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Mutants

von

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Das Experiment

Pittsburgh, 17. Oktober, heutige Zeit. Kelly Jones packte flott ihren Lederkoffer voll mit Reagenzgläsern, Formeln und Flüssigkeiten in Bonbongläsern. Kelly war ein intelligentes, hübsches, 14-jähriges Mädchen, das häufig wegen ihrer großen Brille in der Schule verspottet wurde und oft für eine Streberin gehalten wurde, weil sie eine Klasse übersprungen hatte und eine ausgezeichnete Schülerin in Chemie und Physik war. Biologie war auch eine ihrer Spezialitäten. Heute war ihr großer Tag. Der größte in diesem Jahr, denn sie wurde von den Pittsburgher Wissenschaftlern für ein einmaliges Experiment eingeladen. Kelly meldete sich vor ein paar Monaten dort, um den Wissenschaftlern als Assistentin beizustehen und weil diese Wissenschaftler Kellys Zeugnis genauer unter die Lupe nahmen, waren sie einverstanden mit der Bewerbung und schickten ihr einen Einverständnis-Brief zurück.

Schlank war Kelly. Und lange schwarze Haare fielen von ihrem Kopf. Ihre dunkelbraunen Augen sahen hinter ihrer Brille fast aus, als wären es schwarze Knöpfe. Ihr blasser Teint machte sie gruselig und vampirartig.

Sie machte sich an diesem schwülen Oktobermorgen mit schnellem Schritt auf den Weg in das Newville Labor, das sich in der Nachbarstadt befand. Der Bus kam an diesem Tag pünktlich und nahm sie mit zum Labor. Etwa fünf Sitze weiter saß ein junger Mann, etwa Ende zwanzig, Anfang dreißig und starrte vor sich hin. Er trug einen langen weißen Chemie-Mantel und auf seinem Schoß lag der selbe Lederkoffer, den Kelly besaß. Sie überlegte sich schon, ob dieser Mann auch zum Newville Labor wollte und fand ihn immer sympathischer je länger sie ihn anblickte. Doch er blickte nie zurück, sondern starrte weiterhin stur nach vorne.

Mit einem Ruck blieb der Bus stehen. Kelly sah kurz aus dem Fenster und sah ein Straßenschild mit der Aufschrift Newville-Street. Kurzerhand sprang sie auf und stürmte aus dem Bus. Dabei bemerkte sie gar nicht, dass ihr eine wichtige Formel aus dem Koffer fiel...
 

Kelly rannte, mit der Hand auf den Kopf gepresst, damit ihre Haare sich nicht allzu sehr zerzausen und damit sie gut aussieht vor den Wissenschaftlern, in Richtung Labor.

Völlig aus der Puste kam sie nun endlich am großen Labor an. Am Gebäude war ein riesiges Schild angebracht mit einer blauen dicken Schrift und der Aufschrift Newville Co. Laboratory - NEWCORP. Newville war der Leiter und der Chef dieser ganzen Organisation.

Als Kelly vor dem Tor stand und ihre Hand hob, um den Knopf zur Klingel zu drücken, spürte sie hinter ihr eine seltsame Anwesenheit. Langsam blickte sie über die Schulter und sah den Mann, den sie vor Kurzem im Bus traf. Er lächelte ihr zu und reichte ihr ein Stück Papier. Verschämt nahm Kelly das Blatt aus der Hand des Mannes, blickte zu Boden, drehte sich flink um und ein leises "Danke!" huschte ihr über die Lippen. Sie hatte keine Ahnung, ob er es hörte aber sie merkte, wie er an ihr vorbeiging und den Klingelknopf drückte. Eine blecherne und zugleich schnippische Stimme ertönte plötzlich aus einem Lautsprecher am Bildschirm, der sich über der Klingel befand: "Ja bitte?" Der nette Mann aus dem Bus antwortete: "Wir sind angekommen. Ein wenig verspätet, aber wir sind da!"

"Wie lautet Euer Name?", fragte die Stimme.

"Wir sind Dr. Howard Stuart und..." Er blickte sich kurz um, sah zu Kelly, wand sich wieder dem Monitor zu und sprach weiter: "... Kelly Jones, so wie's aussieht."

Woher wussten Sie das? Das wollte Kelly schon laut sagen, doch sie brachte im Moment noch kein Wort heraus.

Das Tor öffnete sich quietschend und die beiden betraten das Grundstück des Newville Co. Laboratory.

Ein dicker Mann mit einem grauen Bart und einer großen, eckigen Brille kam ihnen entgegen und begrüßte sie mit ausgestreckten Armen: "Ah, willkommen! Tretet ein, tretet ein!"

Kelly rannte ihm entgegen, ebenfalls mit ausgestreckten Armen und umarmte den dicken Mann.

"Morgen, Dad! Endlich sehe ich dich mal wieder nach so langer Zeit", sagte Kelly froh.

"Um genau zu sein, Kelly, haben wir uns das letzte Mal heute Morgen gesehen.", antwortete Kellys Vater breit grinsend. Kellys Vater, Professor Dr. Bob Jones, schob Kelly ein wenig zur Seite und hielt dem Mann, Dr. Howard Stuart, seine dicke Hand hin.

"Hallo, Dr. Stuart, schön Sie zu sehen."

Dr. Stuart lächelte und begrüßte den Professor ebenfalls.

"Ich werde euch gleich in unseren Experimentraum führen.", sagte Bob und nahm seine Kelly an die Hand.

Er führte sie durch einen langen Gang, der sich an den Seiten immer wieder öffnete und eine Person mit einem langem weißen Mantel kam mit einem Stapel Formeln in der Hand heraus. Wenn sich diese versteckten Türen öffneten, gaben sie immer ein leises Surren von sich und Kelly musste kichern, denn das erinnerte sie immer an eine kleine Stubenfliege, die im selben Moment erschlagen wurde.

Als die Drei endlich am Ende des Ganges ankamen, standen sie vor einer großen metallenen Tür. Bob drückte geschwind einen langen Code in ein graues Kästchen, das sich neben der Tür befand. Sogleich ertönte ein Piepston. Darauf öffnete sich die Tür zur Seite und die Drei konnten eintreten. Kelly konnte gar nicht glauben, was sie da sah: ein riesiger Raum mit Hunderten von Lichtern und den verschiedensten Arten von Flüssigkeiten. Wissenschaftler, Chemiker, Forscher huschten von Regal zu Regal, von Tisch zu Tisch. Kelly, Bob und Howard standen auf einer Art Balkon von dem sie hinunter in den Raum blicken konnten. Die Decke glich einer Kuppel durch die man wahrscheinlich nachts die Sterne und die Planeten durch gigantische Teleskope beobachten und erforschen konnte. Kelly lächelte und ihre Augen strahlten vor Glück. Doch plötzlich tat es einen riesigen Knall. Kelly zuckte augenblicklich zusammen.

"Was war das, Dad? Ist was passiert?", fragte sie besorgt.

"Aber nein, das passiert ständig. Es sind unsere ,Lehrlinge', die mal wieder die falschen Flüssigkeiten zusammenmischen!" Bob lachte herzhaft, räusperte sich und sagte: "Nun, kommen wir zur Sache! Ich werde Euch nun hinunter führen und meine Kollegin, Dr. Brown, wird Euch dann ein wenig herumführen. Er schob Kelly die Treppe hinunter und ließ Howard nachkommen. Dann wandte er sich ihnen ab und murmelte etwas. Kelly konnte nur "... die Anderen... bald da sein..." verstehen und stolperte über die letzte Stufe der Treppe.

"Autsch!", rief sie und eine Frau mit braunen Haare, die elegant mit ein paar Harnadeln zurückgesteckt wurden und einem Ordner, den sie mit beiden Armen an ihrem Körper geklammert hielt und einer kleinen spitzen Brille drehte sich zu ihnen um. Die anderen Wissenschaftler nahmen gar keine Notiz von Kelly, denn sie waren zu sehr in ihre Arbeit vertieft. Und das war auch besser so. Es kam nicht häufig vor, dass Kelly etwas peinliches passiert. Und da lag sie nun. Mit dem Bauch auf dem Boden und mit den Armen am Boden abgestützt. Howard nahm ihren Arm und half ihr auf.

"Ah, wie ich sehe, Kelly Jones und Howard Stuart.", sagte die Frau mit der selben schnippischen Stimme, die sie am Eingang des Labors durch den Lautsprecher begrüßt hatte.

"Mein Name ist Dr. Angeline Brown. Der Professor wird mich schon erwähnt haben." - weil ich ja so wichtig bin, vervollständigte Kelly den Satz in Gedanken. Dr. Brown grinste breit, als sie ihren Namen sagte. Ganz anders, als sie Kelly und Howard erwähnt hatte.

"Was für eine zickige Angeberin.", dachte Kelly.

"Ich werde Ihnen nun die wichtigsten Dinge hier in unserem Newcorp Labor zeigen." Sie zog die Augenbrauen hoch, drehte sich auf ihren Absätzen ihrer schwarzen Lackschuhe um und lief mit raschem Schritt auf ein Regal mit sorgfältig einsortierten Reagenzgläsern zu. Kelly hatte große Mühe, ihr zu folgen.

"Hier sehen Sie verschiedene Arten von Tier-Genen." Dr. Brown nahm ein Glas mit blauer Flüssigkeit aus dem Regal. "Die ist ein Katzen-Gen. Es wurde aus einem Katzenhaar entnommen und anschließend in diese besondere Flüssigkeit gemischt, die dieses Gen vervielfacht. Wenn eine Katze damit in Berührung kommt, wird sie zu einer ,Super-Katze', wie wir sie nennen. Der Fachausdruck ist jedoch ,Supera neguracloryna'."

Kelly nickte interessiert. Das fand sie wirklich interessant, jedoch nicht besonders erfreulich, dass diese Angeline es erklärte, denn Kelly konnte sie nicht leiden und andersrum ist es anscheinend genauso.

Dr. Brown nahm ein weiteres Glas aus dem Regal, das die Farbe Grün hatte.

"Dies ist ein Echsen-Gen. Wenn jetzt eine Katze in Berührung dieses kommt, mutiert sie zu einem Wesen, dass zur Hälfte Katze und zur Hälfte Echse ist. Also zum Beispiel eine Katze, deren Schwanz abbricht nach ein paar Tagen wieder vollständig nachwächst."

Angeline lachte laut und spitz. Die anderen nahmen mal wieder keine Notiz davon.

"Jedoch sind Tierversuche, zu meinem Unglück, verboten. Ich würde zu gerne so ein Experiment vollbringen."

Sie führte die beiden zu einem weiteren Regal mit Gläsern, in denen Flüssigkeiten waren, die eine so seltsame und außergewöhnliche Farbe hatten, dass Kelly zweimal hinschauen musste, um sie auch wahrzunehmen. Auf dem ersten Blick sahen alle gleich aus, doch wenn man genau hinblickte, konnte man in dem hellen Braun fadendünne Streifen in den verschiedensten Farben, die in den Gläsern leicht waberten, sehen.

"WAMM!" Ein weiterer Knall ertönte im Raum und hallte von den schalldichten Wänden wider. Kelly zuckte wieder zusammen, aber Howard und Angeline blieben ruhig. Eine kleine Rauchwolke zog in Richtung der Drei und daraus kam hustend ein junger Wissenschaftler. Sein Gesicht war mit Ruß bedeckt und seine einst gegelten Haare standen ein wenig weg vom Kopf und waren ebenfalls an einigen Stellen schwarz. Der Junge war etwa 16 Jahre alt und als er Kelly erblickte, richtete er sofort seine Haare zurecht. Unter den schwarzen Haaren konnte Kelly ein paar dunkelblonde Strähnen sehen. Seine Augen waren grün-grau und er besaß einen sportlich gebauten Körper. Auch er trug einen weißen Mantel, so wie es Sitte bei den Wissenschaftlern war.

"Das ist mein Lehrling, Benjamin Tailor.", erklärte Dr. Brown.

"Ihr Lehrling. Wieso ihrer? Ich dachte, es wären Dads Lehrlinge.", dachte Kelly und verengte ihre Augen.

"Guten Tag!" Er nickte Howard zu und gab Kelly seine dreckige Hand. Sie lächelte. Seine Hand fühlte sich geschmeidig und warm an.

"Ihr könnt mich auch Benny nennen. Ist mir lieber.", sagte Benjamin zwinkernd.

"Warum hat das gerade so laut geknallt, Benjamin? Hast du mal wieder Mist gebaut?", schelte Angeline schnippisch.

"Ich habe versehentlich einen Tropfen zu viel Heronoclycerin in die Substanz gegeben. Ich wollte ein Geparden-Gen mit dem Gen eines Vogels vermischen und hab's mit der Vervielfältigungssubstanz übertrieben.", erzählte Benny.

Benjamin nahm ein Reagenzglas aus dem Regal mit den Tier-Genen und wollte es Dr. Brown noch einmal vorführen.

"Nein, lass das, hör auf, Benjamin! Ich weiß selbst, wie es funktioniert.", rief Angeline mit genervter Stimme und ihre Augen blitzten vor Wut.

Nun ertönte ein dritter Knall und Benny zuckte zusammen. Vor Schreck ließ er zwei Reagenzgläser auf seinen Fuß fallen, die sofort zersprangen. Dr. Stuart, Dr. Brown und Kelly machten mit einem kurzen Schreckensschrei einen Schritt zurück.

"BENNYYYYY!!!", schrie Angeline. "Weißt du nicht, dass es äußerst gefährlich ist, wenn man mit solch einer Flüssigkeit in Berührung kommt?"

Rasch kramte sie aus ihrer Tasche ein kleines Funkgerät, mit dem sie Kontakt mit jemanden aufnahm: "Bringen sie Benjamin Tailor so schnell es geht in das Untersuchungszimmer! Flott!"

Wie es scheint, sprach sie mit den Doktoren. In Windeseile öffnete sich eine Tür mit einem Surren und Männer mit weißen Hosen, roten Jacken und Gummihandschuhen kamen hereingestürmt. Sie trugen zu zweit eine Tragbare, legten Benny darauf und stürmten wieder weg. Eine Frau, ebenfalls mit Gummihandschuhen, blauer Hose und weißem Hemd kam herein und wischte die ausgelaufene Substanz vom Boden. Den Schwamm mit der Flüssigkeit legte sie in einen gläsernen Behälter, verschloss ihn mit einem goldenen Schlüssel und hob schließlich die Scherben der Gläser auf. Kelly starrte gebannt auf die Arbeit der, schon etwas älteren, Frau und merkte nicht, dass sich Howard und Angeline von dem Unfallplatz entfernten. Als sie sich schließlich wieder gefasst hatte, sah sie sich suchend nach allen Seiten nach den beiden um, konnte sie aber nicht finden.

"Entschuldigen Sie," fragte sie einen Mann, der gerade mit einem anderen Mann mit einer Arbeit beschäftigt war und der sie mit großen Augen durch eine durchsichtige Plastikbrille anstarrte, "Haben Sie hier zufällig Frau Dr. Brown und Herrn Dr. Stuart gesehen?"

"Aber sicher meine Kleine." Der Mann wandte sich ihr nun vollständig zu und nahm seine Brille ab. Sein Arbeitskollege drehte sich ebenfalls zu ihr um und nahm auch seine Brille ab. Kelly dachte zunächst, sie sähe doppelt, jedoch waren die beiden Zwillinge.

"Sie sind dort hin gelaufen."

"Nein, ich bin mir sicher, George, sie sind dort entlang."

"Aber wenn ich es dir doch sage, Steve, dort hin."

"Das würde ich nicht behaupten..."

"Ich vermute ganz im Gegensatz..."

Hier fand Kelly sicherlich keine Hilfe und ging einfach einen anderen Weg, den die Zwillinge nicht vorschlugen. Und da sah sie sie. Howard, Angeline und auch Bob.

"Kelly-Schatz, wo warst du?", fragte Bob und ging mit besorgtem Blick auf seine Tochter zu.

"Ich hab mich... na ja, ich hab nicht bemerkt, dass Frau Dr. Brown und Herr Dr. Stuart sich von mir entfernten."

"Hohoho, ist sie nicht süß?", lachte Bob tief und er erinnerte für kurze Zeit an den Weihnachtsmann.

"DAD!!!" Kelly war es peinlich, von ihrem Vater wie ein Kleinkind behandelt zu werden.

"Dr. Brown, Benjamin hat keine Anzeichen von Nebenwirkungen in seinem Körper enthalten.", berichtete eine Ärztin. "Er ist bei voller Gesundheit."

"Da bin ich ja beruhigt.", log Angeline hochnäsig.

Benny kam sogleich herangestürmt, stolperte, versuchte, sich an einem Regal festzuhalten, das jedoch umfiel und auf Kelly, Bob, Howard, Angeline, George und Steve stürzte...

Seltsames Gefühl

"Gnn!" Kelly wachte in ihrem weichen Bett mit der engelblauen Bettdecke und dem passenden Kopfkissen auf. Langsam öffnete sie ihre Augen. Ihr Kopf fühlte sich seltsam an. Er dröhnte und sie spürte ihr Herz wild in ihrem Kopf schlagen. Kalter Schweiß lief ihr von der Stirn.

"Wo bin ich? Dad? Dr. Stuart? Benny? Was ist passiert?", fragte sie sich und wand sich in ihrem Bett hin und her.

"Hab ich etwa geträumt? Wie spät ist es?"

Sie griff nach ihrer Brille, die auf dem Nachtkästchen neben ihrem Bett lag und setzte sie auf ihre Nase. Doch im selben Moment kniff sie ihre Augen fest zusammen. Vor Kelly war alles verschwommen. Sie konnte ihr Zimmer fast gar nicht richtig erkennen und zog die Brille gleich wieder aus. Wie bitte? Scharf. Ausgezeichnet. Kelly konnte ohne Brille sehen. Sie brauchte sie nicht mehr. Vor Glück zog sie mit ganzer Kraft die Decke von ihrem Körper, sprang aus dem Bett und stellte sich vor den Spiegel.

"Kelly! Wow, du bist ja hübsch! Du gefällst mir.", sprach sie ihr Spiegelbild an und stellte sich in Pose. Anscheinend war es schon morgens. Ihr Zimmer war hell und Kelly machte sich gleich auf ins Badezimmer. Dort traf sie ihren Vater, Bob, der sich verschlafen und mit schwarzen Augenringen im Spiegel betrachtete und zu sich selbst sagte: "Du bist ein hässlicher Kerl, Alter! Rasier dich! Kämm dich! Putz gefälligst deine vergammelten Zähne..."

"Dad? Was ist den los? Du bist doch sonst nie so müde, wenn du morgens aus dem Bett kommst.", sagte Kelly erstaunt, als sie ihren verkrüppelten Vater vor dem Spiegel stehen und mit einem Finger an seinem Auge herumfummelnd sah. Bob drehte langsam seinen Kopf zu Kelly und zog die Augenbrauen hoch.

"Morgens? Kelly, es ist 3.34 Uhr nachts."

Verwundert öffnete sie ihre Augen und sah dann auf die Uhr. Stimmt. Es war 3.34 Uhr a.m.

"Aber siehst du nicht, wie hell es hier ist? Das Licht hier ist nicht an, aber es ist trotzdem hell, wie tagsüber."

"Leg dich lieber noch ein wenig in dein Bett. Hast du gestern etwa getrunken?" Er legte seine Hand auf Kellys Schulter, sie sofort einen kurzen, spitzen Schrei ausstieß.

"Dad, du bist ja aufgeladen.", lachte Kelly. "Hast dich wohl heute nacht zu sehr im Bett gewälzt, hu?"

"Tut mir leid, Schatz!", sagte Bob und sah verwundert seine Hand an. "Seltsam."

Kelly legte ihre Hände auf die Schulter ihres Vaters und brachte ihn in sein Schlafzimmer. Kellys Mutter, Katharina Jones, starb bei Kellys Geburt, deswegen schlief Bob alleine in seinem Bett.

Sie wünschte ihrem Vater noch eine gute Nacht und ging dann auch wieder in ihr Zimmer. Doch sie ging nicht ins Bett, sondern dachte darüber nach, warum es so hell ist und es doch mitten in der Nacht ist. Sie öffnete ihre Vorhänge und zog den Rollladen hinauf. Tatsächlich: der Himmel war schwarz und der Vollmond strahlte hell über dem Haus der Jones'. Doch als Kelly nach unten auf die Wiese sah, auf der gerade eine Katze ihren nächtlichen Spaziergang machte, kam es ihr vor, als wäre es Tag. Ohne zu wissen, was sie tat, öffnete sie ihre Balkontür neben dem Fenster, stürmte hinaus und rief der Katze "Guten Abend!" zu. Die Katze blickte mit ihren leuchtend gelben Augen zu Kelly auf und miaute. Kelly grinste und sagte dann schließlich: "Dankeschön!"

Dann betrat sie wieder ihr Schlafzimmer, schloss die Balkontür, ließ den Rollladen wieder herunter, zog die Vorhänge zu, lehnte sich mit dem Rücken an das Fenster und fragte sich: "Hä? Was war denn das gerade? Hab ich mit einer Katze gesprochen? Ich muss irre sein... oder träumen."

Sogleich legte Kelly sich wieder in ihr Bett und versuchte einzuschlafen.
 

Am nächsten Morgen wurde sie von einem Haustürknallen aufgeweckt. Senkrecht setzte sie sich im Bett auf und blinzelte. Vielleicht war es ja doch kein Traum! Ohne Brille konnte Kelly alles ganz scharf sehen. Aber... was ist mit der Katze?
 

Nachdem sich Kelly angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg ins Newville Labor. Im Bus traf sie Dr. Stuart.

"Guten morgen, Dr.!", begrüßte sie ihn, lächelte jedoch nicht.

"Morgen, Miss Jones!", antwortete Howard.

"Ich muss Ihnen etwas erzählen. Gestern Abend...", fing Kelly an.

"Ich weiß, der Professor hat mir alles am Telefon erzählt.", sprach Howard ernst.

"Oh, dann hat er sicher gesagt, dass ich verrückt sei, nicht wahr?" Kelly senkte ihren Kopf und blickte traurig auf den Boden.

"Nein, er sagte, wenn du die Wahrheit sagst, ist es wahrscheinlich eine Nebenwirkung der Substanz, die gestern im Labor auf uns fielen."

"Aber mir ist noch etwas viel außergewöhnlicheres passiert, Dr.", quengelte Kelly ungeduldig und erzählte Howard die Geschichte mit der Katze. Dr. Stuart lauschte gespannt der Geschichte und grübelte dann schließlich.

"Heute Morgen habe ich auch einen großen Schock bekommen, als ich das hier entdeckte." Howard zeigte Kelly seine Hände, die bewachsen waren mit langen schwarzen Haaren. Es glich Fell. Kelly wusste, dass Howards Hände zuvor anders aussahen. Als er ihr am Tag zuvor ihre Formeln gab, konnte sie genau sehen, wie gepflegt seine Hände waren und jetzt...

"Was...?", begann Kelly und sah dem Dr. mit entsetztem Gesicht in die ernsten Augen. Dann sah sie wieder auf den Boden. Ihre Augen wurden feucht und sie fragte: "Was haben diese Flüssigkeiten bloß mit uns angestellt?"

"Mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass du braune Augen hast. Sehen toll aus!", versuchte Howard Kelly aufzumuntern und lächelte.

Kelly wurde rot, wischte mit dem Ärmel ihre feuchten Augen ab und sah Dr. Stuart wieder an.

"Ich brauche keine Brille mehr.", sagte sie glücklich und war innerlich froh darüber, dass sie nicht alleine war.

"Ich glaube, wir sind eine Haltestelle zu weit gefahren.", sagte er verlegen und stand auf. Kelly richtete sich ebenfalls auf und stieg zusammen mit Howard aus dem Bus. Eine Haltestelle liefen die beiden nun zurück und schlugen dann den Weg ins Labor ein.

Auf dem Weg in den großen Raum mit den Tausend Reagenzgläsern kam ihnen Benny entgegen.

"Kelly! Dr. Stuart! Wir erwarten Sie schon lange.", rief er ihnen zu und führte sie dann weiter in den Raum. Dann stürmte er in einer so schnellen Geschwindigkeit die Treppe hinunter, dass Kelly und Howard nur starr dastanden und Benny mit offenem Mund nachsahen.

"Kommt endlich! Der Professor ist schon ganz ungeduldig!", rief Benjamin den beiden zu. Dann stiegen sie auch die Treppe hinunter.

Es fiel auf, dass gar keine Wissenschaftler da waren. Nur Bob, Benny, Howard, Kelly und die beiden Zwillinge vom Tag zuvor, George und Steve, die zusammen auf einer Tragbare lagen und von einer Decke zugedeckt waren, sodass man nur ihre Köpfe sehen konnte.

"Dad, was ist hier los?", fragte Kelly, als sie ihren Vater erblickte. Bob hatte den selben ernsten Gesichtsausdruck wie Howard und antwortete: "Wir wissen jetzt, was mit uns passiert ist."

Benny bot Kelly einen Stuhl an, die sich auch gleich hinsetzte und sich leise bedankte.

Der Professor fuhr fort: "Dr. Brown hat Euch sicher erzählt, dass die Tiere zu Super-Tieren mutieren, wenn sie mit unseren speziell entwickelten Flüssigkeiten in Berührung kommen. Wenn ein Vogel mit einer Fledermaus-Gen-Substanz konfrontiert wird, übernimmt der Vogel also auch die Fähigkeiten der Fledermaus und wächst zu einem Mischling heran. Dasselbe könnte passieren, wenn wir Menschen in Berührung mit einer dieser Flüssigkeiten kommt. Und da Benny gestern das Regal mit den Tier-Genen umgestoßen hat,..."

Mit erschrockenen Gesichtern starrten Kelly, Howard, Benny, George und Steve den Professor an.

"Dr. Brown wollte eigentlich auch kommen, aber wie's aussieht, ist sie nicht anwesend.", überlegte Bob und drehte an seinem Bart.

"Aber ich bin doch hier, sehen Sie das nicht oder haben Sie ihre Brille nicht auf?"

Alle sahen sich fragend um, wo diese Stimme herkommen könnte. Die Stimme klang wie die Stimme von Angeline, jedoch war sie nicht da, oder war sie etwa... unsichtbar? Möglich wäre in diesen Zeiten alles.

"Ihr könnt mich doch nicht übersehen!!! Ich steh doch genau vor dem Mischungs-Gen-Regal!", schrie die Stimme wütend und ließ den Professor umfallen. Er richtete sich auf und ging langsam auf das Regal zu. Dann tastete er vorsichtig in der Luft herum.

"Ah, ich spür was...", sagte er leise und fing sich sogleich eine kräftige Ohrfeige ein.

"Sie Schwein!" Anscheinend hatte er Angeline an der falschen Stelle angefasst.

"Frau Dr., Sie sind ja unsichtbar.", rief Benny entsetzt. Kelly war es peinlich, wie ihr Vater sich immer vor allen blamierte und hielt sich die Hand vor das Gesicht.

"Gibt es ein Tier, das sich unsichtbar machen kann?", überlegte Bob und Howard antwortete: "Nein, aber es gibt Tiere, die sich ihrer Umgebung anpassen."

An der Stelle, an der angeblich Angeline stand, wurde die Luft ein wenig unscharf, waberte und nahm schließlich die Gestalt einer Frau an.

"Da sind Sie ja endlich.", lachte der Professor.

"Ich war die ganze Zeit da.", murmelte Dr. Brown und verdrehte die Augen. Sie verdrehte die Augen sogar in verschiedene Richtungen. Das eine nach rechts, das andere nach links und dann oben und unten.

"Sind Sie...", fing Kelly an.

"Ein Chamäleon?", vervollständigte Benny und scheuchte eine Fliege weg, die sich auf seinem Arm gemütlich gemacht hatte, um sich zu putzen. Sie flog mit einem leisen "Sssss" über ihre Köpfe hinweg und landete auf einem Tisch mit einem kleinen Teleskop. Angeline drehte ihren Kopf zur Fliege, öffnete ihren Mund und eine lange, rosa Zunge schnellte heraus und zog die Fliege mit sich. Kelly hielt sich die Hand vor den Mund und machte ein würgendes Geräusch. Benny streckte die Zunge heraus und aus Howards Mund drang nur ein angeekeltes "Uh!"

"Ähähäm, öhö, also, wie's aussieht, ist Dr. Brown ein Chamäleon.", sagte Bob.

"Vielen Dank für dieses Urteil, Professor.", sprach Angeline beleidigt und zugleich hochnäsig.

"Ich habe ein paar ausgelaufene Flüssigkeiten untersuchen lassen, die wahrscheinlich mit Euch in Berührung gekommen sind. Ich habe festgestellt, dass es Katzen-, Wolfs-, Geparden-, Zitteraal-, Chamäleon-Gene und eine Mischung, die von George und Steve entwickelt wurde.", erklärte Prof. Dr. Jones.

"Und wer ist wer?", fragte Kelly.

Bob zog die Decke von der Tragbare, auf der George und Steve lagen. Kelly und Angeline fingen an, laut zu kreischen und Howard und Benny bekamen einen riesigen Schrecken, als sie nur einen Körper mit zwei Köpfen auf der Tragbare liegen sahen.

"Nicht erschrecken! Es ist doch nur... sind doch nur George und Steve. Sie sind mit ihrem eigenen Ergebnis konfrontiert worden und haben sich einen Körper geteilt. So sehen eben Mutationen aus.", versuchte Bob die anderen zu beruhigen.

"Ich weiß jetzt, was ich bin.", sagte Kelly, "Weil ich doch nachts sehen konnte und mit der Katze reden konnte, bin ich doch selbst auch eine Katze, oder Dad?"

"Das ist durchaus möglich.", antwortete Bob und nickte, "Kannst du dich noch daran erinnern, als ich heute Nacht so aufgeladen war, Kelly? Ich bin eine Zitteraal-Mutation. Benny ist eindeutig ein Gepard, da er mit Windeseile die Treppe runterstürmte und..." Bob fasste kurz an Bennys Hintern, der einen lauten Schrei ausstieß und sich dann umdrehte, um zu erfahren, was der Professor getan hatte. Bob zog einen langen, gelbgepunkteten Schwanz aus Bennys Hose und lachte.

"Deswegen." Bob schmunzelte "Und für Dr. Stuart bleibt dann nur noch der Wolf, deswegen haben sie auch so behaarte Hände."

"I-Ich glaube, ich sollte jetzt besser nach Hause und erst mal darüber hinweg kommen. Das kommt jetzt alles so plötzlich.", sagte Howard und entfernte sich von den anderen. Auch Kelly machte sich dann mit ihrem Vater auf den Weg nach Hause. Genauso wie Benny. Angeline und Steve-George blieben im Labor und untersuchten sich selbst noch ein wenig, da sie es kaum glauben konnten, wie sie das mit ihrer Mischung schafften.

Fähigkeiten unter Kontrolle

"Werde ich jetzt für immer als Katze herumlaufen?", fragte Kelly entsetzt und zugleich mit traueriger Stimme ihren Vater, als die beiden gerade auf dem Weg nach Hause waren und mit den Lederkoffern in der Hand durch enge Straßen liefen.

Bob wusste nicht, was er sagen sollte, kratzte sich am Kinn, räusperte sich leise, wandte sich Kelly zu, legte seine Hand auf ihre Schulter, sah sie mit Mitleid zu ihr und auch zu sich selbst gefüllt an und sagte dann schließlich: "Ich fürchte,..."

Kelly senkte ihren Kopf. Ihre Augen wurden langsam feucht und sie wischte mit dem Ärmel ihres weißen Mantels die Tränen aus ihren Augen. Dann sah sie wieder zu ihrem Vater hoch, der seine Hand, die er auf Kellys Schulter gelegt hatte, zu seinem Mund führte und nachdenklich an seinen Mundwinkeln kratzte, und fragte schluchzend und sehr besorgt: "Werden-werden Howard, Benny und die anderen... sterben?"

Bob war erstaunt über diese Frage, zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht. Vielleicht würden sie sogar sterben. Aber das konnte er seiner geliebten Tochter doch nicht sagen!

Als die beiden endlich daheim ankamen, sperrte Bob die Haustüre auf und ließ Kelly hinein. Er bemerkte am hochgestellten, roten Fähnchen an seiner Mail Box, dass er Post bekommen hatte und entnahm sie aus dem Briefkasten. Es war ein Brief von Newville Co. Laboratory. Bob standen die kleinen Härchen auf seinem Rücken zu Berge, denn er hatte noch nie Post von Newcorp bekommen. Nur ein einziges Mal, als er als Wissenschaftler in die Organisation aufgenommen wurde. Doch das war vor vielen Jahren. Da war Kelly noch nicht einmal auf der Welt. Mit zitternden Händen öffnete er den nicht zugeklebten Brief mit dem Newcorp Logo und las...
 

Mitten in der Nacht wurde Kelly plötzlich unsanft von einem dumpfen Knall geweckt. In ihrem Zimmer war es taghell. Jedoch nur für Kelly. Draußen aber war es stockdunkel und die Grillen zirpten im hohen Gras vor dem Haus der Jones'. Kelly hatte Angst, es wäre ein Einbrecher und so schnappte sie sich, nachdem sie leise aus ihrem Bett stieg, ihren Holzbaseballschläger mit einer Originalunterschrift von einem Pitcher von den Pittsburgh Pirates. Den Schläger hatte sie zu ihrem zehnten Geburtstag von ihrem Vater geschenkt bekommen. Aber nicht zum Spielen, sondern als Erinnerung an ein Treffen mit dem Baseballspieler.



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