Stimme. Wie konnte ich das nur vergessen, natürlich würde es nach Außen hin nur so aussehen, wie eine armselige Verzweiflungstat. Die Übelkeit nahm langsam zu. "Du bist blass, ist alles in Ordnung mit dir?" Fragte er besorgt, doch ich wimmelte ihn schnell mit einem Kopfschütteln ab. Er musste ja nicht gleich meine ganzen Gefühle kennen. "Und was machst du sonst so? Also außerhalb der Schule?" Fragte er mich sehr interessiert wie es schien.
 

Ich befand mich in einer Zwickmühle! Einer großen! Einerseits traute ich ihm nicht wirklich, ich meine die Aktion von wegen Schwul, war ja schon mega auffällig! Andererseits hatte er auch irgendwo recht, er hatte es nicht nötig bei den Hänseleien der Anderen mit zu machen, daraus ließ sich nur Schlussfolgern, dass er entweder wirklich an mir interessiert -, oder nur sehr sehr gelangweilt war. Ich hoffte natürlich, dass er ehrliches Interesse an mir hatte, wobei mein Verstand mir lauthals entgegen brüllte, dass ich wieder in ein gewisses Wunschdenken verfiel. Also blockte ich besser ab, bevor ich nachher wieder enttäuscht wurde. "Was tut das zur Sache? Sobald wir aus dem Bus gestiegen sind, beachtest du mich eh nicht mehr." Ich drehte mich wieder zum Fenster und wollte mir gerade meine Kopfhörer wieder in die Ohren stecken, als er fragte: "Darf ich wenigstens mit Musik hören, wenn du schon nicht mit mir reden willst?" Ich zögerte einen Moment. //Was wenn er meine Musikrichtung nicht mag? ... Ach was solls...//

"Aber beschwer dich nicht, wenns dir nicht gefällt!" Damit hielt ich ihm einen der Kopfhörer hin, den er mit einem Kopfnicken entgegen nahm. "Danke!" War das letzte, was er auf der Busfahrt zu mir sagte. Auch als die anderen Schüler wieder einstiegen und uns mit großen Augen beäugten, rührte er sich nicht. Gekonnt ignorierte er ihr Getuschel und ihre verwunderten Ausrufe. Nachdem ich eine weitere halbe Stunde aus dem Fenster gestarrt hatte, spürte ich plötzlich seinen Kopf auf meiner Schulter. Als ich ihn ansah, musste ich grinsen. Er war eingeschlafen und schlummerte nun friedlich und entspannt auf meiner Schulter. Sein Anblick jagte mir einen kleinen Adrenalinstoß durch den Körper, der sich danach in meiner Bauchgegend fest setzte. Mir wurde noch schlechter, als mir eh schon war, nur dass es dieses mal wegen meiner Freude war.
 

Er fühlte sich so unbeschreiblich warm an. Ein wunderbares Gefühl, dass ich ruhig öfter haben könnte. Ich betrachtete ihn noch eine ganze Weile und traute mich fast nicht zu atmen in der Angst, ihn aufzuwecken und damit diesen unbeschreiblichen Moment zu zerstören. Langsam wurde mein Nacken steif und auch meiner Übelkeit wirkte diese Position nicht wirklich entgegen. Als wir auf den großen staubigen Parkplatz fuhren, wurden wir so durch gerüttelt, dass er erschrocken und verschlafen hoch fuhr. Verwirrt blinzelte er mich an. "Bin ich etwa eingeschlafen?" nuschelte er leicht verlegen. "Ähm ja~" Gab ich peinlich berührt zurück. "Oh! Tut mir leid! Ich wollte dich nicht belästigen! Warum hast du mich denn nicht geweckt, wenn es dir unangenehm war?" Tja, da stand also das nächste Fettnäpfchen schon für mich bereit. Was sollte ich darauf nun antworten? Dass es mir nichts ausgemacht hatte? Dass ich es sogar genossen-, und ihn oben drein noch heimlich beobachtet hatte? Nein, mit Sicherheit nicht! Diese Blöße würde ich mir bestimmt nicht geben!
 

Stattdessen, drehte ich mich kommentarlos weg, damit er nicht die Röte sah, die abermals meine Wangen zierte. "So ist das also!" Hörte ich ihn leise grinsen. //Oh nein, er ahnt es! Wie bescheuert bin ich eigentlich?// Tadelte ich mich selber in Gedanken. //Was nun? Schnell! Denk dir irgendeine bescheuerte Notlüge aus!// "Ich... ähm... also..." Doch als ich mich kurze Zeit später wieder umgedreht hatte, war der Platz neben mir leer. Wo wahr er denn jetzt schon wieder hin verschwunden? Erst da viel mir auf, dass wir bereits gehalten hatten und der Bus schon fast leer war. Wir waren also da.

//Willkommen in der Hölle Taka!//

Kapitel 2

Ich schnappte mir meinen Rucksack und trottete langsam hinter den Anderen her. Nachdem die wuselnde Menge durch den Eingang geschleust war und jeder sein Ticket hatte, wurden wir in Zehnergruppen eingeteilt, in denen wir bleiben mussten, damit keiner im Park verloren ging. Mich interessierte die Zusammenstellung der Gruppen recht wenig! Für mich gab es keine gute oder schlecht Wahl. Was mich wunderte war, dass ich Akira noch nicht wieder gesehen hatte. Ich meine, dass er mich ignorieren würde, war mir eh klar, aber er war verschwunden. Als es los ging, stürmte meine Gruppe laut und aufgeregt schnatternd los, so dass ich Probleme hatte Schritt zu halten. Es ging von einer Attraktion zur Nächsten. Ich wartete immer geduldig davor, für mich war das Ganze nichts, mein Kreislauf würde da nicht mitspielen. Außerdem war mir immer noch schlecht.
 

Langsam wurde die Mittagssonne immer brennender. Als wir uns vor einem Toilettenhäuschen auf eine Bank gesetzt hatten um eine kleine Pause zu machen und alle ihr Essen auspackten, nahm die Übelkeit Überhand. Ich schaffte es gerade noch bis aufs WC, bevor ich mich übergab. //Na toll! Wie schon Gesagt willkommen in der Hölle Ruki!// Als ich wieder nach draußen kam, waren die Anderen verschwunden. "Na super...!" Jetzt durfte ich mich auch noch alleine durch diesen riesigen überfüllten Park Quälen, von dem Anschiss, den ich mit Sicherheit noch vom Lehrer bekommen würde mal ganz abgesehen. Resignierend ließ ich mich auf der Bank nieder, auf der vorher die Anderen gesessen hatten. Die Übelkeit war mittlerweile verschwunden, Gott sei Dank!
 

Nachdem ich mich eine Weile ausgeruht hatte, beschloss ich mir zuerst eine Karte zu suchen um mich irgend wie zurecht zu finden. Ich stürzte mich also ins Getümmel doch mir wurde schnell klar, dass das eine weniger gute Idee war, ich wurde im Gedränge der Leute herum geschubst und wäre sogar fast gefallen, doch die Person hinter mir fing mich mit starken Armen auf. Als ich nach oben sah, blickte ich in das besorgte, Nasen lose Gesicht, dass mich am Morgen schon belästigt hatte. "Alles in Ordnung?" Fragte mich Akira besorgt. Doch statt mich zu bedanken, fauchte ich ihn an "Was willst du denn schon wieder? Verfolgst du mich?" Doch ich erntete nur ein belustigtes Glucksen von ihm. "Das gleiche könnte ich dich fragen. Ich dachte du willst eh nichts mit mir zu tun haben?!"
 

Er stellte mich vorsichtig wieder auf meine Beine. Augenblicklich riss ich mich von ihm los. Es machte mich nervös, wenn er mir so nah war. Seine Wärme, sein Duft und nicht zuletzt sein Aussehen. Mir war sogar leicht schwindelig davon, vielleicht lag das aber auch noch an meiner heldenhaften Kotzattacke, von der ich mich noch nicht ganz erholt hatte. "Wo ist denn deine Gruppe?" Hakte er weiter nach. "Diese Idioten haben mich auf dem Klo vergessen." Was ich da eigentlich gemacht hatte, musste er ja nicht unbedingt wissen. "Und deine?" Fragte ich schnell um die Gedanken an meine Begegnung mit der Kloschüssel wieder zu verscheuchen. "Ich habe keine." War die kurze Antwort und ich traute mich auch nicht nach zu fragen, wie er das geschafft hatte. "Ich geh meine Truppe mal suchen, also bis dann."
 

Ich drehte mich um und wollte mich gerade weiter durch die Massen kämpfen, da zog er mich an meinem Handgelenk wieder zu sich. "Nichts da! Das überlebst du nicht! Du begleitest mich!" Erklärte er sein Handeln bestimmt, aber freundlich. "Ich bekomme schon genug ärger, weil ich sie überhaupt verloren habe, also lass mich." "Ich mache dir ein Angebot: Wenn du bei mir bleibst, sorge ich dafür, dass du keinen Ärger bekommst, außerdem musst du dann die Anderen nicht den ganzen Tag ertragen. Bei ihrem Tempo hättest du eh nicht mehr lange mit gehalten." "Woher...?" Hatte er mich etwa beobachtet? "Ihr seid vorhin am Freefall Tower an mir vorbei gehechtet, ich bin euch nach, aber dann seid ihr in eine Achterbahn gegangen und... nun ja, ich fahre nicht so gerne damit, da hab ich euch verloren."

"Und warum bist du uns hinterher?" Ich musste ja nicht unbedingt erwähnen, dass er mich am Eingang der Achterbahn bloß übersehen hatte, da ich dort gewartet hatte. Trotzdem, der Junge sprach in Rätseln. "Ich habe mir gedacht, dass du nicht sehr Glücklich mit der Auswahl deiner Gruppe bist und hatte eigentlich schon vorher vor dich zu retten, aber nachdem ich meine Sachen aus unserem Bus geholt hatte, warst du schon weg und ich konnte nicht zum Treffen am Eingang, sonst wäre ich meine eigene Gruppe nicht mehr los geworden."
 

"Na gut, ich bleibe, aber du bist komisch. Warum das alles? Ich meine, alle machen immer einen großen Bogen um mich, reden nicht mal mit mir und du? Du schleichst dich sogar von deiner Klasse weg um mit mir Zeit zu verbringen. Ich verstehe dich wirklich nicht!" Bei diesen Worten verdrehte er genervt die Augen. "Erstens scheiß ich auf die Meinung der Anderen und zweitens hab ich dir doch schon gesagt, dass ich dich einfach gerne mal kennen lernen wollte. Ich glaube, im Grunde bist du ganz okay und ich denke auch, dass wir uns ähnlicher sind als du denkst." Bei seinen letzten Worten muss ich auflachen. "So? Das glaube ich nicht. Du kennst mich ja noch nicht mal."

"Eben, und das will ich nun ändern, also komm und lass uns ein bisschen Spaß haben. Du wirst es schon noch merken." Mit diesen Worten ergriff er meine Hand, verschränkte unsere Finger miteinander und zog mich einfach mit sich. Ich ließ es zu, obwohl mir seine Berührung einen Stromschlag durch den Körper jagte und stolperte neben ihn. "Ach so, ich hätte noch erwähnen sollen, dass wir uns später noch mit ein paar freunden von mir treffen. Ich hoffe doch, das macht dir nichts aus?" Entsetzt starrte ich ihn an. "Was? Hättest du das nicht eher sagen können?" "Nein, sonst währst du nicht mit gekommen." Zwinkerte er mir zu. "Aber keine Sorge, es sind keine Schüler von unserer Schule. Ihr werdet euch sicher gut verstehen. Und zur Not bin ich ja auch noch da." "Na wenn du meinst..." Gab ich resignierend nach. Er lachte fröhlich auf.
 

Dieser Tag würde wohl noch stressiger werden, als er eh schon war. "Hast du Hunger?" Riss er mich aus meinen Gedanken. Mir ging es soweit wieder gut und jetzt wo er es erwähnte bemerkte ich das Loch in meinem Bauch, immerhin hatte ich ja vorhin nichts gegessen, eher im Gegenteil. "Ein bisschen." Gab ich leise zu. Betreten schaute ich auf meine Füße, ich fühlte mich gerade wie ein kleines Kind.

Plötzlich wurde ich angerempelt und flog geradewegs in Akira hinein, der mich reflexartig festhielt und den Übeltäter sofort beschimpfte. "Ey du Arsch! Kannst du nicht aufpassen wo du hinrennst?" Ich bekam davon nicht wirklich was mit, da die Plötzliche Nähe mir schier den Atem verschlug. Dieser gute Geruch, sein Arm, der mir um die Schultern lag und mich noch näher an ihn heran zog. Nach dem ersten Schrecken atmete ich tief ein, doch schon schob er mich wieder sanft von sich. "Geht's?" Schon wieder diese besorgte Stimme in meinen Ohren. "Uhm~ Ja." antwortete ich immer noch benebelt. "Was ein Arsch! Der soll mal seine Glubscher aufmachen und schauen wo er hin läuft!" Akira schnaufte verärgert. Hatte er mich eben tatsächlich verteidigt? Meine Wangen glühten. "Okay, komm wir gehen was Essen, nicht, dass du mir noch aus den Latschen kippst."
 

Seine Wut schien langsam wieder zu verfliegen. "Okay." Er ergriff wieder meine Hand und lenkte mich langsam in Richtung einer Imbissbude, vor der aber meine Truppe hockte. "Oh shitt!" fluchte ich, als ich sie erkannte. "Hm?" Reita blieb stehen und schaute mich fragend an. "Da hockt meine Gruppe." Erklärte ich mit einem Kopfnicken in die Richtung der Anderen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Wie würde Akira nun reagieren? Er warf ihnen einen flüchtigen Blick zu und schaute mich dann wieder an. "Ist doch egal! Oder stört es dich, wenn sie dich mit mir sehen? Nicht, dass ich deinen Ruf ruiniere oder so!" Schmunzelte er mich frech an. "Hey!" Maulte ich laut. Erschrocken schauten sie alle zu uns rüber, da sie wohl meine Stimme erkannt hatten, was ich überhaupt nicht merkte. Akira lachte nur laut auf. Beleidigt knuffte ich ihm in die Seite, worauf hin er zusammen zuckte. "Du bist ja auch kitzelig." Stellte ich zufrieden fest, woraufhin wir beide in lautes Gelächter ausbrachen.

Wir setzten lachend und glucksend unseren Weg zwischen den Bänken und Tischen hindurch zum Verkaufsstand fort, zu meiner Genugtuung unter den geschockten Blicken der anderen Schüler von unserer Schule. Innerlich jubelte ich gerade. Dieser Neid in ihren Augen! Selber schuld! Als wir uns beide ein Bento gekauft hatten, wozu er mich eingeladen hatte, setzten wir uns an einen Tisch etwas abseits von den Anderen, sie mussten ja nicht alles mitbekommen.
 

Ich packte zusätzlich noch das selbstgemachte Onigiri aus, das meine Mutter mir als Wegproviant mitgegeben hatte. Langsam wich meine Angst, dass seine Freundlichkeit mir gegenüber nur aufgesetzt war. Immerhin ignorierte er mich nicht in Gegenwart der Anderen, wie ich es erst vermutet hatte. Akira viel sowohl über sein Bento als auch über mein Onigiri her und lobte die Kochkunst meiner Mutter in höchsten Tönen. "Kann ich vielleicht mal mit zu dir kommen?" Fragte er aufgeregt. Ich sagte zögernd zu, immerhin wusste ich noch nichts über ihn, was er gerne in seiner Freizeit tat, was für Musik er eigentlich mochte, welche Vorbilder er hatte... Aber ich nahm mir vor es heute noch heraus zu finden. Die Frage war nur, wie bereitete ich ihn am besten auf meine Mutter vor? Aber dazu später.
 

Nun hieß es wohl doch etwas gesprächiger zu werden und meine schlechte Laune hinter mir zu lassen. "Wieso magst du keine Freizeitparks?" Fing ich auch direkt an. Er hielt in seiner Bewegung inne und sah mich erstaunt an. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich so schnell auftauen würde. "Nun ja, das liegt eher daran, dass ich schon so oft hier war. Der Sohn des Besitzers ist ein alter Freund von mir. Wir kennen uns schon seit wir geboren sind und haben

dem entsprechend auch schon viel Zeit in diesem Park verbracht, deshalb langweilt es mich eher als dass ich es nicht mag. Aber ich habe mittlerweile auch Höhenangst." Er wurde zum Ende hin immer leiser und starrte das Essen an, aber ich beachtete es nicht weiter. Er hatte also Höhenangst. "Ach so." kommentierte ich schlicht, ohne weiter darauf ein zu gehen. "Er kommt nachher übrigens auch, du wirst ihn also kennen lernen." "Und wie ist er so?" "Hm~ Yuttaka ist der Sparkle-Typ. Er ist wie ein kleines Kind, immer fröhlich und rund um die Uhr am Strahlen." //Na toll, ne gute Laune Bestie! Das kann ja was werden!// schoss es mir durch den Kopf, ich ließ mir allerdings nichts anmerken und Antwortete nur "Hört sich gut an."
 

"Darf ich dich mal was persönliches fragen?" Warf er plötzlich in die neu entstandene Stille ein. "Okay~" Er stocherte nervös in seinem Bento herum, was mich skeptisch werden ließ. Was würde nun schon wieder kommen? "Hast du jemanden... den du magst?" Oh nein! Die schlimmste Frage, die man von seinem heimlichen Schwarm gestellt bekommen kann. Mein Puls beschleunigte sich etwas. //Was nun?// Der leichte Rotschimmer meiner Wangen, würde jeden Versuch es zu leugnen zunichte machen. Also Notlösung: "Ich möchte nicht darüber sprechen. Tut mir leid!" Nuschelte ich meinem Bento entgegen und bekam ein gequältes auf seufzen als Antwort. Als es daraufhin still blieb, schaute ich wieder auf und meine Augen trafen den durchdringenden Blick von seinen dunklen Iriden. Ich konnte eine Spur Traurigkeit und Verletztheit in ihnen erkennen, aber auch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Was hatte das alles zu bedeuten? "Na dann~" Meinte er nach einer weile, wandte den Blick nur langsam ab und aß weiter. Hatte ich gerade Enttäuschung aus seiner Stimme heraus gehört?
 

Okay Ruki, einfach ablenken. "Wann kommen denn deine Freunde?" Fragte ich deshalb unschuldig. Er warf einen Blick auf seine Uhr. "Oh! In zehn Minuten sind sie am Treffpunkt, ich hab gar nicht gemerkt wie schnell die Zeit verfliegt. Wir sollten langsam los gehen." Ich warf auch einen blick auf die Uhr, wir hielten uns nun schon eine halbe Stunde hier auf. "Wohin müssen wir denn?" Fragte ich nach, während wir unseren Müll entsorgten. Die Anderen waren schon lange gegangen. "Zu den Tiergehegen im Themendorf." Er ergriff wieder meine Hand und wir liefen dieses mal etwas zügiger los. Wie ich ja mittlerweile in Erfahrung gebracht hatte, wusste Akira den Weg im Schlaf.
 

Während wir unterwegs waren, sprachen wir das Thema Musik an und mussten feststellen, dass wir beide so ziemlich die gleichen Bands mochten und dass er ein absoluter Bassfreak war. "Weißt du, ich habe mir zum Ziel gesetzt einmal der beste Bassist der Welt zu werden." Erklärte er mir überschwänglich. "Bist du eigentlich in einem Bandprojekt?" Fragte er nachdem er mit seinen ausladenden Schwärmereien über Bassisten fertig war. Ich hatte ihm zwar erzählt, dass ich Gitarre spielte, aber so gut nun auch wieder nicht. Außerdem hatte ich ja niemanden der so etwas mit mir machen würde. "Nein. Außerdem, so gut bin ich nun auch nicht." Überrascht schaute er mich nun von der Seite an. "Wieso? Deine Stimme ist fantastisch!" Was? er redete über meinen Gesang? Und er mochte ihn auch noch? "Zumindest das was ich heute morgen im Bus von dir gehört habe." Oh nein wie peinlich! Das hatte ich bereits erfolgreich verdrängt. Und schon wieder wurde ich rot. "Aw~ wie süß, du wirst ganz rot!"

Er schnappte mich und wuschelte mir durch meine Haare, erschrocken stieß ich ein lautes Quieken aus. Und wir beide mussten wieder lachen. Währenddessen wahren wir bereits bei besagtem Gehege angekommen. Als ich laut rumzeterte, dass Akira mich gefälligst wieder aus dem Schwitzkasten lassen sollte, in dem er mich immer noch fest hielt, drehten sich drei Jungs in Unsere Richtung, doch ich war so in unsere kleine Balgerei vertieft, - natürlich musste ich Akira aus Rache auch durch die Haare Wuscheln, doch meine Arme waren zu kurz und ich schaffte es auch unter großen Anstrengungen nicht an ihn heran zu kommen, da er mich permanent abblockte,- dass ich sie erst bemerkte, als zwei in unser Gelächter mit einstimmten und sie eine arrogante Stimme zu Wort meldete. "Was für 'nen Zwerg hast du dir denn da wieder angelacht? Ich dachte, du wolltest deine neue Flamme Anschleppen?"

Kapitel 3

Wir hielten beide Inne. //Hat der mich gerade Zwerg genannt?// Ich ließ von Akira ab und spannte mich an. Er wollte einen Giftzwerg? Den konnte er haben. "Halt den Rand Uruha! Darf ich euch vorstellen? Das ist Ruki aus meiner Parallelklasse. Bitte seid nett zu ihm." Stellte er mich mit anfänglich scharfen Ton vor. Der eine, sprang mich breit grinsend frontal an, was mich fast zu Boden beförderte. "Du bist also Ruki. Hi, ich bin Yutaka Uke, freut mich dich kennen zu lernen, du darfst mich aber ruhig Kai nennen!" Leicht überfordert, verspannte ich mich nur noch mehr, als er mir um den Hals viel. //Ruki? Was sollte das denn? Akira hatte mich doch gerade tatsächlich unter einem anderen Namen vorgestellt.// Meine Verwirrung war perfekt. Als ich wieder losgelassen wurde, holte ich erst einmal tief Luft.
 

Die Anfängliche Diva schaute mich etwas genervt an, da der dritte im Bunde, ein hübscher junge mit schwarzen Haaren und einem Lippenpiercing ihm eine Kopfnuss als Antwort auf seine Begrüßung gegeben hatte. Der Schwarzhaarige begrüßte mich als nächstes, die schmollende Diva völlig ignorierend. Er reichte mir freundschaftlich die Hand. "Hey, ich bin Yuu Shiroyama, aber nenn mich Aoi." Sein Händedruck war warm und fest, aber nicht zu fest. Genau das richtige Mittelmaß, das Vertrauen in einem weckte. Nachdem er mich wieder losgelassen hatte, schubste Kai den übriggebliebenen Jungen nach vorne, so dass er direkt vor mir zu stehen kam. Ich spannte mich wieder an. Er war mir irgendwie ein bisschen unsympathisch aufgrund seines Kommentars über meine Größe. "Nenn mich Uruha." War das einzige, was er hervor brachte. Sein Blick war seltsamerweise mit leichter Verwirrung auf mich hinab gerichtet. "Hallo." Flüsterte ich ihm entgegen.
 

"Koyou! Reiß dich zusammen!" Kam es drohend von Kai. "Du bist also Ruki." Stellte Uruha anschließend trocken fest, wonach Akira wieder das Wort ergriff, um mich wie es schien aus der peinlichen Situation zu befreien. "Du musst ihn entschuldigen, er hat heute einen schlechten Tag, normalerweise ist er ganz zahm." Ich nickte leicht. Akira, der die ganze Zeit neben mir gestanden hatte, legte nun seinen Arm um meine Schultern, was mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Fast unmerklich schmiegte ich mich in seine Berührung. Ich merkte wie mir seine Nähe langsam die Anspannung nahm. Obwohl ich noch nicht viel mehr über ihn wusste als über die Anderen, fühlte ich mich bei ihm geborgen. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Es sei ihm verziehen!" Antwortete ich frech. Uruha setzte gerade zu einer empörten Antwort an, als sich Aoi aus dem Hintergrund zu Wort meldete. "Hört hört! Der Kleine hat Mut! Und du Tiger, lass die Krallen drinn, wir wollen ihn ja nicht gleich am ersten Tag vergraulen, immerhin gehört er jetzt zu Reita." Damit legte er ihm einen Arm um die Hüfte und Uruha klappte den bereits geöffneten Mund wieder zu und ein leichter Roséton zierte seine Wangen.
 

//Ich gehöre zu Reita?// War dem so? In meinem Inneren breitete sich plötzlich eine unglaubliche Wärme aus. "Könnt ihr nicht mal den Rand halten?" Nörgelte Akira los. "Genau Jungs! Ihr vermasselt ihm sonst die ganze Tour bei Ruki!" Stimmte Kai ihm zu. Was für eine Tour? Meine Verwirrung wuchs. Akira seufzte auf. "Du auch Kai!" "Oh entschuldige." Langsam wurde ich schon neugierig, was hier eigentlich lief, aber ich traute mich nicht nach zu fragen. Aber meiner Meinung nach wurde es langsam Zeit, wenigstens das Geheimnis um die Namen zu lüften, also fragte ich vorsichtig nach. "Darf ich fragen warum ihr mich Ruki nennt?" Die drei wechselten vielsagende Blicke. "Nun ja..." begann Aoi daraufhin zu erklären. "Als Reita zum ersten mal von dir erzählt hat, wusste er deinen Namen noch nicht und da er dauernd nur von dir geredet hat, haben wir dir einen ausgesucht. Reita hat Ruki vorgeschlagen und da das namentlich zu Reita passt, haben wir uns dann dafür entschieden. Außerdem hast du ja schon mitbekommen, dass wir in unserer Clique alle einen Spitznamen tragen und da du nun dazu gehörst, brauchst du sowieso einen, aber wenn dir Ruki nicht gefällt, können wir auch einen Anderen für dich suchen." Ich musste grinsen. "Nein, nein. Ruki find ich super!" Ich gehörte also dazu? Dabei haben sie mich doch eben erst kennen gelernt. Aber warum?
 

"Und was machen wir jetzt?" Fragte Uruha schon etwas besser gelaunt und unterbrach damit meine Grübelei. Mir viel auf, dass Aois Arm immer noch um seine Hüfte lag und sanft seine Seite kraulte, womit er ihn anscheinend besänftigte. "Wir gehen Wasserbahn fahren!" Meldete sich Kai sofort enthusiastisch zu Wort. Wir stöhnten alle im Chor auf, was ein allgemeines Lachen verursachte, doch er duldete keinen Widerspruch. "Da gehts lang Leute!" Mit diesen Worten schob er uns in besagte Richtung. "Außerdem wartet Miyavi dort auf uns und ihr wisst ja wie ungeduldig er ist, also hopp! Beeilung!" Wer war Miyavi jetzt schon wieder? Die drei Anderen gingen uns voran, Reitas Arm ruhte immer noch auf meinen Schultern.
 

Als wir ein kleines Stück zurück gefallen waren, traute ich mich endlich Reita anzusprechen. "Geht das immer so schnell bei euch?" "Was meinst du?" Fragte er grinsend. "Na, dass ich Leute so schnell bei euch aufnehmt." Er musste leise lachen. "Nein, ganz und gar nicht. Normalerweise kommt man bei uns nicht so schnell rein. Wir kennen uns alle schon ewig und vertrauen uns untereinander blind." Ich horchte auf. "Und warum dann ich?" Ich verstand die Welt nicht mehr. Ausgerechnet ich sollte also die Ausnahme sein?
 

Langsam fragte ich mich echt wo der Haken an der ganzen Sache war. "Weil ich es wollte. Weißt du, ich weiß zwar nicht, ob es noch zu früh dafür ist, aber ich möchte gerne mehr Zeit mit dir verbringen und dich richtig kennen lernen." "Schön und gut, aber deine Beweggründe hast du mir immer noch nicht erklärt." Er schwieg eine Weile, bevor er mir antwortete. "Dazu ist es noch zu früh. Irgendwann wirst du es erfahren. Vertrau mir." Das war einfacher gesagt als getan. Gerade ich, der nicht einmal sich selber vertraute, wie sollte ich mich da gleich auf fünf andere einlassen? Zumal ich einen von ihnen ja auch erst noch kennen lernen würde. Ich sah ihn skeptisch an. "Was ist? Du tust so als währen wir Monster. Ich weiß, dass es dir mit Sicherheit nicht leicht fallen wird, zumal du schon so viel erlebt hast, aber ich kann es dir leider nicht anders beweisen, dazu musst du einfach Zeit mit uns verbringen. Außerdem sind wir eh ein bisschen anders, wie du vielleicht schon bemerkt hast."
 

Ich musste mich also noch gedulden. Aber ich nahm mir vor dieses mal mein Bestes zu geben, immerhin schienen sie sich ehrliche Mühe zu geben. Aber irgend etwas war da noch, ich konnte es ganz deutlich spüren. Ob es etwas mit Aois und Uruhas Verhalten zu tun hatte? Ich musste es heraus finden, sonst würde ich keine Ruhe finden. "Sind Uruha und Aoi zusammen?" Platzte es unüberlegt aus mir heraus. Reita seufzte. "Ja, das sind sie. Ich hatte sie extra gebeten sich nicht so auffällig zu benehmen. Ich möchte nicht, dass dich das in irgendeiner Weise abschreckt. Wenn dich ihr öffentliches Rumturteln stört, musst du es nur sagen. Sie werden sofort damit aufhören, wenn es dich belästigt." "Nein, ist schon okay." So war das also.
 

Ich musste breit grinsen, als ich einen jungen, wartenden Mann vor der Wildwasserbahn erblickte, der irgendwie zu uns passte. Das war dann wohl Kais Freund. Man sah deutlich, wie er sich zusammen reißen musste nicht einfach los zu stürmen, aber er hielt sich anscheinend an die Abmachung, die er zuvor mit Reita getroffen hatte. "Du kannst ruhig! Er weiß es!" Rief Reita zu ihm nach vorne, als auch er Kais Nervosität bemerkte. Sofort sprintete Kai los und Flog Miyavi um den Hals, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen, aber verglich man diese Umarmung mit der, mit der er mich bei unserem Kennenlernen fast erdrückt hätte, so hatte es wohl keine Bedeutung in der Hinsicht. Reita hatte mich ja schon vorgewarnt, dass er ein wahrer Sonnenschein ist.
 

Nachdem Miyavi Kai wieder runter gelassen hatte, küssten sie sich innig. Ich wendete den Blick schnell ab, irgendwie war es sehr ungewohnt so etwas in der Öffentlichkeit zu sehen. Als wir bei den Beiden angekommen waren, hatten sie bereits von einander abgelassen und Miyavi hatte Uruha und Aoi schon mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüßt. "Hey Rei, ist er das?" Der große, schlaksige Mann wies mit einem freundlichen Kopfnicken auf mich. "War ja klar, dass Kai nicht dicht halten konnte." Bekam er die geseufzte Antwort. "Ach was, nimms nich so tragisch, ob ichs jetzt auch noch weiß oder nicht, macht auch keinen Unterschied." Schon wieder diese Heimlichtuerei. Von was redeten sie da nur?
 

Nach dem er auch Reita begrüßt hatte, wendete er sich zu mir. Ich musste zu ihm hoch schauen, so groß war er. Er reichte mir seine Hand und gab mir einen federleichten Handkuss, als ich sie mit meiner ergriffen hatte. Augenblicklich wurde ich wieder rot. So etwas hatte noch nie jemand bei mir gemacht. "Ich wünsche einen angenehmen Tag, ich bin Miyavi und du musst Ruki sein?!" Wow! Einfach nur wow! So ein Charmanter Kerl war mir ja noch nie unter gekommen. Ein leichtes Kopfnicken war das Einzige, was ich zustande brachte Nach dem er meine Hand wieder losgelassen hatte, trat er einen Schritt zurück und wandte sich an Alle. "Dann können wir ja los!" Mit diesen Worten scheuchten er und Kai uns in die Wasserbahn.
 

Da ich der kleinste war, wurde ich dazu verdonnert ganz vorne in unserem "Baumstamm" platz zu nehmen. Ob meine Haare das wohl überleben würden? wobei, meine Frisur war dank Reitas Wuschelaktion eh schon hinüber. Das einzige was mir nun noch Sorgen bereitete, war die Geschwindigkeit, die ich nicht sehr mochte. Reita, der hinter mir saß, schlang seine Arme um meinen Oberkörper, was mir einigermaßen Sicherheit gab. Als es los ging und wir zuerst nach oben fuhren, verbarg Reita sein Gesicht jammernd in meinem Nacken. "Oh man! Warum tut ihr mir das an? Früher ging das ja noch, aber wir sind doch keine kleinen Kinder mehr!" Sein heißer Atem in meinem Nacken jagte mir abwechselnd heiße und kalte Schauer über den Rücken. Als es dann wieder abwärts ging, war von allen ein lautes Jubeln zu hören, nur Reita und ich stimmten mit einer Art Schrei des Entsetzens mit ein. Er klammerte sich panisch an mich, während ich den Vorderen Rand unseres Gefährtes fest im Griff hatte.
 

Als wir wieder unten angekommen waren, stieg ich tropfnass aus. Auch die Anderen hatten einiges abbekommen, was aber nichts im Vergleich zu mir war. Kämpfend zog ich den klebenden Pulli aus, wobei mein Shirt mit hoch gezogen wurde. Als ich mich endlich aus dem tropfnassen Pulli befreit hatte bedeckte ich meinen freien Oberkörper wieder mit dem durch das ganze Wasser mehr oder weniger durchsichtigen weißen Tanktop, was ich darunter an hatte. Es klebte mir am Leib und ließ die Konturen meines Oberkörpers nicht nur erahnen. Als ich mich zu den Anderen umdrehte um zu fragen was als nächstes anstand bemerkte ich, dass alle Augenpaare auf mir ruhten.

Aoi stieß einen leisen Pfiff aus, Uruha zog eine Augenbraue anerkennen nach oben, Reita stieg die Röte ins Gesicht, Miyavi blieb für einen Moment der Mund offen und Kai verschränkte die Arme vor der Brust. Eine peinliche Stille trat ein, in der ich mir vorkam wie eine Mischung aus bedröppelter Pudel und Zooattraktion. Miyavi fing sich als erstes wieder. "Ähm.. ja.. gut.. genug gestarrt Kinder, wir haben nun alle gesehen, was für ein Prachtstück Reita sich da angelacht hat, also weiter! Auf zur Geisterbahn! Ich will euch schreien hören! Außerdem trocknet unser Nesthäkchen dann auch wieder. Ist ja nicht mit anzusehen, wie ihr ihm alle hinterher sabbert." Dafür erntete er eine Kopfnuss von Kai, was ihn aber nicht davon abhielt uns enthusiastisch zu besagter Achterbahn zu scheuchen. Ich hatte dabei ein sehr schlechtes Gefühl, jedoch wagte ich es auch nicht zu widersprechen, da die Anderen sich zu freuen schienen, nur Reita schlich grummelnd neben mir her.
 

Zuerst weigerte Reita sich überhaupt den Eingang zu betreten, doch für Miyavi und Kai gab es kein Aber. Und am ende brachte ihn eine spitze Bemerkung von Uruha, die eindeutig sein Ego angefressen hatte doch dazu mit zu fahren. Er saß direkt neben mir und als es los ging packte er panisch meine Hand. Ich gluckste "Du hast doch nicht etwa Angst?" Ich spürte wie sich sein Griff für einen Moment unsicher lockerte, dann jedoch festigte er sich wieder. "Ein bisschen... Panik... würde ich es eher nennen." Er schaute mich unsicher an. Ich schmunzelte zurück, dann festigte ich auch meinen Griff, "Gut, dann bin ich nicht der Einzige!" Er zwang sich zu einem Grinsen. "Na das wird ja was." Meinte er fast schon resignierend. "Ach was wir stehen das zusammen durch!" Konterte ich.
 

Irgendwie hatte ich das Bedürfnis ihn zu beruhigen und ihm die Angst zu nehmen. Bei dem Wort 'zusammen' wurde sein Grinsen echter und er strahlte mich an. "Was?" Mir war zwar klar, dass das ein großer Schritt für meine Verhältnisse war, aber es war noch kein Grund mich anzustrahlen wie ein Honigkuchenpferd! "Du hast gesagt dass wir es ZUSAMMEN durchstehen. Das freut mich!" Ehe ich ihm noch etwas antworten konnte, setzte sich unser Wagen in Bewegung und wir fuhren in absolute Finsternis. Ich versuchte mich zwar zusammen zu reißen, jedoch hatte ich ein sehr mulmiges Gefühl im Bauch. Schutz suchend schmiegte ich mich an Reita, der einen Arm um meine Schultern legte. Als sein Arm dabei meine freien schultern streifte, konnte ich hören, dass er stark die Luft einzog. Gut, dass es dunkel war! Den Rotton, den ich gerade mit Sicherheit angenommen hatte, hätte ich bestimmt nicht so einfach vor ihm verstecken können. Da wo seine warme Haut mich berührte, begann meine zu glühen. Hoffentlich bemerkte er es nicht. Das wäre mir einfach zu peinlich!
 

Während der Fahrt erschreckte ich mich ziemlich oft und ziemlich heftig, und auch Reita zuckte nicht gerade selten zusammen. Die vier Anderen passierten lachend und herumalbernd den Ausgang, während Reita und ich immer noch mehr oder weniger eng umschlungen und wesentlich blasser im Gesicht wieder ins Freie traten. Als Miyavi uns so sah, hielt er inne und zwinkerte Reita zu. Dieser verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf! "Nicht so du Idiot! Lass dir was besseres einfallen, wenns denn sein muss!" Schnauzte er ihn an. "Aua!~" Maulte der Getroffene sofort los. "Ich wollte doch nur helfen!" Geschickt wich er einem zweiten Schlag von Reita aus. "Du bist so ein Vollidiot! Ehrlich Miyavi!" Angesprochener zuckte nur mit den Schultern. "Alleine bekommst du's ja nicht gebacken! Markierst immer einen auf dicke Hose, aber wenn's dann ernst wird, bist du zu nichts zu gebrauchen!" Keifte er nach einer Weile zurück, als sie bereits unterwegs zum Freefall-Tower waren. "Ach ja? Und woran liegt das? Eventuell, weil ein paar Hirnies, die sich meine Freunde schimpfen, meinen sich permanent einmischen zu müssen und es mir dadurch auch durchaus schon mal vermasselt haben?! Oder habt ihr es etwa schon wieder vergessen?! Vielen Dank, echt! Aber auf solche Hilfe kann ich gut verzichten!"
 

In Reitas Stimme hatte sich während er gesprochen hatte so viel Wut und Enttäuschung und auch eine gewisse Verletztheit ausgebreitet, dass die Stimmung Plötzlich komplett gekippt war. Und zwar gewaltig! Die Anderen waren auf einmal recht kleinlaut und starrten alle samt den Boden an, über den sie liefen. Am elendsten sah Uruha aus. Er war quasi völlig in sich zusammen gesunken. Seine komplette Ausstrahlung war wie weggeblasen. Der Einzige, der nur Bahnhof verstand war wieder mal ich! Nun kam mir meine Eigenschaft ein Niemand zu sein und, dass ich mich quasi unsichtbar machen konnte zu gute. Ich schlich also unbemerkt neben Reita her und wagte es kaum zu atmen, um nicht in diesen Konflikt mit hinein gezogen zu werden.
 

Uruha war der erste, der sich regte. "Reita! Bitte!..." setze er leise an, doch Angesprochener stapfte nur stumm weiter. Die Stimmung wurde immer drückender und lastete schwer auf meinen Schultern. Was tat ich hier eigentlich? Anscheinend war ich zur Zeit sehr unpassend, weshalb ich mich langsam zurück fallen ließ. Es war wohl besser, wenn ich mich nun aus dem Staub machte. Vielleicht fand ich ja doch noch meine alte Gruppe und mein plötzliches Verschwinden von vorhin fiel nicht weiter auf, so dass ich keinen ärger bekommen würde, auch wenn Akira oder Reita, wie auch immer, sich nicht für mich einsetzen würde. Und auch wenn er es ausplaudern würde, wäre es schon sehr unglaubwürdig, dass der beliebteste Schüler der Schule freiwillig mit mir Zeit verbracht hatte.
 

Im Grunde tat ich ihm also einen Gefallen damit, mich jetzt zu verkrümeln. Dann hatte er am Ende keine Erklärungsnot vor seiner Klasse, er konnte einfach sagen, dass er seine Freunde getroffen hatte und Punkt. Ich vergrößerte den Abstand zwischen mir und der kleinen Gruppe immer mehr, ohne dass es jemandem auffiel. Wie schon erwähnt, ich war ein Meister auf diesem Gebiet. Es würde ihnen wenn überhaupt erst am Freefall Tower auffallen so wie sie nun jeder mit sich selber beschäftigt waren und bis dahin wäre ich schon lange über alle Berge. Nur was sollte ich als nächstes tun? Ich stand wieder alleine in der Menge und wurde von allen Seiten angerempelt.

Kapitel 4

Okay, ich muss mich entschuldigen... ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen wegen dem nächsten Kapitel... jetzt im Nachhinein, ist es wohl doch etwas zu depressiv geworden... Aber nicht den Kopf in den Sand stecken liebe Leser, das wird wieder! Im Grunde wollte ich nur darauf hinweisen, dass es nicht so einfach zwischen den beiden wird und dass Reita durchaus mit der Situation umgehen kann und auch will.
 

... schlagt mich nicht! -.-" ...
 

Die Autorin! ~
 

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Ich war also wieder alleine! Die Übelkeit kehrte langsam in meinen Bauch zurück, also beschloss ich mir erst mal etwas zu trinken zu holen. Immerhin war es mittlerweile auch brechend heiß geworden und die vielen Menschen wirbelten Unmengen an Staub auf, da die Wege nur aus losem Schotter bestanden. Mit einer eisgekühlten Cola bewaffnet setze ich mich auf den Rand eines Brunnens, der den Vorplatz des Themendorfes zierte in dem wir vorhin Miyavi getroffen hatten. Er war so nett zu mir gewesen. Eigentlich waren sie das Alle, bis auf Uruha, aber der schien nur einen schlechten Tag erwischt zu haben und ansonsten eigentlich ganz okay zu sein.
 

Wie gerne ich doch solche Freunde gehabt hätte. Aber umso mehr ich darüber nachdachte umso bewusster wurde mir, wie wenig ich einfach zu ihnen passte und dass ich mal wieder in einen meiner Wunschträume abgedriftet war. Wären ich dort saß und in meinen Gedanken schwelgte, bemerkte ich nicht, wie ich anfing meinen Unterarm zu kratzen. Das war eine einfache Stressreaktion bei mir, die nicht besonders schlimm war, wenn ich sie denn bemerkte und es unterdrückte, doch in diesem Moment merkte ich nicht mal, dass eine schwarzhaarige, etwas seltsam aussehende Person auf mich zustürzte, bis wir beide mit einem lauten Platscher im Brunnen landeten.
 

Vor Schreck atmete ich unter Wasser ein wodurch ich mich natürlich ordentlich verschluckte, so dass ich auch nachdem mich Miyavi, der die Ursache für das ganze Chaos war, aus dem Wasser gezogen hatte vor lauter Husten keine Luft bekam. Ihm musste mein jämmerlicher Zustand aufgefallen sein, denn er zerrte mich sofort auf den Boden vor dem Brunnen und fing an erste Hilfe zu leisten. Nachdem er meinen Brustkorb ein paar mal unbeholfen bearbeitet hatte, hatte ich endlich so viel Wasser aus meinen Lungen gehustet, dass ich panisch nach Luft ringen konnte und auch Sauerstoff bekam. Miyavi zog mich vorsichtig hoch und stützte mich, während ich auch den letzten Rest des Wassers ausspuckte.
 

"Was sollte das?" fragte er mich auch sogleich, nachdem ich mit dem Husten aufgehört hatte und nur noch am Keuchen war."Das sollte ich dich fragen! Ich habe heute schon genug geduscht!" antwortete ich zickig. Was zur Hölle hatte er sich dabei gedacht? "Das meine ich nicht! Wieso bist du einfach abgehauen?" Was? Das war ihnen aufgefallen? Misst! Was jetzt? Betreten sah ich zu Boden. "Wieso nicht? Ich hab's Reita damit nur einfacher gemacht." Es blieb still und so traute ich mich nach kurzer Zeit mein Gegenüber anzusehen. Unerwarteterweise blickte ich in ein völlig verständnislos drein blickendes Gesicht. "Was? Wieso? Wie meinst du das?" fragte er mich verdattert. Oh man, wie sollte ich ihm das jetzt erklären?! "Ist nicht so wichtig!" Ich raffte mich auf und wollte schon wieder los gehen, als Miyavi aus seiner Verwirrung erwachte, blitzschnell hoch fuhr und sich mein Handgelenk griff um mich festzuhalten.
 

Er erwischte die Seite, an der ich mich vorhin unbemerkt gekratzt hatte und so schnappte ich zischend nach Luft, als er mich berührte, was mich ebenso erschreckte wie ihn. Wie aus Reflex drehte er mein Handgelenk nach oben und wir beide sahen die roten Striemen, die meine Fingernägel auf der zarten, weißen Haut hinterlassen hatten. Sofort ließ er locker und nahm seine Finger von den wunden Stellen, die er berührt hatte. Als ich sah, dass es wieder passiert war, kamen mir die Tränen. Ich hatte gedacht, dass ich soweit wäre es nicht mehr zu tun, die Erkenntnis es immer noch nicht geschafft zu haben mich nicht mehr selber zu verletzen, traf mich hart. Meine Therapie, all die Arbeit, der Kampf gegen meine Depressionen, sollte er wirklich umsonst gewesen sein?

Alles fing an sich zu drehen, mir wurde schwarz vor Augen, aber ich verlor nicht mein Bewusstsein. Ich versank lediglich in der Schwärze dieser traurigen Erkenntnis.
 

Ich bekam nicht mit, dass Miyavi anscheinend sofort erkannte, was los war, mich mitleidig ansah und schließlich in seine Arme schloss. Ich realisierte nicht, wer mich da umarmte, aber ich spürte die tröstende Wärme und klammerte mich halt suchend an ihn. Ich bemerkte ebenfalls nicht, wie er sein Handy zückte und eine Schnellwahltaste drückte. Nach kurzer Zeit meldete sich ein abgehetzter Kai am anderen Ende. "Ich hab ihn!" War die kurze Mitteilung, die er dem Anderen machte. "Reita sollte alleine kommen. Wir treffen uns im Themendorf, hier ist zu viel los. Bei der Bank hinten, du weißt schon." Damit legte er auf und steckte sein Handy wieder weg.
 

Langsam war ich wieder aus meinem Tranceartigen Zustand erwacht und bekam einiges um mich herum mit. Mir war zum Beispiel aufgefallen, dass mich ein Mann im Arm hielt und es war definitiv nicht Reita. Um uns herum herrschte ein wildes Stimmengewusel und mit einem mal wurde ich hochgehoben. Er trug mich auf seinen Armen in eine ruhige Ecke des Themendorfes, die im hintersten Winkel lag und setze mich dort vorsichtig auf eine Bank. Eigentlich wollte ich protestieren, aber ich brachte kein Wort raus. Dieser Junge war einfach unglaublich!

Als wir saßen zückte er ein Taschentuch und wischte damit meine Tränen weg. "Danke~" Brachte ich zittrig heraus.
 

"Hast du vielleicht Kopfschmerztabletten dabei?" fragte ich schon etwas fester. "Damit du dich zudröhnen kannst? Bestimmt nicht!" Trotz der barschen Worte war sein Tonfall sanft und leise geblieben. Resignierend ließ ich meinen Kopf hängen, was ihn wohl dazu veranlasste durch meine Haare zu streichen. "Ich weiß, wie du dich fühlst." Gestand er mir nach einer kleinen Schweigepause. Ich sah ihn an. "Ich habe das selbe auch schon durchgemacht." Fügte er erklärend hinzu. "Ich hatte lange keine Freunde, in der Schule wurde ich andauernd verprügelt und meine Eltern machten mich selber dafür verantwortlich. Ich fühlte mich wie der Fußabtreter der ganzen Welt, alle Therapien und Psychopharmaka auf diesem Planeten hätten nichts gegen meine Depressionen genützt. Ich habe sogar versucht mich umzubringen, aber mein Vater hat mich gefunden, bevor die Tabletten, die ich geschluckt hatte mich gekillt haben und weißt du was, ich bin ihm heute Dankbar dafür.
 

Er drehte sein rechtes Handgelenk nach oben und schob die Stulpe, die es bedeckte hoch. Zum Vorschein kamen dünne Schnittnarben, die sein komplettes Handgelenk zierten. Ich musste schlucken, denn ich wusste nur all zu gut, was das war. "Das Alles wurde erst besser, als ich Kai getroffen habe. Er kam neu an unsere Schule und breitete sofort seine Fittiche über mich, als er mitbekam wie man mich für gewöhnlich behandelte. Man mag es ihm nicht ansehen, aber er weiß sich durchaus durchzusetzen. Wenn er ausrastet hat jeder Respekt vor ihm! Selbst der schlimmste Schlägertyp der Schule!" Er grinste verlegen. "Was ich damit sagen will ist, du solltest mit Reita reden. Er wird dich verstehen. Es kann nur besser werden! Und das wird es! Vertrau mir."
 

Da war es wieder. Er sollte vertrauen. Nur wie? Niemand hatte ihm beigebracht wie man anderen Menschen außer seiner Mutter vertraute? Er musste verrückt geworden sein, als er Miyavi zustimmend zunickte. "Okay mein kleiner. Es tut mir leid, dass du nun schon wieder vollkommen durchweicht bist, auch wenn der Anblick sich durchaus gelohnt hat!" Scherzte er wieder etwas fröhlicher und wuschelte mir noch einmal durch die Haare, die wohl noch nie so oft an einem Tag misshandelt worden waren. "Ich besorge dir noch schnell eine neue Cola und dann bin ich mal weg, Reita müsste auch gleich hier sein." Er sprang auf, und rannte zum nächsten Kiosk. Stimmt ja, meine Cola trieb immer noch verlassen im Brunnen umher.
 

Ich beobachtete Miyavi, wie er mit der Verkäuferin redete. Irgendwie konnte ich es nicht glauben, dass er so schlecht behandelt worden war, er strahlte dafür viel zu viel. Er hatte so ein bomben Selbstbewusstsein und wusste anscheinend genau wie er andere Menschen um den Finger wickeln konnte, denn als er zurück geschlendert kam hielt er besagte Cola triumphierend in die Höhe und meinte: "Mit bester Empfehlung der Verkäuferin. Sieh es als Entschädigung, dass die Achterbahnen dich so geschafft haben, dass du unterzuckert bist." Er zwinkerte mir zu und lachte los. "Wie? Die hast du umsonst bekommen?" Das konnte doch nicht wahr sein! Wie machte er das nur? "Tja Kleiner, gewusst wie!" Er reichte mir die Flasche mit einem breiten Grinsen. "Bis später also." Verabschiedete er sich und war auch schon um die nächste Ecke verschwunden. Meinen Protest gegen das 'KLEIN' bekam er gar nicht mehr mit.
 

Resignierend lehnte ich mich zurück und trank endlich etwas. Nachdem ich den Verschluss der Flasche wieder zugedreht hatte, schloss ich genießerisch die Augen und ließ die Sonne meine Sachen abermals trocknen. Es war zwar mittlerweile früher Nachmittag geworden, aber die Sonne brannte immer noch unbarmherzig nieder und ließ die Luft über den Dächern der Shops flimmern. Was für ein Tag! Ich freute mich schon tierisch wieder auf zu hause. Endlich wieder Ruhe. Der ganze Trubel war wirklich nichts für mich. Während ich da also in der Sonne saß, kam mir plötzlich ein Gedanke. Wie sollte ich das alles nur Reita erklären? Sollte ich es ihm überhaupt erklären? Noch war er nicht hier! Noch konnte ich mich verdrücken!
 

Doch gerade als mir dieser Gedanke gekommen war, verdunkelte ein Schatten mein Gesicht. Ich öffnete langsam meine Augen und erkannte trotz Gegenlicht Reita, der völlig außer Atem vor mir stand und mich stumm musterte. Ich hielt seinem Blick nicht lange stand, sondern ließ lieber beschämt den Kopf hängen. "Wir haben einen Deal!" Warf er in unser Schweigen ein. Anschließend setze er sich langsam neben mich. Seine Atmung hatte sich wieder beruhigt. "Was sollte das?" Fragte er mich leise und ich konnte seine Enttäuschung deutlich heraus hören. Ich konnte nicht antworten. Immerhin hatte ich mir noch nicht überlegt, wie und ob ich es ihm erklären sollte, so saß ich einfach nur schweigend da und starrte den Boden an.
 

"Es tut mir leid, dass wir dich in so eine blöde Situation gebracht haben, aber das ist doch kein Grund gleich das weite zu suchen. Oder siehst du das Anders?" Nein, natürlich war es Unsinn wegen so einer Kleinigkeit gleich das Weite zu suchen. Leicht schüttelte ich meinen Kopf. "Na siehst du! Warum bist du dann abgehauen?" Sollte ich es wirklich wagen und ihm alles erzählen? Jetzt hatte er mich an einem Punkt, an dem ich ihm einige Antworten geben musste, wenn ich wollte, dass der Kontakt zwischen uns bestehen blieb, aber andererseits konnte ich ihm denn so schnell vertrauen? Wir kannten uns nun erst seit ein paar Stunden richtig. Was, wenn er mich doch nur triezen wollte und das, was ich ihm erzählen würde an der Schule verbreitete? Ich meine, es ging langsam aber Sicher dem Ende zu, aber ein paar Wochen musste ich noch aushalten können, wenn ich mein Zertifikat haben wollte. Vielleicht waren seine Freunde ja eingeweiht und spielten alle nur sehr gut mit?
 

Wobei, Miyavi hatte mir sein Handgelenk gezeigt. Er schien es ernst gemeint zu haben. Also gut! Ich atmete noch einmal tief durch und hielt Reita dann meinen verletzten Arm hin. "Ich passe einfach nicht zu euch! Ihr seht alle super aus, habt viele Freunde, seid super beliebt und was weiß ich noch alles. Ich bin einfach nicht so. Du musst dir wohl jemand Anderen für deine Clique suchen. Wenn du jetzt gehst, wird niemand Fragen stellen. Ich werde meine Gruppe suchen und du musst niemandem Erklären, warum du dich mit mir abgibst. Ich werde keinem Erzählen, was passiert ist. Der Deal ist gestorben." Wenn das nicht reichte um ihn los zu werden, dann wusste ich auch nicht.
 

Aber zu meinem Erstaunen nahm Reita meinen Arm vorsichtig in die Hand und küsste mein verletztes Handgelenk hauch zart. "Das glaubst du doch nicht ernsthaft?" Er ließ mein Handgelenk sinken und schaute mich ernst an. Für einen kleinen Augenblick zögerte ich noch, doch ich schaffte es schnell mich wieder zu fangen. "Doch!" Wollte ich eigentlich fest sagen, doch ich merkte zu spät, wie sehr meine Stimme zu zittern angefangen hatte. Was machte dieser Typ da nur mit mir? Wieso konnte ich ihm nicht einfach widersprechen? So wie ich es bei jedem Anderen konnte?
 

Natürlich merkte mein Gegenüber sofort, dass ich ihm keine weitere Gegenwehr entgegenbringen würde und grinste mich siegessicher an. "Ich mache dir einen Vorschlag. Wir vergessen das Ganze und du kommst einfach wieder mit zu den Anderen, die sich übrigens auch Sorgen um dich machen." Ich schaute ihn ungläubig an. Sie kannten mich doch nicht einmal. "Ich soll dir außerdem ausrichten, dass es ihnen leid tut." Warf er noch schnell hinterher. Wie sollte ich da noch nein sagen?

Kapitel 5

Ich ließ mich also wieder mit zu den Anderen Führen. Irgendwie war ich erleichtert, dass er so gut mit der Situation umgehen konnte. Er schien wirklich kein schlechter Kerl zu sein. Aber so erleichtert ich war, so verunsichert war ich auch. Wie zur Hölle sollte ich den Anderen denn entgegentreten? Was, wenn sie mich fragen würden, was mit mir los war? Und sollte ich nicht lieber wieder meinen Pullover über ziehen? Immerhin hatte ich deutliche Spuren am Unterarm. Allerdings war es mittlerweile so stickig geworden, dass ich den Gedanken erst einmal beiseite schob.
 

"Hey! Mach nicht so ein Gesicht! Sie werden dich schon nicht fressen! Vertrau mir!" Riss Reita mich mit einem breiten Grinsen aus meinen Gedanken. Ich seufzte resignierend. Vielleicht sollte ich wirklich einmal versuchen ihm zu vertrauen. Im Grunde hatte ich ja nichts zu verlieren. Oder etwa doch? Es war etwas Anderes, wenn man nie gelernt hat zu vertrauen, als wenn man so oft enttäuscht worden war, dass man einfach nicht mehr dazu fähig war jemandem zu vertrauen, denn immerhin wusste man dann schon wie es sich anfühlt wenn einem das Herz gebrochen wird. Ich gehörte definitiv zu den Menschen, die ihr Misstrauen durch ihre Erfahrungen gebildet haben. Wie schon erwähnt hatten sich bereits so viele "nette" Mitschüler als Hänseleien herausgestellt und ich war, naiv wie ich nun mal bin, halt immer wieder auf diese Masche rein gefallen. Das tat weh und machte auf dauer dann doch dezent abweisend.
 

In meinem Leben gab es nur eine Person, der ich vollkommen vertraute und das war meine chaotische Mutter. Denn sie kannte ihre Grenzen. Sie versprach nichts, was sich nicht einhalten konnte, was zwar bedeutete, dass sie mir im Grunde gar nichts versprach, aber dennoch war sie immer mein Anlaufpunkt gewesen, wenn es mir schlecht ging. Sie war diejenige, die mich immer versucht hatte zu beschützen und zu trösten.
 

Ich quiekte erschrocken auf, als ich plötzlich huckepack genommen wurde. Reita hatte mich ohne zu fragen hoch gehoben. "Wah~ lass mich runter!" Beschwerte ich mich auch sofort. "Wenn ich dich schon nicht aus deinen Gedanken holen kann, dann lass mich dich wenigstens tragen! So wie du hinter mir her schleichst, verliere ich dich erstens wieder und zweitens kommen wir sonst ja nie an!" antwortete er nur trocken.
 

Grummelnd ließ ich es also mit mir geschehen. "Wohin gehen wir denn überhaupt?" Fragte ich nach ein paar Minuten, in denen ich mich an Reitas warmen, starken Rücken geklammert hatte um auch ja nicht herunter zu fallen. "Die Anderen warten an der "Music Corner" auf uns hat Kai gemeint!"
 

Als wir kurze Zeit später an besagtem Ort ankamen, saßen die Anderen tatsächlich im Außenbereich des Cafes und waren mit Kaffee und Eis ausgerüstet. Reita blieb vor ihrem Tisch stehen an dem noch genau zwei Plätze frei wahren und ließ mich langsam von seinem Rücken rutschen, damit ich mir nicht weh tat. Beschämt merkte ich, dass meine noch relativ nassen Klamotten einen feuchten Abdruck auf seinem Rücken hinterlassen hatten und ich musste leise kichern. Er drehte sich verwundert zu mir um und sah mich fragend an. Als so die Anderen seinen Rücken sehen konnten, brachen sie in schallendes Gelächter aus. Es sah aber auch wirklich komisch aus! Sofort war die Stimmung aufgelockert, was mir einen Stein vom Herzen fallen ließ.
 

"Hey kleiner, du hast doch nicht etwa schon wieder ein Bad genommen?" Fragte Kai mich lachend. Das 'Kleiner' überhörte ich mal gefließentlich und sah als Antwort nur Miyavi tadelnd an. Dieser senkte sofort schuldbewusst den Kopf und räusperte sich. "Naja, es gab da einen kleinen Unfall würde ich sagen." Mit diesen Worten setzte ich mich auf den freien Platz neben Kai. Reita hingegen hatte immer noch nicht begriffen, warum wir eigentlich alle lachten und stand nur verwirrt und grummelnd da.
 

Nachdem Aoi sich begnadigt, und ihn aufgeklärt hatte, setzte auch er sich, bestellte einen großen Eisbecher, den wir uns teilten und jedem noch einen Kaffee Latte, worauf der bunte Haufen wieder anfing zu lachen. Oh man, wo war ich hier nur gelandet?
 

Wir alberten die ganze Zeit miteinander herum, während wir unser Eis und die warme Sonne genossen. Nachdem wir aufgegessen hatten, blieben wir noch eine ganze Weile sitzen und fingen ein angeregtes Gespräch an, wobei ich voll mit eingebunden wurde, was sich sehr gut anfühlte. Die lockere Stimmung veranlasste mich sogar dazu einige Fragen über mich zu beantworten, was ich normalerweise nicht tat.
 

Diese fünf Jungs waren einfach unglaublich, wie leicht sie es mir machten mich bei ihnen wohl zu fühlen. Die Situation von vorhin war bald völlig vergessen. Erst, als wir uns aufmachten noch ein bisschen weiter durch den Park zu gehen, sprach Kai plötzlich dieses Thema an. "Du Ruki, es tut mir leid, was vorhin passiert ist! Es war wirklich nicht sehr nett von uns Allen sich vor deinen Augen zu streiten. Es wird nicht wieder vorkommen. Versprochen. Bitte nimm meine Entschuldigung auch im Namen der Anderen an." Mit diesen Worten reichte er mir entschuldigend die Hand und ich ergriff sie mit einem Lächeln. "Schon okay!" Meinte ich nur kurz und stand anschließend auf um mich zu strecken.
 

Dabei rutschte mein Shirt etwas hoch, so dass man freie Sicht auf meine weiße, viel zu schmale Hüfte hatte, was ich allerdings gar nicht mit bekam. Nachdem ich mich ausgiebig gedehnt hatte, ließ ich meine Arme wieder fallen und schaute die Anderen erwartungsvoll an, da sie sich immer noch nicht gerührt hatten. Erst jetzt fiel mir auf, dass alle Augen gebannt auf meiner Hüfte ruhten, was mich schlagartig nervös machte.
 

Und wieder war es Miyavi, der sich als erstes losriss und die Anderen ebenfalls aus ihren Gedanken holte. "Nun aber mal halblang Leute!" Mahnte er. "Der kleine ist leider tabu!" Mit diesen Worten stand er lachend auf und erntete im Hochgehen wiedermal einen Schlag auf den Hinterkopf. Dieses mal von Kai, was ihn sofort los zetern ließ. "Warum bekomme eigentlich immer ich die Schläge? Als hättet ihr ihn nicht auch alle angesabbert!" Maulte er gespielt beleidigt und kassierte promt einen Todesblick von Reita. Eine peinliche Stille trat ein in der ich nervös meine mittlerweile trockenen Klamotten ordnete.
 

Warum musste so was immer mir passieren? Ich mochte meinen Körper nicht. Er war viel zu mager und knochig. Mir war bewusst, dass ich das ändern konnte, wenn ich mich nur vernünftig ernährte, doch das wiederum fiel mir nicht so leicht.
 

Schüchtern drehte ich mich von den Anderen weg. Jetzt hatten sie schon zum zweiten mal gesehen, wovor ich gewöhnlich die Augen bewusst verschloss, wenn ich vor dem Spiegel stand.

In meine Gedanken versunken schreckte ich kurz zusammen, als sich ein starker Arm um meiner Schultern legte und mich mit sich zog. Reita hatte gemerkt, dass die Situation wieder kurz vorm Eskalieren war.
 

Dafür, dass ich normalerweise mit niemandem stritt, weil einfach keiner da war mit dem ich streiten konnte außer meine Mutter, mit der ich allerdings nur ab und zu kleinere Meinungsverschiedenheiten hatte, war die Situation heute schon auffällig aus dem Ruder gelaufen. Aber ich war nun mal jemand, der eher still in der ecke stand und sich unsichtbar machte, wenn ihm was nicht passte als dass ich zu den Leuten hin ging um sie auf mein Missfallen aufmerksam zu machen.
 

So in Gedanken bekam ich nicht mit, wie Reita mich angesprochen hatte. Erst als er mir kurz ins Ohr pustete löste ich mich quiekend von ihm. Erschrocken starrte ich ihn an. Er hatte nichts besseres zu tun als sich über meine Reaktion kaputt zu lachen! "Du müsstest dein geschocktes Gesicht sehen Ru~", japste er. Auch die Anderen schien meine Reaktion zu amüsieren. "Mach dir nichts draus!" raunte Aoi mir leise zu. Als Uruha sah, wie Aoi mir etwas zuflüsterte, fing er an zu schmollen. Als Aoi das wiederum bemerkte, schenkte er seine Aufmerksamkeit sofort wieder Uruha.

Pah! Was für eine Diva! Ich konnte irgendwie nicht so mit ihm, das war mir von vornherein aufgefallen. Nicht, dass wir uns absolut unsympathisch waren, nur schlich sich der Verdacht bei mir ein, dass er jemand war, der einen nicht einfach so abhauen lassen würde, wenn er erst mal angefangen hatte mit einem zu diskutieren. Na das konnte ja noch lustig werden, wenn er dabei mal an ein Fluchttier wie mich geraten würde. Fast schon resignierend musste ich Seufzen.
 

Wir wurden noch in einige Fahrattraktionen genötigt, bevor Miyavi plötzlich die Zeit ins Auge sprang. „Hm~ es ist schon recht spät“, meldete sich Miyavi zu Wort und unterbrach damit das Geplapper von uns allen. „Wann fahren nochmal eure Busse Rei?“ Wendete er sich auf die Uhr blickend an uns beide, die wir hinter ihm liefen. „Ähm um acht Uhr glaube ich.“ Antwortete er unsicher, bevor er mich fragend ansah. Ich nickte nur bestätigend. „Was schon?!“ Nörgelte der daraufhin sofort los. „Dann bleiben uns ja nur noch eineinhalb Stunden!“ Schließlich klatsche er nickend in die Hände! „Okay, dann wird es Zeit für das Riesenrad!“ Entschied er, woraufhin Reitas Gesichtszüge augenblicklich versteinerten. Ich wurde unruhig. Zwar wollte ich schon gerne mit fahren, immerhin war das endlich mal etwas, was einen nicht unkontrolliert durch die Gegend schleuderte, doch wusste ich ja mittlerweile auch von Reitas Höhenangst. Also beschloss ich dieses mal mit ihm am Ausgang auf die Anderen zu warten, doch es kam wieder mal ganz anders.
 

Plötzlich erhob Uruha das Wort: „Du willst dir doch nicht ernsthaft eine Riesenradfahrt alleine mit ihm entgehen lassen?!“ kommentierte er Reitas Gesichtsausdruck. „Außerdem schau ihn dir an! Er würde gerne mit fahren.“ Was? Woher wusste er das? Sah ich so enttäuscht aus? Ich dachte das hatte ich gut überspielt, immerhin war ich es gewöhnt mir nichts anmerken zu lassen, selbst wenn in meinem Inneren gerade die Welt unterging. Aber entweder war meine Fassade am bröckeln, oder Uruha hatte eine verdammt gute Menschenkenntnis, was mir wiederum unheimlich war. Und wieder fragte ich mich ob wir jemals freunde werden konnten, wobei das wiederum auch noch ziemlich früh war.
 

Was mich noch mehr erstaunte war Reitas Zögern, nachdem Uruha ihn skeptisch gemustert hatte. Er schien hin und her gerissen zwischen seiner Angst und der Aussicht auf die gemeinsame Fahrt mit mir. Ich merkte, dass in seinem Innern gerade ein Kampf tobte. „Er ist soweit!“ zwinkerte Miyavi Reita zu, was anscheinend einen Schalter in dessen Kopf umgelegt hatte. Mich hatte diese Aussage nur verwirrt und so erwiderte ich Reitas prüfenden Blick nur unsicher, bevor er sich stumm meine Hand griff und mich mit zum Eingang zog. Ich fing stotternd an ihn davon zu überzeugen, dass er das nicht tun musste und dass es mir nichts ausmachen würde mit ihm unten zu warten, doch ich bekam keine Antwort. Als wir kurze Zeit später in der Gondel saßen, ließ er sich seufzend neben mir auf der Bank nieder. Er hielt immer noch meine Hand, doch sein Griff hatte sich beim Einsteigen gefestigt und er hatte unsere Finger miteinander verschränkt, was mir sofort einen leichten Rotschimmer ins Gesicht gejagt hatte.
 

Sprachlos saß ich da. „Das hättest du nicht tun müssen!“ Flüsterte ich fast schon als sich die Gondel quälend langsam weiter bewegte. Einen Augenblick lang sah er mich nur stumm und durchdringend an. Ich versuchte etwas in seinen Augen zu lesen, doch ich konnte seinen Blick einfach nicht deuten. Wieso war er so ernst? Hatte er solche Angst? Oder würde er die Vorfälle von vorhin noch einmal ansprechen und war deshalb in solch einer ernsten Stimmung? Meine Gedanken fingen an zu rasen, während ich mich in seinen Augen fast verlor. Mein Gehirn fing an sich die seltsamsten Situationen aus zu mahlen, wie diese Fahrt verlaufen würde, doch ein Bild hob sich definitiv von allen Anderen ab. Mein Herz wummerte los. „Ich... es tut mir leid... es... ich meine...“ stammelte ich plötzlich mit hoch rotem Kopf los.
 

Oh man was tat ich da? Ich wollte ihn doch nicht gerade ernsthaft küssen? Mir war plötzlich aufgefallen, dass sich mein Blick von seinen Augen gelöst hatte und über sein Nasenband bis zu seinen Lippen gewandert war. Ich erschrak vor mir selber. Ich hatte so etwas noch nie gemacht und auch wenn mir durchaus bewusst war, dass ich vom anderen Ufer war, es vom eigenen Körper so vor Augen geführt zu bekommen und das auch noch in einer so klischeehaften wie prikähren Situation grenzte schon fast an Belästigung des eigenen Gehirns.
 

„Doch!“ Er sah mich weiter ernst an. „Was?“ war das einzige was ich antworten konnte. Was meinte er? Ich war aus dem Konzept gebracht. „Du hast gesagt, dass ich es nicht hätte tun müssen!“ Erklärte er kurz. „Achso~ und warum?“ Das hatte er also gemeint. Allerdings half mir das bei meiner Verwirrtheit nicht viel weiter. Plötzlich veränderte sich alles an seiner Ausstrahlung. Verlegen senkte er den Blick und ich meinte einen leichten Rotschimmer um sein Nasenband erkennen zu können. Das dumme Ding verdeckte seine Wangen aber auch zu gut. Oder bildete ich mir das Alles nur ein?
 

„Ich also... ansonsten hätte ich wohl nicht den Mut aufgebracht mit dir zu reden, aber da ich mich gerade ablenken muss, bin ich quasi dazu gezwungen.“ Er lächelte gequält und mir fiel auf, wie fest er meine Hand mittlerweile drückte. Worüber wollte er denn so dringend reden? „Ich rechne nicht damit, dass du positiv auf das reagierst, was ich dir jetzt sage, aber ich denke es ist besser, wenn ich mit offenen Karten spiele!“ Redete er angestrengt weiter. Er schien wirklich Angst zu haben, hatte sich dafür aber auch erstaunlich gut unter Kontrolle. Immerhin waren wir schon ein ganzes Stück vom Boden weg. Seine Worte machten mich allerdings stutzig! Was wollte er mir denn bitte sagen? Dass er eigentlich ein Schwerverbrecher von der Yakuza war oder was?!
 

Wieder senkte er seinen Blick, dieses mal aber nur kurz. Er holte noch einmal tief Luft bevor er mir wieder fest in die Augen sah. „Ich habe dir doch heute Morgen im Bus gesagt, dass ich schwul bin!“ Ich nickte nur zaghaft. „Also gut, ich bin an dir interessiert und das schon seit längerem. Ich... es tut mir leid. Es war blöd von mir dich erst in diese Situation zu bringen. Es ist dir sicher unangenehm mit mir hier zu sein, jetzt wo du es weißt.“ Ich konnte mich nicht rühren. Mein Herz würde heute noch den Geist aufgeben, dessen war ich mir sicher. Hatte ich das gerade richtig verstanden? Reita, DER REITA, fand MICH attraktiv und war an mir interessiert? Mein Hirn versagte. Mir wurde leicht schwindelig. Ich merkte kaum, wie er den Blick endgültig von mir abwandte und ein leises „Tut mir leid!“ Flüsterte, als er unsere Hände voneinander löste, sich nach hinten sinken ließ und stöhnend die Augen schloss. Erst da erwachte ich aus meiner Schockstarre und merkte, dass mein Blick wieder an seinen Lippen hing, die er leicht geöffnet hatte.
 

Wie in Trance streckt ich meine nun wieder freie Hand aus und strich hauch zart seine Lippen mit meinem Zeigefinger nach. Ich sah, wie ein leichter Schauer durch seinen Körper jagte und erschrak vor mir selber. Was hatte ich getan? Was würde er dazu sagen? Tausend Fragen schossen auf einmal durch meinen Kopf, aber ich schaffte es einfach nicht klar zu denken. Ruhig drehte er den Kopf zur Seite um mich ansehen zu können. Als er seine Augen langsam öffnete musste ich schlucken. Da war etwas in ihnen, was vorher definitiv nicht da gewesen war. Ich konnte es nur nicht definieren. Langsam hob er die Hand, die eben noch mit meiner verflochten war und legte sie in meinen Nacken. Ganz langsam zog er mich zu sich herunter. Stück für Stück kamen wir uns näher und mein Hirn beschloss sich für eine Weile komplett ab zu schalten. Kurz bevor sich unsere Lippen trafen hielt er inne und ließ mich die letzte Distanz zwischen uns von mir aus überbrücken. Als ich seine warmen Lippen auf meinen spürte, flackerten meine Lieder augenblicklich zu. Ihm schien es nicht anders zu gehen, denn er seufzte fast schon erleichtert auf. So saßen wir eine ganze Weile da und bewegten vorsichtig unsere Lippen gegeneinander, was ihn mutiger werden ließ. Langsam richtete er sich auf ohne sich von mir zu lösen und drängte mich zurück. Er verstärkte den druck auf meinen Mund, was mich nur noch fahriger werden ließ. Unbewusst griff ich in seine Haare um ihn noch näher an mich heran zu ziehen. Er hatte sich etwas über mich gebeugt und stützte sich an der Lehne neben mir und am Fenster hinter mir ab. Kurz löste er sich von mir und sah mir unsicher in die Augen, bevor er sich wieder etwas vor beugte und federleicht mit seiner Zunge über meinen Lippen strich, somit um Einlass bat. Zögernd öffnete ich meinen Mund einen Spalt breit und gab ihm so mein Okay. Dass das mein erster Kuss war, blendete ich in diesem Moment einfach aus. Als ich seine warme Zunge in meinem Mund spürte setzte mein Herz einen Moment aus. Er schmeckte so süß, ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Vorsichtig erkundete er meine Mundhöhle und stupste meine Zunge zaghaft an, was in meinem Inneren ein wahres Feuerwerk von Gefühlen entzündete. Ich ließ mich nicht lange bitten und stieg in das Spiel ein. Während wir so in unseren Kuss versunken waren, merkten wir nicht, dass sich die Kabine in der wir uns befanden auffällig zu einer Seite gebeugt hatte. Erst als wir uns nach Luft schnappend wieder voneinander lösten, merkte Reita wie wir hin und her schwankten und vergrub stöhnend seinen Kopf an meinem Hals, was mir augenblicklich die Röte ins Gesicht trieb, als ich seinen heißen Atem an meiner Haut spürte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Vorsichtig legte ich die Arme um ihn. „Geht's?“ Nuschelte ich ihm leise ins Ohr, worauf nur ein zaghaftes Nicken als Antwort kam. Erst nach und nach realisierte ich, was wir gerade getan hatten. Ich hatte Reita geküsst! ICH HATTE REITA GEKÜSST! Und er mich, aber das lief ja aufs Selbe hinaus.
 

Ich hatte mich also vor ihm geoutet. Ich merkte wie Angst in mir aufstieg. Angst, dass es alles nur ein Spiel war, dass ich nachher wieder als der Dumme da stehen würde, denn dazu war es viel zu schön gewesen. Innerlich betete ich, dass es nicht so enden würde! Ich wollte nur einmal in meinem Leben Glück haben. Nur ein einziges mal.

Kapitel 6

Als ich abends ausgestreckt auf meinem Bett lag und die Decke anstarrte, ging ich den Tag in Gedanken nochmal durch. Alles kam mir plötzlich so unwirklich vor, wie Reita mich angesprochen hatte, wie er mich später eingesammelt und dann mit mir den Tag verbrachte. Unsere Klassenkameraden hatten uns gesehen, aber das war ihm anscheinend egal, denn auf dem Rückweg hatte er während der kompletten Busfahrt meine Hand gehalten, was bei den Anderen Schülern fast schon einen Aufstand verursacht hatte, den er aber gekonnt ignorierte. Seine Freunde, mit denen ich mich so gut verstanden hatte. Miyavi, der sich so liebevoll um mich gekümmert hatte als ich die völlig bescheuerte Aktion von wegen 'Ich mach mich unsichtbar und verdrück mich einfach mal' gebracht hatte, für die ich mich jetzt schämte. Meine Wangen wurden bei dem Gedanken an meine Arme heiß und ich drehte mich zur Seite, zog meine Knie an den Körper und vergrub mein Gesicht im Kissen um die aufsteigende Hitze zu verdrängen.
 

Wir hatten uns geküsst. Die Bilder schossen mir wieder vor Augen und ich ließ meinen Zeigefinger hauchzart über meinen Mund streichen. Mir war, als würde ich seine weichen Lippen immer noch auf den meinen Fühlen.

Als er danach in meinen Armen gelegen hat, hatten meine zitternden Finger angefangen durch seine gefärbten Haare zu streichen und ihn kraulend zu beruhigen. Als er mich zaghaft fragte, ob ich mich nochmal mit ihm treffen würde und ihm vielleicht eine Chance geben könnte mein Herz zu erobern, hatte ich nur zaghaft genickt und ihm einen Kuss auf die Stirn gehaucht, damit er das Zittern in meiner Stimme ja nicht bemerkte. Anschließend hatte er seine Arme um mich geschlungen und war bis zum Ende der Fahrt so sitzen geblieben. Ich hatte mich dieser Umarmung hin gegeben. Mir war schwindelig geworden, aufgrund der Berührung und seines guten Geruches. Erst da realisierte ich, was da gerade geschehen war und dass ich schon wieder dabei war in eine Falle zu tappen. Mein Kopf gaukelte mir doch tatsächlich vor, dass ich eine echte Chance bei ihm hatte. Was wäre denn, wenn er mich einfach nur flachlegen wollte? Oder noch schlimmer, wenn er eine Wette verloren hatte? Meine Gedanken begannen zu kreisen und mein Körper verkrampfte sich vor Panik. Was tat ich hier eigentlich?
 

Er schien es zu bemerken und auch zu verstehen, dass es die Angst war, die abermals in mir aufkeimte und mich zu ersticken drohte. Vorsichtig löste er sich etwas von mir und schaute mir etwas traurig in die Augen. "Du traust mir immer noch nicht, richtig?" Fragte er leise und vorsichtig. Ich konnte die Enttäuschung in seiner Stimme ganz genau hören und hielt seinem Blick nicht länger stand. Beschämt schlug ich meine Augen nieder und blickte zur Seite. Irgendwie war es mir verdammt unangenehm, da ich mir ja eigentlich vorgenommen hatte ihm zu vertrauen, aber so schnell würde das wohl nicht gehen. "Ich... es tut mir leid!" Nuschelte ich vor mich hin. "Nein, schon okay! Ich kann dich verstehen!" Lenkte er ein und hob langsam mein Kinn an. Dann kehrte unvermittelt sein Lächeln zurück. "Ich werde wohl um dich kämpfen müssen! Ich werde dir beweisen, wie ernst ich es meine! Ganz bestimmt! Und irgendwann wirst du mir bedingungslos vertrauen, da bin ich mir sicher!" Bevor ich darauf noch etwas antworten konnte, drückte er mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und zog mich dann an der Hand aus der engen Kabine wieder ins freie.
 

Während der Fahrt hatte ich gar nicht bemerkt, wie wir schon wieder am Boden angekommen waren, doch die Anderen warteten bereits auf uns, was mich stutzen ließ. Waren sie nicht allesamt nach uns eingestiegen? Oder waren wir die einzigen zwei gewesen, die jetzt mit dem Riesenrad gefahren waren?

Ich bekam die Antwort gerade, als wir bei ihnen angekommen waren, denn Miyavi lachte mir schon entgegen: "Wow, Ruki! Also entweder kann da jemand nicht genug bekommen, oder du hast ihm die Höhenangst ausgetrieben!", zwinkerte er, was mir einen Rotschimmer ins Gesicht jagte. Wir waren also aus Versehen zwei Runden gefahren. Jetzt war nur noch die Frage, was genau die Anderen mitbekommen hatten, beziehungsweise wann wir wieder unten vorbei gekommen waren. Als mir bewusst wurde, bei was sie uns gesehen haben mussten, verwandelte sich der leichte Rotschimmer in meinem Gesicht in ein sattes rot und ich sah beschämt zu Boden, was den Anderen aber nur ein leichtes Lachen entlockte, welches Kai allerdings schon nach kurzer Zeit mit einem Blick auf die Uhr unterbrach. „Ich will ja echt nicht drängen Leute, aber so langsam solltet ihr zusehen, dass ihr zum Ausgang kommt, damit ihr eure Busse nicht verpasst.“ Also hatten wir uns alle voneinander verabschiedet und die Jungs meinten, dass sie mich unbedingt bald wieder sehen wollten, was mich sehr freute, aber eben auch verunsicherte. Schließlich kannte ich so etwas überhaupt nicht.
 

Reita hatte meine Hand nicht ein einziges mal los gelassen, bis wir wieder auf dem Schulparkplatz waren und uns voneinander verabschiedeten.

"Soll ich dich noch nach Hause begleiten?" Fragte er vorsichtig, als er vor mir stand, viel zu dicht wie ich fand. Die Anderen Schüler um uns herum waren nicht dumm und konnten sich bestimmt ihren Teil denken. Wenn er mich jetzt küssen würde, würde ich immerhin Gewissheit haben, ob er mich nur verarscht, wenn alle anderen Schüler anfangen würden mich auszulachen, zu verspotten und mich am Ende wahrscheinlich gnadenlos zusammen schlugen, weil ich mich an ihrem Liebling vergriff. Ein Stich durchfuhr mein Herz. Sollte ich es wirklich zerstören? Meinen Wunschtraum von diesem perfekten Tag? Wobei ich wahrscheinlich noch relativ glimpflich davon kam, wenn ich das ganze jetzt beendete, als wenn ich wieder anfing mich womöglich noch richtig in diese Sache hinein zu steigern. Ich schloss kurz die Augen um mich zu sammeln und atmete noch einmal tief durch. Gleich würde es verdammt weh tun und ich konnte nur hoffen, dass ich es schaffte meine Tränen zurück zu halten. Zumindest solange bis ich am Boden lag, dann könnte man sie auch einfach nur für Schmerzenstränen halten und nicht auf meine Gefühle zurück führen, was mich noch verletzlicher gemacht hätte. Aber mein Herz bekamen sie nicht. Dafür würde ich schon sorgen, denn ich verbarg es tief.
 

"Nicht nötig! Aber Danke!" Hatte ich schon fast emotionslos gehaucht und ihm einen flüchtigen Kuss aufgedrückt, was einigen um uns herum ein sprachloses Keuchen oder einen verhassten Blick entlockt hatte. Innerlich hatte ich mich bereits darauf vorbereitet weggestoßen und angebrüllt zu werden, von allen verachtende Blicke zugeworfen, auf dem Boden zu landen und mich vor Schmerz zu krümmen, doch nichts dergleichen war passiert. Ich hatte mich umgedreht und wollte gehen, doch ich war nicht weit gekommen, da hörte ich auch schon Schritte hinter mir. Mir rutschte das Herz in die Hose, als ich eine warme große Hand an meiner Schulter spürte, die mich bestimmt herum drehte.
 

Und los geht's! Sagte ich mir innerlich und kniff ängstlich die Augen zusammen. Doch ich riss sie erschrocken wieder auf, als ich Hände an meinen Wangen spürte und ein warmes Paar Lippen, das sich auf die meinen legte. Reita küsste mich vor versammelter Mannschaft. Und nicht nur so ein kleines Küsschen, wie ich es ihm gegeben hatte, nein! Seine Hände krallten sich in meine Haare und ich spürte eine forsche Zunge an meinen Lippen, der ich augenblicklich Einlass gewährte. Ich bekam nicht mit, was um uns herum passierte, so sehr nahm mich sein heißer Atem und seine vorwitzige Zunge gefangen, die mich hingerissen auf seufzen ließen. Ich sackte fast in seinen Armen zusammen, so weich waren meine Knie auf einmal, doch ich konnte mich mit rasendem Herzen mit Müh und Not an seinem Shirt festkrallen und lehnte mich zitternd an ihn. Als er sich wieder von mir löste, sahen wir uns nach Atem ringend, tief in die Augen und er hauchte ein tiefes und heiseres: "Bis morgen!" gegen meine ebenfalls noch zitternden Lippen, die meinen flachen und gehetzten Atem nur stoßweise gegen sein Gesicht entließen. Dann ließ er mich langsam los, schenkte mir noch ein letztes Lächeln, schulterte seine Tasche und verschwand.
 

Einen Moment stand ich mit wackeligen Beinen da, bevor ich mich all der starrenden Blicke besann und los rannte. Weg von den Anderen, weg von der Gefahr wieder hilflos die Schmerzen erleiden zu müssen und mich gedemütigt unter ihren hasserfüllten Blicken zu winden. Auch als ich bereits außer Sichtweite war verlangsamte ich mein Tempo nicht. Erst als ich vor meiner Haustür stand hielt ich schnaufend an und rang nach Atem. Meine Mutter, die im selben Moment mit dem Auto vom Einkaufen zurück gekommen war und gerade ausstieg, musterte mich verwundert, bat mich aber lächelnd ihr beim Tragen zu helfen. Doch ich hatte die Tür bereits aufgeschlossen und wollte nur noch in mein Zimmer, also stürmte ich kommentarlos die Treppe hoch, was normalerweise so gar nicht meine Art war, aber ich wollte gerade niemanden sehen.
 

Ich schloss mich in meinem Zimmer ein und schmiss mich erschöpft auf das für mich viel zu große Bett, und hier lag ich nun schon seit dem ich nach Hause gekommen war und dachte über den heutigen Tag und alles was geschehen war nach. Zwischendurch hatte meine Mutter besorgt geklopft und war nicht verschwunden ohne mir mit Taschengeldsperre und Hausarrest zu drohen, falls ich ihr nicht sofort öffnen würde, damit sie mir etwas Essbares einflößen konnte, doch natürlich wusste ich, dass sie das nicht ernst meinte und versicherte ihr nur durch die geschlossene Tür hindurch, dass es mir wirklich gut ging und ich nicht wieder gehänselt worden war. Ein paar Minuten später klopfte es noch einmal, was mich genervt auf seufzen ließ und sie teilte mir mit, dass sie mein Essen neben die Tür gestellt hatte, worauf ich nur mit einem Brummenden Laut antwortete.
 

Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und summte leise mein Lieblingslied mit, was mir etwas half das Chaos von wirren Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Über dem ganzen nach grübeln merkte ich nicht, wie ich immer müder wurde und schließlich angezogen einschlief. Am nächsten Morgen erklangen die leisen Töne meines Musikweckers und ich wachte frierend auf. Ich konnte mich kaum bewegen, alles tat mir weh und war verkrampft. Ächzend schleppte ich mich ins Bad und entledigte mich meiner Klamotten. Als das heiße Wasser der Dusche auf meinen Rücken prasselte seufzte ich genießerisch auf und merkte, wie es langsam meine Muskeln entspannte.
 

Doch ich pflegte unter der Dusche für gewöhnlich nach zu denken und schon schwebte mir der gestrige Tag wieder vor Augen und mich beschlich eine leise Ahnung was das für Konsequenzen auf die restliche Zeit in der Schule haben würde. Immerhin hatte ich mich als schwarzes Schaf dem Schulschwarm auf Tod und Verderben absolut nicht zu nähern und gestern hatte der mich immerhin ziemlich offensichtlich geküsst. Bei diesem Gedanken strich ich abwesend über meine Lippen. Ich konnte sie schon wieder fühlen und es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich beeilte mich lieber fertig zu werden, bevor es meinem Gehirn noch einfallen würde an ganz andere Dinge zu denken.
 

Da meine Mutter relativ spät zur Arbeit musste schlief sie noch und ich schlich mich angezogen mit meiner Tasche und Jacke bewaffnet aus meinem Zimmer. Mir viel das kalte Abendessen ins Auge, das immer noch vereinsamt vor meiner Tür stand. Dabei hatte sie es so liebevoll zubereitet. Ich seufzte innerlich und tapste vorsichtig die Treppe herunter um auch ja kein Geräusch zu machen. Ich wusste, was es für ein Donnerwetter geben würde, wenn sie merkte, dass ich nicht mal etwas zum Frühstück aß, doch ich war so gespannt auf den heutigen Tag, dass ich vor Aufregung eh nichts herunter bekam. Unten angekommen wollte ich gerade in meine Schuhe schlüpfen, als ich leise und besorgt meinen Namen hörte. Erschrocken fuhr ich herum und erblickte meine Mutter im Türrahmen der Küche stehen, in einen Yukata gehüllt mit einer dampfenden Teeschale in der Hand.
 

„Takanori, was ist los? Wir hatten doch eine Abmachung, schon vergessen? Du wolltest mir Bescheid sagen, wenn die Hänseleien wieder los gehen.“ Ihre Stimme klang ruhig und melodisch, aber auch sehr bestimmt, dass ich schuldbewusst den Kopf senkte. Sie kam langsam auf mich zu, zog meinen Kopf an ihre Brust und hauchte mir einen Kuss auf die Haare, was ich wehrlos über mich ergehen ließ. „War der Ausflug gestern nicht schön? Was ist passiert?“ Fragte sie weiter nach. Ich wusste, dass ich ihr nicht entkommen würde und da ich noch früh drann war beschloss ich ihr zumindest ein paar beruhigende Grundinformationen zu geben, damit sie mich wenigstens in die Schule gehen lassen würde, denn da wollte ich heute unbedingt hin, egal wie der Tag ausgehen würde. Ich war tierisch gespannt auf seinen Verlauf!
 

„Ich... doch, es war sehr schön!“ Langsam sah ich auf und schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. Erstaunt sah sie mich an. Sie schien etwas zu ahnen, denn ihre Augen funkelten verschmitzt zurück. „Soso!“ Schmunzelte sie. „Und wer ist es? Bringst du ihn mal mit? Sieht er denn gut aus? Und behandelt er dich auch ordentlich? Er ist bestimmt von deiner Schule, hab ich recht?“ Plapperte sie einfach drauf los ohne eine Antwort abzuwarten, während sie grinsend von mir abließ und in der Küche etwas herumhantierte. Ich sah sie nur geschockt an. Wie zur Hölle war sie darauf gekommen? Und warum ging sie davon aus, dass es ein Junge war? Ich schüttelte resignierent den Kopf. Ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass meine Mutter mich gnadenlos durchschaut hatte. Als sie meinen ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte hielt sie einen Moment inne und ihre Züge wurden weich. „Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst. Ich möchte einfach nur wissen ob es dir gut geht, verstehst du? Ich mache mir nur Sorgen um dich!“ Sie sah mich direkt an, sodass ich schlucken musste. Ich wollte ihr widersprechen, doch bekam ich kein Wort heraus, sondern sah sie nur hilflos an.
 

Plötzlich blitze der Schalk aus ihren Augen, bevor ihre Stimme wieder ernst wurde. „Aber ich würde ihn trotzdem gerne mal kennen lernen! Also bring ihn ruhig mit! ~ Außerdem hast du gestern schon wieder nichts zu Abend gegessen! Das müssen wir echt langsam in den Griff bekommen! Hier hast du dein Bento und noch ein Onigiri für den Schulweg. Was möchtest du heute zu Mittag essen? Du darfst dir etwas wünschen!“ trällerte sie schon wieder fröhlicher. Ich seufzte innerlich. Wäre ich die schnellen Themenwechsel meiner chaotischen Mutter nicht schon längst gewöhnt, würde ich bestimmt an einem Schleudertrauma leiden, wenn ich das Haus verlasse. Also packte ich dankend mein Bento ein und nahm mir das Onigiri, das ich skeptisch in meiner Hand begutachtete. Einen Augenblick überlegte ich, auf was ich denn Lust hatte zu Mittag, doch mir fehlte jeglicher Appetit, so zuckte ich nur unentschlossen mit den Schultern und nuschelte ein „Überrasche mich!“, während ich schon auf dem Weg zur Tür war und mich beeilte das Haus zu verlassen, damit sie mich nicht mit noch mehr Fragen bombardieren konnte.
 

Auf dem Schulweg aß ich schließlich doch in Gedanken versunken das Onigiri. Meine Schritte wurden immer langsamer, je näher ich der Schule kam und vor dem großen Tor blieb ich erst einmal stehen. Ich war unentschlossen, noch war das Tor offen und ich konnte einfach hinein gehen, aber ich traute mich nicht. Irgendwie beschlich mich ein ungutes Gefühl und ich musste meinen kompletten Mut zusammen nehmen um es schließlich unter aufdringlichen Blicken, dummen Kommentaren und leichten körperlichen Angriffen bis vor mein Klassenzimmer zu schaffen, wo ich die wartende Person erst gar nicht bemerkte. Erst als es mucksmäuschenstill um mich geworden war, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte und blickte panisch auf. In diesem Moment stieß sich der wartende Junge von der Wand ab und kam auf mich zu. Leises Tuscheln erklang, doch niemand stellte sich ihm in den Weg oder wagte es ihn an zu sprechen. Er griff kommentarlos nach meiner Hand und schleifte mich von meinen Klassenkameraden weg. Ich war so verdutzt, dass ich mich weder wehrte, noch Protest einlegte. Was jetzt wohl wieder kam? Ich kannte ihn nur vom Sehen her und wusste, dass er öfter mit Reita zusammen hing, aber wer er war blieb mir vorerst schleierhaft.

Kapitel 7

Der große, schwarzhaarige Junge stellte mich kommentarlos vor dem

Konferenzraum des Schülerrates ab und lehnte sich, die Arme vor der

Brust verschränkend wieder an die Wand. Als er mein Zögern bemerkte,

grinste er ganz leicht, "Na geh schon rein! Er wartet auf dich!" Ich

erschauderte ob seiner tiefen, samtigen Stimme und mir viel ein Stein vom

Herzen. Anscheinend war die Aktion also auf Reitas Mist gewachsen und ich wurde

nicht von irgend einem verrückten Fanclub entführt und in ihre

Folterkammer geschleppt. Ich griff nach der Tür und atmete noch einmal

tief durch, bevor ich sie vorsichtig auf schob.
 

Er stand am Fenster und blickte in den Himmel. Ich musterte kurz sein von

der Sonne beleuchtetes Profil und musste schlucken. Wie schön er doch

war, auch wenn man durch sein Nasenband nicht sein ganzes Gesicht sehen

konnte. Leise schloss ich die Tür wieder hinter mir, da ich ihn nicht aus

seinen Gedanken reißen wollte, doch er schien mich zu bemerken und

drehte sich zu mir um. Als er mich erkannte verzog sich sein Mund

augenblicklich zu einem seltenen Lächeln. Wie ich es doch liebte, und es galt

nur mir. Mit weichen Knien, das Lächeln schüchtern erwidernd, ging ich

auf ihn zu, er schien mich förmlich anzuziehen.
 

Als ich bei ihm war hauchte er ein leises "Hey!" und schloss mich sofort in

seine großen Arme um nach meinen Lippen zu haschen. Ich schmiegte

mich vorsichtig gegen seinen warmen Körper und erwiderte seufzend das

sanfte Zungenspiel in das er mich verwickelte. Ich ließ langsam meine

Hände in seinen Nacken wandern und er zog mich mit zu einem Tisch, auf

den er sich setzte. Ich kletterte kurzerhand auf seinen Schoß.
 

Unser Kuss wurde leidenschaftlicher, fordernder, unser beider Atem

beschleunigte und ich hatte das Gefühl als wolle mir mein Herz aus der

Brust springen. Ich richtete mich auf meinen Knien auf um mich noch

enger an ihn zu schmiegen. Als ich seine großen Hände an meinen Hüften

spürte, lief mir ein unbekanntes Prickeln über den Rücken und ich keuchte

auf, als sich tastende Finger unter mein Shirt schoben und meine

erschaudernde Haut kosten. Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah

direkt in die vor Lust fast schwarzen Iriden unter mir. Was tat er da?
 

Es war nicht so, dass es mir nicht auch gefiel, im Gegenteil, aber wie weit

wollte Reita gehen? Die Unsicherheit, die mich plötzlich beschlich stand als

krasser Gegensatz zur Reaktion meines Körpers, denn in meinem Bauch

kribbelte es wie verrückt und seine Finger hinterließen heiße Spuren, die

sich in mein Gedächtnis einbrannten auf meiner bebenden Bauchdecke, die

sich seinen Berührungen unbewusst entgegen reckte.
 

Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schlich, als er eine Hand vorsichtig

höher wandern ließ und federleicht über meine Brust glitt. Dabei

beobachtete er genau meine Reaktion. Ich ließ meine Augen ebenfalls auf

seinen ruhen, gespannt, wo er mit seiner Hand noch alles hin wollte. Unsere

Lippen waren nur Millimeter voneinander getrennt und wir konnten beide

den heißen Atem des jeweils anderen auf ihnen spüren, was das Verlangen

sie zu küssen nur noch steigerte. Doch wir warteten ab. Und steigerten so das Verlangen.
 

Seine freie Hand hatte er unter meinem Shirt stützend um meine Hüfte

geschlungen. Als er eine meiner bereits sehr empfindliche Brustwarzen

streifte, flogen meine Lippen zu einem leisen Stöhnen auseinander.

Erschrocken biss ich mir auf die rot geküsste und leicht zitternde

Unterlippe. Mir war es peinlich, so offensichtlich angetan auf ihn zu

reagieren, doch er lächelte nur sanft und stahl mir einen weiteren, dieses

mal hauchzarten, aber innigen Kuss.
 

Als wir uns wieder voneinander lösten, lehnte ich meine Stirn an die seine

und genoss seine kraulenden Finger auf meine nackten Haut. Wir waren

uns so nahe. Ich strich ihm vorsichtig mit einer Hand über die Wange, die

andere kraulte seinen Nacken. Ich würde zu gerne einen Blick auf seine

Nase werfen. Wie er wohl ohne dieses Band aussah? Ich kannte ihn nur mit

dem nervigen kleinen Ding, da er es schon immer getragen hatte.

Vorsichtig strich ich die Kontur seiner Nase nach und erschauderte immer

wieder, wenn seine immer noch auf meiner Brust kreisende Hand meine

empfindlich aufstehenden Brustwarzen streifte oder sogar liebkoste.
 

"Ich... Es tut mir leid, wegen gestern." Brachte Reita plötzlich mit belegter

Stimme heraus. "Ich war ziemlich... fordernd und habe dich einfach so vor

Allen überfallen, ohne daran zu denken, wie sie darauf reagieren würden

und dass sie dir Probleme machen könnten. Ich hoffe, sie haben dich in

Ruhe gelassen!" Er sprach nur ganz leise und sah mir dabei immer noch

forschend in die Augen. "Sch... schon okay!" Stotterte ich keuchend, da er

immer noch nicht aufgehört hatte seine Hand über meinen Körper

wandern zu lassen, was mich ganz wuschig machte. Ich hatte Probleme

mich auf seine Worte zu konzentrieren und dementsprechend einfallsreich

fielen auch meine Antworten aus. "Es ist... alles in .. Ordnung ... ngh~"

Hauchte ich gegen seine Lippen. Und verschloss sie abermals wieder mit meinen. Er sollte endlich aufhören zu reden.
 

Doch in diesem Moment erklang die Schulglocke und ich erschrak fast zu Tode, als mir auffiel, dass ich zu spät kommen würde. Hastig löste ich mich aus seiner Umarmung und sprang von seinem Schoß. "Oh nein! Ich komm zu spät!" Murmelte ich fahrig vor mich hin, während ich meine Klamotten wieder zu ordnen versuchte. Als ich schon losstürmen wollte, hielt er mich an meinem Handgelenk zurück und grinste mich frech an. "Ganz locker, du bekommst keinen Ärger! Dafür habe ich schon gesorgt!" Verwundert blickte ich ihn an. Wie machte er das nur? Er schien ja sogar unter den Lehrern ziemlich großen Einfluss zu haben und das obwohl er eh bald die Schule verlassen würde.
 

Als er meinen fragenden Blick sah fügte er noch schmunzelnd hinzu: "Das erkläre ich dir wann anders, aber was viel wichtigeres. Wo treffen wir uns in der Pause?" Ich schaute ihn nachdenklich an. Sollte ich ihm mein kleines

Versteck verraten? Oder wollte er, dass ich mit zu seinen 'Freunden' kam?

Ich runzelte die Stirn bei dem Gedanken, was ihn abwehrend die Hände

heben ließ! "Wenn du mich nicht sehen willst, ist das natürlich auch okay!

Ich möchte dich zu nichts zwingen. Ich würde mich nur sehr freuen wenn wir~ " Seine Stimme wurde immer leiser und er sah peinlich berührt zu Boden.
 

Wie süß und schutzlos er auf einmal wirkte, wie er da stand und sich verlegen am Hinterkopf kratzte. Ich beschloss alles auf eine Karte zu setzen. Ich musste ihm vertrauen, anders würde das mit uns so oder so nichts werden, sagte ich mir selber im Stillen. Und so viel hatte ich jetzt nicht mehr zu verlieren. Immerhin war bis jetzt auch alles gut gegangen. Denn hätte er mich wirklich bloßstellen wollen, hätte er mich heute einfach

ignoriert oder er hätte meine Klasse dazu angestachelt mich gnadenlos

fertig zu machen, als ich heute Morgen in der Schule an kam. Doch er

hatte mich hier her geholt und mich schon wieder...
 

Ich merkte, wie mir die Röte abermals ins Gesicht stieg. Ich konnte es immer noch nicht ganz glauben. DER REITA hatte mich gern und küsste mich mit so viel Verlagen, wie ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich musste der größte Glückspilz auf dieser Welt sein, dass mir einmal so etwas widerfuhr.
 

Um die Nervosität, die schon wieder in mir aufkeimte zu unterdrücken,

schulterte ich meine Tasche und meinte zu ihm: "Warte am

Treppenaufgang neben meinem Klassenzimmer auf mich, aber beeil dich,

damit uns keiner sieht!" Ermahnte ich ihn noch und wandte mich zum Gehen. Doch noch bevor ich die Tür wieder öffnen konnte, war er hinter mir und lehnte sich mit einer Hand dagegen, sodass ich sie nicht öffnen konnte. Er hauchte mir ein leises Danke in den Nacken, bevor er seine Lippen einmal zart über die weiße Haut gleiten ließ und mir somit einen heißen Schauer über den Rücken jagte, der mich auf keuchen ließ und sich in meinen Lenden festsetzte. Er hatte unbewusst die wohl empfindlichste Stelle meines Körpers gefunden. Jetzt musste ich aufpassen, dass ich nicht ein ernstes Problem im Unterricht bekam.
 

"Bis später!" stammelte ich noch als er seine Hand wieder von der Tür nahm, bevor ich sie ruckartig aufschob und zu meinem Klassensaal rannte, den ich mit gesenktem Kopf betrat. Doch zu meiner Verwunderung, bekam ich keinen Tadel vom Lehrer, sondern nur ein leichtes Nicken zur Begrüßung und die Information, wo wir gerade im Buch waren. Das war mir noch nie passiert. Wie konnte das sein? Normalerweise musste ich zur Strafe immer alleine den Putzdienst übernehmen oder bekam eine Extraarbeit auf gebrummt. So ging ich mit gesenktem Blick zu meinem Platz ganz hinten am Fenster. Ich spürte die Blicke der Anderen, die ich wie Geier beobachteten und mir im stillen den Tod an den Hals wünschten, da war ich mir sicher. Während des gesamten Unterrichts schaute ich verträumt aus dem Fenster. Meine Gedanken kreisten nur um Reita. Was er jetzt wohl für einen Unterricht hatte?
 

Kurz bevor es klingelte sprang ich bereits von meinem Platz auf und stürmte aus dem Klassenzimmer, so wie ich es immer tat, um als erstes aus der Klasse zu kommen. Reita stand schon wartend da und grinste mich zur Begrüßung an, doch ich schnappte mir nur nervös seine Hand und schleifte ihn die Treppen hoch und in einen Gang, in dem nur Räumlichkeiten für die Nachmittags-AGs waren. Ganz hinten gab es eine weitere kleine Treppe die gut hinter einigen alten Theaterkulissen versteckt war und zu einer schweren Eisentür führte. Dahinter lag mein Reich, das Schuldach, auf dem ich jede meiner Pausen verbrachte, um ungestört zu sein. Denn ich schien der einzige Schüler zu sein, der diesen Ort kannte.
 

Ich hatte die Treppe einmal durch Zufall gefunden, als ich vor meinen Peinigern geflüchtet war und mich hier verstecken wollte. Doch als ich meine Verfolger im Treppenhaus gehört hatte, war ich immer weiter hinter die alten Kulissen geklettert und war schließlich auf den Stufen heraus gekommen. Seitdem waren nun schon einige Jahre vergangen und ich hatte die Pappmaschee-Landschaften so umgestellt, dass man die Treppe nicht entdecken konnte, aber leicht einen kleinen Gang erreichte, wenn man nur den richtigen Berg in die richtige Richtung drehte um durch die Höhle, die sein Inneres ausmachte hindurch ging.
 

Als wir endlich oben waren und sich die schwere Tür ächzend in ihren Angeln bewegte, staunte Reita nicht schlecht als ihm eine laue Brise warmer Sommerluft entgegen schlug und er sich hoch über dem Viertel befand, da unsere Schule das höchste Gebäude in der näheren Umgebung war. Er besah sich alles ganz genau, den alten Basketballkorb, der noch von einer regen Nutzung dieses Ortes von vergangenen Generationen der Schülerschaft zeugte, ein Paar Grafitties, die die kleinen Mauern der Lüftungsluken zierten, und vor Allem den fantastischen Ausblick. Er stellte sich an den Zaun, der das komplette Dach umgab und schaute hinunter auf die unten herumtollenden Schüler.
 

„Deshalb habe ich dich nicht finden können!“ Merkte er verstehend an, als ich neben ihn trat und seinem Blick folgte. „Weiß noch jemand von diesem Ort?“ Fragte er interessiert nach. Ich schüttelte konsequent den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste! Und so soll es auch bleiben!“ Machte ich ihm sofort klar, dass er es ja keinem erzählen sollte. Ich ließ mich mit dem Rücken zum Zaun auf den Boden sinken und packte mein Bento aus, da ich langsam aber sicher Hunger bekommen hatte. Immerhin war seit gestern Nachmittag nur ein einziges Onigiri meine Nahrung gewesen.
 

Reita ließ sich neben mir nieder und packte ebenfalls sein Essen aus, was um einiges schlampiger zubereitet und eingepackt war als mein eigenes. „Danke, dass du mir das hier gezeigt hast!“ Meinte er plötzlich als wir bereits eine ganze Weile stumm gegessen hatten. Ich nickte zur Antwort nur. Meine Gedanken kreisten um eine Frage, dich ich mich nicht traute aus zu sprechen, doch sie brannte mir auf der Seele. Waren wir nun ein Paar? Oder war es dafür noch zu früh? Ich meine, kennengelernt hatten wir uns bis jetzt zwar schon, aber eben noch nicht richtig, aber so wie wir uns bereits nahe gekommen waren, war ich noch nie jemandem auch nur im Traum nahe gewesen. Aber war das für ihn auch so etwas besonderes? Oder war er solche Körperlichkeiten gewöhnt und spielte nur gerne etwas herum?
 

Er schien zu merken, dass ich mit meinen Gedanken ganz wo anders war, denn plötzlich griff er sanft an mein Kinn, drehte mich zu sich um und küsste mir verschmitzt grinsend ein Reiskorn aus dem Mundwinkel. Mein Herz setzte einen Moment aus. Als ich, ob der plötzlichen, unerwarteten Aktion tief rot anlief, grinste er nur noch mehr. „Was denn? Das Essen deinen Mum schmeckt nun mal super!“ „A-aber...“ Bekam ich als einziges heraus. Na super jetzt machte ich mich hier wieder zum Deppen. „Was aber? Ich habe dich geküsst? Na und? Denk doch mal daran wie du mich heute morgen geküsst hast! Das war noch ein ganz anderes Kaliber, was du übrigens jeder Zeit gerne wiederholen darfst.“ Bei seinen Worten durchzuckte mich die dumpfe Enttäuschung. Natürlich war es nichts besonderes für ihn, wie konnte ich nur auf diese Dumme Idee kommen?
 

Er lehnte sich nach vorne und hauchte in mein Ohr: „Den Rest natürlich auch, wie du dich meinen Berührungen entgegen gereckt hast... Und dein süßes Stöhnen erst...“ Sein Heißer Atem und die Art wie er diese Worte aussprach verschlugen mir glatt die Sprache. Meine Gesichtszüge entgleisten mir geschockt und ich sah ihn peinlich berührt an! Wie konnte er das alles nur so direkt aussprechen? Ich schnappte bebend nach Luft. Er schien zu merken, dass er mich gerade ganz schön in Verlegenheit gebracht hatte und lächelte mich unschuldig an um mich wieder zu beruhigen. „Schon gut, tut mir leid!“ Meinte er lachend. „Ich wollte dich nicht verschrecken... auf Dirty-Talk scheinst du ja nicht zu stehen!“ Peinlichst berührt blickte ich auf meine Schuhe und traute mich kaum, mich zu bewegen.

Kapitel 8

„Aber sag mal, über was hast du vorhin nachgedacht? Ging es dabei um mich?“ wurde er sofort wieder ernst.
 

Ah shit! Die Sache mit dem Zusammensein... sollte ich ihn das fragen? Wohl besser nicht. Ich entschied mich also dagegen. „Nein, es geht nicht immer um dich! Weißt du?“ Schmunzelte ich ihn neckend an. „Nur weil du so beliebt bist, heißt das nicht, dass sich das Leben jedes anderen Menschen nur um dich dreht!“ Als ich vorsichtig in sein Gesicht sah und seine entgleisten Züge bemerkte, musste ich los prusten.
 

Er sah einfach zu göttlich aus, mit seinem peinlich berührten Gesicht. „Was denn? Hat dir das noch nie jemand gesagt?“ Wieso reagierte er so komisch auf diese Anspielung? Ich knuffte ihm freundschaftlich gegen die Schulter, doch er schnaubte nur beleidigt. „Weiß ich doch!“
 

Nach einem kurzen Moment des Schweigens, meldete er sich wieder leise zu Wort. „Wieso bist du so zu mir?“ „Was? Wie bin ich denn? Was meinst du?“ Fragte ich verwirrt. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. „Ich weiß nicht... so... ehrlich würde ich sagen. Alle versuchen immer so freundlich und nett zu mir zu sein und ja nichts falsches in meiner Gegenwart zu sagen. Aber du... dich scheint es gar nicht zu stören, dass du mich mal ärgerst. Versteh mich bitte nicht falsch, ich mag das sehr an dir! Ich wundere mich nur, warum du so anders bist als unsere ganzen Mitschüler. Das verwirrt mich.“
 

„Ich... also... keine Ahnung... wieso sollte ich dich denn anlügen? Vielleicht... ist das gerade mein Problem. Ich sehe es nicht wirklich ein anderen Menschen Honig um die Mäuler zu schmieren. Wahrscheinlich mögen sie mich deshalb nicht." Resignierend seufzte ich und sah überrascht auf, als eine Hand die meine ergriff und fest drückte.
 

"Ich mag dich so, wie du bist! Ehrlich!" Strahlte er mich mit einem absolut ansteckenden Lächeln an. Als ich den Druck auf seine Hand dankbar erwiderte, schlich sich eine leichte Röte auf seine Wangen um sein Nasenband. Wie gerne ich ihn doch mal ohne sehen würde. Er schien zu merken, wo mein Blick hängen geblieben war und senkte beschämt den Kopf. "Du fragst dich sicher, wieso ich das trage? Ich... " "Ist schon okay... Du musst es mir nicht erzählen." Unterbrach ich ihn, bevor er mir eine Abfuhr verpassen konnte, denn ich spürte ganz genau, dass er eigentlich nicht darüber reden wollte. Ich konnte es verstehen, war aber dennoch enttäuscht. Ich schien nicht der einzige von uns beiden zu sein, der ein Geheimnis hatte.
 

Als die Schulglocke erklang packte ich meine Bentobox ein und wollte mich schon wieder auf den Weg zu meinem nächsten Unterrichtsraum machen, als Reita mich noch einmal zurück hielt.
 

"Wann sehe ich dich wieder?" Fragte er mich schüchtern, was mich schmunzeln ließ. Was die Anderen wohl sagen würden, wenn sie den Obermacker der Schule so sehen könnten?
 

"Ich weiß nicht. Ich..." Ich verbrachte ja unheimlich gerne Zeit mit ihm, aber ihn von jetzt an immer um mich herum zu haben, wäre mir etwas zu viel gewesen. Außerdem hatte ich angst, dass mein Versteck entdeckt werden könnte, wenn er auf die Idee kam hier hoch zu spazieren ohne darauf zu achten ob er von irgend wem gesehen wird.
 

"Verstehe das jetzt bitte nicht falsch, aber wegen mir musst du nicht jede Pause mit mir verbringen." Ich hoffte innerlich, dass er meinen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen würde. An seiner enttäuschten Miene erkannte ich, dass meine Worte wohl genau die richtige Wirkung gezeigt hatten. Reita hatte verstanden und ich war gespannt, ob er sich daran halten würde. Das Ganze ging mir etwas zu schnell, vor Allem, wenn ich an die Szene vor dem Unterricht dachte. Ich war Nähe nun mal nicht gewöhnt.
 

"Können wir uns dann vielleicht am Wochenende sehen?" Fragte er vorsichtig mit Hoffnungsvollem Blick nach. Er wollte mir anscheinend wirklich etwas Zeit geben, denn bis zum Wochenende waren es immerhin noch fast vier Tage. Ich überlegte kurz. Meine Wochenenden waren eigentlich die Zeit, die ich mit meiner Mutter verbrachte, da sie ja ansonsten berufstätig war und ich zur Schule ging.
 

Sollte ich ihn etwa zu mir nach Hause einladen? Das wäre wohl die einzige Möglichkeit sowohl ihn als auch meine Mutter zu sehen. Aber dazu wollte ich ihn vorher nochmal sehen. Die zwei Tage, die wir jetzt Kontakt hatten reichten mir da absolut nicht aus um ihn gleich zu mir nach Hause zu schleppen.
 

Zwickmühle! Misst! Was jetzt? Ich wollte ihn auch nicht enttäuschen! Denn im Grunde wollte ich ja schon Zeit mit ihm verbringen. Nur eben nicht gleich so viel! Ich zog grübelnd meine Stirn in Falten, was ihn zu beunruhigen schien. Er trat nervös von einem Bein auf das Andere und wollte schon wieder etwas sagen, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
 

„Gut, wir machen es so. Du begleitest mich die nächsten Tage nach der Schule nach Hause. Nur bis zu meiner Haustür! Nicht weiter! Und keine Spirenzchen! Dann sehen wir weiter ob du am Wochenende zu mir kommen kannst. Ist das okay für dich?“ Ich hatte die Worte härter klingen lassen, als ich es beabsichtigt hatte, doch das schien er garnicht bemerkt zu haben, denn ein zufriedenes Lächeln zierte sein Gesicht, was mich nur grummeln ließ. Ich hatte das Gefühl, dass er sich in meiner Gegenwart langsam zu so einer Grinsebacke wie Kai es war entwickelte.
 

„Okay, alles klar! Ich warte dann am Schultor auf dich!“ Waren die letzten Worte die er von sich gab, bis wir die Treppe zurück ins Schulgebäude wieder herabgestiegen waren und ich einen Teil der Kulissen so hin gerückt hatte, dass man den Durchgang nicht mehr entdecken konnte. Sein Grinsen verschwand jedoch nicht mehr von seinen Lippen. Als ich fertig war sah ich ihn noch einmal an und sah immer noch dieses dümmliche Lächeln. War ja nicht zum Aushalten. „Was schaust du so grimmig?“ Fragte er nur schmunzelnd, doch aus seinen Augen sprach der Schalk.
 

„Ach nichts!“ Versuchte ich ihn ärgerlich ab zu wimmeln. Wieso nervte er mich auch so? Ich brauchte meine Ruhe in den Pausen. Wozu waren sie denn sonst gut? „Hey!“ Er hielt mich am Handgelenk zurück, drehte mich ohne Anstrengung zu sich um und küsste mich, womit er jegliche verbale Gegenwehr im Keim erstickte.

Seine Nähe lullte mich sofort ein und ich vergaß, dass er mich gerade noch genervt hatte.
 

Als er wieder von mir ab ließ, senkte ich beschämt den Blick und versuchte mein wild pochendes Herz wieder zu beruhigen. „Bis nachher!“ Flüsterte er mir noch flüchtig ins Ohr, ließ mein Handgelenk wieder los und verschwand im Gewirr der Gänge. Einen Moment blieb ich noch stehen um meine wirren Gedanken wieder zu ordnen. Was für ein verrückter Tag! War das wirklich alles so passiert? Oder driftete mein Gehirn von einem Tagtraum in den nächsten. Wurde ich langsam verrückt?
 

Diese ganzen Situationen. Alles schien so unrealistisch. Fast schon verzerrt. Bis gestern hatte sich niemand für mich interessiert. Ich war absolut alleine und niemanden außer meiner Mutter kümmerte es, wie es mir ging, oder was ich so trieb. Nicht einmal meiner Existenz schien irgendjemand etwas positives abgewinnen zu können. Ich hatte mich daran gewöhnt von allen Seiten nur Ignoranz oder Hass entgegen gebracht zu bekommen, hatte mich in meine eigene kleine Welt eingesperrt und lebte dort vor mich hin – nein - ich vegetierte vor mich hin, um irgendwie am Leben zu bleiben. Wobei es auch Zeiten gab, in denen ich mich nach dem Tod sehnte. Manchmal hielt ich die Einsamkeit kaum aus und dann gab es nur noch die Musik, die mir einen Grund gab mich irgendwie wieder auf zu rappeln und doch noch weiter zu machen.
 

Jetzt auf einmal gab es da jemanden, den ich schon lange aus der Ferne her angehimmelt hatte. Jemand, der mich unerwarteterweise wahrgenommen hatte und jemand, der auch noch nett zu mir war. Das alles überforderte mich maßlos. Ich konnte ihm einfach nicht wirklich trauen. In mir sträubte sich alles gegen den Gedanken jemandem zu vertrauen. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, was auf mich zukommen würde, wenn Akira wirklich nur mit mir spielte, oder er mich aus irgend einem Grund doch nicht mehr mochte. Dann hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Die Übelkeit nahm zu.
 

Als es mir nach der nächsten Schulstunde noch nicht besser ging, mir durch meine wüsten Gedankengänge nur noch mulmiger geworden war, beschloss ich mich meines Frühstücks wieder zu entledigen. Ich schluckte, als ich die dunklen Augenringe und die Blasse Haut im Spiegel der Jungentoilette sah, die mein Gesicht darstellten. So konnte ich mich nicht wieder unter die Schüler wagen, das würde sofort auffallen. Also beschloss ich, die nächste Stunde zu schwänzen und stattdessen auf dem Dach frische Luft schnappen zu gehen.
 

Oben angekommen, machte ich meinen iPod an und angelte in den Tiefen meiner Tasche nach einer Zigarette. Ich setzte mich auf einen Vorsprung, der nahe am Rand stand und genoss die Aussicht und die Musik. Langsam ging es mir besser, der silbrige Rauch benebelte zusehens mein Gehirn und schränkte meine Denkfähigkeit ein. Das einzige was blieb, war ein leises ziehen in der Magengegend, was ich aber gekonnt ignorierte.
 

Wie sollte ich diesen Tag nur überstehen? Plötzlich hatte ich gar keine Lust mehr darauf Akira noch einmal unter die Augen zu treten. Nicht in meinem jetzigen Zustand. Ich wollte einfach nur noch nach Hause und meine Ruhe haben. Vor Akira, vor den Anderen, aber vor Allem vor meinen Gedanken.
 

Nachdem ich meine Zigarette auf geraucht und noch eine weile sinnlos in der Gegend herum gestarrt hatte, beschloss ich auch den Rest des Unterrichtes zu schwänzen und machte mich auf den Heimweg. Die Abmachung mit Akira völlig außer Acht lassend. Hatte er halt Pech gehabt. Und?
 

Meine Mutter war noch nicht zuhause. Sie würde erst am späten Nachmittag kommen. Also schlurfte ich hoch in mein Zimmer, verschloss die Tür, damit sie mich nicht stören konnte, wenn sie später nach mir sehen wollte und beanspruchte meinen iPod abermals auf voller Lautstärke. Eine weile wälzte ich mich unruhig auf meinem Bett herum, fand aber keine Ruhe, obwohl ich mich völlig erschlagen fühlte. Also beschloss ich eine Schlaftablette zu nehmen. Ich hatte keine Lust mehr nach denken zu müssen. Ich war so erschöpft, dass ich einfach nur noch schlafen wollte. Also rappelte ich mich auf, zog mir bequemere Klamotten an, schloss die Zimmertür wieder auf, da mich meine Mutter eh nicht wach bekommen würde, wenn ich erst einmal unter dem Einfluss der Medikamente stand und holte mir zuletzt noch ein Glas Wasser aus der Küche.
 

Ich schluckte die Tabletten bereits auf der Treppe. Oben angekommen stellte ich das Glas auf dem Nachttischschrank ab, steckte mir die Kopfhörer zurück in die Ohren und streckte mich ohne Decke auf dem Bett aus, da es eh viel zu warm war. Einen kurzen Moment lauschte ich noch der Musik, bis ich merkte, dass die Welt um mich herum immer weiter in die Ferne rückte, bis ich endlich komplett weggetreten war. Ich bekam nicht mit, wie meine Mutter nach Hause kam und mich mit ernstem Blick zudeckte. Sie hatte das Wasserglas sofort gesehen und wusste, was ich getan hatte.
 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich wie in Watte gepackt. Meine Sinne brauchten eine ganze Weile, bis sie wieder normal arbeiten konnten. Selbst nachdem ich geduscht hatte, war mein Kopf immer noch angenehm leer. Fertig angezogen schlich ich runter in die Küche und stockte kurz im Türrahmen. Meine Mutter saß mit sorgenvollem Gesicht am Tisch und rührte abwesend in ihrem Kaffee herum, während in ihrer anderen Hand eine Zigarette ohne ihr Zutun verglühte.

„Morgen!“ Nuschelte ich vor mich hin, während ich zum Kühlschrank tapste um mir etwas zu trinken zu holen. Als ich mich wieder zu ihr herum drehte, hatte sie sich nicht weiter bewegt außer um in ihrem Kaffee zu rühren. Hatte sie mich etwa nicht bemerkt?
 

„Mum? Ist alles in Ordnung?“ Fragte ich sie vorsichtig. Sie wirkte so erschöpft, wie sie dort in sich zusammengesunken am Tisch saß. Ihr Gesicht war fahl und ihre Augenringe nicht zu übersehen. „Das würde ich gerne von dir hören!“ Ihre Stimme war nur ein Wispern, dennoch hatte ich sie verstanden. Ich antwortete nicht. Was hätte ich ihr auch sagen sollen?
 

„Du wirst das Haus nicht verlassen, bis ich eine Antwort von dir habe Takanori! So geht es definitiv nicht weiter!“ Plötzlich war ihre Stimme klar und streng. Sie drückte den Zigarettenstummel energisch in den Aschenbecher, bis die kleine Rauchfahne verschwunden war und steckte sich eine neue an um einen tiefen Zug einzuatmen.
 

Ich stand da, in meiner Bewegung versteinert. Erst als sie einen Schluck aus ihrer Tasse Kaffee genommen hatte und angeekelt das Gesicht verzog, da er wohl schon kalt war, ließ ich das Tetrapack sinken das ich gerade im Begriff war zum Mund zu führen um daraus zu trinken. Mit einem Seufzen drehte ich den Deckel wieder zu und ließ mich mit hängendem Kopf auf den Stuhl neben sie sinken.

„Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll... Aber es ist nicht so wie du denkst.“ Versuchte ich die richtigen Worte zu finden. „So? Wie ist es denn dann? Takanori? Du isst wieder nicht richtig, schwänzt die Schule und dröhnst dich zu! Muss ich die Tabletten wieder vor dir verstecken, nur damit ich nicht den ganzen Tag über Angst haben muss, dass du dir eine Überdosis verpasst?“ Ihre stimme zitterte leicht, was mich zutiefst schockierte. So hatte ich sie nur selten erlebt. Ihre Worte trafen mich hart und ich biss die Zähne zusammen um mich unter Kontrolle zu halten.
 

„Bitte Mum, lass mich zur Schule gehen! Ich werde dir später alles erklären! Bitte?“ Flehte ich sie leise an, doch im Grunde wusste ich, dass sie mcih nicht gehen lassen würde. „Nein Takanori! Das mache ich nicht mehr mit! Es reicht! Entweder du sprichst offen mit mir, oder ich schicke dich in die Klinik. Ich weiß das ist hart, aber du hast die Wahl. Ich weiß mir einfach nicht mehr anders zu helfen. Wenn ich heute Abend nach Hause komme möchte ich eine Antwort, oder ich lasse dich abholen. Hast du mich verstanden?“
 

Zum ersten mal sah sie auf und blickte mich an. Ich wich ihrem Blick beschämt aus und brachte nur ein zaghaftes Nicken zustande. Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen. Sonst hätte sie die aufsteigenden Tränen gesehen und sich nur noch mehr Sorgen gemacht.
 

Ich konnte sie sehr gut verstehen, aber ich brauchte noch etwas Zeit um mich ihr anvertrauen zu können. Ich war ihr nicht böse, noch war ich enttäuscht. Im Grunde tat sie mir nur leid. Ich hatte ihr schon so viele Sorgen bereitet und trotzdem war sie immer noch so geduldig mit mir.
 

Sie erhob sich vom Tisch und schüttete den Rest ihres Kaffees kommentarlos in die Spüle. „Ich lege mich noch eine Stunde hin.“ Somit verließ sie die Küche und verschwand in ihrem Schlafzimmer. Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken und begann zu schluchzen. „Es tut mir leid!“ Presste ich erstickt hervor. Mein ganzer Körper begann zu zittern.
 

Erst nach einer ganzen Weile schaffte ich es mich auf zu raffen und wieder in mein Zimmer zu schleppen. Das Tetrapack blieb vergessen auf dem Küchentisch zurück.

Kapitel 9

Übelkeit war das erste, was ich wieder wahr nahm, als ich zu mir kam. Ich lag angezogen auf meinem Bett und eine leichte Schweißschicht überzog meinen ganzen Körper, außerdem fröstelte ich etwas, obwohl die Mittagshitze bereits erdrückend war. Langsam verdrängten wirre Gedankenfetzen die angenehme Schwärze. Ich erinnerte mich wieder daran, was meine Mutter heute Morgen gesagt hatte.
 

Ein Seufzen entfloh meinen Lippen. Was Akira jetzt wohl von mir halten würde? Verdammt! Ich hatte weder seine Telefonnummer, noch seine Mailadresse um ihm eine Nachricht zu schreiben und ich kannte auch Niemanden, den ich danach fragen konnte. Was nun? Ich wollte ihm irgendwie Bescheid geben, aber wie? Wenn ich doch zur Schule ging würde meine Mutter eine Krise bekommen. Außer... sie bekam es garnicht erst mit. Ich konnte ja kurz zu Akira gehen um ihm zu erklären, warum er wohl umsonst auf mich gewartet hatte. Wenn... er das denn überhaupt getan hatte.
 

Nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen hatte stellte ich fest, dass mir noch ein paar Stunden Zeit blieben, bis meine Mutter von der Arbeit kommen würde. Ich machte mich also Hals über Kopf auf um Akira zu treffen. Schnappte mir nur schnell den Schlüssel und schlüpfte in meine Schuhe, bevor ich los sprintete. Völlig atemlos kam ich in der Schule an und musste feststellen, dass ich bis zur nächsten Pause noch etwas zu warten hatte. Ich setzte mich also auf die Treppenstufen, die sich gegenüber seines Klassensaals befanden, und hoffte, dass mich niemand entdecken würde.
 

Doch ich hatte natürlich umsonst gehofft. Wie konnte ich auch so dumm sein und einfach so drauf los stürmen? Ohne mir vorher über die Konsequenzen Gedanken zu machen? Wollte Akira mich überhaupt noch sehen, wo ich ihn einfach versetzt hatte? Und da waren noch die anderen Schüler. Wenn sie mich sehen würden, so wie es gerade der Fall war, würde ich nicht so glimpflich davon kommen, das hätte mir eigentlich klar sein müssen. Ich war so damit beschäftigt nach zu grübeln, was genau ich Akira eigentlich sagen wollte, dass ich die Stimmen der kleinen Gruppe erst hörte, als sie genau neben mir um die Ecke bogen.
 

Erschrocken sah ich auf und schnellte sofort hoch, als ich sie erkannte. Alles in mir wollte einfach nur noch wegrennen, als ich meine alltäglichen Peiniger erkannte, doch ich war viel zu langsam. Eine große Hand packte meine Schulter so fest, dass mir ein Keuchen entwich. "Na wen haben wir denn da? Lange nicht mehr gesehen Pissnelke! Hast du uns etwa vermisst?" Die kalten Worte ließen Panik in mir aufkeimen. Das war das letzte, was ich jetzt brauchen konnte! Ich schloss meine Augen, stumm betend, dass sie mich in Ruhe lassen würden, doch nur Sekunden später spürte ich, wie sich das Treppengeländer schmerzhaft in meinen Rücken bohrte. Ich hob meine Arme schützend über meinen Kopf in dem Wissen, dass es mir doch nichts bringen würde.
 

"Mir ist zu Ohren gekommen, dass du einen neuen Freund hast! Ich bin mal gespannt, wie tief eure Freundschaft geht! Ich denke nicht, dass sich Akira mit einem Schwächling wie dir abgeben will!" Wut stieg in mir auf. Es war so klar gewesen, dass das noch Folgen haben würde. "Lass Akira da raus!" Funkelte ich den Anführer der Bande an, von dem die Worte gekommen waren. Ich wollte vor schnellen um ihm eine rein zu hauen, doch stattdessen japste ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, als sich eine große Faust mit voller Wucht in meine Magengegend bohrte. Ich strauchelte und stolperte die Treppe herunter. Der Länge nach schlug ich auf dem Boden auf, da ich es nicht mehr schaffte mich zu fangen.
 

Zischend hisste ich auf, als mein Kopf an meinen Haaren brutal nach hinten gezogen wurde. So konnte ich mich nicht mehr wehren und ich musste ihre Tritte ohne jede Gegenwehr ertragen. Mir wurde schlecht und mein gesamter Körper krümmte sich unter den Schmerzen zusammen. Tränen rannen mir über die Wangen, doch ich versuchte keinen Muks von mir zu geben um ihnen nicht auch noch diese Genugtuung zu bereiten.
 

Wieso immer ich? Was hatten sie davon? Ich verstand es nicht. Nun würde meine Mutter ganz sicher mitbekommen, dass ich nicht Zuhause geblieben war, denn sie hatten auch mein Gesicht nicht verschont. Meine Lippe pochte verdächtig, also war sie bestimmt aufgeplatzt und meine linke Wange brannte von der Schürfwunde, die sie zierte.
 

"Wag es ja nicht Akira noch einmal näher zu kommen. Das war nur der Anfang, solltest du nicht auf uns hören!" Zischte jemand in mein Ohr, bevor sie mich einfach liegen ließen. Ich presste meine Augen fest zusammen. Ich wollte nicht sehen, wer mir drohte. Ich wollte garnichts mehr sehen. Am liebsten wäre ich gerade gestorben. Es war also schon wieder passiert. Ich hatte nicht aufgepasst und hatte sofort die Rechnung für meine Unachtsamkeit erhalten.
 

Eine ganze Weile blieb ich noch regungslos liegen, bevor ich mich probehalber vorsichtig etwas streckte. Mir blieb vor Schmerz und Übelkeit der Atem weg, doch ich hatte nicht mehr viel Zeit, bis die Mittagspause anfangen würde und ich wollte nicht, dass mich jemand in diesem Zustand zu Gesicht bekam, vor Allem Akira nicht. Also hiefte ich mich unter großen Schmerzen auf und humpelte an der Wand entlang zum Jungenklo. Ich lugte vorsichtig durch die Tür, doch es schien niemand hier zu sein.
 

Ich suchte Halt am Waschbecken und musterte mein geschundenes Gesicht. Ich hatte eine Platzwunde an der Stirn, die wohl für die Kopfschmerzen verantwortlich war. Meine Lippe war tatsächlich aufgeplatzt, wenn auch nur ganz leicht, dafür war die Schramme auf meiner Wange blutiger als ich erwartet hatte. Ich benätste eines der Papierhandtücher und begann vorsichtig das Blut weg zu tupfen.
 

"WARUM MÜSST IHR EUCH IMMER EINMISCHEN VERDAMMT? UND WIESO BIST DU ÜBERHAUPT HER GEKOMMEN? DU WEIßT, DASS MICH DAS WIEDER EINIGES KOSTET, SOLLTE DICH JEMAND SEHEN!" Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich vor Schreck mit dem Tuch genau auf die Wunde tupfte, die meine Wange zierte und gerade noch so verhindern konnte laut aufzustöhnen. Stattdessen stiegen mir vor Schmerz die Tränen in die Augen und ließen meine Sicht verschwimmen.
 

Die laute Stimme war aus dem hinteren Bereich der Toiletten gekommen, die ich nicht einsehen konnte und ich kannte diese Stimme genau. Was wollte er hier? Und wen hatte Akira da gerade so angeschrien? Sollte ich weglaufen, oder hier bleiben? Sollten sie um die Ecke kommen würden sie mich sofort entdecken, da es hier keine Möglichkeit gab sich zu verstecken. Es war wohl besser, wenn ich mich schleunigst aus dem Staub machte, doch das Klingeln der Schulglocke machte mir einen Strich durch die Rechnung.
 

Was jetzt? Ich konnte die anderen Schüler vor der Tür in die Pause gehen hören. Ich betete, dass niemand auf die Idee kam die Toiletten in diesem Stockwerk zu benutzen. "Ich komm gleich nach, muss noch kurz aufs Klo!" Als ich eine männliche Stimme von draußen hörte, blieb mir fast das Herz stehen. Verdammt! Was jetzt? Die Tür wurde bereits einen Spalt weit geöffnet, doch jemand Anderes schien mir ungewollt zu Hilfe zu kommen. "Lass doch unten gehen!" Erklang eine andere Stimme von weiter weg.
 

Einen kurzen Moment blieb es still und ich hielt die Luft an. Erst als die Tür losgelassen wurde und langsam ins Schloss viel, traute ich mich wieder zu atmen. "Okay!" Kam noch leise von draußen. Da hatte ich also nochmal Glück gehabt, doch nun riss mich eine andere Stimme wieder aus den Gedanken und erinnerte mich daran, dass ich nicht alleine hier war. "Ich mache mir doch nur Sorgen Reita! Du bist mein bester Freund und ich möchte nicht, dass du nochmal so verarscht wirst!"
 

War das Uruha? Ich war mir nicht ganz sicher, aber er hatte Akira Reita genannt und ich war mir sicher, dass die Stimme keinem Anderen aus der kleinen Gruppe gehörte, die ich bereits kennen gelernt hatte. Außer es gab noch Andere, die ihn so nannten und die ich noch nicht kannte.
 

Ein lautes Seufzen, das wohl von Akira kam ertönte. "Kannst du ihm trauen Reita? Ich meine, im Grunde weißt du doch nichts über ihn! Und es wird schon seinen Grund haben, wenn er das schwarze Schaf der ganzen Schule ist!" Ich erstarrte. War das wirklich seine Meinung von mir? Wie konnte er nur so etwas über mich sagen? Er kannte mich doch überhaupt nicht! Wenn hier einer das Recht auf Misstrauen hatte, dann war das ja wohl ich!
 

"Ich verbiete dir so über ihn zu reden! Du weißt doch wie das läuft! Gerade du solltest es besser wissen Uruha! Oder sitzt du mittlerweile schon so hoch auf deinem Ross, dass du es vergessen hast?" Es war also wirklich Uruha, der so etwas von mir dachte. "Denk wenigstens mal darüber nach! Ich möchte doch nur, dass du vorsichtiger bist als das letzte mal! Und sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!" Zischte Uruha noch, bevor er auch schon um dich Ecke bog. Als er mich erblickte, schnaubte er lediglich herablassend und rauschte kommentarlos an mir vorbei.
 

Als sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, blieb es eine Weile ruhig. In meinem Kopf drehte sich schon wieder ein Gedankenkarussel. Uruha hatte recht! Niemand sollte mir trauen oder mich gerne haben! Das wäre doch nur Verschwendung! Ich war schwach und klein und hatte nichts zu bieten. Was wollte Akira mit einem wie mir schon anfangen?
 

Tränen stiegen in mir auf, die ich nicht mehr zurück halten konnte. Langsam ließ ich mich an der kalten Fliesenwand auf den Boden sinken, obwohl mir diese Bewegung ziemliche Schmerzen bereitete. Mir war alles egal. Sollte Akira mich doch so sehen, dann würde er mich wenigstens in Ruhe lassen. Er musste mein Schluchzen gehört haben, denn er kam langsam und vorsichtig um die Ecke geschlichen um zu sehen, wer dort weinte. Als er mich erblickte, wich alle Farbe aus seinem Gesicht.
 

"Ruki!" Flüsterte er kraftlos. Ich betete, dass er einfach verschwinden und mich in Ruhe lassen würde, doch den Gefallen tat er mir natürlich nicht. Er kniete sich vorsichtig vor mich hin. "Hey! Alles okay? Sag doch bitte was!" Er wollte mich in den Arm nehmen, doch ich schubste ihn verzweifelt weg. Zwar hatte ich nicht wirklich Kraft, doch war er so überrascht von der Aktion, dass er einfach nach hinten kippte und etwas unsanft auf seinem Allerwertesten landete.
 

Er blieb sitzen und starrte mich fassungslos an. "Was... was ist mit deinem... Gesicht passiert...?" Ich wischte mir die Tränen aus den Augen um endlich freie Sicht zu haben und funkelte ihn böse an. Mein ganzer Körper schmerzte immer noch bei jeder Bewegung und es viel mir schwer Luft zu bekommen. "Was denkst du denn?" Presste ich zischend hervor. "Das sind die Auswirkungen... weil ich dir zu nahe gekommen bin!" Er schüttelte ungläubig den Kopf.
 

Ich versuchte mich am Waschbecken hoch zu ziehen, aber meine Beine wollten mich nicht halten, sodass ich wieder zusammen sackte. Doch bevor ich auf dem Boden aufschlagen konnte, fing Reita mich sanft auf. "Lass mich sofort los!" Zischte ich ihn mit bedrohlicher Stimme an. Wenn ich ihn jetzt nicht von mir stieß, würde ich es nicht mehr können, das wusste ich. "Ich... es tut mir so leid!" Murmelte er nur abwesend. "ACH JA? ES TUT DIR LEID? MEHR HAST DU NICHT ZU SAGEN?" Meine Stimme überschlug sich. Kurz versuchte ich mich los zu strampeln, was ich aber schnell wieder unterließ, da es meine Schmerzen nicht gerade linderte.
 

"Hgn~ Sieh mich doch an! Das ist deine Schuld verdammt! Nur weil du mich unbedingt ansprechen musstest! Scheiße!" Die Worte kamen leiser über meine Lippen, als ich es beabsichtigt hatte, doch ich hatte einfach keine Kraft mehr. Schlaff hing ich in seinen Armen und konnte mich nicht wehren als er seine Arme um mich schlang und sein Gesicht in meinen Haaren vergrub. "Es tut mir leid Ruki! Es... tut mir so leid! Ich werde dich nicht mehr aus den Augen lassen! Bitte! Lass es mich wieder gut machen! Bitte...!" Seine Stimme hörte sich brüchig an.
 

"Lass mich einfach in Ruhe! Damit ist mir schon genug geholfen! Außerdem hast du Uruha doch gehört! Es wäre besser, wenn du dich von mir fern halten würdest, sonst ziehe ich dich nur mit runter!" Doch Reita dachte nicht einmal daran von mir ab zu lassen. "Kommt nicht in Frage! Ich bringe dich nach Hause!"
 

Vorsichtig stand er mit mir auf den Armen auf und setzte mich auf der Ablage neben dem Waschbecken ab. Anschließend drehte er sich mit dem Rücken zu mir, ging etwas in die Hocke und zog mich auf seinen Rücken. "Aber... Wuah~! Ouch!" Ich konnte mich nicht gegen ihn wehren. "Geht's?" Fragte er sofort besorgt nach, als er merkte, dass ich starke Schmerzen hatte. "Uhm~ wenn du nicht so herum schaukelst schon..."
 

Reflexartig hatte ich meine Arme von hinten locker um seinen Hals geschlungen und ließ meinen Kopf auf seine Schulter sinken. Als ich die beruhigende Wärme spürte die von ihm ausging und seinen Starken Rücken, an den ich mich anlehnen konnte und der mir halt gab unter mir spürte, fühlte ich mich auf einmal wieder geborgen und sicher. Wie machte er das nur? Wenn er mir so nahe war, konnte ich ihn einfach nicht mehr von mir weisen.
 

Und wieder kamen mir die Tränen. Ich verbarg mein Gesicht in Reitas Halsbeuge und ließ ihnen freien Lauf. Ich war viel zu fertig um sie jetzt noch zurück zu halten. "Du ... Idiot! Warum ... hng... tust du das? ... Wieso nur? ... Ich verstehe dich nicht! Ich ... hng... verstehe es einfach nicht! ... Verdammt!" "Schhh~ Schon gut! Ist ja gut! Ich... Es tut mir leid, aber die Anderen werden uns jetzt wohl zusammen sehen!" "Halt die Klappe hng.. du Idiot! Ich hng... hasse dich!" Murmelte ich, immer noch schluchzend, gegen seinen Nacken. Ich erntete nur ein leises Lachen als Antwort.
 

Die verwunderten und wie immer hasserfüllten Blicke der Schüler machten mich nervös, also versteckte ich mein Gesicht abermals an Reitas Hals um sie nicht sehen zu müssen, während er mich über den Schulhof zum Hauptausgang trug.
 

"Die werden mich umbringen!" Stellte ich resignieren fest, als wir das Schulgelände verließen. "Das werden sie nicht! Ich werde schon dafür sorgen!" Kommentierte Reita mit ernster Stimme. "Ach ja? Und wie bitteschön?" Pampte ich missmutig zurück. "Na, indem ich auf dich aufpasse! Solange du bei mir bist wird sich wohl kaum jemand an dich heran trauen!" "Na vielen Dank auch! Ich brauche keinen Babysitter!"
 

Was dachte der sich eigentlich? Bis jetzt hatte ich auch ohne ihn überlebt. "So war das nicht gemeint!" Er seufzte. "ACH JA? UND WIE DANN BITTE?" Langsam wurde mir das zu bunt. Hatte ich ihm nicht klar gemacht, dass ich ihn nicht die ganze Zeit um mich herum haben wollte? Doch er antwortete nicht.
 

So trottete er eine ganze weile schweigend vor sich hin, gelenkt von meiner Wegbeschreibung. "Das vorhin mit Uruha... Wie viel hast du gehört?" Er klang unsicher. Ich überlegte, sollte ich ihm sagen, wie lange ich dort gewesen war? Wieso nicht? Ich hatte eh nichts mehr zu verlieren. Sollte er ruhig wissen, dass ich sie belauscht hatte.
 

"Ich weiß nicht so genau. Ich habe zumindest mitbekommen,.... dass Uruha nicht gerade begeistert von mir ist. Und er hat recht damit! Ich bin klein und schwach und zu nichts zu gebrauchen! Ich habe einfach nichts zu bieten, verstehst du?"
 

Er schien darüber nachzudenken, denn es dauerte eine Weile, bis er mir antwortete. "Nein! Das verstehe ich nicht! Und du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass er es nicht persönlich meint! Er... Ich... habe nur schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht und deshalb macht er sich Sorgen um mich! Aber das hat nichts mit dir zu tun!" "So? Mit wem denn sonst bitte schön? Ich habe es satt! Eure ganze Heimlichtuerei immer! DAS GEHT MIR SOWAS VON AUF DEN SENKEL MAN!" Wieder stille. Dieses beklommene Schweigen war auch nicht wirklich besser. Wann würde ich endlich meine Antworten bekommen?

Kapitel 10

Als wir bei mir daheim ankamen, ließ Akira mich vor der Haustür vorsichtig von seinem Rücken rutschen, hielt mich aber weiterhin stützend fest, während ich zittrig versuchte die Tür aufzuschließen. Als ich es endlich geschafft hatte, seufzte ich erleichtert auf, da mir immer noch alles weh tat und ich einfach nur ins Bett wollte. Doch Akira war da anderer Meinung und wollte zuerst meine Wunden versorgen. Da ich nicht mehr wirklich die Kraft hatte mich gegen ihn durchzusetzen, ließ ich ihn stumm gewähren. Er setzte mich vorsichtig auf einem Küchenstuhl ab und holte den erste Hilfe Kasten, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass er ihn im Bad finden würde und wo genau sich dieses befand.
 

Ich hatte die Augen erschöpft geschlossen und mich vorsichtig nach hinten gegen die Lehne des Stuhls sinken lassen, Akiras Gewurschtel dabei nicht weiter beachtend. Erst als ich einen brennenden Schmerz auf meiner Wange spürte, öffnete ich zischend die Augen. „Ah~ was soll das? Das tut weh!“ Er hatte sich auf den Stuhl neben meich gesetzt und das Verbandszeug auf dem Tisch ausgebreitet.
 

Sein Blick war ernst. Er ließ sich nicht von mir stören und tupfte meine Wunde weiterhin vorsichtig mit einem desinfizierten Wattepad ab. Ich wollte seine Hand weg schlagen, doch er fing den Schlag ohne Probleme auf. „Die Wunde muss verarztet werden, sonst gibt es noch eine Narbe in deinem schönen Gesicht und das willst du doch nicht!“ Kommentierte er mein Handeln trocken, was mir einen leichten Rotschimmer auf die Wangen zauberte. Ein hübsches Gesicht? Ich? „Tze~“
 

Er schien das wirklich ernst zu meinen, denn er machte weiter, und auch mein giftiger Todesblick konnte ihn nicht aufhalten. Allerdings schien er sich etwas mehr Mühe zu geben, mir nicht mehr Schmerzen als nötig zuzufügen, denn er arbeitete etwas sanfter weiter. Als auch die andern Wunden, die mein Gesicht zierten ordnungsgemäß gereinigt waren, klebte er mir jeweils ein Pflaster auf Wange und Stirn. Ich musste leicht schmunzeln, als ich seinen konzentrierten Gesichtsausdruck dabei beobachtete. Er gab sich wirklich Mühe nicht aus Versehen auf eine der Stellen zu kommen.
 

„Was?“ Fragte er brummig, als er meinen stummen Blick bemerkte. Beschämt sah ich zur Seite. Ein Fehler wie ich kurz darauf merkte, als der ziehende Schmerz auf meiner Wange stärker wurde. Das Pflaster war noch nicht ganz aufgeklebt gewesen und so war ich gegen Reitas Finger gestoßen, der sich sofort entschuldigte, als er sah, wie ich mein Gesicht vor Schmerz verzog. „Verdammt! Pass doch auf!“ Fuhr ich ihn abermals gereizt an, seine Entschuldigung einfach ignorierend. „Was kann ich denn bitte dafür, wenn du dich so plötzlich bewegst? Du musst schon still halten!“ Pampte er jedoch genauso aggressiv zurück.
 

Ich wollte ihm gerade am liebsten an den Hals springen! Was fiel ihm eigentlich ein? „Ach ja? Wer ist denn bitte schuld daran, dass ich nun so aussehe? Also hau einfach ab und lass mich verdammt nochmal in Ruhe!“ Dieser Kerl machte mich langsam wirklich wütend. „Meine Mutter bringt ich um, wenn sie das sieht! ... “ Doch als Akira plötzlich nach meinem Kinn schnappte, mich gewaltsam zwang ihn anzusehen und mich so festhielt, blieben mir vor Schreck die Worte weg.
 

„Halt endlich still! Sonst wird das nie was!“ Meinte er ernst und kam meinem Gesicht gefährlich nahe. Ich hielt die Luft an. Warum war er mir plötzlich so verdammt nahe? Mein Herzschlag beschleunigte. Ich bekam garnicht mit, wie seine Hand vorsichtig das Pflaster ganz aufklebte. Das einzige was ich merkte, die zarte Berührung, als er mir anschließend sachte über den unverletzten Teil der Wange strich. Ich spürte, wie sein Atem hauchzart über meine Haut kribbelte, was mich wohlig erschaudern ließ.
 

„Es tut mir wirklich leid Takanori! Ich werde es wieder gut machen! So etwas wird nie wieder passieren! Das ist ein Versprechen!“ Wisperte er leise, während er sich langsam meinen Lippen näherte. Als ich ihn spürte, viel mit einem mal wieder alle Wut von mir ab. Es war unglaublich, wie mich seine Nähe beeinflusste und einlullte.
 

Vorsichtig stieg ich auf den Kuss ein und erwiderte ihn schüchtern. Er ließ seine Hand von meiner Wange zu meinem Nacken wandern um mich näher an sich heran zu ziehen, was mich wiederum mutiger werden ließ. Ich krallte mich in sein Hemd um mir Halt zu verschaffen, denn wir wurde von seiner Nähe ganz schwindelig.
 

Langsam stand er auf, ohne den Kuss zu lösen und lehnte sich über mich um mir näher zu sein. Leicht in den Kuss keuchend ließ ich mich nach hinten gegen die Stuhllehne sinken, mein Puls raste mittlerweile. Ich verlor mich komplett in diesem berauschenden Gefühl.
 

Als neben uns plötzlich etwas scheppernd zu Boden fiel, fuhren wir erschrocken auseinander. Im Türrahmen stand meine Mutter und starrte mit offenem Mund auf das Geschehen. Sie hatte augenscheinlich ihre Einkaufstüte fallen gelassen, was das laute Geräusch verursacht hatte. Wie lange sie dort allerdings schon gestanden hatte, hatten wir nicht mitbekommen.
 

Instinktiev wich Akira vor mir zurück und ich wollte mich erheben, was keine sehr gute Idee war, denn vor Schmerz blieb mir abermals die Luft weg und ich konnte mich gerade noch so am Tisch vor mir abstützen. Meine Rippen schienen allem Anschein nach angebrochen zu sein. Akira wollte mir sofort zur Hilfe eilen und machte einen Schritt auf mich zu, doch meine Mutter kam ihm zuvor. „Takanori...! WEG VON IHM! SOFORT!“ Fuhr sie ihn an, während sie mich wieder auf den Stuhl setzte, doch er hörte nicht auf sie, sondern hockte sich mit besorgter Miene neben mich und legte mir eine Hand aufs Bein.
 

„Was ist passiert?“ In ihrer Stimme schwang Panik mit. Sie warf einen wütenden Blick auf Akira. „DU! WARST DU DAS ETWA?“ Fuhr sie ihn laut an, bevor sie sich wieder um mich kümmerte. Sie strich mir fahrig ein paar Strähnen aus dem Gesicht um es ausgiebig betrachten zu können. „Hast du starke Schmerzen? Ist etwas gebrochen?“ Erst da fand Akira seine Sprache wieder. „Er wurde zusammen geschlagen, aber ich glaube es ist nichts-“ „DUUUU~! WARUM BIST DU HIER? HAT ER JETZT NICHT MAL MEHR ZUHAUSE SEINE RUHE VOR EUCH? DAS GIBT'S DOCH NICHT! VERLASSE SOFORT MEIN HAUS!“ Unterbrach sie ihn völlig aufgelöst.
 

„Aber ich-“ Wollte er sich rechtfertigen und erhob abwehrend die Hände, doch sie ließ ihn abermals garnicht erst zu Wort kommen. Sie packte ihn am Kragen und riss ihn zu sich hoch. „WENN DU MEINEM SOHN NOCH EINMAL ZU NAHE KOMMST, WIRD DAS ERNSTHAFTE FOLGEN FÜR DICH HABEN!“ Mit diesen Worten schubste sie ihn Richtung Flur, schmiss ihn aber nicht ganz raus. „VERSCHWINDE!“ Brüllte sie ihn an, bevor sie wieder zu mir in die Küche kam.
 

Ich war so perplex, dass ich bis dahin nur alles stumm beobachten konnte, jetzt erwachte ich jedoch aus meiner Schockstarre und versuchte sie zu beruhigen. Anscheinend dachte meine Mutter, dass Aira mich verprügelt hatte, sonst wäre sie wohl nicht so ausgerastet. „Mom bitte! Er hat mir nichts getan! Wirklich! Er hat nichts damit zu tun!“ Doch meine Worte schienen keine Wirkung zu haben. „ACH JA? DU WILLST MIR ERNSTHAFT GLAUBHAFT MACHEN, DAS ER NICHT HAND AN DICH GELEGT HAT? WARUM SCHÜTZT DU IHN? DU HAST EBEN SELBST ZU IHM GESAGT, DASS ER SCHULD DARAN IST! ALSO ERZÄHL MIR NICHTS!“ Sie hatte also schon länger dort gestanden und alles mit gehört. „Ich schütze ihn nicht! Er hat mir wirklich nichts getan! Bitte! Hör mir doch zu!“
 

„Was hat er dir nur angetan? Erpresst er dich? Hat er dich... vergewaltigt? Takanori, du musst mir die Wahrheit sagen~ !“ Ihre Stimme versagte. „DU WILLST DIE WAHRHEIT? JA?“ Ich wurde wütend. „Ja verdammt! Sag mir endlich was mit dir los ist!“ „DU WILLST ES WIRKLICH WISSEN? WIR HABEN DEN TAG ZUSAMMEN IM VERGNÜGUNGSPARK VERBRACHT UND ES WAR MIT ABSTAND DER SCHÖNSTE TAG MEINES GANZEN BESCHISSENEN LEBENS, WAS MEINEN MITSCHÜLERN AUGENSCHEINLICH NICHT SO GEFALLEN HAT! ER HAT MIR NUR GEHOLFEN UND MICH VERARZTET! DA HAST DU DEINE WAHRHEIT!“
 

Stille.
 

Sie starrte mich eine weile schweigend an. „Was.. ?“ Ihre Stimme war fast nur noch ein Flüstern, als sie wieder das Wort ergriff. Langsam stiegen mir Tränen in die Augen. „Er war so nett zu mir ... und die Anderen auch. Verstehst du das? Es war jemand nett zu mir! Zu MIR!“ Ich konnte spüren, wie sich eine heiße Spur über mein Gesicht zog, bevor die Tränen auf meinen nackten Unterarmen landeten, doch ich sprach einfach weiter. „Er … Bitte Mom! Er hat mir wirklich nichts getan!“
 

Sie strich sich seufzend die langen Haare aus dem Gesicht, kniete sich vor mich hin und strich mir sanft über die unverletzte Wange. „Okay, also wenn dieser Typ dich nicht hier zusammengeschlagen hat, … warst du in der Schule! … Warum? Du kennst die Folgen! Und trotzdem, … trotzdem warst du dort! Ich ... verstehe dich einfach nicht!“ Sie sah mich verzweifelt an.
 

Beschämt senkte ich den Blick und wischte mir fahrig über die Augen. Wieso konnte ich mich nie zusammenreißen? „Ich ... hatte ihm versprochen, dass wir zusammen nach Hause gehen ... und wollte ihn nicht einfach so … ohne ein Wort ... ich … „ tief atmete ich durch und erhob dann den Blick um ihr fest in die Augen blicken zu können, was allerdings kläglich scheiterte, da viel mehr Verzweiflung aus ihnen sprach. „Ich wollte ihn sehen … ! Und … ich werde die Konsequenzen tragen … ! Aber bitte, lass Akira da raus!“
 

Sie seufzte resignierend, bevor sich sich erhob und mich schützend in den Arm nahm. „Akira? Heißt er so?“ Ich konnte ihr nicht antworten. Ich hatte meine Augen geschlossen und mich an sie gelehnt. Nur langsam ich es mich wieder zu beruhigen. „Ja, Ma'am!“ Kam es nach einer Weile leise aus dem Flur, bevor er langsam und sehr vorsichtig um die Ecke kam. „Mein Name ist Suzuki Akira.“ „Du bist noch hier?“ Sie sah ihn erschrocken an und auch ich war erstaunt. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, blieb aber im Flur stehen. „Ja ähm... es tut mir wirklich leid, es ist wohl besser, wen ich jetzt gehe!“ Ihm war seine Unsicherheit deutlich anzusehen, als er sich herum drehte um die Wohnung nun endgültig zu verlassen.
 

„NEIN!“ Rief ich ihm ohne nachzudenken hinterher. In mir kam die Panik auf, dass er nichts mehr mit mir zutun haben wollte. Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Bitte, ... lass mich nicht alleine!“ Flüsterte ich und löste mich endgültig von meiner Mutter. Ob ich das nur für diesen Moment meinte wusste ich selber nicht. Es dauerte eine Weile, bis er eine Reaktion zeigte. Langsam drehte er sich wieder um und sah mich ernst an. „Ich denke nicht, dass ich hier länger erwünscht bin. Es tut mir leid!“ Schnell sah ich zu meiner Mutter auf, die nach kurzem Zögern leicht nickte und sich dann daran machte, den vernachlässigten Einkauf zu versorgen und das Verbandszeug wieder weg zu packen. Zwar schien sie noch immer misstrauisch zu sein, doch sie hatte verstanden, dass er fürs Erste keine Gefahr für mich darstellte.
 

Akira blieb unschlüssig stehen, bis ich ihn zu mir rief. „Hilfst du mir nach oben?“ Nickend kam er wieder in die Küche und stütze mich. In meinem Zimmer angekommen, setzte er mich vorsichtig auf dem Bett ab. „Ich... kannst du mir helfen, das T-Shirt aus zu ziehen?“ Ich wurde puterrot als ich diese Bitte äußerte, aber ich wollte sehen, wie stark meine Prellungen dieses mal waren. Auch um sein Nasenband wurde ein leichter Rotschimmer sichtbar. „Ich möchte nur sehen, wie schlimm sie mich dieses mal erwischt haben!“ Versuchte ich die Situation etwas zu entschärfen.
 

Er sah mich nur schüchtern an, bevor er vorsichtig nach dem Saum des dunklen Stoffes griff und ihn langsam nach oben zog. Er versuchte krampfhaft seinen Blick von mir abgewandt zu halten, was ihm aber nicht gelang. „Oh mein Gott!“ Flüsterte er als er die roten und schon teilweise blauen Flecken sah, die sich über meinen kompletten Körper zogen. Wankend stand ich auf und ging zum Spiegel. Akira war sofort zur Stelle und half mir ohne Aufforderung. Als ich mich selber erblickte hisste ich auf. „Scheiße!“ Fluchte ich leise. Die hatten mich ganz schön erwischt.
 

Vorsichtig betastete ich die Stelle meiner Rippen, die es mir immer noch schwer machte zu atmen. „Ouch! Verdammt!“ Akira stellte sich hinter mich und beobachtete mich aufmerksam. „Ist eine gebrochen?“ Fragte er leise und mitfühlen. „Ich weiß nicht, es tut weh, aber es fühlt sich nicht so an als wäre sie gebrochen.“ Ich betastete die schmerzende Stelle abermals. „Soll ich dich zum Arzt bringen?“ Er klang besorgt. „NEIN! … Nein! Nicht nötig. Das wird wieder. Ich... es braucht nur eine Weile.“ Ich konnte ja schlecht sagen, dass ich so etwas gewöhnt war. Er nickte nur verstehend.
 

„Ich … würde mich gerne ein bisschen hin legen, … legst du dich zu mir?“ Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, so unsicher war ich mir, ob das nicht etwas zu viel verlangt war. Doch er lächelte nur sanft und half mir wieder zum Bett. Ich machte ihm etwas platz neben mir, was kaum nötig war, da ich ein recht großes Bett besaß. Er legte sich neben mich und ich bettete meinen Kopf vorsichtig auf seinem Arm. Eine schüchterne Hand schob sich zu meiner und verschränkte unsere Finger zaghaft miteinander.
 

Doch plötzlich hielt er inne und drehte meinen Arm langsam herum um die Unterseite zu begutachten. Ich wusste, wonach er sehen wollte und war selber erstaunt, dass neben den alten Spuren wieder ein paar neue dazu gekommen waren. „Wann hast du... ?“ Fragte er mich besorgt, doch ich konnte ihm keine Antwort geben. Ich wusste es nicht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (17)
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Von:  Becci_heresy
2020-05-06T17:31:42+00:00 06.05.2020 19:31
Himmel herje.. Willst du nicht weiter schreiben?
So eine FF suche ich momentan vergebens. So was leichtes fluffiges aber trotzdem mit Tiefe.
Ich liebe Ruki wie verletzlich er ist, aber trotzdem was in der Hose hat. :D
I'm wahrsten Sinne.. *-*
Und Reita der Beschützer. Welche Frau will nicht in diesen armen liegen und behütet werden? So gefühlvoll.
Ich schweife ab ^^
Also ich hoffe du liest meinen Kommentar und denkst dir vielleicht, ach ja wieso nicht, tun wir der verzweifelten Frau den Gefallen :D
So eine schöne Geschichte gehört weiter geschrieben :) <3
Von:  Inan
2012-07-30T23:51:17+00:00 31.07.2012 01:51
Hn...vielleicht hat er es im Schlaf getan...oder als er Uruha und Reita belauscht hat ._.
Es ist aber zu geil, wie seine Mum Reita einfach so in den Boden gerammt hat, als sie gedacht hat, er hätte Ruki verprügelt, auch, wenn sie das bestimmt auch noch wörtlich genommen hätte, hätte Ruki nichts gesagt xD
Ehrlich, sie ist spitze, so scheiße er auch dran ist, sie wird wohl immer für ihn da sein~
Was Reita jetzt wohl denkt? Also, er hat ja jetzt einiges mitbekommen und wird sich zusammenreimen können, wie scheiße Rukis Mitschüler ihn finden und wie es auch sonst in ihm aussieht, vielleicht wusste er auch vorher was und wollte sich trotzdem oder gerade deshalb mit ihm anfreunden, vielleicht ist ihm ja bewusst, wie sehr er den Kleinen unterstützen muss, um ihm zu zeigen, dass er keine Wette verloren hat und ihn auch nicht bald spontan scheiße finden wird...diese Tragik ist mitreißend v.v
Schönes Kapitel~ x3
Von:  totenlaerm
2012-07-20T21:59:41+00:00 20.07.2012 23:59
Nein, ich glaube sie meint die Schlaftabletten O.o Ruki muss aufpassen mit den Schlaftabletten :D Niemand will Rukis Leiche sehen, er ist so toll wenn er lebt. Auch in echt vermisse ich die alten Tage von Gazette wo sie alle hyperaktiv durch die Gegend gerannt sind und Müll ohne Ende geredet haben O.o
Aber jetzt zurück, das mit Ruki scheint mir echt bedrohlich. Aber ich kann ihn verstehen, es ist komisch wenn man plötzlich ganz anders behandelt wird. Aber ich glaube das legt sich, und er ist im Moment einfach nur überfordert.
Von:  Rei_
2012-07-20T20:19:25+00:00 20.07.2012 22:19
OMF...er nimmt Drogen? O.O
Waaahhh ich hoffe das er das nicht nochmal macht DD:
Wuuhh bin neugierig wie es weiter geht... ^^
Von: abgemeldet
2012-07-10T14:39:04+00:00 10.07.2012 16:39
Hey^^
FF grad gefunden und sofort gelesen.
Als erstes ein großes Lob!
Dein Schreibstil gefällt mit,es lässt sich alles sehr gut lesen.
Die Story bleibt spannend und es wird nicht langweilig.
Man kann nachvollziehen was in Ruki vorgeht und seine Gefühle verstehen.
Die Handlung ist sehr gut ausgearbeitet.
Alles in allem ist es ziemlich niedlich aber auch ernst.
Ich bin gespannt wie es weiter geht. :)

LG
Hana-san
Von:  Mine_Takashima
2012-06-07T18:07:40+00:00 07.06.2012 20:07
So! Ich mach dich jetzt glücklich xDDD

Ich find die FF richtig niedlich und hab sie auch schon auf meine kleine Favoliste gesetzt.
Hehe wie sie am Anfang gar nicht peilen das sie was von einander wollen LOL
Und ich kann Ru-chan auch sehr gut verstehen, so ähnlich wie in der FF gings mir auch mal T.T
Aber jetzt haben sich die beiden ja lieb xDDDDDDDDDD wie das sich anhört LOL
Und ich freu mich schon darauf wenns weiter geht hehehehe

Bye Bye *Cheesucake hinstell*
Mine ♥
Von:  Gedankenchaotin
2012-06-06T11:24:23+00:00 06.06.2012 13:24
Jaja.. so sind die Mütter, die sehen ihren Kindern immer gleich an, wenn irgendwas ist. XD
Rukis Mutter find ich richtig niedlich.. seinen "Begleiter" jetzt glaub ich nicht mehr so sehr.. oder doch?!
Ich lass mich überraschen. ^.~

LG Gedankenchaotin

Von:  bouXnyappy
2012-04-27T17:00:08+00:00 27.04.2012 19:00
Es gab in der ganzen FF wirklich viele Situationen, in denen ich den Tränen nahe war! .___.
Ich liebe deinen Schreibstil und generell die Story!

Das mit Ruki und Reita in dem Rießenrad ist so .. wunderschön!! *-*

Ich freu mich aufs nächste Kapitel ♥

LG, Bou.
Von:  Rei_
2012-04-14T15:09:13+00:00 14.04.2012 17:09
Hab grad bis hier hin gelesen und war total gefesselt...
Ich finds sehr interessant das der Beliebte Zeit mit dem Unbeliebten vebringen und ihm wohl helfen will...ich kann mich auch gut hineinversetzen was Ruki betrifft...ich hoffe das er es genau so schaffen wird wie ich auch...kann ja eig. nur noch besser werden oder? ^^ man hofft es jedenfalls... :)
Bin echt neugierig wie es weitergeht... :D
~Rei
Von:  KenTsu
2012-03-14T20:41:20+00:00 14.03.2012 21:41
ich find es gut das mivi ruki gefunden hat (hätte zwar auch ein anderer der jungs sein können aber egal). auch gefallen hat mir das er ihm mal seine sichtweise und ein teil seines früheren lebens zeigte.
schön das reita noch zu ruki hält und ihm in welcher art und weise auch immer helfen wird.

LG


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