Zum Inhalt der Seite

Frau Tod

Die Geschichte von Hanni und Mio
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Es war ein Sonntagmorgen und wie jeden Sonntag haderte ich mit mir das ich schon wieder das ganze Wochenende verschlafen hatte. Doch langsam wachte ich auf, stieg aus meinem Bett und trat ans Fenster. Draußen war die Welt grau, wie immer.

Der Nebel verhinderte auch nur bis zu dem nächsten Baum vor meinem Fenster zu sehen.

Ich hasste ihn, diesen feuchten, grauen, abscheulichen Nebel.

Er verdarb mir jedes mal wieder meine Laune.

Als ich das Zimmer verließ, fiel mein Blick auf ein Buch das ich schon vor ein paar Tagen beim aufräumen gefunden hatte. Es war hübsch, sogar sehr hübsch. Sein Umschlag war mit goldenen Blumen und Tieren verziert. Es befiel mich die Neugier und anstatt hinunter zu meinem Mann und meinem dreijährigen Sohn zu gehen schlug ich das Buch auf. . .

Erst erschrak ich mich, doch der erste Schreck verflog schnell, als ich bemerkte, dass der kleine Finger der die erste Seite des Buches zierte, nur aufgemalt war. Er sah so verblüffend echt und lebendig aus, als ob er jeden Moment wieder anfangen könnte zu Zucken. Schnell blätterte ich um. Dort war eine Hand abgebildet ihre einzelnen Knochen und Muskeln waren sorgsam beschriftet und wie das vorige Bild nicht minder beeindruckend. Ich stellte fest das, das Buch nur aus Zeichnungen des menschlichen Körpers bestand, die alle mit unverständlichen Schriftzügen versehen waren, während ich durch das Buch blätterte. Es war ein seltsames Buch, einerseits faszinierten mich diese fehlerlos perfekten Zeichnungen, doch anderseits machte es mir auch Angst, wie präzise jedes Körperteil des Menschen dargestellt war und diese seltsamen Worte am Rand jeder Zeichnung, die auf bestimmte Stellen des Körperteils zeigten. So beschloss ich das Buch zu schließen und irgendwo hin zu legen, wo ich es möglichst nicht mehr fand. Doch das hatte ich mir wohl nur so gedacht, denn ich schaffte es nicht ich schaffte es einfach nicht dieses Buch aus der Hand zu legen. Irgendwie schien es mich zu fesseln, an sich zu binden, um nie mehr los zu lassen. . .

01

Gemächlich stieg ich die Treppe in die Küche hinab. Wie schon zu erwarten warteten mein Mann und mein Sohn darauf, das ich Frühstück machen würde. Doch heute war mir nicht danach. Ich wollte schon wieder nach oben gehen, als mich mein Mann bemerkte, der aus dem Fenster gesehen hatte, und fragte: „ Wo willst du denn hin Schatz ?“ Natürlich, das war wieder mal typisch, er hatte überhaupt kein Gefühl dafür wenn es mir mal nicht so gut ging. Aber was solls. Jede Ehe endet einmal, manche früher, manche später. Also kehrte ich wieder um und machte Frühstück. Wie jeden Morgen.

„ Ich komm heute später nach Hause, Hanni“ , durchbrach mein Mann unvermittelt die Stille, die jeden Tag am Frühstückstisch herrschte . „ Und?“ , fragte ich. „Was und?Du willst doch immer wissen wann ich nach Hause komme“ „ Hab ich das jemals erwähnt ? Am Liebsten wärs mir ja wenn du gar nicht mehr nach Hause kommen würdest . Weißt du weniger Dreck und so. . .“ an dieser Stell unterbrach mich mein Mann und fing an zu brüllen: „ Was glaubst du wer dich versorgt, du sitzt doch den ganzen Tag nur rum , da wird das bisschen Staubwischen nicht umbringen, oder !“ Jetzt hatte ich ihn wieder soweit. Sein Gesicht lief rot an und er hatte sich kein bisschen mehr unter Kontrolle. Was für ein wunderbarer Anblick, manchmal frage ich mich ob ich ihn nur wegen seinen belustigenden Wutausbrüchen geheiratet habe . Doch das bleibt wohl ein großes Geheimnis. Doch um zum Gespräch zurückzukommen. Da stand ich nun konnte mir das lachen kaum noch unterdrücken und sollte eine seriöse Antwort geben, da hatte ich eine wirklich fantastische Idee. „ Warum tauschen wir nicht einmal unsere Rollen ?Ich gehe arbeiten und du führst den Haushalt , wie wärs ?“ „ Was!?Du kriegst das doch niemals auf die Reihe !“ „ Und ob“ „Aber das kann ich nicht machen! Ich verliere doch so meine Arbeit!“ „ Dann nimm dir doch Urlaub.“ „ Was für ein Quatsch, komm mal wieder runter Hanni.“ „ Ich mein es ernst, oder ich veranlasse die Scheidung, jetzt gleich“ „Das kannst du doch nicht machen. Was wird denn dann aus Mio ?“ „ Da gibt es doch kein Problem, den muss ich doch eh seit seinem ersten Lebensjahr alleine versorgen , du hast mir nicht ein einziges mal geholfen.“ „ Das stimmt doch gar nicht !“ „ Und wie das stimmt! Hast du ihn jemals gewickelt oder bist auch nur einmal aufgestanden als er in der Nacht geschrien hat ?“ „ Sicher.“ „Nein, bist du nicht und das weißt du auch !“ Das war der letzte Satz den ich sagte bevor ich nach oben verschwand um auf seine Antwort zu warten. es dauerte nicht lange. Ich lag auf unserem Bett und las ein Buch von Benedict Wells, das mich so gefesselt hatte, das ich erst gar nicht bemerkte wie er ins Zimmer geschlichen kam.

„Hanni?“ „Ja?“ Überrascht richtete ich mich auf. Er hatte sich wirklich mit dem Denken beeilt, die Drohung hatte ihre Wirkung erfüllt. „Wenn du unbedingt willst, können wir es ausprobieren, aber nur für zwei Wochen, aber sag bitte nie wieder, dass du dich scheiden lassen willst.“ „ Mach ich nicht mehr, versprochen.“ Das war es, das war es was ich all die Jahre gewollt hatte, eine richtige Herausforderung. Noch wusste ich nicht als was ich arbeiten sollte, doch das sollte sich schnell ändern.

2

Nach dem Erfolg meines Plans, fiel mir das seltsame Buch wieder ein. Es war schön und unheimlich zugleich, wie ein gutes Buch eben sein sollte. Meine Finger zitterten, als ich das Buch aus dem Regal zog. Beim Betrachten des Einbands überkam mich ein wohliges Gefühl, ganz anders als beim ersten Mal. Auch als ich es aufschlug, war das Unheimliche gewichen und übrig blieb nur das Schöne. Es war als würde ich eins mit diesem Buch. Tatsache war, das ich mit diesem Buch eins wurde, aber das bemerkte ich erst als mein Mann von der Arbeit kam, nach mir sehen wollte, aber dann wie angewurzelt im Türrahmen stehen blieb. „Hanni ?“ seine Stimme war brüchig.„Was ist denn?“ Irgendwie klang ich anders, meine Stimme war seltsam rau. „Hilfe !!!“, das war das Letzte was ich von meinem Mann hörte. Er hatte die Flucht ergriffen , war auf die Straße gerannt und laut um Hilfe gerufen, bevor ihn ein zu schnell fahrender BMW überrollte. Ich stand auf, als die Schreie verstummten. Langsam, aber stetig näherte ich mich dem Fenster. Ich erschrak gleich zweimal, vor meinem eigenen Äußeren und vor dem Toten, der da unten auf der Straße lag, alle viere von sich streckte und mal mein Mann gewesen war. Der Grund dafür war wohl mein Äußeres ich hatte mich in einen lebendes Skelett verwandelt, an einigen Stellen meines Körpers hingen noch Hautfetzen doch das meiste war schon ab. Auch meine Organe waren gänzlich verschwunden, was ich beim näheren betrachten meines Körpers bemerkte. Er sah wirklich schrecklich aus, kein Wunder,dass er aus Furcht auf die Straße gerannt ist. Aber wohl noch schwieriger zu bewältigen, als der Tod meines Mannes, würde wohl das Aufziehen von Mio werden, so konnte ich doch unmöglich auf die Straße. Langsam ging ich wieder die Treppe herunter. Zuvor hatte ich mir noch eine Decke übergeworfen, ich brauchte ja keine zwei toten Familienmitglieder. Außerdem wollte ich Mio behalten. Für immer. Also betrat ich zögerlich die Küche in der, wie erwartet, Mio saß und schrie. Langsam nahm ich ihn auf den Arm und drückte ihn an mich. Er schloss mich auch in den Arm. Es dauerte nicht lange, da liefen mir auch schon die Tränen über die Wangen. Mio legte seine Hände auf mein Gesicht. „Mama nicht weinen. Sonst muss Mio auch weinen.“ Ich hätte ihm am liebsten in die Augen gesehen, doch ich hatte einfach zu viel Angst ihn zu erschrecken. Es war nicht leicht, doch ich hielt meinen Blick gesenkt. Mio schien mein knochiges Gesicht zu spüren, denn er begann mich intensiver zu betasten. Ich konnte nicht mehr widerstehen. Langsam hob ich meinen Kopf. Mio erschrak im Angesicht der Leeren Augenhöhlen und des weißen knöchernen Gesichts seiner Mutter. Er versuchte sich aus ihrem Griff zu winden. Ich erschrak. „Mio?!“ Mio schien meine Stimme zu erkennen, denn er wandte sich mir wieder zu und legte seine kleine Hand auf mein Gesicht. Es war so schön, ich schwor mir ich würde diesen Moment nie mehr vergessen. Er verstand mich, er war der einzige der mich verstand. Dafür liebte ich ihn so sehr. Ich schrak hoch als Polizeisirenen sich unserem Haus näherten. Es war laut .Fast unerträglich und nur eine Sache kam mir in den Sinn. Ich musste weg hier, egal wie. Schnell ergriff ich Mios Hand und rannte durch die Hintertür aus dem Haus. Ich hatte alles liegen lassen. Ich wollte nur weg, weit weg. Ich war schon eine Weile gerannt als ich bemerkte, dass ich gar keinen Boden mehr unter den Füßen hatte. Zuerst erschrak mich das, doch schon nach einer Weile genoss ich dieses Gefühl der Freiheit. Durch den Himmel zu Schweben ohne Angst oder Furcht. „Ist das nicht herrlich Mio?!“ Mio antwortete nicht, er schaute nur erstaunt zu Boden. So schwebten Mio und ich der Mittagssonne entgegen. Wir flogen durch die Lüfte bis es Abend war. Seltsamerweise verspürte ich unsere ganze Reise über keinen Hunger, doch Mios Magen knurrte schon seit geraumer Zeit. Also mussten wir rasten...

3

Es war eine kleine Stadt in der wir Halt machten. Sie bestand nur aus einem kleinen Supermarkt und einem dutzend Häusern. Nun stand ich dem größten Problem von allen gegenüber, der Nahrungsbeschaffung. Das Städtchen war still und kein Mensch auf der Straße, gut für uns. Ich zog mir die Decke über den Kopf und betrat leise den Supermarkt. Er war wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen. Nicht einmal an der Kasse stand jemand. Langsam machte mir diese Stadt Angst. Sie war so, so ausgestorben. Fast so als hätte hier noch nie jemand gewohnt. Meine Blicke schweiften in dem kleinen Raum umher. Alles war leer. Bis auf ein paar alte Konservendosen war nichts in den Regalen. Mios Magen knurrte erneut und ich wollte zu den Regalen um etwas heraus zu nehmen, doch auf einmal konnte ich mich nicht mehr bewegen. Es war als ob tausende von eiskalten Händen an meinen Kleidern zerrten um mich am Gehen zu hindern. Mir wurde schwummrig. Diese kalten Hände schienen mir jegliches Leben rauben zu wollen. Leider nicht nur mir. Auch an Mio hatten sie sich zu schaffen gemacht. Er fing anders als ich aus Angst an zu schreien. Er brüllte und zappelte doch diese gierigen kalten Finger streckten sich immer weiter und schlossen mich und Mio in einen kalten Nebel ein. Verzweiflung. Verzweiflung war alles was ich fühlte. Wie sollte ich Mio nur helfen?! Wie nur?! Es schien keinen Ausweg zu geben. Ich fing an zuschreien „Lasst Mio in Ruhe!!! ich gebe euch alles was ihr wollt, nur lasst mir mein Kind!!!“ Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen wichen die kalten Finger von uns und ließen uns frei. Erschöpft sank ich zu Boden, Mio fest umklammert. „Soso, du würdest alles tun nur um deine Brut zu schützen?“ Erschrocken wandte ich mich nach allen Richtungen um den Besitzer der Stimme ausfindig zu machen. Doch ich konnte ihn nirgends sehen. „W.. Wo bist du, der da spricht?“ „Ich bin hier und doch nicht hier, Bei Licht bin ich zu sehen, doch in der Dunkelheit bin ich nie zu sehen. Wer bin ich wohl?“ „Ich weiß es nicht, also gib dich bitte zu erkennen.“ „Ich weiß es nicht ist keine passende Antwort, wenn du es nicht schaffst mich zu benennen werde ich mich nicht zu erkennen geben. So einfach ist das.“

Ich dachte scharf nach, doch in solch einer Situation ist es wirklich schwierig scharf nach zu denken, zudem hatte ich ja kein Gehirn mehr. „Tut mir leid. Aber ich hab doch gar kein Gehirn mehr. Wie soll ich da dein Rätsel lösen.“ Eine dumme Antwort. Doch ich hoffte er würde es fressen. Leider war dem nicht so. „Willst du mich veräppeln.Ich gehöre zu dir und kann deine Gedanken lesen. Ich existiere nur in diesem Zustand, weil du eben zu dem geworden bist, was du jetzt bist.“ Was gehörte denn zu mir bevor ich ein Skelett wurde, was nun immer noch da war? Ich wusste es einfach nicht. Sekunden vergingen ohne das wir ein Wort wechselten. Dann Minuten. Doch dann fing es wieder an zu sprechen. „Wenn du nicht bald heraus findest wer ich bin wirst du wohl für immer in dieser Geisterstadt bleiben müssen.“ Es lachte. Ein kaltes schauriges Lachen. Ich schwieg immer noch. Ohne Mio hätte ich wohl nie erraten wer oder was sich hinter dieser dunklen Stimme verbarg. er zupfte sacht an meinem Ärmel und bewegte mich dazu mich von der Tür ab zu wenden und in den schon fast dunklen Raum zu starren, an dessen Wände Kühlregale mit allerhand Lebensmitteln standen. „Was ist denn Mio?“ flüsterte ich in sein Ohr. Er hingegen deutete nur stumm auf den dunklen Fleck am Boden,meinen Schatten. Ich verstand nicht. Was sollte mein Schatten mit dieser ganzen Sache denn zu tun haben? Doch es dauerte nicht lange bis ich es begriff. „Na?“ hönisch meldete sich wieder die schaurige Stimme zurück. „Keine Lust von hier weg zu kommen?“ Ein schallendes Lachen folgte, welches mir durch Mark und Knochen ging. Nun verstand ich warum Mio auf meinen Schatten zeigte. Jedes mal wenn die Stimme ertönte fing mein Schatten an zu zittern und sich unabhängig von mir zu bewegen. „Was soll das Schatten?!“ rief ich zu ihm hinunter. „Soso. Du hast es also heraus gefunden. Du hast deinen Freund und Helfer erkannt.“ „Wie sollst du mir bitte helfen? Du bist doch nur mein Schatten.“ „Unterschätze meine Fähigkeiten nicht. Unterschätze mich nie. Oder du wirst es bitter bereuen.“ Der Nachdruck mit dem er seine letzten Worte aussprach bevor er verschwand, ließen mich wieder zusammenzucken. Kurz darauf waren wir wieder frei und ich konnte Mio endlich etwas zu essen und trinken besorgen. Es war eigenartig. Diese Geisterstadt mitten in der Pampa in deren Supermarkt dennoch prall gefüllte Regale standen,deren Waren zudem noch sehr frisch aussahen. Alles war eigenartig. Doch wohl das eigenartigste war ich selbst. Ein Skelett mit einem Kleinkind auf dem Arm, dass ohne Schatten durch diesen verlassenen Supermarkt wanderte und nach Essen und Windeln für Kleinkinder suchte.

Als ich alles beisammen hatte machte ich mich auf den Weg für Mio und mich ein warmes Plätzchen für die Nacht zu suchen. Da kam uns diese verlassene Stadt natürlich sehr gelegen. Es dauerte nicht lange, da kuschelten wir uns dicht aneinander unter der Bettdecke eines alten Ehebettes in einer kleinen verlassenen dunklen Wohnung. Mio war sehr schnell eingeschlafen, doch ich konnte machen was ich wollte, irgendwie schlief ich nicht ein. Ich wälzte mich hin und her, zählte Schäfchen und zum Schluss löste ich sogar komplizierte mathematische Gleichungen, aber irgendwie wurde ich nicht müde.

Als ich alles versucht hatte starrte ich einfach an die dreckige graue Wand und hoffte vom Schlaf übermannt zu werden, doch nichts dergleichen geschah. Umso länger ich die Wand betrachtete umso mehr schienen auf ihr die Schatten von Personen zu tanzen. Anfangs glaubte ich es seien Hirngespinste wie in Kindertagen, doch eigentlich waren sie viel zu deutlich dafür. Als ich auch noch ein Gemurmel vernahm, das eindeutig aus Richtung Wand kam wurde mir bewusst, das diese Gestalten keine Hirngespinste sein konnten.

„Warum kommst du immer so spät von der Arbeit?!“ „Ich kann nichts dafür mein Chef hat mich angehalten, soll ich mich ihm etwa widersetzen? Das könnte mich meinen Job kosten.“ „. . .Aber. . .ich will einfach das du früher zu Hause bist.“ „Schatz, es tut mir wirklich leid, aber ich bekomme die Überstunden auch bezahlt. Wir brauchen doch zurzeit jedes Geld, dass wir bekommen können. Du erwartest doch unseren Kleinen.“ „Es tut mir leid. Ich bin in letzter Zeit einfach so komisch. Das sind sicher die Hormone. Bitte ignorier einfach was ich vorher gesagt habe.“ Dieses Gespräch führten die Schatten direkt vor mir. Ich konnte kaum meinen Ohren und Augen trauen. Dort an der Wand unterhielt sich tatsächlich ein Ehepaar. Aber das Gespräch war noch nicht vorbei, anders als ich gedacht hatte. Diese zwei Schatten an der Wand zu beobachten, war wie ein Theaterstück an zu schauen, sogar ihre Bewegungen sahen sehr dramaturgisch ausgearbeitet aus. Doch der weitere Verlauf des Gesprächs wurde jäh durch einen lauten Schlag unterbrochen. Die Schatten drehten sich zum Fenster, ich auch. Und was ich da sah war nichts Gutes. Die Schatten schrien. Ich auch. Mio wachte schlagartig auf und schrie auch. Es rollte nämlich eine riesige Pilzförmige Wolke auf uns zu und das konnte nur eines bedeuten. Etwas Atomares war explodiert. In meiner Verzweiflung umklammerte ich Mio mit all meiner Kraft, obwohl an meinem Körper nicht mehr viel übrig war, das ihn hätte schützen können.

Die Wolke kam näher und näher, ich schaute nur noch auf Mio, der seine Augen ganz fest geschlossen hielt. So verweilten wir eine, dann zwei und dann schließlich 10 Minuten, ohne das etwas passierte. Ich schreckte auf als die Schatten an der Wand wieder begonnen zu sprechen. „Schatz, es ist schon 10 Uhr, das Essen ist schon kalt. Warum bist du erst so spät nach Hause gekommen? Lamberts Mann von neben an ist immer schon um 6 Uhr zu Hause. Warum kommst du immer so spät?!“ „Aber Schätzchen. . .“

Ich war verdutzt. Warum war uns nichts passiert. Gerade eben war doch eine gigantische graue Wolke auf uns zu gerollt und jetzt war sie auf einmal verschwunden. Ich brauchte einige Minuten, bis ich merkte, dass Mio mich anscheinend schon seit geraumer Zeit am Ärmel zupfte. Ich schaute ihn an und sah, dass er Richtung Boden auf meinen Schatten deutete, der sich schon wieder selbstständig gemacht hatte. Er war nur schemenhaft zu erkennen, weil nur der schwache Schein der Straßenlaternen von draußen das Zimmer erhellte. Mein Schatten räusperte sich. „Wie gut, das du deinen Nachwuchs bei dir hast, sonst würdest du mich wohl niemals bemerken.“ „Was willst du von mir?“, fragte ich meinen Schatten barsch. „Warum denn gleich so unfreundlich? Ich will dir doch nur helfen deinen Job richtig zu erledigen.“ „Wie willst du mir denn helfen? Du weißt doch sicher nicht mehr als ich, du bist doch MEIN Schatten.“ „Das hättest du wohl gerne, doch ich bin ein Bewohner des Schattenreiches, in dem du dich gerade eben befindest und weiß deswegen mehr über diesen Ort und dich als du.“ „Ich soll im Schattenreich sein?! Das ich nicht lache! Wenn ich im Schattenreich wäre, hätte ich doch irgendwann ein Portal oder Ähnliches passieren müssen.“ „Tut mir leid, aber Portale und solchen Schnick-Schnack gibt es in der Realität nicht. Sowas ist nur die Erfindung von irgendwelchen Schriftstellern und Filmemachern. In der Realität bist du Teil des Schattenreiches, ab dem Zeitpunkt, an dem du dich in einen Todesengel verwandelt hast.“ „A...aber ich habe doch noch mit meinem Mann gesprochen. Ich habe Mio bei mir. Ich war doch eindeutig in der Menschenwelt...“ „Was ich dir jetzt mitteilen werde wird dich wohl etwas schocken, aber du wirst es sowieso früher oder später erfahren. Ein Todesengel kann mit Menschen interagieren, wenn diese kurz davor sind zu sterben oder schon tot sind und nur noch ihre Seele vorhanden ist. Mio ist tot. Du hast Mios Seele aus seinem Körper gerissen und mit in die Schattenwelt gebracht.“ „Aber wenn Mio eine Seele wäre, dann bräuchte er doch eigentlich nichts mehr zu Essen und zu Trinken.“ „Mio ist noch nicht ganz tot. Seine Seele ist zwar im Schattenreich, aber seine Hülle ist immer noch in der Menschenwelt und wird künstlich am Leben gehalten. Er liegt im Koma.“ „I. . .Ich habe Mio. . .Kann ich in zurück bringen?!“ „Natürlich kannst du ihn zurückbringen. Aber das eigentliche Problem ist, ob er wieder in seine Hülle zurückkehren will oder lieber bei dir bleiben will. Er ist noch nicht in dem Alter, in dem er rationale Entscheidungen treffen könnte. Das einzige was momentan für ihn zählt ist bei dir zu bleiben. Er weiß er ist sicher bei dir.“ „Aber es ist doch sicher nicht unproblematisch, wenn er hier bleibt. Sonst hättest du mir nicht erzählt, dass ich nur Mios Seele bei mir habe.“ „Du bist gar nicht so dumm wie du aussiehst. Es gibt in der Tat einige Probleme die auf euch beide zukommen, wenn Mio im Schattenreich bleibt. Allerdings ist alles in Ordnung, so lange Mios Hülle in der Menschenwelt noch am Leben ist. Stirbt seine Hülle allerdings wird Mio Seele sich Stück für Stück verändern und am Ende nur noch eine Scheme an der Wand eines Hauses sein, wie das Ehepaar hier. Er wird nicht mehr mit dir interagieren können, noch wird er dich hören können, geschweige denn wird er dich sehen. er wird immer und immer wieder die letzten Stunden seines Lebens erleben bis ihn ein Todesengel entweder frisst oder in den Himmel befördert, wobei ich nicht weiß, was genau der Himmel ist oder wie es dort aussieht.“ „Im Klartext heißt das also ich muss es schaffen Mio in seinen Körper zurück zu bringen, bevor seine Hülle stirbt, damit er nicht mit nur 3 Jahren im Schattenreich landet.“ „So in etwa. Allerdings gibt es Dinge um die du dich kümmern musst bevor du dein Privatangelegenheiten klärst.“ „Und was für Dinge wären das?“ „Du erledigst in diesem Dorf deinen Job als Todesengel. Also wirst du Seelen an den Wänden der Häuser entweder fressen oder in den Himmel befördern. Der Job eines Todesengels ist im Prinzip recht einfach. Du musst hin und wieder Seelen die ihr Selbst verloren haben aus dem Schattenreich entfernen, das ist alles.“ „Und woher weiß ich welche Seelen ich fressen darf und welche Seelen in den Himmel gehören?“ „Tja, da kann ich dir leider nicht weiter helfen. Ich bin halt doch nur ein Schatten.“ Mit diesen Worten verschwand mein Schatten wieder und ließ sich auch nicht mehr blicken, egal wie oft ich ihn rief. Die Morgensonne lugte schon hinter den Wolken hervor, als ich es schließlich aufgab und beschloss einfach ein bisschen mehr über das Städtchen und seine Bewohner heraus zu finden um keine falschen Entscheidungen zu treffen. So verließen ich und Mio in den ersten Morgenstunden das Häuschen und schlenderten in Richtung Supermarkt.

Mio klammerte sich regelrecht an mich als ob er das gestrige Gespräch mit meinem

Schatten komplett verstanden hätte und wüsste, dass ich vorhatte ihn wieder in die

Menschenwelt zu bringen. Weg von mir. Weit weg.
 

Als wir Richtung Supermarkt gingen fielen mir immer mehr Schatten an den Wänden der Gebäude auf, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte, auch sie unterhielten sich lautstark. Ich hielt einen Moment inne um dem Treiben zu lauschen, doch es war schwer einzelne Gespräche herauszufiltern, da alle Geräusche aus der gleichen Richtung zu kommen schienen. Jedes Geräusch hatte auch die genau gleiche Lautstärke, was es mir nahezu unmöglich machte irgendetwas zu verstehen. Nach einer Weile gab ich es schließlich auf und Mio und ich folgten weiter dem Weg Richtung Supermarkt. Bis ich plötzlich einen lauten, nein, viele laute Schreie vernahm. Ich drehte mich schlagartig um und sah wieder die große graue Wolke auf uns zurollen, doch diesmal hatte ich keine Angst und folgte weiter der Straße. Nach kurzer Zeit verblasste die Wolke und das bunte Treiben fing wieder von vorne an. Als wir den Supermarkt erreichten war es erstaunlich still. Es waren auch weit weniger Schatten an den Wänden als ich erwartet hatte. Sie tuschelten aufgeregt miteinander und einige schienen Polizisten zu sein, was ich an ihren Uniformen erkannte. Ich trat näher auf die Wand zu an der sich die Polizisten aufhielten. Ich streckte

meine Hand aus und berührte einen der Schatten sanft. Es war als ob ein elektrischer Schlag durch meine Glieder fuhr und im Gehirn endete. Ich war so erschreckt, dass ich das weitaus Erstaunlichere erst gar nicht bemerkte. Auf einmal konnte ich klar und deutlich das Gespräch der Polizisten und NUR der Polizisten verstehen.
 

„Schrecklich. In letzter Zeit scheint hier wirklich alles außer Kontrolle zu geraten. Da fragt man sich ob es in einer Großstadt nicht vielleicht sicherer wäre als hier auf dem Land.“

„Du hast recht. Aber was willst du tun. Sollen wir einfach abhauen und die Leute hier im Stich lassen?“

„Natürlich nicht, aber wir müssen schleunigst etwas gegen diesen Verrückten unternehmen bevor noch Schlimmeres passiert.“

„Du meinst wohl eher bevor noch mehr Menschen sterben als jetzt.“

„Oder so. . .“

„Aber wir haben noch immer keinen Hinweis auf die Person, die all das hier angerichtet hat. Wir wissen noch nicht mal ob es jemand aus dem Dorf ist oder ob es ein Mann oder eine Frau ist, obwohl schon 8 Leichen gefunden wurden.“

„Dieser Fall scheint wirklich aussichtslos. Es ist wirklich tragisch, dass es sich hierbei um eine Mordserie und keine Einbruchsserie oder Ähnliches handelt.“

„Tragisch, aber da ist nichts zu machen. Wir müssen einfach weiter ermitteln und darauf hoffen, dass der Täter irgendeinen Fehler macht.“

„Das ist wohl unsere einzige Möglichkeit. . . Hey! Was ist das am Horizont?!“

„Eine riesige Wolke! Die kommt von Richtung Atomkraftwerk!“

„Aaaaaah!“
 

Die Wolke war wieder da und unterbrach jäh das Gespräch.
 

Es schien mir so als hätte ich nun einen Hinweis auf eine Seele, die ich mit Recht verschlingen dürfte. Also machte ich mich auf die Suche nach weiteren Hinweisen. Doch davor wollte ich zwei Polizisten in den Himmel schicken, die trotz der Gefahr des Serienmörders ihre Stadt nicht verlassen hatten und weiter tapfer ermittelt hatten, bis sie schließlich selbst starben. Mit diesem Gedanken streckte ich meine knöcherne Hand aus und griff behutsam erst den einen und dann den anderen Schatten und zog sie aus der Wand. Es kam mir so vor als hätte ich schon mein Leben lang Seelen in den Himmel befördert, sodass ich sofort wusste wie ich es anstellen musste. Ich zog die zwei Schatten aus der Wand und lies sie los. Ein lauter Seufzer erklang und beide Schatten schwebten gen Himmel bis sie nicht mehr zu sehen waren. Es war ein schönes Gefühl zwei Menschen zu helfen, die sich so für ihren Beruf und ihre Mitmenschen aufgeopfert hatten. Ich fühlte mich ganz leicht und vergaß. Doch ich merkte noch nicht das ich vergaß. . .

Nach getaner Arbeit begab ich mich gleich ins erste Haus, das auf meinem Weg lag und betrat es ohne anzuklopfen. Mio dicht hinter mir. Ich war so beglückt, dass ich ihn ganz vergessen hatte und erst wieder bemerkte, als er sich an mein Bein klammerte. „Was ist denn Mio?“, fragte ich ihn. Er streckte seine Arme aus und schaute mich erwartungsvoll an. Ich streckte auch meine Arme aus und nahm in den Arm. Er schien so kalt in meinen Armen, als ob er schon lange tot wäre. Ich war nicht sicher ob seine Kälte an meiner fehlenden Haut oder an seiner Existenz als reine Seele lag. Auf jeden Fall beunruhigte es mich, dass er so kalt war und mir wurde noch schmerzlicher bewusst, was ich Mio angetan hatte. Das Verlangen ihn gleich in die Menschenwelt zurückbringen wuchs durch diese Erkenntnis umso stärker, doch es war mir unmöglich ihn jetzt sofort zurück zu bringen, da mich eine geheimnisvolle Macht in dem kleinen Örtchen festhielt. Ich hatte schon probiert einfach wieder los zu fliegen und Mio auf der Stelle zurück zu bringen, doch es hatte nicht geklappt, ich schaffte es nicht einmal einen Zentimeter vom Erdboden abzuheben. So beschloss ich erstmal meine Aufgabe hier zu erledigen und mich dann um Mio zu kümmern. Ich konnte nur hoffen, dass sie Mios Körper so lange am Leben erhielten, wie ich brauchte um diese Stadt zu leeren.

Wir schritten in dem kleinen Haus, das wir betreten hatten langsam voran. Ich hielt Ausschau nach irgendwelchen Schatten an der Wand doch es war keiner zu sehen, bis wir das betraten, dass ehemals wohl die Küche war. Dort befanden sich zwei Schatten, doch beide schwiegen. Sie schwiegen eine geraume Zeit bis einer das Wort ergriff.
 

„Was sollen wir jetzt tun?“

„Wir müssen irgendetwas unternehmen!“

„Aber was?!“

„Wenn wir nichts tun werden alle sterben, auch wir. . .“

„Du hast recht. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. . .“

„Hoffentlich. . .“
 

Beide schwiegen wieder.
 

„Lass uns gehen.“

„Ja, lass uns gehen. Vielleicht sind wir ja noch rechtzeitig.“

„Oder auch nicht. . .“
 

Beide erhoben sich, sahen sich an und verließen den Raum.

Ich folgte ihnen mit Mio. Sie gingen Richtung Eingangstür. Sie machten die Türe auf . . .und . . .da war auch schon wieder die Wolke. . .Sie schrien. . .Sie schrien:
 

„Es ist zu spät! Es ist zu spät! Warum hast du das getan?! Tiger! warum?!“
 

Sie schrien und schrien bis sie schließlich verstummten und in der Wolke verschwanden.

Kurze Zeit später tauchten sie wieder im Esszimmer auf und fingen wieder an sich zu unterhalten. Ich verlies das Haus.

Tiger also. Das musste derjenige oder diejenige sein, die das Atomkraftwerk in die Luft gejagt hatte und auch irgendetwas mit dem Mord beim Supermarkt zu tun hatte, auch wenn ich mir bei Zweiterem nicht ganz sicher war.

Wir entfernten uns von dem Häuschen am Supermarkt und begaben uns in die Richtung des Atomkraftwerks. Ich hoffte dort eine der Seelen zu finden, die ich verschlingen musste.

außerdem würde ich dort wohl erfahren, ob die beiden aus dem Häuschen unschuldig waren oder nicht. . .
 

Als wir das Atomkraftwerk, welches inmitten einer blühenden Graslandschaft stand, erreichten sah ich in welchem Zustand es sich befand und mir wurde auch klar warum es so leicht zum explodieren gebracht werden konnte. Es hatte nicht einmal einen Sicherheitszaun, geschweige denn eine Kontrolle für Besucher oder Personal. Die Sicherheit des Kraftwerks war so unzureichend, dass ich als Bewohner dieses Örtchens schon längst gegen die Betreiber demonstriert hätte.

Die wirklichen Bewohner des Städtchens hatten sich aber anscheinend nicht sehr an dem niedrigen Sicherheitsstandards gestört, sonst hätte man sich sicher um eine bessere Sicherheitsvorkehrung gekümmert. Mit all diesen Gedanken in meinem Kopf betrat ich das Gebäude um nach weiteren Schatten zu suchen und hoffentlich auch Tiger zu finden.

Kaum hatte ich das Kraftwerk betreten schlug mir ein unglaublicher Lärm entgegen, jedoch musste ich die Personen von denen dieser Lärm ausging erst einmal suchen, da sie sich weiter oben auf Metallleitern befanden und angestrengt an irgendwelchen Leitungen herum fuhrwerkten und sich irgendetwas zu riefen.

Das ganze Gebäude wirkte ziemlich morbide und abgeschlagen. ich wunderte mich sehr, dass so ein Kraftwerk überhaupt noch in Betrieb sein durfte. Einige der Wassertanks waren schon ziemlich verrostet, auch die meisten Stromkabel hatten schon überall Schrammen und an einigen Stellen war auch schon der Kupferdraht zu sehen.

Ein wirklich überaus unsicheres Kraftwerk.

Ich besann mich, das ich nicht da war um das Kraftwerk zu inspizieren, sondern um heraus zu finden wer oder was Tiger war und ob er oder sie irgendetwas mit der ganzen Mordgeschichte und der Atomkraftwerksexplosion zu tun hatte. Darum machte ich mich daran die eisernen Leitern hochzuklettern und mir mein erstes Opfer aus zu suchen, das ich belauschen würde.

Als ich die erste Etage der Metallkonstruktion, die direkt am den Wasserkesseln vorbei führte erklommen hatte, schienen mich alle Schatten anzustarren, als ob sie mich sehen könnten. Ich ging rasch in ihre Richtung und berührte einen der Schatten um heraus zu finden, was genau sich gerade hier abspielte oder besser gesagt abgespielt hatte.

Ich spürte wieder den Blitz durch meine Glieder zucken und hörte erst einmal nichts.

Die Arbeiter schwiegen. Keiner sprach ein Wort. Alle starrten nur in meine Richtung, also drehte ich mich schließlich um. Mir stockte der Atem. Was ich dort sah hatte ich nicht in meinen kühnsten Albträumen erwartet.

Eine relativ kleine Person hatte das Eisengerüst auf der anderen Seite erklommen, an dem jegliche Sicherheitsvorrichtungen, wie das manuelle Einschalten der Notstromaggregate oder der Hebel zum entleeren der Abkühlbecken für die Brennstäbe, befanden. Nun starrte auch ich erschrocken diese Person an. Es war nicht die Tatsache, das diese Person eindeutig nicht zu Team des Atomkraftwerks gehörte, was mich so schockierte. Es war der Gegenstand den sie in ihrer rechten Hand hielt. Anfangs hatte ich nicht ganz erkannt was genau es war, doch die Konturen schienen immer schärfer zu werden. Nun erkannte ich auch, das es eine Frau war die dort stand. Der Lärm im Kraftwerk war vollständig verstummt. Jeder Schatten starrte lediglich in ihre Richtung.

Es schien so als seien alle Blicke auf den Gegenstand in ihrer Hand gerichtet. Auf den Kopf den sie an den Haaren fest umklammert hielt und der bei jedem ihrer Atemzüge leicht hin und her schwang. Es war der Kopf einer Frau vermutete ich wegen der langen Haare, doch ich konnte mich auch irren. Jedenfalls war ich so entsetzt von diesem Anblick, dass ich die Kontrolle über mich verlor und von dem Eisengerüst auf dem ich mich befand auf das andere gegenüberliegende sprang, auf dem sich die Frau befand. Mio entglitt mir dabei fast, weil ich ganz vergessen hatte, dass er sich an mein Bein geklammert hatte. Im letzten Moment schaffte ich es noch ihn in meine Arme zu ziehen und somit vom sicheren Absturz zu bewahren. Allerdings war ich mir nicht sicher ob Seelen überhaupt noch von einem Sturz sterben konnten, doch ich wollte kein Risiko eingehen und lies es nicht darauf ankommen. Als Mio und ich das andere Eisengerüst erreicht hatten erhob die Frau ihre Stimme. Ich wollte sie gleich fressen, doch Mio packte mich ganz fest, als ob er mir zu verstehen geben wollte, das ich warten solle.
 

„Ihr wisst warum ich hier bin!“
 

Ertönte die Stimme der Frau. Alles um sie herum war still. Nur ab und zu pfiff noch ein undichter Wasserkessel.
 

„Ihr wisst warum ich das hier jetzt tun werde! Ihr wisst das ihr an allem Schuld seid! Ihr wisst ihr seid der Ursprung allen Bösen in Little Sun!“
 

So hieß der Ort also, „Little Sun“, welch ein eigenartiger Name. . .
 

„Wenn ihr nie hier her gekommen wäret, dann hätten wir nie all diese Schrecken erleben müssen! warum konntet ihr nicht einfach verschwinden, nachdem wir euch eindringlich darum gebeten hatten! Warum! Warum! Warum. . .“
 

Sie stockte und hielt einen Moment inne.
 

„Warum musste meine Tochter sterben!!!“
 

Mit diesen Worten hielt sie den Kopf in ihrer rechten Hand in die Höhe und schwere Tränen liefen ihr Gesicht herunter. Plötzlich verblasste meine Wut und ich empfand Mitleid, tiefes Mitleid. Sie war mir ähnlich. Eine Mutter, die ihr Kind über alles geliebt hatte und nun ihren Schatz verloren hatte. Uns unterschied nur, dass ich noch im Begriff war meinen Schatz zu verlieren. Allerdings verstand ich nicht warum sie die Atomkraftwerksangestellten beschuldigte am Tod ihrer Tochter Schuld zu sein. es erschloss sich mir nicht, bis sie ihre nächsten und letzten Sätze sprach. . .
 

„Gab es nicht eine andere Möglichkeit die Gegner eures Vorhabens zu beseitigen als sie umzubringen?! Ich weiß alles! Mein Mann hat mir alles gestanden! Ihr habt ihn gezwungen seine eigene Tochter zu töten! Ihr habt ihn zu einem Mörder gemacht, wie so viel Andere! Ist Geld wirklich alles, was für euch einen Wert hat?!“
 

Als ihr letzter Satz in dem Stillen Kraftwerk verklang war ein dumpfer Schlag zu vernehmen gefolgt von einer ohrenbetäubenden Explosion. Für einen Moment kehrte Totenstille ein, doch nach kurzer Zeit begann das hektische Treiben wieder von Vorne.

Nun war ich mir sicher. Hinter der Mordserie steckte weit mehr als irgendein Psychopath der sein Unwesen getrieben hatte.

Es gab jemanden der alle Strippen in der Hand gehalten hatte und sich nicht selbst die Hände schmutzig gemacht hatte. Es war eine große Sache am laufen für die sogar Väter ihre eigenen Töchter ermordeten. Um dieser Sache näher auf den Grund zu gehen nahm ich mir vor das Kraftwerk genauer zu untersuchen. Ich fragte mich immer noch wer Tiger war. War es diese Frau, oder jemand Anderes? Die Person, die die Explosion ausgelöst hatte? Oder vielleicht doch jemand ganz anderes? Durch den Vortrag der Frau bekam ich keine Antworten, sondern nur neue Fragen, die es galt so schnell wie möglich zu beantworten.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu dieser Fanfic (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Shunya
2012-02-05T16:52:51+00:00 05.02.2012 17:52
Wow, das neue Kapitel gefällt mir echt gut. *o*
Das war richtig unheimlich in dem Supermarkt. iIch dachte erst, sie wäre in so einer Art Zwischenwelt gefangen.
Das Baby ist ja richtig schlau, dass Mio so etwas auffallen konnte. XD lol
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!!!
Von:  Shunya
2011-12-28T01:44:24+00:00 28.12.2011 02:44
Yay, ein neues Kapitel! :)
Die Fanfic wird echt immer besser.
Du hast es echt gut beschrieben, wie Hanni zu einem Skelett wurde bzw. was von ihr noch übrig geblieben war. Man konnt es sich wirklich gut vorstellen. >.<
Ihren Mann hat es ja gleich in die Flucht geschlagen. Der arme Tropf, hatte aber auch echtes Pech. O.o
Wo sie jetzt wohl mit Mio hingeht?
Von:  Shunya
2011-11-23T23:53:19+00:00 24.11.2011 00:53
Fängt ja schon mal recht interessant an. :)
Spielt die Geschichte eigentlich in der Gegenwart oder Vergangenheit? Das lässt sich nämlich noch nicht so richtig erahnen. O.o
Dieses Buch scheint ja irgendwie einen magischen Bann auf Hanni auszuüben. Was es wohl damit auf sich hat?
Diese fixe Idee von Hanni, die Arbeit tauschen zu wollen, finde ich irgendwie lustig. Ist mal schön abwechslungsreich. Dann lernt der Mann auch endlich mal, wie es ist zu hause alles organisieren zu müssen. :)


Zurück