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Written in blood

Schattenspiel einer Legende
von

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Prolog

In einer Zeit in der Legenden noch Wahrheit wurden, die Menschheit jung und unwissend war, wurde das Kriegshorn geblasen und zum großem Kampf gerufen. In jener Nacht schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Zur letzten Schlacht fanden sich Tausende ein, und doch würde am Ende nur noch einer stehen. Ein Letzter, welcher das neue Zeitalter einleuten würde.
 


 

"Stecht sie ab! Reißt sie nieder!"
 

Geschrei grollte über das Schlachtfeld, welches nur noch modriger, schlammiger Erde glich.

Klingen gerieten aneinander, Donner grollte.

Es war ein Kampf, wie die Welt ihn nie mehr erleben sollte.

Wo sich die Menschen noch für die Höchsten hielten, so hatten sie nun ihre Meister gefunden. Seuchen hatten die Rasse, welche nebst den Menschen existierte, fast ausgelöscht - doch einer, ein Führer hatte die Letzten dieser Spezies um sich geschart.
 

Er war der Urvater von dem, was die Dunkelheit bis jetzt in sich zu bergen vermochte - Hass, Groll, und die Gier nach Macht.

Er war Angehöriger einer höheren Instanz, einer Lebensform die älter, weiser und mächtiger als Gott selbst schien.

Die Menschheit hatte versagt; Verluste gingen über Hunderte und die Schreie der Toten hallten noch, nachdem das Feuer erloschen war.

Es roch nach verbranntem Fleisch, Hautfetzen wehten im Wind und trugen den Duft von frischem Blut fort.

Sie lechzten, grollten und labten sich an den Leben der verblieben Bauern.

Ihre Körper bebten angesichts dieses Blutbades und jeder Einzelne schien den Wahn in seinen leuchtenden Augen zu tragen, angestachelt von ihrem Führer, selbsternannten Herrn und Meister.

Flammen tanzten von Haus zu Haus.
 

In mitten des Kampfes fand sich der Urvater.

Unter seinen Stiefeln knirschten die verrauchten Leichen, sein Blick war starr auf den Horizont gerichtet.

Nie mehr würde er sich von den Menschen und den verbliebenen Völkern dieser Erde versklaven lassen...
 

Der erste Zug war getan, der Weg in eine neue, von ihm regierte Zukunft gebahnt...
 

So hob er seine Klinge, blau, schimmernd und einst heilig. Warmes Blut passierte schleichend seinen Arm.

Das Heer unter seinem Befehl hob seine Häupter, mit tiefen Stimmen wurde der Sieg kund gegeben.
 

"Nun sei dieses Land unser! Die goldene Macht wird die meine sein! Freiheit den Hylianern!"
 

Siegesgebrüll, Schwerter und Äxte die in die Luft schossen sowie Stimmen, die ihm huldigten.

Die Freude war groß.

Nun waren sie es, die die dieses Land formen und zurückerobern würden.

Viel zu lange hatte es gedauert, seit die Menschen ihnen nahmen, was einst ihnen gehörte...
 

Und doch.

Einer unter vielen hegte tiefe Gefühle des Hasses gegenüber diesem gottgleichem Wesen, welches so eben den Krieg mit den Menschen als gewonnen bezeichnete.
 

Hass, der aus einer Blüte namens Liebe entstanden war.

Ein Weib hatte alles zerstört.

Noch während die Krieger ihren Sieg feierten, wurde große, mächtige Magie heraufbeschworen.

Dieser Einzelne war des Urvaters Feind und somit auch der Feind seiner eigenen Rasse, welche er nun verriet.

Doch es war ihm alles Recht; sie, die Gesandte, die Gefährtin des Urvaters durfte nur ihm gehören und nur ihm. Alles würde er für sie aufgeben - denn er wußte, das nur ihr Blut allein diesen Wahnsinn beenden konnte... den Kampf um die goldene Macht...
 

Er rief die Boten des Todes an, bat sie inbrünstig um ihre Kraft - und plötzlich war das Licht erloschen.

Der Leib des Herrschers wurde brutal entzwei gerissen, gepfählt und zerfetzt.

Sein Blick wurde starr.

Der, der eben noch im Gefühl des Siegs gebadet hatte glich nun mehr einer Marionette, der man die Fäden durchtrennt hatte.

Schlaff hingen seine Glieder hinab, die Klinge fiel klirrend zu Boden.

Mit einem Mal war es so still, nur das Gewitter wollte nicht verstummen.

So nahm es also ein Ende.

Nach und nach lösten sich die Körper der Krieger auf. Ihr Herr war tot und so mußten sie folgen.

Ein Fluch, den sie für ihre Übermenschlichkeit annehmen mussten.

Und nur Asche blieb.

Nicht einmal die Fratze des Todes zeigte sich.

Er war allein.

Der Letzte. Der Mörder eines Wahnsinnigen.

Und doch nicht jener, welcher das neue Zeitalter einleuten würde...
 


 

Wind fegte um das Plateau in der Nähe des Kampfplatzes.

Ihr Haar tanzte mit den Geistern des Himmels, welche ihre Trauer nicht zu verbergen vermochten.

Tränen benetzten ihr feines Gesicht, welches Porzellan glich.

Der Regen wusch sie fort, wie das Blut der Gefallenen. Es war also vorrüber.

So viel Leid, das ihrem und anderen Völkern beigebracht wurde... wieso musste es so enden...? Sie hatte das nicht gewollt. Nicht so.

Sie wollte eine friedliche Lösung für diesen Konflikt... doch alles, was folgen konnte war ein Krieg. Ein Kampf um unendliche Macht...

Lag dies etwa in der Natur allen Lebens...?

War das der Preis für ihr Dasein...?
 

Zitternd brach sie zusammen. Die Gesandte.

All das Leid hatte sie gesehen und nun...
 

In ihren Händen barg sie eine kleine Spieluhr, nicht größer als eine offene Hand.

Immer wieder drehte sie das zierliche Stück Kunst. Im Innerem rührte sich langsam eine kleine Sanduhr.

So endete es - und so würde es beginnen.
 


 


 

Langsam erhob er sich aus den Trümmern. Der Letzte Krieger.

Stieg mühselig über zahlreiche Leichen hinweg.

Sein Ziel lag klar vor Augen: Das Schwert, welches der Herrscher zu Unrecht führte, musste seinen ursprünglichen Platz wieder einnehmen, koste es was es wolle. Auf das es zur Rechten Zeit erneut in heiligem Licht erstrahle.

Nur dem Auserwähltem war es erlaubt, diese Klinge zu führen. Warum also konnte der Urvater dieses Schwert auch nur berühren...?

Viele Fragen quälten in diesen Momenten seine geschundene Seele, als er zum stehen kam.

Unter seinen Füßen zerbarsten Knochen, Wind fegte um seinen Körper, drohte ihn umzuwerfen.

Dem jungen Mann war, als wenn Stimmen zu ihm flüsterten...sie riefen...
 


 

Gebieter...

Gebieter...
 


 

Die Klinge begann zu leuchten.

Ein leichtes Glimmen ging von ihr aus und verriet, das diese Waffe mehr war, als es den Anschein hatte.

Lange, lange Zeit stand er bewegungslos dort.

Starrte die von den Göttern gesegnete Klinge an, ehe er sich langsam umwendete.
 

Nein.

Ihm war es ebenso nicht gestattet, Hand an dieses Schwert zu legen.

Er musste von Dannen ziehen und die Zeit ihre Arbeit verrichten lassen.

Warten, bis das der Auserwählte aus den Reihen der Lebenden kommen würde, um die Klinge aus Licht gen Himmel zu heben, damit der Kampf um das Triforce endlich Ruhe finden könne.
 

Sein letzter Blick galt dem Hochplateu nahe des Schlachtfeldes, auf dem die Gesandte kauerte, wartend auf ihr Schicksal.
 

"Mögest du das Feuer in dir tragen, welches nötig ist um diese Welt in den Frieden zu geleiten... Auf das du einem Sohn das Leben schenken wirst" wisperte er, Hoffnung in seinem Herzen tragend...

Tausend Worte, eine Lüge


 

Das Schicksal geht die seltsamsten Wege.

Über Licht, Dunkelheit und Schmerz, Trauer und Hass, ja sogar über den Tod.

Oft sind es Lügen, die uns auf den rechten Weg führen.

Schicksal kennt keine Moral, kein Erbarmen, nur das Ziel.

Einzig und allein der Zeit ist es untertänig, wartend auf ein Zeichen.

Wartend auf jenen Tag, an dem sich Sagen zu Legenden und Legenden zur Wirklichkeit wandeln.

Seit Anbeginn der Zeit sehnen sich die Menschen nach mehr, als ihnen ihr Leben zu bieten hat. Nach Respekt, Einfluss, Reichtum... schierer Macht. Nach dem, was einzig und allein den Göttern vorbehalten ist.

Oft ist es die Hoffnung auf eine bessere Welt, welche die kleinen Geister dieser Erde vorran treiben, stehts auf der Suche und für die Erfüllung unzähliger Träume kämpfend. Diese Wesen wünschen sich meist nur eines; Frieden, Freiheit und ein glückliches Leben in einem fruchtbarem Land welches frei von Furcht und Armut existiert.

Jedoch... ebenso häufig finden sich unter jenen edel Gesinnten niedere Kreaturen, Schwache und Ausgestoßene die nur des Selbstzweckes wegen nach der goldenen Macht streben.

Ein Egoismus, welcher schnell reift, wächst und gedeiht und schließlich zur Gier führt.

Gier wird zu Hass, Hass führt zu Kampf, welcher oft nur die Saat des Bösen weiter sät.

Dieser Teufelskreis würde ewig fortwähren. Niemals endend, unerbittlich und von gewaltigem, zerstörerischen Ausmaßes...

So war es der Wille der Götter, das jene goldene Macht nie erreichbar sein sollte. Das goldene Reich, für Normalsterbliche auf ewig versiegelt und auf jene Seele wartend, welche die goldene Macht zu nutzen weiß...
 


 


 

Die Gesandte wußte, das ihr Kind niemals in Sicherheit sein würde, solange es bei ihr leben würde.

Sie mußte einen Ort finden an dem es den dunklen Kreaturen, welche ihr sicher bald auf den Fersen sein würden, leichter entfliehen konnte. Allein diese Tatsache befleckte ihr Herz mit unsagbarem Schmerz, machte es taub und schwer.

Es war jener Schmerz, den eine Mutter verspürte wenn sie ihr Kind in fremde Hände geben mußte.

Nur, um sicher zu sein, das es den nächsten Tag erleben würde.

Die einzige Chance, die ihr geblieben war. Sie konnte nur hoffen und beten.

Ihre und die Zukunft ihres Kindes war so von Nebel verhangen wie diese Nacht, in der sie an eines Bauern Türe klopfte.
 

Lange Zeit stand die Gesandte beinahe reglos vor der offen stehenden Tür, das kleine Bündel in den Armen haltend.

Friedlich, nichts ahnend von seinem Schicksal schlief das Kind, ein letztes Mal die Wärme seiner leiblichen Mutter spürend.

Immer wieder wechselte diese besorgte und zugleich unsichere Blicke mit der jungen Frau, die vor ihr im Türrahmen stand.

War das wirklich der einzige Weg...?

Hatte das Schicksal nicht noch eine Hintertür parat?

Wohl kaum.
 

Tränen benetzten ihr filigranes Gesicht, als sie dem Baby einen letzten Kuss auf die Stirn gab.

Dann überreichte sie der Fremden das Bündel, sowie einen Brief mit dem Siegel der Göttin Hylia.
 

"Ich bete dafür, das du Hyrule einst in eine bessere Zukunft leiten wirst..." flüsterte sie, summte dabei mit von Tränen brüchiger Stimme ein hylianisches Schlaflied. Dieses Lied war so alt wie die Zeit selbst und sollte jeden, der es hört eine sichere Reise in das Land der Träume gewährleisten, was immer ihn dort auch erwartete. Während sie summte, griff die Gesandte um ihren Hals und zog eine goldene Kette hervor. Sie war glänzend und solide gefertigt. Der Anhänger dieser Kette symbolisierte die göttliche Macht, war heilig und stand für alles Leben auf dieser Welt. Sachte legte die junge Mutter diesen Schatz ihrem Kind um, als ein letztes Geschenk.
 

Die Frau, welche das Kind nun in den Armen hielt, lauschte der Melodie - eine unglaubliche Wärme ging davon aus. Ihr wurde das Herz schwer bei dem Anblick von Mutter und Kind, welche sich wohl nie wieder sehen würden, doch hatte sie dieser Frau ihr Wort gegeben, das dem Jungen nie Leid widerfahren würde.

Das er eine wohl behütete Kindheit haben und fernab jeglichen Terrors aufwachsen würde.

So nahm sie das Kind entgegen, sah der Gesandten hinterher, solange, bis der Nebel sie verschlungen hatte und nicht wieder freigab.
 

"Möge Hylia dich schützen, mein Kleiner..."
 


 


 

Viele, viele Winter zogen seitdem in das Land.

Die Narben, die der Krieg hinterließ verblassten nach und nach, Hyrule begann wieder zu blühen.
 

Es hatte den Anschein, als sei der Frieden von ganz allein gekommen; doch dieser Schein trügte sehr: es herrschte weit reichende Armut in den Städten. Plünderer und Diebe zogen von Ort zu Ort, nahmen alles was sie kriegen konnten, Krankheiten verbreiteten sich rasend schnell und niemand war wirklich sicher.

Noch immer hatte Hyrule keinen neuen Herrscher - Unsicherheit und Angst bestimmte den Alltag der Überlebenden.

Niemand glaubte noch an eine bessere Zukunft.

Oder daran, das jemals wieder Frieden herrschen würde. Seit dieser eine Krieger das Schwert erhob und Hyrule mit Gewalt versuchte zu erobern, ging es besonders den Menschen in den größeren Städten schlechter als jemals zuvor.
 

Einzig und allein Mutter Natur schien genug Kraft zu haben, um den Plagen dieses Landes zu trotzen.

Sie allein schien einen Weg aus dem Chaos gefunden zu haben.

Gerade dies kam vielen Bauern zu gute.

Sie konnten endlich wieder anbauen, der Boden war wieder fruchtbar - auf einst verbrannter Erde wuchsen wieder Gräser.

Auf dem Land schien die Welt wirklich noch in Ordnung zu sein, frei und unberührt.

Es grenzte an ein Wunder, das selbst Diebe sich selten auf die Höfe der Bauern verirrten; doch viel von Wert gab es hier so oder so nicht und das schienen sie zu wissen. Alles, was die Besitzer der Höfe in ganz Hyrule besaßen war Vieh, welches den Krieg unbeschadet überstanden hatte und die wenigen Hektar Land, die ihnen damals nicht genommen wurden.
 


 

Es gab ein knisterndes Geräusch, als er die Sense über das Feld führte, um dem Getreide auf den Leib zu rücken.

Immer und immer wieder holte er mit seichten und kontrollierten Schwüngen von rechts nach links aus, führte das Sensenblatt dicht über dem Boden.
 

Die Sonne hatte bereits ihren höchsten Stand erreicht und brannte mit Unbarmherzigkeit nieder.

Das machte seine Arbeit nicht gerade einfacher, doch der junge Mann war geduldig und hart im Nehmen.

Wer wegen Mittagshitze seine Arbeit niederlegte, gehörte nicht auf das Land.

Harte Arbeit war hier Alltag und er war dies seit er seine ersten Schritte tat gewöhnt, denn er lebte allein mit seiner Mutter, welche den Hof übernommen hatte nachdem sie verwitwet war.
 

Einen Vater hatte er nie gehabt -

dieser war ziemlich bald nach seiner Geburt im Krieg gefallen und so hatte der Junge niemals Gelegenheit, ihn kennenzulernen.

Viel ausmachen tat es ihm aber nicht wirklich; er kannte es schließlich nicht anders, seit siebzehn Jahren nicht.

So gut wie nie hatte er nach seinem Erzeuger gefragt; was für ein Mensch er gewesen war oder ob er ihm sehr ähnlich sah.

Alles aus Rücksicht auf die Frau, die ihn trotz all der Geschehnisse mit so viel Liebe großzog.

Denn wann immer er nach seinem Vater oder dessen Beziehung zu seiner Mutter fragte, reagierte sie zögernd, unsicher und abweisend. Immer wieder bat sie ihn darum, nicht zu fragen. Weil es sie zu sehr schmerzte.

Und auch, wenn er diese Bitte annahm, so glaubte er doch, das noch viel mehr dahinterstecken mußte.
 

So fuhr er mit seiner Arbeit fort; es war nicht mehr viel übrig aber das geschnittene Getreide mußte noch gebunden und in die alte, mittlerweile leer stehende Scheune gebracht werden. Er war gerade dabei, das erste Bündel zu schnüren, als der junge Bauer von weiter her seinen Namen vernehmen konnte. Abrupt hielt er inne, schaute zum Hof.

Seine Mutter stand an der Umzäunung, winkte ihm eifrig zu.
 

"Link! Komm doch bitte kurz her!", rief sie.

Angesprochener richtete sich auf, legte das Bündel bei Seite und lief quer über das Feld zu ihr.

Am Zaun verschnaufte er kurz, strich sich das dunkelblonde Haar aus dem Gesicht und hinter die langen, spitzen Ohren, schaute dann auf.
 

"Ja...? Was ist denn?" fragte Link, blickte kurz auf den leeren Weidenkorb, den die Bäuerin dabei hatte.
 

"Ich wollte die Plantage aufsuchen... die Äpfel sind aus. Nicht, das du mich nachher suchst."

Sie lächelte ihn an, freundlich und warm. Links Mutter war noch recht jung, Mitte dreißig, doch die Arbeit auf dem Hof hatte ihre Spuren hinterlassen. Erste graue Haare verirrten sich in dem dunkelbraunen Schopf, die Hände waren rau und auch kleine Fältchen waren um die Augen herum auszumachen. Sie legte den Kopf leicht in den Nacken, schaute zum Himmel.
 

"Vielleicht gewittert es heute Abend..." merkte sie an, blickte wieder zu ihrem Jungen, ".... besser, du beeilst dich und bringst die Bündel ins Trockene, bevor es regnet."

Er nickte.
 

"Mache ich. Pass du lieber auf, das dich niemand auf dem Weg anspricht."

Link sah seine Mutter bittend an. Es gefiel ihm nie, wenn sie alleine auf den verworrenen Wanderwegen unterwegs war, denn er wußte, wie gutgläubig diese Frau war. Auch wenn Überfälle relativ selten waren, es gab sie doch.

Liebend gerne würde er sie begleiten, doch einer mußte auf den Hof acht geben.
 

Sie seufzte leise, nahm den Korb in die andere Hand und legte Link beruhigend ihre Rechte auf die Schulter.
 

"Mir passiert schon nichts. Gegen Abend bin ich wieder da. Versprochen."

Mit jenen Worten wandte sie sich ab und ging.

Resigniert blickte ihr Sohn ihr hinterher, ehe er sich wieder dem geschnittenen Roggen widmete.

Ein, zwei Stunden war seine Aufmerksamkeit nur auf das zusammen sammeln und -binden gerichtet.

Hin und wieder sortierte er aus, trennte Gutes vom Schlechtem.
 

Link hatte gerade die ersten Bündel in die Scheune gebracht, als sein Blick auf die Sense fiel, welche er zuvor wieder an die Scheunentür gehängt hatte. Das Sensenblatt war schon reichlich abgewetzt und mußte dringend wieder nachgeschärft werden.

Ein wenig schmunzelnd mußte er daran zurückdenken, wieviel Ärger er sich einmal eingehandelt hatte, nachdem er die Sense, ohne sie nach Gebrauch zu wetzen, einfach wieder zurückgehangen hatte - so wie jetzt.
 

"Das Sensenblatt muss immer scharf sein, sonst schlägst du die Ernte nur kaputt!" hatte seine Mutter damals im donnerndem Ton gesagt. Seitdem hatte er immer daran gedacht das Blatt regelmäßig nachzuschärfen; es war ihm ein Rätsel, warum gerade heute nicht. Vorsichtig nahm er die Sense von der Halterung und legte sie auf dem Boden ab.

Ein wenig irritiert stellte Link fest das der Wetzstein, mit dem das Sensenblatt geschärft wurde, fehlte.

Sonst hing er immer in einem Halter, direkt neben der Sense.
 

"...hat Mutter ihn entsorgt...?" fragte der sich selbst, seufzte.

Hätte sie ihm das nicht sagen können...?

Ein bisschen unschlüssig stand er nun vor der Tür, seine Augen wanderten von einem Instrument zum anderem in der Hoffnung, den Wetzstein vielleicht doch nur übersehen zu haben.

Doch Fehlanzeige. Er fehlte.
 

"Na wunderbar..." murmelte Link, kratzte sich am Hinterkopf und wandte sich dann langsam um.

Wenn er sich recht entsann, hatten sie noch einen in Reserve... doch wo dieser wieder gelagert wurde, darüber mochte er nicht nachdenken.
 

Seufzend nahm Link die alte Öllampe von der gegenüberliegenden Wand und zündete das kleine Licht an.

Es roch entsetzlich nach altem Öl, doch was tat man nicht alles für ein bisschen Licht im Dunkeln...?

Wenn sie einen weiteren Stein besaßen, dann vermutlich auf dem Dachboden der Scheune.

Oft war er dort nicht gewesen, auch nicht in seiner Kindheit.

Seine Mutter hatte es ihm stehts untersagt, gerade als er noch kleiner war und sich hätte verletzen können. Link hatte diesen Wunsch stehts respektiert ohne ein Wort der Gegenwehr; sah nun aber keinen Grund mehr, diesem Verbot folge zu leisten.

Er war nun schließlich alt genug, um auf sich Acht geben zu können.

Außer alten Kisten und Körben würde er dort wahrscheinlich nichts finden - aber einen neuen Wetzstein.... hoffentlich.
 

Der junge Bauer nahm sich eine Leiter zur Hand und lehnte sie gegen den Aufstieg zum Dachboden.

Sich ein letztes Mal vergewissernd, das die Leiter auch einen festen Stand hatte, stieg er die Sprossen empor und fand sich schließlich auf in Mitten von Staub, Kisten und Ungeziefer wieder.

Seit Jahren war hier niemand mehr gewesen. Nicht einmal seine Mutter.

Sie mied den Dachboden konsequent, warum auch immer.

Erst letztens, als Link ihr vorgeschlagen hatte dort einmal aufzuräumen, hatte sie beinahe panisch abgelehnt und ihm abermals verboten, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, einmal auf den Boden zu gehen...
 

"...was für eine modrige Luft... da erstickt man ja!" bemerkte er, stieg hastig die letzte Sprosse empor.

Link stellte die Lampe mitten im Raum ab und riss als erstes an dem Knauf eines alten Fensters. Es klemmte, was aber auch kein Wunder war. Als er mit Hängen und Würgen das Fenster schließlich aufziehen konnte, flog ihm der Staub nur so ins Gesicht.

Hustend wandte sich Link ab und sah sich nun in dem spärlich beleuchteten Raum um.

Seine Augen brauchten eine Weile, um sich an das Zwielicht zu gewöhnen, aber es ging.

Wieder konnte er nur resigniert seufzen, Ärger machte sich in ihm breit. Bis er gefunden hatte, wonach er suchte war es Abend.

Aber ihm blieb wohl keine andere Wahl, außerdem konnte sich Link beim besten Willen nicht vorstellen, wo er einen Wetzstein sonst hätte finden können, wenn nicht bei den übrigen Geräten. Im Haus sicher nicht, denn seine Mutter hatte jegliches Werkzeug das sie besaßen aus den vier Wänden verbannt.
 

So machte er sich daran, den ersten Korb zu durchsuchen, der ihm ins Auge fiel.

Dort waren ein paar alte Laken und Bezüge, mehr aber auch nicht.

Eine der Kisten folgte.

Lange Zeit fand er nichts aufregendes, manche Kisten waren sogar vollkommen leer.

Wenn es so weiterging, würde er vielleicht doch schneller mit der Suche fertig als gedacht.
 

Doch je länger Link sich hier oben aufhielt, desto mehr beschlich ihn ein Gefühl des Unwohlseins.

So, als wenn jemand ihn beobachten würde.

Als wenn jemand nur darauf gewartet hätte, das er diesen Dachboden betrat...

Aber er wußte genau, das niemand hier sein konnte.

Er war allein...und dennoch...
 

Link erwischte sich im Laufe immer öfter dabei, wie er sich etwas nervös umwandte, schaute ob vielleicht doch jemand hier war.

Wie absurd er sich dabei vorkam... doch dieses Gefühl ließ nicht locker.

Es wandelte sich mehr und mehr zur Unsicherheit, wurde stärker und beklemmender.

Ließ sein Herz rasen und schlußendlich trieb es ihm sogar den Schweiß auf die Stirn.

Vehement versuchte er dieses Gefühl zu ignorieren, es auszublenden... er war doch nur auf einem altem Dachboden, nicht auf irgendeinem Friedhof... als er sich dann auch noch ein leises Wispern einbildete, wurde es ihm zu viel.
 

Benommen schüttelte der junge Bauer den Kopf, ging in die Hocke und lehnte sich gegen eine Wand.

Was zum Teufel war nur los mit ihm?

Bis vor kurzem ging es ihm doch noch blendend!

Lag es an der miesen Luft, die hier oben vorherrschte...? War ihm die Mittagshitze doch zu Kopf gestiegen?

Oder wurde er krank...?

Schnaubend zog Link die Beine an, legte die Arme auf den Knien ab und schüttelte den Kopf.

Ja, es mußte die Luft sein...
 

"Irgendwie... ist es doch seltsam... es kommt mir fast so vor als wenn ich hier etwas finden würde, was ich niemals finden sollte... wie ein Geheimnis..." murmelte er zu sich selbst. Ohne, das er Kontrolle darüber hatte, schweiften seine Gedanken langsam ab.

Diese so absurde Situation gab ihm nun doch zu denken.

Seine Mutter mied den Dachboden, hatte ihn immer wieder davor gewarnt dieses kleine Gewölbe zu betreten... gab es da vielleicht einen Zusammenhang zu dieser seltsamen Situation? Hatte sie einmal etwas in der Richtung erwähnt?

Nein. Entsinnen konnte er sich nicht... in diesem Augenblick schlich sich ein Gedanke bei ihm ein. Ein Gedanke, der sich scheinbar all die Jahre vornehm zurückgehalten und nur auf den richtigen Augenblick gewartet hatte.
 

Vielleicht fand er hier auch etwas, das einst seinem Vater gehörte...? War es das? Erinnerungsstücke, die seine Mutter weggeschlossen hatte, auf das sie niemals wieder den Weg zu ihr oder gar ihrem Sohn finden würden...? Aber warum...?
 

Einen Augenblick blieb Link noch regungslos sitzen, ehe sein Blick auf eine weitere Kiste neben ihm fiel. Sie war mit einem dunklem, schwerem Tuch abgedeckt. Ohne weiter darüber nachzudenken, lehnte er sich auf die Seite, packte die Decke und riss sie fort.

So mußte es sein. Hier gab es etwas, das seine Mutter unter Verschluss halten wollte. Koste es was es wolle.

Warum sollte sie sonst dieses Verbot ausgesprochen haben, wenn nicht, um etwas zu verstecken?
 

Die Kiste, die er nun vor fand, war ziemlich provisorisch mit Nägeln verschlossen worden. Die vielen Jahre, sowie die Witterungsverhältnisse hier oben hatten sie morsch werden lassen und die Nägel waren verrostet und mürbe.

Kurz zögerte Link noch, ehe er anfing, an dem Deckel zu ziehen und zu rütteln.

Es sollte unter diesen Umständen nicht allzu schwierig sein, die Kiste aufzubekommen... was sich auch nach ein paar Mal kräftig rütteln bewahrheitete.

Mit geräuschvollem Knacken splitterte das Holz und der junge Mann hielt mit einem Mal ein Stück des Deckels in der Hand.

Achtlos pfefferte er das Holz in die Ecke, warf einen Blick auf den Inhalt der Kiste.

Eine hölzerne Schatulle war alles, was er darin finden konnte. Vorsichtig griff er hinein, holte sie heraus.

Es klimperte leise im Innern des Kästchens.
 

Auch das Holz der Schatulle war schon leicht angefressen, aber in sichtlich besserer Verfassung als manch anderer Gegenstand, den er hier schon hervorgezaubert hatte. Sachte strich er den Staub von dem Deckel.

Link holte die Lampe heran um besser sehen zu können. Es waren keinerlei Gravuren oder sonstige Verzierungen auszumachen. Sie war aus schlichtem, dunklem Holz gefertigt und von rechteckiger Form.
 

Ob er darin fündig würde? Ein leichtes Kribbeln machte sich in seiner Magengegend bemerkbar, als er vorsichtig das kleine Scharnier öffnete und den Deckel nach oben zog.
 

Ein Brief.
 

Link blinzelte ein paar Mal, starrte beinahe ungläubig auf den leicht vergilbten Umschlag.

War es dieses Stück Papier, das seiner Mutter das Leben anscheinend so schwer machte...? War das alles...?
 

"Das... kann doch nicht ihr ernst sein.." war das Einzige, was ihm in diesem Augenblick dazu einfiel.

Verwirrt und ein wenig verärgert griff er nach dem Brief; kein Absender, nichts. Nicht einmal ein Name stand auf dem Umschlag.

Erst als er ihn wendete, sprang ihn ein Symbol an.

Goldenes Wachs hatte das Papier all die Jahre verschlossen gehalten.

Dieses Symbol, dieses Siegel war ihm gänzlich unbekannt... und doch seltsam vertraut.
 

Es schien sich dabei um einen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen zu handeln. Allerdings fehlte ihm der Kopf.

Hier und dort war bereits ein bisschen Wachs abgeplatzt, aber man konnte es trotzdem noch gut erkennen. Sachte strich er darüber, dachte angestrengt nach ob er dieses Wappen nicht doch schon einmal irgendwo gesehen hatte...

Sekunden verstrichen, ehe Link das Siegel vom Untergrund löste, um den Brief zu öffnen...
 

Genau in diesem Moment fegten hunderte Bilder durch seinen Kopf, Bilder die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte.

Wie Momentaufnahmen rauschten sie an seinem innerem Auge vorbei zeigten ihm Dinge, die sein Geist nicht vollends erfassen konnte. Sein Kopf schmerzte entsätzlich, ein langer, pfeifender Ton machte es ihm beinahe unmöglich noch klar zu denken. Es war, als wenn in diesem Brief etwas verbannt worden wäre, ein böses Omen, eine längst vergessene Wahrheit...
 


 


 

Er fand sich auf einem riesigem Feld wieder.

Gewitterwolken hatten sich wie eine undurchdringbare Mauer über den Himmel gezogen.

Sachte blickte er sich um.

Ein kahles Land, gepflastert mit hunderten Leichen.

Schreie. Blut. Feuer.

Überall.

Dort war eine fremde Frau, weinend.

Er hörte ihre klagende Stimme, wie sie um Gnade flehte.

Eine Spieluhr zersprang vor seinen Augen. Schallendes Gelächter.

Die Gegend wandelte sich. Ein weißer Raum, leer und unendlich.

Dort vorne stand jemand...

Seine Mutter, welche ein Kind entgegennahm.

Tränen, unsagbar viele Tränen.

"Möge Hylia dich schützen, mein Kleiner..."
 


 


 


 


 

Es goss wie aus Kübeln, als der Hof endlich in Sichtweite war. Erleichtert lupfte die Frau ihren Rock an, damit sie beim Laufen nicht über den Stoff stolperte und im Schlamm landete. Ihr rechter Arm war schon ganz taub vor Kälte und Anstrengung, denn er trug den Weidenkorb, welcher randvoll mit mit Äpfeln gefüllt war.

Auf ihrem Weg zur Haustür fiel ihr auf, das dass geschnittene Getreide teilweise noch auf dem Feld lag.

Irritiert schüttelte sie den Kopf. Warum hatte Link nicht auf ihren Rat gehört...? Sie würde wohl noch einmal mit ihm reden müssen.

Vor der Haustür angekommen, verschnaufte sie kurz, dann betrat sie das Haus.
 

"Ich bin wieder da!" rief sie, stellte den Korb zur Seite und legte ihren Umhang ab. In ihrer Bewegung hielt sie kurz inne, sah sich etwas um. Es war totenstill im Haus. Nicht einmal das Flackern des Kaminfeuers konnte man vernehmen.

Normalerweise bekam sie auch immer Antwort wenn sie heimkam, doch heute...
 

"Link? Bist du da...?" fragte seine Mutter, abermals laut und deutlich. Wieder nichts.

Langsam aber sicher machte sich Unbehagen breit...

War vielleicht etwas vorgefallen, als sie fort war?
 

Vorsichtig schlich sie den kleinen Flur entlang, sah sich mit bedacht um.

Als sie dann um die Ecke kam, fand sie Link stumm am Esstisch sitzend vor. Gerade wollte sie das Wort ergreifen, als sich ihre Augen auf den Gegenstand hefteten, welcher vor ihrem Sohn auf dem Tisch stand.

Erschrocken sog die Bäuerin die Luft ein, die Worte welche sie an ihn richten wollte blieben ihr wie ein Kloß im Hals stecken.

Wie um alles in der Welt war er an die Schatulle geraten...?
 

Noch immer war ihm ein bisschen schummerig. Nachdem diese schrecklichen Bilder aufgehört hatten ihn heimzusuchen, war Link beinahe ohnmächtig geworden. Übelkeit und unsagbare Kälte hatten ihn urplötzlich wieder in das Hier und Jetzt zurückgeholt.

Noch nie in seinem bisherigem Leben hatte Link sich so hilflos und von Angst geplagt gefühlt.

Während er diese... Visionen, die Bilder wahrgenommen hatte, fühlte sich sein Körper schwer an und wie in Trance verfallen.
 

Erst, nachdem sich sein Kreislauf wieder beruhigt hatte und er sich sicher sein konnte das es vorbei war, konnte Link sich dazu durchringen, die Schatulle mit in das Haus zu nehmen und den Brief zu lesen. Sein erster Gedanke war, dieses verfluchte Ding wegzuschließen, so das er niemals wieder das eben Gezeigte sehen müsse -

doch letzten Endes siegte die Neugierde, die Frage nach dem warum.

Link glaubte an das Übersinnliche, daran das es eine höhere Macht geben mußte. Umso aufgewühlter war er wegen dem, was er erlebt hatte. Es ergab für ihn einfach keinen Sinn. Warum sah er solche Dinge? Warum beschlich ihn so ein beklemmendes Gefühl, so als wenn er etwas undendlich wichtiges verloren hätte...?

Erst, nachdem er jenen Brief gelesen hatte, konnte er sich zumindest einer Sache sicher sein...
 

Langsam, ganz langsam hob der Hylianer den Blick, sah emotionslos auf die gegenüberliegende Wand.

Die ganze Zeit hatte er still schweigend auf die geschwungene, zierliche Schrift gestarrt, welche das Pergament vor ihm schwarz färbte. Immer und immer wieder hatte er die Zeilen stumm gelesen, um auch nur im Ansatz begreifen zu können, was sie für ihn bedeuteten. Was sie für sein ganzes bisheriges Leben bedeuteten...
 

"Kannst du mir verraten... was das hier ist...?"

Ohne sie anzusehen, hielt Link dieser Frau das Pergament entgegen.

Dieser Frau, die er all die Jahre "Mutter" nannte ohne zu wissen, was wirklich hinter diesem Wort steckte: eine Lüge.

Die Frage nach dem Ich

Egal, wie sehr Link sich momentan wünschte, das all dies nur ein böser Traum sei... die bittere Realität lies sich nicht einfach ausblenden. Wie ein eben verkündetes Todesurteil prangten die kleinen, mit pechschwarzer Tinte verfassten Worte auf dem leicht vergilbtem Pergament. Stille herrschte. Nichts rührte sich, kein Laut hallte wieder.

Leer starrte die Bäuerin Link an, konnte noch immer nicht glauben wie es nur zu dieser Situation kommen konnte.

Sollten all die Jahre des Stillschweigens nun umsonst gewesen sein...? Unweigerlich schweiften die Gedanken der Frau zurück, zurück in eine Vergangenheit die sie versucht hatte zu vergessen...
 

Der junge Mann vor ihr ballte die Faust, welche auf der Tischplatte ruhte, knirschte mit den Zähnen. Er musste wirklich mit der Beherrschung kämpfen. Alles was er nun wollte war die Wahrheit über sein bisheriges Leben. Keine weiteren Lügen.

Wieder erhob er seine Stimme.
 

"...ich habe dich gefragt, was das h - "
 

"Link. Bitte...! Ich... ich kann es dir nicht sagen!"
 

"Ach?! Kannst du nicht?"
 

Links Stimme bebte vor Zorn, vor den vielen Gefühlen, welche nun durch seinen Körper strömten. Groll, Verzweiflung, Trauer.

Er konnte es nicht in Worte fassen, das was er nun fühlte. Es war wie ein alles verzehrendes Virus; machte ihn taub und schwach. Solch negative Gefühle waren ihm schier fremd und er hatte wirklich Schwierigkeiten, mit dieser Situation umzugehen - man hatte ihm nie einen Grund gegeben, Gefühle wie Zorn oder Hass zu empfinden. Link konnte noch nicht ganz begreifen, noch nicht fassen was geschehen war. Es drohte ihn zu zerreißen, einen Damm zu brechen der nicht gebrochen werden sollte.
 

Seine Augen sahen seine "Mutter" durchbohrend an und als wenn sie es fühlte, als wenn sie ahnte das diese Situation zu eskalieren drohte... Stumme Tränen rannen ihr bleiches Gesicht hinab, langsam ging sie um den Tisch herum und setzte sich Link gegenüber.

So viele Jahre waren nun schon ins Land gezogen, so viel Zeit und dennoch war die Erinnerung an diesen Tag so lebendig...

Es zerriß ihr das Herz, wenn sie an den Zwiespalt dachte, welcher nun in ihr tobte.

Vor siebzehn Jahren hatte sie ein unmißverständliches Versprechen gegeben, hatte geschworen. Link nun die Wahrheit zu sagen würde alles zerstören. Innerlich wollte seine "Mutter" nichts sehnlicher als ihn, ihren Sohn, von seiner Ungewissheit zu erlösen. Sie wollte endlich die Kraft haben um ihm sagen zu können, das er nicht ihr leiblicher Sohn war. Dennoch...

Sie atmete fahrig aus, strich sich über das Gesicht und legte ihre Hände auf den Tisch.
 

"Ich hatte...ein Versprechen gegeben. Ein Versprechen... das mich zum Stillschweigen verdammte.

Siebzehn Jahre lang... und jetzt...jetzt muss ich dieses Versprechen auflösen...".

Wehleidig schaute sie zu ihm.

Ihre Stimme war zittrig und leise.

Dennoch konnte Link sie gut verstehen und war bereit, ihren Worten zu lauschen.

Wie wichtig konnte dieses Versprechen gewesen sein...? Wichtig genug, um ihn in einem Netz aus Lügen aufwachsen zu lassen...? Innerlich schüttelte Link den Kopf, sah sein Gegenüber an und begann zu lauschen...
 


 


 

Wolken zogen über den nächtlichen Himmel, kündigten den Regen an, welcher schon zu lange auf sich warten ließ. Lange Zeit hatte sie nicht auf das vehemente Klopfen an ihrer Türe reagiert. Fremden durfte man nicht trauen, gerade in Zeiten des Krieges nicht. Dennoch rang die junge Bäuerin sich schlussendlich doch dazu durch, dem spätem Gast zu öffnen. Was ihre Augen durch den kleinen, geöffneten Türspalt erblickten, ließ sie noch vorsichtiger werden.

"Was führt Euch zu so später Stunde auf meinen Hof?"

Elara musterte mit flinken Blicken die Gestalt vor sich. Sie war in einen dunkelblauen, schweren Umhang gehüllt, die Kaputze tief in das Gesicht gezogen, eisiger Wind zerrte an dem dickem Stoff. Ein kleines Bündel lag in ihren Armen und sie presste es fest an ihre Brust. Auch wenn sie verhüllt war, so musste es sich um eine Frau handeln. Ein Augenblick verging, ehe der seltsame Besuch antwortete.

"Verzeiht meine späte Störung,.. ich... ich bitte Euch inständig, meinen Worten zu lauschen und mich nicht fortzuschicken."

Elara merkte, wie zittrig und schwach die Stimme der Frau wirkte, wie sie nach den richtigen Worten suchte und auch der flüchtige Blick auf das Bündel entging der Bäuerin nicht. Sie war sichtlich verwirrt, rang mit ihrer Vernunft und dem Drang, die Tür zuzuschlagen. Dennoch nickte sie.

"Sprecht."

Ein dankendes Lächeln stahl sich über die Lippen der fremden Frau und sie nahm sachte ihre Kaputze zurück. Nun konnte Elara erkennen, das es sich wohl um eine Adelige handeln musste. Ihr Haar war goldblond, lang und leicht gelockt. Um ihr Haupt wand sich ein filigranes Diadem, geschmückt mit einem rotem Edelstein welcher von Perlen und kleinen silbrigen Lorbeerblättern umrahmt wurde. Sie hatte ein zierliches Gesicht, beinahe weiß schimmernde Haut und ihre Augen waren offen und strahlten Güte aus.

Güte, die nun von Sorge und Angst zerfressen wurde.

"Ich brauche Eure Hilfe." Kurzes Schweigen folgte, dann gab die Fremde den Blick auf das Kind frei, welches in ihren Armen schlief.

Es mochte gerade ein paar Tage alt sein.

"Bitte nehmt mein Kind in Eure Obhut. Mein Leben wird alsbald beendet sein, so das ich den Jungen freigeben muss, damit er eine Zukunft hat. Eine sichere, friedliche Zukunft."

Tränen benetzten das filigrane Gesicht und sie sah die Bäuerin mehr als nur bittend an. Sie flehte.

Eine Mutter, die ihr Kind freiwillig in die Hände einer anderen gab, musste sehr verzweifelt sein.

Elara lauschte geschockt den Worten. Sie sollte dieses Kind aufziehen? Ihr eigen nennen...? Immer wieder glitt ihr Blick zwischen der jungen Mutter und dem Jungen hin und her. Sollte sie dieser Bitte wirklich nachkommen...? Gerade jetzt?

Sie zögerte, da ergriff die Adelige wieder das Wort.

"Ich flehe Euch an! Schenkt meinem Sohn eine Zukunft! Lasst ihn leben...!"

Nun konnte sie nicht mehr länger verbergen, was in ihr vorging. Sie war immer stark geblieben, obgleich ihre Aufgabe nichts anderes von ihr verlangte, doch nun brachen Trauer und Tränen über sich herrein und die Fremde sackte auf die Knie, ihr Kind an sich gedrückt. Heftiges Zittern wallte über ihren Körper.

Langsam öffnete Elara die Tür ganz und kniete sich herunter.

Zögernd legte sie eine Hand auf die bebende Schulter der Frau, welche auch gleich aufsah. Verzweiflung zierte ihr Gesicht. Was sollte sie nur tun, wenn ihre Bitte auf taube Ohren stoßen sollte...?

"Ich werde den Jungen an mich nehmen. Wenn dies Euer Wunsch ist, so werde ich dem Kind eine gute Mutter sein und es wie mein eigen Fleisch und Blut aufziehen." Elaras Stimme war sanft und mitfühlend geworden, jegliche Skepsis fiel von ihr ab. Lange Zeit wußte die Bäuerin nicht, warum sie sich dazu entschied zu helfen. Vielleicht war es das leise Stimmchen das sie davor warnte ein so junges Leben einfach wegzuwerfen.

Vorsichtig nahm sie das Bündel entgegen, sah dem schlafendem Kind in das so friedliche Gesicht und strich ihm über die Wange. Dann schaute sie auf, die Fremde stand inzwischen wieder vor ihr.

"Hat er einen Namen...?" fragte sie, sah zu wie die leibliche Mutter des Jungen in ihrem Mantel kramte und einen Umschlag hervorzog.

Nun lächelte sie warm.

"Sein Name... ist Link. Ja... so soll er heißen."

Elara nickte. Dieser Name war etwas besonderes, das wußte sie sehr wohl.

Es war ein Name, der in vielen alten Legenden und Geschichten Hyrules seinen Platz hatte. Diese Legenden waren alt und verwaschen, kaum jemand kannte sie noch. Der Krieg hatte zudem jeglichen Glauben daran zerstört. Auch den Elaras.

"Versprecht mir etwas, Bauernstochter. Gebt mir Euer Wort, das dem Jungen nie Leid wiederfahren wird. Das er behütet aufwachsen wird, fernab der Dunkelheit in dieser Welt." Die Fremde sah sie eindringlich an, bittend und flehend, so das sie nur nicken und ihr Wort geben konnte.

"Ich verspreche es Euch."
 


 


 

"Dann gab sie mir den Brief. Ich sollte ihn verwahren, bis zu deiner Volljährigkeit... Sie ließ mich schwören. Ich hatte keine andere Wahl als es vor dir geheim zuhalten. Hättest du es zu früh erfahren..."
 

Elara schluckte merklich. Nun war das Schweigen endgültig gebrochen, es gab keine Wiederkehr. Die ganze Zeit über hatte Link geschwiegen, mit Unglauben gelauscht und auch jetzt strahlten seine geschockt geweiteten Augen nichts anderes aus. Sie mochte sich nicht ausmalen wie es ihm gerade erging - auch traute seine Ziehmutter sich nicht, aufzustehen und ihren einstigen Sohn in die Arme zu schließen; Elara war sich sicher, das Link sie nun mit ganz anderen Augen sah und solche Berührungen nun nicht mehr zulassen würde. Jedenfalls jetzt nicht.
 

Das Nichts beherrschte nun seine Gedanken. Zumindest kam es dem Hylianer so vor. Keinen einzigen klaren Gedanken konnte er momentan erhaschen, alles in seinem Kopf tobte durcheinander, bis sich ihm nur noch eine Frage stellte:
 

"Warum...? Warum hat sie mich in deine Obhut gegeben...?" Obgleich Link die Antwort nun kannte, musste er diese Frage nochmals stellen. Auch in dem Brief hatte seine leibliche Mutter nach Worten gesucht um ihre Beweggründe zu erläutern. Doch ganz egal, wie oft Link die schön geschwungene Schrift las, er verstand das alles einfach nicht.

Elara blickte ihn traurig an.

"Deine Mutter sagte damals, das sie nicht mehr lange unter den Lebenden weilen würde. Sie musste dich fortgeben, damit du eine Chance hattest zu überleben. Denn auch der Krieg wütete noch nach."
 

Links Augen huschten verwirrt hin und her, schauten kurzzeitig wieder zu dem Brief.
 

"Was... was ist mit... meinem Vater...?" fragte er zögernd. Die Angst vor der Antwort stand ihm ins Gesicht geschrieben und jeglicher Zorn schien verraucht zu sein.
 

Nicht nur Link hatte sich vor dieser Frage gefürchtet. Auch, wenn sie nicht seine leibliche Mutter war, so war Link dennoch ihr Sohn, ihr Kind welches sie großzog und über alles liebte. Umso mehr schmerzte diese Frage, die so berechtigte Frage.

Er hatte nie einen Vater gehabt. Wann immer er nach seinem "Erzeuger" fragte, wehrte sie ab, sagte er sei im Krieg gefallen - und es stimmte. Ihr Lebensgefährte war im Gefecht gestorben. Kurz nach dieser Nachricht brachte man Link zu Elara.

Sie litt damals noch immer sehr unter dem Verlust und das Kind der Fremden spendete ihr den Halt und den Trost den sie in diesen dunklen Tagen brauchte und wenn das Schicksal damals nicht diese Wege gegangen wäre, wäre sie ihrem Mann bald gefolgt.

Dessen war sie sich nach all den Jahren sicher.
 

"Ich weiß es nicht..."

Sie schüttelte wehmütig ihr Haupt und atmete fahrig aus. Es kostete sie wirklich viel, jedes Wort schmerzte und die Erinnerung brannte tief in ihr. Unweigerlich fragte sie sich, ob seine Mutter wirklich ihr Leben ausgehaucht hatte...
 

"Deine...Mutter... hat darüber kein Wort verloren. Ich weiß nicht, wo oder ob er überhaupt noch am leben ist. Auch von ihr selbst hörte ich nie wieder..." Elaras Stimme wurde zuletzt sehr leise und befangen. Was mochten diese Worte nun in Link bewegen? Was für Schmerzen hatte sie ihm mit dieser Antwort zugefügt...?
 

Sie hörte, wie Link das Pergament in die Hände nahm und zusammenfaltete. Vorsichtig schaute sie ihn an, erhaschte einen Blick auf seinen undefinierbaren Gesichtsausdruck. Die Augen waren glasig, das Gesicht aschfal. Immer wieder schien er die Zeilen zu überfliegen, immer und immer wieder. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit faltete Link den Brief wieder zusammen, steckte ihn langsam wieder in das Kuvert und nahm sich die Schatulle. Dann stand er wortlos auf und ging, ohne noch einmal auf seine Ziehmutter zu schauen.
 

Elara ließ ihm seinen Willen. Momentan konnte sie kaum etwas für ihn tun und diese Tatsache machte alles nur noch schwerer.

Die Nähe zu ihr wollte er nicht und sie war sich sehr sicher das es ein großer Fehler wäre ihm zu folgen.

Sie wartete noch, bis das Klacken seiner Zimmertür zu vernehmen war... dann ließ sie selbst ihren Tränen freien Lauf...
 


 


 

Leichenblass blickte Link durch die von Regen verhangene Fensterscheibe, hinaus auf das Feld. Die Ernte war nun komplett durchtränkt und somit so gut wie unbrauchbar geworden. Doch was kümmerte ihn das jetzt noch...?

Was für einen Sinn hatte es jetzt noch, sich darüber einen Kopf zu machen...?

Ein Hauch von Ironie stieg in seinen Gliedern auf, wenn auch nur für einen sehr kurzen Moment.
 

Heute Vormittag hatte er sich noch auf dem Feld abgemüht und einen Gedanken daran verschwendet, ob er bis zum Abend wohl mit seiner Arbeit fertig sein würde. Jetzt stand er hier und rang mit den Tränen. Warum er nicht einfach aufgeben und ihnen freien Lauf lassen konnte, das verstand der junge Hylianer selbst nicht. Schließlich hatte er allen Grund dafür. Alles, woran er glaubte war auf falschen Wurzeln aufgebaut worden. Seine Mutter hatte ihn fortgegeben aus Gründen, die er nicht verstehen konnte. Was hatte das alles nur zu bedeuten...? Diese Begebenheiten, der Umstand unter dem er die Wahrheit erfuhr...?
 

"Wenn du dies liest wird Kälte über meine Seele gekommen sein und nur dein Licht ist Zeuge meiner einstigen Existenz" wisperte Link leise, zitierte eine Zeile aus dem Brief seiner Mutter. Vor seinem geistigem Auge tanzten Bilder, Szenen die er nicht kannte und ihm doch auf seltsame Weise vertraut waren. Darunter mischten sich auch jene, die er auf dem Dachboden der Scheune das erste Mal sah. Abermals sah er wie eine verhüllte Frau, zweifelsohne seine Mutter, ein Bündel in die Arme Elaras gab. Er schluckte schwer.

Das Pergament erschien vor ihm; das Schriftstück hatte sich wie ein Brandmal in seinem Gedächtnis verankert.

Die so schöne Handschrift, eine, die mit keiner anderen vergleichbar war.

Sie hatte sich sehr gehoben und mit seltsamer Wortwahl ausgedrückt. Fast erschien es Link wie eine alte vergessene Sprache. Benommen schüttelte er den Kopf, richtete seinen Blick auf die Schatulle, welche er auf das Bett gelegt hatte.
 

"Was soll ich jetzt tun? Kann ich einfach so weitermachen, wie bisher...?" fragte er sich selbst, zog nach kurzem Zögern den Deckel auf und holte eine goldene Kette hervor. Sie lag unter dem Brief und Link hatte ihr erst später Aufmerksamkeit schenken können.

Vorsichtig ließ er das kühle Metall zwischen seine Finger gleiten; es rasselte dabei leise. Die Augen kaum von der Kette nehmend, tastete Link nach seiner Öllampe, die auf einem kleinem Tischchen neben dem Bett stand und entzündete sie. Dann ließ er sich auf sein Nachtlager nieder und begutachtete die Kette im spärlichen Licht der Flamme.
 

Die einzelnen Glieder lagen sehr dicht beieinander, waren fest miteinander verbunden, obwohl die Kette einen so zerbrechlichen Eindruck machte. Sachte strich Link über jedes einzelne Element, stoppte seine Fingerkuppen schließlich als sie den Anhänger berührten. Im Glanz des Schmuckstückes tanzte die Flamme der Lampe und fesselte den Blick des Hylianers.

Das Amulett war von dreieckiger Form, gebildet durch drei einzelne harmonische, gleichseitige Dreiecke.

Die Mitte war leer. Er überlegte kurz.

Link kannte die Form, jedoch hatte er sie nur ein einziges Mal gesehen; und dieses würde ihm gut in Erinnerung bleiben.
 

Damals kam ein Händler aus der Großstadt zu ihnen und bat um Proviant für seine Reise - natürlich wurde seine Ziehmutter dafür entlohnt; und das nicht zu knapp. Als Link den Wagen belud viel ihm dieses Symbol auf der Plane des Wagens auf. Auch das Zaumzeug der Pferde war mit diesem Zeichen geschmückt.

Zuerst dachte er sich nicht viel dabei, fragte dann aber doch nach.

Irgendwie hatte es eine beinah magische Anziehung auf ihn ausgeübt, dieses kleine dreieckige Gebilde...
 

Dem Händler zufolge war dieses Zeichen heilig. Es symbolisierte die Götter, welche Hyrule erschaffen hatten und stand für alles Leben. Ferner galt es als Symbol der Königsfamilie und wurde stehts mit diesem in Zusammenhang gebracht. Damit erklärte sich auch, woher der Händler kam. Er war im Auftrag des königlichen Hofes unterwegs, seit einigen Monaten schon. Das Link nicht um die Bedeutung des Zeichens wußte, nahm ihm der Mann nicht übel. Sie waren hier ja auf dem Land...
 

"...das Königshaus von Hyrule also...? Warum besaß meine Mutter eine solche Kette...? Stammte sie etwa von dort...?" fragte er sich selbst, drehte und wendete die Kette, doch er fand nichts außergewöhnliches. Keine Gravur, nichts. Skepsis machte sich breit.
 

Das Schmuckstück war makellos und von einer seltsam anziehenden Aura umgeben. Anders konnte Link es nicht erklären.

Ihm schien es sogar so, als wenn die Kette selbst ein seichtes Glimmen von sich gab.

Erneut musste er daran denken, was er gesehen hatte... und dafür musste es einen Grund geben. Solch ein Ereignis geschah nicht einfach so, dessen war er sich sicher. Umso mehr verunsicherte ihn aber die Frage, wer er wirklich war. Woher er ursprünglich kam und ob er noch Geschwister hatte... diesen Teil der Frage blendete Link aber bewußt aus; hätte er Geschwister gehabt, hätten sie ihn sicher gesucht oder er wäre bei ihnen aufgewachsen.
 

Wer war er also wirklich? Und vor allem, was für eine Zukunft hatte er nun noch?

Auf dem Hof bleiben... Link konnte sich kaum mit dem Gedanken anfreunden, den Rest seines Lebens unter diesen Umständen hier zu leben und zu arbeiten, auch wenn dies bis vor kurzem eine sehr reale Option gewesen war. Schließlich wollte Elara, das er eines Tages das Gut weiterführte. Aber konnte er das so einfach wenn er doch nun wußte, das er gar nicht wirklich hierhergehörte...?
 

Einen letzten Blick auf das Erbstück seiner Mutter richtend, legte Link dieses auf den Tisch, die Schatulle mit dem Brief schob er unter das Bett und löschte dann die Lampe. Schwerfällig warf er sich auf die Decke und starrte nach oben. Vielleicht sollte er wirklich in Erwägung ziehen, von hier fort zu gehen und nach seinen Wurzeln zu suchen... andererseits, er konnte Elara nicht einfach so allein lassen. Auch wenn er noch immer wütend war und sich fragte, wie sie ihn einfach so anlügen konnte... Schwur hin oder her... sie war seine Vertrauensperson, seine Ziehmutter mit der er schon so viel durchgemacht hatte.

Und, würde er jetzt einfach gehen, wäre das dass Ende für den Hof. Elara konnte ihn nicht alleine bewirtschaften. Was also tun?

Dem Drang und den Fragen in seinem Innern nachgeben oder hierbleiben...?

Wilde Gedanken durchforsteten noch lange seinen Geist und es dauerte, bis er endlich zur Ruhe finden konnte.
 


 


 

Es war früh am Morgen, als Elara das Fenster in der Stube aufzog und hinaussah. Dicke Nebelschwaden zogen dicht über den Boden hinweg und die Sicht war so eingeschränkt, das man die Bäume des angrenzenden Waldes nicht sehen konnte. Selbst die Tiere schienen noch zu schlafen und Gefangene dieser traumartigen Welt zu sein. Sie seufzte schwermütig und lehnte das Fenster an. Kein Auge hatte sie zugetan und man sah es ihr an. Viele, viel zu viele Tränen waren in dieser Nacht geflossen und einmal mehr wünschte sie sich, das er niemals hinter dieses Geheimnis gekommen wäre...

Links Ziehmutter setzte sich an den Tisch, atmete tief durch und versuchte ihre Gedanken zu sammeln, auch wenn es ihr kaum möglich war. Wachsam lauschte sie, versuchte sich auf Geräusche zu konzentrieren gleich so, als ob sie sich mental auf etwas vorbereitete. Ja, vielleicht tat sie das wirklich.
 

Dieses Szenario spielte sich in in ihrem Kopf ab, tausend verschiedene Wege, Wendungen und Abläufe - dennoch war eines immer gleich.
 

Link würde seines Weges gehen. Und sie wäre allein. Endgültig. Erst ihr Mann, dann der Junge, den sie so lieb gewonnen hatte, das sie ihn ihr eigen nannte. Ihr Erbe, ihr Blut und ihre Passion. Schlichtweg ihr ein und alles. Nichts würde ihn ersetzen können, kein Reichtum der Welt oder gar Frieden...

War es denn von den Göttern vorgesehen, das man ihr alles nahm, was ihr etwas bedeutete...?
 

"Hhh... ich werde ihn gehen lassen müssen..." flüsterte Elara, strich sich mit der rauhen Hand über das Gesicht. Warum sollte er nun auch noch hier bleiben? Ihn hielt nichts mehr hier... Das Einzige, was Link an diesen Ort gebunden hatte, war der Glaube, hierher zu gehören. Nicht mehr und nicht weniger.
 

Das Knarzen einer Zimmertür ließ sie aufblicken. Mit glasigen Augen schaute sie den Flur entlang, lauschte den leisen Schritten und kam nicht umhin, die Luft anzuhalten, als Link in der Stube auftauchte. Er war bereits vollständig angezogen. Ein beiges Hemd und eine dunkelbraune Hose bedeckten seine Haut. Zuerst würdigte er Elara nicht eines Blickes, hatte die Augen leicht gen Boden gerichtet. Dann, nach einer ganzen Weile, blickte er sie direkt an. Hinter den so blauen Spiegeln tobten viele Stürme, Fragen, die Sehnsucht nach den Antworten welche sie ihm nicht geben konnte. Schon allein bei seinem Anblick, der Entschlossenheit die sie meinte in seinem Blick zu finden... sie musste weinen. Stumm. Alleine. Warum nur musste es so enden...?
 

Link schluckte kaum merklich, ein leises Seufzen entkam ihm.

Er wandte den Blick wieder ab. Tränen konnte er nicht sehen.
 

"Ich werde gehen. Weil ich muss... weil ich die Wahrheit mit eigenen Augen sehen will. Bitte versteh' das, Elara."
 

Seine Worte waren wie tot. Ohne jegliche Emotion, einfach kahl und rau. Und Elara verstand es. Sie verstand es zu gut. Sie wußte es. Immer, in ihrem Innern. Die Bäuerin nickte einfach, ein Zittern durchfuhr ihren Körper. Immer mehr Tränen...
 

"Es tut mir Leid Link... so Leid...oh bitte..."

Elaras Stimme war nur ein leises Wispern. Konnte er ihr je verzeihen? Wo sie doch nur tat, worum sie damals gebeten wurde? Sie sollte ihn schützen, schützen vor diesem Tag. Das Schicksal wusste schon längst wohin es Link führen würde und dennoch hatte sie alles versucht um ihn davor zu bewahren, die kalte Welt dort draußen zu betreten. Doch sie hatte versagt...
 

"Elara..."
 

Langsam kam er auf sie zu. Langsam und zögernd. Vorsichtig drehte der junge Mann seine Ziehmutter zu sich.

Nahm sie ein letztes Mal in seine Arme, sprach leise und bedacht.
 

"Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken...die letzte Nacht war für mich ruhelos und dennoch musste ich mich entscheiden. Dies ist mein Weg. Der Weg, den vielleicht sogar die Götter für mich bereiteten. Und auch, wenn in mir noch immer die letzten Funken des Zornes glühen, so bin ich dir sehr dankbar ...für alles, was du für mich getan hast. Ich danke dir, Elara. Von Herzen. Vergiss das niemals."
 

Link machte eine kurze Pause, realisierte, das Elara aufgehört hatte zu zittern und ihm nun Gehör schenkte. Dann fuhr er fort.
 

"So weh es mir auch tut, dich nun alleine zu lassen... ich muss gehen. Nichts wird mich noch davon abbringen können."

Mit diesen Worten löste er sich von seiner Ziehmutter, sah sie abermals direkt an. Teils, um sicher zu gehen das sie ihn verstanden hatte, teils um zu wissen, das sie es akzeptieren konnte. Elara atmete tief aus, nickt ein weiteres Mal und strich Link durch das dunkle Haar.
 

"Geh und finde deinen Weg, dein Schicksal. Ich komme schon klar. Vielleicht kann mir der alte Talon, von der Plantage helfen..." sprach sie, bemüht fest um ihn nicht zu entmutigen. Es war seine Entscheidung und sie musste sich damit abfinden.

Hatte die Bäuerin doch kein Recht darauf, ihn abzuhalten...
 

"Ich danke dir."
 

Link wandte sich langsam ab, ging zurück in sein Zimmer um seine Sachen zu holen.

Je schneller er nun fort war, desto besser. Schnell und möglichst schmerzlos.
 

In einem altem Seesack war alles untergebracht, was ihn auf seinem Wege begleiten sollte; nicht zuletzt die Schatulle. Er warf sich einen Umhang um, schulterte sein Gepäck und verließ sein altes Zimmer zum letztem Mal. Als die Türe ins Schloss viel war er sich nur umso sicherer, das Richtige zu tun... es musste das Richtige sein...
 

Link blieb kurz in der Stube stehen. Einen kurzen Moment rang er mich sich, ehe Worte seine Lippen verließen.

Es würde ein weiter Weg werden, dessen war er sich sicher.
 

"Wenn du gestattest...", damit schaute er kurz zu seiner Ziehmutter, "... werde ich eines der Pferde mitnehmen."

Und, ohne auf eine Antwort zu warten, verließ Link das Haus. Elara hatte sich von ihm abgewandt und starrte hinaus aus dem Fenster. Er wußte bereits, was sie sagen würde. Auch wenn er es vielleicht nicht zugeben würde, so fiel ihm der Abschied schwerer als er dachte... Und dennoch: die Frage nach dem Ich trieb ihn hinaus, hinaus ins Ungewisse.
 

Wer vermochte schon zu sagen, was ihn dort erwarten würde...?

In einer vom Krieg gezeichneten Welt, welche er niemals gedachte zu betreten...?

Das Lied des Propheten


 

Die Wunden der Erde waren tief. Wie ein Mahnmal zogen sie sich durch das Land, zeugten von einstigem Schrecken.

Hylia hatte ihre Kraft, ihren Glauben und ihr Vertrauen verloren.

Hilflos mussten die Menschen den Aufstand des Volkes der Göttin mit ansehen.

Verrucht und verraten, mißbraucht... es schien als würde die gesamte Erde in Tränen ertrinken.

Alles erstarb und wurde kalt... Tränen aus Eis.

Zorn und Tod zogen gemeinsam durch das Land, leise und verräterisch.

Auch wenn der Alltag den meisten Kraft gab und es schien als wenn der Frieden endlich wieder Einzug gehalten hatte... nur die wenigsten wußten, das dieses vermeintliche Ende nur der Anfang war... und jene, die versuchten das Volk zu warnen, wurden erbarmungslos zum Schweigen gebracht...

Ein aus Lügen gewobener Schleier legte sich über das einst blühende Reich und ließ klagende Schreie verstummen...
 


 


 

Grau in Grau erhob sich die Wolkendecke über ihm, schwer und unheilvoll. Ihm kam es beinahe so vor, als hätte der Himmel seit Jahren keinen Sonnenstrahl hindurch gelassen. Wann immer sich sein Haupt gen Himmel richtete, war dieser trübe und weckte alte Erinnerungen, schwere Wunden vergangener Zeit. Wehmut beschwerte sein Herz.

Wann würden sich diese Decke endlich lichten?
 

Seine Gedanken schweiften, während er an einer zerbrochenen, von Moos und Erde bedeckten Säule lehnte und aus einem dickem Zweig eine Art Speer schnitzte. Außer dem reißendem Geräusch seines Messers war hier kein anderer Laut zu vernehmen. Nichts deutete auf Leben hin. Kein Tier, kein menschliches Wesen weit und breit. Selbst die Bäume und das Gras wirkten bleich, beinahe wie tot. Die Luft stand still, zirkulierte nicht. Kein Wind wehte. Nur er war hier. Allein. Zwischen weißen Säulen und kaltem Gestein.
 

Wie lange er nun schon hier wartete, das wußte er nicht.

Vielleicht waren es Wochen, Monate... Stunden.

Was bedeutete Zeit schon in einer solch zerrütteten Welt...? Zeit war bedeutungslos geworden.

Für ihn zählte nur noch sein Ziel - der Grund, wesshalb er jahrelang nach diesem verborgenem Ort suchte.

Nach dieser Stätte an der Legenden ihre Wurzeln schlugen...
 

Wie lange gedenkst du noch hier auf meinem Boden zu verweilen, Krieger...?
 

Eine zarte Stimme echote in seinen Gedanken, hell, süßlich und voller Anmut.

Nur einem Wesen von unbeschreiblicher Schönheit konnte eine solche Stimme gehören...
 

"So lange, bis Ihr mir Gehör schenkt."

Angesprochener unterband seine Bewegung. Ein Teil seines Gesichtes spiegelte sich in dem mattem Metall des Messers. Seine Stimme klang belegt und mürbe, hatte jegliche Kraft verloren. Wann immer diese zarte Stimme in seinem Kopf wiederhallte, schöpfte er Hoffnung. Doch nie bekam er eine Antwort auf seine Fragen.

Vielleicht hätte er wirklich nicht hierher kommen sollen. Er gehörte nicht auf solches Land... und trotzdem...
 

Was hat dich hergeführt? Es gibt fürwahr einen Grund für dein wochenlanges ausharren...
 

Wochen waren es also...

Ein leidvolles Lächeln stahl sich auf die Lippen dieses Mannes und einmal mehr war er dankbar für seine Geduld.

Ja, wochenlang hatte er hier auf eine solche Reaktion gewartet. Auf ein Zeichen. Irgendetwas.

Kurzes Schweigen hüllte ihn ein. Und als er erneut seine Stimme hob, war er auf vieles gefasst.
 

"Ich bin gekommen, um nach Vergebung zu suchen..."

Er nickte nachdenklich.

"Genau... Vergebung ist alles was ich will."
 

Vergebung also?

Ist dies alles? Warum sehnst du dich nach Vergebung...? Sei nicht töricht. Es gibt keine Vergebung für jemanden wie dich.
 

Schallendes Gelächter erfüllte diesen, von allen Seelen verlassenen Ort. Der Krieger sackte in sich zusammen, rutschte an den Resten der Steinsäule hinab, ließ Messer und Speer fallen.

Oh, wie er es gewußt hat! Er hatte es immer geahnt...!
 

"Töricht? Töricht sagt Ihr? Haha... ja, es war in der Tat töricht von mir hierherzukommen, in dem Glauben erlöst zu werden...! Ihr fragt Euch, warum ich Vergebung suche? Denkt an den Vorfall vor geraumer Zeit... Herrin!"

Letztere Worte zischte er, den Blick zornig gen Himmel gewandt.

Wolken, nichts als Wolken... grau...stumpf...
 

Dein Glaube schickte dich... dich und deine geschundene Seele.
 

Wieder herrschte Stille.

Eine lange, erstickende Stille.
 

Vielleicht... könnte ich dir dennoch vergeben...wenn du es dir so sehr wünscht.

Erhebe dich, lausche meinen Worten und nimm die Aufgabe an, die ich dir anvertrauen werde, Krieger aus finsteren Landen...
 

Jene Worte rauschten in seinem Kopf, spielten sich wieder und wieder ab; leiser, lauter... wie der Wind den er viel zu lange nicht gespürt hatte.

Der Zorn der eben noch in ihm wütete wie eine gierige Flamme, war verraucht, ebenso schnell wie er gekommen war.

Nachdenklichkeit und Skepsis ersetzten dieses mächtige Gefühl nun.

Sie wollte ihn also benutzen... interessant.

Gedankenverloren nahm sich der Krieger sein Messer und den Speer zur Hand, schnitzte weiter.
 

"Dann sagt mir, was ich tun kann, um Eure Gnade zu erhalten."
 


 


 

Langsam trauten sich die ersten Singvögel aus ihren Verstecken und füllten den jungen Morgen mit ihren Melodien.

Obwohl Link sich vorgenommen hatte, so schnell wie möglich aufzubrechen, verzögerte sich nun doch alles ein wenig.

Er hatte Mühe, gescheites Zaumzeug zu finden, das auch eine längere Reise überstehen könnte und nicht so schnell ersetzt werden müßte. Vieles war schlichtweg abgenutzt oder seit langem nicht mehr in Gebrauch gewesen.

Link und Elara ritten nicht sonderlich viel; trotz allem besaßen sie zwei Pferde.

Einen in die Jahre gekommenen Rappen, mit dem er als Junge noch das Reiten gelehrt bekommen hat und eine relativ junge Stute, die sie von einem anderem hylianischen Bauern übernommen hatten da dieser seinen Hof aufgegeben hatte um in die Stadt zu ziehen. Sie war ein sehr temperamentvolles Mädchen, kräftig und mit starkem Willen.

Diese Eigenschaften waren üblich für Clydesdaler und Link war froh, ein solches Pferd sein Eigen nennen zu dürfen.

Ihr Fell war dunkelbraun, hatte einen leicht rötlichen Schimmer in der Sonne und die helle Mähne erschien fast weiß.
 

"Wie ich diese Unordnung hasse..." murmelte der Hylianer leise, als er endlich fündig geworden war; alles was nicht gebraucht wurde landete hier in den Stallungen... woran er nicht ganz unschuldig war.

Sorgsam kontrollierte er das Zaumzeug in seinen Händen und als er es für annehmbar befand, legte er es seiner Stute um. Sie war schon die ganze Zeit ein wenig nervös, tappte von einem Huf auf den anderen.

Anscheinend ahnte sie etwas... sie wurde schließlich nicht alle Tage mit Gepäck und Proviant gesattelt.

Das Pferd schüttelte sein Haupt, neigte den Kopf zu Link und fing an, leicht an dessen Hemdkragen zu knabbern.

Tiefschwarze Augen blickten ihn an; sanft schob er ihren Kopf zur Seite.
 

"Nicht doch Epona...ich brauche mein Hemd noch."

Links Stimme klang belustigt - er konnte ihr kaum böse sein.

Sie schien ihn einfach nur gerne zu necken.

Warm lächelte er das Tier an und führte sie hinaus.

Es würde vermutlich ihre erste längere Reise werden... und nicht nur für Epona.
 

Sie passierten die kleine Koppel und Link ließ den Hof langsam hinter sich; dabei sah er sich unwillkürlich noch einmal um. Drei Hühner und ihre Küken kreuzten ihren Weg, liefen panisch zur Seite um nicht unter Eponas Hufe zu gelangen. Eines der Küken stolperte, wurde jedoch gleich von einer der Hennen hoch gescheucht. Wie jeden Morgen.

Link seufzte leise bei diesem Anblick.

So sehr er es momentan auch wünschte, er konnte nicht leugnen, das ihm der Hof fehlen würde.

Auf eine seltsame Art und Weise.
 

An dem kleinem Gatter zu Elaras Hof angekommen, atmete er noch einmal tief ein und aus. Es gab kein Zurück.

Diese Option hatte er gestrichen, schon als der Entschluss seine Heimat zu verlassen, gefallen war.

Bevor er aufsaß, kontrollierte Link den Sitz des Sattels und sein Gepäck, sowie die Satteltaschen Eponas.

Dann schwang er sich auf ihren Rücken, packte entschlossen die Zügel und trabte davon, ohne einen Blick zurück.

Seine Reise würde ihn als erstes zur Hauptstadt führen. Oftmals hatte Link sich vorgestellt, wie es wohl sein möge dort zu leben, war dann aber doch zu dem Schluss gekommen das es ihm sicher zu hektisch wäre. Ein paar wenige Male war er bereits zusammen mit Elara dort gewesen um Besorgungen zu machen; die Händlergasse war ihm daher recht vertraut.
 

So viele Menschen auf einem Haufen, die alle wild und hektisch umher rannten, Verkäufer die sich die Seele aus dem Hals schrien um neue Käufer zu erwerben... es war schon ziemlich beeindruckend gewesen.

Dennoch kannte er den Großteil von Hyrule-Stadt nicht... und wenn er ehrlich zu sich war, wollte er diesen verbliebenen Großteil auch nicht allzu schnell kennenlernen. Man hörte ja genug von Diebstahl, seltsamen Auktionen und so manches, fragwürdiges Gerücht.
 

Link schüttelte den Kopf. Vielleicht war er einfach nur zu sehr an das Landleben in Latoan gewohnt... ja, das würde es sein.

Langsam führte er Epona in den Wald. Auch hier erwachte so langsam das Leben.

Die unwegsamen Trampelpfade in diesem Mischwald waren die einzige Möglichkeit, möglichst ohne große Umwege zur Stadt zu kommen. In der Gegend rund um die Wälder hatten sich viele Bauern niedergelassen, vor allem weil der Boden in dieser Region besonders reich und fruchtbar war - hier schien die Welt noch vollkommen in Ordnung zu sein.
 

Hinter der Front aus Bäumen lag die hylianische Steppe. Durchzogen von unendlich weiten Graslandschaften, herrschte dort ein recht hitziges Klima; hier bei den Wäldern war es noch relativ mild. Wann immer man die Wälder hinter sich ließ, so kam es Link vor, schien es als würde man eine andere Welt betreten. Etwas vollkommen abgeschirmtes... vielleicht kam dieses Gefühl auch nur durch weil auf dieser Steppe einst der Krieg tobte.
 

"Hm..."
 

Wenn er so darüber nachdachte, konnte ihm nie jemand sagen, was für Wurzeln dieser Krieg eigentlich hatte.

Es wurde generell vermieden, darüber zu reden - wer zu viele Worte über das Schicksal von damals verlor, würde auf alle Zeit verflucht werden, so hieß es. Von vielen wurde dieser Krieg einfach nur "der schwarze Krieg" genannt, wegen der verbrannten Erde unter den Füßen der Krieger. Und selbst jetzt, siebzehn Jahre nach diesem zeichnenden Kampf waren vereinzelte Landstriche ohne irgendeine Spur von Leben.

Die Erde war schwarz und verkohlt, es wuchs nichts und es hatte den Anschein, als würde noch immer Asche durch die Atmosphäre wirbeln, genau wie die singenden Stimmen der Verstorbenen... so waren zumindest die Aussagen der Reisenden, die an ihrem Hof vorbeikamen. Link glaubte an eine höhere Macht, die ihr Dasein hier regelte aber diese Aussagen hielt selbst er für absoluten Humbug.
 

Epona trabte gemütlich durch das Dickicht; hin und wieder musste Link sich ducken oder einen störenden Ast zur Seite biegen. Das Sonnenlicht fiel nur spärlich durch den dichten Wald, Schattenspiele zeichneten sich überall auf dem Boden und an den Stämmen der Bäume ab, wenn der Wind die Blätter leise tanzen ließ.

Er liebte die Natur und die dichten Wälder hier in Phirone.

Als kleiner Junge war Link oft stundenlang im Unterholz spielen gewesen. Im Sommer war er auf die höchsten Bäume geklettert und hatte die Dekunüsse gepflückt, die dann in Hülle und Fülle die Baumkronen schmückten.

Gerade diesen Wald, den er nun durchquerte, hatte er oft aufgesucht und kannte ihn gut.

Beinahe jeder Pfad war ihm bekannt und er brauchte seine Stute nur selten in eine Richtung weisen; sie kannte den Weg, auch wenn sie hier noch nicht oft entlang geritten waren. Daher irritierte es Link umso mehr, als Epona abrupt stehen blieb und die Ohren spitzte. Ihr Reiter zog leicht an den Zügeln, beugte sich zu ihr vor und strich ihr kurz über den kräftigen Hals.
 

"Was hast du denn...? Ist da etwas...?" fragte Link ruhig und noch bevor seine Worte verklungen waren, hörte auch er etwas. Er schloss die Augen, kniff angestrengt die Brauen zusammen und horchte. Als Hylianer besaß er hervorragende Ohren, keine Frage - aber es war wirklich schwer zu bestimmen, woher diese feinen, entfernten Laute kamen.
 

"Seltsam..." murmelte er, öffnete seine Augen wieder und drückte Epona leicht in die Flanken damit sie weiterging.

Langsam trottete die Stute vorwärts und Link war darauf bedacht, nicht allzuviel Aufmerksamkeit zu erregen.

Je weiter die beiden voran kamen, desto klarer wurden die Laute und Link stellte erstaunt fest das es sich um Gesang handelte. Gesang? Mitten im Wald...?
 

"...warum sollte jemand zum Singen herkommen...?"

Die Neugier hatte den jungen Hylianer gepackt und er wußte mit jedem weiterem Schritt genauer, woher die Stimme kam. Es gab eine kleine Quelle, tiefer im Wald.

Auch dort war er schon oft gewesen, gerade zu den heißeren Sommertagen und wenn sich zur Dämmerung abertausende Glühwürmchen dort einfanden. Auch die ein oder andere Fee verirrte sich mit unter an dieses Gewässer, doch sobald man sich näherte, verschwanden sie auf mysteriöse Weise.

Der Singsang wurde immer deutlicher, immer klarer, bis die Lichtung sich einladend vor ihnen auftat.
 

Erneut blieb Epona stehen, schnaubte leise.

Das Wasser plätscherte still vor sich hin und begleitete die Stimme des jungen Mädchens, welches am Ufer saß und an einer Kette aus Blumen schnürte.
 

"Lasset' uns singen

die Stimmen hoch erklingen

auf das erneut vom Himmel her

hoch, hoch her

jenes Licht erstrahle

uns Hoffnung gebend

des Propheten Wort erklinge

Von weit, weit her

des Lichtes rechte Hand

möge retten unser gold'nes Land"


 

Behutsam war Link aus dem Sattel gestiegen, um sie nicht von ihrem Gesang abzulenken.

Wie hypnotisiert hatte er diesem Lied gelauscht, jedem Wort. Diese helle, kristallklare Stimme hatte eine beinahe magische Wirkung und es viel ihm schwer, das Kind nicht anzustarren.

Sanft senkte sie ihren Gesang, mit ihm ihr Haupt welches das Mädchen kurzzeitig zum Himmel gehoben hatte.

Dann, als die letzten Töne verklungen waren, blickte sie direkt in seine Richtung.

Sachte lehnte das Mädchen den Kopf zur Seite, legte die Stirn leicht in Falten.

Schließlich spiegelte sich kindliche Neugierde in ihren Augen und sie sah Link erwartend an.
 

"Hat dir das Lied gefallen...?" fragte sie, während sie ihn musterte.
 

Es dauerte einen kleinen Augenblick, ehe Elaras Ziehsohn realisierte, das sie ihn etwas gefragt hatte.

Regelrecht benommen schüttelte er leicht den Kopf, brachte dann ein Lächeln auf die Lippen.
 

"Sehr sogar. Verzeih, wenn ich dich gestört haben sollte".

Entschuldigend blickte er sie an; Link kam sich gerade vor, als wenn er unaufgefordert in ein Zimmer gestürzt wäre.

Wie jemand, der etwas gesehen hatte, das er nicht hätte sehen sollen.

Langsam legte sie ihren Kopf auf die andere Seite. Ein neugieriges Glitzern ging von ihren Augen aus.
 

"Du? Ist das dein Pferd...? Darf ich es streicheln...?" fragte sie erneut, deutete mit ihrer kleinen Hand auf Epona, welche bereits angefangen hatte zu grasen. Link stutzte kurz über diesen plötzlichen Themenwechsel.

Und überhaupt: Wie kam die Kleine hierher...?
 

"Nun...", begann er, schaute kurz zwischen Epona und der Kleinen hin und her; "... okay... ich denke das geht in Ordnung."

Mit jenen kurzen Worten deutete er seiner Stute mittels eines leichten Zuges an, ihm zu folgen.

Es schien ihr nicht zu gefallen, wo sie doch gerade ein paar saftige Grasbüschel gerupft hatte, aber dennoch folgte sie ihrem Reiter. Vorsichtig führte dieser das Tier an die Quelle heran.

Das Mädchen strahlte und stand langsam auf. Sie näherte sich Epona mit Freude, aber ebenso mit Ehrfurcht in den Augen und streichelte ihr über die Nüstern.

Epona selbst ließ sich davon nicht stören, graste nach einer Weile einfach weiter.

Unbemerkt musterte Link das Mädchen.

Sie war klein und zierlich, hatte blasse Haut und helle, braune Haare. Er schätzte sie auf acht, höchstens zehn Jahre.

Die Augen strahlten in einem kräftigem grün und sie trug ein einfaches hellgraues Kleid, welches jedoch leicht zerrissen und ziemlich dreckig war. Allgemein machte das Mädel nicht den muntersten Eindruck, ganz gleich wie sehr sie lächelte.

Er seufzte leise. Was machte ein Kind hier in den Wäldern...? Noch dazu alleine...?
 

"Magst du mir sagen, wie du heißt?", fragte er nach einer Weile, kniete sich zu ihr herunter um auf ihrer Augenhöhe zu sein. Angesprochene schenkte ihm ein leicht nervöses Lächeln, wandte sich dann aber wieder Epona zu und hielt ihr ein Grasbüschel hin.
 

"Ich bin Ciera" wurde seine Frage beantwortet.

Sie gluckste, als Epona vorsichtig an dem Gras knabberte, das sie ihr darbot.

Die Kleine hatte offensichtlich ihre Freude an Pferden. Link dachte kurz nach.
 

"Ciera also... und...was tust du hier?

So ganz alleine...? Ist denn niemand mit dir mitgekommen...?"

Man konnte es Link nicht verdenken, das ihm diese Situation nicht ganz geheuer war. Vielleicht wurde sie ja verschleppt...? Es trieben sich des öfteren Banditen hier herum, meistens in den frühen Morgen- oder Abendstunden, wenn Nebel und der seichte Schleier der Nacht über den Wäldern lag.

Aber wenn dem so wäre, würde Ciera nicht so vergnügt sein. Sicher nicht.
 

Cieras unsicherer Blick traf den fragenden von Link. Das sie mit ihrer Antwort zögerte, signalisierte ihm das er wohl auf dem richtigem Pfad war. Sie ließ sich nach hinten fallen und setzte sich im Schneidersitz vor Epona und ihrem Reiter.

Regelrecht bemüht den Hylianer nicht direkt anzusehen, blickte sie zum Wasser, beobachtete das sanfte Streicheln des Windes über der Wasseroberfläche.
 

"... wenn ich das erzähle lachst du mich bestimmt aus..." antwortete sie abwesend, wagte es immer noch nicht nicht Link direkt anzusehen. Dieser blinzelte verdutzt, setzte sich ebenfalls.

Warum war sie der Meinung, er würde sie auslachen...?

Nun war der junge Hylianer erst Recht neugierig geworden.

Für einen Moment vergaß er sogar sein eigenes Anliegen, seinen Wunsch nach Wahrheit.
 

"Magst du mir mehr erzählen Ciera?"

Sie schüttelte bestimmt den Kopf und schielte kurzzeitig zu ihm.
 

"Erst musst du mir sagen wie du heißt!" stellte sie die Bedingung und mit einem mal viel Link auf, das er sich tatsächlich noch nicht vorgestellt hatte. Leise lachend nickte er, gab sein Wort und nannte ihr seinen Namen.
 

"Du hast aber einen komischen Namen..." stellte sie unverfroren fest und grinste kurz.

Dann begann sie langsam zu erzählen.
 

Sie stammte aus Hyrule-Stadt.

Ihre Eltern waren vor zwei Jahren verstorben und lange Zeit lebte sie auf der Straße, ehe eine Gastwirtin sie auflas und ihr ein neues Heim gab. Ciera war allerdings nicht alleine, die Gastwirtin mit Namen Thelma hatte schon mehrere Straßenkinder aufgenommen. Somit hatte sie also ein neues Zuhause und Freunde gefunden die ihr Unterstützung boten, aber dennoch konnte sie nicht vollends glücklich sein. Trotz der Hoffnung die sie nun wieder schöpfen konnte.
 

Ciera war krank und schon oft dem Tod von der Schippe gesprungen.

Niemand wußte, von welcher Krankheit sie geplagt wurde oder ob vielleicht etwas anderes dahinter steckte.

Kein Arzt konnte ihr bisher helfen. Und irgendwann war das Leben einer Waisen nicht mehr wert als das vieler anderer Straßenkinder... Sie wollte aufgeben.
 

"...und dann hörte ich vor ein paar Tagen einem Händler zu. Er erzählte, das es hier eine Quelle gibt, die alles heilen könnte. Aber er sagte auch, das es nur ein altes Märchen ist und ich es nicht ernst nehmen sollte."

Cieras Blick wurde binnen Sekunden glasig, eine vereinzelte Träne rann ihr Gesicht herunter.

Ihr kleiner Körper fing an zu zittern.

Dann erhob sie wieder ihre Stimme, die nun brüchig und überhastet klang.
 

"... aber... aber ich wollte es trotzdem versuchen, also habe ich mich hinaus geschlichen und bin heimlich mit dem Händler hergekommen... ich habe mich einfach zwischen seinen Waren versteckt ohne das er es merkte..." schluchzte sie nun, wischte sich wieder und wieder über das Gesicht; sie wollte nicht weinen.
 

"Als er dann heute früh hier vorbeikam bin ich von dem Wagen gesprungen... und... und seitdem sitze ich hier..."

Aufmerksam hatte Link ihren Worten gelauscht.

Und, so grotesk und unglaubwürdig es auch klang, er musste es ihr wohl abnehmen...vorerst. Denn von der heilenden Wirkung dieser Quelle hörte er zum erstem Mal und fragte sich sogleich, ob diese Geschichte ihren Ursprung wohl in der Tatsache hatte, das hier ab und an Feen zu sehen waren... aber sie zeigten sich nie offen den Menschen, die den Weg hier passierten.
 

"Du sitzt also seit dem Morgengrauen hier an der Quelle...?" harkte er noch einmal nach und sah eindringlich an. Wenn Ciera wirklich so anfällig war, dann konnte es nicht gut sein, hier am nebligem Ufer zu hocken und auf ein Wunder zu hoffen...

Man machte sich sicher schon Sorgen um sie... somit fasste der Jungbauer einen Entschluss.

Er musste sie zurückbringen. Ciera hier sitzen zu lassen wäre absolut keine Option und da er so oder so in die Hauptstadt wollte, passte es. Nach kurzem Zögernd strich er ihr sanft über den Kopf, was sie aufblicken ließ.
 

"Ich werde dich jetzt zurückbringen. Deine Freunde werden sich sicher schon Sorgen machen und ich kann dich schlecht hier sitzen lassen." Aufmunternd wollte er ihr zulächeln, doch Ciera sah ihn einfach nur entsetzt an. Er konnte sehen, wie sich ein gehöriger Protest anbahnte - sie schüttelte energisch den Kopf und stand hastig auf.
 

"Ich kann jetzt nicht zurück! Es hat sicher noch nicht gewirkt! Was ist wenn es nicht wirkt?!" rief sie aufgebracht und fing dabei schon an, nach Luft zu schnappen. Beschwichtigend hatte Link die Hände erhoben, stand auf und griff vorsichtig nach ihren kleinen Händen; welche sie ihm jedoch sofort entzog.

Dann wandte sie sich dem Ufer zu, ging demonstrativ einige Schritte in das kühle Nass. Ciera gefror das Blut in den Adern, das sah man sofort. Sie verkrampfte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Unterlippe - alles um zu zeigen, das sie nicht nachgeben würde. Die Waise blieb stehen, das trotzige und gerötete Gesicht zu Link gewandt.

Oh weh. Damit hatte er nicht gerechnet...
 

"Ich bleibe so lange, bis es wirkt!" teilte sie abermals halsstarrig mit, verschränkte nun die Arme.

Ihr Brustkorb senkte und hebte sich schnell, ein leiser, pfeifender Ton entwich ihrer Kehle.

"Ausserdem muss ich gar nicht auf dich hören! Und ihr... ihr Erwachsenen seid eh'... alle gleich!" setzte sie hinterher, gar nicht auf ihren rasselnden Atem achtend. Link erkannte schnell, das dies an Cieras Aufregung liegen musste und er sie irgendwie beruhigen sollte... nur wie...? Dabei hatte er es schlichtweg nur gut gemeint - hierlassen, das konnte er sie nicht. Allein schon sein Gewissen und sein Sinn für Gerechtigkeit würden ihn davon abhalten... warum er gerade jetzt kurzzeitig an Elara denken musste, konnte er nicht nachvollziehen.

Für einen Moment suchte er den Augenkontakt mit dem Mädchen... dann kam ihm eine Idee.

Link öffnete eine von Eponas Satteltaschen und zog eine Flasche mit frischer Milch heraus.

Ciera achtete erst gar nicht so genau auf das, was der junge Mann dort tat, doch als er den Pfropfen der Flasche zog und die Milch einfach auskippte, erschrak sie.

Milch war ein kostbares Gut, das wusste Ciera ganz genau. Sie war wertvoll, gerade unter der ärmeren Bevölkerung. Wie konnte er also nur? Einfach so...?

Erschüttert durch diese Handlung beobachtete sie nun, wie Link an die Quelle trat, sich hinabbeugte und sorgsam die Flasche auswusch. Er schüttelte sie ein wenig aus, ehe er sie mit dem Quellwasser füllte und dann den Pfropfen wieder aufsteckte. Als der Hylianer sich dann zu ihr umdrehte, zuckte das Mädchen kurz zusammen.
 

"Wir nehmen das Quellwasser ganz einfach mit. Dann brauchst du nicht länger hier warten, bis sich die Wirkung zeigt und du kannst es trinken, wenn du wieder in der Stadt bist. Was meinst du...?" erkundigte sich Link, hielt ihr die Flasche hin und versuchte es abermals mit einem seichtem, ehrlichem Lächeln. Ciera schluckte hart. Er hatte die Milch einfach so weggekippt. Für ein fremdes Mädchen das er nicht einmal kannte, für ein kleines Mädchen das einfach in einem überhastetem Moment zu stur war um vernünftig zu sein.

Fahrig atmend verkrampfte sie ihre Finger in ihrem Kleid, starrte auf die Flasche und den Hyilaner, der sie unermüdlich anlächelte. Ciera fing wieder an zu schluchzen, wimmerte leise.
 

"Aber...! Aber die Milch...!" fing sie an, doch Link unterbrach sie sofort.

"Ich hätte sie nicht entbehrt, wenn ich nicht wollte das du wieder auf die Beine kommst. Es ist okay, Ciera. Es war meine Entscheidung. Und ich möchte sie nicht bereuen, okay...?" fügte er an, blickte ihr in die verweinten Augen. Die Frage, ob sie ihn vielleicht angelogen hatte, verdrängte der Hylianer überzeugt.
 

Ciera konnte darauf nur nicken. Wann hatte sie sich zuletzt so schuldig gefühlt? So schlecht?

Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein. Vorsichtig nahm sie die Flasche in die zitternden Hände, schloss sie fest in die Arme wie einen kostbaren Schatz. Noch immer rannen ihr Tränen die Wangen hinab; sie konnte es einfach nicht verstehen. Diese Güte, mit der ihr dieser Fremde begegnete... die Gastwirtin Thelma war die Letzte gewesen, die sie so offenherzig behandelt hatte. Dabei hieß es immer, man solle niemandem trauen...!
 

"Na also... es wird alles gut werden. Wenn du ganz fest daran glaubst, wird das Wasser sicher bald seine Wirkung entfalten, da bin ich mir sicher."

Mit diesen Worten drehte Link sich zu Epona, setzte einen Fuß auf den Steigbügel und schwang sich auf den Rücken der Stute. Sie hob kauend den Kopf und schüttelte ihre Mähne. Der Hylianer beugte sich leicht herunter und hielt Ciera seine geöffneten Arme hin, damit er sie auf Eponas Rücken heben konnte. Das Kind zögerte noch einen Augenblick, blickte ein letztes Mal über die zierliche Schulter auf die Quelle, ehe sie aus dem Wasser trat und sich von Link auf den Rücken des Pferdes heben ließ.

Nun vor Link sitzend, die Flasche noch immer fest umschlungen, sah sich Ciera interessiert um. Noch nie zuvor saß sie auf einem Pferd. Alles war auf einmal kleiner und sie fühlte sich einen kurzen Moment lang wie eine Prinzessin auf ihrem Thron.
 

"Dein Pferd ist ganz schön groß..." merkte sie leise an, beruhigte sich langsam wieder.

Link nahm die Zügel in die Linke und hielt Ciera vorsichtig mit der anderen Hand fest.

Er versicherte sich noch einmal, das sie richtig im Sattel saß und gab seinem Reittier den Befehl, loszutraben.
 

"Ihr Name ist Epona" antwortete er, konzentriert auf den Weg - er war einfach froh, das Ciera nun doch mitkam.

So hatte er kein schlechtes Gewissen und hatte ganz nebenbei einem kleinem Mädchen sozusagen das Leben gerettet.
 

"Zumindest hat sie mich von meinen eigenen Sorgen abgelenkt..." dachte er sich im Stillen, denn erst jetzt wurde ihm bewußt, das er lange Zeit nicht an seine bevorstehende Reise und den Sturm an Fragen, der in seinem Innern tobte, gedacht hatte. Vielleicht war es auch besser so... Ciera und ihr Gesang hatten ihn aus diesem Wirbel von Gedanken gezogen, welcher ihn immer wieder an diesem Morgen still und leise heimgesucht hatte...
 

Gesang...
 

"Sag Ciera... was war das für ein Lied, das du gesungen hast...?" fragte Link nun neugierig nach.

Ein solches Lied war ihm nie zuvor untergekommen. Es klang mehr wie ein Gedicht oder eine Sage...

Angesprochene löse ihren Blick von Eponas Mähne und der Umgebung. Sie blinzelte, schaute über ihre Schulter.
 

"Das Lied? Das hat meine Mama immer gesungen, wenn ich Angst hatte oder wenn ich krank im Bett lag und nicht draußen spielen konnte..." erklärte sie, den Blick melancholisch verzogen, "... sie sagte, es sei das 'Lied des Propheten' und es erzählt von einer alten Sage der Hylianer."
 

Aufmerksam lauschte er, nickte sich in Gedanken selbst zu; er hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen.

Bei dem Wort Hylianer bemerkte Link erst, das Ciera selbst menschlich war. Ihre Ohren waren abgerundet, nicht so lang und spitz wie bei ihm. Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen...?
 

"Magst du es noch einmal von vorne singen...? Ich würde gerne ein weiteres Mal lauschen".

Das Mädchen hob den Blick, dachte kurz nach und nickte dann eifrig. "Das ist das Mindeste was ich tun kann", dachte sie.

Ciera räusperte sich, schloss die Augen und sammelte die kurzen Strophen in ihrem Kopf, ehe sie ihre Stimme erhob und den Wald abermals mit diesen lieblichen Klängen beglückte.
 

"Heilig Ihr Gesang,wehend im Wind

Das göttliche Kind

hoch erhoben durch das Dunkel schreitet

Mut vor Stärke triumphiert, Weisheit sie leitet

Doch die Göttin auf ewig verloren

zersplittert, zerrissen

und stetig wartend auf ihr Licht, so strahlend weiß

Lasset' uns singen

die Stimmen hoch erklingen

auf das erneut vom Himmel her

hoch, hoch her

jenes Licht erstrahle

uns Hoffnung gebend

des Propheten Wort erklinge

Von weit, weit her

des Lichtes rechte Hand

möge retten unser gold'nes Land"


 


 


 


 

AN: Sou, damit ist das Kapitel auch endlich beendet. Ich hab mir wirklich den Kopf zerbrochen und ich kann mir vorstellen, das sich manch einer gefragt hat, was diese Szene mit Ciera sollte aber ich kann euch sagen, das dies noch eine Rolle spielen wird :) Die Story kommt momentan ziemlich schleifend in die Gänge, aber langsam zeichnet sich ein Plot ab, wuhu.

Nun, manche werden vielleicht Parallelen zu bestimmten Zelda-Teilen erkannt haben und ich möchte hier sagen, das diese Fanfic keine Fortsetzung zu einem bestimmten Teil ist.

Es ist eine von mir erdachte Geschichte. Kartenabschitte wie Phirone habe ich genommen, weil mir die Landeseinteilung sehr gefällt und ich finde das die Namen einfach passen, um Hyrule zu unterteilen... Thelma ist hier auch der Name einer Gastwirtin, diese hat aber gar nichts mit Twilight Princess zu tun. Generell werde ich viele Dinge aus den verschiedensten Spielen aufgreifen und einiges wird euch bekannt vorkommen aber... lasst euch einfach überraschen. Ich hoffe, ihr hattet Gefallen an dem Kapitel... ich bin fast wahnsinnig bei dem Lied geworden (sagt es, ich bin grottig im Schreiben von Reimen).

Also, man sieht sich! LG, Sinister

Dem Himmel so fern


 

Hastige Schritte, ein Gedanke, präsenter als die drohende Gefahr hinter ihrem Rücken. Das Haupt hoch erhoben, gewillt all diesem Wahnsinn ein Ende zu setzen zog sie voran, auf das sie ihren Beitrag zur Rettung des Reiches zahlen könne.

Einen Beitrag, der für sie auch bedeutete, der Machtlosigkeit zu entfliehen.

Sie musste siegen. Koste es, was es wolle. Für das Land, dem sie Treue schwor.
 


 


 

In den Straßen der Stadt erwachte schleppend das Leben, reges Treiben kündigte sich an und sie wußte, das es in den Seitengassen alsbald nicht mehr ganz so ruhig sein würde, wie jetzt.

Man würde eher auf sie achten, sie nicht ignorieren... wer ignorierte schon eine vermummte Frau...?

Dennoch, dieses Risiko war nahezu lächerlich in Anbetracht dessen, was vor ihr lag. Hastig, jedoch immer auf ihre Umgebung achtend lief sie durch die Gassen, vorbei an den Läden und den heruntergekommenen Häusern, vorbei an noch schlafenden Bettlern und jenen, die am Vorabend einen über den Durst getrunken hatten.

Der Duft von Holz und frischem Brot stieg ihr in die Nase und für den Bruchteil eines Augenblicks ließ sie sich dazu hinreißen, langsamer zu laufen.
 

Das geschäftige Summen, welches langsam aber sicher vom Marktplatz her zu ihr durchdrang, ermahnte die junge Frau jedoch zur Eile. Sie musste schnell sein. Unsichtbar.

Hurtig schlich sie die Wege entlang und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren.

An einer schmalen Kreuzung hielt sie einen Augenblick inne, brauchte kurz Zeit um sich zu orientieren.

Jetzt verfluchte sie es wirklich, so selten in den Seitengassen unterwegs gewesen zu sein...!
 

Zu ihrer Linken erhob sich eine alte Schenke; das Holz an den Fensterläden war angefressen und modriger Geruch bahnte sich vom Innern einen Weg nach draußen. Die kleinen Fenster sahen aus als wenn sie schon seit Jahren nicht mehr geputzt worden wären, wiesen sogar Sprünge im Glas auf. Hier und da bröckelte der Putz von dem Gemäuer und Schimmel fraß sich gemächlich in die Wände. Sie seufzte.
 

"Die alte Schenke... dann muss es hier irgendwo sein..." murmelte sie leise zu sich selbst, blickte nach rechts.

Der Weg zu dieser Seite mündete in eine nahezu pechschwarze Seitengasse und wenn sie weiter geradeaus gehen würde, käme sie über kurz oder lang wieder auf die Hauptstraße... also blieb ihr nur eine Option...
 

Ein Geräusch ließ sie aufhorchen.

Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als urplötzlich das donnernde Schlagen von Hufen auf dem Boden und den Wänden widerhallte. Erschrocken sog die Fremde die Luft ein, huschte so schnell es ihr möglich war in jene dunkle Gasse, wagte es nicht einen Blick hinter sich zu kassieren. Wenn sie nun erwischt werden würde, wäre alles umsonst gewesen. Alles.

Das durfte nicht passieren, egal wer oder was sich ihr in den Weg stellen würde!
 

Sie hob den Saum ihres Kleides und den des Mantels an, hetzte sich durch die verwinkelten Wege und versuchte dabei fast krampfhaft, nicht die Orientierung zu verlieren. Die junge Frau rannte. Rannte schneller und schneller, wie vom Teufel höchst selbst zur Hetze verdammt. Hier irgendwo gab es eine alte Schmiede, in der sie sich mit jemanden treffen wollte. Jemand bestimmtes. Seit Wochen hatte sie dieses Unterfangen geplant.

Ein weiterer Grund, warum sie niemand sehen durfte. Ihre Schritte gellten viel zu Laut, viel zu offensichtlich, weshalb sich die junge Frau kurzerhand ihre Schuhe auszog, sie schnell aufsammelte und weiter rannte.

Eine scharfe Kurve nach rechts, eine dünne Abzweigung...
 

"Das Schild mit dem rotem Hammer... das Schild mit dem rotem Hammer...!"

Immer und immer wieder sprach sie diese Worte flüsternd aus, wie ein Mantra, eine Formel die sie sicher zum Ziel geleiten sollte. Ihr suchenden Blicke überschlugen sich fast vor Hektik; auch wenn sie erleichtert feststellen musste das sich ihre Verfolger von ihr entfernt hatten - die Pferde waren nicht mehr zu hören und auch sonst war es absolut still; sah man einmal von ihrem rasselndem Atem ab. Trauen wollte sie dieser Stille dennoch nicht.
 

Einen kurzen Moment lang dachte sie daran, noch einmal ein kurzes Stück zurückzugehen, beschlich sie doch der Verdacht jenes Schild übersehen zu haben - doch ehe sie sich umwenden konnte, sprang ihr die rote Farbe wie ein Signal ins Auge - direkt vor ihr. Das Schild war verwittert und morsch, wurde von den verschiedenen Wettereinflüssen dunkel gefärbt.

Mit viel gutem Willen ließen sich darauf noch die alt-hylianischen Schriftzeichen erkennen, dahinter der provisorisch gepinselte rote Hammer, dessen Farbe ebenso verwittert und ausgebleicht war wie die der Schrift. Endlich!
 

Die Knie zitterten, Erleichterung machte sich breit. Sie hatte es geschafft, ohne entdeckt zu werden! Sie war am Ziel!

Da soll doch noch mal einer sagen, das eine Frau wie sie-
 

Ihre Gedanken wurden binnen Sekunden unterbrochen und durch schiere Panik ersetzt.

Eine große Hand schlang sich um ihren Rumpf, eine andere hielt ihr den Mund zu. Ohne groß nachzudenken, begann die Unbekannte sich zu wehren mit allem was ihr momentan möglich war; auch wenn es nur aus zappelnden Bewegungen bestand. Wie konnte das passieren? Sie war sich absolut sicher gewesen, das ihr niemand gefolgt war! Verdammt, das durfte nicht sein...!

Ihr Angreifer zog sie in den Schatten eines Hauses, sie spürte den heißen Atem des Mannes - es musste einfach ein Mann sein - und ein seltsam verkohlter Geruch stieg ihr in die Nase...
 

"Pscht! Jetzt beruhige dich Zeravina! Ich bin's, Halero!", zischte eine tiefe Stimme ihr ins Ohr - ein kurzer Moment der Atemlosigkeit folgte; danach entspannte sich die Fremde, welche den Namen Zeravina trug und rollte genervt mit den Augen, als ihr bewußt wurde das sie nicht in Gefahr schwebte. Zumindest nicht in unmittelbarer...
 

Erst, als sich Halero sicher war das die junge Frau ruhig bleiben würde, ließ er sie los. Sofort wirbelte sie herum und sah ihn aus feurigen Augen an, war für einen Moment gewillt ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen.
 

"Was zum Henker sollte das?!", zischte sie erzürnt und ballte die Hände zu Fäusten. Herrgott, er konnte sie doch nicht so erschrecken! Tief seufzend stemmte Halero die Hände in die Hüften, sah sich vorsichtig um. Halero war ein großer Kerl mittleren Alters, breit gebaut und mit einem leicht gebräuntem Teint; sein Kopf war kahl geschoren.

Er trug abgewetzte Stiefel die mit Stahlkappen versehen waren, ein braunes Hemd und eine alte Reithose; darüber eine in Mitleidenschaft gezogene Schürze aus Ziegenleder. Seine grünen Augen blickten wachsam und konzentriert.

Wenn man ihn so sah, würde man vermutlich nicht sofort auf den Gedanken kommen, das er Schmied war.

Zeravinas Kontaktperson.
 

"Hier können wir uns nicht unterhalten, meine Teuerste. Vorgestern waren zwei Soldaten bei mir - ich befürchte, das meine Schmiede nicht mehr geeignet ist und wollte dich lediglich abfangen."
 

"Indem du mich fast zu Tode erschreckst? Halero, das... du hättest doch einfach... haaah..."

Zeravina schüttelte resigniert den Kopf, massierte sich die Schläfe und versuchte, nicht aus der Fassung zu geraten - sie war immer jene gewesen, die mit Rat und Tat auftrumpfen konnte, egal in welcher Situation. Ihre Verbündeten schätzten sie für diese Gabe. Dennoch schien ihr die Lage langsam über den Kopf zu wachsen. Zeravina dachte nach.
 

Also schön. Die Soldaten des Königs wurden immer aufdringlicher, ihre Kontrollen schärfer und von den neuesten Methoden wollte sie gar nicht erst anfangen; es war ohnehin kaum mehr möglich, sicher in Kontakt zu treten ohne gleich zur Zielscheibe des königlichen Hofes zu werden.

Wobei, einen wirklichen Herrscher hatte ihr Land seit dem Krieg vor siebzehn Jahren nicht mehr. Jedenfalls keinen, der den Titel "König" noch verdiente. Aus Sicht des Volkes - ins besondere aus der Sicht der einfachen Menschen, besaß Hyrule keinen Herrscher mehr sondern nur noch einen skrupellosen, alten Mann, der mit aller Macht seinen Thron verteidigte.

Diese Meinung teilte Zerafina. Das Königshaus brauchte einen Umschwung. Eine Revolution. Daher waren die Soldaten und Gefolgsleute, die ihrem Herrscher blind vertrauten und seine Befehle ausführten ohne sie zu hinterfragen, nur im Weg.
 

Was also tun? Sie musste mit Halero sprechen und die nächsten Schritte überdenken.

Nur dafür war sie schließlich hergekommen.
 

Der Schmied legte ihr sachte eine Hand auf die zierliche Schulter und als die junge Frau aufsah, rutschte ihr die Kapuze, mit der sie zuvor ihr Gesicht sorgsam verdeckt hielt, vollends vom Kopf. Wallendes, goldbraunes Haar ergoss sich über ihrem Rücken, vereinzelte Strähnen tanzten über ihre Stirn.
 

"Mach dir keine Gedanken. Ich habe mich bereits umgesehen und einen Ort gefunden, an dem wir absolut ungestört sind", begann Halero, seine Mine verfinsterte sich dann jedoch, "... dann kann ich dir alles erzählen. Alles, was ich weiß."

Zeravina nickte kaum merklich. In seinen Augen glaubte sie lesen zu können, was er in den letzten Tagen gesehen hatte - und diese Tatsache bestärkte sie nur in ihrem Vorhaben, schnell etwas unternehmen zu wollen. Sie nickte und ließ sich somit von Halero fortführen.
 


 


 

Die Sonne war nun vollends aufgegangen, gewann zügig an Stärke und brannte schließlich mit einer regelrecht unangenehmen Hitze nieder. Link war ziemlich schnell dazu gezwungen, seinen Mantel abzulegen und Epona schnaufte ebenfalls langsam vor sich hin, während sie im gleichmäßigem Trab über die hylianische Steppe trottete; nur Ciera schien die Hitze kaum etwas auszumachen. Sie summte leise, es waren viele verschiedene Lieder und sie ließ die Beine baumeln, strich Epona immer wieder über die verschwitzte Mähne. Ciera hatte sich von ihrer Atemnot erholt und sah nun auch wieder etwas besser im Gesicht aus, was Link sehr beruhigt hatte.
 

So ritten sie über die Weiten der Steppe, die kaum eine andere Vegetation als dichtes Gras zuließ. Ab und an sah man ein paar ältere Eichen, Buchen und Farngewächs; Moos das im Schatten der Bäume wuchs - aber mehr auch nicht. Es war ein wenig ungewohnt, ja beinahe erschreckend für den jungen Hylianer, das sich die Bewaldung so abrupt verändert hatte; ihm wurde wieder bewußt, wie lange er nicht mehr hier gewesen war. Ranelle - der Landesabschnitt in dem der königliche Hof und die Hauptstadt lagen - war für ihn nie sonderlich sehenswert gewesen.
 

Das Mädel hatte bisher nicht viel mit ihm geredet.

Anfangs, als sich der Wald langsam lichtete, da hatten die beiden noch viel miteinander gesprochen; über das Lied das Ciera gesungen hatte und darüber, was wohl sein würde wenn sie wieder daheim wäre.

Auch hatte sie Link gefragt, was er denn zu solch früher Morgenstunde an der Quelle verloren gehabt hatte. Einen kurzen Augenblick dachte er daran, sich eine Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln, die nicht der Wahrheit entsprach - andererseits, was war schon groß dabei ihr mehr zu erzählen?

Er brauchte ihr ja keine Details nennen und im Übrigen glaubte er kaum, das sie viel damit anfangen konnte.
 

"Ich bin auf der Suche nach jemandem. Oder eher nach etwas... heute Morgen bin ich aufgebrochen und nun führt mich mein Weg zur Stadt. Vielleicht finde ich dort die ersten Hinweise... jedenfalls hoffe ich das", hatte er ihr erklärt.

Ciera lauschte gespannt, fragte aber zu seiner Verwunderung nicht näher nach sondern wandte den Kopf wieder nach vorne.
 

Insgeheim hatte Link die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben; wer konnte ihm schon mit Sicherheit sagen, das sein Vater wirklich nicht mehr am Leben war? Niemand. Es wäre töricht, einfach anzunehmen er wäre tot. Also hoffte er einfach, etwas in Erfahrung bringen zu können. Über dessen Verbleib. Den Namen. Irgendetwas. Dieser Gedanke war alles, an das er sich nun klammerte, alles was ihn momentan antrieb; neben der Frage nach der Herkunft seiner leiblichen Mutter verstand sich.
 

Während die Stadtmauern noch in weiter Ferne lagen und Link mit den Gedanken abermals bei den letzten Ereignissen hing, war Ciera damit beschäftigt, sich eine gescheite Ausrede einfallen zu lassen.

Thelma, die Wirtin die sich ihrer damals an nahm, würde sicherlich alles andere als begeistert sein, wenn Ciera wieder vor den Türen des Gasthofes stand. In ihrem Kopf ging sie alle Möglichkeiten durch; angefangen von "ich habe beim Spielen die Zeit vergessen" bis hin zu "die Soldaten sind Schuld!".
 

Doch egal wie es Ciera drehte und wandte, sie war sich sicher, das Thelma den Schwindel schneller entlarvte, als ihr lieb war. Zumal es dem Mädchen nicht behagte den Menschen zu belügen, der ihr ein Heim und eine Familie gab... aber eine Strafe war auch keine rosige Aussicht und den Mut, Thelma einfach die Wahrheit zu sagen, brachte sie sicher nicht auf.
 

"Du, Link... hast du schon mal jemanden belogen? Oder jemanden arg verletzt?", fragte sie, lugte über ihre Schulter zu ihm und hoffe auf eine Antwort die ihr das Leben leichter machen würde.

Blinzelnd fand der Angesprochene wieder in das Hier und Jetzt; Cieras Worte hallten noch wieder und Link brauchte einen kleinen Augenblick, ehe er ihrer Frage geistlich folgen konnte. Irritiert über eben diese zog er eine Braue hoch, dachte kurz nach...
 

Hatte er schon einmal jemanden gelogen? Sicherlich, wenn nicht im Erwachsenenalter, dann in der Kindheit. Jedes Kind log einmal, vielleicht auch mehrmals - bis es schließlich oft genug gescholten worden war und wußte, das es sich nicht lohnte zu lügen. Und jemanden verletzt... mit Worten, ja. Wenn nicht gleich direkt oder absichtlich.

Elara sprang ihm wieder kurzzeitig ins Gedächtnis, die Bilder ihres Abschiedes und wie er sie am Vorabend zur Rede gestellt hatte. Wie wütend er auf seine Ziehmutter gewesen war obwohl sie nur einer Bitte strikt nachgekommen war... und nun war Elara allein.
 

"Aber es geht ihr gut... sie schafft es...", sprach Link sich innerlich zu. Sie hatte ihn gehen lassen.

Ihm die Sicherheit zukommen lassen, das sie den Hof auch ohne ihn bewirtschaften konnte.

Er musste nun seinen Weg gehen...
 

"Link...? Hast du oder hast du nicht...?"
 

"Hm...? Was?"
 

"Du hast nicht zugehört!"

Ciera zog verärgert an seinem Oberteil und schmollte. Die Stirn war verärgert zusammengezogen und sie plusterte kurz ihre Wangen auf. Mit großen Kinderaugen blickte sie den Hylianer an, verschränkte die dünnen Ärmchen und rollte die Unterlippe ein. Der Blick mit dem sie ihn nun strafte war wirklich nicht angenehm.

Sie fühlte sich gerade übergangen und nicht respektiert. Ciera wußte wie es war, nicht respektiert zu werden - schließlich hatte sie einige Zeit auf der Straße verbracht. Man ignorierte Straßenkinder ohne sie auch nur anzusehen. Nahm sie weder ernst noch wahr. Und das kleine Mädchen nahm solche Situationen sehr ernst; sie hasste es, wenn man ihr nicht zuhörte oder nicht ernsthaft an einem Gespräch mit ihr interessiert war.

Link indes war kurzzeitig durcheinander wegen ihrer Reaktion; tat dies dann aber mit einem Seufzen ab und versuchte sich zu erklären.
 

"Nun sei doch nicht eingeschnappt! Ich war lediglich in Gedanken versunken. Aber deine Frage habe ich trotz allem wahrgenommen, hörst du?", rechtfertigte er sich mit leicht empörtem Unterton; allein die Tatsache, das er sich wegen etwas so banalen bei einem Kind rechtfertigen musste...
 

"Und hast du nun schon mal gelogen?", fragte Ciera ein weiteres Mal nach, überging dabei geschickt Links Aussage und kam wieder zum eigentlichem Grund zurück. Das Epona derweil stehengeblieben war, wurde beiden nicht einmal richtig gewahr. Link ließ ein langgezogenen Seufzer ertönen, zählte innerlich bis fünf, besann sich wieder... insgeheim fragte er sich, warum Ciera sich so aufregte - aber sie war ja noch ein Kind und Kinder konnten sehr impulsiv in ihrer Reaktion sein.
 

"Ich denke, jeder lügt einmal in seinem Leben... aus welchen Gründen auch immer. Aber, warum interessiert dich das so? Lügst du etwa öfters...?" fragte er nun argwöhnisch nach; seine anfänglichen Zweifel über die Glaubwürdigkeit von Cieras Geschichte keimten wieder in ihm auf und Link wurde sich wieder darüber bewußt, wie abwegig die Schilderungen dieses Kindes ihm Grunde waren. Link hatte sie zwar akzeptiert - jedoch nur vorerst. Wenn sie einmal in der Stadt waren, würde sich ja zeigen, was der Wahrheit entsprach und was nicht.
 

Es dauerte, bis Ciera sich zu einer Antwort durchrang; sie druckste etwas, schaute zu Boden.

Sie schien mit sich zu hadern, schien etwas abzuwägen.

Dann seufzte auch sie und sah Link wieder an.
 

"Also... manchmal lüge ich... aber...aber nicht mehr so oft wie früher, wirklich! Ich habe mich gerade nur gefragt, ob die gute Thelma wohl sehr böse auf mich sein wird... ich möchte keinen Ärger... ich habe dann immer Angst, das sie mich nicht mehr bei sich haben will. Ich meine...wer will denn schon jemanden wie mich bei sich haben? Ich kann ja froh sein, das sie mich aufnahm."

Ihre Stimmung hatte sich binnen Sekunden gesenkt; Link vergaß seinen Anflug von Ärger und war einfach nur verdutzt über jene Worte, die eigentlich sehr nachvollziehbar war.

Schnell fing sich der Hylianer wieder, suchte nach den richtigen Worten um ihr eine Antwort zu geben.
 

"Nun... ich glaube, es wäre besser, wenn du ihr die Wahrheit sagst. Natürlich könntest du sie anlügen, doch egal wie gut durchdacht diese Lüge ist - sie wird irgendwann durchschaut werden. Es ist immer besser, ehrlich zueinander zu sein.

So festigt man das Vertrauen und die Menschenkenntnis."
 

Auch wenn die Worte wohl überlegt gewesen sind, so war sich Link nicht ganz sicher, ob Ciera sie richtig verstanden hatte. Geduldig wartete er auf eine Reaktion; das Mädchen hatte ihn wieder angesehen während er sprach. Langsam wand sie den Kopf wieder um, rutschte ein wenig in dem Sattel hin und her.
 

"Link... danke. Ich... ich glaube...also... ich werde Thelma sagen was ich an der Quelle wollte. Ganz bestimmt..."

Ciera senkte das Haupt und atmete durch. Der Hylianer neigte den Kopf leicht, dann lächelte er und drückte Epona sanft in die Flanken damit sie weiterging.
 

"Das ist besser so, glaube mir."
 


 


 

Sorgsam steckte er den Pfropfen wieder auf den kurzen Hals seiner Feldflasche.

Das restliche Wasser schlug gegen die mit Bienenwachs behandelten Innenwände, als die Flasche wieder an seinem Gürtel festgebunden wurde. Selten hatte er erlebt, das die Sonne so erbarmungslos niederbrannte.

Selbst auf der hylianischen Steppe nicht.

Aber, für ihn war es nur ein weiteres Zeichen dafür, das der Frieden in Hyrule ein trügerischer war.

Trügerisch und filigran wie der morgendliche Nebel über den fast vertrockneten Wasserstellen, welche hier in der Umgebung zu finden waren.
 

Seit er aufgebrochen war, hatte sich die Landschaft sehr gewandelt.

Wo noch vor ein paar Tagen nur Stille um ihn herrschte, graue schwere Wolken ihm die Sicht auf die Sonne nahmen und Bäume totenstill in der Gegend standen, war nun keine einzige Wolke zu sehen, kein richtiger Baum und das leise Zirpen der Zikaden drang an seine Ohren. Weit und breit nur Feld und Steppe...

Einerseits hatte er diese Gegend regelrecht vermisst, andererseits wußte er, wie tückisch sie sein konnte.

Gerade für Wanderer wie ihn.
 

Auch wenn der Hylianer von Müdigkeit gebeutelt wurde, so musste er dennoch weiter und seine Aufgabe erfüllen. Entschlossen packte er seinen Speer fester, nutzte ihn weiterhin als Wanderstab und zwang seine schmerzenden Beine dazu, ihm den Dienst nicht zu verwehren.
 

Ja. Die Aufgabe...
 

Das, was sie ihm aufgetragen hatte, war gewiß nicht leicht, doch der Krieger war Schlimmeres gewohnt.

Weitaus Schlimmeres, als etwas zu suchen das praktisch überall sein könnte. Ja, überall war die richtige Bezeichnung. Doch er war sich sicher, erfolgreich zu sein. Denn er wußte genau, wonach er suchen musste. Wie könnte er denn jemals vergessen... was ihm damals fast das Leben kostete? Es war, als wenn seine Herrin ahnte, das nur er in der Lage wäre, ihre Bitte zu erfüllen. Und wenn er dafür Vergebung erhalten würde, ihre Gnade und vielleicht sogar noch etwas mehr... dann wäre er bereit, bis ans Ende der Welt zu reisen.
 

Vergebung... Vergebung war alles, was er sich wünschte. Gnade.
 

Denn er war dem Himmel so fern... so fern...
 


 


 


 

"Also, warum müssen wir einen Umweg nehmen? Die Stadttore werden zwar bewacht aber ich habe doch nichts unlauteres-"
 

"Na, weil die Soldaten nur Händler in die Stadt lassen.

Reisenden ist es schon seit Monaten verboten, die Stadt ohne Einreiseerlaubnis zu betreten!"
 

Abrupt hatte Ciera Link unterbrochen und sah nun mit ernster Miene zu ihm hinauf.

Die Flasche mit dem Quellwasser drückte sie an ihren zierlichen Körper.

In weiter Ferne türmten sich die Zinnen des Schlosses auf, berührten die langsam untergehende Sonne.

Zeitig hatte sie ihn gebeten zu halten und abzusteigen.

Die Wachen, die dieses Gebiet des öfteren durchkämmten durften sie nicht sehen. Ciera wußte, was mit denen geschah, die versuchten ohne Erlaubnis in die Stadt zu kommen.

Sie wurden vertrieben wie reudige Köter oder bestraft. Die Methoden des Königs variierten je nach Gemütslage und es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Thelma hatte ihr einmal erzählt, das es nicht immer so gewesen war und die Stadt früher jedem offen stand.
 

"Bitte Link, du musst mir glauben! Sie werden uns niemals einfach so in die Stadt lassen...!

Aber es gibt einen anderen Weg, einen geheimen! Ich weiß wo er ist!"
 

Eindringlich sah sie ihn an und Link konnte spüren das Ciera es nicht nur ernst, sondern todernst meine.

Es war kein Scherz, kein Versuch ihn in die Irre zu führen.

Auch wenn dort noch ein Funken Skepsis in ihm herrschte, so hatte er wohl keine andere Wahl.

Ciera kam aus der Stadt und wußte demnach, was dort vor sich ging. Allerdings fragte er sich, warum sie ihm das nicht schon vor Stunden erzählt hatte.
 

Des öfteren hatte er seltsame Gespräche gehört, wenn die Händler zum Hof kamen um ihre Waren aufzustocken.

Es ging dabei um die Lage in der Stadt und darum, das es wohl Probleme mit den Lieferungen gab; jetzt verfluchte Link sich selbst dafür, das er damals nicht richtig zugehört hatte.

Man konnte ihm im Grunde alles mögliche an Geschichten auftischen und er würde es schwer haben zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Einer der kleinen Nachteile, wenn man vom Lande kam...
 

Er lockerte seine Schultern, atmete tief durch und schaute zu Epona.
 

"Dann muss ich sie sicher zurücklassen, nicht wahr...?", sagte er, tätschelte den kräftigen Hals der Stute.

Er machte sich nicht wirklich Sorgen um sie, Epona war ein sehr schlaues Tier und sie würde den Weg zurück zum Hof definitiv finden. Ciera nickte betrübt.
 

"Tja, dann habe ich wohl keine andere Wahl..."

Seufzend strich Link ihr durch die Mähne, Epona wand den Kopf zu ihm und rieb ihre weiche Schnauze an seiner Schulter. Link kraulte ihr die Ohren, legte die Stirn auf ihren Kopf.
 

"Also meine Schöne... pass auf dich auf...!"

Mit jenen Worten löste er sich von seiner treuen Gefährtin, nahm ihr das wenige Gepäck und die Satteltaschen ab und dann gab er ihr einen leichten Klapps auf das Hinterteil. Die Stute trabte davon und Link sah dem Pferd nach, bis das Klappern ihrer Hufe verstummt war. Nun erst wandte er sich wieder Ciera zu.
 

"Dann zeige mir den Weg."

Link schulterte sein Gepäck.

Ja, er hatte wohl wirklich keine andere Wahl, als diesem Mädchen zu vertrauen.
 

Sie umklammerte die Flasche fester, drehte den Kopf in Richtung des Schlosses.

Die Sonne war mittlerweile um einiges tiefer gesunken, was nur bedeutete das sie bessere Chancen hatten, ungesehen zu bleiben. Ciera nahm zögerlich Links Hand und führte ihn im angemessenen Abstand um das Schloss und die Stadt herum.

Der Jungbauer hatte angenommen, das sie näher an die Bauten heran mussten, um zu besagtem "Geheimgang" zu kommen. Natürlich wurden Stadt und Schloss gründlich bewacht, aber...
 

"Link? Du musst mir mal helfen...!"

Ciera hatte ihn am Arm gezogen und den Hylianer dadurch aus seinen Gedanken geholt. Sie standen nun bei einer kleinen Gruppe von verdorrten Heidekrautgewächsen und das Mädchen deutete auf den Boden dahinter. Link verstand nicht recht. Wobei sollte er ihr helfen...? Doch ehe er nachfragen konnte, ging Ciera ein Stück weiter, sah sich dabei immer wieder nervös um wühlte dann auf dem Boden zwischen verwelktem Gras und Flechtgewächs.

Neugierig war Link ja schon und so folgte er ihr und staunte nicht schlecht, als sie einen Metallring zu Tage förderte.
 

"Moment... ist das etwa...", fing Link an, setzte sein Gepäck ab und trat noch näher, "... eine Klappe...?"

Sachte hockte er sich herunter und umfasste den Ring, welcher gerade so zwischen dem Gestrüpp herausragte.

Nun wußte er, das Ciera wohl wirklich die Wahrheit sagte - warum sonst sollte es so eine Vorrichtung hier draußen geben...? Wohl kaum zur Zierde.
 

Probeweise zog Link an dem Metall, doch es rührte sich kaum. Er nahm die zweite Hand dazu und zog kräftiger.

Holz und Gestrüpp knirschten leise, das Gras, welches darüber gewuchert war zerriss.

Zuerst rührte sich relativ wenig und das stachelte ihn nur noch etwas mehr an. Der junge Mann zog und zog an dem Ring, stand breitbeinig darüber - und mit einem Mal löste sich die Klappe vom Boden. Krachend ließ Link sie auf den Boden fallen, worauf Ciera sich noch einmal umsah. Es handelte sich tatsächlich um eine Holzklappe. Sie war so zugewachsen gewesen, so mit Erde und Wurzelresten, das sie sich erst nicht öffnen ließ.
 

Aber das, was sie nun freigab, ließ Link doch ein wenig schlucken.

Ein pechschwarzes Loch umgeben von kaltem Gestein sprang ihm entgegen, leise pfiff der Wind aus den Tiefen heraus.
 

"Von hier aus kommen wir zu einem altem Gewölbe, das in die Stadt führt. Der Weg ist sehr alt und wurde früher von einer Diebesbande genutzt, ehe der frühere König sie hinrichten ließ. Von diesem Gang wissen inzwischen kaum noch Leute. Zumindest sagte Thelma das."

Langsam schielte Ciera zu Link hoch.
 

Es war ihre einzige Chance und sie hatten keine andere Wahl, als sie zu nutzen.
 


 


 

AN: Nun, es hat etwas gedauert, aber das Kapitel ist nun fertig... ich hoffe, es hat euch gefallen, auch wenn sich die Handlung noch etwas zieht. Bis zu einem nächstem Update kann es aber unter Umständen etwas dauern :/ Bitte habt ein wenig Geduld!

Vielen Dank fürs Lesen!

Jäger und Gejagte


 

Fragen über Fragen. Unsicherheit.

Ein lähmendes Gefühl, das einem die Angst in die Glieder treibt.

Doch verzage nicht.

Dein Glaube wird dich leiten, selbst durch den dichten Nebel von Verschwörung und Verrat.
 


 

Der Würgereiz ließ sich kaum noch unterdrücken.

Heiße, abgestandene Luft biss in seinen Lungen, die Augen tränten ihm so sehr das seine Wangen schon ganz feucht waren. Tastend suchte Link nach Halt und nicht das erste Mal hatte er Ciera fluchen hören, nachdem sie fast ausgerutscht war. Dafür, das sie noch von so viel Jugend erfüllt war, kannte sie einige frivole Worte die er nicht einmal im Traum in den Mund nehmen würde.
 

Es wunderte Link gehörig, das Ciera den Weg oder die Falltür im Allgemeinen, zu kennen oder zumindest finden konnte. Hier unten gab es nichts als Schwärze, weswegen er sich auch nur langsam an der Wand entlang tasten konnte. Es gab nur sehr schmale Treppenstufen, sie waren glitschig und zum Teil ganz zerstört so das man fast regelmäßig das Gleichgewicht verlor. Es war zweifelsohne der Grund für Cieras Stimmung. Link konnte sich nur zu gut vorstellen, wie anstrengend es für die Kleine sein musste, hier hinab zu steigen. Gerade bei ihrer Atemnot.
 

"Ist alles in...Ordnung...?" Links Stimme klang vorsichtig und verhalten.

Er machte sich schon seine Gedanken zu diesem Unterfangen. Es war Link gewiss nicht Geheuer und sein Innerstes wollte sich noch immer nicht richtig festlegen; konnte er einem kleinem Mädchen vertrauen oder führte sie ihn nur in die Irre oder gar an das Messer? Es war zum Mäuse melken. Er kannte sie immerhin erst seit ein paar Stunden.

Doch nun hatte er so oder so keine andere Wahl mehr. Die Frage, ob er Ciera wirklich vertrauen konnte hatte Link sich in den letzten Minuten und Stunden viel zu oft gestellt, es war nun zu spät um sich noch mehr Gedanken zu machen. Entweder, sie kamen bald in der Stadt an oder sie würden hier unten womöglich ersticken.

Die Luft konnte kaum richtig zirkulieren. Kleine, winzige Nischen aus denen der Wind blies waren alles, was hier überhaupt für Sauerstoff sorgen konnte. Und wie das wiederum funktionierte, das wollte der Hylianer gar nicht so recht wissen. Sie waren schließlich ins Erdreich hinabgestiegen.
 

Ciera schluckte schwer und machte sich nicht einmal mehr die Mühe, über ihre Schulter hinter sich zu schauen.

Sie würde Link nicht sehen können. Einzig seine schweren Schritte und der schwache, pfeifende Atemzug verriet ihr das sie nicht alleine hier hinunter gegangen war. Und sie war sehr froh, das er bei ihr war.

Allein hätte sie sich sicher nicht getraut.
 

"Mir geht es gut... ich muss nur langsam gehen...", erwiderte sie schließlich auf Links Frage hin. Ciera fuhr sich nervös über die Lippen. Das, was Thelma über diesen Gang gesagt hatte mußte einfach stimmen. Am Ende würden sie in die Stadt kommen... wie die alten Räuberbanden damals. Das Mädchen wußte inzwischen nicht mehr, wie lange sie hier unten waren. Jegliches Zeitgefühl war ihr vollkommen abhanden gekommen und würden sie nicht nur geradeaus gehen können, so hätten sie zweifelsohne auch die Orientierung verloren.

Aber irgendwann mußte es ein Ende geben... es musste.
 

"Huh...?"

Ciera war immer mit einer voraus gestreckten Hand weitergegangen um nicht gegen etwas zu stoßen, doch nun trafen ihre kleinen Finger auf etwas Kaltes. Raues Gestein vielleicht. Sie tastete erschrocken die vermeintliche Wand ab, doch es gab keine Abzweigung oder dergleichen.
 

"Oh nein! Eine Sackgasse! Es geht nicht weiter...!"
 

"Wie bitte...?!"
 

Ein nervöser Laut entwich Links Kehle und seine Stimme klang lauter und entrüsteter als gewollt.

Das konnte doch nicht... war der Gang am Ende zugeschüttet? Womöglich eingestürzt...?

Schnell war er ganz bei ihr, zwang sich dazu, wieder ruhiger zu atmen.

Die Satteltaschen und der Seesack, welche er die ganze Zeit bei sich trug, landeten krachend auf dem Boden.

Vorsichtig streckte Link die Hände nach vorne und tatsächlich trafen sie auf kalten Stein.

Es war kein Geröll, was bedeutete, das der Gang nicht zugeschüttet war. Vermutlich.

Aber dennoch kamen sie so nicht weiter. Vielleicht hatte man den Gang auch schon lange entdeckt und zumauern lassen?
 

"Hat diese Thelma erzählt, wann der Gang zuletzt benutzt worden war...?", fragte er und tastete weiterhin die Mauer ab.
 

"Mh... vor einem Monat...ja, es muss... vor einem Monat gewesen sein...!

Thelma redet nicht oft über so etwas... schon gar nicht vor mir... aber manchmal kommt mir doch etwas zu Ohren..."

Cieras Stimme klang ein wenig abgehackt, der Atem schien wieder schwerer zu gehen.
 

"Vor einem Monat...?", wiederholte Link fragend, wand den Kopf in Richtung von Cieras Stimme.

Er musste die Kleine hier bald raus schaffen...
 

Die Frage warum, beziehungsweise wie der Gang benutzt werden konnte, verkniff sich der Hylianer.

Angestrengt dachte er nach. Wenn das wirklich stimmte, dann musste es einen Weg geben, an der Mauer vorbeizukommen. Vielleicht ein Mechanismus, einen Trick...

Oder sie waren an einer Abzweigung vorbeigegangen.

Doch etwas in ihm flüsterte seicht, das er mit seiner ersten Intuition richtig liegen musste.

Wie sonst sollte es möglich sein, in die Stadt zu kommen, wenn der Gang noch intakt war...?
 

Genau in diesem Moment ertastete Link etwas unter seinen Fingerkuppen.

Eine doch sehr markante Unstimmigkeit im Gestein, etwas das ungewöhnlich für eine massive Wand wie diese war.

Link zog die Augenbrauen zusammen und fuhr die Konturen nach. Immer wieder. Es fühlte sich an wie ein Emblem, wie...
 

"Diese Form..."
 

Noch bevor er seinen Gedanken ganz formulieren konnte, gab das Emblem nach, rutschte in das Gestein.

Es knarzte. Dann geschah nichts. Link hatte den Atem angehalten, Ciera ebenso.

Sie tastete nach seinem Arm um sich festzuhalten. Ihre kleinen Hände waren kalt.
 

"L...Link..."
 

"Sshh... hör doch..."
 

"Was hast du gemacht Link?"
 

"Sei bitte einen Moment leise, Ciera!"
 

Es war gut möglich, das sie es mit ihren Ohren nicht wahrnehmen konnte, doch Link hörte eindeutig etwas.

Die um ein Vielfaches feineren Ohren des Hylianers erkannten eindeutig ein Geräusch, das von der Wand zu kommen schien. Es hörte sich an wie Metall, das über das Gestein gezogen wurde... ein ganz feines Klirren und Reißen...
 

Starr harrten sie der Dinge, abwartend.

Link tastete nach Cieras Schulter und zog sie ein paar Schritte von der Mauer weg.

Dann, mit einem Mal wurden die feinen Geräusche von einem viel lauterem abgelöst. Die Wände und der Boden um sie herum begann zu vibrieren... es war ein sehr beklemmendes Gefühl, in mitten der Dunkelheit.

Seine Brust schmerzte und er fühlte einen Knoten in seinem Hals, während er der Ungewissheit harrte und nicht weiter tun konnte als zu hoffen. Worauf, das vermochte er nicht zu sagen.

Etwas, was Link zuvor nie zu spüren vermochte. Diese Situation behagte ihm nicht und all seine Sinne waren alarmiert.
 

Ein Hauch frischer Luft streifte sein Gesicht - die Wand direkt vor Links Nase zog zur Seite.

Vollkommen perplex starrten beide in den Gang, der nun langsam freigegeben wurde.

Anders als der schwarze Schlund hinter ihren Rücken war dieser Teil des Gewölbes mit Fackeln versehen.

Hastig tanzten die Flammen im Sog der Luft, wie in freudiger Erwartung auf die neuen Besucher.

Schließlich blieb die Wand auf halbem Wege stehen, es knarzte erneut.
 

Erst mit jenem Geräusch traute Link sich wieder, zu atmen. Er musste sich die Augen zuhalten; durch das Licht der Fackeln reagierten sie äußerst empfindlich nach so langer Dunkelheit. Es brannte tierisch.

Wer, im Namen aller Götter Hyrules, kam bloß auf die Idee einen solchen Mechanismus zu wählen...?

Von so etwas hatte er noch nie gehört, geschweige denn es gesehen.

Schließlich war Ciera es, die zuerst ihre Sprache wiederfand, wenn auch nur leise.
 

"I...ich glaube, wir können...weiter...", murmelte sie, sah Link aus kleinen Augen an. Seicht legte sich der Schleier der Angst über ihre Züge. Mit leicht verzerrtem Gesicht sah er zu ihr herunter und nickte. Link sammelte Eponas Satteltaschen auf, schulterte sie und nahm Ciera ohne weiteres an die Hand. Er hoffte wirklich, das sie nun endlich ein Licht am Ende des Tunnels sehen würden.
 


 


 

Ihre Hände zitterten und krampften vor Anspannung, Zeravina schluckte schwer. Ihr Herz raste so schnell, das sie Angst hatte es könne sie verraten. Krampfhaft krallte sie ihre zarten Finger in die dünne schwarze Kluft mit der sie ihre Gestalt verbarg. Um ein Haar wäre sie einer Hand voll Söldnern in die Arme gelaufen. Nur der Dunkelheit der aufkommenden Nacht hatte die junge Frau es zu verdanken, das man sie nicht entdeckt hatte. Ein weiteres Mal schienen die Götter Gnade gehabt zu haben. In Situationen wie diesen war sich Zerafina nicht sicher, wie lange sie den Klauen des Königshauses noch entfliehen könnte. Gerade jetzt, wenn der Hof sogar schon Söldner schicken ließ...
 

Noch vollkommen aufgewühlt lauschte sie den letzten Wogen des vergangenen Tages, den Schritten der Männer... dann endlich traute sie sich, auszuatmen. Kraftlos lehnte sie sich an ein paar alte Weinfässer, die an der Fassade des Hauses standen, in dessen Schatten sie sich geflüchtet hatte. Das Treffen mit Halero war zum Glück gut verlaufen. Niemand hatte sie gesehen, niemand ahnte etwas. Doch die Kunde die er ihr brachte, war erschreckend gewesen. Mehr als das. Ihnen blieb kaum noch Zeit. Sie zerann in ihren Händen wie feiner Sand. Die Fäden der Marionette, die sich mit Wörtern wie Intrige oder Gier schmückte, zogen sich beängstigend schnell zusammen und der vermeintliche Frieden war bald nicht mehr als ein fein gewebtes Tuch, welches sich leicht zerreißen ließ...
 

Zeravina atmete tief ein und aus, ordnete ihre Gedanken. Also schön.

Sie würde nun zurückkehren, die Lage mit ihren Verbündeten besprechen und dann erst einmal ruhen.

Nur ruhen. Der Stress und die Angst, geschnappt zu werden nagten doch sehr an ihr.

Flüchtig rückte sie ihre Kleidung zurecht, blickte sich um und verschwand abermals in den Gassen der Stadt.

Obwohl sie kein Straßenkind gewesen war, kannte sie die Winkel und Gassen der Hauptstadt sehr gut.

Beinahe jedes Fleckchen Erde, jeder Pflasterstein war ihr bekannt, konnte zugeordnet werden.

Die junge Frau hatte über die Jahre hinweg ihr ganz eigenes System, eine Karte in ihrem Kopf, erstellt. Es hatte ihr schon oft den Hals gerettet, die Stadt so gut zu kennen. Während sie sich auf leisen Sohlen ihren Weg durch die Dunkelheit bahnte schaute sie sich immer wieder flüchtig um. Links, rechts – ihre schmale Gestalt huschte geschwind von Gasse zu Gasse und kein neugieriges Augenpaar vermochte sie zu erblicken.
 

Bald hatte sie es geschafft. Thelmas Gasthaus – und somit ihre Chance erneut unterzutauchen - war nicht mehr weit. Ihre gehetzten Glieder sehnten sich nach einer Pause. Nach Ruhe. Dem Lärmen der Angst zu entkommen...

Ein unscheinbares Geräusch ließ sie jedoch kurz herumfahren.

Sie stolperte langsam weiter, blickte hinter sich auf der Suche nach der Quelle des Geräusches.

Ein nervöses Glimmen begleitete ihren Blick.
 

Und dann stieß sie gegen etwas. Oder Jemanden.

Zeravina verlor das Gleichgewicht und stürzte. Nur mit größter Mühe konnte sie einen Aufschrei herunterschlucken, biss sich dabei jedoch auf die Zungenspitze. Sofort spürte sie einen reißenden Schmerz und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Ein dumpfes Klattern begleitete ihren Aufprall.
 

„Ah! Was zum-“
 

„Pass doch auf! Du hast sie umgerämpelt!“
 

„Moment mal, sie hat nicht richtig hingesehen...!“
 

Zeravina schüttelte benommen den Kopf. Unscheinbar schlich sich der metallene Geschmack von Blut in ihre Mundhöhle. Als sie sich an die Stirn faste erschrak sie kurz; ihre Kluft war verrutscht und ihr Gesicht somit nicht mehr verdeckt. Hastig wollte sie den Kopf abwenden und nach der Kapuze greifen, als sie aus dem Augenwinkel schon eine ihr dargebotene Hand sah. Das Licht des Mondes fiel zwischen die Häuser und erhellte in einer kleinen Nische die Gasse. Vorsichtig, gleich wohl etwas aus der Bahn geworfen, sah sie auf den jungen Mann, der ihr aufhelfen wollte. Sein Gesicht war von Schatten zerrüttet, so das sie nicht sagen konnte, wie alt er genau war - doch die klaren blauen Augen verrieten ihr sofort, welch gütige Seele in ihm hausen musste.

Sie sah ihn lange unentschlossen an, sah, wie sich seine Züge fragend verzerrten. Schließlich ergriff sie seine Hand, blinzelte bei der Berührung überrascht. Ein ihr unbekanntes Gefühl kitzelte durch ihre Fingerspitzen, verweilte sanft an ihrer Handfläche. Der Fremde zog sie auf die Beine.
 

Seine Hand ist so warm...
 

„Alles in Ordnung? Ich wollte dich wirklich nicht umstoßen, aber es ist ziemlich dunkel hier und...naja...“
 

Plötzlich geriet er ist stocken, ließ abrupt ihre Hand los und damit zerfloss auch das wohlige Gefühl, Zeravinas Finger wurden kalt. Sie blinzelte perplex, ballte die Hand zur Faust und schüttelte den Kopf.
 

„Nein nein...wie Ihr schon sagtet, es ist meine Schuld – ich habe nicht auf den Weg geachtet und bin in Euch hineingelaufen“.
 

Ein verhaltenes Lächeln begleitete ihre Worte. Eigentlich sollte sie längst nicht mehr hier sein.

Sie sollte wieder ihre Gestalt verhüllen, sich verabschieden und gehen... wahrscheinlich wurde sie noch immer gesucht und je weniger Kontakt sie zu anderen hatte, desto besser...
 

„...Ze...Zeravina...? Bist du das...?“
 

Eine dünne, helle Stimme ließ die beiden aufhorchen. Jetzt erst wurde der jungen Frau klar, das dieser Fremde offenbar nicht alleine durch die Gassen geschlichen war. Und mit dieser Erkenntnis kam die Erinnerung.

Sie kannte diese Stimme. Das Kind dahinter.
 

„Ciera...? Was- bei der großen Nayru, was machst du um diese Zeit noch hier draußen?!

Thelma kommt doch um vor Sorge wenn du dich hier mit Wildfremden herumtreibst...!“
 

Wo vorher noch eine vorsichtige Attitüde in ihrer Stimme vorherrschte, schwoll nun unverhohlener Ärger hervor.

Dieses Mädchen gehörte ins Bett, nicht auf die Straße und erst recht nicht zu so später Stunde mit einem ihr vollkommen unbekannten Gesicht!
 

Ciera schluckte merklich, schielte einmal nervös zu Link (welcher die Situation, in der er sich befand überhaupt nicht einschätzen konnte) und ergriff dann energisch das Wort. Sie erinnerte noch genau Link's Worte. Keine Lügen mehr.
 

„D...das weiß ich! Und...und ich werde mich auch bei ihr entschuldigen aber... ich hab etwas ganz Dummes gemacht und wenn Link nicht gewesen wäre, dann wäre ich wohl nie mehr in die Stadt gekommen...!

Er hat mir geholfen und er ist kein Fremder...! Er...er...“
 

Dem Mädchen fehlten langsam die Worte. Sie hatte schnell und ohne Luft zu holen gesprochen. Sie wußte nicht, wie sie Link noch vor einem schlechtem Urteil durch Zerafina verteidigen könnte; Ciera wußte, das Zeravina eine sehr misstrauische Person war und das sie Link so lange mit ihrem Blick erdolchen würde, bis er sich ihres Vertrauens „würdig“ erwies. Und nach all den Strapazen wollte sie das der komische Kauz, der ihr an der eisigen Quelle begegnet war, ein warmes Bett bekam und nicht dafür zahlen musste.
 

Link fing an, auf seiner Unterlippe zu kauen. Er hasste es im Mittelpunkt verbaler Auseinandersetzungen zu stehen.

Es war ihm sehr unangenehm. Er verlagerte ständig sein Gewicht von einem Bein auf das andere und sah abschätzend zu der Frau, die offensichtlich Zeravina hieß. Ihn überraschte es zudem, das Ciera sie kannte. Es reihte sich momentan alles aneinander, zu schnell für ihn, er konnte die einzelnen Fragmente der Geschehnisse gar nicht recht erhaschen und fast glaubte Link nicht an einen Zufall sondern an eine Art Fügung.
 

Der Gang, in dem er und Ciera sich bis vor kurzem noch befunden hatten, führte zu einer Hintergasse.

Der Zugang war dicht mit Efeu bewuchert und das Grün hielt sich äußerst hartnäckig. Kaum zu glauben, das der Geheimgang erst vor kurzer Zeit benutzt worden sein sollte; letztlich musste Link einige der Pflanzen mit einem kleinem Messer durchtrennen; ein unscheinbarer Fakt, der ihm nur noch mehr zu denken gab. Aber er fügte sich.

Was blieb ihm denn nun auch anderes übrig? Und er entschied, stumm zu beobachten, zu sehen was kommen mochte.
 

Ciera führte ihn erstaunlich flink durch die Dunkelheit, vorbei an halb zerfallenen Häusern oder dem ein oder anderem Bettler, welche von der Nacht verschluckt wurden. Es waren Ecken und Winkel der Hauptstadt, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Die zweite Seite einer Medaille, Schatten im Glanz der Königsfamilie von Hyrule. Hässliche Schatten, die wohl niemals weichen würden.
 

Zeravina hüllte ihr Haupt in den Stoff ihres Mantels. Sie hatte Cieras Worte vernommen, doch konnte sie kein Risiko eingehen. Wer sagte ihr, das dieser junge Mann kein Spion war? Wer sagte ihr, das die vermeintliche Rettung Cieras nicht Teil eines Plans war...? Eines Plans, um in die hinteren Reihen der Untergrundbewegung zu kommen...?

Auch wenn seine Augen noch so viel Güte ausstrahlten, sie konnte nicht jedem trauen. Das hatte sie schmerzlich lernen müssen. Mit scharfem Blick betrachtete Zerafina die halb von der Nacht verdeckte Gestalt, die den Namen Link trug. Er wirkte nervös, etwas abgekämpft und so, wie er dort stand mit dem bisschen Gepäck, reichlich... naiv. Ja, anders konnte die junge Frau es nicht beschreiben. Ein genauer Blick genügte und sie hatte das Gefühl, den Charakter dieses Jünglings genau zu erkennen. Unsicher und der Situation nicht ganz gewahr. Außerdem schien er die Hauptstadt noch nicht oft oder gar nicht besucht zu haben. Dennoch, sie musste vorsichtig sein. Zeravina schüttelte bestimmend den Kopf.
 

„Nein Ciera. Mag sein, das er dir geholfen hat aber, nein. Wenn du glaubtest er könnte bei Thelma Unterschlupf finden, dann muss ich dich enttäuschen. Du weißt, warum. Ich nehme dich mit und du wirst ihr genau erklären was geschehen ist. Mach dich auf eine gehörige Standpauke gefasst, Ciera.“
 

Sie wandte sich zu Link, welcher einfach nur starr und vor den Kopf gestoßen dort stand. Er wagte es anscheinend nicht einmal, das Wort zu ergreifen. Sie seufzte. Ihr Blick war eisern und leicht kühl. Egal ob er einen langen Weg hinter sich hatte, er musste sich ein anderes Nachtlager suchen, so hart klingen mochte.
 

„Verzeih, aber ich kann-“
 

Ihre Worte wurden harsch durchbrochen. Das Sirren eines Pfeils durchschnitt die Luft und das himmlische Geschoss blieb mit einem dumpfen Aufprall in einem Karren direkt neben ihnen stecken. Erschrocken wirbelten die drei herum, Cieras spitzer Schrei hing noch hallend in der Luft und sie hatte sich reflexartig an Links Beine gekrallt. Jener begriff bei weitem nicht, was geschah. Gerade noch musste er hören, das man ihn ohne irgendwelche triftigen Gründe stehen lassen wollte und im nächsten Moment riss ein Geschoss die Stille der Nacht entzwei. Beinahe hilflos blickte er sich um, erkannte kaum den Pfeil der in dem Karren neben ihm steckte. Hastig griff er sich seine Taschen vom Boden.

Er wollte etwas sagen, wollte Erklärungen einfordern doch dafür war keine Zeit. Zeravina erkannte innerhalb von Sekunden, das dieser Pfeil ihr gegolten haben musste. Hastig suchte sie nach dem Schützen, entschied das es zu dunkel war um etwas zu erkennen und schubste Link grob in eine Richtung.
 

„Lauft, schnell...!“, zischte sie bissig und schob die beiden weiter.

Er stolperte haltlos vorwärts, nahm Ciera mit sich – doch sie kamen nicht einmal um die nächste Ecke.
 

Lärmende Schreie.

Donnerndes Gebrüll.

Ein verräterisches Sirren.
 

Link heulte auf, sein vor Schock verzerrter Schrei vibrierte in der Luft und er ließ die Satteltaschen fallen.

Ein langer, dicker Pfeil steckte in seiner linken Schulter. Er fiel auf die Knie, war mit einem Mal wie gelähmt. Solchen Schmerz hatte er noch nie gespürt. Ciera schnappte erschrocken nach Luft und eilte an seine Seite.
 

Link!“
 

Zeravina fluchte. Rasch kniete sie sich herunter, griff ohne zu zögern nach dem Pfeilschaft und brach ihn ab - eine plötzliche, harsche Berührung an der frischen Wunde. Abermals kreischte Link, diesmal vor unsäglichem Schmerz, Punkte tanzten vor seinen Augen und seine Sicht verschwamm kurzzeitig. Brennend und zürnend raste jener Schmerz durch seinen Körper, der eine solche Erfahrung zum ersten Mal machte. Nur am Rande bekam er mit wie Zeravina ihn unsanft auf die Beine zog, seine freie Hand auf die Wunde legte und versuchte ihn weiter zu zerren. Wie im Rausch taumelte er hinter ihr her, hielt sich die Schulter in einem kläglichen Versuch die Blutung zu mindern. Bereits jetzt war der dünne Stoff von Rot zerfressen.
 

Sein Verstand setzte in diesen Augenblicken komplett aus, ein Schwall Adrenalin war das Einzige was ihn noch auf den Beinen hielt und würde die junge Frau vor ihm nicht an seinem Arm zerren, ihn wie wild geworden durch die Seitenstraßen ziehen, so wäre er lägst verloren.
 

Von ferner her hörte man eine Meute rufend und geifernd durch die Gassen rennen. Söldner.

Fünf an der Zahl, den Bogenschützen eingerechnet. Er hastete von Dach zu Dach um seine Beute nicht zu verlieren. Man hatte ihm viel Geld gezahlt. Ungeheuer viel. Und auch, wenn er an seinen Taten zweifelte – niemand hatte ihm gesagt das ein unschuldiges Kind bei der Zielperson verweilte – so brauchte er jeden Rubin, den er kriegen konnte. Mit wachem Blick suchte er Wege um über die Zinnen zu kommen, mied das Licht wie eine von Schwärze besessene Kreatur. Seine Augen wanderten kurz hinter sich, auf jene, die sich dieser Mission angeschlossen hatten.

Es waren einfache Räuber, Banditen die der Bezeichnung Söldner bei weitem nicht gerecht wurden. Und es kam, wie es sich der Schütze bereits dachte: an statt sich weiter ihrem Ziel zu widmen, stürzten sich drei auf die zurückgelassenen Taschen, welche achtlos auf der Erde ruhten. Nur einer verlor seine Aufgabe nicht aus den Augen und hetzte der kleinen Gruppe nach.
 

Auch gut. Je weniger ihm im Weg standen, desto besser. Wieder auf seinen Weg achtend, sprang er weiter, holte die Bande langsam ein. Der junge Mann bei seiner Zielperson war verwundet und mit der Gewissheit, das dieser Umstand sie verlangsamen würde, nahm er die Jagd auf...
 


 

Wimmernd zwang die kleine Ciera sich, weiterzulaufen. Ihre kurzen Beine pochten schmerzhaft, das Atmen wurde ihr immer schwerer und zu allem Übel hatte sie unheimlich viel Angst. Ihre Brust schmerzte. Immer wieder hörte sie Zeravinas peitschende Stimme, die sie zum weiterlaufen zwang. Sie hatten kaum eine Chance zu entkommen und Zeravina musste darauf vertrauen, ein geeignetes Versteck zu finden um ihre Verfolger abzuschütteln. Vage orientierte sich die Fremde, war dankbar um ihre Kenntnis innerhalb der Stadt. Ihre Gedanken hetzten durch ihren Kopf, versuchten Besonderheiten in der Umgebung festzustellen. Flüchtig schaute sie auf den Bauernjungen, den sie stützte.

Er blutete stark, keuchte und stöhnte vor Schmerz. Sie mussten sich beeilen.
 

„Weiter Ciera..! Bleib nicht stehen...!“

So schnell es ihnen möglich war, rannten sie weiter. Gehetzt wie Vieh und mit blanker Angst in den Gliedern. Wenn wenigstens Ciera und dieser Junge entkommen konnten... es war schließlich Zeravina, hinter der sie her waren...
 

Ein Pfeil sirrte an ihrem Gesicht vorbei, fraß sich in ihren Mantel und hinterließ einen blutigen Schnitt auf ihrer schneeweißen Wange. Sie wandte sich fluchend nach links. Und als die Flüchtenden in eine vor Schlamm und Dreck triefende Seitenstraße einbogen, erkannte Zeravina eine Chance, zu entkommen. Endlich...!

Ohne Rücksicht zog sie Link weiter, unter die Plane eines kleinen Marktstandes und lehnte ihn an die Wand.

Ciera deutete sie, näher zu kommen.
 

Hastig setzte sie sich auf den Boden, besah sich die Hauswand, an welcher jener Stand aufgebaut war und es vergingen nur Sekunden, bis sie fand was sie suchte. Ein kleines Fenster nahe des Bodens, dessen Gitterstäbe von Rost nur so zerfressen waren. Die gehässigten Rufe ihrer verbliebenen Verfolger hingen ihr nah im Nacken. Und Zeravina handelte. Hastig stieß sie mit ihren Füßen gegen das Gitter. Es knarrte und donnerte. Die Gitterstäbe gaben gnädiger Weise schnell nach; krachend landete das Schmiedeeisen im Untergrund des Gebäudes.
 

„Hinein da, los!“

Nervös blickte sich Haleros Verbündete um, als sie Ciera vielleicht auch etwas zu grob in das schmale Loch zwängte.

Das Kind passte ohne Probleme durch, doch ob es die Erwachsenen schaffen würden sollte sich zeigen. Sie stand auf, zog Link von der Wand und klatschte ihm ein paar mal gegen die schweißnasse Wange. Er war benommen und zitterte, seine Kleidung war durchtränkt mit Blut. Der Pfeil hatte ihn schlimm erwischt. Sie hasste es, einen Verletzten so zu treiben, aber ihr blieb angesichts der Lage keine andere Wahl. Wenn sie jetzt nicht entkamen, war alles zu spät.
 

„Reiß dich zusammen Junge, nicht einschlafen! Los jetzt, rein da...!“
 

Link gehorchte. Er musste. Nur noch bedingt war er in der Lage ihre Worte zu vernehmen, sein Bewusstsein entglitt langsam seinen Händen. Und doch versuchte Link, der dieser Situation immer noch nicht ganz gewahr wurde, wach und Herr über seinen Körper zu bleiben. So ließ er sich schwerfällig auf die Knie fallen, japste kurz und zwang sich so gut es ging durch die kleine Öffnung. Kaltes Gestein riss an seiner Kleidung und im nächsten Moment fiel er – zum Glück nicht tief – in flaches, abgestandenes Wasser. Knirschend presste Link die Zähne aufeinander um einen Aufschrei zu unterbinden. Seine Schulter brannte wie Feuer. Ciera war sofort bei ihm.
 

„Steh auf...! Steh auf...!“, drängte die Kleine, linste einmal zu dem Fenster. Sie wußte nun, wo sie hier waren.
 

Zeravina verlor keine Zeit, wollte ihnen sofort folgen. Ihre Beine hingen gerade in der Luft, als eine raue Hand sie am Kragen ihres Mantels packte. Sie würgte erstickt, ihre Augen waren weit aufgerissen. Jemand fluchte deftig, wollte sie wieder hochziehen.
 

„Komm her du kleine Hure!“, giftete eine dunkle Männerstimme. Sie zappelte aus Leibeskräften, stieß sich den Kopf. Nein. Bei der Göttin Farore, sie würde hier nicht versagen, niemals! Zittrig tastete sie nach einem kleinem Halfter an ihrem Gürtel, zog einen Dolch und schnitt den Stoff ab. Ihr Verfolger jaulte schmerzerfüllt, sie hatte ihn an der Hand erwischt. Krachend fiel ihre Gestalt zu Boden, von draußen brüllte der Söldner, der sie gerade noch festgehalten hatte.
 

Keine Zeit, keine Zeit...!
 

Keuchend rappelte sie sich auf, scheuchte Link und Ciera sogleich weiter. Hier hatten sie bessere Chancen.

Hier, in der Kanalisation. Den beißenden Geruch ignorierend hasteten die drei weiter, so weit weg wie möglich.
 


 

Leise schlich der Bogenschütze näher.

Sein „Kamerad“ fluchte deftig, spuckte auf den Boden und schüttelte seine linke Hand. Sie blutete.
 

„Sind sie entwischt, Victor...?“
 

Angesprochener sah zur Seite. Er knurrte und trat gegen die Mauer. Er konnte ihnen nicht folgen.

Seine Gestalt war zu massiv für diesen mickrigen Spalt.
 

„Dachte ich mir. Wenn deine Kumpanen nicht so gierig auf Beute wären, hätten wir sie vielleicht noch gefangen. Schönen Dank auch“.
 

Victor warf ihm einen eisigen Blick zu, stapfte näher und packte den Schützen am Kragen seiner schwarzen Tunika.
 

„Ach ja?! So wie ich das sehe, sind sie auch dir entwischt, Sarik!

Spiel dich also nicht so auf! Gott, wie ich euch Hylianer hasse!“
 

Sarik verzog nicht eine Mine. Dieses aufbrausende Gehabe interessierte ihn nicht. Viktor gehörte ohnehin zu der Sorte Mensch, die mehr Kraft als Verstand besaß. Er war ein stämmiger, mit Narben übersäter Mann, stinkend und grobschlächtig. Im Vergleich zu ihm wirkte Sarik beinahe zierlich.
 

„Lass los, Victor.“

In seiner Stimme hallte eine stumme Drohung nach. Die Luft schien für einen Moment zu vibrieren, war stickig. Schließlich grunzte Victor verächtlich, stieß Sarik von sich mit der Absicht, ihn den Boden küssen zu lassen, doch der gewandte Hylianer fing sich ohne Mühe und strich den Stoff seiner Kleidung glatt. Noch immer waren seine Züge unberührt.
 

„...Fakt ist, das sie uns entwischt sind. Es hat keinen Sinn, nun blind die Durchgänge zur Kanalisation abzusuchen, da wir ohnehin nicht wissen, wo ihr Zielort liegt“, bemerkte Sarik sachlich und blickte sich um. Sie würden Informationen brauchen, um dieser Frau aufzulauern. Und sie würden sie jagen. Bis zum bitteren Ende.

Es interessierte nicht, warum oder weshalb – nur, das ihr Auftraggeber dieses Weib lebend haben wollte.

Victor wandte sich ab. Er traute Sarik nicht und wenn es nicht um so viel Geld gehen würde, hätte er der Zusammenarbeit kaum zugestimmt. Dies beruhte auf Gegenseitigkeit.
 

„Mach, was du willst aber komm mir nicht noch einmal unter die Augen...!“

Er hatte keinen Nerv mehr, hier herumzulungern. Heute hatten sie verloren, und vorerst wäre ihr Opfer sicher. Vorerst. Er würde seine Jungs zusammenraufen und die Sache zu Ende bringen. Mit oder ohne Sarik; wobei es klar war, das er plante, den Gewinn für sich einzustreichen und den Hylianer zu beseitigen wenn diese Sache vorbei war...
 


 

Achtsam schob Zeravina die Verkleidung bei Seite. Sie achtete auf jedes Geräusch, auf verdächtige Schatten, doch diesmal blieb die fortschreitende Nacht ruhig. Nur die Ratten zu ihren Füßen zeugten von Leben, davon, das nicht alles schlief.
 

„...husch, die Luft ist rein...!“

Sie blickte hinter sich und nickte. Rasch griff sie sich Link's rechten Arm, stützte ihn und kam vorsichtig auf den Hinterhof von Thelmas Taverne. Ciera folgte ihnen stumm, wischte sich angewidert die Hände an ihrem kurzem Kleid ab. Es stank entsetzlich nach Schwefel, Unrat und Tod. Mit einem kurzen Blick auf Zervina schob das Mädchen den Geheimgang wieder zu. Er wurde geschickt kaschiert durch eine unscheinbare Statue, die sich durch einen alten Mechanismus bewegen lies. Ciera wußte, das es in der Stadt einige Geheimnisse gab, hatte sie doch oft genug den Gesprächen der Erwachsenen gelauscht.
 

Langsam bewegte sich das Trio auf die Hintertür zu, begleitet von dem Fiepsen der Ratten und Link's rasselndem Atem. Er stand kurz vor der Bewusstlosigkeit. Auch wenn Zeravina ihm nicht trauen mochte, so musste sie sich eingestehen das es ihre Schuld war. Er wurde in etwas hineingezogen, das weit über dem Verständnis des Jungen lag, wurde verletzt und jetzt kämpfte er mit den Folgen. Link musste versorgt werden. Das war sie ihm nun schuldig und kurz streifte sie der Gedanke an die wohlig warme Berührung ihrer Handflächen...
 

Sie seufzte leise.
 

„Geh voraus Ciera. Sag Thelma Bescheid“, bat sie. Das Mädel nickte wieder stumm und tapste voran; es war klar das sie von diesem Erlebnis ein leichtes Trauma davon trug und der Gejagten schmerzte die Brust bei dem Gedanken.

Eine unschuldige Kinderseele mit solch einem Vorfall zu belasten war gewiss nicht in ihrem Sinne gewesen.
 

„Gleich haben wir es geschafft, Junge...“, flüsterte sie, den Blick quer über den Hof bis zum Gasthaus gerichtet.
 


 

Thelma schnaubte vor Wut. Es geschah des öfteren, das die Wirtin laut und temperamentvoll ihren Unmut kund tat; vor allem diesen saufenden Halunken gegenüber, die sich Soldaten nennen durften, doch heute erreichte ihre Wut einen neuen Höhepunkt. Nicht nur, das einer ihrer Schützlinge sich nicht mehr blicken lies, nein, dieser vermaledeite Nichtsnutz von einem Ehemann trieb sich noch immer auf den Straßen herum. Und wenn sie herausfand, das er sich in den Schoß einer anderen Frau geflüchtigt hatte, dann mögen ihm alle Götter Hyrules beistehen...!

Schnaubend warf sich Thelma ein Handtuch über die Schulter und räumte die soeben gesäuberten Gläser in einen Schrank. Es war bereits nach Mitternacht und den letzten Gast hatte sie vor kurzem erst verabschiedet. Die Waisen, um die sie sich kümmerte, schliefen bereits in ihren Betten und träumten von einer besseren Zukunft.
 

„... ich hoffe das es ihr gut geht...“, murmelte sie in Gedanken an die kleine Ciera, als das Quietschen der Hintertür sie aufhorchen ließ. Thelma fackelte nicht lange, griff unter den Tresen und holte einen schweren Knüppel hervor.

Es hatte sich ihr niemand angekündigt und sie rechnete auch nicht damit, das bestimmte Leute jetzt schon zurück sein könnten. Auf leisen Sohlen umging sie den Tresen, wartete kurz horchend, die Schlagwaffe bereit in den Händen – und war erstaunt als Ciera in ihr Sichtfeld trat. Die Kleine zitterte und war mit Dreck besudelt.
 

Sofort ließ Thelma den Knüppel geräuschvoll fallen und kniete sich zu ihr hinunter.
 

„Ciera Schätzchen, wo warst du...? Kannst du dir vorstellen was für Sorgen ich mir gemacht habe?“
 

Ciera nickte hastig. Ihre Mimik war verzerrt, Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln und man merkte das sie mit sich kämpfte. Es brauchte nur einen Blick um zu erkennen, das etwas passiert war. Sie krampfte kurz, als Thelma sie in ihre Arme zog. Es schien die Wirtin wenig zu kümmern, das sie dreckig war und stank.
 

„T...Tante Thelma... d...draussen... Zeravina braucht Hilfe...“, brachte sie mit bebender Stimme hervor.

Ein Hauch von Panik begleitete die zarten Töne.
 

„Zeravina sagst du? Sie ist schon zurück...?“
 

Ehe Thelma noch weiter nachharken konnte, hörte sie die Hintertür ein weiteres Mal.

Jemand fluchte leise und die Tür fiel ächzend ins Schloss.
 

„Thelma? Ich brauche deine Hilfe, jetzt gleich...!“

Zerafina stand der Schweiß langsam auf der Stirn. Die ganze Zeit schon stützte sie den Verwundeten und da Link sich immer weniger selbst auf den Beinen halten konnte, war es umso schwieriger. Sie war schließlich eine Frau und eine recht zierliche noch dazu. Die Wirtin bedachte Ciera noch mit einem verwirrten Blick, deutete ihr an zu warten und kam zur Tür.
 

Thelma sog erschrocken die Luft ein. Ihre Augen huschten einen Moment gehetzt hin und her, musterten den jungen Hylianer, der inzwischen weißer als eine Wand war. Dann fing sie sich. Rasch kam sie an Zeravinas Seite, stützte an statt ihrer den Verletzten, was die junge Frau mit einem dankenden Gesichtsausdruck quittierte.

Sie blickte Zerafina vielsagend an.
 

„Koch mir eine Nadel ab Schätzchen, schnell.

In der Vorratskammer findest du Pechdraht und die Tinktur, die uns der Priester überlassen hat. Beeil dich Kind...!“
 

Mit diesen Worten brachte Thelma Link in eines der Hinterzimmer. Er hatte die Augen fest geschlossen, stöhnte leise und war sich seiner Umgebung nicht mehr bewusst. Er war schweißnass und ausgekühlt. Alles war dunkel, Schmerz dominierte jede Faser seines Körpers, lähmte ihn.
 

Etwas umständlich legte Thelma Link auf eine behelfsmäßige Pritsche.

Sie wußte nicht, wer er war, nur das er schnellstmöglich Hilfe brauchte.

Alles andere konnte warten. Sie würde niemanden verbluten lassen.
 

Die Herrin des Hauses zündete eine weitere Öllampe an, hetzte zu einem der Regale und öffnete einen kleinen Holzkasten. Mit einer Schere in der Hand kam sie zu der Liege und zerschnitt das Oberteil des jungen Mannes.

Mit einem Ruck zog die die Stoffenden auseinander. Und da wurde ihr das Ausmaß der Verletzung bewusst.

Er hatte viel Blut verloren, dunkle Schlieren die seinen Arm hinabrannen zeugten davon. Eine Pfeilspitze hatte sich tief in Fleisch und Muskel gebohrt.

Thelma verließ den Raum, um saubere Tücher und Wasser zu holen. Von nebenan konnte sie Zeravina in der Vorratskammer wühlen hören. Auf ihrem Weg kam ihr Ciera wieder in den Sinn, welche verloren am Tresen stand.

Ihr konzentrierter Blick milderte sich etwas.
 

„Ciera, geh und wasch dich. Zieh dir etwas frisches an und ab ins Bett“, sprach sie in einem Ton, der keine Wiederworte zulassen würde. Angesprochene blickte zögernd auf, ein ganzer Schwall Tränen wuschen den Dreck bedingt aus ihrem rundem Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte verschwörerisch.
 

„A...aber...aber Link ist doch...ich kann doch-“

Unvermittelt brach sie ab und fing an zu schluchzen.
 

Und dort stand ein kleines Mädchen, ein junges Geschöpf, das solchen Terror und den Schrecken einer Hetzjagd noch nie erlebt hatte. Noch nie hatte sie jemanden so bluten sehen. So schreien hören vor Schmerz. Es hatte ihre junge Seele in ihren Grundfesten erschüttert. Ciera konnte und wollte nicht begreifen, was in so kurzer Zeit geschehen war.
 

Auch wenn in ihr noch der Ärger über Cieras Verschwinden brodelte, so war ihr Blick in diesen Augenblicken nur von Nachsicht erfüllt. Thelma trat näher, wischte der Kleinen mit beiden Händen über das Gesicht und sah sie wohlwollend an.
 

„Hab keine Angst Liebes, ich kümmere mich um ihn. Ist er ein Freund von dir...?“
 

Ciera nickte eifrig.

Sie sah Link bereits als einen Freund an; vielleicht auch mit zu viel kindlicher Naivität –

kannte sie ihn doch erst seit heute früh.
 

Thelma lächelte sie aufmunternd an.
 

„Na, dann darfst du ihm aber nicht so schmuddelig gegenübertreten, wenn er wieder aufwacht...!“
 

Wieder konnte Ciera nur nicken. Sie wischte sich energisch über die Augen. Thelma würde sich kümmern, das wusste sie genau. Langsam wandte sie sich dann ab und schlurfte in den ersten Stock, um sich zu waschen.

Den besorgten Blick Thelmas sah sie zum Glück nicht. Zu diesem Zeitpunkt war sich die stämmige Frau noch nicht ganz sicher, ob dieser Hylianer die Nacht überleben würde. Sie hatte schon einige Verletzungen gesehen und versorgt.

Thelma lebte schließlich in einer Zeit in der schon viele arme Seelen halb tot vor ihrer Türe zusammengebrochen waren. Ein Trauerspiel, das sich viel zu häufig wiederholte.
 

Es war klar, das der Fremde zu viel Blut verloren hatte und das in zu kurzer Zeit.

Trotz der Pfeilspitze, die noch immer in der Wunde saß und die Blutung eigentlich hätte verlangsamen sollen.

Wer auch immer den Pfeil von der Sehne schnellen ließ, hatte ganze Arbeit im Schatten der Nacht geleistet

Den Kopf schüttelnd wischte Thelma sich die Hände an ihrer Schürze ab, ging raschen Schrittes voran um die Materialien zum reinigen der Wunde zu besorgen.
 

Der Junge würde nun viel Glück und die Gnade der Göttin Farore brauchen...


Nachwort zu diesem Kapitel:
AN: Lang, lang ist's her. Über ein Jahr, wenn ich richtig sehe... Ich möchte mich hiermit für die lange Wartezeit entschuldigen und im gleichem Zug noch einmal betonen, das ich eine Fanfic wie diese hier nicht abbreche, sondern wenn nötig einfach nur pausiere. Ich hatte einfach zu viel anderes im Kopf und erst kürzlich die Zeit und Muße, dieses Kapitel endlich zu einem Abschluss zu bringen. Ob das nächste Kapitel auch wieder so lange auf sich warten lässt (ich hoffe mal nicht!) kann ich nicht sagen, nur das es wie immer weitergehen wird. Einen Dank an alle, die noch weiterlesen und diese FF nicht vergessen haben :)

Viele Grüße und auf bald!

EDIT: Ich habe noch ein paar kleine Fehler beseitigt, besonders die Szene mit der Schusswunde bedurfte noch einmal einer Aufarbeitung.


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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BienchensLullaby
2015-03-26T06:48:03+00:00 26.03.2015 07:48

Also ich habe diese Geschichte jetzt gelesen und muss sagen das es eine der bessten ist die ich je gelesen habe. Dein SchreibStil ist echt genial und man kann sich direkt in das Geschehen hinein versetzen. Ich hoffe das du bald weiter schreibst denn ich möchte unbedingt wissen wie es weiter geht. An sich ist die Storyline schon echt genial und man merkt das du deinen eigene Geschichte um the legend of Zelda schriebst.
Ich bin jetzt schon ein Riesen Fan :D schrieb Bitte schnell weiter ;)
LIEBE GRÜßE
Meli
Von:  -Ciel_Phantomhive-
2013-01-14T16:14:50+00:00 14.01.2013 17:14
Also mal wieder ein Super Kapitel. >///<
Ich liebe deine Story total Liebes X3. Nur habe ich null Ahnung zu welchem Zelda-Game es denn nun spielt XD Wegen Thelma ist es TP, aber i-wie hört es sich nach OoT an O_O
Nun ja jedenfalls wie gesagt ne Klasse Story, auch wenn es jetzt lange dauerte und es bis zum nächsten Kapp auch dauert wird, freue ich mich schon drauf, also lass dir Zeit. :3

Liebste Grüße dein -Ciel_Phantomhive-


Antwort von:  sinistersundown
14.01.2013 19:31
Hey :) Danke für dein Feedback, hat mich sehr gefreut. Zu deiner Frage: die Story spielt in KEINEM der existierenden Teile. Zwar gibt es viele Dinge, die ich aus den Spielen hergeleitet habe (z.B. Thelma) aber richtig Bezug nimmt es zu keinem existierendem Spiel und daher ist es sozusagen eine vollkommen neue Geschichte.
Von:  -Ciel_Phantomhive-
2012-06-23T07:54:14+00:00 23.06.2012 09:54
UI!!!!!!!!!!!!!!
Die Story geht ja echt spannend weiter und deine Reime sind net grottig ûu
Ich fand alles wieder SO SUPER!!!!
Ciera tut mir Leid QQ
*schnüff*
Nun ja egal :D Wie gesagt, wieder ein Supi Kappi.
Ich freue mi wennu weiter Schreibst!!!! X3

Lg. deine
-Ciel_Phantomhive-
Von:  -Ciel_Phantomhive-
2012-05-08T18:18:54+00:00 08.05.2012 20:18
AWWWWWWWWWWWWWWWWWW!!!
Die Story beginnt echt schon wunderschön und ich werde sie garantiert weiter verfolgen!!!! *__*
Echt super gemacht und mich hat es wieder fast zu Tränen gerührt! Q_Q
Voll süß un Traurig, der Anfang mit Elara und Link ;__;
Jedenfalls schreibe schnell weiter *33333333333*
*hibbel*

Lg. deine
-Ciel_Phantomhive-
Von:  Faylen7
2012-01-03T10:29:52+00:00 03.01.2012 11:29
Hey,

das ist ja mal die allergrößte Schande, dass ich auf diese geniale, unglaublich fesselnde Fanfic stoße und sehe, dass hier keiner einen Kommentar hinterlassen hat. ^___^

Gut, dann bin ich zumindest die erste.

Ich finde, du hast hiermit einen gigantischen Prolog geschaffen, der sehr episch geschrieben ist und Lust auf mehr macht. Die Wahl deiner Wörter ist wundervoll. Ich freue mich auf weitere Kapitel und werde die Fanfic verfolgen. Das ist, wie "The Legend of Zelda sein sollte"... mitreißend... phantastisch und schrecklich schön. Danke für diese Geschichte.

lg Line


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