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Prinzessin Rabenhaar

Oder auch: Wie angelt man sich einen Prinzen?
von

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Der hochmütige Prinz

Jeder kennt das berühmte Märchen der Gebrüder Grimm namens König Drosselbart. Aber wusstet Ihr, dass es auch eine Prinzessin Rabenhaar gab?
 

Sie handelt von einem verwöhnten Prinzen, der sich strickt weigerte eine Ehe einzugehen und einer Prinzessin, die zu einer List griff, zum dessen Herz zugewinnen.
 

Diese Geschichte ereignete sich vor langer Zeit in einem weitentfernten Königreich, in dem ein König und seine Königin über ein großes Reich herrschten. Lange Zeit blieben sie kinderlos und wünschten sich nichts sehnlicher, als ein Kind. Irgendwann jedoch schenkte die Königin ihrem Mann einen kleinen Sohn. Sie nannten ihn Lore und wollten, weil er ihr einzigster Sohn war, nur das Bester für ihn. Schenkten ihm alles, was sich ein Junge wünschte. Pferde, Falken und als er älter wurde, die edelsten Waffen. Aber was er am meisten liebte, war seine Freiheit. Wann immer er konnte, schwang er sich auf den Rücken seines Lieblingspferdes, um der Langeweile des Altags zu entfliehen. Sehr zum Ärger seines Vaters. Doch seine Frau beschwichtigte ihn und sagte ihm, dass er noch jung sei und deshalb noch etwas vom Leben haben sollte. „Er wird noch früh genug an den Thron gebunden sein. Wenn du ihn jetzt einsperrst, wirst du später sehen, dass er unglücklich ist und du wirst es bereuen!“, waren ihre Worte.

So nahm der König das etwas ungebührliche Benehmen seines Sohnes hin. Ließ ihn gewähren. So verging die Zeit.
 

Dann kam ein schrecklicher Krieg und alles änderte sich. Die Felder, die einst blühend, waren verbrannt oder vewüstet. Die Dörfer, die einst Fremde willkommen hiessen, waren bis auf die Grundmauern niedergebrannt und die Menschen waren durch diese schreckliche Tragödie nun misstraurisch, die niemanden mehr einließen aus Furcht, es könnte sich um ein Räuber oder schlimmer um ein Mörder handeln.

Die Familien, die früher genug zuessen hatten, litten schwere Hungersnot, weil sie kaum noch Geld haben, um sich ein Laib Brot zuleisten.

Tag für Tag standen sie vor den Toren des Königs und flehten ihn an, er möge ihnen helfen. Der König und die Königin sahen mit wachsender Sorge, wie ihr Volk zu Grunde ging und sahen sich verpflichtet, ihnen zu helfen. Mit dem ihnen möglichen Mitteln halfen sie dem Volk. Gaben jeder Familie genug Geld, um sich das nötigste zukaufen und jedem Bauer, der neues Vieh brauchte um die Felder neu zubestellen, zur Zucht oder zum Schlachten. Dennoch reichte es nicht, egal wieviel sie ihnen auch gaben. Selbst Ihnen waren finanzielle Grenzen gesetzt. Die Not des Volkes war zu groß, als das sie allein etwas ausrichten konnte. Eines Tages rief der König seine Minister zusammen um zu besprechen, wie sie weiterhin das Volk unterstützen konnten. Man schlug vor, die Steuern so tief zusenken oder gar zustreichen, bis die Untertanen wieder ihre Häuser aufbauen und die Bauern neue Felder bestellen konnten. Doch damit stiess man auf Ablehnung. „Und was soll aus uns werden? Von was sollen wir leben? Sollen wir noch ärmer werden, als es die Untertanen sind?“, warf der eine vor und der andere stimmte mit ein. „Ihr vergesst, dass wir ebenso Geld brauchen!“

„Wenn wir nichts tun, werden wir irgendwann alle den Hungertot sterben!“, wies der erste darauf hin.

Draufhin entbrannte eine hitzige Debatte, die wenig mit der Not des Volkes zutun haben schien, sondern eher, wer am wenigsten auf seinen Luxus verzischten wollte. Eine Debatte, die sich der König nicht länger anhören wollte. Hier ging es um das Wohl der Menschen dadraußen und als Herrscher sah er sich verpflichtet, für diese zusorgen. „Genug!“, schrie er und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ihr könnt über solche belanglose Themen ein andermal diskutieren. Ich will jetzt hören, wie wir unser Volk ernähren können. Denn wie es schon Richard so gut ausgedrückt hatte: Ohne Bauern gehen wir zugrunde!“

Danach folgte Schweigen. Keiner wollte ewtas sagen. Der König schaute abwartend und mit wachsender Ungeduld in die Runde und war kurz davor, seine Minister für ihre Inkompetenz vom Hof jagen. Als sich sein engster Vertrauter, Fürst Mican meldete. Er stand auf und räusperte sich:„ Wenn Ihr erlaubt, Eure Hoheit. Vermählt doch Euren Sohn, Prinz Lore, mit einer Königstochter aus den Nachbarreichen. Mit einer, dessen Familie wohlhabend ist und über ein ebenso wohlhabendes Reich regiert. Durch diese Bindung hättet Ihr nicht nur ein größeres Reich sondern auch noch soviel Geld, wie Ihr braucht, um die Not aus Eurem Reich zutilgen!“, schlug er vor und sammelte von seinen Kollegen anerkennendes Nicken und Raunen zu. Dies schien eine der besten Möglichkeiten zu sein. Aber wie sollte er das seinem Sohn beibringen. Lore war inzwischen ein erwachsener Mann und hatte nichts von seinem Drang, oder besser gesagt seinem festen Vorsatz, sich seinem Vater zu wiedersetzen und zumachen was er will, nichts eingebüsst. Immer wieder war der junge Prinz ausgebückst und hatte sich irgendwo herum getrieben, obwohl ihm sein Vater von ihm gewünscht, sohgar verlangt hatte, bei den Besuchen von anderen Adeligen dabei zusein und sich von seiner besten Seite zu zeigen. Doch wie man sich denken konnte, war der Prinz sogleich verschwunden und der König konnte den Verdacht nicht loswerden, dass sein Sohn das nur tat, um ihn zu ärgern. Außerdem begann man schon zureden über den jungen Prinzen, der seinen Eltern auf der Nase herumtanzte. Das machte es noch schlimmer und solangsam reichte es dem König mit seinem Sohn, der nichts Besseres zutun hatte, als durch die Gegend zureiten und Unfug anzustellen.

Es war an der Zeit, dass er lernte, was es hiess ein Prinz und ein künftiger Herrscher zusein.
 

Als die Versammlung vorüber war, und der König seiner Frau seinen Entschluss mitteilte, sah die Königin ihren Gatten mit zweifelhafter Miene an. Sie dachte dasgleiche, wie er vor einigen Minuten. „Bist du sicher, dass das möglich sein wird. Unser Sohn ist nicht gerade…vertraut mit den Bräuchen am Hofe!“, sagte sie, wobei das wirklich eine Untertreibung war. Der König seufzte schwer. Wie Recht seine geliebte Frau doch hatte. Aber daran gab es nichts zurütteln. „Ich weiss, Mirae. Aber was soll ich tun? Unser Volk leidet und verhungert, wenn wir nichts tun. Außerdem muss Lore endlich lernen, was es heisst ein Prinz zusein. Irgendwann wird er auf dem Thron sitzen und da kann er nicht mehr länger durch die Gegend reiten. Er muss lernen Verantwortung zutragen!“

Die Königin nickte. Auch wenn sie damals, als er noch ein kleiner Junge war, sehr nachsichtig war und oft ihn gelassen hatte, wusste sie, dass es mehr als schwer werden würde, ihrem Sohn das alles schonend beizubringen. Und ihn dazu zubewegen, sich zufügen umso mehr.

„Dann will ich hoffen, dass eine davon unserem Sohn gefällt!“, sagte sie aufrichtig, wobei sie ernste Zweifel hatte. Diese teilte auch der König und beide seufzten schwer.
 

„Was? Darum soll ich heiraten? Damit wieder Geld in die königliche Kasse kommt?“, fragte Prinz Lore entrüstet, als seine Mutter ihm die Neuigkeit brachte und schaute sie an, als habe sie einen schlechten Witz gemacht. „Das kann nicht Euer ernst sein, Mutter!“

Die Königin seufzte. Sie hatte sich schon gedacht, dass er so reagieren würde. Dennoch wollte und musste sie es ihm sagen, ehe ihr Mann es tat. Wenn der König sich etwas vorgenommen hatte, nahm er kaum Rücksicht darauf, was die anderen davon hielten. Sondern wollte es durchgesetzt bekommen. Mochte es dabei um seinen Sohn gehen oder nicht. Das machte keinen Unterschied und sie konnte sich denken, dass das für großen Streit zwischen den beiden sorgen würde, wenn sie ihrem Mann nicht zuvor kam. Sie hatte den Eindruck, dass sie die einzige war, die ihren Sohn auf das Schlimmste für ihn schonend vorbereiten konnte. Doch nun schien selbst sie nicht im Stande zusein, ihn darauf vorzubereiten und ihn vielleicht auch dazu zubringen, sich zufügen. Vielleicht, so war ihre stille Hoffnung, war ja diejenige dabei, die ihn interessierte.
 

„Doch, ich fürchte schon!“, antwortete sie.Zwang sich zu einem Lächeln, was jedoch misslang, als sie seine finsteren Blicke sah, die er durch den Spiegel ihr zuwarf. Prinz Lore rümpfte die Nase. „Und warum?“, fragte er kaltschnäuzig. Hielt dabei den Blick auf seine Mutter und zupfte an seiner Kleidung, um zu zeigen, dass er kein Interesse hatte.

Die Königin rang die Hände. Musste paarmal tief einatmen. Und ihre Fassung bewahren. Bis jetzt hatte sie gehofft, dass er sich vielleicht fügen und den Entschluss seines Vaters akzeptieren würde. Aber nun war ihre Hoffnung zerschlagen. Und Ärger machte sich in ihr breit.

Auch wenn sie ihren Sohn liebte und seine Launen kannte, machte seine Ignoranz, die er nun zutage brachte, betrübt, und auch wütend. Er sah doch, dass es ihrem Volk schlecht ging. Wie konnte er da die Augen verschließen. Er war doch alt genug, um zu wissen, was es hiess Verantwortung zutragen, dachte sie sich und fragte sich nun zum ersten Mal ernsthaft, ob sie ihn nicht zusehr verwöhnt hatte, mit ihrer Liebe. „Es geht um das Wohl des Volkes. Wenn du später König bist, wirst du es sein, der dies bewahren muss!“, sagte sie mit Nachdruck und hoffte so, ihrem Sohn zur Vernunft zu bringen. „Tse, das Volk. Was kümmert mich das Volk? Wir leben doch ganz gut. Wenn die Bauern kein Geld und nichts zu essen haben, sollen sie doch gehen!“, sagte er kalt und richtete sich seinen Umhang. „Lore…ohne diese Bauern hätten wir kein Brot oder Wein. Geschweige denn Kleider. Du hättest nicht mal den Umhang, den da gerade da trägst!“

„Und wenn schon. Es gibt überall Bauern, die hier ihre Äcker bauen können und neue Schneider, die gewiss besser arbeiten können, als die, die jetzt hier sind!“, sagte er ohne eine Spur von Einsicht. Die Königin fühlte sich bei diesen Worten wie vor dem Kopf gestossen. Noch nie hatte ihr Sohn solch harte Worte von sich gegeben. Es war als würde da ein anderer stehen und nicht ihr Sohn, den sie bemüht gelehrt hatte, was wichtig war.

„Es reicht, Lore. Ich werde mir das nicht länger anhören. Geschweige denn bieten lassen!“, mischte sich nun sein Vater ein. Lore drehte sich erschrocken um. Auch seine Mutter war sichtlich überrascht. Der König sah seinen Sohn mit solch einer grimmigen Miene an, dass man den Eindruck hätte, ein Bär würde vor einem stehen, den man den Wintervorrat gestohlen hatte. Sein Vater hatte sich kaum noch beherrschen können, als er diese Worte aus dem Munde seines gehört hatte und war kurz davor gewesen, zu platzen. Zu so einem verwöhnten Bengel hatte er seinen Sohn nicht erziehen wollen und sogleich warf er seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick zu. Diese deutete ihn richtig und senkte beschämt den Kopf. Sie fühlte sich ebenso schuldig, wie er ihr weissmachen wollte. Dann sah er wieder zu seinem Sohn, dem das Auftreten seines Vaters überraschte.

Dann aber wurde Lores Gesicht wieder kühl. „Was redest du da, Vater. Was soll es schon bringen, mich mit irgendeiner Prinzessin zuverheiraten. Nur weil sie reich ist. Was, wenn sie mir nicht gefällt? Wenn ich sie nicht liebe?“, fragte er und redete sich ein, damit seinem Vater den Wind aus den Segeln zu bringen. Bisher hatte es immer was gebracht, wenn Lore seinem Vater mit einem Agrument kam, dass für sein Wohl gedacht war. Denn nichts anderes wollten seine Eltern, als dass es ihm gut ging. Aber der König schien sich davon nicht mehr erweichen zulassen. Er holte tief Luft und sagte mit inbrünstiger Stimme:„Darum habe ich mehrere Damen geladen, damit du dir eine aussuchen kannst!“

Kaum hatte das der Prinz gehört, wurden seine Augen groß vor Schreck. Mehrere Damen?

Soll das heissen, dass sein Vater nicht nur eine geladen hatte?

Wenn ja, hatte er wirklich ein großes Problem. Er wollte schon etwas sagen, doch er klappte den Mund wieder zu, weil er sich bewusst wurde, dass er darauf nichts sagen konnte.

„Und ich rate dir, dir die Damen sehr gut anzusehen. Es sind wirklich wahrliche Schönheiten dabei!“, sagte er und auch wenn seine Worte wohl aufmunternt klingen sollten, konnte er den mahnenden Unterton in der Stimme seines Vaters nicht überhören. Ein eisiger Klumpen bildete sich in seinem Magen. Hart presste er die Lippen aufeinander.

Die ganze Sache war wirklich ernst!

Auch wenn er an den Worten seiner Mutter keine Zweifel hatte, so hatte er dennoch gehofft, dass er Zeit haben würde, um sich was zu überlegen, was er dagegen tun konnte.

Ob er diese Idee seinen Eltern ausreden konnte?

Eine Heirat und der darauffolgende Aufstieg zum Thron bedeutete für ihn seine geliebte Freiheit aufzugeben. Schon allein der Gedanke daran ließ ihn schauern. Zugerne hätte er seinem Vater wiedersprochen. Doch bei ihm wusste er, dass es keinen Sinn hatte. In solchen Punkten war sein Vater stur.

„Als ob mich das umstimmen würde!“, dachte er mit einer Mischung aus Verzweifelung und Groll und wandte sich wieder dem Spiegel zu. Verzweiflung, weil es sinnlos zusein schien, sich dagegen zusträuben und Groll, weil er zu etwas gezwungen wurde, was ihm wiederstrebte. Nie hätte er gedacht, dass seine Eltern so etwas von ihm verlangten. Und dass seine Mutter ihm nicht zur Seite stand, nichts dagegen einzuwenden hatte, machte dies umso schlimmer. Sie war doch sonst immer auf seiner Seite gewesen.

„Die ersten Bewerberinnen werden in fünf Tagen an unseren Hof kommen. Sei höflich und denk dran: Du bist mein Sohn. Der Thronerbe und künftiger König, der bald über ein noch größeres Reich herrschen wird!“

Mit diesen Worten verließ er seinen Sohn. Gefolgt von seiner Mutter. Verstohlen sah er ihnen im Spiegel nach und grollte. Ihm war auch zum weinen zumute. Was hatten sich seine Eltern nur dabei gedacht. Sie sollten ihn doch kennen und wissen, wie es in ihm nun aussah. Dass sie aber davon keine Notiz nahmen, machte ihn dafür umso wütender. Und er war festentschlossen ihnen dafür eins auszuwischen. „Ich werde niemals eine Frau erwählen. Dafür ist mir meine Freiheit zu wertvoll. Sollen diese Bauern doch hungern!“
 

Die fünf Tage vergingen und wie der König es angekündigt hatte, kamen die Bewerberinnen. Zu ihrem Erscheinen wurde ein Fest gegeben, welches nicht so teuer war. Dennoch war es prunkvoll und jede der Damen gab sich Mühe dem Prinzen zugefallen. Prinz Lore musste zugeben, dass sein Vater nicht gelogen hatte. Die Frauen, die ihn zum Manne wollten, waren wirklich schön. Doch das kümmerte den Prinzen nicht. Er war festentschlossen seinem Vater und seiner Mutter eine Lektion zu erteilen.

So ließ er sich jede Dame vorstellen, verneigte sich und gab sich erstmal von seiner guten Seite und als der König gerade dachte, dass sein Sohn sich fügte, begann er die Damen aufs übelste zu beleidigen. Überschüttete sie mit unhöflichen Komentaren und sah mit Genugtuung, dass dies seinen Vater aufs äußerste wütend machte.

Zum Schluss musste sich der König bei jeder von ihnen entschuldigen. Diese nahmen die Damen nur mit gehobenen Brauen und knappen Worten an und verabschiedeten sich. Als alles vorbei und die Diener, das übrig gebliebene Essen wegräumten, stellte der König seinen Sohn zur Rede. „Was hast du dir nur dabei gedacht!“, tobte er und sein Gesicht wurde rot vor Zorn. „Die schönsten und reichsten Prinzessinnen habe ich eigneladen, damit du eine von ihnen zur Frau nimmst und was tust du? Du beleidigst und verspottest sie aufs äußerste!“

Prinz Lore war mit sich zufrieden. Insheheim musste er lächeln, bemühte sich dennoch ein ruhiges Gesicht zumachen und seine Stimme gelassen zuklingen. „Ich habe unter diesen Frauen nicht die Richtige gefunden und dein Geschmack, was die Schönheit angeht, ist wirklich miserabel!“, erklärte er und seine Mutter schnappte nach Luft. Dass ihr Sohn den König noch wütender machte, als er es jetzt schon ist, kam ihr einer Kriegserklärung gleich. Sie schüttelte still den Kopf, versuchte so ihrem Sohn zusagen, dass er es nicht auf die Spitze treiben sollte. Doch der Prinz hörte nicht auf die stumme Bitte seiner Mutter. In seinen Augen hatte sie ihn mehr verraten, als es sein Vater getan hatte. Und er dachte nicht daran, auf sie zu hören. Dem König sah man deutlich an, dass die Worte seines Sohnes ihn zutiefst zornig machten, aber auch kränkten.

Was hatte er falsch gemacht, dass sein eigens Fleich und Blut solche Dinge sagte und sich so benahm?

Kurz sah er zu seiner Frau, die sich dasgleiche fragte und wechselte kurz einen Blick. In ihren Augen sah er nun Reue und wollte schon etwas sagen oder ihr wenigsten eine Geste des Trostes zeigen. Doch dann wandte er sich seinem Sohn zu und sein Gesicht verfinsterte sich wieder. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zureden? Ich habe dich nicht dazu erzogen, dass du dich benimmst, wie ein verwöhntes Balg, sondern wie ein Prinz, der wissen sollte, was seine Pflicht ist!“, erwiederte er daraufhin und der Prinz schnaubte verächtlich. „Meine Pflicht! Ist es wirklich meine Pflicht irgendeine Prinzessin zur Frau zunehmen, die zwar schön, aber strohdumm ist und nicht bis drei zählen kann?“, schnappte er und seine Stimme überschlug sich. Zuerst hatte er gedacht, dass es ein Kinderspiel sein und ihm noch dazu Spass machen würde, seinem Vater eins auszuwischen. Aber jetzt war er sich ganz sicher, dass er nicht damit durchkommen würde. Sondern dass sein Vater nicht eher nachgeben würde, bis er vor dem Traualtar mit einer Frau endete und seine geliebte Freiheit verlor.

„Es ist deine Pflicht, dem Volk zu dienen und für ihr wohlergehen zusorgen, sonst wird es sich gegen dich wenden!“, sagte der König, dem langsam der Geduldsfaden riss. Zum ersten Mal stritt er sich ernsthaft mit seinem Sohn und das machte ihn noch wütender. Soweit war es schon gekommen, dass sich sein Sohn gegen ihn stellte und tatsäschlich seine Pflicht, die ihm in die Wiege gelegt wurde, nicht haben sollte. Bisher hatte er das Benehmen seines Sohnes als das eines rebellierenden Jungen abgetan, der wissen wollte, wie weit er gehen konnte. Aber nun sah er, dass ernst war. Bitterernst und er fragte sich erneut, was er falsch gemacht hatte. „Woher willst du das wissen, wenn du nicht mal richtig mit ihr gesprochen hast. Das einzige, was du getan hast, war sie zu beleidigen und mich als einen Vater hinzustellen, der unfähig war, seinen Sohn zu erziehen!“

„Wenn das dein Eindurck ist, dann soll es so sein. Ich für meinen Teil weigere mich, eine von diesen Weibern zuehelichen und für immer an den Thron gebunden zusein!“, schleuderte der Prinz seinem Vater ihm entgegen und drehte sich auf dem Absatz um. Stolzierte dann davon und zog die Tür hinter sich laut knallend ins Schloss. Die Königin zuckte dabei zusammen und atmete zitternt aus, als ihr bewusst wurde, dass sie die Luft angehalten hatte. So schlimm war es noch nie zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn gewesen, dass sie sich angeschrien hatten. Aber war das nicht verständlich. Schließlich hatte der König nur das getan, was er für richtig hielt. Aber er hatte auch seinen Sohn zu etwas zwingen wollen, was dem Prinzen gar zuwider war und das musste ja in solch einem Streit enden. Entkräftet sank der König in seinem Stuhl zusammen und hielt sich die Stirn. Der Streit mit seinem Sohn schlug auch ihm schwer aufs Gemüt. Er hatte erkennen müssen, dass es seinem Sohn allerlei war, wie es dem Volk ging und dass er eine Revolution, wenn er sich nicht änderte, nicht zu fürchten schien. Davon dass sie nun im ganzen Land blamiert waren und dass jeder Adelige nun wusste, dass der Sohn des Königs ein unhöflicher Flegel war, ganz zuschweigen. Was mochten die hohen Herrschaften nun von ihnen halten und was würden sie sagen. Sie zerrissen sich bestimmt jetzt schon das Maul und die Chancen, dass sein Sohn die geeignete Frau fand, schwanden immer mehr. Die Königin sah den Kummer ihres Mannes und legte ihre Hand auf seine. Ihr Mann sah auf und schien um Jahre gealtert zu sein. Sie ahnte, was in ihm vorging und seufzte schwer. „Vielleichst sollten wir das ganze erstmal sein lassen, bis er sich wieder beruhigt hat und uns Gedanken über eine andere Möglichkeit machen!“, waren ihre gutgemeinten Worte. Der König aber schüttelte den Kopf. Gerne hätte er ihren Rat befolgt, doch er sah keine andere Möglichkeit. Er musste seinen Sohn verheiraten, wenn das Volk gerettet werden musste. „Nein, es gibt keinen anderen Weg!“, sagte er und seine Stimme klang brüchig. Dann räusperte er sich und stand auf. Mahnte sich, Fassung zubewahren und sich nicht unterkriegen zulassen. Wenn er jetzt nachgab, würde sein Sohn niemals erwachsen werden und nicht lernen können, was es bedeutete, ein Mann seines Standes zusein. „Wir werden erneut Prinzessin und auch junge Gräfinnen laden. Er muss sich für eine von ihnen entscheiden!“

So kam es, dass in jedem Monat zehn Frauen geladen wurden, um dem Prinzen die Richtige vorzustellen und immer wieder verschmähte der Prinz diese nacheinander.

Am Anfang war er erstaunt, dass sein Vater nicht soschnell aufgab und freute sich auch irgendwie. Denn es machte ihm Spass diese hochnäsigen und dummen Weiber zu verspotten und sie zu kränken, bis sie in Ohnmacht fielen. Doch dann fing es an, ihn zu langeilen. Von seinem Plan, sich nicht zur Heirat zu bewegen zulassen, wollte er aber nicht ablassen, sondern an ihm festhalten, bis auch sein Vater genug hatte. Er ritt sogar kurz vorher aus, um zu zeigen, dass er nicht das geringste Interesse hatte. Der König war darüber natürlich nicht begeistert und schickte seine Männer dem Prinzen hinterher, damit sie ihn wieder einfingen.

Genauso wie an diesem Tag, als der Prinz auf seinem Rappen durch den Wald galoppierte und schon von weitem die Rufe der Soldaten hörte. Er musste grinsen und riss die Zügel herum, sodass sein Pferd in den dichteren Teil des Waldes lief. Durch den Hufschlag, der hinter ihm erscholl, wusste er, dass sie selbst die Verfolgung durch den Wald nicht scheuten und aufgenommen hatten, wobei es gefährlich war. Mut hatten sie, dass musste der Prinz zugeben, aber dachte nicht daran, das Tempo seines Tieres zu droseln, sondern erhöhte es, in dem er kräftig in die Flanken trat und das Pferd sich für einen Sekundenbruchteil unter ihm aufbäumte. Der Prinz straffte die Zügel und hatte sein Pferd wieder unter Kontrolle und ritt weiter. Hörte hinter sich, wie die Soldaten damit kämpften ihre Tiere genauso geschickt durch die Bäume zu treiben, wie der Prinz. Wo sie aber kläglich scheiterten und ihre Rufe verstummten. Der Prinz lachte. „Um mich zu kriegen müsst Ihr Euch mehr einfallen lassen!“, lachte er laut und lenkte sein Pferd nun zu der Strasse, die am Wald vorbei führte. Behielt aber das schnelle Tempo bei, falls die Soldaten doch wieder auftauchten und ihn erneut jagten.

Gerade ließ er die letzten Bäume hinter sich, als er einen Blick über Schulter riskierte, um sicher zusein, dass die Soldatebn seines Vaters ihr Vorhaben aufgegeben hatte und nicht bemerkte, dass er schon auf die Strasse traf und mitten in einen Trupp von Reitern reinritt. Erst als er mit einem anderen Pferd und dessen Reiter, der einen grünen, samtenen Mantel trug und dessen Gesicht durch die hochgezogene Kapuze verhüllt war, zusammenprallte, welches sich lautwiehernd aufbäumte und seinen Reiter aus dem Sattel warf. Lautschreiend landete dieser im Dreck. Sofort hielt der Trupp an. Zwei eilten zu dem Reiter und halfen ihm hoch. Drei weitere rannten zum Prinzen. Während der eine die Zügel ergriff, hielten die anderen beiden ihre Schwerter hoch und bedrohten den Prinzen.

„Was erlaubt Ihr Euch. Habt Ihr keine Augen im Kopf?“, blaffte der eine, der einen silbernen Brustharnisch trug und einen samtblauen Umhang darüber. Er wirkte älter als die anderen und ein grauer Bart zierrte sein vom Alter-und Wettergeprägtes Gesicht. Zuerst war Prinz Lore zu überrumpelt, wusste zunächst nicht was passiert war. Doch dann gewann er seine Überheblichkeit zurück, straffte seine Schultern und setzte sich im Sattel aufrecht. „Ich bin Prinz Lore. Sohn des Königs Argu. Dies ist sein Reich und damit auch meins. Und ob ich Augen im Kopf habe, kann ich mit einem Ja beantworten. Aber habt Ihr den welche, oder besser gesagt, Euer Schützling. Wenn dem so wäre, hätte er mich kommen sehen und wäre ausgewischen!“, sagte er gleichgültig und blickte zum unglückseligen Reiter, der sich den Schmutz von seinem Mantel klopfte. „Was muss das für ein Stümper sein, der sein Pferd nicht unter Kontrolle haben kann!“

„Was fällt Euch an. Redet nicht so über unserer Herrin!“, schnaubte der ältere Mann und sein Schwert zuckte nachvorne. „Lasst ihn, Hauptmann Gahl!“, sagte nun die Gestalt und schlug die Kapuze so weit zurück, dass er sie ansehen konnte. Das Gesicht, welches nun zum Vorschein verschlug ihm glatt die Sprache. Er hatte immer geglaubt, die schönsten Frauen gesehen zu haben, die sein Vater ihm für die künftige Ehe vorgestellt hatte. Doch nun war er sich nicht mehr so sicher. Sie war wirklich schön. Ihr Gesicht war zwar blass, wie frischgefallener Schnee, ihre Wangen jedoch rosig. Ihr Mund war wohlgeformt und erinnerte ihn an die Blätter einer Rose. Samtig und weich. Dunkle, wache Augen blickten zu ihm. Und erst ihre Stimme klang wie das Singen einer Nachtigall. Nur schwer konnte er den Blick von ihr nehmen. Ein Lächeln huschte über das Gesicht der schönen Frau und er spürte, wie ihm der Schwindel packte. Wie konnte diese Schönheit ihn nur so durcheinanderbringen?

„Verzeiht, dass ich Euch so übefallen habe!“, sagte er und war selber erschrocken, wie kleinlaut er dabei klang. Die Frau lächelte umso mehr und winkte ab. „Schon gut. Ihr müsst auf der Flucht gewesen sein, wenn Ihr so schnell Euer Pferd antreibt und nicht seht wohin Ihr rennt!“, beruhigte sie ihn und fügte mit einem frechen Grinsen hinzu: „ Bruder Leichtsinn

Der Prinz schnappte voller Empörung nach Luft. Bruder Leichhtsinn?

Was erlaubte sie sich eigentlich, dass ihm solch einen lächerlichen Namen geben wollte?

Bruder, das klang so, als würden wir uns kennen, dachte er voller Groll.

Entrüstet darüber schnaubte er und sagte den Männern, sie sollen auf der Stelle die Zügel seines Pferdes loslassen. Das seltsame Gefühl, was ihm beim Anblick der Schönen erfasst hatte, schwand dahin und nun machte sich der Trotz in ihm breit. Die Männer sahen zu ihrer Herrin, die mit einem Wink dem Befehl des Prinzen folgte und die Wachen ließen die Zügel los.

Behielten ihn jedoch im Auge. Der Prinz zog an den Zügel und sein Pferd machte einige Schritte zurück. Mit nur wenigen Worten hatte sie dafür gesorgt, dass sie ihm unsympathisch geworden war. Er wollte gehen und diese Frau stehen lassen. Jedoch wollte er ihr dies offen zeigen. „Wenn wir schon dabei sind, uns gegenseitig neue Namen zugeben, habe ich auch einen für Euch: Schwester Hochmut!“, sagte der Prinz, wobei das nicht sorecht passen wollte. Aber in seinem Trotz achtete er nicht darauf. Freute sich stattdessen, dass er es ihr mit gleicher Münze heimzahlen konnte. Aber irgendwie schienen seine Worte nicht die gewünschte Wirkung zuzeigen, denn die Frau sah ihn für einen Moment irritiert an, dann lächelte sie. Musste sogar ein Lachen unterdrücken. „Schwester Hochmut?“, fragte sie klucksend. „Mehr dazu fällt Euch nicht ein?“

Der Prinz glaubte vor wachsendem Ärger zu platzen. Dass diese Göre unbedingt das letzte Wort haben musste. Doch sich darüber weiter aufzuregen würde nichts bringen und er wollte es auch nicht. Er gab nochmals ein Schnauben von sich, dann wendete er sein Pferd und bevor er davon ritt, rief er ihr ein:„ Auf nimmerwiedersehen, Schwester Hochmut!“, zu.

Prinzessin Rari sah dem Prinzen nach, der sich auf solch rüde Art von ihr verabschiedet hatte und musste lächeln. Hauptmann Gahl steckte sein Schwert wieder ein und ging zu seiner Herrin. Er sah sie mit einem bekümmerten Blick an. „Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr diesen Mann wirklich zum Gatten wollt?“, fragte er zweifelnd. In seinen Augen war der Prinz das verwöhnte Gör, von dem er schon so einiges gehört hatte und er bemitleidete die Prinzessin jetzt schon. „Ja, sorgt Euch nicht, Hauptmann. Ich bin sicher, dass das nur gespielt war und er eigentlich ein guter Mensch ist!“, sagte sie und der Hauptmann sah sie an, als habe sie den Verstand verloren. Zwar schätzte er ihre Aufrichtigkeit und ihren Glauben an das Gute in dem Menschen, aber in dieser Hinsicht zweifelte er daran.

Wie konnte jemand, wie der Prinz einen guten Kern haben, wenn er sich schon vor einer Prinzessin so benahm?
 

Wie zu erwarten war, warteten die Anwärterinnen auf den Prinzen und wurden langsam ungeduldig. „Wie lange soll das noch dauern? Ich habe mein Schloss nicht umsonst verlassen!“, zetterte die eine. „Genau. Meine Zeit ist ebenso kostbar und ich habe nicht den ganzen Tag zeit!“, kam es von der anderen.

Der König, der deutlich um Fassung rang, versuchte die aufgebrachten Damen zu beruhigen. „Bitte, meine Damen. Ich bitte noch um etwas mehr Geduld. Mein Sohn wird sicher bald hier eintreffen!“, sagte er, wobei er selber nicht daran glaubte. Eine der Edeldamen verzog missbilligend das Gesicht. „Ach, wirklich? Ich habe gehört, dass der Prinz die lästige Vorliebe hat, zu spät zukommen und alle Anwesenden zu beleidigen!“, wandte nun eine dritte ein, worauf hin die anderen zu tuscheln begannen. „Ja, das habe ich auch gehört!“

„Solch ein misserables Benehmen!“

Der König räusperte sich, brachte so die Damen zum Schweigen. „Mir ist klar, dass Sie Dinge von meinem Sohn gehört haben, die Ihnen nicht nicht gefallen. Aber ich hoffe dennoch, sie werden darüber hinwegsehen!“, sagte er. Die Damen sahen allerdings nicht so aus, als würden sie seine Hoffnung erfüllen. „Ein Prinz, der so seinem Vater auf der Nase herumtanzt, sollte sich wirklich schämen!“, flüsterte eine von ihnen, hinter ihrem Fäscher und die andere nickte. „Da bin ich ganz Eurer Meinung!“

Dem König entging dies natürlich nicht und wandte sich an seine Frau. „Wenn das so weitergeht, werden wir zum Gespött der ganzen Welt!“, raunte er. Seine Frau legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm und sprach ihm Mut zu. Die Zeit, in der man auf den Prinzen wartete, dehnte sich und die Ungeduld der Frauen wurde immer größer. Der König hingegen nervös und auch ungehalten, dass sein Sohn auch diesesmal die Gäste warten ließ.

Aber dann erschien der Prinz. Gekleidet in der festlichen Uniform und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Als er neben seinen Vater trat, beugte er sich zu ihm. „Ich spare mir die Frage, wo du warst. Aber sage mir wenigstens einen sehr guten Grund, warum du dir diesesmal noch mehr Zeit gelassen hast, als die letzten Male!“, raunte er und sein Sohn hob die Schultern. „Argu, er ist ja jetzt hier. Fang lieber an, ehe die Damen noch ungehaltener werden!“, sagte seine Frau und der König folgte ihrem guten Hand. Auf ein Handzeichen hin, gab er dem Zeremonienmeister das Zeichen, die Gräfinnen und die Prinzessinnen vorzustellen. „Aus dem Königreich Lousan, Prinzessin Aria!“, kündigte er an und eine bildhübsche Frau trat hervor, gekleidet in kostbaren Kleiderung und mit Schmuck behangen, sodass man fürchten musste, dass sie bei dieser schweren Last gleich vornüberkippen würde. Prinz Lore ging zu der Prinzessin und verneigte sich. Diese tat es ihm gleich, wobei Lore bezweifelte, dass sie sich wieder aufrichten konnte, bei all dem ganzen Schmuck. Vor allem schien sie viel zu dünn zusein, als dass sie solch ein Gewicht aushalten konnte. Aber das sorgte dafür, dass er sogleich die passende Beleidung parat hatte. „Es freut mich Euch kennenzulernen, Prinz Lore. Das lange Warten hatte sich wohl gelohnt, denn nie zuvor habe ich einen so edlen Mann gesehen!“, sagte Aria und lächelte verlegen. Der Prinz hatte nur ein Nicken und ging weiter. Da hielt ihn sein Vater an der Schulter zurück. „Hast du der Dame nichts zusagen?“, fragte er, weil er nicht wollte, dass sein Sohn die angereiste Prinzessin einfach so stehen ließ. Darauf hatte sein Sohn nur gewartet. „Natürlich, ich bitte um Verzeihung. Prinzessin Aria…Einen guten Rat für die Zukunft. Tragt nicht nich mehr Schmuck als Ihr tragen könnt. Wir wollen ja nicht, dass Ihr dabei Euren dürren Hals brecht!“, sagte er. „Ich will Euch nicht!“

Prinzessin Aria wurde blass vor Entsetzen und nun schien der schwere Schmuck doch noch sie nachunten ziehen. Oder lag es vielmehr an seinen harten Worten.

Der König wollte sogleich was darauf erwiedern, ihn massregeln, doch da kündigte der Zeremonienmeiser die nächste an. „Gräfin Sarina, von Genian!“

Die nächste Dame war etwas kleiner und etwas nunja, kräftiger gebaut. Hatte rosane Wangen und kleine Augen. Eine wahre Schönheit nicht gerade und darin sah der Prinz noch mehr Gründe, auch diese mit seinem Spott nicht zuverschonen. „Frau Gräfin, reizend Euch kennen zulernen. Und wie ich sehe, seid Ihr sehr wohlhabend, wieso sonst würde man sich Euren wunderbaren Körper erklären. Nur verzeiht, wenn ich Euch nicht will. Wenn ich eine Frau wie Euch haben wollte, dann würde ich doch lieber gern ein Schwein heiraten. Das ist noch pflegeleicht!“, bemerkte er und sah mit kindischer Genugtuung, wie auch die Gräfin vor lauter Entrüstung die Fassung verlor. Sie schnappte nach Luft und fäscherte sich Luft zu. „Das…das ist unerhört!“, keuchte sie. Eine der Hofdamen, die sie begleitet hatten, eilte herbei und stützte sie. Doch dem Prinzen interessierte es nicht, sondern ging zur Nächsten. Der Zeremonienmeister, der etwas unsicher war, schaute zum König, dem deutlich gleich der Kragen zu platzen drohte. Sich aber dennoch auf eine Berührung seiner Frau hin, zusammen halten konnte und dem Mann mit einer ungeduldigen Geste sagte, er solle fortfahren.

„Baroness Birina von Ho-Hingen!“, sagte er und eine weitere schöne Frau mit blonden hochgesteckten Haaren verneigte sich vor ihm. Lächelte, als ob sie noch nie was anderes getan hatte. Eigentlich nichts worüber man sich lustig machen konnte. Und sonst schien ihm an ihr nichts aufzufallen, was er gegen sie wenden konnte. Doch als er ihr in die Augen sah, sah er…nichts. Als würde er in die Augen einer schönen Porzellanpuppe schauen. Es waren die Augen von jemandem, der nicht selbst denken konnte und sein Leben von anderen bestimmen ließ. Und solch eine Frau wollte er nicht. Er warf einen kurzen Blick zu seinem Vater, der ihm wiederum einen warnenden Blick zu warf, der deutlich sagte, dass er es nicht zuweit treiben sollte. Doch Lore ignorierte ihn und wandte sich an die Baroness. „Ihr gefallt mir, Baroness. Aber ich frage mich, was Euch hierherbringt. Ihr scheint nicht zu den anderen zupassen!“, begann er und wählte seine Worte sorgsam. Sie war makellos und perfekt, dennoch wollte er sie ebenso blossstellen. „Ich bin ja auch nicht hier, um zu den anderen zu passen. Zu Euch will ich passen, Prinz Lore!“, waren die Worte der Baroness und lächelte umso mehr. „Was habt Ihr bisher so von mir gehört, dass Ihr mich treffen wollt?“, fragte er. „Nur dass Ihr schön seid. Das reichte mir vollkommen!“

„So, weil ich ein schöner Mann bin, seid Ihr hier? Aber das ist auch irgendwie logisch, findet Ihr nicht? Zu einem schönen Mann passt eben eine schöne Frau!“

„Da bin ich ganz Eurer Meinung!“

„Und das meine Eltern und damit auch ich kaum Geld haben und die Heirat nur den Nutzen hat, damit sich dies ändert, ist Euch allerlei?“

„Mir ist alles gleich. Hauptsache wir können zusammen sein!“

„Und was, wenn ich Euch behandle, wie den letzten Dreck. Würdet Ihr immernoch mit mir zusammen sein wollen?“

„Ich würde bei Euch bleiben wollen, selbst wenn Ihr tausend andere neben mir hättet. Denn ich liebe Euch mehr als mein Leben!“

„Wie könnt Ihr das sagen. Ihr seht mich zum erstenmal?“

„Ein Blick reichte schon, damit ich an Euch mein Herz verlor!“, erklärte sie und Prinz Lore war sich nun umso mehr sicher, dass er vor sich nichts weiter hatte, als eine Puppe, die keinen eigenen Willen hatte und sich auch noch was davon versprach. Es wurde Zeit, dass er ihr die Augen öffnete. „Ihr mögt zwar schön sein. Aber ich will eine Braut, die etwas im Kopf hat und keine Puppe ist, die ihr Leben von anderen bestimmen lässt und keinen Willen hat. Ich will Euch nicht!“

Nach diesen Worten schwand das Lächeln und sie sah ratlos aus. Lore ließ sie stehen und bevor der Zeremonienmeister die nächste vorstellen konnte, ließ er an der nächsten seinen Spott freien Lauf. Diesesmal war dieser berechtigt, denn die nächste hatte ihre jungen Jahren schon längst hinter sich gelassen und wäre mit ihrem Alter gut und gern als seine Mutter durchgegangen. Zumal war sie dürr und die hoffnungslose Mühe, ihre Faltern mit Puder zukaschieren, gaben dem ganzen noch den Rest. Er blieb vor ihr stehen, maß sie kurz mit seinem Blick ab und wandte sich an seinen Vater. „Wollt Ihr Euch über mich lustig machen oder habt Ihr einfach nur einen fragwürdigen Humor, Vater. Wollt Ihr mich wirklich mit einer Frau verheiraten, die ihre besten Jahre schon hinter sich hat?“, fragte er mit hörbarer Enttäuschung und wandte sich der Dame zu. „Nehmt es mir nicht übel, aber Ihr seid mir eindeutig zualt. Kommt wieder, wenn ich genauso alt bin wie Ihr. Aber dann wärt Ihr mir vermutlich immernoch zualt. Vermutlich schon längst tot!“

Dann schritt er weiter und verzischtete auf ein längeres Gespräch mit anderen Frauen, da es ihm langsam reichte und zulangweilig wurde. Stattdessen zeigte er auf sie und sagte das nächstbeste, was ihm gerade in den Sinn kam. „Langweilig. Dumm wie Stroh. Aufgetackelte Henne. Hoffnungsloser Fall. Will ich nicht. Will ich nicht und will ich auch nicht!“

So ging das bis zum Schluss, als er bei der letzten ankam. Der Zeremonienmeister, der sichtlich unglücklich war, nicht mehr zu Wort zukommen, klopfte mit dem Stab auf den Boden und sagte in einer erschöpften Tonlage:„ Prinzessin Rari aus Lorien!“

Gerade wollte der Prinz auch bei dieser ein einziges boshaftes Kommentar von sich geben. Doch diesesmal verschlug es ihm die Sprache, als er die junge Frau wiedererkannte, die da vor ihm stand. Es war die Frau, die er im Wald begegnet und aus eigener Unvorsicht aus dem Sattel geworfen hatte. Sprachlos blickte er zu ihr. Sie war also auch eine Prinzessin oder Gräfin oder was auch immer, die sich als Anwärterin für den Thron neben dem seinen bewarb und auch wenn sich etwas in ihm freute sie zu sehen, war der Trotz und der Groll, den er für sie gehegt hatte, umso stärker. „Wen sehe ich da? Schwester Hochmut. Seid Ihr heil hier angekommen, oder wart Ihr wieder so ungeschickt und seid aus dem Sattel gefallen?“, fragte er sodann und erntete von der Prinzessin nur ein zurückgehaltenes Lachen, während sein Vater nun wirklich genug hatte. „Prinz Lore, nun reicht es aber. Wie kannst du sie…!“, tobte er, doch die Prinzessin ergriff das Wort, machte eine höfliche Verbeugung zum König und sagte zur Entschuldigung:„ Verzeiht, Eure Majestät. Euer Sohn begrüsst nur die Dame, die er aus reinem Übermut aus dem Sattel geworfen hat und sagte mir gerade noch vor wenigen Stunden Nimmerwiedersehen!“, dann wandte sie sich dem Prinzen zu. „Prinz Lore, wie Ihr seht war Euer Wunsch voreilig und wir sehen uns doch wieder!“

„Leider!“, sagte der Prinz und konnte seinen Ärger nur mässig zurückhalten. Nicht schon schlimm genug, dass es ihr gelungen war, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Jetzt musste er sehen, dass sie ihn absichtlich gettäuscht hatte, um vermutlich ihre Chancen, dass er sie erwählte, zu erhöhen. Doch mit ihm nicht. Mochte sie noch so schön und gewitzt sein. Ihm war seine Freiheit wichtiger. So sah er sie mit finsteren Blicken an und blendete ihr schönes Gesicht aus. „Und wie ich sehe, habt Ihr nun Euren Mantel abgelegt. Eigentlich ein Jammer. Denn so sieht man nun Euer Haar!“, sagte er kalt und deutete damit auf ihren Haarschopf, der kohlrabenschwarz und etwas schwer zu bändigen. Die Prinzessin sah nun auch auf ihre Haarspitzen und schien zum ersten Mal nicht zu begreifen, was er damit meinte. Das gefiel dem Prinzen natürlich, denn nun hatte er einen Trumpf im Ärmel und den spielte er nun vollundganz gegen sie aus. „Findet Ihr nicht auch, Vater, dass ihr Haar so unordentlich und schwarz wie das Gefieder eines Raben ist!“, sagte er süffisant und grinste dabei verächtlich. „Ich finde, sie sollte den Namen Rabenhaar tragen und nicht Rari, da dieser nicht zu ihr passt!“

„Prinzessin Rabenhaar?“, fragte die Prinzessin irritiert, die eigentlich anderes erwartet hatte. Dass der Prinz solch einen Namen für sie parat hatte, enttäuschte sie allerdings. Sie hatte gehört, wie er die anderen beleidigt hatte und war sich sicher, dass er noch viel Schlimmeres zusagen hatte. Aber nun war sie etwas enttäuscht. Dem Prinzen allerdings schien das nicht aufzufallen, denn er wandte ihr den Rücken zu und rief ganz laut. „Prinzessin Rabenhaar soll sie von heute an heissen. Verkündet es im ganzen Königreich!“

Ein entsetztes und empörtes Raunen ging durch die Menge. Nur die vermeintlich unglückliche Prinzessin Rari schien sich davon nicht aus der Fasung zu bringen. Ruhig blickte sie zum Prinzen, der in ihren Augen immer mehr einem verzogenen Kind ähnelte, dass alles und jeden beleidigen musste, nur um zuzeigen, dass man ihn nicht zu etwas zwingen konnte. „So eine Frechheit!“, kam es von der Gräfin. „Er als Prinz sollte sich wirklich schämen, seinen Spott mit uns zutreiben!“, schimpfte die Prinzessin, die mit der Last ihres Schmucks immernoch zu kämpfen hatte. „Verprügeln sollte man ihn!“, giftete die ältere. „Und ihr, König Argu. Lasst Ihr ihn das etwa durchgehen? Seht doch nur, wie Euer Sohn uns behandelt. Jede einzelne hat er verschmäht und beleidigt. Wollt Ihr Euch das wirklich bitten lassen?“

Nun schlossen sich alle anderen ein, die bisher geschwiegen hatten und verwünschten und besschimpften sowohl den Prinzen als auch den König, weil er in ihren Augen nicht in der Lage war, seinen Sohn in die Schranken zu verweisen.

Dem König reichte es nun. Endgültig. Wütend und erbost über das unverschämte Verhalten seines Sohnes und weil er nicht länger untätig zusehen wollte, wie sein Sohn noch soweit ging, dass das ganze in einem Unglück endete, stand er von seinem Thron auf und hob den Finger, zeigte auf den Prinzen, der lachte, als hätte er einen guten Scherz gemacht. Doch dieses erstarb, als er die wütende Stimme seines Vaters hörte:„ Alle meine Gäste hast du beleidigt und bis aufs Blut wütend gemacht. Ich werde mir das nicht länger bieten lassen. Die erste Bettlerin, die unter meinem Tore geht, werde ich dir zur Frau geben!“

Nun machte ein erstauntes Raunen die Runde, und zum ersten Male war nun der Prinz, der verwirrt und überrascht war. Hatte er sich da verhört?

Wollte sein Vater ihn tatsächlich mit einer Bettlerin vermählen.

Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein!

Hatte sein Vater nun völlig den Verstand verloren. Nicht mal er würde sowas wirklich tun und das wusste Lore auch.

„Eine Bettlerin?“, fragte er und drehte sich zu seinem Vater herum. In seiner Stimme war deutlich Hohn und auch Unglauben zu hören. Der König erwiederte darauf gar nichts, sondern sah seinen Sohn nur wütend an. Einige Minuten sahen sich Vater und Son so an und Lore konnte sich dem unguten Gefühl nicht erwehren, dass er es ernst meinte. Doch der Prinz straffte stolz die Schultern. Wenn sein Vater immernoch nicht genug von diesem unsinnigen Spiel hatte, dann würde er mitmachen. So oder so. Sein Vater verlor. Dann wandte sich Lore ab und schritt zur großen Flügeltür, um den Thronsaal in dem das ganze Theater stattgefunden hatte, zuverlassen. „ Hört endlich auf, solch einen Unsinn zureden, Vater!“ sagte er zuletzt und in seiner Stimme schwang ein Lachen mit. Das sorgte natürlich umso mehr dafür, dass die eingeladenen Damen voller Entsetzen und Empörung loszetterten. Und der König, der das schändliche Benehmen seines Sohn leid war, wurde noch wütender dabei, als er es jetzt schon war und schrie seinem hochmütigen Sohn hinterher, damit er es auch hörte:„ Die nächste Bettlerin!“
 

Gut gelaunt und mit dem sicheren Gefühl, auch dieses Spiel gewonnen und es auch endlich einfürallemal beendet zuhaben, zog sich der Prinz auf seine Gemächer zurück und begann sich aus der, für ihn vielzuengen, Festtagskleidung zu befreien. Wenn Vater glaubt, dass er mich soschnell unter die Haube bringt und mich jetzt mit so einer Drohung beeindruckt, hat er sich mächtig gettäuscht, dachte und zog sich etwas bequemeres an. Da trat seine Mutter ins Zimmer und sah ihren Sohn mit sorgenvoler Miene an. Sie hatte es sich lange genug ansehen müssen, wie ihr Sohn ihren Mann und umgekehrt prvoziert hatte und wusste, dass der König seine Drohung auch wahr machen würde. Sie hatte gesehen, dass seine Geduld mit seinem Sohn sich langsam dem Ende neigte und er ihm eine Lektion erteilen wird. Und sie fürchtete sich, dass dadurch die tiefe Kluft, die zwischen den beiden lag, noch tiefer werden würde, sodass sie allesamt ins Verderben stürzten. „Diesesmal bist du zuweit gegangen. Ich habe deinen Vater noch nie so wütend erlebt!“, warf sie ihm zum teil vor, aber sagte es auch als gutgemeinte Warnung, doch ihr Sohn hob gleichgültig die Schultern. „Ich sagte bereits, dass ich keine Frau will. Wenn er so stur ist, und es nicht versteht, werde ich genauso stur sein. Mir ist meine Freiheit zu kostbar, als dass ich sie an einem Weib verschwende, dass nur faul im Schloss herumsitzt und den lieben langen Tag mein Vermögen mit beiden Händen aus dem Fenster wirft!“, sagte er dann und seine Mutter musste die drauffolgender Erwiederung krampfhaft hinunterschlucken. Sie atmete einmal tief durch, um die richtigen Worte zufinden. Immerhin sie wollte Ruhe bewahren und es noch einmal versuchen, ihrem Sohn ins Gewissen zu reden. „Dein Vater wird die Drohung wahrmachen, sei dir das bewusst, Lore. Ich kann dir nur raten, hinunter zugehen, dich zu entschuldigen und eine der Bewerberinnen als Frau zu wählen!“, waren ihre gutgemeinten Worte, doch diese stiessen bei dem Prinzen auf taube Ohren. Er dachte nicht daran, nachzugeben. Er sah sich schließlich im Recht. So ließ er ein kurzes, trotziges Lächeln über seine Lippen tanzen und wandte sich anderen Dingen zu, die ihm wichtiger erschienen.
 

Einige der geladenen Damen blieben noch eine Weile, auf Bitten des Königs und als Entschuldigung, die sie nur mit größter Fassung annahmen und es sich in den Gästezimmern gemütlich machten. Natürlich wollten sie dem König dafür strafen, dass er seinen Sohn, nach ihrer Meinung, nicht richtig erzogen hatte und tranken und aßen, wann es ihnen beliebte. Dennoch war der Groll, den sie dem Prinzen gegenüber hegten noch vorhanden und schimpften und tratschten, wann immer sie konnten. So auch an diesem einen Tag, standen sie auf dem Balkon und ließen ihren Ummut und ihren verletzten Stolz freie Luft, als sie plötzlich etwas hörten und neugierig lauschten. Zuerst war es ganz schwach, doch dann wurde es lauter, und man konnte erkennen, dass da jemand sang.
 

Ich wanderte den Pfad entlang

durch das neblige Moor

Wie er, wie ich wusste, es tausende Mal zuvor tat

Stimmen schienen zu wiederholen

"Komm, sprich eine Weile mit mir"

Nur noch um die Ecke

nur noch eine Meile…
 

Eine zerlumpte Gestalt trat unter dem Torbogen hervor und schritt barfuss in den Innenhof des Schlosses. Auch die Diener und die Mägde bemerkten nun den Gesang und hielten in ihrem Treiben inne. Blieben stehen und sahen zu dem Mädchen, das an ihnen vorbeilief und wie in einem Traum versunken weitersang.
 

Ich hatte die Geschichten gehört,

Ihre Legende machte sie wohlbekannt

Die Sage und die Mythe über eine Geheimnisvolle

Wahrheit oder Märchen

Eine seltsame Zigeunerin

mit einem zahnlosen Lächeln

sagte "Setz dich mit mir, Darling, lass uns ein wenig reden"
 

Und die Straße geht weiter,

scheint immer länger zu werden,

auf dem Weg nach Mandalay

Und die Straße geht weiter,

ich werde für immer laufen

auf dem Weg nach Mandalay
 

Die Schadenfreude der edlen Damen war groß, als sie erkannten, dass es sich herbei um eine junge Bettlerin handelte. Die erste, die durch das Tor geschritten war und nach einer Belohnung ihres Gesangs bat. Aufgeregt begann sie zu tuscheln. „Seht nur. Ein Mädchen!“, sagte die eine. „Ein singendes Mädchen!“, kam es von der anderen. „Eine Bettlerin!“, platzte es nun auch der nächsten überflüssigerweise, doch das machte nichts. Auf den Gesichtern der Verschmähten erschien ein breites Grinsen. „Das ist die Erste, die hier auftaucht!“, sagte nun die erste wieder höhnend. „Hol den König. Er muss es wissen!“

Sogleich eilte eine von ihnen davon, holte den König herbei und alle zeigten ihm, wer da gekommen war.
 

Die Meile wurde ewig,

Minuten werden zu Tagen,

Könnte ich in die Irre geführt worden sein

von den mystischen Wegen?

Der Moment dauert ewig

Zuletzt ist er für mich gefangen zwischen dem,

was geschah, und dem,

was niemals sein konnte...
 

Auch der Prinz hörte den Gesang und sein Herz schlug mit einem Male schneller. Zuerst dachte er, es würde an dem Gesang liegen, der so lieblich und rein klang, wie der eines Vogels, doch dann wurde ihm angst und bange. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. So schnell wie möglich und um sicher zusein, dass es nur eine der Mägde war, die da sang, schritt er zum Fenster und blickte hinunter in den Hof. Und zu seinem Schrecken sah er, dass es sich hierbei nicht um einer Magd handelte. Stattdessen sah er da eine kümmerliche Gestalt mitten auf dem Hof stehen, umgeben von den Dienern und anderen Bewohnern des Schlosses, die das Mädchen mit großen Augen und offnestehenden Mündern ansahen und aufgeregt mit einander sprachen. Eine Bettlerin, da steht doch tatsächlich eine Bettlerin, schrie es in seinerm Inneren und war kurz davor gewesen, die Wachen anzuschreien, das Mädchen aus dem Schloss zu werfen. Doch es war zuspät. Denn sein Vater hatte sie ebenso erblickt und als er sah, wie die Frauen, die er so dreist beleidigt und gedümtigt hatte, auf seinen Vater einreden sahen, schwand ihm jede Hoffnung. Nur noch dumpf hörte er, wie sein Vater das Bettelmädchen in sein Schloss befahl und dann ihn in den Thronsaal riefen ließ.

Benommen und ohne einen klaren Gedanken stand er neben seinem Vater, der auf dem Thron saß. Ebenso die Königin. Alle drei blickten zu dem Mädchen, das nur in Lumpen gekleidet war und barfüssig darstand. In ihren Händen hielt sie ein Bündel aus schmutzigem Stoff, das sie fest an sich presste, als würde sie es vor Schrecklichem bewahren. Um ihren Kopf hatte sie einen Schall gewickelt, die ihr Gesicht beinahe gänzlich verbarg. Nur einige verschmutzte Haarsträhnen lugten hervor. Zitternt und mit Angst in den Augen blickte das Mädchen auf seine nackten Füsse und ließ nur flüchtig den Blick zum Königspaar und dessen Sohn wandern. Die Frauen, die die Ankunft des Bettelmächens erfreut und den König geholt hatten, wechselten vielsagende Blicke. Sie waren hähmisch, schadenfroh und spottend. „Seht sie Euch nur an. Heruntergekommen. Hat nichts und ist nichts!“, kam es leise von der dicken Gräfin und die Alte sagte daraufhin verächtlich:„ Dann passt sie ja außgezeichnet zu ihm!“

Der Prinz hörte dies und sein Magen fühlte sich eiskalt an. Sein Herz schlug schneller und schneller und er konnte das Schlagen bis zum Halse hinaufspüren. Er konnte nicht die Augen von dem Häufchen Elend lassen, was da vor ihnen stand. Ihr Gesang schien nicht so recht zu ihrem Aussehen zu passen und dass sie ihr Gesicht verbarg, konnte auch nur bedeuten, dass sie hässlich sein musste, wie die Nacht. Und mit solch einer wollte sein Vater ihn wirklich verheiraten?

Ungläubig und nervös sah er seinen Vater an, der wiederum die Ruhe selbst zusein schien. Nach langem Schweigen, bei dem er das Mädchen deutlichst in Augenschein genommen hatte, sagte er dann:„ Mädchen, dein Gesang hat mir sehr gefallen. Leider kann ich dir kein Gold dafür geben. Jedoch aber meinen Sohn. Er soll von heute den Mann sein!“

Ein Ruck ging durch das Mädchen und durch den Prinzen, als der König diese Worte aussprach und während der Prinz seinen Vater ansah, als habe er den Verstand verloren, schaute das Mädchen erstmals auf. Auch in ihrem Blick war das blanke Entsetzen und der Unglaube zusehen. Die Damen stiessen Freudenrufe aus, die sie geschickt hinter vorgehaltener Hand oder Fäscher verbargen, sodass man sie nur dumpf hören konnte. Doch das überhörten das Königspaar und der Prinz. Nun konnte sich der Prinz seine Braut ansehen und auch wenn ihr Gesicht mit Russ und Schlamm bedeckt war, so konnte man nicht behaupten, dass sie hässlich war. Aber das spielte für den Prinzen keine bedeuntgsvolle Rolle. Sein Vater wollte ihn wirklich mit dieser vermählen!

Er machte also seine Drohung wahr. Wie es seine Mutter prophezeit hatte!

Sein Hals schnürte sich zu.

„Was? Aber…ich bin doch nur eine Bettlerin!“, kam es erstickt von dem Mädchen und machte zaghaft einen Schritt auf den König zu. „Bitte, Eure Hoheit. Treibt keine üblen Scherze mit mir. Ich habe doch nichts. Nur das, was ich hier in meinem Bündel trage!“

„Ich treibe keine üblen Scherze mit dir, Mädchen. Es ist mein Ernst. Mein ersten und einzigen Sohn, sollst du zum Manne nehmen!“, sagte er de König und kein einzigen Wort ließ daran Zweifel zu. Dabei sah er Lore an und sein Blick duldete weder ein Wort noch etwas anderes, was einem Widerspruch gleichkam. Wobei dem Prinzen tausend Dinge und Sätze durch den Kopf gingen, die er aussprechen und tun wollte. Doch der Blick seines Vaters zwang ihn, seine Zunge zuhüten. Er fühlte sich nun so hilflos wie kleiner Junge, der er einmal war. Diesemal konnte er nicht seiner Strafe entgehen. Und das schlimmste war, dass seine Mutter ihm diesesmal nicht zur Seite stehen konnte. Denn sie hatte ihn noch vorher gewarnt. Hätte er nur auf sie gehört und sich entschuldigt. „Vater…du kannst doch nicht!“, wagte er dennoch einen schwachen Versuch. Aber sein Vater war unerbittlich. „Alle anderen hochwohlgeboren Frauen wolltest du nicht. Da wirst du halt eine Frau nehmen, die nicht so reich und adelig ist. Was Besseres hast du nicht verdient!“, sagte er hart und jedes Wort schmerzte dem Prinzen mehr als das es ein Messer vermochte. Fassungslos über die plötzliche Kälte seines Vaters konnte er nur den Kopf schütteln und blickte zu dem Mädchen, seiner Braut, dessen Gesicht trotz dem Schmutz blass geworden war. Ihr schien es nicht anders zu ergehen. Sie wollte ihn ebenso wenig, wie er sie wollte. Und das sah er als seine einzige Möglichkeit, alles doch noch zum Guten zu wenden. Zu seinem Guten natürlich. „Du siehst doch, dass sie mich nicht will!“, sagte er und zeigte auf sie. „Ob sie will oder nicht, ist mir gleich. Du wirst dieses Mädchen heiraten!“, schnaubte der König und winkte das Mädchen näher heran. Dieses zitterte noch immer, folgte dennoch seinem stummen Befehl und trat näher heran. Der König erhob sich, befahl seinem Sohn neben das Mädchen zutreten. Prinz Lore aber hörte nicht. Blieb stehen wie angewurzelt und balte die Fäuste. „Prinz Lore!“, sagte sein Vater nur und deutete auf den Platz neben der Bettlerin. Nun war es an der Königin einzuschreiten. Sie erhob sich vom Thron, ging zu ihrem Sohn und legte die Hand auf seine Schulter. „Lore, sei vernünftig. Du hast deinen Vater genug gereizt. Nun mache es nicht noch schlimmer, als es jetzt schon ist!“, sagte sie beschwichtigend und Lore sah sie ebenso entsetzt an, sowie er es bei seinem Vater getan hatte. Und wieder fühlte er sich verraten und verkauft. Sein Hals wurde immer enger, bis er glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Sogar seine Mutter wollte ihn dazu zwingen, auch wenn sie es längst nicht so hart sagte, wie der König.

Wollten ihn alle ins Unglück stürzen?

Es nicht glaubend wollend, blickte er zu seiner Mutter, die ihn darum bat, seinem Vater zu folgen. Dann zu seinem Vater, der gebieterisch dastand und ihm befahl, das Mädcjhen zu heiraten. Und ihm wurde bewusst, dass er bocken und wiedersprechen konnte, wie er wollte. Aber den Willen seines Vaters konnte er nicht brechen. Diesesmal nicht.

Wie an Fäden gezogen, nicht in der Lage klar denken zu können und hilflos, schritt er zu seinem Vater, neben seine Braut und ließ zu, dass sein Vater ihre Hände nahm und ineinander legte. Lore schüttelte es, als er spürte, wie rau und schmutzig ihre Hände waren. Und mit solch einer soll ich…, dachte er sofort und verwarf den Gedanken wieder. Lore musste dem Drang wiederstehen, seine Hand aus ihrer zu ziehen. Dennoch konnte er nicht anders, als die Finger zu öffnen, die sein Vater vorher noch über die des Bettelmädchens geschlossen hatten hatte. Nagut, dann werde ich dieses Nichts heiraten, das heisst aber noch lange nicht, dass ich bei ihr bleibe, dachte er voller Zorn und blickte auf seine Gattin, die den Kopf gesenkt hatte. Sie schien ebenso abgeneigt davon zusein, ihn zum Mann zubekommen. „Sobald wir diesen Thronsaal verlassen haben, schicke ich sie fort. Mit ihr werde ich bestimmt nicht das Bett teilen!“, dachte er sich und sah zu seinem Vater, der nichts von dem Gedankengang seines Sohnes zuahnen schien.

„Hiermit erkläre ich Euch nun zu Mann und Frau!“, sagte dieser und schritt zurück. Dann wandte er sich direkt an seinen Sohn und seine Miene wurde noch härter. „Da du nun mit einer Bettlerin verheiratet bist, schickt es sich nicht, dass du weiterhin hier lebst. Nimm dein Weib und verlasst das Königreich!“

Lore glaubte in ein tiefes Loch zufallen, als er diese Worte aus dem Munde des Mannes zuhören bekam, der sein Vater war.

Was hatte er da gesagt?

Hatte er das wirklich ausgeprochen?

Oder spielten seine Ohren ihm einen bösen Streich?

Doch dann drangen die Worte tiefer in sein Bewusstsein und als er in die Augen seines Vaters sah, wusste er, dass das keine Täuschung war.

„Was sagt Ihr da, Vater?“, fragte er, weil er nur langsam verstehen konnte und es nicht wahrhaben wollte. „Du hast mich verstanden, Lore. Du bist nun kein Prinz mehr, sondern der Mann einer Bettlerin. Ein Bettler und solch einer hat kein Anrecht, hier zuleben!“, fuhr er weiter ungerührt fort und Lore spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Er taumelte für einen kurzen Moment, dann fing er sich wieder. Rang um Fasung und darum, seine Stimme fest klingen zulassen. „Vater, das kann nicht Euer Ernst sein! Wohin soll ich gehen?“

„Das musst du selber sehen, Lore. Geht nun!“, sagte der König und gab den Wachen das Zeichen den Prinzen und seine Bettlerfrau aus dem Schloss zu bringen. Zuerst wehrte sich Lore erbittert, flehte und schimpfte seinen Vater an. Doch dieser ließ sich nicht rühren. Mit schweigender und stummer Miene blickte er zu seinem Sohn. Nur die Königin schien den Tränen nahe. Sie konnte ebenso wenig wie ihr Sohn glauben, was gerade passierte und er fragte sich sogleich, warum sie nicht einschritt. Warum sie dies sondern zuließ und der groll übertrug sich auch auf sie. „Tut doch was, Mutter. Steht nicht da und seht zu. Tut etwas!“, flehte er mit seinen Blicken, doch die Königin ertrug es nicht und sah weg.

In Lore wurde es eiskalt, als er feststellen musste, dass nun auch seine Mutter ihm nicht mehr helfen konnte, oder gar wollte.

Was hatte er nur getan, dass sie ihm so derartig in den Rücken fiel?

Mittlerweile hatte er seinen Widerstand verloren und ließ sich von den Wachen hinaufführen. Hörte dabei nicht das schadenfrohe Gelächter der Verschmähten. Es war ihm gleich. So war es ihm auch gleich, als die schweren Türen krachend zufielen und deutlich zeigten, dass er nie mehr zurückkehren würde.

Goldkelchen

Draußen wartete bereits eine schäbige Kutsche, vor der zwei ebenso schäbig aussehenden Pferden gespannt waren und in die er ohne Wiederstand duldent, hineingeschoben wurde. Seine Frau folgte ihm und setzte sich ihm gegenüber. Lore sah sie voller Zorn an, da er sie ebenso für sein Unglück verantwortlich machte. Wäre sie doch bloss nicht hierher gekommen. Er hätte den Wachen heimlich den Befehl geben sollen, jede Bettlerin, die es wagte unter das Tor durchzuschreiten, wegzuschicken. Warum hatte er es nicht gemacht?

Weil er an den Worten seines Vaters gezweifelt hatte und sie für leere Drohung gehalten hatte. Dies wurde ihm nun zum Verhängiss.

Nun musste er sich in seinem neuem Leben zurechtfinden.

Nocheinmal warf er einen sehnsüchtigen und schmerzlichen Blick zum Schloss seines Vaters. Sah wie es immer kleiner wurde und dann hinter einer Kurve verschwand. Der Prinz rang um Fassung und kämpfte mit den Tränen.

Es kostete ihn alle Kraft. Zumal er auch einen gewaltigen Groll auf das Bettelmädchen hatte, dem er noch größere Schuld gab. Zugerne hätte er es angeschrien und sie dafür bestraft, dass sie sein Leben so leichtfertig runiert hatte. Doch er riss sich zusammen. Es würde nichts an seiner Misere ändern. So sah er aus dem Fenster und verabschiedete sich von allem.

Die Kutsche ließ den Wald bald schon hinter sich und rollte dann über eine Brücke, die sich über einen breiten Fluss spannte. Als die Räder über diese rollten und das Holz unter dem Gewicht der Kutsche ächzte, zog sich der Magen des Prinzen zusammen. Das Echo hallte in seinen Ohren wieder. Drohte ihn taub zumachen und ließ sein Herz schneller schlagen, vor Panik. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. Mit dem Überqueren der Brücke, hatten sie die Grenze überschritten, die das Reich seines Vaters vom anderen trennte. Nun war er wirklich heimatlos. Ein ausgestossener. Verbannt aus dem Reich seines eigenen Vaters und ihm war nach weinen zumute. Nur schwer konnte er an sich halten. Wäre er nicht dazu erzogen worden, stets Haltung zu bewahren, so hätte er seinem Zorn und seiner Verzweiflung freie Luft gemacht. Doch selbst wenn, so war er sich dazu viel zu stolz. Auf keinen Fall wollte er vor diesem Bettelmädchen, das sein Unglück geworden war, zeigen, wie es in ihm aussah. Stattdessen konzentierte er sich lieber darauf, sie dafür zuhassen. Wiedereinmal sah er sie mit bohrenden Blicken an und wünschte sich, sie würde tot umfallen. „Hört endlich auf, mich so anzusehen. Ihr tut gerade so als sei ich der Grund für Euer Missgeschick!“, sagte plötzlich das Bettelmädchen und holte ihn aus seinen Gedanken. Diese Worte ließen ihn noch wütender werden und seine Blicke wurden mörderisch. „Doch, das bist du. Wärst du nicht vor dem Tore meines Vaters aufgetaucht, würde ich im Schloss meines Vaters bleiben dürfen!“, zischte er und machte eine verachtende Handbewegung nachdraußen. Das Gesicht des Bettelmädchens wurde bitter. „Wenn ich es nicht gewesen wäre, wäre es eine andere. Euer Vater schien nicht in seinem Entschluss wanken zuwollen!“, sagte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu:„ Bildet Euch nicht ein, dass ich mich freue, so einen verzogenen Bengel als Mann zu bekommen!“

Der Prinz schnappte nach Luft, als er dies hörte und war für einen kurzen Moment völlig sprachlos. Das Mädchen war wie aufgewechselt. Im Schloss seines Vaters war sie verängstigt und schüchtern gewesen. Hatte selber versucht dem König seinem Befehl zu wiedersprechen. Nun aber zeigte sie Krallen, wie eine Katze. Und irgendwie bewunderte er sie für ihre mutigen Worte. Er war es gewohnt, dass Menschen, die einem niederen Stand angehörten, ehrfürchtig vor ihm neiderknieten. Aber dieses freche Ding kannte wohl weder Respekt vor einem Adeligen noch wusste sie, wie sie sich in der Gegenwart eines solchen zuverhalten hatte. Dabei war sie bei seinem Vater recht folgsam gewesen. Lag es etwa daran, dass sein Vater ein König war und er nur der Thronfolger.

Oder dass er sein Anrecht auf den Thron verloren hatte?

War er deswegen in ihren Augen nichts mehr wert?

Lore wollte nicht länger darüber nachdenken, sondern schluckte seinen Ärger und seine Verblüffung runter und sah sie grimmig an. „Was erlaubst du dir mich einen verzogenen Bengel zunennen. Du bist nichtmal mehr wert, als ein Stück Vieh!“, schimpfte er. „Wenn ich gewusst hätte, welch Frau mir mein Vater aufzwingt, hätte ich eine von den anderen Weibern genommen. Die waren wenigstens noch adelig!“

„Wieso habt Ihr dann keine von Ihnen genommen, wenn Euch ein Bettelmädchen nicht gutgenug ist?“, fragte sie dann und nahm ihm somit allen Wind aus den Segeln, da sie nun etwas angesprochen hatte, was dem Prinzen wertvoller war, als Reichtum und was er für immer verloren hatte. Weil sie ihn dort getroffen hatte, wo e sihm am meisten schmerzte. Prinz Lore presste hart die Lippen aufeinander, wollte darauf etwas erwiedern, doch er fand nicht die richtigen Worte, weil ihm wieder vor Augen geführt wurde, was ihn erwartete und er nicht weiter darüber nachdenken wollte. „Das geht dich nichts an!“, knurrte er nur und schaute wieder aus dem Fenster. Sah wie sich der Tag dem Ende neigte. So wie sich sein altes Leben langsam dem Ende neigte. Unerbittlich und ohne die Hoffnung, es aufzuhalten und wieder versank er in trüben Gedanken.
 

Igrendwann hielt die Kutsche und ließ den Prinzen hochschrecken. Mittlerweile war es dunkel geworden. Wie lange waren sie eigentlich gefahren?

Für Lore war die Zeit verloren gegangen. Er war eingeschlafen. Wusste erstmal nicht wo er war. Zuerst dachte er, er hätte alles nur geträumt und würde sich nun in seinem Zimmer wiederfinden. Doch als er die dunklen Holzwände der Kutsche sah und das Bettelmädchen, welches ihm gegenübersaß und genauso schlief, wusste er, dass er nicht geträumt hatte. Ein schaler Geschmack lag auf seiner Zunge und er hatte entsetzlichen Durst. Er wollte gerade den Wachen befehlen, ihm etwas zutrinken zu geben, als die Tür mit leisem Quietschen aufgemacht wurde und einer der Männer in der Öffnung auftauchte. Es war der Hauptmann. „Wir sind da!“, sagte er nur.

Das Mädchen erwachte nun auch und gähnte laut.

Der Prinz selber rührte sich nicht. Blickte nur den Mann an und wünschte sich, dass die Wache, das Mädchen hinauszerren und ihn wieder in das Schloss seines Vaters bringen würde. Stattdessen trat der Mann zurück und reichte dem Bettelmädchen die Hand, damit es aus der Kutsche steigen konnte. Prinz Lore fragte sich sofort, warum er das tat. Sie war doch bloss eine Bürgerliche. Nicht mal das. Eine Umherziehende. Eine jämmerliche Gestalt, gekleidet in schäbigen Lumpen und mit Manieren einer Kuh. Aber offentsichtlich sah der Hauptmann etwas anderes in ihr. Fast schon hätte er gelacht und eine abfällige Bemerkung gemacht, doch er verbiss sich diese und stieg dann selber aus. Streckte sich dann und schaute sich um. Sie hatten den Wald, den sie über Nacht durchquert hatten, hinter sich gelassen. Nun standen sie auf einer Strasse, die mitten durch eine Wiese führte. Wo es weit und breit nichts zu sehen gab, als sanft ansteigende Hügel und Blumen in jeder Art und Farbe. In der Ferne konnte er den dunklen Umrisse des Waldes sehen und ganz weit hinten, die Gifpel der Berge. Eigentlich eine wunderschöne Landschaft, aber Lore wollte diese Aussicht nicht geniessen. Weil er immer wieder daran denken muste, dass es nun soweit war. Dass er mit seiner Frau in sein neues Zuhause ziehen würde. Er sah zum Hauptmann, der sich aufeinmal ziemlich unwohl in seiner Haut fühlen musste, denn er wich den Blicken des Prinzen aus und machte sich daran schnell auf sein Pferd zukommen. Blieb aber mit seinen Männern an Ort stehen. Schienen auf etwas zuwarten. Der Prinz fragte sich auf was und wollte schon laut aussprechen, was er dachte. Da hörte er seine Frau sagen:„ Gehen wir?“

Er sah sie nur an. Das Mädchen war einige Schritte vorrausgegangen. Deutete zum Hügel vor ihr und Prinz Lore wäre am liebsten wieder in die Kutsche gesprungen. Doch der Hauptmann trat neben ihm, ließ ihm keine Möglichkeit, von seiner Seite zuweichen oder gar zu türmen. „Prinz Lore, bitte!“, sagte der Hauptmann und machte eine Bewegung mit dem Arm. Eine stumme Bitte, voran zugehen und seiner Frau zu folgen, die nicht darauf gewartet hatte, dass er sich bewegte. Lore sträubte sich noch einige Minuten.

Niemals würde er diesem Mädchen folgen!

Aber es war kalt und es wehte ein eisiger Wind. Lore fröstelte und stapfte dann ergeben zum Hügel hinauf. Oben angekommen, sah er wie seine Frau auf ihn wartete. Der Hauptmann senkte nur den Kopf und bat sie, weiter zugehen. Lore fragte sich wirklich, warum ein Mann wie er, eine wie sie so vornehm behandelte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sie den Hügel runtergeschubst. Das Mädchen ging weiter und die beiden Männer folgtem ihm. Bis sie vor einer Hütte standen. Trotz der Dunkelheit der Nacht, die sich auf sie hinabgesenkt hatte, konnte Lore die Umrisse seiner künftigen Behausung erkennen. Es war eine schlichte Holzhütte, dessen Dach etwas weiterhinaus ging und damit als Vordach diente. Ein Stapel Holzscheite war ordentlich unter einem davon gestapelt. Die Fenster wirkten viel zu klein, als das man den Kopf hindurch stecken konnte. Zumal er es im schwachen Licht überhaupt nicht erkennen konnte. Doch es war ihm auch egal, wie das Haus von außen aussah. Für ihn war es wichtig, wie er das überstehen konnte.

Die Bettlerin stieg die eine Stufe hoch und öffnete die Türe. Sah dann zum Prinzen, schien darauf zu warten, dass er eintrat. Darauf kann sie lange warten, dachte der Prinz inbrünstig. Wie ein stures, bockiges Kind stemmte er die Hände in die Hüfte. Machte damit deutlich, dass er nicht vorhatte, in die Behausung des Mädchens zu gehen. Minuten vergingen und die Kälte, die immer schlimmer wurde und immer mehr an ihm nagte, trieb ihn doch zum Haus, Allerdings nur bis zur Schwelle. Sah dann hinein.

Im Haus war es, wie er verwundert feststellen musste, äußerst bequem eingerichtet. In der Mitte des Hauses stand ein runder Tisch, über dem eine Öllampe hing, die das Mädchen anzündete, als er eintrat. Zwei Stühle standen dort ordentlich. An der linken Seite des Hauses war ein Kamin aufgestellt, gehauen aus weißem Kalkstein. Gerade entzündete sie ein kleines Feuer, über dem ein Gitter war und ein Topf etwas weiterhoch hing. Der Boden bestand aus Holzbrettern, die zwar schon alt, aber immernoch einen guten Eindruck machten. Eine Liege, mit Felldecken darauf, stand auf der anderen Seite und lud förmlich darum ein, sich darauf niederzulassen. Die Dachbalken waren dick und wirkten ebenso stabil, wie alles andere an dem Haus. Darunter war Heu gestopft, um den Regen, der durch die Dachritzen tropften aufzufangen. Eine schmale Tür neben dem Kamin führte in einen anderen Raum. Das Mädchen wärmte sich noch kurz am Kamin, dann drehte sie sich zum Prinzen herum. Ein zaghaftes Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Willkommen in meinem bescheidenen kleinem Zuhause!“, sagte sie und breitete die Arme zu einer kleinen Begrüßung ein. Der Prinz rümpfte die Nase. Trotz dass die Behausung des Mädchens und die nun zu seiner wurde, sehr gemütlich und wirklich nicht ärmlich aussah, hatte er seine Meinung über sie nicht geändert. Sie schien es deutlich in seinem Gesicht zulesen, denn ihr Lächeln schwand und machte einen bitteren Ausdruck platz. Mit einer deutlichen Geste, dass auch ihre Geduld ein Ende hatte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernt an. „Ihr könnt ruhig an der Tür stehen bleiben, aber dann werde ich diese schließen. Und Ihr werdet in der Kälte umkommen!“, sagte sie. Doch in den Ohren des Prinzen war es mehr eine Drohung und er trat dann ein. Der Klügere gab nach, hiess es ja so schön. Der Hauptmann blieb noch einige Minuten stehen. Schien sicher gehen zuwollen, dass der Prinz sich auch wirklich nicht davon machte und das verärgerte den Prinzen. Sind denn hier jetzt alle gegen mich, fragte er sich zornig und ballte die Hände zu Fäusten. „Gehabt Euch wohl!“, sagte der Hauptmann dann, worauf ihn Prinz Lore nur noch mehr hasste und schloss die Tür hinter sich. Als die beiden allein waren, schaute der Prinz aus dem Fenster. Sah wie die Reiter im dämmrigen Licht verschwanden und überlegte, ob er einen Fluchtversuch wagen sollte. Wenn er lange genug wartete, bis die Reiter ganz verschwunden waren, könnte er fliehen. Wohin? Das war ihm gleich. Zurück ins Reich und in das Schloss seiner Eltern konnte er nicht mehr. Man hatte ihn daraus verbannt. Vielleicht konnte er beim König dieses Landes Unterschlupf finden. Wenn er ihm erzählte, was ihm wiederfahren war, würde dieser ihn sicherlich aufnehmen. Denn egal ob Grafen, Barone oder Könige. Blau Blütige hielten in der größten Not zusammen. Schon fast wollte er es wirklich wagen, doch das Mädchen machte ihm einen Strich durch die Rechnung. „Ich glaube kaum, dass Ihr es in dieser Kälte lange genug aushaltet und es zum nächsten Dorf schafft!“, sagte sie. Prinz Lore sah augenblicklich zu ihr und wünschte ihr sogleich die Pest an den Hals. Mieses Pöpelbalg, dachte er verächtlich. Laut sagte er:„ Was kümmert es Euch? Ihr seid auch nicht gerade begeistert von mir!“

„Das stimmt. Ich hatte mir einen besseren Ehemann gewünscht. Aber das Wort des Königs, Eures Vaters, ist das Gesetz und ich beuge mich diesem!“, erklärte sie und warf einen Holzscheit ins Feuer, was aufloderte. Funken sprühten auf und das Mädchen wischte sich die Hände an ihrem zerlumpten Kleid ab. Lore sah sie an und wusste zunächst nicht, was er davon halten sollte. Sie lebte nicht im Reich seines Vaters, aber dennoch beugte sie sich seinem Befehl. Seltsam!

Er wollte deswegen etwas sagen, doch dann wurde er sich bewusst, was sie am Anfang gesagt hatte. Sie hatte sich einen besseren Ehemann gewünscht?

Wer konnte besser sein, als er?

Gerade wollte er diese Frage laut aussprechen, als das Mädchen zur Tür neben dem Kamin öffnete und ihm bedeutete, ihr zufolgen.

Prinz Lore folgte, wenn auch wiederstrebend und trat zur Tür. Hinter der sich das Schlafzimmer befand. Es war nur halbso groß, wie das Wohnzimmer. Dennoch hatte es genug Platz für ein großes Feldbett, das mit Fellen und dicken Kissen belegt war. Ein einfacher Kleiderschrank aus dunklem Holz stand an der gegenüberliegenden Wand und an der Seite rechts von ihnen stand ein kleiner Waschtisch mit Spiegel und mit Schüssel und Krug daraufstehend. Sonst nichts. Wie auch in dem anderen Zimmer war das einzige Fenster hier klein und mit einem dicken Stoff verhangen. Eine einzige Kerze stand auf dem kleinen Tisch neben dem Bett. Das Bett schien groß genug zusein. Für ihn selbstverständlich. Erw ar schließlich ein Prinz und hatte ein Anrecht darauf, sich auf dieses Bett zulegen. Immerhin etwas gutes hier in dieser ärmlichen Hütte, dachte er zufrieden. So ließ er sich darauf nieder und streckte sich aus. Dabei seufzte er wohlwollend auf. Für wahr. Welch eine Wohltat!

Das Bett war wirklich bequem und der Prinz schloss mit einem seligen Lächeln die Lippen. Endlich konnte er sich von der Strapaze ausruhen. Gerade wollte er einschlafen, als er plötzlich spürte, wie sich ein weiteres Gewicht neben ihm legte. Er öffnete die Augen und sah zu seinem Ärgernis, dass seine Frau sich neben ihm legte. „Was soll das?“, fragte er verärgert und rückte etwas von ihr weg. Sie hatte es nicht mal für nötig gehalten, sich waschen oder gar ihre schmutzigen Kleider abzulegen. Aber eigentlich war es auch gut so. Er wollte nicht wissen, wie der Rest ihres Körpers aussah. Doch sie schien sich keiner Schuld bewusst zusein. „Was meint Ihr?“, fragte sie und richtete sich auf. Dasgleiche tat der Prinz auch und sah sie mit bohrenden Blicken an. „Na, dass Ihr Euch erdreistet, Euch neben mich zulegen!“, keifte er und machte eine abfällige Handbewegung. Da sah nun auch das Mädchen finster drein und beugte sich vor, sodass ihr Gesicht nahe an seinem war. „Glaubt Ihr wirklich, dass das Bett Euch allein gehört. Ihr seid schließlich in meinem Haus, und mein Mann. Das heisst, dass wir alles teilen werden. Dass Essen, die Hausarbeit und das Bett!“, fauchte sie und der Prinz war erstaunt, dass sie wieder diesen Mut zeigte, um ihm die Leviten zu lesen. Und das in solch einem Ton, als wäre sie nicht das, was sie war. Sondern wie eine Prinzessin, die keinen Wiederspruch duldete. Dann aber riss er sich zusammen. „Haushalt?“, fragte er entrüstet. „Soll das heissen, ich soll niedere Arbeit erledigen?“

Das Mädchen schürzte die Lippen. Was für ein verwöhnter Bengel, dachte sie.

Was habe ich nur für ein schweres Los gezogen!

„Ja, das würdet Ihr wohl müssen, wenn Ihr was zuessen haben und nicht frieren wollt!“, entgegnete sie und legte sich wieder hin. Da sprang der Prinz auf und verließ wütend das Schlafzimmer. „Wohin wollt Ihr?“, fragte sie. „Ich lege mich auf die Liege, in der Stube. Auf keinen Fall, teile ich mit Euch das Bett!“, brüllte er zurück und warf laut die Tür zu. Das Mädchen sah ihm noch eine Weile an, dann zuckte sie die Schultern und legte sich wieder aufs Bett. Soll ihre hochwohlgeborene Hoheit doch auf der steifen Liege nächtigen. Er wird schon sehen, was er davon hat, dachte sie und musste sich ein Grinsen verkneifen, was ihr nicht wirklich gelang.
 

Seine Sturköpfigkeit rächte sich, in dem der Prinz höllische Rückenschmerzen hatte. Mit Ächzen und Stöhnen erhob er sich von der Liege und streckte sich. Doch dadurch wurde es schlimmer und der Prinz bereute, das er das bequeme Bett verlassen hatte. Warum konnte er nicht seinen Stolz nur einmal vergessen, denn dann wäre ihm einiges erspart geblieben. Das Mädchen schien hingegen gut geschlafen zuhaben, denn sie hatte ein freudiges Lächeln auf den Lippen, als sie ihrem Mann einen Guten Morgen wünschte. Sie hatte soc wohl im Gesicht gewaschen, denn sie hatte nun keinen Schmutz mehr auf ihren Wangen und auf ihrer Stirn. Dennoch schien sie ihn nicht richtig anzusehen. Der Prinz fragte sich kurz wieso, als er allerdings das Grinsen auf ihrem Gesicht sah, hatte er wieder seine kalte Haltung ihr gegenüber zurückgewonnen. „Jaja…!“, murrte er und massierte sich seinen Rücken. Seine Frau musste sich darauf ein schadenfrohes Lächeln verkneifen. „Habt Ihr gut geschlafen, mein Gemahl?“, fragte sie, um noch eins draufzusetzen und der Prinz war ihr einen Blick zu, bei dem jeder anderer totumgefallen wäre, doch bei ihr schien das keine Wirkung zuzeigen, denn sie grinste um so mehr und machte sich dann das Essen zubereiten. Holte eine Pfanne heraus und wollte gerade Holz auflegen, als sie sah, dass sie kein Holz mehr da hatte. „Würdet Ihr bitte so gut sein und neues Brennholz reinholen?“, bat sie ihn und der Prinz glaubte sich verhört zuhaben. „Bitte was?“, fragte er wiederum und sprang hastig auf, etwas zu hastig, wie sein Rücken ihm deutlich machte und zuckte zusammen. „Was habt Ihr gesagt?“, sagte er gepresst und hielt sich seinen Rücken, wie ein alter Mann. Nun verflog dem Mädchen die Schadenfreude und es verdrehte die Augen. War dieser Prinz wirklich so schwer von Begriff oder einfach stinkfaul. Sie tippte eher aufs Zweite und öffnete die Tür. Zeigte energisch nachdraußen. „Geht nachdraußen und holt Holz, sonst kann ich kein Frühstück machen!“, sagte sie in einem befehlenden Ton und gerne hätte der Prinz ihr wiedersprochen. Wäre da nicht sein Magen gewesen, der in diesem Moment verräterisch geknurrt hätte. Ihm blieb nichts anderes übrig. Wenn er was zuessen haben wollte, musste er tun, was sie sagte. Auch wenn es ihm nicht gefiel. So schleppte er sich hinaus und ging um die Ecke, wo der Stapel stand. Nahm einige Holzscheite und ging wieder hinein. Reichte diese seiner Frau wortlos und setzte sich an den Tisch. Massierte sich seinen Nacken. Verdammt, diese Liege war hart wie ein Brett und ebenbso steif. Die weichen Felle hatten das ganze wirklich perfekt kaschiert. Das Mädchen legte die Scheite auf und ging dann zu einer Klappe im Holzboden. Zog diese auf und stieg die Stufen hinunter. Prinz Lore wunderte sich, dass er die Luke zur Speisekammer nicht gesehen hatte. Vermutlich lag es daran, dass er gestern zu müde und zusehr mit sich beschäftigt war, als das er darauf geachtet hätte. Nach wenigen Minuten kam sie wieder, mit ein paar Eiern, etwas Kräutern und einem Stück Speck auf dem Arm. Mit dem Fuss schloss sie wieder die Luke und machte sich daran das Frühstück zuzubereiten. Zündete mithilfe von Feuersteinen das Holz an und legte die Pfanne aufs Gitter. Schnitt ein Stück Butter ab und legte es hinein, damit die Butter schmolz. Schon bald, begann es zu brutzeln und sie begann die Kräuter zu zerschneiden. Dann den Speck. Am Ende schlug sie die Eier auf und ließ das Eigelb in die Pfanne fliessen. Sogleich verdichtete sich die Masse und das Mädchen tat Kräuter und Speck hinein. Ein köstlicher Duft breitete sich im Haus aus und regten den Appetit des Prinzen noch mehr an. Schon bald war das Frühstück fertig und das Mädchen legte die Pfanne auf den Tisch. Holte dann zwei Schalen, Besteck und zwei Becher heraus, in denen sie Wasser füllte. Mit einem Holzlöffel tat sie etwas von dem Essen auf den Teller, dem sie dann den Prinzen zuschob. „Bitte. Lasst es Euch schmecken!“, sagte sie nur und tat sich selber was drauf. Stumm schaute der Prinz auf das kleine Mahl und musste daran denken, wie jetzt seine Mutter und sein Vater speisen würden. Und wie er es jetzt tun würde. Doch nun musste er sich damit zufriedengeben. So nahm er den Holzlöffel und begann das gebratene, mit Kräutern gewürzte, Ei zu essen. Und er musste zugeben, dass es ihm schmeckte. Gierig, weil sein Magen dadurch noch mehr knurrte, aß er das Frühtsück und war satt. Nahm dann einen Schluck vom Wasser und lehnte sich mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Stuhl zurück. Das Mädchen sah sein Grinsen als ein Kompliment an ihre Kochkünste und lächelte etwas. Räumte dann ab und begann mit dem Abwasch. „Das war nebenbei das letzte bisschen Essen, was wir noch hatten. Wir müssen heute in die Stadt, um neues Essen zubesorgen!“, sagte sie und holte einen Krug von einem Regal herunter. Schüttelte diesen. Es klimperte. Da musste Geld drin sein und nicht gerade viel, wie er hörte. „Aber zuerst müssen wir Geld beschaffen!“, sagte sie und stellte den Krug wieder hoch an seinen Platz. „Wie soll das gehen?“, fragte er, dann hatte er einen üblen Verdacht. „Du willst doch nicht etwa stehlen?“

Da sah das Mädchen ihn unter ihrem Schal erbost an. Trotz dass ihr Gesicht immernoch verborgen war, konnte er deutlich ihren Blick spüren. „Natürlich nicht. Falls Ihr es vergessen habt, ich verdiene mir mein Brot mit Singen!“, sagte sie. In ihrer Stimme schwang Entrüstung mit. Wie konnte dieser verwöhnte Bengel glauben, dass sie eine dreiste Diebin war?

„Und Ihr könnt Euch auch nützlich machen, in dem Ihr Euch Arbeit sucht!“

Nun war es Lore entrüstet zusein. Er? Arbeiten?

Also jetzt hörte der Spass für ihn auf. „Ich soll arbeiten. Wie gewöhnlicher, gemeiner Bauer? Was glaubst du, wen du vor dir hast, du Göre?“, fragte er wütend und war dabei aufgesprungen, sodass der Stuhl laut nachhinten fiel. „Ja, wenn Ihr was zuessen wollt, müsst Ihr auch was dafür tun und wen ich vor mir habe? Gute Frage und ich habe die passende Antwort darauf: Ich habe einen verwöhnten, faulen und dummen Prinzen vor mir, der sich wie ein Kleinkind benimmt, anstatt wie ein Mann!“, kam sogleich über ihre Lippen und jedes Wort war für den Priznen wie ein Stich eines Dolches. Er war in erster Linie erschrocken, dass das Mädchen solch eine üble Meinung von ihm hatte. Aber dann überwog der Ärger. „Im Schloss meines Vaters musste ich nie arbeiten und ich wüsste nicht, warum sich das jetzt ändern sollte und für was du mich hälst ist mir vollkommen egal. Du bist auch nicht gerade die beste Wahl. Läufst in Lumpen herum und lebst in dieser Bruchbude. Bevor du über andere Unglückliche herziehst, solltest du dir selber an die Nase fassen, Pöbelbalg!“, giftete er zurück, woraufhin das Mädchen zurück giftete. „Hört auf, mich so zunennen, oder gar anders. Ich heisse Laru, merkt Euch das, wenn Ihr was auf dem Tisch haben wollt!“, drohte sie ihm und zuerst war er sprachlos. Doch er wäre nicht der, der er war, wenn er das auf sich sitzen lassen würde. „Du willst mir drohen?“, fragte er höhnisch lächelnd. „Was glaubst du, wer du bist. Du bist meine Frau und als solche musst du mir was zuessen geben. So ist es nunmal!“

„Ach, Ihr denkt wirklich, nur weil Ihr was zwischen Euren Beinen habt, macht Euch das zum Überlegenden?“, fragte sie und trat nun näher. Fuhr dann in einem leisen, drohenden Ton fort:„Dann weiss ich ja, was ich zutun habe! Wenn Ihr schlaft, nehme ich einfach ein Messer und mache Euch zum Eunuchen!“

Dabei grinste sie unheilvoll und nun wurde es dem Prinzen Angst und Bange. Instinktiv gingen seine Hände in seinen Schritt. Das Mädchen sah seine Furcht und grinste noch mehr. „Nun ist er nicht mehr so vorlaut!“, dachte sie und wandte sich dann ab. „Wie auch immer. Ihr werdet mich begleiten. Das ist Eure Pflicht als Ehemann!“, sagte sie gleichgültig und nur schwer konnte der Prinz sich wieder beruhigen. Er nickte. Sich dagegen sträuben, würde nichts bringen und wenn er was zuessen haben wollte, musste er tun, was sie sagte. Auch wenn es ihm nicht gefiel, aber die Angst von ihr verstümmelt zuwerden, war viel größer, als sein Stolz.

Am Mittag verließen sie das Haus. Nun konnte sich der Prinz einen wirklichen Eindruck seiner neuen Bleibe machen. Das Haus stand, wie er es geahnt hatte, auf einem Hügel, der bewachsen mit dichtem Gras war. Es fühlte sich weich unter seinen Schuhen an, als er auf die Wiese trat. Er ging um das Haus herum, um den hinteren Teil zubesehen. Die Wiese erstreckte sich meterweilt nachhinten und verschwamm am Horizont zu einer undeutlichen Fläche. Etwas weiter nödrlich lagen die Berge, dessen Gipfel beinahe den Himmel berührten und als dunkle Gebilde sich vom strahlendblauen Himmel abzeichnete. Westlich lag der Wald, der nur aus dichten, alten Tannen beherrscht wurde und der Wind trug seinen würzigen, harzigen Duft zu ihnen hinüber. Auf der anderen Seite der Strasse, ging die Wiese weiter. Doch dort gab es weder Berge noch Bäume. Nicht mal einige andere Hütten. Sie waren wirklich in einer entlegenden Gegend und Lore fragte sich, wie weit es wohl zur nächsten Stadt war. Das Mädchen schien seine unausgesprochene Frage gehört zu haben. „Die Stadt ist zu Fuss zwei, drei Stunden von hier entfernt. Wir müssen uns also beeilen, wenn wir es bis zu Nacht schaffen wollen!“, erklärte sie und schloss die Tür. Schritt dann den Hügel hinunter. Der Prinz folgte ihr. Zwei drei Stunden? Zu Fuss?

Oh Gott, das kann doch nur ein schlechter Witz sein, dachte er. Bitte lass es einer sein!

Die Strasse, auf der sie standen, wandt sich wie eine Schlange und schien kein Ende zu nehmen. Sie war zerfurscht durch andere schwere Kutschen und Wagen, die diese benutzt hatten und war staubig. Erinnerte ihn an eine Strasse für Vieh, nicht für Menschen gedacht. Und auf dieser sollte er laufen?

Er sah das Mädchen, Laru, nur fassungslos an, doch diese schien seinen Blick nicht zu bemerken. Sondern ging los. Gerne wäre er zurück geblieben, aber in dieser menschenleesen Landschaft allein zurückzubleiben, wollte er auch nicht. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr zufolgen. Der Weg schien sich bis ins unendliche zu ziehen. Egal wohin Lore auch hinsah. Nur Wald und Wiesen. Kein einziges Zeichen von Zivilisation. Als er hoch sah, stand die Sonne schon am, für sie zu erreichbaren, höchsten Punkt und es war warm. Unerträglich warm. Prinz Lore schwitzte erbärmlich und seine Füsse, schlurften mehr über denm Boden als das sie wirklich auftraten. Laru schien hingegen weder selber vor Anstrengung zu keuchen und zuschwitzen, als sich irgendwie sonst zu beklagen. Sie lief munter weiter und Lore fragte sich wirklich, woher sie diese Ausdauer hernahm, von Kraft ganz zuschweigen.

„Können wir nicht eine Pause machen?“, fragte er nach einer Weile und Laru drehte sich zu ihm herum. „Was denn? Macht etwa Ihr schon schlapp?“, fragte sie. Der Prinz sagte nichts, sondern setzte sich an den Rand der Strasse, ins Gras und atmete tief ein. Ihm war es gleich, ob seine Hose durch das Gras Flecken bekam. Er sah wowieso aus, wie ein Landstreicher, da machten die Grasflecke nun auch nichts mehr. Laru setzte sich neben ihn und holte eine Feldflasche hervor. Reichte sie dem Prinzen. Dieser griff sogleich gierig danach und trank ebenso gierig aus dieser. Als sein Durst gestillt war, reichte er Laru den Beutel, ohne jedoch sich bei ihr zubedanken. Laru nahm ein paar Schlucke, da der Prinz fast das ganze Wasser weggetrunken hatte und sie hatten einen langen Weg vor sich. Immerhin eine von ihnen sollte sparsam sein. Noch eine Weile blieben sie im Gras sitzen, doch dann stand das Mädchen auf. „Wir müssen weiter!“, sagte sie und klopfte sich das Gras aus ihren Kleidern. Doch der Prinz hatte nicht vor, auch nur einen Schritt weiterzugehen. „Nein, keinen Fuss setzte ich mehr auf diese Trampelstrasse!“, sagte er giftig. „Soll ich dich etwa tragen?“, fragte sie ihn vorwurfsvoll. Lore wollte schon beinahe sagen, dass sie es sollte. Aber dann wurde er sich selber bewusst wie albern das war. Zugerne wäre er hier sitzen geblieben und wollte auf den nächsten Bauern warten, der hier mit seiner Karre vorbeifuhr. Doch wielange würde das wohl dauern. Eine Stunde, zwei Stunden oder gar vier Stunden. Solange konnte er es in der prallen Sonne nicht aushalten. Also musste er wohl oder übel weitergehen. Er konnte nur hoffen, dass einige Wolken vor die Sonne ziehen würden und damit Schatten spenden würden. Gerade wollte er schwerfällig auf die Strasse treten, als hinter ihnen das Rumpel und Knarren von Rädern zu hören war. Beide drehten sich um und sahen einen Wagen, der von zwei Ochsen gezogen wurde. Goldenes Heu war zu einem Berg aufgetürmt und auf dem Kutschbock saß ein älterer Mann, der die Zügel locker in den Händen hielt und ein fröhliches Lied sang. Als der Wagen auf gelicher Höhe mit ihnen war, grüßte Laru den Mann. „Guten Tag, Frend!“, sagte sie und winkte ihm zu. Da hielt der Mann an und sah zu ihnen hinunter. Er schien so sehr in seinem Lied versunken gewesen zusein, dass er sie nicht richtig gesehen haben musste. Nun schaute er verwundert zu Laru hin. „Wie?“, fragte er, dann aber lächelte er. „Oh, guten Tag, Goldkelchen. Ich hätte dich nicht wieder erkannt. Lange ist es her!“

Laru lächelte ebenso. „Ich war auch ziemlich lange weg!“

Der Mann nickte, dann sah er zu Lore und sein Gesicht nahm einen verwunderten Ausdruck an. Für einen kurzen Augenblick fürchtete der Prinz, dass der Mann ihn erkennen würde. Wie demütigend wäre das. So senkte er schnell den Blick und schaute zu Boden. „Wer ist denn dieser Mann an deiner Seite? Ich wusste ja nicht, dass du einen Bruder hast!“, fragte der Bauer schließlich und Lore glaubte, seinen Ohren nicht zutrauen. Hielt dieser Bauerntölpel ihn wirklich für den Bruder dieses Bettelmädchens oder erlaubte er sich nur einen bösen Scherz mit ihm. „Nein, das ist nicht mein Bruder. Das ist…mein Mann!“, sagte Laru und der Prinz wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Musste sie das so offenkundig sagen?

Er warf ihr kurz verstohlen einen wütenden Blick zu. Doch Laru beachtete diesen nicht. Der Bauer sah von ihr zu ihm und stiess dann einen anerkennenden Pfiff aus. „Na, da hast du dir vielleicht einen Schönling angelacht!“, scherzte er, worraufhin sein Grinsen noch breiter wurde. Lore wäte ihm am liebsten an die Gurgel gegangen. Nocheinmal warf er ihr einen finsteren Blick zu. Laru hob nur die Schultern. Dann sagte der Bauer, mit einer etwas niedergeschlagenen Miene:„ Da werden die anderen jungen Männer aber am Boden zerstört sein, wenn sie feststellen müssen, dass du nicht mehr frei bist!“ Dann lächelte er wieder und zwinkerte ihr zu. Laru kicherte etwas, dann aber wurde sie wieder ernst. „Fährst du in die Stadt?“, fragte sie. „Ja. Das Heu da ist für die königlichen Pferde!“, erklärte er und deutete auf den Heuberg hinter ihm. „Kannst du uns dann mitnehmen? Wir haben noch einen weiten Weg vor uns und mein Mann kann nicht lange laufen!“

Prinz Lore reichte es allmählich. Erst musste sie ihn öffentlich für ihren Mann erklären und nun machte sie sich über ihn lustig. Das konnte doch nur ein böser Traum sein, dachte er und wollte schon laut sagen, dass er gerne auf die Hilfe dieses Bauerntrampels und seinem Viehkarren verzischtete. Lieber würde er sich die Füsse blasig laufen lassen, als auf dem Heu, das stach und pickste, Platz zunehmen. Doch wenn er daran dachte, wie weit es noch war und bei dieser sengenden Hitze, nahm er das, wenn auch murrend, in Kauf. „Natürlich. Springt hinten einfach auf!“, sagte der Bauer. Laru bedankte sich und ging nach hinten, setzte sich auf das Brett. Lore war ihr gefolgt, wie immer, und schaute nun zu ihr. Laru klopfte mit der flachen Hand auf den leeren Platz neben sich, sagte ihm so, dass er sich neben sie setzen sollte. Und Lore fügte sich. Was blieb ihm auch anderes übrig. Mit einem stillen Fluch über das Mädchen, setzte er sich ebenso auf das Brett. Achtete aber darauf, dass er ihr nicht zunahe kam. Er hatte genug von ihr und wollte nicht noch mehr in ihrer Nähe sein, als nötig.

Mit einem lauten Ruf, trieb Frend seine Ochsen an und sie zogen den Karren an. Es rumpelte und wackelte und Lore hatte Mühe sich auf dem schmalen Brette festzuhalten. Verkrampft hielt er sich an den Kanten fest und versuchte, das aufkommende Gefühl von Übelkeit zurückzuhalten. Kutschfahrten hatten ihm nie was ausgemacht, aber da waren die Strassen auch eben und die Pferde zogen diese so, dass die Kutsche nicht schwangte. Aber bei Ochsen war es anders und ganz besonders bei solch einem Trampelpfad. Der Bauer begann wieder zusinken und Lore wünschte sich, er würde damit aufhören. Dieser Hinterwäldler kann keinen einzigen Ton treffen und singt so schrecklich, dass seine Ochsen eigentlich ausschlagen müssten, dachte er. Das Mädchen musste ihm angesehen haben, dass der Gesang des Bauern ihm nicht gefiel und musste grinsen. „Wäre es Euch lieber, wenn ich singe?“, fragte sie dann. „Nein, bloss nicht. Dein Gesang ist doch daran schuld, dass ich jetzt hier bin!“, warf er ihr vor und Laru verdrehte die Augen. Ging das schon wieder vor, dachte sie und schüttelte den Kopf. Irgendwann ließen sie die endlose Wiese hinter sich und fuhren an Feldern vorbei, soweit wie das Auge nur reichen konnte. Sie schienen endlos groß zusein und glänzten im Licht der Sonne wie Gold. Sanft wiegten sich die Halme im Wind hinundher und man hatte den Eindruck, dass die Felder mehr einem Meer ähnlich waren, das sacht Wellen schlug.

Prinz Lore war überwältigt, solch große Felder zusehen. Zwar waren die im Reich seines Vaters auch nicht gerade klein, aber da der Krieg alles zustört hatte, waren die einstigen erntereichen Felder nun auf ein drittel geschrumpft. „Und das Volk hungert!“, dachte er schwerfällig und zum ersten Mal fühlte er etwas wie Mitleid, für die hungernden Menschen, die im Reich seines Vaters lebten. Doch dann verdrängte er dies wieder. Damit hat doch alles angefangen, dachte er und bemühte sich kühl und unbeeindruckt zuzeigen. Aber dies gelang ihm nur zur Hälfte. Der Reichtum an Felndern war einfach unglaublich und so kam er nicht umhin, zufragen:„ Wem gehören diese Felder?“

Laru sah ihn nur an. Dann wieder zu den Felndern. „Die Felder? Die gehören der Prinzessin Rari!“, sagte sie beiläufig. „Hättest du sie zur Frau genommen, wären sie dein!“

Lore spürte, wie ihm das Herz nachunten sackte. Es überraschte und erschreckte ihn zugleich, dass er ausgerechnet im Reich der Prinzessin war, die er erst beinahe vom Pferd gestossen und dann noch auf übelste Beleidigt hatte. Wusste sie überhaupt, dass er hier war?

Wie würde sie reagieren, wenn sie es erfuhr?

Würde sie ihn, für seine Respektlosigkeit in den Kerker werfen lassen oder ihn gar verbannen?

Irgendwie konnte er sich das nicht bei ihr vorstellen. Sie kam ihm nicht wie jemand vor, der nachtragend war. Und ihr schien der neue Name, der er ihr gegeben hatte, nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie schien amüsiert gewesen zusein, dass sie solch einen Namen erhielt. Sie hatte schon das gewisse Etwas gehabt, dass musste er zugeben. Aber das hatte nicht genügt, um sie wirklich als seine Frau haben zu wollen. Ihm war seine Unabhänigkeit wichtiger gewesen, als alles andere. Aber nun fing er an, seine Sturheit zubereuen.

„Nun nehme ich meine eigene Dummheit wahr. Hätte ich sie nur genommen, die Prinzessin Rabenhaar!“, dachte er und seufzte schwer.

Schaute dann wieder zu den Feldern, in denen Männer und Frauen standen und sich an die Ernte machten. Männer schwangen mit gleiteten Bewegungen ihre Sensen, um das Getreide abzuschneiden. Frauen sammelten diese auf und legten sie beseite, wo andere diese nahmen und mit festen Schnüren zusammenbanden. Einige Kinder halfen, andere wiederum spielten und lachten, wodurch sie von ihren Eltern ermahnt wurden, ihnen zuhelfen und keine Albernheiten zumachen. Brav machten sich die Kinder daran, ihren Müttern zuhelfen. Doch kaum das sie Laru entdeckten, ließen sie die Arbeit wieder fallen und eilten auf die Strasse zu. Winkten ihr zu und riefen immer wieder:„ Goldkelchen! Da ist Goldkelchen. Goldkelchen ist wieder da!“

Daraufhin sahen auch die Erwachsenen auf und grüßten den Vorbeifahrenden. Zumindest nur Laru. „Sei gegrüsst Goldkelchen!“, riefen sie und winkten. Laru winkte zurück und lächelte. Lore sah sie nur an und er wurde das Gefühl nicht los, dass diese Laru nicht das war, was sie zusein schien. Ihr Winken war nicht das einer Bürgerlichen, sondern das einer Prinzessin und die Bauern begrüßten sie mit solch einer Ehrerbittung, dass sich sein Verdacht immer mehr verhärtete. Ihm fiel auch auf, dass sie, seit sie heute Morgen das Haus verlassen hatten, ihn nicht richtig angesehen hatte, sodass er ihr Gesicht, was nun sauber war, nicht erblickt hatte. Ein verrückter Gedanke kam ihm. Könnte es sein, dass sich eine Adelige absichtlich als Bettelerin verkleidet hatte, um so an ihn heranzukommen?

Aber welche würde das machen?

All diejenigen, die er verschmäht hatte, schienen sich dafür viel zuschade zusein. Fieberhaft dachte er nach.

Ihm kam aber beim besten Willen keine Frau in den Sinn, die sowas freiwilligmachen würde. Nicht mal der Prinzessin würde er das zutrauen. Und doch…

Etwas an Laru erinnerte ihn an die Prinzessin Rari. Aber er konnte sich nicht erklären, was. Und er wollte auch nicht daran denken. Wer auch immer diese Laru war, sie konnte nicht so bedeutend sein. Mochten diese Bauern sie verehren und sich freuen, dass sie sie sahen, was kümmerte es ihn. Vielleicht war sie auch so eine, die für bestimmte Gegenleistungen besondere Dienste erbrachte. Zumindest bei den Männer. Aber auch das wollte nicht zu dem zierlichen, hübschen Mädchen passen. Außerdem, wenn es so wäre, wären die Frauen und Kinder nicht so fröhlich, wenn sie sie sahen. Also was konnte es sein?

Lore versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, aber dies erwies sich als schwierig, da dieser Gedanke und weitere, immer wieder kam.

Bald ließen sie die Felder hinter sich und fuhren weiter. Fuhren einen kleinen Hügel hinauf, der in einer sanften Kurve wieder hinabging und in der Ferne konnten sie die Stadt sehen. Dicht an dicht schienen sich die Häuser einander zudrängen und wirkten in der Entfernung, wie eine Spielzeugstadt. Etwas weiter südlich davon, wo die Häuser in denen die Menschen lebten, weniger wurden und mehr nach Häusern zur Verarbeitungen dienten, aussahen, lag ein Hafen, in dem Schiffe jeder Art, egal ob Dreimaster oder einfaches Handelsschiff, ein-undauslief. Vor dem Hafen erstreckte sich das Meer. Noch nie hatte Lore das Meer gesehen. Dieser Anblick war einfach atemberaubend. Zu einem Hafen gehörte es natürlich dazu. Aber die Schiffe, die aus und ins Reich seines Vaters gefahren sind, waren auf den Kanälen und Flüssen gesegelt und hatten nur kurz an den Stegengehalten, um die Waren abzuladen. Und bisher hatte er sich auch nicht darum gekümmert, wie die Stoffe, die exotischen Zutaten für die Speisen und die von ihm gewünschten Tiere, in das Schloss seines Vaters kamen. Nun aber sah er das Meer, das unendlich weit zusein schien. Beobachtete die kleinen Punkte, die darüberfuhren und in den Hafen einliefen. Über allem erhob sich auf einer Anhöhe ein mächtiger Bau, der zwar wie ein Schloss aussah, aber die man auch gut als unüberwindbare Festung bezeichnen konnte. Meterhohe Türme erhoben sich und einige Wolkenfetzen verfingen sich an den Turmspitzen, an denen blutrote Fahnen wehten. Und darunter flatterten lange, schwarze Bänder. Ein Zeichen dafür, dass ein Mitglied der königlichen Familie verstorben war und dass diese trauert. Bei diesem Anblick verknotete sich Lores Magen.

Ein schrecklicher Gedanke kam ihm.

Könnte es sein, dass die Verstorbene Prinzessin Rari war?

Hatte sie sich das Leben genommen, weil er ihre Liebe abgewiesen hatte?

Lore hoffte es nicht. Er würde nicht damit leben können, wenn sie nur wegen ihm den Freitod gewählt hatte. Doch selbst soetwas traute er ihr nicht zu. Sie schien viel zu stolz und zu stark zusein, als dass sie wegen einer verflossenen Liebe sich selbst tötete. So ließ er weiter den Blick über das Schloss wandern wobei die schwarzen Bänder einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge hinterließen. Er musste zugeben, dass es ihn schon schwer traf. Was auch immer passiert war, diese schwarzen Trauerfahnen hingen nicht grundlos an den Masten.

Und trotz dieser Fahnen und seinem schlechten Gewissen, kam er nicht umhin, den darin herrschenden König um sein Schloss zu beneiden. Es musste von einem wahren Meisterarchitekten erbaut worden sein. Ganz zuschweigen von einem, der seine Träume darin verwoben und verarbeitet hatte. Es war in einer Art erbaut, die Lore noch nie zuvor bei einem anderen Schloss gesehen hatte. Während das Schloss seines Vaters und die anderen Schlösser, die er bisher gesehen hatte, nur aus groben gehauenen Steinen und zu ungemütlichen Kästen erbaut worden und mit hohen engen Türmen, die im tiefstenWinter noch ungemütlicher waren, war dieses aus weissem Stein gebaut. Vier Türme reckten sich stolz in den blauen Himmel. Sie standen in den vier Himmelsrichtungen und schienen den impostanen Kuppelbau zubewachen. Die Dächer der Türme und der Kuppel waren in einem tiefen Blau, sodass sie sich deutlich vom Himmel abzeichneten.

Brücken führten von diesen Türmen zu diesem und einige kleiner Türme dienten wohl dem Ausblick zu genießen und zum wohnen.

Neben der Kuppel, die wohl das Herzstück des Palastes war, gab es noch andere wesentlich kleinere Gebäude, die aber ebenso beachtlich waren. Die Fenster endeten oben spitz und schienen die Fenster einer mächtigen Kathedrale zusein. Wie gesagt. Ein imposanter Bau.

Umgeben und geschützt wurde das ganze von einer nicht minder beeindruckenden Mauer, auf die auf fünfmeter Abständen Wachtürme errichtet worden waren. Das Tor, durch das Händler mit ihren Wagen fuhren, war groß und gebogen. Eine ebenso große Zugbrücke führte über einen tiefen Graben, der ein Überwinden unmöglich machte. Um Angreifer abzuwehren, die dennoch über die Zubrücke über den Graben gelangten, hatte man ein Falltor aufgezogen, dass man per Hebeldruck hinabsenken und damit die Eindringlinge erschlagen konnte.

Lore konnte seinen Neid nicht unterdrücken. Nie hatte er solch ein herrlisches Bauwerk gesehen. „Wem gehört dieses Schloss?“, fragte er und konnte nicht den Blick von dem Schloss lassen.

„Das Schloss? Das gehört der Prinzessin Rari!“, sagte sie beiläufig. „Hättest du sie zur Frau genommen, wäre es dein!“, kam prompt die Antwort und das Herz des hochmütigen Prinzen wurde schwerer. Natürlich! Es gehörte der Prinzessin. Wie hätte er auch was anderes denken können?

Eine solche Schönheit sollte in solch einem schönen Schloss leben. Dabei kam er sich selber klein und schäb ig vor. Und das Gefühl der Niedergeschlagenheit wurde umso größer, als er sich sagte, dass dieses Schloss auch hätte seins sein können, wäre er nicht arrogant gewesen.

„Nun nehme ich meine eigene Dummheit wahr. Hätte ich sie nur genommen, die Prinzessin Rabenhaar!“, kam es wieder von ihm. Doch diesesmal sagte er es nicht, sondern sagte es leise vor sich hin und vergrub unwillkürlich das Gesicht in den Händen. All der Reichtum für immer verloren. Laru sah ihn mit einem undeutbaren Blick an. Dann wandte sie sich wieder der Strasse zu, die sie hinter sich ließen.

Bald schon fuhren sie durch das Stadttor und wo Lore nicht schon vorher beeindruckt war von der Größe und dem Reichtum, den die Stadt in sich barg und selbst dem Schloss eigen war, so war er sich sicher, dass das Reich seines Vaters nichts im Vergleich zu dem war, was sich nun zu allen Seiten und vorne von ihm auftat. Staunend und mit wachsendem Neid und Kummer ließ er den Blick umherschweifen. Sah die zahlreichen Häuser, in denen Männer und Frauen ihre Geschäfte erledigten und Familien in ihnen lebten. Die Strasse wechselte von einem sandigen Grund zu Kopfsteinpflaster, was den Wagen noch mehr rumpeln ließ und obwohl Lores Gesäß schmerzte, beachtete dies nicht, sondern hatte nur Augen für die Stadt, durch dessen Strassen das Leben förmlich durchströmt. Beobachtete Frauen, die mit ihren Kindern Einkäufe tätigten und feilschten. Andere Frauen wiederum hatten ihre Waren an Ständen aufgebaut und brüllten durch die Strassen. Boten Brot, frisches Gemüse und Stoffe an. Ebenso Männer, die ihre Dienste als Metzger oder Barbier für ein paar Goldstücke anboten. Oder Vieh und Pferde verkauften. Kinder spielten in den Gassen oder versuchten etwas von den Süßigkeiten zu stibitzen, worauf sie von der wütenden Marktfrau fortgejagt wurden. Lore musste bei diesem Schauspiel etwas Lächeln. Schaute sich weiter um. Auch hier mussten es adeligen Herrschaften geben, denn er sah einige Kutschen mit, für ihn unbekannten, Wappen und er war auch froh darüber. Das letzte was er wollte war, dass ihn hier jemand wieder sah, der ihn kannte. Jedoch war seine Furcht entdeckt zuwerden nicht so groß, wie die Faszination und der Neid, der immer mehr in im heranwuchs. Und auch wenn er die Antwort auf seine nächste Frage wusste, so stellte er sie dennoch, weil er es wssen wollte. In der stillen Hoffnung, dass nicht alles der Prinzessin eghörte, was schön und erhaben war.

„Wem gehört diese Stadt?“

„Die Stadt? Die gehört der Prinzessin Rari!“, sagte sie und nun klang es wie ein Vorwurf. „Hättest du sie zur Frau genommen, wäre sie dein!“

Nun glaubte Lore, dass sein Herz so schwer wurde, dass es ihm bis weit nachunten fiel und er konnte nicht länger seinen Stolz aufrecht halten. Zumindest nicht mehr äußerlich.

„Nun nehme ich meine eigene Dummheit wahr. Hätte ich sie nur genommen, die Prinzessin Rabenhaar!“, sprach er und diesesmal so laut, dass selbst sie es hören konnte. Laru sah ihren Mann mit skeptischen Augen an. „Wenn du es so sehr bereust, nicht sie sondern mich zur Frau zuhaben und unglücklich bist, dann frage ich mich, was und warum du es getan hast, damit du so hart bestraft wirst?“, fragte sie. Deutlich war Vorwurf und Kränkung in ihren Worten zu sehen und gerne hätte Lore darauf eine bissige Bemerkung fallen lassen, doch sein Hals war wie zugeschnürt und er wusste wirklich nicht, was er darauf sagen sollte.

Dass er sich wie ein dummes, kleines und vor allem verwöhntes Kind benommen hatte?

Jede einzelne heiratsfähige Frau aufs übelste beleidigt hatte?

Auch die, die nichts dafür konnten. Ganz besonders Prinzessin Rari, die als einzige ihm Konter gab und sich nicht von seiner Schönheit beeindrucken ließ?

Selbst jetzt, als er so geknickt war, konnte er diese Gedanken nicht lautausprechen und so sah er nur vor sich hin. Verflogen war der Neid und hatte vollends der Schwermut platzgemacht. Prinzessin Rari war nicht nur schön, sondern auch wohlhabend. Viel wohlhabender, als es mein Vater jemals sein konnte und das wäre auch meins geworden, hätte ich sie nur geheiratet. Nun habe ich nichts mehr!

„Hoooo!“, rief Frend und hielt die Ochsen an. Ruckend kam der Karren zum halten und Laru und der Prinz sprangen ab. Laru bedankte sich höflich bei ihm und Frend lachte nur. Winkte ab und sagte, bevor er weiterfuhr: „Dann macht es mal gut, ihr beiden. Und pass gut auf deinen Mann auf, Goldkelchen!“

Das rief er solaut, dass Lore wieder der Zorn überkam, den er für einen kurzen Moment verspürt hatte, als Laru ihm diesen Bauern vorstellte. Und das reichte aus, um wieder seine arrogante Natur zum Vorschein zu bringen. Mochte das Reich der Prinzessin Rari noch so schön sein, dass er darum weinte und sie darum beneidete. Aber wer er war, würde ihn niemand nehmen und das würde er sich auch nicht nehmen, geschweige denn leugnen lassen. Mit einem Male hatte die Stadt ihren Zauber verloren. „Lass es uns schnell machen. Ich will hier nicht noch länger bleiben als es sein muss!“, knurrte er und schaute um sich. Sah wie die Menschen, die an ihnen vorbeigingen, ihnen neugierige Blicke zuwarfen und tuschelten. Hätte er sein Schwert dabei, so würde er diesem Gesindel eine Lektion erteilen. Laru sah ihn kurz an, dann seufzte sie und machte sich auf den Weg. „Wir können erst wieder aus der Stadt, wenn wir genug Geld beisammen haben. Eher geht es nicht!“, sagte sie. Lore wollte darauf etwas sagen, doch verbiss es sich. Er musste wohl oder übel mit ihr gehen. Wobei wenn er sich klammheimlich davon stahl, würde sie sicherlich nichts merken und er würde endlich von ihr loskommen. Noch bevor er den Gedanken weiterspinnen konnte, packte Laru den Prinzen am Kragen und schleifte ihn regelrecht mit sich.

Bishin zum Marktplatz in dessen Mitte ein großer Springbrunnen stand, der hohe Wasserfontänen in die Luft spie und das Wasser sich in tausend glitzernden Perlen ins Becken ergoss. An diesem saßen einige Waschweiber, die ihre Wäsche in das Wasser tunkten und sie orendtlich schruppten. Dabei zerrissen sie sich natürlich die Mäuler. Als Laru an ihnen vorbeiging, mit ihrem Mann im Schlepptau, hielten sie inne und sahen mit großen Augen zu den beiden hien. Dann wieder steckten sie die Köpfe beisammen und tuschelten erneut. Man konnte sich denken, um was es ging. Dennoch störte es den Prinzen. „Was tratschen diese Weiber da. Haben Sie noch nie einen Mann an deiner Seite gesehen?“, fragte er herablassend. „Du bist ein Fremder hier. Dich haben sie noch nie gesehen. Und ja, du bist der erste Mann an meiner Seite. Bisher hatte ich mich immer standhaft geweigert, eine Verbindung einzugehen!“, erklärte sie ebenso herablassend und warf ihm daraufhin einen Blick zu, der deutlich klarmachte, dass sie auch nicht gerade glücklich war. „Wieso? Hier sind doch genug schöne starke Männer!“, sagte er und deutete dabei auf eine Gruppe von Männern, die wirklich nicht hässlich waren. Die Männer warfen sogleich verwirrte, verletzte und auch grimmige Blicke den beiden zu, als sie an ihnen vorbeiliefen. Besonders dem Prinzen galten die finsteren Blicke, da er das Mädchen hatte, was sie auch wollten. „Ja, denkst du. Aber die interessieren mich nicht!“, sagte sie und gönnte den Herren nur ein flüchtiges Lächeln. „Ach!“, gab der Prinz nur von sich und sah nochmals zur Gruppe, als sie diese hinter sich ließen. Die Männer, die ihm natürlich nachsahen, zeigten deutlich was sie von ihm hielten. Hätten Blicke töten können, wäre er auf der Stelle totumgefallen. Lore schluckte und machte sich daran, schnell den Abstand zwischen ihm und der Gruppe zuvergrößern. Der Markt bot genug platz, um Stände mit Backwaren und anderen Waren aufzubauen und neben her auch noch für Gaukler, die ihr Talent zur Schau stellten. Ziwschen all dem fand Laru einen Paltz, auf dem sie sich stellte und Lore einen Stoffhut gab. „Gehe damit zu den Leuten, damit sie etwas Geld hineinwerfen können!“, sagte sie und er wollte schon diesen wegwerfen, als er das hörte.

Er soll um Geld betteln?

War sie noch bei Trost?

„Wenn nicht, werden wir kein Geld haben, um was zuessen zukaufen und wir werden verhungern!“, sagte sie daraufhin, als sie seinen entrüsteten Blick sah. Nun das war ein Arhument. Wenn er nicht hungern wollte, musste er wohloderübel etwas dafür tun. Auch wenn es ihm zuwider war. So nahm er den Hut und schaute in die Menschenmenge, die in einem stetigen Strom an ihm vorbeilief. Wie soll er sie ansprechen?

Fragen, ob sie Geld haben und ihm etwas davon geben konnten oder einfach freiheraus nach Geld verlangen. Letzeres lag ihm mehr, aber dennoch traute er sich nichts, dies zutun. Unschlüssig schaute er zu Laru, die sich an eine Mauer lehnte und seinen Blick nur erwiederte. „Warum muss ich das machen?“, fragte er dann als er sah, dass sie nicht vorhatte, ihm einen Hinweis zugeben. „Weil ich jetzt gleich den Menschen etwas bieten werde!“, sagte Laru nur und Lore fürchtete, dass sie sich gleich ihrer Kleider entledigen würde. Hatte er sich in sie gettäuscht und sie war doch so eine, die…

Noch bevor Lore weiterdenken konnte, öffnete Laru den Mund und begann zu singen.
 

Einst in die Sterne geschrieben,

Ein Pfad, in Stein gesetzt,

Eine Kerze in der Nacht,

um deinen Weg nach Hause zu führen,

Denn irgendwo in deiner Erinnerung,

von weit entfernt rufend,

fordert es dich heraus, zu sehen,

was in den Sternen geschrieben steht...
 

Sofort blieben einige der Menschen, egal ob Mann, Frau oder Kind und egal welchen Alters stehen und sahen zu dem Mädchen, dass sang wie ein Engel. Lore konnte nur daneben stehen und sie ansehen. Einmal mehr lauschte er ihrem Gesang und er schien mal zumal schöner zuwerden. Aber auch irgendwie schmerzlicher. Ganz im Gegensatz zu dem Lied, das sie gesungen hatte, als sie durch das Tor getreten war und damit vor das Schloss seines Vaters. Es hatte so geklungen, dass sie auf der Suche nach etwas wäre und dass sie sich danach sehnte, es endlich zufinden. Aber dieses Lied war so schmerzlich und erfüllt von Angst, niemals das zu bekommen, was man sich wünschte, dass Lore selbst glaubte, dieses Lied würde tief aus seinem Inneren sein. Das Lied seines Herzens.
 

Du sagtest, du würdest bleiben,

und du würdest mich niemals verlassen...

Ich gab dir alles, was ich hatte,

als ich beschloss, dir zu glauben.

Liebe wie auch Magie befragt die Runen,

und manchmal bleiben auch Narben

Ich nahm es einfach als richtig an,

nicht zu wissen, was in den Sternen geschrieben steht...
 

Immer noch in den Sternen geschrieben und in deinen Augen, erfüllt sich die Prophezeiung, der Traum, der niemals stirbt.

Ein emporschießender Stern erhellt die Nacht,

während die Erde still steht.

Und irgendwie verlieren wir das Sehvermögen,

während folgt, was in den Sternen geschrieben steht...
 

Einige der Menschen staunten und flüsterten miteinander. Andere wiederum, mit denen sie sich unterhielten lächelten und erklärten, dass dies das Goldkelchen war, das Mädchen mit der schönsten Stimme im ganzen Königreich. Die Menschen, die staunten, bekamen große Augen und sah wieder zu Laru, die weitersang und sich von dem Geflüster der Menschen nicht stören ließ. Lore sah sie an, als würde er sie das erste Mal sehen und konnte nicht darumherum kommen, sie für ihre außergewöhnliche Stimme zubewundern. Nicht mal die berühmten Sängerinnen, die am Hofe seines Vaters aufgetreten waren, hatten solch eine schöne Stimme. Hatten nicht das Talent, ihre Gefühle in ihre Stimme und in ihre Lieder deutlich zumachen. Sie schien die einzige zusein, die das konnte. Und dafür bewunderte er sie. War sogar stolz, solch eine talentierte Sängerin als Frau zuhaben. Doch als er sich bei diesem Gedanken ertappte, sagte er sich sogleich, was in ihn gefahren war. Hatte dieses Mädchen ihn schon soweit gebracht, dass er froh war, so eine als Frau zuhaben?

Das ging eindeutig zuweit.
 

Ich will wissen, was in den Sternen geschrieben steht...Bitte sag mir, was in den Sternen geschrieben steht...
 

Als Laru geendet hatte, verbeugte sie sich und einige der Zuhörer applaudierten. Mit einer Kopfbewegung gab sie Lore zuverstehen, dass er nun an der Reihe war und zu den Leuten gehen sollte, um nach eine Entlohnung zu bitten. Manche von ihnen nickten lächelnd und taten etwas in den Hut. Andere wiederum winkten ab. Das waren die Leute, die Lore für besser hielt. Fürsten, Gräfinnen und Barone. Sie schienen kein Interesse zuhaben, dem Mädchen etwas zu geben. Als eine von ihnen ihn etwas länger betrachtete, fürchtete er, sie würde ihn erkennen. Doch dann wandte sie sich ab und ging weiter. Lore atmete erleichtert auf und kehrte zu Laru zurück. „Mehr wollten sie nicht geben!“, sagte er und reichte ihr den Hut. Laru schüttelte den Hut, sodass die Münzen und Taler aneinander klimpterten und hob den die Schultern. „Es wird schon reichen. Zumindest für das nötigste!“, sagte sie und ging zu einem Stand, wo Brot zukaufen war. Der Stand gehörte einer alten frau, mit grauweisen Haaren und runzeligem Gesicht. Sie musste schon gut achtzig Sommer oder Herbste gesehen haben. Ihre Augen hatten einen schläfrigen Ausdurck. Sie schien nicht wirklich da zusein. Doch als Laru die Frau grüßte, schien sie mit einenmal wach zusein. „Sei gegrüßt, Goldkelchen. Wie geht es dir?“, fragte sie. „Danke, gut Maro. Und dir? Was macht dein Kreuz?“

„Ach, es ist nicht schlechter, aber auch nicht besser geworden. Sei froh, dass du noch so jung bist. Das hohe Alter ist wirklich kein Segen!“, bemerkte die Alte und lächelte matt. Laru lächelte beruhigend. Da schaute die Frau zu Lore und die Augen der Alten schienen zu funkeln. Ein belustigtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Mit ihren dürren Fingern zeigte sie auf den Prinzen. „Wer ist denn dieser schmucke junge Mann an deiner Seite?“, fragte sie sogleich unverblümt und Lore warf Laru einen warnenden Blick zu. Versuchte ihr damit zusagen, dass sie sich hüten sollte. Doch Laru schien diesen Blick nicht beachtet zuhaben, denn sie sagte einfach:„ Das ist mein Mann!“

Und konnte dabei ein Grinsen nicht unterdrücken. Dafür hätte Lore ihr den Hals umdrehen können. Erst selber sagen, dass sie ihn nicht wollte und jetzt tat sie so, als wäre sie froh, ihn zu haben. So eine verlogene…, dachte er und schaute in eine andere Richtung, weil er die verblüfften Blicke der Alten nicht ertragen konnte. „Dein Mann? Seit wann hast du dir endlich mal einen Mann genommen. Ich dachte immer, die sei keiner gutgenug?“, fragte sie dann und sie klang einwenig vorwurfsvoll. „Glaube mir, ich hätte auch lieber diesen Standpunkt weitervertreten. Aber leider hatte ich keine andere Wahl. Sein Vater wollte es so!“, erklärte Laru und schaute dabei zu Lore, der unruhig von einem Fuss auf den anderen trat. Da hatte er natürlich nicht den Mut, etwas zusagen. Aber auch nur, weil es stimmte und er keine Möglichkeit hatte es so zu drehen, dass er das Opfer war. Laru sah, wie die Alte nur die Brauen hob und ihr dann verschwörerisch zuzwinkerte. Sie ließ sich nichts anmerken. „Ach, ehe ich es vergesse…Jardo fragt nach dir. Er möchte gerne, dass du wieder in seiner Gaststube singst!“, sagte sie dann. Larus Brauen hoben sich nun auch. „Jardo? Von dem habe ich ja lange nichts mehr gehört!“, sagte sie dann und Maro grinste. „Das liegt daran, dass du solange wegwarst. Er wird sich freuen, wenn du wieder seine Gäste mit deinen Liedern erfreust!“, meinte sie. „Da hast du vielleicht recht. Ich werde ihn mal besuchen!“, sagte Laru und verabschiedete sich von der alten Frau. Lore folgte ihr nur. Fragte sich dabei, wieviele Leute sie noch kannte. Sie schien das ganze gesamte Reich der Prinzessin zukennen. Aber war das ein Wunder beidesen Bauern und Bettlern, die ihr einundaus gingen. Lore rümpfte dabei die Nase. „Los, komm. Du hast es ja gehört. Auf zu Jardo!“, sagte seine Frau, nahm ihn bei der Hand, woraufhin Lore ihr am liebsten diese entrissen hätte. Laru verabschiedete sich von der alten Dame und ging mit dem Prinzen die Strasse hinunter. Und wie immer wenn sie an einigen Leuten vorbeikamen, steckten diese die Köpfe zusammen und begannen zutuscheln. Prinz Lore hatte dabei das starke Veralngen, einen Degen an seinem Gürtel zuhaben. Laru schien seine aufkommende Wut nicht bemerken und wenn doch, so schien sie kein Interesse daran zuhaben, ihn zu beruhigen.

Erfreute sie es etwa, dass man ihn in Verlegenheit brachte und sich das Maul zerriss?

Wenn ja würde sie es noch bereuen. Wie? Das musste er sich noch überlegen!

Ihr Weg führte sie weg von dem Markt. Wo vorher die Strassen und Gassen breit genug waren, sodass eine Kutsche oder ein Vierhkarren hindurch passte, so wurden die, durch die sie gingen nun enger und das Licht war vielzuschwach, als das man was sehen konnte. Und zu Lores Beunruhigung waren diese auch nicht verlassen. Sie kamen an einigen Männern von zwielichtiger Gestalt vorbei, die ihnen verstohlen nachsahen. Lore fürchtete, dass sie sich gleich auf sie stürzen und sie lynchen würden. Immer wieder sah er nachhinten. Zwar hatten sich die Männer nicht von der Stelle gerührt und schienen auch nicht die Absicht zuhaben, ihnen zufolgen, doch Lore war sich nicht wirklich sicher, ob das auch so bleiben würde. Laru schien das nicht zustören. Für sie existieren diese Männer wohl nicht und Lore fragte sich, ob sie noch bei Trost war, durch solch eine Gasse zugehen. Aber er fand es auch wiederum mutig. In dem Reich seines Vaters gab es auch solche Gassen und keine Frau hätte es gewagt, diese allein zudurchqueren. Dafür gab es zuviele Landstreicher und Diebe, die nur daraufwarteten, dass sich eine leichtsinnige Seele in den dunklen Gassen verirrte. Lore jedoch wollte nicht sie länger für ihren Mut bewundern, sondern sich sagen, dass sie eine Närrin sei und dass sie sich und vor allem ihn noch ins Verderben stürzte. „Wielange brauchen wir noch?“, fragte er ungeduldig und Laru blieb sogleich stehen. Grinste und deutete mit dem Finger zum Ende der schmalen Gasse. „Nur noch ein paar Schritte und wir sind da!“, erklärte sie und Lore atmete erleichtert auf. Je eher er aus dieser Gasse kam, desto besser.

Die letzten Meter ließ er schnell hinter sich und als er auf die Hauptstrasse trat, fühlte er sich umso wohler. Laru lächelte etwas. Ihr war bewusst gewesen, dass ihm diese Gasse nicht geheuer war, aber es war der schnellste Weg gewesen und sie hatten keine Zeit mehr, bevor der Abend dämmerte und die Wachen die Stadttore schlossen. „Gehen wir weiter?“, fragte sie und noch ehe Lore was sagen konnte, zog sie ihn wieder an der Hand. Dabei hatte er gar nicht bemerkt, dass sie seine Hand die ganze Zeit gehalten hatte. Und wenn er ehrlich war, war er froh darüber. Denn wenn sie ihn nicht an der Hand gehalten hätte, wäre er auf dem Absatz umgekehrt und aus der Gasse geflohen. Sie hatte irgendwie etwas Tröstendes. Aber dann sagte er sich wieder, dass sie nur eine gewöhnliche Bürgerliche ist und er ein Prinz. Immernoch. So entzog er schnell ihr seine Hand und verschränkte die Arme vor der Brust. Zeigte ihr deutlich, dass er nicht begeistert war, hier zusein. Laru aber schien es nicht zu stören, sondern trat auf die Haupstrasse und steuerte auf ein Haus zu, das zweizstöckig und ziemlich heruntergekommen war. Die Außenfassade, welche einmal weiss gewesen sein musste, war durch Regen und Wind ziemlich angegriffen worden und verschmutzt. An einigen Stellen hatte sie Risse. Die Fenster wirkten verschmutzt und nicht gerade einladend. Für ihn sah das Haus wie eine billige Absteige für Räuber und Banditen aus. Kurz sah er zurück zur Gasse, durch die sie gegangen waren und fragte sich, ob diese beiden unheimlichen Männer nicht aus dieser Kascheme kamen und dort hausten. Wenn ja, würde er keinen einzigen Fuss hineinsetzen. „Lieber bleibe ich hier draußen!“, sagte er und machte einen Schritt zurück. Laru sah ihn mit einem genervten Seufzer an. Sie konnte sich denken, was gerade in seinem Kopf hervor ging, als er das Gasthaus betrachtete und konnte über soviel Oberflächlichkeit nur den Kopf schütteln. „Nun komm schon. Es kann dauern, bis ich mit Jardo mich geeinigt habe und ich glaube kaum, dass du solange darußen warten willst!“, sagte sie und deutete, wie um ihre Worte als Argument zunerstreichen, zu der Gasse, aus der die beiden Männer traten und sie beiden mit lauernden Blicken anschauten. Nagut, das war wirklich ein guter Grund, um nicht vor der Tür zuwarten. Da Lore zumal keinen Degen oder Schwert bei sich trug, mit dem er sich verteidigen könnte und folgte, wenn auch störisch, Laru über die Strasse. Seine Frau klopfte dann an die dunkle Holztür und diese wurde nach nur wenigen Minuten geöffnet von einem großen stämmigen Mann, mit schwarzen gewellten Haaren und einem Bart, der gut als ein Nest für Vögel durchgehen konnte. Der Mann war so groß und so breit, dass Lore glaubte einen Bären vor sich zuhaben. Und der Blick, mit dem ihn der Mann von oben bis unten betrachtete, kam ebenso dem eines Bären gleich. Lore spürte, wie sein Hochmut ins Bodenlose sank und er sich klein fühlte. Noch lange schaute der stämmige Mann ihn so an, als wollte er ihn am liebsten ungespitzt in den Boden rammen, doch als er zu Laru schaute, hellte sich das Gesicht des grimmigblickenden Mannes auf und er stiess einen Freidenruf auf. „Der Teufel soll mich holen. Da ist ja mein allerliebstes Goldkelchen!“, sagte er, breitete dabei die Arme aus und umarmte sie. Drückte sie fest an sich und hob sie dabei so hoch, dass ihre Fussspitzen minimal über dem Boden schwebten. „Was hast du mir gefehlt!“, brummte er. „Ja, du mir auch!“, lachte Laru, wobei sie versuchte Luft in ihre Lungen zubekommen. „Aber wenn du mich weiter so drückst, wirst du nichts mehr von mir haben!“

Da ließ der Mann sie los und schaute sie verlegen lächeln an. „Verzeih, aber ich habe dich so lange nicht mehr gesehen und Tag für Tag fragen mich meine Gäste, wann sie wieder deiner Stimme lauschen dürfen. Du musst dir vorstellen, dass sogar weithergereiste in mein Gasthaus kamen, nur um dich zuhören. Du scheinst bei den Bewohnern hier so großen Eindruck gemachtzuhaben, dass sie es jedem sagen mussten!“, erklärte er euphorisch und sein Gesicht wurde dann niedergeschlagen. „Umso enttäuschter waren sie, als ich ihnen sagen musste, dass du nicht mehr hier bist. Geschweige denn in diesem Königreich!“

„Tut mir leid, Jardo!“, sagte sie. „Schon gut. Jetzt bist du ja wieder da!“, sagte er, strahlte wieder über das ganze Gesicht. „Komm doch rein. Dann kannst du mir alles erzählen, was du erlebt hast!“, sprach er und schob sie in das Gasthaus. „Warte, was ist mit meinem Mann?“, fragte sie und zeigte dabei auf den Prinzen, der zusammenzuckte. Sofort schaute Jardo ihn wieder feindselig an und schien abzuwägen, ob er ihn wirklich in seine Stube hineinlassen sollte, doch dann hob er die Schultern und bat auch Lore hinein. Kurz bevor er die Gaststube betrat, schaute er hoch, um zusehen wie das Gasthaus. Das Schild war in Form eines schwarzen Bären, auf dem in weissen geschwungen Lettern stand: Zum singenden Bären!

Das schien nicht wirklich zupassen. Jardo machte wirklich nicht den Eindruck, als würde er singen, geschweige denn einen vernünftigen Ton über die Lippen zu bringen, ohne dabei zubrummen, wie ein Bär.

Zumindest mit dem Bären war er bei der Wahrheit geblieben.

Das Gasthaus sah zwar von außen herunterkommen aus, innen jedoch konnte man sich wirklich wohlfühlen. Der Raum war riesig und bot für genug Menschen platz. Runde und eckige Tische standen in einem bestimmten Muster und waren allesamt mit weissen Decken bedeckt. Die Decke wurde von massiven dicken Holzpfposten gestützt und die Wände waren mit weiser Farbe bestrichen. Eine breite, hölzerneTreppe, die sich an die von ihm rechte Wand schmiegte, führte nach oben. An der Wand gegenüber der Tür stand eine lange und breite Theke, an der Stühle gelehnt standen. In der Ecke schräg dieser Theke war eine Bühne, auf der Musiker bequem sitzen und spielen konnten. Nicht schlecht, musste Lore feststellen.

„So, hier ein Honigwein und für…deinen Mann etwas Herbes!“, sagte Jardo und reichte Laru ein kleines Fass mit dem besagtem Getränk. Lore allerdings bekam ein großes und als er an der Flüssigkeit, die darin schwappte, roch, stiegen ihm ein bitterer und besonders ein beissender Geruch in die Nase. Angewidert schob er das Fass von sich. „Was ist das zum Teufel ist das?“, fragte er den Wirt. „Genau das. Wir nennen das „Den Teufelstrank!“, erklärte Jardo mit einem etwas amüsierten Lächeln. Lore glaubte ihm das nur zugern. Mit soch einem Gebräu konnte man selbst den stärksten Mann sicherlich in die Flucht schlagen und er wollte es auch nicht weiter probieren, doch Larus Blick und der darin liegende stumme Befehl den Mann vor ihm nicht zuverärgern, entging ihm nicht. Dieser war auch völlig überflüssig, da er selber sah, wie Jardo ihn stumm auffordert, das Fass leerzutrinken. Und Lore war wirklich nicht darauf erpicht, es sich mit dem Bärenähnlichen Mann zuverscherzen. So nahm er tapfer einen Schluck und verzog augenblicklich das Gesicht. Das Gebräu brannte entsetzlich in seiner Kehle, als es diese hinunterfloss und hinterließ einen säuerlichen Nachgeschmack auf seiner Zunge. Dem Prinz schüttelte es. „Pfui, Teufel!“, sagte er. „Es mag zwar nicht gut schmecken, aber es wärmt. Ideal bei kalten Winternächten!“, erklärte Jardo und machte sich daran Krüge und Gläser zu putzen und zu polieren. Lore sagte darüber jetzt nichts, sondern schaute Laru an und warf ihr einen grimmigen Blick zu. Doch das Mädchen schien diesen nicht zubeachten und sprach Jardo an. „Maro sagte mir, dass du möchtest, dass ich wieder bei dir singe!“, sagte sie und Jardo grinste. „Ja, ich…sei mir nicht böse, aber dein schönes Stimmchen bringt mir nochmehr Geld ein, als mein berühmter Schweinetanz!“, sagte er und Lore warf Laru einen verwirrten Blick zu. „Schweinetanz ist hier das beliebstete Hauptgericht. Eine Art Schweinebraten, garniert mit gedünsteten Gemüse und einer würzigen Soße!“, erklärte sie. „Ein ungewöhnlicher Name für ein Essen!“, bemerkte Lore mit gefruchter Augenbraue. Laru hob nur die Schultern. „Ein komischer Name schon…aber immerhin macht er Freude!“, sagte Jardo grinsend. Wandte sich dann wieder dem Mädchen zu. „Und wie sieht es aus? Kann ich mit deiner schönen Stimme rechnen?“

„Natürlich. Sage mir nur wann und wo, und ich werde wieder haufenweise Menschen in deine Stube holen!“, erwiederte Laru keck. „Na, das nenne ich doch ein Wort!“, sagte Jaro. „Übermorgen. Abends zur zwanzigsten Stunde. Ich werde einen Karren zu deiner Behausung schicken, der dich abholt!“

„Danke. Aber ich fürchte du wirst einen größeren schicken müssen, da mein Mann auch mitkommt!“

Da schaute Jardo wieder ihn an und sein Gesicht verfinsterte sich erneut. „Wie kommt es, dass so ein hübsches Ding so einen gelackten Affen bekommt?“

Bei dieser Frage musste Lore nach Luft schnappen. Gelackter Affe?

Was glaubte dieser unrasierte wandelnde Wandschrank, wen er vor sich hatte?

Lore wollte schon darauf etwas erwiedern, aber Laru, die wusste ihm gerade auf der Zunge lag, legte die Hand auf seinen Arm und drückte fest und vorallem bestimmt zu. „Ich hatte eben das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusein!“, sagte sie und Lore musste ein sarkastisches Lachen unterdrücken. Glück, von wegen, dachte er verächtlich. Was für eine Heuchlerin!

„Soso!“, sagte Jardo nur und sah Lore mit einem bestimmten Blick an. „Na, dann hoffe ich, dass er dich zu beschützen weiss. Ich sehe es nicht gern, wenn so ein hübsches junges Ding abends allein duch die Gegend streift!“, sagte er und tätschelt ihr dabei mir väterlicher Sorge in den Augen ihren Arm. „Da bin ich mir sicher!“, sagte sie und warf ihm einen vielversprechenden Blick zu. Lore konnte sich nur schwer darauf eine bissige Antwort verbeissen.

Sie blieben noch eine Weile, dann aber, als sich der Tag langsam dem Ende neigte, beschlossen sie aufzubrechen. Verabschiedeten sich von Jardo. Doch bevor Lore nur einen Fuss aus dem aus dem Gasthaus machen konnte, hielt ihn der stämmige Mann an der Schulter zurück. „Pass gut auf sie auf. Sie hat es verdient!“, sagte er. Lore sah ihn nur an, entzog ihm dann seiner Schulter. „Jaja, sicher…!“, murmelte er nur.

Als sie die Tore erreichten, war es beinahe schon dunkel. In der Ferne konnte Lore die dumpfen Schläge einer Glocke läuten hören, die wohl zur Abendstunde rief und die Wachen machten sich daran das gewaltige Tor zuschließen. „Wartet bitte. Wir müssen noch raus!“, rief sie und die Wachen stutzten etwas. Doch dann nickten sie. Nicht jedoch ohne sie zuwarnen, dass es gefährlich werden kann, jetzt noch um diese Zeit draußen zu sein. Doch Laru schien die Warnung einfach hinzunehmen und bedankte sich trotzdem.

Mit einem lauten Poltern schlossen sich die Tore hinter ihnen und Lore zuckte zusammen. Blickte zu ihnen und wünschte sich, auf der anderen sicheren Seite zusein. Warum hatte Laru nur daraufbestanden aus der Stadt zu kommen. Wäre es nicht besser - und vor allem sicherer-wenn sie sich ein kleine sZimmer genommen hätte. Lore hätte gerne die Gastfreundschaft des brummigen Mannes in Kauf genommen, wenn er den Gefahren der Nacht entgehen würde. Aber der Stolz von diesem unvernünftigen Ding würde sie beide nun den Kopf kosten.

Immer wieder während sie die unebene Strasse zurückliefen, schaute er sich um und versuchte in den Schatten etwas zuerkenne, was auf eine Bedrohung deutete. Doch so schmal er auch die Augen zusammenkniff, er konnte nichts erkennen. Laru war nun auch auf der Hut und beschleunigte ihre Schritte. Lore konnte kaum nachkommen. Er hatte wirklich Mühe, ihr zufolgen und sie nicht zuverlieren. „Warte doch mal!“, rief er und fragte sich nun wieder, woher sie so schnell laufen konnte. „Beeil dich doch!“, drängte sie ihn. „Wie denn? Du rennst ja sochschnell als sei der Teufel hinter dir!“, rief er zurück. „Ich habe auch guten Grund. Hier treibt sich naschts unangenehmes Gesindel herum!“, rief sie über ihre Schulter und Lore zuckte bei ihren Worten zusammen. Sie wusste davon und wagte es trotzdem, Nacht die Strasse entlang zulaufen?

Lore fragte sich immer mehr ob er nicht an eine Wahnsinnige geraden war. „Warum hast du dann nicht nach einem Zimmer bei deinem Freund verlangt?“, fragte er. „Weil wir soviel Geld auch nicht hatten und wir müssen damit sparsam sein!“, kam prompt die Antwort und zu Lores Entsetzen schien schon vielzuweit gelaufen zusein, als dasss er sie noch hören konnte. Lore beeilte sich nun, um sie nicht zuverlieren. Sparsam, grummelte er dann vor sich hin. Und unser Leben aufs Spiel setzen!

Bei diesem Gedanken wurde er sich wieder bewusst, dass er eigentlich vorhatte zufliehen. Bisher hatte er diesen Entschluss vergessen, weil er mit anderem beschäfitgt war. Wie dem Bewundern des großen Reiches der verschmähten Prinzessin Rari oder dem Gesang des Mädchens, welches vor ihm herlief und sich als eine hervorragende Lügnerin entpuppt hatte. Und das ihn nun in große Gefahr. Jetzt wo er sich dessen wieder bewusst wurde, sah er keinen Grund, ihr zufolgen. Wenn er schon Gefahr lief überfallen und getötet zuwerden, dann konnte er es auch allein. Aber nicht kampflos. Er würde sich wehren. So entschied er sich schnell einen anderen Weg zu nehmen.

Lore musste schon Stunden gelaufen sein. Und wusste, wenn er ehrlich sein sollte, nicht wohin er gehen sollte. Doch aufgeben und nach seiner Frau, dieser Heuchlerin, suchen, wollte er nicht. Angestrengt versuchte er einen Anhaltspunkt in der Dunkelheit zuerkennen, der ihm helfen konnte sich zu recht zufinden. Aber egal wohin er auch blickte war es stockduster. Nicht mal der Mond, der hochüber ihm stand, vermochte es mit seinem Licht diese Dunkelheit zu durchdringen. So langsam verließ ihn der Mut, doch immer wenn er mit dem Gedanken spielte das Mädchen zu suchen und mit ihm zurück in die Hütte zu gehen, schallt er sich dafür und sagte sich, dass er, auch wenn er kein Prinz mehr war, sich dennoch seinen angeborenen Stolz bewahren wollte. So ging er weiter. Immer sturgeradeaus und als irgendwan seine Fusse schmerzten, ließ er sich auf einen kalten Stein sinken. Nutzte diese Pause um nachzudenken und abzuschätzen wieweit es noch sein würde, bis er das nächstgelegene Dorf erreichen würde. Falls es überhaupt noch ein Dorf in der Nähe gab, kam es ihm plötzlich in den Sinn und er schauterte. Er erinnerte sich nicht daran, dass sie, während sie mit dem Rindkarren fuhren, an einige Häuser vorbeigefahren sind. Und wieder kam ihm Zweifel. Was, wenn er sich hoffnungslos verlaufen hatte?

Und das Mädchen erst später, viel zuspät bemerken würde, dass er ihr nicht mehr folgte?

Würde sie nach ihm suchen oder eher ihn seinem Schicksal überlassen?

Lore konnte sich nicht vorstellen, dass das Mächen sowas tun würde. Aber er hatte ja gesehen, dass sie ihn ebenso wenig wollte, wie er sie. Also konnte es gut sein, dass sie…

Etwas riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn erschrocken hochschauen. Immernoch war es dunkel, zudunkel, als dass er etwas erkennen konnte. Aber er war sich sicher, dass er etwas gehört hatte. Es hatte sich wie das Lösen von kleinen Steinen angehört, die man lostrat. Er spitzte die Ohren, in der Hoffung es wieder zuhören. Es vergingen Minuten, die sich wie Stunden zudehnen schienen, und beinahe wollte sich Lore damit abfinden, dass er sich getäuscht hatte. Doch dann hörte er das Geräusch erneut und diesesmal klang es näher. Nun war er wachsam und spähte in die Richtung, aus der er das Geräusch vernommen hatte. Erst sah er nichts. Aber dann sah, wie sich dunkle Schmenen und dem Dunkel der Nacht abzeichnetet und langsam Gestalt annahmen. Es waren die Umrisse zweier Menschen und sie kamen genau auf ihn zu. In ihren Händen blitzte plötzlich kurz etwas metalisches auf. Lores Herz setzte einen Schlag aus, als ihm bewusst wurde, was das zubedeuten hatte. Räuber! Oder noch viel Schlimmeres. Obwohl alles in ihm danach schrie, sofort aufzuspringen und so schnell wie es seine Beine erlaubten, loszurennen, zwang er sich ruhig zubleiben. Vielleicht hatten sie ihn ja noch nicht gesehen.

Langsam, in der Hoffung, dass man ihn noch nicht bemerkt hatte, rutschte er von dem Stein hinunter und ging ebenso langsam rückwärts. Dabei ließ er die Gestalten nicht aus den Augen. Verfolgte wie sie näher kamen und Anstalten machten, sich aufzuteilen. Nein, die Hoffnung, dass er still und heimlich fliehen konnte, zerschlug sich in tausend Scherben. Instinktiv griff er an seine Hüfte und musste entsetzt feststellen, dass er unbewaffnet war. Lore fluchte innerlich. Schaute sich dann hastig nach einem Fluchtweg um. Ihm blieb keine andere Möglichkeit, als zufliehen. Vorerst.

Rechts von ihm erhob sich ein Hügel und er fragte sich, ob er noch genug Zeit haben, geschweige denn schnell genug sein würde, um diesen hochzulaufen und was er dann machen würde. Sich vielleicht verstecken und erst rauskommen, wenn die Luft rein war. Oder gleich den nächsten Morgen abwarten. Die näherkommenden Schritte nahmen ihm die Entscheidung ab. Ein flüchtiger Blick nachvorne zu den Gestalten ließ ihn erkennen, dass sie schon dabei waren ihn in die Zange zunehmen. Ihm blieb also keine Zeit. Schnell drehte er sich um und rannte los. Sofort setzten sich auch die beiden Gestalten in Bewegung und nahmen die Verfolgung auf. „Der Kerl haut ab!“, schrie der eine. „Los, beeil dich. Schnappen wir ihn uns!“, kam es von dem anderen und schon blad hörte Lore sie hinter sich. Und sie holten schnell, sehr schnell auf. Panik wallte nun in ihm hoch und Lore zwang seinen Beinen das unmögliche ab. Der Aufstieg erwies sich als schwer, da er die Steigung falsch eingeschätzt hatte und das Gras zu weich und zu rutschig war, als das er mit den Füssen auch nur einen festen Halt finden konnte. So stolperte er mehr als dass er rannte den Hügel hinauf und spürte, wie die Panik immer höhere Wellen schlug, bis sie ihn lähmte. Sein Herz rasste so schnell, dass der Puls in seinen Ohren dröhnte und seine Lungen brannten. Als er endlich den Hügel erklommen hatte, warf er einen Blick zurück. Zu seiner Erleichterung hatten die beiden Räuber ebenso große Mühe, diesen hochzuklettern. Aber ausruhen konnte er sich auch nicht, da er wusste, dass sie nicht lange brauchne würden, um ihn einzuholen. So atmete er einmal-zweimal tief durch und rannte den Hügel hinunter. Er musste aufpassen, dass er nicht mit den Füssen in einem tückischen Graben stecken bleiben und sich beim Stürzen noch sämtliche Knochen brechen würde. Auch beim runterlaufen erwies sich das Gras als viel zuglatt und so schlitterte der Prinz hinunter. Ruderte mal unkontrolliert und mit wachsender Angst, zustürzen mit den Armen, um sich dann im nächsten Moment wieder zufangen. „Warum muss mir das passieren?“, fragte er sich dabei überflüssigerweise, während er weiterannte. Da machte er den Fehler und schaute hinter sich, um zusehen, wie weit er seine Verfolger schon abgehängt hatte. Und rannte prompt in einen dritten Menschen hinein. Erschrocken und überrascht, konnte Lore nicht richtig reagieren. Er stiess einen erschrockenen Schrei aus. Auch die dritte Gestalt schien überrascht zusein. Für einige Minuten herrschte ein regelrechtes durcheinander. Lore und der dritte Mann, der wohl zu den Räubern gehörte waren zu einem einzigen Knäuel aus Armen und Beinen geworden und rangen miteinander darum, wer zuerst sich befreite. Dabei trat der Dritte ihm ins Gesicht, während Lore diesem wiederum einen Schlag in den Magen versetzte. Es folgte eine Reihe von Flüchen und schmerzenden Lauten, ehe sich Lore und sein dritter Gegner voneinander trennen konnten. Und bevor Lore aufstehen und einen Schritt zur Flucht machen konnte, packten zwei grobe Hände ihn an den Schultern und rissen ihn wieder von den Füssen. „Arggh, was soll das? Lasst mich auf der Stelle los. Wisst Ihr nicht wer ich bin? Ich bin Pri…!“

Ein brutaler Schlag auf seinen Mund brachte ihn zum Schweigen und Lore schmeckte Blut in seinem Mund. Hilflos spuckte er es aus. „Uns ist es gleich, wer du bist!“, zischte eine Männerstimme. „Als würde es uns kümmern, wer du bist. Egal ob Prinz oder nicht. Falls du einer überhaupt einer bist!“, erwiederte eine andere Stimme und Lore fühlte den alten Ärger in sich aufsteigen. „Natürlich bin ich ein Prinz!“, schrie er erbost und versuchte sich aus den Griffen seiner Angreifer zubefreien. Was ihm jedoch wieder einen Schlag ins Gesicht einbrachte. „Das ist gleich!“, kam es nun von der zweiten Stimme und er spürte, wie man an seinen Kleidern zerrte. „Was wollt Ihr von mir?“, fragte er, seine Stimme nun mehr ein ängstliches Zittern, als wütend. „Ich habe nichts bei mir!“

„Deine Klamotten werden usn schon reichen!“, kicherte nun die Stimme über ihm, die zudem Mann gehörte, der ihn festhielt. Nein, schrie es in seinem Innersten und er begann sich zuwehren. Wenn sie ihm die Kleider stahlen, so würde er jämmerlich in dieser Kälte erfrieren. „Nehmt Eure dreckigen Hände von mir weg!“, schrie er, nun volends in Panik und trat um sich. Es war ein reiner Glückstreffer, dass er einem seiner Peiniger dort hintrat, wo es wirklich wehtat, sodass es einer weniger war. Dafür aber kassierte er prompt einen dritten und einen vierten Schlag, der ihm das Bewusstsein raubte. Diesesmal trafen sie ihn an die Schläfen. Nur am Rande bekam er mit wie die beiden Kerle anfingen ihm seine Kleider vom Leib zureisen und sogar nicht vor dem Gebrauch eines Messers haltmachten, um die Schnürre, die sein kostbares Hemd zusammenhielten aufzuschneiden. Er hörte das böse Lachen, in dem die Freude über die neue wertvolle Beute lag, und die Pläne und die Preise, die sie mit den Kleidern vorhatten. Und dann das Schlagen von Hufen, das Rattern von Rädern und das aufgeregte Rufen von Männern. Dann versank seine Welt in tiefste Schwärze.

Spätes Heimweh

Dunkelheit und Kälte. Weiteres gab es nichts um ihn herum. Der Körper des Prinzen fühlte sich leicht wie eine Feder an und Lore fürchtete schon, er habe sein sterbliches Dasein verloren. Nur sehr schwach konnte er sich daran erinnern, was passiert war. Das letzte was er noch wusste war, dass man ihn bewusstlos geschlagen hatte, um ihn auszurauben. Was danach passiert war, war in tiefer Dunkelheit versunken. So wie er jetzt. Lange blieb er in dieser Starre, vermochte nicht zusagen, wo er war oder wer er war. Alles war erfüllt von kalter Gleichgültigkeit, die ein Teil von ihm selber wurde und ihn schon dazu brachte, es selber als gleichgültig zubetrachten, was mit ihm geschehen war oder was nun kommen würde. Doch dann, wie als würde ihn etwas davon abhalten, gänzlich in dieser Finsterniss zuversinken, drang aus dieser und aus weiter Ferne ein Summen. Lore fragte sich augenblicklich, was das sein konnte und lauschte genauer hin. Mehr verwundert als neugierig. Das Summen wurde malzumal deutlicher und Lore konnte nun sagen, was es war. Gesang. Jermand sang in der Dunkelheit.
 

Sie sagen, dass es immer am Dunkelsten kurz vor der Dämmerung ist

Sie sagen, dass ich stark sein muss um weiterzukommen

Doch sie wissen nicht, dass ich mein ganzes Leben lang warten würde

Denn du weißt, mein Liebling, dass ich nur auf dich warten würde...
 

Der Gesang kam, so schien es ihm, wie ein Ruf aus der Dunkelheit. Und dieser Ruf schien ihn aus aus dieser Dunkelheit, in der er sich befand, holen zuwollen. Zugleich ließ er sein Herz so wild schlagen wie die Flügel eines Schmetterlings. Irgendwoher kannte er diesen süßen Klang. Doch das konnte nicht sein. Er war doch tot. Wie konnte er dann noch etwas hören, geschweige denn sich erinnern?
 

Da standest du, erstaunlich strahlend für die ganze Welt zu sehen

Und ich wusste, es wurde ein Engel gesandt um über mich zu wachen...
 

Immer deutlicher und lauter hörte er den Gesang und fühlte auch sogleich, ihm eine unerklärliche, Wärme, die die Kälte vertrieb und seinen Körper erfüllte. Ihn schwermachte. Sodass er zuhoffen wagte, dass er doch nicht tot war. Auch wenn er immernoch nicht begriff, wie das sein konnte. Der Gesang wurde nun auch lauter und zog ihn beinahe schon zu sich. So als wollte dieser ihn ins Leben zurückholen.
 

So werde ich hier warten, hoffen, träumen, dich lieben

Denn ich weiß, mein Liebling, dass du mich auch liebst.
 

Langsam wich die Dunkelheit einem schwachen Licht, welches aus der Ferne vor ihm war und je näher er diesem kam, desto heller wurde es. Das schwere Gefühl seines Körpers nahm zu und bald schon konnte er auch das Schlagen seines Herzen spüren, wo vorher düstere Taubheit geherrscht hatte. Er lebte also noch. Erleichtert darüber ließ er sich nun gänzlich von dem Gesang leiten und öffnete dann die Augen. Er blinzelte, weil der Wechsel von dunkel auf hell viel zuschnell war und er seine Augen erst daran gewöhnen musste. Als er sie ein zweites Mal öffnete, war es nicht ganz so schlimm und er konnte sich nun umschauen wo er war. Wie erhofft lag er nicht mehr in der klirrenden Kälte und am Strassenrand. Sondern in einem Bett, über ihn zahlreiche Decken ausgebreitet und mit einem Verband um den Kopf. Eine einzige Kerze beleuchtete den Raum in dem er lag, denn er sofort als ein Schlafzimmer erkannte. Und neben seinem Lager saß auf einem Stuhl und in einer Stickarbeit vertieft, ein Mädchen. Leise summte es die Melodie, die ihn aus der Dunkelheit geholt hatte und schien gar nicht bemerkt zuhaben, dass er erwacht haben. Schaute nur nachunten zu dem Tuch, das sie bestickte. Lore konnte das Gesicht des Mädchens nicht erkennen, da der Schal, den es um seinen Kopf egschlugen hatte, nachhunte verrutscht war. Aber er brauchte nicht das Gesicht zusehen, um zuwissen, wer da neben ihm saß. Mit der Wärme und seinem erwachten Bewusstsein, war auch die Erinnerung wieder zurückgekehrt. Er kannte nur einen Menschen, der solch eine Stimme hatte und solche Lieder sang. Laru, das Bettelmädchen. Seine Frau!

Aber wie hatte sie ihn gefunden? Sie konnte sich unmöglich in der Dunkelheit allein auf die Suche nach ihm gemacht haben. Schließlich hatte er einen anderen Weg als sie genommen und sich dann hoffnungslos verloren. Lore versuchte erst gar nicht sich weiter den Kopf darüber zuzerbrechen, da es sowieso keinen Sinn hatte und er froh sein sollte, nicht länger draußen zusein, sondern in lebensspendende Wärme. Doch es ließ ihn nicht los, dass sie ihn, trotz allem was zwischen ihnen gewesen war, bei sich hatte und ihn versorgt hatte. „Es wäre für sie leichter und besser gewesen, wenn sie mich hat einfach sterben lassen!“, dachte er und konnte nicht den Blick von ihr lassen. Er hätte niemals damit gerechnet, dass er hier aufwachen würde. Bei ihr und das er mal so froh sen würde, ihren Gesang zu hören. Schließlich hatte er ihn aus der Bewusstlosigkeit geholt. Dafür war er ihr dankbar. Ausnahmsweise. Irgendwann musste sie bemerkt haben, dass er zusich gekommen war, denn sie hörte auf zusticken und schaute dann auf. „Na, wach?“, fragte sie und Lore konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre Frage ein Vorwurf war. Deswegen erwiederte er daraufhin erstmal nichts. Sondern schaute etwas zerknirscht drein. Überlegte was er sagen sollte. Zum ersten Mal war ihm sein großes Mundwerk vergangen und die Überheblichkeit vergessen. Auch wenn es ihm nicht passte so stand er tief in ihre Schuld, obwohl ihm ein Rätsel war, wie er hierhergekommen war. „Ihr könnt von Glück sagen, dass die königliche Kutsche der Prinzessin Rari noch zu so später Stunde unterwegs war und deren Wachen die Unholde vertreiben konnten, ehe sie Euch den Rest geben konnten!“, erklärte sie und machte sich wieder daran zu sticken. Ein dicker Kloss bildete sich im Halse des Prinzen.

Die Kutsche der Prinzessin Rari. Heisst das, dass sie noch lebte?

Warum aber dann diese schwarzen Trauerfahnen?

„Die Prinzessin lebt noch?“, fragte er. „Natürlich lebt sie noch. Was habt Ihr denn gedacht?“, fragte Laru vorwurfsvoll. „Das sie…naja…das sie sich was angetan hat!“, murmelte der Prinz nun sichtlich verlegen und kroch etwas weiter tiefer unter die Decke. Da schaute Laru auf und ihre Worte waren nun erfüllt von Entrüstung. „Wieso sollte sie sich etwas antun? Etwa wegen Euch? Ich bitt eEuch. Ihr mögt zwar ein schöner Mann sein, aber nicht von großem Wert genug, als das sie sich deswegen das Leben nehmen würde!“, erklärte sie und Lores Verlegenheit verflog. Machte seinem alten gewohnten Stolz platz und auch seiner Wut. Nicht von wert? Was bildete sie sich ein?

„Das sagt jemand, der sein Geld mit Singen verdient und rumläuft wie eine gemeine Landstreicherin!“, konterte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Immerhin ist diese gemeine Landstreicherin klug genug, um zuwissen, wo Räuber und Diebe ihre Jagdreviere haben!“, kam es nun von Laru und bot damit dem Prinzen die Stirn. Sie konnte ebenso mit hartren Bandagen kämpfen wie er und wenn er glaubte, dass sie sich diese Beleidigungen und noch weitere einfach auf sich sitzen lassen würde, hatte er sich gründlich geschnitten. „Ja, aber immernoch nicht klug genug, um zuwissen, dass niemand auf ihre Hilfe angewiesen ist!“, giftete er zurück. „Wer will schon von jemandem Hilfe bekommen, dessen Gesicht immer verborgen ist. Nicht gerade vertrauenserweckend!“

Sprang Laru auf, warf die Stickarbeit mit einem wütenden Laut zu Boden und riss ihren Schal mit den Worten:„ Glaubt Ihr, dass mache ich aus Jux und Laune?“, und nun konnte Lore sehen, warum sie ihr Gesicht bisher immer verborgen hatte. Ihr Gesicht war nicht mehr voller Schmutz und man könnte meinen, dass es sogar schön war, wären da nicht die Narben. In dem Licht hatten sie die Farbe von Rosa bis zum dunklen Rot. Sie schienen wie eine zweite, ältere Haut zu sein, die die junge überdeckte und damit verschandelte. Lore wurde schlecht bei diesem Anblick. Dies lag jedoch nicht an ihr, sondern an ihm. Er fragte sich sogleich, warum ihm das nicht schon vorher in den Sinn gekommen war?

Warum es ihn so überraschte?

Sie hatte ja einen guten Grund gehabt, dass sie ihr Gesicht verbarg. Aber Lore wäre es lieber gewesen, es nicht zusehen.

Jetzt wo er es tat, spürte er, wie ihm ein schlechtes Gewissen kam und er fragte wieder.

Wieso hatte er diese noch nie zuvor bemerkt?

Sie waren nicht gerade unauffällig und als am Tage hätte er das sehen sollen. Schon allein ihr Verhalten, die Versuche immer wieder, dass er ihr Gesicht sah, hätten ihn stutzig machen sollen. Hatten sie auch. Aber er hatte sich nichts dabei gedacht. Zumindest nicht sowas. Hatte er es vielleicht nicht sehen wollen, weil es ihn nicht wirklich kümmerte?

Der Gedanke traf ihn mit solch einer Wucht, dass der dicke Kloss in seinem Hals immer dicker wurde und ihn zu ersticken drohte. „Seit wann…?“, wollte er fragen, doch ihm blieben die nächsten Worte im Halse stecken. Larus Wut verlosch sehr bald in ihren Augen und sie hob den Schall seufzend auf. Wickelte ihn aber nicht um den Kopf, da es sowieso keinen Sinn mehr hatte. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit gewesen, dass er ihr Gesicht zu sehen begkam. Und dass es seine Abneigung ihr gegenüber noch größer machte. Sicherlich schockierte es ihn nun sichtlich, dass er eine entstellte Frau hatte. Es tat schon weh, wie er sie ansah. So als würde er es nicht sehen wollen. Sie nicht sehen wollen.

Doch sie schüttelte den Kummer, den sein Blick in ihr auslöste schnell, ab und straffte die Schultern. Soll er doch denken oder sie ansehen, was und wie er wollte. Er musste damit leben. Genauso wie sie es musste. Aber seine Frage erstaunte sie etwas. Berührte etwas in ihr, was sie kurz ins schwanken brachte. Jedoch nicht sosehr, dass sie ihre gleichgültige Haltung, was seinen Blick und seine Meinung über sie, aufgab. Dass er Mitleid deswegen mit ihr hatte konnte natürlich nicht sein, warum er diese Frage stellte.

Sicherlich wollte er wissen, wie es passiert war, nur um seinen Ekel zu verbergen. „Ein schlimmer Brand. Mehr sage ich dazu nicht!“, erklärte sie und begann den Schal in ihren Händen zunkneten. Lore wollte schon etwas darauf sagen, doch die abweisende Geste des Mädchens ließ ihn verstummen und so sah er sie nur an. Gerne hätte er etwas gesagt, was sie aufgemuntert hätte. Sie mochte ihn zwar aus seinem Leben gerissen und seiner Freiheit beraubt haben, welche er beide sehr geliebt hatte und er hätte guten Grund gehabt, sie dafür zuhassen, aber diese Narben in ihrem Gesicht hatte sie wirklich nicht verdient. „Ist das der Grund, warum du hier lebst?“, fragte er. Laru biss sich dabei auf die Unterlippe und rang erstmal mit sich, ehe sie antwortete. Zum einen freute es sie, dass er doch wahres Interesse zu haben schien. Doch zum anderen sagte sie sich auch, dass das alles nur geheuchelt sein kann, um von ihrem Äußeren abzulenken. „Das hat Euch nicht zu kümmern!“, sagte sie und legte den Schal auf den Stuhl. „Ruht Euch lieber noch etwas aus. Die Kopfverletzung war nicht so schlimm, aber auch nicht so harmlos, dass man diese auf die leichte Schulter nehmen sollte!“, sagte sie und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.Lore sah ihr nach und sank dann wieder zurück ins Bett. Er konnte sich nicht anders helfen, als zu glauben, dass er ihr mehr Kummer gemacht hatte als umgekehrt.Hatte er etwa mit seiner Frage in ihr eine schmerzhafte Erinnerung wieder zu neuem Leben erweckt?

Es musste so sein, denn sonst hätte sie nicht so reagiert. Aber war es nicht nachzuvollziehen? Schließlich ist so ein Brand immer was Schreckliches. Etwas bei dem man was verlor. Mochte es ein Besitz oder gar ein geliebter Mensch sein. Bei ihr tippte er aufs letzteres. Mit diesen wenigen Worten hatte sie ihm schon eigentlich alles erzählt. Und dass sie hier lebte und nicht in der Stadt, konnte er sich ebenso gut vorstellen. Nur weil sie eine schöne Stimme hatte und die anderen sie mochten, musste es nicht bedeuten, dass auch niemand sie mit Augen sah, in denen Abneigung, Ekel oder Mitleid lag. Eigentlich traurig und je mehr Lore daüber nachdachte, desto unsicher war er sich, was seine vorherhige Meinung ihr gegenüber, anging. Vielleicht sollte er doch etwas netter zu ihr sein. Immerhin schuldete er ihr sehr viel. Aber da war noch etwas, was ihn verwirrte. Die Prinzessin Rari lebte also. Aber man hatte in der Stadt und am Schloss Trauerfahnen aufgehängt. Was hatte das zubedeuten?

Je länger er versuchtedarauf eine Antwort zufinden, desto mehr ahnte er, dass er keine finden würde. Zumal wurde er müde und so dauerte es nicht lange ehe seine Augen zufielen und er in einen traumlosen Schlaf fiel.

Der nächste Morgen brach an. Sanft fielen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster und trafen auf das Gesicht des schlafenden Prinzen. Murrend drehte er sich auf die andere Seite und rief:„ Diener mach dir Vorhänge zu!“

Doch sein Rufen blieb ungehört und Lore dachte natürlich, dass man ihn ärgern wollte und rief noch etwas lauter. „Diener. Vorhänge!“

Als wieder nichts passierte, richtete er sich wütend vor sich hinschimpfend auf und wollte schon aus seinem Gemach stürmen und den nächstbesten Diener wegen seiner Faulheit anschreien, doch dann sah er, dass er gar nicht in seinem Gemach war, sondern in der Hütte des Mädchens. „Oh, verdammt. Ich bin ja gar nicht mehr in Vaters Schloss!“, sagte er murrend und fiel zurück ins Bett. Schlug die Bettdecke über sich. Da kam Laru ins Schlafzimmer und stellte sich, mit den Händen in die Hüfte gestemmt, ans Bett. „Eurem Rufen nach, scheint es Euch wieder besser zugehen!“, sagte sie und riss dann an der Bettdecke. Lore blinzelte verschlafen und drehte sich zu ihr herum. Wollte nach der Decke greifen, um sie wieder über sich zu ziehen. Laru aber dachte nicht daran, ihm sie zu überlassen. „Wenn Ihr glaubt hier gibt es Diener, so muss der Schlag doch noch härter gewesen sein, als ich befürchtet habe!“

„Jaja…!“, knurrte er nur, schlug das lezzte bisschen Decke von sich weg und wollte aufstehen. Doch da sah er entsetzt, dass er nichts am Leibe trug, sodass er sich gänzlich vor ihr entblösst hatte. Augenblicklich wurde er feuerrot im Gesicht und zog schnell ein Stück der zurückgeschlagenen Decke zu sich zurück um das Nötigste zu verbergen. „Wo..wo sind meine Kleider?“, rief er außer sich vor Scham und sah das Mädchen, welches ein verschmitztes Grinsen nur schwer verbergen konnte, mit einer Misschung aus Empörung und Entsetzen an. „Die zerlumpten Stofffetzen, die du noch am leibe trugest?“, fragte sie gespielt unschuldig und der Prinz nickte bloss. „Die habe ich weggeworfen!"

„Was!“, schrie im nächsten Moment der Prinz auf das die Glasscheiben der Fenster klirrten und zuzerspringen drohten. „Sie waren völlig runuiniert. Du hättest dir darin den Tod geholt!“, erklärte sie, nachdem sie sich bei seinem Schrei die Ohren zuhalten musste und zuckte teilnahmslos die Schultern. „A-aber…das waren wirklich wertvolle Stoffe!“, stammelte der Prinz und wusste nicht, ob er vor Wut schäumen oder vor Entsetzen umkippen sollte. er war nicht sonst so ein Mann, der wegen solcher Dinge gleich in die Luft ging. Aber die den Kleidern, die er getragen hatte, handelte es sich um wirklich hochwertige Ware und auch wenn er wusste, dass sie nach seinem Kampf mit den Räubern nicht mehr zuretten war, wollte er sie dennoch nicht wegwerfen, sondern das Mädchen dazubringen, sie wieder zusammen zuflicken. Dass sie sie weggeschmissen hatte, wie Abfall ließ das Blut aus seinem Gesicht weichen. „Wertvolle Stoffe, die nicht mehr waren als Fetzen!“, erwiederte sie kaltschnäuzig und solangsam wandelte sich sein Entsetzen in Wut. „Und was soll ich deiner Meinung nach anziehen?“, fragte er ärgerlich und deutet dabei auf dabei auf seinen nackten Oberkörper. Im ersten Moment wollte Laru sagen, dass er ihrewegen ruhig so rumlaufen konnte. Kalt war es hier drinnen nicht und sie hätte zugerne gesehen, was sich da unter Decke verbarg. Doch dann riss sie sich zusammen und ging zu einer Truhe. Öffnete diese und holte zu Lores größer werdendem Entsetzen ein Hemd, eine äußerst kratzigaussehende Baumwolhose und ein paar klobiger Stiefel heraus. „Hier bitte!“, sagte sie und reichte damit ihm seine neuen Kleider. Lore nahm diese an, als seien sie mit Ungeziefer verseucht. Vermutlich waren sie das auch, dachte er und schluckte. Schon allein sie in den Händen zuhalten, sagte ihm, dass sie sich auf seiner Haut unangenehm anfühlten. Nur mit größter Mühe konnte er sich ein bissgies Kommentar verkneifen. Immerhin besser als nackt hierrumzulaufen und zum Gespött zuwerden, dachte er sich. „Danke!“, sagte er er laut und wollte sich anziehen, als er das verräterische Kichern Larus hörte und sie dabei pikiert ansah. „Ähm, wenn es dir nichts ausmacht…!“, sagte er und Laru schüttelte den Kopf. „Nein, absoulut nicht!“, eriwederte sie, blieb aber an Ort und Stelle stehen und grinste. Lores Blick wurde dadurch noch grimmiger und sie tat so, als würde sie sich schämen. „Oh, verzeiht mein liebster Gatte!“, sagte sie mit einem Glucksen und verließ das Schlafzimmer. Lore knurrte etwas, was ein unsittsamer Fluch war und zog sich dann an. Wie er es sich gedacht hatte, kratzten seine neuen Kleider und er war versucht, diese auszuziehen, wegzuwerfen und sich wieder ins Bett zulegen. Aber irgendwie wusste er auch, dass das nichts bringen würde. Er konnte sich gut vorstellen, dass Laru daraufhin wieder ins Schlafzimmer kommen würde, sollte er nicht folgen und ihn noch etwas anderes zum anziehen geben, was vermutlich noch schlimmer war. Oder gar nichts, sodass er wirklich nackt durch das Haus laufen und vermutlich auch noch so draußen arbeiten würde. Zwar traute er ihr nicht zu, dass sie ihn so demütigen würde, aber er konnte auch nicht abstreiten, dass sie skrupelos war. So seufzte er ergeben und warf noch einmal einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Sein Gesicht war teilweise von blauen Flecken bedeckt und auch noch etwas geschwollen. Doch alles in allem hätte es schlimmer kommen können. Er hätte tot sein können, wären da nicht die Wachen gewesen, die die Kutsche der Prinzessin begleitet und die üblen Männer vertrieben hatten. Zudem kam noch hinzu, dass sich Laru um ihn gekümmert hatte. Ihn praktisch zurück ins Leben holte. Und das nur mit ihrem Gesang. Lore fragte sich in diesem Moment, ob sie wirklich ein Mensch war oder nicht doch ein Engel. Möglich wäre es. Denn Lore kannte keinen Menschen auf Gottes Erde, der so schön singen konnte und trotz, dass er so schrecklich entstellt war, die Kraft aufbringen konnte ein normales Leben zu führen. Dabei erinnerte er sich daran, wie er zum ersten Mal ihr Gesicht gesehen hatte, weil er seine scharfe Zunge nicht beherrschen konnte und sie dabei gekränkt hatte. Wie wütend sie deswegen war. „Glaubt Ihr, dass mache ich aus Jux und Laune?“, hatte sie ihn wütend gefragt und wieder kam das schlechter Gewissen zurück. Seine Gedanken von gestern ereilten ihn wieder und er verfiel in nachdenkliches Schweigen, während er sich so im Spiegel ansah. Er konnte sich gut vorstellen, dass es nicht einfach war. Und er bewunderte sie für ihre innere Sträke, die es ihr möglich machte das alles zuerdulden. Andere Frauen, die er am Hofe kannte, hätten sich eingesperrt und niemals mehr die elterliche Burg verlassen. Sie aber lebte ihr Leben. Bewundernswert. An ihr könnten sich so manche Menschen ein Beispiel nehmen, dachte er. Langsam begann er den Verband von seinem Kopf zuwickeln und strich die dunklen Haare zurück. Dabei sah er sich noch einmal im Spiegel an. Ja, andere könnten sich an ihr ein Beispiel nehmen. Dann wandte er sich um und trat in die Wohnstube.

Laru wartete schon mit dem Frühstück auf ihn. Diesesmal gab es Brot, mit Butter und einem Töpfchen Erdbeerkompott. Ein Krug mit Milch und zwei Bechern. Laru sah den Prinzen von oben bis unten an und lächelte. „Steht Euch wirklich gut!“, sagte sie und setzte sich an den Tisch. Lore sagte daraufhin nichts. Fragte sich stattdessen, ob sie es ernst meinte oder ob sie damit nur ihren Ärger verbergen wollte. „Danke!“, sagte er und griff nach dem Krug. Goss sich was ein. Laru schaute ihn kurz an, dann zuckte sie die Schultern und schnitt etwas Brot. „Und wie habt Ihr geschlafen?“, fragte sie, um das Schweigen, welches sich über sie legte, zubrechen. Lore hielt kurz inne, überlegte was er sagen sollte. Zu sagen, dass der schlecht geschlafen hätte, wäre gelogen. Aber er wollte auch nicht zugeben, dass er gut geschlafen hatte, denn sonst würde sie denken, dass er sich hier wohlfühlte und diese Blöße wollte er sich nicht tun. Daher hob er nur die Schultern und strich sich ein Brot mit Butter. Wieder trat Schweigen ein und Laru sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit ein Gespräch anzufangen. Worüber sollte sie auch mit ihm reden?

Über seinen gestrigen Überfall und wie knapp er dem Tode enkommen war?

Oder darüber, dass sie wegen ihm sich große Sorgen gemacht hatte?

Trotz dass er sich ihr gegenüber nicht gerade wie ein Gentleman verhalten hatte. Ihm daraus aber einen Strick drehen wollte sie auch nicht, da dies sowieso wieder in einer Diskussion ausarten würde und darauf konnte sie verzischten. Auch wenn sie wusste, dass sie Recht behalten würde. Doch der Tag war zuschön, als dass sie ihn mit Streitereien ruinieren wollte. Und außerdem würde sie schon seinen Stolz und die dadurch entstandende Neigung, ihre Warnungen zu ignorieren und sich in Gefahren zu begeben, autreiben. „Wir haben kein Feuerholz mehr!“, sagte sie dann und tat so, als sei nichts. Lore sah sie nur an und konnte mit dieser Neuigkeit nichts anfangen. „Ja, und?“, war seine Antwort. „Dann schlag neues!“

„Nein, Ihr werdet neues Feuerholz schlagen. Nehmt die Axt und hackt damit die Scheite klein, damit wir sie zum brennen nehmen können!“, erklärte sie und deutete dabei auf ihn. Lore glaubte nicht richtig gehört zuhaben. Er soll Holzhacken, wie ein gewöhnlicher Bauer. Das ging nun wirklich zuweit. „Warum sollte ich das?“, fragte er und bemühte sich ruhig zu klingen. Sie hatte ja gesagt, dass er sich an den Hausarbeiten mitbeteiligen musste, aber da er ja verletzt war, sah er keinen Grund, heute damit anzufangen. Mochte sie ihm geholfen haben oder nicht. Selbst sie musste doch sehen, dass er nicht ganz auf den Beinen war.

Oder machte es ihr Spass, mit ihm zuspielen, wie eine Katze mit einer Maus?

Falls du es vergessen hast, ich habe was auf den Kopf bekommen!“, sagte er und tippte sich dabei an die Schläfe. „Ich habe es nicht vergessen. Aber so wie Ihr heutemorgen rumgebrüllt habt, kann man ja davon ausgehen, dass es Euch wieder besser geht!“, erwiederte sie nur. Lore wollte darauf etwas erwiedern, doch sein Mund klappte auf, ohne das ein Wort über seine Lippen kam und daher schloss er ihn wieder. Das war ein Argument. Ein ziemlich neiderschmetterndes Argument. „Aber ich weiss nicht, wie das geht!“, kam es kleinlaut von ihm "Das ist ganz einfach. Ihr nehmt die Axt in beide Hände und schlagt damit kräftig auf das Holz nieder!“, erklärte sie und fühlte sich dabei, als würde sie einem kleinen, begriffstutzigen Kind etwas erklären. Wobei dies auch zutraf. Und Laru fragte sich wieder, warum sie geradeso einen als Mann abgekommen hatte. „Ist ganz einfach. Soviel kann man nicht falsch machen!“, schloss sie ihre Erklärung und hoffte, dass der Prinz nun endlich seinen Trotz mal lassen würde. Da täuschte sie sich. „Das sagst du. Ich kann mir wehtun. Warum machst du das nicht?“, meinte er und wollte ins Brot beissen. Da aber war Laru aufgestanden und riss ihm das Brot aus der Hand. Als er darauf hin etwas sagen wollte, warf sie ihm einen grimmigen Blick zu und sagte genervt:„ Weil ich das Haus sauber mache und weil Ihr, wenn Ihr was zuessen haben wollt, mit arbeiten müsst!“

Lore warf ihr daraufhin einen wütenden Blick zu und wollte schon nach dem Brot greifen. Laru aber dachte nicht daran und entzog es ihm seinen Zugriff. Sah ihn mit gehobener Braue an. „Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr etwas dafür tun müsst, wenn Ihr was essen und hier schlafen wollte. Also…geht raus und hackt Holz!“, wies sie ihn an und zeigte dabei auf die Tür. Einige Minuten schaute er sie noch finster an, wollte sie anschreien, was ihr einfiele, ihm damit zur Arbeit zuzwingen. Aber dann bemühte er sich zurück zuhalten und ging gehorsam hinaus. Es ist ja so, wie sie gesagt hatte. Will er was zuessen und ein Dach über den Kopf, somuss er mit anpacken.

So ging er grollend hinaus und zu dem hinteren Teil des Hauses, wo auch schon das Holz und die Axt darauf wartete. Mit sich ringend stand er davor und überlebte, ob es nicht besser wäre einen weiteren Fluchtversuch zu unternehmen. Denn jetzt war es hellichter Morgen und die Gefahr, dass er erneut überfallen wurde, war gering. Aber wohin. Hier gab es nicht, was auf auf ein Dorf hinwies. Wie konnte sie hier nur leben. So allein. Er wäre da verrückt geworden. Aber vermutlich war es auch was Gutes, so allein zusein. Fern von dem ganzen Trubel der Menschen. Er fragte sich, wielange sie schon so lebte. Dann fragte er sich aber, was ihn das kümmerte. Er sollte sich um sein eigenes Leben kümmern, anstatt sich zufragen, wie sie bisher gelebt hatte. Und dabei sah er zu der Axt. Es würde nichts bringen sich weiter zusträuben. Er musste sich die Hände schmutzig machen. So nahm er die Axt und den ersten Holzscheit und wollte diesen kleinschlagen. Doch kaum hatte er die Axt erhoben, keuchte er auf, als er bemerkte, wie schwer die Axt war. Kurz schwankte er und drohte das Gelichgewicht zuverlieren. Konnte dies jedoch verhindern und ließ die Axt wieder nachunten fallen. Das Blatt der Axt grub sich tief in das Holz, spaltete ihn aber nicht. Lore wollte die Axt wieder rausziehen, doch leider steckte diese fest. Lore fluchte und versuchte die Axt aus dem Holzscheit rauszukriegen.

Währenddessen fegte Laru die Stube. Bis jetzt hatte sie dazu bringen könne, sich nützlich zumachen. Wielange würde jedoch dieses Glück andauern. Sie hatte ja bemerkt, dass er nicht der Typ war, der so leicht nachgab. Und dass er nur mitzog, weil sie ihn erpresste, machte die ganze Sache nicht leichter. Sie wünschte sich, dass dies nicht nötig war. Aber anscheinend mussten Drohungen sein, um ihn auf den richtigen Weg zu bringen. Eigentlich schade. Sie hatte wirklich gehofft, dass seine Arroganz nur Fassade sein würde und dahinter ein guter Mensch steckte. Wie sehr man sich doch täuschen konnte. „Was soll ich nur machen?“, fragte sie laut mit einem Seuzfer.

Plötzlich hörte sie einen Schrei und im nächsten Moment riss Lore die Tür und kam herein gestürmt. Hielt sich dabei die Hand. „Was ist los?“, fragte Laru aufgeregt und als sie sah, dass er sich die Hand hielt, fürchtete sie, er habe sich ernsthaftig verletzt. Doch dann sah sie, dass er weder blutete noch sonst irgendwie eine schlimme Verletzung hatte, sondern sich bloss den Daumen hielt. Lore tat aber so als habe er sich den Finger abgeschnitten. „Was habt Ihr denn?“, fragte sie nun ungeduldig und fand sein Benehmen lächerlich. Lore hielt ihr seinen Daumen hin, der etwas gerötet war.

„Verdammt, ich habe mir einen Splitter von dieser Axt in den Finger gejagt!“, fluchte er mit vor schmerzverzerrtem Gesicht und Laru verstand wirklich nicht was das ganze Theater sollte. „Nur deswegen? Ihr beklagt Euch, weil Ihr einen Splitter im Daumen habt?“, fragte sie und fragte sich, was für eine Meme der Prinz war. „Geht es Euch noch gut?“

„Nein, geht es mir nicht mit diesem riesen Ding in meinem Daumen. Hol ihn gefälligst raus!“, herrschte er sie an. Zugerne hätte Laru gesagt, dass er das selber machen sollte. Sie war nicht seine Amme, die sich um das Wohlbefinden des Prinzen zu kümmern hatte und auch nicht seine Wehwechen heilen sollte. Doch sein Gejamer war genauso schlimm und so ergab sie sich in ihr Schicksal. „Kommt setzt Euch. Das hält ja kein normaler Mensch aus!“, grummelte sie und zog ihn zu dem Tisch. „Dich möchte ich mal erleben, wenn du so etwas hast!“, konterte der wehleidige Prinz zurück, woraufhin Laru ihm einen finsteren Blick schenkte. „Im Gegensatz zu dem hier!“, sagte sie und deutete damit auf ihr von Narben entstelltes Gesicht:„ Ist das garnichts!"

„Jaja, jetzt hol ihn endlich raus!“, herrschte er sie und Laru musste sich wirklich eine wütende Erwiederung verkneifen. Hielt seine Hand fester und machte sich daran, den Splitter rauszuholen. Lore rutschte auf dem Stuhl hinundher, machte es ihr damit nicht gerade leicht. „Haltet doch still!“, zischte sie und drückte den Daumen fester, was den Prinzen noch mehr zum zappeln brachte. „Wie denn? Wenn es soweh tut!“, sagte er daraufhin. „Stellt Euch nicht so. Ihr benehmt Euch wie ein kleines Kind!“

„Sehr witzig!“, kam es nun von ihm und er versuchte den Schmerz zu ignorieren, während Laru weiterhin versuchte den Splitter rauszu bekommen. Dabei ahnten sie nicht, dass sie Besuch bekamen. Anra, eine Frau in den vierzigern lief die Strasse entlang und hatte etwas für Laru dabei. Wie jeden dirtten Tag der Woche besuchte sie das Mädchen, welches in dem kleinen Häusschen allein lebte, um ihm etwas zuessen zubringen. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, auch wenn Laru sagte, dass das nicht nötig sei. Doch Anra bestand darauf. Sie sah in dem Mädchen eine Tochter, da sich diese auch um ihre Kinder kümmerte, wann immer sie konnte und es nur selbstverständlich war, dass sie ihr dies mit gleicher Münze zurückgab. Sie freute sich schon darauf sie wiederzusehen und sich mit ihr über die neuesten Neuigkeiten, die es im Königreich gab, zuunterhalten. Aber vorallem ihr etwas Gesellschaft zu leisten. Ansonsten war sie ja immer allein. Doch als sie vor der Tür stand war sie erstaunt, dass sie neben der Stimme von Laru nun eine andere hörte. Die eines Mannes. Und was sie da hörte, trieb ihr die Röte ins Gesicht. „Aua, nicht so grob!“, hörte sie den Mann sagen. „Stellt Euch nicht so an. Er ist ja gleich draußen!“, erwiederte nun Laru und Arna fragte sich, was das Mädchen da trieb. Sie wird doch nicht etwa…!

„Er steckt fest!“

„Nein, tut er nicht. Seht Ihr!“

„Aua, nicht ziehen!“

„Ich ziehe nicht. Ich drücke!“

„Meinetwegen. Dann eben nicht drücken!“

„Meine Güte. Die ganzen anderen Männer waren nicht so wehleidig!“, sagte sie nun und Arna schnappte nach Luft. Glaubte ihren Ohren nicht. Was trieb das Mädchen bloss. War sie solange weggewesen, dass sich Laru so sehr verändert hatte?

Arna wollte es nicht glauben. „Dann waren sie die reinsten Bauern!“, kam es nun von dem Mann. „Au!“

„Seht Ihr da ist er!“, sagte Laru nachdem sie einen Laut des Erfolgs ausstiess und Arna konnte es nun nicht mehr aushalten und riss die Tür auf. „Was geht hier vor?“, schrie sie außer sich voller Empörung. Und diese wuchs noch mehr, als sie Laru unschuldig und verwundert anschaute. „Arna? Was…was machst du denn hierß“, fragte sie. Lore hielt seinen Daumen, der Schmerz war noch schlimmer geworden. Trotz dass der Splitter draußen war. „Das gleiche könnte ich dich auch fragen. Was war das gerade eben und wer ist dieser Mann da?“, fragte sie und zeigte auf Lore. „Das ist mein Mann und das gerade eben war nichts. Ich habe ihm einen Splitter aus dem Daumen gezogen weiter nichts!“, erkärte sie und verstand nicht warum ihre Freundin solch eine Szene machte. „Dein Mann? Seit wann bitte schön hast du einen Mann?“, rief sie aufgebracht und kam herein. „Ähm tja. Das ist eine lange Geschichte!“, sagte Laru, der es nun peinlich war, da sie sich denken konnte, was Arna gedacht hatte. „Ahja, dann erzähl mal!“, sagte Arna. Begierig darauf zu erfahren, wie sie zu einem Mann kam.

Nach einigen Minuten hatte sich Arnas Aufregungn gelegt und sie musste ein Lächeln unterdrücken. „So war das also? Sieh mal einer an!“, sagte sie und warf einen belustigten Blick zu Laru, die immernoch etwas peinlich berührt dreinblickte und dann zu Lore. Dabei wurde ihr Blick forschend. „Er sieht aber nicht aus, wie ein Prinz!“, bemerkte sie dann und Laru räusperte sich. „Ich habe ihm neuer Kleider gegeben. Seine alten waren schon etwas ramponiert!“, erklärte sie. „Ahja!“, sagte Arna wieder und ihr Blick wurde diesesmal misstraurisch. Lore wollte schon fragen, was das sollte. Doch Arna kam ihm zuvor. „Und lieben Sie sie?“, fragte sie ihn, worauf beide nach Luft schnappten und sie ansahen, als habe sie den Verstand verloren. Lore wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Dabei gab es in soviel, was er dieser unterschämten Frau sagen wollte. Dass es sie nichts anging und dass sie sich hüten sollte. Aber die Frage hatte ihn so peinlich berührt, dass er zu gar keiner Antwort in der Lage war, so schloss er wieder den Mund, den er vorhin geöffnet hatte. Laru wie unangenehm ihm diese Frage war und sie hob die Schultern. „Naja, sagen wir es so: Es ist eine Ehe der etwas ungewöhnlichen Art und der Grund war es ebenso!“

„Hm!“, machte Arna diesesmal und ihre Stirn legt sich in tiefe Falten. „Taugt er denn zuetwas?“

Und diesesmal brachte sie den Prinzen völlig aus der Fassung. „Das ist doch wohl…!“, wollte er schon sagen, doch Laru legte ihm die Hand auf den Arm. Zwang ihn so sich wieder zu beruhigen. Was ihm nur sehr schwer fiel. Diese Worte waren eine Beleidigung für ihn und hatten zugleich die Qualität einer Ohrfeige. Sie kränkten ihn und machten ihn wütend. Natürlich taugt er zuetwas, allerdings nicht für solch niedere Arbeiten. „Er ist noch nicht vertraut mit der einfachen Landarbeit. Aber ich bin mir sicher, dass er schon bald mir eine große Hilfe sein wird!“, sagte sie beschwichtigend und sah Lore mit einem wissenden Blick ab. Lore wäre am liebsten wieder aufgesprungen und hätte nun beide für ihre Unveschämtheit angeschrien. Von wegen große Hilfe. Dass ich nicht lache, dachte er verächtlich. Zur Arbeit zwingen tust du mich. Mit deiner Drohung, mir nichts zu kochen und mich aus dem Hause zujagen. „Dann bin ich beruhigt das zuhören!“, sagte Arna mit einem leichten Lächeln. Doch dann wurde sie wieder ernst. „Aber falls es doch nicht so gut geht…Ich kann dir Freda schicken. Der Junge würde sich freuen, dich wiederzusehen!“

„Freda ist doch kaum älter als ich. Wie soll er da die Axt halten?“, wandte Laru ein. Sie würde den Teufel tun und den kleinen Freda eine Axt in die Hand geben, die schwerer war als er selber. Arna aber winkte ab. „Ach. Hast du eine Ahnung. Aus dem kleinen ist ein stattlicher junger Bursche geworden. Trotz seines Alters kann er wirklich gut zupacken und schafft selbst so etwas, wie Holzhacken!“, sagte sie mit einem stolzen Grinsen und sah dann Lore mit gehobener Braue an. „Im Vergleich zu ihm, kann ich mir das sehr gut vorstellen!"

„Das reicht jetzt!“, brüllte nun Lore und sprang dabei so heftig auf, dass der Stuhl auf dem er saß, kippte und nachhinten fiel. Die beiden Frauen sahen ihn erstaunt und auch erschrocken an. Doch Lore war es gleich. Er hatte genug gehört. Nicht schon schlimm genug, dass diese unverschämte Frau ihn ansah, als sei er nicht gut genug und ihn mit Fragen löscherte, die sie nicht zustellen hatte. Nein. Sie musste ihn auch noch mit einem Jungen vergleichen und ihn als den stärkeren von beiden hinstellen. Es gab einiges, was der Prinz vertragen konnte. Aber sowas war eindeutig zuviel. „Lore, beruhige dich doch!“, sagte Laru. Lore jedoch dachte nicht daran. „Den Teufel werde ich!“, fauchte er erbost, warf Arna noch einmal einen tödlichen Blick zu und stürmte dann aus dem Haus. Laut krachend fiel die Tür hinter ihm zu. Arna und Laru sahen ihm nach. Keine war fähig etwas zusagen. Arn awar die erste, die es tat. Sie stiess einen leisen Pfiff aus. „Junge junge, ganz schön empfindlich dein Mann!“, bemerkte sie. Laru sah sie nur an und zuckte dann mit den Schultern.

Lore erster Gedanke war, wegzulaufen. Doch dann sah er die Axt und hatte sie ergriffen. Sein nächster Gedanke war, wieder ins Haus zugehen und alles kurz undklein zuschlagen. Aber da enschied er sich anders und nahm sich die Holzscheite vor. Diesesmal hatte er keine Probleme die Holzscheite auseinander zuschlagen, da er soviel Wut in sich hatte, dass das Blatt der Axt praktisch durch das harte Holz hindurch gleitete. Und während er so Holzscheit für Holzscheit halbierte, schimpfte und tobte er vor sich hin. Ärgerte sich über alles und jeden. Vorallem aber über Laru, weil sie es sich wiedermal nicht nehmen ließ, ihn blosszustellen und wegen Arna, die ihr loses Mundwerk nicht halten konnte. Was würde er geben dafür, sie in einen Kerker zuwerfen oder aus dem Reich zu verbannen. Er wünschte sich, er wäre der, der er einmal war und hätte die Macht dazu. Doch leider musste er sich damit abfinden, nicht mal mehr edle Kleider zu besitzen, da Laru diese einfach weggeworfen hatte, statt sich die Mühe zumachen, sie zuflicken. „Elende Laru…wozu ist sie denn da, wenn nicht für solche Arbeiten!“, grollte er und hieb wieder auf den Holzscheit. So ging das weiter, bis in den frühen Abend.

Laru hatte ihn bisher die Zeit gelassen, seine Wut freie Luft zumachen. Doch als die Sonne sich lansam dem Horizont näherte, war sie doch nach draußen gegangen um nach ihm zusehen. Nicht dass sie Angst hatte, er wäre wieder davon gelaufen. Nein. Sie fürchtete, dass er sich doch noch ernsthaft verletzt hatte und ohnmächtig geworden war. Als sie ihn aber immernoch Holzhacken sah, musste sie sich ein Grinsen verkneifen. Dieser Mann ist wirklich unermüdlich, wenn er sauer ist, dachte sie. „Willst du nicht langsam aufhören?“, fragte sie ihn laut und Lore hielt kurz inne. Er atmete heftig und seine Muskeln in den Armen waren bis zum zerreissen angespannt. Ein Zittern ging durch diese und sein Gesicht war knallrot vor Anstrengung. „Der Ärmste hat sich völlig übernommen!“, dachte sie dann und kam nicht drumherum, Mitleid mit ihm zu haben. Sie schaute dann zu dem Haufen, den er verarbeitet hatte und lächelte. „Sieh nur!“, sagte sie und nahm einen der kleingemachten Scheite in die Hand. „Du hast schon fast den ganzen Vorrat zu Kleinholz verarbeitet!“

„Wieso? Ich sollte doch Holzhacken?“, fragte er und legte die Axt beseite. „Das ist richtig. Aber du hast dich verausgabt und das ist nicht gut!“, sagte sie nun ehrlich besorgt und nahm seine Hände. Trotz das es dämmerte, konnte sie deutlich die Schwielen an seinen Handflächen sehen. Sie schüttelte etwas den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Kommt rein. Ich werde mir erstmal Eure Hände anschauen und dann essen wir was!“, erklärte sie und der Prinz ging ohne ein Wort des Protests mit ihr. Lore war über die Wärme, die im Haus herrschte erleichtert. Jetzt wurde ihm erst bewusst, wie kalt es darußen geworden war, doch durch seine Wut hatte er es nicht bemerkt. Von den Schmerzen seiner geschwollen Hände ganz zuschweigen. „Argh…verflucht!“, schimpfte er und besah sich die Innenflächen seiner Hände. Sie waren rötlich verfärbt und geschwollen. An manchen Stellen sogar offen und das frische Fleisch glänzte. Laru sagte darauf nichts. Holte stattdessen ein Töpfchen und ein paar saubere Stoffstreifen hervor und setzte sich an den Tisch. Als sie sah, dass Lore einfach nur dastand und sie mit fragendem Blick anschaute, machte sie eine Geste, die ihn zum setzten aufforderte. „Setzt Euch an den Tisch!“, sagte sie knapp und Lore folgte. Schaute dabei immernoch auf seine Hände. Es schmerzte entsetzlich. „Diese Salbe wirkt wunderbar gegen solche Schwellungen!“, hörte er dann Laru sagen und schaute auf. Sie hatte das Töpfchen geöffnet und den Finger hingetunkt. „Gebt mir Eure Hand!“, verlangte sie und Lore tat, was sie ihm sagte. War selber überrascht, wie fügsam er war, aber wenn sie wirklich etwas gegen diese Schmerzen tun konnte, dann würde er es zulassen. Sanft und vorsichtig strich sie mit dem Finger über die Schwellung und verteilte somit die Salbe. Eine angenehme Kühle legte sch sogleich über den pochenden Schmerz und Lore war froh, dass er verschwand. Laru tunkte den Finger noch ein-zweimal ein und verrieb die Medizin, bis auch der letzte Schmerz verschaunden war und wickelte dann zwei Stoffstreifen über die Hand. Mit der anderen machte sie dasgleiche und schon bald waren die Hände des Prinzen bandagiert und die Schwellung war nicht mehr ganz zuspüren. Erleichtert darüber und auch einwenig dankbar darüber, seufzte er auf. Laru lächelte etwas. Auch wenn er es nicht laut aussprach, wusste sie, dass er sich bei ihr bedankt hatte. Immerhin etwas, dachte sie sich. „So und jetzt essen wir was!“, sagte sie dann und ging zum Kamin, in dem der Kessel hing. Es brodelte und dampfte und nun roch auch Lore den herrlich würzigen Duft und sein Magen begann augenblicklich zuknurren. „Was…was gibt es denn?“, fragte er etwas schwach und hielt sich seinen Bauch. „Gemüsebrühe. Genau das richtige bei dieser Kälte!“, erklärte sie und nahm zwei Schalen und einen Schöpflöffel. Schöpfte damit etwas von der Brühe in diese und stellte die erste zu Lore. „Lasst es Euch schmecken!“, sagte sie, nachdem sie sich selber was von der Brühe in die Schale getan hatte und setzte sich ihm gegenüber. Doch statt Löffel zuholen, nahm sie die Schale in beide Hände und trank daraus. Schlürfte dabei laut und setzte die Schale dann mit einem wohligen Lächeln wieder auf den Tisch. Lore sah sie mit großen Augen an. Dass sie schlürfte erstaunte ihn. Trotz dass sie aus ärmlichen Verhältnissen kam, schien sie dennoch Manieren zuhaben. Nun aber wurde er eines besseren belehrt. „Ähm, was…?“, fragte er, weil er es immernoch nicht glauben konnte und Laru lächelte. „Was denn? Habt Ihr noch nie geschlürrft?“, fragte sie wiederum. „Nein. Als Kind durfte ich das nicht. Es…es vertösst gegen die Etikette und Vater war immer streng, was das betraf!“, kam es leise von ihm und er zuckte dabei zusammen. Deutlich erinnerte er sich daran, wie damals sein Vater ihn ausgeschimpft hatte, als er als Junge laut gesschlürft hatte. Es ziemt sich nicht für einen Prinzen, hörte er ihn sagen. Es war einer dieser wenigen Momente, in denen sein Vater die Erziehung übernahm und seine Mutter ihn nicht beistehen konnte. Es war solange her, dass Lore es beinahe schon vergessen hatte. Aber nun wo er gesehen hatte, wie Laru geschlurft hatte, erinnerte er sich wieder und er krümmte sich vor Gram. „Aber jetzt bist du hier und du kannst Schlürfen solaut du willst!“, sagte sie und lächelte sanft. Lore wusste nicht, was er darauf sagen sollte und schaute erstmal ratlos drein. Doch dann zuckte er die Schultern. „Ich brauche nicht deine Erlaubnis!“, sagte er und hob die Schale an die Lippen. Wollte einen Schluck daraus nehmen, doch die Brühe war zuheiss, als dass er sie trinken konnte. So bliess er erstmal, bevor er es erneut versuchen konnte und schlürfte laut. Noch lauter als es Laru getan hatte und er fühlte sich gut dabei. Es gab ihm ein Gefühl ganz angezwungen zusein und nicht darauf achten zu müssen, sich zu blamieren oder andere damit zuempören. Ein Gefühl, was er lange schon nicht mehr hatte und das brachte ihn dazu, wieder einen Schluck mit lautem Schlürfen zu nehmen. Die warme Brühe wärmte ihn von innen und ließ das Knurren seines Magen verstummen. Sie aßen fertig und Laru ging als erste ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Sie nahm das Tuch um ihren Kopf ab und flocht sich ihre dunklen Haare zu einem Zopf zusammen. Ordentlich legte sie ihre Kleider zusammen und schlüpfte in ein weisses Nachthemd. Lore wartete solange draußen. Als sie fertig war, rief sie ihm zu, dass er hineinkommen konnte und Lore zögerte erstmal als er auf der Schwelle trat. Bisher hatte er sie nur in ihren ärmlichen Kleidern gesehen. Nun aber sah er, dass sie noch zierlicher war. Und er wurde rot im Gesicht, als er sich fragte, wie sie wohl ohne ihre Kleider aussehen würde.

Ob der Rest ihres Körpers ebenso von Brandnarben bedeckt war?

Lore verdrängte diesen und weitere Gedanken, als er sich bewusst wurde, dass das zuweit ging und er trat ein. Laru hatte soviel Taktgefühl, dass sie sich umdrehte. Lore war schnell umgezogen. Laru hatte ihm ein Nachthemd gegeben, so wie sie eins hatte. Dies war jedoch weitgeschnitten und hatte weite Ärmel. War dazu lang genug, um seine Lenden zuverbergen. Laru kroch als erste ins Bett. Deckte sich zu und schaute Lore an, der unschlüssig dastand und sichtlich mit sich kämpfte. Sollte er sich wirkklich zu ihr legen?

An die harte Bank, auf der er die erste Nacht verbracht hatte und an seinen schmerzenden Rücken konnte er sich noch gut daran erinnern. Und nochmal wollte er nicht mit solchen Schmerzen erwachen. Also würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als sich neben sie zulegen. Behielt aber genug Abstand zu ihr und legte sich ihn. „Gute Nacht. Schlaft gut!“, sagte sie, woraufhin er nur ein Grummeln von sich gab. Laru sah ihn einen Moment noch an, doch dann seuzfte sie und bliess die Kerze aus.

Am nächsten Morgen wartete wieder gutes Frühstück auf ihn und Lore verspeiste dies mit hörbarem Appetitt. Die Nacht war schnell vorüber gegangen und zu Lores eigenem Erstaunen, hatte er gut geschlafen. Fast so gut, wie in seinem Bett im Schloss seines Vaters. Ob es daran lag, dass neben ihm eine Frau lag, die er kaum kannte?

In seinem ganzen Leben hatte er niemals ein Mädchen gehabt. Weder als Freundin oder, wie die meisten Männer in seinem Alter, als Mätrese. Er hatte zwar mir einigen Damen gesprochen, aber das war es auch schon. Nie hatte er sich mit einem der hochwohlgeboren Mädchen getroffen. Hatte sich auch nie dafür interessiert. Schon allein um seinen Vater keine falschen Hoffungen zumachen. Nun aber hatte er eines neben sich. Und das war auch noch seine Frau. Laru schlief noch, während er wach dalag und sie betrachtete. Ihr Gesicht kannte er nun und es war eigentlich nichts Besonderes. Bis auf die Brandnarben natürlich. Und eigentlich sollten diese ihn abschrecken. Doch irgendwie war ihr Gesicht auch hübsch. Ganz anders als die der anderen Frauen, die er gesehen hatte. Lore konnte selber nicht sagen, woran das lag. Vermulich lag es an ihrem Wesen. Sie konnte sowohl unbekümmert, aber auch ernst sein. Konnte sich mit Worten wunderbar wehren und besaß einen wachen Verstand. Ganz anders als die anderen, dachte er. Da erwachte sie. Und lächelte ihn an. „Guten Morgen!“, sagte sie. „Morgen!“, erwiederte er und stand sogleich auf, um sich anzukleiden.

Nun saß er am Tisch und aß. Langes Schweigen lag über ihnen und weder er noch Laru wollten anscheinend dieses brechen. Dafür war er ihr irgendwie dankbar. Denn so hatte er Gelegenheit nachzudenken. Darüber, wie es weitergehen würde und wie er sich in dieses Leben einfügen sollte. Er hatte die Gedanken an eine Flucht schon längst aufgegeben, da es sowieso keinen Sinn hatte. Noch lebhaft erinnerte er sich an die Männer, die ihn in der Dunkelheit überfallen hatten und dass, obwohl er angenommen hatte, er könne mit ihnen fetig werden. Oder zumindest ihnen davonlaufen. Und hatte sich mächtig ins eigene Fleisch geschnitten. Außerdem war er dem Mädchen zu tiefen Dank verpflichtet, weil es sich um ihn gekümmert hatte. Obwohl er sie so schlecht behandelt hatte. Eigentlich hätte er das nicht verdient. Wie sovieles. Aber das gehörte zur Vergangenheit. Nur wie würde es jetzt weitergehen?

Was würde ihn nun erwarten?

„Heute kommt Jaros Wagen. Er bringt uns in die Stadt!“, sagte sie und holte ihn so aus seinen Gedanken. Fragend legte er die Stirn in Falten. „Ja, und?“, kam es dann von ihm. Aß weiter. „Heute Abend sind wir eingeladen worden. Naja, nicht ganz. Ich soll in der Gaststube von Jaro singen. Schon vergessen?“; erklärte sie. „Warum soll ich denn mitgehen?“

„Weil Ihr mich vor den Betrunken beschützen könnt!“, schlug sie vor und Lore sah sie an, als haben sie einen Witz gemacht, über den er allerdings nicht lachen konnte. „Ich? Wie soll ich dich denn beschützen?“, fragte er und konnte sich nur schwer vorstellen, wie er sich gegen eine Horde betrunkener Männer, die vermutlich alle stärker und kräftiger waren, als er, behaupten konnte. „Du hast doch sicher gelernt, zu kämpfen. Mit dem Schwert oder mit den Fäusten?“, wollte sie wissen und Lore senkte den Kopf. Er hatte Unterrichtsstunden gehabt, in denen er lernen sollte, sich zu verteidigen, hatte diese aber immer wieder geschwänzt, weil er es für Zeitverschwendung hielt. Nun rächte sich dies. Wie so vieles, was er getan hatte. „Naja, ein wenig!“, gab er beschämt hinzu. „Nadann, dürftet Ihr keine Schwierigkeiten haben!“, bemerkte sie mit einem leisen Lachen in der Stimme. Lore war sich da nicht so sicher. „Meinst du?“, fragte er und Laru nickte. „Jaja, das wird schon!“

Die Kutsche, oder vielmehr der Karren kam bei Sonnenuntergang und wurde von einem jungen Burschen gefahren, der nicht älter sein konnte als zwanzig Sommer. Als er Laru sah, grinste er breit. „Hallo, Laru. Schön dich endlich mal wieder zusehen!“, sagte er und half ihr auf den Karren hoch. Lore stand nur daneben und war erstmal nichts weiter als Luft. „Es ist schön, auch dich wieder zusehen, Bertan!“, sagte sie und wandte sich dann an Lore. „Dies ist Lore, mein Mann!“

Bertan sah den Prinzen mit skeptischen Augen an. Lore war eigentlich schon daran gewöhnt, dass man ihn so ansah. Dennoch störte es ihn. Was war so ungewöhnlich, wenn sie einen Mann hatte, der eigentlich vom Stand her, höher war, als sie. Wobei. Ihm selbst war es schwer gefallen, sich damit abzufinden. Und diese Menschen schienen Laru länger zu kennen, als er. Da war es nur verständlich, dass sie ihn nun mit misstrauischen Augen ansahen. Lore nickte nur, während Bertan ihn immernoch ansah, als wollte er ihn gar nicht in der Nähe von Laru sehen. Dann wandte er sich wieder an Laru und verflogen war der missgünstige Blick. „Steigt auf. Jardo hat hinten für dich Kissen und etwas Marschverpflegung bereit gelegt, für die lange Fahrt!“, sagte er und deutete nach hinten, Laru bedankte sich dafür und stieg auf. Lore zögerte einen kurzen Moment. Doch dann stieg er auch auf und machte es sich in den Kissen gemütlich. Die Verpflegung bestand aus einem Laib Brot, frischen Obst und einem gefüllten Trinkbeutel. Laru schnitt mit dem bereitgelegten Messer eine Scheibe von dem Brot ab und reichte es Lore. Wortlos nahm er es und biss hinein. Kaute darauf herum. Laru nahm sich auch eine Scheibe und ließ es sich schmecken. Nahm ein Becher und fühlte etwas von dem, was im Beutel war, hinein. Nahm einen Schluck. „Mhh, Sommerregen!“, sagte sie und Lore verstand nicht. „Was hier im Beutel drin ist. Schmeckt wirklich gut. Probier mal!“, sagte sie und goss ich einen zweiten Becher ein. Lore nahm diese und nahm einen kleinen Schluck. Es schmeckte fruchtig, wie Saft und würzig. Fast wie ein Wein. Hatte Jardo ihnen ewas Wein mitgegegen? Wie als wenn er seine Frage lautausgesprochen hatte, sagte Laru mit Nachdruck:„ Ein Kräutersaft!“

„Ahja!“, sagte er gedähnt und nahm noch einen Schluck. Auch wenn es ein Kräutersaft war, spürte Lore, wie ihn eine Wärme erfüllte, die nur ein Wein oder ein Likör auslösen konnte. Es war angenehm, gerade weil es begann wieder kalt zuwerden, nach dem die Sonne untergegangen war, aber Lore hatte immernoch so seine Zweifel. Immer wieder, sobald er denn Becher an die Lippen setzte, schaute er nocheinmal hinein und fragte sich, was das für ein Kräutersaft sein konnte. „Ihr traut ihm wohl nicht?“, fragte Laru, da ihr das nicht entgangen war und schaute ihn über den Rand ihres Bechers an. „Wie kommst du darauf?“

„Naja, so wie Ihr Euch den Becher anschaut, könnte man denken, ihr fürchtete, dass da drin Gift ist!“, murmelte sie. Gift vielleicht nicht, aber was anderes, was nicht minder schlimm sein kann, dachte er und stellte den leeren Becher weg. „Ich weiss, Jardo hatte sich gegenüber Euch nicht gerade…!“, begann sie und suchte nach dem passenden Wort. „Freundlich verhalten. Aber er würde nie etwas in ein Getränk oder in eine Speise tun, das einem schaden könnte!“

„Woher kennst du ihn?“, wollte er wissen, weil es ihn schon neugierig machte, dass Laru, die soweit abgeschieden von einem Dorf und der Stadt lebte, soviele Menschen kannte. Und dann noch so gut. Laru hob die Schultern. „Wenn man mal in einer Stadt gelebt hat, kennt man sich eben!"

„Du hast in der Stadt gelebt? Warum lebst du dann jetzt hier draußen?“, fragte er darauf. „Ich habe meine Gründe!“, erwiederte sie knapp und irgendwie hatte Lore den Verdacht, dass das mit ihren Verbrennungen zutun hatte. Er erinnerte sich an die Nacht zurück, als er ihre Narben zum ersten Mal gesehen hatte und wie abwehrend sie auf seine Frage reagiert hatte. Solangsam machte er sich einen Reim daraus. Ein Brand, der ihr frühreres Heim in der Stadt zerstört hatte und sie entstellt hatte, hatte sie wohl dazugetrieben, hierher zu gehen. In Einsamkeit zu leben. Lore bekam Mitleid mit ihr. Was hatte sie noch bei diesem Brand verloren, außer ihrem Gesicht, fragte er sich. Sein Gesicht nahm dabei einen nachdenklichen Ausdruck an. Er war dabei so tief in seinen Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkte, wie Laru ihn anschaute. Sie fragte sich natürlich, was in seinem Kopf vorging. Wobei sie sich das auch gut vorstellen konnte. Bestimmt dachte darüber nach, warum so viele Leute sie kannten und ob sie mit jedem männlichen Bewohner des Dorfes etwas hatte. So vertraut wie sie mit ihr umgingen. Sich dennoch weigerte, mit ihnen in den heiligen Bund einzutreten und dies natürlich für seine Grübleien noch mehr Futter gab. Gedanken, die in die völlig falsche Richtung ging und sie zutiefst beleidigte. Dabei waren dies nur gute Freunde für sie. Mehr nicht. Aber für den feinen Prinzen reichte dies wohl aus, um zudenken, sie sei ein leicht zuhabendes Mädchen. Es störte sie, doch sich deswegen mit ihm anzulegen, würde sie noch mehr Nerven kosten, als es ohnehin schon tat und sie verbiss sich jegliches Kommentar. Stellte sich lieber dabei vor, dass auch er sicherlich kein Kind von Traurigkeit war und mit manch so feiner Dame rumgeschäckert hatte. Und während sie das dachte, fühlte sie eine heisse Welle der Eifersucht in sich aufsteigen und fragte sich zugleich, was in sie gefahren war. Sie hegte keine freundschaftlichen Gefühle oder gar Liebe ihrem Mann gegeüber. Sie sah sich nur verpflichtet ihn am Leben zu halten, auch wenn seine arrogante Art jedesmal zur Weissglut trieb, und ihn zuzeigen, dass das Leben an sich hart war, wenn man nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren war. Dass man arbeiten musste, wenn man ein Dach über den Kopf und was zuessen haben wollte.

Irgendwann holte sie ein Rucken des Karrens aus ihren Gedanken und sie schaute auf. Sie waren in der Stadt angekommen und Bertan hatte genau vor dem Gasthaus Jardos angehalten. „So da wären wir!“, sagte er und sprang vom Kutschbock. Half Laru hinunter zusteigen. Lore ließ er links liegen. Ging zur Tür und öffnete sie. Von drinnen drangen Stimmen, Gelächter und das Klirren von aufeinander treffende Gläser auf die verlassene Gasse. Das Licht fiel als langgezogenes Quadrat auf den Pflasterstein. Schien die drei Menschen nach ihnen zurufen. Bertan trat an die Seite, deutete eine verspielte Verbeugung an und sagte mit einem kecken Grinsen:„ Nach Euch!“

Lore verstand es so, dass er ihn damit meinte und schob sich an Laru und Bertan vorbei. Wollte eintreten. Doch da hielt ihn Bertan zurück und sah ihn mit grimmigen Augen an. „Dich meine ich nicht. Sondern Goldkehlchen!“, zischte er und drückte ihn beiseite, sodass Laru eintreten konnte. Lore wollte darauf hin schon was sagen. Sich über die unverschämte Art dieses Burschen beschweren, doch er ließ es. Es würde sowieso nichts bringen. Hier, in der Stadt, in der jeder auf Larus Seite stand, würde er den Kürzeren ziehen.

Nach Laru trat Bertan und dann erst Lore ein. Als ob er sich schon nicht genug als ein Störenfried fühlte. Dieser Bertan wollte wirklich deutlich machen, dass er nichts von ihm hielt. Und auch wenn es Lore eigentlich nicht stören sollte, fühlte er sich dennoch darin schwer beleidigt. Im Reich meines Vaters, würde man mich nicht so behandeln, dachte er grollend und trat ein. Das Gasthaus war bis auf den letzten Platz besetzt. In jeder Ecke traf man eine aus fünfmann oder mehr bestehende Gruppe, die fröhlich war und sich ein Maß Bier nach dem anderen bestellte. Auch Frauen waren dabei. Sie schmiegten an die Männer. Streichelten und kicherten. Flüsterten hinudnwieder ihnen was ins Ohr, auf das die Männer laut lachten und die Frauen an sich pressten. Lore ahnte, dass das nicht die Ehefrauen sein konnten. Deren Kleidung war alles andere als sittsam und ihre Gesichter waren viel zu kräftig geschminkt. Dirnen! Dabei hatte er gedacht, dass es solche hier im Reich der Prinzessin nicht gab. Aber offensichtlich gab es auch hier Laster und die eine oder andere kleine Sünde. Lore musste etwas lächeln. „Laru, schön dich zusehen!“, hörte er, trotz dem ganzen Tumult, Jardo sagen und sah zu ihr. Wie immer begrüsste er das zierliche Mädchen überschwenglich und mit einer kräftigen Umarmung. Lore gönnte er nur ein Kopfnicken. Immerhin etwas, dachte er. Laru sah sich um und lächelte. „Wieder viel los hier, was?“, fragte sie und Jardo hob die Schultern. „Ich bin ganz unschuldig!“, sagte er heuchlerisch. „Jaja, das sagen sie alle!“, witzelte Laru und schlug dem stämmigen Mann auf die Brust. „Wollt ihr erstmal was essen und was trinken?“, fragte er. „Ja, warum nicht. Das, was du uns für die Fahrt gegeben hast, war zwar lecker, hat aber nicht ganz satt gemacht!“, sagte sie frech. „Nadann, werde ich Makan bitten, euch etwas Leckeres zumachen!“, kündigte er an. Zeigte, bevor er in die Küche zurückkehrte, eine Ecke, in die sie sich setzen konnten. „Macht es Euch gemütlich. Das Essen wird gleich fertig sein!“, sagte Jaro noch, ehe er in den hinteren Teil der Stube ging. Lore versuchte es sich gemütlich zumachen. Doch bei dem ganzen Lärm und diesen grobaussehnden Männern, die sich mit Bier volllaufen ließen und laut rumgröllten, stand ihm nicht der Sinn danach. Vorallem weil einige von ihnen zu ihnen hinübersahen. Lore rutschte auf seinem Platz unruhig hinundher. Beugte sich dann zu Laru. „Es fällt mir schwer, es mir gemütlich zumachen!“, sagte er und schaute zu den Männern, die ihn wiederum bohrende Blicke zuwarfen. Laru ahnte, was er damit meinte. „Keine Angst. Diese Männer da mögen gefährlich aussehen, aber sind harmlos. Und selbst wenn sie Ärger machen würden, würde Jardo sie vor die Tür setzen!“, sagte sie und fügte mit einem Zwinkern hinzu:„ Er mag zwar ein netter Mann sein, aber kann auch hart durchgreifen!“

Lore musste dabei nervös lachen. Ein netter Mann? Bei mir wirkte er eher wie ein Bär, der aus seinem Winterschlaf geweckt wurde, dachte er. „Warum haben Sie nur alle was gegen mich?“, fragte er dann laut. Mehr sich selber, als sie. Da es ihn schon etwas störte, dass alle, die ihn bisher getroffen hatten, besonders die Männer, nicht gerade freundlich behandelt hatten und schaute sich wieder um. Laru zuckte nur die Schultern. „Sie sind Fremden eben misstraurisch. Nach dem schlimmen Krieg im Nachbarreich, haben die Bewohner dieser Stadt Angst, dass sie die nächsten sein könnten. Sie fürchten, dass es hier Spione geben könnte, die die Feinde hier reinschmuggeln!“, erklärte sie. „Sehe ich wie ein Spion aus?“, fragte Lore beleidigt. Laru musste dabei etwas schmunzeln. „Nein, aber wie gesagt: Fremden sind sie misstraurisch. Aus Angst!“

„Hm!“, gab Lore nur von sich. Nach einigen Minuten kam auch Jardo mit dem versprochenen Essen und als der herrlich würzige Duft in die Nase des Prinzen stieg, knurrte sein Magen hungrig. „Lasst es Euch schmecken!“, sagte Jardo ehe er wieder ging. Es schmeckte wirklich und als Lore fragte, wie das Gericht hiess, sagte Laru mit einem Lächeln:„ Das ist Jardos berühmter Schweinetanz!“

Sie klang dabei nicht so, als würde es sie schockieren, dass er nicht das berühmte Gericht erkannte, sondern so, als würde sie sich freuen, dass es ihm schmeckte. „Wirklich? Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut schmeckt!“, bemerkte er kleinlaut, weil es wahr war und nahm noch einen Bissen des geschnitten Schweinefleischsstücks. Laru kicherte. „Wenn Ihr wollt, frage ich Jardo, ob er mir das Rezepbt geben kann. Es ist zwar ein Familienrezept, aber ich glaube, bei mir macht er eine Ausnahme!“

„Bei dir würde er sicher eine machen. Wer kann dir schon was abschlagen!“, kam es von Lore. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt ihr dieses Kompliment zumachen, aber es war ihm einfach rausgerutscht. Und es stimmte auch irgendwie. Immer wenn Laru um etwas bat, gönnte man es ihr, ohne eine Gegenlesitung zufordern und Lore fragte sich, was dieses Mädchen an sich hatte. Abgesehen von ihrer schönen Stimme. „Ohh, soll das ein Kompliment sein?“, fragte sie und grinste verschmitzt. Lore spürte, wie sein Gesicht zuglühen begann und er schob dies schnell auf den Wein, den Jardo ihnen gebracht hatte. „Halte es für das, was du es halten möchtest!“, sagte er und stopfte sich eine Kartoffel in den Mund. Laru lächelte noch immer. Es ist ein Kompliment, dachte sie.

Irgendwann wurde das laute Treiben durch das Klopfen von einem Löffel auf einen Blechkrug unterbrochen und es wurde still. Jardo war es, der auf den Krug getrommelt hatte und bat um die Aufmerksamkeit seiner Gäste. „Seid mal alle ruhig. Ich habe Euch alle hier eingladen, weil ich Euch sagen möchte, dass unser geliebtes Goldkehlchen wieder da ist!“, sagte er und einige der Männer jubelten. Sehr zum Missfallen von Lore, der Jardos Worte so verstand, als würde er Laru als verkäuflich darstellen wollen. Er warf Laru einen skeptischen Blick. Doch sie schien es nicht zustören. Sondern lächelte nur und winkte den Leuten zu. Jardo sah zu ihr und machte bittende Handbewegung. Laru nickte und erhob sich von ihrem Platz. Schritt durch die Menge. Lore folgte ihr. Er konnte sich nicht erklären warum, aber er hatte das Gefühl, dass er sie beschützen musste. Beschützen vor diesen Männern, die sie anschauten, als sei sie ein Stück Fleisch. Jardo bot ihr galant die Hand an und half ihr auf das Podium zutreten, wo vorher Musiker allein gespielt hatten. Nun machten sie dem Mädchen Platz und verneigten sich höflich vor ihr. Laru machte einen Knicks. Lore stellte sich neben Jardo, der ebenso wie er darauf achtete, das Laru nicht von den Gästen bedrängt wurde. Jardo warf ihm daraufhin einen anerkennenden Blick zu. Doch Lore beachtete dies nicht. „Goldkehlchen. Goldkehlchen ist wieder da!“, rief ein begeisterter Gast und klatschte in die Hände. In diesen Ausruf fielen andere ein und Laru schien es sichtlich zu genießen im Mittelpunkt zustehen. Wieder verbeugte sie sich. Dann hob sie die Hand und bat die Männer sich wieder zuberuhigen. „Ich freue mich auch, wieder hierzusein!“, sagte sie. „Bitte, Goldkehlchen, sing uns was!“, rief ein Mann. Und ihm schlossen sich die anderen an. Lore war erstaunt, dass diese großen und brutalaussehnden Männer nach Larus Gesang verlangten. Aber vielleicht hatte sie ja recht und sein erster Eindruck war falsch gewesen. „Aber gern. Ich möchte Euch gerne etwas vorsingen. Und was wäre das geeigneste, als über meine Reise zusingen?“, fragte sie mit einem verschwörischem Zwinkern und die Männer, die vorher schon bester Laune waren, konnten nicht mehr an sich halten. Lore fürchtete schon, sie würden vor Begeisterung die Gaststätte auseinandernehmen. Da aber begann die Musiker auf ihren Instrumenten zuspielen und die Gäste wurden einer nachdem anderen wieder ruhig. Laru breitete die Arme aus und holte tief Luft. Dann begann sie zusingen.
 

Ich bin viel herumgekommen,

Ich reiste um die Welt,

Immer auf der Suche nach etwas Neuem.

Doch was hilft das, wenn doch all die

Straßen, auf denen ich ging,

Immer nur zu dir zurückzuführen schienen?
 

Lore fühlte sich bei diesem Lied persönlich angesprochen und fragte sich, warum sie gerade so dieses Lied und warum sie überhaupt so ein Lied sang. Etwa um ihn zu ärgern. Wenn ja, funktionierte es. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute grimmig zu Laru, die nichts davon mitbekam und auch keinen Eindruck machte, als würde es sie sonderlich kümmern.
 

Jeder den du triffst,

während du den Wegen des Landes folgst

hat ein altbekanntes Gesicht.

Kopfsteine und Laternen, die die Straße begleiten

Rufen mich, nach Hause zu kommen...

Dann schienen die Männer, die vorher schweigend gelauscht hatten, die nächsten Zeilen bereits zukennen, denn als Laru weitersang und den Refrain anstimmte, sangen sie laut mit und schwanken dabei ihre Bierkrüge.
 

Tanzen im Mondlicht

Singen im Regen

Oh, es ist gut, wieder zu Hause zu sein!

Lachen im Sonnenlicht

Die Gasse hinunterlaufen

Oh, es ist gut, wieder zu Hause zu sein!
 

Dann als sie weitersang, schaute sie dabei zu Lore und ein schadenfrohes Grinsen war nun auf ihrem Gesicht zusehen.
 

Wenn du mit dem Feuer spielst,

Kannst du dich auch verbrennen

Das passiert, wenn du eine oder zwei Chancen verpasst hast.

Aber es ist nie zu spät,

Wenn du damit gelebt und daraus gelernt hast,

Kommt irgendwann die Chance zurück...
 

Lore rümpfte trotzig die Nase. Was für eine Chance denn, fragte er sich verbittert. Und dass es nie zuspät war, bezweifelte er stark. Immerhin war er nun hier, in dieser Spilunke und hatte ein Mädchen als Frau, das sich einen Spass daraus machte, ihn seine Fehler vor Augen zu führen. Grollend drehte er sich weg und warf ihr dabei bohrende Blicke zu. Laru schien das nicht kümmern, denn sie sang fröhlich weiter.
 

Und wenn ich müde geworden bin

Werde ich eine Weile dasitzen und mich ausruhen

Stürzen Erinnerungen auf mich ein

Und die Dinge, die ich hoch schätzte,

Diejenigen, die ich am meisten liebte,

Das sind die, die ich hinter mir gelassen habe...
 

Nun machte sie ein müdes und trauiges Gesicht. Schien dabei an ihre Abreise zudenken und betroffenes Schweigen erfüllte den Raum. Keiner der Männer sang noch mit oder hob fröhlich rufend seinen Krug. Lore fragte sich, ober as alles echt war, was Laru anging, oder ob dies nicht wieder ein Trick war. Dann aber lächelte sie.
 

Jeder den du triffst,

während du den Wegen des Landes folgst

hat ein altbekanntes Gesicht.

Kopfsteine und Laternen, die die Straße begleiten

Rufen mich, nach Hause zu kommen...
 

Mit einem Schlag war die kruze Trübsinnigkeit verflogen und die Männer und Laru fanden wieder zu ihrer Fröhlickeit zurück. Lauter als vorher sang sie den Refrian, bei dem auch die Gäste mitsangen und wieder ihre Krüge schwangen.

Tanzen im Mondlicht

Singen im Regen

Oh, es ist gut, wieder zu Hause zu sein!

Lachen im Sonnenlicht

Die Gasse hinunterlaufen

Oh, es ist gut, wieder zu Hause zu sein!
 

Dies sang sie noch viele male. So als wäre dies ein Lobeslied auf ihre Heimkehr. Und die Männer sangen ebenso laut wie sie, bis sich das Lied zum Höhepunkt hochgeschraubt hatte und dann Beifall durch den Raum rauschte. Laru machte eine Verbeugung und trat von dem Podium. Trotz dass sie über das Gesicht strahlte schien sie dennoch etwas erschöpft zusein. Kein Wunder. Bei diesem Lärm und dieser Wärme hier drinn musste es wirklich anstregend gewesen sein. Jardo reichte ihr einen Becher mir Quellwasser und Laru nahm dankbar einen Schluck. „Alle Achtung. Du hast wieder geschafft, meine Gäste mitzureissen!“, bemerkte er mit einem Grinsen. „Tja, das ist eben meine Art!“, sagte sie. „Können wir jetzt endlich gehen?“, drängte Lore. Ihm war das zuviel geworden. Er wollte hier weg. „Jetzt? Um diese Zeit?“, fragte Jardo anstelle von Laru und hob die Brauen. Lore schenkte dem stämmigen Mann keine Beachtung, sondern sah Laru drängend an. „Die Stadttore sind schon lange geschlossen!“, sagte sie. „Das ist mir gleich!“, platzte es aus ihm und erntete von beiden Blicke, die ihn als verrückt erklärten. „Überleg dir das nochmal, Junge. Draußen ist es kalt und wie Laru sagte, sind die Stadttore geschlossen. Wenn ihr geht, kann es sein, dass ihr hier überfallen werdet. Es gibt zahlreiche dunkle Gassen, in den sich manches Gesindel rumtreibt!“, gab Jadro zu bedenken und Lore musste sich dabei an den Überfall denken, der ihm beinahe das Leben gekostet hat. Aber hierbleiben wollte er auch nicht. Er blickte zu Laru. Aber er brauchte sich nicht die Hoffnung zumachen, dass sie mal seiner Meinung war, denn sie schüttelte den Kopf und sagte dann an Jardo gewandt:„ Wenn es dir nichts ausmacht, würden wir gerne hier die Nacht verbringen. Ich zahle, soblad ich kann. Versprochen!“

Jardo winkte ab und strahlte gönnerhaft. „Dass du wieder genug Gäste hierhergelockt hast und ihnen, und vorallem mir, eine Freude gemachst hast, ist dein Lohn und eine Nacht kann ich Euch hier nächtigen lassen!“, sagte er und Laru bedankte sich nochmals. Doch Lore rollte die Augen.

Das Zimmer, das sie bewohnten, war im ersten Stock und lag in Richtung des Hinterhofs. Die Kammer war nicht swhr groß, aber goß genug, dass man sich gut darin bewegen konnte. Ein Schrank, eine Schüssel auf einem kleinen Tischchen und ein großes Bett, in dem gut zwei Leute sich niederlegen konnten, waren das einzige, was hier stand. Freda hatte sie hochgeführt und Laru stets mit einem träumerischen Blick angesehen, sodass Lore nicht den Verdacht abschütteln konnte, dass der Junge etwas wie Schwärmerei für sie empfand. Und das störte den Prinzen, auch wenn er nicht wusste, warum. Ihn interessierte das Mädchen doch gar nicht. Es sollte ihn nicht kümmern, dass ein anderer sich für sie interessierte. Sie mit seinen Blicken förmlich auszog. Lore hätte diesen Bengel für seine Unverschämtheit am liebsten die Treppe hinuntergestossen und geschrien, dass er sie, seine Frau, nicht so ansehen sollte. Doch er riss sich zusammen und betrat mit ihr und ihm das Zimmer. Es war gemütlich eingerichtet und Lore verspürte den Drang, sich in das Bett zulegen. Freda wünschte beiden einen gute Nacht, woraufhin Lore nur ein Grummeln für ihn übrig hatte. Doch das schien den Jungen nicht zustören. Als sie allein waren, ging er zum Fenster und schaute hinaus. Unten war der Innenhof, auf dem ein Brunnen stand und rundherum Ställe gebaut waren. Laru indes begann sich auszukleiden und schlüpfte unter die Decken. „Willst du die ganze Nacht dastehen bleiben?“, fragte sie ihn nach einer Weile, weil er immernoch dastand und sich fragte, woran er dachte. „Nein. Nein, natürlich nicht!“ sagte er und zog sich dann auch aus. Ließ aber die Hose an und kletterte ins Bett. Dieses war weicher als das, in dem er mit ihr für gewöhnlich schlief und er merkte, wie schnell er müde wurde. „Gute Nacht!“, hörte er noch Laru sagen. „Nacht!“, gähnte er und rollte sich auf die andere Seite.

Der nächste Morgen brach heran und wie gewohnt tat sich Lore damit schwer, aufzustehen. Sie rüttelte sanft an ihm, doch Lore Laru murrte nur und drehte sich weg. Grub sein Gesicht tiefer in die Kissen. Laru seufzte. Es würde nichts bringen. Also musste sie zu anderen Mitteln greifen. Mit einem Mal hatte sie ein diebisches Grinsen. „Wer nicht hören will, muss fühlen!“, dachte sie und ging zu der Schüssel mit dem Wasser, das für die tägliche Morgenwäsche gedacht war, nahm sich den Schwamm und tunkte ihn ins Wasser. Wartete bis er vollgesogen war und schritt dann wieder an das Bett wo der Prinz schlief. „Aufwachen!“, rief sie leise und als letzter Versuch ihn doch noch so wecken zu können. Und wie sie es sich gedacht hatte, rollte sich der Prinz auf die andere Seite. „Lass mich schlafen!“, knurrte er. Laru zuckte die Schultern. Was solls!

Dann hob sie den Schwamm über den Kopf des Prinzen und drückte. Lore stiess einen schrillen Schrei aus, als das kalte Wasser auf ihn hinabregnete. Wie von der Tarantel gestochen sprang er aus dem Bett. Laru lachte, woraufhin Lore ihr einen wütenden Blick zuwarf. „Was fällt dir ein?“, keifte er. Laru legte den Schwamm weg. „Ich habe versucht Euch zuwecken. Wenn Ihr nicht hört…!“, sprach sie und ließ das Satzende frei im Raum stehen. Lore knurrte etwas und kletterte aus dem Bett. Machte sich soweit fertig und folgte Laru dann aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Untem im Schankraum warteten schon Jardo, Freda und eine Frau mittleren Alters, die wohl Makan war, auf die beiden. Jardo und Makan strahlten sie freundlich an. Nur Freda schien es nicht gern zusehen, Laru und Lore zusammen zu sehen. Er drehte den Kopf weg und schaute mürrisch aus dem Fenster. „Guten Morgen Euch beiden. Habt Ihr gut geschlafen?“, fragte Jardo mit seiner tiefen Stimme. Laru lächelte. „Ja, sehr sogar!“

Lore brummte nur etwas von:„…bis sie mit dem Schwamm kam!“, und setzte sich an den Tisch, auf dem das Frühstück aufgedeckt war. Jardo warf Laru einen fragenden Blick zu. Diese jedoch lächelte verstohlen und hob dann unschuldig schauend die Schultern. Gemeinsam frühstückten sie und Lore ließ es sich hörbar schmecken. Neben Brot und Käse, gab es Oliven, in Kräutersoße eingelegt und frischgemolkene Milch. Rührei mit Speck und eine Schale frischen Obstes. „Und was macht Ihr heute noch so?“, fragte Jardo an Laru gewandt und Laru hob erneut die Schultern. „Wissen wir noch nicht. Vielleicht noch einige Sachen fürs Essen holen!“, erklärte sie. „Weißt ja. Als Vorrat, für die kommenden Tage!“ „Verstehe. Dann wirst du nicht mehr so schnell wieder in die Stadt kommen?“, fragte Jardo und klang sehr bedauernd. „Nein, leider nicht. Es ist immer ein langer Weg von meinem Haus in die Stadt und ich nehme nicht an, dass du jeden Tag einen Wagen schicken würdest, um uns hierherzubringen!“, sagte sie mit einem matten Lächeln. Jardo schüttelte den Kopf. „Nein!“

„Aber ich könnte dich doch jeden Tag abholen. Mir macht das nichts aus!“, mischte sich Freda ein und sein Gesicht strahlte nun, wie das der beiden vorher. Alle sahen den Jungen an, als hätte er den Verstand verloren. Dann aber lächelte Jardo und schlug ihm auf den Rücken. „Und wie gedenkst du dann mit deiner anderen Arbeit fertig zuwerden. Du hast schon genug zutun. Mir und deiner Mutter in der Stube zu helfen zum Beipsiel. Die Küche sauber zuhalten, die Tiere zuversorgen und Besorgungen zu machen. Wenn du jetzt auch noch tagtäglich Goldkehlchen abholst und wieder heimbringst, dann wirst du nichts mehr vom Tage haben!“, erklärte Jardo und nahm damit seinem Jungen die Hoffnung. Fredas Gesicht wurde lang und das Leuchten seiner Augen verblasste. „Mir macht das wirklich nichts aus. Außerdem habe ich sowieso nichts vom Tag, wenn ich die ganze Küche sauber machen und mich um die Viecher kümmern muss!“, sagte er trotzig und sein Vater wollte darauf schon zu einer Erwiderung ansetzten. Doch Laru schritt ein und legte ihre Hand tröstend auf die seine. „Das musst du aber nicht, Freda. Wegen mir musst du nicht auf deine Freizeit verzischten!“, sagte sie. Wollte ihm damit aufmuntern. Doch Freda fühlte sich dadurch verraten. „Ich habe keine Freizeit. Ständig nur schuften, schuften und nochmals schuften!“, murmelte er. Lore, der das ganze aufmerksam verfolgt hatte, bekam irgendwie Mitleid mit ihm. Ihm erging es ja nicht anders. Er war ein junger Mann, der etwas vom Leben haben wollte. Der es geniessen wollte, ohne etwas dafür tun zumüssen. Einfach sich treiben lassen. So wie es Freda tun wollte. Er war eigentlich noch ein Knabe. Ein Knabe, der in ein Mädchen verliebt war, dass einen anderen hatte unddennoch zeigen wollte, dass er alles für dieses eine Mädchen tun wollte. „Jetzt reicht es aber, Freda. Du hast deine Pfichten. Wenn du diese erfüllt hast, kannst du machen was du willst. Das Leben besteht nicht nun mal nicht nur aus Spiel und Spass. Du musst auch etwas tun, wenn du was zuessen und zum anziehen haben willst!“, rückte sein Vater Jardo ihn zurecht und klang dabei Lores Vater, als er ihm erklärte, dass er Verantwortung übernehmen sollte. Verantwortung für sein Leben und Verantwortung für das Volk, über das er mal herrschen würde. Doch das war schon lange vorbei. Dennoch hatte Lore Mitleid mit dem Jungen und konnte gut nachempfinden, wie er sich fühlte. „Trotzdem, ich würde lieber…!“, begann Freda und nun schien es dem friedfertigen Jardo zu reichen. „Es reicht, Freda. Hör auf, dich zu beklagen. Andere Jungen in deinem Leben haben ein viel schweres Leben und sie leben es trotzdem. Tuen was dafür!“, sagte ernst und Makan sah ihren Mann mit zweifelnder Miene an. Ahnte, dass das nur in die falsche Richtung gehen konnte. „Dann sind sie eben welche, die nichts vom Leben haben wollen!“, rief Freda zornig, stand vom Stuhl auf, sodass diese beinahe umkippte und verließ stürmisch den Raum. Laut knallend fiel die Tür ins Schloss, die zum Hinterhof führte. Jardo sah seinem davongelaufenen Sohn eine Weile nach, dann seufzte er und wischte sich über die Stirn. „Tut mir leid, wenn Ihr das jetzt mitansehen musstet, aber in letzer Zeit ist Freda einfach schwierig. Ich glaube es liegt daran, dass er in das Alter kommt, wo er zu einem Mann wird!“, entschuldigte sich Jardo. Laru und Lore sagten daraufhin nichts. Makan legte behutsam ihre Hand auf den Rücken ihres Mannes und strich darüber. „So sind Jungs nunmal. Denk doch mal daran, wie du warst!“, sagte sie und Lore schluckte. Wiedereinmal fühlte er sich an sein eigens rebellisches Leben erinnert, in dem sein Vater und er oft aneinandergeraten sind. Nur die Königin konnte die beiden erhitzten Gemüter beruhigen. So wie es jetzt aus Makan machte. Plötzlich bekam er schreckliches Heimweh und vermisste seine Eltern. Sie schien die einzige gwesen zusein, die wirklich auf seiner Seite gestanden hatte. Wenn er sich wiedermal mit seinem Vater gestritten hatte, war sie eingeschritten und hatte beide zur Ruhe gebracht. Hatte ihrem Mann gesagt, dass ihr Sohn noch fast ein Kind war und sehen musste, wie weit er gehen konnte. Dass er seine Erfahrungen selber machen musste und dass das Zwingen nicht bringen würde. Wie Recht sie damals gehabt hatte und wie gut sie zu ihm war. Und wie dankte er es ihr?

In dem er sie als Verräterin schimpfte, als sie nicht eingeschritten war, um ihren Mann von dem Entschluss abzuhalten, als er ihn mit ihr vermählte. Jetzt, wo er so darüber nachdachte, tat es ihm leid und das schlechte Gewissen suchte ihn heim. Laru sah, wie der Prinz in sich gekehrt war. Fragte sich, woran er dachte. Als sie ihn jedoch ansprach, war die bekümmerte Miene fort und er schaute sie grimmig an. Laru seufzte innerlich. Dabei hatte sie gehofft, endlich mal einen Blick hinter seiner aroganten Maske werfen zu können, um zusehen, wer und wir er wirklich war. Doch anscheinend war das ihr nicht vergönnt. Und dabei hatte sie gehofft, dass das Eis zwischen ihnen endlich etwas brechen würde.

Sie blieben noch einige Minuten, bedankten sich dann für das köstliche Frühstück und Jardo gab Laru ihren Lohn. Das Säckchen, in dem sich die Goldmünzen befanden, war schwer und als sie es hoch warf klimperte es. „Danke, Jardo!“, bedankte sie sich. Jardo winkte ab. „Ich habe zudanken. Dank dir sind mehr Leute gestern in meine bescheidene Hütte gekommen, als üblich. Dein Gesang ist wirklich, wie der einer Sirene!“, bemerkte er und zwinkerte ihr zu. Makan schlug ihm daraufhin auf den Unterarm und als er sie ansah, warf sie ihm einen finsteren Blick zu. „Was? Ist doch so!“, verteidigte er sich schnell, lächelte dann und legte seine Pranken auf die zierlichen Schultern seiner Frau. „Du weißt doch, dass es keine andere außer dir gibt, die ich will!“, säußelte er, woraufhin Makan die Lippen zu einem skeptischen Lächeln verog. „Jaja, das sagst du immer. Nur damit ich dich nicht aus unserem Ehebett auf die Pritsche verbanne!“, sagte sie und konnte ein Lachen nicht unterdrücken. Es war offensichtlich, dass sie sich gegenseitig neckten. Laru musste dabei grinsen, während Lore nur die Augen rollte. Das ist so albern, dachte er. „Laru, können wir?“, fragte er dann und Laru nickte. „Ja, wir gehen dann mal. Macht es gut, ihr beiden und grüßt mir Freda!“, sagte sie, dann verließen sie die Eheleute. Als sie die Gaststube hinter sich gelassen hatten, beugte sich Lore zu ihr hinunter. „Was hat dieser Freda eigentlich gegen mich?“, fragte er, weil ihm das Verhalten des Jungen wieder in den Sinn kam und die offensichtliche Feinseligkeit ihm gegenüber. Laru schaute ihn flüchtig an, hob dann die Schultern. „Weiss auch nicht. Vermutlich denkt er, du hast mich ihm gestohlen!“, erklärte sie und Lore schnappte nach Luft, als er das hörte. Ich dich ihm gestohlen, hallte es in seinem Kopf. Hast du nun völlig den Verstand verloren. Lore öffnete den Mund, wollte diese Frage aussprechen, doch er brachte nur ein Stammeln von sich. „Ich kann auch nicht sagen, warum er auf diese Idee kommt!“, sagte Laru dann. „Weil er sich wohl in dich verliebt hat!“, kam es prompt von ihm und er sah, wie Laru zusammen zuckte. „Habe ich da recht? Er liebt dich.Weißt du das?“, fragte er und Laru blieb stehen. Da sie in einer verlassen Strasse standen, hörte sie niemand und sie brauchten auf keinen Rücksicht zu nehmen. Laru schwieg und ein Zittern schien sie erfasst zu haben. Er sah, wie sie die Lippen aufeinander presste. Ja, sie wusste es. Fast schon wollte Lore darüber lachen. Ein dumme Junge, fast noch ein Kind war verliebt in ein armes Mädchen, welches nur Lumpen trug und entstellt war. Doch dann musste er den Drang unterdrücken, sie zufragen, sie anzuschreien, warum sie ihn nicht wollte. Geschweige denn liebte. Dieser Junge schien ehrliche Gefühle zuhaben und er war der Sohn wohlhabendes Mannes, der ein gutbesuchtes Gasthaus hatte. Sie hätte ein viel besseres Leben, wenn sie sich für ihn entscheiden würde. Warum also hatte sie ihn?

War sie noch bei Sinnen?

„Warum nimmst du nicht ihn? Er liebt dich wirklich. Du hättest ein besseres Leben. Musst niewieder singen, um Geld zuverdienen und hättest ein Dach über den Kopf!“, fragte er dann weil das Schweigen für seinen Geschmack zu lange dauerte und schwer auf ihnen lastete. Laru holte tief Luft, ballte kurz die Hände zu Fäusten, dann schaute sie ihn an und ihr Gesicht war ernst. Aber auch traurig. „Was nützt mir eine bessere Zukunft und was nützt mir das viele Geld, wenn ich meinen Bräutigam nicht liebe!“, sagte sie nur und ging dann weiter. Lore sah ihr nach. Blieb für eine Zeit lang wie angewurzelt stehen. Sie hatte Recht, ging es ihm durch den Kopf. Was nützte das alles, wenn keine Liebe dabei war. Aber sie liebte ihn ja auch nicht. Warum also ließ sie ihn bei ihr bleiben und jagte ihn nicht davon?

Dieses Mädchen war wirklich ein Rätsel. Aber auch ein schönes Rätsel. Und niemand schien ihr eteas böses nachzusagen. Im Gegeneil. Jeder, auf den sie trafen und mit dem sie sprachen, schien sie gern zu haben. Fast so als sei sie eine Prinzessin. Lore fragte sich wieder, ob sie wirklich die war, für die sie sich ausgab. Er hatte noch nie ein Bettelmädchen getroffen, das so offenherzig und mit offen Armen begrüsst wurde, wie sie.

Hatte er denn überhaupt eins Mal getroffen? Jetzt wo er so darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass sie das erste Bettelmädchen war, welches seinen Weg kreuzte. Um solche Menschen hatte er immer einen weiten Bogen gemacht und ihre Bitten nach etwas Geld für was Essbares schroff abgewiesen. War sie ihm auch mal begegnet, ohne dass er es bemerkt hatte?

Lore musste bei diesem Gedanken schlucken. Wenn ja, musste er sich eingestehen, dass er blind durch sein Leben gegangen war. Eigentlich sollte ihn das nicht weiterstören. Bisher hatte er immer so gelebt und es hatte ihn nichts bedeutet. Aber nun war er sich deswegen nicht mehr so sicher. „Kommt Ihr?“, fragte Laru und holte ihn so aus seinen Gedanken. Laru beeilte sich dann, ihr zu folgen und sie gelangten auf den Markt, den der Prinz schon kannte. Wie Laur es angekündigt hatte, kauften sie ein. Mehl, Butter und ein Krug Milch. Dabei kamen sie auch an Maro vorbei, das sie überschwenglichen begrüßte. „Goldkehlchen, wie schön, dich zusehen. Und wie ich sehe, hast du auch deinen Mann mitgebracht!“, sagte sie und lächelte verschmitzt. Laru nickte nur. Lore verzog das Gesicht. Er würde sich niemals daran gewöhnen, als ihr Mann angesehen zu werden. Die beiden Frauen schwatzten miteinander. Unterhielten sich über dieses und jenes. Natürlich fragte Maro auch, wie es gestern Abend in der Schankstube von Jardo gewesen war und Lariu erzählte alles. Auch das so kleinste Detail. Maro lachte dabei und machte ihr Komplimente. „Es wundert mich nicht, dass die Männer in der Schenke so begeistert waren. Du hast auch wirklich eine schöne Stimme!“, bemerkte sie. „Danke, dass sagte Jardo auch!“

„Und es stimmt. Ich kenne kein anderes Mädchen, was so singen kann wie du!“, sagte sie und beide lachten. Dann schien Larus Blick die schwarzen Fahnen zustreifen, denn ihr Lachen verstummte und ihre Worten klangen besorgt. „Wie geht es denn der Prinzessin. Hat sie…hat sie sich wieder gefangen?“, fragte sie und Maros Gesicht wurde ebenso niedergeschlagen. Sie blickte zum Schloss hinauf, in dem die Prinzessin lebte. Lore versteifte sich augenblicklich. Er hatte gehört, dass die Prinzessin lebte, trotz der schwarzen Fahnen, aber etwas musste mit ihr sein, wenn Laru und Maro so dreinschauten und er wurde das dumme Gefühl nicht los, dass es etwas mit ihm zutun hatte. Maro seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, sie…sie ist immernoch traurig darüber, dass sie abgewiesen wurde!“, sagte sie matt, sprach jedoch dann entrüstet weiter:„ So ein unverschämter Bengel. Unsere Prinzessin einfach zubeleidigen und ihr dazu noch das Herz brechen. Man sollte diesem Prinzen die Ohren langziehen!“

„Das ist noch zu wenig, wenn du mich fragst. Ich hätte anstelle des Königs dem Vater dieses Prinzen den Krieg erklärt und das Schloss bis auf die Grundmauern niedergebrannt!“, keifte ein Muskelprotz, der neben Maro seinen Stand aufgemacht hatte und wütend ein Fleischermesser schwang. Lore machte instintiv einen Schritt zurück. Hinter dem Mann waren Fleischbrocken aufgehängt und er war gerade dabei, Fleisch von den Knochen eines Schweins abzuschneiden. Es zu zerkleinern. „Nun sag doch sowas nicht, Kena!“, sagte Maro beruhigend. „Er hatte sicher einen guten Grudn dazu!“, platzte es aus Lore heraus und er schlug sofort die Hände vor den Mund. Kena warf ihm einen wütenden Blick zu. „Einen guten grund?“, knurrte er und stach das Messer ins Felisch, sodass es darin stecken blieb. „Was für ein guter Grund kann das sein, unsere liebreizende Prinzessin zu beleidigen. Dieser Prinz hat keine Ahnung!“, schimpfte er weiter. „Das ist wahr. Prinzessin Rari ist wahrlich eine Prinzessin. An ihr könnte sich so manch andere Edeldame ein Beispiel nehmen!“, sagte Maro und nickte. „Ist sie denn so gutherzig?“, fragte Lore mit einem mulmigen Gefühl in der Bauchgegend, als würde er nur noch mehr Öl ins Feuer schütten. „Willst du uns ärgern? Prinzessin Rari ist die Güte in Person. Noch nie hat unser Reich solch eine Prinzessin gehabt!“, sagte Kena wütend und sah Lore so an, als wollte er ihn an liebsten schlachten. Lore schluckte und trat etwas hinter Laru. Dieser Kerl war ihm nicht geheuer. „Ich würde diesen Prinzen zu gerne in die Finger bekommen. Dann. Würde. Ich. Ihm. Zeigen. Was. Ich. Von. Ihm. Halte!“, sagte Kena wieder und ließ bei jedem Wort, das er aussprach, das Messer niedersaußen, um das Fleisch zuzerteilen. Lore zuckte bei jedem Schlag zusammen und konnte sich gut vorstellen, was Kena mit ihm machen würde. Er schluckte. „Lass uns bitte gehen!“, drängte er Laru und drückte gegen ihre Schultern. Laru sah kurz zu ihm über die Schulter. Nickte dann und verabschiedete sich von den beiden.

Als Laru und er außer Hörweite vom Maro und Kena waren, raunte er:„Woher wissen sie von mir und was haben die nur gegen mich?“

„Du bist natürlich das Gesprächsthema. Jeder hier hat von dem Prinzen gehört, der die Prinzessin auf übelste gekränkt hatte. Und das obwohl sie gehofft hatte, dass er sich in sie verlieben und sie zur Frau nehmen würde!“, erklärte sie. „Was für eine Ironie es doch ist, dass Ihr nun mein Mann seid. Ihr wolltet keine Prinzessin, die beliebt und schön ist. Von wohlhabend ganz zuschweigen und habt nun ein Mädchen, das entstellt und arm ist!“

Lore zog den Kopf zwischen die Schultern. „Musst du das mir immer wieder unter die Nase reiben?“, fragte er mürrisch und Laru kicherte. „Ja, es macht irgendwie Spass!“

Lore warf ihr daraufhin einen finsteren Blick zu. Miststück, dachte er. Gemeinsam verließen sie die Stadt und Lore verschwendete keinen Gedanken daran, einen letzten Blick über die Schulter zu werfen.

Erste Zweifel

Die nächsten Tage wurden zu Wochen. Sie dehnten sich wie zähes Gummi. Lores Frage, wie es weitergehen und was aus ihm werden würde, beschäftigte ihn immer wieder. Wenn er draußen kein Feuerholz hakte, saß er in der Hütte und schaute aus dem Fenster, während Laru am Tisch saß und Hausarbeiten erledigte. So wie heute. Sie flocht gerade an einem Korb und summte vor sich hin. Draußen regnete es. Es war der erste Regen in diesem Sommer und die angestaute Hitze, entlud sich in lautem Donnern und Krachen und die Hütte wurde von hellen Blitzen erhellt. „Ist das üblich, dass das so blitzt?“, fragte er und wandte sich von dem Fenster ab. Laru hörte kurz auf, und schaute zu ihm. Erst war ihr Blick deutlich verwundert, dass er solch eine frage stellte. Hatte er nie was über das Wetter und dessen Umschwung gelernt. Doch dann gab sie sich selber die Antwort und nickte. „In den ersten Sommertagen schon. Die Berge ziehen förmlich Gewitter an!“, sagte sie und flocht dann weiter. Lore schaute dann wieder aus dem Fenster. Sah wie das Regenwasser an die Scheiben klatschte und es aussah, als würde ein wahrer Wasserfall über sie hinwegfliessen. Nie hatte solch ein Unwetter, geschweige denn solch einen heftigen Donner erlebt. „Ich habe noch nie so ein heftiges Gewitter erlebt. Im Reich meines Vaters gab es nur Regen. In der Ferne konnte ich das Blitzen und etwas das Grollen des Donners hören. Wie kommt das?“, fragte er erneut, diesesmal den Blick nach draußen gerichtet. „Weil die Berge den größten Teil zurückhalten und nur die Nachzügler es darüber hinweg schaffen. Wie der Regen zum Beispiel!“, sprach sie, ebenso auf ihre Arbeit fixiert. „Habt Ihr denn keine Angst, wenn es so stürmt. Was wenn die Blitze eines der Häuser oder einen Baum treffen?“, fragte er und diesesmal klang er wirklich besorgt. Aber wohl eher, weil er fürchtete, dass Ihr Haus ihnen über den Köpfen brennen und einstürzen würde. „Die Gefahr besteht durchaus. Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Da die meisten Häuser zuweit vom Wald stehen und die Bäumen natürlich das erste wären, wo ein Blitz einschlagen würde. Es muss also wirklich ein großer Zufall und ein noch größeres Pech sein, dass der Blitz in ein Haus einschlägt!“, erklärte sie sachlich. Doch Lore meinte in ihrer Stimme ein Zittern zuhören. Und er musste sich daran erinnern, wie sie ihm gesagt hätte, dass ihre Verletzungen durch einen Brand entstanden waren. Etwas sagte ihm, dass es womöglich ein Blitz war, der das Haus in Brand gesteckt hatte. Dass sie allerdings bei jedem Blitz nicht gelich zusammen zuckte, verwunderte schon. Aber vermutlich versuchte sie dies zuunterdrücken, damit er nicht sah, wie sehr sie sich fürchtete. „Weißt du das so genau, weil der Brand, bei dem du deinen Verletzungen erlitten hast, durch einen Blitzeinschlag verursacht wurde?“, fragte er und Laru zuckte etwas zusammen. Seine Frage war wohl einTreffer ins Schwarze, denn minutenlang konnte sie sich nicht rühren. Ihre Hände schwebten für Minuten über dem angefangen Korb und Lore dachte, sie sei irgendwie in einer anderen Welt. Doch dann kam wieder Bewegung in sie und sie sah ihn mit düsteren Augen an. „Ich wäre Euch sehr verbunden, wenn Ihr nicht weiter darüber sprechen würdet!“, sagte sie und flochte weiter. Lore spürte, wie er aufeinmal ein schlechtes Gewissen bekam. Konnte sich aber nicht erklären warum. Es kam einfach und schnürte ihm den Hals zu. Aber dann wurde er sich bewusst, dass er vermutlich mit seiner unbedacht gestellten Frage eine schmerzliche Erinnerung in ihr aufgerissen hatte, wie eine alte Wunde und er wollte sich entschuldigen. Doch die abweisende Haltung des Mädchens sagte deutlich, dass er lieber den Mund halten sollte. So schaute er wieder aus dem Fenster und seine Stimmung wurde genauso trist wie das Wetter.

Dann, nach einer Weile, seufzte Laru. Schaute zu ihm. Eigentlich konnte sie nicht wirklich wütend auf ihn sein. Er hatte ja nur eine Frage gestellt. Eine Frage, die ihn sicherlich schon lange gequält hatte und sich bestimmt nichts dabei gedacht. Dennoch schmerzte es sie. Flüchtig berührte sie mit ihren Fingern die Brandnarbe auf ihrer Wange. Die Haut fühlte sich faltig und trocken an. Als sei sie nicht die Haut eines jungen Mädchens. Laru presste hart die Lippen aufeinander und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Dann blickte sie zu ihm.

„Wollt Ihr mir helfen?“, fragte sie und ihre Frage musste ihn etwas überrascht haben, denn Lore hob die Brauen. „Bei was?“

Laru hob den angefangenen Korb hoch. „Beim Körbeflechten!“, erklärte sie und Lore machte nun ein langes Gesicht. Wenn er das gewusst hätte, hätte er die bedrückende Stille zwischen sich und ihr vorgezogen. „Ich kann das nicht!“, sagte er sogleich, mit der stillen Hoffnung, dass er so davon verschont bliebe. Aber Laru dachte nicht daran. Nur weil er vermutlich jetzt ein schlechtes Gewissen hatte, hiess das nicht, dass er sich davor drücken kann.

„Ich bringe es Euch bei!“, meinte sie und wies auf den Platz neben ihr. Lore wollte darauf etwas sagen, hielt es jedoch für angebrachter, trotzdem zutun was sie sagte. Nicht dass sie ihn noch bei dem Wetter draußen vor die Tür setzt. Nur widerwillig stand er von seinem Platz am Fenster auf und ging zu ihr. Setzte sich neben sie. „Schaut mir erstmal zu!“, sagte sie und Lore tat was sie sagte. Sah wie sie die hölzernen Stäbe miteinander verflocht. Sie machte das so geschickt, dass Lore nur staunen konnte. Ihre Finger bewegten sich so, als seien sie selber lebendig und Lore musste daran an eine Spinne denken, die mit ihren Beinen, ihr Netz flocht. Doch Lore wollte sie nicht mit einer hässlichen Spinne vergleichen. Eher mit einem kleinen Vogel, mit einem Goldkehlchen, nein eher mit einer Nachtigall, die ihr Nest baute, für ihre Jungen. Dieser Vergleich schien ihm passender zusein und musste dabei etwas lächeln. Das verging ihm jedoch schnell als sie ihm den angefangenen Korb reichte. „So jetzt seid Ihr dran!“, sagte sie. Lore nahm den Korb an sich und schaute ihn erstmal an, als suche er nach einem guten Punkt um anzufangen. Begann dann unbeholfen die Holzstäbe miteinander zuzverflechten, was ihm jedoch, wie zu erwarten war, nicht gut gelang. Sie waren viel zu widerspenstig, als das er sie ebenso leicht verbiegen und verflechten konnte, wie sie es getan hatte. Außerdem stachen sie in seine Haut und es schmerzte. Zweifelnd und etwas hilflos schaute er zu Laru, die einen neuen Korb angefangen hatte und mit diesem weitermachte. Sie schien keine Schwierigkeiten zuhaben. Und dabei war sie eine Frau. Dann konnte er es doch auch, dachte er sich und versuchte es erneut. Aus dem Augenwinkel beobachtete Laru, wie sich der Prinz anstellte und musste ein Grinsen verkneifen. Vergessen war der Groll, den sie auf ihn hatte. „Außer seinem Vater Kummer machen und in den Tag hineinleben, kann er nichts!“, dachte sie sich. „Ich zeige es Euch nochmal!“, sagte sie und flocht an ihrem weiter. Doch so langsam sie es auch machte, Lore konnte den Handgriffen nicht folgen. Er war für solche Arbeit nicht gemacht. „Das hat doch keinen Sinn!“, sagte er und warf den Korb frustiert von sich weg. „Außerdem sehe ich nicht ein, so eine Arbeit zumachen, die für Frauen gedacht ist!“

Laru sah ihn nur an, stand dann auf und ging zum Korb um ihn aufzuheben.

„Egal ob für Frau oder Mann. Es sind die gleichen Arbeiten!“, sagte sie. „Und zum hundersten Mal: Ich habe Euch gesagt, dass Ihr, wenn Ihr was essen und hier schlafen wollt, was dafür tun müsst!“

„Das brauchst du mir nicht sagen. Ich weiss es!“, sagte er schroff. „Aber das ist einfach nichts für mich!“

„Und was für eine Arbeit wäre für Euch?“, fragte sie. Lore wollte darauf natürlich etwas erwidern. Sich das nicht bieten lassen, doch ihm fiel nichts ein. Ihm fiel keine Arbeit ein, die ihm zusagte. Wenn er ehrlich sein sollte, war Arbeit generell nichts für ihn. Aber ihm blieb ja keine andere Wahl. Ratlos hob er die Schultern. Laru bemerkte die Ratlosigkeit in seinen Augen, hob die Brauen und nickte dann. „Wusste ich es doch!“, sagte sie. „Was wusstest du?“, hakte er nach und wurde nun etwas wütend. Was sollte das nun wieder bedeuten. „Das Ihr, außer Unfug treiben und sich bedienen lassen, nichts zustande bringt. Euer Vater kann von Glück sagen, dass er Euch nicht auf den Thron gelassen hat. Denn sonst wäre das Volk in nur fünf Tagen verhungert oder würde gar eine Revolution gegen Eure Eltern führen. Ihr seid als Herrscher völlig ungeeignet. Ihr könnt ja nicht mal Verwantwortung übernehmen. Weder für Euch selbst noch für andere. Wie sollt Ihr dann für ein ganzes Volk verantwortlich sein?“, erklärte sie und Lores Wut verdreifachte sich. Was nahm sie sich heraus?

Was bildete sie sich eigentlich ein, dass sie so sprach und ihn als einen faulen, verwöhnten Palastbengel bezeichnete?

Mochte sie ihn unter ihrem Dach dulden und seine Frau sein. Das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich alles erlauben konnte. „Wie kannst du es wagen, so mit mir zureden?“, fauchte er erbost und sprang auf. Stürmte auf sie zu. Er musste tapfer den Drang unterdrücken, sie zuschlagen. Laru blieb davon ungerührt. Stand einfach da, und bevor er sie erreicht, streckte die den Arm aus und hielt ihn auf Abstand. „Ich wage es, weil es wahr ist!“, sagte sie ernst. „Und weil Ihr Euch endlich bewusst werden müsst, dass sich nicht alles um Euch dreht!“

Die letzten Worte trafen ihn und ließen ihn erstmal verstummen. War er so leicht zudurchschauen und auf sich selbst beschränkt. Ihm fiel es schwer, dass zuglauben.

Da hörten sie ein aufgeregtes Klopfen an der Tür. Laru schaute zu dieser und ging hin. Lehnte das Ohr an das Holz. „Wer ist da?“, fragte sie. „Bitte macht mir die Tür auf!“, erklang eine aufgeregte Stimme. Sie war männlich und klang ziemlich aufgebracht. „Wer ist da?“, rief sie wieder. „Macht mir doch die Tür auf!“, jammerte der Mann, wer auch immer da draußen stand. Laru überlegte. Lore konnte es in ihrem Gesicht sehen. Dann öffnete sie die Tür und ein junger Mann sprang aus dem Regen ins rettende Trockene. Er war von Kopf bis Fuss durchnässt und bot einen erbärmlichen Anblick. „Danke…tausend dank!“, sagte er. Lore sah Laru mit einer gewissen Sorge an. Laru teilte sie. In gewisser weise. Doch den Mann rausschmeißen wollte sie nicht. „Woher kommst du?“, fragte sie und schloss die Türe. Der Regen war bis ins Haus geströmt und brachte Kälte mithinein. „Ich war auf Wanderschaft. Bis mich das Unwetter überraschte!“, erklärte er und ließ sich von laru an den Tisch führen. Sie holte dann eine Decke und legte sie dem Mann über die Schultern. Dieser bedankte sich und wickelte sich enger in die Decke. „Und wie ist dein Name?“, fragte Lore, der nun misstrauerischer wurde. Dass der Mann überrascht wurde. Kaufte er ihm irgendwie nicht ab. Mochte es daran liegen, dass er mit Fremden immer schlechte Erfahrungen gemacht hatte oder aber, dass Laru viel zu vertrauensseelig war. Lore jedenfalls bedachte den Mann, der da an dem Tisch mit ihm saß, mit Argusaugen. „Mein Name ist Abra!“, sagte er. „Und woher kommst du?“, bohrte Lore weiter. „Aus einem kleinen Dorf. Nahe des Waldes!“

Lore warf dabei Laru einen vielsagenden misstraurischen Blick zu. Hatte sie selber nicht gesagt, dass kein mensch sein Haus an den Wäldern baut. Wegen der Gefahr, dass sie vom Feuer verbrannt werden konnten. Dass es nun ein Dorf nahe dieses besagten Waldes geben soll, kaufte er ihm nicht ab. „Wirklich. Ich dachte, die Dörfer liegen etwas weiter weg vom Wald!“, sagte er daraufhin. Abra, der gerade ein Stück Brot, das Laru ihm gegeben hatte, vertilgte, verschluckte sich fast und auch diese Reaktion machte ihn verdächtig. „Äh, ja… Unser Dorf liegt auch nicht direkt am Wald. Etwas weiter weg!“

„Ahja!“, sagte er nur, wobei er erneut einen Blick zu Laru warf, die sich daran machte, eine wärmende Suppe zu kochen. Laru bemerkte natürlich den Blick, den ihr Mann zuwarf. Sagte aber nichts. So saßen sie schweigend an dem Tisch und während Laru die Suppe umrührte und die letzten Zutaten hneintat, bedachte Lore den Mann mit durchdringenden Augen. Für seinen Geschmack war Laru leichtsinnig. Mochte sie ihm ebenso wenig trauen, wie er. Das sie dennoch hier ins Haus ließ, machte dies nicht wett, sondern machte ihn noch nervöser. Warum jagt sie ihn nicht einfach wieder aus dem Haus. Bei mir ist sie nicht so nachsichtig, dachte er, als sie die Suppe auftrug und etwas davon in die Teller schüttete, die sie Lore und Abra hinstellte. „Lasst es Euch schmecken!“, sagte sie und Abra bedankte sich tausendfach dafür. Löffelte gierig die Suppe und ließ es sich nicht nehmen dabei laut zuschlürfen. Lore sah ihn dabei an, wie einen Störenfried und musste sich wirklich beherrschen, um ihn sich nicht zu schnappen und im hohen Bogen aus dem Haus zuwerfen. Laru mochte zwar Vertrauen und auch Güte haben, um ihn hierzulassen und seine Lügen zuglauben. Aber Lore sah in ihm einen Schmarotzer.

Als sie zuende gegessen hatten, bot Laru ihm die Liege an und Abra nahm dies dankend an. Sie löschte noch das Feuer und wünschte ihm dann eine gute Nacht, bevor sie ins Schlafzimmer ging und begann sich zu entkleiden. Lore wartete draußen und als sie umgezogen war, ging er rein und zog sich dann auch um. Schlug dann die Decke zurück und kletterte hinein. „Findest du es wirklich für klug, ihn hier schlafen zulassen?“, fragte er dann, weil er das Schweigen, welches sich schon während dem Essen über sie gelegt hatte, nicht mehr aushielt und auch seine Zweifel an ihrer Vernunft. „Soll ich ihn etwa in den Regen schicken?“, kam es von ihr und bürstete sich das schwarze Haar. „Ja!“, sagte er prompt und Laru sie ihn mit geschürzten Lippen an. „Wie kömmt Ihr das einfach so sagen. Habt Ihr dazu einen Grund?“

„Ja, den habe ich. Wir kennen den ja kaum. Wie können wir dann wissen, dass wir ihm trauen können? Was wenn er ein Räuber ist und hier ist, um zuschauen, ob was zuholen ist?“, sprach er eine seine Bedenken aus und Laru selbst musste feststellen, dass seine Sorgen nicht unbegründet sind. Dass er wirklich ein Auskundschafter war, konnte gut möglich sein. Aber die Wahrscheinlichkeit war sehr gering. Und selbst wenn. Sie wusste sich schon zu wehren. „Da mögt Ihr vielleicht recht haben. Aber ich glaube kaum, dass seine Freunde heute noch vorbei kommen werden, um uns auszurauben. Und wenn sie es doch tun, werden wir uns schon zuwehren wissen!“, sagte sie mit einem beruhigenden Lächeln. „Außerdem patroulieren die Wachen der Prinzessin hier in der Gegend. Selbst bei diesem Wetter!“

Lore sagte daraufhin nichts. Sondern legte sich einfach ins Bett. Laru neben ihn. „Ihr könnt also ganz beruhigt sein und schlafen!“, sagte sie noch. „Dein Wort in Gottesohr!“, meinte Lore nur.

Am nächsten Morgen erinnerte nur die zuschlamm gewordene Strasse an das gestrige Gewitter. Abra hatte, so wie man es betrachtete gut geschlafen und verabschiedete sich, immer wieder dankend von Laru und Lore. Laru hatte ihm noch für den Weg etwas Brot und eine Feldflasche mit frischer Ziegenmilch mitgegeben, wöfür er ihr nochmals dankte und sich dann auf den Weg machte. Laru und Lore sahen ihm noch eine Weile nach, dann gingen sie ins Haus.

Seit dem waren fünf Tage vergangen und Lores Unbehagen in Bezug Abra wurde ein wenig geringer. Dafür aber hatte er die alten Sorgen wieder. Der Altag holte ihn schneller ein, als ihn lieb war und Laru bemühte sich darum, ihm die passende Arbeit zu geben. Vorallem da die Vorräte langsam aufgebraucht waren und es sogut wie nichts mehr zuessen im Haus gab. „Wir müssen endlich eine Arbeit für Euch finden. So geht es nicht weiter. Wir haben fast nichts mehr zu essen!“, sagte sie irgendwann und Lore hätte dieses alte leidige Thema zugern verdrängt. „Können wir nicht wieder in die Stadt gehen und du singst. Damit scheint mehr Geld reinzukommen!“, meinte er nur und Laru sah ihn an, als wollte sie ihm gleich fü diese faule Ausrede die Pfanne um die Ohren hauen, die sie von den Essenreste befreite. „Ich kann wirklich nicht jeden Tag in die Stadt gehen. Ihr habt selber gesehen, was das für ein langer Weg ist und Ihr habt ebenso die Pflicht Geld ins Haus zubringen!“, konterte sie scharf. „Was ist denn mit diesem Jungen, der dich so anhimmelt. Freda. Er hat doch angeboten, dich jeden Tag abzuholen und in die Stadt zufahren. Du solltest das Angebot annehmen!“

Da reichte es Laru mit seiner Faulheit und Arroganz. Wütend warf sie die Pfanne ins Wasser und stapfte auf ihn zu. Wischte sich die Hände an der Schürze ab und sah ihn mit rasendem Blick an. Lore spürte deutlich, wie er unter ihrem Blick zusammen schrumpfte. Nie hätte er gedacht, dass dieses zierliche Mädchen ihn so einschüchtern konnte. „Freda hat was Besseres zutun, als mich abzuholen und rumzukutschieren. Ich dachte, Ihr hättet verstanden, dass Ihr auch was tun müsst!“, keifte sie und beugte sich vor. Lore hatte es begriffen, aber war sich einfach zuschade dafür. „Und was wenn ich mich weigere?“, fragte er dann und auch wenn er etwas eingeschüchtert war, schaffte er es dennoch gleichgültig zuklingen. Ob Arbeit für Brot, Trinken und ein Dach über den Kopf oder nicht. Er war immernoch ein Prinz. Und als dieser würde er sich immer fühlen und verhalten. Soll sie doch weiterschuften und putzen. Ihm konnte das nur nützlich sein. Schließlich war sie seine Frau. Doch bevor er darüber grinsen konnte, packte sie ihm am Hemd und zerrte ihn mit einer Kraft, die er ihr nicht zugetraut hatte, vom Stuhl und zur Tür. Doch bevor er was dagegen tun konnte, stiess sie ihn aus der Tür und warf diese lautknallend ins Schloss. Lore taumelte etwas und wusste erstmal nicht, was passiert war. Aber dann begriff er. Dieses Mädchen hatte ihn doch tatsächlich vor die Tür gesetzt. War sie noch bei Trost?

Das würde er sich nicht bieten lassen. Wütend und fassungslos ging er zur Tür, langte nach dem Knauf und drehte daran. Doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Sie war von Innen verriegelt. „Laru…mach sofort die Tür auf!“, rief er und rüttelte an dem Knauf. „Ihr bleibt solange darußen, bis Ihr endlich mitanpackt. Richtig anpackt!“, hörte er von drinnen sie rufen und sie klang nicht minder verärgert. „Was? Das kannst du doch nicht machen!“, rief er. „Und ob ich das machen kann!“, schrie sie. „Aber…!“

„Ihr bleibt draußen!“

Und das war ihr letztes Wort.

„Elende Laru, was glaubt sie, wer sie ist?“, schimpfte er und warf wütend einen Stein in eine unbestimmte Richtung.

Lore, immernoch wütend über den Rausschmiss, hatte sich etwas freie Luft machen wollen und war einwenig gelaufen. Dabei achtete er immer, dass er das Haus im Auge behielt und sich nicht verlor. Es musste gut eine Stunde, oder vielleicht sogar zwei vergangen sein, ehe seine Wut verraucht war und er sich auf den Rückweg machte. Dennoch kam er nicht umhin, sich noch weiter über ihre Unverschämtheit zuärgern. Was war bloss in sie gefahren?

Ehe er sich darüber noch weiter Gedanken machen und sich darauf eine Antwort geben konnte, sah er wie eine Gruppe von Männern den Hügel hinaufliefen und sich miteinander unterhielten. Zwar mochte er nicht aus der Entfernung hören, was sie sagten, aber die Absichten waren deutlich zusehen. In Form von Schwertern, die im Sonnenlicht blitzten und die Richtung kannte er auch. Sie wollten zu Larus Haus. „Nein!“, keuchte er und begann zurennen.

Laru ahnte natürlich nichts von der drohenden Gefahr. Sie war hinterm Haus und hängte gerade frischgewaschene Wäsche an die Leinen. Summte dabei vor sich hin und grübelte selbst nach. Dass sie den Prinzen vor die Tür gesetzt hatte, war etwas hart gewesen. Dass wusste sie. Aber seine Dickköpfigkeit und Arroganz hatten sie einfach so wütend gemacht, dass sie sich keinen anderen Weg wusste. Wenn er nicht hören wollte, musste er fühlen. Natürlich hatte er das nicht gerade gut gefunden und wollte wieder rein. Doch diesesmal musste er durch und nicht länger glauben, dass sie nur drohte. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht zuweit vom Haus gegangen war. Sie wollte schon nach ihm rufen, als sie schritte hörte und hinter dem Bettlaken Schatten sah. Erleichtert seufzte sie auf. „Na, habt Ihr Euch wieder beruhigt. Ich dachte schon…!“, sagte sie und zog das Laken beiseite. Doch da blieben ihr die folgenden Worte im Halse stecken, als sie sah, wie eine Gruppe von Männern auf sie zukam und sie mit finsteren Augen ansahen. „Ist sie das?“, fragte einer von ihnen, der voran gegangen war und wandte sich dann an eine schmächtige Person, die sich etwas abseits der Gruppe hielt und nickte. Larus Kehle schnürte sich zu bei diesen Worten. Diese Männer schrien förmlich nach Ärger. „Was wollt Ihr her?“, fragte sie und ließ hecktisch den Blick umherwandern. Zählte dabei zehn Männer. Das waren eindeutig zuviel. Allein konnte sie nichts gegen diese ausrichten. Wo war bloss der Prinz, wenn man ihn mal brauchte, dachte sie. „Wir haben gehört, dass du was zuessen in deinem Haus hast!“, sagte der Erste wiederum und schwang dabei drohend eine Keule. Laru schluckte. „Das stimmt. Nicht. Ich habe selber kaum noch was für mich!“, sagte sie und hoffte, die Männer würden sie das glauben. Doch da mischte sich die schmächtige Gestalt ein. „Das stimmt nicht. Sie lügt. Sie hat genug für uns alle zusammen. Ich habe es selber gesehen!“, sagte sie und Laru meinte die Stimme zukennen. „Abra, seid Ihr das?“, fragte sie und kurz schienen die Männer irretiert zusein. Dann aber warf die Gestalt, Abra, die Kapuze, die er sich über das Gesicht gezogen hatte, zurück und wirkte mehr als nur ertappt. Er schien der jüngste und kleinste von der ganzen Truppe sein. Wirkte neben diesen großen und grobschlächtigen Männern wie ein Kind. Als Laru ihn sah, fühlte sie wie ihre Knie weich wurden. Vor einigen Tagen hatte sie Lore gesagt, dass sie schon etwas gegen einen Überfall tun würde, sollte Abra ein Spion für irgendwelche Räuber sein. Aber nun fühlte sie sich auf verlorenem Posten und auch verraten. Sie hatte ihm vertraut, auch wenn sie sich eingestehen musste, dass das mehr als dumm von ihr war. Sie hatte sich von seinem freundlichen, hilflosen Gesicht täuschen lassen. Und nun würde sie das bitter zahlen müssen. „Wer er ist, ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass du was bei dir zubeissen hast und uns belogen hast. Niemand belügt uns und kommt damit durch. Auch wenn nicht wenn es eine Frau ist!“, sagte wiederum der Anführer und als Laru ihn ansah, grinste er boshaft. „Packt sie euch, Jungs!“, wies er seine Bande an und die Männer vergeudeten keinen Augenblick, um sie sich zugreifen. „Nein, lasst mich los!“, schrie sie und versuchte sich aus den Griffen der Männer zu befreien. „Wir werden dich erst loslassen, wenn du uns etwas zuessen gemacht hast und wir mit dir am Ende fertig sind!“, sagte der Anführer und lachte dreckig. „Serad. Das geht zuweit. Wir wollten nur was zuessen stehlen. Mehr nicht!“, sagte Abra. Dafür handelte er sich eine Schelte von dem Räuber ein. „Das war auch so geplant. Aber das kleine Biest musste ja lügen und wenn ich eines hasse, dann ist es, wenn mich jemand anlügt!“, sagte er und warf Laru einen wütenden Blick zu. „Da mache ich nicht mit!“, rief Abra entsetzt. „Gut, dann verschwinde und verhungere doch!“, giftete Serad und richtete seine Aufmerksamkeit wieder seinen Männern zu. „Schafft sie ins Haus!“, wies er sie an.

„Ihr lasst sie auf der Stelle los!“, schrie eine Männerstimme und die Räuber drehten sich mitsamt Laru um. Vor ihnen stand ein schwarzharriger Mann, der heftig atmete, da er die letzten Meter gerannt war, um sie aufzuhalten und sie nun wütend anschaute. Laru glaubte, erstmal ihren Augen nicht zutrauen. Lore. Er war es wirklich. Erleichtert darüber, dass er sich ihnen entgegen stellte und sie retten wollte.

„Und wer bist du?“, fragte Serda und wandte sich bedrohlich an den Prinzen. Hob dabei seine Keule. Lore merkte, wie ihn der Mut verließ, als er den großen Mann sah, der Jardo locker überragt hätte. Er schien auch noch wesentlich mehr unfreundlicher zusein, als der Gaststättenbesitzer. Lore merkte, wie ihn die anderen Männer beäugten, wie Beute und dass der Anführer von ihnen auf eine Antwort wartete. „Ich…ich bin ihr Mann!“, sagte er und konnte selber nicht glauben, was er da sagte. Aber was sollte er auch schon sagen.Dass er ein Prinz war und es ihnen befahl?

Die würden ihn ungespitzt in den Boden rammen. „Tatsächlich. Und was wenn wir sie nicht loslassen?“, bohrte Serda weiter und schickte sich an, ihr über die Wange zustreichen. Dies ließ in Lore das Blut vor Wut in den Adern kochen. Was erlaubte sich dieser Mistkerl Laru anzufassen. Seine Laru!

„Dann werde ich Euch allesamt dermassen verprügeln, dass Ihr nicht mehr richtig denken könnt und nach Eurer Mami schreiend nachhause rennt!“, rief er und versuchte dabei so grimmig zuklingen, wie es Serda tat. Doch Serda hatte nur ein höhnisches Lachen für die leere Drohung des Prinzen übrig. „Wirklich. Na, das will ich doch mal sehen!“, sagte er und machte eine ruckende Kopfbewegung zu ihm. Ein Zeichen an seine Männer, dass sie sich dieses Großmaul vorknöpfen sollen. Zwei hielten Laru fest, während der Rest, abgesehen von Serda und Abra, auf den Prinzen zugingen und auch nicht zögerten. Zwei von ihnen holten hinter seinem Rücken zum Schlag aus. Lore reagierte und sprang vor. Jedoch geradewegs in die Arme zwei anderer, die ihn sich sofort schnappten und ihm kräftig in die Magengrube schlugen. Der Prinz krümmte sich dabei. Er hatte ja gewusst, dass das nicht einfach werden und sich dabei selber ins eigene Fleisch schneiden würde. Aber dass es so schwer werden würde, hatte er nicht gedacht. Lachend über diese erbärmliche Verteidigung des Prinzen. Warfen ihn ins Gras. Lore rappelte sich wieder auf und wollte sich erneut auf diese Kerle werfen. Aber wie vorher waren sie schneller und packten ihn links und rechts an den Armen. Rissen daran und Lore glaubte, dass sie ihn entzweireissen würden. Er schrie auf und versuchte sich gegen diese zu wehren. „Hört auf der Stelle auf damit!“, schrie sie verzweifelt. „Erst wenn er die Lektion begriffen hat!“, knurrte zufrieden Serda. „Gebt ihm wenigstens ein Schwert, damit er sich wehren kann!“, rief sie. Serda sah sie kurz an, dann zum Prinzen, der aufgegeben hatte, sich gegen seine Gegner zuwehren. Dann lächelte er. Er machte sich wohl keine großen Sorgen, dass sein Widersacher mit einem Schwert umgehen konnte. „Sie hat Recht. Gebt ihm ein Schwert. Wie unfair von uns, dass wir ihn nicht mit einer Waffe ausstatten, mit der er sich wehren kann!“, sagte er dann und wandte sich an einen seiner Männer, der gerade auholen wollte, um den Prinzen ins Gesicht zuschlagen. Dieser trug ein Schwert. Wie auch die anderen. „Gib ihm dein Schwert, Gror!“, wies er ihn an und Gror schien sichtlich was dagegen zuhaben. Aber dann reichte er es dem Prinzen, der kurzerhand losgelassen wurde und das Schwert in die Hand nahm. Als er es in der Hand hielt, fühlte er sich ein kleinwenig sicher und blickte dann zu den anderen Männern, die nun ebenso ihre Schwerter gezogen hatten und auf sie zugingen. „Auf einen fairen Kampf!“, sagte Serda, der neben Abra und seine beiden anderen Kumpane immernoch keinen Finger zu rühren schienen, um sich an den Kampf mit zubeteiligen. Lore wusste, dass diese Worte des Räubers blanker Hohn waren und er machte sich innerlich bereit für den nächsten Kampf.

Da er jetzt ein Schwert in der Hand hatte, wusste er sich nun besser zu wehren als vorher. Und wenn es etwas gab, worin er geübt war, war es der Schwertkampf. Dabei kam er nicht umhin, wissend zu grinsen. Jetzt würde er diesen Kerlen eine Lektion erteilen. „Kommt nur!“, sagte er bloss und die Männer kamen auch. Zwei stürmten wie gehabt auf ihn zu, wollten ihn mit ihren Schwertern ins Fleisch schneiden. Lore machte aber einen Schritt zurück. Er hatte inzwischen begriffen, dass sie zuzweit angriffen. Als die Schwerter der Gegner durch die Luft schwirrten und ihn knapp verfehlten, hob er sein Schwert wiederum und blockte den Hieb ab. Griff selber an und das mit solch einer Schnelligkeit und Entschlossenheit, dass die Männer erstmal völlig verwundert waren. Doch der bellende Befehl ihres Anführers holte sie schnell wieder aus dieser und drängte sie dazu, dass sie wieder angriffen. Diesesmal schienen sie ihre Taktik aber geändert zuhaben, denn während der eine von vorne angriff, rückte der andere ihm hinterm Rücken zu Leibe. Die anderen hielten sich bereit. Sie hoben gelichzeitg ihre Schwerter. Lore drehte sich so, dass er beide im Blick hatte und wehrte erst den einen und dann denn anderen Schwertschlag ab. Laru staunte nicht schlecht, als sie sah, wie ihr Mann die Männer mit dem Schwert zurückdrängte und dann zum Gegenangriff überging. Er trieb sie mit gekonnten Hieben, Finten und Ausfallschritten zurück und es sah wirklich so aus, als würde er den Sieg davon tragen. Doch nun schritt Serda in den Kampf ein und dieser schien ein ebenso guter Kämpfer im Punkt Schwertkampf zusein, wie es der Prinz war. „Wollen doch mal sehen, wie du gegen mich ankommst!“, grollte er tief und drohend und ehe Lore sich bei diesem eine Strategie ausdenken konnte, griff Serda auch schon an. Dieser schien kein Pardon zu kennen. Er scheute sich nicht schmutzige Tricks anzuwenden und jede Lücke in der Verteidigung seines Gegners zufinden, die Lore selbst nicht zu sehen schien. Die Schwerter sirrten und flogen durch die Luft und klirrten laut auf, als sie aufeinander trafen. Serdas Männer johlten auf, wann immer Serda einen Treffer landete. Larus Mut und Optimissmus hingegen sanken ins Bodenlose, als sie sah, dass Lore gegen diesen stämmigen Räuber kaum etwas ausrichten konnte. Und dabei lief alles sogut für sie. Nun aber würde Lore mächtige Schwierigkeiten haben. Das schien er selber zu spüren, denn Serda rückte ihm immer mehr zu Leibe und schien auch nicht daran zudenken, ihn mal zum Gegenschlag kommen zulassen. Immer wieder drosch er auf ihn ein und Lores Schwertarm fing an durch die Wucht der Schläge des Räubers zuschmerzen. Er verzog das Gesicht und wechselte schnell das Schwert in die linke Hand. Obwohl er wusste, dass die linke Hand nicht gerade seine stärkste war und er nun im Kampf noch benachteiligte sein würde, als zuvor. Doch der Schmerz war übermächtig, als das er ihn nach lange aushalten konnte und da zumal Serda wohl nicht daran dachte, den Kampf bald zubeenden. Im Gegenteil. Er schien es zu geniessen. Wenn nicht bald ein Wunder geschah, würde er sein Leben lassen.

Serda versetzte ihm in diesem Moment einen Tritt und Lore fiel, wild mit den Armen rudernt, nachhinten. Noch bevor er sich wieder aufrappeln konnte, hielt Serda die Spitze seines Schwertes an dessen Hals. Als Lore sich instinktiv bewegte, drückte Serda sie etwas fester und sie stach in seine Haut. „Der Sieg geht an mich!“, sagte er und grinste fies. „Noch irgendwelche letzten Worte!"

Lore schluckte. Dieser Mann wollte ihn allenernstes töten. Hastig schaute er zu Laru, mit der stillen und auch unerfüllten Hoffnung, dass sie einschreien würde. Doch Laru schien ebenso gelähmt vor Angst zusein, wie er. Sie sah zu ihm und kämpfte sichtlich dagegen an, die Fassung zuverlieren. Ob sie Serda anflehte oder ihm gar drohte, würde nichts bringen. Er war nicht der Mann, der sich durch die Worte eines Weibes erweichen ließ. Oder einen am bodenliegenden Mann am Leben lassen würde. Dennoch wollte sie nichts unversucht lassen. „Ich flehe Euch an. Lasst ihm sein Leben. Er hat Euch doch nichts getan!“, wimmerte sie. „Er hat uns nichts getan? Er hat sich uns in den Weg gestellt und dabei das Maul ziemlich voll genommen. Das verlangt nach einer Strafe!“, sagte Serda kalt und befahl seinen Männern Lore festzuhalten. Dann hob er das Schwert, um es ihm in die Brust zurammen. Laru wimmerte umso lauter und senkte den Blick. Sie konnte es sich nicht mit ansehen. Laru sah in diesem Moment sein ganzes Leben vor seinen Augen ablaufen. Und auch wenn er wusste, dass er sich als Prinz im Angesicht des Todes würdevoller zuverhalten hatte, so konnte er ein Zittern nicht unterdrücken. „Das könnt Ihr nicht…!“, begann er und wurde von Serda rüde unterbrochen. „Und ob ich das kann!“, sagte er und wollte zustechen, als eine Stimme erscholl. „Halt!“

Überrascht drehten sich alle um und sahen einen Reiter, gekleidet wie ein Soldat. Doch statt eines silbernen, trug er einen goldenen Brustschild. Darauf war das Wappen der Königsfamilie eingeprägt und ein roter Umhang hing über seinen Schultern. Ein mächtiges Schwert hing am Gürtel seiner rechten. Er war in der Mitte seines Lebens und hatte einen ordentlich gestutzten Bart. Wache Augen und einen strengen Zug um die Mundwinkel. Und mit eben diesen Augen blickte er zu den Menschen. Während Laru ein Dankesgebet zum Himmel schickte, waren die Räuber entsetzt, als sie den Mann auf dem Pferd stehen sahen. Denn dieser war kein geringere als Hauptmann Gahl. Und er war auch nicht allein. Hinter ihm waren gut ein dutzend Reiter auf ihren Pferden. Und schon dieser Anblick, ließ die Räuber nicht mehr so mutig sein. Selbst Serda machte nun, dass er von dem am bodenliegenden Prinzen wegkam und steckte das Schwert ein. „Hauptmann. Euch schickt der Herr!“, rief Laru außer sich vor Freude und riss sich von den Männern los, die sie bis jetzt festgehalten hatten, nun aber den Griff gelockert hatten. Sie eilte zu dem Hauptmann. „Was geht hier vor, Mädchen?“, fragte er zu ihr hinunterblickend. „Diese…diese Männer wollten mich ausrauben und meinen Mann umbringen!“, erklärte sie ohne Umschweife und deutete dabei auf Serda. Hauptmann Gahl sah von ihr zu den Räubern. Offenbar schien er sie zukennen, denn in seinen Worten lag stille Drohung. „Hast du schon wieder versucht, Unschuldige ihres Hab und Gut zuerleichtern?“, fragte er und trieb sein Pferd voran. Auf Serda zu. „Ich dachte, ich hätte mich deutlich ausgedrückt. Du bleibst mit deiner Bande im Wald und sorgst dafür, dass keine ungebetenen Gäste hierher kommen und dafür kriegen du und deine Männer zuessen und zutrinken. Soviel ihr wollt. Nicht zuvergessen, dass ich deine Straftaten außer Acht lasse. Ich habe bisher Gnade vor Recht ergehen lassen, weil du ein fähiger Mann bist und ausgezeichnet mit dem Schwert umgehen kannst. Doch wie ich sehe, habe ich die Leine, an der man dich halten sollte, zulang gelassen!“, sagte Gahl und stieg ab. Warf er dabei den Umhang zurück, sodass man deutlich das Schwert sehen konnte. Serda schnaubte. „Was nützen mir Speiss und Trank, wenn ich wie ein Hund gehalten und behandelt werde. Ich wollte mir nur das nehmen, was mir zusteht!"

„Was dir zusteht? Ich glaube, du hast zutief in den Wein geschaut!“, sagte Gahl, nun deutlich hörbar, dass ihm das Benehmen des Mannes auf die Nerven ging. „Du und deine Männer werdet mit mir kommen. Wir müssen uns dringend mal unterhalten!“, sprach und gab seinen Männern ein Zeichen. Sie nickten, stiegen ab und wollten die anderen Räuber einkesseln. Doch Serda dachte nicht daran. Mit einem wütenden Brüllen, zog er erneut das Schwert und stürzte sich auf den Hauptmann. Dieser fing den gegen ihn geführten Hieb ab und drehte sein Schwert, sodass dieses sich mit dem von Serda verhackte. Serda knurrte und versuchte, sein Schwert wieder freizubekommen. Gahl jedoch dachte nicht daran. Er hatte lange genug dem Treiben des Räubers zugesehen. Es wurde Zeit, ihn an die kurze Leine zunehmen und ihm zuzeigen, dass selbst ihm Grenzen gesetzt sind. Daher schwang erneut sein Schwert, riss das von Serda dabei aus den Händen und trat ihm gegen das Schienenbein. Als sich Serda bückte und sich sein Bein hielt, versetzte der Hauptmann ihm einen Schlag ins Genick und das brachte den selbstsicheren Räuber zu Fall. Kaum dass er am Boden lag, hielt der Hauptmann ihm sein Schwert ins Genick und ließ Serda innehalten. „Lernt aus dieser Lektion Serda. Selbst Ihr steht unter einem anderen. Sowohl mir als auch der Prinzessin!“, sagte er und ließ es als letzte Drohung stehen. Dann wandte er sich an die Soldaten. „Zwei von Euch nehmen sich ein Räuber. Fesselt ihn an den Händen und nehmt ihn zwischen die Pferde, damit sie nicht das Weite sauchen!“, rief dann und die Soldaten taten, was er befahl. Serda wurde ebenso von zwei Soldaten, die seine Statur hatten, gefesselt. „Hey, halt. Warum denn ich auch?“, rief Abra, als auch er abgeführt wurde. Laru sah den Hauptmann an. Trotz dass er sie verraten hatte, wollte sie nicht, dass er mit diesen Unholden in einem Kerker verschwand. Hauptmann Gahl bemerkte wohl ihren Blick. Sah sie fragend an. „Er…er ist unschuldig!“, flüsterte sie, wobei sie sich da nicht so sicher war und auch dies blieb dem Hauptmann nicht verborgen. „Wir nehmen ihn trotzdem mit!“, sagte er und Laru nickte. Sie konnte nur hoffen, dass der Hauptmann bei ihm noch ein Auge zudrücken würde. Dann saßen Männer wieder auf und ritten los. Nur der Hauptmann blieb. „Gott sei es gedankt, dass Ihr gekommen seid. Wärt Ihr nicht rechtzeitig dagewesen dann…!“, sagte sie. „Ich weiss nicht, wie ich Euch dafür danken kann!“

Der Hauptmann lächelte und winkte ab. „Das braucht Ihr nicht, schönes Mädchen!“, sagte er charmant und Lore rollte die Augen. Waren denn alle dieser schönen Frau erlegen. Selbst der Hauptmann schien bei ihr zahm zuwerden wie ein Lämmchen. Moment. Irgendwie kam ihm dieser Mann bekannt vor. In der ganzen Aufregung hatte er kaum auf ihn geachtete, doch jetzt wo die Räuber fort waren, hatte er Zeit, sich diesen anzusehen. Und jetzt wo er ihn sich so anschaute, wusste er auch, woher er ihn bekannt war. Es war der Hauptmann der Prinzessin. Die er bei der ersten Begegnung aus dem Sattel geworfen hatte. Oh verdammt, dachte er und drehte sich schnell weg. „Wobei…wenn ich es mir so recht überlege, könnt Ihr mir einen Krug Meth und etwas Herzhaftes zuessen als Lohn für meine Hilfe geben!“, sagte er mit einem Grinsen. „Hauptmann, Ihr seid doch im Dienst. Da solltet Ihr eigentlich nichts trinken!“, sagte sie mit einem taldendem Grinsen und wedelte mit dem Finger vor seinem Gesicht. Der Hauptmann machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Habt doch Gnade, mit einem alten Kämpfer!“

„Nagut. Aber weil Ihr es seid!“, sagte sie mit einem Kichern. „Und weil Ihr mir und meinem Mann das Leben gerettet habt!“

„Euer Mann?“, sagte Gahl und schaute nun zu Lore, der immernoch abgewandt dastand. „Dieses halbe Hemd ist Euer Mann? Kein Wunder, dass Ihr um Euer Leben fürchtetet!“, lachte der Hauptmann und Lore musste wahrlich den Drang unterdrücken, diesem Mann die Meinugn zu geigen. Er hatte nicht das Gefühl, dass er ein halbes Hemd war und sich doch ganz gut geschlagen. „Ihr tut ihm Unrecht. Immerhin hatte er den Mut, sich mit ihnen messen zu wollen!“, sagte Laru daraufhin. Gahl sah den ehemaligen Prinzen mit gehobenen Brauen an. „Nun wenn dem so ist…!“, sagte er dann. „…Will ich nicht so sein!“

Wenig später saßen sie in der Hütte Larus an dem Tisch und aßen. Gahl ließ es sich sichtlich schmecken und lehnte sich, als er fertig war, im Stuhl zurück und trank den letzten Rest des Meths aus. „Ahhh, Mädchen. Eins muss man Euch lassen: Ihr könnt kochen, da würde selbst der besse Koch vor Neid platzen!“, sagte er zufrieden. Lore hingegen musste dabei ein Würgen unterdrücken. Solches Geschleime hätte er diesem Mann nicht zugeraut.

„Nun übertreibt Ihr aber, Hauptmann!“, lachte Laru und räumte den Tisch ab. Lore verbiss sich dabei ein Kommentar. „Ihr solltet nicht so bescheiden sein!“, sagte er. „Ach, ehe ich es vergesse. Die Prinzessin lässt nach dir fragen!“

„Die Prinzessin? Was…was möchte sie denn?“

Laru war nicht die einzige, die verwundert dreinblickte. Lore wurde ebenso hellhörig und fragte sich ebenso, wie Laru was die Prinzessin von ihr wollte. „Sie möchte dich bitten in vier Monaten an ihren Hof zu kommen!“, erklärte Hauptmann Gahl, der sich erhob und seine Rüstung zurecht rückte.

„Warum?“, kam es von Laru, dessen Neugier deutlich im Gesicht geschrieben war. Doch Hauptmann konnte nur die Achseln zucken. „So genau weiss ich das auch nicht. Sie möchte nur, dass du an ihren Hof kommst!“, erklärte er. „Nadann. Ich werde mal wieder gehen. Nicht das meine Männer noch mich suchen müssen!“

Er wünschte den beiden noch einen schönen Tag und ging dann. „Also wirklich. Dieser Mann sieht zwar wie ein hoher Herr aus und ist auch ein guter Kämpfer. Aber er hat eine Art an sich, die wirklich unter aller Würde ist!“, schnaubte Lore als die Tür hinter dem Hauptmann zugefallen war. „Ich weiss nicht, was Ihr meint?“, sagte sie wiederum und machte sich an den Abwasch. „Na, wie er sich bei dir einschleimen musste. Ekelhaft!“

„Er hat sich nur für das gute Essen bedankt. Das ist alles!“, sagte sie beläufig, woraufhin wieder Lore schnaubte. Laru warf ihm daraufhin einen Blick zu und musste grinsen. So wie er reagierte konnte man ja fast denken, dass er…

„Seid Ihr etwa eifersüchtig?“, fragte sie und konnte ein Glucksen nicht unterdrücken. Als Lore as hörte, glaubte er, dass sie den Verstand verloren hatte. Er wusste nicht, was sie da rein interprediert hatte, aber auf jeden Fall nicht sowas. „Ich…eifersüchtig. Machst du Witze?“, platzte es aus ihm heraus und wurde dabei rot. Das veranlasste Laru noch mehr zu Grinsen und zu kichern. „Nein, ich meine das ernst und wenn ich sehe, wie rot Ihr werdet…!“, begann sie und ließ den Rest des Satzes im Raum stehen. Das reichte dem stolzen Prinzen. Entrüstet über ihre frechen Worte und was sie in ihm bewirkten, stand er auf und stürmte zur Türe. „Wohin wollt Ihr?“, fragte sie. Es begann draußen bereits zu dämmern und sie hatte so eine gewisse Ahnung. „Raus. An die frische Luft“, sagte er nur und warf die Tür hinter sich zu. „Verläuft Euch aber nicht wieder!“, rief sie noch hiner ihm her. Doch statt die Strasse entlang zulaufen, blieb er einfach vor dem Haus stehen und schaute grimmig vor sich hin. Setzte sich dann in einen Stuhl und ärgerte sich weiterhin über die forsche Art des Mädchens. Machte es ihr so großen Spass mich zur Weißglut zu bringen, fragte er sich. Offentsichtlich schon. Denn sonst würde sie das nicht tun. „Ich und eifersüchtig. Soweit kommt es noch!“, knurrte er dann laut vor sich hin. Und je öfter er ihr das vorwarf, desto weniger überzeugter war er, dass sie falsch lag. Was wenn doch?

Was wenn er wirklich eifersüchtig war?

Er musste nur daran denken, wie wütend er geworden war, als dieser Serda sich die Freiheit herausnahm, sie anzufassen. Es war wirklich so gewesen, dass er um sie Angst hatte. Wenn es ihm egal gewesen wäre, was mit ihr passierte, wäre er sicherlich nicht wie vom Teufel gejagt zu ihr gerannt und hätte sich mit den Räubern angelegt. Bei diesem Gedanken wurde ihm etwas seltsam zumute. Sein Herz schlug mal langsamer, mal schneller und er fühlte sich etwas schwindelig. Was war nur los mit ihm?

Als es Nacht war, ging er wieder hinein. Laru war schon zu Bett gegangen. Leise schlich er ins Schlafzimmer und fing an sich zu entkleiden. Kroch dann ins Bett und schlief auch schon bald ein.

Am nächsten Morgen standen beide, Lore unter lautem Protest, auf und machte sich frühs, während die Sonne aufging, auf zu dem Feld, in dem die ersten Bauer schon munter die Sensen schwangen um das Korn zuernten. „Morgen!“, grüßte sie die Männer, die die beiden schon gesehen hatten. „Morgen, Goldkehlchen!“, grüßte sie zurück. Ein Mann und eine Frau, die nicht älter waren als sie, kamen auf sie zu. „Goldkehlchen, schön dich wieder zusehen!“, grüßte die Frau. „Hallo, Caarza!“ „Und mich grüßt du nicht mehr!“, warf ihr der Mann vor. Laru lächelte. „Doch doch. Was denkst du denn, Mare!“, sagte sie und umarmte den Mann. Lore zuckte bei dieser Geste der Freundlichkeit zusammen. Die Tatsache, dass er etwas für sie zu empfinden schien, hatte ihn selbst im Schlaf nicht in Frieden gelassen. Und jetzt wo sie diesen Fremden umarmte, wurde dies noch schlimmer. „Und wen hast du da mitgebracht, Goldkehlchen?“, fragte Caarza. „Meinen Mann!“, sagte Laru prompt. Lore verzog dabei nicht eine Miene. Inzwischen schien es ihn doch wohl kalt zulassen. Er nickte nur knapp. Caarza stiess einen Pfiff aus und stiess Laru mit dem Elbogen an. „Respekt. Du hast wirklich ein Glück, so einen schmucken Kerl abzukriegen!“, sagte sie woraufhin Lore rot wurde und Mare nur sich räusperte. Caarza schenkte ihm daraufhin ein Lächeln. „Was können wir denn für Euch beiden tun?“, fragte Mare, der sich erstmal als beleidigt gab. „Nicht für mich. Für ihn. Ich möchte, dass er bei Euch auf dem Feld arbeitet!“, sagte sie. Mare hob die Brauen und sah sich den Prinzen nun genauer an. Er wirkte nicht so, als könne er eine Sense schwingen. So schmächtig wie der gebaut war. „Hast du denn schon mal auf dem Feld gearbeitet?“, fragte er dann und Lore wollte sich nicht die Blöße geben. Man hatte ihn sowieso schon so angesehen, als gehöre er nicht hierher. „Ja, habe ich!“, log er daher schnell. Laru warf ihm von der Seite einen Blick zu, der deutlich machte, dass er sich damit mächtig ins eigene Fleisch schneiden würde. Doch Lore ignorierte dies. Mare sah ihn noch einen kurzen Moment an, dann nickte er. „Gut, dann kannst du gleich mal anfangen. Sobald ich mit dem Verwalter gesprochen habe!“, sagte er und ging. Laru und Caarza plauderten munter miteinander, während Lore nur zusah, wie die Bauern die Sense schwangen und versuchte sich die Bewegungen einzuprägen. Versuchte sich dabei zu merken, wie man die schweren Sensen halten und sie bewegen musste, damit man sich selber nicht schnitt. Es sah eigentlich ganz einfach aus, fand er und war sich sicher, dass er das ebenso hinbekommen würde. Mare kehrte zurück. In Begleitung eines Mannes, der in edlen Gewändern gekleidet war und einen mehr als überlegenden Eindruck machte. „Das ist der junge Mann, von dem ich Euch erzählt habe, Hochwürden!“, sagte er und deutete dabei auf Lore. Dieser verbeugte sich. Der Verwalter, ein dickbäuchiger und auch anscheinend ständig verschwitzter Mann, gekleidet in teuer aussehenden, saj ihn herablassend von oben bis unten an. Sein Gesicht war pausbackig und seine Augen klein, wie Knöpfe. Lore erinnerte dies an ein vollgefressenes Schwein. Er spürte, wie dieser Mann ihn anwiderte. „Kannst du denn mit der Sense umgehen?“, fragte er hochnäsig und Lore musste tief einatmen, um sich zurückzuhalten und nicht eine scharfe, nicht minder giftige Antwort zugeben. „Ja, ich…ich habe es von meinem Vater gelernt!“, sagte er und schaute kurz zu Laru, die neben ihm stand und ihn mit teils skeptischen aber auch verwunderten Blicken betrachtete. Der Verwalter sah ihn noch eine Weile mit geringschätzigem Blick an, dann nickte er. „Also gut, je mehr Hände anpacken desto besser!“, sagte er und wandte sich an Laru. „Wo bliebt eigentlich dein Anteil, Mädchen. Du bist mit den Steuern drei Monate im Rückstand!“, sagte er und seine Worte waren ätzend wie Säure. Nun war es an Lore, sie verblüfft anzusehen. Drei Monate im Rückstand?

Lore hatte nicht gedacht, dass es so schlecht um sie stand. Nie hatte sie etwas darüber gesagt. Wahrscheindlich war sie sich zu stolz dafür oder schämte sich.

Kein Wunder. Immerhin war sie es, die auf das Geld achtete und nun selber in tiefen Schulden steckte. Laru biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe momentan nicht soviel Geld!“, murmelte sie. Sagte dann laut:„ Außerdem sehe ich nicht ein doppelt soviel Schulden zu zahlen, als die anderen. Ich lebe schließlich nicht in der Stadt oder am Hafen!“

„Wo du lebst spielt keine Rolle. Ob Stadt, Hafen oder hier in der Wildniss. Du musst zahlen, was ich anordne!“, herrschte der Verwalter sie an und hob die Faust. „Wenn Prinzessin Rari das wüsste!“, grummelte sie. „Was Prinzessin Rari weiss oder nicht, hat dich nicht zu kümmern. Geh arbeiten und zahle deine Steuern!“, schoss er zurück und Lores Faust, die er während dem Gespräch zwischen Laru und dem Verwalter zusammen ballte, begann zu zittern. Wie gern hätte er diesem Schweinegesicht die Nase zertrümmtert. Dennoch hielt er sich zurück. Kurz schaute er zu Laru und sah, wie sich ihr Gesicht verzog. Offensichtlich schien sie seinen Wunsch zuteilen. „Und ihr!“, sagte der Verwalter dann und wandte sich an die anderen. „Steht nicht so faul herum. Macht Euch an die Arbeit!“, herrschte er sie an und die Männer und Frauen, darunter auch Mare und Caarza, machten sich an die Arbeit. Lore und Laru blieben noch einige Minuten stehen. Laru stiess ihn sanft mit dem Arm an. „Kommt Ihr ohne mich klar?“, fragte sie leise und er hörte ehrliche Sorge in ihrer Stimme. Er nickte. „Ich denke schon!“, sagte er, wobei er sich nicht so sicher war. Doch er wollte sich weder als Feigling hinstellen. Noch als jemand, der unfähig war. Laru sah ihn einen kurzen Moment an, dann nickte sie und ging. „Bis heute Abend!“, rief sie noch über die Schulter.

Lores Vorstellung, was das leichte Schwingen der Sense anging, verblasste, als er die Sense in die Hand hielt und versuchte sie zu bewegen. Mare, der sich bereit erklärt hatte, ihm dabei zuzusehen und ihn anzulernen, schüttelte den Kopf. In seinen Augen stellte sich Lore so ungeschickt an, dass er meinen könnte, dass er zum ersten Mal so eine Sense in den Händen hielt. „Und du bist sicher, dass du das kannst?“, fragte er während sie Pause machten und Lore einen Wasserschlauch reichte. Lore nahm gierig einen Schluck daraus. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Der Tag wurde wärmer und wärmer. „Ja doch!“, sagte Lore ungehalten. Ihm ging das Misstrauen des Mannes mächtig auf den Geist. Mehr als einmal musste er beteuern, dass er das schonmal gemacht hatte. Aber anscheinend schien das Mare nicht zureichen. „Warum fragst du mich das denn die ganze Zeit?“, fragt er wieder um. Mares Brauen hoben sich bei diesen Worten. „Naja, wenn ich mir so ansehe, wie du die Sense schwingst, muss man wirklich Angst haben, dass du dir die Füsse anschneidest!“, sagte er und schob sich ein Stück Brot in den Mund. Kaute darauf herum und schluckte es runter. Gerade wollte Lore etwas darauf erwidern, als ihm sein Magen knurrte. Verlegen hielt er die Hände vor seinen Bauch. Jetzt wo er gesehen hatte, wie Mare sich etwas zu Essen gönnte, wurde er sich bewusst, wie hungrig er war. Warum hatte Laru ihm nichts zuessen eingepackt?

Das Knurren wurde lauter und er spürte, wie sein Gesicht rot wurde. „Sei still!“, fauchte Lore innerlich. Da hielt ihm plötzlich eine zarte Hand ein Laib Brot hin. Lore schaute auf und sah in das lächelnde Gesicht von Caarza. „Hier. Du bist sicher hungrig!“, sagte sie und Lore nahm das Brot mit einem Nicken. „Danke!“, murmelte er noch, ehe er hineinbiss. Sein Magen dankte es ihm und das Knurren hörte bald auf.

Nach der Pause ging es weiter, bis zur Abenddämmerung und Laru holte ihren Mann ab. „Und wie hat er sich angestellt?“, fragte sie Mare. Dieser zog nur eine Grimasse und Laru ahnte, was er ihr damit sagen wollte. Caarza sagte dazu nichts. „Naja, morgen wird es sicherlich besser!“, meinte sie. Lore und Mare sahen sie daraufhin entsetzt an. Morgen, schrie es in ihnen.

„Ich muss morgen wieder hier aufs Feld?“, schrie es in Lore.

Er muss morgen wieder hier aufs Feld?“, schrie es wiederum in Mare und beide warfen sich entsetzte Blicke zu. Gerne hätten sie etwas dazu gesagt, doch dazu kam es nicht. Da Laru Lore an die Hand nahm und ihn wegzuzog. „Also dann. Bis Morgen!“, rief sie. Caarza und Mare winkten ihnen hinterher. Als die beiden außer Hörweite waren, seufzte Mare schwer. Ihm war deutlich anzusehen, dass die morgige Zusammenarbeit mit dem neuem schwer auf den Magen schlug. „Was ist denn los?“, fragte Caarza daraufhin. „Wenn ich mir vorstelle, dass er morgen wiederkommt, wird mir flau im Magen!“, erklärte er. „Sowas von ungeschickt!“

Caarza lächelte daraufhin. „So schlimm?“

Mare rollte die Augen, als hätte sie die Untertreibung des Jahrhunderts gemacht und knurrte: „Wenn du wüsstest!“

Es war schon spät als Laru und Lore nachhause kamen und Laru stellte sich für den Prinzen an den Herd um noch etwas zukochen. Suppe, mit Fleischklößchen und Kräuter. Lore verspeiste dies mit hörbaren Appetitt und Laru musste ein Grinsen unterdrücken. „Und wie war es?“, fragte sie, als sie sich zu ihm setzte. „Naja, ich habe es mir anders vorgestellt!“, gestand er zwischen zwei Bissen in das Brot, welches sie ihm noch dazugelegt hatte. „Irgendwie leichter!“

Laru grinste. „Es ist nie leichter, als gedacht!“

„So ist nunmal das Leben eines Bürgers. Er muss arbeiten, um was zuessen und ein Dach über den Kopf zu haben. Und Steuer zahlen um nicht im Kerker zulanden!"

Das ließ den Prinzen aufhorchen und er erinnerte sich an den Verwalter auf dem Feld, der Laru wegen ihren noch zuzahlenden Steuern erinnert hatte. Ihm war er sofort unsympathisch geworden und er musste daran denken, wie Laru vor ihm gekuscht hatte. Aber auch, wie sie erwähnte, dass die Prinzessin nicht erfreut sein würde, sollte sie davon erfahren. Was das anheben der Steuern anging. Das machte ihn stutzig. Kannten die beiden sich etwa?

Schon einmal war er auf diesen Gedanken gekommen, als der Hauptmann Laru bat, an den Hof der Prinzessin zukommen. Warum wusst er immernoch nicht.

„Was hat es eigentlich damit auf sich, dass du noch zahlen musst? Ich dachte, du verdienst genug, um damit keine Probleme zuhaben?“, fragte er. Laru machte ein betretendes Gesicht. „Ich habe gerade genug für mich, um mir was zuessen zu leisten. Das Haus gehörte einst meiner Familie. Nach dem Brand halfen mir einige Bauern, es wieder zureparieren. Steuern zahle muss ich schon. Aber ich finde es unverschämt, dass ich doppelt soviel zahlen muss. Nur weil ich hier und nicht in der Stadt lebe!“

„Dieser Kerl meint es aber ernst. Wer ist das überhaupt?“, fragte Lore. An das köstliche Essen wollte er erstmal nicht denken. „Verwalter des Feldes. Er überprüft die Ernte und die Arbeit, die die Arbeiter leisten. Fast jeder und jede steht unter seiner Fuchtel. Und ledier braucht jeder die Arbeit, wenn er leben will!“

„Und was hat es mit der Prinzessin auf sich? Weiss sie denn, was da vorgeht? Dass er die Steuern anhebt?“

Laru schüttelte bedauernd den Kopf. „Wenn, dann hätte sie diesen Gierschlund längst von seinem Amt enthoben. Aber leider weiss sie davon nichts und selbst wenn. Ihr Vater ist noch auf dem Thron und er vertraut leider Gottes diesem Kerl!“

„Dann seid Ihr wirklich ihm ausgeliefert!“, murmelte er. „Und darum ist es wichtig, dass du dich gut bei der Arbeit anstellst. Denn sonst nimmt er uns das Haus weg!“

Lore glaubte ihr das sofort. So skrupellos wie sich der Verwalter gegeben hatte, war es gut aus möglich, dass er das tun würde.

Am darauffolgenden Tag ging Lore wieder zum Feld. Laru hatte ihm aus weiser Vorrausicht etwas zuessen eingepackt.

Sie begleitete ihn zum Feld und grüßte alle. Als ein Mann auf einem Heuwagen vorbeikam, bat Laru ihn, sie in die Stadt mitzunehmen. Sie wollte dort etwas erledigen. Was, wollte sie nicht sagen und Lores Neugier war geweckt.

Doch bevor er genauer nachfragen konnte, war sie schon auf die Lade gesprungen und war von dannen. Mit dem Fresspaket in den Händen, stand er am Strassenrand da und schaute ihr nach. Kam sich irgendwie hoffnungslos verloren vor.

Mare legte ihm die Hand auf die Schulter. „Na, los. Komm. An die Arbeit!“, sagte er und Lore blieb nichts anderes übrig, als sich zufügen.

Der heutige Tag unterschied sich von dem vorherigen überhaupt nicht. Mehr als einmal musste Mare eingreifen und ihm zeigen, wie er die Sense richtig zuhalten hatte, um sich nicht zu verletzen. Lore hörte nur mit halbem Ohr zu. Fragte sich wielange er das noch mitmachen musste. Eine leise Stimme sagte ihm, dass er das solange machen musste, bis er alt und grau war. Eine so schreckliche Vorstellung, sodass er sich schüttelte. „Pass doch auf!“, rief Mare und riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute zu der Sense, dessen Blatt haarscharf an seinen Fuss vorbeigeglitten war. Es beinahe verfehlt hatten. Lore wurde sich bewusst, dass seine Unachtsamkeit ihm beinahe den Fuss, vielleicht sogar das Leben gekostet hatte und ließ die Sense fallen. „Was ist bloss los mit dir? Reiss dich zusammen!“, schnauzte Mare ihn an. Lore antwortete nicht. Gerne hätte er ihm gesagt, dass er sich zu solch niedriger Arbeit zuschade war.

Doch dann würde Mare zu Laru gehen und ihr von seiner Unfähigkeit berichten. Und darauf konnte er verzichten. Außerdem wollte er nicht als Dummkopf darstehen. Nicht vor ihr. „Entschuldige, ich war nur kurz mit meinen Gedanken woanders!“, sagte er matt. „Lass uns eine Pause machen. Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen!“, sagte Mare und Lore war für seinen Vorschlag mehr als dankbar.

Grierig schlang er das Essen hinunter, was ihm Laru mitgegeben hatte. Mit dem Wasser ging er etwas sparsamer um, da er wusste, dass noch ein langer Tag vor ihm lag. Und die Sonne schien jetzt schon unbarmherzig auf ihn nieder.

Lore blickte hinauf in den Himmel, schirmte sich die Augen mit der Hand ab und fragte sich, wie spät es wohl war. Dann schaute er auf die Strasse, auf der Laru ihn verlassen hatte und irgendwie konnte er es nicht leugnen, dass er sie vermisste. Unter all diesen Fremden kam er sich verloren vor. Schon gestern wäre er am liebsten wieder mit ihr gegangen. Hatte aber innegehalten. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie ihm deswegen die Leviten lesen würde, sollte er versuchen, sich von der Verantwortung zu drücken. Daran wollte er nicht länger denken. Und auch an sie nicht. Doch wo er jetzt so die Strasse entlang schaute, fragte er sich, was wohl gerade Laru machte. Ob sie was zu erledigen hatte und ob es ihr gut ging. Irgendwie machte er sich Sorgen um sie. Er musste daran denken, wie die grobschlächtigen Kerle sie bedroht hatten. Und er kaum etwas gegen sie ausrichten konnte. Jetzt wo sie allein unterwegs war, hatte er Angst, dass ihr diesesmal etwas passieren könnte. Auch wenn er es ungern zugab. Aber irgendwie hatte es dieses Mädchen geschafft, dass er sich um sie Gedanken machte. Hatte sie ihn etwa mit ihrer Stimme verhext, wie es die Meerjungfrauen taten?

Oder lag es eher daran, dass sie ihm die Stirn bot und ihn in seine Schranken wies. Etwas, was keine andere Frau vor ihr getan und ihm damit deutlich gezeigt hatte, dass er sich nicht alles erlauben konnte. Schon irgendwie seltsam. In dem Reich seines Vaters brauchte er nur mit den Fingern zu schnippen, oder sie mit einem verführerischen Blick anzusehen und schon lagen ihm die Frauen zu Füssen. Taten, was er von ihnen verlangte. Bei ihr jedoch schon es nicht so zusein. Sie war immun gegen sein gutes Aussehen. Ein befremdlicher und auch unangenehmer Gedanke. Hielt sie ihn etwas für einen Dummkopf. Waren schöne Männer in ihren Augen, nichts weiter als Strohköpfe. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie mehr auf innere Werte achtete, anstatt auf Äußerlichkeiten. So wie wohl jeder andere hier in diesem Reich. So weit sich Lore erinnern konnte, war jeder, dem sie über den Weg liefen, Laru stets freundlich gegenüber. Trotz ihrer Narben, behandelten sie sie, als sei sie eine Göttin. Eine Prinzessin. Riefen und winkten ihr zu. Bewunderten sie. Und das konnte nicht nur an ihrer Stimme liegen, die, selbst er musste es zugeben, wirklich wunderschön war. Selbst für ihn hatte sie gesungen, als er versucht hatte, zu fliehen und niedergeschlagen wurde. Hatte ihn aus seiner Ohnmacht geholt. Er versuchte sich wieder an den Text zu erinnern.
 

Sie sagen, dass es immer am Dunkelsten kurz vor der Dämmerung ist

Sie sagen, dass ich stark sein muss um weiterzukommen

Doch sie wissen nicht, dass ich mein ganzes Leben lang warten würde

Denn du weißt, mein Liebling, dass ich nur auf dich warten würde...

Da standest du, erstaunlich strahlend für die ganze Welt zu sehen

Und ich wusste, es wurde ein Engel gesandt um über mich zu wachen...

So werde ich hier warten, hoffen, träumen, dich lieben

Denn ich weiß, mein Liebling, dass du mich auch liebst.
 

Er fragte sich, was dieses Lied zu bedeuten hatte. Was sie ihm damit sagen wollte. Hielt sie ihn etwa wirklich für einen Engel, oder war damit vermutlich ein anderer Mann gemeint. Ein Mann, der sie wirklich und wahrhaftig liebte. Bei diesem Gedanken wurde sein Herz schwer, auch wenn er nicht wusste warum. Und so gern er es gekonnt hätte, er konnte nicht aufhören, weiter darüber nachzudenken. Versank in niedergeschlagegen Gedanken. Wenn dem wirklich so wäre, wenn es wirklich den Mann in ihrem Leben gab, der ihr Herz besaß, warum hatte sie nicht ihn geheiratet?

Warum stattdessen ihn?

Einen Mann, den sie nicht liebte und der sie nicht liebte. Dabei war es soleicht diese Frage zubeantworten. Sein Vater hatte ihn und sie gezwungen, den Bund der Ehe zu vollziehen. Und er begann seinen Vater dafür zu verachten. Sogar ein wenig zu hassen. Nicht weil er ihn um sein gutes Leben gebracht hatte, das er geliebt hatte. So wie vorher. Sondern weil er sie an ihn gefesselt hatte. Nur um ihn eine Lektion zuerteilen. Da hätte er sich auch was anderes einfallen lassen können, dachte er grimmig und sein Gesicht verfinsterte sich. Schaute unentwegt die Strasse hinunter und fragte sich, wo sie wohl steckte. Vielleicht bei ihrem Liebsten, um sich einige schöne Stunden zumachen. Lore spürte wie sich plötzlich Hitze in ihm breitmachte und sein Herz wie wild schlug. Seine Hände begannen zu zittern und er ballte sie zu Fäusten. Was war bloss los mit ihm?

Noch nie hatte er so gefühlt. Aber wenn er ehrlich sein sollte, gab es auch nie in seinem Leben einen Augenblick, eine Gelegenheit, so etwas zu empfinden. Nie hatte er so lange und intensiv an eine Frau gedacht. Und er fragte sich, ob er nicht doch etwas für sie empfinden würde. Nicht gleich so etwas wie Liebe, nein. Dafür war es zu absurd. Aber immerhin so etwas wie Freundschaft. Schließlich hatte er sich um sie gesorgt und fühlte nun diese Hitze in sich aufsteigen, sobald er daran dachte, dass sie sich mit einem anderen vergnügte. Freundschaft, sagte er sich entschlossen. Es muss Freundschaft sein, die ich für dieses Mädchen empfinde.

„Denkst du etwa an sie?“, fragte Mare und holte ihn so aus seinen Gedanken. Lore zuckte etwas zusammen und schaute dann zu dem Mann, der ihn im Umgang mit der Sense unterwies. Wie konnte er wissen, woran oder eher an wen er dachte? War er soleicht zu durchschauen?

Unangenehm berührt, zog er den Kopf zwischen die Schultern und nickte dann. Mare lächelte etwas. Er hatte einen Punkt getroffen, den er niemals in dem Mann neben ihn erwartet hätte. Na sowas. Sieh mal einer an, dachte er und klopfte ihm auf die Schulter. „Keine Angst. Goldkehlchen geht es gut. Sie weiss schon, sich zu wehren!“, sagte er beruhigend und Lore schluckte. Die Räuber, die sich bedroht hatten und womöglich noch getötet hätten, kamen ihm wieder in den Sinn. „Da bin ich mir nicht so sicher!“, murmelte er. „Ich meine, sie ist doch eine Frau. Wie kann sich eine Frau gegen eine Meute Männer wehren!“, sprach er laut aus und breitete hilflos die Arme aus. Ihm war unbegreiflich wie so optimistisch Mare sein konnte. Er müsste es doch besser wissen. „Auch wenn sie eine Frau ist, heisst das nicht, dass sie sich nicht wehren kann. Sie ist ganz schön flink und weiss, wo beim Mann die empfindlichste Stelle ist!“, sagte Mare und grinste feist. Lore merkte wie seine Wangen zu glühen begannen. Dennoch gefiel ihm der Gedanke, wie Laru sich mit einem kräftgen Tritt in die männlichen Weichteile einen Angreifer vom Hals hielt. „Das traue ich ihr durchaus zu!“, sagte er und musste selber grinsen. Dann stimmte Mare ein Lachen ein, in das auch Lore einstimmte. Es war komisch, wie vertraut sie aufeinmal mit einander waren. Vorhin noch und am vorherigen Tag konnten sich die beiden Männer nicht mal leiden. Und Mare hatte deutlich gezeigt, wie sehr es ihm missfiel, diesem Tollpatsch unter seine Fittiche zu nehmen. Nun aber schien das alles vergessen zusein und sie lachten miteinander, als seien sie schon seit Jahren befreundet. Aber dann hörte Mare auf zulachen und er sah ihn bitterernst an. „Trotzdem achte gut auf sie. Sie verdient es!“, sagte er und auch Lores Lachen verging. Er nickte. Auch wenn er wusste, dass er auf sie achtgeben musste, fragte er sich, ob er wirklich der richtige dafür war. „Ich frage mich, ob ich das überhaupt kann. Beim letzten Mal wäre ich bei dem Versuch sie zu verteidigen, selbst erschlagen worden!“, murmelte er niedergeschlagen. „Hm, sich mit wilden Landräubern anzulegen, ist auch nicht gerade eine gute Idee!“, sagte Mare nachdenklich. „Aber dennoch sehr mutig von dir. Laru kann sich glücklich schätzen, einen tapferen Mann zu haben!“

Lore hob die Brauen. Sowas hätte er nicht von ihm erwartet zu hören. Nicht solch ein Kompliment. Fast schon hätte er sich gefreut, sowas zuhören, doch er konnte es nicht. „Nein, das glaube ich nicht!“, sagte er und seine Stimme klang dumpf. Beinahe so, als würde er alle gute Hoffnung fahren lassen. Die Gedanken, die er ebenoch gehabt hatte, die Hoffnungen, dass er immerhin etwas für sie fühlen konnte, schwanden und auch, dass sie vielleicht etwas für ihn fühlte. „Meinst du wirklich? Ich habe eher das Gefühl, dass ich es nicht verdient habe, sie zu haben. Dass sie…mich nicht verdient habe!“

„Ich glaube, das siehst du falsch!“, sagte Mare. Lores Kopf ruckte zu ihm herum und er fragte sich, was dieser Mann nun damit meinte. „Laru ist ein herzensguter Mensch. Und vorallem ist sie ehrlich. Wenn sie dich nicht leiden würde, würde sie dir das sagen und auch zeigen. Sie gibt jedem Mal eine Chance. Mag sich dieser jemand auch als Schwein oder schlimmeres preisgeben!“

Bei diesen Worten musste Lore an den armen Jungen denken, der mit dieser Räuberbande unterwegs war und wie sehr Laru sich für ihn eingesetzt hatte, als die königliche Garde herbei kam. Sie hatte ihn in Schutz genommen, obwohl er diese Schufte zu ihr geführt hatte. Das gab Lore zu denken und er fragte sich, ob siei hm ebenso eine Chance geben würde. Oder es nicht vielleicht schon tat. Trotz dass er sich sicher war, dass sie ihm schon mehr als eine Cahnce gab, wollte, musste er er dennoch wissen. „Meinst du, das gleiche würde sie auch bei mir tun?“, fragte er zaghaft und kam sich dabei wie ein hilfloses Kind vor. Mares Gesicht wurde kurz nachdenklich, doch dann lächelte er. „Dass sie sich solche Mühe gibt, ist doch dafür Beweis genug!“, waren nur seine Worte und noch ehe Lore etwas sagen konnte, fügte Mare hinzu:„ Aber du solltest nicht alles von ihrer Seite kommen lassen. Auch ihr musst du eine Chance geben. So macht man das schließlich in einer Ehe!“

Ehe, dachte Lore. Er begann über dieses Wort nachzudenken. Obwohl er schon ziemlich lange in solch einer Bindung mit dem Mädchen lebte, hatte er noch immernicht richtig begriffen, was es bedeutete. Oder hatte zumindest nicht zugelassen, es zubegreifen. Jetzt begann er ernsthaft darüber nachzudenken und sich zufragen, ob er nicht doch nur an ich gedacht hatte. Zu seiner eigenen Schande eingestehend, gab es selten Momente, in denen er sich über sie Gedanken machte. Nun könnte er sich selber dafür schellen. Was für ein Dummkopf er doch gewesen war. Lore verzog angesichts dieser Tatsache das Gesicht. Er fühlte sich schlecht und schämte sich. „Ich bin wirklich ein schlechter Ehemann!“, murmelte er vor sich hin und Mare schlug ihm mit seiner Pranke auf den Rücken sodass er schmächtige Prinz aufkeuchte. „Es ist nie zuspät, daran was zu ändern!“, sagte er. Lore gab nur ein Brummen von sich. Dann richtete er sich auf und streckte sich. „Ich muss kurz weg!“, sagte er und stand auf. „Wohin denn? Nachhause kannst du nicht. Es ist noch nicht abend!“, ermahnte Mare ihn, da er den stillen Verdacht hatte, dass Lore stiften gehen würde. Lore überhörte dies gefliesentlich und sagte:„ Das weiss ich. Ich muss nur…kurz verschwinden!“

Dabei blickte er zu der Reihe von Bäumen und Büschen und Mare erkannte, was Lore wirklich im Sinn hatte und ein feistes Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht. „Ah, verstehe. Zuviel Wasser getrunken, wie?“, fragte Mare schadenfroh und Lore wünschte ihm in diesem Moment die Pest an den Hals. Ob er ihn einen guten Ratschlag gegeben hatte oder nicht. Noch ehe er etwas Passendes entgegen werfen konnte, nickte Mare gönnerhaft. „Na, dann. Geh ruhig!“, sagte er und wies mit dem Kopf zu den Büschen und den Bäumen am Rande des Feldes. Lore ließ sich das nicht zweimal sagen. Sondern ging einfach zu dem ihm gezeigten Fleckchen Grün. Mare ließ es sich dabei nicht nehmen, ihm noch hinter herzurufen:„ Die Hände kannst du dir an dem Teich, hinter den Bäumen waschen!“

„Der Teufel soll dich holen!“, war Lores Antwort.

Als sich Lore sicher war, dass er weitgenug in den Wald gegangen war, damit ihn auch keiner sah, öffnete er seinen Gürtel und zog die Hose ein Stück hinunter. Ein erleichtertes Seufzen kam ihm über die Lippen, als der Druck unterhalb seiner Gürtellinie nachließ und er sich wieder besser fühlte. Kaum das er fetig war, zog er sich auch schnell wieder an und suchte nach dem Teich den Mare meinte. Fand ihn auch, zwischen einigen Bäumen und tauchte das Wasser in das kühle nass. Wusch sich die Hände. „Dieser Neue ist eine Katastrophe!“, hörte er plötzlich jemanden sagen und zuckte zusammen. Er erkannte die Stimme. Es war dieselbe Stimme, die ihn zuvor schon angeraunzt hatte, mit der Arbeit weiterzumachen. Vorsichtig hob Lore den Kopf und stand auf. Schlich in die Richtung, zum dem Gebüsch, aus der er die Stimme gehört hatte und lugte über die Blätter. Eine Gruppe von Männern hatte sich ebenso wie er in den Wald verirtt. Doch diese sahen nicht aus, als wollten sie eine Pause machen, um etwas zuessen, zutrinken oder sich zu erleichtern. Derjenige, der gesprochen hatte, war ein riesiger Mann mit feuerrotem Haar und einem ebenso roten, ungekämmten Bart. Seine Kleidung war an einigen Stellen zerrissen und nur notdürftig mit Nadel und Faden zusammen gepflickt. Sein ganzes Erscheinungbild wirkte irgendwie grobschlächtig und erinnerte Lore an die Räuber vor einiger Zeit. „Er braucht eben etwas Zeit!“, sagte ein andere Mann, der wesentlich jünger war als die anderen. Vermutlich genauso alt wie Lore, aber dennoch wesentlich geübter im Umgang mit der Sense. Sein Körperbau sprach dafür.

„Zeit! Zeit ist etwas, was wir nicht haben. Wenn wir nicht rechtzeitig mit der Ernte fertig werden, ist der Lohn weg, den wir brauchen!“, sagte der Rotharrige wieder ungehalten. „Dieser Jungspundt kostet uns beides. Zeit und Geld!“

„Naschku, er ist eben neu und hat noch keine Erfahrung mit der Landarbeit!“, sagte ein anderer, blondharriger Mann, der nur mit einer braunen Lederhose bekleidetet war und man daher einen guten blick auf seine ausgeprägten Muskeln hatte. Dieser hatte ebenso einen Bart, aber mehr ordentlich, als der des anderen, Naschku.

„Dann frage ich mich, wie er solange überleben konnte. Und wie nur Laru an ihn geraten konnte. Als Arbeiter ist er vollkommen nutzlos. Und als Ehemann sicherlich auch!“

Bei diesen Worten zuckte Lore zusammen. Wieder hörte er, was er schon wusste und wieder fühlte er sich schlecht. Vermutlich noch schlechter als zuvor, da es nun ein Fremder sagte. Und Laru damit noch hineinzog. Es stimmte zwar was er sagte. Dennoch hatte er nicht das Recht dazu, so über ihn zusprechen. Neben der Niedergeschlagenheit machte sich auf Wut in ihm breit. Wut über diesen rotharrigen Mistkerl, der sich die frechheit herausnahm und ihn als Nichtsnutz abstepmelte. Lore unterrückte den Drang aus dem Gebüsch zu kommen und ihm deswegen die Meinung zusagen. Wenn auch nur schwer. Sondern hörte einfach nur zu. „Das hast du nicht zuentscheiden, Naschku!“, wies der Blonde ihn nun zurecht und klang dabei mehr als wütend. Offenbar hatte er genauso viel zu sagen wie es Mare hatte. Denn wie sonst würde Naschku dann vor ihm kleinwerden, wie ein Schosshündchen.

„Laru hat ihre Wahl getroffen und das hast du zu akzeptieren!“

Lore wollte beinahe laut ja sagen. Hielt sich aber zurück. Naschku schien daraufhin etwas zu murmeln und wandte sich ab. Doch bevor er ging, sagte er noch laut, sodass es alle hören konnten:„ Ich sage Euch. Dieser Taugenichts wird uns alle um unseren Lohn bringen!“

Wütend stapfte er von dannen. Lore sah ihm aus seinem Versteck heraus nach und trotz der für ihn gesprochenen Worte, überwog die Wut in ihm. Es reichte schon, wenn er sich selber eingestehen musste, dass er nichts konnte und Laru ihn womöglich für einen Versager halten würde, wenn er nichts daran änderte. Aber dass ein Außenstehender sich dazu äußerte, machte ihn rasend. Dennoch hielt er sich zurück. Wenn er sich mit diesem Riesen anlegte, würde ihm das mehr als nur blaue Flecken einbringen. Außederm mochte er sich vorstellen, wie der Vogt das sehen würde. Vermutlich würde er ihn fortschicken und Laru würde wieder nach einer passenden Arbeit für ihn suchen müssen, um das nötige Geld zu verdienen. Das wollte er ihr nicht antun. Sie hatte es sowieso schon schwer genug mit ihm. Daher schluckte er seine Wut runter. Wartete bis auch der Letzte gegangen war, sodass er unerkannt zurück gehen konnte. Die Wut war immernoch in ihm drin, als er auf das Feld traf und die Gruppe von Männern sah, die sich mit Naschku nur wenige Meter von ihm entfernt unterhalten hatten. Als er sie sah und Naschku musste er sich beherrschen. Ging zielstrebig auf die Sense zu, die schon auf ihn zu warten schien und ergriff sie. Sie war immer noch so schwer, dass er sie kaum bewegen konnte. Doch er riss sich zusammen. Wenn er jetzt nachgab, würde dieser Naschku noch mehr Gründe haben, ihn als nutzlos zubetrachten. Also griff er sich die Sense und begann sie zu schwingen. Dabei legte er all seine Wut hinein und hiebte wie ein Berserker in das Korn. Zerteilte es mit dem scharfen Sensenblatt und achtete nicht dabei, dass er sich völlig verausgabte. Stattdessen ärgerte er sich darüber, wie sie von ihm sprachen. Was erwarten diese Kerle bloss von ihm?

Das er von Anfang an diese Arbeit perfekt beherrschte? Jeder hatte doch sicher seine Schwierigkeiten mit diesem Ding. Sie sollten sich nicht so aufspielen. Wenn sie im Reich seines Vaters wäre, dann…

Lore hielt inne, noch bevor er den Gedanken beenden konnte und schluckte. Wenn er noch bei seinem Vater wäre!

Es schien mit einem Male alles so unwichtig. All das Fluchen, das Was-Wäre-Wenn-Denken. Alles war sinnlos. Da er nicht mehr der Prinz war und auch nicht mehr im Reich seines Vaters. Doch das dies hiess nicht, dass er es sich bieten lassen musste, wenn man über ihn herzog. Er würde ihnen keine weitere Gelegenheit geben. Aber dafür musste er sich beweisen. Zeigen, dass er ebenso anpacken konnte, wie die anderen. So schwang er weiterhin die Sense und achtete gar nicht darauf, wie einfach es auf einmal war, das schwere Werkzeug zu handhaben.

Laru holte ihn, wie versprochen bei Anbruch des Abends ab. Lore fühlte sich zerschlagen und müde. Er saß mit Mare auf einem grobgehauenen Stein und trank den letzten Rest seines Wassers aus. Mittlerweile war die Hitze einer angenehmen kühlen Nachtluft gewichen. Kühlte die schweissnasse Haut. Und ließ die Muskeln, die unter Haut schmerzten, etwas aufseufzen, sobald ein frischer Wind kam. Lore lehnte sich zurück und genoss die frische Brise. Endlich, dachte er. Endlich geschafft.

„Na, wie war dein Tag?“, fragte Laru ihn mit einem leisen Lächeln. Sie benutzte die etwas vertraute Variante und sprach ihn nicht an, als sei er ein Fremder. Ein seltsames Gefühl, das warm und sich irgendwie gut anfühlte, machte sich in ihm breit. Doch diese Wärme ließ nach, als ihm bewusst wusste, dass sie ihn sicherlich nur so anredete, damit die anderen auf keine dummen Gedanken kamen. Wie würde das aussehen, wenn die eigene Frau ihren Mann siezte?

Lore sah sie nur an. Wusste zunächst nicht, was er sagen sollte. Hob stattdessen die Schultern. Doch diese Bewegung, rächte sich, als seine Rückenmuskaltur und alles andere, was damit verbunden war, schmerzte. Er verzog daraufhin das Gesicht. „Was hast du?“, fragte Laru besorgt. Und es versetzte Lore innerlich einen Srich. Mare lächelte. „Nichts. Nur etwas Muskelkater!“

„Hat er denn so schwer gearbeitet?“

Kurz schaute Mare zu Lore und als sich ihre Blicke für einen minimalen Moment trafen, schüttelte Lore kaum merklich den Kopf. Flehte mit seinen Augen ihr nichts von seiner stümperhaften Arbeit zu erzählen. Der Ärger war verschwunden und hatte peinlicher Scham platzgemacht. Es war ihm nun mehr als peinlich. Jetzt wo er erfahren hatte, was für ein guter Mensch sie war und sie ihm mehr als nur eine Chance gegeben hatte, wollte er nicht, dass er sie noch mehr enttäuschte. Mare verstand sofort und sagte prompt:„ Es war für uns alle ein harter Tag!“ Laru nickte verstehend und streckte dann Lore die Hand hin. „Wollen wir dann?“

Lore, zu gar keinem Wort fähig, hob und senkte den Kopf und rutschte vom Felsen runter. Verabschiedete sich knapp von Mare und die beiden jungen Eheleute gingen nach Hause.

Die Sonne berührte beinahe schon den Horizont und färbte den Himmel in ein helles Rot.

Die Luft war angenehm kühl und man hörte das Zwitschern der Vögel, die ihr Nachtlied anstimmten. Es war herrlich und Lore hätte dies durchaus genossen. Er fühlte sich mit einenmale ganz ruhig. All das was, ihn am Vormittag beschäftigt hatte, war von ihm abgefallen, wie ein nasser Mantel, der ihn zuvor erdrückt hatte und er atmete tief durch. Scchmeckte die Würze der Nacht und lächelte. Doch dann schwand das Lächeln, als er sich bewusst wurde, dass Laru neben ihn her lief. Gelegentlich schaute er zu ihr und wieder fragte er sich, wo sie wohl gewesen war. Laru hatte mit keiner einzigen Silbe es erwähnt. Er hatte auch nicht gefragt. Aber nun wo er in der Pause sich so seine Gedanken gemacht hatte, fragte er sich, wo sie wohl gewesen war und wieder kam ihm der Gedanke, dass sie bei einem anderen gewesen war. Mochte sie ehrlich sein und herzlich. Aber irgendwie konnte er diese Furcht, dass sie neben ihm einen anderen hatte und diesen Nebenbuhler mehr lieben würde, erschauern. Und als sein Blick so auf ihr ruhte, sah er den Korb, den sie mit sich trug. Gefüllt mit Brot, etwas Käse, einem eingepackten Stück Fleisch und einer Flasche. Ziemlich üppig und sein Verdacht erhärtete sich. „Woher hast du den Korb her?“, fragte er und versuchte seine Stimme ruhig klingen zulassen. „Den habe ich bekommen. Als Anzahlung!“, erklärte sie und Lore zuckte zusammen. Anzahlung? Für was?

Schon wollte er diese Worte ausrufen, hielt sich aber zurück. „So für was denn?“

Lore musste sich beherrschen um nicht die wildesten Fantasien zuhaben. Laru mit einem anderen im Bett. Nackt und…

Lore schüttelte sich innerlich. Ermahnte sich, nicht weiter darüber nachzudenken.

„Man hat mich gebeten, übermorgen die Ziegen zu hüten!“, erklärte sie und Lore atmete innerlich auf. „Und ich wollte dich bitten, mit zukommen. Ich könnte Hilfe gebrauchen!“ „Kannst du das nicht allein? Was ist so schwer auf Ziegen aufzupassen?“, fragte er und im nächsten Moment hätte er sich auf die Zunge gebissen. Hatte er sich nicht ebennoch selbst vorgenommen, ihr eine Chance zugeben und ihr zuzeigen, dass auf ihn Verlass war?

Laru schien seine Frage überhört zuhaben, denn sie hob nur die Schultern. „Auf Ziegen aufzupassen ist nicht gerade leicht. Man muss seine Augen überall haben und ich allein bin mit dreißig Ziegen schon ein wenig überfordert!“

Dreißig Ziegen, schrie es in Lore alarmierend und er schluckte. Das würde wirklich schwer werden. Er hatte schon von den Angestellten im Schloss seines Vaters gehört, dass diese Biester ziemlich flink sein und schnell entwichen konnten, wenn man nicht aufpasste. Und da man Laru schon im Vorraus bezahlt hatte, wollte er auch nicht, dass sie womöglich mächtigen Ärger bekam. Also willigte er ein. „Aber was ist mit der Feldarbeit?“, fragte er. „Werden die nicht wütend, wenn ich fehle?“

„Ich werde mit Mare sprechen. Er wird sicher nichts dagegen haben!“

Sie aßen gemeinsam zu Abend, wobei sie über den heutigen Tag sprachen. Laru fragte ihn erneut, ob es heute besser war, als gestern und Lore nickte. Das Gespräch zwischen sich und Mare ließ er dabei aus. Er wollte nicht, dass sie erfuhr, wie Mare ihn ins Gebet genommen hatte. Es war ihm unangenehm. Was würde sie dann von ihm denken?

Darum schwieg er sich aus. Laru bemerkte natürlich, dass ihn etwas bedrückte. Wollte aber nicht weiter darauf pochen, dass er ihr sagte, was es war. Sondern ließ es gut sein. Sagte sich, dass er es schon selber sagen würde, wenn er den Zeitpunkt für angebracht hielt. „Tun Euch Eure Muskeln noch weh?“, fragte sie stattdessen, in der gewohnten Anrede, sobald sie unter sich waren und Lore wäre es lieber gerwesen, wenn sie ihn weiterhin angesprochen hätten, als wäre er wirklich ihr Mann. Doch ihm blieb der Bissen im Halse stecken, sobald er nur die richtigen Worte dafür gefunden hatte und wollte zuerst den Kopf schütteln, doch kaum dass er sich bewegte, schmerzten seine Muskeln. „Ja, etwas!“, gestand er mit brüchiger Stimme. „Dann esst zuende. Ich weiss da ein Mittel, was gegen Muskelschmerzen hilft!“, sagte sie mit einem vielversprechenden Lächeln und Lore wurde neugierig. Was mochte das für ein Mittel sein?

Die Neugier wurde rasch zur Vorfreude, diese entsetzlichen Schmerzen, die seine angespannten Muskeln ausstrahlten, loszuwerden. Kaum das er und Laru fertiggegessen hatten, standen sie auf. „Geht schon mal ins Schlafzimmer und zieht das Hemd aus. Ich komme dann nach, wenn ich das Geschirr weggeräumt habe!“, wies sie ihn an und Lore fragte sich nun, warum er sein Hemd ausziehen sollte. Würde sie ihn mit einigen Kräutersalben einreiben?

Lore saß auf dem Bett, hatte, wie Laru es gesagt hatte, sich das Hemd ausgezogen und wartete auf Laru, die noch das Geschirr wegräumte. Dann kam sie ins Schlafzimmer, mit einem kleinen Fläschchen in der Hand, das verkorkt und mit einer grünlich schimmernden Flüssigkeit gefüllt war. „Legt Euch mit dem Bauch aufs Bett!“, sagte sie knapp und Lore hob die Brauen. „Warum?“, fragte er und rutschte etwas beseite. Ließ sie neben sich aufs Bett platz nehmen. „Na, wie soll ich Euch massieren?“, fragte sie wiederum und lächelte etwas. Lore verschlug es beinahe die Sprache, als er das hörte. Massieren?

Verlegen rutschte er noch etwas beiseite und sah Laru an, als sei sie ein sprechender Hund. „Du meinst, du willst meinen Rücken massieren? Mit deinen Händen?“

„Mit meinen Füssen ja wohl kaum!“, kam es prompt von ihr und sie musste ein Glucksen unterdrücken. Lore spürte, wie er rot im Gesicht wurde. Von einer Frau massiert zuwerden, war zwar nichts Ungewöhnliches. Damals ließ er sich oft massieren, wenn er von einer Jagd zurückgekehrt war oder aus reiner Langeweile. Aber nun würde ihn eine Frau massieren, für die er eine gewisse Art Zuneigung empfand. Seine Frau!“

„Also, was ist jetztß Wollt Ihr, dass ich Euch massiere oder nicht?“, fragte sie und klang ein wenig ungeduldig. Lore überlegte. Gerne wäre er diese Schmerzen losgeworden, doch er wagte sich nicht vorzustellen, wie es wäre, wenn sie ihn massierte. Geschweige denn, wie es sich anfühlte. Er betrachtete ihre zwarten Hände und konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn damit massieren und seine verspannten Muskeln lösen konnte. Doch seine Muskeln sagten etwas anderes. Lass sie massieren, wenn du diese Schmerzen nicht mehr haben willst!

Und Lore wollte das mehr, als alles andere. Ob er dabei verlegen war oder nicht. Besser als eine Nacht mit diesen Schmerzen.

Also nickte Lore und wollte sich schon aufs Bett legen. Mit dem Gesicht auf das Kissen, doch Laru sagte:„ Leg dich anders herum!“

„Du hast doch gesagt, ich soll mich auf den Bauch legen!“

„Stimmt, aber mit dem Kopf zum Bettesende, sonst macht das keinen Sinn!“, sagte sie und Lore drehte sich herum. Legte sich wieder hin und diesesmal hing sein Kopf etwas über den Rand des Bettes. Laru winkelte noch seine Arme etwas an und setzte sich dann auf sein Hinterteil. Lore richtete sich kurz auf und warf ihr einen vielsagenden, verwirrten Blick zu. Er war sich nun nicht mehr ganz so sicher, ob er wirklich diese Massage wollte. Doch jetzt zusagen, dass er es sich anders überlegt hatte, wollte er nicht. Er schob dies hauptsächlich auf die Schmerzen. An was anderes wollte er nicht denken. Laru träufelte etwas von der Flüssigkeit aus dem Fläschchen auf ihre Hand und verrieb sie. Verteilte sie dann auf den nackten Rücken des Prinzen und sogleich stieg ihm der würzige Duft von Kräutern in die Nase. Noch bevor er fragen konnte, was das genau war, begann sie ihn zumassieren.

Drückte ihre Handflächen fest auf die Haut auf, die von dem Öl glänzte und sich seidenweich anfühlte. Bewegte sie. Langsam und ruhig. Strich über den Nacken, die Schultern und den Rücken. Kneteten mal fester, mal sanfter die verspannten Muskeln, die sich langsam lockerten und nicht mehr schmerzten. Lore schloss die Augen und seufzte bei dieser wohltuenden Behandlung. Der Geruch des Öls benebelte seinen Geist und ließ ihn vor sich ihn dösen. Ließ ihn alles vergessen. Sie hätte ihn stundenlang so massieren können. Es fühlte sich einfach gut an und er spürte, wie er zu Wachs in ihren Händen wurde. Ein kleiner Teil seines Geistes fragte sich, ob sie mit ihren Händen auch noch andere Gegenden seines Körpers sogut massieren konnte. Die Vorstellung war wirklich verlockend. Und ließ Bilder in seiner Fantasie auftauchen, die so manch einem die Röte ins Gesicht getrieben hätte. Er verlor sich darin und ein verträumtes Lächeln stahl sich von seinen Lippen. Er fragte sich, wie es wäre wenn er und sie...

Ihre Hände, ganz woanders auf seinem Körper, da wo er noch nie von einer Frau berührt worden war und ebenso seine Hände auch den Stellen ihres Körpers, die sie stets mit ihrer Kleidung verbarg und die nur ihm als Ehemann vergönnt waren zu berühren. Fast schon konnte er es spüren. Aus dieser Fantasie wurde er jedoch schnell herausgerissen, als die Berührungen Larus aufhörten und sie ihm sagte, dass sie fertig sei. Lore wäre es lieber gewesen, wenn sie noch weitermachen würde. Spätestens, wenn er eingeschlafen war. Doch Laru rutschte von ihm runter. Lore erhob sich, schläfrig und ermattet, als hätte er rundumdie Uhr gearbeitet. Hatte die Massage ihn so sehr eingelullt?

Lore blieb noch einige Minuten so liegen, fühlte die Massage geistig nach. Dann erhob er sich und…ließ sich sogleich wieder aufs Bett fallen. „Was ist denn?“, fragte Laru. Lore war zu verlegen, als das er etwas sagen konnte. Er blieb wie vom Blitz getroffen liegen und wusste nicht, was er nun machen sollte. Aufstehen kam nicht in Frage, ansonsten würde sie sehen, was sich da getan hatte. Und womöglich sonst was von ihm denken. Während er sich in die gewagtesten Fantasien verloren hatte, hatte er nicht bemerkt, wie das Blut an eine ganz bestimmte Stelle seines Körpers geströmt war und sich dort gestaut hatte. Ihm wurde heiss und kalt und fragte sich, wie er dieses Problem so schnell wie möglich lösen konnte. „Sag bloss, es tut immernoch weh?“, fragte bestürzt. „Soll ich dich weitermassieren?“

Lore zuckte zusammen, als sie ihn das fragte und obwohl es auch sehr verlockend klang, wieder ihre Hände zuspüren, schüttelte mehr als heftig den Kopf. „Nein…nein. Es…es geht wieder!“, sagte er und winkte mit der Hand. Stand dann vorsichtig auf. Darauf achtent ihr keine Gelegenheit zu geben, um genauer zusehen was sich da in seiner Hose abzeichnete. Schnell setzte er sich auf, drehte sich zugleich sodass er mit dem Rücken zu ihr saß und legte sich schnell unter die Bettdecke. Immernoch mit dem Rücken zu ihr gewandt und wünschte ihr eine gute Nacht.

Laru war etwas verwirrt darüber, wie sich der Prinz plötzlich benahm, sah ihn noch kurz mit gehobenen Brauen an. Dann aber musste sie ein Grinsen unterdrücken und legte sich zu ihm. „Gute Nacht!“, sagte sie und rückte ein Stückchen näher an ihn heran. Lore verkrampfte sich. Und spürte, wie unterhalb seiner Gürtellinie es noch mehr zu pochen begann. Verdammt, dachte er und presste sich die Hände in den Schritt. Was mache ich nur?

Eifersucht

Als Lore erwachte, fühlte er sich zerschlagen und gähnte laut. Gerade wollte er sich aufrichten und sich strecken, als ihm plötzlich sein kleines Problem wieder in den Sinn kam und er sofort nachunten blickte. Zu seiner Erleichterung war die Beule nicht mehr da und er sank mit einem Seufzen zurück in die Kissen. „Ein Glück!“, sagte er leise und schloss kurz die Augen. Öffnete sie aber wieder, als ihn ein strenger Geruch in die Nase stieg und kurz wusste er nicht, was hier so roch. Doch als er an sich selbst roch, verzog er das Gesicht angwidert. Er roch so widerlich. Lore schüttelte sich und schaute zur Tür, die ans angrenzende Badezimmer führte. Ein Bad würde sicherlich helfen, diesen Gestank loszuwerden. Schnell kletterte er aus dem Bett und griff nach der hölzernen Türklinke. Kaum dass er sie runterdrückte und die Tür aufzog, quoll dicker Dampf aus dem Türspalt und als Lore sie noch weiter aufzog, kam ihm eine Gestalt entgegen, die er zuerst nicht erkannte. Aber dann lichtete sich der Dampf und er sah, dass es Laru war, die da vor ihm stand. Mit nicht mehr bekleidet, als einer groben Stoffdecke, um ihren Körper gewickelt. Ihr Haar hatte sie zu einem Knoten hochgesteckt und mit einigen Klammern fixiert. Einige Strähnen hatten sich jedoch herausgelöst und fielen ihr in Wellen über die Schultern. Ihre Haut schimmerte feucht von dem Wasser, in dem sie gebadet hatte. Ihre Lippen waren gerötet und verliehen ihr einen verlegenen Ausdruck. Aber auch einen verlockenden. Lore schluckte und ließ den Blick weiter über ihren, in der Decke gehüllten, Körper wandern. Sie verdeckte das nötigste, aber ihre Beine…

Ihre nackten Beine, die schmal und endlos lang zusein schienen, stachen besonders hervor, da sie weiss, wie Schnee waren und jedem Mann um den Verstand gebracht hätten. Nicht mal die Hofdamen hatten solch schöen Beine, dachte er. Irgendwann wurde er sich bewusst, dass er zulange auf ihre Beine gestarrt hatte und wandte den Blick ab. „Ich...Tut mir leid, ich… wusste nicht, dass…das Bad besetzt ist!“, brachte er stotternt hervor und war darauf bedacht, nicht ein weiteres Mal auf ihre Beine zuschauen. Dabei kam es sich wie ein Volltrottel vor. Laru lächelte. Lehnte sich laziv an den Türrahmen. „Ich bin sowieso gerade fertig. Ihr könnt als nächstes baden gehen!“, sagte sie und deutete mit einer Kopfbewegung zu dem Zuber, in dem weisse Schaumkronen umherschwammen. „Das Wasser ist noch warm!“

Lore nickte und schob sich an ihr vorbei. Laru trat etwas beseite, streifte ihn jedoch mit ihren Beinen. Ihr war nicht entgangen, wie er ihre Beine angestarrt hatte und hatte in sich hineingelacht. Er ist eben auch nur ein Mann, dachte sie sich und begann sich trockenzureiben und anzuziehen. Lore lag im Wasser, das wirklich noch warm war und wusch sich mit einem Schwamm und einem Stückchen Seife. Die Hitze und der Anblick ihrer nackten Beine sorgten dafür, dass er wieder die absurdesten Gedanken hatte und sich ausmalte, wie es wäre, ihre Beine zu berühren. Sie zu streicheln. Noch bevor seine Fantasien immer mehr Ausmaße erreichen konnten, ermahnte er sich, sich zu beruhigen und nicht weiter darüber nachzudenken. Doch so einfach war es nicht. Immer wieder sah er Laru halb nackt vor sich, wie sie ihn verführerisch anschaute und ihn zu sich ins Bett winkte. Das ließ sein Gesicht förmlich glühen und er schüttelte ihn heftig. „Hör auf, hör. auf hör auf!“, rief er mit erstickter Stimme. „Hör auf, weiter darüber nachzudenken!“

Ein Pochen ließ ihn zusammenzucken. „Ist alles in Ordnung mit Euch?“, fragte Laru von der anderen Seite der Türe und klang besorgt, aber auch etwas belustigt. Hatte sie ihn etwa gehört?

Lore betete, dass es nicht so war. „J-Ja, alles Bestens!“, rief er zurück und versuchte seine Stimme ruhig zu halten. Mit einem Mal war das Wasser nicht mehr so angenehm und er machte, dass er aus dem Zuber kam. Schnell trocknete er sich ab und versuchte dabei nicht weiter an die empfindliche Stelle seines Körpers zu kommen. Er wollte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn er diese auch nur streifte. „Seid Ihr dann soweit fertig?“, fragte Laru dann. „Jaja!“

Wieder ging es aufs Feld, wo Mare schon wartete und den Prinzen herzlich grüßte. „Na, kein Muskelkater mehr?“, fragte er und Lore nickte. „Ja, Laru hatte…!“, wollte Lore sagen und schaute zu Laru, die ein verschmitztes Lächeln hatte. „...Ein gutes Mittel dagegen!“

Mare hob kurz die Brauen und auch seine Mundwinkel zuckten. Doch er verbiss sich jegliches Kommentar. Sehr zur Erleichterung des Prinzen. „Na. Dann können wir ja weitermachen!“, sagte er und klopfte ihm auf den Rücken. Lore nickte nur wortlos. Versuchte dabei ein Lächeln, doch der feste Klaps, den der etwas kräftigere Mann ihm gegeben hatte, ließ ihn aufkeuchen. „Dann bis heute abend!“, sagte Laru und wollte gehen, doch Mare hielt sie zurück. „Laru warte mal!“, rief er und Laru blieb auf der Stelle stehen. „Ja, was gibt es denn?“

„Heute Abend wollten wir ein wenig feiern. Und ich wollte fragen, ob du und dein Mann mitfeiern möchtet?“, fragte er. Laru war ein wenig überrascht, doch dann nickte sie. „Von mir aus gerne. Möchtest du auch, Lore?“, wandte sie sich an Lore und kurz überlegte der Prinz. Nickte aber dann. Warum nicht. Ein wenig feiern würde sicherlich nicht verkehrt sein. „Ich habe nichts dagegen!"

„Dann heute Abend. Ich werde bescheid geben, dass wir noch etwas mehr Essen und Trinken brauchen!“

„Gut!“, sagte sie und schaute dann die Strasse hinunter, als würde jemand auf sie warten. „Ich muss jetzt los. Wir sehen uns heute Abend!“, verabschiedete sich Laru und ging. „Was feiert Ihr denn?“, fragte Lore, als er und Mare auf dem Feld ihre Sensen schwangen und achtete dabei darauf, dass das Sensenblatt seinen Beinen nicht zu nahe kam. „Ist denn heute ein besonderer Anlass?“

„Nein. Das nicht!“

„Warum feiert Ihr dann?“

„Einfach so!"„Einfach so?“, fragte Lore irritiert. „Das begreife ich nicht. Da wo ich herkomme, feiern wir nur, wenn es etwas Besonderes gibt!“

„So? Wir feiern, wann immer es geht. Es sind die kleinen Freuden, die wir geniessen können, wenn mal nicht der Vogt in der Nähe ist!“, erklärte Mare mit einem Lächeln. Lore nickte. „Verstehe. Das ist auch wirklich ein Sklaventreiber!“, bemerkte er. Mare musste daraufhin lauthals lachen. Und klopfte ihm wieder auf den Rücken. Lore hoffte nur, dass seine Wirbelsäule nicht darunter irgendwann zerbrechen würde. „Ja, aber leider hält der König schützend seine Hand über ihn!“, erklärte er.

"Der König? Du meinst den Vater der Prinzessin? Ich dachte, die Prinzessin würder hier herrschen?“

„Das tut sie auch. Aber der König hat immernoch das sagen. Sie ist sozusagen Herrscherin auf Probe, wenn man es so sagen will!“, eklärte er ihn auf. „Das es sowas gibt!“, murmelte er nachdenklich und fragte sich, was wenn gewesen wäre, wenn sein Vater ihn auf Probe auf den Thron gesetzt hätte. Ob er erkannt hätte, dass er nicht dafür gemacht war?

„Ist sie denn so jemand, der man die Verantwortung, lieber nicht anvertrauen sollte?“ „Prinzessin Rari ist eine von wenigen Prinzessinnen, die dem Volk gut dient. Sie hört die Bitten und Wünsche des Volkes. Und frönnt nicht dem Luxus, wie so manch andere hoher Herrschaften!“, sagte er. Lore schluckte. Er fühlte sich dabei selbst irgendwie angesprochen. Bis vor einiger Zeit war er selbst einer dieser Menschen gewesen, der sich einem guten Leben hingab und den es nicht kümmerte, was mit den anderen war. Nun schämte er sich dafür. „Habt Ihr die Prinzessin denn schon mal gesehen?“, fragte er zaghaft. „Nunja…persönlich nicht. Aber hinundwieder kommt sie vorbeigefahren und grüsst uns!“, sagte Mare. „Und trotzdem wisst Ihr, was für ein Mensch sie ist?“

Manche Menschen muss man nicht leibhaftig sehen, um zuwissen, wie sie sind!“, verriet er. „Es reicht manchmal schon die Art, wie sie einem gegenübertreten und ob sie einen grüßen!“ Das machte Lore nachdenklich. Die Prinzessin schien sehr beliebt zu sein, trotz dass sie kaum einer gesehen hatte. Er konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Aber Mare hatte vermutlich Recht und man musste niemanden persönlich sehen, um zuwissen, wer man wirklich ist und wie man ist. Er musste daran denken, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Auch wenn er es nur schwer zugeben musste und auch zuspät: Sie hatte ihm schon irgendwie gefallen. Sie hatte sich nicht von seiner Überlegenheit beeindrucken lassen, von der er glaubte, sie zu haben, geschweige denn von seinem Titel und hatte ihm die Stirn geboten. Ihm sogar Wiederworte gebeben. Etwas was keine andere Frau getan hatte. Sie war wirklich etwas Besonderes. Und er?

Was hat er getan?

Anstatt sie zu seiner Frau zu nehmen, hatte er sie beleidigt und zurückgewiesen. Und dabei war sie eine Frau, die ehrlich war. Wiedermal bereute er, was er getan hatte. Aber andererseits, war es nicht so schlimm wie er gedacht hatte. Denn hatte er Laru getroffen. Jemand, der in ihm Gefühle weckte, die er noch nie hatte. Sein Vater hätte ihn auch mit einem anderen Bettelmädchen vermählen können, dass nicht so beschenkt war, wie sie. Aber sie war wahrlich zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Fast schon war er froh, dass er sie hatte. Dabei war es seltsam, dass er sich so freute. Aber vermutlich lag es an der Zuneigung, die er für sie empfand, dass er so dachte. Lore musste etwas lächeln. So muss es wohl sein, dachte er. „Hey, hör auf zu träumen. Wir müsen noch was schaffen!“, riss ihn Mare aus seinen Gedanken und schlug ihm auf den Rücken. „J-ja!“, keuchte Lore und machte sich an die Arbeit. Der Tag ging schneller zu neige, als Lore es sich bewusst war. Als die Sonne schon den Horizont berührte, merkte er, dass die Arbeit vorrüber war. Er wischte sich den Schweiss von der Stirn und zog sich sein Hemd aus. Einige der Frauen, die auf dem Feld arbeiteten, kicherten und tuschelten miteinander. Lore schenkte diesen nur beiläufig Interesse. Mare stiess ihn mit dem Ellengoen an. „Zieh lieber dein Hemd wieder an, ehe dich die anderen Männer lynchen, weil du deren Weibern den Kopf verdrehst!“, raunte er ihm zu. Lore schaute flüchtig zu den Männern, die umher standen und ihm, für wahr, mehr als nur böse Blicke zuwarfen. Schnell zog er sich das Hemd wieder über. Einige der Frauen seufzten niedergeschlagen, da ihnen der Anblick dieses schönen Männerkörpers nicht mehr vergönnt war. Wandten sich wieder der Arbeit zu. Lore enting nicht, wie traurig sie darüber waren und schaute Mare mit gehobenen Brauen an. Dieser grinste verstohlen von einem Ohr zum anderen. „Was haben die denn? Haben die noch nie einen nackten Männeroberkörper gesehen?“

„Doch, schon. Aber nicht so einen und da du neu hierbist, bist du so etwas wie eine Attraktion!“, sagte er grinstend und Lore verzog das Gesicht. „Schön, sowas zu hören!“, murmelte er. „Ich wusste nicht, dass ich eigentlich in einen Zoo gehören sollte!“

Mare lachte herzhaft auf und schlug ihm wieder auf den Rücken. Wenn er so weitermachte, würde Lores Rücken irgednwann unter den Schlägen brechen. „Sei doch geschmeichelt, dass du soviele Verehrerinnen hast!“

„Mir reicht eine Verehrerin!“, flüsterte er.

Laru kam, als es schon Abend war. Einige der Arbeiter waren geblieben, da sie mitfeiern wollten. Ein paar von ihnen hatten Musikinstrumente mitgebracht und andere Wein und etwas Brot und Käse. Mare und Caarza führten Lore, Laru, die ihn an der Hand nahm, und die anderen in den Wald, zu einer kleinen Lichtung, auf der sie ein Lagerfeuer entzündeten und sich darum versammelten. Caarza verteilte den Wein. Füllte ihn in kleine Tonbecher und schnitt jedem etwas Brot ab. Dann setzte sie sich zu Mare. Munte begannen sie sich zu unterhalten und Spässe zumachen. Meistens auf Kosten des Vogts. Lore konnte da nicht wirklich mitreden. So schwieg er und aß. Laru hingegen ließ sich von den Spassvögeln anstecken und sagte, dass der Vogt lieber Mal eine Diät machen sollte, antstatt ständig auf das Geld zu pochen. Daraufhin lachten die Männer und auch die Frauen. Lore musste ebenso grinsen. Dieses Mädchen nimmt wirklich kein Blatt vor dem Mund, dachte er sich. „Wie wäre es mit etwas Musik?“, rief Mare igrendwann und schwenkte den Becher, sodass der Wein darin schwabbte. Die Männer, die die Musikinstrumente mitgebracht hatten verstanden und begannen eine heitere Melodie zuspielen. Einige Männer nahmen sich ihre Frauen und begannen zu tanzen. Tanzten ums Feuer und lachten. Laru wiegte sich im Takt der Musik. Summte mit. Lore schaute hinundwieder verstohlen zu ihr. Fast hätte er sie gefragt, oo sie mit ihm tanzen wollte. Konnte es aber nicht. Etwas hielt ihn zurück. Und zu seiner Schande konnte er nicht sagen, was es genau war. Er konnte es einfach nicht. Also blieb er sitzen und schaute zu, wie die anderen tanzten. Mare und Caarza tanzten ebenso nicht, sondern unterhalten sich und sich hinundwieder geküsst. Lore merkte, wie er ein wenig eifersüchtig wurde. Mare und Caarza machten keinen Hehl daraus, das sie ein richtigtes Paar waren, während, er und Laru nicht mal über einen einfachen Kuss auf die Wange hinweg waren. Kurz blickt er zu ihr, sah das heitere Lächeln auf ihrem Gesicht. Wie sie in die Hände klatschte. So unbeschwert und glücklich. Trotz dass sie arm war und auf das Geld andere angewiesen war. Er selber war es nie gewesen. Immer hatte er gejammert und wenn er glaubte, er sei glücklich, so war das alles nur eine Einbildung. Und er fragte sich nun, ob er überhaupt richtig glückliche sein konnte.

Irgendwann hörten sie auf und setzten sich nach Luft ringend auf ihre Plätze. Tranken etwas Wein. „Laru, würdest du uns die Freude machen und uns ein Lied singen?“, fragte Mare und die anderen baten sie auch. „Ja, sing für uns!“

„Bitte, mach uns die kleine Freude!“

Laru hatte keine Chance, diese Bitte abzuschlagen. Und sie wollte es auch nicht. Mit einem Lächeln stand sie auf, nahm ihren Rock an dem Saum und machte einen Knicks. „Für Euch mein geliebtes Publikum!“, sagte sie und wie auf ein Zeichen, begann die Männer wieder zuspielen und sie zu singen.
 

Es ist nur ein Abglanz, den du von mir siehst

Aber ich weiß, dass es nicht real ist

Unter dem Glitzer und hinter all der Spitze

Kannst du da mein Gesicht sehen?

Ich werde der Spiegel sein, doch es liegen Welten dazwischen

Es ist nicht die Wahrheit, es ist nur ein Traum

Aber ich schätze, wir alle müssen an etwas glauben, an irgendetwas
 

Alle verfielen im andächtigen Schweigen. Einige warfen ihr bewundernde Blicke zu. Lore allerdings verlor sich bei dem Anblick, den sie bot. Das Feuer warf seinen goldenrötlichen Schein auf sie und ließ sie als etwas erscheinen, was nicht wirklich war. So wie sie es sang. Sein Herz krampfte sich zusammen.
 

Liebst du mich? So wie ich bin?

Brauchst du mich? Wirst du es versuchen?

Siehst du in mir alles, was ich sein kann?

Glaubst du?

Glaub an mich
 

Lore wusste, dass dieses Lied an ihn gerichtet war. So wie alle anderen davor. Er fühlte, wie sein Hals trocken wurde und er goss rasch etwas Wein nach.
 

Manchmal muss man verloren gehen,

Um gefunden zu werden

Man muss gehen, um wieder zurück zu kommen

Du musst jemanden freigeben, damit er zurückkehrt

Du lebst und lernst

Laru hatte es bisher vermieden, ihn anzusehen, doch nun drehte sie ihren Kopf etwas zu ihm herum und in ihren Augen las er etwas, was ihm innerlich zum zittern brachte.

Liebst du mich? So wie ich bin?

Brauchst du mich? Wirst du es versuchen?

Siehst du in mir alles, was ich sein kann?

Glaubst du?

Glaub an mich
 

Während sie diese Worte sang, sah ihn ununterbrochen an und Lore göaubte zu fühlen, sie würde diesesmal in seine Seele blicken. In sein Herz, um eine Antwort zu finden. Lore rutschte auf seinenm Platz nervös hinundher. Versuchte sich sein Unbehagen nicht anmerken zulassen. Irgendwann schaute Laru wieder weg. Wofür Lore ihr dankbar war.
 

Ich habe gehört,

Wahre Liebe sei blind

Das ist alles nur ein Gemütszustand

Wer nicht sucht, wird nichts finden und zurückbleiben

Liebst du mich? So wie ich bin?

Brauchst du mich? Wirst du meine Hand ergreifen?

Siehst du mich durch das Mysterium?

Glaubst du?

Liebst du mich? So wie ich bin?

Brauchst du mich? Wirst du es versuchen?

Vielleicht siehst du in mir alles, was ich sein kann

Glaubst du?

Glaub an mich
 

Als Laru fertig war, klatschten alle Anwesenden begeistert Beifall. Nur Lore nicht. Wie gebannt schaute er zu Laru hoch. Noch immer hüllte das Feuer sie in seinen Schein und er fühlte sich schwer wie Stein. Laru verbeugte sich und setzte sich neben ihn. Sah ihn nicht an. Lore dafür aber. Er fragte sich, warum sie stets solche Lieder sang. Wollte sie ihm damit etwas sagen?

Im Geiste ging er noch einmal ihr Lied durch und ganz bestimmte Zeilen hatten sich tief in sein Gedächtniss. „Liebst du mich? So wie ich bin? Brauchst du mich? Wirst du es versuchen? Vielleicht siehst du in mir alles, was ich sein kann!“

Eine kleine leise Stimme hätte am liebsten laut geschrien:„ Ja, ich liebe ich dich! So wie du bist und ich brauche dich!“

Aber Lore brachte sie schnell zum Schweigen. Es war zu früh, um wirklich sagen zu können, dass er sie wirklich liebte. Bis jetzt emfpand er für sie nur Freundschaft. Aber Liebe?

Lore wusste nicht zusagen, ob wirklich mehr dahinter steckte. Daher dachte er nicht weiter nach und versuchte den restlichen Abend zugeniessen. Irgendwann löste sich die Gruppe auf und Laru und Lore schritten über die staubige Strasse in Richtung ihres Zuhauses. Jetzt wo sie allein waren und schwiegen, kamen doch wieder die Gedanken, die er vorher schon gehabt hatte, als sie ihr Lied gesungen hatte, zurück und nagten an ihm. Er wollte sie zur Rede stellen, fand aber nicht die richtigen Worte. Fieberhaft suchte er nach einem Anfang, wie er den Satz richtigen formulieren sollte. Laru merkte es, wie ihn etwas wurmte. Sie seufzte. „Was ist es denn, was Euch so auf der Seele liegt?“, fragte sie und ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Kurz war erstaunen in seinem Gesicht zusehen, aber auch Ratlosigkeit. Mit einem einzigen Blick, hatte sie erkannt, dass ihn etwas beschäftigte. Er fragte sich, wie?

Aber vermutlich kannte sie ihn mittlerweile lange genug, um zusehen, wann ihn etwas bedrückte. Und bei diesem Gedanken wurde er noch nachdenklicher. Sie kannte ihn, er sie nicht. Zumindest nicht so gut, wie er gedacht hatte. Wie beschämend, dachte er und zog den Kopf zwischen die Schultern. Trotz all der ganzen Zeit, weiss ich so gut wie gar nichts über sie, dachte er. Ich bin wirklich ein schlechter Ehemann!

Lore war dabei so sehr in Gedanken vertieft, dass er nicht merkte, wielange Laru ihn ansah und auf seine Antwort wartete. Erst als sie ihm mit ihren Ellenbogen in die Seite stiess. Lore zuckte zusammen und konnte nur schwer mit der Sptache rausrücken. „Wieso… wieso hast du solch ein Lied gesungen?“, fragte er zögernd. Laru schien nicht ganz zu verstehen, warum er solch eine Frage stellte. „Warum? Hat es Euch nicht gefallen?“, entgegnete sie die Frage mit einer Gegenfrage. „Doch, doch. Hat es. Ich hatte nur das Gefühl, du würdest mich damit meinen. Mit den Worten, die im Lied vorkamen!“

„Hattest du das wirklich?“, fragte sie und so etwas wie Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. Sie sah ihn mit einem glücklichen Lächeln an und Lore spürte, wie sich eine verräterische Röte auf seinen Wangen bemerkbar machte. Schnell schaute er weg. „Nunja…ja!“, gestand er kleinlaut. Laru kicherte leise, versuchte es dann, wie ein Husten klingen zu lassen. „Freut mich, dass es Euch gefallen hat!“, sagte sie und ihre Stimme wurde von einigen Glucksern unterbrochen.

Der nächste Tag brach an und Lores Schädel schmerzte. Der Wein, der so köstlich war und von dem er, mehr als nur ein Becher getrunken hatte, zeigte schon letzte Nacht seine Wirkung. Lore hatte geschlafen, wie ein Baby. Als er jedoch nun aufstehen musste, rächte sich dies und sein Kopf begann sich zu drehen. Lore hielt sich diesen und stiess einen klagenden Laut aus. „Mein Schädel!“, jammerte er. Laru, die sich schon gedacht hatte, dass ihr Mann einen Kater haben würde, schenkte ihm etwas kaltes Wasser ein und reichte ihm den Becher. Lore nahm diesen dankend an und trank den Becher in einem Zug aus. Das kalte Wasser war wie ein Schlag ins Gesicht und sorgte dafür, dass er wieder klar im Kopf wurde. Er blieb noch einige Minuten im Bett sitzen und wartete, bis der Kater verschwunden war. Als sich sein Kopf ein wenig leichter anfühlte, stand er auf und zog sich an. Laru war bereits anzogen und hatte sich daran gemacht, das Frühstück zumachen. Schon bald war das Haus vom Geruch von gebratenen Eiern und Speck erfüllt und ließen Lores Magen knurren. Der Kater war schnell vergessen und der Hunger war nun wichtig.

Lore sich an den Tisch setzte, war das Frühstück bereits fertig und Laru tat ihm etwas auf den Teller. Mit großem Appetit ass er das Frühstück auf und goss kräftig mit Wasser nach. Gemeinsam verließen sie dann das Haus. Laru hatte vorher noch etwas für den heutigen Tag eingepackt. Brot, Käse, Wurst und zwei Wasserschläuche. Lore war etwas erstaunt, da sie das Doppelte einpackte. Als er sie fragte, lächelte sie. „Habt Ihr es vergessen? Heute muss ich die Ziegen hüten und Ihr sollt mir dabei helfen!“

Natürlich, die Ziegen. Das hatte er ganz vergessen. „Weiss Mare denn schon bescheid?“, fragte er, da er nicht wollte, dass Laru Ärger vom Vogt bekamen, wenn er nicht zur Arbeit erschien. Laru grinste verstohlen. „Ja, weiss er und es ist in Ordnung!“

„Dann bin ich ja beruhigt!“, sagte er und sie machten sich auf den Weg. Der Besitzer der Ziegen war ein Bauer, der seinen Hof zwei Stunden entfernt von ihrem Haus hatte. Er war ein älterer Mann, ungefähr so wie sein Vater und hatte dennoch einen gutgebauten Körper. Seine Haut war durch die Sonne gebräunt und sein Haar, was mal dunkel gewesen war, hatte einige grauweisse Strähnen. Kaum das Laru und Lore in Sicht kamen, winkte er ihnen schon zu und rief quer über den Hof:„ Seid gegrüßt, Goldkehlchen!“

Kaum hatte er das gerufen, schon wurde die Tür zum Haus aufgerissen und eine Frau, in dem gleichen Alter, wohl seine Frau, und ihre zwei Kinder kamen heraus. Beides Mädchen. Als sie die beiden sahen, ganz besonders Lore, steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten. Lore merkte, wie er rot wurde. „Bitte erspare mir die Peinlichkeit, zu sagen, dass ich dein Mann bin!“, bat er sie leise. Laru lachte. „Warum? Ihr seid doch mein Mann?“

„Ja, aber jedesmal, wenn du das sagst, sehen mich die Leute an, als sei ich ein…ein Tier, was eigentlich in den Zoo gehört!“

Daraufhin musste Laru wieder lachen. Drückte dann seine Hand. „Ihr werdet es überstehen!“ Lore war sich da nicht so sicher, ging aber trotzdem weiter und als sie bei dem Bauern ankamen, waren die Blicke aller seiner gewiss. Besonders die der Mädchen. Verstohlen blickten sie ihn an und kicherten hinter vorgehaltenem Mund. Die Mutter wies diese sofort zurecht. „Hört auf, wie die kleinen Kinder zu kichern. Ihr bringt den armen Kerl ja noch in Verlegenheit!“

Die Mädchen konnten sich nur schwer zurückhalten und machten sich deswegen davon. Flüchteten förmlich in ein anderes Gebäude, aus dem die Geräusche von Kühen und Pferden zu hören waren. Die Mutter schüttelte den Kopf. „Also sowas!“, murmelte sie, und wandte sich wieder an Lore und Laru. „Und ihr wollt unsere Ziegen auf die große Wiese bringen?“, fragte sie mit einem Lächeln. Laru nickte. „Na, dann hole ich mal die Biester her. Bewegung und frische Luft schadet denen nicht!“, sagte die Frau herzlichst und ging vom Hof. Nun waren Laru und Lore mit dem Bauer allein. „Wann sollen die Ziegen wieder zurück sein, Jospa?“, fragte Laru. „So gegen Abend. Sie müssen sehr viel grasen, sonst haben wir nicht genug Milch um Käse zumachen!“, gab Jospa zu bedenken. Laru nickte. „Geht in Ordnung. Verlass dich auf mich!“

Lore hatte sich bis jetzt zurückgehalten und nur zugehört. Fragte sich, was sie nun erwarten würde. Ob es leicht sein würde, die Ziegen zu hüten?

Lore hoffte es.

Lautes Glockenläuten erklang und wurde lauter. Eine Herde von Ziegen, schwarz, weiss, gefleckt kam heran gelaufen. Sie mähten in freudiger Erwartung und tummelten sich um Laru und Lore herum. Stiessen mit ihren Köpfen sacht gegen ihre Beine. Wollten sie so zum Gehen bewegen. Laru kicherte und beruhigte sie. Lore wurde hingegen mumilig zumute. Es würde bestimmt nicht leicht werden, auf diese Biester achtzugeben. „Ähm…reicht es wirklich, wenn nur wir auf die Ziegen achtgeben?“, fragte er und schaute auf die Herde, die es kaum erwarten konnte, auf die Wiese zugehen. Sie kamen ihm wie eine Horde kleiner Kinder vor, die, wenn man nicht immer ein wachsames Auge auf sie hatte, sich davon stahlen und Gott weiss sonst wohin verstecken würde, nur damit man sie suchte. Jospa ahnte natürlich, was er mit dieser Frage meinte und stiess einen schrillen Pfiff aus. Augenblicklich kamen zwei große schwarze Hunde angerannt und bellten laut. Lore wich zurück. Sie erinnerten ihn an die Jagdhunde, die ihn stets auf seinen Jagden begleitet hatten und ihn zu so manch hervorragendem Fang verholfen hatten. Doch wo er bei seinen Jagdhunden das Gefühl hatten, dass sie ihm respektierten und ihm niemals was tun würden, so war er sich bei diesen Hunden nicht so sicher. Wachsam schauten sie sich ihn an und legten etwas die Ohren an. Lore machte einen Schritt zurück und stellte sich hinter Laru. Jospa musste ein Lachen unterdrücken. „Keine Sorge. Die beissen nicht!“, versichterte er ihm. Irgendwie konnte er ihm das nicht nicht so recht glauben.

Jospa beachtete den skeptischen Blick des jungen Mannes nicht. Er reichte stattdessen Laru einen langen Stab, an dessen Ende kleine Glöckchen festgebunden waren. Sie klingelten, als sie den Stab nahm und ihn sich in die Armbeuge legte. „Einfach pfeifen und mit den Glöckchen klingeln. Dann hören sie schon auf dich!“, erklärte Jospa. „Verlass dich auf mich!“, sagte Laru und pfiff einmal herzhaft und schwang den Stab, so dass die Glöckchen laut klingelten. Die Ziegen mähten umso lauter und kaum das Laru einen Schritt voran gemacht hatte, folgten sie ihr. Die Hunde flankierten die kleine Herde. Bellten hinundwieder mal und sorgten dafür, dass die Ziegen ja nicht aus der Reihe tanzten. Lore hatte Mühe neben Laru herzulaufen und dabei nicht über die Tiere zustolpern. Mehr als einmal liefen sie vor seinen Füssen her oder zwischen seine Beine und brachten ihn so aus seinem Gleichgewicht. Zuergn hätte er ihnen einenTritt versetzt. Hielt sich aber zurück. Nicht das Jospa ihm später die Hunde auf den Hals hetzte.

Sie entfernten sich immer mehr von dem Bauernhof und bogen dann um eine Kurve, hinter dieser dann vollends verschwand. „Wo ist denn diese große Wiese?“, fragte Lore neugierig und bahnte sich seinen Weg durch die Ziegenherde. „Etwa eine Stunde von hier entfernt, nördlich, wo die Berge sind!“, erklärte Laru und deutete in eine vage Richtung. „Ist hier immer alles soweit weg?“, grummelte Lore vor sich hin. Laru lachte. „Hier ist alles ein wenig weiter entfernt. Das meiste von dem Königreich besteht aus Wäldern und Feldern. Bergen und Wiesen. Es gibt wenige Strassen. Nur die Hauptstrasse, die in die Stadt führt!“, erklärte sie. Das war Lore schon vorher aufgefallen. Nie hatte er eine andere häufigbenutzte Strasse gesehen, als die Hauptstrasse. Ein wenig depremierend, wenn er daran dachte, dass das Reich seines Vaters mehr Strassen hatte, als dieses. Strassen, die belebt waren und die vorallem sicher waren. Hier war nichts, was daraud deutete, dass Soldaten oder einige Wachmänner hier patrouillierten. Er konnte sich gut vorstellen, dass es in der Nacht hier von Räubern und Banditen nur so wimmelten. Doch daran wollte er nicht weiter denken.

Der Weg führte sie über eine Brück, die aus stablien Holz erbaut war, und sich über einen schnell dahinströmenden Fluss spannte. Ein Mann, mit einer Angel saß auf dem Rand und schien ganz in seiner eigenen Welt versunken zusein. Dann, als er das Klingeln der Glöckchen hörte, drehte er sich um und grüßte die beiden. „Gott zum Gruße, ihr Lieben!“

„Gott auch zum Gruße dir!“, erwiederte Laru freundlich und ging weiter. Wie Laru gesagt hatte, dauerte es eine Stunde, ehe sie sie die große Wiese erreichten und Laru den Ziegen erlaubte zugrasen und herumzuspringen. Diese hatten nur darauf gewartet und stoben auseinander, wie freigelassene Tauben. Lore war verblüfft. Die große Wiese schien wahrlich groß zusein. Selbst mit dem blossen Auge ließ sich nicht sagen, wo sie endete. Sie hob und senkte sich in sanften Hügeln und war gesprenkelt mit den unterschiedlichsten wilden Blumen, die Lore je gesehen hatte. In der Ferne konnte er die Berge, als dunkelblaue gezackte Schatten sehen. Wolken türmten sich hinter diesen auf und hätten für einen Künstler das perfekte Model abgegeben. Einige Bäume, mit großenausladenen Kronen standen verteilt auf der Wiese und spendeteten für den Hirten genug Schatten, um sich darin auszuruhen und die Ziegen zubeobachten. Laru und Lore setzten sich unter einen von diesen. „Möchtet Ihr was essen?“, fragte sie und holte den Korb hervor. Schlug die Tücher auseinander. „Vielleicht eine Kleinigkeit!“, sagte er und schaute zu den Tieren, wie sie umher liefen und grasten. Die Hunde liefen mit aufgestellten Ohren umher und hatten immer ein Auge auf die Ziegen.

Laru reichte ihm ein Stück Brot und etwas Käse. „Hier bitte!“Wortlos nahm er es und biss hinein. Laru aß ebenfalls etwas und schenkte sich etwas von dem Quellwasser ein. Lehnte sich dann gegen den Baum und streckte die Füsse von sich. Den Hirtenstab hatte sie neben sich hingelegt. Lore fragte sich in diesem Moment, warum sie nicht mit den Hunden aufundab ging, wie es ein Hirte tat?

Hatte sie keine Angst, dass ihr eines der Tiere verloren gehen konnte?

„Wäre es nicht besser in der Nähe der Ziegen zubleiben?“, fragte er und zeigte zu der versprengten Herde, die einige Meter weiter von ihnen weg war.

„Was wenn eine von ihnen sich davonstiehlt?“

Laru schien seine Frage nicht wirklich zuverstehen, aber dann ahnte sie, was er ihr damit sagen wollte und lächelte beruhigend. „Kein Sorge. Die Hunde sind hervorragend ausgebildet dafür. Sie machen eigentlich die meiste Arbeit. Sollte dennoch etwas sein, so werde ich einschreiten!“, versicherte sie ihm. Lore sagte darauf erstmal nichts, sondern blickte zu den Hunden, die sich gesetzt hatten und hinundwieder einen bellenden Laut von sich gaben, sobald eine der Ziegen die Herde verließ. Offensichtlich waren das wirklich gute Hunde. Nicht einmal ließen sie die Ziegen aus den Augen. Lore fragte sich, ob das auch wunderbare Jagdhunde wären. So schnell und aufmerksam wie sie waren, würde es ihn nicht wundern.

Da schlug einer der Hunde Alarm und bellte laut in eine unbestimmte Richtung. Die Ziegen drängten sich automatisch ängstlich aneinander und mähten nverös. „Was ist da los?“, fragte Lore. Laru schaute hin und runzelte die Stirn. „Keine Ahnung. Ich gehe mal nachsehen. Warte hier!“, sagte sie und stand auf. Nahm sich den Stab und lief zu den Ziegen. Lore lehnte sich zurück und sah ihr nach. Vorhin hatten sie noch darüber gesprochen, dass Laru nur einschreiten musste, wenn es wirklich notwendig war. Nun schien so ein Fall eingetreten zusein. Lore beobachtete, wie Laru auf die nervösen Tiere einredete und die Hunde beruhigte. Ging dann einige Schritt um etwas zusehen. Lore schloss kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete, war Laru wieder da und hatte sich neben ihn gesetzt. „Und was war?“, fragte und gähnte. „Ach, nichts Besonderes. Ein Tier muss sie aufgescheucht haben!“, erklärte Laru. Lore nickte nur. Dann gähnte er und wollte sich hinlegen. Dabei war er eigentlich nicht müde. Aber er fühlte sich seltsamerweise ermattet und legte sich ins Gras. Es war weich und roch frisch. Lore lächelte etwas und verschränkte die Hände auf dem Bauch. Ließ den Wind über sich hinwegwehen, der die kühle Luft der Berge zu ihnen brachte und die Blätter über ihm zum Rascheln brachte. Das Gebimmel der Ziegenglocken und deren Geblöke schien ganz weit weg zu sein und Lore merkte, wie er einschlief. Wachte aber dann auf, als er plötzlich spürte, wie Laru ihm über die Stirn strich. Dabei bemerkte er, wie nahe sie sich zu ihm hinuntergebeugt hatte. Sein Herz schlug aufeinmal ganz schnell und sein Mund wurde trocken. „Laru…was…?“, wollte er sagen, doch da hatte Laru ihm schon den Finger auf die Lippen geleckt und flüsterte mit einem verschwörischem Grinsen:„ Haltet den Mund küss mich!“

Und noch bevor er etwas sagen konnte, drückte sie ihm sanft ihre Lippen auf seinen. Lore Herz schien nun beinahe zu explodieren. Ihr Kuss raubte ihm förmlich den Atem. Nie hätte er damit gerechnet. Und er musste zugeben, dass es ihm gefiel. Er hatte sich insgeheim immerschon gefragt, wie es wäre ein Mädchen zu küssen und ganz besonders sie. Nun wusste er es und es fühlte sich gut an. Ihre Lippen weich und süß, wie Nektar. Dabei war sie wie er ein wenig schüchtern. Knabberte zaghaft an seiner Unterlippe. Lore erging es nicht anders. Vorsichtig um sie nicht zu erschrecken, legte er die Hände auf ihre Schultern. Drückte sie etwas. Laru seufzte dabei auf und vertiefte den Kuss. Wurde etwas mutiger. Lore auch. Zog sie auf sich drauf, sodass sie auf ihm lag und umarmte sie. Sie küssten sich eine Ewigkeit und Lore verlor sich darin. „Laru!“, keuchte er zwischen dem Kuss auf und ließ seine Hände tiefer wandern. Bis zu ihren Hüften, wo er sie ruhen ließ. „Lore!“, erwiederte sie im selben leisen Ton. „Lore? Lore!“, rief sie plötzlich außer sich. Lore war verwirrt.

War er doch zu weit gegangen?

Er öffnete die Augen. Er hatte nicht bemerkt, dass er sie geschlossen hatte. Aber das spielte auch keine Rolle, denn es war nicht Laru, die er küsste. Sondern eine der Ziegen. „Lore, was machst du da mit Jitta?“, rief sie panisch. Lore blickte in das Gesicht der Ziege und sein Entsetzen war in blanke Wut umgeschlagen. Dieses Mistvieh, fluchte er und sprang auf die Füsse. Jagte der Ziege hinterher. „Bleib stehen, du blödes Vieh!“, schimpfte er wütend. Doch die Ziege dachte nicht daran. Wie als machte es ihr Spass ihn zu ärgern und ihn hinter sich her rennen zulassen, lief sie schnellen Zickzack und wich ihm so aus, sobald er nahe genug an sie heran war, um sie zupacken. Auch blieb sie plötzlich stehen, drehte sich um und lief in die entgegengesetzte Richtung, was Lore mehr als einmal das Gleichgewicht verlieren und ihn stolpern ließ. Jedoch konnte er sich noch rechtzeitig abfangen und jagte der Ziege wieder nach.

Laru saß da und musste sich ein Lachen verkneifen. Vergessen war ihre Verblüffung darüber, dass sie den Prinzen dabei erwischt hatte, wie er die Ziege küsste. Es sah einfach zu komisch aus, wie der Prinz der Ziege hinterherjagte und sie ihm immer wieder entwischte. Tiere waren in mancher Hinsicht wirklich schlauer, als Menschen, dachte sie.

Irgendwann schaffte es die Ziege, ihn vollends zum Stolpern und zum fallen zu bringen, sodass er mit dem Gesicht im Gras landete und die Ziege, stolz darauf ihren Jäger überlistet zuhaben, kletterte auf seinen Rücken und mähte vorwitzig. Lore schaute mit griessgrämmiger Miene zu dem Tier hoch und wünschte sich, diesem Vieh den Hals umdrehen zudürfen. Auch wenn Jospa ihm danach die Hunde auf den Hals hetzte. Lore musste sich wirklich nicht alles bieten lassen. Besonders nicht von einer Ziege. „Geh runter von mir, du Vieh. Sonst mache ich aus dir einen Braten!“, knurrte er gefährlich. Die Ziege schien ihn zuverstehen. Mit einem Satz sprang sie von ihm runter und tänzelte davon. „Blödes Vieh!“, schimpfte Lore und stand auf. Klopfte sich das Gras und den Dreck von den Kleidern und ging zu Laru, die sich nun nicht mehr vor Lachen halten konnte und sich auf dem Boden kugelte. „Schön, dass du dich über mich so amüsierst!“, schnappte er beleidigt. Ließ sich ins Gras fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr müsst zugeben, dass das wirklich ziemlich komisch aussah!“, versuchte Laru die Situation zuretten. Der Prinz jedoch, verletzt in seinem Stolz, war für diese Worte taub. Beleidigt wie ein kleines Kind drehte er den Kopf weg und schmollte noch mehr. Laru sah, dass es keinen Sinn hatte und seufzte. Lehnte sich dann zurück an den Baum und schaute zu den Ziegen, die weiter zufrieden grasten. Irgendwann gähnte der Prinz und spürte, wie er wieder schläfrig wurde. Oh nein, diesesmal nicht, dachte er sich und kämpfte dagegen an, ein weiteres Mal die Augen zuschließen. Nicht noch einmal würde er einschlafen und es riskieren, wieder von einer Ziege geküsst zuwerden. Doch es war schwer, wach zu bleiben. Ein weiteres Gähnen kam aus ihm heraus und er schüttelte sich. Laru merkte dies. „Legt Euch ruhig etwas hin und ruht Euch aus!“, bot sie ihm an, doch Lore schüttelte den Kopf. Laru wusste, dass er nicht die Augen für einen Moment schließen würde. Also streckte sie die Beine aus, richtete ihren Rock und klopfte darauf. „Legt Euch hier hin!“, sagte sie in einem ruhigen freundlichen Ton.

Lores Augen wurden groß, als er das hörte. Blickte auf ihren Schoss und fragte sich, ob er schon wieder träumte. Ohne dass sie es sehen wollte, kniff er sich in die Hand und zuckte zusammen, als es schmerzte. Nein, er träumte nicht. Laru bot ihm tatsächlich an, seinen Kopf auf ihren Schoss zulegen und etwas in ihm jubelte. Dennoch war er ein wenig skeptisch. „Sicher?“, fragte er nach. Laru lächelte. „Ganz sicher!“

Lore blickte noch einige Minuten länger zu ihr, überlegte, ob er wirklich diesen Schritt machen sollte, sgate sich dann aber:„ Ach, was solls!“, und legte seinen Kopf auf den Schoss. Zu seiner Überraschung musste er feststellen, dass ihre Beine weich waren und er sogleich die Augen schloss. Laru summte eine Melodie, während sie durch sein schwarzes Haar strich und er vergass seinen Ärger. Lauschte ihrem Summen. Er erkannte die Melodie sofort.
 

Sie sagen, dass es immer am Dunkelsten kurz vor der Dämmerung ist

Sie sagen, dass ich stark sein muss um weiterzukommen

Doch sie wissen nicht, dass ich mein ganzes Leben lang warten würde

Denn du weißt, mein Liebling, dass ich nur auf dich warten würde...

Da standest du, erstaunlich strahlend für die ganze Welt zu sehen

Und ich wusste, es wurde ein Engel gesandt um über mich zu wachen...

So werde ich hier warten, hoffen, träumen, dich lieben

Denn ich weiß, mein Liebling, dass du mich auch liebst.
 

Lore schauderte, als er sich die Worte im Geiste selber vorsang und merkte, wie er immermehr vor sich hindämmerte. Bis er einschlief. Diesesmal träumte er nicht. Sondern lauschte ihrem Summen. Ein wunderbares Gefühl der Geborgenheit und des Friedens erfüllte ihn. So hatte er sich noch nie gefühlt. Nicht mal bei seiner Mutter, die ihn, als er ein kleiner Junge gewesen war, ihn getröstet hatte, wenn er einen schlimmen Traum gehabt hatte. Was er ein wenig beschämt einsehen musste. Doch er wollte nicht länger daran denken, sondern sich lieber von Larus Nähe tragen lassen und ihrem Summen lauschen. Ein friedliches Lächlen legte sich um seine Lippen. Laru musste ebenso lächeln, als sie sah, wie schnell der Prinz seinen Ärger vergessen hatte und nun in ihrem Schoss friedlich schlief, wie ein Baby. Sie hätte nicht damit gerechnet. War ein wenig erstaunt darüber, dass der Prinz ihr Angebot angenommen hatte. Aber es freute sie und strich ihm weiterhin durch das Haar.

Irgendwann weckte sie ihn aber. Sanft rüttelte sie an seiner Schulter. „Lore, wach auf. Wir müssen zurück!“, sagte sie sanft und Lore öffnete nur ungern die Augen. Er hatte geschlafen, wie ein Murmeltier. Hatte nicht bemerkt, wie die Zeit vorrangeschritten war. Jetzt aber, als er die Augen öffnete, sah er, dass es später nachmittag war. Mit einem Ächzen erhob er sich und streckte sich. „Ich hätte noch stundenlang schlafen können!“, sagte er gähnend. Laru kicherte. „Das glaube ich dir aufs Wort!“, bemerkte sie. „Aber leider müssen wir jetzt zurück. Die Ziegen müssen nachhause!“, sagte sie und pfiff einmal schrill. Wedelte mit dem Hirtenstab, sodass die Glöckchen wieder klingelten und die Ziegen eilten zu ihnen. Die Hunde trotteten an ihre Seite und sie machten sich auf den Rückweg.

Sie überquerten die Brücke, als sich eine Gruppe von Reitern von der anderen Seite näherten und zügig vorankamen. Lore dachte sich nichts dabei. Als sie allerdings näherkamen, erkannte er, dass es sich bei den Reitern um Edelmänner handelte. Einem von ihnen, er ritt an forderster Spitze, fiel er besonders ins Auge. Er war hochgewachsen und hatte blondes, gewelltes Haar. Ein schwarzer Samtumhang hing über seine Schultern. Zeigte damit, dass er Vermögen hatte. Lore erkannte ihn, als er näher kam. Es war Fürst Roska. Ein wohlhabender,

gutaussender aber auch arroganter Mann, der sich seine Zeit damit vertrieb, das Geld, welches sein Vater ihm anvertraute, für Weiber und Wein auszugeben. Auch wenn Lore auch nicht gerade ein Musterbeispiel war, so war Roska weitaus schlimmer. Er kannte ihn von einigen Empfängen seines Vaters und auch wenn er und Roska fast ebenbürtig waren, konnte er ihn dennoch nicht leiden. Die Art wie er prahlte. Mit dem Geld und den Frauen, denen er schon das Herz gebrochen hatte. Er war ihm einfach unsympathisch. Und nun wo er ihm gegenüberstand, verspürte Lore wieder seine Abneigung diesem Mann gegenüber. Aber auch Furcht.

Was wenn er ihn erkannte?

Sicherlich würde Roska es sich nicht nehmen lassen, dies im ganzen Lande herumzuerzählen und ihn damit zum Gespött zu machen. Er konnte nur hoffen, dass er ihn nicht erkannte. Um sicher zu gehen, stellte er sich hinter Laru. Als die Reiter und die Ziegen sich in der Mitte trafen, hielten die Reiter. Roska ritt weiter, bis sein Pferd beinahe mit den Ziegen zusammenstiess. Zog dann an den Zügeln und hielt sein Pferd an. Als er die Herdentiere sah, die von dem Paar vorangetrieben wurde, verzog er missbilligend das Gesicht. „Schafft die Ziegen weg und geht mir aus dem Weg!“, bellte er und machte eine wegwischende Handbewegung. „Die Brücke ist breit genug. Ihr könnt mit Euren Pferden ohne Probleme vorbeireiten!“, sagte Laru und deutete auf den Weg hinter ihnen. „Ich werde mein wertvolles Pferd doch nicht an diese stinkenden Biester vorbeiführen!“, schrie Roska. Laru verzog daraufhin das Gesicht. Stellte den Stab senkrecht auf den Boden und stemmte die andere Hand in die Hüfte. Machte so deutlich, dass sie sich die Worte des Fürsten nicht an sich heran ließ. „Euer wertvolles Pferd wird schon keinen Schaden erleiden, wenn es an den Ziegen vorbeigeht!“, sagte sie gelassen und Lore bewunderte sie, dass sie so kühl blieb und sich nicht von dem Fürsten beeindrucken ließ. Mochte er noch so viel Geld haben oder gutaussehend sein. Laru blieb dabei unberührt. „Pass auf, was du da sagst, du schmutziges Ding. Sonst bekommst du meine Gerte zu spüren!“, drohte er und griff zur besagten Gerte. Laru machte kurz einen Schritt zurück und hielt den Stab nun schützend vor sich. „Rührt mich an und Ihr werdet es bereuen!"

Der Fürst lachte daraufhin schallend und seine Freunde hinter ihm fielen im Lachen ein. „Als ob du mir etwas anhaben kannst!“, sagte er und drehte sich zu den anderen Reitern. „Dieses Mädchen bildet sich wirklich ein, dass ich vor ihm Angst haben könnte!“

Das Lachen wurde lauter und Lore spürte, wie er wütend wurde.

Wie konnte es dieser Mistkerl wagen, sich über sie lustig zu machen? Sie zuverspotten und sie zu unterschätzen?

Zugerne hätte Lore ihn dafür herausgefordert. Hielt sich aber zurück. Roska lachte noch einige Minuten, dann hob er die Hand und das Lachen erstarb. „Verschwende nicht meine Zeit und gehe mir mit deinen Viechern aus dem Weg, sonst werde ich wirklich ungemütlich!“, knurrte er und trieb sein Pferd vorran. Laru stellte sich ihm mutig entgegen. „Wie ich bereits sagte: Die Brücke ist breit genug!“, wiederholte sie. Lore konnte deutlich in Fürst Roskas Gesicht sehen, dass die Sturheit des Mädchens ihm langsam den letzten Nerv raubte und dass seine Geduld am Ende war. „Und ich sagte: Geh mir aus dem Weg!“, schrie er und trat seinem Pferd in die Flanken. Das Tier machte einen Satz nachvorne, wieherte auf und stieg auf die Hinterläufe. Schlug mit seinen Vorderhufen, die bedrohlich nahe über ihrem Kopf schwebten und sie fast getroffen hätten, wenn Lore nicht reagiert und sie zur Seite gestossen hätte. Dabei strauchelte sie, verlor dabei das Gleichgewicht und stürzte von der Brücke in den Bach. Die Männer und der Fürst lachten schallend auf, als das Mädchen hinunterfiel und Lore ihr daraufhin zur Hilfe kam, um sie aus dem Wasser zu holen. „Laru, tut…tut mir leid. Ich wollte nicht…!“, sagte er und half ihr hoch. Die Männer auf der Brücke lachten noch lauter. Schienen sich daran zuerfreuen, dass die beiden bis auf die Knochen durchnässt waren. Zumindest Laru. Und da platzte Lore der Kragen. „Was fällt Euch an, Euer Pferd anzustacheln und sie beinahe zu verletzen. Wenn Ihr ein Edelmann wärt, würdet Ihr ihr helfen!“, schrie er und es war ihm egal, ob der Fürst ihn erkannte. „Sei ja still, sonst landest du auch im Wasser, wie dein Weibchen!“, lachte der Fürst kalt und trieb sein Pferd vorran. Die Ziegen wichen aus. Zerstoben. Lore sah dem Fürsten und seinem Gefolge nach, während sie an ihnen vorbeiritten und sich immer noch köstlich amüsierten. „Verflucht sollt Ihr sein. Hoffentlich stürzt Ihr von Eurem hohen Ross!“, schrie er ihnen hinterher und half ihr die Böschung hoch. „Geht es?“, fragte er. „Ich wollte das nicht. Aber ich hatte Angst, dass sein Pferd dich trifft!"

„Schon gut!“, sagte sie und lächelte ihn sanft an. „Danke, dass du mich gerettet hast!“

Lore lächelte auch und merkte, wie er rot wurde. Zum ersten Mal hatte er etwas für sie getan, wofür sie ihm dankbar war und es fühlte sich gut an. Doch das Lächeln verschwand und Lore schaute wieder zu der Strasse hoch, auf der der die Reiter entlanggeritten war. „Trotzdem. Dieser Mistkerl. Selbst einer wie, sollte auf Menschen achten, die nicht so reich sind wie er!“, sagte er. „Wie sehr ich ihn dafür hasse!“

„Das klingt so, als würdest du ihn kennen?“, fragte sie. Lore biss sich auf die Unterlippe. „Flüchtig. Ich hatte schon mal das Vergnügen!“, sagte er und seine Worte waren reinste Ironie. „Ein wirklich widerlicher Kerl!“, bemerkte Laru naserümpfend. „Und was für einer!“, gab Lore ihr Recht und musste dann lachen. „Aber ich fand es mutig, wie du ihm die Stirn geboten hast!“

Laru lächelte breit. „Ich habe ja auch Übung darin, dickköpfigen Männern die Meinung zusagen!“, sagte sie mit einem verschmitzten Zwinkern und Lores Gesicht glühte. Wie als wenn sie seine Verlegenheit gespürt hatte, sagte sie dann:„ Lass uns die Ziegen zusammentrommeln. Sonst kommen wir nie Heim!“

Es vergingen Stunden und die Sonne ging immer weiter unter. Zugleich wurde es auch kälter und Laru spürte einen kalten Luftzug. Er machte sich keine Sorgen, dass er krank wurde, immerhin war er nicht klitschnass. Aber Laru. Immer wieder blickte er besorgt zu ihr und sah, wie sie zitterte. Hoffentlich würden sie es noch rechtzeitig schaffen, bevor sie sich den Tod holte.

Es war schon abend, als sie den Bauernhof erreichten. Als die Frau des Bauern sie sah, schlug sie entsetzt die Hände vor den Mund und eilte zu Laru. „Aber Kind, was ist denn mit dir passiert!“, sagte sie und fasste sie an den Oberarmen. Laru zitterte mittlerweile noch mehr, als wenn sie unter einem starken Fieber litt. „I-Ich bin…in den…B-Bach gefallen!“, bibberte sie und schlang die Arme um sich. „Wie ist das denn passiert?“, platzte es aus der Frau entsetzt und schaute Lore an. Er wandte den Blick ab und sagte beschämt:„ Das war ich!“

Fuhr dann aber schnell fort, um es richtig zustellen. „Aber wenn ich sie nicht weggestossen hätte, wäre sie von den Hufen eines Pferdes getroffen worden!“

„Verstehe!“, sagte Jospa. „Von wessen Pferd wäre sie getroffen worden!“

„Von Fürst Roska!“, spie Lore verächtlich aus und das Gesicht des Bauern verzog sich. „Fürst Roska!“, schnaubte er. „Dieser faule Nichtsnutz ist wirklich eine Schande, für jeden Edelmann!“

„Da sagst du was!“, murmelte Lore. „Ihr könnt Euch später darüber ärgern. Jetzt sollte Laru erstmal ins Warme kommen, sonst wird sie noch krank!“, schritt die Frau ein und schob Laru in Richtung Haus. Doch Laru stemmte sich dagegen und schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Wenn wir zügig vorrangehen, schaffen wir es schon rechtzeitig nachhause!“, sagte sie mit einem Lächeln. Lore wollte schon darauf etwas sagen, doch da ergriff sie seinen Arm und zog ihn mit sich.

„Willst du dich nicht vorher wärmen?“, fragte er besorgt, als er bemerkte, wie ihre Hände zitterten. „Nein…nein das ist nicht nötig. So schnell werde ich schon nicht krank!“, meinte sie nur. Doch Lore konnte ihr nicht wirklich glauben. Immerhin wurde es immer kälter und ihre Hände zitterten immer mehr. Umso erleichterter war er, als sie schon bald am Haus ankamen und hinein gingen. Kaum dass sie drin waren, gegriff er ihre Bluse und zerrte daran. „Was machst du da?“, fragte sie und musste etwas schelmisch grinsen. „Willst du mir etwa die Kleider vom Leibe reissen, weil du wissen willst, wie ich ohne aussehe?“

Lore wurde rot und ließ ihre Bluse los. „Red keinen Unsinn. Ich will, dass du die nassen Klamotten loswirst!“, schnauzte er, peinlich berührt, weil sie glaubte, er hätte etwas unsittliches im Kopf. „Achso. Sag das doch gleich!“, scherzte sie und ging ins Bad. Lore schüttelte über erneute Unverblümtheit des Mächens den Kopf. Sowas hätten sich die anderen Damen nie getraut zusagen, aber irgendwie gefiel es ihm, dass sie sagte, was sie dachte.

Als Laru aus dem Bad kam, hatte sie ihre nassen Kleider ausgezogen und sich ihr Nachthemd übergestreift. Lore war schon ins Bett geklettert und als sie sich neben ihn legte, erschauerte er. Ihre Haut war eiskalt. „Was hast du?“, fragte sie verwirrt. „Nichts, aber du bist eiskalt!“, sagte er. Noch bevor Laru dazu etwas sagen konnte, schob Lore seinen Arm unter sie und zog sie an sich heran. Den anderen Arm legte er um sie. Dabei beachtete er nicht die Kälte, die von ihrem Körper ausging und konzentierte sich darauf, sie zu wärmen, damit sie sich nicht erkältete. „Geht es so für dich?“, fragte er, weil er dachte, es sei ihr unangenehm. Laru aber lächelte verlegen, kuschelte sich enger an ihn. Es berührte sie in ihrem Herzen, dass er nun versuchte, sie zu wärmen. „Ja, danke!“, murmelte sie und schloss die Augen. Lore blieb noch einige Zeit wach, blickte sie an. Hinundwieder erzitterte sie und rückte näher an ihn heran. Bis sie mit ihrem Rücken ganz dicht an seinem Bauch war und er ihre Atemzüge spüren konnte. Lore passte seine Atemzüge die ihren an. Sie waren ruhig, entspannt, als gäbe es nichts, was sie aus dieser Ruhe reissen konnte. Und diese Ruhe ließ seine Augen zufallen und einschlafen.
 

Der köstliche Geruch von Eiern und gebratenem Speck ließ ihn aufwachen. Es war ein neuer Tag angebrochen und Laru schien schon auf den Beinen gewesen zuein. Lore wollte sich nocheinmal umdrehen und vor sich hindösen, doch da knurrte sein Magen und trieb ihn so aus dem Bett. Schnell zog er sich um und ging in den Essraum. Laru stand, wie er es erwartet hatte, am Herd und bereitete das Frühstück vor. „Guten Morgen, Laru!“, grüßte er sie. „Wie hast du…?“, wollte er weiterfragen, doch da sah er, wie ihre Hände zitterten. „Laru, geht’s dir nicht gut?“, fragte er und eilte zu ihr. Laru drehte sich um und verbarg zugleich ihre zitterne Hand. „Doch doch, mir geht’s gut!“, sagte sie und lächelte. Versuchte ihn so zuberuhigen. „Mach dir keine Sorgen um mich!“

Aber Lore hatte so Zweifel. Er hatte ehrlich Angst, dass ihr etwas passieren würde, wenn er auf das Feld ginge und arbeitete. „Bist du sicher. Soll ich nicht doch lieber hierbleiben?“ „Lore, es wird mir schon nichts passieren. Geh ruhig. Immerhin brauchen wir das Geld, wenn wir hierbleiben wollen!“, sagte sie und war gerührt, dass er sich Sorgen um sie machte. „Das Geld ist mir egal. Nur du bist mir wichtig!“, wollte er sagen, brachte es jedoch nicht über sich. „Also gut, aber wenn etwas sein sollte…!“, sagte er, woraufhin Laru ihn unterbrach:„ Werde ich jemanden schicken. Versprochen!“

Mit gemischten Gefühlen ging er zum Feld, wo schon Mare auf ihn wartete. „Na, du Ziegenhirte!“, grüßte er ihn. Lore lächelte nur und hob die Hand. „Hallo, Mare!“

„Und wie war es gestern?“, fragte Mare freundlich. „Naja, eigentlich nicht schlecht, bis wir in den Bach gefallen sind!“, meinte er und Mare sah ihn verwundert an. „In den Bach gefallen? Wie ist das denn passiert?“

Lore winkte ab. „Nicht so wichtig. Ich mache mir jetzt nur Sorgen, dass ihr etwas passieren könnte!“, räumte er ehrlich ein. „Was soll ihr schon passieren?“, sagte Mare, der merkte, dass Lore wirklich in Sorge war und versuchte ihn zuberuhigen. Zugleich freute es ihn, dass er in seine Rolle als Ehemann hineinwuchs. „Ich weiss auch nicht. Ich mache mir eben Sorgen um sie!“

"Komm. Arbeite ein wenig. Das lenkt dich ab!“, schlug Mare vor und Lore konnte sich nur schwer dazu überwinden. Seine Gedanken waren immernur bei Laru und er fragte sich, wie es ihr ging. Die schlimmsten Bilder kamen ihm dabei in den Kopf und versuchte nicht weiter daran zudenken. Drängte sie tapfer zurück. Der Tag ging schnell vorbei, sehr zu Lores Erleichterung, denn er hielt es nicht mehr vor lauter Sorge aus und er beeilte sich, nachhause zukommen. Schnell öffnete er die Tür. Die Sorge um sie hatte in ihm die schlimmsten Ahnungen heraufbeschworen und er fürchtete sich einwenig vor dem, was er sehen würde, sobald er hineintrat. Doch all seine Furcht war wie weggeblasen, als er sie vor der Feuerstelle stehen sah und eine warme Suppe kochte. Sie drehte sich zu ihm um, als sie hörte, wie die Tür zufiel und lächelte. „Hattest du einen schönen Tag?“, fragte sie ihn. „Ja, es…ein war ein Tag wie jeder andere auch!“, sagte er und legte die Sense in die Ecke. „Das freut mich!“

Lore wollte etwas sagen, hielt aber inne. Er konnte es nicht genau sagen, aber etwas an ihr stimmte nicht. Ihr Gesicht war zublass, als das man es gesund nennen konnte. Versuchte sich aber zusagen, dass alles in Ordnung war. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!“, gestand er dennoch. „Das musst du nicht. Mir geht’s gut!“, beruhigte sie ihn. „Geh dich waschen. Das Essen ist gleich fertig!“

Lore nickte und ging ins Nebenzimmer. Er zog sich seine schmutzigen Kleider aus und wusch sich mit Wasser und dem Schwamm. Als er fertig war, zog er sich frische Kleider an, die ihn Laru in weiser Vorraussicht zurechtgelegt hatte und ging zurück in die Küche. Und da fuhr ihm der Schrecken in alle Glieder. Laru lag ohnmächtig auf den Brettern und rührte sich nicht. „Laru!“, schrie er entsetzt und eilte zu ihr. Drehte sie auf den Rücken. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Atem ging flach. „Laru…Laru!“, rief er und schlug ihr auf die Wangen, um sie wachzubekommen. Doch Laru öffnete nicht die Augen. Panik stieg in ihm hoch. Was wenn sie…?

Daran wollte er nicht denken. Sondern machte weiter. Igrendwann, es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, öffnete sie endlich die Augen und blinzelte benommen. Lore atmete erleichtert auf und half ihr auf. „Gott sei dank. Ich dachte, du bist…!“, sagte er und seine Stimme brach. Laru lächelte sanft. „Du brauchst keine Angst zuhaben!“, tröstete sie ihn. „Hör auf, mir zusagen, dass ich mich nicht zusorgen brauche oder keine Angst haben soll. Du bist eben zusammengebrochen. Ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich nicht dagewesen wäre!“, platzte es aus ihm heraus und gab so seiner Panik Ausdruck. Laru sah ihn einen Moment mit großen Augen an. Sie hatte nicht erwartet, dass Lore so außer sich war vor Sorge. Aber anscheinend war sie ihm wirklich wichtig und das sorgte wieder für ein warmes Gefühl in ihr. „Tut mir leid. Ich wusste das nicht!“, flüsterte sie und senkte den Kopf. Konnte ihm nicht in die Augen sehen. Sie schämte sich einwenig, weil sie sich in ihn gettäuscht hatte und lehnte ihren Kopf gegen seine Brust. Durch den Stoff konnte er fühlen, wie ihre Stirn glühte. Er legte die Hand auf ihr Haar, das nass von Schweiss war. „Warum hast du nichts gesagt?“, fragte er leise. Es sollte eigentlich kein Vorwurf sein, aber er konnte auch nicht leugnen, dass er wütend darüber war, dass sie es runtergespielt und ihm nichts gesagt hatte. „Ich dachte, es sei nichts Schlimmes. Aber im Laufe des Tages merkte ich, wie mein Kopf dröhnte und mir schwindelig wurde. Ich habe es bisher gut im Griff gehabt, aber plötzlich wurde mir schwarz vor Augen!“, erklärte sie und nun sah Lore auch die Schweissperlen auf ihrer Stirn. Sie musste hohes Fieber haben. „Ich schaffe dich erstmal ins Bett!“, sagte er und noch bevor Laru dagegen protestieren konnte, schog er seine Arme untere ihre Beine und Achseln und hob sie hoch. „Das ist nicht nötig. Ich habe noch genug Kraft um selber zugehen!“, sagte sie. „Nichts da. Bei deinem Zustand…!“, sagte Lore hartnäckig und beendete nicht den Satz, weil beide wussten, was er sagen wollte. Vorsichtig legte er sie in ihr Ehebett und deckte sie zu. „Das ist nicht nötig!“, sagte sie und wollte aus dem Bett steigen. Doch Lore hielt sie zurück. Legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie in die Kissen zurück. „Doch ist es!“, sagte er bestimmend, wie ein Vater zu seinem Kind, wenn es nicht horchen will. „Du bist krank und musst dich schonen!“

Laru öffnete die Lippen, wollte etwas sagen, doch Lore hob mahnend den Finger und sie schloss den Mund wieder. „Ich bringe dir die Suppe. Die hast du mehr nötiger, als ich!“, sagte er und ging hinaus. Nach einigen Minuten kam er mit einer Schüssel zurück, in der Suppe dampfte. Vorsichtig setzte er sich auf den Stuhl neben sie und tauchte den Löffel in die warme Brühe. Langsam hob er diesen hoch und führte ihn zu Larus Mund. Wie ein gehorsames Mädchen öffnete sie ihn und nahm den ersten Schluck. Als sie die Suppe fertig gegessen hatte, stellte Lore die Schüssel auf die Kommode. Mittlerweile war es dunkel draußen. Er schaute nach draußen und fragte sich, wie weit es bis zum Bauernhof oder zu jemand anderen, der ihnen helfen konnte. „Diese Anra. Wo lebt sie eigentlich?“, fragte er, den Blick immernoch zum Fenster. „In der Stadt. Warum?“, antwortete Laru und nahm ihm damit seine Hoffnung. „Ich dachte, ich könne zu ihr gehen und um Hilfe bitten!“, sagte er und seufzte schwer. „Aber anscheinend muss ich bis morgen warten!“ „Ob eine Nacht oder mehr, schadet nun auch nicht mehr!“, sagte sie mit einem matten Lächeln. Lore verzog daraufhin das Gesicht. Er verstand nicht, wie sie das so verharmlosen konnte. Eine Krankheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Das du so ruhig bleiben kannst!“, murmelte er. Laru lächelte daraufhin und klopfte auf die Seite neben ihr. „Sicher wird es mir besser gehen, wenn du mich wärmst!“, witzelte sie. Lore war nicht zum Lachen zumute. Doch er legte sich zu ihr und legte wieder seine Arme um sie, wie in der letzten Nacht. Laru küsste sanft seinen Handrücken und schmiegte ihre Wange daran. Sofort wurde es dem Prinzen wärmer und er entspannte sich ein wenig. Dennoch achtete er nun um so mehr auf ihre Atemzüge. Er fürchtete umso mehr, dass sie mitten in der Nacht aufhören könnte zu atmen. Und so blieb er solange wach, lauschte ihrem Atmen und spürte wie sich ihr Rücken hob und senkte, bis auch ihm die Augen zu fielen.

Lore machte sich schon in den frühen Morgenstunden auf den Weg in die Stadt, um einige Kräuter zuholen, die Larus Erkrankung heilen konnten. Nicht ohne jedoch vorher auf das Feld zugehen und Caarza zubitten, bei ihr zublieben, solange er weg war. Diese erklärte sich gerne dazubereit und hielt an Larus Bett wache. So machte er sich auf den Weg und hoffte, dass er nicht solange brauchen würde. Er folgte der Strasse, die zur Stadt führte. Das Geld, welches Laru ihm gegeben hatte, klimperte in seinem Beutel und er schaute nocheinmal auf den Zettel, den Laru ihm ebenso gegeben hatte. Darauf stand alles, was er brauchte.

So gegen frühen Mittag kam er in der Stadt an und ging sogleich auf den Markt, wo er sicherlich die Kräuterfrau finden würde. Sie war an ihrem Platz und verkaufte lautrufend ihre Waren. Als er zu ihr kam, wurde ihr Gesicht hart. „Was wollt Ihr von mir?“, fragte schroff und machte sich daran, ihre Kräuter zu sortieren. „Ich brauche einige Kräuter, gegen eine Erkältung!“, erklärte er und reichte ihr den Zettel. Erst als er die Erkältung erwähnte, nahm sie ihn wahr und ihre Miene wurde noch härter. „Was ist mit Goldkehlchen?“, fragte sie in zischender Stimme. „Sie ist erkältet und ich möchte ihr helfen!“, erklärte er schnell und streckte den Zettel näher zu ihr hin. „Bitte!“

Die Frau sah ihn noch einige Minuten an, dann riss sie ihm barsch den Zettel aus der Hand und suchte alle Kräuter zusammen, die auf der Liste standen. Und eine Antleitung, was er mit den Kräutern machen sollte. Sie reichte ihm einen Sack damit. „Das macht zehn gold Stücke!“, war ihre Forderung und Lore gab ihr, was sie verlangte. Zum Glück reichte es. Er bedankte sich höflich und ging.

Caarza schüttelte das Kissen von Laru auf, als er zurückkam. Es dämmerte bereits. Er hatte den ganzen Tag gebraucht um in die Stadt und zurück zukommen. Und er hoffte, dass er nicht zuspät kam. Schnell ging er ins Schlafzimmer. „Wie geht es ihr?“, fragte er leise, da Laru die Augen geschlossen hatte und wohl versuchte zuschlafen. „Naja, den Umständen entsprechend. Ihre Stirn glüht noch immer und ist ziemlich stur, wenn es darum geht, im Bett liegen zubleiben!“, sagte sie mit einem verschwörerischem Grinsen und machte eine Kopfbewegung zu ihr. „Das sieht ihr ähnlich!“, sagte er und sah sie an. Täuschte er sich, oder grinste Laru frech. „Du brauchst nicht so zugrinsen. Du bleibst im Bett liegen. Selbst wenn ich dich ans Bett fesseln muss!“, rief er laut und Caarza musste kichern. Ein Auge öffnete sich und das freche Grinsen wurde breiter. Als wollte sie ihm damit sagen, dass sie es wirklich darauf anlegte. „Fordere es nicht heraus!“, knurrte er und beugte sich gefährlich zu ihr hinüber. Caarza konnte nun nicht anders und musste laut lachen. „Lore, anstatt zu drohen, solltest du lieber die Suppe kochen. Komm ich helf dir!“, sagte sie und schob den jungen Prinzen aus dem Schlafzimmer. Während Caarza Wasser kochte, schnitt Lore die Kräuter klein und zerstampfte sie in dem Mörser. Ein würzig-scharfer Geruch machte sich im Haus breit, als Lore die Kräuterbrühe in das Wasser goss und umrührte. Die Brühe wurde dick, beinahe breiig und Lore schöpfte etwas davon in eine Schale. Holte einen Löffel und reichte seiner Frau die Schale. Laru schnupperte, rümpfte etwas die Nase. „Was ist das?“, fragte sie angewidert. „Etwas gegen deine Erkältung!“, meinte er nur. „Sicher? Sieht für

mich aus, wie Gift!“

„Sei nicht albern. Die alte Frau gab mir diese Kräuter!“, sagte er. Laru war nicht überzeugt. Sie kannte zwar die Alte vom Markt, aber sie hatte so ihre Bedenken, wenn sie sich diese Brühe ansah, die blubberte und Blasen warf. „Es wird schon kein Gift sein!“, sagte Lore, da er Zweifel hatte, dass die Kräuterfrau ihr etwas Böses wollte. Eher würde sie ihn vergiften wollen. Auch wenn er nicht wusste, was er getan hatte, um sich ihren Zorn auf sich zu ziehen. „Dann probier du zuerst. Wenn du nicht totumfällst, glaube ich es dir!“, sagte sie. Lore schluckte. Schaute mit gemischten Gefühlen auf die Brühe vor ihm und hätte sich am liebsten geweigert. Aber dann würde Laru sicherlich nichts von der heilenden Brühe essen, also nahm er den Löffel und steckte ihn sich in den Mund. Die Brühe schmeckte entsetzlich. Bitter und zäh wie Honig, klebte sie an seinem Gaumen und nur mit Mühe konnte er den Brei runterschlucken. Der bittere Geschmack blieb noch lange in seinem Mund. Als Laru sein verzogenes Geischt sah, hob sie wissend die Brauen. „Und?“

„Es schmeckt scheußlich!“, würgte er und räusperte sich, als er merkte, wie die Brühe auch seine Stimmbänder angriff. „Aber wenn es hilft…!“

Er reichte Laru die Schüssel. Diese nahm sie, als würde sie fürchten, sich daran zuverbrennen. Zögernd nahm sie den Löffel, tat sich etwas von der Brühe und steckte ihn sich in den Mund. Ihr erging es nicht anders, als dem Prinzen. Sie verzog ebenso das Gesicht und schüttelte sich. „Scheußlich!“, stimmte sie zu. Löffelte aber tapfer weiter. Bis nichts mehr übrig war. Lore nahm ihr die Schale ab und brachte sie in die Küche. Caarza half ihm, die Reste abzuwaschen und verabschiedete sich dann. Versprach aber, sie morgen zu besuchen. Lore wusch sich und legte sich dann zu Laru ins Bett. Ihr Körper war warm, beinahe kochend und er fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee wäre, wenn er sie an sich heran zog. Laru nahm ihm diese Entscheidung ab. Sie nahm seinen Arm und legte ihn sich um den Oberkörper. „Laru…!“, wollte Lore sagen. „Es ist in Ordnung. Keine Angst!“, versprach sie ihm sogleich mit einem Lächeln in der Stimme. „Sicher?“, fragte er noch. „Ja!“, sagte sie und kuschelte sich näher an

ihm. Schloss die Augen und schlief ein. Laru schaute sie eine Weile noch an, so wie vorherige Nacht. Beobachtete ihren Schlaf und lauschte ihrem Atmen. Dann schlief auch er ein.

Da Caarza nun auf Laru achtgab und sich um sie kümmerte, brauchte sich Lore keine Sorgen mehr um sie zumachen und konnte weiterarbeiten. Wenn er fertig war und nach hause kam, kochte er für Laru die bitterschmeckende Brühe und gab sie ihr. Legte ihr zusätzlich kühle und feuchte Lappen auf die Stirn, um das Fieber weiter runter zukämpfen. Mit der Zeit ging es ihr mal zumal besser. Zwar bestanden er und Caarza darauf, dass sie weiterhin die meiste Zeit im Bett blieb und sich weiter auskurierte. Aber immerhin durfte sie sich ein wenig die Beine vertreten. Natürlich unter der wachsamen Aufsicht ihres Mannes. So gingen sie eines Tages ein wenig spazieren. Lore bestand darauf, dass sich Laru bei ihm unterhakte und ihm bescheid sagte, wenn sie sich etwas schwach auf den Beinen fühlte. Laru musste über soviel Sorge lächeln. Es zeigt ihr, dass er es wirklich ernst meinte und sie nicht belasten wollte. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es geht mir gut!“, versichterte sie ihm und strich ihm sanft über den Arm. „Trotzdem. Ich will nicht, dass du einen Rückfall hast!“, sagte Lore inbrünstig. „Schon schlimm genug, dass du wegen mir so krank wurdest!“

„Hör auf dir deswegen immerwieder Vorwürfe zumachen!“, bat sie und küsste ihn sanft auf die Wange. Lore seufzte. „Das ist leichter gesagt als getan!“, murmelte er. Laru drückte seinen Arm. „Dann streng dich ein bisschen besser an!“, sagte sie und als Lore ihr einen grimmigen Blick zuwarf, lächelte sie ihn an. Dieses steckte ihn an und so hoben sich auch seine Mundwinkel etwas. „Kannst du aufhören so bezaubernt zulächeln. Dann kann ich einfach nicht mehr schmollen!“, sagte er mit einem unterdrücktem Lachen. Laru lächelte umso mehr und legte den Kopf schief. „Möchtest du denn weiter schmollen?“

„Nein!“, sagte er und Laru schmiegte sich an ihn. „Wusste ich es doch!“

Sie gingen weiter. Im angenehmen Schweigen. Doch dieses Schweigen wurde schon bald unterbrochen, als jemand nach ihnen rief. Eine aufgebrachte Frauenstimme. „Laru…Laru!“, rief sie. Laru und ihr Mann drehten sich um und sahen Arna. „Oje!“, murmelte Laru und zog an Lores Hand. „Komm, Lore. Gehen wir weiter!“

„Wieso?“, fragte er verwirrt. „Willst du, dass sie uns anmeckert?“, konterte Laru zurück. Zog fester an seiner Hand. Schelifte ihn regelrecht mit. „Was macht dich denn da so sicher?“, borhte Lore weiter, er begriff nicht, warum sie so erpicht darauf war, ihr davon zulaufen. „Weil ich sie kenne. So bald sie uns einholt, wird sie damit anfangen!“, prophezeite Laru und begann von zehn rückwärts zuzählen. Sie kam bei eins an, als es Arna es schaffte sie einzuholen. Und natürlich behielt Laru recht und Arna begann sie auszuschimpfen. „Ich habe von Caarza erfahren, was passiert ist. Waas machst du hier draußen anstatt das Bett zuhüten und dich auszuruhen?“, rief sie empört und wandte sich an Lore. „Und du? Du solltest dich schämen. Als ihr Mann solltest du sie nicht solch einer Gefahr aussetzen!“, zetterte sie. „Aber er setzt mich doch keiner Gefahr aus. Mir geht’s gut!“, verteidigte Laru ihn sogleich. „Das glaube ich dir nicht. So wie du aussiehst!“, schnappte sie, griff sich Larus Arm und zerrte sie mit sich. Lore folgte ihr.

Als sie in Larus Haus war, schleifte Arna sie ins Schlafzimmer und Lore wollte ihnen nach, doch Arna zischte ihn an:„ Du wartest hier!“

Dann warf sie die Tür vor seine Nase zu. Von der anderen Seite hörte er, wie Laru versuchte die aufgebrachte Frau zuberuhigen. Doch dies wollte nicht glücken, da Arna immer wieder ihre Ausflüchte mit wütenden Empörungen kommentierte. „So was von unvernünftig!“, schnaupte sie mehr als einmal. Lore hatte Mitleid mit ihr. Diese Arna war wirklich ein Drache, wenn es um das Wohlergehen von Laru ging. Es dauerte lange, ehe die Tür wieder aufging und Arna rauskam. „Jetzt darfst du reinkommen!“, murrte sie und sah Laru, die im Bett saß, warnend an. Lore schob sich an Arna vorbei und mied es dabei, sie anzusehen. Innerlich dachte er nur:„ Drache!“

Als er ins Schlafzimmer trat, ließ Arna die Türe nur einen Spalt breit auf. Wahrscheinlich um darauf zuachten, dass Laru auch ja im Bett blieb. Lore konnte bei soviel Misstrauen und Strenge nur den Kopf schütteln. „Drache!“, murmelte er dann und setzte sich zu Laru. Sie seufzte. „Ich habe dir ja gesagt, dass sie sich aufregen wird!“, flüsterte sie. „Aber gleich so heftig? Da waren meine Ammen ja noch nett!“, gab er zurück. Laru kicherte. „Sie ist ja auch soetwas, wie meine…Amme. Seit ich alleine bin kümmert sie sich um mich!“, sagte sie dann und ihr Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an. Als schien sie mit den Gedanken ganz weit weg zu sein. Lore sah es und ahnte irgendwie, dass sie sich an ihre Eltern erinnerte, die sie schon so früh verloren haben musste. Er ergriff ihre Hand un drückte sie. „Immerhin hast du einen Menschen!“, sagte er leise. Laru lächelte sanft, legte ihre Hand auf seine und schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe zwei Menschen!“

Lore errötete und zog etwas zögernd die Hand zurück. Das war ein wenig zuviel des Guten. Dennoch freute es ihn, dass sie ihn als einen Teil ihres Lebens betrachtete. Wenn er doch den Mut haben könnte, um dasselbe von sich zu behaupten. „Laru, ich…!“, wollte er sagen, doch Laru legte ihm den Finger auf den Mund, wollte ihm so zeigen, dass er nichts sagen musste. Da kam Arna wieder rein, mit einem Tablett auf dem eine dampfende Schüssel mit Suppe, ein Laib Brot und ein Becher mit Wasser darauf. „So, damit du wieder gesund wirst, eine gute warme Hühnerbrühe!“, sagte sie und stellte das Taplett auf dem kleinem Nachttisch ab. „Arna, das ist nicht nötig. Mir geht’s gut!“, sagte Laru. Ein letzter verzweifelter Versuch, die aufgebrachte Frau zuberuhigen. Doch diese dachte nicht daran. „Nichts da. Damit sollte man nicht spaßen. Man kann leicht wieder einen Rückfall bekommen!“, sagte sie und tunkte den Löffel in die Brühe und reichte ihn ihr, wie eine Mutter, ihrem kranken Kind. Laru verzog daraufhin angesäuert das Gesicht. Ihr war das mehr als nur peinlich. Lore konnte ihr deutlich an ihrem Gesicht ansehen, dass sie am liebsten tot umgefallen wäre. Lore schenkte ihr einen mitleidigen Blick.

Arna besuchte die beiden nun jeden Tag und kümmerte sich um Laru. Als Caarza sie besuchte um und ihr ihre Hilfe anbot, hatte Arna nur gemeint, dass sie allein klarkommen würde und sie wieder höflichst weggeschickt. Für Laru und ihrem Mann war das eine mehr als ertragbare Zeit, da Arna sie nicht ein einziges Mal aus den Augen ließ und immer dazwischenfunkte, sobald sie sich mal näher kamen. Erst als die Abenddämmerung anbrach, ging sie und Laru und Lore hatten Ruhe von ihr. Erschöpft fiel Lore ins Bett und stöhnte. „Meine Güte, ich dachte, die geht nie mehr!“, sagte er und griff sich an die Stirn. Laru ließ sich neben ihn fallen. „Wenn Arna eines ist, dann ist es hartnäckig!“, bemerkte sie trocken.

Tage vergingen, ehe sich Arna, sehr zur Erleichterung des jungen Paares, sicher war, das Laru vollständig gesund war. Jedoch versprach sie ihnen hinundwieder vorbeizuschauen und um nach den rechten zusehen. Mare musste sich ein Lachen verkneifen, als ihm Lore erzählte, was sich bei ihnen zuhause abgespielt hatte. „Ohje, du ärmster!“, sagte er und klopfte ihm auf den Rücken. „Jaja, Arna kann ein wirklicher Drache sein!“

„Ach, was du nicht sagst!“, murrte Lore und wollte noch etwas sagen, ließ es aber un mähte weiter das Korn. Sich weiter darüber aufzuregen würde nichts bringen. Außerdem hatte Arna es ja nur gut gemeint. Auch wenn sie manchmal dabei über die Stränge schlug. Aber immerhin ging es Laru wieder besser. Und nur das war für ihn wichtig. Dabei schaute er zu Laru, die mit Caarza die Strohballen zusammenband und sich über die harte Zeit, wo Arna dagewesen war, ausließ. Wild wedelte sie mit der Hand herum, verzog das Gesicht, oder ahmte die schimpfende Stimme Arnas nach. Caarza schüttelte dabei entweder mitleidig den Kopf, tätschelte ihr die Schulter oder lachte. „So wie es aussieht, ist sie wieder ganz gesund, so wie sie sich mit Caarza unterhält!“, sagte Mare, mit einem leisen Lachen in der Stimme. „Ja, sieht ganz so aus!“, bemerkte Lore und musste lächeln. Man sah ihr kaum an, dass sie mal krank gewesen war. Im Gegenteil. Sie war wieder das blühende Leben und lachte. Und er hatte es vermisst. Da hörte er das Rattern von Rädern und das Traben von Pferdehufen. Er schaute die Strasse entlang und sah, dass eine Kutschte herangefahren kam. Eine Gruppe von Reitern begleitete sie. An den Uniformen und an den Säbeln, die sie an den Seiten trugen, erkannte Lore, dass es sich hierbei um Soldaten handelte und dass die Kutsche einem Adeligen gehören musste. Kaum dass die Bauern die Kuschte sahen, ließen sie ihre Arbeit liegen und grüßten sie laut. Jubelten und winkten. Die Vorhänge der Kuschte waren weiss, aus Seide, und zugezogen. Lore verstand den Aufruhr nicht und sah Mare verwirrt an. „Was ist denn los? Warum geraten die anderen so aus dem Häuschen?“, fragte er. „Das weißt du nicht? Diese Kutsche gehört der Prinzessin Rari!“, sagte Mare und Lores Gesicht entgleiste. Mit allem hätte er gerechnet, aber nicht damit. „Prinz-Prinzessin Rari?“, fragte er und schaute zur Kutsche, die gehalten hatte. Tausend Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Einer war, ob sie ihn gesehen, oder wiedererkannt hatte?

Lore hoffte es nicht. Er mochte sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sie ihn sehen würde. Daher versuchte er nicht zuoft zur Kutsche zuschauen. Neugierig war er dennoch. Trotz all der Angst, entdeckt zu werden. Er ging einige Schritte näher, soweit, wie es die Wächer erlaubten und riskierte einen Blick. Der Vorhang öffnete sich und ein Diener stieg von der Kutsche ab. Lauschte was die Prinzessin ihm sagte und dann eilte der Diener zu ihnen. „Ist hier ein Mädchen nahmes Goldkehlchen?“, fragte er. Sofort waren die Blicke aller auf Laru gerichtete. Diese war es unangenehm, dass alle sie so anstarrten. Dennoch ging sie zur Kutsche und verbeugte sich vor der Prinzessin in der Kutsche.

Lore wurde neugierig. Er fragte sich, woher die Prinzessin Laru kannte. Diese Frage sprach er laut aus:„ Kennen sich die Prinzessin und Laru?“

Mare, der ebenso zu der Kutsche geschaut hatte, sah ihn an und hob die Schultern. „Genaueres weiss ich nicht. Nur das ihre Mutter eine Bedienstete der Königin, also der Mutter der Prinzessin war, und das die beisen sich praktischerweise von Klein auf kannten. Sie sind wie Schwestern aufgewachsen!“

Lores Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an. Aber solangsam dämmerte es ihn. Daher also diese Vertrautheit, dachte er. Und plötzlich spürte er, wie er unruhig wurde. Was besprachen sie da?

Erzählte Laru der Prinzessin, dass sie mit ihm hier war und dass er ihr Mann war?

Was würde die Prinzessin dazu sagen?

Würde sie nun über ihn lachen?

Ein fetter Kloss bildete sich in seinem Hals und er versuchte nicht länger daran zudenken. Dennoch musste er immer unentwegt zu der Kutsche schauen und zu Laru.

Lange Zeit passierte nichts. Plötzlich nahm Larus Gesicht einen überraschten Ausdruck an und dann hellte es sich auf. Lore fragte sich, was die Prinzessin ihr gesagt haben könnte. Aufgeregt und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, verneigte sie sich wieder und eilte zurück. Die Kutsche fuhr weiter. Laru kam zurück und war immer noch außer sich. Caarza war die erste, die sie ansprach und es sprudelte förmlich aus Laru heraus. „Der Admiral kommt übermorgen in den Hafen!“

Caarza und Mare sahen sie mit großen Augen an, während Lore immernoch nichts verstand. Er hatte das Gefühl, als wäre ihm etwas entgangen. „Der Admiral? Welcher Admiral?“, fragte er nach. „Admiral Fira. Er befehligt die Flotte, die unser Land verteidigt!“, erklärte Mare und Lore konnte nur hilflos die Schultern heben. Er hatte noch nie von einem Admiral Fira gehört. Aber bisher hatte er sich auch nicht für das Politische interessiert. „Ah, gut. Aber was hat es mit Laru zutun?“, fragte er und sah sie skeptisch an. Versuchte nicht das Gefühl zubeachten, dass ihn immer ergriff, wenn er sich vorstellte, es gäbe noch einen anderen Mann neben ihr. Aber so wie sie darauf reagiert hatte, musste dieser Admiral für sie etwas wirklich besonderes sein. „Laru ist in den Admiral verliebt!“, platzte es aus Caarza. Lores Gesichtszüge entglitten ihm erneut, als er das hörte und sah sie entsetzt an. Laru wurde rot und schaute beschämt zu Boden. „Ich bin nicht verliebt. Ich…ich mag ihn halt nur sehr!“, versuchte sich herauszureden. „Von wegen! Man muss nur seinen Namen sagen und schon wirst du rot, wie eine Tomate!“, kam ihr Caarza dazwischen. Laru zog daraufhin den Kopf zwischen den Schultern. „Nun hör auf, du siehst doch, wie unangenehm es ihr ist!“, schaltete sich Mare für sie ein. Woraufhin Laru ihm einen dankbaren Blick zuwarf.

Die ausgelassene Stimmung bei Lore war nun weggeweht. Jetzt wo er wusste, dass Laru einen Admiral verehrte. Er fragte sich, wie er wohl war, dieser Admiral. Und wie er aussah. Sicherlich war er nicht gerade hässlich. Und er würde auch so manch andere Verhehrerinnen haben. Er konnte es sich gut vorstellen, wie die Damen ihm zujubelten, und er es genoss. Lores Eifersucht wuchs dabei immer mehr. Warum Laru einem so sehr bewunderte, fragte er sich. Sie sollte doch wissen, dass einer wie, sie nicht beachten wurde. Er wollte sie jetzt nicht beleidigen, aber sie war immerhin eine Bürgerliche und er ein Admiral. Sicherlich war er mit einer Adeligen bereits verlobt, vielleicht sogar vermählt und vertrieb sich die Zeit seines Landgangs mit allerlei Weibergeschichten. Und je mehr Lore darüber nachdachte, desto mürrischer wurde er. Dies hielt an, als sie mit der Arbeit fertig waren und sie sich auf den Weg nachhause gemacht haben. Laru entging es nicht, dass ihr Mann eine miese Laune hatte. Und auch nicht, dass es mit der Ankündung des Admirals zutun hatte. „Lore, was hast du?“, fragte sie mit sanfter Nachsicht. „Ich weiss nicht, was du meinst? Was sollte ich haben?“

„Ich sehe doch, dass du miese Laune hast. Also was ist?“

„Ich habe keine miese Laune. Alles Bestens!"

„Du bist ein schlechter Lügner!“

„Und du eine Nervensäge!“

„Ich möchte doch nur von dir wissen, was los ist. Ich…!“, drängte Laru und wollte weitersprechen, doch solangsam dämmerte es ihr. Ein Ausdruck teilweise Überraschung, teils spitzbübisch. „Momentmal!“

Sie zog das Wort absichtlich in die Länge und stemmte die Arme in die Hüften. Deutlich hörte man den Schalk in ihrer Stimme. „Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“, fragte sie und Lore fühlte sich ertappt. Schlagartig blieb er stehen und sah aus geweiteten Augen an. „W-Wie kommst du denn darauf?“, fragte er. „Man sieht es dir doch an der Nasenspitze an. Diese Sorgenfalten auf deiner Stirn und deine miese Laune, sprechen deutlich dafür!“

„Ach, Unsinn. Ich und eifersüchtig? Lächerlich!“, sagte er trotzig, wie ein kleines Kind und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jaja, wenn du meins!“, gab Laru zurück und grinste in sich hinein, während sie weitergingen.

Seine miese Laune hielt noch lange an. Und wurde noch düsterer, als der Tag kam, an dem der Admiral mit seinem Schiff in den Hafen laufen würde. An diesem Tag putzte sich Laru heraus, als würde sie zu einem großen Fest gehen. Zog sich ein grünes Kleid an, welches einst mal mit goldenen Stickereien verziert war. Doch die Zeit hatte die goldene Farbe längst verblassen lassen. Es war enggeschinitten, sodass es ihre Figur wohlbetonte. Ging nahtlos in einen weiten Rock, der fast über den Boden schleifte. Da das Kleid schulterlos war und nur den Oberkrörper bedeckte, trug sie darunter eine blütenweise Bluse, die an den Enden weitausfiel. Feine, grüne Bändchen waren durchgezogen und baumelten hinunter. Ihr schwarzes Haar trug sie offen, hatte aber zu beider Seiten Zöpfe und mit ebenso grünen Bändchen verflochten. Abgerundet wurde das ganze mit einem breiten Ledergürtel, der mit Stickerein verziert war. Zum Abschluss zog sie sich Stiefel aus braunem, weichem Leder an. Lore besah sich das mit wachsendem Missmut. Für mich hat sie sich nicht so rausgeputzt, dachte er grimmig. Laru drehte sich noch einmal in dem Spiegel. Wollte so sehen, dass auch alles da saß, wo es sitzen sollte und sah dabei, wie Lore vor sich schmollte. „Was ist denn? Sehe ich so schlimm aus?“, fragte sie. „Nein!“, kam es bissig von ihrem Mann und wandte den Kopf ab. „Du musst dich auch noch umziehen!“

"Wie bitte?“, fragte Lore und sah sie an, als habe sie einen schlechten Witz gemacht. „Dich umziehen. Oder glaubst du, ich lasse dich so den Admiral gegenüber treten?“, sagte sie tadelnt. Lore wollte schon fast etwas sagen, dass es ihm gleich war, wie er aussah, wenn er dem Admiral gegenüber trat. Behielt es aber für sich. „Wenn es sein muss!“, murrte er nur und ergab sich in seinem Schicksal.

In der Stadt herrschte große Aufregung. Die Ankunft des Admirals hatte sich herumgesprochen, wie ein Lauffeuer und es hatte sich eine große Menschenmege im Hafen versammelt. Männer, Frauen, jeden Alters und kleine Kinder drängten sich aneinander und tuschelten aufgeregt. Laru und Lore kämpften sich durch die Menge. Schoben und zwängten sich hindurch, wobei sie mehrmals böse Blicke ernteten. Laru achtete nicht darauf sondern ging einfach weiter, erkämpfte sich ihren Weg durch die Menschentraube. Lore hingegen murmelte immer wieder Entschuldigungen. Erst als sie am Rand des Hafenbeckens waren, hielt sie inne. Sie hatte sich bis nachvorne durchgekämpft und schaute nun gespannt zum offenen Meer. „Mal ehrlich. Findest du nicht, dass du es übertreibst?“, fragte Lore. Doch Laru antwortete nicht, sondern schaute mit voller Vorfreude zum Meer. Als würde sie schon etwas sehen. Lore fragte sich solangsam, ob ihre Freude nicht doch langsam an das kindiche Schwärmen einer Vierzehnjährigen grenzte. Fast schon wollte er etwas sagen, als Laru ganz laut rief:„ Davorne! Ich sehe das Schiff des Admirals!“

Und als sie das rief, passierten zwei Dinge. Die Menge begann zu jubeln. Nur nicht Lore, er fühlte wie sein Herz in tausend Splitter zersprang.

Gefühle? Ja! Liebe? Nein!

Das Schiff des Admirals war ein mächtiger Dreimaster, mit weissen Segeln, die sich blähten. Es kam näher und schon bald konnte Lore es genauer erkennen. Auf dem Hauptsegel war ein Wappen, das ein Einhorn, mit dem Unterleib eines Fisches, darstellte. Stolz hatte es den Kopf erhoben und hatte seine Forderläfue in die Höhe gestreckt, während sich der Fischwanz zu einer Acht zusammengerollt war. Rote Wimpel flatterten an den Mastenden, im Wind. Seemänner eilten geschäfitg über das Deck, um das Anlegen vorzubereiten. Als es in den Hafen lief, wurden Leinen vom Schiff zu den Männern geworfen, die sich am Anlegesteg versammelt hatten. Sie ergriffen und sie geschickt verteuten. Die Segel wurden einholt und zusammengebunden. Einer der Männer rief, sie sollen die Leitplanke heranschaffen und die Menschen teilten sich auf, um die herankommenden Männer vorbeizulassen. Ein langer Steg wurde an das Schiff herangeschafft und von den Seemännern entgegen genommen. Es dauerte nicht lange, bis eine imopsante Männergestalt erschien und auf die Planke trat. Die Menge jubelte erneut und diesesmal lauter als zuvor. Der Mann winkte den Menschen zu und schritt die Planke hinunter. Wo sich Lore vorher gefragt hatte, wie dieser Admiral aussah und sich die Hoffnung gemacht hatte, er würde nicht so gutaussehend sein, wurde ihm diese nun genommen. Der Admiral war beleibe nicht hässlich. Hochgewachsen mit breiten Schultern und einem hochwangingen Gesicht. Scharfe Augen, die alles erkennen konnte und die von einen helle Verstand zeugten. Langes, blondes Haar, das zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen gebunden war. Er trug eine marineblaue Uniform, die geschmückt wurde, von vielen Abzeichen, die bezeugten welche Dienste er geleistet hatte. Doch trotz all den Verdiensten und den Ruhm, für die er bejubelt wurde, schien er bescheiden zu sein und sich nichts darauf einzubilden. Gemächlich schritt der den Steg hinunter und begrüßte jeden der Menschen. Schüttelte Männern die Hand, nahm die Blumen der Frauen entgegen, die sie ihm hinhielten und strich einigen Kindern über den Kopf. Eine Gruppe von jungen Mädchen, riefen und winkten ihm zu. Buhlten um seine Aufmerksamkeit. Doch der Admiral lächelte nur und grüßte zurück. Was die Mädchen nur noch mehr dazubrachte, ihm zuzujubeln. Lore beobachtete das, und verzog das Gesicht. Wäre er gewesen, hätte er ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht. Ein nettes Wort hätte nicht geschadet, dachte er. Er mag zwar gutaussehen und ein guter Admiral sein, aber so wie er mit den Mädchen umgeht… Lore spürte, wie seine Abneigung ihm gegenüber immer größer wurde. „Und das ist dein Admiral?“, fragte er und Laru warf ihm einen warnenden Blick zu, der ihm klar deutlich machte, er solle sich hüten. Lore versteifte sich, als würde man ihn schlagen wollen. Während der Admral weiterging, grüßte er weiterhin die Menschen und die Menge teilte sich. Ließ ihn hindurch, bis er vor Laru stand. Sie stand am Ende der Menschengasse und schaute ihn mit freudigen Augen an. Sofort wurde das Gesicht des Admirals strahlend und er vergass seine Zurückhaltung. Mit einer eleganten Bewegung ergriff er ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Sanft hauchte er einen Kuss darauf, was jeden der Anwesenden zum Luftschnappen brachte. „Goldkehlchen, wie schön dich wieder zusehen!“, sagte er im leisen Ton. Laru errötete. Lores Eifersucht schien dabei ins unermessliche zu steigen, fast schon wäre er geplatzt, doch er riss sich zusammen, und sah, mit zu Fäusten geballten Händen, wie Laru seine Worte wiederholte. „Es freut mich ebenso, Euch wiederzusehen Admiral!“ Für Lores Geschmack blieb der Blick des Admirals viel zulange auf Laru haften. Ganz besonders auf ihrem Ausschnitt und Lore räusperte sich, um zuzeigen, dass er auch noch da war. Der Admiral schaute flüchtig von Laru zu ihm. Wollte wieder zu ihr schauen, doch als er den finsteren Blick des Prinzen sah, straffte er seine Schultern und versuchte ein freundliches Lächeln. „Wie ich sehe, bist du nicht allein!“, sagte er und Laru, die ganz vergessen hatte, dass Lore neben ihr stand, drehte sich langsam um. Sie sah Lore mit Sorge an. Hoffte, dass er ruhig bleiben würde. „Ja, das…das ist Lore!“, sagte sie. „Mein…!“

Da fuhr er ihr über den Mund und ergriff ihren Arm. „Ihr Ehemann!“

Die Augen beider weiteten sich, als er das ausgesprochen hatte. Der Admiral, weil er nicht erwartet hatte, dass er ihr Mann war und Laru, weil sie nicht erwartet hatte, diesen Satz mal aus seinem Mund zu hören. „Ihr Ehemann?“, fragte der Admiral und sah Laru erstaunt an. Fast als wäre es ihr peinlich, dass er es ausgesprochen hatte. „Ja, er…!“, wollte sie erklären, doch ihre Stimme versagte. „Seit wann?“, kam es von Admiral Fira. „Seit einigen Monaten!“, antwortete Lore für sie. „Oh, das ist wirklich eine Überraschung!“, sagte Fira und sah dann Laru erstaunt an. „Als ich dich das letzte Mal sah, warst du noch eine Ungebundene. Und jetzt…bist du die Frau dieses Mannes!“

In Lores Augen klang es wie eine Beleidigung und er wollte schon etwas sagen, doch Laru knuffte ihm in die Seite. Lore zuckte zusammen. „Ich kann dir gratulieren. Er sieht sehr stark aus!“, bermekte Admiral Fira. Diesesmal klappte Lore Kinnlade hinunter. „Oh, hm danke!“, sagte er völlig perplex und neigte den Kopf. Laru lächelte etwas. So schnell konnte man also ihm seine Angriffslustigkeit nehmen, dachte sie und hakte sich bei ihm ein. Der Admiral erwiederte dies. „Darf ich dich und deinen Mann heute Abend zu einem Glas Wein und gutem Essen in dem Hafenhaus einladen?“

„Natürlich. Wir nehmen Euer Angebot dankend an!“, sagte Laru schnell und mit einem strahlenden Lächeln. Der Admiral schien sich sichtlich darüber zufreuen. Erneut nahm er ihre Hand und küsste sanft ihren Handrücken. „Na, dann. Bis heute Abend!“, dann wandte er sich um und ging weiter. Drehte sich dabei aber immer wieder zu ihr um und warf ihr zärtliche Blicke zu. Laru erwiederte diese, sodass Lores Eifersucht erneut entflammt wurde.

„Jetzt weiss ich, wie dieser Mann aussieht, den du so anhimmelst!“, grummelte Lore mit vor der Brust verschränkten Armen. „Es ist nicht so, wie du denkst!“, sagte sie sanft. Die Menschen gingen wieder ihrer eigenen Wege und schon bald stanen Lore und Laru allein im Hafen. „So?“, fragte er. „Wie Ihr miteinander gesprochen hbat, könnte man was anderes denken!“

Laru seufzte theatralisch. „Bitte, denk was du willst. Aber es war nichts zwischen uns. Ehrlich nicht!“, versuchte sie es erneut. Aber Lore war so stur, dass er nicht darauf hörte. Daher gab sie es auf. Hakte sich dennoch bei ihm unter und schritt mit ihm die Gassen entlang. Bis zum Abend war noch etwas Zeit, daher wollte Laru noch einwenig Geld verdienen und sang. Wie immer fand ihr Gesang zahlreiche Zuhörer, die ihr das eine oder zwei Goldstücke gaben. Lore nahm diese mit stoischer Miene und stopfte sie in seine Hemdtasche. War tief in seine dunklen Gedanken versunken und bemerkte nicht die Gruppe von Reitern, die an ihnen vorbeigingen. Erst als er einen der Männer sprechen hörte, schreckte er hoch. Vermied es aber, denn Blick zu heben. „Sag ist das nicht das freche Ding, dass sich uns in den Weg gestellt hat?“

Daraufhin erklang die Stimme des Fürsten Roskas. „Ja, das ist es und der Dummkopf, der sie in den Bach stiess!“, höhnte er und Lore konnte fühlen, wie die Blicke des Fürsten sich auf ihn richteten. Er blieb wie erstarrt stehen und wagte es nicht, hochzusehen. Wut flammte in ihm auf. Noch sehr gut konnte er sich erinnern, wie der Fürst sein Pferd nachvorne getrieben und Laru beinahe niedergetrampelt hatte. Und sein Bedürniss ihn von seinem hohen Ross runterzureissen und ihm ein paar satte Schläge zuverpassen, wuchs mit jedem Herzschlag. Laru sah es ihm an und legte beruhigend ihre Hand auf den Arm. Lore konnte sich nur schwer zurückhalten. Und dieser verdammte Fürst Roska musste das gerochen haben. „Eigentlich ein hübsches Ding, wenn man mal die ganzen Brandnarben weglässt, muss man sagen. Sie hat außerdem eine schöne Stimme und erst diese langen Beine, die sie da unter ihren Lumpen verbirgt. So ein Mädchen hätte ich zugerne mal in meinem Schloss!“, sagte er mit einem widerlichen Lachen wobrauf seine Kumpane einstimmten und nährten die Wut des Prinzen. Doch das, was Roska dann sagte, brachte das Fass zum Überlaufen. „Für ein zwei Nächte, versteht sich!“

„Das reicht! Was erlaubt Ihr Euch? Meine Frau ist keine Dirne, mit denen Ihr Euch gerne die Zeit vertreibt, Fürst Roska!“, brüllte Lore und schaute nun doch hoch. Ihm war es gleich, ob er ihn erkannte und sich nun noch mehr über ihn lustig machen würde. Die widerlichen Reden des Fürsten machten ihn wütend. Niemand sollte so über seine Frau reden. Fürst Roska schien zunächst sprachlos zuwein, wusste nicht was er sagen sollte, doch dannverzog er hähmisch das Gesicht. „Starke Worte für einen Taugenichts, der seine Frau in den Bach schubst!“, sagte er und ließ es so klingen, dass Lore wirklich der Schuldige sei und nicht er. „Ihr hättet sie beinahe mit Eurem Pferd niedergetrampelt!“, schnauzte Lore und ballte die Fäuste. „Liebster, nicht!“, flüsterte Laru und zog an seinem Arm. Kaum dass sie ihn so nannte machte sein Magen einen Satz und er drechte sich zu ihr herum. Liebster! Zum ersten Mal nannte sie ihn so und er war für einen kurzen Moment abgelenkt. Dann aber drehte er sich wieder zu Roska um, der sich darüber ins Fäustchen lachte. „Hör lieber auf dein Mädchen, sonst bekommst du die Hufe meines Pferdes zu spüren!“, drohte er höhnisch und trat seinem Pferd in die Flancken. Dabei ritt er absichtlich nahe an sie vorbei, um ihnen zu zeigen, dass er es ernst meinte. Und wurde begleitet von seinen Freunden, die es ihm gleichtaten. Lore war versucht einem der Tiere auf das Hinterteil zuschlagen, um es damit wild zumachen. Ließ es aber, weil er fürchtete, das Tier würde auch oder nur sie verletzten. Und auf einen Tritt von einem Pferdehuf konnte er gut verzischten. Also schaute er dem Fürsten mit wütenden Blicken nach. „Ist das zufassen!“, fauchte er wütend und ballte immernoch die Fäuste. Laru drückte sich an ihn, um ihn wieder ruhig werden zulassen, doch sie fühlte die Anspannung in ihm und versuchte es mit sanften Worten. „Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast!“, flüsterte sie. Lore sah sie nur an und wandte sich ab. „Gott, ich hasse diesen Kerl!“, murmelte er. „Komm, lass uns weitergehen!“, bat sie ihn, weil sie ihn von dieser Begegnung ablenken wollte. Und von dem Ärger.

Als der Abend anbrach, machten sie sich auf den Weg in das Hafenhaus. Das Hafenhaus war eine Schenke, in der die Mannschaft eines Schiffes untergebracht werden und sich erholen konntn von der strapaziösen Reise auf See. Dabei floss auch lieterweise Bier und es fand sich in dieser Schenke auch die eine oder andere schöne Frau, für angenehme Stunden. Kurzum: Ein Haus, in dem Männer der See trinken, singen und geniessen konnten. Schon von weitem hörten sie das Singen und Gegrölle der Männer und das Lachen von Frauen. Lore konnte sich schon vorstellen, wie es in dieser Schenkezuging und war auch nicht verwunderlich, als ihm der Geruch von Bier und von gewürzten Speisen in die Nase stieg. Die Schenke war großgenug, dass eine Mannschaft von zwanzig Mann platz finden konnte und die Bedienung ohne Probleme hindurchgehen konnte, um die Speisen und das Bier zu servieren. An den Seiten des Haues waren Tische und Bänke aufgestellt, sodass die Mitte des Raumes genug Platz bot um zutanzen. Die Küche befand sich in einen abgegrenzten Raum, der von einem Flur mit dem Hauptraum verbunden war und durch den die Kellner geschäftigt hinundher eilten. Es herrschte großes Treiben. Eien Gruppe von Seemännern spielte auf Instrumenten eine heitere Musik und sangen alte Seemannlieder. Während die anderen fröhlich mitsangen und ihre Bierkrüge schwangen. Admiral Fira saß mit seinen Männern in einer Ecke und unterhielte sich mit ihnen. Er war der einzige, der kein Bier trank. Sehr löblich, dachte Lore. Laru entdeckte den Admiral ebenso und grüßte ihn. Was nicht gerade leicht war, bei dem Lärm der hier herrschte. Also winkte sie und dies schien der Admiral zu bemerken, denn kaum dass er sie sah, sagte er einigen Männern, sie sollten etwas Platz machen für sie und ihren Mann. Laru schnappte sich Lore Hand und zog ihn mit sich, wie am Vormittag. Lore wollte nicht unhöflich sein und ließ Laru sich zuerst setzen. Dabei rückte sie nahe an den Admiral und Lore bereute es sogleich. Er setzte sich neben sie. Doch er kam sich wie das dritte Rat am Wagen vor. Umso missmutiger wurde er, als er sah, dass der Admiral wiedermal mit Laru anbändelte. Wie bei seiner Ankunft nahm er Larus Hand und küsste sie galant. „Schön, dass Ihr hier seid!“, sagte er und schaute sie unter seinem Haarpony an. Laru errötete. Lore hingegen strich soeben die Pluspunkte von seiner geistigen Liste, die er eben noch dem Admiral gegeben hatte. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Worte nur ihr galten und nicht für sie beide. Einer der Seemänner reichte ihm einen Bierkrug, den er solgeich ergriff und einen langen Schluck von dem Gebräu nahm. Es schmeckte bitter und sorgte für einen schalen Geschmack auf der Zunge. Doch Lore war es egal. Hauptsache er vergass seine Eifersucht, was allerdings nicht gerade leicht war, da Laru und der Amdiral neben ihn saßen und miteinander schäkerten, als seien sie zwei frischverliebte. Das Bier war schon bald leer. Und aus dem ersten wurde ein Zweites. Mit wachsender Eifersucht, die er mit dem Bier zu ertränken versuchte, schaute er zu den beiden und er konnte nicht sagen, ob ihm von dem Bier oder von dem Gesäusel des Admirals schlecht wurde. Es war wirklich mehr als er ertragen konnte. „Goldkehlchen, würdet Ihr mir die Ehre erweisen und…für mich singen?"

Kaum das Lore das hörte, wurde ihm noch übler und er trank den Rest des Bieres aus. Auch das noch, dachte er verbittert und sah Laru aus dem Augenwinkel lauernd an. Kurz schien sie verlegen zusein, über die Bitte des Admirals, doch dann lächelte sie und nickte zu Lores Leidwesen. „Wenn Ihr es wünscht?“, flüsterte sie.

„Ich wünsche es!“, erwiderte in sinnlicher Tonlage und küsste wieder ihren Handrücken. Lore lag schon eine scharfe Bermekung auf der Zunge, doch er verkniff es sich. Laru lächelte noch einmal, dann stand sie auf und ging zu der Band. Sagte ihr etwas, worauf sie nickten und sie drehte sich wieder zu der Menge und zum Admiral. „Zu Ehren des heutigen Tages und Abends der Ankunft unseres tapferen Admirals Fira, möchte ich Euch heute Abend ein Lied singen. Eines, welches jungen und alten Seemännern bekannt sein durfte. Das Lied der Loreley!“, verkündete sie und die Männer brachen in begeistertes Jubeln aus und die Männer, mit den Instrumenten begannen zu spielen.
 

Fröhlich segeln wir weiter,

dachten die Wellen wären stark abwärts des gewundenen Rheins.

Folgen einem Lied

Legenden schwinden im Laufe der Geschichte.

Versuchen uns alle zu warnen.

Oh, Sie rufen sie! Loreley!

Pass auf oder du wirst ihr verfallen.

Sogleich begannen die Männer mitzusingen. Die meisten flasch, weil sie schon zu angetrunken waren, um richtig den Ton zutreffen. Laru ließ sich davon nicht irritieren, sondern sang weiter und ließ es sich nicht nehmen, die Hüften zuschwingen.

Oh, die Geschichten, die wir erzählten, zeigten eine Vision.

Geheimnisse in den Meeren.

Ihre Augen aus Gold.

Liegend auf dem Silberstein, welch einsamer Anblick.

Gänse werden ein Thron, meine arme Loreley.
 

Täuschte sich Lore, oder hatte er wirklich den Eindruck, dass Laru die Gestalt der besungenen Loreley annahm. Eine bildschöne Frau, mit langen Haaren, die Seemänner in den Tod lockte. Lore schauderte. Nein, Laru würde das sicher nie tun. Oder doch?
 

Und die Winde rufen, und viele Männer würden sterben,

und all die Wellen würde sich herunter beugen zur Loreley.

Du würdest deinen Augen nicht trauen, wie eine Stimme verzaubern kann.

Versprechen sind einzigallein Lügen der Loreley

In einer Farbe aus mossig-grün, Muschelschale in ihrer Hand

Sie ist geboren, als Flusskönig, niemals zu beehren das Land.

Da ruhte der Blick Larus auf dem Admiral und Lore wusste nicht, was er nun empfinden sollte. Trauer, Wut oder Zufriedenheit, weil er wusste, dass dieser Mann Laru niemals besitzen würde. Dass sie niemals ihn hintergehen würde. Aber dennoch blieb so etwas, wie ein dumpfes Unbehagen und er versuchte nicht weiter daran zudenken.

Oh das Lied der Loreley,

Schönheit des Mondes, aus dem Himmel,

Sie wird in deinen Gedanken sein, schöne Loreley!

Wenn Sie ruft:„ Sei mit mir bis zu Ende der Zeit“,

weißt du, dass du nie mit deiner Loreley sein wirst!
 

Als Laru endete, ruhte immernoch ihr Blick auf dem Admiral und die Zufriedenheit schlug schnell in Wut um. Von wegen, sie würde nichts für ihn fühlen. So wie sie ihn ansah und die letzten Sätze gesungen hatte, musste es etwas zwischen ihnen sein, was mehr als nur Freundschaft war. Lore kochte innerlich und trommelte wütend mit den Fingern auf der Tischplatte. Die Männer klatschten und jubelten begeistert und Laru verbeugte sich. Ging dann gemessenen Schrittes zu dem Admiral, der sie hindruchschlüpfen und Platz nehmen ließ. „Danke, das…das war wunderbar!“, sagte der Admiral, der kaum die richtigen Worte fand und neigte den Kopf. „Das habe ich doch gern gemacht!“, sagte sie sanft und berührte den Admiral am Arm. Wie zuvor Lore, als sie ihn beruhigen wollte. „Verlogenes Flitchen!“, dachte er und wollte aufstehen, weil er zu einen es nicht mehr ertragen konnte, sie zu sehen und zum anderen weil er frische Luft brauchte, sonst würde er in die Luft gehen. Doch kaum dass er sich bewegte, begann der Raum sich zudrehen und er ließ sich wieder auf seinen Platz fallen. „Oh, verdammt!“, jammerte er. Warum hatte er soviel trinken müssen.

„Na, ist das Bier etwas zu hart für dich?“, fragte der Seemann neben ihm mit einem schwachen Lächeln. Lore nickte etwas benommen, weil ihm nichts anderes zusagen einfiel. „Dann solltest du lieber einen Krug Wasser trinken!“, bot er ihm an und schenkte ihm etwas von diesem aus einem Tonkrug ein. Kaum dass er ihm den Becher mit dem kühlen Nass gegeben hatte, schüttete Lore auch schon dieses hinunter. Angenehm floss das Wasser seiner Kehle hinunter und lähmte kurz seinen Magen, doch dann machte sich eine angenehme Taubheit in seinem Kopf bemerkbar.

Machte das Schwindelgefühl ein wenig leichter zuertragen, ließ ihn aber immernoch glauben, dass der Raum sich drehte und er schloss die Augen. Seine Ohren konnte er allerdings nicht schließen. Und so musste er mit anhören, was sich Laru und der Admiral zusagen hatten. „Dich wiederzusehen, war der einzie Lichtschimmer, den ich in all der Zeit auf der See hatte. Wann immer wir in eine Sturm gerieten, tat ich alles, damit wir diesen überstehen, nur damit ich dich wiedersehe, liebstes Goldkehlchen!“, sagte der Admiral. „Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, wenn es mir nicht so ginge!“, erwiederte Laru. „Als ich hörte, dass Ihr wieder hier in den Hafen einlauft, war ich außer mir vor Freude!“

Dann herrschte Stille, in der sich die beiden tief in die Augen sahen und Lores miese Laune damit nur noch nährten. „Wie lange bleibt Ihr denn, Admiral?“, fragte sie dann und Lore konnte deutlich den Schmerz in ihrer Stimme hören. „Übermorgen müssen wir wieder auslaufen. Der König hat mich mit einem Auftrag ins ferne Königreich geschickt. Der König hat mich gebeten einige Kundschafter zubegleiten, die mit dem Nachbarreichen einige Verhandlungen absprechen wollen. Welche kann ich selber nicht sagen!“, erklärte er und klang dabei wie ein Geschäftsmann. „Hoffentlich wird es nicht zum Krieg kommen!“, flüsterte Laru ängstlich. Admiral Fira lachte und erfasste ihre Hände. „Nein, das nicht. Seid unbesorgt. Es nur Formalitäten. Du kannst also beruhigt schlafen!“

Laru seufzte erleichtert. „Wenn Ihr das sagt, glaube ich das auch!“

„Ich glaube, mir kommt gleich das Essen hoch!“, dachte Lore grimmig. Laut sagte er:„ Ich muss an die frische Luft!“

Laru und der Admiral sahen ihn mit gerunzelter Stirn an, sagten aber nichts. Lore schob sich rüppelhaft an seinem Tischnachbarn vorbei und taumelte mehr als das er ging durch die Schenke und verließ sie mit lautem Zuschlagen der Tür.

Die Nachtluft wirkte wie ein Dampfhammer auf ihn und brachte ihn ins Taumeln. Lore musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht nachhinten zukippen. Wo vorher in der Qärme der Schenke er den Schwindel nur leicht gespürt hatte, war dieser nun dreifach so schlimm. Lore atmete tief durch, versuchte den Schwindel zu bekämpfen und dabei auch seinen rebellierenden Magen wieder zu beruhigen. Für eine kurze Zeit ging es auch gut, aber da merkte er, wie ihm das Bier säuerlich hochkam. Lore würgte und schaffte es gerade noch den Mund zusammenzupressen, doch lange würde er es nicht durchhalten. Mit vor dem Mund gepresster Hand, schaute er sich hastig um und eilte er um die Ecke, um sich lautstark zu übergeben. Für Lore schien es ewig zudauern, bis er alles wieder herausgespukt hatte, was sich in seinem Magen befunden hatte und er keuchte schwer. Wollte nicht an den widerlichen Geschmack der Galle denken, der das Erbrochene hinterlassen hatte und stützte sich an der Wand ab. Keuchte. Zitterte, als würde er unter einem schlimmen Fieber leiden. Dann schaute er sich nach etwas um, mit dem er den bitteren Geschmack loswerden konnte und sah ein Fass, in dem Wasser war. Vorsichtig schaute er hinein, um sicher zusein, dass es wirklich Wasser und vor allem sauber war. Er tunkte den Finger hinein, ließ ihn kleine Kreise ziehen und als er sah, dass nichts widerliches an seinem Finger haften blieb, schöpfte er mit seinen Händen etwas davon, um es zutrinken. So schnell und kurz wie nötig, spülte er den Mund aus und spuckte das Wasser aus. Der bittere Geschmack war zwar noch da, aber nun nicht mehr ganz so schlimm. Lore ließ sich an die Wand hinuntersinken und kauerte auf dem Boden. Legte den Kopf auf die Arme und atmete tief ein und aus, um wieder klar im Kopf zuwerden. „Nie wieder Bier!“, jammerte er und schüttelte den Kopf. Was er sogleich bereute.

Da hörte er, wie die Eingangstür aufging und sich wieder schloss. „Ah, herrlich die Luft hierdraußen!“, sagte Laru und streckte sich. „Es ist wesentlich angenehmer als drinnen!“, erwiederte der Admiral. „Ich frage mich allerdings, wo mein Mann steckt!“, sagte sie und klang ehrlich besorgt. Lore horchte auf und hob den Kopf. Langsam und vorsichtig. Sie standen vor der Schenke und Laru schaute die Strasse hinunter. „So angeheitert wie er war, drüfte er nicht weitkommen!“, sagte der Admiral und in seiner Stimme hörte er ein Lachen. „Mistkerl!“, dachte Lore wütend. „Nein, das bestimmt nicht. Aber ich mache mir dennoch Sorgen. Vielleicht sollte ich nach ihm suchen!“

Ein kleiner Funke Hoffnung flackerte in ihm, als sie das sagte und wollte schon zu ihnen gehen. Doch dahielt er inne, als er den Admiral sprechen hörte:„ Ich würde dir gerne helfen, aber ich glaube kaum, dass er mich sehen will. Er scheint kein gutes Haar an mir gelassen zu haben!“

Daraufhin sagte Laru erstmal nichts, sondern schien selber darüber nachdenken zu müssen. „Nunja, er denkt, dass Ihr und ich…!“, wollte sie sagen, doch ihr kamen die Worte nicht über die Lippen. „Ein Paar wären?“, beendete er den Satz und Laru nickte verlegen. „Ich weiss auch nicht, was in ihn gefahren ist!“, murmelte sie. Schaute dabei beschämt zu Boden und hielt sich die Stirn, als habe sie Kopfschmerzen. Der Admiral trat näher an sie heran. Sein Gesicht hatte einen sanften Ausdruck angenommen, der für Lore nichts Gutes bedeuten konnte. Sein Innerstes versteifte sich, als er es sah und sein Herz begann zurasen, als der Admiral sanft die Hände auf ihre Schultern legte. Laru hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Und es lag etwas zwischen ihnen, was Lores Magen verknotete. „Nun um ehrlich zusein: Wenn ich nicht zusehr an meinen Rang gebunden wäre und du eine ungebundene Frau, dann würde ich dich sofort heiraten!“

„Aber das bin ich nicht und es würde nicht gut aussehen, wenn du, als hoher Admiral, eine Bürgerliche heiraten würdest!“, sagte Laru ernst. Auch wenn sie sich freute, dass er soetwas gesagt hatte, sah man ihr deutlich an, dass es ihr nicht behagte. Was würden die Leute sagen, wenn ein Mann wie er, ein Mädchen wie sie zur Frau nehmen würde?

Sie würden sich das Maul zerreissen und er würde deswegen seinen Rang verlieren. Die Sitten am Hofe waren hart und streng und selbst einer wie er durfte sich keine Fehltritte erlauben.

Fira wusste schon immer, dass sie seinem Werben nur deswegen wiederstand, weil sie fürchtete, er würde das Ansehen und Vertrauen verlieren, was ihm die Königsfamilie entgegen brachte. Und auch wenn er es nur ungern zugab, war ihm sein Rang auch ein wenig wichtig. Schon als Kind hatte er davon geträumt, zu der königlichen Flotte zugehören und das Königreich gegen den Feind zu beschützen. Nun war er Admiral, etwas weitaus höheres, als ein einfacher Seesoldat. Und es gab nicht einen Tag, an dem er sich gewünscht hatte, er wäre es nicht. „Ich weiss!“, seufzte er. „Aber darf ich dich dennoch um etwas bitten?“

Laru sah ihn mit einer Mischung aus Neugier, aber auch Sorge an und sagte etwas zögernd:„ Ja, natürlich. Um was…wollt Ihr mich bitten?“

Kaum hatte sie das gefragt, beugte er sich noch näher, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Ein Kuss. Einen einzigen Kuss!“, flüsterte er und noch bevor Laru etwas darauf erwidern konnte, drückte der Admirals schon seine Lippen auf die ihren. Das reichte Lore. Er hatte genug gesehen. Wutentbrannt stürmte er auf die beiden zu.

„Was denkt Ihr Euch? Kommt Ihr nicht zunahe!“, schrie Lore wütend und trennte die beiden voneinander. Laru sah ihn entsetzt und beschämt an. War nicht in der Lage etwas zusagen. Ebenso Fira, der nicht damit gerechnet hatte, dass Larus Mann plötzlich herbeistürmen würde. „Ich…ich bitte um entschuldigung. Ich wollte nicht…!“, wollte er sagen, aber Lore fuhr ihm über den Mund. „Was wolltet Ihr nicht? Meine Frau küssen? Was seid Ihr nur für ein schmaloser Mann! Sicherlich ist sie nicht die einzige, die Eurem Charm erlegen ist. Ich verwette alles Geld meines Vaters, dass in jedem Hafen, den ihr angesteuert habt, eine oder zwei unglückliche Frauen auf Euch warten und sich Hoffnungen machen!“, würgte er wütend hervor und stiess ihn gegen die Brust. Laru schritt sofort ein, wollte schlichten. „Lore, beruhig dich. Es ist nicht so, wie du denkst…!“, sagte sie, doch Lore schob sie beiseite. „Ich kann diesen Satz schon gar nicht mehr hören!“, knurrte Lore. „Man sieht Euch beiden doch an, dass ihr etwas füreinander empfindet. Also was soll diese unnütze Maskerade?“, sagte er und warf Laru einen vorwurfsvollen Blick zu. Laru wollte etwas sagen, doch Lore winkte ab. Drängte sich an ihr vorbei und stellte sich vor den Admiral. „Ist es nicht so? In jedem Hafen ein Mädchen zu haben, muss doch sicher wunderbar sein. So abwechslungsreich!“, höhnte er. „Ich kann Euch versichern, dass Laru das einzige Mädchen ist, was mir am Herzen liegt!“, sagte der Admiral im inbrünstigen Ton, worauf Lore nur ein hohles Lachen übrig hat. „Das einzige Mädchen, das ich nicht lache. Als Ihr heute Morgen ankamt, gab es eine ganze Schar von Weibern, die genauso hübsch und jung waren wie Laru!“, sagte er mit einem verächtlichem Lächeln. „Wollt Ihr mir wirklich sagen, dass keines von den Mädchen Euch gefallen hat?“

„Ob Ihr es glaubt oder nicht: Nein! Ich weiss nicht, woher Ihr kommt. Aber hier sind die Männer nicht auf jeden Rock fixiert und mag ein noch so hübsches Gesicht dazugehören!“, sagte Admiral schroff. „Woher ich komme, geht Euch einen feuchten freck an, Admiral!“, sagte Lore nicht minder schroff und begann zuschwanken. „Ich glaube, wir sollten jetzt reingehen und dich ins Bett bringen, ehe du noch etwas Dummes tust!“, sagte Laru beherzt und wollte ihn mit sich ziehen. „Ihr könnt in der Schenke ein Zimmer nehmen. Sagt dem Wirt, dass ich es zahlen werde!“, sagte der Admiral. „Danke Euch!“, bedankte sich Laru höflichst und zerrte Lore in die Schenke. Nur unter Protest ließ sich das der angetrunkene Prinz gefallen. Geduldig schob Laru ihren Mann durch die Schenke und durch den Flur. Im Vorbeigehen sagte sie dem Wirt, der sich gerade eine Pfeife angezündet hatte, dass sie für eine Nacht blieben und dass der Admiral für das Zimmer aufkommen würde. Dem Wirt war es recht und so ließ er die beiden weitergehen. Lore stolperte und torkelte mehr über die Treppe, als dass er ging und hielt sich an der Wand fest. Laru schob sich an ihm vorbei, legte seinen Arm über ihre Schulter und stützte ihn. Doch Lore riss sich von ihr. „Ich kann alleine gehen!“, schnauzte er und ging ohne sie weiter. Dabei aber übersah er eine Stufe und fiel hin. „Verdammt!“, grunzte er. Laru eilte zu ihm herbei und half ihm hoch. „Pass doch auf!“, sagte sie bestürztn und zog ihn auf die Beine. Diesesmal leistete Lore keinen Wiederstand sondern ließ es zu. Gemeinsam schleppten sie sich zu einem der Zimmer und Laru öffnete die Tür. Sie ließ Lore aufs Bett sinken. Zog ihm die Stiefel aus und deckte ihn zu, ehe sie die Tür schloss und sich selbst aus dem Kleid schälte. Lore hatte sich das meiste von der Decke genommen und sich auf die Seite gerollt. Laru warf ihm kurz einen erbosten Blick zu, seufzte aber und legte sich neben ihn. Nahm sich dabei das, was noch von der Decke übrig ist, und schloss die Augen.

Als der nächste Tag anbrach, erwachte Lore mit einem brummenden Schädel. Das Bier welches gestern ihn trunken gemacht hatte, hinterließ einen ordentlichen Kater. Kaum dass er die Augen öffnete und in das helle Tageslicht schaute, machte sich ein unangenehmer Druck in seinem Kopf breit und ließ ihn aufstöhnen. Mit einem Murren rollte er sich auf die andere Seite und vergrub das Gesicht im Kissen. Laru war schon aufgestanden und ins kleine Bad nebenan gegangen, um sich zu waschen. Als sie wiederkam und ihn im Bett liegen sah, schüttelte sie den Kopf. Saufen kann er, aber nicht aufstehen, dachte sie, ging zu ihm, griff sich die Decke und riss sie mit einem Ruck weg. „Hey…!“, murrte er und wollte sie wieder zu sich ziehen, aber Laru hatte sie außer Reichweite geschafft und pikste ihm mit dem Finger in die Seite. „Los aufstehen, du Trunkenbold!“, sagte sie. „Will nicht!“, murrte er erneut. „Du musst aber. Wir hatten dieses Zimmer nur für diese Nacht gehabt!“, sagte Laru. Da sie aber sah, dass es keinen Sinn hatte, girff sie zu einer etwas härteren Methode. Mit einem resignierten Seufzen ging sie zur Waschkommode, tunkte den Schwamm in das kühle Wasser und ging mit diesem, vollgesogen zum Bett. „Zum letzten Mal: Aufstehen!“, sagte sie, doch wie sie es sich gedacht hatte, weigerte sich Lore und Laru blieb nichts anderes übrig. Leise hob sie den Arm und drückte den Schwamm über ihn aus. Wie ein Regenguss tropfte das Wasser aus dem Schwamm auf ihn hinunter und Lore sprang mit einem Satz aus dem Bett. „Bist du verrückt?“, rief er aufgebracht. „Nein. Ich habe bereits gesagt, dass du aufstehen musst. Und wenn du nicht hören willst…!“, sagte sie gelangweilt und legte den Schwamm auf die Kommode. „Zieh dich an. Wir müssen los!“, wies sie ihn an und Lore zog sich, mit einem bösen Blick auf sie gerichtet, an. Laru ignorierte dies. Unten in der Schenke ging sie zum Wirt, um sich zuverabschieden. Dieser aber hielt sie nochmals zurück. „Habt Ihr was für mich?“, fragte sie und der Wirt nickte. Krammte etwas aus seiner Schürze und drückte ihr einen zusammengefalteten Zettel in die Hand. „Vom wem?“, fragte sie nur, doch das Grinsen im Gesicht des Mannes, gab ihr die Antwort. Sofort entfaltete sie den Zettel und las aufgeregt die Nachricht. Ihr Gesicht hellte sich auf, wo es vorher noch müde und niedergeschlagen war und Lore konnte sich denken, was darin stand. Seine Stimmung wurde frostiger.

Frostig war auch das Schweigen, welches sich über sie gelegt hatte, während sie aus der Stadt und über die Landstrasse gingen, die sie nachhause führte. Hinundwieder schaute Laru zu ihm hinüber und sah den Frust, der sich wie Säure in sein Gesicht gebrannt hatte. Zugerne hätte sie ihm gesagt, dass er keinen Grund zur Eifersucht hatte. Dass sie nichts für den Admiral empfand. Aber Lores grimmiger Blick ließ dies nicht zu. So wie er verstimmt war, würde es nichts bringen. Er war zu verbohrt und wäre taub für ihre Stimme. Sie seufzte schwer. Mit der Niedergeschalgenheit, kam auch der Ärger, der durch sein peinliches Benehmen gestern Abend entfacht worden war und sie fragte sich, für was für eine er sie eigentlich hielt. Nach der ganzen Zeit sollte er eigentlich wissen, dass sie ihm treu war und dass es auch eine Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann, ohne irgendwelche Intimitäten.

Aber anscheinend glaubte Lore ernsthaft, dass der Admiral und sie einem Tächtelmächtel nicht abgeneigt wären. Und dabei müsste er sie eigentlich besser kennen. So ein sturer Esel!

Kaum dass sie in dem Haus von Laru waren, ging Lore in das Schlafzimmer, zog sich die Stiefel aus und legte sich ins Bett. Wollte nur noch schlafen. Doch der Druck in seinem Kopf, der ohnehin unerträglich war, wollte ihm nicht die nötige Ruhe gönnen, sondern wurde noch schlimmer und ließ ihn wimmern. „Mein Schädel!“

Laru war ihm nachgegangen und lehnte am Türrahmen. Schaute mit gehobenen Brauen zu ihm. Verschränkte der Arme vor der Brust. Die Traurigkeit über seine Sturheit und ungerechtfertigte Eifersucht war verflogen und kühle Zufriedenheit machte sich in ihr breit. Irgendwie genoss sie es, dass er einen Kater hatte. Sie sah es als eine Art Strafe. „Na, tut es weh?“, fragte kühl, wobei Lore nur ein Grummeln von sich gab und sich tiefer ins Kissen verkroch. „Lass mich in Ruhe!“

Laru hob nur die Schultern und ging in die Stube. Ließ es sich aber nicht nehmen, laut die Tür zuzuschlagen, was Lore aufschreien ließ. In der Stube kochte sie sich einen Tee und setzte sich an den Tisch. Sie würde warten, bis er sich wieder einigermassen erholt hatte und dann mit ihm nochmals in aller Ruhe reden. Es dauerte eine lange Zeit, bis die Türe geöffnet wurde und Lore in die kleine Stube trat. Er hielt sich immernoch den Kopf und machte ein Gesicht, bei dem man schon beinahe Mitleid haben konnte. Aber nur beinahe. „Wer säuft wie ein Schlund, der braucht sich nicht zuwundern!“, sagte Laru kalt und drehte sie halb wen von ihm. „Ein bisschen Mitleid könntest du aufbringen. Schließlich bist du meine Frau!“

„Stimmt, ich bin deine Frau. Aber das heisst noch lange nicht, dass du dich wie die Axt im Walde aufführen kannst!“, gab Laru bissig hinzu. „Ich habe mich nicht benommen, wie At im Wald!“, verteidigt sich lore mit schmerzverzerrtem Gesicht. Verdammt, diese Kopfschmerzen bringen ihn noch um. Laru hob skeptisch eine Braue. „Ach, nein? Und wie nennst du das, was gestern passiert zwischen Euch ist? Ich fürchtete schon, du wolltest dich mit ihm schlagen!“ „Hätte ich auch. Wenn du dich nicht eingemischt hättest!“, knurrte Lore. „Wenn ich es nicht getan hätte, würdest du nun im städtischen Kerker sitzen. Das Prügeln mit einem Hochrangigen zieht nicht gerade eine schwache Strafe mit sich!“

„Selbst wenn!“, knurrte Lore. „Dabei brannte es mir förmlich unter den Nägeln!“

„Du wirst dich zurückhalten!“, drohte sie ihm. „Ich habe nicht das Bedürfniss, mein hartverdientes Geld auszugeben, nur um dich aus dem Kerker zuholen!“

„Hart verdientes Geld. Das ich nicht lache!“, murrte Lore. Nun reichte es Laru. Wütend schlug sie mit der Hand auf den Tisch, dass das Geschirr darauf klimperte. Lore zuckte zusammen und schaute erschrocken zu ihr auf. Für einen kurzen Moment war sein Kater nebensächlich. „Glaubst du, für mich ist das Spass? Ich verdiene damit das Brot, was du isst und kann damit das Haus zahlen, in dem du lebst und schläfst!“, rief sie außer sich. „Soll ich es wie die faulen Hofdamen machen, und mich auf die Haut legen. Mich mit Gebäck vollstopfen und dein Geld für Kleider und Stoffe ausgeben, die viel zu teuer sind!“

Laru machte eine Pause, atmete tief durch. Ihr Kopf war rot angelaufen und sie wirkte auf den Prinzen wie eine wildgewordene Furie. Mit vor Zorn blitzenden Augen schaute sie ihn an. Lore bekam Angst vor ihr. Schnell versuchte er sich zu retten und hielt sich wieder den Kopf. „Aua, mein Schädel!“, wimmerte er. „Bitte nicht so laut. Dieser Kater bringt mich um!“

Laru war deutlich anzusehen, dass sie mit sich kämpfte, um ihm nicht den Kopf abzureissen. Sie musste tief durchatmen, dann aber drehte sie sich um und stapte zum Herd und holte einen kleinen Topf hervor. Fühlte ihn mit Wasser und warf einige, zerkleinerte Käruter hinein. Hängte den Topf über das Feuer und ließ es köcheln, bis es dampfte. Als sie den Topf vom Feuer nahm, fühlte sie die Brühe in eine Schüssel, die sie Lore auf den Tisch stellte. „Hier das wird dir helfen!“, sagte sie knapp und wandte sich ab. Ging in das Schlafzimmer um das Bett zumachen. Lore sah in die Schale. Ein beisender Geruch stieg ihm in die Nase, der ihn husten ließ. Er zweifelte daran, dass ihm das wirklich helfen sollte. Aber mit Laru wollte er es nicht noch mehr verderben, als er es getan hatte, also nahm er die Schale in die Hände und trank vorsichtig von der Brühe. Er verzog das Gesicht. Wie er es sich gedacht hatte, schmeckte es scheußlich. Ein herber Geschmack, der ihn an einen zubitteren Wein erinnerte und der einen brennenden Geschmack auf seiner Zunge und Rachen hinterließ. Doch er trank tapfer weiter, bis die Schale leer war. Lore schauderte und schob die Schüssel weit von sich weg.

Da kam Laru wieder in die Stube. Sichtlich immernoch wütend über die ungerechten Worte des Prinzen. „Und geht es dir einigermassen besser?“, fragte sie schroff. „Ja, aber diese Brühe schmeckte einfach grässlich!“, sagte er ächzend. „Wie? Hast du sie etwa getrunken?“, kam es von Laru, die erst jetzt die leere Schale bemerkte. „Ja, habe ich!“

„Aber du solltest du sie nicht trinken!“, rief Laru entsetzt und Laru spürte, wie sich eine eisige Kälte in ihm breitmachte. Eine schreckliche Ahnung kam ihm in den Sinn.

Hatte er etwa Gift getrunken?

„Wieso? Was war in der Brühe?“

„Nur einige Kräuter, die deine Kopfschmerzen lindern sollten!"

„Und wenn ich sie nicht trinken sollte, was sollte ich dann machen?“

„Die Dämpfe einatmen!“

„Was ist denn dann so schlimm daran, wenn ich es stattdessen trinke?“, fragte Lore, weil er keinen Unterschied darin sah, wie er es einnahm. Hauptsache seine Kopfschmerzen hörten auf. Doch da begann seine Zunge seltsam zu kitzeln.

„Abgesehen davon, dass deine Zunge taub wird und du wahrscheinlich die Rennerei bekommst?“, erklärte Laru. „Gar nichts!“

Kaum hatte sie das gesagt, weiteten sich Lores Augen. „Was soll daspff pfeiffen?“, kam es von ihm. Die Antwort kam prompt, als er spürte, wie das taube Gefühl in seiner Zunge stärker wurde. Und sich in seinem Bauch ein unangenehmes Grummeln bemerkbar machte, dass sich langsam nach unten arbeitete. Lore sprang sofort auf und stürmte in Richtung Bad um das schlimmste zuverhindern. Als die Tür sich mit einem lauten Knall schloss, sah Laru ihm mitleidig nach. Doch dann musste sie schadenfroh grinsen. Die Strafe folgt auf dem Fuss, dachte sie vergnügt. Lore blieb eine geschlagene Stunde im Bad und kam dann mit einem bleichen Gesicht zurück. Er hatte einen abgehackten Gang und wirkte ziemlich kraftlos. Mit einem Keuchen ließ er sich auf den Stuhl sinken. „Hätfffffteffft du mir daffff nichffft früher ffagen können!“, warf er ihr vor, wobei es sich komisch anhörte, wie er sprach. Laru musste ein Grinsen unterdrücken. „Konnte ich ahnen, dass du es gleich trinkst? Du hättest mich auch fragen können!“

Daraufhin sagte Lore erstmal nichts, sondern sah sie nur grimmig und gequält an. „Wfie langfe…?“, fragte er dann. Laru hob die Schultern. „Vielleicht ein Tag oder mehr!“

„Einf Tfag?“

„Oder mehr!“

„Wfie ffoll iff daff übersteffen?“

„Ich werde Ihnen sagen, dass du krank bist!“

„Dankffe!“

„Pfitte pfehr!“, äffte sie ihn nach und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Lore nuschelte etwas und verschränkte die Arme vor der Brust. „Hast du was gesagt?“

„Neinpffff!“

Es vergingen Tage, die sich wie Wochen anfühlten, ehe das taube Gefühl in Lores Zunge nachließ und sein Magen sich einigermassen beruhigt hatte. Während dieser Zeit konnte Lore kaum etwas essen, weil seine Zunge nicht wirklich gehorchen wollte, und es ihm mehr als schwerfiel, das zerkaute runterzuschlucken. Ganz zuschweigen davon, dass er die Spucke, die sich in seinem Mund ansammelte, nicht runterschlucken konnte und somit aus seinem Mund tropfte. Umso erleichterter war er, dass bald schon die Wirkung der Medizin nachließ und er wieder richtig sprechen konnte.

Am darauffolgenden Tag ging er aufs Feld. Seiner Arbeit nachgehen, die er solange hinausgeschoben hatte. Natürlich wollte jeder wissen, warum er soelange nicht mehr dagewesen war. Zumindest Mare und Caarza wollten es wissen. „Du hattest die Medizin getrunken? Wieso das denn?“, fragte Mare ungläubig und musste sich ein Grinsen verkeneifen. „Weil ich dachte, ich muss die trinken!“, erwiederte Lore angesäuert. Er hätte sich denken können, dass sie ihn das fragen werden. „Wusstest du denn nicht, was die Nebenwirkungen sind?“, kam es von der jungen Caarza. „Nein, woher denn?“, sagte er bitter und verzog das Gesicht, als er sich an den Geschmack der Medzin erinnerte. „Aber jetzt weiss ich es!“

„Und wie kommt es, das du so einen Kater hattest, dass du nicht einmal gefragt hast?“, fragte Mare wieder. Lore stutzte. Er hatte den Kater nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. „Woher wusstest du das?“

Die Antwort kam prompt. „Laru hat es uns gesagt!“, kam es von Caarza. In dem Moment verfluchte Lore sie. Tausendfach. Möge sie tot umfallen, dachte er grollend. „Hast es ganz schön krachen lassen, wie?“, zog Mare ihn auf. „Nicht wirklich. Ich habe mich nicht aus Lust und Laune betrinken lassen!“, murrte Lore und mähte weiter. „So?“, fragte Mare und hob die Brauen. „Weswegen dann?“ Weil ich es nicht ertragen konnte, wie sich Laru und der Admiral anschmachteten, dachte er, doch er sprach es nicht aus, sondern sagte. „Ist nicht weiter wichtig!“

Und gerne hätte er nicht weiter darüber nachgedacht, doch jetzt, wo Mare ihn gefragt und die Erinnerung, an die lange zurückliegende Nacht wieder aufgelebt hatte, sah er sich selbst, wie er sich betrank und sich mit dem Admiral angelegt hatte. Und auch wie enttäuscht Laru gewesen war. Was er in seinem angetrunkenen Zutand nicht gesehen hatte, sah er nun umso deutlicher. Und solangsam fing er an es zubereuen und sich dafür zuschämen. Ihn ließ es einfach nicht los, wie er sich benommen hatte und auch nicht die Frage, was es da zwischen Laru und dem Admiral gegeben hatte. Doch wie sollte er etwas herausfinden?

Laru konnte er nicht fragen. Nachdem was er sich geleistet hatte, würde sie ihm nichts mehr sagen. Was dieses heikle Thema anging, und er konnte es verstehen. Sein Blick huschte zu Mare. Caarza hatte, als die Prinzessin hier gehalten hatte, eine Bemerkung gemacht, die ihn aufhorchen ließ. Wusste sie vielleicht etwas? Es gab nur eine Möglichkeit, das rauszufinden.
 

Am Mittag setzten sie sich auf den Stein, ihrem üblichen Platz, und aßen zu Mittag. Zu ihnen gesellte sich auch Caarza, was Lore nur recht war. So würder er sich die Unannehmlichkeit ersparen könnten und sie zu einem Gespräch unter vier Augen bieten müssen. Was sicherlich jeden seinen eigenen Teil dazudenken ließ. Während sie so aßen, überlegte Lore, wie er am besten anfangen sollte. Suchte nach den richtigen Worten. Zum Glück nahm ihm Mare dies ab. „Und wie war es, mit dem Admiral zufeiern?“, fragte er und schob sich ein Stück Brot in den Mund. Lore versuchte Gute Miene zum bösen Spiel zumachen und sagte: „Ganz nett. Bis auf den Kater!“

Mare lachte. „Kann ich mir denken!

„Was hat dich denn dazu gebracht, soviel zutrinken. Du scheinst nicht gerade trinkfest zusein!“, sagte Caarza nun, wie auf ein Stichwort. „Ich hatte einen Grund!“, murmelte er. „Einen ziemlich guten Grund!“

„Und der wäre?“

Da wusste Lore nicht, ob er anworten sollte. Auch wenn er froh war, das Mare ihm die Worte hervorlockte, hätte er es dennoch vermieden, darüber zusprechen. Es war ihm unangenehm. Aber dennoch wollte er wissen, was eigentlich zwischen den beiden vorgegangen war. So nahm er all seinen Mut zusammen und fragte:„Wie gut kennen sich Laru und der Admiral eigentlich?“

Mare und Caarza, die sich wohl nichts anmerken ließen, sahen ihn kurz interessiert an. Dann hob die junge Frau die Schultern und sagte in einen ebenso gelassenen Ton:„ Nichts, was dich beunruhigen sollte!“

„So, als die Prinzessin hier war, hast du aber was ganz anderes gesagt!“, sagte Lore und warf ihr einen tadelnden Blick zu. Mare musste leise Lachen. „Ich habe dir doch gesagt, dass ihn das aufkratzt!“, sagte er. Caarza schien sich keiner Schuld bewusst zusein. „Ich habe nichts gesagt. Nur, dass sie für ihn schwärmt!“

„Du hast gesagt, dass sie in ihn verliebt ist!“

„Habe ich das?“

„Ja, hast du!“

„Dann nehme ich das zurück!“

„Kommt ein bisschen spät. Also was läuft da zwischen den beiden?“, sagte Lore, der sich nun nicht mehr abspeisen ließ. „Gar nichts!“, sagte Caarza, die sich nun für ihre unüberlegten Worte auf die Zunge gebissen hätte. „Das sagte Laru auch. Aber ich glaube ihr nicht und ich glaube dir auch nicht!“

„Lore. Ganz ehrlich: Wenn Laru und der Admiral was hätten, würde sie dir das sagen und sich von dir trennen!“, kam es Mare, der seiner Gefährtin nun zur Hilfe kam. „Sie ist ein ehrlicher Mensch und würde niemals zweigleisig fahren!“

„Und warum war sie so außer sich? Ich habe doch gesehen, wie sie ihn angehimmelt hat. So sieht keine Frau aus, die für einen Mann, keine starken Gefühle empfindet!“, erwiederte Lore skeptisch. „Schonmal was von „Schwärmerei“ gehört?“, fragte Mare, der die Dickköpfigkeit und Eifersucht des jungen Mannes einfach nicht vestand. „Ja, das schon, aber mir kommt das nicht wie Schwärmerei vor!“

„Hast du denn noch nie geschwärmt?“, fragte Caarza. Lore öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch er schloss ihn wieder und horchte für einen langen Moment in sich hinein. Zu seiner eigenen Verblüffung und auch Schande, hatte er es wirklich noch nie. Hatte sich nie nach einem Mädchen oder später nach einer Frau umgedreht, die sein Interesse geweckt haben könnte. Sondern hatte sich nur für sich selbst und für sein luxuriöses Lebend interessiert. Frauen oder gar Liebe, waren für ihn nicht wichtig gewesen. Zumindest bis jetzt. „Nein!“, kam es schwach aus ihm. „Wie noch nie geschwärmt. Noch nie Schmetterlinge im Bauch gehabt? Oder gar mal versucht einen Liebesbrief zuschreiben?"

Caarza konnte es gar nicht glauben. Ein so junger Mann, der nicht gerade hässlich ist und sicherlich mit Leichtigkeit das Herz jeder Frau gewinnen konnte, hatte sich noch nie verliebt. Wie war das möglich?

„Wie hast du das bloss ausgehalten? Du musst doch ein Loch in deinem Herzen haben?“, sagte sie und schlug in ihm eine Saite an, die er bisher nicht wirklich wahrgenomme hatte. Zumindest bis jetzt. Ein Loch in meinem Herzen, wiederholte er und griff sich geistesabwesend an seine Brust. So als könnte er wirklich in seinem Herzen nach dem Loch suchen. Und er glaubte auch, es zuspüren. Es schmerzte mit jedem Schlag, den sein Herz machte. „Ich weiss es nicht. Irgendwie…habe ich es hingenommen. Es nicht beachtet, weil ich…weil ich zusehr mit mir selber beschäftigt war!“, murmelte er und hoffte, dass es keiner von beiden hörte. Laut sagte er: „Schon aber ich…ich wollte noch nicht soweit sein. Sondern warten!"

„Bis du die richtige findest?“, fragte Mare und Lore, der nicht wusste, was er darauf sagen sollte, nickte nur. „Und hast du sie gefunden?“, kam es nun von Caarza. Lore zögerte kurz. Er woltle schon sagen, dass er die Richtige in Laru gefunden hatte, doch er musste wieder daran denken, wie sie und der Admiral so vertraut miteinander waren. Es war wie ein Gift, das ihn lähmte und ihm die klare Sicht benebelte. „Ich weiss nicht. Ich wünschte, ich wäre mir dabei sicher. Aber nachdem ich sah, wie Laru und dieser…Admiral, bin ich mir da nun nicht so sicher!“

„Lore, lass dir von mir versichern, so wahr ich hier stehe. Zwischen den beiden ist nichts Ernstes. Gefühle ja. Liebe nein!“

Gefühle ja. Liebe nein. Aber wie ging denn sowas. Entweder so oder gar nicht. Lore fühlte sich nun noch verunsicherte, als er es schon vorher war. Nichts von dem Gespräch mit den beiden hatte etwas gebracht, was ihn einigermassen erleichterte. Und so ging er, mit mehr Fragen als er ertragen konnte, nachhause. Dicker Rauch stieg aus dem Schornstein und hinter den Fenstern, war ein wamres Licht zusehen. Schatten huschten umher. Sicherlich Laru, die das Abendessen vorbereitete. Die dem Gedanken, ihr gegenüber zutreten und mit den unzähligen Fragen und Zweifeln wurd eihm übel. Sicherlich trug sie es ihm immernoch nach, das er sich zum Narren gemacht hatte. Verübeln konnte er es ihr nicht. Trotzdem machte es ihm schwer, weiterzugehen. So ging er erstmal die Stufen hoch und blieb stehen. Atmete tief durch und versuchte eine gutgelaunte Miene aufzusetzen. Legte sich sogar die richtigen Worte zurecht, mit denen er sie begrüßen würde und als er sie zu einem sinnvollen Satz zusammengelegt hatte, wollte er anklopfen. Doch da hielt er inne. Er hörte Laru sich mit jemandem unterhalten. Zuerst dachte er, es wäre der Admiral und wieder spürte er diesen Srich im Herzen. Aber dann hörte er die Stimme einer anderen Frau. Arna!

Ein Glück. Zum ersten Mal war er froh, dass dieser Drache hier war. Dennoch wollte er nicht hineinplatzen. Nicht bei dem, was sie besprachen. Dumpf hörte er Larus ratlose Stimme. Drückte das Ohr ans Holz und lauschte. „Ich weiss, nicht was machen soll, Arna. Ich kann es ihm sooft sagen wie ich will. Er denkt wirklich, ich und der Admiral hätten eine Affäre. Dabei ist es wirklich nur Freundschaft!“, hörte er sie sagen. Sie klang so schwach und abgekämpft. Als hätte es sie wirklich mitgenommen. Lores schlechtes Gewissen ihr gegenüber wurde schlimmer, als es schon vorher war und für einen kurzen Moment wollte er nicht mehr zuhören, sondern reinplatzen und alles ungeschehen machen. Sich entschuldigen. Jedoch hoelt er sich zurück. Er wollte wissen, was Arna dazu zusagen hatte. „Du musst auch ihn verstehen. Die ganze Zeit dachte er, du würdest dich nur für ihn interessieren. Und jetzt wo er gesehen hat, dass du mit dem Admiral angebändelt hast, denkt er nun, du meinst es nicht ernst!“, sagte Arna und traf damit den Nagel auf den Kopf. „Aber das ist doch Unsinn. Ja, ich habe den Admiral gern. Aber nicht so, wie er glaubt. Wenn ich wirlich untreu wäre, würde ich alles versuchen, dass er keinen Verdacht schöpft. Sondern ihn Sicherheit wiegen!“, verteidigte sie sich. „Laru, hast du schonmal daran gedacht, dass deine Versuche ihn vom Gegenteil zu überzeugen, ihn genau das denken lassen!“, sagte Arna sanft aber mit Nachdruck. „Vielleicht hast du es schlimmer gemacht, als du es eigentlich gutmachen wolltest!“

„Aber was soll ich noch machen, als ihm tausendmal zusagen, dass…?“, wollte sie sagen, doch sie seufzte schwer. „Arna, so langsam frage ich mich wirklich, ob er mir überhauot vertraut. Ich meine, wir sind schon solange zusammen und doch denkt er sonst was von mir. Du hättest ihn sehen sollen, wie er sich aufgeführt. Mag es das Bier gewesen sein oder nicht. Ich dachte, ich habe einen eifersüchtigen Gockel vor mir!“ Eifersüchtiger Gockel, dachte er erschrocken und spürte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. Hatte er sich so daneben benommen?

Es musste so sein, wenn sie ihn so beschrieb. Was war er doch für ein Dummkopf gewesen. Arna lachte, als Laru es ausgesprochen hatte, beruhigte sich aber wieder. „Nun dann müsstest du eigentlich glücklich sein. Ein Mann, der sich so aufführt, empfindet wirklich etwas und du solltest dich ein wenig geschmeichelt fühlen. Siehe es doch mal so: Wenn er kein Vertrauen zu dir hätte, geschweige denn etwas für dich empfinden würde, wäre es ihm egal, wenn du mit einem anderen Mann etwas anfangen würdest!"

In Gedanken jubbelte Lore ihr zu. Die Alte mag zwar ein Drache sein, aber sie wusste genau, was es bedeutete, wenn ein Mann eifersüchtig war. „Aber dann, warum sagt er es nicht. Warum sagte er nicht, dass er…!“, kam es zweifelnt von Laru und Arna unterbrach sie:„ Er ist ein Mann. Männer sind so. Sie tragen das Herz nicht auf der Zunge, wie wir Frauen. Gib ihm etwas Zeit und habe Geduld und Verständniss mit ihm. Ich habe das Gefühl, dass er, trotz seines Alters noch innerlich ein Kind ist, das nicht gern teilt. Zumindest nicht, was sein allerliebstes Spielzeug angeht!“

„Also bin ich ein Spielzeug für ihn?“, fragte Laru und in ihrer Stimme hörte er, dass ihr dieser Vergleich nicht gefiel. Um ehrlich zusein, ihm auch nicht. Arna lachte wieder. „Das ist nur eine Metapher, Kind. Was ich damit sagen will, ist, dass du Geduld haben musst. Es ist nicht einfach für ihn, dass du dich auch für andere Männer interessierst!“, sagte sie. „Er denkt, er sei die Sonne in deinem Universum!“

„Also jetzt klingst du wirklich ein altes Waschweib!“, kam es aus Laru und Lore musste ein Lachen unterdrücken. Aber so komisch dieser Satz auch war, er hatte etwas Wahres an sich. Bisher hatte Lore wirklich gedacht, sie würde nur ihn wollen. Dass ein anderer Mann ihm diesen Platz streitig machen konnte, behagte ihm gar nicht. „Aber es ist so. Das zeigt doch deutlich, dass er etwas für dich empfindet. Und dass er Hoffnung hat!“

„Ich weiss. Ich habe ja auch die Hoffnung, dass er sich für mich…erwärmen könnte. Und manchmal glaube ich, es zusehen. Wie er mich ansieht und wie er versucht, es mir recht zumachen!“

„Na, siehst du. Das ist doch Beweis genug. Versuch etwas mehr auf ihn einzugehen. Es kann ja sein, dass du das erste weibliche Wesen bist, das sein Herz gestohlen hat!“

Als Lore diese Worte hörte, merkte er, wie sein Herz kurz aussetzte und dann mit doppelter Kraft anfing weiterzuschlagen. Das erste weibliche Wesen, welches sein herz gestohlen hat. Eine verrückte, beinahe lachhafte Vorstellung und wenn er noch der Alte wäre, hätte er darüber gelacht. Nun aber begann er sich ernsthaft darüber Gedanken zumachen. Zum ersten Mal emfpand er etwas für ein Mädchen. Etwas, was er selber nicht begreifen konnte und was ihm neu war. Dass ihn dazubrachte, Dinge zutun, die er unter normalen Umständen niemals tun würde. Dachte, was er nie denken würde. Das Mädchen, dem er gegrollt und es für sein Unglück verantwortlich gemacht hatte, hatte ihn verändert.

Was für eine Ironie.

„Das glaube ich nicht. Ich bin sicher, er hat so manch anderer edlen schönen Dame schöne Augen gemacht, nur um ihr dann das Herz zu brechen!“, hörte er die erschöpfte Stimme und hätte am liebsten aufgeschrien. Nein, niemals. Nie hatte mich eine andere Frau interessiert, schoss es ihm durch den Kopf und wollte aus seinem Mund springen, doch er hielt sich zurück. Wenn er sich jetzt verriet, würden sie Gott weiss was denken. Und Arna würde ihn schellten. Darauf kontne er getrost verzischten. „Das glaube ich nicht. Ich kenne ihn nicht sogut, wie ich dich kenne und ich halte ihn zwar für einen Kindskopf. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemand ist, der an jedem Finger zehn Frauen hat!“, sagte sie und er kontne deutlich in ihrer Stimme hören, dass sie lachte. Zuerst hatte er ihr alles Mögliche an den Hals gewünscht, als sie ihn als einen Kindskopf bezeichnet hatte, aber dann war er erstaunt, dass sie so eine gute Meinung von ihm hatte. Sie kannte ihn doch kaum.

Oder hatte sie etwa die Gabe, in einen tief hineinzusehen und zuerkennen, was für und wie ein Mensch wirklich war?

Laru hatte da so ihre Zweifel, aber sie sagte es nicht, sondern schwieg und dieses Schweigen machte ihm das Herz schwer. Dachte sie wirklich so schlecht von ihm?

Hatte sie schon immer so gedacht, oder tat sie es erst, als sie sah, wie er sich benommen hatte?

Lore spürte, wie länger er darüber nachdachte, desto mehr zog es ihn hinunter und irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Ohne ein klopfen, ohne ein Zeichen, dass er vor der Tür stand und eintreten wollte, öffnete er die Tür und versuchte so zutun, als sei nichts.

„Ich bin wieder da!“, sagte beiläufig und hielt den Blick auf den Boden gerichtet. Arna saß am Tische, Laru auch, Aber während die ältere Frau ihn direkt anschaute, wich Laru seinem Blick aus. Wie damals, als sie sich noch so fremd waren.

Waren sie es nun wieder?

Würde sich alles wiederholen?

Lore versuchte es sich nicht anmerken zulassen, sondern schloss die Tür und setzte sich zu ihnen. Kaum das er am Tisch saß, stand Laru auf und ging zum Kamin. Rührte in etwas herum, das nach Suppe roch. Lore sah er nach und kam sich vor, wie verlassen. Was war nur mit ihr?

„Du kommst aber spät!“, riss ihn Arna aus den Gedanken und klang tadelnt. „Ja, ich…es war noch viel zutun!“, sagte er schnell und versuchte ruhig zuklingen. „So? Naja. Jetzt bist du wieder zuhause. Und ich kann nachhause gehen!“, sagte die resolute Frau und stand auf. Strich sich ihre Schürze glatt und ging zu Laru. Nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie sanft auf die Stirn. Sagte noch etwas. Dann ging sie und schloss hinter sich die Tür. Lore sah ihr nach, fragte sich, was die Alte ihr zugeflüstert hatte. Sicherlich einen Trost. Und er fühlte sich verpflichtet, sie ebenso zu trösten. Sie in den Arm zu nehmen und sich bei ihr zu entschuldigen. Doch er konnte es nicht. Wie sie so dastand, so abweisend und ihm deutlich die kalte Schulter zeigend, fiel es ihm schwer. Würde sie ihn überhaupt an sich heranlassen? Lore stand da, wie ein kleiner Junge, der nicht wusste, wie er sich bei seiner bitterenttäuschten Mutter entschuldigen sollte.

Laru rührte geschäftig in der Suppe, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Selbst als er sich ein wenig vorbeugte und damit einen Laut verursachte, drehte sie sich nicht um. Eine schwere Stille hatte sich über die beiden gelegt. Irgendwann hielt es Lore nicht mehr aus. Stand auf und ging zu ihr. Blieb dicht hinter ihr stehen, hob die Hand, um sie an der Schulter zuberühren, hielt aber inne. Als Laru sich umdrehte und sah, wie er so hinter ihr stand und sie angesehen hatte, hob sie die Brauen. „Was ist?“, fragte sie. Lore wollte den Mund öffnen, um etwas zusagen, doch er konnte es nicht, als er ihre Augen sah. Sie waren gerötet und ihre Wangen waren nass. Hatte sie etwa geweint? Seinetwegen?

Das schlechte Gewissen wurde unerträglich und statt etwas zusagen, streckte er die Arme aus und riss sie an sich. Laru war völlig überrascht und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Wie vom Blitz getroffen stand sie da. In seinen Armen, fest von ihm an seine Brust gedrückt. Minuten standen sie so da und irgendwann schaffte es Lore zusprechen. „Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun!“, flüsterte er an ihr Ohr und die Überraschung schlug schnell in etwas um, welches ihre Wangen glühen ließen und sie lächeln ließ. All der Kummer und die Traurigkeit waren weggewischt. Zurückblieb nur ein Gefühl des Glücks und der Erleichterung. Dennoch erwiederte sie seine Umarmung, weil sie es nicht ruinieren und noch länger in seinen Armen sein wollte. „Ich vergebe dir!“, flüsterte sie dann und drückte sich, wenn auch etwas unwillig, von ihm und ging wieder zum Kamin, über desen Feuer immernoch die Suppe brodelte. „Komm, setz dich. Das Essen ist fertig!“, sagte sie dann und Lore setzte sich. Gemeinsam aßen sie zu Abend und immer wieder sahen sie sich einander lächelnt an.

Als sie sich ins Bett legten, hatte Laru noch eine Bitte „Würdest du mich in den Arm nehmen. So wie du es getan hast, als ich krank war!“

Lore zögerte kurz, ehe er etwas sagte. „Natürlich, wenn es dein Wunsch ist?“

„Es ist mein Wunsch!“, flüsterte sie und Lore legte seinen Arm um sie, drückte sie fest an sich. „So besser?“

Laru lächelte und kuschelte sich enger an ihn. „Viel besser!“, murmelte sie. Nahm seine Hand und hauchte einen Kuss auf seine Fingerkuppen. Lore schauderte und drückte sie enger an sich. „Schlaf gut, Goldkehlchen!“, sagte er. Laru lächlte. „Gute Nacht, mein Prinz!“

Zarte Bande

Als Lore am nächsten Morgen erwachte, was Laru schon lange wach. Mit dem Kopf auf eine Hand gestützt, schaute sie ihn mit einem Lächeln an. „Morgen, mein schöner Prinz!“, säuselte sie. Lore musste grinsen. „Morgen!“, nuschelte er und streckte sich. „Hast du gut geschlafen?“, fragte sie. „Komischerweise, besser als ich gedacht habe!“, antworte er. „Und du hast nicht reinzufällig etwas ganz ganz schönes geträumt?“, bohrte sie weiter. Lore runzelte die Sitrn. Warum fragte sie das? „Nein, habe ich nicht!“ „Ganz sicher?“ „Ja, warum fragst du mich das?“, gähnte Lore. Doch statt etwas zusagen, deutete Laru mit einem noch breiteren Grinsen auf die Bettdecke, die seine Hüften bedeckte. Als Lore sich aufrichtete, sah er die große Wölbung unter der Bettdecke. An der Stelle, wo sich seine Lenden befanden. Sofort war Lore hellwach und sprang wie von der Biene gestochen auf. „Verdammt nochmal!“, schrie er und rannte ins Badezimmer. Laru konnte dabei nicht anders und musste laut lachen.
 

Wenig später machten sie sich auf den Weg zum Feld. Lore schwieg und seine Miene war alles andere als fröhlich. „Jetzt lach doch wieder!“, bat Laru ihn, doch Lore dachte nicht daran. „Kann ich nicht. Nicht mit der Blamage heute morgen!“, murrte er. „Das kann doch mal passieren. Du bist nicht der einzige Mann, dem das passiert!“, versuchte Laru ihn zu trösten. „Kennst du denn einen?“, fragte Lore entsetzt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Laru schon mal einen Mann in solch eine peinliche Situation gesehen hatte. Laru grinste verschmitzt. „Keinen persönlich. Aber ich weiss dennoch, dass es bei Männern üblich ist. Nur weil ich eine Frau bin, heisst es nicht, dass ich dumm bin!“ „Das habe ich nicht behauptet!“, meinte Lore kleinlaut. Natürlich wusste sie es. Sie hatte ja Freunde, die ebenso Männer waren und sich sicherlich nicht dafür schämten Witze darüber zumachen. Dennoch überraschte es ihn, dass sie so unverblümt darüber sprach. Aber eigentlich müsste er es gewohnt sein. Und ehrlich gesagt war er froh, dass sie so offen war. Ganz im Gegensatz zu den anderen edlen Damen am Hofe, die tagtäglich damit beschäftigt waren, das Geld ihrer Gatten auszugeben und sich auch noch nach anderen Männern umschauten. Und es verstanden, dies zu verschleiern. Bei Laru war er sich sicher, dass sie das niemals tun würde. Ihn belügen auf irgendeine Art und weise. Und dies entlockte ihm ein Lächeln. „Warum lächelst du? Ist dir ein guter Witz eingefallen?“, fragte Laru. Lore schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, das nicht. Ich…ich habe nur…!“, wollte er sagen, als eine Männerstimme sie begrüßte. „Morgen ihr beiden!“ Mare. Er stand mit Caarza am Strassenrand und winkte ihnen zu. Laru erwiederte den Gruss, während Lore nur betreten aussah. Zugern hätte er ihr gesagt, an was er gedacht hatte. Aber wie immer kam was dazwischen und so hatte er nicht mehr die Chance ihr das zusagen, was er sagen wollte. Lore schluckte seinen Ärger hinunter und zwang sich zu einem Lächeln. „Auch euch einen schönen Morgen!“, grüßte er.
 

Laru verabschiedete sich, wie gewohnt und ließ ihren Mann allein. Auf dem Feld, während sie arbeiteten, warf Mare Lore fragende Blicke zu. Schien ihn sichtlich zu mustern, was Lore irgendwann unangenehm wurde. „Was ist denn? Warum siehst du mich so komisch an?“, fragte er. Mare hielt kurz inne. Stelle die Sense ab und sah ihn nocheinmal prüfend an. „Nichts!“, sagte er. „Nur du siehst so anders aus!“ „Wie anders?“ „Naja, anders eben. Als seist du über Nacht jemand anderes geworden. Du siehst zufrieden aus!“ Lore meinte, sich verhört zuhaben. Zufrieden? Wie sollte er zufrieden sein, wenn das, was er am liebsten zu Laru gesagt hätte, niemals mehr seine Lippen verlassen würde. Und auf seiner Seele lasten und ihm keine ruhige Nacht mehr lassen würde? Vor allem war da noch etwas, was an ihm nagte. Er hatte sich zwar bei ihr entschuldigt, aber… Er hatte das Gefühl, dass ein einfaches „Tut mir leid“, nicht reichen würde. Dass er mehr tun wollte und musste, wenn er wollte, das Laru glücklich war. Viel zu spät merkte er, wie Mare ihn immernoch fragend anschaute und auf eine Antworte wartete. „Ja, ich…ich bin zufrieden!“, sagte er und schwang weiter die Sense. „Hast du dich wieder mit Goldkehlchen versöhnt?“ „Hm, ja. Wir… wir haben geredet und uns ausgesprochen!“, sagte er mit einem Schulerzucken. „Das ist schön…warum ziehst du dann so ein Gesicht?“ „Du hast doch selber gesagt, dass ich zufrieden aussehe?“ „Das war ein wenig geflunkert. Du scheinst zwar nicht mehr so angespannt zusein, aber dennoch sieht man dir an, dass dich etwas beschäftigt!“ Lore wollte darauf etwas sagen. Dass das nicht stimmte, ließ es aber, da Mare den Nagel auf den Kopf getroffen hatte und ihm damit erstmal zum Schweigen gebracht hatte. Lange Zeit schaute er betroffen auf den Boden und überlegte sich, was er sagen sollte. „Nun, ich…!“, kam es zögernd aus ihm und er kam sich wie ein Kind vor, dass man bei einem Streich erwischt hatte. Er schloss die Augen und seufzte schwer. Sprach aus, was ihn beschäftigte. Aber er hatte das Gefühl, dass es nicht alles war. „Ich habe mich benommen wie ein Trottel und ich fühle mich deswegen nicht gerade wohl. Ich habe das Gefühl, dass eine Entschuldigung nicht reicht!“ „Was, deiner Meinung nach, würde reichen?“ Lore zuckte die Schultern. „Ein Geschenk vielleicht!“ „Das ist schon mal ein Anfang. Denk weiter!“, ermutigte Mare ihn. „Eine Kette oder ein Ring vielleicht!“, sagte Lore. „Aber sicher sind die viel zu teuer!“ „Wenn du genug Geld zusammensparst, wirst du dir sowas leisten können!“, riet Mare ihm mit einem Lächeln. „Und wieviel und wielange muss ich ihn sparen?“ Mare wiegte den Kopf hinundher. „So sechs Monate. Oder auch mehr!“ Lore seufzte niedergeschlagen. Sechs Monate… Das ging ihm zu langsam. Aber er wusste auch nicht wie er anders an Geld kommen sollte. Vielleicht wenn er woanders noch arbeitete. In der Stadt. In der Schenke von Jardo. Sicherlich würde er ihm eine Stelle geben. „Meinst du Jardo würde mich einstellen. Als Küchenhilfe oder so?“, fragte er. Mare schien erstmal verblüfft über diese Frage zusein, aber dann dachte er wohl ernsthaft darüber nach. „Frag ihn doch. Ich bin sicher, er könnte einen wie dich gut gebrauchen!“, sagte er, mit einem breiten Grinsen. „Einen so jungen und kraftvollen Burschen, kann man immer brauchen!“ Lores Gesicht begann verräterisch zu glühen. „Wie meinst du das nun wieder?“ „Naja, ich kann mir gut vorstellen, dass so ein hübscher Mann, wie du, sehr viele Gäste anlocken würde. Besonders weibliche Gäste!“, grinste Mare und Lore wurde noch röter. „Mare!“, platzte es aus ihm heraus.Mare lachte herzhaft und klopfte ihm auf die Schulter. „Das war nur ein Witz!“, sagte er schallend. „Aber es bleibt nicht aus, dass du eine Menge Verehrerinnen haben wirst, so wie Laru Verehrer!“ Laru wusste nicht, ob er das Kompliment nehmen sollte. Lore konnte sich nur einen Verehrer vorstellen. Der Admiral! Und der war ihm zuviel. Wieviele Mädchen würden ihm anschwärmen? Schon im Reich seines Vaters war er bei den Damen beliebt gewesen, wie wäre es in der Schenke? Sicherlich genauso. Oder vermutlich noch schlimmer. Fast schon freute er sich diebisch darauf, Laru so einen auszuwischen. Sagte sich aber, dass er das nur tat, um ihr etwas schönes zuschenken und eine Freude zumachen. Nicht um sie zu ärgern. Wobei ein wenig sticheln und ärgern wird ja wohl erlaubt sein… „Laru wird sicher begeistert sein, wenn sie erfährt, dass du etwas für sie kaufen willst!“, sagte Mare. „Nein, ich…es soll eine Überraschung sein!“, platzte es aus Lore heraus, wobei er selber überrascht war war. Doch irgendwie wollte er es so. Mare warf ihm kurz einen verblüfften Blick zu, doch dann grinste er ihn verschlagen an. „Verstehe…!“ „Kannst du mir da helfen!“, bat er ihn. „Ich weiss nämlich nicht, wie ich das machen soll. Hier arbeiten und in die Stadt fahren!“ „Verlass dich auf mich, ich werde mir schon was einfallen lassen!“ Dieser Einfall, von dem Mare sprach, war, dass er dem Vogt erzählte Lore sei in die Stadt gerufen worden, um am Hafen auszuhelfen. Doch er würde die ersten drei Tage aufs Feld und die letzten drei Tage in die Stadt kommen. Der Vogt schien nichts dagegen zuhaben, denn er willigte ein. Nun musste Lore nur noch Jardo fragen und mit ihm über den Lohn verhandeln. Diese Gelegenheit bot sich ihm schon in den nächsten Tagen, als ein Bauer mit seinem Rinder-Karren vorbei fuhr. Lore hielt den Mann an. „Verzeiht, aber könnt Ihr mich mit in die Stadt nehmen?“, bat er ihn. Der Bauer kniff die Augen zusammen. „Warum das?“ „Ich habe was zu erledigen. Bitte, es ist wirklich wichtig!“, sagte Lore und fragte sich, warum der Bauer so misstrauisch war. Er war wirklich nicht gerade jemand, der einen ausrauben würde. „Nagut, spring auf!“, sagte der Bauer dann barsch und Lore setzte sich auf die leere Fläche des Karren. Als der Karren losfuhr, rief Lore Mare zu:„ Ich werde soschnell wie möglich zurück sein!“
 

Als Lore in der Stadt ankam, herrschte das übliche geschäftige Treiben. Marktfrauen boten ihre Ware feil. Männer schleppten schwere Säcke durch die Gegend und Rinder oder Maultiere zogen schwere Wagen durch die Strassen. Doch er musste feststellen, dass er nicht so genau wusste, wo der die Schenke finden konnte. So fragte er sich durch und stand wenige Minuten vor der Schenke. Als er eintrat war diese noch recht leer. Nur wenige Männer saßen an Tischen und tranken ihr Bier. Jardo stand hinter der Theke und wusch die Gläser und Kruge sauber. Kaum dass er den jungen Mann sah, grinste er von einem Ohr zum anderen. „Lore, sei gegrüßt. Was machst du denn hier?“, fragte er und warf sich das Tuch, mit dem er die Gläser getrocknet hatte, über die Schulter. „Möchtest du was trinken?“ „Nein, danke. Ich bin hier, weil ich dich fragen möchte, ob du Arbeit für mich hast?“Jardo hob überrascht die Brauen. Und Lore fragte sich, warum es so ungewöhnlich war, wenn er nach Arbeit fragte. Hatte Laru hinter seinem Rücken übles über ihn erzählt? Er traute ihr das nicht wirklich zu. Oder hatten die anderen sich ihre eigene Meinung über ihn gebildet, die nicht gerade hochwar? Lore wollte nicht darüber nachdenken. „Hast du denn nicht schon genug auf dem Feld zutun?“ „Doch, aber ich möchte noch ein wenig mehr verdienen!“ „Da bist du bei mir an der falschen Adresse. Ich kann dir nicht mehr geben, als du auf dem Feld verdienst!“ „Ich verlange auch nicht zuviel. Es ist auch eigentlich nicht für mich!“ „Sondern?“ Lore zögerte kurz. Jardo war mit Laru genauso gut befreundet, wie Mare es war. Aber vielleicht würde er genauso dicht halten, wie Mare. „Es ist für Laru. Ich möchte ihr eine kleine Freude machen!“, sagte er. „Aber sag ihr kein Wort. Sie darf es nicht erfahren!“ Jardo grinste umso mehr. „Verstehe!“ Lore merkte, wie verlegen er wurde. Dabei war es doch nichts Besonderes, wenn ein Mann einer Frau ein Geschenk machen will. Was dachten sie denn von ihm? „Also gut. Ich gebe dir eine Stelle als Tellerwäscher. Dass müsste fürs erste reichen. Erstmal klein anfangen!“ Lore wollte beinahe schon was sagen, ließ es aber. Besser als nichts, dachte er. „Einverstanden!“, sagte er. „Und…wie viel würde ich bekommen?“ Lore traute sich nicht wirklich das zufragen, aber so konnte er immerhin sehen, wielange er sparen musste. Jardo legte die Stirn in Faltern, dachte nach. „Ich denke, so ein Silberstück pro Stunde, müsste reichen!“, sagte er grübelnd. Lores Augen wurden groß. Das war mehr als er dachte. Er hätte gedacht, er würde ihn mit Kupferstücken auszahlen. „Das…das ist…!“, wollte er sagen, doch Jardo winkte ab. „Mach dir deswegen keinen Kopf, Junge. Wann kannst du denn?“ „Die letzten drei Tage der Woche!“, sagte er prompt. Jardo nickte. „Das ist gut. Da ist am meisten los. Also dürfte es auch genug Geld für dich geben!“, sagte er grinsend. Lore brachte nur ein verlegendes Lächeln zustande. „Wann soll ich dasein?“ „So kurz vor Abend!“, sagte er. „Gut, dann muss ich sehen wie ich das anstelle, damit Laru das nicht mitkriegt!“, überlegte er laut. „Oh, ich denke, dir wird schon was einfallen!“

Gleich nachdem er aus der Schenke, ging, suchte er nach einem Schmuckhändler. Bei dem wollte er sich den passenden Ring für Laru aussuchen. Diesen fand er an einer Strasse, die von Häusern umsäumt war, in denen man weitere kostspielige Ware erkaufen konnte. Stoffe, von feinster Seide bis Leder. Goldgeschmeide und Schuhe in allen Formen. Hier sah man edle Leute ein undausgehen. Gefolgt von ihren Dienern, die beladen waren mit Kleidern und anderen Schnickschnack. Lore hatte fast schon Mitleid mit den Dienern, denn er konnte sich denken, dass die Edlen noch lange nicht genug hatten. Mit eiligen Schritten ging er zu dem Juwelier. Ein Glöckchen bimmelte, als er die Tür öffnete und ein Mann, mit kurzen, beinahe weissen Haaren und mit einem gezwirbelten Bart. Gekleidet in dunkelblaue Kleider, die förmlich nach Geld stanken. Kaum dass er ihn sah, mass dieser Lore mit einem abschätzenden Blick. Gerne hätte Lore ihm was gesagt, doch er verbiss es sich. „Guten Tag!“, grüßte er ihn höflich und trat näher. Doch der alte Ziegenbock sagte nichts, sah ihn immer noch so an, als sei er ein Strassenhund. „Ich möchte gern einen Ring bei Ihnen kaufen!“, sagte er schließlich. „So, und was schwebt Ihnen da so vor?“, fragte er schließlich und Lore schaute durch das Glas, mit der Ware darunter. Suchte eine Weile nach dem richtigen Ring. Und fand ihn. Ein goldener Ring mit einem schimmernden Smaragd darin eingefasst. Trotz dass er so schlicht aussah, war er in Lores Augen das perfekte Geschenk für Laru. „Was kostet dieser Ring?“, fragte er. Der Händler sah erst zu ihm, dann zum Ring und dann wieder zu Lore. In seinem Gesicht spiegelte sich deutlich, was er dachte: Das Lore sich diesen Ring niemals leisten konnte! Lore verbiss sich ein Kommentar und wartete geduldig auf eine Antwort. „Zweiundfünfzig Goldstücke!“, sagte er und im nächsten Moment fiel Lore alles aus dem Gesicht. Zweiundfünfzig Goldstücke! Soviel Geld würde er niemals zusammenbekommen. Nicht in so kurzer Zeit. „Wieviel würde er in Silberstücke kosten?“, fragte er, auch wenn er wusste, dass es ein Tropfen auf heissem Stein war. Der Ziegenbock überlegte kurz. „Fünfzig Silberstücke, wären das!“, sagte er und Lore merkte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich. Fünfzig Silberstücke. Das war ja noch mehr als vorher. Lore dachte kurz daran, einen Rückzieher zumachen. Doch dann sagte er sich, dass er es Laru schuldete und dass es wert war. „Ich habe soviel Geld nicht bei mir und brauche Zeit, bis ich es zusammen habe. Kann ich den Ring irgendwie weglegen?“, fragte er. Der Mann sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. „Tut mir leid, aber das ist leider nicht möglich!“, sagte er. „Bitte, gehen Sie. Ich habe noch andere Kunden!“ „Hören Sie, es ist sehr wichtig, dass ich diesen Ring kaufe. Er ist für jemanden ganz besonderen!“, versuchte es Lore nochmals. Irgendwie musste sich dieser alte Bock weichkochen lassen. Wäre er noch ein Prinz, dann… Lore verwarf diesen Gedanken wieder. Die Zeiten in denen er ein Prinz war, waren vorbei. Nun war er ein Bürgerlicher und musste sich sein Geld selbst verdienen. „Und wer sollte das sein?“, fragte der Alte misstraurisch. „Für ein Mädchen. Ihr Name ist Laru. Aber man nennt sie auch Goldkehlchen!“, erklärte er und hoffte, dass er damit etwas erreichen könnte. Aber der Alte schien nicht zu wissen, wen er damit meinte. Oder er wusste es und es war ihm egal. „Sagt mir nichts!“, meinte er und winkte ab. Drehte sich um und wollte gehen. „Verschwenden Sie nicht länger meine Zeit!“ Nun aber platzte Lore der Kragen. So verbohrt konnte doch keiner sein. „Ich werde nicht eher gehen, bis Sie mir den Ring weglegen lassen!“, sagte er wütend und schlug mit der Faust auf die Theke, dass das Glas klirrte. Der Ladeninhaber drehte sich daraufhin um. „Soll ich die Stadtwache rufen?“, drohte er. „Nein, ich will nur, dass Sie den Ring für mich weglegen. Der eine tut es doch nicht. Sie haben noch genug andere teure Ringe!“ „Warum zum Teufel, wollen Sie unbedingt diesen haben. Der ist nicht gerade hochwertig?“, fragte der Mann und lehnte sich vor. Lore hätte sich beinahe verschluckt als er das hörte. Der soll nicht hochwertig sein? Wieso verlangte er dann fünfzig Silberstücke dafür? „Der Preis spielt für mich keine Rolle. Ich will ihn meiner Frau schenken!“, blaffte er. „Ist das denn zuviel verlangt?“ In diesem Moment kam ein junges und vor allem nach viel Geld aussehendes Paar rein, das seine letzten lauten Worte hörte und wie angewurzelt in der Türe stehen blieben. Unsicher sahen sie sich an, überlegten, ob sie nicht zu einem etwas späteren Zeitpunkt sollten oder gar nicht. Der Mann hinter Theke ahnte natürlich, dass ihm damit womöglich ein gutes Geschäft durch die Lappen gehen würde und es sich sicherlich rumsprechen würde, dass er nicht mal einem einfachen Bürger etwas verkaufen wollte. Das wiederum würde bedeuten, dass sein Geschäft in Verruf geriet und es bald schließen würde. Etwas, was er um jeden Preis verhindern wollte. Also entschied er schwer seufzend, dass er den Ring weglegen würde. „Also gut. Ich lege ihn weg. Kommen Sie wieder, sobald Sie das Geld zusammen haben!“, murrte er und winkte noch einmal ab. Lore, zuerst verwirrt von dem plötzlichen Sinneswandel, dann aber doch erleichtert, dass er sich doch noch erweichen ließ, nickte und drehte sich um. Grüßte und verabschiedete sich höflich von dem Paar, ehe er die Tür öffnete und den Laden verließ. Dann machte er sich auf den Weg zurück. Für heute hatte er alles erledigt.

Lore kam gerade noch rechtzeitig, bevor Laru ihn abholte. Mare beugte sich zu ihm. „Und hast du alles erledigt, was du zu erledigen hattest?“, fragte er. Lore nickte. „Ich muss mir nur noch einfallen lassen, wie ich das mache, damit sie keinen Verdacht schöpft!“, flüsterte er. „Lass mich das machen!“, sagte Mare plötzlich und stiess ihn mit dem Ellenbogen an. Noch bevor Lore fragen konnte, was er damit meinte, zwinkerte Mare ihm verschlagen zu. Was hatte er denn vor?
 

Während sie sich auf den Heimweg machten, bemerkte Lore, dass Larus Gang einwenig langsamer war und den Kopf gesenkt hielt. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie etwas bekümmerte. „Laru, was ist mit dir? Stimmt was nicht?“, fragte er und Laru, die wohl vorher tief in Gedanken versunken war. Nun aber hochschreckte und ihn verwirrt anschaute. „Wie?“ Lore räusperte wiederholte seine Frage. „Ob was nicht stimmt?“, sagte er. „Du bist so still!“

Laru, die sich wohl nicht bewusst gewesen war, dass ihr die Sorge und der Kummer ins Gesicht geschrieben stand, blickte ihn für einige Minuten verwirrt an, blinzelte, als würde sie ihn nicht wirklich erkennen. Doch dann schüttelte sie den Kopf. Machte sich aber nicht die Mühe ein Lächeln aufzubringen, um ihm zuzeigen, dass alles in Ordnung war. „Ich…ich habe nur gerade nachgedacht!“, flüsterte sie. „Und worüber?“, bohrte Lore weiter, weil er das Gefühl nicht loswerden konnte, dass sie sich schwer damit tat, es auszusprechen. Und er fragte sich, was es war, dass sie so niedergeschlagen war. „Der Admiral sticht morgen wieder in See. Ich wollte mich von ihm verabschieden. Aber nicht ohne…!“, sagte sie und sah ihn an. Lore wusste sofort, was sie sagen wollte und warum sie so ein Gesicht gemacht hatte. Sie fürchtete, dass er wieder eifersüchtig werden und sie wieder tief verletzen würde. Lore kämpfte gegen einen fetten Kloss, der sich in seinem Hals bildetete und ihm das Atmen schwermachte. Warum ausgerechnet jetzt? Es war doch alles gut zwischen ihnen. Sie hatten sich wieder einander genähert. Vertragen und er hatte gemeint, dass nun mehr zwischen ihnen war. Doch jetzt musste dieser Kommandant wieder alles zunichte machen und gerne hätte er sich geweigert sie zubegleiten. Doch dann hätte er ihr gezeigt, dass er immernoch wütend auf diesen Admiral war und ihr einen Grund gegeben, weiterhin Kummer zu haben. Nein, das wollte er nicht. Nicht nocheinmal. Also nickte er und zwang sich ruhig zu klingen. „Ich komme mit!“, sagte er. Laru sah ihn nun mit leiser Skepsis in den Augen an. Für sie, war seine Antwort viel zu schnell und viel zu energisch ausgesprochen. Das machte sie natürlich vorsichtig. „Und du wirst dich nicht betrinken?“, fragte sie. „Nein, werde ich nicht!“ „Und nicht pöbeln?“ „Nein!“ „Und auch nicht wieder so ein Theater veranstalten?“ „Nein!“, murrte Lore, weil ihm diese Fragerei lächerlich vorkam. Traute sie ihm etwa nicht? Laru sah ihn noch eine Weile prüfend an, versuchte etwas in seinem Gesicht abzulesen, dass seine Worte Lügen straft. Doch Lore versuchte, sich nichts anmerken zulassen und Laru gab es schließlich auf. Sie hob die Schultern.

Sie machten sich schon gegen frühen Mittag auf den Weg zur Stadt. Zu Lores Erstaunen, hatte Laru dieses mal auf ihr schönes Kleid, welches sie bei der Ankunft des Admirals getragen hatte, verzichtet und trug ihre alltäglichen Kleider. Während sie auf den Weg dorthin waren, schwiegen sie. Lore schaute hin und wieder zu seiner Frau, die neben ihn herging und wieder zu grübeln schien. Er fragte sich, was gerade in ihrem Kopf vorging. Ob sie wieder fürchtete, dass er wieder von der Eifersucht ergriffen wird, sobald sie und der Admiral sich gegenüber standen? Zu gerne hätte er dies verleugnet. Sich gesagt, dass er darüber hinweg war und ihr vertraute, aber in ihm war immer noch eine schwache Spur dieser Eifersucht und die reichte aus, um ihm sein Herz schwer zumachen.
 

Im Hafen herrschte nicht soviel Aufregung, wie bei der Anknuft des Admirals. Nur wenige Menschen waren gekommen, um sich von ihm und seiner Besatzung zu verabschieden. Die meisten waren die Angehörigen der Matrosen, die sie umarmten und alles Gute wünschten. Sie baten wieder heil zurück zu kommen. Der Admiral selbst stand etwas abseits und gab die letzten Befehle, vor dem Auslaufen. Als er Laru erblickte, huschte ein schwaches Lächeln über die Lippen. Laru erwiederte dies. Machte einen Knicks. „Ihr verlässt uns wieder, Admiral?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Ja, leider!“, gab er ton los zurück. „Und wisst Ihr schon, wann Ihr wieder zurückommen werdet?“ Der Admiral schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist noch unklar, wielange wir wegbleiben!“, sagte er. „Aber ich werde dir schreiben, versprochen!“ Lore kostete es alle Kraft, die er aufbringen konnte, um sich nicht darüber zuäußern. Wie sehr es ihn wütend machte, die beiden sich so nahe zusehen. Doch er hielt sich zurück. Laru zuliebe. „Admiral. Wir wären soweit!“, sagte der Kapitän und der Admiral nickte. „Nun, du hast es gehört. Wir müssen los!“, sagte der Admiral. Laru nickte. „Dann wünsche ich Euch eine gute Fahrt und mögt Ihr heilundgesund zurückkommen!“, flüsterte Laru. Admiral Fira lächelte sanft, nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. „Mit deinem Wunsch kann mir nichts passieren!“, sagte der Admiral und grinste verwegen. Laru errötete. Lore wäre fast geplatzt. Dieser schleimige…, fluchte er und ballte die Fäuste. Da schob Fira sanft Laru zur Seite und trat an Lore heran. „Ich weiss, dass Ihr mich nicht ausstehen könnt. Das habt Ihr mir nur allzu deutlich gezeigt. Dennoch möchte ich Euch um einen Gefallen bitten!“, sagte er und legte die Hand auf Lores Schulter. Lore sah ihn nur an, wusste nicht, was er sagen sollte. „Bitte passt gut auf Goldkehlchen auf. Sie ist ein wunderbarer Mensch!“ „Das braucht Ihr mir nicht zu sagen!“, wollte es ihm schon aus dem Mund rutschen. Doch er nickte. Er wusste selber, dass Laru etwas Besonderes ist. Der Admiral lächelte etwas, schien in seinen Augen gesehen zuhaben, was er dachte. Verneigte sich dann und verabschiedete sich. Stieh die Planke hinauf und gab den Befehl zum auslaufen. Die Segel wurden gesetzt, die sogleich von dem Wind aufgebläht wurden und das Schiff aus dem Hafen gleiten ließen. Laru und Lore standen noch lange da. Bis das Schiff in der Ferne verschwunden war.
 

Die Woche verging schnell, zumindest die drei Tage, in denen Lore auf dem Feld arbeitete. Morgen würde er in der Stadt fahren, um dort in der Schenke von Jardo zuarbeiten und er fragte sich, wie Mare ihm da den Rücken freihalten wollte. „Jetzt verrate mir mal, was du vorhast, Mare!“, drängte Lore. Mare grinste nur verschlagen. „Ich werde Laru sagen, dass du die letzten drei Tage bei mir verbringst, weil wir länger arbeiten müssen. So muss sie dich nicht spätabends abholen!“, erklärte dieser und zwinkerte. Ahja, so hatte er es sich gedacht, dachte Lore. Eigentlich keine schlechte Idee. Laru würde sicher keinen Verdacht schöpfen. „Das könnte klappen!“, sagte er. Mare schlug ihm auf den Rücken. „Das wird es!“

Am nächsten Tag ging es schon los. Laru brachte Lore zum Feld und ging. Als er sich sicher war, dass sie weit genug weg war, verabschiedete er sich vom Mare und machte sich auf den Weg in die Stadt. Jardo erwartete ihn bereits. „Ah, das ist ja meine Aushilfe!“, grüßte er ihn mit einer ausschweifenden Geste und Lore war froh, dass nicht so viele Gäste da waren. Es war ihm schon unangenehm. Doch er wollte sich nichts anmerken lassen. Vor allem wollte er nicht unhöflich sein. Nicht nachdem Jardo zugesagt hatte, ihn hier arbeiten zulassen. So zwang er sich zu einem Lächeln. „Hallo, Jardo!“, sagte er und winkte knapp. „Ich hoffe, ich bin nicht zuspät!“ „Nein nein. Noch ist nicht viel los!“, winkte Jardo ab und zeigte gleich auf die Küche, aus dessen Ausgabefenster das Klappern von Geschirr zuhören war. „Dann komm mal mit. Ich zeige dir mal, was auf dich wartet!“, sagte er und ging zu dem Flur, der zur Küche führte. Lore folgte ihm. Die Luft in der Küche war feucht und heiss. Dampf stieg von einigen Becken auf, in denen heisses Wasser war und Teller, Becher, Krüge und anderes Geschirr gewaschen wurde. Freda stand da und wusch und trocknete diese. Als er das Knarren der Tür hörte, hielt er inne und schaute auf. Als er Lore sah, verfinsterte sich sein Gesicht. „Was macht der denn hier?“, fragte er und deutete mit dem nassen Finger auf Lore. Lore erinnerte sich noch gut daran, wie wenig Freda von ihm hielt. Und das dieser keinen Hehl daraus machte. „Er hilft uns bei der Arbeit ein wenig!“, sagte Jardo und klopfte Lore auf die Schultern. „Zeig ihm, wo alles liegt und wie er zu arbeiten hat!“ Dann ging er. Ließ Lore allein in der Küche und Lore fühlte sich plötzlich verloren, wie ein Kind. Zögernd warf er einen Blick zu Freda, der sich nicht gerade freute, ihn hier zu haben. Lore konnte nur hoffen, dass sie sich lange und oft genug aus dem Weg gingen um nicht Ärger zubekommen. Lore brauchte diese Stelle und er wollte Jardos Vertrauen nicht zerstören. Genauso wenig, wie er es bei Laru wollte. So schluckte er sein Unbehagen hinunter und versuchte freundlich dem jungen Mann gegenüber zusein. „Hallo, wie geht’s?“, fragte er. Freda schnaubte nur und wandte sich wieder der Arbeit zu. Lore stand unbeholfen da, schaute zu. „Kann ich dir helfen?“, fragte er, in der Hoffnung, sich nützlich zu machen und seinem Lohn gerecht zuwerden. Freda schaute kurz auf und wies dann auf ein Spülbecken neben ihm. Schaumkronen tanzten darauf und Lore tauchte die Hände hinein, um das Geschirr zu waschen. Doch kaum dass seine Finger das Wasser berührten, zuckte er zurück. „Das ist ja kochendheiss!“ „Natürlich ist das heiss. Wie sollst du sonst die verkrusteten Essenreste loswerden?“, fragte Freda, der sich über die Tollpatschigkeit dieses Dummkopfes ärgerte. Aber auch etwas amüsierte. Was hatte er erwartet? Das das Wasser kalt sei? Hatte er überhaupt mal abgewaschen? „Hast du das schonmal gemacht? Abgewaschen, meine ich?“, fragte er und sah ihn mit hochgehobenen Augenbrauen an. Lore errötete. Er hatte weder Abwasch noch irgendeine andere Hausarbeit getan. Doch das wollte er nicht zugeben. „Nur sehr selten. Laru wollte es nicht!“, sagte er schnell. „Sie meinte, sie wollte mir nicht alle Arbeit auferlegen!“ Freda schnaubte. „Sie ist viel zu gut für dich!“, murmelte er, aber Lore hörte ihn. Ob das Absicht war, wusste er nicht. Er wollte es auch nicht. Zumal in ihm die Wut hochkam, weil dieser junge Brusche sich erdreistete, sowas zu sagen. „Du weißt, nichts über mich!“, sagte er und schaute auf die Schaumkrone, die ruhig umhertanzten. „Und ob ich das weiss!“, konterte Freda. Doch Lore ging nicht darauf ein, sondern steckte seine Hände wieder ins Wasser und ignorierte den Schmerz, als das heisse Wasser seine Haut berührte. Vorsichtig tastete er sich durch das Wasser und ergriff etwas, was wohl ein Teller war. Holte ihn raus und nahm sich einen Schwamm. Begann damit vorschtig den Telle zuwaschen und legte ihn neben sich. Dann griff er wieder hinein und holte diesesmal einen Becher hervor. Wusch auch diesen. Freda schaute zu und musste sich eingestehen, dass er das gut machte. Doch er wollte nicht den Tag vor dem Abend loben.

Mit dem Anbruch der Nacht, kamen auch Gäste. Viele Gäste und Lore musste merken, dass das Geschirr, welches er gespült hatte, nichts zu den Bergen von Tellern, Besteck und Bechern, war, die sich nun nebem ihm auftürmten. Er seufzte schwer, als er sich den Haufen Arbeit ansah. Sagte aber nichts, sondern machte weiter. Als er eine kleine Pause machte, es war mittlerweile schon spät, stellte Jardo ihm einen Becher mit Bier hin. „Hier zur Stärkung!“, sagte er mit einem breiten Grinsen. Lore lächelte schwach. Er erinnerte sich noch zugut an die Wirkung, die Bier auf ihn hatte. „Nichts für ungut, aber kann ich ein Wasser bekommen?“, bat er verlegen und reichte Jardo den Becher mit dem Bier. Diesen nahm er, sah Lore kurz mit gerunzelter Stirn an, doch dann grinste er. „Kriegst du!“, sagte er und ging. Brachte ihm, wie gewünscht, einen Becher mit Wasser. „Danke!“, sagte Lore und nahm einen langen Schluck. Das kalte Wasser tat seiner Kehle gut, da er zum ersten Mal merkte, wie ausgedörrt sie war. „Und? Kannst du noch?“, fragte Jardo mit einem breiten Grinsen. „Ich denke schon!“
 

Lore arbeitete bis tief in die Nacht und schon bald merkte er, wie müde er wurde. Das ständige Abwaschen des Geschirrs, abtrocknen und in die Schränke räumen, ließ bald seine Arme schwer werden und seine Haut, durch die große Menge an Wasser ganz schrumpelig werden. Er glaubte schon, dass das ganze kein Ende nehmen würde. Erst als fast morgen war, gingen die letzten Gäste und Lore konnte mit Freda die Küche aufräumen und durchwischen. „Du kannst dir oben ein Zimmer nehmen und dich da ausruhen. Morgen geht’s weiter!“, hatte Jardo gesagt, woraufhin Lore beinahe niedergeschlagen geseuzft hätte. Er hatte sich das ganz wesentlich einfacher vorgestellt. Aber die Arbeit hinschmeissen wollte er auch nicht, da er sich sagte, dass er das nur für Laru tat. So schlürfte er die Stufen hoch, ging in das nächstmögliche Zimmer, welches natürlich freiwar und ließ sich mit samt Klamotten darauf fallen. Kaum dass er in den Federn lag, fielen ihm auch schon die Augen zu.

Die nächsten beiden Tage waren genauso wie sein erster Arbeitstag in der Schenke. Es wiederholte sich. Die gleiche Menge an Gästen und die gleiche Menge an Geschirr. Von der Küche aus, konnte er das Gegröle der Männer hören, die lauthals sangen, anstiessen oder lachten. „Ist denn immer hier soviel los?“, fragte er. Freda, der sowieso schon Lore mit misstraurischen Blicken bedacht, verfinsterte noch mehr den Blick und murmelte etwas, wie:„ Sieben Tage, von Sonnenauf-bis Untergang. So ist es nun mal, wenn man arbeitet!“ Laut sagte er:„ Man gewöhnt sich dran!“
 

Seine Arbeit in der Schenke gingen zu ende und Lore ging gleich am Morgen zum Schmuckhändler um seine erste Rate zuzahlen. Dann ging er auf das Feld. Dort berichtete Mare ihm, was er Laru erzählt hatte, um ihm den Rücken freizuhalten. „Danke dass du mir hilfst!“, bedankte sich Lore. Mare grinste nur. „Wenn es dir hilft, deine Angebetete glücklich zumachen, tue ich das gerne!“, sagte Mare und grinste noch breiter. Lore wurde rot. „Hast du denn schon genug beisammen?“ „Nein, es reicht noch lange nicht. Ich muss wohl noch einige Schichten in der Schenke machen, ehe ich den Ring kaufen kann!“, seufzte Lore schwer. „Ich bin sicher, dass du das hin bekommst!“, munterte Mare ihn auf.
 

Die nächsten Tage auf dem Feld waren heiss. Unerträglich heiss. Lore lief der Schweiß von der Stirn. Blieb in seinen Haaren kleben und machte sie strähnig. Immer wieder wischte er ihn sich weg oder versuchte ihn aus seinen Augen wegzuzwinkern. Zumal war sein Kopf vor den heißen Strahlen der Sonne ausgeliefert und er spürte einen leichten Anflug von Schwindel. Mare reichte ihm eine Haube, die er sich sogleich aufsetzte. Laru hatte ihm, als hätte sie es geahnt, zwei Feldflaschen mit Wasser mitgegeben, die Lore sich zwar einteilte, aber Zug um Zug immer etwas mehr trank. Als sie eine kleine Pause einlegten, setzte sich Lore und Mare in den Schatten und Lore zog sich die Haube ab. Wischte sich den Schweiß weg und als seine Finger durch sein nasses Haar strichen, verzog er angewidert das Gesicht. „Widerlich!“, murrte er. „Diese Hitze bringt ja einen um!“ Mare nickte und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Feldflasche. „Ja, das wird sicher noch ein Unwetter geben!“, murmelte er. Lore runzelte die Stirn und schaute hoch zum Himmel. Er war wolkenlos und strahlendblau. Keine einzige Wolke zu sehen. „Was für ein Unwetter? Ich sehe nichts!“, sagte er. „Es braucht Zeit bis sich das Unwetter austobt. Die Kraft sammelt in der Hitze und bricht dann los!“, erklärte Mare nachdenklich und biss in sein Brot. „Und wann genau?“, fragte Lore, der nun sorgenvoll dreinschaute. Er hatte oft als Kind in dem Schloss seines Vaters erlebt. Und es hatte ihm damals geängstigt. Die grellen Blitze und das ohrenbetäubende Donnern, der die Mauern erbeben ließen. Damals hatte er sich gefürchtet, und er fragte sich, wie gewaltig die Gewitter hier werden würden. „Gab es hier sehr schlimme Gewitter?“, fragte er dann. Mares Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. „Ja, leider. Die Berge halten nicht gerade viel von dem Unwetter zurück!“, erklärte er. „Zumal es für Laru schlimm werden wird!“ „Wieso schlimm?“, fragte Lore, der nun hellhörig wurde. Zwar war es nicht ungewöhnlich, dass man Angst davor hatte, aber etwas in ihm sagte, dass es mehr dahinter steckte. Mare sah ihn mit einem ernsten Blick an. Sagte aber nicht, das, was er hören wollte. „Das ist eine Geschichte, die dir Laru erzählen sollte. Ich habe nicht das Recht dazu!“

Der Tag ging rum und Lore kehrte nachhause zurück. Mares Worte hatten ihn nachdenklich gemacht. Aber solangsam ahnte er, was dahinter steckte. Er musste nur den richtigen Moment abwarten um es herauszufinden. Laru erwartete ihn bereits und als er in die Stube trat und sah, wie nassgeschiwtzt er war, sah sie ihn mit einem mitleidigen Blick an. „Kamst ganz schön ins schwitzen, wie?“, fragte sie dann mit einem amüsierten Lächeln jedoch. „Das ist noch untertrieben!“, murmelte er und zog sich das Hemd über den Kopf. „Möchtest du baden?“ Diese Frage und die Aussicht sich von dem Schweiss und diesem Gestank zubefreien, ließ ihn lächeln. „Sag mir wo und ich bade solange, bis meine Finger schrumpelig sind!“, sagte er und seine Worte entlockten Laru ein helles Lachen. Die Gelegenheit zum Baden war hinter dem Haus. Eine kleine Quelle mit klarem Wasser. Lore zog schnell noch seine Hose und die Stiefel aus und sprang in nass. Die Freude, sich zuwaschen, wisch jedoch kur einem Anflug von Entsetzen, als er feststellen musste, wie kalt das Wasser. Blieb aber drinnen und machte sich schnell daran, sich zu waschen. Laru trat hinaus und legte ihm einige Decken auf den Stein. In diese wickelte er sich sogleich und eilte ins Haus. Laru hatte ihm frische Kleider rausgelegt und war aus dem Schlafzimmer gegangen, damit er sich anziehen konnte. Als er wieder in die Wohnstube trat, versuchte er sein gewaschenes Haar zusammenzubinden, was jedoch nicht klappen wollte. „Ach, verflucht!“, murrte er. Laru lächelte milde. „Kann ich dir helfen?“, fragte sie. „Nein, es geht schon!“, wehrte Lore, gab es aber auf. „Komm, setz dich!“, sagte Laru mit einem amüsiertem Lächeln und klopfte mit der flachen Hand auf die Rückenlehne des Stuhls. Lore sah sie nur verwirrt. „Was hast du vor?“ „Ich möchte dir die Haare schneiden. Sie sind viel zulang und im Sommer sind sie mehr lästig, als nützlich!“, erklärte Laru nur. Da hatte sie Recht. Lore betrachtete seine viel zu langen Haare. „Kannst du das denn?“, fragte er dann wieder. „Natürlich, ich habe schon oft Haare geschnitten. Brauchst also keine Angst zu haben, dass ich dir das Ohr abschneide!“, bemerkte Laru mit einem verkniffenen Lächeln. Lore schluckte nur. Er zweifelte zwar nicht daran, dass sie eine sichere Hand hatte, aber irgendwie hatte er dennoch ein wenig Angst. „Vertrau mir!“, sagte sie nur und ergriff seinen Arm. Zog ihn dann zum Stuhl und drückte ihn auf diesen nieder. Dann holte sie eine Decke und warf sie ihm um. Aus einem kleinen Kästchen holte sie Kamm und Schere und begann sogleich, die langen Franzen abzuschneiden. Lore verkrampfte sich, als er spürte, wie die Schwere die ersten Strähnen abschnitt und sich weiter ihren Weg durch seine Haare bahnte. Er erwartete, dass sie versehentlich seine Haut streifen oder ihn schneiden würde. Doch nichts dergleichen passierte. Lore sah aus dem Augenwinkel, wie eine Haarsträhne nach der anderen runterfiel. Eigentlich hatte er seine langen Haare gemocht. Sie hatte ihm ein edles Aussehen verliehen. Welches einem Prinzen würdig gewesen war. Doch nun störten sie ihn.

Als Laru fertig war, nahm sie das Tuch ab und holte einen kleinen Spiegel, in den Lore seine neue Frisur betrachten konnte. Und er musste zugeben, dass es ihm gefiel. „Und? Sieht doch viel besser aus, oder?“, fragte Laru mit einem strahlendem und entwaffnendem Lächeln. „Und wie!“, sagte Lore und strich sich durch das geschnittene Haar. „Soll ich dir noch den Bart abrasieren?“, fragte sie. Lore zögerte kurz. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er einen Bart bekommen hatte. Aber es hatte ihn auch nicht interessiert. Jetzt wo er es sah, fragte er sich, ob er wirklich den Bart loswerden wollte. Er betrachtete ihn. Er war schon dicht gewachsen und verlieh ihm ein Einsehen, eines Wilden. „Naja…schon. Ich sehe damit aus, wie ein…!“, wollte Lore sagen, ließ es aber bleiben. „Ich weiss, mir gefällt der Bart an dir. Er macht dich so erwachsen!“, sagte Laru und zupfte sanft an diesem. Lore sah sie etwas skeptisch an. „Sehe ich so kindisch aus, wenn ich keinen Bart habe?“ „Naja, du siehst zumindest wesentlich reifer aus!“, sagte sie nur. „Und ich mag Männer, die reif aussehen und es auch sind!“ Lore wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er hatte sich immer schon als reif betrachtet. „Ich mache dir einen Vorschlag: Ich stutzte dir den Bart soweit, bis er ordentlich aussieht, einverstanden?“ Dagegen hatte Lore nichts einzuwenden. „Einverstanden!“, sagte er und Laru begann nun seinen Bart zustutzen. Ging dabei genauso geschickt vor, wie bei seinen Haaren. Nur hatte sie sich auf seinen Schoss gesetzt, was Lores Herz schneller schlagen ließ. Trotz dass sie schon solange zusammen waren. Sie schien es aber nicht zu bemerken, sondern blickte unentwegt auf seinen Bart. Schien sich ganz darauf zu konzentrieren, ihn nicht zuschneiden. „Mare sagte, dass es schon bald ein Unwetter geben wird!“, murmelte er. Er wusste nicht warum. Die Worte waren einfach so über seine Lippen gekommen. Laru hielt kurz inne, sah dann zu ihm hoch. Dann schaute sie wieder auf seinen Bart, schnitt weiter. Dieses Mal aber langsam, bedächtig. „Ja?“ „Ja, wann weiß er nicht. Aber er meinte, es würde sehr heftig sein!“ „Soso!“ „Hast du Angst vor Gewittern?“ Da hielt Laru nochmals inne, dieses mal länger. Sie öffnete den Mund um etwas zusagen, schloss ihn aber wieder und schüttelte den Kopf. Aber ihre Augen sagten etwas anderes. Sie hat Angst, ging es Lore durch den Kopf.
 

Natürlich fiel es jedem auf, dass Lore einen neuen Haarschnitt hatte und Mare sprach ihn darauf an. „Oh, eine neue Frisur!“, bemerkte er mit einem Schmunzeln. Lore zupfte an seinen Haaren. Es war ungewohnt für ihn, kurze Haare zuhaben. Es zog ständig in seinem Nacken. Ein komisches Gefühl. „Ja, Laru hat sie mir geschnitten!“ Mare nickte anerkennend. „Steht dir gut. Auch der gestutzte Bart!“

„Meinst du wirklich?“, sagte er und kratzte sich daran. Mare lächelte aber nur.

Es war genauso heiss, wie am vorherigen Tag und immer wieder schaute Lore och zum Himmel, weil er damit rechnete, eine Wolke zusehen, die das nahende Unwetter ankündigte. Doch nichts war zusehen. Wieder zweifelte er an den Worten Mares, der das Unwetter angekündigt hatte. Und dennoch fühlte er es, je länger hinauf in den Himmel schaute. Es war wie eine Art Vorahnung, die ihm Schauer über den Rücken laufen ließ. Schnell widmete er sich wieder seiner Arbeit zu und wollte nicht mehr daran denken. Doch seine Gedanken gingen immer wieder zu Laru. Was wenn das Gewitter losbrach und er war nicht bei ihr? Laru würde Todesängste durchstehen und… Lore wagte es nicht, weiterzudenken. Er konnte nur hoffen, dass er da war, bevor das Unwetter kam. „Du machst dir Sorgen um sie, oder?“, fragte Mare, der sein nachdenkliches Gesicht und seine Unruhe bemerkt hatte. Lore zuckte kurz zusammen. „Ja, ich…auch wenn ich weiss, wieso…!“ „Wieso sie Angst vor Gewitter hat?“, schloss Mare und Lore nickte. Dabei hatte er schon eine gewisse Ahnung. Sprach sie jedoch nicht aus. Mare hatte ja gesagt, dass er nichts dazusagen würde. „Es freut mich, dass du dir um sie Sorgen machst. Das zeigt, dass sie dir wichtig ist!“ „Das war sie doch schon immer!“, murmelte er. „Ja, aber jetzt sieht man es umso deutlicher!“, sagte Mare und lächelte wieder. „Soll das heissen, dass du die ganze Zeit den Eindruck hattest, als sei sie mir egal?“, fragte Lore fassungslos. Mare machte ein verlegenes Gesicht. „Naja, egal nicht gerade. Aber zu Anfang sah man dir an, dass du sie nicht magst!“, sagte er dann und Lore musste zugeben, dass er Recht hatte. Aber das war doch Vergangenheit. Warum also ritt er darauf herum? „Aber jetzt!“, sagte Mare und grinste wieder und legte seine Hand auf Lore Schulter. Lore hob abwartend die Brauen. „Sieht man dir an, dass du mehr als nur Freundschaft für sie empfindest!“ „Ach!“, gab Lore nur von sich. Was du nicht sagst, dachte er. Als ob ich das nicht selber gemerkt hätte.

Zwei Tage später.
 

Das Unwetter brach herein, so schnell und plötzlich, dass Lore rennen musste, um nicht völlig durchnässt zuwerden. Mare hatte es ihm vorhergesagt und ihn gewarnt, aber er hätte es nie für möglich gehalten, dass es so schnell gehen würde. Bevor es angefangen hatte zuregnen, hatten sie das Korn, welche sie schon abgeschnitten hatten zusammen gebunden und in einen trockenen Schuben getan, damit dieses nicht nass wurde. Schon als sich die ersten Wolken bildeten, ahnten sie, außer Lore, dass was passieren würde. Nun rannte er durch das Unwetter und zuckte jedesmal zusammen, sobald ein Blitz irgendwo in der Nähe einschlug. Doch die Angst, die er hatte, war sicherlich nichts im Vergleich zu der, die Laru durchstehen musste und die Sorge um sie, trieb ihn weiter an. Der Regen war inzwischen so stark, dass er kaum etwas sehen konnte und die Strasse aufweichte und zu einer zähen Brühe verwandelte. Lore kämpfte sich durch diese und war froh, endlich das Haus zusehen. Aus dessen Fenstern strahlte einladendes Licht und er freute sich auf eine warme Suppe und heissen Tee. Schnell überwand er die letzten Meter und stürmte hinein. „Laru, ich bin daheim!“, rief er und die Wärme war eine Wohltat gegen die draußen herrschende Kälte. Doch sie war nirgends zusehen. Sofort schrillten sämtliche Alarmglocken in Lore. Normalerweisse begrüßte sie ihn, wenn er durch die Tür kam. Dass sie es nicht tat, machte ihm Angst. „Laru? Laru, wo steckst?“, rief er und schritt langsam durch die Wohnstube. Ging zum Schlafzimmer und öffnete langsam die Tür. Was er da sah, ließ sein Herz schwer werden. Laru lag, die Bettdecke fest um sich gewickelt, auf dem Bett und zitterte. Wann immer es draußen blitzte, zuckte sie zusammen und gab einen klagenden Laut von sich. Um sie nicht zuerschrecken, ging Lore langsam auf sie zu, zog sich schnell die nassen Klamotten aus, legte sie über einen Stuhl, damit sie trocknen konnten und kletterte ins Bett. „Laru!“, flüsterte er und strich mit seinen Händen über ihren Arm. Laru rührte sich erstmal nicht, dann aber drehte sie sich zu ihm herum. In ihrem Gesicht war deutlich Angst zusehen. Wie lange lag sie schon so da und fürchtete sich zu Tode? Lore wollte sich darüber eigentlich keine Gedanken machte, weil es ihn zusehr schmerzte. Stattdessen zog er sie nahe an sich heran und küsste sie auf die Schulter.

Laru schauderte. Lag es an seinem Kuss oder eher vielmehr an seinem kalten Körper? „Was ist?“, fragte er. „Du bis eiskalt!“, murmelte Laru. Lore lächelte etwas. „Ich komme auch gerade aus dem Regen!“ „Willst du nicht ein heisses Bad nehmen. Du wirst sonst noch krank!“ In ihrer Stimme war echte Sorge und so sehr Lore sich nach einem heissen Bad sehnte, das seine verspannten Muskeln lockerte und ihn wärmte, wollte er sie nicht allein lassen. „Nein, es geht schon!“, sagte Lore. „Ich werde schon nicht krank. Außerdem sehe ich doch, wie du dich fürchtest!“ Laru lächelte, rollte sich dann auf die andere Seite und kuschelte sich an ihm. „Danke!“, flüsterte sie. Lore sagte nichts, sondern küsste sie auf den Scheitel. „Versuch ein wenig zuschlafen!“ Laru nickte, doch es würde noch lange dauern, ehe das Gewitter ein Ende fand und sie endlich einschlafen konnte. Immer wenn ein Blitz aufflackerte und der Donner über das Haus hinwegrollte, zuckte immer heftiger zusammen und zitterte umso mehr. Lore presste sie an sich und wusste nicht, was er tun konnte, um ihr die Angst zu nehmen. Fieberhaft dachte er nach, versuchte sich daran zuerinnern, was seine Mutter immer getan hatte, wenn er sich bei einem Gewitter gefürchtet hatte. Und da fiel ihm ein, dass sie ihm immer ein Lied vorgesungen hatte. Wie ging das noch gleich, überlegte Lore und langsam kamen ihm die Liedtexte. Unglücklicherweise konnte er überhaupt nicht singen und er wollte es auch vermeiden, dass Laru sich entweder noch mehr fürchtete, oder sich über ihn totlachte. Also summte er und versuchte dabei, jeden Ton zutreffen. Larus Zittern ließ langsam nach und sie schaute kurz zu ihm hoch. In ihren Augen sah er Erstaunen und dann ein Lachen. Lore lächelte sie an und küsste sie dieses Mal auf die Stirn. „Besser?“, fragte er, nachdem er fertig war und Laru lächelte. Schmiegte sich wieder an ihm. „Viel Besser!“

Ein lange gehütetes Geheimnis wird offenbart

Der nächste Tag brach an und Laru rollte sich gerade auf die Seite, als ihr Arm auf die linke Seite fiel, auf der Lore immer schlief und stellte erstaunt fest, dass diese leer war. Verschlafen öffnete sie die Augen, blinzelte. „Lore?“, fragte sie müde und gähnte einmal laut. Laut sagte sie dann, als sie sich aufrichtete:„Lore!“

Wo konnte er nur sein? „Ich bin am Frühstück machen!“, hörte sie seine Stimme. „Frühstück?“, fragte Laru noch halb benommen von der Müdigkeit, als ihr der Geruch von gebratenen Eiern in die Nase stieg. Träumte sie noch?

Sogleich meldete sich ihr Magen, machte ihr damit klar, dass sie nicht träumte und ließ sie nun mit einem Satz aus dem Bett springen. Schnell wusch sie sich das Gesicht und kleidete sich an, bevor sie in die Stube trat. Hier war der Duft von Eiern und Speck am stärksten und ließen das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Lore stand am Herd und briet gerade frischen Speck an. Laru war sichtlich überrascht ihn so zusehen. Aber sie freute sich auch. Mit schlenderten Schritten ging sie zu ihm. „Und was machst du leckeres?“, fragte sie fröhlich. „Eier mit Speck. Was Besseres konnte ich nicht!“, sagte er: „Ach, das macht doch nichts. Ich bin froh, dass du mich auch mal bekochst!“, sagte sie und riskierte einen Blick über seine Schulter. Ihre Heiterkeit verflog schnell, als sie die kümmerlichen, verkohlten Reste des Specks sah. „Ähhm…!“, brachte sie nur gedehnt hervor und Lore drehte sich zu ihr herum. „Ist was?“

„Nein nein nein!“, sagte sie schnell und schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung. Ich decke schonmal den Tisch!“

Das Frühstück war, wie zu erwarten, ungeniessbar, doch Laru würgte tapfer einige Bisse hinunter und spülte den Rest hinunter. „Und? Hast es geschmeckt?“, fragte er. Sein Teller war restlos leer und Laru fragte sich, wie er das geschafft hatte.

Waren seine Geschmacksnerven taub? Oder würgte er es nur runter, weil er sich nicht die Blöße geben wollte?

„Hm, ja. Sehr deftig!“, sagte sie und tupfte sich den Mund mit einem Tuch ab. Morgen würde sie wieder das Frühstück machen.

„Warum bist du denn schon so früh wach?“, fragte Laru. Lore sah sie kurz an, hob dann die Schultern. „Ich war halt sehr früh wach und dachte mir, du würdest dich freuen, wenn ich Frühstück mache!“

Laru lächelte. Auch wenn es nicht gerade gut geschmeckt hatte, freute es sie wirklich, dass er sich die Mühe gemacht hatte. „Das ist wirklich lieb von dir. Aber überlasse das Anbraten lieber mir!“, sagte Laru mit einem verschmitzen Grinsen. „Es hat dir doch nicht geschmeckt!“, stellte Lore fest und fühlte sich gekränkt. Dabei hatte er sich solche Mühe gegeben. Laru machte nun ein etwas gequältes Gesicht. „Nun ja…es…es war gut durch. Zu durch!“, gestand Laru nun. „Ich geb zu, dass ich es ein bisschen zulange in der Pfanne braten ließ!“, sagte Lore kleinlaut. Ein bisschen ist gut, dachte Laru. „Es ist ja auch mein erstes Mal gewesen!“, behauptete Lore inbrünstig und verschränkte die Arme vor der Brust. Laru kicherte. „Hast du denn gut geschlafen?“, fragte Lore dann wieder ernst und Laru wurde auch ernst. Sie nickte. „Ja!“, sagte sie. „Danke, dass du da warst!“

Dann schwiegen sie. Lore sah sie an und er hatte den Eindruck, als würde ein Schatten über ihrem Gesicht liegen. Ob sie immer die Angst spürte, die sie letzte Nacht gepackt gehalten hatte?

Lore Neugier wuchs und wuchs. Bis er es nicht mehr aushalten konnte. Er wollte es endlich wissen.

„Seit wann hast du schon…diese Angst vor Gewittern?“, fragte er dennoch vorsichtig und Laru, die gerade etwas trinken wollte, verschluckte. Hustete heftig und schlug sich gen die Brust. Als sie sich etwas beruhigt hatte, sah sie ihn mit überraschten Augen an. Seine Frage schien sie nicht zubegreifen oder etwas in ihr aufzureissen, an das sie nicht denken wollte. Langsam stellte sie den Becher ab und schaute auf den Teller. Kaute auf ihrer Lippe herum und schien ange nachzudenken. Dann aber hob sie den Blick und sagte mit belegter Stimme:„ Ja, seid ich denken kann!“

„Und woher…kommt diese Angst?“, bohrte Lore weiter, auch wenn er sich bewusst war, dass er ihr damit sicherlich schlimme Erinnerung heraufbeschwor. Aber nach all der langen Zeit…

„Das ist nicht weiter wichtig!“, sagte sie, etwas zuschnell für seinen Geschmack. „Laru!“, sagte er leise. Wollte sie zum einen dazudrängen, dass sie mit der Wahrheit rauskam und um endlich mehr von ihr zuwissen. Ihm kam es vor, dass sie ihn inundauswendig kannte, während er das Gefühl hatte, dass sie ein Buch mit sieben Siegeln sei. Kaum hatte er eins gebrochen kam schon ein neues. Sie war ihm einfach ein Rätsel. Laru schüttelte den Kopf. „Lass es gut sein, bitte!“, bat sie ihn und schaute kurz nachdraußen. „Du solltest dich auf den Weg machen!“

Lore blieb sitzen, sah sie mit einer Mischung aus Enttäuschung und Wut an.

Warum machte sie daraus so ein Geheimniss?Dachte sie etwa, er würde sie deswegen auslachen? Was dachte sie dann von ihm?

Aber er sagte nichts. Sondern stand auf, zog sich dien Stiefel an und ging hinaus. Die Luft roch frisch und war angenehm kühl. Nichts schien mehr an die drückende Schwüle zuerinnern. Lore atmete tief ein. Sog die würzige Luft tief ein, die Balsam für seine Lungen war. Dann machte er sich auf den Weg. Doch als er schon das Feld sah, sah er, dass etwas nicht stimmte. Anstatt zu arbeiten, standen die Arbeiter nur da und redeten. Einige sehr laut und aufgebracht. Und als er näher kam, sah er auch warum. Das gesamte Feld war von dem gestrigen Unwetter zerstört worden. Die Stengel waren umgeknickt oder vom Matsch bedeckt. Die ganze Arbeit war zerstört. Oh nein, dachte er nur. Mare entdeckte ihn und kam auf ihn zu. „Lore, sieh dir das an!“, rief er aufgelöst und machte eine Armbewegung, die das gesamte Feld einschloss. „Wie ist das geschehen?“, fragte er und legte die Sense nieder. „Der Hagel, der gestern mit dem Unwetter kam, hat alles zunichte gemacht. Alles zerstört. Es wird Wochen dauern, vielleicht Monate um alles neu anzubauen!“, seufzte Mare. „Zeit, die wir nicht haben!“

„Weiss der Vogt schon davon?“

„Was ist hier passiert?“, herrschte eine Stimme und Mare murrte:„ Wenn man vom Teufel spricht!“

Der Vogt sah das Unglück und war außer sich. „Die ganze Ernte!“, rief er und schlug die Hände über den Kopf zusammen. „Das gibt Ärger!“, murmelte Mare unter vorgehaltener Hand. „Wie konnte das passieren?“, schrie der Vorsteher, wobei er sich die Antwort schon denken konnte. „Es gab ein schweres Unwetter und der Hagel…!“, versuchte Lore es zuerklären. Doch der Vorsteher fiel ihm derbe ins Wort. „Dass es ein Unwetter gegeben hat, weiss ich selber!“

Dann wandte er sich um und schüttelte immer wieder nur den Kopf. „Was soll ich nur dem König sagen?“, jammerte er und ging dann. „Was wird denn jetzt passieren?“, fragte Lore leise. Kurz schaute sich um, betrachtete die abgerochenen Kornhalme und bezweifelte, dass man davon noch etwas retten konnte. „So wie es aussieht, wird er uns für die getanene Arbeit entlohnen und wir werden uns eine neue Arbeit suchen dürfen!“, sagte Mare. „Und wo?“ Mare lächelte dann und schlug ihm auf den Rücken. „Du hast doch schon eine, vergessen?“ Obwohl er eigentlich froh sein sollte, dass er nicht lange nach einer neuen Arbeit suchen musste, wusste dennoch Lore nicht, wie er Laru gestehen sollte, dass er nicht mehr auf dem Feld arbeiten konnte. Dass das die Ernte durch den Hagel zerstört wurde, war zwar höhere Gewalt gewesen und der Vorsteher hatte ihm genug Geld gegeben, abzüglich der Steuer, die noch fällig war, aber dennoch hatte er das Gefühl, dass das nicht genug war. Zumindest nicht, wenn er den Ring für sie kaufen möchte. Er musste sich also eine weitere Arbeit suchen, bei der viel mehr verdienen konnte, sodass es auch zum Leben reichte. „Im Hafen suchen sie immer junge, kräftige Männer, die ihnen helfen die Ladung aufs oder vom Schiff zuholen!“, hatte ihn Mare gesagt. Lore war sich nicht sicher, ob solch eine Arbeit für ihn etwas wäre. Aber er hatte auch gedacht, dass die Feldarbeit auch zuschwer für ihn wäre. Und hatte sich wunderbar bewährt. Warum also sollte er nicht auch am Hafen arbeiten?
 

Laru schien nicht überrascht zu sein, als er so früh schon nachhause kaum und auch nicht, als er ihr erzählte, was mit der Ernte geschehen war. „Das habe ich mir fast gedacht!“, gestand sie und setzte sich, nachdem sie das Essen zubereitet hatte. „Auf jeden Fall hat man uns von der Feldarbeit entlassen und ausgezahlt!“, sagte er niedergeschlagen und legte den Beutel mit dem Lohn auf den Tisch. Öffnete ihn und ließ die Münzen hinauspurzeln. „Abzüglich der Steuer, die fällig war!“, erklärte er, als er Larus enttäuschten Blick sah. „So ein Blutsauger!“, murmelte sie. „Wir werden eine andere Arbeit finden!“, sagte sie dann und strich über seine Hand. Lore nickte nur. Fast wollte er sagen, dass er schon eine hätte. Verbiss es sich jedoch.
 

Schon am nächsten Tag ging er in die Stadt und zum Hafen. Dort war geschäftiges Treiben. Männer, beladen mit schweren Fässern und Säcken, liefen die Planken, der anlegenden Schiffe auf und ab und mehr als einmal musste Lore diesen Männer ausweichen, um nicht umgerannt zuwerden, oder sie selbst ins Stolpern zubringen. Schon allein dass er hinundwieder mit ihnen zusammenstiess, brachte ihm böse Blicke ein und er versuchte nicht weiter aufzufallen. Dennoch musste er das Büro des Hafenmeisters finden. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich durch zufragen.

Das Büro des Hafenmeisters war nahe dem Wasser und so erbaut, dass der Mann durch die Fenster seines Büros, welches im höchsten Stock lag, alles sehen konnte. So auch jetzt, als Lore in das kleine Zimmer trat und sich ankündigte. Der Mann drehte sich herum und sah den jungen Mann, der in der Tür stand fragen und prüfend an. „Ja?“, fragte er und Lores Hals fühlte sich aufeinmal ganz trocken an. Er ging einige Schritte vor. „Ich wollte Sie fragen, ob Sie für mich Arbeit hätten?“, fragte er. Der Hafenmeister sah ihn noch einmal prüfend an und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Du siehst nicht aus, als seist du harte Arbeit gewohnt. Wo auch immer du zuvor gearbeitet hast…hier geht es härter zu!“

„Das macht mir nichts. Ich habe schon auf dem Feld gearbeitet!“, sagte Lore trotzig. „Und wieso jetzt nicht mehr?“

„Die Ernte wurde durch das Unwetter zuerstört und somit bin ich arbeitslos!“

„Ja, ich habe davon gehört!“, sagte der Hafenmeister und blätterte in einem Buch. Schien ihn gar nicht mehr weiter zubeachten. Lore dachte schon, er würde noch Wurzeln schlagen, als der Mann dann aufschaute. „Ich kann dir keine Stelle geben!“, sagte er schließlich. Lores Mut sank ins Bodenlose. Dennoch wollte er nicht aufgeben. „Sind Sie sicher? Haben Sie nicht doch etwas für mich, bitte. Es ist sehr wichtig. Es ist für meine Frau!“, begann er und dachte kurz darüber nach, zu erwähnen, wer seine Frau war. Vielleicht kannte der Hafenmeister Laru und würde ihm so eine Stelle geben. Doch Lore verwarf diesen Gedanken wieder. Er musste selbst eine Stelle bekommen. Ohne die Hilfe von jemanden oder mit diesem irgendwie zutun zuhaben. „Ich habe keine Stelle frei. Es tut mir leid!“, sagte der Hafenmeister und Lore musste einsehen, dass er nichts dagegen tun konnte. So bedankte er sich dennoch höflich bei dem Hafenmeister und dessen Büro.
 

Mit hängenden Schultern und in den Hosentaschen vergrabenen Händen lief er durch das Gedränge, welches immernoch im Hafen war und war tief in Gedanken versunken. Seine Stimmung war tief gesunken und er wusste nicht, wo er sich noch umschauen konnte. Er hatte gehofft hier Arbeit zufinden. Nicht nur wegen der Arbeit in der Schenke, sondern auch, dass er hier noch ein wenig mehr verdienen könnte. Hier schien es wesentlich mehr Arbeit zu geben, als sonst wo. Der Hafen war, so schien es Lore, das Herzstück des Handels mit anderen Völkern zusein. Wann immer er hier war hatte er gesehen wie zahlreiche Schiffe, ob groß oder klein hier anlegten und ihre Fracht entluden. So hatte er sich gedacht, sich hier nach einer Stelle zuerkundigen. Da sicher immer Männer gesucht werden, die die Fracht vom Schiff in die Lagerhäuser bringen sollten. Aber anscheinend schien er nicht dafür geeignet zusein. Das hatte deutlich in den Blicken des Hafenmeisters gesehen und Lore wäre am liebsten umgekehrt und hätte diesen Mann für seine Voreingenommenheit geschlagen. Doch was hätte ihm das gebracht? Nichts. Nur Ärger!

Darauf konnte er verzischten. Also blieb ihm nichts anderes als sich damit anzufinden und weiter zusuchen. Aber egal wo er nachfragte. Keiner konnte oder wollte ihn einstellen. Etnweder weil es schon zuviele Arbeiter gibt oder weil er nicht dafür gemacht zu sein schien. Die Begründungen waren endlos und immer niederschlagender.

Verdammt, dachte Lore wütend und kickte einen Stein weg, als er wieder auf der Strasse entlang lief. Irgendwo muss ich doch eine Stelle finden. Da hörte er jemanden entsetzt aufrufen. „Halt! Haltet das Fass auf!“

Lore schaute auf und sah wie ein großes Fass über das Kopfsteinpflaster polterte. Genau auf ihn zu. Ein älterer Mann rannte dem Fass hinunter her. Hatte die Arme hoch erhoben und schrie immer wieder, dass jemand das Fass aufhalten soll. Keiner der anderen reagierte. Nur Lore. Schnell sprang er in den Weg des herannahenden Fasses und wollte es stopen. Doch durch den enormen Schwung wurde er selbst von den Füssen gerissen und das Fass rollte einfach über ihn hinweg. Lore glaubte unter dem Gewicht des Fasses keine Luft zubekommen. Doch kaum dass es ihm die Luft aus den Lungen presste, rollte es auch sogleich von ihm hinunter und hielt an. Lore hielt es dennoch fest, dass mit es nicht doch in die andere Richtung wegrollte. Der Mann, der dem Fass wohl die ganze Strasse entlang hinterher gerannt war, blieb schnaufend stehen und rang nach Atem. Als er sah, dass jemand sein Fass gestopt hatte, schlug er die Hände über den Kopf zusammen und konnte sein Glück nicht fassen. „Danke danke…ich danke dir, junger Mann!“, brachte er hervor. „G-Gern geschehen!“, japste Lore, dem immernoch die nötige Luft fehlte. Langsam rappelte er sich auf und stellte das Fass senkrecht hin. „H-hier Ihr Fass, werter Herr!“, sagte er und stützte sich darauf. Hielt sich die Brust. Tastete sie ab, weil er fürchtete, dass dieses Ding ihm einige Rippen gebrochen hatte. Doch er fühlte nichts. Erleichtert holt er einen tiefen Atemzug. „Wie kann ich Ihnen danken!“, sagte der Mann. Lore wollte schon abwinken, als der Mann sagte: „Himmel. Wie unhöflich von mir. Kommen Sie. Ein Schluck Wein würde Ihnen sicherlich guttun!“

Lore wollte darauf etwas erwiedern, ließ es aber, als er sah, mit welchem Blick ihn der Mann bedacht. Er bestand förmlich darauf, sich bei ihm zubedanken und ihm etwas Wein zugeben. Und wenn Lore ehrlich war, was sprach schon dagegen, sich ein Glas Wein zu gönnen. Außerdem wäre es unhöflich gewesen, diese Bitte, diesen Lohn abzuschlagen. Vielleicht konnte er so seinen Ärger kurz vergessen. Also willigte Lore ein. Rollte das Fass dem Mann hinterher, der vorraus ging. Die Strasse hoch und dann abbog. Der Mann führte Lore zu einem Laden, in dessen Schaufenstern Flaschen ausgestellt waren und mit Schildern beklebt waren. Über dem großen Fenster prangte ein Schild, auf dem mit geschwungener Schrift:„Vinothek!“, geschrieben stand. „Da wären wir!“, sagte der Mann und schob die Tür auf. Lore rollte das Fass hinein und stellte es dann wieder hin. Der Laden war klein, aber geräumig eingerichtet. Eine Theke stand an der gegenüberliegenden Wand. Dahinter ein großer Schrank in dessen Fächern unzählige Flaschen lagen. An den Wänden Fässer, ebenso wie die Flaschen in dem Schaufenster, beschriftet. Diese waren wohl fürs Probieren gedacht, denn es waren Zapfhähne in diese geschlagen und in der Luft hing ein würzigsüßer Duft. Lore sog diesen auotmatisch tief ein. Noch nie hatte er so guten Wein gerochen. Der Mann musste es bemerkt haben, denn ein wissendes Lächeln huschte über seine Lippen. „Bitte setz dich doch!“, sagte er und Lore war zuerst verwundert, dass er ihn nun so vertraut ansprach, sagte aber nichts, sindern setzte sich auf einen der Stühle, die um den Tischen standen. Der Weinbesitzer ging hinter die Theke, holte einen einfachen Holzbecher hervor und ging dann zu einem der Porbefässer. Drehte den Hahn auf und ließ etwas von dem daringelagerten Wein hineinfließen. Reichte Lore dann diesen. „Bitte, ich hoffe er mundet dir!“, sagte er. Lore roch an dem Wein und das Wasser lief ihm im Munde zusammen. Nicht mal die Weinkeller seines Vaters hatten solche wunderbarduftenden Weine. Lore nahm einen Schluck und kaum das er ihm den Hals hinuntergeflossen war, leerte Lore sogleich den ganzen Becher in einem Zug. Er schmeckte sogar noch besser, als er roch. Fast schon wollte er den Mann bitten, ihm noch etwas einzuschenken, hielt sich jedoch zurück. Das letzte was er wollte, dass er sich betrank. Das Lächeln des Mannes wurde breiter. „Er scheint dir zuschmecken!“

„Ja, sehr sogar. Haben Sie ihn selbst gemacht?“, fragte Lore.

„Natürlich. Mit meinen eigenen Händen!“, sagte der Alte. „Aber leider werde ich nicht jünger!“

„Haben Sie denn keinen Gehilfen?“ „Nein, leider nicht. Alle anderen jungen Burschen wollen im Hafen arbeiten oder gar zur See fahren. Um was von der Welt zusehen, versteht sich. Aber guten Wein zu machen? Nein, das ist Ihnen nicht aufregend genug!“, murmelte der Mann enttäuscht und Lore fühlte sich dabei ertappt. Vor nicht zwei Stunden wollte er auch nur im Hafen arbeiten. Er hatte seltsamerweise ein schlechtes Gewissen diesem Mann gegenüber. „Wären Sie denn einverstanden, wenn ich Ihnen helfe. Als Ihr Lehrling und Gehilfe?“, fragte er nun hoffnungsvoll. Er konnte sich selbst nicht erklären, warum. Aber er sah dabei die Chance endlich Arbeit zu finden. Und es würde jemanden helfen. Der Mann sah ihn für einen kurzen Moment verwirrt an, begriff nicht, um was ihn der junge Mann bat. Dann aber lächelte er. „Aber natürlich. Ich würde mich glücklich schätzen, einen solchen jungen, kräftigen Burschen in die Lehre zu nehmen. Du scheinst guten Wein sehr zuschätzen und zuerkennen!“, sagte er. „Das sehe ich sofort!“

Lore wusste nicht, was er sagen sollte. Er war überglücklich, doch noch was gefunden zuhaben. Doch seine Freude verflog, als er daran dachte, dass er noch eine andere Stelle hatte. „Danke, aber ich… ich habe noch eine andere Stelle.
 

In der Schenke von Jardo. Ist das ein Problem?“, fragte er und hoffte, dass er dem Mann damit nicht auf die Füsse treten würde. „Nein. Überhaupt nicht. Schließlich muss man sehen, wo man bleibt!“, sagte er verständnissvoll. „Wann arbeitest du in der Schenke denn?“

„Die letzten drei Tage der Woche!“

„Gut, damit kann ich leben. Dein Lohn wird natürlich nicht minder sein!“, versprach der Mann ihm. Lore wagte nicht zu fragen. Aber er wusste, dass es genug sein würde, um Laru zuunterstützen und ihr das Geschenk zu kaufen. „Danke. Ich weiss nicht, was ich sagen soll!“, brachte Lore nur hervor, stand auf und reichte dem Mann die Hand. „Sag doch einfach, dass du dich freust!“, sagte er. „Mein Name ist übrigens Sada!“

„Lore!“, erwiederte Lore nur. „Und ich freue mich!“

„Du arbeitest in Sadas Weinladen?“, fragte Jardo mit geweiteten Augen und hätte beinahe einen Bierkrug fallengelassen. Lore trat unwohl von einem Fuß auf den anderen und kam sich vor wie ein kleiner Junge, der eine Beichte abgelegt hatte. „Ich…nun…ja!“, sagte er schließlich. Nachdem Sada ihm die Stelle als sein Gheilfe und Lehrling zusprach, fühlte er sich verpflichtet, Jardo davon in Kenntniss zu setzen. Er hoffte, dass Jardo es ihm nicht übel nahm, dass er nun eine andere Stelle annahm, bei der mehr arbeiten und auch mehr verdienen konnte. „Tut mir leid. Aber ich…ich verdiene da gut genug, um Laru zu unterstützen. Und außerdem…!“, wollte er weitersprechen, wurde da aber immer leiser weil er feststellte, dass er damit Jardo wahrlich ins Gesicht schlug. Außerdem hob Jardo dann die Hand du brachte ihn so gänzlich zum Schweigen. „Schon gut. Du musst dich nicht entschuldigen. Um ehrlich zu sein, freue ich mich, dass du eine andere Stelle gefunden hast!“, sagte er und Lores Mund klappte auf. Wollte Jardo damit sagen, dass er keine große Hilfe war?

Dass er mehr eine Last, als eine Unterstützung war?

Jardo schien seinen entsetzten Blick richtig gedeutet zu haben. Doch er schlug die Hände auf den Bauch und begann schallend zu lachen. „Nicht, was du jetzt denkst!“, sagte er beruhigend. „Ich bin schon ein wenig enttäuscht, dass du kündigst. Zwei helfende Hände verliert man ungern. Aber andererseits freue ich mich auch, dass du eine volle Anstellung hast und somit mehr Geld bekommst!“

Lore atmete innerlich auf. „Dann ist es für dich in Ordnung?“, fragte er dennoch. Jardo lächelte väterlich. „Wenn es dir und Laru hilft, ist es nur recht!“

„Du arbeitest in Sadas Weinladen?“, fragte Laru, als ihr Lore davon erzählte. „Ja. Ich wollte zuerst im Hafen arbeiten. Aber dort hatten sie keine Stelle für mich. Sada war ein Fass verloren gegangen und die Strasse runtergerollt. Ich konnte es gerade noch aufhalten, ehe es zerbrach!“, erklärte er. „Dann hast du wirklich Glück gehabt!“, bemerkte Laru mit einem Schmunzeln. „Ja, ich kann es selber noch nicht fassen!“

„Die Arbeit im Hafen wäre sowieos nichts für dich. Da gibt es mehr Unfälle als sonst wo!“

„Denkst du etwa, ich wäre dafür viel zu ungeschickt?“

„Nein, aber ich will nicht so früh Witwe werden!“, gab sie zurück und drückte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze.

Am nächsten Tag begann Lore sogleich seine neue Arbeit im Weinladen. Sada zeigte ihm zuerst den Keller, in dem der Wein hergestellt wird. Unter anderem ein Gerät, in dem man die Trauben für den Wein hineintat und mit Hilfe einer Scheibe, die hinuntergedrückt wurde, auspresste. Ein Schrank, gefüllt, mit Gläsern, in denen verschiedenste Gewürze zum Verfeinern standen. Getrockenete Kräuter und andere Dinge. „Wielange machst du…machen Sie das Sada?“, fragte Lore, während er die Sammlung betrachtete. „Seit ich so alt war, wie du. Das ist natürlich schon sehr sehr lange her. Ich habe den Laden von meinem Vater, der ihn wiederum von seinem Vater hatte!“, erklärte Sada. „Sag ruhig du zu mir. Ich komme mir noch viel älter vor, wenn man Sie zu mir sagt!“

Lore musste dabei lächeln. „Was ist eigentlich mit deiner Familie. Lebt Sie denn in der Stadt. Wie kommt es, dass ich dich dann noch nie gesehen habe?“, fragte Sada da. Lore biss sich auf die Lippen. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn Sada ihn niemals danach gefragt hätte. Aber da sie eben noch über seine Familie gesprochen hatten, war es nur verständlich, dass Sada auch nun etwas über Lores Familie wissen wollte. Nur was sollte Lore ihm sagen.

Dass er eigentlich der Sohn eines Königs war und nur durch seine eigene Dummheit und Arroganz hier war? Früher wäre es ihm ein leichtes gewesen, das zu seinem Vorteil zuverdrehen und sich als Unschuldslamm hinzustellen. Aber nun wusste er es besser. Er war selbst schuld. Dennoch wollte er es Sada nicht offen legen. Also entschied er sich für eine halbe Wahrheit. „Nein, ich…meine Familie lebt weit weg von mir. Ich…mein Vater schickte mich fort, weil er wollte, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Mir ein eigenes Leben aufbaue und lerne, Verantwortung zu übernehmen!“, sagte er daher und jedes Wort kostete Kraft. Schmerzvoll musste er daran denken, wie ihn sein Vater fortgeschickt hatte. Sada nickte verständnissvoll. „Das war sicherlich nicht leicht für dich. In die große weite Welt gestoßen zu werden, ohne Hilfe oder Beistand!“

„Ja, war es!“, stimmte Lore zu, musste dann aber lächeln, als er sich sagte, dass er nicht ganz so allein war. „Aber ich habe jemanden, der mir hilft und mich lie…!“

Lore brach mitten im Satz ab und wagte es nicht ihn weiter auszusprechen. „So, wer denn?“, fragte Sada mit einem Schmunzeln. Er ahnte wohl, dass es sich herbei um eine Frau handelte. „Laru. Ihr Name ist Laru!“, sagte er und die Augen Sadas wurden groß. „Goldkehlchen?“

„Ja, so heisst sie auch!“

„Da brat mir doch einer einen Storch. Schon seit Jahren prdige ich ihr, sie soll endlich einen Mann heiraten, damit diese Strolche sie endlich in Ruhe lassen und immer wieder hat sie sich geweigert. Jetzt hat endlich einer dieses sture Ding geheiratet und sie hält es nicht für nötig, es mir zusagen!“, brachte er empört hervor und Lore wunderte sich, warum Sada so außer sich war. Hatten die beiden irgendwie eine Verbindung miteinander? Und wenn ja, welche? „Woher weißt du das? Kennst du sie etwa sehr gut?“

„Sehr gut? Das ist ja wohl eine Untertreibung! Ich war ein guter Freund ihrs Vaters!“, sagte er immer noch entrüstet. „Ich bin so etwas, wie ihr Patenonkel!“

„Laru hat nie etwas von einem Patenonkel erzählt!“, murmelte Lore erstaunt. Sada rümpfte die Nase. Vergass aber dann seinen Ärger. „Naja, was solls. Hauptsache sie ist endlich unter die Haube gekommen!“, sagte er. „Und dann mit so einem hübschen Burschen. Die anderen Mädchen müssten sich sicherlich jetzt die Augen ausweinen, weil sie dich nicht bekommen haben!“

Neckisch stiess er Lore seinen Ellenbogen in die Rippen. Lore wurde rot. „Nunja, ausweinen sicherlich nicht!“, brabbelte er vor sich hin, als er daran denken musste, wie die verschmähten Edeldamen über ihn lachten, als er mit Laru fortgebracht wurde. „Jetzt aber genug, mit dem Tratschen. An die Arbeit!“, sagte Sada. „Kannst du reiten?“

„Ja, kann ich!“

„Gut, dann werden wir im Laufe der Woche zu einem der Bauern gehen und die Ernte holen, damit wir Wein machen können!“, sagte er. „Vorher aber will ich dir alles zeigen, was du wissen musst!“

Und so begann für Lore der erste Tag in seiner Lehre.

Es war nicht so schwer, wie das Korn zu ernten, aber auch nicht leichter. Es gab vieles, was Lore sich merken und beachte musste. Angefangen von der Prüfung der Trauben, ob sie schon faule Stelle hatte, bis zur richten Auswahl der Zutaten für die verschiedenen Weine. Lore musste sich erstmal alles aufschreiben, um es nicht zu vergessen und versprach Sada sich alles einzuprägen, damit er ihm eine große Hilfe sein konnte. Sada lachte nur. „Langsam, langsam, Junge. Das Königreich wurde auch nicht an einem Tag erbaut!“, sagte er. „Es ist zwar löblich, dass du alles so schnell wie möglich. Aber du solltest dir dennoch Zeit lassen, da du erst am Anfang deiner Lehre bist und am besten lernt man mit der Zeit und mit Geduld. Nicht zu vergessen mit Erfahrung!“
 

Es war schon fast Abend, als Lore zuhause war. Laru erwartete ihn bereits sehnsüchtig. „Na endlich. Ich dachte, du hättest dich verirrt!“, sagte sie erleichtert, als er in die Stube trat und lächelte dann verschmitzt. „Oder bist davongelaufen!“

So denkst du von mir?“, fragte er und konnte einen Anflug von Ärger nicht verbergen. Sie sollte ihn eigentlich, nach all der Zeit bereits kennen. Laru sah, dass sie etwas Falsches gesagt hatte und lächelte um Verzeihung bittend. „Tut mir leid. Ich habe mir eben Sorgen um dich gemacht!“, sagte sie und trat an ihn heran. Nahm seine Hand. „Du hast gesagt, du würdest in die Stadt gehen, um nach Arbeit zu suchen. Daher dachte ich, du seist eher zurück!“

Lores anfänglicher Ärger verflog und er lächelte matt. Hob dann ihre Hand an seine Lippen und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Haut. „Schon gut. Ich dachte ja auch, dass ich gleich wieder zurück zu dir kann. Aber es hat sich anders ergeben!“

„So hast du Arbeit gefunden?“, fragte Laru hoffnungsvoll. „Ja, ich habe einem Mann geholfen, sein Weinfass zu retten und er gab mir sogleich eine Stelle!“, erklärte er und Larus Gesicht nahm nun einen erstaunten Ausdruck an. „Heißt dieser Mann etwa Sada?“, fragte sie dann und Lore nickte, mit einem gewissen schelmischen Funkeln in den Augen. „Das…das ist ja wunderbar!“, sagte sie dann. „Ich wusste, dass du dich darüber freust!“

Während dem Essen erzählte Lore ihr alles. Wie er zuerst zum Hafen ging und dann auf Sada stieß, der seinem Fass hinterherjagte und wie Lore es davor bewahrte, ins Wasser zu fallen. Laru musste dabei lachen, als sie sich dies bildlich vorstellte. „Oh je der arme Mann. Da hatte er ja wirklich Glück, dass er dich hatte!“, sagte sie. „Ja, es war wirklich Glück und noch größeres Glück, dass er mir eine Stelle gab!“

„Ja. Sada gibt nicht jedem eine Stelle. In dieser Hinsicht ist er sehr verbohrt!"

„Den Eindruck hatte ich wirklich nicht. Er kam mir vor, wie ein guter Onkel!“

„Nun ja, Sada hatte schon mal einen Lehrling. Aber dieser erwies sich als ein echter Nichtsnutz. Faul und unverschämt. Das schlimmste jedoch, was er getan hat, war, dass der den gesamten Weinvorrat ausgetrunken hatte!“

„Was? Aber wie konnte er das tun?“, fragte Lore. Er konnte sich vorstellen, was das für Sada bedeutet hatte. Er musste diesem Lehrling vertraut haben, wie keine zweiten, wenn er ihm den Zugang zu dem Weinvorrat erlaubte und dieser Kerl verdankte es ihm auf solch eine schändliche Art. Laru hob nur die Schultern. „Er war eben dem Wein verfallen und Sadas Wein ist der Beste, den es gibt!“, erklärte Laru müde. „Und als Sada für einige Stunden den Laden verließ, sah dieser seine Chance gekommen und hatte es sich eben in dem Weinvorratskeller bequem gemacht!“

„Widerlich. Einfach widerlich nur!“, knurrte Lore. „Mach dir deswegen keinen Kopf. Was geschehen ist, ist geschehen!“, sagte sie. „Jetzt hat er dich. Und in dir hätte er keinen besseren Lehrling finden können!“
 

„Heute werde ich dir zeigen, wie man den Saft aus den Trauben presst!“, erklärte Sada feierlich, als Lore am folgenden Tag in den Laden kam und sich seine braune Lederschürze umgebunden hatte. Er folgte ihm in den Keller, den er bereits gesehen hatte. Sada hatte ihm schon alles gezeigt. Nur nicht, wie man die Presse bediente. Nun aber zeigte er ihm wie. „Du musst den Hebel mit beiden Händen nehmen, um ihn runter zu drücken. Es ist nicht gerade leicht, aber so ein junger, starker Bursche dürfte keine Schwierigkeiten haben. Probiere es mal!“, sagte Sada. Lore schaute etwas unsicher zu dem Gerät. Er soll de Hebel runterdrücken?

Wie soll er das machen?

Der war genauso dick wie der Arm eines Bären. Und sicher auch so schwer. Jedoch wollte er Sada nicht enttäuschen und es versuchen. So stellte er sich neben den Hebel und legte die Hände darauf. Er sah Sada noch einmal fragend an. Dieser nickte, als Aufforderung und Lore holte tief Luft und drückte den Hebel runter. Zumindest versuchte er es, doch der Hebel gab nicht nach. Lore drückte fester. Als sich der Hebel immer noch nicht rührte, stemmte er sich nun dagegen. Es knarrte und quietschte und Lore merkte, wie der Hebel sich ein wenig nach unten bewegte. Aber es war nur sehr wenig. Nicht genug, um Trauben zu pressen. „Lass gut sein, Junge!“, sagte Sada und Lore ließ den Hebel los. „Tut mir leid!“, sagte Lore beschämt. Wenn dieses Ding schon schwer für ihn ist, mochte er sich nicht vorstellen, wie Sada sich ständig abmühen musste, um den Hebel runterzubekommen. „Schon gut. Ich erwarte nicht, dass du sofort den Wein pressen kannst. Es braucht schon ein wenig mehr an Muskelkraft. Hier, nimm erstmal den Hocker. Stell dich darauf. Damit geht es besser!“, tröstete Sada ihn und schob einen Hocker heran. Lore stellte sich auf diesen und versuchte erneut den Hebel runterzudrücken. Sada hatte recht gehabt. Es ging leichter. Immerhin etwas. „Na, siehst du. Es geht!“, sagte Sada lobend. „Und jetzt. Lass uns Wein machen!“

Um die Platte ganz runter zu drücken musste Lore seine gesamte Kraft aufbieten. Und das immer wieder, sobald Sada frische Trauben in die Presse geschüttet hatte und ihm das Zeichen gab, den Hebel zu betätigen. Doch er beschwerte sich nicht. Zum einen, weil er froh war, eine neue Arbeit, und ohne jegliche fremde Hilfe, gefunden hatte und weil er diesen alten Mann irgendwie gern hatte. Er war wie ein Vater, der ihm alles zeigte und auch Geduld mit ihm hatte. Genauso wie Laru. Er stellte auch keine unangenehmen Fragen. Zumindest keine, die in Richtung seiner Herkunft gingen. Dafür aber welche, die Laru betrafen.

„Ist sie eine gute Ehefrau?“ „Habt Ihr schon an Nachwuchs gedacht?“

„Wieviel sollen es denn sein?“

„Möchtest du lieber einen Junge oder ein Mädchen haben?“

„Habt Ihr schon die passenden Namen für sie?“, und so weiter und so weiter. Lore war es mehr als peinlich. Noch nie hatte Laru den Wunsch nach Kindern geäußert und bisher hatte er sich auch selbst keine Gedanken darüber gemacht. Er fühlte sich noch nicht soweit. Er musste erstmal selbst für sie beide sorgen. Vielleicht wenn es ihnen besser ging, genug Geld hatten, dann würde er sie vielleicht darauf ansprechen. Und je öfter er sich das sagte und vornahm, umso mehr malte er sich aus, wie es wäre, wenn er tatsächlich Vater wäre. Er stellte es sich vor, wie sie zusammen eins oder mehrere Kinder bekämen. Fragte sich dann, ob sie Jungen oder Mädchen bekommen würden. Am liebsten wären ihm zwei Söhne und ein Mädchen. Doch das behielt er für sich. „Nein, wir dachten noch nicht daran, Kinder zu bekommen. Es gilt erstmal, dass wir genug für uns haben. Solange das nötige Geld fehlt, halte ich es für keine gute Idee. Wenn ich einmal Kinder habe, dann sollte es ihnen an nichts fehlen!“, sagte er. Sada ließ die Worte auf sich wirken, dann nickte er anerkennend. „Eine gute Antwort. Das zeigt, dass du Verantwortung tragen kannst. Laru hat in dir den richtigen gefunden!“, sagte er dann und klopfte ihm auf die Schulter.

Lore sagte darauf nichts, sondern nickte nur. Trotz dass die Worte des Alten ehrlich waren, hatte Lore dennoch das Gefühl, dass dies nur der halben Wahrheit entsprach. Wenn er sich an die vielen Dinge erinnerte, die er falsch gemacht hatte oder für die er Laru die Schuld gegeben hatte, hatte er das nagende Gefühl, dass dem nicht so war. „Bin ich das wirklich?“, fragte er mehr zu sich, als Sada. Dennoch hörte es sein Lehrmeister. Väterlich legte er seine Hand auf die gesunkene Schulter des jungen Mannes. „Laru würde nie einen Mann wählen, der nur sich selbst im Kopf hat und dem es gleich ist, was mit den anderen um ihm herum geschieht. Sie hat eine gute Menschenkenntnis und dass sie sich für dich entschieden hat, muss bedeuten, dass sie in dir den richtigen sieht!“

Lore hatte das Gefühl, als würden sich tausend glühende Dolche in sein Herz bohren, als Sada dies sagte. Er konnte ja nicht wissen, dass Laru und Lore nicht aus freien Stücken, geschweige denn aus Liebe miteinander vermählt wurden. Es war der Wille seines Vaters, der ihn an Laru gebunden hatte. Fast hätte er es ausgesprochen, es erklärt, doch er wagte es nicht. Sada sah in ihm einen guten Mann für sein Patenkind. Einen guten Vater, für die ungeborenen Kinder. Es würde ihm das Herz brechen, wenn er die Wahrheit erfuhr. Also schwieg Lore.
 

Mit einem schweren Seufzer ließ sich Lora auf einen Stuhl fallen und massierte sich seine Schulter. Von dem ganzen Hebeln tat ihm jeder Muskel weh. Aber er wollte nicht jammern. Immerhin war es gute ehrliche Arbeit. Laru kam gerade aus dem Schlafgemach und sah, dass ihrem Mann alles wehtat. „Genau, wie damals, als er auf dem Feld gearbeitet hatte!“, dachte sie und musste lächeln. „Hat Sada dich ordentlich durch die Mangel genommen?“, fragte sie mit einem Lächeln in der Stimme. „Ja, kann man so sagen. Ich wusste nicht, dass Weinpressen solche Arbeit ist. Wein trinken ist dagegen leichter!“, sagte Lore. Laru lachte. „Komm, ich massiere dir die Schultern. Dann geht es dir wieder besser!“

„Aber bitte hier. Nicht auf dem Bett!“, wandte Lore schnell ein, als ihm wieder in Erinnerung kam, was beim letzten Mal geschehen war, als sie ihn massiert hatte und die Röte stieg ihm ins Gesicht. Laru sah ihn darauf hin verwirrt an, fragte aber nicht nach dem warum. „Also gut. Zieh dein Hemd aus. Ich hole etwas Salbe!“, sagte sie und ging wieder ins Schlafgemach. Lore zog sich das Hemd aus und legte es auf den nebenstehenden Stuhl. Laru kam wieder zu ihm und hatte ein kleines Fläschchen dabei. Sie öffnete es und träufelte etwas von dem Inhalt auf ihre Hand. Sogleich breitete sich der Duft von Pinien und Tannen aus. Laru verrieb die Hände, sodass sich das Öl auf ihren beiden Händen verteilt war und begann Lore zu massieren. Merkte dabei, wie verspannt er war und massierte fester. Lore ließ entspannt den Kopf hängen und schloss die Augen. Es tat mehr als nur gut. Laru besaß wahrlich magische Hände. Laru musste etwas lächeln. Ermahnte sich aber seine Gedanken nicht eine Richtung einschlagen zulassen, die ihn in eine peinliche Situation bringen würde. „Stimmt was nicht?“, fragte Laru ihn sogleich und Lore zuckte etwas zusammen.

„Nein, wieso?“

„Du sagst nichts. Da dachte ich, dass es dir zu sehr wehtut!“

„Nein, es tut nicht weh. Ich war nur…in Gedanken!“, log Lore schnell und merkte nun, wie sein Gesicht zu glühen begann. „So, und was waren das für Gedanken?“, fragte Laru, während sie weitermassierte. „Nun…ähm…!“, druckste Lore herum und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Flüchtig schaute er hinunter in seinen Schritt und stellte erleichtert fest, dass weder eine Beule noch etwas, was diese ankündigt, zu sehen war. „Ich…!“, begann er wieder und überlegte sic schnell, was er sagen konnte, was nicht so peinlich war. Da fiel ihm sein Gespräch mit Sada ein, wie er ihn ausfragte, ob sie irgendwann Kinder haben wollen. Dies schien ihm ein wesentlich gutes Gesprächsthema zu sein. „Nun Sada wollte wissen, ob wir irgendwann Kinder haben wollen!“, sagte er und schaute über die Schultern zu ihr. Laru hielt inne und sah ihn nur an. In ihren Augen sah er aber, dass es ihr ebenso peinlich war, wie bei ihm zuvor. Sie schüttelte den Kopf. „Dieser alte Zaußel!“, murmelte sie. Oh je, dachte Lore. Da habe ich jetzt was angerichtet. Er schaute schnell weg. „Willst…willst du überhaupt Kinder haben?“, fragte er dann, in der Absicht ihre Wut auf Sada abzumildern. Er konnte ja nichts dafür. Laru sagte erstmal nichts, sondern schaute nur vor sich hin. Lore wagte es nicht, sich zu rühren. Er wollte sie auch nicht drängen zu antworten. So eine Frage war wirklich zu persönlich. Gerade für eine Frau, da sie es ja war, die das Kind zur Welt brachte. Und Laru wusste sicherlich besser als jeder anderer, dass das Leben mit einem Kind noch härter werden würde. Sie hatten es ja jetzt schon schwer. „Ich nehme es dir nicht übel, wenn du nein sagst!“, sagte er zögernd und schaute sie nun wieder an. „Natürlich will ich später mal Kinder haben. Aber jetzt noch nicht. Erstmal müssen wir genug Geld haben, damit wir überhaupt leben können!“, sagte sie dann. „Und du? Möchtest du auch Kinder haben?“, fragte Laru nun. Lore biss sich auf die Unterlippe. Für ihn galt das gleiche, dass sie erstmal genug Geld verdienten, damit sie was zu essen und das Haus hatten. „Ich auch. Irgendwann!“, sagte er. „Und was möchtest du am liebsten. Junge oder Mädchen!“

„Sowohl Mädchen als auch Junge!“, erklärte Lore, ergriff dann ihre Hand und küsste sie sanft. Laru lächelte. „Aber diesem Ziegenbock werde ich die Hammelbeine langziehen!“, sagte sie dann. Lore lachte. „Sei nicht so streng mit ihm. Er meint es ja nur gut!“

„Er muss sich trotzdem nicht überall einmischen!“, sagte sie und massierte dann weiter. Aber nun wesentlich fester als vorher. „Was bildet er sich ein? Hat er nicht schon genug um die Ohren? Ich bin alt genug, um selber zu wissen, wann ich Kinder haben will! Wenn ich ihn in die Finger bekomme…!“, schimpfte sie nun weiter und je mehr sie sich aufregte, desto heftiger massierte sie ihn. Lore verzog schon schmerzhaft das Gesicht. „La-Laru…wür-würdest du bitte et-etwas sanfter ma-massieren?“, bat er sie schmerzlich. Laru, erschrocken, dass sie ihren Frust auf ihren Mann abwälzte, hörte sofort auf und schlug sich die Hände vor den Mund:„ Was? Oh, tut mir leid, das wollte ich nicht!“

Lore drehte und massierte sich selbst kurz seine noch mehr geschundenen Schultern. „Schon gut. Aua!“, jammerte er. Laru wurde rot vor Scham, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Komm, ich reibe dich mit einer Salbe ein, die hilft!“, bot sie ein. „Nein nein nein nein. Ist nicht nötig!“, rief Lore schnell. „Es…es geht wieder!“

Wie um seine kleine Lüge wortkräftig zu untermalen, sprang er auf und dehnte sich. Verbiss sich dabei seinen Muskelkater zu zeigen. „Ich fühle mich schon viel besser!“, rief er ausgelassen und eilte ins Schlafzimmer. Laru sah ihm nur nach und fragte sich, was ihn gebissen hatte.

Laru schlief bereits. Lore aber war noch wach. Nachdenklich blickte er an die dunkle Zimmerdecke. Das Gespräch mit Sada und Laru, was Kinder anging, ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Beide waren vernünftig genug um zu wissen, was wirklich gut war. Vor allem aber Laru. Wenn er an die anderen Frauen dachte, die, kaum dass sie einen Mann an der Angel hatten, unbedingt schwanger werden wollten, um ihn an sich zu binden und das Kind als Sprungbrett benutzten, um die eigenen Ziele zu erreichen…

War Laru wirklich reif und verantwortungsbewusst. Aber er konnte sich auch gut vorstellen, dass sie gerne eine kleine Familie gründen würde. Mit ihm. Und er fragte sich, ob er ein guter Vater sein könnte. Dass Laru eine gute Mutter sein würde, stand außer Frage. Nur bei ihm selbst war er sich nicht sicher. Er musste daran denken, wie schwer es sein Vater mit ihm hatte. Wie oft er versucht hatte, ihn auf den richtigen Weg zu bringen und wie oft Lore ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Wenn er ein genauso schlechter Vater sein würde, wie er ein schlechter Sohn war, dann…

Lore schauderte. Und hatte auf einmal das Gefühl, als würde er keine Luft bekommen.

Er musste an die frische Luft. Ohne dabei Laru zu wecken, kletterte er aus dem Bett, zog sich etwas an und ging hinaus.

Die Nachtluft war zwar kalt, aber Lore war das gleich. Denn so könnte er sich von seinen zweifelnden Gedanken ablenken. Zumindest dachte er das. Doch er musste immer noch an seine Eltern. Merkte, wie er sie vermisste. Und er fragte sich, ob sie ihn ebenso vermissten. Bei seiner Mutter war er sich sicher. Sie war immer diejenige gewesen, die die Wogen glättete und den Streit zwischen Vater und Sohn schlichtete. Er konnte sich gut vorstellen, dass das auch nicht für sie einfach war. Jedoch hielt sie immer zu ihm, sowieso Laru. Sie war seiner Mutter ähnlich. Sanft, aber auch bestimmt und immer darauf bedacht, dass er das richtige tat. Er war sich sicher, wenn sie sich irgendwann wieder begegnen würden, würden seine Frau und seine Mutter sich so gut verstehen, dass sie in ihr in eine Tochter sah. Lore musste lächeln, als er sich dies vorstellte.

„Lore?“, fragte eine zaghafte Stimme und Lore zuckte zusammen. Ohne das er es bemerkt hatte, war sie nach draußen zu ihm getreten. „Ist dir nicht kalt?“

Lore überwand seinen kurzen Schrecken und schüttelte den Kopf. „Nein!“, sagte er und schaute wieder hinaus in die Ferne. „So kann ich über alles nachdenken!“

„Und über was?“, fragte Laru und setzte sich zum ihm auf die Bank.

„Über meine Eltern. Ich frage mich, was Sie machen. Ob sie an mich denken? Oder ob Sie mich längst vergessen haben?“ „Nein, das würden Sie nie!“, sagte Laru und legte sanft ihre Hand auf seine. „Du bist ihr Sohn. Und egal was geschehen ist: Eltern hören niemals auf, an ihre Kinder zudenken!“

Lore biss sich auf die Lippe. Ob sie das sagte, weil sie an ihre Familie dachte?

„Was ist mit deinen Eltern?“, fragte Lore und bereute diese sogleich. Wieso fragte er sie das? Weil sie über seiner Eltern sprachen. Von denen sie mehr wusste, als er über die ihren. Jedoch wollte er endlich erfahren, was mit ihren Eltern war und woher sie kam. Laru sagte daraufhin nichts, sondern schaute nur vor sich hin. Die Hand auf seiner begann zu zittern. Er konnte spüren, dass es sie schmerzte. Und der Schmerz, den er spürte, weil er in ihr alte Wunden aufgerissen hatte, war diesem gleich. Plagte ihn. „Du…du musst es nicht sagen!“, sagte er und war erschrocken wie rau seine Stimme klang. Auch wenn er wusste, dass er niemals mehr eine solche Gelegenheit bekommen würde, etwas von ihrer Herkunft zu erfahren. Aber wenn es sie so sehr mitnahm… „Nein!“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Stand auf und trat an den Rand der Terrasse. Zog die Decke, die sie sich um die Schultern gelegt hatte, enger um sich. „Ich habe lange genug darüber geschwiegen. Du hast ein Recht es zu erfahren. Schließlich…!“, sagte sie und drehte sich zum ihm herum. „…Bist du mein Mann!“

„Es begann alles mit einem Sturm. Nichts, was einem Sorge machen sollte. Doch der Sturm brachte einen noch größeren mit!“, begann sie zu erzählen und schaute, wie Lore es tat, hinaus in die Nacht. „Ich kann noch immer das Tosen des Windes und das Grollen des Donners hören, der über uns hinweg rollte, wie die Wellen des Meeres. Ich und mein kleiner Bruder hatten uns ins Bett meiner Eltern verkrochen und zitterten vor Angst. Meine Mutter war bei uns und tröstete uns. Mein Vater war dabei die Fenster und die Tür zu verstärken. Der Regen peitschte unablässig gegen das Glas und brachte es zum zittern. Mutter hatte uns immer von Ungeheuern erzählt, die im Wald lauerten und nur darauf warteten, sich kleine Kinder zu holen, die nicht rechzeitig zuhause sein würden. Und in dieser Nacht glaubte ich, dass eines dieser Ungeheuer vor unserem Haus stand und mit aller Gewalt eindringen wollte. Mein kleiner Bruder weinte und klammerte sich an mich. Mutter sang eines ihrer Lieder, wie immer, wenn wir Angst hatten. Es gab einen entsetzlich lauten Knall und ich glaubte, unser Haus würde in sich zusammenstürzen. Dann kam das Feuer. Ein Blitz war in den Baum hinter dem Haus eingeschlagen und das Feuer, war aufs Dach übergesprungen. Unser Vater kam ins Zimmer gestürmt und schrie, dass wir hier rausmussten. Doch da war es schon zu spät. Das Feuer breitete ich rasend schnell aus. Binnen von Sekunden brannte alles über unseren Köpfen. Das Holz ächzte und knarrte und es fielen schon die ersten brennenden Stücke hinunter!“, sagte sie und betrachtete ihren, von Brandnarben bedeckten Arm. „Es sollten die ersten von vielen sein. Meine Mutter nahm meinen Bruder, während mich mein Vater trug. Er hatte mich gerade nachdraußen gebracht, als wir meinen Bruder und meine Mutter schreien hörten. Sie waren durch eingestürztes Bauwerk eingeschlossen und konnten nicht mehr hinaus. Mein Vater setzte mich ab und eilte ihnen zur Hilfe. Und dann ging alles ganz schnell und dennoch erinnere ich mich ganz genau, was dann passierte. Immer mehr von unserem Haus stürzte ein und schloss sie in diesem Inferno ein. Heute, wenn ich so darüber nachdenke, frage ich mich was mich dazu gebracht hatte zu glauben, dass ich, ein Kind, sie retten könnte. Aber damals wollte ich es. Ich wollte sie aus den Flammen retten und stürmte auf die Flammen zu. Ich packte das brennende Holz. Achtete dabei nicht auf den Schmerz und zerrte daran. Und je mehr ich versuchte sie zu retten, desto weniger heile Haut blieb mir. Aber wie gesagt: Das war mir egal! Irgendwann aber packten mich zwei Hände und zogen mich zurück. Zuerst dachte ich, es sei mein Vater, der sich durch ein Wunder retten konnte und meine Mutter und meinen Bruder ebenso gerettet hatte. Doch als ich hochschaute sah ich, dass es einer der Bauern war, die in der Umgebung lebten. Sie hatten endeckt, dass unser Haus brannte und wollten uns zur Hilfe eilen!“, sagte sie. „Aber es war zuspät. Viel zuspät. In dieser Nacht verlor ich alles, was ich hatte. Was ich liebte. Meinen Vater, meine Mutter und meinen Bruder. Mein Zuhause und…!“

Nun drehte sie sich um und legte sich die Hand auf die vernarbte Wange. „Und mein Gesicht!“

Trotz der Dunkelheit konnte Lore die Tränen in ihren Augen schimmeren sehen. Er wusste, dass es nicht um ihr Gesicht ging, sondern vielmehr um ihre Familie. Lore fühlte sich furchtbar, weil er nicht nachempfinden konnte, wie sie gerade in ihr vorging. Aber er wusste, dass sein Heimweh, nichts im Vergleich zu ihrem Schmerz war. Langsam stand er auch und schaute sie traurig an. „Das tut mir leid. Ich wusste nicht…!“, begann er, brachte es aber nicht fertig, weiter zusprechen. Laru lächelte verzeihend. „Wie konntest du auch. Ich habe bisher mit niemanden Außenstehenden darüber gesprochen. Du bist der erste und ich bin froh, es dir erzählt zuhaben!“

„Trotzdem. Ich hätte dich nicht drängen dürfen, sondern warten sollen, bis du es mir freiwillig erzählen würdest!“, sagte er leise. „Dann hätte ich es niemals getan und dieses Geheimnis hätte wie eine tiefe Kluft zwischen uns gelegen!“, flüsterte sie und lehnte sich an ihn. „Gerade vor dir wollte ich nicht so ein Geheimnis haben. Du bist doch mein Mann!“ Lore schloss die Augen und legte die Arme um sie. Drückte sie an sich und spürte, wie sie sich an ihn schmiegte. In diesem Moment fühlten sie sich einander so nah, wie noch nie zuvor. Noch lange blieben sie so stehen, doch dann beschlossen sie zu Bett zu gehen.
 

So nach langer Pause geht es weiter ^^

Hoffe es gefällt Euch

Wenn aus einem Funken Feuer wird

„Sie hat dir also erzählt, was es mit ihren Narben auf sich hat?“, fragte Sada mit einem traurigen Unterton in der Stimme. Lore nickte. Sie saßen beisamen in der kleinen Stube, die zur Mittagspause genutzt wurde und aßen Brot mit Wurst und Käse. „Armes Ding. Sie hatte es nicht leicht!“, murmelte Sada in sich hinein. „Ich wusste schon immer, dass sie ein schmerzhaftes Geheimniss hat. Die Angst vor Gewittern, das beharliche Schweigen, wenn ich sie nach ihrer Vergangenheit ausfragte…Das alles waren Zeichen. Dennoch wurmt es mich, warum sie es mir nicht eher erzählt hat. Ich dachte, sie würde mir vertrauen!“ „Laru ist nicht der Mensch, der mit seiner Vergangenheit prahlt, oder andere damit belästigen will!“, sagte Sada und Lore wollte schon widersprechen. Wollte sagen, dass sie ihn nie damit belästigen würde. Hielt aber inne. Versuchte sich in ihre Lage zu versetzten. Wäre ihm dasgleiche geschehen, so würde er sich ebenso bedeckt halten. Sich für seine Entstellung schämen, obwohl er nichts dafür konnte, aber auch dem Schicksal keine Schuld geben konnte. „Du verstehst das falsch. Sie wollte dir nichts sagen, damit du dir keine Gedanken darüber machst oder gar Mitleid mit ihr hast!“, sagte Sada. „Ist das so falsch? Mitleid ist doch nicht verkehrt. Wer, wenn nicht sie, verdient Mitleid. Sie hat ihre Familie und ihr Zuhause verloren. Und ihr Gesicht…!“

„Es ehrt dich, dass du so denkst und zu ihr stehst. Jeder andere Mann, der sie nicht kennt, hätte sie wegen ihrem Gesicht nicht nehmen wollen. Hier ist es natürlich anders. Die Menschen kennen und lieben Laru. Sie hätte sicherlich keine Probleme gehabt hier einen passenden Mann zu finden. Nun aber kommt ein Fremder, der ihr Mann ist und natürlich haben die, die sie kennen, Bedenken!“, begann Sada wieder. „Aber sie am meisten. Für ein junges Mädchen ist es schon schwer den richtigen zu finden. Aber für ein Mädchen, das wie sie gebrandmarkt ist, ist es beinahe unmöglich. Außer seiner Sicht natürlich!“

Lore wollte etwas sagen. Dass er sich nicht vorstellen konnte, dass es keinen Mann auf Erden gab, der sie so nehmen würde, wie sie ist. Egal ob entstellt oder nicht. Hielt aber inne. Vor einiger Zeit hatte er selber nicht daran gedacht, sie zu mögen. Nicht nur, weil sie angeblich schuld an seiner Misere hatte, sondern auch, weil sie gezeichnet war. Wie oberflächlich er doch gewesen war und blind. Bitter presste er die Lippen aufeinander. „Aber bei dir weiss ich, dass sie es gut mit dir getroffen hat!“, sagte Sada nun wieder lächelnt. Trotz seinen Worten plagten Lore wieder Zweifel. War er das?

Nach allem was sie für getan hatte, wie sich manchmal für ihn eingesetzt hatte und wie oft sie versuchen musste, ihn zu bremsen, kam ihm das, was er bisher aus eigenen Willen getan hatte, geradezu mickrig vor. Der Ring, den er ihr schenken würde und seine neue Arbeit reichten seiner Meinung nicht, um all ihre Mühen zu entschädigen. „Sada, was sind Larus Lieblingsblumen?“, fragte er daraufhin und erntete erstmal einen verwirrten Blick des Alten, dann aber lächelte.
 

Laru war hinter dem Haus und hängte die frisch gewaschene Wäsche auf, als Lore nachhause kam und legte etwas in Papier eingewickelt auf den Tisch. Dabei achtete er darauf, dass es sofort sah und ging dann hinaus. Laru drehte sich zu ihrem Mann herum und begrüßte ihn mit einem Lächeln. „Wie war dein Tag?“, fragte sie. Lore hob die Schultern. „Ging so!“, sagte er und schaute sich den Haufen Wäsche an, die noch nicht aufgehängt war. „Kann ich dir helfen?“

„Nein, ich bin gleich fertig. Aber du kannst etwas Feuerholz hacken!“, sagte sie und hängte ein großes Bettlacken auf. „Während dessen kann ich das Essen machen!“

Lore nahm sich einige dicke Holzscheite und begann diese zu zerteilen. Es wunderte ihn, wie einfach er die Axt hochheben konnte und wie kraftvoll er diese wieder hinunter saußen konnte um das Holz zu spalten. Nach einigen Axthieben hatte er seine Arbeit getan und trug diese ins Haus. Dabei schaute er wieder auf das Papierbündel und fragte sich, ob er es ihr jetzte gleich geben sollte oder nicht doch es sie selber entdecken sollte. Er entschied sich für Letzteres. Es wäre sicher für eine noch größere Freude, wenn er ohne ein Wort ihr ein Geschenk machte. Mit einem Schmunzeln ging er wieder raus und sagte zu seiner Frau:„ Ich schlage noch ein paar. Für den Vorrat. Geh du ruhig schon mal rein!“

Laru nickte nur. Drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging ins Haus. „Ich werde uns was schönes kochen!“, sagte sie. „Mach das!“, erwiderte er mit einem Lächeln und folgte ihr mit seinen Blicken. Er hielt noch ein wenig inne, ehe er wieder mit dem Holzhacken anfing. Wollte sicher sein, dass sie das Bündel fand und als sie ihr lautes Luftschnappen hörte, war er mehr als glücklich. Endlich mal hatte er sie überrascht. Laur kam sofort aus dem Haus gerannt, in ihren Armen ein herrlicher Strauß aus weißem Jasmin. Stürmich fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn heftig. „Danke…danke schön!“, sagte sie immer wieder, während sie ihn küsste. Lore war zuerst überwältigt von ihrer Dankbarkeit. Dann aber lachte er und umarmte sie.

Mit einem glücklichen Lächeln steckte sie die Blumen in eine Vase und roch an ihnen. Strich zärtlich mit dem Finger über die zarten Blütenblätter. Lore beobachtete sie nur. Mit einem ebenso glücklichem Lächeln auf den Lippen. Er freute sich, dass er seiner Frau auch mal eine Freude machen konnte. „Woher wusstest du, dass das meine Lieblingsblumen sind?“, fragte sie und sah ihn an. Lore hob die Schultern. „Habe es mir irgendwie gedacht!“

„So?“, fragte sie und hob erstaunt die Brauen. Lore sah, dass sie ihm das nicht so recht glaubte. Laru sah ihn kurz forsch

end an, dann lächelte sie wissen und stemmte die Hände in die Hüfte. „Sada hat dir dabei nicht geholfen?“

„Nein!“, sagte Lore schnell und der Blick seiner Frau wurde noch wissender. „Nagut. Ja…Ich…er hat mir gesagt, was deine Lieblingsblumen sind!“, sagte er und machte ein niedergeschlagenes Gesicht. Aber das schien Laru nicht zu kümmern. Sie trat neben ihn, setzte sich auf seinen Schoß und umarmte ihn. „Ob du es von Sada weißt oder nicht. Ich bin trotzdem glücklich, dass du mir dieses Geschenk gemacht hast!“

Dann nahm sie sein Gesicht in beiden Hände und küsste ihn und Lore glaubte, die Luft würde ihm wegbleiben. So oft hatte sie ihn schon geküsst. Aber noch nie so. So heiß und innig. Als wären sie längst nicht mehr gute Freunde, sondern ein richtiges Paar. Und Lore wollte keinen einzigen Moment davon vergeuden. Er schloss die Augen und legte seine Arme um sie. Drückte sie eng an sich. Lange bieben seine Lippen noch verschlossen, doch dann wagte er den Versuch und öffnete seinen Mund einen Spalt breit. Laru, zuerst etwas überrascht, ließ es geschehen. Schien darauf zu warte, was er als nächstes tun würde. Dadurch ermutigt, schob er ein Stück seine Zunge heraus. Stiess zögernd gegen ihre Lippen. Bat so um Einlass. Diesen gewährte Laru ihm nur zu gerne. Ein Seufzen entfloh ihr dabei. Und sie schloss ebenso die Augen. Ließ es zu, dass seine Zunge in ihren Mund glitt und jeden Winkel erforschte. Dabei über ihre Zunge strich und sie um eine Antwort bat. Diese bekam er auch gleich. Wie er eben noch zaghaft erwiderte sie das Streichen seiner Zunge mit der ihrigen und spürte, wie ihr Herz zu hüpfen begann. Ihr Magen kribbelte, als würden tausend Schmetterlinge darin umherflattern. Lore erging es nicht anders. Noch nie hatte er eine Frau geküsst und vorallem nicht so. Ihm war zugleich heiß und kalt und auf seiner Haut schienen tausend kleine Blitze ein zuschlagen. Seine Hände schienen bei diesem Kuss ein Eigenleben zu entwickeln, denn sie blieben nicht lange auf Larus Rücken und glitten forschend über ihre Seiten, hoch zu ihren Schultern und dann hinunter zu ihrer Brust. Strich darüber. Und wanderten tiefer, zu dem Rand ihrer Bluse. Als sie sich dann darunter schoben und ihre nackte Haut berührten, schreckte Laru jedoch zusammen. Unterbrach den Kuss und sah ihn aus geweiteten Augen erschrocken an. Lore, der das dumpfe Gefühl hatte, zu weit gegangen zu sein, schaute sie betroffen an. „Was…? Habe ich was falsch gemacht?“

Laru sagte nichts, sondern sah ihn nur an. In ihren Augen lag ein Ausdruck von Bedauern. Und Lore fragte sich, was sie bedauerte. Etwa, dass sie sich geküsst hatten?

Oder eher, dass sie den Kuss unterbrochen hatte?

„Laru…?“, fragte er, weil er wissen wollte, was mit ihr war. Laru aber schüttelte nur den Kopf und kletterte von seinem Schoß hinunter. „Es…es tut mir leid…aber…!“, sagte sie nur mit schwacher Stimme. Sie wirkte verlegen und auch etwas bekümmert. Hastig richtete sie ihre Bluse wieder und strich sich das Haar zurück. Dann holte sie hörbar durch die Nase Luft und sagte:„ Ich mache uns was zu essen!“
 

„Und hat sie sich über die Blumen gefreut?“, fragte Sada am nächsten Tag gespannt. „Ja, hat sie. Sehr sogar. Aber…!“, sagte Lore und schaute deprimiert drein. Sada sah sofort, dass es etwas nicht stimmte. „Aber was?“, kam es besorgt von ihm. Lore zögerte kurz. Eigentlich wollte er ihm nicht erzählen, was gestern zwischen ihnen passiert war. Es war ihm etwas peinlich. Aber er sagte sich auch, dass Sada es verstehen würde und ihm vielleicht einen Rat geben könnte. „Wir..wir sind uns gestern nahe gekommen. Sehr nahe…aber dann war sie plötzlich wie ausgewchselt. Hat so getan, als sei es nicht Besonderes. Dabei habe ich deutlich in ihren Augen gesehen, dass sie…ach, ich werde einfach nicht schlau aus dieser Frau!“, seuzte Lore und vergrub das Gesicht in den Händen. Sada sah den jungen Mann für eine lange Zeit schweigend an. Dann lachte er leise und klopfte ihm väterlich auf die Schulter. „So sind Frauen nun mal. Im ersten Moment Feuer und Flamme und im nächsten dann so kalt wie ein Fisch!“

Das war nun wirklich nicht das, was Lore hören wollte. Mit einem verznkirschten Gesicht schaute er seinen Lehrmeister an. „Warst du denn schon mal verliebt?“

Sada lächelte noch breiter. „Natürlich. Schon viele Male. Und daher weiß ich, wie es ist!“, sagte er spitzbübich. „Glaub mir. Sie wird schon wieder auftauen!“

Doch Lore war sich da nicht so sicher. Aber bevor er etwas sagen konnte, schien Sada nun wieder ans Geschäft zu denken. „Na. Komm. Wir haben noch was vor. Wir müssen die reifen Trauben vom Bauern holen. Ich spanne Edde an. Hole du schon mal die Fässer!“, wies er ihn an.

Wenig später waren sie schon auf dem Weg. Lore saß auf Edde, eine aschgraue Stute mit schwarzer Mähne, die in die Jahre gekommen war, aber dennoch genug Kraft hatte, um den Karren hinter sich her zu ziehen. Sada hingegen saß auf dem Kutschbock und beschrieb Lore den Weg. Ansonsten war es ruhig zwischen den beiden. Mal abgesehen von dem Schnauben der Stute und ihren Hufgetrappel. Lore dachte, während sie den langen Weg entlang fuhren darüber nach, was Laru so verschreckt hatte. Es musste etwas dahinter stecken. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie einfach so einen Rückzieher gemacht hatte. Nur was konnte es so ernstes geben?

Sie waren doch schon solange zusammen und mittlerweile waren sie durch ein Band miteinander verbunden. Lore kam es zumindest vor. Laru hingegen…

Ob es was mit dem Admiral zutun hatte?

Lore wusste selber, wie verrückt das war. Da Laru ihm ja deutlich gezeigt hatte, dass nichts als Freundschaft zwischen ihnen war. Aber die Blicke, die der Admiral ihr manchmal zu geworfen hatte, schienen was anderes zu sagen. Wenn er so darüber nachdachte, erinnerte er sich daran, wie sie ihn angeschaut hatte. Sein Magen verkrampfte sich dabei. Versuchte sich nicht länger darüber Gedanken zu machen.

„Wie weit ist es denn noch?“, fragte er dann. „Nicht mehr weit!“, sagte er wiederum. Und so war es.
 

Nach einigen Metern erreichten sie den Hof des Bauern, der wiederum auf sie wartete. „Oh Sada. Hast du dir endlich einen Lehrling angeschafft!“, sagte er mit tiefer Stimme und grinste. Sada stieg vom Kutschbock ab. „Ja, hat sich so ergeben!“, erklärte er und streckte sich. „Ich werde ja nicht jünger. Da bin ich froh, so einen jungen Kerl bei mir zu haben!“

Der Bauer schaute sich Lore genau an und nickte anerkennend. „Ja, er ist wirklich ein strammer Junge!“

Lore wurde etwas verlegen. Was die Männer nur noch mehr zum Lachen brachte. Dann stieß Sada ihn mit den Ellenbogen an. „Ach, mach doch nicht so ein Sauerteig-Gesicht!“, sagte er. „Sei froh, dass zwei so in die Jahre gekommene Kerle, einem jungen Burschen Komplimente machen!“

Lore zwang sich zu einem schwachen Lächeln. Dann ging es auch schon an die Arbeit. Ein Fass nach dem anderen luden sie mit Hilfe des Bauern auf den Karren und vertauten sie, sodass sie nicht hinunter fielen.

Nach wenigen Minuten machte sie sich dann wieder auf den Heimweg. Und Lore versank, während sie so die Landstraße entlang fuhren wieder in seine Gedanken. Wurde Schweigsam. Das fiel natürlich Sada auf und auch wenn er ihn nicht ins Gesicht sah, konnte er sehen, dass ihn etwas beschäftigte. Um ihm daher ein wenig auf zu muntern und ihn von seinen Gedanken, die ihm so schwer auf der Seele lasteten, stimmte er ein Lied an.
 

In dem Wirtshaus saß der Bursche.

Um ihn rum war frohes Treiben.

Und vor lauter Langeweile, sah man ihn Wein sich einverleiben.

Krug um Krug und er wurd' fröhlich

und die Manneskraft sich regt'.

So hielt er Ausschau nach 'nem Weib,

dass sich das schnell wieder legt.
 

Wie von Sada erhofft, hörte Lore natürlich was er sang und drehte sich zu ihm herum. Wollte ihn schon fragen wieso er solch ein Lied sang. Doch Sada zwinkerte ihm nur zu und sang einfach weiter.
 

Einen sitzend in der Krone,

beginnt er dann alsbald zu graben

an dem ersten Rock, der rumläuft,

bei der Wirtin vom "Zum Raben".

Süße Schmeichelworte lallend,

heftig schwankend und - oh weh -

verliert der Herr sein Gleichgewicht,

plumpst ihr ins Dekolleté.
 

Lore konnte sich daraufhin ein Grinsen nicht verkneifen. Er konnte es sich gut vorstellen und schüttelte den Kopf. Dieser alte Ziegenbock, dachte er amüsiert.
 

Mit Weibern sich die Zeit vertreiben,

sich an ihren Beinen reiben -

danach steht ihm stets der Sinn.

Wo Röcke sind, da will er hin!

Sich an ihre Busen lehnen -

all sein Denken, all sein Streben.

Ihnen auf die Ärsche hauen.

Es gibt für ihn nur eins: die Frauen! Die Frauen!
 

Lore fragte sich wirklich woher Sada solch ein Lied hatte. Für einen kurzen, irrwitzigen Momente dachte er, dass Laru ihm es beigebracht hatte. Verwarf den Gedanken aber wieder. Laru würde niemals solche Lieder singen. Das war nicht ihre Art. Also musste Sada sich dieses Lied über den Kerl selbst ausgedacht haben.

Dem Wirt das Treiben dann zu bunt,

schnappt sich den Kerl am Kragen.

Dieser jedoch - wutentbrannt -

wollte sich ernsthaft schlagen.

Er zückt das Messer, fuchtelt wild,

stieß taumelnd Löcher in die Luft.

Er strauchelt, stürzt und mit Getöse

fuhr die Klinge ins Gekröse!
 

Lore mochte sich nicht vorstellen, wie weh das tun musste. Dabei konnte er es sich bildlich vorstellen und verzog schmerzhaft das Gesicht. In diesem Moment tat ihm der arme Kerl leid. Auch wenn es nur ein Lied war, so konnte er sich gut in die Lage des Unglücklichen hinein versetzen. Versuchte dabei nicht daran zu denken.
 

Vorbei war's mit der Manneskraft,

denn ab war, was zum Mann ihn macht.

Die Lust, die legte sich sodann.

Und glockenhell klang sein Sopran.

Er schlich von dannen wie ein Hund:

"Wo soll ich hin auf Erden?

Mit dem Gemächt bleibt mir wohl nichts,

als Musiker zu werden..."
 

„Oh, der arme Kerl!“, rief Lore nur in das Lied hinein, worauf Sada nur kurz lachte und die letzten Zeile sang.
 

Die Frauen!

Die Frauen!

Mit Weibern sich die Zeit vertreiben,

sich an ihren Beinen reiben -

danach steht ihm stets der Sinn.

Wo Röcke sind, da will er hin!

Sich an ihre Busen lehnen -

all sein Denken, all sein Streben.

Ihnen auf die Ärsche hauen.

Es gibt für ihn nur eins: die Frauen!
 

Nun stimmte Lore in das Lied mit ein und beide sangen sie aus vollster Kehle. Nach und nach verflog Lore betrübte Laune und Heiterkeit machte sich in ihm breit. Auch wenn es ihn immer noch etwas erschreckte, woher ein so gestandener Mann wie Sada solch ein Lied kannte und sich nicht scheute es zu singen. Aber er wollte ihm diese kleine Freude auch nicht nehmen. Er war ja auch nur ein Mensch.
 

Als Lore wieder nachhause kam, summte er das Lied, welches sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte, vor sich hin und lächelte. All die schlechten Gedanken waren wie weggewicht. Und solangsam dämmerte ihm, wieso Sada es gesugen hatte. Dieser Mann hat wirklich eine gute Seele, dachte er, während er ablegte. „Du hast ja eine wirklich gute Laune! Woher kommt das?“, kam es von Laru, die sich ihre Hände an der Schürze abwichte. „Ach, ich und Sada waren beim Bauern und haben neue Trauben geholt. Und dabei hat er so ein Lied gesungen!“, erklärte Lore. „Was denn für eins? Sing es mir doch mal vor!“, fragte sie neugierig und Lore schluckte etwas. Sollte er wirklich das Lied singen wie Sada?

Laru war eine Dame, auch wenn sie so nicht aussah aber sicherlich würde sie rot vor Scham anlaufen, wenn sie es hörte. „Ich…ich bin nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist!“, sagte er zögernd. „Lore, ich bin kein kleines Kind mehr!“, sagte sie daraufhin etwas beleidigt und stemmte die Hände in die Hüfte. Daran hatte Lore auch keine Zweifel. Nur er fürchtete, dass aru davon nicht gerade begeistert sein würde. „Und ich habe schon so manchen Schund gehört. Das werde ich schon abkönnen!“

Lore zögerte noch kurz, ehe er das Lied sang. Mit jeder Zeile, die er sang, entglitten Larus Gesichtszüge und sie machte einen erschütterten Eindruck. Ich wusste, dass das passiert, dachte Lore sogleich, als er das Gesicht seiner Frau sah. Mit einem theatralischen Seufzen, rollte sie mit den Augen. „Irgendwie wusste ich, dass er so was singt!“, jammerte sie. Lore runzelte die Stirn. War das so schlimm, fragte er sich. „Ein Mann in seinem Alter sollte nicht sowas von sich geben!“, stöhnte sie. Lore musste nun etwas lächeln. „Dich scheint es ja zu freuen!“, kam es nun trocken von ihr. „Nun er hat zumindest meine Laune etwas gehoben!“, sagte er und hätte sich im nächsten Moment auf die Zunge gebissen. Denn sicherlich würde sie ihn fragen, ob er vorher miese Laune gehabt hatte. Und damit sollte er richtig liegen. Laru sah ihn mit fragendem Blick an. „Was war denn los?“, fragte sie. Lore dachte kurz darüber nach, ihr etwas or zu flunkern. Entschied sich aber dagegen. Denn immerhin hatte auch sie dazu einen Teil beigetragen. Außerdem würde er sicherlich keine Ruhe finden, ehe er nicht mit ihr darüber gesprochen hatte. „Ich…ich musste daran denken, wie…wie wir uns geküsst haben. Zu anfang schien es dir auch zu gefallen. Doch dann warst du plötzlich so…so abweisend…!“, begann er und versuchte dabei seine Worte mit Bedacht zu wählen. Larus Gesicht nahm einen bedückten Ausdruck an. Sie hatte schon geahnt, dass er irgendwann dieses Thema ansprechen würde. Dennoch hatte sie sich ein wenig davor gefürchtet. Denn nun müsste sie ihm sagen, wieso sie einen Rückzieher gemacht hatte. „Ich habe mich gefragt, wieso? Ob ich was falsch gemacht habe?“, schüttete er ihr sein Herz aus. Laru ein wenig gerührt davon, dass er bei sich den Fehler suchte, schüttelte den Kopf. Wie konnte der Arme wissen, dass sie es war, die die Böse war. „Nein, du hast nichts falsch gemacht!“, sagte sie dann und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Sah ihn zärtlich an. Lore öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch Laru schüttelte wieder den Kopf. Stellte sich dann auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die Lippen. Aber nur kurz. Lore wäre es aber lieber gewesen, dass sie den Kuss verlängerte. Er wollte schon die Arme um sie schlingen, sie fest an sich drücken. Ließ es aber. Aus Furcht, dass er nun doch etwas falsch machen würde. Laru sah ihm an, dass ihn etwas auf der Seele lastete. Sie umarmte ihn und schmiegte sich an ihm. „Glaub mir: Du hast nichts falsch gemacht!“, flüsterte sie. In Gedanken setzte sie hinzu: Nur ich!
 

„Ich hätte mir denken können, dass Laru nicht gerade davon begeistert ist!“, seufzte Sada. Lore hob die Schultern. Ihm gingen Larus Worte nicht aus dem Kopf. Seine Gedanken, dem Admiral betreffent wollte er nicht äußern, weil er nicht den Moment zerstören wollte, in dem Laru und er wieder sich nahe waren. Außerdem kam es ihm nun albern vor, dass er wieder damit angefangen hatte, sich über das mögliche Verhältnis zwischen Laru und Admiral Gedanken zu machen. Wieso hatte er nur wieder damit angefangen?

Hatte er so wenig Selbstvertrauen, dass er sich mit einem Admiral vergleichen musste?

Er war zwar von Geburt an Adelig. Aber was brachte es ihm, da er nun das Leben eines Bürgerlichen führte. Und mittlerweile konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Fragte sich dabei, wie er bisher so leben konnte. Ohne jemanden an seiner Seite, der ihn so nahm, wie er war. Fast schon nannte er sich selbst einen Narren. Einen dummen, selbstverliebten Naaren. Wenn er so zurück dachte, gab es tausend Dinge, die er am liebsten rückgänig machen wollte. Aber was geschehen ist, ist geschehen. „Junge! Hey, Junge!“, rief Sada und riss nun aus seinen Gedanken. Lore schrack zusammen und sah ihn etwas verwirrt an. „W-Was?!“, fragte er. Sada sah Lore kurz sorgenvoll an, dann schüttelte er den Kopf und brummelte etwas vor sich hin. Lore hörte nur Bruchstücke. Worte wie „Dieser Junge!“ und, „Träumttänzer!“

Lore wollte schon etwas darauf erwidern. Dass er guten Grund hatte, so in Gedanken versunken zu sein. Doch bevor er etwas sagen konnte, hörten sie die kleine Glocke über der Tür bimmeln und ging nach vorne. Lore blieb auf der Stelle stehen, als er Fürst Roska, gefolgt von seinen Speichelleckern, im Weinladen erschien. Was will der denn hier, fragte er grimmig. Versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen, sondern bemühte sich höflich zu sein. „Guten Tag!“, sagte er und nickte knapp. „Was kann ich für Euch tun?“

Fürst Roska rümpfte nur die Nase. Bedacht Lore herablassend. Natürlich erkannte er in ihm den Mann, der sich schützend vor Laru gestellt hatte. Zweimal. Dennoch hoffte Lore, dass er ihn nicht als den Prinzen erkannte, der er mal war. Denn dann würde Roska keine Gelegenheit auslassen um ihn zu demütigen. Wobei ihm das nicht schlimmer erschien, als wenn Roska abfällig über Laru sprach. „Ich will den besten Wein, den Ihr habt!“, verlangte er nun. Lore schaute zu Sada, der wiederum verstand und nach vorne trat. „Habt Ihr einen bestimmten Wunsch, was den Geschmack oder den Duft angeht, Herr?“, fragte er nun. Dabei klang er ganz wie der Geschäftsmann, der er ja war und schien sich Roska und seinem Tross nicht einschüchtern zu lassen. Das sorgte dafür, dass einige der Mitläufer hinter vorgehaltener Hand lachten und zu lästern begannen. „Dieser alte Ziegenbock!“, sagte der eine. „Der hat vielleicht Nerven!“, kam es nun von dem anderen. Sada ignorierte sie, während Lore hingegen diese zu gerne aus dem Geschäft geworfen hätte. Roska brachte sie mit einem Handwink zum Schweigen. „Nein, Gebt mir einfach nur den besten Wein!“

„Mit Verlaub, Herr. Alle unsere Weine sind gut!“, mischte sich nun Lore ein, wobei es ihm schwerfiel so höflich zu sein und Roska mit Herr an zu sprechen. Ihm kam schon fast die Galle dabei hoch. Roska hob die Braue. Sah den jungen Mann mit dem Bart mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier an. „So? Dann gebt mir doch eine Weinprobe!“

„Natürlich, Heer!“, sagte Sada nun, drehte sich um und wollte gehen. Dabei warf er Lore einen bitterbösen Blick zu. „Wieso konntest du nicht deinen Mund halten?“, schien sein Blick zu fragen. Offentsichlich hatte Sada schon oft mit Roska zutun gehabt, um zu wissen, dass man ihm nicht so vor den Kopf stoßen sollte. Und um ehrlich zu sein: Lore hätte sich das auch denken können. Er kannte Roska ja auch. Hatte aber zum Glück wenig mit ihm zutun. Nun hatte er sich und Sada damit ein Bein gestellt und Sada musste es alleine ausbaden. Eilig ging er ihm nach um sich zu entschuldigen und auch um ihm zu helfen. Die reifen Weine lagerten ganz hinten und waren schwer. Vorsichtig rollten sie ein Fass nach dem anderen, das sie für den Fürsten gut genug hielten, hinunter und fühlten die verschiedenen Weine in die dafür vorhergesehen Becher, die sie zuvor mit den ausgesuchten Weinen beschriftet hatte und trugen sie auf einem Tablett in die Stube.

Die Weinrpobe schien allerdings ein absoluter Reinfall zu sein. Kein einziger Wein schien dem Fürsten zu munden. Wobei sich Lore sicher war, dass er das mit Absicht machte. Seine Abneigung ihm gegenüber wuchs mehr und mehr. Als Roska den letzten Becher gelerrt und den Schluck in einen Eimer ausgespukt hatte, schaute er Lore und Sada an, als haben sie ihn vergiften wollen. „Der reinste Essig!“, schimpfte er. „Und das nennt sich Wein? Und Ihr nennt Euch Weinmacher?“

Sada trafen diese Worte sehr. Vorallem weil sie unberechtigt waren. Loras Hände ballten sich zu Fäusten und er kämpfte darum, um nicht die Fassung zu verlieren. Dieser elende Mistkerl, knurrte er innerlich. Erst beleidgt er Laru und auch noch Sada!

„Wenn Ihr wünscht, werden wir Euch andere Weine zum kosten geben!“, schlug Sada, der seine Stimme zur Ruhe zwang. Er bemühte sich, Ruhe zu behalten und es diesem Kerl recht zu machen. Obwohl Lore wirklich danach war, ihm Essig zum trinken zu geben. Roska winkte ab. „Nein, nachdem ich Eure „Besten Weine!“, probiert habe, weiss ich nun, wie der Rest schmecken wird!“, wehrte Roska ab. „Solch ein Gesüff würde ich nicht mal meinen Hunden zum Saufen geben. Ich werde mir wohl einen neuen Weinlieferanten suchen müssen!“

Mit diesen Worten drehte er sich herum und ging. Gefolgt von seinen Anhängern, die es sich nicht nehmen ließen, über die unverschämten Worte zu lachen.

Nun reichte es Lore. Noch ehe Sada wusste, was er vorhatte und ihn aufhalten konnte, stürmte er Roska hinter her. Dieser wollte gerade auf sein Pferd steigen, als Lore rauskam und ihn aufhielt. „Fürst Roska!“, rief er erbost und der Fürst hielt inne. Roska drehte sich zu Lore herum und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Was noch?“, fragte er dann gelangweilt. „Wie könnt Ihr so grausam zu einem alten Mann sein, obwohl Ihr wisst, dass er ausgezeichneten Wein macht?“, warf Lore ihm fassungslos vor. Roska schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. „Ich habe nur gesagt, wie es ist. Offenbar wird auf seine alten Tage nachlässig!“, sagte er kalt und die anderen Männer lachten wieder. Nickten. Lore hätte sie am liebsten verprügelt. Sie machten das doch nur, um Roska zu gefallen. Um in seiner Gunst bleiben zu können. „Das stimmt nicht. Und das wisst Ihr auch!“, schoss Lore zurück. „Wieso sonst gebt Ihr das Geld Eures Vaters für Weine und andere teure Sachen aus. Für Euch ist das Beste doch gerade gut genug!“

Da hoben sich die Brauen des Fürsten. „Woher kannst du das wissen, Bursche?“, fragte er lauernd und Lore wurde sich bewusst, dass er sich damit selbst eine Grube gegraben und auch selbst hineingefallen war. „Ihr…Ihr stinkt ja förmlich nach Geld, das Euch nicht gehört!“, sagte er daher schnell. Nun wurde der Blick Roskas bohrend und Lore merkte förmlich, dass er sich noch tiefer in den Schlamassel geritten hatte. Wie ein angriffslustiger Hund beugte sich Roska nach vorne. „Willst du mich für dumm verkaufen? Denkst du, ich durchschaue dich nicht?“, kam es zischend von ihm. Seine Mitläufer hörten nicht, was er sagte. Wofür Lore dankbar war. Dennoch gefiel es ihm nicht, was Roska sagte. Hatte er ihn etwa durschaut?

Schnell machte Lore einen Schritt zurück. Wollte Abstand zwischen sich und dem Fürsten bringen. „Entschuldigt Euch bei ihm und dann geht Euren Weg. Von mir aus könnt Ihr Euch einen anderen suchen, der Euch Wein verkauft!“, sagte er und wandte sich um und zu gehen. „Wie sehr du dich doch verändert hast, Lore!“

Lore erstarrte, als habe ihn der Blitz getroffen. Für einen kurzen Moment fiel er in ein tiefes Loch, aus dem er erstmal nicht raus komen konnte und in dem er kaum was hören konnte. Wie an unsichtbaren Fäden, drehte er langsam den Kopf, blickte zu Roksa. Während er dachte, wie zur Salzsäule erstarrt zu sein. Ohne zu irgendeiner Regung fähig, sahen die anderen wiederum das Entsetzen in seinen Augen. Roskas Gesicht zierrte ein triumphierendes Lächeln. Es war alt und gemein. Während sein Tross ehrlich überrascht war. Offensichtlich waren sie zu blind oder dumm, ihn zu erkennen. „Ja, ich weiß, wer du bist!“, sagte er abfällig, „Und ich war erstmal erstaunt. Ich dachte zuerst, die Gerüchte seien nur dummes Geschwätz von den verschmähten Weibern. Aber jetzt wo ich dich hier so sehe…!“

Nun lachte er. „Prinz Lore. Zu einem Bürgerlichen heruntergekommen und verheiratet mit einer verunstalteten Bettlerin! Wobei…ich wäre nicht abgeneigt, sie mal zu haben. Trotz der Narben scheint sie einige Qualitäten zu haben!“, sagte er mit einem dreckigen Grinsen. „Wieviel willst du für sie haben?“

Die anderen Männer lachten dreckig. Aber Roskas gemeines, dreckiges Grinsen übertraf sie und Lore spürte, wie die Wut in ihm Oberhand gewann. Er hatte schon bei der ersten Begegnung mit ihm, wo er über Laru abfällig über sie redete, diese Wut verspürt. Doch da war sie nur ein Funken. Ein schwaches Aufflackern. Nun aber wurde aus dem Funken eine Stichflamme, die hell aufloderte und ihn alles vergessen ließ. Mit einem schwingenden Schlag, fegte er Roska von den Füßen. Völlig überrumpelt, war er nicht im Stande seinem Schlag stand zu halten und kippte wie ein gefällter Baum um. Seine Anhänger keuchten erschrocken auf. Halfen ihm dann aber auf die Beine. Roskas Nase hatte das meiste vom Schlag abbekommen. Blut sickerte als dünner Strich aus dieser und sie schien gebrochen zu sein. Kalte Genugtuung machte der Wut Platz. „Nun sieht er nicht mehr so edel aus, der feiner Herr Fürst!“, dachte er grimmig. Roska wischte sich das Blut ab, stierte Lore finster an. Glich nun einem wilden Stier, den man provoziert hatte. „Das wirst du büßen!“, knurrte er und stürzte sich nun auf Lore. Wie kleine Jungen rauften sie mit einander. Wälzten sich auf dem Boden hin und her. Schlugen und traten sich gegenseitig. Sada, von den Kampfgeräuschen alarmiert, eilte nach draußen und sah die beiden Männer und vorallem Lore entsetzt an. „Junge, was machst du denn?“, fragte er außer sich und versuchte die beiden Männer zu trennen. Zwei von Roskas Mitläufer halfen ihm. Nur mit Mühe konnten sie sie von einander trennen. Ein anderer schrie nach der Wache. Lore bekam es nur am Rande mit. Fürchtete nicht, dass er nun bis zum Hals in Ärger stecken würde. Wutentbrannt schaute er zu Roska, dessen Blick nicht minder wütend war und beide machten Anstalten, sich los zu reißen und wieder aufeinander los zu gehen.

Die Stadtwache kam als Trio angeritten und sah auf die beiden Streithähne. „Was ist hier los?“, fragte der an vorderster Spitze. Roska kam als erster wieder zu sich und trat an die Männer heran. „Dieser…dieser Kerl hat mich angegriffen!“, rief er außer sich und zeigte auf Lore. Die Stadtwache wiederum sah zu ihm und ihr Blick verfinsterte sich. Für sie war klar, dass Lore der Schuldige war. Schnell schüttelte er den Kopf. Löste sich von Sada, der ihn noch warnen wollte. „Das stimmt nicht. Er war es!“, rief er und kam sich etwas wie ein kleiner Junge vor. Dabei unterdrückte er die Stimme, die seine Worte Lügen strafte. „Hört nicht auf ihn. Er ist es gewesen!“, zetterte Roska und steigerte sich immer mehr in die Rolle des Opfers hinein. Das schlimme war, dass er dabei ziemlich überzeugend klang. Es dürfte schwer werden, die Stadtwache von dem Gegenteil zu überzeugen. Und als er sie ansah, wurde er sich bewusst, dass es unmöglich war. „Nein…ich…ich habe nichts…!“

„Ich habe genug gehört. Ergreift ihn!“, rief er und seine beiden Kameraden stiegen von ihren Pferden ab und ergriffen ihn. Lore wehrte sich sogleich und beteuerte unter Protest seine Unschuld. Doch davon wollten die Wachen nichts hören. Unberührt schleppten sie ihn fort. Er drehte sich rein zu fällig zu Sada und dem Fürtsen herum und sah Sadas kummervolles Gesicht, während Roska hämisch grinste.

Ein auf und ab der Gefühle

Sada hatte, nachdem Lore von der Stadtwache, Laru natürlich sofort davon in Kenntnis gesetzt. Auf seiner Stute Edde ist er zu ihr geritten und hatte ihr alles erzählt. Erschüttert über das, was ihr Mann sich wieder eingebrockt hatte, schlug sie die Hände über den Kopf zusammen. „Um Himmels willen. Ist er den von Sinnen?“, hatte sie gestöhnt und sich sofort auf den Weg gemacht.

Lore saß während dessen in einem der Arrestzellen auf Stroh und schaute nur dumpf vor sich hin. Er wusste, dass das Ärger geben und er der Dumme sein würde. Aber er konnte es auch einfach nicht auf sich sitzen lassen, wie Roska über seine Frau gesprochen hatte. Wie als würde er von einer Dirne sprechen. Dabei war sie mehr Dame als alle anderen Weiber, die er am Hofe seines Vaters getroffen hatte. Wenn man von ihm verlangen würde sich bei ihm zu entschuldigen, würde er nur lachen du sagen, dass dieser Mistkerl ihn kreiuzweise mal kann. Selbst wenn sie ihn Prügel androhen würden. Um Roska zu zeigen, dass er sich nicht alles erlauben kann, war es ihm durchaus wert, dafür den Preis zu zahlen. Aber noch mehr, um Laru zu verteidigen. Auch wenn sie sicherlich nicht gerade begeistert sein würde. Aber wenn er ihr die Gründe dafür nannte, würde sie es sicherlich verstehen. Lore hoffte es.

Stimmen holten ihn aus seinen Gedanken. „Er ist hier unten!“, hörte er einen der Wachmänner und sah seinen Schatten, der die Treppe hinunter stieg. Eine zweite Gestalt folgte ihm. Klein war sie und zierlich. Als er ihre Stimme hörte, krampfte sich sein Magen zu sammen. „Was hat er getan?“

Laru!

Auch wenn er gewusst und auch irgendwie gehofft hatte, dass sie kommen würde, hatte er dennoch ein schlechtes Gewissen. Sicherlich war sie außer sich. Sie hatte ihn ja schließlich davor gewarnt, sich an Roska zu vergreifen. Er konnte nur hoffen, dass sie ihm nicht deswegen zu sehr zürnte. „Er hat einen Fürsten verprügelt!“, sagte der Wachmann und Lore hätte am liebsten los gelacht. Er stellte ihn so hin, als sei er ein Schläger. Dabei hatte er nur seine Frau verteidigt. Aber das würden diese Hornochsen sicherlich nicht verstehen. Bestimmt hatte Roska ihnen im Nachhinein noch etas Geld zu gesteckt. Es entsetzte ihn, wie leicht es die Hohwohl geborenen haben, sich aus ihrem eigenen verschuldeten Ärger heraus zu winden. Nur weil sie eine Titel und Geld haben. Nicht mal er war so…so wie Roska. Auch wenn er selbst einige schelchte Manieren hatte…

Wo er so darüber nachdachte, musste er zu geben, dass er sich gerade wie ein Prinz verhalten hatte. Eher wie ein verzogenes Kind. Aber nun war er ein anderer…

„Du meine Güte!“, seufzte sie. Ihre Stimmen wurden lauter. „Er kann von Glück sagen, dass der Fürst darauf verzichtet hatte, ihn auspeitschen zu lassen!“, sagte der Wachmann. Lores Magen krampfte sich zusammen. Das war nun wirklich schlimm zu hören. Und in dieser Hinsicht, dankte er Roska wirklich für diesen Akt der Güte. Doch das änderte nichts an der Abneigung, die er für ihn empfand. Er hörte Larus gedämpfte Stimme. Sie klang niedergeschlagen und kraftlos. „Ein Glück!“, sagte sie, dann traten sie vor seiner Zelle. Laru blickte auf ihn nieder und machte ein Gesicht, als würde er vor seiner Hinrichtung stehen. Lore spürte einen Stich in seinem Herzen, als er sie so sah. Er stand umständlich auf und ging zum Gitter. Umfasste die Stäbe mit seinen Händen und schaute sie an, als habe er alles Vertrauen, welches sie in ihn gesetzt hatte, zertsört. Und ein untrügliches Gefühl sagte ihm, dass das auch so war. „Wieso hast du das getan?“, fragte sie leise. Beschämt senkte er den Kopf. „Ich konnte nicht anders!“

„Die Kaution beträgt fünf Silberstücke!“, schnaubte der Wachmann, dem das ganze auf die Nerven geht. Beide zuckten zusammen, als sie das hörten. Fünf Silberstücke!

Das war viel. Viel zu viel. Doch ihnen blieb nichts anderes übrig, als den Preis zu zahlen.

Danach schloss der Wachmann die Zellentür auf und Lore trat hinaus. Betreten und schweigend stiegen sie die Stufen hoch und schritten über den Platz. Es dämmerte, als sie die Stadt verließen und sich beeilten, noch rechtzeitig nachhause zu kommen.

Als sie dann in das Haus traten, hatten sie noch immer kein Wort miteinander gewechselt. Zumnidest Laru hatte sich in unnachgibiges Schweigen gehüllt. Und Lore hatte bis jetzt auch nicht den Versuch gemacht, sie zum Reden zu bewegen. Er wollte nicht gleich noch mehr Öl ins Feuer gießen, welches er selbst verursacht hatte. Sondern warten, bis sich Laru wieder beruhigt hatte. Doch ein Blick in ihr finsteres Gesicht, sagte ihm, dass das nicht so schnell passieren würde. Mit etwas zu viel Kraft warf sie die Tür ins Schloss und ging an ihm vorbei. Lore zuckte zusammen und sah ihr nach. Das Schweigen wurde nun unerträglich. „Wieso sagst du nichts, Laru?“, fragte er sie und klang dabei weinerlich und nicht wie ein Mann. Viel mehr wie ein kleiner Junge, der seine erzürnte Mutter um Verzeihung anflehen wollte. Laru werkelte an der Kochstelle herum. Ihre Bewegung wirkten viel zu hektisch und angespannt. Lore fürchtete schon, dass sie sich dabei verletzen würde. Oder dass sie mit einem Messer auf ihn losgehen würde. Aber diese Sorge drängte er schnell nach hinten. „Das fragst du mich wirklich?“, fragte sie dann monoton. Hatte ihm immernoch den Rücken zu gedreht. Lore biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten wollte er zu ihr gehen, sie zu sich umdrehen und sie in seine Arme ziehen. Ihr somit zeigen, dass es ihr leid tat, aber er traute sich nicht. So angespannt hatte er sie noch nie erlebt. „Ich habe dir gesagt, dass du nicht Hand an einen Adeligen anlegen solltest. Ich habe dir gesagt, was dann mit dir passiert!“, fuhr sie fort und ihre Stimme bebte. „Und doch hast du es getan!“

Nun drehte sie sich um. In ihren Augen schimmerten Tränen. „Wieso? Wieso hast du deinen Kopf riskiert. Ist dir klar, was hätte passieren können, wenn die Strafe härter ausgefallen wäre?“

Lore konnte es sich vorstellen und ein Schauer rann ihm über den Rücken. Er nickte beklemmend. Dann aber fasste er sich ein Herz und öffnete den Mund, um ihr den Grund zu nennen. „Weil…es ging dabei um dich!“

Larus Augen wurden groß. Dann aber wurde ihr Gesicht bitter. Nur wegen ihr, hatte er sich in solch eine missliche Lage gebracht?

Sie fühlte sich zwar ein wenig gescheichelt, aber der Gedanke, dass es auch schlimmer hätte ausgehen können, überdeckte dies. „Nur wegen mir? Was bitte schön kann er über mich gesagt haben, dass du dich dermaßen gehen lässt?“

„Ganz einfach. Er sprach über dich, als wärst du eine Dirne. Er wollte wissen, wieviel ich haben wolle, um dich für eine Nacht ihm zu überlassen!“, erklärte er entrüstet. Larus Gesicht wurde blass. Mit allem hatte sie gerechnet. Dass der Fürst sie in den Dreck ziehen wüde. Sich über sie lustig machen würde. Aber nicht so was. Nun verstand sie Lores Handeln und dankte ihm, dass er sie so verteidigt hatte. Doch dann mahnte sie sich ruhig zu bleiben. Egal was er auch gesagt hatte, Lore hätte es ignorieren können. Und das sagte sie ihm auch. „Lore, ich…ich fühlte mich zwar geehrt, dass du das getan hast. Aber du hättest es einfach ignorieren können. Dieser Fürst ist ein Dummschwätzer und für kein Geld der Welt würde ich ihm eine Nacht schenken. Dafür ist er mir zu wider!“

„Das konnte ich nicht. Es ging einfach nicht!“, sagte Lore und schüttelte den Kopf. „Ich…ich musste es einfach tun!“

„Aber wieso? Ich dachte immer, du seist ein vernünftiger Mann!“, sagte sie.

„Ich hatte einen guten Grund!“, kam es kleinlaut von mir. „Und was soll das für einer sein? Etwa dein verletzter Stolz?“, warf sie ihm daraufhin vor und Lore fragte sich kurz, ob es sie nicht sei, die von ihnen beiden, die Kurzsichtige sah. Sah sie nicht, dass es nur einen Grund dafür geben konnte?

„Nein!“, rief er außer sich. „Ich tat es weil….weil ich…!“

„Was Lore?“, fiel sie ihm ins Wort und brachte nun Lore damit nur noch mehr dazu, es aus zu sprechen. „Weil ich dich liebe!“

Nun war es endlich heraus und Lore fragte sich selbst für einen flüchtigen Moment, was er da eigentlich gesagt hatte. Schalt sich selbst als einen Dummkopf, weil er etwas gesagt hatte, was nur in der Hitze des Gefechts aus seinem Mund gerutscht war. Aber wenn er ehrlich sein sollte, hatte er das nur ausgesprochen, was sein Herz schon längst wusste. Er liebte sie!

Liebte sie über alles. Wieso sonst war er so eifersüchtig auf den Admiral und fürchtete sogleich, dass es zwischen beiden etwas gegeben hatte. Wieso wollte er ihr einen teuren Ring schenken und hatte ihr ihre Libelingsblumen gebracht?

Nach und nach wurde er sich bewusst, dass es dafür nur diesen einen einzigen Grund geben konnte. Laru sah ihn an, als würde sie ihren Ohren nicht trauen. Noch hatte er diese Worte ausgesprochen und sie dachte zuerst, er habe es nur gesagt, damit sie ihm verzieh. Aber nur ein Blick in seine Augen reichte, um zu erkennen, dass er die Wahrheit sagte. Sprachlos hob sie Hand an ihre Lippen, um zu vergeben, wie sehr sie zitterten. Sie war gerührt und auch ershrocken. Auch wenn sich tief in ihr etwas nach diesem Geständnis gesehnt hatte, versetzte ihr sein Liebesgeständnis einen Stich. Es fühlte sich an, als würden tausend spitze Nadeln ihr Herz durchbohren. Und ihre Augen begannen zu brennen. Bevor er sehen konnte, dass sie zu weinen begann, drehte sie ihm den Rücken zu. Lore sichtlich verwirrt über diese Reaktion, fürchtete, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Aber was war so falsch daran, ihr seine Gefühle zu gestehen. Er hatte gedacht, dass es sie freuen würde. Dass sie nun sich von ihm abwandte, ließ ihn das schlimmste befürchten. „Laru?“, fragte er schmerzlich und machte einen Schritt auf sie zu. Umfasste ihre Schultern und musste feststellen, dass sie zitterten. Ein leises Schluchzen war von ihr zu hören. „Wenn ich…wenn ich etwas Falsches gesagt habe, dann…!“, brachte er zögernd hervor, wobei er sich ziemlich dumm vorkam. Wieso entschuldigte er sich bei etwas, was der Wahrheit entsprach?

Aber Lore hätte wohl alles gesagt, damit Laru ihn wieder ansah und aufhörte zu weinen. Laru drehte sich nun zu ihm herum und fiel ihm um den Hals. Drückte sich an ihm. Schüttelte dann schluchzend den Kopf. „Nein. Nein, hast du nicht!“, schluchzte sie. „Hör auf immer dir den schwarzen Peter zu zu schieben!“

„Aber ich dachte…!“, sagte er. Wieder schüttelte Laru den Kopf. „Nichts aber…!“, sagte sie und lehnte sich an ihn, als sei er der einzige Halt, den sie hatte.

„Ich werde einfach nicht schlau aus ihr!“, seufzte Lore und wischte sich über die Stirn. Er fühlte sich matt und erschöpft. Die ganze Nacht hatte er kaum ein Auge zu getan. Larus Worte hatten es nicht vermocht, ihm den Stein, der auf seinem Herzen lastete, zu nehmen. Immer wieder hatte er sich zu ihr umgedreht und sie angesehen. Laru hatte ihm wieder den Rücken zu gekehrt und schien tief und fest zu schlafen. Wie kann sie nur schlafen? Sie war doch selbst am Boden zerstört gewesen?

Oder machte sie ihm nur was vor?

Diese und noch andere ähnliche Fragen plagten ihn die ganze Nacht und ließen ihn kaum schlafen. Dermaßen blass und ausgelaugt kam er auf die Arbeit und versuchte so gut wie möglich seinen Pflichten nach zu kommen. Sada sah natürlich, dass ihn wieder etwas wurmte. „Habt Ihr schon wieder Streit miteinander?“, fragte Sada. Solangsam hatte er das Gefühl, dass die beiden noch wie kleine Kinder waren, die sich über alles Mögliche stritten. Und er der einzig vernünftige Erwachsene war. Lore schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich verstehe es einfach nicht. Auf der einen Seite zeigt sie mir, was sie für mich fühlt. Aber dann macht sie den Eindruck, als würde sie selber nicht wissen, ob das richtig sei!“, sagte er. Seufzte schwer. „Diese Frau bringt mich noch ins Grab!“

„Das tun doch alle Frauen!“, bemerkte Sada mit einem Glucksen. Wurde dann aber ernst. „Aber ich gebe dir Recht: Laru scheint irgendwie hin und her gerissen zu sein!“

„Was kann sie nur haben? Ich dachte immer, sie wisse, was sie tut und wolle. Immer hat sie mich zu Vernunft gebracht. Ich sogar getadelt. Aber nun…!“

Laru machte eine ratlose Geste. „Ich fürchte, dabei kann dir keinen Rat geben. Außerdem seid ihr beide alt genug!“, sagte Sada.

Der Rest Tages verlief ereignislos, wenn man von Lores trübsinnigen Gedanken absah und er machte sich auf den Heimweg.

Bevor er die Tür zum Haus öffnete, hielt er inne, als er hörte, dass Laru Besuch hatte.Und er erkannte auc von wem. Arna!

Was machte sie denn hier, fragte er sich. Und seine Neugier wurde umso größer, als er hörte, was sie Laru sagte: „Wielange willst du ihn noch im Ungewissen lasen?“

In ihrer Stimme hörte er deutlich bitteren Vorwurf. Sie klang dabei wie eine Mutter, die ihrem Kind den Kopf zu recht rückte. „Ich…glaub ir, ich fühle mich auch so schon schlecht genug. Da brauche ich deine Zurechtweisung nicht!“, sagte Laru, nicht minder verbittert. „Was für Beweise brauchst du noch? Nach allem was du mir erzählt hast, ist es doch nur all zu deutlich, dass du sein Herz gestohlen hast. Und nun hat er dir auch seine Liebe gestanden. Also noch mehr Beweise kannst du wirklich nicht von ihm verlangen. Wenn du so weiter machst, wird er dich irgendwann verlassen!“, sagte sie schroff. „Verheiratet oder nicht!“

„Und wie soll ich es ihm beibringen? Weisst du auf darauf einen Rat?“, fragte Laru sie nun herausfordernd und kurz herrschte Schweigen. „Du bist alt genug, Laru. Und du hast dir das ganze selbst eingebrockt, nun musst du es auch ausbaden!“, kam die Antwort prompt von Arna und Lore musste etwas Lächeln. Offensichtlich war er nicht der einzige, der sich wie ein Kleinkind aufführte.

Um Laru aus dieser Diskussion zu erlösen, öffnete er nun die Tür und trat ein. „Guten Abend, Arna!“, begrüßte er die Frau und nickte ihr freundlich zu. Arna erwiderte dies. Dann wandte sie sich an Laru. „Denk dran, was ich gesagt habe!“, rief sie ihr in Erinnerung und verabschiedete sich dann. Laru sah ihr mit einem Blick nach, der sie förmlich zum Teufel wünschte. Lore sagte erstmal nichts. Dann aber ging er zu ihr und fasste ihre Hände. „Geht es dir wieder gut?“, fragte er vorsichtig. Laru nickte. Strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Worüber habt ihr denn gesprochen?“, fragte er dann vorsichtig. Larus Körper versteifte sich. „Über…über einige Dinge!“, sagte sie schwach und wich seinem Blick aus. „Dinge, die zwischen uns stehen?“

„Wie kommst du darauf?“

Lore hob die Schultern. „Nach allem was passiert ist…Dieses ständige auf und ab…Ich habe das Gefühl, dass eine Mauer zwischen uns steht!“, gestand er frei heraus. Laru sah ihn nun doch an und in ihren Augen sah er, dass seine Worte sie schmerzten. Doch es war nicht der Schmerz, den man empfand, wenn man einen kränkte, sondern weil sie die Bestätigung hatte, dass sie mit ihrem Benehmen ihm Unrecht angetan hatte. „Es tut mir leid, dass du so denkst!“, sagte sie leise. Strich ihm über die Wange. „Ich…ich wollte dir nicht wehtun!“

„Magst du mir nicht endlich sagen, was los ist?“, bat er sie. „Mich macht diese Ungewissheit noch wahnsinnig!“

„Ich…ich kann es dir nicht sagen. Noch nicht!“, sagte sie und begann wieder zu weinen. Lore glaubte den Boden unter seinen Füßen zu verlieren. Was musste er noch tun, damit Laru endlich die Wahrheit sagte. Er wollte sie schon packen und schütteln. Sagte sich aber, dass das alles andere als hilfreich sein sollte. So zwang er sich ruhig zu bleiben. Doch er wollte zumindest eine Frage von ihr beantwortet haben. „Dann…dann sag mir wenigstens, was du für mich fühlst!“, bat er. Flehte förmlich. „Sonst verliere ich noch den Verstand!“

Laru schloss für einen Moment die Augen, schien mit sich zu ringen. Dann sah sie ihn wieder an und lächelte nun zärtlich. „Ich fühle genauso wie du!“, sagte sie. „Ich liebe dich auch!“

All der Kummer schien mit einem Male von Lore ab zu fallen. Für ihn gab es nun nichts mehr, was für ihm mehr zählte, als ihre Gefühle für ihn. Auch wenn sich ein Teil immernoch von ihm fragte, was der Grund für dieses ganze Theater war, wollte er sich damit erstmal zu frieden geben. Überglücklich umschlang er sie mit seinen Armen und küsste sie stürmisch. Laru, erst völlig überrascht, erwiderte dann seinen Kuss.

In dieser Nacht lagen beide Arm und Arm und jeder hatte ein seeliges Lächeln auf den Lippen.

Eines Tages bekamen die beiden Besuch. Ein Diener aus dem Schloß klopfte kurz an die Tür. Laru öffnete und ließ ihn eintreten. Lore war erstaunt, als er den dürren Burschen sah. Was machte ein königlicher Diener hier, fragte er sich. Auch Laru schien sich das zu fragen. „Wieso verschafft mir die Ehre?“, fragte sie höflich. Der Diener nahm seine Mütze ab und verneigte sich kurz. „Die Prinzessin schickt mich. Sie wünscht, dass Ihr auf ihr Schloß kommt und auf ihrer Hochzeit zu singt!“, erklärte er knapp. Die Überraschung der beiden hätte nicht größer können. „Ist es endlich soweit?“, fragte sie. In ihren Augen war ein Leuchten zu sehen. Lore hingegen wirkte so, als habe man ihm vor dem Kopf gestoßen. Waren die Vier Monate so schnell vergangen?

Ihm kam es nicht so vor. Aber vermutlich hatte er es einfach verdrängt. Nun aber sah er sich der Tatsache gegenüber, dass die Prinzessin einen anderen gefunden hatte. Einen besseren. Zwar sollte es ihn nicht wirlich kümmern, da auch er endlich die Frau seiner Träume gefunden hatte, aber ein Anflug von Kummer konnte er nicht unterdrücken. Der Diener nickte. „Ja. Sie wird Euch und Euren Mann in zwei Tagen eine Kutsche schicken, die Euch holen wird!“

Dann ging er von dannen und wünschte ihnen noch einen schönen Tag. „Wer hätte das gedacht? Endlich hat auch sie den einen gefunden!“, sagte Laru wenig später, als sie zusammen aßen. „Heisst das, dass es bisher nicht so aussah, als wolle sie sich binden?“, fragte Lore. Aus einem ihm nicht erfindlichen Gründen, wunderte es ihn, dass es solange gedauert hatte, dass auch die Prinzessin solange gewartet hatte. Eine Frau, wie sie, hätte jeden haben können. Aber vermutlich hatte ihr seine Zurückweisung mehr ausgemacht, als er sich vorstellen konnte. Er konnte nicht leugnen, dass er sich schuldig fühlte. „Ich glaube, du kennst die Antwort!“, sagte Laru. Und ob er sie kannte. Sie hatte daran mächtig zu knabbern gehabt. Doch nun schien sie ihr Glück gefunden zu haben. Und Lore versuchte sich für sie zu freuen. Keine andere hatte es mehr verdient als sie. Das sagte er sich zumindest.
 

Die zwei Tage gingen schnell vorbei und ehe es sich Lore versah, saßen er und Laru in der Kutsche und fuhren zum Schloß. Es fühlte sich irgendwie beklemmend an, dass er nun in das Schloß der Frau eintreten würde, die er verschmäht hatte. Aus einer kindlichen Dummheit heraus, hoffte er, dass sie ihn nicht erkennen würde. Er nahm sich fest vor, nur wenig zu sprechen und sich im Hintergrund zu halten.

Tausend brennende Fackeln waren aufgestellt und tauchten das Schloß der Prinzessin in warmes goldenes Licht. Die ganze Stadt war auf den Beinen und jeder hatte sein Haus zum Anlass dieses besonderen Tages mit weißen Blumen und Bändern geschmückt. Überall wurde getanzt und gelacht. Lore wurde immer trübsinniger, während sie an den Feiernden vorbeifuhren. Wieso machte es ihn so zu schaffen?

Gab es da etwa einen Teil in ihm, der sich wünschte, er wäre der Erwählte gewesen?

Aber das war doch absurd. Er hatte doch Laru. Schnell sagte er sich, dass es der Neid war, der aus ihm sprach. Gerne hätte er Laru auch solch ein Fest zu ihrer Vermählung geschenkt. Stattdessen wurden sie schnell getraut. Ohne jegliches großes Tam-Tam. Und nahm sich fest vor, diesen Entschluss bald schon in die Tat um zu setzen. Wie, würde er sich noch überlegen.

Die Kutsche fuhr über die Brücke, die zum Schloß führte und hielt dann. Laru stieg aus. Dann Lore. Der Diener, der sie zuvor aufgesucht hatte, empfing sie und geleitete sie zum Hintereingang.

Durch zahlreiche Gänge schreitend, bei denen Lore es sich nicht nehmen ließ, diese zu betrachten. Und stellte fest, dass alles Vorstellungen, die er sich gemacht hatte, als er sich fragte, wie es in dem Schloß aussah, nicht im geringsten mit dem zu vergleichen war, was er nun sah. Nicht mal das Schloß seines Vaters war so prächtig. Wollte das Schicksal ihn damit dafür strafen, was er einst der Prinzessin angetan hatte?

Ohne das er es wirklich merkte, nahm sein Gesicht einen finsteren Ausdruck an. Laru sah dies. „Was hast du?“, flüsterte sie. Lore schüttelte den Kopf. „Nichts. Es ist nichts!“, sagte er knapp. Aber Laru durchschaute natürlich seine falschen Worte und hatte das Gefühl, dass er sich weit weg wünschte. Mit einem sanften Lächeln, ergriff sie seine Hand.

Sie wurden zu einem der unzähligen Räumlichkeiten geführt, in dem sie sich umziehen sollten. „Umziehen? Wieso das?“, hatte Lore gefragt. Der Diener bedachte ihn mit einem Blick, der deutlich sagte, dass diese Frage unnötig war. Doch dann sagte er:„ Weil es die Prinzessin so wünscht!“

Ist es ihr etwa peinlich, wenn wir wie normale Leute aussehen, fragte er sich grimmig. So oberflächlich hatte er sie nicht in Erinnerung. Und er wollte schon fragen, ob es sich hierbei wirklich um die Prinzessin Rari handelte. Doch da gab Laru ihm einen Stoss einen die Rippen. „Na, komm. Tu einfach, was sie verlangt!“

Zu Lores Missfallen musste er zugeben, dass die Kleider, die ihnen Prinzessin Rari zudachte, wirklich geschmackvoll waren. Laru wurde ein himmelblaues Kleid aus Samt und weiten Ärmeln gereicht. Dazu Schuhe aus Seide. Wie ein Wasserfall aus Stoff fiel es an ihr hinunter und reichte bis zum Boden. Endete hinten in einer Schleppe, die sie elegant hinter sich herzog.

Für Lore hatte man ein weißes Hemd und eine Weste, in der gleichen Farbe, die ihm über die Hüfte reichte und eine schwarze Hose, bereit gelegt. Dazu noch ein Paar schwarzer Stiefel.

Als sie beide die ihnen gereichten Sachen angezogen hatten und sich dann gegenüberstanden, schien der eine den anderen kaum wieder zu erkennen. Trotz dass sie es natürlich wussten. Laru schüttelte bewundernd den Kopf als sie Lore betrachtete. „Du siehst umwerfend aus!“, sagte sie und ließ immer wieder den Blck über ihn wandern. Lore erging es nicht anders. In diesem Kleid war Laru einfach wunderschön. Die Brandnarben schienen dabei nicht zu stören. Für ihn war sie einfach die schönste. Vergessen waren dabei die Gedanken, die er an die Prinzessin vergeudet hatte. Sie kamen ihm nun dumm vor. Dumm und kindich.

Er hatte sich benommen, wie ein eifersüchtiger Brusche, der den Kampf um seinen Schwarm schon verloren hatte, ehe er wirklich begonnen hatte.

Nein. Niemals wieder würde er sich fragen, was gewesen wäre, wenn er doch die Prinzessin genommen hätte. „Du sagst ja nichts. Sehe ich so schlimm aus?“, fragte Laru und schaute zweifelnd an sich hinunter. Lore trat an sie heran und küsste sie auf die Stirn. „Nein. Im Gegenteil: Du bist wunderschön. Schöner als tausend Prinzessin zusammen!“, sagte er mit einem Lächeln. Larus Wangen erröteten.

Ein Räuspern war zu hören und sie drehten sich herum. Der Diener von eben stand in der Tür und wirkte etwas ungeduldig. „Wenn Sie nun soweit sind?“, begann er und machte eine Handbewegung nach draußen auf den Flur. Laru und Lore nickten und folgten ihm dann zum Festsaal.

In diesem war das Fest im vollen Gange. Wo schon die Häuser der Bürger draußen festlich geschmückt waren, schien man wohl hier drinnen die Latte noch ein wenig höher gelegt zu haben.

Der weiße Marmorfussboden war aufs äußerste aufpoliert und die darauf tanzenden Gäste spiegelten sich, als würden sie auf Glas tanzen. Zu beiden Seiten des Saals waren mit weißem Tischtuch gedeckte Tafeln aufgestellt, an denen einige Gäste saßen und sich das Essen, welches man ihnen auftrug, schmecken ließen.

Auf der gegenüberliegenden Seite zur Tür war eine kleine Bühne, auf der die Musiker muntere Musik spielten. Oben an der Decke, in der Mitte des Saals, hing ein prächtiger Kronleuchter. Das Gerüst war aus poliertem Silber und an ihm hingen tausend kleine Kristallperlen. Sein Licht ließ diese wie kleine Diamanten auffunkeln. Um ihn herum hingen dünne Schleierbänder hinunter und verliefen zu allen Seiten zu den Wänden und waren dann zu Schleifen gebunden, in die man weiße Lilien gesteckt hatte.

Lore kam nicht mehr aus dem Staunen heraus. Noch nie hatte er solch einen prächtig geschmückten Saal gesehen. Dagegen waren die ausgerichteten Feste seines Vaters gerade zu lächerlich.

„Herrlich nicht wahr?“, fragte Laru leise. Lore brachte nur ein Nicken zustande. „Goldkehlchen!“, hörten sie plötzlich eine erfreute Stimme und schauten nach links. Eine hochgewachsene Frau in ein herrliches Brautgewand gekleidet, kam auf sie zu. Ihr Gesicht strahlte nur so vor Freude. Obwohl es so lange her war, erkannte er sie. Prinzessin Rari!

Auch wenn sie jünger war als er selbst, schien sie in der ganzen Zeit älter geworden zu sein.

Herzlichst nahm sie sie in die Arme. Küsste sie auf die Wange. Lore blieb vor Staunen die Spucke weg. Er hatte den Verdacht, dass die beide enge Freunde waren. Trotz des Standesunterschied und er hätte sich nun am liebsten nun selbst geohrfeigt.

Wieso hatte er nur so schlecht von ihr denken können?

„Eure Hoheit!“, sagte Laru dann respektvoll und verbeugte sich. „Ich danke Euch für Eure Einladung. Dies ist mein Mann Erol!“

Lore wollte schon einwenden, dass das nicht stimmte. Aber dann wurde er sich bewusst, dass sie absichtlich einen falschen Namen genannt hatte. Um ihn nicht enttarnen zu lassen. Dankbar warf er ihr einen Blick zu, dennoch ertappte er sich dabei, wie er dem Blick der Prinzessin auswich. Fürchtete, dass sie ihn doch erkennen würde. Doch dann ermahnte er sich, nicht unhöflich zu sein und verneigte sich. „Eure Majestät!“

Die Prinzessin erwiederte die Geste.

„Ich bin froh, dass du meiner Einladung nachgekommen bist!“, sagte dann die Prinzessin. „Darf ich dir meinen Angetrauten vorstellen?“

Lore stellt erstaunt fest, dass sich auch ihre Stimme verändert hatte. Sie war tiefer, erwachsener.

Wie auf ein Zeichen trat ein stattlicher junger Mann an ihre Seite, der bei Leibe nicht hässlich war. Ebenso in festliche Gewänder gekleidet. „Dies ist Prinz Jone!“, kündigte sie an. „Liebster. Das sind Laru und ihr Mann!“

Der Mann, Jone, nickte. Lore erwiederte dies. „Esst und trinkt so viel Ihr wollt!“, sagte die Prinzessin. „Ich werde dir bescheid geben!“

Laru nickte nur und die Prinzessin und ihr Gemahl gingen um die anderen Gäste zu begrüßen. Lore sah ihr nach. Fragte sich dabei, ob das wirklich die Prinzessin Rari war, die er zum ersten Mal getroffen hatte. Nichts war mehr von dem Mädchen zu sehen, die ihm gekonnt Kontra gegeben hatte und sich sogar über seine Spitzfindigkeit lustig gemacht hatte. Sie war so erwaschen. Viel erwachsener als er es selbst war. Lore versuchte sich zu sagen, dass es so gut war, wie es ist. Aber dennoch spürte er einen Stich im Herzen. Laru, die bemerkte, dass etwas ihren Mann beschäftigte, ergriff seinen Arm und rüttelte an ihm. „Hey, was ist denn? Du machst ein Gesicht wie als habe man dir das Herz rausgerissen?“, fragte sie besorgt. Lore schüttelte nur den Kopf. Nach dem er Laru seine Liebe gestanden hatte, wollte er das zarte Band, welches zwischen ihnen war, nicht mit seinen gekränkten Gefühlen, die nun nichts weiter als Vergangenheit waren, zu zerstören.

„Es…es ist nichts!“, sagte er, konnte aber nicht den Blick von ihr nehmen. „Komm, lass uns was essen. Ich habe einen riesen Hunger und das Essen sieht lecker aus!“, sagte Laru und zog ihn mit sich.

Die Blicke, die die anderen etwas vornehmeren Hochzeitsgäste dem jungen Paar zu warfen, zeugten deutlich davon, dass Lore und Laru eigentlich hier nichts zu suchen hatten. Um eins oder andere Mal steckten sie die Köpfe zusammen und tuschelten. Lore fühlte sich nicht gerade wohl dabei. Zog den Kopf zwischen die Schultern und beeilte sich, seinen Teller mit einigen Speisen zu füllen. Laru schien sich darin nicht zu stören. In aller Seelenruhe lud sie sich etwas auf den Teller und schlenderte zu einem kleinen Tisch. Lore folgte ihr und ließ sich nieder. Gemeinsam aßen sie und ließen es sich schmecken.

„Woher kennt Ihr euch so gut?“, fragte er nach einer Weile dann, weil er sich über diese Vertrautheit zwischen der Prinzessin und seiner Frau einfach nun wundern konnte. Laru kaute nun etwas langsamer und ihr Gesicht, das vorher vom Genuss des köstlichen Essens zu einem Lächeln verzogen war, wurde nun etwas schwermütig. „Wir kennen uns schon seit unserer Kindheit. Du musst wissen, dass…nach dem tot ihrer älteren Schwester sie keinen hatte, mit dem sie spielen konnte. Ihre Eltern versuchten natürlich eine passende Spielkameradin für sie zu finden. Doch keines der Kinder schien ihr zu gefallen. Eines Tages, als ich und Vater in der Stadt waren, er spielte und ich sang, und sie uns aus ihrem Zimmer aus sah, verlangte sie auf der Stelle, dass ich den leeren Platz, den ihre Schwester hinterlassen hatte, füllen sollte. Nur ich. Und keine andere!“

„Ziemlich egoistisch!“, meinte Lore trocken. „Findest du nicht!“

Laru hob die Schultern. „Auf den ersten Blick, ja. Aber ich sagte mir immer, dass das für mich und meine Eltern auch ein Glückstreffer war. Die Eltern der Prinzessin gaben, dafür dass ich jeden Tag mit ihr spielte und auch sang, genug Geld, um uns Essen zu kaufen und unser Haus zu behalten!“

Lore schien das nicht zu genügen. In seinen Augen sah es so aus, als hätten sie ihr Kind praktisch verpachtet. Nur um die Trauer der Prinzessin zu vertreiben. Nun ja, die Prinzessin selbst konnte ja nichts dafür. Wäre er an ihrer Stelle und würde er um seinen Bruder oder Schwester trauern, hätte er auch jemanden haben wollen, der ihn darüber hinwegtröstet. Dennoch kam es ihm irgendwie falsch vor. Laru sah natürlich, was in seinem Kopf vorging. Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß was du jetzt denkst. Aber ich schwöre dir, das war eine schöne Zeit. Die Prinzessin behandelte mich wie eine Schwester!“, sagte sie eindringlich und musste dann verstohlen grinsen. „Und wir haben so manchen Blödsinn gemacht!“

Noch bevor Lore fragen konnte, was genau für Unsinn sie getrieben hatten, denn er war wirklich nerugierig geworden, trat ein dicker Mann, gekleidet in Samt und Seide, wohl der Zeremonienmeister, an sie heran und räuperte sich. „Verzeihung? Wenn Sie soweit wären,…werte Dame!“, sagte er und machte eine Bewegung mit der Hand zur Bühne. Laru verstand und nickte. Elegant erhob sie sich und folgte dem Mann zur Bühne. Die Leute machten den beiden Frauen Platz. Fingen wieder an zu tuschel. Lore ging ihnen nach, um seine Frau im Blick zu haben. Egal was nun kommen würde, er wollte es ebenso sehen.

Erst der Zeremonienmeister und dann Laru betrat die Bühne. Die Musiker verstummten und verharten im erwartungsvollen Schweigen. Das Tuscheln der Gäste wurde dadurch natürlich um sie lauter und sie schauten immer wieder zu Laru. Der Zeremonienmeister, der sich nun Gehör verschaffen wollte, klatschte und die Gäste verstummten. „Anlässlich dieses besonderen Tages, möchten wir dem Brautpaar ein besonderes Geschenk machen. Und auch den Gästen natürlich. Dazu haben wir einen besonderen Gast eingeladen, der uns nun mit seiner Stimme die Freude machen wird!“, kündigte er großspurig an und zeigte auf Laru. Laru errötete etwas. „Darf ich vorstellen: Goldkehlchen!“

Ein Raunen ging durch die Menschenmenge. Laru trat an den Rand der Bühne und machte einen Knicks. Dann gab wohl der Zeremonienmeister den Musikern ein Zeichen und diese fingen sogleich an zu spielen. Laru wiegte sich für einen Moment im Takt der Musik und begann dann nun zu singen.
 

Einst ein grünes Tal, welches so rein war

Hindurch floss eine Strömung jene so blau war

Ein jungfräuliches Mädchen in größter Verzweiflung

traf dort einst ihre große Liebe

und sie sagte zu ihm:
 

"Versprich mir,

das immer wenn du eine weiße Rose siehst,

du an mich denken wirst

Ich liebe dich so sehr, werde dich nie gehn lassen

Werde dein Geist in der Rose sein"
 

Sobald Laru angefangen hatte zu singen, nahm der Bräutigam seine Braut an die Hand, führte sie zur Mitte des Saales, wo die Gäste einen Kreis gebildet hatten und sie genug Platz hatten, darauf zu tanzen. Im sanften Takt fingen sie an, sich um einander zu drehen. Blickten sich dabei verliebt in die Augen.

Ihre Augen glaubten an Wunder

Sie würde unter den Blättern vom Bernstein liegen.

Ihr freies Herz eines Kindes,

noch immer sanft und ruhig und mild, und er liebte sie.
 

"Versprich mir,

das immer wenn du eine weiße Rose siehst,

du an mich denken wirst

Ich liebe dich so sehr, werde dich nie gehn lassen

Werde dein Geist in der Rose sein"
 

Lore sah zu, während die Prinzessin mit ihrem angetrauten Gatten tanzten und wie sie sich ansahen. Offensichtlich hatten sie sich wirklich gefunden. Lore konnte nicht leugnen, dass dieser Anblick ihm einen Stich versetzte. Unweigerlich sagte er sich, dass er das sein könnte, der da mit dieser schönen Frau tanzte und das Glück haben könnte, sich als ihren Mann nennen zu dürfen. Doch dann ermahnte er sich wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Er selbst hatte sich diese Chance gründlich verdorben und er hatte jemanden, den er liebte. Laru. Laru, die da oben stand und sang. Die in diesem Kleid, trotz der Narben einfach wunderschön war und es locker mit ihrer natürlichen Schönheit mit den Frauen, die hier in Puder und Parfüm und in teuren Stoffen gekleidet, umher standen und ihr nicht im geringstem das Wasser reichen konnten. Mit einem versonnem Lächeln schaute er nun zu seiner Frau.
 

Als alles vorbei war

fing sie im Sonnenlicht an zu rennen und tanzen

und er sah ihr zu

Und je mehr dacht er

eine Hauch von ihr im Mond zu sehen

und er würde sie sagen hörn:
 

"Versprich mir,

das immer wenn du eine weiße Rose siehst,

du an mich denken wirst

Ich liebe dich so sehr, werde dich nie gehn lassen

Werde dein Geist in der Rose sein"
 

Als Laru fertig war, schwiegen die Leute. Schienen für einige Stunden ihre Stimme verloren zu haben. Dann aber brachen sie in begeisterten Jubel und Aplaus aus. Wo sie vorher noch über Larus Erscheinen und Anwesenheit gelächelt und getratscht hatten, bekundeten sie nun ihre Begeisterung und überschütteten sie mit Komplimenten und Loben. Lore verzog angesichts dessen das Gesicht. „Heuchler!“, dachte er grollend. „Allesamt Heuchler!“

Laru verneigte sich noch einige Male, dann stieg sie die Bühne hinunter. Lore kam ihr entgegen und nahm sie bei der Hand. Führte sie aus dem Tumult heraus, der sich um sie gebildet hatte. Wie ein Wachhund passte Lore darauf auf, dass keiner auf die Idee kam, Laru am Arm zu fassen und sie weg zu zerren. Laru musste etwas lächeln.

Prinzessin Rari trat an sie heran und hatte Tränen der Rührung in den Augen. „Ich danke dir, für dieses schöne Lied!“, sagte sie außer sich. „Das habe ich gerne getan!“, sagte Laru leise. „Bleibt doch noch ein wenig. Gleich fängt der traditionelle Hochzeitstanz an. Und da möchte ich Euch beide nicht missen!“, bat sie sie nun. Laru und Lore schauten sich an, schienen den anderen zu fragen, ob es ihm recht wäre. Dann nickten sie.

Wie zu erwarten war der Tanz langsam und ehe für die hohen Herren gedacht. Zwar beherrschte Lore diesen, aber es kam ihm doch irgendwie falsch vor. Dabei merkte er deutlich die Blicke der Hochzeitsgäste, die man Laru zu warf und er wünschte sich, dass das alles sehr schnell vorbei ging. „Du scheinst dich nicht wohl zu fühlen!“, bemerkte Laru, als sie sein verkniffenes Gesicht sah. „Fürchtest du, dass man dich erkennt?“

Lore schüttelte den Kopf. „Nein. Das nicht. Aber ich…ich komme mir so falsch vor. Als gehöre ich hier nicht her!“, sagte er. Laru nickte. Auch wenn es sie ein wenig verwunderte. Dabei sollte er doch an solche Feste gewohnt sein. Aber nun schien er eine Abneigung dagegen entwickelt zu haben. Wobei…sie konnte ihn auch ein wenig verstehen. Diese Leute hier sahen auf sie herab und redeten hinter ihrem Rücken, während sie sie anlächelten und ihr Komplimente machten. Laru war es gewohnt. Aber Lore…

Es schien ihm deutlich zu wider zu sein. Am schlimmsten musste es aber für ihn sein, dass er mal selbst zu diesen Leuten gehört hatte. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sehr es ihm missfallen hatte, mit ihr nun zusammen leben zu müssen. Verachtet hatte er sie förmlich. Nun aber…

Sie lächelte sanft. „Wenn dieser Tanz vorbei ist, werden wir gehen. Versprochen!“, versicherte sie ihm. Da tippte jemand Lore auf die Schulter und er drehte sich herum. Vor ihm stand der Prinz Jone. „Verzeihung, aber dürfte ich um den nächsten Tanz bitten?“, fragte er höflich. Lore zögerte kurz. Sah dann zu Lore, die ihn aufmunternt zu nickte. Widerwillig zwar, aber dennoch einverstanden erlaubte er dem Prinzen mit seiner Frau zu tanzen. Mit einer etwas zerknirschten Miene sah er ihnen zu. „Verzeihung?“, hörte er plötzlich hinter sich und drehte sich herum. Prinzessin Rari stand vor ihm und lächelte ihn freundlich an. „Würdet Ihr mir die Ehre erweisen…?“, fragte sie dann und reichte ihm die Hand. Lore zögerte kurz, dann aber nickte er und begann mit ihr zu tanzen. Dabei kam er sich seltsam vor, dass er mit der Frau tanzte, die er einst verschmäht hatte. Und dass sie ein Hochzeitskleid trug und mit ihm den Hochzeitstanz tanzte, umso mehr. Verlegen schaute er weg. Wich ihrem Blick förmlich aus. Ihm war es deutlich an zu sehen, dass es ihm unangenehm war. „Wieso weicht Ihr meinen Blicken aus?“, fragte sie nun. „Ist es Euch so unangenehm mit mir zu tanzen, Prinz Lore!“

Lore zuckte zusammen, als habe sie ihm eine Ohrfeige verpasst. „Lore? N-Nein…mein Name ist Erol!“, sagte er hastig uns zwang sich ein entschuldigendes Lächeln ab.

Die Prinzessin sah ihn an, als würde sie ihn ermahnen wollen, sie nicht an zu lügen. Lore schluckte. Angst stieg in ihm hoch und er fürchtete nun, dass sie ihn bloßstellen würde. Auch wenn er sich das bei ihr nicht vorstellen konnte. Er traute ihr sowas boshaftes nicht zu. Dennoch hatte er Angst. Ohne es zu bemerken verkrampften sich seine Hände und zerquetschten die der Prinzessin. Doch statt sie weg zu ziehen, sah sie ihn gütig an. „Keine Angst. Ich werde Euch nicht verraten!“, flüsterte sie.

Lores Gesicht drückte deutlich die Verwirrtheit aus, die er empfand. Aber auch Dankbarkeit. Dennoch fragte er ich warum. „Warum…warum habt Ihr mich…?“, fragte er dann, weil es so vieles gab, was er fragen und wissen musste. „Wieso ich Euch auf mein Schloß kommen ließ?“

Lore nickte. „Ich…ich dachte, Ihr…Ihr hasst mich?“

„Wieso sollte ich?“

Lore biss sich auf die Unterlippe. Sagte nichts. In ihm toppten die unterschiedlichsten Gefühle. Unbehagen, Bitterkeit und Reue..

„Ich…Ich dachte Ihr grollt mir, wegen meinen unbedachten Worte. Ich war nicht gerade höflich zu Euch. Erst stoße ich Euch aus dem Sattel und dann beleidige ich Euch!“

Darauf konnte die Prinzessin nur lachen. Es klang so ehrlich und glockenhell, dass es Lores Herz zerriss. „Ich…ich gebe zu, ich war eine Zeit lang wütend auf Euch. Aber ich habe Euch verziehen!“

„Verziehen? Aber…!“

Noch ehe Lore weitersprechen konnte, hob die Prinzessin die Hand und brachte ihn so zum Schweigen. „Wie ich bereits sagte, war ich zu anfang wütend. Aber ich konnte Euch auch etwas verstehen. Immerhin wurdet Ihr gezwungen, in eine Heirat ein zu willigen. Mit einer Frau, die Ihr weder kennt noch liebt!“, sagte sie nachsichtig und lächelte etwas. „Und es hatte auch etwas Gutes. Immerhin konnte ich so den Mann finden, der wirklich zu mir passt!“

Lore machte ein bedrücktes Gesicht. Ihm kam es vor, als würde sie auf seinen Gefühlen herumtrampeln. Dennoch sagte er nichts. „Und Ihr? Ihr scheint auch endlich die Frau gefunden zu haben, die Ihr liebt!“

Dabei ging ihr Blick zu Laru, die mit ihrem Gatten tanzte. Lore folgte ihrem Blick und spürte wieder das Feuer der Eifersucht in sich auflodern. „Sie ist ein wunderbarer Mensch!“, hörte er sie sagen. Er konnte nur nicken. Un ob sie das war. Wenn er bedenkte, was für eine Engelsgeduld sie an den Tag gelegt hatte. „Und ich bin froh, dass Sie einen ebenso wunderbaren Menschen gefunden hat!“

Ihre Worte versetzten ihm einen Stich. War er wirklich ein wunderbarer Mensch?

Lore hatte da so seine Zweifel. Doch anscheinend schienen Laru und auch die Prinzessin anderer Meinung zu sein und das war ihm immerhin ein schwacher Trost. Irgendwann verabschiedeten sie sich von der Prinzessin und ihrem Gemahl. Bevor sie aber gehen konnten, drückte die Prinzessin Laru etwas in die Hand und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Laru nickte. Als die beiden dann ihre eigenen Kleider wieder angezogen hatten, verließen sie das Schloß.

Draußen war wie drinnen das Fest für die Prinzessin im vollem Gange. Menschen drängten sich durch die engen Gassen und versammelten sich auf dem großen Platz, wo man ein Freudenfreuer entfacht hatte. Einige der Bürger tanzten darum. Die Stimmung war ausgelassen und heiter. Sie schienen sich wahrlich für ihre Prinzessin zu freuen. Man hatte auch für Speiss und Trank gesorgt. Über offenem Feuer drehten sich Fleischstücke an Spießen und tropften vor Fett. Wein und Bier wurde unablässig aus Fässern gezapft, die nur von Sada kommen konnten und an den Leuten gereicht wurde. Laru und Lore schoben sich durch die Menschenmenge. Dabei acheten beide, dass keiner seine Hand in ihre Taschen stecken konnte. Für die Nacht wollten sie in die Gaststätte von Jardo einkehren und sich dort ein Zimmer mieten. Um zu so später Stunden wollten sie nicht die Landstrasse nehmen.

Gerade sahen sie schon das Haus ihres Freundes, als sie plötzlich eine aufgeregte Stimme rufen hörten. „Laru! Lore!“

Beide drehten sich herum und sahen etwas weiter von ihnen entfernt Caarza winken. Ohne zu zögern ging Laru auf ihre Freundin zu. Lore zog sie hinter sich her. Wo Caarza war, war Mare nicht weit. Mit einem Krug Bier in der einen und einem gebrateten Spieß in der anderen Hand, strahlte er sie an. „Lore! Dich habe ich ja lange nicht mehr gesehen!“, grüßte er den jungen Mann und hob den Krug grüßend. Dann wandte er sich an dem Mann, der Bier ausschenkte. „Noch einen Humpen!“

Kaum hatte er das gesagt, schon wurde ihm ein zweiter gegeben und Mare reichte diesen an Lore weiter. Doch Lore lehnte höflich ab. Er hatte keine guten Erfahrungen mit Bier gemacht und wollte diese nicht wiederholen. Mare schien ein wenig gekränkt deswege zu sein. „Wenn Lore nicht will, gib mir den Humpen. Das Singen und Tanzen hat mich durstig gemacht!“, sagte Laru und streckte die Hand nach dem Humpen aus. Ohne einen Einwand gab Mare ihr diesen und Laru leerte ihn in wenigen Zügen. Lore staunte nicht schlecht. „Ahhh, das war gut!“, sagte Laru, die seinen erstaunten Blick nicht sah und wischte sich den Schaum vom Mund.

„Wart Ihr auf dem Schloß?“, fragte Caarza dann und schaute zu dem Gebäude. „Ja. Die Prinzessin hatte uns eingeladen!“, erklärte Laru. Caarza bekam große Augen. „Wollte sie, dass du auf ihrer Hochzeit singst?“

Natürlich beantwortete sie sich die Frage selbst. Caarzas Augen wurden umso größer. „Und? Erzähl! Wie ist der Mann der Prinzessin?“, verlangte sie nun zu wissen. Mare und auch Lore warfen ihr einen finsteren Blick zu. Laru kicherte, beugte sich vor und flüsterte ihr zu:„ Ein wirklich gutaussehender und charmanter Mann. Und ein guter Tänzer!“

„Das habe ich gehört!“, sagten nun Mare und Lore wie aus einem Munde und die Mädchen lachten. Sie setzten sich an einen langen Holztisch, ein wenig weiter von den Feierenden entfernt und unterhielten sich. Dabei gab es nur ein Thema: Die Hochzeit der Prinzessin.

Während Laru und Caarza munter und ausgelassen über die Vermählung der Prinzessin schwatzten und schwärmten, dass sie sich ebenso eine Hochzeit wünschten, sehr zum Missfallen von Mare, war Lore ganz in seinen eigenen Gedanken. Immer wieder musste er daran denken, was die Prinzessin zu ihm gesagt hatte. Sie hatte wirklich so geklungen, als würde sie ihm sein Glück gönnen. Kein Hohn, keine Wut.

Reine, ehrliche Aufrichtigkeit. Es fühlte sich komisch an. Von der Frau, die er am meisten verschmäht hatte, sowas zu hören. Aber irgendwie gab es ihm auch ein Gefühl, dass er endlich ein reines Gewissen haben konnte. Das ließ ihn lächeln.

„Lore? Lore?“, hörte er plötzlich Laru sagen und bemerkte, dass sie ihn fragend anschaute. Für einen kurzen Moment schaute er sie nur an. „Hast du mich was gefragt?“, fragte er dann. Laru schien selbst etwas verwirrt zu sein. „Nein!“, sagte sie dann. „Du sahst nur so aus, als wärst du mit deinen Gedanken ganz wo anders!“

Lore biss sich auf die Lippe. Fühlte sich ein wenig ergtappt. „Ich…ich musste über einige Dinge nachdenken!“, sagte er. Laru sah ihn daraufhin forschend an. Ihr war schon vorher aufgefallen, dass er so schweigsam war und grübelnd vor sich hinsah.

Schon als sie im Schloß waren, wirkte er so als wäre er nicht wirklich da. Und vorallem hatte sie bemerkt, wie er die Prinzessin angesehen hatte.

Mit einer Mischung aus Bedauern und einer Spur tiefster Empfindung.

Es hatte ihr einen Stich versetzt.

Obwohl sie sich seiner Liebe zu ihr sicher war. Und es war überflüssig darüber einen Gedanken zu verschwenden. Aber sie konnte den Verdacht nicht abschütteln, dass er etwas für sie empfunden hatte. Da wiederum verstand sie nun, wie er sich gefühlt hatte, als er sie mit dem Admiral, so vertraut wie sie mit ihm war, gesehen hatte. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen.

Er musste sich damals wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt haben. So wie sie nun.

In einer versöhnenden Geste legte sie ihre Hand auf seine und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Als Lore sie ansah, schien sie mit ihren Augen zu sagen, dass sie verstand.

Lore lächlte nun auch.

Da hörte Laru, wie die Musiker ein neues Lied anstimmten* und sah Lore nun mit strahlenden Augen an. Wie von einer Biene gestochen sprang sie auf die Beine, ergriff seine Hände und zog an ihm. „Los, komm. Tanz mit mir!“, rief sie wie ein aufgeregtes Kind. Lore verstand erst nicht. Doch dann seufzte er. „Laru, muss das sein? Wir haben doch schon auf dem Schloß getanzt!“, sagte er. „Ja, aber da war es zu förmlich…Bitte, Lore. Tu mir den Gefallen!“, gabt sie ihn und schaute ihn dann mit vorgeschobener Unterlippe an. Dabei waren ihre Augen groß und flehend. Lore wollte noch etwas sagen, doch dann sagte er sich, was das schon schaden konnte. So willigte er ein und ließ sich von ihr von der Bank hochziehen. Sichtlich erfreut über ihren kleinen Sieg, warf sie Caarza einen kleinen Beutel zu. „Pass bitte gut darauf auf!“, rief sie noch, ehe sie mit ihrem Mann in der Menschenmenge verschwand. Es tanzten bereits einige Leute wieder und so mussten sie sich wieder einen Weg durch die Menge bahnen.

Als sie dann eine freie Stelle gefunden hatten, stellten sie sich gegenüber und legten sich gegenseitig die Arme um den Hals. Lore schaute ein wenig verloren drein. „Wie…wie geht dieser Tanz?“, fragte er, als er sah, dass jedes Paar seine eigene Art hatte, zu tanzen.

„Tanz einfach drauf los. Denk nicht darüber nach!“, sagte sie und fing sogleich an, mit ihm herum zu wirbeln. Lore hatte Schwierigkeiten, mit ihr Schritt zu halten. Stolperte oder trat dabei auf die Füße der anderen. Fand zunächst seine Rhythmus nicht. Fast hätte er Laru zu Boden gerissen, doch er fing sich wieder. „Tut…tut mir leid!“, stammelte er verlegen. „Versuche es ruhig noch mal!“, ermutigte sie ihn und Lore versuchten nun ihre Schritte nach zu machen. Konzentierte sich dabei sehr genau und irgendwann hatte er den Bogen raus.

Und wenige Minuten später tanzte er mit ihr und ganz im Takt der Musik. Wo er sich vorher alles andere als wohl gefühlt hatte, am Hofe der Prinzessin, unter all diesen Edeleuten, die ihn von oben herabsahen, schien er nun ausgelassen und zufrieden zu sein. Vergessen war der Kummer, der ihn vorher noch erfüllt hatte und es ihm schwer gemacht hatte, das Fest zu genießen. Lore fühlte sich so leicht, wie eine Feder und er konnte nicht drumherum kommen, als zu lachen.

Er kam sich dabei vor wie ein Kind, das keine Sorgen kannte. Laru, erstmal erstaunt über den plötzlichen Wandel ihres Mannes, sah ihn kurz verwirrt an, aber dann stimmte sie ein in sein Lachen. Gemeinsam lachend, tanzten sie immer schneller. Konnten es dabei bewunderndswerter weise verhindern mit den anderen Tanzenden zusammen zu stoßen.

Als die Musik die letzten Takte spielte, hob Lore sie hoch über seinen Kopf, drehte sie und setzte sie wieder elegant auf den Boden. Beugte sie nach hinten und sich über sie.

Dabei waren ihre Gesichter nur wenige Zentimeter von einander entfernt undj eder sah in den Augen des anderen, dass er sich einen Kuss wünschte. Doch ehe es dazu kommen konnte, übertönte ein lauter Knall den Tumult des Festes und beide schauten hoch. Zuerst waren sie erschrocken über den lauten Knall, doch als sie hoch sahen, erkannten, sie, was da über ihren Köpfe vor sich ging.

Zum krönenden Abschluss der Hochzeit gab es ein gewaltiges Feuerwerk. Beeindruckt schauten sie nach oben. Beobachten wie immer weitere Feuerwerkskörper in den Himmel geschossen wurden und dann in einer leuchtenden Explsion vergingen. Blumen und Sterne in allen erdenklichen Farben erstrahlten am nächtlichen Himmel und tauchten alles in ihr Licht.

Während sie zusahen, schmiegte sich Laru an ihm und legte ihren Kopf an seine Brust. Lore schloss sie in seine Arme. Legte seinen Kopf an ihren. Er verlor sich bei diesem Anblick und konnte nicht leugnen, dass er so etwas wie Neid empfand. Wie gern würde er auch Laru solch eine Hochzeit geben. Sie verdient es einfach. Wenn er noch ein Prinz wäre…

Lore schaute auf sie hinunter und sah, wie sehr sie dieses Schauspiel begeisterte. Ihre Augen strahlten förmlich und wiedermal spürte Lore, wie sich sein Herz zusammen krampfte.

Nach dem das Fest vorbei war, machten sich die Leute auf den Heimweg. So auch Lore und Laru. Allerdings schlugen sie den Weg zur Gaststätte ein. Jardo erwartete sie bereits. Freudig, dass er seine Freunde wiedersah, breitete er die Arme aus und umarmte jeden von ihnen, wobei er Lore fest an sich drückte, sodass er fürchtete ihm würde die Luft wegbleiben.

„Euer Zimmer ist fertig. Ihr könnt gleich hoch gehen!“, erklärte ihnen der stämmige Mann und wies mit dem Arm die Treppe hinauf. Laru bedankte sich höflich bei ihm und gemeinsam steigen sie die Stufen hoch.

Mit einem seligen Seufzen ließ sich Lore aufs Bett fallen und schloss die Augen. Trotz dass er nicht gearbeitet hatte, fühlte er sich irgendwie wie gerädert.

Laru ließ sich neben ihn nieder. Kleidete sich dann aus. „Was für ein Tag!“, sagte Laru. Da gab er ihr Recht. Das war wirklich ein Tag gewesen. Alles schien wie in weiter Ferne gerückt, dabei war es nicht mal eine Stunde her. Dennoch fühlte es sich so an. Aber vermutlich versuchte so sein Bewusstsein das alles zu verarbeiten.

Dabei merkte er, wie müde er war.

Mit einem lauten Gähnen, richtete er sich auf und streckte sich. Laru sah ihn lächelnd an. Na komm. Zeit zum schlafen!“, sagte sie.

Das ließ sich Lore nicht ein zweites Mal sagen. Zügig begann er sich auszu ziehen.

Gemeinsam lagen sie nun nur mit Hemd und Unterkleid im Bett.

Doch an Schlaf war nicht zu denken. Zumindest was Lore betraf.

Jetzt wo er so mit ihr im Bett lag und er nochmal alles Review passieren ließ, sagte er sich wieder, dass Laru ebenso so ein Fest verdiente.

Wie er das bewerktstelligen sollte, wusste er nicht. Noch nicht.

Aber bevor er ein Fest für sie geben würde, sollte er erstmal einen vernünftigen Antrag machen. Doch dazu würde er wieder den Ring brauchen

Und bis er dafür das nötige Geld zusammen hatte, würde noch viel Zeit vergehen.

Lore hatte allerdings das Gefühl, dass er diese nicht hatte.

Oder wollte.

Er verspürte den Drang, viel mehr den Wunsch, alles nach zu holen, was er versäumt hatte.

Auch wenn er wusste, das es schon fast unmöglich ist, musste er es dennoch versuchen und ausharen.

Sie verdient es einfach, dachte er.

„Lore? Lore? Alles in Ordnung?“, fragte Laru und holte ihn aus seinen Gedanken.

Lore sah sie einen Moment schweigend an. Biss sich auf die Unterlippe.

Überlegte erstmal, ob er ihr von seinen Plänen erzählen sollte.

Immerhin wollte er sie damit auch überraschen.

Aber er brauchte sie nur an zu sehen, um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, ihr was zu verheimlichen.

„Ich…ich habe nur überlegt, dass du auch ein Fest verdient hast!“

„Ein Fest? Für was?“

„Für unsere Hochzeit?“

„Ist es dafür nicht etwas zu spät?“

„Besser spät als nie!“, meinte Lore und zuckte mit den Schultern. Laru lächelte. War tief gerührt von seiner Idee.

Aber sie hatte das dumme Gefühl, dass das einen ganz bestimmten Grund hatte.

Mit gehobenen Brauen sah sie ihn an. „Und das hat jetzt nichts mit der Hochzeit der Prinzessin zu tun?“, fragte sie.

Lore merkte, wie seine Wangen eine verräterische Röte annahmen.

„Naja, ich…ich dachte!“, stammelte Lore und Larus Blick wurde nun bohrend. „Ja!“, seufzte er.

Laru sagte erstmal nichts.

„Ich möchte dir immerhin einmal was zurückgeben. Nach allem was du mir gegeben hast…!“, begann Lore. „Ich wollte dich damit glücklich machen!“

Laru lächelte. Und schüttelte den Kopf.

„Aber du machst mich doch schon glücklich!“, sagte sie dann und fuhr fort, ehe Lore etwas sagen konnte. „Du hast dir selbst eine Arbeit gesucht. Willst mit mir Kinder haben. Hast gesagt, dass du mich liebst und dich um meinertwillen mit einem anderen angelegt. Auch wenn ich es nicht gut heiße. Aber du hast es getan. Welche Frau sollte das nicht glücklich machen?“

Darauf wusste Lore erstmal keine Antwort. Sah nur vor sich hin.

So wie Laru das sagte, klang es durchaus glaubwürdig.

„Du machst mich glücklich, Lore. Ich brauche keine große Feier reicht mit, dass du mich liebst!“, sagte sie ihm und küsste ihn. Lore seufzte, als sich ihre Lippen trafen.

Gerne hätte sich Lore damit zu frieden gegeben.

Aber in seinem Inneren wollte er von seinem Entschluss nicht ablassen. Wenn schon nicht die Feier, dann wollte er ihr immerhin den Ring geben.

Laru sah deutlich an seinem Gesicht, dass ihn etwas beschäftigte. Ihn beinahe zermürbte.

Zärtlich strich sie ihm über die Wange.

„Lore, ganz egal, was du vorhast oder was dich bedrückt, du musst es nicht tun!“

Und was wenn ich es trotzdem will, schrie es in seinem Inneren. Es war die Stimme seines Herzens und hörte sogleich die Vernunft zischen, dass er sich aufführte, wie ein kleines trotziges Kind.

Aber er wollte sich davon nicht abbringen lassen.

Er wollte Laru immerhin diese Freude machen.

„Also hör auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen!“, sagte sie.

Lore nickte. „Ich werde es versuchen!“, murmelte er.

Laru kuschelte sich an ihm. Zufrieden, dass sie ihrem Mann gesagt hatte, dass er für sie nicht die Welt bewegen muss, um sie glücklich zu machen, legte sie ihre Arme um ihn und schloss die Augen. Nur wenige Minuten später, hörte er sie tief atmen.

Lore aber lag erstmal nur da und schaute hoch zur Zimmerdecke.

Musste immer wieder daran denken.

Doch irgendwann ereilte auch ihn der Schlaf.
 

* Dance of the Darkness- Blackmores Night

Verraten und Verkauft

Draußen krähte der Hahn und weckte Lore. Murrend und noch erschöpfter, als er es gestern war, erhob er sich und saß erstmal da, wie ein nasser Sack. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals so müde gewesen war.

Aber sicherlich lag es daran, dass er sich die ganze Nacht den Kopf zerbrochen hatte.

Das rächte sich nun, in dem er müde war. Mit einem Stöhnen, wischte er sich über das Gesacht, schaute hinaus, aus dem Fenster. Die Sonne war dabei auf zu gehen. Und er hörte deutlich wie das Bett nach ihm rief. So ließ er sich wieder nachhinten fallen, die Arme über seinen Kopf ausgestreckt und schloss die Augen.

Doch bevor er wieder wegdämmern konnte, wurde die Tür geöffnet und Laru trat ein. Frisch gewaschen und gebürstet. Als sie ihren Mann noch in den Federn sah, musste sie kichern.

Leise schlich sie sich zur Kommode auf der eine Waschschüssel stand und nahm einen Schwamm. Tunkte diesen in das Wasser und ging mit dem nassen Ding zu ihrem Mann. Mit einem gemeinen Grinsen hielt sie den Schwamm über Lore und drückte zu.

Ein Schwall kalten Wassers ergoss sich über Lore, der erschrocken aufschrie und wie von der Biene gestochen aufsprang. Erstmla nicht begreifend was passiert war, schaute hektisch um sich, dann aber sah er seine Frau. Mit dem Schamm und lachend. Ihm dämmerte nun, was passiert war und er sah sie fassungslos an. „La-Laru?“, keuchte er. „Bist du noch zu retten? Willst du mich in Grab bringen?“

„Tut mir leid, Lore!“, kicherte Laru, die sich langsam wieder beruhigte. „Aber es wird Zeit nachhause zu gehen!“

„Zieh dich an und komm runter. Jardo und Makan haben uns Frühstück gemacht!“

Dann verließ sie auch wieder das Zimmer.

Lore blieb erstmal sitzen, dann aber raffte er sich auf und zog sich an. Nicht das Laru auf die Idee kam und einen Eimer Wasser über ihn ausschüttete.

Mit einem etwas zerknirschten Gesicht stieg er die Stufen hinunter und ging in die Schankstube.

Jardo, Makan und Laru erwarteten ihn bereits. „Guten Morgen, der Herr. Na, gut geschlafen?“, fragte Jardo mit seiner tiefen Stimme und man konnte deutlich das Lachen in dieser hören.

Lore ahnte igrendwie wieso. Sicher hatte man seinen Schrei bis nach unten gehört. „Ja. Aber das Wecken war nicht gerade berauschend!“, sagte er und schaute mit finsterer Miene zu Laru. Diese hob nur die Hände.

„Wie ich hörte, wart Ihr gestern auf dem Schloß?“, fragte Makan nun und beugte sich erwartend vor. Lore stöhnte innerlich, weil er wusste, dass Laru ihr alles erzählen würde. Und er es sich zum zweiten Mal anhören müsste.

„Erzählt. Wie war es?“

Lore machte schon jetzt ein gequältes Gesicht. „Naja…ziemlich pompös eben. Alles was Rang und Namen hatte, war dort…Um ehrlich zu sein, ich war froh, als wir weg waren!“

Lore staunte das hatte sich gestern noch ganz anders angehört.

Oder sagte sie das, nur um ihn den Kummer zu ersparen, der ihn bei der königlichen Hochzeit ereilt hatte, fern zu halten?

„Für mich wäre das auch nichts. All diese gelackten Affen und nach parfümstinkenden Adelszicken…Ich würde mich da nicht wohl fühlen!“, sagte Jardo.

Wohl gesprochen, dachte Lore und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Das du auch immer alles schwarzmalen musst!“, sagte Makan mürrisch. Jardo grinste nur, legte den Arm um seine Frau und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Laru und Lore sahen sich dabei lächelnd an.
 

Als der Monat vorbei war, zahlte Sada Lore für seine Mühe aus und Lore war erstaunt, wieviel ihn der gute Mann zahlte. Damit konnte er sowohl das Haus, als auch den Ring zahlen. Ungläubig schaute er auf das Säckchen mit seinem Lohn. „Ich…ich weiss nicht was ich sagen soll!“

„Wie wäre es mit Danke?“, grinste der Alte.

„Danke, Sada!“, sagte Lore daraufhin. Das Grinsen Sadas wurde breiter. „Nimm dir den Tag frei!“, sagte er dann. „Du hast es dir verdient!“
 

Noch immer sprachlos, verließ Lore die Stadt. Doch zuvor hatte er Sada gebeten, einen Teil des Geldes sicher zu verwahren. Sada erklärte sich einverstanden. Fragte jedoch wieso. Lore sagte nur, dass das einen bestimmten Grund hatte, den er noch nicht verraten wollte.

So ging er mit dem Rest, den er dem Verwalter geben wollte, nach hause und sah schon von weitem, dass Laru Besuch hatte.

Ein Reiter stand auf der Strasse und hielt die Zügel eines anderen Pferdes.

Lore ahnte, wer sie da besuchte. Und als er näher kam, hörte er schon die Stimme des Verwalters. „Das reicht nicht mal um einen der drei Monate zu zahlen!“, blafft er. „Womit habt Ihr Eure Zeit vergeudet? Mit nichts tun? Wenn Ihr nicht zahlt, werde ich das Haus nehmen und ihr entdet auf der Strasse!“

„Gebt uns bitte noch etwas Zeit. Ich…es war eine schwere Zeit!“, sagte Laru hilflos.

„Euch noch mehr Zeit geben? Wollt Ihr Euch über mich lustig machen?“, schnaubte der Mann und trat nach draußen. Laru ging ihm hinter her und rang die Hände. „Wenn Ihr nicht zahlt, dann…!“

Lore hatte genug gehört. Mit entschlossenen Schritten ging er auf den Mann zu. „Werter Herr!“, rief er und der Verwalter zuckte kurz zusammen. Dabei klang er wie ganz der Prinz, der er mal war. Gebieterisch und ohne ein Widerwort billigend. Jedes Wort troff nur vor kalter Entschlossenheit. Der Verwalter sah ihn zuerst erschrocken an, dann aber schien er sich wieder zu fassen. „Sieh an. Der Gatte. Ich hoffe doch, dass immerhin Ihr genug Geld habt, um Euer Haus zu behalten!“

Lore verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln, griff in seine Tasche und holte das Säckchen hervor. Warf es ihm zu. „Reicht das?“, fragte er kalt.

Der Verwalter öffnete das Säckchen, zälte das darin befindliche Geld und seine Brauen hoben sich. In seinen Augen blanker Unglauben. Dann, als er Lore und Laru anschaute, versuchte er ungerührt zu wirken.

„Ja!“, sagte er. Laru wollte schon aufatmen, als er dann sagte. „Zumindest um den größten Teil Eurer Schulden zu begleichen. Nächsten Monat werde ich wieder kommen und den Rest holen. Ich bin ja kei Unmensch. Aber wehe Euch, wenn Ihr nicht zahlt. Dann ist es aus mit Euch!“

Dann ging er von dannen.

Lore und Laru sahen ihm nach. Als er aus ihrer Sicht verschwand, atmete Laru auf. „Gut, dass du rechtzeitig dagewesen bist!“, sagte sie. „Nicht aus zu denken, was passiert wäre, wenn du ihm das Geld nicht gegeben hättest!“

„Aber wir haben noch Schulden!“, sagte Lore ernüchternd. Laru winkte ab. „Auch das bekommen wir hin. Wir dürfen nur nicht verschwenderisch sein!“

Verschwenderisch? Sie lebten doch schon an der Armutsgrenze. Die wenigen Gelegenheiten, die sie hatte, um mit ihrem Singen Geld zu verdienen, waren so selten, wie Rosen in der Wüste. Das Singen auf der Hochzeit der Prinzessin, war das einzige, was ihnen genug Geld einbrachte und das ging nun an den Verwalter. So wie es aussah, würde er nun auch das Geld nehmen müssen, mit dem er den Ring bezahlten wollte, damit sie sich immerhin etwas zu essen leisten konnten.

Wieder einmal wünschte er sich, wieder Prinz zu sein.
 

„Dieser Verwalter ist wahrlich ein Blutsauger!“, schnaubte Sada abfällig. Lore hatte ihm am nächsten Tag erzählt, was gestern passiert war und wirkte mehr als nur geknickt. „Wenn das so weiter geht…!“, murmelte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Jetzt lass doch den Kopf nicht hängen. Immerhin hast du noch genug Geld für Euch beide, damit Ihr Euch was zu beißen kaufen könnt!“

„Ja, aber das Geld war eigentlich für was anderes gedacht!“

„Und für was?“

„Ich…ich wollte damit einen Ring kaufen. Es sollte ein Geschenk für Laru sein!“, begann Lore zögernd. Sada hatte sowas schon erwartet.

Diese ganze Geheimniskrämerei…

Lores Grübeln…

Eigentlich zeugte dies von großer Hingabe. Aber er wusste auch um die Geldnot der beiden.

Darum hielt er es für das Beste, den Jungen davon zu überzeugen, dass sie erstmal das Geld für das wichtigste nehmen sollten.

„Meinst du nicht, dass du dir dabei zu viel aufbürdest?“, fragte er daher.

„Was meinst du damit?“, fragte Lore. Sada hob die Schultern. „Naja, ich finde du solltest nichts überstürzen. Laru ist nicht der Mensch, der große Geschenke braucht!“, sagte der Alte. Lore verzog das Gesicht. Genau das gleiche hatte Laru auch gesagt.

Er hätte sich denken können, dass Sada so etwas von sich geben würde. Dennoch zog es ihn runter.

„Aber ich dachte…!“, begann Lore. Sada hob die Hand. Brachte ihn so zum Schweigen.

„Es zeugt von großer Zungeigung. Aber Gold kann man nicht essen!“

Da war was Wahres dran.

Diese ernüchternen Worte ließen das letzte bisschen von Lores Entschlossenheit in sich zusammenstürzen, wie ein Kartenhaus.

Das Schlimmste aber war, dass, Sada recht hatte. Sie brauchten das Geld mehr für Essen, als für sonst irgendwas.

Wie ein begossener Hund ließ er den Kopf hängen. „Nagut, ich werde es lassen!“

Sada sah natürlich, dass es Lore schwer traf.

Und es brach ihm das Herz. Er verstand wie ihm zumute war. Auch er war einmal jung und verliebt und hätte alles für seine Angebetete getan. So wie Lore nun und er wollte ihm helfen.

„Weißt du was? Ich gebe dir das noch fehlende Geld für Larus Ring!“, sagte er daher. Lores Augen wurden groß als er das hörte.

Meinte Sada das ernst?

Soviel Großzügigkeit konnte ein Mensch doch nicht in sich tragen?!

„Sada! Ich…ich weiss nicht, wie…!“

„Dann lass es!“, sagte Sada. „Das du Laru glücklich machen willst, weil du sie liebst, zeigt mir, dass du ein gutes Herz hast. Und das reicht mir!“

Lore sagte erstmal nichts, sondern sah ihn nur nachdenklich an.

„Du…du magst sie sehr, oder?“

Sada lächelte schwermütig. „Sie ist wie eine Tochter für mich!“

Lore nickte. Sowas hatte er sich schon gedacht. Sada hatte nie erwähnt, dass er selbst Kinder hatte. Dabei fragte er sich warum.

So ein herzensguter Mensch wie er, hätte doch sicher leicht eine Frau gefunden und dutzende Kinder mit ihr haben können.

Wieso also war er allein?

War das der Grund, warum er in Laru und in ihm die Kinder sah, die er nie hatte?

Weil er nicht allein sein wollte?

Die Antwort auf diese Frage fand er sehr schnell.

Ja!

Sada war stets wie ein Vater zu ihm gewesen. Hatte ihm mit Geduld alles gezeugt, was er wissen musste.

Dabei musste Lore an seinen eigenen Vater, den König, denken.

Früher hatte er ihn stets für streng und ungerecht gehalten, weil er ihm, aus seiner Sicht, seinen Willen auf zwingen wollte. Aber nun, wo er so darüber nachdachte, musste er erkennen, dass sein Vater nur so gehandelt hatte, weil er ihn auf den rechten Weg bringen wollte. Doch Lore dafür blind gewesen.

Bittere Reue ergriff ihn. Und er wünschte sich, seinem Vater zu sagen, dass es ihm Leid tat.

„Und nun habe ich auch noch einen Sohn!“, sagte Sada und lächelte. „Und ich bin froh, dass ich so einen tüchtigen Sohn habe. Da weiss ich nämlich, dass mein Geschäft in sicheren Händen ist, wenn ich diese Welt verlasse!“, sagte er.

Lores Magen zog sich bei diesen Worten schmerzhaft zusammen. „Bitte sag sowas nicht!“, kam er leise von ihm.

Sada sah sie ihn tröstend an. „Irgendwann wird dieser Tag kommen. Für jeden von uns. Und ich bin schon alt. Ich habe mein Leben gelebt!“

Sada klang so als würde er bereist mit einem Fuss im Grab stehen und es sorgte nicht gerade dafür, dass sich Lore davon getröstet fühlte.

„Wie kommt es eigentlich, dass du keine Kinder hast?“, fragte er und hätte sich selbst am liebsten geohrfeigt. So eien frage zu stellen, würde sicherlich nicht die Laune zwischen ihnen heben. Aber was Besseres war Lore nicht eingefallen, um die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.

Sada hob nachsichtig die Schultern. „Es sollte einfach nicht sein. Die Frau, die ich liebte, war zu wohlhabend und ich ein armer Bursche. Ich versuchte alles, um in den Augen ihres Vaters gut genug zu sein. Und ihr alles bieten zu können, was sie wollte. Aber leider wollte sie nicht auf mich warten. Trotz dass ich ihr beteuerte, wie sehr ich sie liebte!“, sagte Sada und wirkte schwermütig. In seinen Augen sah Lore deutlich, dass er um die Frau trauerte, die er geliebt hatte und verspürte zu gleich einen Groll gegen diese.

Wie konnte sie ihn verschmähen, obwohl sie wusste, dass er sie heiß und innig liebte?

„Und hast du nie daran gedacht, eine andere Frau zu lieben?“

Sada lächelte traurig. „Wenn du einmal dein Herz verloren hast, ist es verloren und du kannst es nie wieder zurückbekommen!“

„Dann…dann warst du immer schon allein?“

„So allein wie du jetzt denkst, war ich wirkich nicht. Ich habe immerhin noch meine Freunde. Und ich habe Laru und nun dich…!“, sagte Sada und klopfte ihm auf die Schulter. Lore lächelte etwas.

Ließ ihn die Bitterkeit ein wenig vergessen.

„Jetzt aber schluss mit Trübsal blasen. Ran an die Arbeit. Das Geld verdient sich ja nicht von allein!“
 

Als Lore nachhause kam, hatte er bereits etwas zu essen eingekauft. Gemüse, Brot, ein paar Eier und auch Fleisch.

Da Sada ihm das Geld für Larus Ring geben wollte, hatte er mit dem, was er zurückgelegt hatte, diese Sachen kaufen können und er war sich sicher, dass Laru darüber Augen machen würde. Er war sich aber auch sicher, dass sie Fragen stellen würde. Aber da musste er durch.

Kaum dass sie die ganzen Sachen sah, schaute sie ihren Mann verwirrt an. „Mit was für ein Geld hast du das bezahlen können?“, fragte sie, als sie den Korb sah.

Lore wirkte verlegen. „Ich…ich habe das mit dem restlichen Geld bezahlt!“, murmelte er.

„Mit dem restlichen Geld? Aber du hast doch alles dem Verwalter gegeben? Oder etwa nicht?“, bohrte sie nach.

Lore wäre es nun am liebsten gewesen, wenn er sich jetzt in irgendein Mauseloch verkriechen könnte. Er hatte das ungute Gefühl, dass sie, sollte sie den eigentlichen Zweck für sein erspartes Geld herausfinden, nicht gerade begeistert sein würde. Immerhin hatte sie ihm mehr als einmal beteuert, dass sie keine kostspieligen Geschenke haben wollte.

„Ja…Nein…Ach, verdammt!“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Ich wollte dir…!“

Lore sparte es sich, weiter zu sprechen. Sondern machte nur eine abwehrende Handbewegung und schüttelte den Kopf.

Laru wusste auch ohne dass er weitersprach, was er sagen wollte.

Geht das schon wieder los, dachte sie deprimiert. Ging auf ihn zu und schlang die Arme um ihn. „Du bist einfach unverbesserlich!“, seufzte sie. Lore schloss die Auge, angesichts dieser Tatsache und seufzte ebenso. „Ich weiß!“
 

Einige Tage später kam hoher Besuch in den Weinladen Sadas.

Lore war gerade dabei einige Fässer aus dem Lager in die Vorderstube zu tragen, als er hörte, wie sich Sada mit jemandem unterhielt.

„Was für eine Freude, Euch wieder zu sehen. Wie lange ist das her?“, hörte er ihn aufgeregt rufen.

„Gut und gerne fünf Monate!“, erwiderte der Besucher und Lore merkte, wie sich im der Hals zu schnürte. Auch wenn er diese Stimme schon lange nicht mehr gehört hatte, wusste er, wem sie gehörte. Admiral Fira!

Was will der denn hier, dachte Lore finster und alles in ihm sträubte sich dagegen, nach vorne zu gehen. Aber er wollte bei ihnen auch nicht den Eindruck erwecken, dass er laienhaft war. So atmete er einmal tief durch und trug da Fass, mit dem Rücken vorraus, in den Laden.

„Wie ist es Euch so ergangen, Sada?“

„Bestens. Bestens. Ich kann mich nicht beklagen. Seit einiger Zeit habe ich jemanden, der mich tüchtig unterstützt!“, sagte Sada. „ Ahh. Da kommt er gerade!“

„Seid gegrüßt!“, sagte der Admiral höflich zu Lore. Doch dieser nickte nur. Bugsierte das Fass zu einer freien Stelle und achtete dabei, dass der Admiral ihn nicht sah.

„Nicht gerade gesprächtig, Euer Helfer!“, bemerkte Admiral Fira belustigt, worauf Lore ihm am liebsten etwas an seinen Schädel geworfen hatte. Er konnte sich gut das Grinsen vorstellen, mit dem er ihn bedachte und die alte aber wohl bekannte Wut kam in ihm hoch. Doch er riss sich zusammen.

„Was hat Euch hierher verschlagen, Herr Amdiral?“

„Ich wollte meinen Landurlaub nutzen, um gute Freunde zu besuchen!“, sagte der Admiral.

Mit mehr Kraft als gut war, knallte Lore das Fass auf den Boden, sodass dieser zitterte und das Fass bedrohlich ächzte. Welche Freunde das sein würden, konnte er sich gut vorstellen.

Er sah schon deutlich vor sich, wie er mit Laru wieder anfing zu flirten und Süßholz zu raspeln.

Ihm wurde schon schlecht bei dem bloßen Gedanken.

„Junge, sei doch vorsichtig. Sonst verschüttest du noch den guten Wein!“

„Entschuldige!“, sagte Lore leise.

Doch Fira hörte ihn und erkannte ihn sofort. „Lore?“

Lore zuckte dabei zusammen und drehte sich langsam widerstrebend um. Trotz des Bartes und den kurzgeschnittenen Haaren schien der Admiral ihn erkannt zu haben. Und Lore wünschte sich nun weit weg.

Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck stand er da und schaute den Admiral mürrisch an.

In diesem Moment wäre es ihm lieber gewesen, wenn Roska durch diese Tür gekommen wäre.

Aber er musste nun seinem Nebenbuhler gegenüberstehen.

„Ihr kennt Euch?“, fragte Sada dann verwirrt.

„Ja. Wir sind alte Bekannte!“

Alte Bekannte, höhnte Lore in Gedanken. Das ist die größte Lüge überhaupt.

„Oh, na das freut mich!“, sagte Sada.

„Ich hole uns Gläser und eine Flasche meines bestens Weines!“

„Wir sind doch bei der Arbeit!“, wandte Lore ein. Zum einen weil er wirklich nichts während der Arbeit trinken wollte. Und zum anderen- und das war wohl der ausschlaggebende Grund-wollte er nicht mit dem Admiral trinken.

Eigentlich sollte er über seine Eifersucht drüberstehen.

Nach dem sich Laru und er so nahe gekommen waren und er sich ihrer Liebe so sicher war, wie sie bei ihm.

Dennoch war da dieses Flüstern, was ihm zu zischte, dass er nicht so blauäugig sein sollte.

Daher würde er lieber dutzende Weinfässer schleppen, bis ihm der Rücken schmerzte.

Aber er wollte Sada auch nicht vor dem Kopf stoßen. So blieb er und ließ es über sich ergehen.

Während Sada und der Admiral munter mit einander redeten, saß Lore da, nippte hin und wieder an dem Glas und schien nicht die Absicht zu haben, sich an der Unterhaltung zu beteiligen.

So war es nur eine Frage der Zeit bis der Admiral das Wort an ihn richtete. „Wie geht es Laru eigentlich?“

Lore kostete es große Mühe, ihm nicht den Wein ins Gesicht zu schütten.

Egal ob die beiden befreundet waren oder nicht.

Die Frage des Admirals schnitt in das Herz von Lore.

Das geht Euch einen feuchten Dreck an, keifte er. Sagte aber stattdessen:„ Ihr geht es gut!“

„Das freut mich. Mir liegt sehr viel daran, dass es ihr gut geht!“

„Denkt Ihr, ich bin ein schlechter Ehemann?“, schoss es aus Lore und sah den Admiral erschüttert an.

Dachte er wirklich, er könne für Laru nicht sorgen?

Er wusste doch nichts. Rein gar nichts.

Sicher hatte er noch sehr gut in Erinnerung, wie Lore sich aufgeführt hatte, als das Bier ihm zu Kopf gestiegen war.

Und dachte wohl dass er sich auch bei Laru so aufführte. Sie vielleicht sogar auch schlug.

Das machte ihn noch wütender, als er es schon vorher war.

„Das wollte ich nicht damit sagen!“, entschuldigte sich der Admiral sogleich.

Lore aber war nun nicht mehr zu halten. „Und was dann? Dass sie ohne mich besser dran wäre?“, fragte Lore wütend. „Was wisst Ihr denn schon? In der Zeit, nachdem Ihr den Hafen verlassen habt, hat sich einiges getan!“

„Lore, beruhig dich doch!“, versuchte Sada nun die Lage zu retten. Lore aber ließ sich nicht beschwichtigen.

„Es tut mir leid, Sada. Aber ich kann nicht weiterhin hier sitzen und mit ihm trinken!“, sagte Lore, wandte sich ab und ging.

Er hörte Sada sich beim Admiral entschuldigen und es tat ihm leid, dass er sich so Sada gegenüber aufgeführt hatte. Ihn traf nun wirklich keine Schuld.

Er konnte ja nicht wissen, wie angespannt das Verhältnis zwischen ihm und dem Admiral war.

Sobald sie allein waren, würde er sich bei ihm entschuldigen.

Als der Admiral dann gegangen war, ging Lore zu Sada. Kaum dass der alte Mann ihn sah, überschüttete er ihn mit zig Fragen und entrüsteten Bemerkungen.

„Was ist nur in dich gefahren, Junge?“

Lore ließ die Schultern hängen. „Ich...es tut mir leid, Sada. Wirklich. Aber ich…ich war so wütend auf ihn!“

„Das habe ich gemerkt. Er war doch nur freundlich und du brüllst ihn an, als wäre er hinter deiner Frau her!“

„Ich glaube auch, das hatte er vor!“

„Bitte?“, fragte Sada und sah ihn erschüttert an. „Ich habe gesehen, wie er Laru angeschaut hatte, als sie sich das letzte Mal trafen. „So sieht doch keiner einen anderen an, wenn er nur mit ihm befreundet sein wollte!“

Langsam dämmerte Sada, was in seinen Lehrling gefahren war.

„Verstehe. Du denkst, dass er was von Laru will!“

Lore zerknirschtes Gesicht war mehr als nur eine Antwort.

Sada seufzte. „Junge junge. Ich hätte mir sowas denken können. Deine Abneigung dem Admiral gegenüber war mehr als deutlich. Dabei dachte ich, du würdest genug Verstand und auch Vernunft haben, um zu wissen, dass du und Laru füreinander bestimmte seid!“, warf er ihm dann in väterlicher Strenge vor. Lore nickte schwach. Jetzt, wo Sada es ihm sagte, kam er sich wirklich dumm vor. Wiedermal hatte er sich von seiner Hitzköpfigkeit hinreissen lassen.

Das schlechte Gewissen, was er schon vorher hatte, wog nun noch schwerer.

„Und Laru weiß das auch!“, rief er ihm noch mal ins Gedächtnis.
 

Als der Laden dann schloss, machte er sich erleichtert, weil er sein Gewissen gereinigt hatte, auf den Heimweg.

Doch kaum dass er einige Schritte getan hatte, wurde er plötzlich aufgehalten. „Lore!“

Sofort versteifte er sich und dachte nur, dass das doch nicht wahr sein konnte.

„Was wollt Ihr?“, fragte Lore finster. Admiral Fira trat aus dem Dunkeln.

„Ich möchte mit Euch sprechen!“

„Und um was?“

„Was habe ich Euch getan? Gibt es einen Grund, warum Ihr mich so sehr hasst?“

Lore wollte nicht darüber sprechen, weil er es für reine Zeitverschwendung hielt.

Außerdem musste der Admiral doch die Antwort kennen.

Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, ihm zu sagen, was ihm so lange schon auf der Seele brannte.

„Das fragt Ihr noch? Ihr könnt mir erzählen, was Ihr wollt. Aber ich sehe Euch an, dass Ihr Gefühle für meine Frau habt!“, kam es aus Lore herausgesprudelt. „Aber lasst Euch sagen, dass ich Sie Euch nicht so einfach überlasse. Ich liebe sie!“

Der Admiral sah ihn für eine lange Zeit nur schweigend an. Dann lächelte er und nickte dann. „Das habe ich mir schon irgendwie gedacht!“, sagte er. „Da komm ich wohl zu spät!“

„Wusste ich es doch!“, maulte Lore.

„Bevor Ihr mir wieder an den Hals geht: Ja, ich habe Gefühle für Laru. Und ja, es sind nicht nur freundschaftliche Gefühle! Aber als ich ihr von meinen Gefühlen erzählt habe und sie fragte, ob sie das gleiche für mich fühlte, sagte sie, dass sie mich nur als guten Freund haben wollte. Dass sie auf den einen, den Richtigen wartete. Und ich es leider nicht bin!“, sagte der Admiral und Lore verlor den Faden.

Nur langsam drangen seine Worte in Lores Bewusstsein und ihm dämmerte, dass Laru nur ihn gemeint haben konnte.

Sie hatte auf ihn gewartet? Oder sagte er das nur um ihn von seiner Wut und Ungewissheit zu befreien?

Die Augen des Admirals hatten nicht eine einzige Spur von Täuschung. Sondern waren erfüllt von tiefster Ehrlichkeit.

Lore sagte nichts. Sondern sah ihn nur an. Konnte immernoch nicht glauben, was er da gehört hatte.

„Wollt Ihr damit sagen, dass ich derjenige bin?“

„Das müsstet Ihr doch am besten wissen!“, sagte der Admiral.

Und ob er das wusste. Sein Herz wusste es. Von Anfang an. Lore nickte nur.

Fire hingegen lächelte. „Seht Ihr. Ihr braucht Euch daher keine Sorgen zu machen!“

Mit diesen Worten klopfte er ihm auf die Schulter und ging dann.

Lore ließ er einfach stehen. Er wiederum sah dem Admiral nach. Dann machte er sich auch auf den Heimweg.
 

Laru sah ihrem Mann natürlich an, dass etwas passiert sein musste.

„Was ist los?“, fragte sie ihn besorgt, als er die Haustür hinter sich schloss. Lore sagte nichts. Schüttelte den Kopf.

Schaute zu Boden. Während er nachhause gelaufen war, musste er immer wieder daran denken.

Wie konnte sie auf ihn warten, wenn sie vorher noch gar nichts von ihm wusste. Lore erinnerte sich, wie sie damals entsetzt war, als sein Vater sie mit ihm vermählen wollte. Da hatte er nicht gerade den Eindruck gehabt, als würde sie jemals glücklich mit ihm werden. Aber nun…

Wie seltsam und wie schnell sich doch alles ändern konnte.

Laru deutete sein Schweigen als etwas Ungutes und kam mit sorgenvoller Miene auf ihn zu. „Lore? Du…du machst mir Angst. Was ist denn mit dir?“

Statt endlich was zu sagen, ergriff er nun ihre Schultern und drückte sie fest an sich. „Nichts. Es tut mir leid. Jetzt glaube ich dir!“, sagte er. Laru sah ihn verwirrt an. Begriff nicht was mit ihm war. Irgendwie wusste es aber ihr Herz und es schlug schneller.

Mit einem glücklichen Lächeln umarmte sie ihn.
 

Sada hatte, wie er es Lore versprochen hatte, ihm das noch ausstehende Geld für Larus Ring gegeben. Sogleich war er zum Goldschmied gegangen und hatte den Ring bezahlt.

Wobei der Händler ungläubig auf die Taler geschaut hatte.

Deutlich sah Lore ihm an, dass er es nicht für möglich gehalten hatte, dass Lore soviel Geld aufeinmal auftreiben konnte.

Doch er sagte nichts. Sondern gab ihm einfach den Ring und wünschte ihm noch einen schönen Tag.

Stolz wie ein König verließ Lore das Geschäft.
 

„Was für ein schönes Stück!“, sagte Sada bewundernd, als Lore ihm den Ring zeigte. Lore nickte.

„Meinst du, er wird ihr auch gefallen?“, fragte er dann.

„Machst du Witze? Sie wird aus dem Häuschen sein!“, sagte Sada. Lore grinste. Er konnte es kaum erwarten, ihr den Ring zu schenken.

Gleich heute Abend würde er ihr an den Finger stecken.

„Ich kann es kaum erwarten. Am liebsten würde ich gleich nach hause gehen!“

Sada lachte. „Das glaube ich gerne. Aber ehe es soweit ist, wirst du erstmal hier fertigwerden müssen!“

„Nagut!“, seufzte Lore und grinste verschmitzt. „So schwer es mir auch fällt!“

„Du unverschämter Schelm!“, sagte Sada und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.

Der Tag verging schnell und Lore verabschiedete sich bei Sada.

Voller Vorfreude eilte er die Gasse entlang. Malte sich aus wie Laru auf den Ring reagieren würde.

Sicher würde sie nach Luft schnappen, wenn sie das edle Schmuckstück sieht. Ihm vielleicht um den Hals fallen. Ihm tausendmal küssen und ihm dankte. Das hoffte er zumindest.

Ach, was.

Natürlich wird sie sich freuen. Auch wenn sie meinte, dass sie nichts von ihm wollte.

Sie würde den Ring bekommen. Gerade schob er seine Hand in die Tasche seines Mantels.

Tastete nach dem Ring. Doch seine Finger fanden nichts.

Lore blieb wie vom Donner gerührt stehen. Der Ring!

Er hatte den Ring vergessen. Er musste ihn im Weinladen gelassen haben.

Vielleicht war Sada noch da!Lore hoffte es.

Schnell lief er zurück, doch schon von weitem sah er, dass sein Hoffen nicht erhört wurde.

Das Licht war bereits erloschen. Sada war also auch schon daheim.

Verdammt, fluchte Lore.

Wie konnte er nur den Ring vergessen?

War er so sehr in Gedanken und seiner Vorfreude versunken?

Es brachte nichts, sich jetzt darüber zu ärgern.

Anstatt sich über seine Gedankenlosigkeit auf zu regen, sollte er sch auf den Heimweg machen.

Er konnte ihr den Ring auch morgen geben.

Immerhin war dieser gut aufgehoben. Also brauchte er sich keine Sorgen zu machen.

Mit dieser Sicherheit trat er den Heimweg an.

Er kam dabei an einigen Gaststätten vorbei, in denen munter das Ende der Arbeit gefeiert wurde. Lore lächelte etwas.

Er würde nur feiern, wenn es wirklich etwas zu feiern gab. Nicht einfach nur so. Es dämmerte schon und Lore beeilte sich.

Das Tor würde bald schließen. Da ging die Türe einer der Schenken auf und eine Gruppe von Männern trat auf die Gasse.

Sie schienen etwas angeheitert zu sein. Lore wollte gleich weitergehen. Doch da rief einer:„ Lore!“

Lore zuckte zusammen.

Er erkannte die Stimme. Sie gehörte einem von Fürst Roskas Lakeien.

Was wollen die hier?

Lore wollte es eigentlich nicht wissen, so machte er, dass er so schnell wie möglich weiterkam.

Er musste zum Tor und aus der Stadt. „Hey, wartet doch!“, rief der erste wieder und kam auf ihn zu.

„Was wollt Ihr? Wollt Ihr mir auch eins auswischen?“, fragte er und konnte einen herausfordernden Unterton in seiner Stimme nicht unterdrücken. Roskas List war noch lebhaft in seiner Erinnerung.

Dieses Mal würde er ihnen nicht so einfach in die Falle gehen.

Die Männer sahen sich nur an. Dann schüttelten einige von ihnen die Köpfe.

„Nein, im Gegenteil: Wir wollten Euch nur unsere Bewunderung bekunden!“, sagte nun ein anderer.

Lore Augen wurden groß, als er das hörte. Er hatte erwartet, dass sie ihm auflauern würden.

Sich für den Schlag, den er ihrem Herrn verpasst hatte, reavangieren wollen.

Dass sie nun aber ihre Anerkennung zeigen wollten, wunderte ihn. Machte ihn aber auch misstraurisch.

„Und Fürst Roska? Wird er nicht wütend sein, wenn Ihr ihm damit in den Rücken fallt?“

Einer von ihnen murmelte etwas, was Lore als eine Beldeidigung für den Fürsten verstand. Ein anderer spukte angewidert aus.

Der erste von ihnen trat etwas unwohl auf der Stelle herum und sagte zögernd:„ Er darf es nicht erfahren. Aber wir hassen ihn. Wäre er nicht der Sohn eines angesehenen Edelmannes und würde er uns nicht in der Hand haben, weil jeder von uns ihm Geld schuldet, würde keiner von uns in seiner Nähe sein. Er demütigt und verspottet uns, wann es nur geht und wenn er kein anderes Opfer gefunden hat!“

Die anderen nickten sich zu.

Lore wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er wusste schon immer, dass Roska einen verdorbenen Charakter hatte.

Das er nur Freude empfand, wenn er auf dem Leid anderer herumritt.

Seine Lebenseinstellung war einfach wie egostisch. Da wunderte es ihn nicht, dass seine angeblichen Freunde ihn verachten.

Und dennoch blieben sie bei ihm.

Nur weil er sie mit ihren Schulden an sich gekettet hatte. Er konnte nicht leugnen, dass er Mitleid mit ihnen hatte.

„Ihr wart der erste, der sich gegen ihn aufgelehnt hatte!“, sagte nun ein anderer.

Zustimmendes Gemurmel war zu hören. „Und dafür wollen wir Euch danken!“, kam es von dem ersten wieder.

„Das…das ist nicht nötig!“, sagte Lore verlegen. Ihm war es ein wenig unangenehm. Immerhin hatte seine Heldentat zur Folge, dass er im Gefängnis gelandet war und Laru ihn aus zahlen musste. Im Vergleich dazu war der Dank der Männer gerade zu lächerlich.

„Doch. Und darum wollen wir Euch einladen!“, sagte der andere.

„Nein. Ich…ich muss zu meiner Frau!“, sagte Lore und schaute hoch.

Die Dämmerung war längst vorbei. Das Tor, geschlossen. Lore stiess einen innerlichen einen Fluch aus.

Wieso war er einfach nicht weitergegangen? Nun jetzt würde er nicht mehr nachhause kommen.

Da konnte er auch mit ihnen gehen. „Also gut. Aber nur einen Humpen!“, sagte Lore.

Die Männer schienen nichts dagegen zu haben.
 

Es wurde ausgelassen gefeiert.

Mehr als einmal sprachen die Männer einen Prost zu Ehren Lores zu.

Lore hob verlegen lächelnd seinen Humpen. Zu seinem Glück blieb es auch bei diesem einen. Während die Männer sich immer wieder nachschenken ließen.

Und er musste zu geben, dass es auch eine lustige Runde war.

Vergessen waren das Misstrauen und die Vorsicht, mit denen er ihnen begegnet war.

Die Zeit schien wie im Fluge zu vergehen, dabei fühlte es sich auch so an, als würde sie nicht vergehen wollen.

Lore fragte sich, wie spät es war.

Außerdem merkte er wie ihm aufeinmal merkwürdig schwindelig wurde.

Was war los?

Das eine Bier konnte ihm doch nicht so sehr die Sinne trüben?

„Ich sollte jetzt lieber gehen!“, sagte Lore und erhob sich.

„Und wohin? Habt Ihr eine Bleibe?“

„Ich werde in die Gaststube von Jardo gehen. Zum singenden Bären!“

„Dann werden wir Euch dahin bringen!“, sagte der eine und sie begleiteten Lore nach draußen.

Um ihn nicht fallen zu lassen, stützten ihn links und rechts. Langsam gingen sie die Strasse entlang. Lore ließ sich einfach führen.

Das Schwindelgefühl schien hier an der frischen Luft stärker zu werden. Mit jedem Schritt den er machte.

Dabei fragte er sich, wie das sein kann. War er so empfindlich, so dass es schon einen Humpen Bier bedurfte, um ihn von den Füßen zu holen?

Lore konnte sich darauf keine Antwort geben.

Und noch etwas ließ ihn stutzen. Sie waren schon eine Weile unterwegs und er kannte sich gut genug aus, um zu wissen, wie weit es eigentlich zu Jardos Gaststätte war. Oder welchen Weg man nehmen musste.

Und sie nahmen einen anderen. Besser gesagt: den falschen Weg. Er bezweifelte nicht, dass sie wussten, wo Jardos Gaststätte war.

Sondern dass sie dahinbringen wollen. Was lief hier?

Er wollte etwas sagen, aber nicht nur sein Körper fühlte sich schwer an, sondern auch seine Zunge. Statt Worte gab er nur ein Lallen von sich. Er versuchte sich aus dem Griff der Männer nun zu befreien.

Was auch immer sie vorhatten, es war nichts Gutes.

Sie hatten ihn in eine Falle gelockt, schoss es ihm durch den Kopf. Und er verfluchte sich nun für seine Gutgläubigkeit.

Dabei hatte er sich vorgenommen, bei sowas achtsamer zu sein.

Doch sich deswegen zu schellen, würde nichts bringen.

Seine Gegenwehr vermochte es nicht sich aus dem Griff, der nun stärker wurde, zu befreien.

Als sie sahen, dass Lore nun nicht mehr ganz bei sich war, schleppten sie ihn in eine Seitengasse.

Hart stießen sie ihn dann gegen die Wand. Hielten ihn fest.

„Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da?“, lachte plötzlich eine Stimme und alles in Lore gefror zu Eis.

Aus dem Schatten tauchte plötzlich eine Gestalt auf.

Lore wusste sofort, wer da auf ihn zukam. Fürst Roska!

Natürlich. Er hätte es sich denken können.

Und wäre er nicht außer Stande sich zu wehren, würde er Fürst Roska wieder eine verpassen.

Da war es ihm gleich, ob er wieder eigesperrt wurde.

Aber so..

Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihn böse an zu sehen.

Davon ließ sich Roska natürlich nicht beeindrucken.

Mit einem boshaften Lächeln, schritt er auf ihn zu. „Es wird Zeit, es dir zurück zu zahlen!“, sagte er und schlug Lore ins Gesicht.

Lores Kopf wurde nach hinten geschleudert und knallte gegen die Wand.

Wäre Lore vorher nicht schon benommen gewesen, so würde er jetzt Sterne sehen.

In seinem Mund machte sich der Geschmack von Blut bemerkbar. Lore spukte aus.

„Was wird das werden, Roska? Willst du dich jetzt wirklich dafür rächen, dass ich den Mut hatte, dir entgegen zu treten?“, fragte Lore. „Weil es kein anderer wagen würde!“

Dabei schaute er zu Roskas Vasallen.

Sein Mitleid für sie hatte sich in Luft aufgelöst.

Das sahen und wussten sie und schauten sich unwohl an. Roska sah sie finster an. Dann wandte er sich wieder Lore zu. „Denkst du wirklich, dass ich mich mit diesem einem Schlag begnüge?“, fragte er und schlug ein zweites Mal zu. Dann ein drittes und ein viertes Mal.

Immer wieder, bis Lore das Bewusstsein verlor.

Bevor er allerdings in tiefste Schwärze abglitt, konnte er Roska noch sagen hören:„ Nehmt alles, was er bei sich hat!“

Flucht!

Als er wieder zu sich kam, fand er sich in der Gasse wieder, in die sie ihn geschleppt hatten und fühlte sich wie von einer sechsspängingen Kutsche überrollt. Einige Minuten blieb er so sitzen und versuchte wieder zu Kräften zu kommen.

Atmete tief ein und aus.Dabei kam die Erinnerung zurück und ein eisiger Ring legte sich um sein Herz. Drückte es zu.

„Nehmt alles, was er bei sich hat!“

In Lore wallte Entsetzen auf und er suchte hastig seine Taschen ab. Sein Entsetzen wurde größer als er bemerkte, dass seine Taschen leer waren. Das wenige Geld, was er noch bei sich hatte, war weg. Das Geld für die kommenden Wochen.

Was nun?

Zu Sada wollte er nicht. Es wiederstrebte ihm, ihn wieder um Geld zu bitten. Zumal es seine eigene Schuld war.

Er hätte vorsichtiger sein sollen. Sich nicht von der aufgelegten Bewunderung hätte täuschen lassen dürfen.

Nun hatte er aber das Nachsehen und wusste nicht, was er machen sollte.

Eigentlich wäre es das vernünftigste nachhause zu gehen. Aber etwas in Lore weigerte sich.

Es war nicht die Angst, ihr gegenüber zu treten und zu erzählen, was passiert war.

Sie würde Verständnis dafür haben.

Daran hatte er keine Zweifel. Es war die Scham, die ihn zögern ließ. Scham, dass er sich so hinter Licht führen und sich auch noch ausrauben ließ.Er hatte immer gedacht, er sei mit der Zeit zu einem vernünftigen Mann geworden.

Jemand, der wusste, was er tat und vorallem das Richtige.

Die Erkenntnis, dass er sich in sich selbst gettäuscht hatte, traf ihn wie einen Hammerschlag. Noch schlimmer als Roskas Schläge.

Mit einem schmerzlichem Gesicht erhob er sich und trat aus der Gasse.

Lief ziellos durch die Strassen. Vorbei an den Menschen, die ihn nicht beachteten.

Wohin er gegen sollte, wusste er selber nicht.

Er wusste nur eins: Er wollte hier weg! Soweit seine Füße ihn trugen.

Jedoch hielt er es für das Beste erstmal auf einen anderen Weg die Stadt zu verlassen.

Vielleicht hatte er Glück und einer der Viehkarren würde ihn mitnehmen.

Ein Versuch war es wert.

„Verzeiht, werter Herr. Aber hättet Ihr die Güte, mich mit zu nehmen?“, fragte er gleich den erstbesten.

Der Mann auf dem Bock runzelte die Stirn. Nickte aber.

„Sicher! Wohin soll es denn gehen?“

Lore biss sich auf die Unterlippe. „Soweit wie Ihr fahrt. Ich werde Euch auch dafür aus zahlen!“

Erneut sah der Mann ihn an. Schien ihn förmlich zu mustern.

Und Lore tat es ihm gleich. Er sah wirklich erbärmlich aus. Die Kleider zerrissen und sein Gesicht zerschunden. Es fühlte sich zumindest so an.

In den Augen des Mannes, vor ihm, musste er wie ein armer Trinker oder Spieler aussehen, der sich mit den falschen Leuten angelegt hatte.

Das musste er denken, denn er winkte ab. „Lass gut sein. Wer bin ich, wenn ich von einem armen Kerl Geld haben will, was er nicht hat!“, sagte er. „Spring auf!“

Lore ließ sich das nicht zweimal sagen.

Doch als er auf den Karren kletterte, hielt er inne und schaute über die Schulter. Er würde diese Stadt nie wieder sehen. Und auch Laru nicht. Laru!

Er würde sie schrecklich vermissen. Aber er konnte nicht mit dieser Schmach zu ihr gehen.

Er konnte es einfach nicht. Mit einem schweren Seufzen und einem noch schwererem Herzen, stieg er auf.

Der Mann ließ die Peitsche knallen und der Karren setzte sich in Bewegung. Polternd und rumpelnd fuhr der Karren über die Strasse. Durchquerte ein wesentlich kleineres Tor und ließ die Stadt hinter sich.

Lore konnte nicht den Blick davon lassen. Mit dem Verlassen der Stadt, verließ er nicht nur Laru. Sondern auch Sada.

Den lieben und geduldigen Sada.

Bei dem Gedanken an den herzensguten, alten Mann, schmerzte ihm das Herz genauso sehr. Er war wie ein Vater für ihn und hatte seine Fehler verziehen. Egal was er auch getan hatte.

Was würde er nun von ihm denken, wenn er nicht mehr zur Arbeit kam.

Sicherlich wäre er am Boden zerstört. Musste feststellen, dass er ihn ebenso enttäuschte wie der Lehrling vor ihm.

Lore presste die Lippen hart aufeinander und kämpfte gegen die Tränen an.

Sein Herz sagte ihm, dass er runterspringen und nachhause gehen sollte.

Aber sein Verstand sagte wiederrum, dass ihm keine andere Wahl blieb.

Sei vernünftig. Es ist besser so, sagte es immer wieder, während sein Herz wie unter Qualen schrie.

Lore konnte es nicht länger ertragen und verhindern.

Stumm rannen ihm Tränen über die Wangen.
 

„Ich mache mir auch Sorgen um den Jungen. Er ist heute morgen nicht auf die Arbeit gekommen. Das wundert mich schon. Er war doch immer sehr zu verlässig. Das er auch nicht bei dir war, lässt mich das Schlimmste befürchten!“

„Mich auch!“, sagte Laru.

„Ich werde mich später umhören. Vielleicht hat ja einer meiner Freunde ihn gesehen!“

„Danke, Sada. Und ich werde zu Jardo gehen. Hoffentlich ist er bei ihm!“

Sada lächelte tröstend. Tätschelte ihre Hand. „Sicher geht es ihm gut!“

„Ich hoffe es!“, flüsterte sie. Sag mir sofort bescheid, wenn du was von ihm gehört hast!“

„Das auf jeden Fall!“

Laru wandte sich zum gehen. Doch bevor sie aus der Tür trat, hielt Sada sie auf.

Davei wirkte Sada selbst, als würde er sich nicht gerade wohl in seiner Haut fühlen.

„Ich weiss, dass dein Mann es dir eigentlich geben wollte. Aber ich denke, er wird nichts dagegen haben!“

Mit diesen Worten stellte er ein kleines Kästchen auf den Thresen und schob es Laru hin.

Larus Gesicht wurde zu einer bitteren Grimasse als sie das hörte.

Sada klang so, als wäre Lore tot.

Eine schreckliche Vorstellung.

Dennoch wollte sie sehen, was Sada für ihren Mann aufgehoben hatte.

Mit zitternden Händen nahm sie das kleine Kästchen.

Sie hatte so eine Ahnung, was sich darin befand und ihre Sorge und Kummer nur noch größer werden ließ.

Sie war den Tränen nahe, als sie nun den Laden verließ.

Schmerzlich blickte sie in den Himmel hinauf. „Wo bist du nur, Lore?“
 

Der Fuhrmann hatte ihn soweit außerhalb gebracht, wie es ihm möglich war und hatte ihn dann an einer Weggabelung abgesetzt. Bevor er weiterfuhr, wünschte er ihm alles Gute.

Lore dankte ihm.

Der Mann fuhr dann weiter und Lore ging den anderen Weg.

Er wanderte Tag ein und Tag aus. Immer den Weg folgend.

Wie lange er lief, wusste er nicht. Er hatte aufgehört, die Tage zu zählen.

Aber er wusste, dass er bald etwas zu essen brauchte. Sein Magen schien lauter und lauter zu knurren.

Und er merkte wie er immer schwächer wurde.

Mit einem Stöhnen ließ er sich auf einen Stein nieder und ruhte sich ein wenig aus. Atmete tief ein und aus.

Merkte dabei wie der Hunger und die Erschöpfung, die ihn durch das lange Wandern, ereilte, immer stärker wurden.

Die Knochen schwermachten und seinen Blick trübten. Wenn er nicht bald etwas aß…

Er konnte nicht weiter nur rasten.

Lore schaute den Weg, der noch vor ihm lag, entlang.

Überlegte, ob er diesem weiterhin folgen sollte. Vielleicht würde der Weg ihn in das nächste Dorf führen. Oder zu einem Hof.

Lore konnte sich nicht vorstellen, dass soweit kein Hof oder eine Farm ist.

Mit diesem Glauben raffte er sich auf und ging weiter.

Der Tag neigte sich dem Ende zu, als Lore in der Ferne den Umriss und die Lichter eines Hauses sah.

Er dankte dem Himmel und beschleunigte seine Schritte.

Kaum das er am Haus angekommen war, klopfte er auch sogleich an die Tür.

Schritte waren sogleich zu hören und wenige Wimpernschläge später, wurde die Tür geöffnet.

„Ja, bitte?“, fragte eine feine Stimme und Lore musste blinzeln, da das Licht, welches aus dem Haus drang, ihn kurz blendete.

Verschwommen sah er eine kleine Gestalt vor sich stehen. Mit langen schwarzen Haaren.

„La-Laru?“

War es die Erschöpfung und der Hunger?

Oder das Hoffen, das er doch noch irgendwie zu seiner Frau zurückgefunden hatte.

Auch wenn er wusste, dass er nun Rede und Antwort stehen musste, war er dennoch froh, dass er wieder bei ihr war.

Als er dann aber sah, dass es nicht Laru war, die vor ihm stand, hatte er das Gefühl, als würde man ihm den Boden unter den Füßen weg ziehen.

Das Mädchen sah ihn verwirrt an, machte einen Schritt zurück und wollte die Tür wieder schließen.

„Nein, bitte!“, rief Lore flehend. „Verzeiht! Ich wollte Euch nicht erschrecken!“

„Und was wollt Ihr dann?“

„Nur etwas zu essen. Ich…ich bin schon ein Weile unterwegs!“

„Wer ist da, Sina?“, erscholl nun eine zweite Stimme und ein Mann, im vorrangeschrittenen Alter tauchte neben idem Mädchen auf.

Lore machte sofort einen Schritt zurück und nickte dem Mann höflich zu.

„Bitte entschuldigt, wenn ich Euch zu so später Stunde störe, aber…ich wollte fragen, ob Ihr mir etwas zu essen geben könnt?“

Der Mann runzelte die Stirn. Sina sah wiederum an. „Wir können ihm dich etwas Wurst, Brot und Käse geben, oder Ado?“, fragte sie.

Sie schien sich von ihrem Schrecken erholt zu haben. Nun wollte sie ihm etwas zu essen geben. Nur würde Ado damit einverstanden sein?

„Nein!“, sagte er und Lore zuckte zusammen.

„Sieh ihn dir doch an. Du glaubst doch nicht, dass das ausreichen wird?“

Dann wurde das Gesicht des Mannes weicher. „Der Arme Kerl ist am Ende seiner Kräfte. Außerdem sieht er so aus als brauchte er eine Unterkunft!“

Lores Hunger schien größer zu sein, als er bisher gedacht hatte.

Kaum hatte Sina etwas zu essen aufgedeckt und ihm etwas auf den Teller getan, stürzte er sich wie ein wildes Tier darauf.

Ohne an sich zu halten, stopfte er sich förmlich das Essen hinein und leerte einen Becher Wasser nach dem anderen.

Sina sah ihn mit großen Augen an, während Ado ein Grinsen nicht verbergen konnte. Mit einem wohligen Stöhnen lehnte Lore sich zurück. Konnte nicht verhindern, dass er auftieß.

Schnell hielt er sich die Hand vor dem Mund. „Bitte endtschuldigt!“, sagte er verlegen.

„So ausgehungert wie Ihr wart, ist es nur nachvollziehbar!“, winkte Ado ab. „Ich bin da nicht anders!“

Sina kicherte. Sah Lore dann mit einer Mischung aus Sorge und Neugier an. „Was macht Ihr soweit außerhalb der Stadt?“, fragte sie. „Seid Ihr auf der Flucht?“

Sinas Direktheit ließ Lore den nächsten Bissen im Halse stecken. „Sina, sei nicht so neugierig!“, ermahnte Ado sie.

Lore schüttelte den Kopf. Versuchte den Bissen runter zu zwingen.

Als er wieder reden konnte, sagte er:„ Nein. Nicht wirklich! Das…das ist schwer zu erklären!“

„Habt Ihr Schulden? Ist der Vater einer Frau hinter Euch her, weil Ihr ihr das Herz gebrochen habt?“

„Sina!“

Lore musste verlegen lächeln.

„Ihr müsst verzeihen. Aber meine Nichte hat nunmal eine grenzenlose Neugier. Außerdem hat sie eine ausgeprägte romantische Ader!“, entschuldigte sich Ado sogleich und warf ihr einen scharfen Blick zu. Lore nickte verständnisvoll.

Sina hingegen wirkte peinlich berührt.

„Warum auch immer Ihr in diese entlegene Gegend gekommen seid. Ihr hattet sicher einen guten Grund!“

Lore sagte dazu nichts.

Jetzt wo er darüber nachdachte, kam er sich nun ziemlich dumm vor.

Er hatte sich benommen wie ein Feigling. Aber zurück konnte er auch nicht mehr.

Er hatte nicht auf den Weg geachtet, wohin er seine Füße gesetzt hatte.

Wenn er Pech hatte, würde er sich verlaufen. Dann wäre er mit Sicherheit dem Tode geweiht.

„Wie weit ist es noch bis zur nächsten Stadt?“

Sina und Ado sahen sich kurz an.

„Es kommt keine Stadt mehr nach uns!“, sagte Ado und Lore ließ die Schultern hängen. „Aber wenn Ihr den Weg einige Tage folgt, kommt Ihr in das nächstgelegene Königreich!“

Besser als nichts, dachte Lore. „Ich danke Euch!“
 

Als Lore fertig gegessen hatte, richtete Sina ihm in einer kleinen Kammer ein Lager her. Lore beschwerte sich nicht. Er war froh, dass man ihm überhaupt ein Dach über den Kopf gab. „Ich hoffe, dass ist Euch recht genug!“, sagte Sina.

„Das ist es. Nochmals danke!“, bekundete Lore seine Dankbarkeit. Sina wurde rot. Wünschte ihm dann eine gute Nacht und eilte aus der der kleinen Kammer.

Ado tauchte nun in der Tür auf und sah mit einem amüsierten Lächeln seiner Nichte nach. „Ihr müsst verzeihen. Ihr seid der erste Mann, der vor unsere Tür steht. Ansonsten sieht sie nur Männer, wenn wir in dem Schloss unseres Herrn arbeiten. Und diese sind nicht gerade ansehnlich!“

Lore nickte. „Wie kommt es, dass Ihr so weit weg lebt?“

„Wir lieben die Abgeschiedenheit. Außerdem ist es nicht gerade billig, in der dortigen Stadt zu leben!“

„Habt Ihr nicht Angst, dass Ihr überfallen werdet?“, fragte Lore. „Was wenn ich Euch angegriffen hätte?“

Ado lachte. „Zwei Dinge sah ich sofort, als ich Euch sah. Erstens: Du siehst nicht gerade aus, als könntest du jemanden angreifen und überwältigen. Dazu bist du zu schmächtig. Und Zweitens…!“, statt etwas zu sagen, pfiff er und ein großer schwarzer Hund erschien an seiner Seite. Liebevoll streichelte Ado den Kopf des Tieres. „…Haben wir ja noch unseren guten Rena!“

Lore nickte. Dass der Hund so manchen Räuber und Angreifer in die Fluch schlagen würde, bezweifelte er nicht.
 

Am nächsten Tag, nachdem Lore die Nacht in der Kammer verbracht hatte, fühlte er sich um einiges stärker als gestern, um den Weg weiter zu gehen. Bevor er jedoch ging, drückte Sina ihm ein Bündel in die Hand. „Damit Ihr nicht verhungert!“

Lore war gerührt. „Ich wünschte ich könnte mich erkenntlich zeigen!“

Sina wurde rot.

„Das müsst Ihr nicht!“, sagte Ado an ihrer Stelle. „Das Schicksal scheint es nicht wirklich gut mit Euch gemeint zu haben!“

Lore biss sich auf die Unterlippe.

Das Schicksal hat nichts damit zutun, dachte er bitter. Ich habe mich allein in dieses Fiasko gebracht.

„Gebt gut auf Euch Acht!“, sagte Ado.

„Ihr auch!“, erwiderte Lore und verabschiedete sich von den beiden.

Wie Ado ihm gesagt hatte, folgte Lore dem Weg.

Die Aussicht, dass er bald in ein Königreich kam, ließ ihn schneller werden. Vielleicht würde er dort Arbeit finden und eine neue Bleibe finden.

Dabei kreisten seine Gedanken immer wieder um Laru und Sada und seine Schritte wurden wieder langsamer.

Selbst wenn er dort sich ein neues Leben aufbauen könnte, würde es dennoch kein richtiges Zuhause sein. Seine Frau fehlte und seine Freunde.

Nein, er würde nie wieder das Gefühl empfinden, welches man spürte, wenn man dort ist, wo das Herz ist.

Er war ein Heimatloser.

Nicht wissend wohin mit sich selbst. Genauso gut könnte er hier auf der Strasse leben.

Doch seine Vernunft weigerte sich, es so hin zu nehmen und ging weiter.

Machte wann immer sich sein Magen bemerkbar machte, eine kurze Rast und aß.

Dann setzte er seinen Weg fort.

Irgendwann führte ihn sein Weg ihn in einen Wald. Ohne zu zögern, trat er in diesen.

Die Baumkronen über seinen Kopf schloßen sich zu einem einzigen Blätterdach. Ließen nur etwas Tageslicht hindurch.

Doch es reichte aus um ihn sehen zu lassen, wohin er seine Schritte lenken konnte.

Der Wald schien unendlich zu sein.

Wann immer er dachte, dass er schon bald das Ende des Waldes erreicht hatte, musste er feststellen, dass es mit nichten zu ende mit dem Wald war.

Lore seufzte, ging aber weiter.

Blickte dabei hoch und versuchte ein zu schätzen, wie weit der Tag vorrangeschritten war.

Aber durch das dichte Blätterwerk konnte er es nicht wirklich sehen.

So sah er nicht, wie sich dicke Wolken am Himmel bildeten und wenige Minuten es noch finsterer wurde.

Doch es reichte aus, um ihn genug sehen zu lassen, wohin er treten konnte.

Der Wald schien unendlich zu sein.

Wenn er immer dachte, dass er schon bald das Ende des Waldes erreicht hatte, musste er feststellen, dass es mit nichten zu ende mit dem Wald war.

Lore seufzte, ging aber weiter.

Blickte dabei hoch und versuchte ein zu schätzen, wie weit der Tag schon vorrangeschritten war.

Aber durch das dichte Blätterdach konnte er es nicht wirklich sehen.

So sah er nicht, wie sich dicke Wolken am Himmel bildeten und wenige Minuten es noch finsterer wurde.

Er bemerkte es erst, dass sich etwas über seinem Kopf anbahnte, als er das Donnergrollen hörte und zusammen zuckte.

„Auch das noch!“, dachte er und seine Schritte wurden schneller.

Bei einem Unwetter durch einen Wald zu laufen, war alles andere als ungefährlich.

Daher suchte er nach einem Unterstand.

Das wurde jedoch schwer, da es nun rasend schnell dunkler wurde und Lore schon bald nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnte.

Fast schon blind schritt er weiter und zuckte zusammen, wann immer es blitzte und donnerte.

Durch die Blitze, die den dunklen Wald in ein kurzes, gleißendes Licht tauchten, konnte er nur für einen flüchtigen Moment sehen, wo er hinlaufen konnte.

Er versuchte sich so gut wie es ging an den Weg zu erinnern, bevor es dunkel geworden war.

Setzte einen Fuß vor den anderen.

Versuchte dabei ruhig zu bleiben.

Doch die immer häufiger auftauchenden Blitze und die lauter werdenden Donner schlugen in ihm eine Saite an, die seine Angst heraufbeschwor.

„Wenn ich nicht bald einen sicheren Ort finde, werde ich noch vom Blitz getroffen!“

Ihm lief es kalt den Rücken hinunter, auch ohne das kalte Regenwasser, was sich durch die Blätter bahnschlug und auf ihn niederfiel. Ihn durchnässte bis auf die Knochen.

Nass wurde auch der Boden unter seinen Füßen.

Er konnte spüren, wie er zu rutschen begann. Umso vorsichtiger wurde er nun und ging langsamer.

Aber da rutschte er mit dem Fuß zur Seite weg und ehe er es verhindern konnte, stürzte er.

Rollte einen Abhang hinunter.

Dabei war es sein Glück, dass er sich nicht den Kopf anstieß.

Als er unten ankam, blieb er einige Augenblicke liegen, dann raffte er sich auf.

Schaute sich um, um zu sehen, wo er nun war. Um ihn herum war alles in tiefster Dunkelheit getaucht.Er hätte überall sein können. Wo sollte er hin?

Hier bleiben konnte er nicht. Es war zu gefährlich.

Wie als habe man nun seine Gedanken erhört, tauchte ein weiterer Blitz den Wald in sein Licht und in dieses Mal fand er das, was er suchte. Eine Höhle!

Erleichtert sprang er auf die Füße, schnappte sich seinen Proviantbeutel und lief schnell in die Höhle und hoffte, dass sie nicht schon bewohnt war.

Erschöpft und auch froh darüber endlich Schutz vor dem Unwetter gefunden zu haben, lehnte er sich an die schroffe Höhlenwand. Ruhte sich aus.

Dann wollte er etwas essen und griff daher in seinen Beutel. Doch er musste feststellen, dass kaum noch etwas darin war.

Er musste das meiste bei dem Sturz verloren haben. Großartig, dachte er. Einfach großartig!

Die ganze Nacht hatte das Unwetter getobt und hielt Lore lang wach. Er musste ständig an Laru denken.

Hoffte dass das Unwetter nicht auch bei ihr tobte. Er konnte sich gut vorstellen, was für Ängste sie nun durchstehen musste.

Vorallem weil sie nicht wusste, wo er war. Was musste sie für Todesängste seinetwegen durchstehen?

Wiedermal wünschte sich Lore sich zu ihr zurück. Nicht nur weil er ihr dann beistehen konnte.

Sondern weil er auch wusste, dass er mit seiner Flucht sie allein gelassen hatte.

Er hatte nicht die Zweifel, dass sie auf sich aufpassen konnte.

Jedoch fürchtete er dass sie an ihrem gebrochenem Herz sterben würde.

Und er war es gewesen, der es ihr gebrochen hatte.

Er hatte sie ins Unglück gestürzt!

Lore kämpfte erneut gegen die Tränen. Schaute hoch in den schwarzen Himmel.

„Bitte…verzeih mir, Laru!“
 

Laru stand am Fenster und schaute in die Nacht hinaus.

Die Angst vor dem Unwetter war nichts im Vergleich zu der Angst um ihren Mann.

Als Jardo ihr sagte, dass Lore nicht in seiner Gaststätte genächtigt hatte und auch nicht wusste, wo er sein könnte, fühlte sie, wie ihr Herz in tausend Teile zerbrach.

Sie machte sich schreckliche Sorgen um ihn.

Sie wollte sich nicht ausmalen, was ihm da draußen passieren könnte.

Außerhalb der Stadt gab es nichts.

Nur Felder und die lange Strasse, die in den Wald führte. Der Wald!

Laru durchfuhr es eiskalt.

Hoffentlich war er bei diesem Unwetter nicht im Wald.

Er durfte es einfach nicht.

Der Gedanke, dass er von einem von einem Blitz getroffenen Baum erschlagen wurde, war unerträglich und ließ sie noch mehr zittern. Arna saß am Küchentisch.

Als Laru aus der Stadt zurück war, wusste sie nicht, was sie noch tun sollte.

So war sie zu Arna gegangen und hatte sie gebeten, ihr etwas Gesellschaft zu leisten.

Sie fühlte sich schrecklich allein. Arna war zuerst erstaunt gewesen und hatte sie nach Lore gefragt.

Laru hatte ihr mit gebrochenem Herzen erzählt was geschehen war.

Zuerst war Arna überrascht, dann fassunglos und dann entrüstet.

„Was ist nur in diesem Dummkopf gefahren?“, zetterte sie dann. „Ich dachte wirklich, er hätte mehr Verstand im Kopf. Hielt ihn sogar für einen ehrbaren Mann!“

Laru hatte nihts dazu gesagt, wobei sich sich wünschte, nichts gesagt zu haben.

Arna schimpfte immer weiter. Auch jetzt noch, während Laru am Fenster stand und hinaus schaute.

„Hör endlich auf, in die Schwärze raus zu schauen!“, ermahnte sie sie. „Selbst wenn du die ganze Nacht dastehst: Er wird nicht zurückkommen!“

Laru sagte immernoch noch nichts.

Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Arna Recht hatte.

Sie waren nie auf der anderen Seite, außerhalb der Stadt gewesen.

Und daher war sie sich sicher, dass er sich verlaufen hatte.

Nur warum war er fortgelaufen?

Was hatte ihn dazu getrieben?

Nach all der Zeit hatte sich zwischen ihnen ein Band entwickelt, dass zuerst schwach war, aber dann immer stärker geworden war. Und das drohte nun zu zerreissen.

Laru konnte förmlich spüren, wie ihr Herz, das ohne hin schon gebrochen war, noch weiter zu Staub zermalmt wurde.

Fragte sich erneut, was Lore dazu gebracht hatte.

Dabei wusste sie, dass sie darauf keine Antwort bekommen würde.

Seufzend wandte sie sich dem Fenster ab und ging zu Arna.

„Ich verstehe das nicht. Ich dachte, ich kenne ihn!“

Arna winkte ab und schnaubte verächtlich.

„Männer kann man nicht kennen! Sie sind wie ein Buch mit sieben Siegeln. Hast du eins geöffnet, kommt ein weiteres!“, sagte sie. „Aber enttäuscht bin ich auch ein wenig. Er schien sich wirklich zum Guten verändert zu haben!“

Laru nickte.

Das hatte er. Und nun das!

Mit traurigen Augen blickte sie auf den Ring an ihrem Finger.

Als sie ihm das erste Mal gesehen hatte, hatte sie gedacht:„ Du unmöglicher Kerl!“

Und irrwitzigerweise dachte sie, wie viel der gekostet haben musste. Dann aber wurde ihr Herz schwer.

Ihre Gedanken schlugen eine schmerzliche Richtung ein. Was, wenn das das einzige war, was ihr von Lore geblieben war?

Was wenn dieser Ring ein Abschiedsgeschenk war?

Laru versuchte diesen Gedanken aus ihrem Kopf zu bekommen.

Doch er wollte sich nicht vertreiben.

Geisterte unaufhörlich in ihrem Kopf herum und beschwor die schlimmsten Bilder hervor.

Erneut begann sie zu weinen. Arna ging sofort zu ihr und umarmte die aufgelöste Frau.

Sie konnte sich gut vorstelle, wie sich Laru fühlte und versuchte sie so gut es ihr möglich war, sie zu beruhigen.

Doch Laru war zu sehr in ihrer Verzweiflung und Trauer gefangen, als das sie sich trösten lassen könnte.

Immer wieder fragte sie:„ Wo bist du nur, Liebster?“
 

Zuerst hatte es nicht so ausgesehen, dass Lore jemals ein Auge zu machen könnte.

Mehr als einmal, sobald er die Augen schloss um zu schlafen, blitzte und donnerte es und ließ ihn hochschrecken.

Aber dann musste er doch eingeschlafen sein, da er sich nicht erinnern konnte, wann das Unwetter aufgehört hatte.

Abgesehen von dem Platschen der Regentropfen, die von den Blättern hinunterfielen und auf dem aufgeweichten Waldboden fielen, war es still.

Lore hatte sich zusammen gerollt und seinen Mantel eng um sich gewickelt.

Doch dieser vermochte es nicht, ihm die nötige Wärme zu geben, die er brauchte.

So fror er nur noch mehr, sodass er am ganzen Körper zitterte.

Dennoch hatte er das Gefühl als würde er verbrennen.

Er fühlte sich schwach und ausgelaugt. Wusste nicht, ob er wachte und träumte.

Aus weiter Ferne glaubte er etwas zu hören.

Das Erschallen eines Jagdhorns und das Bellen von Hunden. Konnte das wahr sein?

Oder spielte ihm sein geschwächter Geist einen Streich?

In Lore regte sich etwas, auch wenn er wusste, dass das eine Täuschung sein konnte. Hoffnung!

Hoffnung, dass er gefunden und auch gerettet wird. Sei nicht dumm, wer sollte sich hierher verlaufen, sprach die Skepsis in ihm. Aber er wollte nicht darauf hören und versuchte sich bemerkbar zu machen.

So richtete er sich auf und wollte aus der Höhle treten. Doch kaum das er einen Schritt machen wollte, sackte er in sich zu sammen und fiel gegen die Höhlenwand.

Mit einem Stöhnen, der auch gut ein Fluch hätte sein können, schaute Lore hoch und meinte nun auch das Schlagen von Hufen zu hören. Und sowohl das Bellen als auch das Hufgetrampel wurde lauter.

Fast schon zu laut, als das Lore es ertragen konnte.

Er presste sich die Hände auf die Ohren, während er den Mund öffnete und rief:

„ Ich bin hier! Bitte! Helft mir!“

Trotz dass er sich die Ohren zu hielt, hörte er wie die Jagdgesellschaft über ihn hinweg ritt und dann leiser wurde.

Nein, schrie es in ihm. Kommt zurück!

Lore glaubte in ein tiefes schwarzes Loch zu stürzen.

Was hatte er getan, dass das Schicksal ihm so übel mitspielte?

Gerade wollte er sich damit abfinden, dass er hier sterben würde, als er sah, dass etwas den Abhang hinunterkletterte und dann vor dem Eingang der Höhle auftauchte. Ein großes, hundeähnliches Tier, das schnüffelnd hin und her lief. Instinktiv wich Lore zurück und drückte sich an die Wand. Wollte sich so unsichtbar machen.

Doch dem Geruchsinn des Tieres konnte er sich nicht verbergen. Mochte es an einem Laut liegen, den er unbeachtetet von sich gegeben hatte oder an dem Geruch von kalter Haut und Schweiß?

Lore wusste es nicht, aber als er sah, wie das Tier nun den Kopf hob und in seine Richtung schaute, wurde ihm noch kälter.

Wollte weiter nachhinten rutschen. Doch er hatte nicht mehr die Kraft. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu zu sehen, wie das Tier näher kam.

Langsam und vorsichtig trottete das Tier zu ihm und er konnte es nun genauer sehen und erkennen.

Er glaubte ihm würden tausend Steine vom Herzen fallen.

Er kannte das Tier. Oder vielmehr den Hund, der da auf ihn zuging. „Bosto!“

Auch wenn es nur ein Flüstern war, konnte der Hund ihn hören. Seine Ohren zuckten hoch und nun wedelte er hecktisch mit seinem Schwanz.

Stürmte zu ihm und schleckte sein Gesicht ab. „Bosto!“, rief er nun heiser und umarmte den Hund.

Nach einigen Minuten war dann auch zu hören, wie jemand nach dem Hund rief.

Bosto spitzte die Ohren, huschte dann nach draußen und bellte. Rief nach den anderen.

Nun kamen auch die anderen Hunde. Einer nach dem anderen rutschte den Abhang hinunter und hechelte zu Lore.

Lore war nun von Hunden förmlich gebraben. Er konnte nicht anders, als zu lachen und und die Hunde zu umarmen. Sie zu streicheln und an sich zu drücken. Dabei störte es ihn nicht, dass sie entsetzlich nass rochen. Er stank sicher genauso schlimm.

Durch das Gebell und Winseln der Hunde, hörte er nicht, wie nun jemand die Böschung hinunter kam und im Höhleneingang erschien.

„Ich habe sie gefunden! Was…? Da ist jemand!“

Mit einem Pfiff rief er die Hunde zurück. Alle, außer Bosto, gehorchten ihm. Treu blieb er bei Lore sitzen und winselte.

Der Mann, der die Hunde zurück gerufen hatte, schritt nun langsam auf ihn zu und kniete sich vor ihm hin.

Sein Blick glitt fragend und auch suchend über Lores hin und her. „Lore? Prinz Lore?“

Lore blinzelte etwas. Versucht nun das Gesicht des Mannes vor ihm zu zu ordnen.

Das musste sein Gegenüber bemerkt haben.

Er schüttelte den Kopf. Dann rief er:„ Kommt schnell!“

Nun kamen auch die anderen Mitglieder der Jagdgesellschaft. Und jedem war das Erstaunen an zu sehen.

„Das kann doch nicht sein!“, sagte einer. „Helft mir ihn hier raus zu schaffen!“, sagte nun der andere und seine Kumpane halfen ihm.

Gemeinsam wuchteten sie ihn auf eines ihrer Pferde und ritten zurück in das Schloß von Lores Vaters.

Verschwunden

Zuerst verstand weder der König noch seine Gemahlin, was der Tumult zu bedeuten hatte.

Doch als sie sahen, dass sie Männer ihren Sohn brachten, waren sie mehr als nur bestürzt.

Sofort riefen sie den Arzt und ließen geschwächten Prinzen auf sein Gemach bringen.
 

Die folgenden Tage aren erfüllt von Sorge, Angst und Ungewissheit um den Prinzen, da das Fieber, welches ihn heimgesucht hatte, unerbittlich war und ihn nicht aus seinen Krallen geben wollte.

Tag für Tag fürchteten der König und die Königin, dass ihr Sohn den nächsten Morgen nicht überstehen würde.

Von den Sorgen seiner Eltern bekam Lore jedoch nichts mit.

Zu sehr war in seinen Fieberträumen gefangen, die ihn unentwegt heimsuchten und ihn quälten.

In diesen sah er immer wieder Laru, die in ihrem Haus saß und auf ihn wartete. Um sie herum war es dunkel, nur eine einzige Kerze war angezündet und der schwache Schein fiel auf ihr Gesicht, das von Ratlosigkeit und Traurigkeit zeugte.

Auf ihren Wangen schimmerte eine feuchte Spur, die an ihnen hinunter führte. Tränen!

Lores Herz verkrampfte sich, bei diesem Anblick.

Es war so schmerzlich, dass er am liebsten den Blick abwenden konnte. Aber er konnte und wollte es nicht.

Er fühlte sich, trotz dass er nur den Arm ausstrecken musste, um sie zu berühren, so weit entfernt von ihr entrissen, dass er spürte, wie ihm auch die Tränen kamen.

„Wo bist du nur?“, hörte er sie dann schmerzlich. „Wo bist du nur, Lore?“

„Ich bin hier! Hörst du mich? Laru, ich bin hier!“

„Wieso bist du fortgegangen? Warum hast du mich verlassen?“

Lore glaubte vor Kummer wahnsinnig zu werden. Er wollte auf sie zu gehen. Sie packen und an sich drücken. Aber seine Füße waren wie festgewachsen am Boden.

„Ich wollte dich nicht verlassen! Bitte…verzeih mir…!“, rief er, auch wenn er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte. „Laru!“

„Laru!“, stöhnte er laut und wälzte sich wie unter Qualen im Bett hin und her.

Seine Eltern sahen das mit immer größer werdender Sorge.

„Was sollen wir nur tun?“, fragte die Königin verzweifelt und den Tränen nahe.

Ihr Mann, der sonst immer beherrscht war, wusste sich dieses Mal nicht zu helfen.

Egal wie sehr er sich auch um seinen Sohn geärgert hatte und sich wünschte, dass er endlich zur Vernunft kam, war er dennoch sein Sohn und wollte ihn nicht verlieren.

Er bereute es schon, dass er seinen Sohn damals fortgeschickt hatte. Und nun sah er, wohin ihn das gebracht hatte.

Aber sich deswegen jetzt Vorwürfe zu machen, würde nichts an der jetzigen Situation ändern.

Sie konnten nichts anderes tun, als zu warten und zu hoffen, dass ihr Sohn nicht von dieser Welt schied.
 

Wieder sah er Laru.

Aber nicht in ihrem Haus. Sondern in seinem Gemach. Zuerst war sie nichts weiter als ein dunkler Schatten, aber dann wurde ihr Gesicht in ein sanftes Licht getaucht. Wie war sie hier her gekommen?

Doch eigentlich spielte das für ihn keine Rolle.

Hauptsache sie war hier. Und zum ersten Mal war er wieder klar im Kopf.

Die Schmerzen, sowohl seelisch als auch körperlich waren fort.

Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, als er seine Frau über ihn gebeugt sah und ihn sanft ansah.

„Laru!“, flüsterte er. Hob die Hand, wollte ihre Wange berühren. Laru ergriff sie. Drückte sie. Strich ihm wiederum über die Stirn.

„Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen!“, sagte sie.

Lore verzog schmerzlich das Gesicht. „Es tut mir leid!“, flüsterte er, dabei wusste er, dass das nicht genug war.

„Ich wollte nicht…!“

Laru legte ihm den Finger an die Lippen. Schüttelte den Kopf. „Bitte, werde wieder gesund. Mehr will ich nicht!“, bat sie ihn.

„Ich…das werde ich!“, sagte er. „Ich liebe dich!“

Laru lächelte noch mehr. Beugte sich etwas tiefer zu ihm hinunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, ohne sie zu berühren. „Ich liebe dich auch!“

Dann verblasste der Traum.
 

Larus Erscheinen musste Lore neue Kraft gegeben haben, denn es ging ihm mal zu mal besser und seine Eltern konnten wieder hoffen.

Auch wenn sie sich nicht erklären konnten, woher die neue Kraft kam. Doch für sie war das nicht weiter wichtig. Für sie zählte, dass ihr Sohn wieder gesund wurde.

Nach und nach gewann Lore neue Kraft. Dennoch musste er das Bett hüten.

Dabei wurde er immer unruhiger. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Laru.

Jetzt wo er wieder klar denken konnte, fragte er sich nun, ob das wirklich wahr war oder nicht doch eine, durch das Fieber heraufbeschworene Täuschung war. Lore wollte verbissen daran glauben, dass Laru ihn am seinem Krankenbett erschienen war.

Es musste so sein!

Kein Tag verging, an dem Lore nicht an seine Frau dachte. Er vermisste sie nicht nur. Sondern wollte sie unbedingt wieder sehen.

Als die Ärzte sagten, er durfte nun das Bett verlassen, zögerte er nicht und sprang aus dem Bett.

Geschwind kleidete er sich an und eilte hinunter zum Stall.
 

Der Stallbursche war zunächst überrascht, als er den Prinzen in den Stall kommen sah. Fasste sich aber wieder. „Eure Hoheit! Schön, dass Ihr wieder wohlauf seid!“, grüßte er ihn. „Wünscht Ihr, dass…?“

Doch Lore ging einfach an ihm vorbei, auf die Box seines Pferdes zu. Schnappte sich das Zaumzeug und legte es ihm an. Schwang socj sogleich auf dessen Rücken und trat ihm in die Flanken.

Das Pferd bäumte sich kurz auf, prechte dann los.

Der Strasse folgend, die ihn zu Laru führen würde.

Auch wenn er damals nicht wirklich darauf geachtet hatte. Aber er hörte dabei mehr auf seinen Bauch und trieb sein Pferd schneller an.

Konnte es kaum erwarten, sie wieder zu sehen.

Doch trotz dass er sein Pferd zu einem immer schnelleren Gallop antrieb, schien der Weg nicht kürzer zu werden.

Umso frustrierte wurde er, doch er wollte das Tier nicht zu Tode hetzen.

Irgendwann sah er endlich das Haus vor sich und atmete auf.

Sein Herz begann nun zu rasen und er sprang vom Rücken seines Pferdes. Klopfte ihm liebevoll über den Hals.

Mit schnellen Schritten lief er zur Haustür. Wollte sie aufreissen.

Doh da bemerkte er, dass die Tür mit Brettern vernagelt war.

„Was zum…!“, kam es überrascht und entsetzt von ihm.

Er griff nach den Brettern, zog daran und wollte sie runterreißen.

Aber sie wollten sich einfach nicht lösen.

Lore ging zur Hintertür. Hoffte, dass diese unverschlossen war. Aber diese war ebenso mit Brettern vernagelt.

Das kann doch nicht wahrsein, dachte er und schlug dagegen.

Was war passiert?

Wer und warum hatte das Haus vernagelt?

War das Laru?

Aber warum sollte sie das tun?

Dachte sie etwa, er würde niemals wieder zurückkommen?

So musste es gewesen sein. Wieso sonst sollte sie ihr Haus verlassen?

Vielleicht weil sie ihn suchte.

Es gab nur einen Weg um das herauszufinden.

Er musste sie suchen und finden. So stieg er wieder auf den Rücken seines Pferdes und ritt weiter.

Ein Bauer kreuzte seinen Weg und Lore stopte das Pferd. Vor Schreck machte der Mann einen Sprung nachhinten um von dem anpreschndem Pferd nicht über den Haufen gerannt zu werden.

„Verzeiht, der Herr. Aber…in dem Haus da…lebte da nicht eine junge Frau? Laru ist ihr Name!“

„Laru?“, fragte der Mann und kratzte sich die Stirn. Sah Lore verwirrt an.

Offensichtlich war ihm dieser Name fremd.

Fieberhaft überlegte Lore, wie doch noch etwas über Larus Verschwinden herausfinden konnte und ihm schoss ein Name durch den Kopf. Goldkehlchen!

„Kennt Ihr jemanden namens Goldkehlchen?“

Da schien der Mann zu wissen, wen Lore meinte. Sein Gesicht hellte sich auf, doch dann wude es niedergeschlagen.

Lore befürchtete das Schlimmste.

„Ja, aber…sie ist fort!“, sagte er.

„Und wohin? Bitte es ist wichtig!“

Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Das weiß ich nicht. Niemand weiß das. Sie ist einfach fortgegangen. Einige sagen, dass sie ihren Mann sucht. Die anderen wiederrum sagen, dass sie…!“, sagte er und stockte. Lores Magen drehte sich um.

Nein, das darf nicht wahr sein. Bitte, lass das nicht wahrsein!“, schrie es in ihm.

„Ich danke Euch!“, sagte er und ritt weiter.

In die Stadt.

Vielleicht wusste ja Sada etwas. Während er hin ritt, überschlugen sich seine Gedanken.

Die Worte des Mannes hallten unentwegt durch seinen Kopf und ließen ihn erneut befürchten, dass er zu spät war.

Doch er versuchte nicht weiter darüber nach zu denken.

Als er in der Stadt ankam, stieg er ab, nahm sein Pferd bei den Zügeln und schritt durch die Strassen.

Es fühlte sich an, als wäre er endlich Zuhause angekommen. So gut und richtig.

Tief sog Lore den Geruch der Stadt ein. Er war so vertraut und wohltuend. Wie sehr hatte er das alles vermisst.

Und beinahe wollte er sich die Zeit geben, um dies zu genießen.

Doch er sagte sich, dass er diese nicht hatte und ging zum Weinladen.

Sada war, wie Lore es erhofft hatte, in seinem Laden.

Das Klingeln der Glocke, als er durch die Ladentür trat, ließ sein Herz vor Freude schneller schlagen und er freute sich, Sada wieder zu sehen. Nicht nur wegen Laru, sondern auch weil er ihn vermisst hatte.

Sogleich rief er nach Sada. Es dauerte etwas, aber als Sada dann nach vorne kam, konnte Lore ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken.

Sada hingegen schien nicht zu wissen, wen er da vor sich hatte. „Mein Herr?“

„Sada! Ich bin es!“

Auf Sadas Gesicht war deutlich zu sehen, dass er ihn wirklich nicht erkannte.

Hatte er sich so sehr verändert?

Aber das war doch nicht möglich?

„Erkennst du mich nicht?“, fragte er daher. „Ich bin es. Lore!“

Sada schaute ihn bedrückt an und schüttelte den Kopf.

„Nein, Ihr könnt nicht Lore sein!“, sagte er. Lore hatte das Gefühl, als hätten seine Worte ihm einen Schlag versetzt.

„Was…? Aber…natürlich bin ich Lore!“

„Nein!“, sagte Sada nun inbrünstig. „Ich kenne Lore. Er hat eine lange Zeit bei mir gearbeitet! Ich würde ihn erkennen, wenn er vor mir steht. Aber Ihr seid es nicht!“

„Dann sagt mir bitte, wo ich Laru finde?“

„Woher kennt Ihr Goldkehlchen?“, fragte Sada lauernd.

Lore biss sich auf die Unterlippe. Haderte mit sich. Wenn Sada ihm schon nicht glaubte, dass er Lore war, dann würde er ihm auch nicht glauben, dass er ihr Mann war.

„Ist…ist nicht weiter wichtig!“, sagte er schwach und winkte ab.

Sada schien sich mit dieser Aussage nicht zu frieden zu geben. Sah Lore weiterhin lauernd an. Es gab Lore einen Stich. „Bitte verzeiht, wenn ich Euch belästigt habe!“, sagte er schnell und verneigte sich kurz. Dann wandte er sich um und ging zur Tür.

Dabei streifte sein Blick einen Spiegel und blieb stehen. Schaute hinein und sah nun den Grund, warum Sada ihn nicht erkannte.

Sein Bart war fort.

Man hatte ihn ihm wohl abrasiert, während er im Fieberbett gelegen hatte und es daher nicht mit bekommen. Nun sah er es.

Zögernd strich er sich über die Wange.

Fragte sich wie es sein kann, dass man durch so eine Kleinigkeit nicht mehr erkannt wird?

Ein letztes Mal drehte er sich Lore zu Sada um und verabschiedete sich. Sada erwiederte dies nur knapp, was den Stich in seinem Herzen noch schlimmer machte. Eigentlich wäre es das sinnvollste gewesen, die Stadt zu verlassen.

Doch Lore wollte nicht so einfach aufgeben.

Er wollte zu Jardo gehen. Wenn nicht Sada nicht wusste, dann vielleicht Jardo.

Ihn würde er doch ganz sicher erkennen.

Sada war schon in die Jahre gekommen und seine Augen waren sicher nicht mehr die Besten.

So ging er mit dieser Hoffnung zu Jardo.

Doch wie bei Sada schien auch ihn Jardo nicht zu erkennen. Und Lore fragte sich, ob sie das mit Absicht machten.

Als kleiner Denkzettel dafür, dass er fortgegangen war und Laru allein gelassen hatte.

Er traute ihr nicht wirklich zu, dass sie ihn deswegen angeschwärzt hatte. Aber er wusste, dass sie Laru gern hatten. Allesamt.

Und das sie es sich vorgenommen hatte, ihn dafür büßen zu lassen. Er konnte es irgendwie verstehen.

Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er es genauso gemacht. Dennoch schmerzte es ihn. Mit hängenden Schultern verließ er auch die Gaststätte und stieg auf.
 

Es dämmerte als er das Schloß seines Vaters erreichte.

Wo er vorher noch voller Entschlossenheit war, so war er nun niedergeschlagen.

Hatte es nun nicht mehr eilig, sondern wollte genug Zeit haben, um nach zu denken.

Fragte sich, wo er und ob er noch weiter suchen sollte.

Bitterlich kam er zu dem Schluss, dass er das Königreich der Prinzessin und das seines Vaters auf den Kopf stellen könnte und sie dennoch nicht finden würde.

Zwar weigerte er sich es wahr zu haben, aber er musste es.

Schwer seufzend stieg er vom Pferd. Führte es in den Stall und rieb es mit Stroh trocken.

Nochmal klopfte er ihm den Hals ab und versprach ihm einen Eimer voller Möhren.

Dann ging er zurück in das Schloß.

Seine Eltern warteten bereits ungduldig auf ihrem Sohn im großen Saal und stellten ihn sogleich zur Rede.

„Da bist du ja endlich. Wo warst du nur?“, fragte seine Mutter besorgt und eilte zu ihm.

Lore hob nur die Schultern. Ging dann an ihnen vorbei und in seine Gemächer.

Seine Eltern sahen ihm nur nach. Schauten dann sich verwirrt an. „Was ist nur mit ihm?“, fragte die Königing. Doch ihr Mann wusste sich darauf keine Antwort.
 

Am darauffolgenden Tag bat der König Lore zu einer kleinen Partie Schach. In der stillen Hoffnung, seinen Sohn etwas ab zu lenken. Lore kam dieser Bitte nur mit schwacher Begeisterung nach. Am liebsten wollte er sich in seinem Zimmer einsperren.

Aber er wusste auch, dass er damit seinen Eltern große Sorgen bescherte.

So kam er der Bitte nach. Doch richtig auf die Partie konzentieren konnte er sich nicht. Einen Zug nach dem anderen verlor er. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Laru.

Fragte sich wo sie nur sein konnte.

Vielleicht war sie beim Admiral?

Sein Herz verkrampfte sich bei diesem Gedanken. Ausgerechnet der Admiral!

Vermutlich hatte sie sich ihm anvertraut und ihm ihr Herz usgeschüttet, da sie in ihm einen Freund sah.

Und der Admiral hatte sicherlich seine Chance gerochen.

Lore wurde dabei schlecht als er es sich vorstellte, wie er sie tröstete und Laru sich davon einwickeln ließ. Dabei hoffte Lore, dass Laru das nicht zu lassen würde.

Fast schon ein wenig zufest drückte er die Schachfigur in seiner Hand, sodass es knirschte.

Der König und die Königin warfen sich fragende Blicke zu.

„Lore? Stimmt was nicht?“, fragte dann seine Mutter, die mit ihnen in dem kleinem Zimmer saß und an einem Tuch stickte.

Lore schien die Frage nicht gehört zu haben. Schaute weiterhin vor sich hin.

„Lore?“

Lore schrack auf. „Ja, Mutter?“

„Du siehst so aus, als wärst du woanders!“, sagte seine Mutter. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Das…das kann man so sagen!“, sagte Lore ein wenig verlegen.

„Magst du darüber reden?“

Lore zögerte kurz. Dann seufzte er. „Es… es ist wegen meiner Frau!“, begann er.

„Deiner Frau?“, fragte nun sein Vater und sah ihn mit gehobenen Brauen an. „Ja, meiner Frau. Die Frau, die du mir aufgedrängt hast!“, konterte Lore scharf. Es sollte nicht anklagend klingen.

Aber dass sein Vater offensichtlich keine Ahnung hatte, von wem er sprach, verärgerte ihn.

Hatte er es etwa so schnell vergessen?

Sein Vater wirkte nun getroffen und auch beschämt. Ihm war anzusehen, dass er diese Strafe, die er seinem Sohn auferlegt hatte, bereute.

Seine Frau tätschelte ihrem Sohn sanft die Hand. „Sie bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?“, fragte sie. Lore nickte. „Mehr als ich es für möglich gehalten hatte!“

Die Königin lächelte, nickte dann und sah zu ihrem Mann. Dieser schaute verwirrt drein. Hatte er sich gerade verhört?

Sein Sohn hat zu gegeben, dass er sich verliebt hatte. Das war noch nie der Fall gewesen.

Was war nur mit seinem Sohn passiert?

Seine Frau schien sich hingegen nicht darüber zu wundern. Ein verschmitztes Lächeln stahl sich von ihrem Gesicht. „Warst du deshalb so schnell auf und davon?“, fragte sie dann.

Lore nickte.

„Hast du sie gefunden?“

Die Frage war eigentlich überflüssig, da sie ihm ja ansehen konnte, dass er sie nicht gefunden hatte. „Nein!“, flüsterte Lore schwer. „Ich habe sie überall gesucht, wo sie sein könnte. Doch ich…sie ist wie vom Erdboden verschluckt!“

„Dann…sollen wir Boten ausschicken? Um sie zu finden?“

Lore wollte schon den Kopf schütteln. Sagen, dass es keinen Sinn hatte. Aber dann hielt er inne. Wieso nicht?

Vielleicht konnten die Boten sie ja finden.

„Ja, ich…Bitte tut alles was Ihr könnt!“, sagte Lore und ignorierte dabei seinen weinerlichen Unterton. Aber seine Verzweiflung und auch seine Hoffnungen ließen seine Gedanken auf und ab fahren.

„Das werden wir!“, versicherte ihm seine Mutter. Sah dabei zu ihrem Mann. Der schien immer noch nicht zu glauben konnte, dass sich sein Sohn so gewandelt hatte. Aber vermutlich hatte dieses Mädchen es wirklich geschafft.

In Gedanken applaudierte er ihm.

Schon am nächsten Tag schickte der König seine Boten los.

Lore hatte ihnen vorher Laru genau beschrieben.

Als der letzte Bote vom Hof geritten war, sah Lore ihnen hoffnungsvoll nach.

Baute darauf, dass sie sie fanden.

Die Tage vergingen und die Boten kamen nach und nach wieder.

Doch keiner hatte ein Mädchen namens Laru gefunden. Es war zum Haareraufen.

Lores Laune wurde dementsprechend düster.

Die meiste Zeit verbrachte er in seinem Zimmer und dachte an Laru.
 

Eines Tages, er war wieder mit seinen Gedanken weitfort, hörte er Musik. Lore achtete erstmal nicht darauf, doch dann erklang zu der Musik Gesang und er hätte schwören können, dass dieser Gesang von Laru kam. Sofort sprang er auf und lehnte sich aus dem Fenster. Schaute zu dem Tor, in der Erwartung, sie dort zusehen. Doch er sah sie nicht. Lore seufzte, hörte dann wieder den Gesang und lauschte noch mehr. Der Gesang kam nicht von der Strasse, sondern…aus einem der Zimmer hier.

Konnte es sein, dass sie hier war?

Lores Herz schlag heftig in der Brust und ohne noch grossartig nachzudenken, rannte er zur Tür riss sie auf und eilte auf den Flur. Blieb kurz stehen um zu hören, woher genau der Gesang kam und rannte in den linken Flur. Es schien als habe der Gesang ihn fest in Griff und würde ihn die Treppen runter, durch zahlreiche Flure und Zimmer führen. Endlich, als der Gesang lauter und klarere wurde, erreichte er den Raum, als dem dieser kam. Es war die Küche. Lore stutzte. Was machte seine Laru in der Küche?

Es gab nur eine Möglichkeit, dies rauszufinden. Langsam schritt er zur Tür, die angelehnt war und lauschte. Das musste einfach Laru sein. Wer sonst könnte sie wunderbar singen. Mit diesem Gedanken, der ihm neuen Mut und Hoffnung gab, holte er tief Luft und stiess die Tür auf. „Laru!“, rief er, wollte vorstürmen und seine vermisste Geliebte in die Arme schließen. Blieb aber mitten in der Bewegung stehen, als er nur eine erschrockene Küchenmagd am Tisch sitzen sah, die gerade ein Huhn rupfte. Gerade noch waren die letzten Worte ihres Liedes über die Lippen gekommen, ehe der Prinz in die Küche gestürmt kam. Als sie den Prinzen erkannte, wurde sie noch blass, als sie es vorher schon war und erhob sich schnell von ihrem Platz. „Eure Hoheit!“, sagte sie demütig und machte einen Knicks. Lore wusste nicht, was er sagen, geschweige denn machen sollte. Er hatte sich doch tatsächlich von seinen Ohren täuschen lassen und war einem Gespinst nachgerannt. Lores Wangen wurden rot vor Scham. Betreten wich er einen Schritt zurück. Die Magd, unschlüssig, was sie von dem plötzlichen Auftauchen des Prinzen halten sollte, blieb in dem Knicks, sah ihn jedoch neugierig und verwirrt an. „Kann ich Euch helfen, Prinz Lore?“, fragte sie verschüchtert. Lore, sich wieder seiner Lage her oder zumindest ein wenig, schüttelte nur den Kopf. „Nein, lass dich nicht von mir stören!“, sagte er und schloss die Tür. Er ging einige Schritte und als er sich sicher war, dass ihn keiner sah, lehnte er sich an der Wand ab und wischte sich über das Gesicht.
 

Eines Nachts träumte er wieder von ihr. Es waren Bilder aus der Vergangenheit, die ihn heimsuchten. Bilder, in denen sie glücklich mit einander waren. Ihr gemeinsames Leben genossen. Wie sie auf der Wiese saßen, unter dem Baum, der ihnen Schatten spendete und Laru ihr Lied für ihn sang, während die Ziegen blöckten und sich das Gras schmecken ließen. Dieser Moment war für ihn der schönste gewesen. Und er wollte daran auch festhalten. Das Bild mit aller Macht dazuzuwingen, niemals zu verschwinden. Doch dunkle Schlieren ließen es verblassen und nichts blieb als Dunkelheit und Leere. Und Schmerz. Eine Stimme rief ängstlich nach ihm. „Lore! Lore, wo bist du?“

Es war Laru, die nach ihm rief und er wollte ihr antworten. Den Arm nach ihr ausstrecken und sie halten. Doch sein Arm ging ins Leere und Lore erwachte.

Schweissgebadet richtete er sich auf und blickte minutenlang auf seine Hände, die im Traum nach Laru greifen wollten. Das bedrückende Gefühl der Leere ließ ihn nicht los und ihn wieder in tiefen Kummer versinken.

Er musste etwas tun, damit diese Qual ein Ende hatte.

Also schlug er die Bettdecke zurück, ging zu seinem Schreibtisch und entzündete eine Kerze. Holte ein Blatt Papier und eine Feder in einem Tintenfässchen hervor. Einen, sich dehnenden Moment blickte er auf das vergilbte Papier, überlegte was er schreiben sollte. Suchte nach den richtigen Worten. Die Flamme der Kerze tanzte unruhig und warf verformte Schatten. Lore schloss die Augen, atmete einmal tief durch. Doch als ihm immernoch nichts einfallen wollte, seufzte er und ging zum Fenster um es einen Spalt zu öffnen. Vielleicht würde er etwas schreiben können, wenn er einwenig frische Luft bekam. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen und Lore sog sie tief ein. Sie roch würzig und frisch. Lieblich. So wie Laru!

Und kaum hatte er dies gedacht, flogen ihm schon die Worte zu, die er auf das Papier verewigen wollte. Um diese nicht gleich wieder zu verlieren, holte er das Papier, mitsamt Feder und Tinte zu dem Fenster und legte es vorsichtig auf die Fensterbank. Dann begann er zu schreiben.
 

Hätt' ich einen Pinsel zu zeichnen – dein Antlitz,

Den Glanz deiner Augen, den lieblichen Mund,

Ich malte die Wimper, die Braue, dein Lächeln,

wie ich es erkannte in jener Stund'.
 

Es war erstaunlich, wie leicht es ihm fiel diese Worte zuschreiben. Fast schon war es unheimlich. Doch Lore wusste, dass es sein Herz war, das ihn diese Worte schreiben ließ. Und er würde den Teufel tun, dies zu beenden.
 

Hätt' ich eine Flöte zu spielen - die Klänge,

die von deiner Anmut und Schönheit erzähl'n,

Ich spielte den Reigen der himmlischen Tänze,

wie in den Gedanken, die mich seither quälen.
 

Lore biss sich auf die Lippen, als er das Wort Quälen schrieb. Dabei war es noch untertrieben, was er in Wahrheit empfand. Es waren nicht nur Qualen. Es fühlte sich an, als würde jemand sein Herz mit jedem Tag, jeder Stunde und jeder Minute immer enger zusammenpressen, bis es bald stehen bleiben würde. Er konnte nur hoffen, dass er Laru noch einmal zuvor sehen würde.
 

Doch weder Bilder, noch Klänge, noch Wort,

könnten beschreiben, was an jenem Ort

mit mir geschehen, als ich dich gesehen,

du in jener Nacht, den Schein hast entfacht.
 

Die Sonne die Sterne tragen Kunde von dir,

jeder Lufthauch erzählt mir von dir.

jeder Atemzug, jeder Schritt

trägt deinen Namen weit mit sich mit....
 

Dabei schaute Lore aus dem Fenster, schaute zu den Sternen, die in der Ferne funkelten und fragte sich, ob Laru diese auch sah. Oder ob sie schon schlief und von ihm träumte. Mit Sicherheit tat sie es und das mit demselben Schmerz, wie er. Schnell schrieb er weiter.

Hätt' ich eine Feder zu schreiben die Worte,

die dich umgarnen wie silbernes Licht,

ich schriebe von Liebe, von Nähe und Hoffnung

und schrieb die Sehnsucht hinaus in das Nichts.
 

Dass er solche Zeilen schrieb, verwundert ihn selbst ein wenig. Aber vermutlich lag es daran, dass Larus Lieder, die stets sein Herz berührten, nun auch in ihm den Dichter geweckt hatten und auch an der Sehnsucht nach ihr, die ihm half diese zuschreiben. Lore lächelte. Wieder etwas, was sie mir beigebracht hat, dachte er und schrieb weiter, bis ihn die Worte verließen.
 

Doch weder Bilder, noch Klänge, noch Wort,

könnten beschreiben, was an jenem Ort

mit mir geschehen, als ich dich gesehen,

du in dunkler Nacht, den Schein hast entfacht.

Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir,

jeder Lufthauch erzählt mir von dir.

jeder Atemzug, jeder Schritt

trägt deinen Namen weit mit sich mit....
 

Als er auf das Gedicht schaute, fragte er sich, warum er es eigentlich geschrieben hatte. Er würde sie niemals wieder sehen.

Er könnte es genauso zerreißen und im Kamin verbrennen.

Doch sein Herz sagte, dass er es nicht machen durfte.

Er hatte es mit seinem Herzen geschrieben.

Es nun zu zerreißen würde bedeuten, dass er sein Herz zerriss.

So steckte er das Gedicht in die Tasche seiner Jacke und legte sich wieder ins Bett.

Seltsamerweise konnte er nun besser schlafen.
 

Einige Tage später unternahmen der König, die Königin und ihr Sohn eine Spazierfahrt mit der Kutsche.

Normalerweise genoss Lore dies, da er so seinen Gedanken nachhängen konnte.

Aber nun fühlte er sich furchtbar unruhig. Immer wieder schaute er nur flüchtig aus dem Fenster, so als würde er etwas suchen oder finden wollte.

Das Gedicht hatte er weiterhin in der Jacke, trug es dicht an seinem Herzen.

Seine Mutter sah natürlich, dass ihr Sohn etwas beschäftigte.

„Denkst du an deine Frau?“, fragte sie. Lore nickte.

„Ich träume jede Nacht von ihr!“

Sein Gesicht verzog sich dabei schmerzlich.

„Du liebst sie wirklich!“, sagte sie und lächelte sanft. Dann schaute sie traurig drein. „Es tut uns leid, dass wir sie nicht finden konnten!“

„Macht Euch deswegen keine Vorwürfe, Mutter!“, seufzte Lore und schaute zum zigten Mal aus dem Fenster. „Ich werde mich damit abfinden müssen, sie nie wieder zu sehen!“

Da plötzlich wurde er stocksteif. Seine Augen schienen etwas entdeckt zu haben und noch bevor seine Eltern wussten, was er gesehen hatte, rief er aufgebracht:„ Sofort anhalten!“

Noch bevor der Kutscher reagieren konnte, riss er die Türe auf und sprang aus der Kutsche.

„Lore, was ist?“, rief seine Mutter aus der Kutsche. Doch Lore sagte nichts, sondern lief weiter.

Er hatte jemanden gesehen.

„Caarza! Mare!“, rief er und lief auf die beiden zu.

Caarza und Mare drehten sich um. Sahen den heraneilenden Prinzen mit verwirrten Blicken an.

„Bin ich froh, Euch zu sehen!“, sagte er erleichtert.

Caarza und Mare hingegen schienen nicht zu wissen, was er von ihnen wollte.

„Können wir Euch helfen, mein Herr?“, fragte Mare unsicher.

Lore stöhnte innerlich auf. Natürlich!

Das hätt er sich ja denken können. Nach Sada und Jardo, taten sie nun auch so, als würden sie ihn nicht kennen. Das war einfach nur frustrierend.

„Kennt Ihr jemanden namens Laru?“, fragte er dennoch.

Caarza und Mare sahen sich an und anders als bei Sada und Jardo, schienen sie nicht dicht machen zu wollen.

„Ja, wieso fragt Ihr?“

„Ich suche sie. Bitte wenn Ihr wisst, wo ich sie finden kann, sagt es mir!“

Er flehte schon fast, doch das war ihm gleich.

Caarza wirkte etwas unsicher. So als brannte ihr etwas auf der Seele. Zögerte aber es zu sagen. Lore konzentrierte sich auf sie.

Das war Caarza etwas unangenehm. Sie wich seinem Blick aus.

Mare stellte sich schützend vor sie.

„Wir wissen ungefähr, wo sie ist!“, sagte er. Lore atmete auf. „Dann sagt es mir. Bitte!“

Caarza und Mare schauten sich kurz an und Lore konnte in ihren Blicken sehen, dass sie stumm miteinander diskutieren. Sie schien zu sagen:„ Sag es ihm!“

Er aber:„ Nein!“

„Tut uns leid. Aber wir müssen weiter!“, sagte Mare dann laut.

Lore wollte schon entrüstet aufschreien. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein!

„Nicht Ihr auch noch!“, platzte es aus ihm.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm Mare Caarza bei der Hand und wollte mit ihr weitergehen.

Lore dachte aber nicht daran sie einfach gehen zu lassen.

„Bitte!“, sagte er eindringlich und ergriff Caarza an der Schulter. Caarza sah ihn schmerzlich an. Öffnete den Mund um etwas zu sagen.

„Caarza!“, rief Mare und klang ungehalten.

Caarza schaute zu ihm, dann zu Lore. Flehte ihn stumm an, sie los zu lassen. Dabei fragte sich Lore, warum sie solch eine Angst hatte. Die beiden waren doch wie ein Herz und eine Seele.

Caarza schüttelte den Kopf.

Schnell steckte Lore die Hand in seine Jackentasche und holte das Gedicht hervor. Drückte es ihr in die Hand.

„Gib das Laru, wenn du sie triffst. Ich bitte dich!“, flüsterte er eindringlich. Caarza nickte und steckte es ein. „Caarza!“

Nun schien es Mare zu reichen.

Schnell löste sich Caarza nun von Lore Griff und eilte zu ihm.

Und Lore sah, er wusste nicht wieoft schon, hoffte, dass Caarza Laru finden und ihr das Gedicht geben würde.

Auch wenn er nicht bezweifelte, dass Caarza tat, worum er sie gebeten hatte. Aber er wusste nicht, ob es nicht schon zu spät war.

Ob Laru ihm überhaupt verziehen hatte oder ihn nicht doch für seinen Verrat hasste.

Lore wusste nicht, was schlimmer war.

So ging er mit hängenden Schultern zur Kutsche zurück.

Dort warteten immernoch seine Eltern. Als er wieder in die Kutsche stieg, fragten sie ihn natürlich, was in ihm gefahren war.

„Ich habe jemanden getroffen, den ich kannte!“, sagte er nur.

Gefunden

Das Hoffen und Bangen wechselte sich in den folgenden Tagen ab, wie die Nacht und der Tag.

Lore wartete sehnsüchtig auf eine Antwort. Auf ein Zeichen, dass Laru sein Gedicht bekommen hatte. Doch nichts passierte.

Und Lore musste einsehen, dass all sein Mühen umsonst war.

Niedergeschlagen verbrachte er die Zeit in seinem Zimmer und war versunken in seinem Kummer. Dabei schien er vergessen zu haben, dass sein Geburtstag nahte. Erst als es soweit war, wusste er es. Doch feiern zumute war ihm wirklich nicht. Dennoch machte er gute Miene zum bösen Spiel.

Als das Fest begann, hatte Lore Zweifel.

„Warum tut Vater das? Ein Fest?“, fragte er, während er sich, trotz Bedenken und Verwirrung umzog. Seine Mutter stand hinter ihm und lächelte ihn an. Er stand mit dem Rücken zu ihr und betrachtete sich skeptisch im Spiegel. Wie einst, als er erfahren hatte, dass er nun heiraten müsste und sich dagegen gesträubt hatte. Aber diesesmal war es anders. Er sträubte sich zu feiern, weil er wusste, dass es nichts bringen würde.

„Wir wollen dir eine Freude machen. Dein langes Gesicht kann einem wirklich aufs Gemüt schlagen!“, sagte sie und richtete den Umhang, den er sich über die Schultern hängte. Zupfte daran. „Ich glaube kaum, dass es mir Freude bereiten wird!“, seufzte er. „Du wirst schon sehen, dass es das wird!“, versuchte seine Mutter ihn aufzumuntern. Doch Lore war sich da nicht so sicher.
 

Das Fest war, wie zu erwarten war, prunkvoll und man sah deutlich, dass am Essen und an Musik nicht gespart wurde. Die Gäste waren in ihre besten Gewänder gekleidet. Tranken, unterhielten sich oder scherzten. Es war das gleiche Bild, welches Lore schon so oft gesehen hatte und was er mit einem aufgesetzten Lächeln betrachtet hatte. Immer die gleichen Gesichter und immer die gleichen, langweiligen Gespräche. Schon zuvor war er ihnen so gut es ging aus dem Weg gegangen. Hatte nur mit den Gästen geredet, wenn es sein musste, um seinen Vater nicht zuerzürnen. Nun aber hielt er sich noch mehr zurück. Stand neben dem Thron seines Vaters und nickte nur den Damen und Herren zu, sobald sie ihnen vorgestellt wurden. Einige der Gäste erkannte der Prinz wieder als die Damen wieder, die ihm einst als künftige Bräute vorgestellt wurden. Sie schienen entweder seine Beleidigungen vergessen zuhaben, oder aber sie lächelten nur, weil sie sich wieder irgendwelche Hoffnungen machten, dass der Prinz, durch seine Vermählung mit dem Bettlermädchen, die ihn wie eine Strafe vorgekommen sein musste, wohl wieder zur Vernunft gekommen war und sich nun eine richtige Frau suchen würde. Lore aber würde sich keine von ihnen suchen. Es gab nur eine Frau. Selbst wenn er sie niemals wiedersehen würde. Ein Gast nach dem andern wurde vorgestellt und Lore ahnte schon, dass es ein langer und mühsamer Abend werden würde. Aber gehen konnte er auch nicht. Nach dem sein Vater und er sich wieder einigermassen versöhnt hatten, wollte er den neuen Frieden nicht wieder zerstören. So ergab er sich in seinem Schicksal und versuchte Gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Grüßte, verneigte sich oder wechselte ein höfliches Wort mit den angekündigten Gästen, was nur noch mehr dafür sorgte, dass die Verschmähten noch mehr hofften, eine Ehe mit ihm eingehenzukönnen. Dabei wollte Lore ihnen keine Hoffnung machen. Also vermied er es auch, mit ihnen zusprechen. Als dann der letzte Gast angekündigt wurde, hoffte er, dass es endlich vorbei war und er sich in eine ruhige Ecke zurückziehen konnte. Doch als der Name des Gastest gerufen wurde, wurde er hellhörig. „Prinzessin Rari aus dem Nachbarreich. Mit ihrer Schwester Prinzessin Azynta und Gatte!“

„Prinzessin Rari?“, schoss es ihm durch den Kopf und er hob den Blick. Tatsächlich!

Da stand sie. Mit einer Frau, die ihr ähnlich sah. Nur war sie etwas älter. Das war ihre Schwester?

Er hatte sie noch nie gesehen. Erkannte sie aber. Er hatte sie gesehen auf dem Fest, auf dem Laru gesungen hatte. Sie hatte ein Brautkleid getragen und mit dem Mann getanzt, der neben ihr stand. Er hatte gedacht, es handelte sich dabei um Raris Hochzeit. Aber wie er sehen musste, war es die Hochzeit ihrer Schwester gewesen.

Lore wusste nicht, ob er froh sein sollte, dass er sich geirrt hatte oder am liebsten im Boden versunken war. Wie würde das Treffen zwischen ihnen vor sich gehen.

Ob sie ihm immernoch nachtrug, dass er sie ebenso verspottet hatte, wie die anderen?

Auch wenn er ihr nicht zutraute, dass sie nachtragend war, hatte er dennoch ein ungutes Gefühl und trat unsicher auf der Stelle. Prinzessin Rari machte einen Schritt vor und verneigte sich. „Es freut mich Euch wiederzusehen, Prinz Lore!“, sagte sie und lächelte. Lore war für einige Sekunden sprachlos. Wusste nicht, was er sagen sollte.

Stattdessen verneigte er sich ebenso. Sein Vater sah ihn von der Seite an und machte mit der Hand eine Geste, die ihn aufforderte, ein paar Worte mit ihm zusprechen. Lore musste sich zwingen. Nicht weil es ihn wiederstrebte, sondern weil es ihm schwerfiel, ihr gegenüber zutreten. „Es freut mich ebenso!“, sagte er leise. „Wie ist es Euch ergangen? Ich habe gehört, Ihr wart lange fort?“

Kurz flammte Zorn in ihm hoch. Verebte dann aber, weil er sich sagte, dass sie keine Schuld traf und sie nur freundlich sein wollte. Er nickte daher, wenn auch etwas steif. „ Ja, ich war fort. Sehr lange sogar. Und wie es mir erging…ich…nun…!“, weiter kam er nicht, da ihm die Worte fehlten. Er fragte sich, ob sie wusste, dass er in ihrem Königreich gewesen war?

Wenn sie es wusste, so überspielte sie es gekonnt. Wofür er ihr auch dankbar war. „Habt Ihr jemanden auf Euren Reisen getroffen?“, fragte sie und Lore zuckte kurz in sich zusammen. Mit dieser Frage, hatte sie ihm einen Stich ins Herz versetzte.

Er musste dabei an Laru denken. Fast hätte er genickt, doch er tat es nicht. Er wollte dieses Geheimniss für sich behalten. „Nein, ich…ich war die ganze Zeit allein!“, sagte er. „Ihr habt niemanden getroffen. Wirklich nicht?“, bohrte sie weiter. Lore fragte sich, warum sie ihn weiterhin fragte. Es konnte ihr doch eigentlich egal sein. „Nein, ich…!“, wollte er sagen, doch da blieb sein Blick an ihrer Hand, oder besser gesagt an ihrem Finger haften.

Dieser zierrte ein goldener Ring mit einem grünen Edelstein darin eingefasst.

Lore glaubte seinen Augen nicht zutrauen. Genau solch einen Ring hatte er für seine Laru gekauft.

Ohne was zusagen oder zuwissen, was er da tat, ergriff er die Hand der Prinzessin und betrachtete den Ring mit immer größer werdenden Unglauben. Prinzessin Rari sah den Prinz verwirrt an, verstand nicht, was in ihn gefahren war. „Prinz Lore, was…?“, fragte sie nur. Warf einen unsicheren Blick zu ihrer Schwester, die sich ebenso über das Benehmen des Prinzen wunderte. „Woher habt Ihr diesen Ring?“, fragte er und sah sie mit durchdringenden Augen an. „Er ist ein Familienerbstück!“, sagte sie. „Ihr lügt!“, flüsterte er.

„Lore, was ist in dich gefahren!“, platzte es aus seinem Vater und sprang von seinem Thorn. „Verzeiht meinen Sohn. Ich weiss nicht, was er sich dabei denkt!“, entschuldigte er sich schnell bei der jungen Frau und warf seinem Sohn einen erbosten Blick zu. Doch Rari, die vorher noch überrascht war, über das Verhalten des Prinzen, machte nun ein nachdenkliches Gesicht. Als würde sie etwas in seinem Gesicht sehen, was jedem anderen entging. „Wie kommt Ihr darauf, dass ich lüge. Habt Ihr diesen Ring schonmal gesehen?“

Kurz zögerte Lore, biss sich auf die Unterlippe.

Sollte er wirklich sagen, wo und wann er ihn gesehen hatte?

Oder sollte er so tun, als habe er sich geirrt?

Er wollte seine Ehe mit dem Bettlermädchen geheimhalten. Aber jetzt hatte er sich versprochen und es würde kein Weg herumführen. Also holte er tief Luft und sagte:„ Ja, ich habe ihn meiner Frau geschenkt. Als Beweis für meine Liebe!“

Ein Raunen ging durch die Gäste, als sie das hörten. Die Hofdamen sahen sich gegenseitig entsetzt an. Einige wurden blass und fächelten sich Luft zu. Lore ignorierte diese. Prinzessin Rarai sah ihn mit einem nicht zu deutenden Blick an. „Eurer Frau?“, fragte sie. „Ich wusste nicht, dass Ihr verheiratet seid?“

„Niemand wusste das. Nur ich und meine Eltern!“

„Und wer ist die Glückliche? Ist sie hier?“

„Nein, sie...sie lebt in Eurem Reich. Ein Mädchen, das außerhalb der Stadt, in einem Haus lebt!“

„Könnt Ihr sie mir näher beschreiben? Vielleicht kenne ich sie!“

„Sie ist kaum älter als ich. Hat seidig, schwarzes Haar und singt wie eine Nachtigall. Man nennt sie deswegen „Goldkehlchen“. Ihr richtiger Name ist Laru!“

„Oh, das Mädchen mit den Brandnarben? Ja, sie kenne ich. Sie hat auf der Hochzeit meiner Schwester gesungen!“, sagte Prinzessin Rari und ihre Stimme hatte einen verschworenen Unterton. „Und mit ihr wart Ihr verheiratet?“

„Ich bin noch mit ihr verheiratet!“ „Trotz dass sie weit unter Eurem Stand ist?“, fragte sie.

„Das ist mir gleich. Ich liebe sie. Und mir ist ein Bettlermädchen, das ehrlich ist, lieber als eine Hofdame, die sich nur für das Geld interessiert und sich fragt, für was sie es ausgeben soll!“, sagte er einige Spuren bissiger, als gewollt und schaute zu den Hofdamen, die scharf die Luft einzogen.

Bei einigen traf es zu, was er gesagt hatte. Andere wiederum versuchten dies zu vertuschen und ihre Bloßstellung mit giftigen Blicken zu überdecken. „Ihr habt wohl den Verstand verloren, Prinz Lore. Zieht ein schmutziges Straßenmädchen, einer von uns edlen Frauen, mit blauem Blut in den Adern, vor. Aber was kann man schon von einem wie Euch erwarten!“, lachte eine von ihnen und zeigte mit dem Finger auf ihn. Lore schenkte ihr keine Beachtung, sondern sah zu Prinzessin Rari. „Mag sein, dass ich einst anders dachte und den Armen keine Beachtung geschenkt hatte, sie sogar verhöhnt habe. Nun aber, wo ich kein Prinz war und lernen musste, dass man arbeiten muss, um zu leben, denke ich anders. Und wenn ich nicht einen großen Fehler gemacht hätte, wäre ich immernoch bei meiner Liebsten!“, gestand er.

„Einen großen Fehler? Was war das für ein Fehler?"

„Ich…Man hatte mich überfallen und mir alles Geld genommen, was ich hatte. Aus…Scham weil ich es geschehen ließ, bin ich fortgegangen. Habe sie allein gelassen. Als ich verstand, was ich tat, suchte ich sie. Konnte sie aber nirgends finden!“, sagte er und es kostete ihn allen Mut, den er aufbringen konnte, um seine Schande zugestehen. Prinzessin Rari lächelte sanft. Legte die Hand auf seinen Arm und beugte sich vor, sodass fast ihre Nasenspitzen sich berührten.

„Ich bin sicher, dass sie Euch verzeihen wird!“

„Woher wollt Ihr das wissen? Ich habe das Vertrauen, was sie in mich gesetzt hat, restlos zerstört!“, sagte er verzweifelt. „Und nur wegen meiner Dummheit!“

„Nun, das mag sein. Wegen Eurer Dummheit, habt Ihr sie enttäuscht, aber jetzt wo Ihr es ausgesprochen habt, verzeiht sie Euch!“

Lore sah sie mit gerunzelter Stirn an, verstand nicht, was sie damit meinte.

Wie konnte sie das wissen?

Kannte sie Laru etwa so gut, dass sie es mit Gewissheit sagen konnte?

Oder wollte sie ihn einfach nur trösten, für seine Thorheit?

Zugern hätte er es gewusst. Es machte ihn schier wahnsinnig.

Doch noch ehe er seine Frage aussprechen konnte, die ihn förmlich auf der Zunge brannte, schaute Prinzessin Rari ihn mit einem traurigen Lächeln an. „Wisst Ihr immer noch nicht, wer ich bin?“, flüsterte sie geheimnisvoll. Lore konnte nur den Kopf schütteln. Ärgerte sich aber auch, dass sie solch ein Spiel daraus machte und glaubte, er würde es begreifen. Rari seufzte, griff in den Ärmel ihres Kleides und holte eine kleine Dose zum Vorschein. Schraubte sie auf und tauchte ihren Zeige-und Mittelfinger in die rötliche Farbe. Schmierte sie sich dann auf die Haut und verteilte sie so, dass sie einen großen Fleck auf der Wange hatte. Genau an der Stelle, wo Laru eine ihrer Brandnarben hatte. Wenn er genauer hinsah, musste er feststellen, dass es der Fleck nicht nur an dergleichen Stelle war, sondern auch die gleiche Farbe und Form der Narbe hatte. Moment!

Das konnte doch nicht sein?

Oder etwas doch?

War es so einfach?

Wie als hätte Prinzessin Rari seine Gedanken gehört, beugte sie sich noch weiter vor und raunte im sanften Ton, mit der gleichen schönen Stimme seiner Laru:„
 

Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir,

jeder Lufthauch erzählt mir von dir.

jeder Atemzug, jeder Schritt

trägt deinen Namen weit mit sich mit...!“
 

Lores Augen weiteten sich, als er diese Worte hörte. Seine Worte. Es waren seine Worte, die er an Laru geschrieben hatte. Woher kannte die Prinzessin diese?

Zuerst dachte er, dass Laru den Brief mit seinem Gedicht der Prinzessin gezeigt hatte. Möglich wäre es. Sie schienen gute Freunde zu sein.

Aber diese Stimme, mit der die Prinzessin die Zeilen vortrug.

Das war eindeutig die Stimme seiner Laru. Es musste einfach so sein.

Eine andere Erklärung konnte er sich nicht geben. Dennoch konnte er es nicht glauben. Seine Laru, die Prinzessin Rari, waren ein und dieselbe?

„Laru!“, flüsterte er, starrte die Prinzessin an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Vermutlich tat er es auch. Mit anderen Augen, als jemand anderes. Prinzessin Rari lächelte nun wieder, machte einen Knicks. „Laru, Prinzessin Rarai oder wie Ihr mich einst nanntet: Prinzessin Rabenhaar!“, sagte sie. „Wobei ich Rabenhaar immer noch für unangebracht halte!“

Das war zu viel für Lore. Ohne etwas zu sagen, drehte er sich auf dem Absatz um und stürmte davon. „Lore!“, rief sein Vater und sah seinem Sohn mit einer Mischung aus Entrüstung und Verwirrung hinterher. Sah dann zu der Prinzessin. Er hatte nichts von den letzten Worten zwischen dem Prinzen und der Prinzessin nicht mitbekommen und so wusste er nicht, was das zu bedeuten hatte. Prinzessin Rari sah den König um Verzeihung bittend an. „Bitte, verzeiht. Ich glaube, ich habe Euren Sohn beleidigt. Ich werde mich sofort bei ihm endschuldigen!“, sagte sie und eilte ihrem Sohn hinterher. Sie kam gerade in den Hinterhof, als sie den Prinzen auf seinem Rappen davonpreschen sah und rief einen Stallburschen zu sich. „Bringt mir sofort mein Pferd!“, wies sie ihn eilig an.
 

Lore jagte auf seinem schwarzen Hengst durch die Nacht. Wohin war ihm egal. Er wollte nur fort. Fort von seinen Eltern und fort von der Prinzessin, die ihn so schäbig hintergangen hatte. Zuerst konnte und wollte er es nicht glauben. Doch als sie ihm den Ring und die Zeilen seines Gedichts aufgesagt hatte, musste er es glauben. Wut kochte in ihm hoch, trieb sein Pferd nur noch schneller, sodass sein Atem schon in ein Rasseln überging. Aber es war nicht nur Wut, die ihn beherrschte, sondern auch Enttäuschung darüber, dass sie ihn getäuscht hatte. Ausgerechnet sie. Die er liebte und ihm versprochen hatte, dass er ihr vertrauen konnte. Und nun stellte sich heraus, dass sie es selber war, die dieses Vertrauen, welche sie sich von ihm gewünscht hatte, so missbraucht hatte. Und das noch mit glatter Absicht. Was für ein grausames Spiel hatte sie nur mit ihm getrieben. Hatte sie auch nur einen kurzen Moment darüber nachgedacht und sich gefragt, ob das wirklichen richtig war. Ob sie es sein lassen sollte?

Sicher nicht, denn sonst hätte sie ihn niemals so vor aller Augen vorgeführt. Hätte ihn nicht ins offene Messer laufen lassen.

Dabei musste er an seine Eltern denken. Sie hatten ebenso nichts getan. Hatten nur dagestanden und zugesehen, wie die Prinzessin sich offenbarte und ihm sagte, dass das alles nur ein Trick war. Erneut fühlte er sich verraten und verkauft. Dieses Mal aber aus gutem Grund. Er hatte in dieser Hinsicht nichts Falsches getan. Dennoch hatte man ihn gestraft. Das konnte er einfach nicht verzeihen. „Von meinen Eltern und meiner großen Liebe, bin ich hintergangen worden. Wie konnten sie nur!“, dachte er wütend. Plötzlich hörte er hinter sich Hufschlag eines weiteren Pferdes. Er drehte sich nicht um, konnte sich gut vorstellen, dass einer der Reiter seines Vaters war, der geschickt wurde, um ihn zurück zu holen. Lore würde aber nicht zurückkehren. Nicht jetzt. Nicht so. „Verschwindet, lasst mich allein!“, schrie er dem Reiter zu. „Lore, wartet. Lasst es mich erklären!“

Lore bremste sein Pferd so abrupt, das es sich auf die Hinterläufe stellte und wierte schrill. Tänzelt auf der Stelle. Lore drehte sich nun doch um und sah im nahenden Galopp Prinzessin Rari auf sich zukommen. Ihr Gesicht war aufgelöst und traurig. Lore aber kümmerte dies nicht. Er wollte sie nicht sehen. Nie wieder!

„Was gibt es da noch zu erklären? Ihr habt mich hintergangen. Mich glauben lassen, Ihr wärt die Liebe meines Lebens. Dabei seid Ihr boshaft und ohne Reue!“, schrie er ihr entgegen und wendete sein Pferd. Wollte wieder weiterrennen. Doch Prinzessin Rari gab ihrem Grauschimmel die Sporen und ließ das Pferd einen Satz nachvorne machen, sodass es den Weg von Lores Pferd versperrte. Lore schnaubte wütend. „Geht mir aus dem Weg!“, keifte er und riss an den Zügeln, in dem Versuch sein Pferd nun andersherum zuwenden. Rari machte ihm aber auch hier einen Strich durch die Rechnung und stellte sich wieder mit ihrem Pferd in den Weg. „Nein, erst wenn Ihr mir zugehört habt!“, rief sie, nun weniger aufgebracht und mehr energisch. Es war der übliche Klang ihrer Stimme, wenn sie ihm zurechtweisen wollte. Lore hielt kurz inne, wurde jedoch wieder wütend. „Warum sollte ich das? Es ist doch alles gesagt. Ihr habt Euch als ein Mädchen ausgegeben, dass Ihr nicht seid und an das ich mein Herz verloren habe. Mit Eurer Enttarnung, sind diese Gefühle für das Mädchen Laru erloschen!“

„Und was ist mit meinen Gefühlen? Wollt Ihr nicht wissen, was ich für Euch empfinde?“, rief Rari, nicht weniger wütend nun. Ließ ihr Pferd um Lore einen weiten Kreis zuziehen. Er tat es ihr gleich, in entgegen gesetzter Richtung, sodass sie sich umkreisten, wie Raubtiere, die sich im nächsten Moment zerfleischen wollten.

Lore lachte hart. „Was für Gefühle könnt Ihr schon für mich haben, wenn Ihr zu so einen miesen Trick greift!“, spottete er. „Ihr müsst Euch ja wunderbar über meine wachsenden Gefühle amüsiert haben!“

Raris Gesicht wurde rot vor Zorn. Wieso konnte dieser Esel ihr nicht glauben?

„Nein, das habe ich nicht. Ich war glücklich darüber, dass Ihr endlich jemanden anderen liebt, anstatt nur Euch selbst!“, konterte sie zurück. Lore schnappte nach Luft, als ihm bewusst wurde, dass sie damit die Wahrheit gesprochen hatte. Er hatte sich für nichts interessiert außer nur für sich selbst. Und das war ihm zum Verhängnis geworden. Nur deswegen war er von seinem Vater verstoßen worden. Sein Stolz hatte ihn das eingebrockt. Doch mit der Liebe zu dem Mädchen Laru war dieser verschwunden und er hatte sich um sie gesorgt, nicht um sich. Wollte ihr Geschenke machen und ihr zeigen, dass er sie liebte. Lore war schon fast versucht, es zu verstehen. Sich für seine harten Worte zu entschuldigen. Alles zu vergessen. Aber die Enttäuschung über ihre List saß zu tief, als das er es einfach vergessen konnte. Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube Euch kein Wort mehr. Ich habe Euch vertraut, so wie Ihr es immer gewünscht habt und Ihr habt dieses Vertrauen zerstört!“, rief Lore stattdessen und riss sein Pferd in eine gewagte Kurve. „Und zum letzten Mal: Lasst mich allein!“

„Das werde ich nicht. Reitet nur davon, Prinz Lore. Aber glaubt nicht, dass ich so einfach aufgebe. Ich bin genauso dickköpfig wie Ihr. Wenn es sein muss, werde ich Euch die ganze Nacht hinterherreiten und erst Ruhe geben, bis Ihr auch mich angehört habt!“

Das sorgte bei Lore für eine lange Minute des Schweigens. Sie meinte es also ernst, wenn sie schon sagte, dass die wirklich die ganze Nacht ihm nachjagen würde. Ob Prinzessin oder Bettlermädchen, sie war die ein und dieselbe Person. Und er hatte lange genug mit ihr als Laru gelebt um zuwissen, wenn sie es ernst meinte. Er kaufte ihr das daher ab. Und wie heisst es noch so gleich: Der Klügere gibt nach!

Ihm blieb also nichts anderes übrig: Er musste ihr zuhören, wenn er endlich Ruhe von ihr haben wollte. So stoppte er sein Pferd und lehnte sich im Sattel zurück. Verschränkte die Arme vor der Brust. „Nagut, dann los. Erklärt es mir. Erklärt mir warum Ihr mich betrogen habt!“

Rari war froh, dass er ihr endlich zuhörte, auch wenn sie ihm erstmal drohen musste. Doch nun würde sie die Gelegenheit haben, ihm alles zu beichten. So trieb sie ihr Pferd etwas näher an seinem heran und lenkte es so, dass sie sich direkt in die Augen schauen konnten. „Es ist wahr. Ich habe Euch betrogen und es war ein Fehler. Aber ich sah ihn Euch ein Kind, das sich für nichts und niemanden interessierte nur für sich selbst und aus dem mal ein schlechter Mensch werden würde!“, begann sie und Lore öffnete den Mund, um ihr zu wiedersprechen. Ein Fehler, das nannte sie einen Fehler, schrie es in ihm und es wollte raus. Doch Rari hob die Hand und bedeutete ihm mit einem strengen Blick, dass sie nun das Wort hatte. „Es geht mich nichts an, wie Ihr lebt und wie Ihr Euch benehmt, aber ich habe gesehen, was aus Euch wird, wenn sich nichts ändert. Ich wollte Euch eine Lektion erteilen. Ihr könnt ein guter Herrscher werden, Lore. Ihr müsst es nur wollen!“

„Und warum dann dieses ganze Gerede von Vertrauen und so weiter?“, fragte Lore, da er nicht verstand, was das eine mit dem anderen zu tun hatte. Rari schlug die Augen nieder. „Meine Gefühle für Euch kamen erst später. Mit der Zeit, die wir verbrachten. Ihr habt mich zum Lachen gebracht und auch zum Weinen. Ihr habt Euch um mich Sorgen gemacht, obwohl ihr keinen Grund hattet. Wart eifersüchtig, wenn ich mit dem Admiral sprach, was mich innerlich zerfraß tief verletzte. Wäre dem nicht so, würde ich auch nichts für Euch fühlen. Doch das tue ich. Ich liebe Euch, Lore!“

Wo zu Anfang ihre Stimme laut und energisch war, war sie nun leise und niedergeschlagen. Sie hatte ihm stets in die Augen gesehen, damit er sah, dass sie nicht los. Doch als sie ihm sagte, dass sie ihn liebte, senkte sie nun doch den Kopf und ihre Schultern begannen zubeben. In ihren Worten war deutlich Schmerz zu hören und auch Trauer.

Lore schwieg. Ließ ihre Worte auf sich wirken. Und innerlich hatte er das Verlangen, sie in seine Arme zuziehen und ihr zusagen, dass er sie ebenso liebe. Dass, was sie getan hat und was sie ist, nichts daran ändern würde. Doch da war etwas, was er noch wissen musste. Warum hatte sie dieses ganze Spiel fortgesetzt, wenn sie ihn liebte?

„Warum habt Ihr es mir nicht gleich gesagt? Warum habt Ihr geschwiegen, wenn Ihr mich wahrhaftig liebt?“, fragte er und seine Stimme war ebenso nicht mehr als ein Flüstern.

Rari biss sich auf die Lippe und sagte nichts. Schaute betroffen zu Boden. Fast schon wollte Lore denken, dass sie soweit nicht gedacht hatte. Das es vermutlich niemals so weit gekommen wäre. Aber da hob sie den Kopf und in ihren Augen sah er Tränen. „Ich hatte Angst, ihr würdet mich hassen. Mich verlassen und niewieder kommen. Ich wollte Euch nicht verlieren!“, sagte sie und ihre Stimme überschlug sich. Wurde zu einem erstickten Schluchzen. „Das habt Ihr aber!“, wollte er schon sagen, doch er ließ es bleiben. Sondern sah sie nur. „Ich weiss, dass es falsch war und Ihr habt jedes Recht, wütend auf mich zu sein. Aber bitte hasst mich nicht. Das wäre mein Tod!“, sagte sie und zog an den Zügeln ihres Pferdes. Dieses machte ein Schritt zurück, sodass sie etwas weiter von ihm weg stand. Sie straffte etwas die Schultern und versuchte ein Lächeln. „Ich habe gesagt, was ich sagen wollte. Nun werde ich gehen. Es liegt an Euch, ob Ihr mich irgendwann wiedersehen wollt, oder nicht. Aber wenn nicht dann, bitte behaltet mich in Erinnerung, als die, die ihr liebtet. Als Laru, das Mädchen, mit dem Narben!“

Mit diesen Worten, trat sie ihrem Pferd in die Flanken und trieb es an. Ritt langsam an Lore vorbei. Doch noch ehe sie an ihm vorbeireiten konnte, fasste er sie am Arm und hielt sie zurück. „Wartet!“, sagte er nur. Er konnte sie nicht gehen lassen. Nicht so!

Rari sichtlich erstaunt darüber, dass er sie nicht weglassen wollte, hielt ihr Pferd und sah ihn an. Wartete und fragte sich, was er wollte. Langsam drehte Lore den Kopf zu ihr herum und schüttelte den Kopf. „Wie kann ich das Mädchen, das ich liebte, in Erinnerung behalten, wenn es dasselbe Mädchen ist, was eine Krone trägt?“, fragte er mit montoner Stimme. Raris Augen wurden groß. Wollte er nicht mal sie als Bettlermädchen in Erinnerung haben?

War für ihn selbst das ein Gräuel?

Schmerzte es ihn viel zu sehr?

Rari musste sich eingestehen, dass es nur verständlich wäre. Sie war sowohl Laru als auch Rari und nichts, nicht mal die Brandnarben, die mit Farbe auf ihr Gesicht gemalt sie selbst. „Dann vergesst mich ganz, wenn es Euch lieber ist. Ich verstehe es!“, sagte sie mit belegter Stimme und kämpfte gegen neue Tränen an. Wandte den Kopf wieder von ihm ab, damit er nicht sah, wie sie weinte. Ihre Hände verkrampften sich an den Zügeln. Der Grauschimmel schnaubte und wiehrte leise. Wusste nicht, ob und wie es auf das Zittern an den Zügeln seiner Herrin reagieren wollte. Genauso wie Rari. Nur Lore wusste, was er zu tun hatte. Langsam legte er die Hand auf ihre. Rari hob den Kopf, schaute ihn an. Wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Lore sah sie an und in seinen Augen lag deutlich das, was sie nicht für möglich gehalten hatte. „Wie kann ich Dich vergessen, wenn sich dein Bild tief in meinem Herzen eingebrannt hat?“, fragte er leise.

Rari sah ihn mit geweiteten Augen an. Glaubte nicht was er da sagte. Lore wusste, wie absurd sich das in ihren Ohren anhören musste. Und wenn er es nicht besser wüsste, würde er auch denken, er hätte den Verstand verloren. Doch trotz was passiert oder wie wütend er auf sie war. Er konnte die Gefühle, die er für Laru, nein für Rari empfand, nicht leugnen. Und wenn er sie jetzt gehen lassen würde, würde er es für den Rest seines Lebens bereuen. Er brauchte sie. Er liebe sie. Das war ihm bewusst geworden, als er wieder in dem Schloss seines Vaters war und ihre Nähe vermisste. Nichts konnte ihn auf andere Gedanken bringen. Nun aber war er wieder mit ihr vereint und er schwor sich, sie nie wieder zu verlieren. „Lore, ich…du…!“, stammelte Rari verwirrt. Lore lächelte matt. „Ich habe keinen Grund, dich zu vergessen. Oder dir böse zu sein. Du hast stets an meiner Seite gestanden, an mich geglaubt. Hast mich gelehrt, was heisst, Verantwortung zu haben und mir vertraut, obwohl ich mich die meiste Zeit benommen habe, wie ein Idiot. Wenn hier jemand um Verzeihung bitten muss, dann bin ich das!“, sagte er. Rari musste bei den letzten Worten lächeln. Ja, das hatte er. Aber genau deswegen liebte sie ihn. „Also verzeihst du mir?“, fragte er. Und Rari sagte, ohne zu zögern:„ Das muss ich nicht. Kannst du mir aber verzeihen?“

„Das muss ich nicht!“, sagte er und beugte sich zu ihr hinüber. „Ich liebe dich!“

„Ich liebe dich auch!“, flüsterte sie lächelnd und tat es ihm gleich. So weit, bis sich ihre Lippen berührten. Zu einem Kuss vereinten. Es war wie damals als sie in dem kleinen Badeteich waren und sich das erste Mal näher gekommen waren. Es war in einer ebenso sternenklaren Nacht. Und das Gefühl, welches Lore damals spürte, spürte er nun auch jetzt. Aber dieses Mal war es stärker und er wusste, dass dies nicht nur ein Moment war, sondern die Zukunft, die er mit ihr verbringen würde.
 

Hochzeitsglocken erschallten und verkündeten die Bindung des Prinzen und der Prinzessin. Von überall strömten die Untertanen herbei um dem frisch angetrauten Ehepaar zu gratulieren.

Vor der Kirche stand eine prächtige weisse Kutsche, vor der vier weisse Rösser gespannt waren und auf die frischvermählten warteten. Kaum dass diese aus der Kirche kamen, wurden sie mit Reis und Blumen beworfen. Lore und Rari eilten die Stufen hinunter. Winkten den Anwesenden. Hinter ihnen kamen ihre Eltern nach. Ein Strahlen lag auf ihren Gesichtern. Besonders auf dem Gesichts von Lores Vaters. Nach all der ganzen Zeit, hatte sein Sohn endlich Vernunft angenommen und sich für eine Braut entschieden. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Tag noch erlebe!“, sagte er. Seine Frau lächelte. „Siehst du. Alles ist doch noch zu einem guten Ende gekommen!“, sagte sie und küsste ihren Mann auf die Wange. „Ja!“, sagte er und blickte zu seinem Sohn, der seine Frau zu der Kutsche führte und daran vorbei. „Was?“, fragte er und fragte sich, was das sollte. Was hatte sein Sohn jetzt wieder vor? Das sah er erst, als Lore und Rari zu ihren aufgesattelten Pferden liefen und Lore ihr beim Aufsteigen half. Dann schwang er sich selbst in den Sattel und noch ehe der König etwas sagen konnte, ritten sie davon. „Was zum…? Dieser Lausejunge!“, brach es aus ihm heraus und schlug die Hände über den Kopf zusammen. Die Königin lachte. „Sieht so aus, als hätte die Prinzessin unseren Sohn nicht ganz gezähmt!“, bemerkte sie.
 

Begleitet von einer Eskorte, die nicht mehr als fünf Mann war, ritten Lore und Rari auf ihren Pferden den Weg entlang, den sie einst gefahren waren und zu dem kleinen Häuschen führte in dem sie gelebt hatten. Als sie es erreichten, stiegen sie ab und Lore befahl den Männern zurückzugehen. Diese gehorchten und wendeten ihre Pferde. Ritten davon. Lore und seine Frau sahen ihnen nach, dann grinsten sie sich an und eilten zu dem Haus. Lore öffnete die Tür für sie, aber bevor Rari über die Schwelle treten konnte, hatte er sie gepackt und hob sie auf seine Arme. Trug sie hinein. „Lore, was…?“, fragte sie mit einem Lachen. Lore grinste. „Ein Mann muss seine Braut doch über die Schwelle tragen. Beim ersten Mal habe ich das versäumt, jetzt will es nachholen!“, erklärze er und trug sie in die Stube. Zu dem Schlafzimmer. Stiess die Tür mit dem Fuss auf und schloss sie wieder auf diegleiche Weise. Kichernd ließ sich Rari von Lore aufs Bett legen. Lore beugte sich über sie, betrachtete seine Frau, die eigentlich schon immer seine Frau gewesen war und strich ihr sanft über die Wange. Er konnte kaum sein Glück fassen. Nach all der langen Zeit, verspürte er endlich so etwas wie Glück. Wahres Glück.

Und Rari war ein Teil davon.

„Ich liebe dich!“, flüsterte er.

„Und ich liebe dich!“, erwiederte sie. Dann schloss sie die Augen und streckte sich zu ihm hoch. Lore verstand, was sie da

mit bezweckte. Lächelte und beugte sich zu ihr hinunter. Küsste sie und die Zeit schien still zu stehen. Wie immer, wenn er sie küsste und Lore wollte jede Minute davon geniessen. Als er dennoch den Kuss unterbrach, sah er sie mit einem sanften Lächeln an. Musste dann schließlich leise lachen. „Was ist denn?“, fragte Rari. Lore schüttelte den Kopf. „Nichts. Nur, dass, als wir zum ersten Mal heirateten, ich mich mit Händen und Füssen gewehrt habe und unbedingt weg wollte!“, sagte er.

Rari zog gespielt eine Schnutte. „Willst du das etwa immernoch?“, fragte sie wobei, diese nur ein Scherz war. Lore grinste breit, beugte sich wieder tiefer zu ihr hinunter und schüttelte wieder den Kopf. „Nein!“, hauchte er. „Diesesmal bleibe ich!“

Rari lächelte und strich ihm zärtlich über die Wange. „Weißt du eigentlich, dass ich sehr froh bin, dass gerade du vor den Toren meines Vaters gesungen hast?“, sagte er dann. Rari lächelte. „Um ehrlich zusein, hatte ich so meine Zweifel. Aber jetzt weiss ich es!“, flüsterte sie und legte ihre Arme um seinen Hals. Zog ihn zu sich hinunter. „Und ich bin glücklich, dass ich vor deinen Toren gesungen habe!“, erwiederte sie dann und küsste ihn wieder. Diesesmal länger. Er schien eine Ewigkeit zu dauern und Lore und Rari verloren sich in dieser.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
 


 

So endlich ist sie fertig. Nach verammten 4 1/2 Jahren...Ich möchte mich vor allem bei Pumuya bedanken. Durch deine lieben Kommies und deier Neugier auf das, was noch kommen wird, habe ich neuen Mut gefunden, weiter zu machen ^^ Tausend Dank^^



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Kommentare zu dieser Fanfic (25)
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Von:  Pamuya_
2016-01-23T20:23:10+00:00 23.01.2016 21:23
Ein traumhaftes und bewegendes Ende. :)
Das mit der komischen Creme für die "Narbe" war eine gute Idee, sowie auch die Tatsache, dass Rari als Laru die ganz Zeit ein wenig die Stimme verstellt hatte.
Das Lore bei seiner ersten Reaktion ziemlich sauer und enttäuscht war, ist wirklich verständlich. Dennoch ist und bleibt er ein sturer Hitzkopf. Zum Glück hat er jetzt Rari, die ihm den Kopf ein wenig zurecht rückt. ^^
Irgendwie ist es doch wieder schade, dass die Geschichte aus ist. Schließlich habe ich diese Version zum Originalmärchen "Drosselbart" regelrecht verschlungen. Da werde ich die Story richtig vermissen. (Werde es aber trotzdem immer wieder von vorne lesen, weil es mir einfach von Anfang an gefallen hat. ^^)
Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht zu lesen. Ich konnte so richtig mitfiebern und mir die einzelnen Stellen gut vorstellen. Wobei ich es auch gerne noch "miterlebt" hätte, was die Freunde der beiden zum endlichen Ende gesagt/getan hätten und wie man den Fürsten Roska eine Lektion erteilt hätte, die sich gewaschen hat. (Der gehört meiner Meinung nach verrpügelt und dann als Schweinehirte degradiert.^^)
Freue mich auf jeden Fall, wenn du wieder einmal ein Märchen schreibst. Ich werde auf jeden Fall wieder als Leser mit dabei sein und mitfiebern. ^^

P.S. Gott sei Dank konnte ich dich motivieren, an dieser Geschichte weiterzuarbeiten. Es ist wirklich wert es zu lesen. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 21:54
Dake *verbeug*
Ich muss auch gestehen, dass es eigentlich schade ist, dass sie schon vorbei ist...Aber so ist es eben mit Geschichten. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Wenn du mit einem Buch fertig bist, klappe es zu und stelle es ins Regal...
Das soll wohl sagen, mit etwas neuem zu beginnen ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
26.01.2016 11:36
Also wenn dir meine Märchen gefallen, empfehle ich dir "Lair-Hüter des Walds", "Fortum-Das Licht und das dunkle Herz" und "Jardin la Ame-Garten der Seelen", zu lesen ^^
Antwort von:  Pamuya_
27.01.2016 19:41
Die eine Geschichte habe ich schon gelesen. ^^ Für die anderen beiden werde ich mir auf jeden Fall irgendwann mal Zeit nehmen. Ich freue mich schon auf jeden Fall, was du noch zu meinen Geschichten sagst. Einige Kapitel habe ich ja in der Zwischenzeit wieder hochgestellt. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
27.01.2016 20:39
werde sie morgen lesen...Hinke ganz schön hinterher *schäm*
Von:  Pamuya_
2016-01-23T19:15:36+00:00 23.01.2016 20:15
Du machst es ja echt spannend und es zerreißt einem fast das Herz Lore so leiden zu sehen. Erst das Fieber, dann die Albträume und zusätzlich noch die Gewissensbisse. Kein Wunder also, dass seine Eltern von ihren Sohn erstaunt waren. Schließlich ist er wie ausgewechselt. Vor Liebe scheint er schon Gespenster zu hören. Da sieht man richtig, wie sehr er Laru liebt und vermisst.
Seine Freunde wissen zwar, was los ist, aber ich schätze, dass sie Laru etwas versprochen haben. Andernfalls kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären. Bin echt schon gespannt, wie es weitergehen wird.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 20:34
Heheh* jetzt lade ich alles Kapirs hoch, da ich heute mit dem Schreiben fertig geworden bin... ^^
Antwort von:  Pamuya_
23.01.2016 20:45
Yippie!!! ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 20:46
Ja ich freue mich auch
Von:  Pamuya_
2016-01-23T18:18:49+00:00 23.01.2016 19:18
Irgendwie habe ich schon geahnt, dass Lore unabsichtlich in das Königreich seines Vater zurückgekehrt war. Endlich hat er ein bisschen Glück und ihm wird auch geholfen. Erstaunlich, dass er trotz seines jetzigen Aussehens erkannt wurde. Ach ich freue mich schon auf das nächste Kapitel und wie es weitergehen wird.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 19:19
Da sieht man aber auch wie Treu die Männer seines Vaters sind und wie gut sie ihn kennen...Tjaja, nach dem ganzen Leiden wollte ich ihm mal was gutes tun
Antwort von:  Pamuya_
23.01.2016 19:20
Hi und da braucht man das ja auch und ich gönne das Lore
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 19:23
grins*
Von:  Pamuya_
2016-01-23T15:22:33+00:00 23.01.2016 16:22
Ach du Schande! Schon allein, als ich den Titel gelesen habe, habe ich schon einiges geahnt. Dieser Roska ist ein verdammter Schweinehund! Er macht ja alles, nur um seine Genugtuung zu bekommen und zusätzlich machen die Idioten von Lakaien auch noch mit. Denen hätte ich so gerne den Marsch geblasen und sie windelweich gerpügelt. Hinterrücks schimpfen, aber dann dem Lackaffen auch noch helfen. Lore hatte Recht, genau das dem Fürsten unter die Nase zu binden. Leider ist er in diese Falle getappt. Er hätte mehr auf sein Bauchgefühl hören sollen und zumindest gleich zu seinem Freund ins Wirtshaus gehen sollen, aber jetzt ist es zu spät. Naja, zumindest hatte er den Ring nicht dabei. Den können sie Lore nicht abnehmen. Dennoch ahne ich, dass da noch etwas kommen wird. Armer Lore.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 16:23
Tjajajaja. Das Leben ist eine Achterbahn...Höhen und Tiefen...und Loopings
Antwort von:  Pamuya_
23.01.2016 16:25
Die Loopings beziehe ich mal auf preparierte Gesöff und ich glaube darauf hätte Lore gerne verzichtet.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 16:28
Lach* das ist gut. Präperiertes Gesöff
Antwort von:  Pamuya_
23.01.2016 16:31
Ist doch so. ^^ Irgendetwas müssen die Deppen des Fürsten doch in den Krug hineingekippt haben. Sonst wäre Lore doch nicht so komisch gewesen und einen Humpen kann er normalerweise ertragen. -> Daher stimmte etwas mit dem Zeug nicht.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 17:31
Gut kombeniert Sherlock Holmes
Antwort von:  Pamuya_
23.01.2016 19:01
^^^ Merci
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
23.01.2016 19:02
hehe
Von:  Pamuya_
2016-01-03T22:21:02+00:00 03.01.2016 23:21
Schön endlich wieder ein Kapitel von dieser Geschichte lesen zu dürfen. ^^ Habe sie gleich einmal verschlungen. Die Informationen über die etwas veränderte Prinzessin Rari hat mich doch etwas zum Nachdenken gebracht, aber vielleicht irre ich mich auch. Bin auf jeden Fall gespannt, wie es weitergehen wird und wie Lore das Geld für den Ring zusammenbekommen will. Das mit dem Fest bezweifle ich zwar etwas, aber was noch nicht ist, kann noch werden. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
04.01.2016 06:41
Es wird noch einiges passieren ^^
Von:  Pamuya_
2015-11-27T21:29:29+00:00 27.11.2015 22:29
Yey!! ^^ Habe mich rießig gefreut, als ich gesehen habe, dass du ein neues Kapitel hochgestellt hast! ^^
Boah, das Lied ist wirklich fies, das muss ich dir sagen. ^^
Sada ist ein richtig netter Kerl. Wie ein Vater kümmert er sich um Lore und dass er ihn mag, sieht man ja immer wieder. Denn Lore kann sich ihm anvertrauen und der alte Kaz hat immer wieder einen guten Rat, oder netten Einfall parat.
Leider hat sich Lore wieder zu sehr seinen Stolz hingegeben in Bezug Roksa. Manchmal muss man zu bestimmten Situationen die Nerven behalten und dass dieser Lackaffe nicht zufällig im Laden war, ist auch klar. Wegen den Gerüchten wollte er Lore klein machen, damit er sich besser und größer fühlt. So ein A... !!!!!!!!
Noch dazu landet Lore seinetwegen ins Gefängnis. Der Arme und da sieht man wieder, dass dem Normalbürger nichts geglaubt wird und die Adeligen sich immer fein rausreden können. Egal, wer angefangen hat und das ist wirklich aller untester Schublade. Wie Lore nur da wieder rauskommen wird? Ich habe da schon meine Theorien und freue mich schon darauf, was wirklich passieren wird. Lass mich also nicht so lange warten. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
28.11.2015 09:21
ich werde es versuchen ^^
Von:  Pamuya_
2015-10-18T07:13:27+00:00 18.10.2015 09:13
Hellotschi

Wieder ein schönes Kapitel. Da freut man sich richtig, wie aus einem verwöhnten Bengeln von Prinzen ein freundlicher, verantwortungsbewusster und hilfsbereiter junger Mann geworden ist. Immer mehr spürt man, dass Lore mehr als nur Freundschaft, oder so für Laru emfpindet und dass er sein Leben mit ihr nicht mehr als "Gefängnis" betrachtet, sondern stattdessen mit ihr genießt. Er will für sie da sein und das zeigt sich auch bei kleinen Dingen wie das Frühstück zum Beispiel ^^. Oder der Gedanke an gemeinsame Kinder.
Einfach schön. :)

Freue mich schon auf das nächste Kapitel.
Laru
Antwort von:  Pamuya_
18.10.2015 09:15
Eine Frage stelle ich mir trotzdem schon seit längerer Zeit: Was ist eigentlich mit unserer Prinzessin Rabenhaar? Wann kommt sie wieder ins Spiel?
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
18.10.2015 10:35
Oh...keine Sorge die taucht wieder auf...wenn du das Original kennst, wisst du ja, wann es passiert^^
Antwort von:  Pamuya_
18.10.2015 10:58
Ja ich kenne das Original. -> Ok, dann ahne ich schon, was als Nächstes passieren wird. Ich lasse mich mal überraschen. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
18.10.2015 11:04
Bis es aber soweit ist, lassen wir noch etas zeit vergehen und den Prinzen noch in das eine oder andere Fettnäpfchen treten^^
Antwort von:  Pamuya_
18.10.2015 11:06
^^ Da freue mich schon! Was Lore nun erelben wird? Ich bin gespannt! ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
18.10.2015 11:14
ach dies und das...^^
Von:  Pamuya_
2015-10-12T13:59:17+00:00 12.10.2015 15:59
Herzig. Einfach herzig.
Nicht nur, dass Lore sein Leben als Bürgerlicher akzeptiert hat, er blüht richtig auf: Er nimmt seine Arbeit ernst, strengt sich an und geht nun anders mit seinem Mitmenschen um. Noch dazu merkt er endlich, dass er Gefühle hat und wie es ist, sich um andere zu kümmern.

Bitte schreibe an dieser Geschichte weiter. Ich würde gerne mehr davon lesen.
Sie ist wirklich gut geschrieben und ich tauche jedes Mal gerne in die Story ein.
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
12.10.2015 16:01
Danke, das macht mir Mut ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
13.10.2015 22:20
Um die lange Zeit des Wartens zu überbringen, empfehle ich dir, dir die anderen FFs noch an zu sehen...die, die schon abgeschlossen sind ^^
Von:  Pamuya_
2015-10-12T13:24:02+00:00 12.10.2015 15:24
Hellotschi
Och, wie süß. Da merkt man richtig, dass hinter dem verzogenem Prinzchen doch warme Gefühle stecken. Und jetzt schlatet der endlich mal sein Hirn ein und denkt ein bisschen nach, bevor er etwas tut. Seine Eifersucht kann man ihn aber wirklich nicht verübeln und der Alkohol hat mit Sicherheit seinen Beitrag dazu geleistet. Dennoch bin ich mir sicher, dass der Admiral etwas für Laru empfindet und das mehr als er zugibt. Hoffentlich geht das nicht irgendwann mal schief.
Freue mich schon auf das nächste Kapitel ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
12.10.2015 15:48
Keine Sorge...das endet schon nicht in einem Blutbad
Von:  Pamuya_
2015-10-11T19:28:31+00:00 11.10.2015 21:28
Tja, ganz klar: Lore hat sich verliebt. Würde mich daher nicht wundern, wenn er da wegen den Admiral eifersüchtig wird. Aber da macht sich sein Stolz schon wieder breit. Na hoffentlich endet das nicht in einem Streit zwischen ihm und Laru.
Bin schon auf das nächste Kapitel gespannt. ^^
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
11.10.2015 21:29
Das wird sich zeigen...^^


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