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Retrograde Amnesie

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Guten Tag,
ja, ich lebe noch.

Nein, ich habe keine Ahnung warum ich JETZT auf einmal weiter geschrieben habe und ich kann nicht versprechen, dass meine Updates nun regelmäßig kommen.
Falls das hier, noch irgendeiner liest: Viel Spaß und entschuldigend, für die EXTREM lange Wartezeit.

Eure Mihikoru

PS: Dieses Kapitel haben weder ich noch Shizana korrigiert, es wird in den nächsten Tagen noch einmal in Reinform gebracht. Vielen Dank
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier ist das nächste Kapitel.
Schneller als erwartet und ich hoffe, ich halte diese Regelmäßigkeit.
Wieder nicht korrigiert aber ich hoffe, es gefällt euch.

Viel Spaß und einen schönen Restsonntag noch.

Alles liebe, Mihikoru Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier, ist das neue Kapitel.
Vielleicht in euren Augen etwas inhaltslos, aber ich finde es wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte.
Man könnte es "langsames beschnuppern" nennen.

Ich wünsche euch allen viel Freude am Lesen und möchte mich hiermit herzlich für die vielen Kommentare und noch mehr Favoriteneinträge bedanken.

Liebe Grüße, Mihikoru

PS: Wie immer, ist dieses Kapitel noch nicht korrigiert. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Tut mir Leid, dass dieses Kapitel etwas länger auf sich warten ließ.
Ein Todesfall in meiner näheren Umgebung hat die Welt für einige Zeit zum still stehen gebracht...

Viel Spaß beim lesen. Ich hoffe, es gefällt.

Eure Mihikoru

PS: Wie immer, noch nicht korrigiert. Komplett anzeigen

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Wer seid ihr?

Es hat mich einfach überkommen, diese Idee und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Wer Rechtschreib-, oder Grammatikfehler findet, kann sie behalten.
 

Wer seid ihr?
 

Joey Wheeler lag im Krankenhaus.

Ein Umstand, der nicht unbedingt besonders überraschend war.

Keiner von seinen Freunden würde diese Neuigkeit in Panik versetzen.

Der blonde Chaot hatte sich schon manche Prügelei geleistet, schon viele Stürze überlebt und war mehr als einmal in der nächtlichen Ambulanz gelandet.

Jedoch noch nie in der Notaufnahme. Noch weiter: Auf der Intensivstation.

„Tea, jetzt beeil dich doch mal!“, rief Tristan Taylor – ein hochgewachsener, schlanker, junger Mann mit braunen Haaren und ockerfarbenen Augen.

Eine gleichaltrig-junge Brünette stolperte etwas ungelenk hinter ihm her, wobei sie krampfhaft versuchte, mit ihren hochhackigen Schuhen nicht umzuknicken.

„Denkst du, ich mache das mit Absicht?!“, fauchte jene ziemlich biestig und ihre azurblauen Augen blitzten wütend auf. „Ich habe extra meinen Tanzkurs abgebrochen und musste mir ein teures Taxi hierher nehmen. Wenn Joey schon wieder eine Prügelei angefangen hat, bringe ich ihn um!“

„Das glaube ich nicht.“, keuchte nun Yugi Muto – ein kleingewachsener Junge mit Igelfrisur und violetten Augen. Er joggte schon beinahe zwischen seinen Freunden; seine Beine waren einfach zu kurz, um mit den anderen Schritt zu halten. „Die Notaufnahme des Krankenhauses hat direkt im Laden meines Großvaters angerufen. Sie haben meine Visitenkarte in Joeys Geldbeutel gefunden, es scheint also wichtig zu sein.“

„Haben sie dir keine Einzelheiten genannt?“, wollte Duke Devlin wissen – ein schlanker, junger Mann mit schwarzen Haaren und smaragdgrünen Augen.

Yugi schüttelte heftig den Kopf. „Nein gar nichts, es ging auch alles so schnell.“

Inzwischen hatten die vier Freunde den Eingang zur Notaufnahme erreicht und stießen die weißen Flügeltüren auf.

Auf dem Absatz blieben sie wie auf Kommando stehen als sie den kleinen Jungen erkannten, der im Flur auf und ab lief und höchst besorgt wirkte.

„Mokuba? Was tust du hier?“ Tea fand als Erstes ihre Sprache wieder und sah den schwarzhaarigen Jungen verblüfft an.

„Tea… Yugi… Tristan und Duke. Was bin ich froh, dass ihr da seid!“ Die grauen Augen des Kleinen wirkten nun mehr verzweifelt, sowie er die vier entdeckte.

„Hat dich das Krankenhaus auch angerufen, wegen deiner Visitenkarte?“ Yugi sah seinen Freund fragend an, doch dieser schüttelte seinen Kopf.

„Nein, ich bin… von Anfang an hier. Es ist alles meine Schuld! Nur wegen mir liegt Joey im OP!“

„Joey liegt im OP?!“ Tristans Stimme überschlug sich fast. „Aber wieso? Was ist passiert? Erzähl schon, Mokuba!“

„Da war… ein Auto und… u-und ich, ich habe nicht aufgepasst und dann… dann…“, stammelte der Junge mit abgehackter Stimme, Tränen schossen in seine Augen und er ballte seine zitternden Hände zu Fäusten.

„Hör schon auf damit!“, herrschte Tea nun Tristan an. „Siehst du nicht, wie sehr sich Mokuba quält?“

„Ist schon gut.“ Yugi legte beruhigend eine Hand auf Mokubas Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. „Wo ist denn der Arzt?“

„Noch im Operationssaal. Der Eingriff ist noch nicht vorbei…“

Als wäre Mokubas Aussage ein Stichwort gewesen, öffneten sich plötzlich die Flügeltüren des Saals und der Mediziner, gefolgt von zwei Assistenten, trat heraus.

„Wie geht’s Joey?“, verlangte nun Mokuba gleich zu wissen, während zwei weitere Schwestern den gerade Operierten auf einem Bett herausfuhren.

„Mein Gott!“ Tea schlug sich bestürzt die Hand vor den Mund, als sie ihren freudigen Klassenkameraden so bandagiert und an vielen Schläuchen hängend liegen sah.

Eine Maske erleichterte ihm die Atemwege und offenbar schien er noch tief und fest von der Narkose zu schlafen.

„Herrn Wheeler geht es schon besser. Er hat die Operation gut überstanden und es gab keinerlei Komplikationen.“, sprach nun der Arzt während er seinen Mundschutz abnahm. „Der junge Mann hat sich einige Rippenbrüche und Quetschungen im Lendenbereich zugezogen. Zumal ist er mit seinem Kopf frontal auf die Straße aufgeschlagen, wovon er glücklicherweise nur eine leichte Gehirnerschütterung davongetragen hat.“

„Wird… wird er wieder gesund?“ Yugi wagte kaum zu atmen, der Anblick seines guten Freundes war mehr als mitleiderregend.

Der Arzt nickte, er war sehr zuversichtlich. „Aber natürlich. Nach dem Aufwachen wird er womöglich höllische Kopfschmerzen haben und auch die Brüche muss er natürlich erst ausgiebig auskurieren, aber in Lebensgefahr schwebt er nicht mehr.“

„Gott sei Dank!“ Mokuba fiel ein riesiger Stein vom Herzen und auch Duke lächelte leicht.

„Tja, unseren Joey kann eben nichts so leicht umhauen!“

„Wenn Herr Wheeler später erwacht, werde ich sofort nach ihm sehen. Er braucht dann vor allem absolute Ruhe.“

Auf die eindringliche Meinung des Arztes nickte Tristan. „Aber wir dürfen doch bei ihm bleiben, bis er aufwacht, oder?“

„Natürlich. Aber seien sie bitte möglichst leise und schonen sie ihn heute noch mit Fragen.“
 

„Was bin ich erleichtert.“, sprach Yugi einige Minuten später, als Tea, Duke und er kurz in die Cafeteria verschwanden um sich auf den heutigen Schreck einen Kaffee zu holen.

„Das kannst du laut sagen! Mir ist regelrecht das Herz in die Hose gerutscht, als ich Joey so habe liegen sehen.“ Auch Duke musste zugeben, dass er ganz schön Angst um seinen blonden Kumpel gehabt hatte.

„Ja, wir sind ja schon einige Male wegen ihm ins Krankenhaus gerannt, aber nie sah er so dermaßen demoliert aus.“ Tea nippte an ihrem Cappuccino während die drei gemächlichen Schrittes zurückgingen. Mokuba und Tristan waren im Zimmer des blonden Mannes geblieben, um ihn im Auge zu behalten. Keiner von ihnen wollte, dass ihr Freund unsicher in der fremden Umgebung erwachte.

Kaum hatten sie das oberste Stockwerk erreicht, in dem besagtes Zimmer lag, da hechtete Mokuba ihnen auch schon entgegen.

„Kommt schnell, beeilt euch! Irgendwas stimmt mit Joey nicht!“, rief er aufgeregt und wedelte panisch mit den Armen.

Die drei Freunde warfen sich alarmierte Blicke zu und rannten anschließend dem schwarzhaarigen Jungen in das Zimmer des Verletzten hinterher.

„Was… was ist los?“, verlangte Yugi leicht außer Atem zu wissen. Doch als sie das Zimmer betreten hatten, konnten sie nichts Ungewöhnliches feststellen.

Tristan saß noch immer auf einem Stuhl neben Joeys Bett und ihr blonder Freund hatte inzwischen glücklicherweise die Augen geöffnet.

„Du bist ja wach, wie schön!“ Tea strahlte, doch ihr langjähriger Freund blickte sie aus beinahe starren Augen an.

„Geht’s dir gut, Joey?“, wollte nun auch Duke wissen, woraufhin der Blonde nur schwach blinzelte.

„Wer seid ihr?“ Seine leise Stimme zerschnitt wie eine Schwertschneide die Stille. „Ich kenne euch nicht. Wer seid ihr?“

Einige Sekunden herrschte quälende Stille in dem kleinen Krankenzimmer, bis schließlich Yugi als Erstes seine Sprache wiederfand. „W-Was? Joey… ich bin’s! Ich bin’s, Yugi. Erkennst du mich nicht?“ Er konnte es nicht fassen. „Wir sind doch schon seit der Grundschule in einer Klasse.“

Von seinem blonden Freund kam keinerlei Reaktion. Emotionslos starrte er den Umstehenden in die Gesichter.

„Tut mir leid, ich erkenne keinen von euch.“

„Das kann doch nicht sein…“ Duke wurde mehr als blass um die Nase, während Tristan sich durch die Haare fuhr.

„Mich erkennt er auch nicht.“

„Das gibt’s nicht.“ Tea rang hilflos die Hände und sah zu Mokuba herunter, der die ganze Zeit nur schweigend zugehört hatte.

„Das ist meine Schuld…“, flüsterte er, abermals den Tränen nahe. „Ich rufe Seto an.“

„Wenn er Kaiba nicht erkennt, haben wir ein gewaltiges Problem.“, kommentierte Tristan diesen Beschluss des Kleinen trocken.

Retrograde Amnesie

Danke für die Kommentare und die vielen Favoriten. Hier ist das nächste Kapitel.
 

Retrograde Amnesie
 

Seto Kaiba hasste Störungen.

Diese waren unangekündigt, unnötig und in vielen Fällen einfach nur unnütz.

Er hatte Migräne und er war gereizt, dies war er meist aber heute erschien es ihm ganz besonders schlimm.

Sein Tag hatte mit einem verspäteten Meeting begonnen, das sich so langsam und zäh zog wie ein ausgelutschter Kaugummi. Gefolgt von einer trotteligen Vorzimmerdame die ihm einen brühheißen Kaffee über seine weiße Hose geschüttet hatte. Gegen Mittag waren dann in der gesamten 53 Etagen der Corporation die Rechner ausgefallen und jetzt – noch 3 Stunden später – war jeder halbwegs brauchbare Mitarbeiter dabei, den Virus aus dem gesamten Server zu vernichten, der dies angerichtet hatte.

Als dann auch noch der Handyanruf von Mokuba kam war er kurz vor einem Schreikrampf.

Sein kleiner Bruder hörte sich jedoch auch nicht gerade überglücklich an. Seine Stimme überschlug sich und er verhaspelte sich in unvollständigen Sätzen.

Das einzige was er aus dem Wirrwarr heraushörte war so etwas wie: Krankenhaus… Wheeler… dringend…

Wer sollte daraus schlau werden?

„Roland, fahren Sie den Wagen vor!“, ordnete er zischend an während er sein Büro verließ und sich fragte, was der Köter nun schon wieder angestellt hatte.

Diese Promenadenmischung machte mal wieder nichts als Ärger!
 

Kaum war Kaiba aus der Limousine gestiegen und über den Parkplatz zum Haupteingang des Krankenhauses gelaufen sprang ihm sein kleiner Bruder wortwörtlich entgegen.

„Seto! Seto, komm schnell!“ Die kleine Kinderhand packte seinen Arm und zerrte ihn mit erstaunlicher Kraft ins Innere des Hospitals.

„Mokuba… zieh nicht so!“ Seine Nerven spannten sich merklich an. „Es ist ja nicht das erste Mal, dass Wheeler im Krankenhaus gelandet ist. Was hat er nun schon wieder angestellt? Sich mit ein paar Typen angelegt, die nicht nur heiße Luft reden sondern auch zuschlagen können?“

„Seto, sei nicht so ekelhaft. Joey geht es wirklich schlecht. Er hat kein Erinnerungsvermögen mehr.“

„So? Hat er auch den letzten Rest seines kümmerlichen Verstandes eingebüßt?“ Der Leiter der KC schnaubte verächtlich und lehnte sich an die Wand des Fahrstuhls während Mokuba bereits die richtige Etagenzahl drückte.

„Nein, nein… Es ist viel schlimmer und ich bin schuld daran!“

„An dem geistig zurückgebliebenen Hirn des Köters kannst du wohl kaum schuld sein, Mokuba.“

„Hör doch erst mal richtig zu.“, verlangte der kleine Kaiba mit fester Stimme. „Nach dem Fußballtraining bin ich über die große Querstraße gelaufen, so wie immer… aber heute… habe ich geträumt und mich hätte beinahe ein Kleintransporter erwischt…“

„W-Was… Moment, Mokuba! Geht’s dir gut?“ Nun war Kaiba alarmiert. Der einzige Mensch der je Sorgen in ihm hervorrufen würde, war sein kleiner Bruder. Sein einziges Familienmitglied.

„Natürlich geht’s mir gut, das siehst du doch.“, sprach Mokuba und drückte entschieden den Arm seines großen Bruders zur Seite. „Aber Joey geht’s gar nicht gut. Er hat wohl sein Gedächtnis verloren.“

„Was hat Wheelers Erinnerungsvermögen mit deinem Unfall zu tun?“

„Na ja, Joey hat mich wohl zur Seite geschubst. Er war auf einmal hinter mir und hat sich statt meiner vor das Auto geworfen. Deswegen liegt er jetzt auch im Krankenhaus.“

„Moment mal…“ Kaiba seufzte überfordert auf und massierte sich die Nasenwurzel. „Wheeler hat dich sozusagen gerettet? Sag mir bitte nicht, dass er was gut bei mir hat?“

„Seto! Ist das deine einzige Sorge?“ Mokuba war mehr als entrüstet als sich in diesem Augenblick die Aufzugtür öffnete und die beiden in den Gang hinaustraten.

In nur wenigen Schritten erreichten sie das betreffende Zimmer und Kaiba rollte entnervt mit den Augen als er sah, dass der ganze Kindergarten versammelt war. Entzückend…

„Kaiba, wie gut das du da bist.“ Yugi winkte ihn hektisch an das Bett von Wheeler. „Joey erkennt uns alle nicht mehr.“

„Der Köter simuliert doch nur.“, zischte Seto und bedachte seinen blonden Klassenkameraden mit einem beinahe tödlichen Blick. „Er stiehlt meine kostbare Zeit, geschweige denn meine Nerven.“

„Erkennst du ihn, Joey?“ Tristan sah seinen besten Kumpel flehentlich in die Augen und deutete mehrfach auf den brünetten jungen Mann. „Bitte Alter, sag uns, dass du Kaiba erkennst.“

„Ja, genau Köter. Erkennst du deinen Herrn?“, spöttelte Kaiba nun kurz amüsiert, was ihm jedoch wieder verging als Wheeler ihm ohne Zorn oder Wut in die Augen sah.

Sein Blick war merkwürdig starr, ruhig und emotionslos.

„Nein…“, hauchte er dann schließlich und senkte leicht den Kopf. „Wer ist dieser Mann?“

Wieder herrschte einige Sekunden fassungslose Stille bevor sich Duke laut seufzend die Haare raufte.
 

„Nein, das gibt es doch nicht! Er erkennt noch nicht mal Kaiba!“

„Willst du mich veralbern, Wheeler!“, herrschte Kaiba nun den Blonden an, sodass dieser zusammenzuckte. „So senil kannst noch nicht mal du sein, damit du vergisst, wie oft du gegen mich verloren hast. Hör auf uns für dumm zu verkaufen!“

„Hör auf ihn so anzuschreien.“, bat Yugi mit erhobenen Händen. „Hör doch zu, Kaiba. Joey kann sich nicht nur an uns nicht erinnern, er hat auch keinerlei Ahnung wie er heißt oder wer er überhaupt ist.“

Kaiba gab ein undeutliches Grummeln von sich während er Joey keinen Moment aus den Augen ließ. „Hör mal zu, Wheeler! Ich bin Seto Kaiba, der begabteste Duellant der Welt und außerdem reichster Jungmilliardär, verstanden?“

„Ich weiß nichts mehr.“ Joey sah starr aus braunen Augen zurück. „ Ich kann mich an gar nichts mehr erinnern.“

Ehe Kaiba darauf abermals etwas erwidern konnte, ging die Tür auf und Tea, gefolgt von zwei Ärzten kam, herein.

Der eine Medizine - war der - der Joey operiert hatte.

„Ich habe unseren Psychiater mitgebracht.“ Informierte nun dieser und deutete auf den zweiten Mann, der sich nun an Joeys Bett setzte.

„Guten Tag, Herr Wheeler, ich bin Doktor Misata.“, stellte er sich dem jungen Mann vor und lächelte ihn dabei aufmunternd an. „Wissen Sie noch Ihren Namen? Haben Sie eine Ahnung, wer Sie sind?“

Joey schüttelte leicht mit dem Kopf.

„Haben Sie noch irgendwelche Erinnerungen an die Geschehnisse des heutigen Tages?“

Abermals ein Kopfschütteln.

„Wie heißt die Hauptstadt von China?“

„Das ist Peking.“

„Und haben Sie eine Ahnung wie viel vier mal neun ist?“

„Sechsunddreißig.“

Joey konnte all diese leichten, allgemeinen Fragen ohne Probleme beantworten doch augenscheinlich stimmte trotzdem etwas nicht mit ihm.
 

Wenige Minuten später , hatten sich alle vor Joeys Zimmertür versammelt.
 

„Retri… was…?“ Tristan sah den Psychiater höchst verwirrt an.

„Retrograde Amnesie, du Depp!“ Fauchte Tea zurück, sodass der Mediziner zustimmend nickte.

„Was ist das?“ Auch Duke verstand kein Wort.

„Retrograde Amnesie, ist eine Form der Amnesie bei der man sich bei Krankheit, einer Verletzung oder bei einem schweren Schock an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern kann. Dinge vor einem bestimmten Zeitpunkt“, erklärte nun Kaiba den unwissenden Freunden. „ In Wheelers Fall wohl sein Zusammenprall mit diesem Kleintransporter.“

„Exakt. Die leichte Gehirnerschütterung die sich Herr Wheeler zugezogen hat, scheint doch mehr Ausmaße angenommen zu haben, als mein Kollege vorher angenommen hat.“ Erklärte der Psychiater nun. „Offenbar hat er dadurch einen schweren traumatischen Stock erlitten.“

„Wird er denn sein Gedächtnis wiedererlangen?“ Tristan sah den Mann aufgewühlt an, doch dieser seufzte nur leise.

„Ich weiß es nicht. In diesem Stadium kann man noch nichts sagen, dafür ist es noch zu früh. Aber falls es Sie beruhigen sollte: Das Wissen welches man für das alltägliche Leben braucht, steht Ihrem Freund weiterhin zur Verfügung.“

Yugi lächelte leicht. „Das heißt also, Joey wird in der Lage sein, ein ganz normales Leben zu führen?“

„Ja genau. Nichtsdestotrotz möchte ich mit Herrn Wheeler noch einige Tests durchführen, aber erst nach seiner Genesung. Dafür ist er bisher noch zu schwach.“

„Wir könnten doch versuchen, ihn langsam wieder an sich zu erinnern, oder?“, hakte Duke nach.

„Sicherlich. Aber das wird wohl kaum nützen. Diese Form der Amnesie ist sehr instabil und je mehr sich Herr Wheeler versuchen wird zu erinnern, umso weniger Informationen wird er aufrufen können. Er muss sich langsam, vor allem selbst, wieder an alles erinnern.“

„Da können wir ja ewig warten.“ Kaibas spöttelnder Satz wurde von den Umstehenden mit bösen Blicken quittiert. „Was wollt ihr von mir? Soll ich die Hand dieses unterbelichteten Trottels halten und mit ihm wehmütig alte Klassenfotos durchgehen?“

„Wie kann dich das so kalt lassen?“ Tea war empört. „Immerhin hat er Mokubas Leben gerettet.“

„Sie hat Recht, ich bin schuld. Wir müssen uns um Joey kümmern.“, beharrte nun auch Kaibas kleiner Bruder sodass Angesprochener die Stirn in Falten legte.

„Das erwartest du doch nicht ernsthaft von mir Mokuba…?“

Doch der Schwarzhaarige ließ mit seinem Blick keine Zweifel offen, dass er sich dem Blonden annehmen würde.

Kaibas Unbehagen

Danke, für die lieben Kommentare. Im Moment habe ich einen sehr guten Lauf, also hier gleich das 3. Kapitel. Würde mich über eure Meinung freuen.
 

Kaibas Unbehagen
 

In den nächsten Tagen konzentrierten sich Joeys Freunde mit all ihren Kräften darauf, sich dem Blondschopf wieder anzunähern.

Jeden Nachmittag, nach der letzten Unterrichtsstunde, verbrachten alle die übrige Zeit bis zum späten Abend im Krankenzimmer und unterhielten sich mit ihrem kranken Freund.

Yugi brachte pflichtbewusst alle Schulunterlagen mit, und ging alles noch einmal mit Joey durch, solange die Konzentration seines Freundes es zuließ.

Tea zauberte tagtäglich neue Klassen-, und Privatfotos ihrer alten Clique zu Tage und erzählte Joey alles, was ihr einfiel, während Duke und Tristan ihre spaßigen Kommentare dazwischen warfen.

Auch Mokuba war voller Eifer. Er brachte Joey viele seiner Comics und auch einen kleinen Minicomputer mit Joeys damaligen Lieblingsspielen, sehr zum Leidwesen Kaibas, der dadurch gezwungen war, seine wertvolle Freizeit mit dem Kindergarten zu verbringen.

Der Brünette versuchte den Tumult um ihn herum, so gut wie es ging auszublenden, während er per Notebook so viele anfallende Arbeiten wie möglich für die KC erledigte.

Ihm gefiel es gar nicht, dass sein kleiner Bruder vorhatte den Köter bei ihnen aufzunehmen, sobald er das Krankenhaus verlassen durfte.

Er sah nicht ein, warum er Wheeler nicht einfach eine Geldsumme überweisen und damit die Sache erledigen konnte.

Doch Mokuba war stur, die gleiche Dickköpfigkeit der er selbst auch innehatte, und dagegen war er tatsächlich machtlos.

Der Kleine würde lange Zeit kein Wort mehr mit ihm wechseln, wenn er Wheeler einfach nur eine Zahlung zukommen lassen würde. Und so verwarf er diesen reizvollen Gedankengang zähneknirschend.
 

„Siehst du? Das war unsere Klassenfahrt nach Okinawa.“ Tea deutete auf eine Fotografie aus der Mittelstufe, wo sie alle fünf neckisch in die Kamera grinsten. „Und da unten auf dem Bild, da bist du vor lauter Schusseligkeit in den kleinen See der Tempelanlage gefallen.“

„Du erinnerst dich nicht, oder?“, hakte Tristan leise nach und Joey schüttelte den Kopf.

„Nein, leider nicht. Tut mir leid.“

„Hey… dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen.“ Sein Kumpel klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Das wird schon, bestimmt.“

Der Blonde lächelte leicht, während er weiter die nächsten Bilder betrachtete.

„Wir sind schon seit der Grundschule in einer Klasse, oder?“ Auf seine Nachfrage hin nickte Yugi zustimmend.

„Genau. Du, ich, Tea, Tristan und Kaiba.“ Er deutete daraufhin auf den brünetten Firmenchef, der wie immer an seinem Laptop arbeitete. „Duke kam erst in der Mittelstufe dazu.“

„Ja, okay.“ Joey fragte oft nach, aber dafür versuchte er sich alles so gut es ging zu merken.

Er spürte, die Verbundenheit dieser Menschen um ihn herum und er fühlte sich schon viel ruhiger, als vor wenigen Tagen. Obgleich er sich an nichts selbstständig erinnern konnte.

Jedes Bild und jede Erzählung erschienen ihm fremd, so als handelten diese Geschichten um von einer anderen Person und nicht von ihm.

Besonders Seto Kaiba, dem Brünetten, war seine Abneigung ihm gegenüber allzu deutlich anzumerken.

In seiner Nähe fühlte er sich unwohl, beinahe deplatziert und er war heilfroh, dass er noch nie eine Sekunde mit ihm allein hatte sein müssen.

Im Vergleich zu den anderen waren seine Blicke wie Dolche, beinahe glühende Pfeile. Er wagte diesem jungen Mann nicht richtig in die Augen zu sehen, denn noch nie war ein freundliches Wort von ihm gekommen.

Wenn er sprach, waren es kurze, knappe Sätze, die meist verletzend seine Person betrafen.

Joey verstand das alles nicht. Die ganze Situation war ohnehin schon höchst verwirrend für ihn.
 

„Kaiba, wir müssen mal kurz mit dir reden.“ Yugis Stimme war ungewöhnlich fest und entschlossen, sodass der Firmenchef argwöhnisch eine Augenbraue erhob.

Kurz warf er noch einen Blick auf Wheeler, der noch immer von Gardner und Devlin umlagert alte Bilder ansah, bevor er aufstand um Muto und Taylor zu folgen.

„Mokuba, bleib im Zimmer.“, ordnete er an, als er sah, dass sein kleiner Bruder ihnen vor die Tür nachgegangen war.

Doch dieser verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. „Nö, es geht bestimmt um Joey und da will ich mitreden können.“

Der Leiter der KC unterdrückte ein entnervtes Ausatmen – Seit wann war Mokuba so aufsässig? - und fixierte sich auf Wheelers Freunde.

„Was willst du, Muto?“

„Nun ja, ihr werdet Joey doch morgen mit zu euch nehmen?“

„Das ist korrekt.“

„Seine Verletzungen sind gut verheilt, er hat keine weiteren Untersuchungen mehr nötig und Doktor Misata hat auch bestätigt, dass sein Allgemeinwissen in bester Verfassung ist.“

„Soweit man das bei Wheeler so nennen kann…“

„Seto!“, ermahnte ihn sein kleiner Bruder, bevor eben dieser fragend zu Yugi hochsah. „Was möchtest du denn wissen? Natürlich könnt ihr Joey jederzeit besuchen.“

„Jederzeit?“ Nun war es an Seto, seine Arme vor der Brust zu verschränken. „Wie nett, dass du das so ausführlich mit mir besprochen hast, Mokuba.“

Sein kleiner Bruder ignorierte dies. „Joey ist bei uns gut aufgehoben, Yugi. Das kannst du mir ruhig glauben. Ich werde alles dafür tun, damit er sich wohlfühlt.“

„Das wissen wir, Mokuba. Daran haben wir gar keine Zweifel.“, entgegnete Tristan. „Wir wollten euch nur darüber informieren, dass wir Joeys weitere Habseligkeiten heute abholen werden.“

„Super, dann schicken wir Roland später bei Yugi vorbei und er kann sie schon zu uns mitnehmen.“

„Wieso holt Wheeler seine Sachen nicht selbst?“

„Ach, neugierig, Kaiba…?“

„Kann der Köter keinen Koffer mehr packen?“

„Nein, du riesengroßes Arschloch!“ Tristan war plötzlich sehr wütend. „Wir wollen nur verhindern, dass Joey in seinem Zustand auf seinen Vater trifft. Die beiden haben nämlich kein besonders gutes Verhältnis.“

„Er hat sich ja auch noch kein einziges Mal hier blicken lassen.“ Kaiba war dieser Umstand schon lange aufgefallen, und er war wirklich neugierig deswegen gewesen.

Soweit er wusste, hatte Wheeler eine Schwester, die bei dessen Mutter lebte, da sich ihre Eltern schon vor Jahren getrennt hatten.

„Joeys Vater wird sich auch nicht hier blicken lassen.“ Yugi rieb sich unwohl die Hände. „Er ist kein besorgter Mensch, Kaiba. Ihm ist sein Sohn mehr als egal und solange Joey sein Gedächtnis nicht wiedererlangt hat, ist es besser, wenn sich die beiden nicht sehen. Wir haben Joey erzählt, dass sein Vater auf Geschäftsreise ist, und das solltet ihr auch.“

„Ja, okay.“ Mokuba nickte zustimmend, doch Kaibas Mundwinkel zuckten hämisch.

„Eine sehr gute Therapie, Muto. Wheeler bezüglich der mustergültigen Verhältnisse zu seinem Erzeuger anzulügen. Das hilft ihm sicherlich.“

„Kaiba… Es ist zu seinem eigenen Schutz.“

„Wir erwarten nicht, dass du es verstehst, okay? Aber halt einfach den Mund gegenüber Joey.“, verlangte Tristan mehr als gereizt, sodass der CEO nur leicht seufzte.

„Was gehen mich Wheelers verkorkste Familienverhältnisse an? Wenn ihm dieser Zustand hilft, sich schneller zu erinnern, bin ich ihn wenigstens umso eher wieder los.“

„Sehr liebenswürdig, danke!“ Tristan warf ihm eine Grimasse zu während er wieder im Krankenzimmer verschwand, gefolgt von Muto.

„Seto.“, sprach sein kleiner Bruder flehentlich, sodass Angesprochener nur abwehrend eine Hand hob.

„Mir soll es recht sein, Mokuba. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

Der Kleine seufzte grottentief, bevor auch er wieder in Wheelers Zimmer verschwand.

Der Brünette blieb alleine auf dem Gang zurück und ärgerte sich über sich selbst.

Seit sechs Jahren war er mit dem Köter in einer Klasse. Sie saßen fünf Tage die Woche nur zwei Bänke auseinander. Und erst heute hatte er erfahren, dass Wheeler kein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte.

Irgendwie störte ihn das. Er wusste zwar nicht genau, wieso, aber es war eben so und eben

diese Tatsache beunruhigte ihn.
 

Der folgende Nachmittag kam für Kaibas Ansicht viel zu schnell. Ihm war die ehrenvolle Aufgabe zuteil geworden, Wheeler vom Krankenhaus in seine Villa zu geleiten.

Mokuba hatte sein regelmäßiges Fußballtraining und Wheelers entzückende Freunde waren mit der gesamten Klasse zu einem Museum infolge des Unterrichtsstoffes aufgebrochen.

So blieb nur noch er übrig, und da er sich schon vor der Schulexkursion gedrückt hatte, konnte er diese Aufgabe nicht mehr umgehen.

Innerlich um Nerven ringend betrat er das Zimmer des Blonden und beobachtete seinen Klassenkameraden dabei, wie er gerade seine wenigen Klamotten aus dem Schrank in die Tasche packte.

„Fertig, Wheeler?“

Die kalte, dunkle Stimme ließ Joey nicht nur in seinen tiefen Gedanken erstarren und er warf dem Größeren einen beinahe panischen Blick zu.

„Oh… H-Hallo. Ja, ich bin gleich fertig. Du bist aber früh.“

„Mokuba wirst du später bei uns Zuhause sehen. Er hat heute noch Training.“

„Ja, das sagte er gestern. Ähm…“ Joey wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Die Fixierung des Brünetten mit seinen eisigen Saphiren machte ihn nervös.

„Danke, dass ich bei euch wohnen darf, Seto. Das ist wirklich nett von d-...“

„Kaiba!“, schnitt ihm der Brünette scharf das Wort ab. Joey wäre am liebsten ins Bett zurückgesprungen und hätte sich die Decke über den Kopf gezogen. „Du nennst mich gefälligst Kaiba! Wage es ja nicht noch einmal, meinen Vornamen in den Mund zu nehmen, Köter! Sonst lernst du mich richtig kennen!!“

„E-Entschuldige.“ Der Blonde fuhr sich mit leicht zittrigen Händen durchs Haar. „I-Ich wusste nicht…, die anderen darf ich auch beim Vornamen nennen.“

„Pack deine wenigen Habseligkeiten zu Ende, beeil dich!“

Mit einem Knallen fiel die Tür ins Schloss und Joey atmete brüchig ein und aus.

Der Brünette konnte ihn wirklich überhaupt nicht leiden.
 

Draußen im Gang versuchte Kaiba seine Wut unter Kontrolle zu bekommen.

Es war nicht unbedingt die Tatsache, dass der Blonde seinen Vornamen benutzt hatte, was ihn so in Rage versetzte. Bislang hatten die beiden kein gebräuchliches Wort miteinander gewechselt, und Wheeler hatte jegliche Erinnerung verloren. Woher hätte er also wissen sollen, dass Kaibas Vorname absolut tabu war?

Dessen war sich Kaiba bewusst. Das war auch nicht der Grund für seinen Zorn, dieser rührte vielmehr von dem einschneidend-veränderten Charakter des Blondschopfes her.

Wheeler hatte immer eine große Klappe gehabt, eine noch größere ihm gegenüber.

Zwar nie wirklich inhaltlich-verbal gegen ihn gewachsen, aber niemals ängstlich oder gar furchtsam.

Wheeler war aufbrausend, laut, unüberlegt, tollpatschig und absolut hitzig in seinem Gemüt. Aber nicht so… nicht so, wie jetzt.

Leise, bedacht, vorsichtig – fast schon scheu zu nennen.

Dieser neue Wheeler war ihm zuwider, das war nicht sein Köter!

Mit ausladend großen Schritten lief der große Seto Kaiba im weißen Krankenhausflur auf und ab und versuchte, seine rotierenden Gedanken bezüglich des Blondschopfes unter Kontrolle zu bekommen.

Erst als sich die Tür von dessen Zimmer öffnete und Wheeler nach draußen trat, blieb er stehen.

„Hast du alles?“ Der Blonde nickte nur wortlos und folgte dem CEO mit gesenktem Blick in Richtung Fahrstuhl.

Aller Anfang ist schwer

So, endlich habe ich es zeitlich geschafft, dass nächste Kapitel zu schreiben.

Obwohl ich nicht so Recht wusste, wie ich es inhaltlich fülle, konnte ich es dann doch auf einen Rutsch schreiben.

Viel Spaß beim lesen! :)
 

Aller Anfang ist schwer
 

Die gesamte Fahrt, über redeten die beiden Schulkameraden kein Wort miteinander. Joey war noch immer mehr als höchst eingeschüchtert und wagte noch nicht einmal, einen Seitenblick zu dem Brünetten zu werfen.

Sein Herz schlug so laut und hart gegen seine Brust, dass er Angst hatte, der Ältere könnte es hören.

Wieso reagierte sein Körper nur so heftig auf die Anwesenheit von Se- … Kaiba!

Wenn er sich doch nur an seine Vergangenheit erinnern könnte, verdammt!

Es war nicht die sichtliche Abneigung, die sein Klassenkamerad ihm gegenüber hegte, was ihn so nervös werden ließ.

Es waren auch nicht die spöttelnden Worte, die gehässigen Kosenamen…

Nein, es war irgendetwas anderes. Nur was, das konnte der blonde Oberstufenschüler noch nicht sagen.

Wieso hatte ihn Kaiba nur so auf dem Kieker?

Es schien ihm so, als hätte der Brünette eine wahre Freude daran, ihn bloßzustellen.

Unruhig rutschte er auf den teuren Ledersitzen des roten Sportwagens hin und her und wünschte sich, trotz aller Fremde, wieder im Krankenhaus zu sein.

Als Mokuba ihm erzählt hatte, dass er die nächste Zeit bei ihm und seinem großen Bruder wohnen würde, hatte er sich zuerst sehr gefreut.

Er hatte sich sicher und gut aufgehoben gefühlt, doch so langsam fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, in der psychologischen Abteilung des Hospitals zu bleiben.

Seine Handflächen waren feucht, sein Puls raste und er war sich sicher, dass er gleich nach der Ankunft sein schweißgetränktes Shirt wechseln musste.

Er hatte unheimliche Angst vor der ungewissen Zukunft, die vor ihm lag…
 

„Wir sind da!“

Kaibas Information war keineswegs freundlich gemeint. Seine Stimmlage schien noch gereizter als vorher zu sein, dabei hatte Joey keine einzige Frage während der Fahrt gestellt.

Der Blonde hatte nicht einmal Zeit, die neuen Umgebungseindrücke zu verarbeiten, da riss ihm der Brünette schon die Beifahrertür auf.

„Steig aus, Köter, bevor du meinen Wagen mit deinen Zotteln vollkommen ruinierst. Im Gegensatz zu dir habe ich nicht den ganzen Tag Zeit!“

Joey leistete den Anweisungen sofort hastig Folge und fing eher automatisch seine Tasche auf, die Kaiba ihm unsanft entgegenwarf.

„Los, beeil dich!“

Mit ausladenden Schritten ging der Brünette, den kiesbedeckten Weg der riesigen Villa nach oben und erklomm die steinerne Treppe. Sein Klassenkamerad folgte ihm eilig.

Eingeschüchtert sah sich Joey in der großen Eingangshalle um, die sich sogleich vor ihm erstreckte, nachdem Kaiba die dunklen Eingangstüren geöffnet hatte.

Richtig. Tristan und Duke hatten ihm irgendetwas davon erzählt, dass Kaiba seine eigene Firma hatte und demnach sehr vermögend war.

„Wheeler! Sabber nicht auf den guten Boden, bei Fuß!“

Abermals fragte sich der Blonde, was er seinem Klassenkameraden eigentlich getan hatte, dass dieser Ton seinerseits gerechtfertigt war.

Schweigsam hastete er die rechte, mit Teppich ausgelegte Treppe nach oben, um Kaiba in das erste Stockwerk zu folgen.

Kam es ihm nur so vor, oder wurden die Schritte des Brünetten immer größer und hastiger?

Und wenn ja, dann aus Wut oder wirklich gar aus Flucht? Vielleicht wollte er das Ganze hier auch so schnell hinter sich bringen, wie Joey.

Er versuchte seine Schritte dem Anderen anzupassen und joggte ihm beinahe den Weg durch die langen Gänge hinterher.

Durch die Stille kam es ihm wie eine Ewigkeit vor, bis sein Klassenkamerad vor einer Tür anhielt.

„Hier ist dein Zimmer, Wheeler.“

Der geöffnete Eingang gab einen Blick frei auf einen großzügig geschnitten Raum, der in warmen Pastellfarben gehalten war.

Eine teuer aussehende Polsterecke mit passendem Tisch war ebenso vertreten wie ein himmlisch aussehendes Bett und eine passende TV-Anlage.

Direkt ihm gegenüber erstreckte sich eine große Glaswand, die allem Anschein nach eine Tür enthielt, hinter der sicherlich ein Balkon war.

Gleich neben dem Bettgestell war eine weitere, dunkle Tür.

„Dahinter ist dein separates Bad“, erklärte ihm Kaiba nur knapp, der seinem Blick wohl gefolgt war. „Deine Klamotten hat Mokuba freundlicherweise schon im Schrank einsortiert. Wenn es dir so nicht passt, kannst du es ja umräumen. Dein Koffer ist unter dem Bett. Ich habe keine Ahnung, was Muto und die anderen noch eingepackt haben. Schau selber nach.“

Der Kleinere nickte bloß und versuchte dem Älteren nicht zu lang in die Augen zu sehen.

„Tja, Wheeler… In nächster Zeit wird das wohl dein Zuhause sein. Glaub mir, das passt mir noch weniger als dir, also komm mir bloß nicht so oft in die Quere. Frühstück gibt es ab sechs Uhr dreißig, das Mittagessen wirst du in der Schule einnehmen und Abendessen gibt es um neunzehn Uhr. Wenn du dich verspätest, ist das dein Pech – dann gibt es nichts zu essen. Wenn du das Zimmer irgendwie verwüstest, dann schmeiß ich dich raus. Wenn du Mokuba irgendwelche dummen Gedanken in den Kopf setzt,schmeiß ich dich ebenfalls raus. Und wenn du es jemals wagen solltest, unerlaubt in mein Arbeitszimmer zu kommen, dann…“

„Schmeißt du mich raus“, vervollständigte Joey den Satz des Anderen und hob beschwichtigend die Hände. „Keine Sorge. Ich tue nichts, ich mache nichts, ich sage nichts, okay?“

„Das wäre ja mal was ganz Neues.“ Kaiba konnte die Häme in seiner Stimme nicht unterdrücken und warf dem Blonden einen scharfen Blick zu. „Ich beobachte dich, Wheeler. Verlass dich drauf!“

„Mein Name ist Joey“, versuchte der Jüngere nun die Atmosphäre zu entspannen, doch der Größere winkte nur ab.

„Was du nicht sagst, Köter!“ Nachdrücklich zog der Brünette die Tür hinter sich zu und ließ Joey alleine in dem fremden Zimmer zurück.

Nun fühlte sich der Blonde noch nervöser als vorher. Hier, in diesem großen Haus, wo ihn sein Klassenkamerad überhaupt nicht wollte – und das alles nur, weil er seinem kleinen Bruder anscheinend das Leben gerettet hatte.

Mokuba hatte ihm davon erzählt, sich tausend Mal bedankt, aber er konnte sich an rein gar nichts erinnern.

Langsam ließ er sich auf das große Bett sinken und begann seine Finger zu kneten.

Die Stille um ihn herum war noch erdrückender, als es zwischen ihm und Kaiba gewesen war.

Auch wenn er keinerlei Erinnerungen an sein altes Leben hatte, wusste er nach dem Aufwachen im Krankenhaus nur eines allzu gut: Er hasste es, alleine zu sein.

Diese Ruhe schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihn beinahe panisch atmen.

Er wagte nicht, nach Kaiba zu suchen. Die Folgen wären sicherlich verheerend gewesen.

Alles in der Haltung des Brünetten drückte aus, dass dieser keinen Wert auf seine Anwesenheit legte.

Um Fassung ringend vergrub er sein Gesicht in den Händen und versuchte ruhig zu werden, was ihm nur langsam und schwerlich gelang.

Wenn er sich doch nur erinnern könnte…

An irgendeine Erinnerung, einen Ausschnitt, einen Satz – an irgendetwas!

Doch je mehr er es versuchte, umso mehr Leere herrschte in seinem Kopf und umso schlimmer wurden seine Migräneschübe, die er seit dem Unfall hatte.

Aufseufzend ließ er sich rücklings in die Matratze fallen und schloss die Augen.

Vielleicht würde er wenigstens irgendetwas Schönes träumen…?
 

Der CEO der Kaiba Corporation hatte sich inzwischen in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und rief einige Dateien in seinem Rechner auf, die er nochmals überarbeiten wollte.

Eigentlich hätte er dringend in die Firma zurückgemusst, um die Produktion einer neuen Spielekonsole zu überwachen, jedoch wagte er nicht, seinen Klassenkameraden allein zu lassen.

Wer wusste schon, zu was Wheeler in seinem beeinträchtigten Zustand fähig war?

Er wollte auf keinen Fall, seine Villa halb abgebrannt und mit einem hektisch hin und her rennenden Köter wiederfinden.

Er war nur dazu verpflichtet, zu warten, bis Mokuba von seinem Fußballtraining zurückkam. Dann konnte er Wheeler ihm überlassen auch, wenn ihm diese Aussicht auch nicht gerade recht war.

Der Jüngere hatte seinen kleinen Bruder schon oft auf dumme Gedanken gebracht, darauf konnte der Brünette verzichten. Immerhin hatte er Wheeler bezüglich dieses Themas gewarnt.

Er gab es zwar nicht gerne zu – schon gar nicht, sich selbst gegenüber – aber er wusste noch weniger als früher, wie er mit Wheeler umgehen sollte.

Damals war es noch wesentlich einfacher gewesen. Er hatte seinem Klassenkameraden irgendwelche hämischen Bemerkungen oder böse Kosenamen an den Kopf geschmissen und dieser war laut meckernd an die Decke gegangen.

Amüsant, spaßig und ein netter Zeitvertreib gegenüber dem eintönigen Schulalltag war es gewesen.

Nur Wheeler hatte einzig und allein das Temperament besessen, ihm entgegenzutreten – auch, wenn er immer den Kürzeren gezogen hatte.

Heimlich hatte er den Kämpferwillen des Kleineren bewundert, doch nun war alles anders.

Jetzt schien es ihm egal, was er anbrachte oder sagte. Wheeler reagierte nicht mehr.

Nur ausweichend oder gar ganz schweigend, und das ärgerte ihn. Ja, es machte ihn rasender als jeder dummer Kommentar aus alten Tagen.

Doch er würde schon dafür sorgen, dass dieser dämliche Köter sein Gedächtnis wiedererlangte. Er würde sich schon wieder an ihn erinnern, dessen war er sich sicher.
 

Als Mokuba gegen frühen Abend zurück in die Villa kam, prallte er beinahe gegen die schneidende Stille zwischen Joey und seinem Bruder, die sich quasi durch das gesamte Haus gezogen hatte.

Zuerst hatte er vorgehabt, Seto aufzusuchen um ihn zu fragen, wie er sich mit Joey arrangiert hatte. Aber diese Idee schien ihm nicht mehr gut, nachdem er die wütende Stimme seines großen Bruders durch die gesamte erste Etage schallen hörte.

Immerhin war es nicht der Blonde, den er so zur Schnecke machte, sondern nur ein Angestellter, mit dem er anscheinend telefonierte.

Offenbar handelte es sich um einen Fehler der Grafikabteilung, der seinen Bruder unerklärlicherweise wütender machte, als es nötig gewesen wäre.

Mokuba verzichtete darauf, in das Arbeitszimmer zu gehen. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, dass Seto eher auf Joey wütend war - wieso auch immer. – und nicht auf den unwissenden Angestellten.

Seufzend machte er sich auf den Weg zu dem Zimmer, in dem der Klassenkamerad seines Bruders untergebracht war, und klopfte an.

„J-Ja… herein.“

Joeys leise Stimme klang nervös angespannt und der Kleine fragte sich im Stillen, mit welchen Drohungen sein Bruder wieder gekommen war.

Der Blonde war viel leichter einzuschüchtern als damals und er bekam das dumpfe Gefühl, dass Seto diese Tatsache schamlos ausnutzte.

„Hey, Joey. Ich bin’s.“ Lächelnd steckte er den Kopf ins Zimmer. „Darf ich reinkommen?“

„Mokuba… natürlich. Wie war das Fußballtraining?“

Joey saß im Schneidersitz auf dem Bett und fuhr sich durch seinen wirren Haarschopf. Sein Gesicht sah etwas zerknautscht aus und seine Augen waren kleiner als sonst.

„Hast du geschlafen?“

„Ja, etwas. Mir war danach.“

„Wieso auch nicht. Das Fußballtraining war wie immer, nichts Spektakuläres“, beantwortete er etwas verspätet die Frage des Anderen und setzte sich neben diesem auf die Matratze. „Wie geht’s dir denn so?“

„Och ganz gut.“ Seine ganze Mimik enttarnte Joeys Lüge leicht, woraufhin Mokuba den Kopf leicht schieflegte.

„Habt ihr euch gestritten, du und Seto?“

„Nein, nicht direkt.“ Unwohl rieb sich der Blonde die Arme. „Naja, ich bin ihm wohl im Krankenhaus vorhin etwas auf den Schlips getreten.“

„Inwiefern?“

„Ich hab ihn beim Vornamen genannt.“

Nun musste Mokuba breit grinsen. „Nein, wirklich? Er ist bestimmt an die Decke gegangen.“

Während der Kleinere kicherte, sah ihn Joey beinahe vorwurfsvoll an.

„Ich fand’s nicht besonders witzig. Beinahe hätte er mich erschlagen.“

„Ach, Hunde die bellen, beißen nicht.“

„Du solltest nicht so über deinen großen Bruder reden.“ Die braunen Augen des Blondschopfes huschten so panisch im Zimmer hin und her, so als hätte er Angst, dass Kaiba Abhörgeräte installiert haben könnte.

„Ach, nimm dir das nicht so zu Herzen. Früher hat es dich doch auch nicht gestört.“

„Ach ja, wirklich?“ Nun war Joey mehr als interessiert. Yugi und die anderen hatten es immer vermieden, mit ihm über den Brünetten zu sprechen. „Haben wir uns denn oft gestritten?“

„Oft? Das ist eine Untertreibung. Es war vielmehr ein tägliches Ritual bei euch. Du hast Seto immer als Einziger auf die Palme gebracht. Ich glaube sogar, dass er es insgeheim mag, sich mit dir zu streiten.“

„Nein, bestimmt nicht.“ Der Blonde schüttelte den Kopf und sah wehmütig zu Boden. „Ich glaube, dein Bruder verabscheut mich.“

„Was? Ach nein, bestimmt nicht.“ Mokubas Lächeln minderte sich keine Sekunde. „Seto verabscheut dich keineswegs. Sonst würde er dich nicht immer anstacheln.“

Die Antwort des Blonden war Stille, darauf wusste er nun nichts mehr zu sagen. Immerhin kannte er sich selbst nicht mehr richtig, wie hätte er Kaiba dann kennen sollen?

Mokuba verstand auch ohne Worte, dass Joey das Thema nicht mehr weiter vertiefen wollte. Es musste auch schon so schwer genug für ihn sein.

„Komm, wir gehen was essen. Ich hab mordsmäßigen Hunger“, entschied er kurzerhand, um die bedrückenden Gedanken des Anderen zu vertreiben.

Es funktionierte, Joey sah ihn beinahe panisch an.

„Was? Aber es ist erst achtzehn Uhr zehn.“

„Hast du denn keinen Hunger?“

„Doch, schon…“ Joey griff sich an seinen Bauch. „Aber dein Bruder hat zu mir gesagt, dass es erst ab neunzehn Uhr Abendessen gibt.“

„Ach, Seto...“ Der Jüngere winkte leichthin ab. „Der wollte dich nur einschüchtern. Komm schon!“

Streitigkeiten

Ich weiß, diesmal habe ich ziemlich lange auf ein neues Kapitel warten lassen.

Aber jetzt ist es fertig und ich hoffe, es gefällt.

Über eure Meinung würde ich mich sehr freuen.
 

Vielen Dank für 48 Favoriteneinträge und 22 Kommentare! :)
 

Streitigkeiten
 

Joey Wheeler konnte kochen.

Er konnte kochen ohne – wie auf seine übliche Art – alles umzuwerfen, in Scherben zu setzen oder aus Versehen anzuzünden.

Mokuba war erstaunt und beeindruckt, hatte er doch zuerst etwas Angst um ihre Designerküche gehabt. Sein großer Bruder hatte zwar den blonden Chaoten bei ihnen aufgenommen, aber seine überstrapazierten Nerven wären sicherlich gerissen, sobald ein Feuer in ihrer Villa ausgebrochen wäre.

Doch diese Angst war unbegründet, denn Joey werkelte so geschmeidig und sauber an der großen Küchenzeile, als hätte er dies schon hunderte Male gemacht.

Seine Handgriffe waren gezielt und präzise, so kannte Mokuba den Blonden gar nicht.

„Das machst du heute nicht zum ersten Mal, oder?“

„Ich habe keine Ahnung, immerhin kann ich mich an nichts erinnern. Aber zum ersten Mal, seit ich im Krankenhaus aufgewacht bin, fühle ich mich sicher.“

Über Joeys Lippen huschte ein beinahe befreiendes Lächeln, während er das geschnittene Rindfleisch zu den glasig angebratenen Zwiebeln in die Pfanne gab und diese schwenkte.

Vorhin hatte er die edel aussehende Küche betreten und auf einmal seine ganze Scheu verloren.

Sobald er den riesigen, gefüllten Kühlschrank gesehen hatte, waren ihm tausende von exzellenten Gerichten in den Kopf geschossen und sein Tatendrang war unerschöpflich gewesen.

„Das ist Wahnsinn, Joey, wirklich.“

Mokuba starrte mit ungläubigen Augen auf den wirklich vorzüglich angerichteten Salat mit Gambas und konnte noch immer nicht fassen, dass der Blonde ihn angerichtet hatte. Zum Glück hatte er dies mit eigenen Augen gesehen.

„Weißt du, was ich glaube? Du hast bestimmt einen Job als Koch.“

„Denkst du?“ Auch der Blonde hatte sich darüber so seine Gedanken gemacht, während er mit schnellen Handbewegungen das Essen zubereitet hatte.

Die Arbeit war ihm so leicht von der Hand gegangen und irgendwie hatte er gewusst, was er hatte tun müssen.

„Um ehrlich zu sein, habe ich mir schon so etwas Ähnliches gedacht, Mokuba. Aber immerhin bin ich Oberschüler und es ist doch verboten, neben der Schule zu arbeiten.“

Von dem Schwarzhaarigen kam ein belustigtes Schnauben. „Ach, und was ist mit Seto?“

„Dein Bruder ist ja wohl eine Ausnahme.“ Joey warf die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach, während er das Fleisch mit geübten Bewegungen in der Pfanne wendete. „Mein Kochtalent würde aber erklären, warum ich so schlechte Schulnoten habe.“

„Woher weißt du, dass du nicht so gut in der Schule bist?“

„Von Tea. Die liegt mir seit Tagen in den Ohren, dass meine Amnesie die Chance ist, endlich meinen grottenschlechten Zeugnisdurchschnitt aufzubessern. Als ob ich keine anderen Probleme hätte!“

Joey nahm es der Braunhaarigen nicht übel, immerhin meinte sie es nur gut. Doch aufgrund seines Gedächtnisverlusts stand die Wiedererlangung seiner Erinnerung an erster Stelle, und nicht seine verbesserungswürdigen Schulnoten.

Im Moment war er nur froh, wenigstens etwas so Banales wie Kochen im Griff zu haben. Endlich fühlte er sich nicht mehr so ausgeliefert und schutzlos, wie in den letzten Tagen.

„Wenn du einen Job als Koch hast, heißt das doch, dass du Geld brauchst.“, knüpfte Mokuba nun sogleich an und bedachte den Blonden mit einem nachdenklichen Blick. „Ich meine, normalerweise arbeitet man als Schüler nicht.“

„Falls ich arbeite.“, wandte Joey sogleich ein, während er das fertige Rindfleischgericht mit ein paar Gewürzen abrundete und den fertigen Reis noch einmal durchrührte. „Und wenn ich arbeiten sollte, dann doch wohl, weil ich und mein Vater nicht genug Geld haben.“

Daraufhin schwieg Mokuba, und beschränkte sich lieber darauf, den Tisch für sie beide zu decken.

Was immer er in den letzten Tagen von Yugi und den anderen über Joeys Vater aufgeschnappt hatte, ließ nur erahnen, dass dieser keinen guten Kern hatte. Der Blonde täte gut daran, ihm nicht zu begegnen, solange er in diesem unsicherem Zustand war.

„Kennst du meinen Vater?“ Auf die Frage des Anderen schüttelte der kleine Kaiba wahrheitsgemäß den Kopf und schimpfte sich im Stillen selber darüber, dass sie beide in dieses Gesprächsthema gerutscht waren. „Auch an ihn kann ich mich nicht erinnern, weißt du.“ Der Blonde seufzte geschlagen, während er den Salat in Schälchen füllte und auf den gedeckten Tisch stellte.

„Vielleicht ist das besser so, Joey.“ Mokuba versuchte seine Worte mit Bedacht zu wählen. „Yugi und die anderen meinten, dass du ihm in nächster Zeit besser nicht begegnen solltest.“

„Ja, ich weiß.“ Der Blonde nickte, hatte er diese Aussage doch auch von Tristan gehört.

Auch wenn er rein gar nicht verstand, was ihm seine Freunde damit sagen wollten, vertraute er ihnen.

Zwar war er neugierig auf seinen Vater und seine verlorene Erinnerung, jedoch hatte er ein ungutes Gefühl in der Magengegend, was dieses Thema anbelangte.

Fast war es so, als würde sich sein Unterbewusstsein automatisch wehren, sich an sein Zuhause zu erinnern – und dies war sicherlich kein gutes Zeichen.

„Weißt du was, Mokuba? Als Nachtisch mache ich uns eine selbstgemachte Himbeerquarkspeise.“

„Super!“
 

Das Abendessen zwischen Joey und Mokuba verlief in allgemeinen, ungezwungenen Themen, die hauptsächlich daraus bestanden, wie der erste Schultag des Blonden ablaufen würde.

Der Blonde wollte sich nicht mit diesen vielen, verwirrenden Fragen aufhalten, was seine ausgelöschte Vergangenheit anbetraf, sondern lieber über das Hier und Jetzt nachdenken.

Es war schon kurz nach halb acht abends, als der Tisch abgeräumt war und das dreckige Geschirr in der Spülmaschine seinen Platz gefunden hatte.

„Will Kaiba denn gar nichts essen?“ Joey war es seltsam vorgekommen, dass sich sein Schulkamerad während der ganzen Zeit nicht in der Küche hatte blicken lassen.

„Seto vergisst immer zu essen. Er ist regelrecht besessen von seiner Arbeit.“ Sein kleiner Bruder rollte entnervt mit den Augen. „Wenn ich ihm nicht regelmäßig etwas zu Essen bringen würde, würde er sich nur von Kaffee ernähren.“

Der Blonde schüttelte leicht den Kopf. „Kochst du dir denn jeden Abend selbst?“

„Nein, nur wenn ich das Personal nach Hause schicke. Aber meist leistet mir unsere Köchin beim Essen Gesellschaft.“

„Ihr esst nie zusammen?!“ Joey war geschockt. Das gemeinsame Abendessen einer Familie war in seinen Augen ein unantastbares, wertvolles Ritual.

Doch Mokuba schien sich schon damit abgefunden zu haben, denn er zuckte nur leichthin mit den Schultern.

„Nein. Aber das macht mir schon lange nichts mehr aus. Seto würde so oder so an seinem Laptop während des Essens herum tippen und sich nicht richtig mit mir unterhalten. Da ist mir unsere Köchin lieber, die hört mir wenigstens zu und gibt mir Antworten.“

„Dieser Kerl kann doch nicht nur arbeiten! Irgendwann muss er doch Hunger bekommen.“

„Wir frühstücken immer zusammen, aber dort isst er auch nicht besonders viel, außer ein bisschen Reis und Gemüsebrühe.“

„Kaiba ist mir wirklich ein Rätsel.“ Kritisch warf Joey einen Blick auf das Essen, dass er für den Brünette aufgehoben hatte. Das Rindfleischgericht war schon längst erkaltet, aber zum Glück gab es ja Mikrowellen.

„Hast du was dagegen, wenn ich deinem Bruder das Abendessen bringe?“

„Nein, mach ruhig. Die fünfte Tür von links ist sein Arbeitszimmer im oberen Stockwerk. Aber glaub bloß nicht, dass er freundlich zu dir sein wird.“

„Keine Sorge, diese Hoffnung habe ich so langsam begraben.“ Der Blonde seufzte geschlagen, sein Entschluss stand aber fest.

Irgendwie hatte er das eigentümliche Verlangen, mit dem Brünetten über das heikle Thema „Abendessen“ zu reden.
 

Kaiba hatte wieder einmal nicht bemerkt, wie lange er an seinem Laptop saß. Die Zeit verging wie im Fluge und es schien ihm so, als wäre er trotzdem keinen Schritt vorangekommen.

Dauernd musste er an das Problem mit dem Köter denken und konnte sich zum ersten Mal, seitdem er denken konnte, nicht richtig konzentrieren.

Mit einem lauten Schnauben ließ er sich in seinen Lederstuhl zurückfallen und verfluchte seinen dümmlichen Klassenkameraden, der ihn jetzt schon in seinen Gedanken einzuholen drohte.

Dabei hatte er den Kleineren doch schon am Hals… in seiner Villa!

Ein zögerliches Pochen an der Tür ließ ihn aufsehen. Seine Mundwinkel zuckten hoch, da er sich schon denken konnte, wer da im Gang vor seinem Arbeitszimmer stand.

Mokuba klopfte nicht, immerhin war das hier auch sein Zuhause, und somit kam nur eine andere Person in Frage.

Immerhin hatte er dieser Person gedroht, dass er ihn rausschmeißen würde, wenn er sein Arbeitszimmer ohne Erlaubnis betreten würde.

„Herein.“

Seto hätte sich im Traum nicht ausgemalt, dass der blonde Köter mal seine vier Wände betreten würde. Vor allem nicht, dass er ein Tablett mit Essen in den Händen halten würde.

„Hallo Kaiba. Ich bringe dir dein Abendessen.“

„Wirklich überaus freundlich von dir, Köter. Wenigstens machst du dich etwas nützlich, wenn du schon auf meine Kosten hier wohnst.“

Joey verkniff sich jeden Kommentar, was Setos Laune keineswegs steigerte. Der Blonde war sonst auf jede Aussage von ihm in die Luft gegangen.

Er vermisste regelrecht die Wutausbrüche des Kleineren.

„Gamba-Salat, süß-saures Rindfleisch mit Reis und als Nachttisch eine Himbeerquarkspeise. Ich hoffe, es schmeckt dir.“

Selbst wenn es ihn umbringen würde, Joey hatte sich geschworen, diplomatisch mit seinem zänkischen Schulkameraden umzugehen.

Eine fein geschwungene Braue des Brünetten erhob sich, während er einige Sekunden auf das vollbeladene Tablett sah, welches der Andere ihm hingestellt hatte.

„Wer hat das gekocht?“

Er wusste genau, dass seine Köchin keine landestypischen Gerichte zubereitete. Abgesehen davon, gab es selten ein Dessert.

Die Frage des Brünetten ließ Joey innerlich in Abwehrhaltung gehen. Der Blick von Kaiba, mit dem er sein Gekochtes bedachte, gefiel ihm gar nicht.

„Ich und Mokuba. Na ja, Mokuba hat hauptsächlich das Gemüse geschnitten und ich habe das andere gemacht.“

„Das ist ja widerlich und höchst bedenklich.“

„Hey! Du hast es ja noch gar nicht probiert!“ Nun war Joey wirklich angesäuert, langsam verdunkelten sich seine braunen Augen. „Mokuba hat es sehr gut geschmeckt.“

„Er ist bloß überaus höflich, diskret und taktvoll.“

Kaibas Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln, als Wheeler seine Hände in die Hüften stemmte. Endlich kam wieder etwas Kampfgeist in seinen Köter.

„Du musst es ja nicht essen, wenn du nicht willst.“ Joey war versucht, das Tablett wieder mitzunehmen, doch Kaibas hochmütiger Blick hinderte ihn daran. Diesmal wollte er nicht klein beigeben.

„Und im Übrigen könntest du dir etwas von der Höflichkeit deines Bruders angewöhnen. Von dir hat er sie nämlich nicht geerbt.“

„Wie habe ich das zu verstehen?“

„So wie ich es sage, Kaiba. Verstehst du es etwa nicht?“

„Drück dich deutlicher aus, Wheeler, und hör auf zu kläffen!“

„Wieso esst ihr nicht zusammen zu Abend?“ Joey rang aufgebracht die Hände. „Mokuba hat mir gerade eben erzählt, dass er es ist, der dir dein Abendessen immer bringt, weil du ihn vor lauter Arbeit jeden Abend vergisst. Er isst mit eurer Köchin!“

„Es hat dich nicht zu interessieren, wie unser Tagesablauf aussieht. Du bist hier nur Gast, verstanden?“ Die Saphire des Älteren verdunkelten sich merklich. „Meine Arbeit ist unser Lebensunterhalt, nur deswegen leben wir hier. Meine Essgewohnheiten lass meine Sorgen sein.“

„Wer redet denn von dir? Ich habe Mokubas Wohl im Auge. Immerhin tut es ihm nicht gut, jeden Abend mit der Köchin zu essen. Du bist sein großer Bruder und solltest mit ihm essen, und dich nicht alleine hier vergraben.“

„Ich wiederhole mich gerne nochmal, Köter! Es hat dich einen feuchten Kehricht zu interessieren, wie das Leben von mir und meinem kleinen Bruder aussieht. Wie wir leben, was wir machen, wann wir essen und wie wir essen hast du nicht zu bestimmen.“

„Ach ja?“

Diesmal wich der Blonde nicht zurück, als sich der Ältere aus seinem Stuhl erhob und sich beinahe bedrohlich vor ihm aufbaute.

Starr blickte er Kaiba in die Augen. „Dann spitz mal deine Ohren, Kaiba! Solange ich das Vergnügen habe, in deinem Haus zu wohnen, wird dir niemand mehr das Abendessen bringen. Weder ich, noch Mokuba, noch die Köchin, noch irgendein anderer von deinen zahlreichen Angestellten. Solange du dich nicht mit uns an den Tisch setzt, bekommst du kein Essen mehr!“

Ein dunkles Lachen entwich der Kehle des Brünetten. „Wirklich? Seit wann gibst du hier Befehle in diesem… in meinem Haus, Köter?!“

„Verdammt…! Du aufgeblasener, eitler, blasierter Kerl! ICH BIN KEIN HUND!!“

Joey wusste nicht, wie es geschah, nur, dass es geschah. Auf einmal hatte er die Schale mit dem Himbeerquark in der Hand und nur Sekunden später klebte das Dessert in dem Gesicht seines Klassenkameraden.

Einige Sekunden herrschte gespenstische Stille, die der Jüngere nutzte, um einige Schritte Sicherheitsabstand zwischen sie beide zu bringen.

„Tja, danke für dieses aufschlussreiche Gespräch, Kaiba…“

„Wheeler…“

„… ich gehe dann mal in mein Zimmer. Guten Appetit noch und so…“

„WHEELER!!“
 

Mokuba, der in seinem Zimmer saß und gerade dabei war seine Hausaufgaben zu machen, schreckte hoch, als lautes Poltern im Gang zu hören war und mehrere knallende Geräusche von Türen erfolgten. Joeys panischer Schrei mischte sich in noch nie gehörte, wüste Flüche seines großen Bruders, während dieser wohl vergeblich versuchte, durch die gerade zugeschlossene Tür seines Klassenkameraden zu kommen.

Der Schwarzhaarige grinste breit, während sich die Stimme von Seto immer mehr erhob, bis sie beinahe als schrill zu bezeichnen war.

Joey würde sicherlich etwas mehr Schwung in ihrer beider Alltag bringen.

Annäherungen

Hallo, meine Lieben! ^__^
 

Dieses Kapitel ließ - leider - lange auf sich warten aber jetzt ist es da.

Ich habe mir wirklich Mühe damit gegeben, jedoch weiß ich nicht so ganz wie ich es im Gesamtpaket einschätzen soll.

Ihr könnt euch ja jetzt selbst ein Urteil machen.

Eure Meinungen, Vorschläge etc. sind wie immer erwünscht.
 

Nun viel Spaß beim lesen! *wink*
 

Liebe Grüße, Mihikoru
 

Annäherungen
 

„Du hast ihm das Dessert ins Gesicht geworfen? Das ist ja göttlich!“

Duke konnte sich vor Lachen kaum noch halten, während auch Tristan sich seinen schmerzenden Bauch hielt.

Selbst Yugi schmunzelte hinter vorgehaltener Hand, nur Teas Mundwinkeln zuckten bloß hoch.

„Für euch ist das vielleicht lustig, Jungs, aber für Joey sicher nicht. Nun wird es ihm Kaiba noch schwerer machen, sich in seiner Villa einzuleben.“

„ Ja, leider.“ Joey seufzte grottenschwer. „Er hat seit gestern kein Wort mehr mit mir geredet. Dauernd schaut er mich nur böse an. Das ist ja beinahe unheimlich.“

Der Blonde lehnte sich gegen die weite Fensterfront ihres Klassenzimmers und schloss für einige Sekunden die Augen.

Die gemeinsame Fahrt mit dem Brünetten zur Schule hatte er nur mit größter Nervosität hinter sich gebracht. Die Luft zwischen ihnen war regelrecht zum Zerschneiden gewesen, so angespannt war die Situation.

Wieso hatte Mokuba auch unbedingt darauf bestanden, dass er zusammen mit seinem großen Bruder in der Limousine zur Schule fahren sollte?

Immerhin war der Kleinere auch mit dem Fahrrad gefahren. Wieso hatte er dann nicht auch laufen dürfen?

Gut, laut Mokuba war sein Orientierungssinn noch nie der beste gewesen, aber nach einer Wegbeschreibung hätte er doch seine eigene Schule sicherlich gefunden.

Der einzige Trost war gewesen, dass Yugi und die anderen schon vor dem Tor gestanden und auf ihn gewartet hatten. Kaiba war an ihnen allen vorbeistolziert wie ein Gockel und hatte sie keines Blickes mehr gewürdigt.

Während des Unterrichts hatte er sich mit keiner Silbe beteiligt, nur auf seinem mitgebrachten Laptop herum gehackt und als es zur ersten Pause geklingelt hatte, war er ohne ein weiteres Wort aufgestanden und aus dem Klassenraum verschwunden.

„Ist Kaiba in der Schule eigentlich immer so herzallerliebst?“

„Nein, meist sogar noch schlimmer.“ Duke grinste breit. „Das ist nichts Neues für uns und für dich auch nicht. Dürfte dich eigentlich nicht wundern.“

„Mich wundert im Moment alles.“, stellte der Blonde trocken fest und Tea nickte zustimmend.

„Was ja auch keine allzu große Überraschung ist.“

„Aber Joey, sag mal, hast du schon in deine Tasche geschaut, die wir dir zusammengepackt haben?“

Auf Yugis Frage hin schüttelte Angesprochener den Kopf. „Nein, bisher noch nicht. Meine Klamotten hangen schon im Schrank als ich ankam, aber in die Tasche habe ich noch keinen Blick geworfen. Gestern war es einfach zu stressig.“

„Das verstehen wir ja, trotzdem solltest du so schnell wie möglich nachsehen. Wir haben ein paar private Sachen von dir reingelegt. Vielleicht hilft dir das ja, dich an etwas zu erinnern?“

Tristan warf die Stirn in Falten. „Es war außerdem gar nicht so leicht, deine Klamotten und Habseligkeiten zu besorgen. Immerhin ist dein Vater ja…“

„Du Idiot! Klappe halten!“, fauchte ihn Tea hastig an, sodass sich ihr Kumpel erschrocken die Hand vor den Mund schlug.|

„Entschuldige. Vergiss es wieder, okay, Joey?“

„Und wenn ich es nicht vergessen will? Immerhin habe ich schon genug vergessen.“ Der Blonde sah eindringlich in die Runde seiner Freunde. „Ihr benehmt euch sehr mysteriös was mein Zuhause und meinen Vater angeht. Ich muss doch wissen, woran ich bin.“

„Joey, es ist zu deinem eigenen Besten.“ Beschwichtigend hob Yugi die Hände, sodass der Blonde ungeduldig mit der Zunge schnalzte.|

„Ja, das habe ich schon oft genug gehört in letzter Zeit. Aber wie soll ich mich dann an irgendetwas aus meinem alten Leben erinnern, wenn ihr mir alles verschweigt?“

„Aber doch nur das Unangenehme.“, wandte Tea ein. „Wir wollen nicht, dass du dich mieser fühlst als du es sowieso schon tust.“

„Vielleicht würde ich mich ja schneller erinnern, wenn ihr mir nicht nur das Gute erzählen würdet.“

Auf den Verweis des Blonden schwiegen die vier Freunde und tauschten nur sorgenvolle Blicke.

Jeder von ihnen hatte Hemmungen, das Thema zu Joeys Vater zu lenken.

Es kam den Freunden zugute, dass in diesem Moment der Gong zum Pausenende ertönte und sich der Klassenraum wieder lärmend füllte.
 

Als die Klingel das nächste Mal zur erweiterten Mittagspause ertönte, nabelte sich Joey von seinen Freunden ab, unter dem Vorwand, allein sein zu wollen.

Doch in Wahrheit war er enttäuscht von Yugi und den anderen, dass sie ihn so im Unklaren ließen und ihm nicht dabei helfen wollten, sich bezüglich seines Vaters schneller zu erinnern.

Der Blondschopf fühlte sich richtig unverstanden und wie ein kleines Kind betüddelt, dabei war er der Ansicht, dass er mehr verkraften konnte als ihm seine Freunde zutrauten.

So unverstanden wie er sich fühlte, schlug er ausgerechnet den Weg zur Bibliothek ein, wo er seinen brünetten Klassenkameraden vermutete.

Kaiba war abermals wortlos aus dem Unterrichtsraum verschwunden, sobald die Mittagspause angekündigt worden war. Bestimmt würde er nur weiter auf seinem Laptop arbeiten, sowie er es schon die anderen Schulstunden getan hatte.

Vielleicht war es irrational, aber der Brünette war als einziger hier wirklich ehrlich zu ihm.

Auch, oder gerade weil er Joey nicht mochte, nahm er kein Blatt vor den Mund und war, trotz der Amnesie, schonungslos offen zu ihm.

Das schätzte der Blonde schon irgendwie, immerhin wollte er nicht in Watte gepackt werden.

Über Joeys Lippen huschte ein kleines Lächeln, als er tatsächlich den großgewachsenen Brünetten an einem der langen Tische in der weitläufigen Bibliothek entdeckte.

Wie vermutet flogen die Finger von Kaiba wie in Trance über die Tastatur des Laptops, während seine saphirblauen Augen über den Bildschirm flogen.

Der Blonde kniff die Augen zusammen, als ihm kompliziert aussehende Diagramme und lange Tabellen gefüllt mit Zahlen entgegen flimmerten, und er konnte den Impuls nicht unterdrücken, den Firmenchef etwas zu bewundern.

Wann ruhte sich Kaiba eigentlich einmal aus?

Mit leisen Schritten näherte sich Joey dem Tisch an dem der Brünette saß und rückte einige ausgebreitete Dokumente zur Seite, um sich den Stuhl heranzuziehen.

„Hallo, Kaiba. Was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?“

Natürlich war diese Frage nur rein rhetorisch, denn Joey hatte sich schon längst auf dem Stuhl gegenüber dem CEO niedergelassen.

Kaiba schien ihn gar nicht zu beachten, oder beachten zu wollen.

Unermüdlich und ohne eine Gesichtsregung ging er seiner Arbeit nach und würdigte Joey keines Blickes.

„Bist du immer noch sauer auf mich wegen gestern?“ Seufzend lehnte sich der Blondschopf auf dem Stuhl zurück. „Ich habe mich doch schon entschuldigt. Es tut mir wirklich leid, aber du hast mich so wütend gemacht. – Aber eines musst du zugeben: Der Nachtisch hat doch bombastisch geschmeckt, oder?“

Endlich schien Kaiba zu reagieren. Er warf dem Kleineren einen scharfen Blick zu.

„Sehr unterhaltsam, Köter!“

„Immer wieder gern.“ Ein breites Grinsen huschte über Joeys Mimik, sodass der Blauäugige seine feingeschwungenen Brauen noch oben hob.

Er wurde in letzter Zeit wirklich nicht schlau aus Wheeler, er hatte sich total verändert.

„Warum bist du nicht beim Kindergarten?“

„Meinst du Yugi und die anderen? Ich habe im Moment keine Lust bei ihnen zu sein. Ich komme mir wie ein Kleinkind vor.“

„Nein, wirklich?“ In der Stimme von Kaiba schwang Spott mit, was Joey gar nicht lustig fand.

„Schön, dass du dich darüber amüsieren kannst, Kaiba. Tea behandelt mich schlimmer als eine Hebamme und Yugi lässt mich keinen Moment aus den Augen. Immerhin bin ich nicht gehirnbeschädigt, sondern habe nur mein Gedächtnis verloren. Ich stammele, spucke und sabbere nicht.“

„Nein, du bellst nur.“ Über die dünnen Lippen von Kaiba huschte ein belustigtes Lächeln, was Joey abwinkend hinnahm.

„Im Moment will ich einfach nur allein sein.“

„Und da kommst du zu mir, Wheeler?“

„Na ja, du hast angefangen dich mit mir zu unterhalten.“

Verflixt! Der Blonde hatte leider recht. Kaiba kniff die Lippen zusammen.

„Wenn du ruhig bist und mich nicht ablenkst, kannst du von mir aus hier sitzenbleiben.“, entschied der Brünette nun mit großzügiger Tonlage, woraufhin Joey eine Grimasse zog.

„Sehr wohl, Euer Majestät.“

„Brav so, Köterchen.“

Joey nahm die Spitze schweigend entgegen und ließ seinen Blick ins Leere wandern, während im Hintergrund die wieder aufgenommenen Tippgeräusche zu hören waren.

So verging einige schweigsame, ruhige Zeit zwischen den beiden ehemaligen Streithähnen und nur die Geräusche des Pausenhofs und dem eher ruhigeren Treiben der Bibliothek hallten hinauf.
 

Der Brünette versuchte zwar sich wieder auf seine Tabelle zu konzentrieren, aber so ganz gelang es ihm, ärgerlicherweise, nicht.

Mit einigen verstohlenen Blicken sah er zu Joey Wheeler herüber und wunderte sich abermals, wie ruhig und gelassen sein ehemals temperamentvoller Klassenkamerad war.

Er hätte nie gedacht den Tag einmal erleben zu dürfen, an dem der Köter vollkommen regungslos auf einem Stuhl saß und gedankenverlorenen aus dem Fenster sah.

Normalerweise kippelte er mit dem Stuhl, trommelte wie ein Clown darauf herum oder riss das Fenster auf, um einige dümmliche Sprüche in den Hof hinunter zu brüllen.

Zum ersten Mal fiel ihm das feingeschnittene Profil des Kleineren auf; die hohen Wangenknochen und die dichten Wimpern, ungewöhnlich für einen Mann.

Auch stellte Kaiba nun fest, dass Wheeler unterschiedlich helle Strähnen in seinem Haar hatte und einige davon – besonders im Bereich der Stirn und des Nackens – leicht gekräuselt waren.

Wheelers Augen waren schokobraun und er konnte darin nun ganz deutlich goldene Pünktchen erkennen, die im reflektierenden Licht des Fensters leicht schimmerten.

In diesem Moment wirkte der temperamentvolle junge Mann auf ihn fast zerbrechlich, beinahe schutzbedürftig.
 

Die Nackenhärchen von Joey stellten sich mit einem Mal auf, als ihm eine leichte Gänsehaut über den Rücken nach oben lief.

Er fühlte sich beobachtet und diese Ahnung stellte sich als richtig heraus, als er den Kopf drehte und direkt in stechende Saphire sah, die ihn eingehend musterten.

Einige Sekunden verdoppelte sich sein Herzschlag, bevor er schluckte.

„W-Was ist?“ Seine Stimme kippte etwas. „Habe ich was auf der Nase, Kaiba?“

Auch der Brünette schien etwas perplex aufgrund der Situation. Seine Lider blinzelten heftig, bevor er sich wieder fasste und seine gewohnt kühle Mimik aufbaute.

„Ich habe mich nur darüber gewundert, wie still du auf einmal sitzen bleiben kannst.“, beantwortete er wahrheitsgemäß die Frage des Kleineren.

Immerhin musste er Wheeler ja nicht sagen, dass er ihn gemustert hatte.

„Früher war ich wohl ziemlich zappelig und unruhig, oder?“

Auf Joeys Frage nickte der Brünette. „Das ist untertrieben. Du warst regelrecht nervtötend, du konntest deine Klappe nie halten.“

„Ach ja?“ Joey war keineswegs beleidigt, schürzte nur nachdenklich die Lippen. „Kaiba, kann ich dich was fragen?“

„Kommt darauf an.“ Der Brünette wusste nicht, wieso er sich schon wieder mit Wheeler unterhielt.

Wie hatte es überhaupt so weit kommen können, dass sie beide hier redselig in der Bibliothek saßen?!

„Kannst du mir etwas über meinen Vater sagen?“

Joeys Frage ließ Kaiba eine lange Zeit schweigen.

„Nein.“, beantwortete er dann schließlich kurz und knapp, während er leicht gereizt seinen Laptop herunterklappte.

„Wirklich nicht?“

„Wirklich nicht, Köter! Deine verkorksten Familienverhältnisse gehen mich nichts an!“

Wieso er auf einmal so aggressiv reagierte wusste er selbst nicht, aber irgendwas ärgerte er ihn an dem Gedanken, dass der Blonde nur zu ihm gekommen war, um ihn auszufragen.

„Okay, sei nicht gleich so sauer.“ Joey hob beschwichtigend die Hände, wollte jeden aufkommenden Streit irgendwie vermeiden. „Ich dachte nur, vielleicht weißt du ja etwas. Yugi und die anderen machen so ein großes Geheimnis draus. Das macht mich… wütend…“ Zum Ende hin wurde seine Stimme immer leiser und das ließ Kaibas Wut etwas abebben.

Wie Wheeler hier den Kopf hängen ließ, sah er mehr denn je wie ein Welpe aus.

„Laut Muto ist es wohl kein erfreuliches Thema.“, wandte Kaiba nun ein, sodass ein Nicken vom Kleineren kam.

„Ja, ich weiß schon. Es hätte ja trotzdem sein können, dass du etwas darüber weißt. Aber das war wohl zu viel verlangt. Ich meine, woher solltest du auch etwas darüber wissen? Immerhin sind wir ja keine Freunde, oder so.“

Der Brünette schwieg darauf, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, mit einer Bestätigung zu antworten. Jedoch hinderte ihn irgendetwas daran.

„Na ja, ich sollte mal zu den anderen gehen.“ Joey erhob sich langsam von seinem Stuhl und blickte den CEO leicht lächelnd entgegen. „Es ist wohl nicht gerade fair von mir, meine Freunde zu verurteilen. Immerhin meinen sie es ja nur gut. Ich sollte nicht beleidigt sein.“

Kaiba schwieg darauf, sah stattdessen nur dabei zu, wie sich der Blonde seine Tasche schnappte und an ihm vorbeilief.

„Wheeler?“

Sein Ausruf ließ den Anderen stoppen, Joey blickte fragend zurück.

„Nach dem Unterricht kommst du sofort mit mir mit. Ich will dir etwas zeigen.“

„Was denn?“

„Das siehst du dann.“

Um Kaibas schmalen Mund spielte die Andeutung eines Lächelns, doch freundlich war es keineswegs.

Joeys schwante Übles, auch, wenn er dem Brünetten nichts wirklich Schlimmes zutraute.

„Okay“, antwortete Joey bereitwillig, bevor er sich wieder umwandte und die Bibliothek verließ.

Zurück blieb ein Seto Kaiba, der mit nachdenklichem Blick ins Leere sah.

Wieso hatte er sich mit Joey Wheeler unterhalten und dann auch noch ernsthaft?

Das gefiel ihm gar nicht.

Er würde doch nicht etwa anfangen, den Köter zu mögen?

Fragen über Fragen

Fragen über Fragen
 

Joey schwirrten tausend Ideen durch den Kopf, wohin Kaiba mit ihm nach dem Unterricht gehen wollte.

Eine Möglichkeit war abstruser als die andere und als er bemerkte, dass er davon Kopfschmerzen bekam, versuchte er, nicht mehr daran zu denken.

Doch selbst als er sich draußen auf dem Schulhof von Yugi und den anderen verabschiedete und in die wartende Limousine stieg, konnte er seine Gedanken nicht zügeln.

Kaiba machte es ihm auch nicht gerade leichter mit der Gesamtsituation umzugehen.

Er schenkte ihm nur einen unbeteiligten Blick und ordnete dann seinem Chauffeur an, loszufahren.

Die ganze Zeit über sprach der Brünette nicht mit ihm, sondern telefonierte über sein Handy ziemlich aggressiv mit einigen Geschäftspartnern.

Der Blonde versuchte nicht hinzuhören, da es ihn ja rein gar nichts anging, und starrte nur aus den abgedunkelten Scheiben der Nobelkarosserie.

Umso erstaunter war er einige Zeit später, als die Limousine direkt auf dem Parkplatz eines großen Einkaufscenters hielt.

„Mitkommen, Wheeler!“, ordnete sein Klassenkamerad charmant wie immer an, sodass der Kleinere ihm schnell aus dem Wagen folgte.

„Wo gehen wir hin?“

„Ach… Fragst du endlich doch noch?“

Musste Kaiba seine Frage mit einer Gegenfrage kontern?

Langsam nervte ihn das!

„Natürlich frage ich. Immerhin habe ich ja auch ein Recht zu fragen, wohin du mich bringst.“, antwortete der Blonde nun etwas heftiger als er vorhatte, woraufhin ihn Kaiba lange ansah.

„Wird der Hund bissig?“

Seine spöttelnde Frage und dessen arrogante Mimik ließen Joey kurzzeitig die Luft ausstoßen.

„Wohin?“, fragte er abermals, blieb stur stehen und verschränkte die Arme. „Wenn du mit mir shoppen gehen willst, habe ich derzeit kein Interesse.“

„Werde bitte nicht kindischer als sonst, Wheeler.“, belehrte ihn der Firmenchef und umfasste das rechte Handgelenk des Anderen.

Mit festem, dennoch nicht grobem Griff brachte er den Kleineren dazu, ihm zu folgen.

Joey war für einige Sekunden sprachlos, als er die weißen, feingliedrigen Finger des Brünetten um seine empfindliche Haut spürte.

Kaibas Hände waren warm, sogar richtig angenehm.

Nach all seiner ruppigen Art und kühlen Worte hätte er nicht erwartet, dass sein Klassenkamerad so eine gute Durchblutung hatte.

Kaiba und warm. Das passte einfach nicht zusammen.

„Kaiba, du…! Lass mich los. Wie sieht das denn aus?“, protestierte er, doch der Angesprochene zuckte nur unbeteiligt mit den Schultern.

„Bei Fuß, Köter!“

War ja klar, dass wieder so ein Kommentar kommen musste.

Zur Verwunderung des Blonden steuerte der Größere nicht auf das riesige Einkaufscenter zu, sondern lief quer mit ihm über den Parkplatz, durch einen kleinen angelegten Fußgängerweg.

Ehe Joey sich versah, befand er sich mitten auf der Hauptstraße im Stadtviertel.

Was wollte der Brünette denn hier?

„Warum sind wir hier?“
 

Kaiba beobachtete Wheeler ganz genau und achteten auf jede versteckte Emotion in seiner Gesichtsmiene.

Langsam lockerte er seinen Griff um das Handgelenk des Blonden und verschränkte nun seinerseits die Arme vor der Brust.

„Wir befinden uns hier direkt an der großen Querstraße des Stadtzentrums. Hier hattest du deinen Unfall.“

Auf Kaibas kühle Erklärung hin weiteten sich die Augen des Kleineren sichtlich und sein Kopf flog panisch in alle Himmelsrichtungen.

„Hier war das?!“

Joey konnte es nicht fassen, dass der Ältere ihn hierher gebracht hatte. Das war nicht gerade feinfühlig.

Trotzdem blieb er ganz ruhig und ließ seine braunen Augen langsam über die unbekannte Umgebung wandern.

Die etlichen Läden, die sich hier niedergelassen hatten, sagten ihm gar nichts. Ebenso das edel aussehende Restaurant auf der anderen Seite.

„Warum hast du mich hierher gebracht?“, wollte Joey nun leise wissen, sein Atem ging etwas flacher als gewöhnlich.

Er spürte eine leichte Panikattacke auf sich zukommen, so wie der Arzt es diagnostiziert hatte.

„Dein zuständiger Arzt sagte, dass bekannte Umgebungen auch helfen würden, dass du dein Gedächtnis zurückerlangst.“, beantwortete Kaiba nun sachlich, woraufhin der Blonde abermals die Luft ausstieß.

„Aber doch nicht der Unfallort! Was hab‘ ich dir eigentlich getan, dass du so grausam zu mir bist?“

Joeys braune Augen schimmerten verdächtig, während seine Lider unkontrolliert zu zucken begannen.

„Himmel, Wheeler! Wie denn nun?“, zischte der Brünette zurück. „Hast du mir nicht vorhin in der Bibliothek gesagt, dass du nicht bemuttert werden willst?“

„Aber eine Schocktherapie will ich auch nicht.“

„Glaub mir, Wheeler, meine Schocktherapie sähe so aus, dass ich dich vor das nächste Auto schubsen würde.“

Joey war für einige Sekunden sprachlos, mit schreckerweiterten Augen sah er den Anderen an.

Kaiba konnte nicht an sich halten, er musste schmunzeln.

„Was denn, hast du etwa Angst?“

„Deine Frage ist sehr untertrieben, Kaiba.“

„So etwas traust du mir zu?“ Die Ernsthaftigkeit kehrte in das Gesicht des Größeren zurück. Er konnte schwer fassen, dass Wheeler ernsthaft annahm, dass er ihm schaden wollen könnte.

Der CEO konnte nicht verhehlen, dass sie sich noch nie verstanden hatten und alles andere als Freunde waren. Trotzdem würde er dem Kleineren niemals ernsthaft wehtun. Geschweige denn ihn vor ein Auto stoßen. Wofür hielt der Blonde ihn denn?

„Ich kenne dich nicht, Kaiba. Nicht richtig.“, beantwortete Joey nun leise die Frage des Größeren, sodass dieser kurz blinzelte um aus seinen Gedankengängen zurück in die Wirklichkeit zu kehren.

„Die erste schlaue Erkenntnis von dir, Wheeler.“

Der Blonde erwiderte darauf nichts, besah sich nur weiterhin ihre Umgebung und trat etwas näher an den Bordstein, um den vorbeirauschenden Autos zuzusehen.

Kaiba schwieg ebenso und einige Sekunden standen die beiden Oberschüler vollkommen regungslos in den dauernd bewegenden Menschenmassen der anderen Passanten und hingen ihren Gedanken nach.

„Weißt du, was ich mich schon die ganze Zeit gefragt habe, Wheeler?“, durchbrach nun der Brünette wieder die Stille zwischen den beiden. „Warum hast du Mokuba damals gerettet?“

„Warum ich ihn gerettet habe?“, echote Joey nun etwas verdutzt über die Frage seines Klassenkameraden. „Ich mag deinen Bruder wirklich sehr, Kaiba. Wir sind auch Freunde. Da ist es doch wohl vollkommen logisch, dass ich ihn aus Reflex beschützt habe.“

„Das ist zwar korrekt, jedoch war meine Frage anders gedacht.“

„Wie war sie denn gedacht?“

„Unsere Oberschule liegt gut eine Dreiviertelstunde Fußweg von der hiesigen Mittelschule entfernt. Mokuba hatte an jenem Tag Fußballtraining und unsere letzte Unterrichtsstunde endete gute zwei Stunden früher. Normalerweise gehst du gleich nach Hause, Wheeler, und die Wohnung von dir und deinem Vater liegt in der entgegengesetzten Richtung von dieser Querstraße…“

„Woher weißt du, wo ich wohne und ob ich gleich nach dem Unterricht nach Hause gehe?“

„… Des Weiteren musst du dich an diesem Tag wohl an der Mittelschule mit Mokuba getroffen haben, sonst hättet ihr diese Querstraße gar nicht zusammen überquert, schon gar nicht zeitgleich.“, beendete Kaiba nun seine Ausführungen, ohne auf die Fragen von Joey einzugehen.

Eisige Saphire bedachten das feingeschnittene Gesicht des Kleineren genau.

„Warum hast du dich mit Mokuba getroffen, Wheeler? Sag es mir!“

„I-Ich weiß nicht… woher soll ich das wissen? Ich wusste ja noch nicht mal, das wir uns getroffen haben.“, stammelte der Kleinere nun und hob abwehrend die Hände. „Mal ehrlich, Kaiba, wie bist du denn darauf gekommen? Und warum fragst du mich das? Ich meine, ich habe Amnesie.“

„Dessen bin ich mir bewusst, Wheeler. Aber Mokuba scheint bei diesen Fragen auch an Amnesie zu leiden. Er blockiert diese Sache vollkommen, ich habe ihn schon etliche Male danach gefragt und ich will jetzt, das du es tust.“

„Warum denn ich?“

„Weil du ihm das Leben gerettet hast, du dämlicher Köter!“, zischte der Firmenleiter zurück, seine Stimme klang nun etwas gereizter als vorher. „Wenn Mokuba sich mir gegenüber schon nicht öffnet, wird er bei dir sicherlich redseliger sein. Denn dir schuldet er immerhin etwas.“

„Ich will deinen kleinen Bruder nicht aushorchen, Kaiba. Schon gar nicht gegen seinen Willen.“

„Du willst also dein Gedächtnis nicht zurück?“

„Nicht auf diesem Wege.“

„Dir ist echt nicht mehr zu helfen, Wheeler.“

Mit diesen Worten wandte sich der Brünette um und lief einfach in Richtung der wartenden Limousine zurück.

Der Blonde sah ihm einige Augenblicke schweigend nach, bevor er ihm langsam folgte.
 

Nach dieser kurzen Unterredung sprachen die beiden jungen Männer nicht mehr miteinander und jeder ging seiner Wege, nachdem sie wieder in der Kaiba Villa angekommen waren.

Der Brünette verzog sich wie immer in sein Arbeitszimmer und versuchte seine Arbeit aufzunehmen, die Dank der letzten Tage immer mehr zugenommen hatte.

Jedoch konnte er sich abermals nicht konzentrieren und nichts lenkte ihn von den Gedankengängen ab, die er seit Tagen loszubekommen versuchte.

Nicht nur, dass er den blonden Köter in seinem Haus beherbergen musste, auch Mokuba sprach nicht mehr offen mit ihm, wie er es sonst getan hatte.

Sein kleiner Bruder wirkte verschlossener denn je, sobald er das Thema ansprach, wie es zu Wheelers Unfall gekommen war.

Dass sich der Blonde und Mokuba nach dessen Fußballtraining getroffen hatten, war unbestreitbar, denn der Firmenchef wusste eindeutig, dass sich die beiden ab und an hinter seinem Rücken begegnet waren.

Zwar waren diese kurzen Treffen gut durchdacht gewesen, doch er hatte genug Quellen die es ihm ermöglichten, alles zu erfahren was er wollte, und da ihm sein kleiner Bruder sehr wichtig war, ließ er diesen auch ab und an beschatten.

Ihm war es schon immer ein Dorn im Auge gewesen, dass sich Mokuba mit dem blonden Chaoten so gut verstand, aber gerade deswegen, hatte sein kleiner Bruder dies wohl als Aufforderung verstanden, gegen ihn zu rebellieren.

War dies jedoch der einzige Grund gewesen, warum ihre Treffen außerhalb der Kaiba-Villa stattgefunden hatten?

Was hatten Wheeler und sein kleiner Bruder so Wichtiges zu besprechen gehabt?

Aufseufzend lehnte der Brünette seinen Kopf in den Nacken und schloss seine schmerzenden Augen.

Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass sich Joey wenigstens ein bisschen hätte erinnern können.|
 

Besagter Blondschopf war gerade dabei, zurück in sein Schlafzimmer zu kehren,als er mit einer Hand durch sein Haar fuhr, dass noch leicht nass vom Duschen war.

Auch Joey war sehr verwirrt von den letzten Stunden und sein Kopf hämmerte aufgrund von Kaibas vielen Fragen.

Wie lange trug der Brünette dieses Wissen schon mit sich herum und wie oft hatte er Mokuba wohl schon danach gefragt?

Leise seufzend ließ sich der Blonde auf dem weichen Teppich vor seinem Bett sinken und starrte gegen die Wand.

Auch er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er sich an irgendetwas erinnern könnte.

Aber da war nur Leere und Unwissenheit.

Träge ließ er seine braunen Augen über die Umrisse der Möbel schweifen und stoppte, als ihm seine Tasche ins Auge fiel, die direkt neben dem Nachtschränkchen stand.

Hatte Yugi nicht gesagt, dass er mal darin schauen sollte?

Soweit er wusste, hatten seine Freunde einige private Habseligkeiten hineingepackt, die ihm vielleicht helfen konnten, sich wieder zu erinnern.

Schaden konnte es ja immerhin nicht, er hatte rein gar nichts zu verlieren.

Langsam stand er auf und zog sich das Gepäckstück auf seinen Schoss, um mit nervös zittrigen Fingern den Reißverschluss aufzuziehen.

Ihm fielen sofort einige Schnappschüsse ihrer Clique in die Hände, die er leicht lächelnd betrachtete, bis ihm auf der letzten Fotografie ein braunhaariges Mädchens ins Auge fiel, das fröhlich in die Kamera winkte.

Sie hatte die gleiche Augenfarbe wie er, – braun.

Das musste wohl seine Schwester Serenity sein, die er seit dem Unfall noch nicht gesehen hatte.

Yugi und die anderen hatten von ihr erzählt und dass sie bei ihrer Mutter lebte, da sein Vater von dieser schon lange geschieden war.

Langsam entleerte er den Inhalt der Tasche und brachte noch einige private Habseligkeiten zu Tage.

Darunter mehrere Filme, die er wohl gerne geschaut hatte, sowie ein paar CDs von japanischen Bands.

Seine Freunde hatten ihm ebenso einzelne vollgeschrieben Schulhefte eingepackt, die jedoch mehr gefüllt waren mit privaten Kritzeleien,welche er und Tristan sich gegenseitig in den Unterrichtsstunden zugeschoben hatten.

Als Letztes hielt er eine schwarze Zeichenmappe in den Händen.

Joey haderte einige Sekunden mit sich selbst, bevor er die Mappe aufschlug und es ihm kurz den Atem raubte.

Er hatte bis jetzt keine Ahnung davon gehabt, dass er so gut skizzieren konnte.

Langsam ließ er die gemalten Werke durch seine Hände gleiten und bewunderte die feingeschwungenen Arbeiten.

Er hatte nicht nur wunderschöne Landschaftszeichnungen angelegt, sondern auch Porträts seiner Freunde erstellt.

Auch befanden sich einige lustige Karikaturen darunter, die ihn zum Schmunzeln brachten.

Dann jedoch gefror sein Lächeln, seine Hände verkrampften sich um den Block und er starrte wie gebannt auf die nächste Zeichnung.

Langsam blätterte er zur nächsten… zur nächsten… und zur nächsten.

Sein Mund kniff sich zusammen, seine Augen weiteten sich schockiert und er keuchte erschrocken auf.

Beinahe panisch blätterte er etliche Zeichnungen durch, in der Hoffnung, zu träumen, jedoch war es nicht so.

Als hätte er sich verbrannt ließ er die Mappe plötzlich fallen und atmete abgehackt ein und aus.
 

Der Brünette schreckte hoch als das laute Knallen einer Tür überdeutlich durch die Stille der Etage hallte.

Genervt erhob er sich von seinem Schreibtisch und betrat den Flur, da er sich denken konnte, welche Person hier so einen Krach veranstaltete.

„Wheeler! Hatte ich dir nicht gesagt, dass du dich leise verhalten sollst?!“, spie er dem Anderen entgegen, der just in diesem Moment an ihm vorbeirannte.

„Entschuldige, ich hab’s eilig.“

Der Blonde stürzte mit panischem Gesicht die Treppe zur Eingangshalle hinunter, sodass der Größere ihm nacheilte.

„Wo willst du hin, Köter?“

„Zu Yugi, ich muss ihn unbedingt was fragen.“

Mit diesen Worten fiel die riesige Eingangstür der Villa ins Schloss und ließen einen irritiert aussehenden Seto Kaiba zurück, der am Fuße der ersten Etage stand.

Zeichnungen

Es dauerte gar nicht lange bis Joey vor dem kleinen Spieleladen stand, den Yugi mit seinem Großvater bewohnte. Der Blonde beglückwünschte sich selbst im Stillen das er den Weg ohne weitere Komplikationen gefunden hatte. Seine Freunde hatten wie immer an alles gedacht und ihm von all ihren Häusern und Wohnungen eine Wegbeschreibung angefertigt, so konnte er sie ohne Probleme immer besuchen.

Natürlich hätte er seinen jüngeren Klassenkamerad auch anrufen können, jedoch wollte er die Reaktionen in dem violetten Augenpaar analysieren und herausfinden, ob Yugi wirklich etwas über seine Zeichnungen wusste oder ihn anlügen würde, um ihn quasi zu schonen.

Mit angespannter Haltung betätigte Joey die Klingel des hinteren Eingangs und musste nicht lange warten bis sich leicht hörbare Schritte hinter dem Holz ankündigten.

Das bekannte Gesicht seines Klassenkameraden erschien hinter der leicht geöffneten Tür und blickte ihn sogleich erfreut an.

„Joey? Schön, dass du mich besuchen kommst oder ist was passiert?“

„Na ja, noch nicht.“, beantwortete nun der Blonde leise die Frage des Anderen und wog seine Zeichenmappe, die er die ganze Zeit unter dem Arm getragen hatte, in einer Hand.

„Kann ich reinkommen? Ich muss dich unbedingt etwas fragen.“

„Natürlich.“ Yugi trat zur Seite, öffnete die Tür nun ganz, sodass Joey in den kleinen Flur treten konnte. „Willst du was vom Abendessen? Ich müsste es nur noch kurz etwas anwärmen.“

„Nein, vielen Dank.“, lehnte der Blonde nun höflich ab, da er im Moment nicht den geringsten Hauch von Hunger verspürte, jedoch dachte er an Mokuba dem er gestern versprochen hatte, nun jeden Abend mit diesem zu kochen. Daraus würde wohl heute nichts mehr werden, er würde sich später bei dem Kleineren entschuldigen.

Joey folgte Yugi in sein Zimmer, dessen Tür der Meisterduellant sogleich schloss.

„Was willst du denn wissen? - Setz dich doch.“, Yugi deutete auf sein Bett während er sich auf einem Drehstuhl an seinem Schreibtisch niederließ.

„Nein, danke. Ich kann nicht sitzen. Ich bin zu aufgeregt.“

„Was ist passiert? Bist du wieder mit Kaiba aneinander geraten?“

„Nein, noch nicht.“ Joey tigerte in dem kleinen Zimmer auf und ab während er die Zeichenmappe in seinen Händen hin und her warf. „Ihr habt doch meine Tasche gepackt, nicht wahr?“

Auf seine Frage nickte sein Freund. „Ja, wir waren in der Wohnung deines Vaters und haben einige Sachen von dir geholt, wieso?“

„Wusstet ihr, dass ich zeichne?“

„Natürlich. Du hattest deine Mappe auch öfters in der Schule mit, während der großen Mittagspause sind viele deiner Bilder entstanden.“

„Dann hast du meine Bilder gesehen?“

„Nicht alle. Nur die, an denen du gerade gezeichnet hast. Einige Landschaftsaufnahmen. Portraits von Tristan oder Tea.“ Yugi warf besorgt die Stirn kraus während er dabei zusah, wie der Blondschopf immer schneller von einer Seite seines Zimmers zur anderen lief.

„Joey, was ist denn los? So langsam machst du mir Angst. Wieso bist du so angespannt?“

„Ich...“, setzte der Größere an, brach jedoch ab und schüttelte nur heftig den Kopf. „Sieh selbst.“

Auffordernd streckte er dem Kleineren seine Mappe entgegen.

„Du wirst doch wohl keine Aktzeichnungen darin haben, oder?“

Auf Yugis vorsichtige Frage spürte Joey wie seine Wangen heiß wurden.

„Nein! Natürlich nicht. Es... es ist viel schlimmer!“

„Viel schlimmer.“, wiederholte Yugi nun voller Ratlosigkeit während er die Mappe öffnete und sich eine Zeichnung nach der anderen besah.

„Das ist Tea, Tristan, Duke, ich. Unser Schulgebäude, das ist der Park...“, murmelte er vor sich hin während er ein Bild nach dem anderen besah.

„Weiter, weiter...“, drängte der Blonde ihn mit einer hektischen Handbewegung sodass sein Freund seufzend einige Zeichnungen übersprang.

„Wirklich Joey, was ist...“, murmelte der Kleinere, brach jedoch ab als er zu einer Zeichnung kam die er so nicht erwartet hätte. „Oh... das ist Kaiba.“

„Ist das alles was du dazu sagst?“, brauste der Blonde ganz in alter Manie auf während er sich nervös durch die Haare fuhr.

„Warum regst du dich so auf? Du hast Kaiba gemalt, na und? Der ist in unserer Klasse, davor hast du viele unserer Mitschüler gemalt.“

„Blätter weiter.“

Auf Joeys verzweifelten Ausruf tat sein Freund wie geheißen und besah sich eine weitere Zeichnung nach der anderen.

Einige Sekunden herrschte Stille.

„Du hast ziemlich oft Kaiba gemalt, findest du nicht auch?“

Auf Yugis lapidaren Satz stieß Joey heftig Luft durch beide Nasenlöcher.

„Nein! Wirklich?“, seine Tonlage war an Sarkasmus nicht mehr zu überbieten. „Schön, dass dir das aufgefallen ist. Wunderbar.“

„Nun beruhige dich doch.“

„Beruhigen? Beruhigen! - Spinnst du!“, die Stimme des Blonden überschlug sich beinahe vor Panik. „Kaiba hasst mich! Er kann mich nicht ausstehen. Er gibt mir beleidigende Spitznamen wie Köter oder Töle und schikaniert mich wo er nur kann. Ich habe in der ganzen Zeit kein einziges freundliches Wort von ihm gehört und das liegt sicherlich nicht an meinem Gedächtnisverlust und erst heute, hat er mich zum Unfallort geführt. Kannst du dir das vorstellen?“

„Vielleicht wollte er ja, dass du dich möglichst schnell erinnerst. Ist doch nett von ihm.“

„Yugi, komm schon, sei nicht so naiv. Kaiba ist doch froh, wenn er mich wieder aus seiner Villa hat. Je eher desto besser. Weißt du was passiert, wenn er jemals diese Zeichnung zu Gesicht bekommt? Er wird mich qualvoll erwürgen, danach meine Leiche auseinander hacken, in den Mixer stecken und danach alle Beweise mitsamt meinem fauligen Leichnam im Klo herunterspülen.“

„Joey, du wirst hysterisch. Beruhige dich.“ Yugi blieb die Ruhe selbst. „Wieso sollte dich Kaiba wegen dieser Zeichnungen denn angreifen wollen. Es sind nur Bilder.“

„Das sind zweiunddreißig Zeichnungen von ihm! ZWEIUNDDREISSIG!!“

„Was ist daran so schlimm?“

„Hast du dir die Bilder mal angeschaut.“, Joey riss seinem Freund die Mappe aus der Hand und blätterte zu einer Skizze die auch noch farblich hervorgehoben war. „Hast du dir die farblichen Zeichnungen angeschaut?“

„Ja, die sind wirklich gut.“

Auf Yugis lobendes Kommentar runzelte der Blonde verärgert die Stirn, da er auf so eine Aussage sicherlich nicht hinauswollte.

„Yugi, bin ich schwul?“, wollte er nun mit verzweifelter Tonlage wissen sodass der Kleinere sich nervös räusperte.

„Keine Ahnung. Ich meine, Kaiba hat ein hübsches Profil.“

„Hör auf zu unken, Yugi. So etwas ist doch nicht normal. Wir sind doch Feinde, oder? Wir streiten uns nur.“

„Trotzdem ist es nicht verboten ihn zu zeichnen. Kaiba hat immerhin einen eigenen Fanclub mit sage und schreibe siebenundzwanzig-tausend Mitgliedern und viele davon sind Männer.“

„Darum geht es doch gar nicht. Es ist mir doch egal wie viele ihm hinterher hecheln, ich will nur wissen, ob du die Zeichnungen kennst.“

„Nein, ich sehe sie zum ersten Mal.“ Yugi schüttelte wie zur Untermalung seiner Worte den Kopf.

„Sicher? Bitte lüge mich nicht an. Das kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen. Ich bin so verwirrt.“

„Ich lüge dich nicht an.“, beteuerte der Kleinere mit offenem Blick. „Ich wusste, dass du zeichnest und ich habe dir auch ab und an dabei zugesehen aber diese Bilder von Kaiba, die kenne ich nicht. Wahrscheinlich, wolltest du es uns nicht sagen.“

„Wieso? Ich dachte, ihr seit meine Freunde. Ich muss es doch irgendeinem erzählt haben.“ Joey konnte nicht recht verstehen, dass keiner etwas davon wissen sollte.

Gerade weil er es für am wahrscheinlichsten hielt, dass er sich Yugi anvertraut hatte, war er zu ihm gegangen. Leider hatte er sich wohl getäuscht, denn sein Freund wahr viel zu ehrlich um ihm offen etwas vorzulügen.

„Es tut mir Leid, Joey aber mir hast du dich nicht anvertraut. Vielleicht heißt das aber auch, dass diese Zeichnungen keine hintergründigen Emotionen haben.“

„Ich weiß nicht.“

Daran zweifelte der Blonde stark. Er hatte Magenschmerzen und sein Herz klopfte viel zu laut und er war so verwirrt wie seit langem nicht mehr.

Was hatten diese Zeichnungen zu bedeuten und wieso musste es ausgerechnet Kaiba sein.

Der Blonde wollte sich gar nicht ausmalen, was der Brünette mit ihm anstellen würde, wenn er seine Mappe in die Finger bekäme.

Doch vor allem machte es ihm Angst, dass er selbst nicht wusste wie er die Bilder beurteilen sollte.

Er mochte den Firmenchef nicht. Wirklich nicht. Er war ihm durch und durch unsympathisch und das er ihn früher auch nur ansatzweise gemocht hatte, konnte er nicht verstehen.

Gerade weil er so viele Skizzen von dem Brünetten angefertigt hatte sprach es dafür, dass er mehr als Sympathie für ihn empfunden haben musste aber vor diesem weiteren Gedankengang krauste es ihm.

Nein, an so etwas wollte er sich sicherlich niemals erinnern.

Und nun hatte Yugi auch noch die letzte Hoffnung zerschlagen, dass er ihm weiterhelfen konnte.

Der Blonde konnte sich nicht vorstellen, dass er es jemand Anderem erzählt hatte, als seinem gutherzigen Freund.

Tristan und Duke hassten Kaiba genauso inbrünstig wie er es in seinem vorherigen Leben anscheinend getan hatte und mit Tea, einem Mädchen, hatte er sicherlich nicht darüber geredet.

Die Brünette ein gutes Herz und war seine langjährige Freundin, aber sie zog gerne in der Schule über andere Mitschüler her und er hatte sicherlich nicht mit ihr darüber geredet, wenn er Kaiba ansprechend gefunden hätte.

„Yugi, was soll ich bloß tun?“

„Zwing dich zu nichts. Du wirst dich schon im gegebenen Zeitrahmen an die Sachen erinnern die wichtig sind.“

„Das sagst du so leicht. Ich fühle mich so machtlos und so verwirrt. Diese dämlichen Zeichnungen!“ Joey ließ einen typischen Fluch los, was seinen Freund schmunzeln ließ.

„Du hast einen Gedächtnisverlust und da kommen nicht alle deine Erinnerung von heute auf morgen zurück. Der Arzt hat gesagt Entspannung ist das wichtigste, also sei ruhig. Ein Tag nach dem Anderen und was Kaiba angeht: Sei einfach so wie du bist und gib ihm keinen Grund an dir herum zu meckern.“

„Leichter gesagt als getan.“'

„Du schaffst das schon, Joey. Soll ich die Mappe bei mir verstecken? Nicht, dass sie Kaiba doch noch findet oder eines seiner Zimmermädchen.“

„Gute Idee.“ Joey nickte erleichtert und spürte wie langsam seine Magenschmerzen aufhörten. „Danke Yugi, wirklich. Du bist ein echter Freund. Ich bin froh, dass ich dich habe.“

„Das ist doch selbstverständlich. Ich verstecke deine Mappe zwischen meinen Fachbüchern, mein Großvater putzt zwar manches mal mein Zimmer aber meine Bücher räumt er nie um.“

„Dann ist die Mappe ja gut bei dir aufgehoben. Ich bin wirklich erleichtert.“

Joey warf einen Blick auf die Uhr über der Tür. „Ich sollte langsam gehen. Nicht, dass mir Kaiba noch die Hölle heiß macht, weil ich zu spät in die Villa zurück komme.“

„Ich begleite dich zu Tür.“ Yugi erhob sich um seinen Kumpel zu begleiten.

Vor dem Hauseingang erwarteten die beiden jedoch eine Überraschung als sie sahen, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein schnittiger Sportwagen geparkt hatte und kein Anderer als Kaiba hinter dem Steuer saß.

„Mist.“ Joey rutschte das Herz in die Hose als der Brünette ihn durch die Seitenscheibe durchdringend ansah und mit einer unmissverständlichen Handbewegung klarmachte, dass er einsteigen sollte.

„Ist doch nett von Kaiba, dass er dich abholt.“

Auf Yugis freundliches Kommentar konnte sich der Blonde gerade noch so ein hämisches Lachen verkneifen.

Als ob der Geschäftsmann ihn freiwillig abholen würde, wenn er nicht irgendeine Gemeinheit im Hinterkopf hätte.

„Wir sehen uns morgen in der Schule. Danke, Yugi.“

„Nichts zu danken und lass dich nicht unterkriegen.“

Joey hob die Hand zum Abschied und überquerte mit langsam Schritten die Straße um zu Kaiba ins Auto einzusteigen.

Nun wuchsen seine Magenschmerzen wieder.
 

Kaiba hatte versuchte weiterzuarbeiten nachdem sein ungebetener Gast mit lautem Türschlagen die Villa verlassen hatte.

Ihn ging es immerhin nichts an das Wheeler wie ein aufgescheuchtes Kaninchen aus seinem Zimmer geflüchtet, die Treppe nach unten gestürmt und fast noch hingefallen war.

Ihm konnte es vollkommen egal sein, warum dieser Idiot jetzt noch zu Yugi wollte und was er diesen kleinkarierten Duellanten fragen wollte.

Ihm sollte es egal sein. - War es aber nicht.

Eine ganze halbe Stunde starrte er auf seine angefangene Tabellenkalkulation und konnte an nichts mehr anderes denken als den Blonden.

Warum war er so panisch aus seinem Haus verschwunden und dann auch noch zu Yugi?

Dies war seine Villa, er war hier Hausherr und er hatte ein Recht zu erfahren, was der Köter im Schilde führte.

Er traute dem Blonden Chaoten fast alles zu und er wollte nicht, dass er oder sogar Mokuba unter dem Leichtsinns dieses Trottels leiden mussten.

So schloss er sein Dokument, zog sich Schuhe und Mantel an und stieg in einen seiner Wagen um zu der Adresse von Yugi zu fahren.

Sein Stolz verbot es ihm zu klingeln. Er wartete lieber mit Argusaugen bis der Blonde wieder an der Tür erschien, was einige Zeit später der Fall war.

Die Reaktion des Blonden auf sein Auftauchen, war greifbar als er die Panik in den braunen Augen sah.

Irgendwas musste den Blonden aus der Fassung gebracht haben, denn heute Morgen war er bei weitem nicht so nervös gewesen wie jetzt, als er sich neben ihn auf dem Beifahrersitz niederließ.

„Danke, dass du mich abholst.“ murmelte der Blonde während er sich anschnallte.

„Bild dir nichts darauf ein, Wheeler. Mokuba hat mich darum gebeten, er wollte nicht das du zu nächtlicher Stunde zurück läufst.“

Sein kleiner Bruder hatte nicht mal gemerkt, dass Joey aus der Villa verschwunden war, aber das musste er ihm ja nicht auf die Nase binden.

Während der Brünette in der kleinen Seitenstraße das Auto wendete und zurück auf die Hauptstraße fuhr war von dem Blonden kein Ton zu hören.

Mit präzisen Augenbewegungen erhaschte Kaiba die Gestalt seines Klassenkameraden wie er mit gesenkten Kopf und gefalteten Händen mehr als angespannt auf dem Sitz saß.

„Was hast du bei Yugi gewollt?“

Eigentlich hatte er die Frage gar nicht stellen wollen, immerhin ging es ihn nichts an und er interessierte sich ja auch gar nicht dafür.

Er traute Wheeler bloß nicht. Der Kerl zog Katastrophen quasi an.

„Wir haben nur geredet.“, gab der Kleinere mit leiser Stimme langsam zurück sodass der Brünette automatisch die Stirn runzelte.

„Geredet? Und über was, wenn ich fragen darf.“

„Das geht dich nichts an.“

Kaiba glaubte sich verhört zu haben. - Das ging IHN nichts an?

Seine Fingern verkrampften sich um das Lenkrad und er biss sich auf die Innenseite seiner Wange um nicht ein bissiges Kommentar loszuwerden.

Was erlaubte sich dieser Köter eigentlich?

Wenn es irgendjemanden etwas anging, was der Blonde trieb dann wohl ihn.

Er wohnte immerhin in seinem Haus, aß sein Essen und beanspruchte sein Gästezimmer.

Er hatte ihm Obdach gewährt und das war der Dank.

Kaiba schwieg aber Innerlich brodelte es in ihm.

Das musste ja was ganz prekäres sein, wenn Wheeler so abblockte.

Er würde dem Anderen schon zeigen, wie ihn das was anging.

Keine Gleichgültigkeit

Er stand im Dunklen und er war vollkommen allein.

Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Rippen und obwohl er nicht mal die Hand vor Augen sah fühlte er mit jedem nehmenden Atemzug die Gefahr kommen.

Kälte kroch seinen Rücken nach oben, das ungute Gefühl setzte sich tief in seinen Magen und ließen seine feinen Nackenhaare zu Berge stehen.

Gehetzt sah er sich nach allen Seiten um, konnte jedoch nur Schwärze erkennen.

In seiner Kehle schien sich eine übel schmeckende Substanz zu bilden die langsam und schwerfällig seinen Hals hoch kroch.

Ihm war übel, er hatte Angst und er wollte nicht hier sein.

Ein plötzliches lautes Krachen ließ ihn unwillkürlich zusammen zucken und ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, wandte er sich auf dem Absatz herum und stürmte los.

Seine Schritte waren fahrig, er stolperte beinahe über seine eigenen Füße.

Gehetzt wie ein wildes Tier rannte er durch die Dunkelheit und wagte es nicht, auch nur einen Blick zurück zuwerfen.

Er wusste, dass nichts gutes hinter ihm lauerte.

Wieder ein weiteres Krachen, diesmal näher, was ihn seine Schritte beschleunigen ließ.

Sein Herz schien mittlerweile direkt auf seiner Zunge zu schlagen, die Furcht ließ ihn würgen und ihm wurde schwindelig.

Ein zischen durchschnitt die Stille und ein Schmerzenslaut entwich ihm als sich ein brennen durch seinen linken Arm zog.

Ein weiteres zischen und ein taubes Gefühl legte sich über seine rechte Wange, es kribbelte wie tausend Nadelstiche.

Die Stille wurde zerrissen durch ein ohrenbetäubendes Krachen, seine Beine gaben nach und er schlug der Länge nach hart auf dem Boden auf.

Unwillkürlich kugelte er sich zusammen, schützte seinen Kopf mit den Armen während Messerstiche auf seinen Körper niederzuprasseln drohte.

Eine Stimme schrie in seinem Kopf, sie war tief und beängstigend und er konnte keine Worte daraus entschlüsseln.

„Aufhören!“, schrie er aus Leibeskräften während sich sein ganze Körper schon taub anfühlte. „HÖR AUF!“
 

„Wheeler! Wach auf! Wheeler!“

Kaiba hatte sich über den Blondschopf gebeugt und rüttelte nicht gerade sanft an dessen Schulter, nachdem sein alleiniges Rufen vorher nicht erfolgreich gewesen sein.

Der Kleinere schrie wie am Spieß seine halbe Villa in Grund und Boden und das mitten in der Nacht.

Seine Berührungen mussten etwas gebracht haben, denn endlich schreckte sein Klassenkamerad in seinem wirren Traum zusammen und riss die Augen auf.

Gehetzt und mit bebenden Schultern sah sich der Blonde in seinem Zimmer um, dessen Konturen Schatten verhangen waren, durch die kleine Nachttischlampe die der Firmenchef vor wenigen Augenblicken betätigt hatten.

„Bist du endlich wach?“, knurrte der Brünette nun mehr als erbost auch wenn er zugeben musste, dass Wheeler ein mehr als schwächliches Bild abgab.

Verschwitzt und mit verklebten Shirt saß er aufrecht in seinem Bett und wirkte mehr als panisch.

„Seto...?“, erklang in diesem Moment eine mehr als besorgte Stimme von der Zimmertür und schwarzes Schopf erschien im kleinen Spalt.

„Gehe wieder schlafen, Mokuba. Wheeler hatte anscheinend nur einen Alptraum.“

„Alles okay, Joey?“

Der Blondschopf war nicht in der Lage die Frage des Kleineren zu beantworten, er schien noch immer vollkommen konfus.

Mit zittrigen Fingern strich er sich durchs schweißnasse Haar während seine Pupillen immer noch nervös flimmerten.

„Mokuba, geh wieder ins Bett.“

Die Worte seines großen Bruders ließen keinen Widerspruch zu und so schloss er die Tür wieder um in sein Zimmer zurückzugehen.

„Ist alles in Ordnung mit dir Wheeler oder soll ich die Bettdecke zurück schlagen um zu sehen, ob du auch noch meine Matratze benässt hast?“

Aufgrund von Kaibas hämischer Tonlage schien der Blonde endlich aus seinem lethargischen Zuschlag zu erwachen und er schickte dem Größeren einen mehr als vernichtenden Blick.

„Verschwinde bloß!“, stieß er so inbrünstig hervor sodass selbst der CEO verdutzt blinzelte.

Kurz darauf verengten sich seine Augen jedoch und wurden beinahe schwarz vor Zorn.

„Hör mir mal gut zu, Köter! Wenn du noch einmal mitten in der Nacht so einen Lärm veranstalten solltest, werde ich dir einen Maulkorb anlegen.“

Mit großen Schritten verließ er das Zimmer durch die Verbindungstür und verschwand in seinen eigenen vier Wänden.
 

Joey brauchte noch einige Minuten bevor er sein Bett verlassen und ins Bad gehen konnte.

Dort brauchte er noch einmal doppelt so lange um sich seiner verschwitzten Klamotten zu erledigen und sich kurz unter den warmen Duschstrahl zu stellen.

Noch immer zitternd vor innerer Angst trocknete er sich ab und schlüpfte in ein sauberes Shirt und Jogginghose bevor er wieder zurück in sein Zimmer ging.

Dort war das letzte was er aufsuchte sein Bett, er ließ sich wieder auf dem Boden an der Wand nieder und hing träge seinen Gedanken nach.

Vor circa drei Tagen hatten diese Alpträume begonnen und sie wurden von Nacht zu Nacht immer schlimmer.

Angefangen hatte es mit leichtem Nebel gepaart mit minimaler Angst und er war meist mit klopfenden Herzen alleine in seinem Bett erwacht.

Doch es wurde von mal zu mal schlimmer, der Nebel wurde dunkler und diese Schmerzen begannen.

Es war eine dichte Beklemmung und nun war es schon soweit gekommen, dass er vollkommen verängstigt aufwachte und sich dann auch noch seinem unwillkommenen Gastgeber gegenüber saß der nichts besseres zu tun hatte, als ihn zu verspotten.

Er und Kaiba hatten die letzten Tage so gut wie kein Wort miteinander gewechselt.

Obwohl sich Mokuba beschwert hatte, trat er jeden Morgen lange vor dem Brünetten den Weg zur Schule an nur, damit er nicht mit ihm alleine in seiner Limousine mitfahren musste.

Während des Unterrichts ignorierte er ihn vollkommen und auch die kurzen Pausen flüchtete er zu seinen Freunden, mit denen er jedoch auch kaum sprach.

Yugi und er hatten bisher keine Zeit mehr gefunden länger auf seine Problematik einzugehen, doch konnte er die Blicke spüren die ihm sein bester Freund ab und an besorgt zuwarf.

Joey konnte es kaum ertragen und sich erst recht nicht auf den Unterrichtsstoff konzentrieren.

Er fühlte sich unwillkommen, ungeliebt und kaum geachtet in dieser riesigen Villa unter dem forschenden Blick seines Klassenkameraden, der es kaum erwarten konnte ihn wieder loszuwerden.

Der Blonde wurde das Gefühl nicht los, das nicht allein seine Amnesie ihn in eine ausweglose Lage katapultiert hatte.

Er fühlte sich machtlos, beinahe nackt und er hasste seine aufkommende Schwäche dafür.

Diese Angst die er nicht benennen konnte und dieses beklemmende Gefühl, wann immer er Kaiba sah.

An Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.

Auch der CEO machte in dieser Nacht kein Auge mehr zu. - Am meisten vor Wut.

Wie konnte es dieser drittklassige Duellant nur wagen ihn aus seinem Gästezimmer zu schmeißen?

Der Blick des Blonden, so trotzig und dennoch voller Verzweiflung hatte sich in seinem Kopf eingebrannt und ließen ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.

Wheeler ging ihm seit Tagen aus dem Weg, es war noch schlimmer geworden als vorher.

Ihm kam es nicht nur so vor, dass der Blonde ihn regelrecht mied sondern mehr als denn je verachtete.

Er sprach kaum noch mit ihm, blickte ihm nicht mehr offen ins Gesicht und obwohl er und Mokuba es sich angewöhnt hatten, jeden Abend zusammen zu kochen, hatte er ihn kein einziges mal mehr das Essen in sein Arbeitszimmer gebracht.

Eine Portion stand immer für ihn in der Küche, die er sich meist holte, wenn die beiden ins Wohnzimmer verschwunden waren um bis zur Schlafenszeit noch etwas Fernzusehen.

Mokuba gegenüber war Wheeler wie immer sehr redselig, locker und auch lächelte er einige male jedoch wirkte er anders als vorher.

Nicht verängstigt und verwirrt, nun war sein Benehmen beinahe fluchtartig und panisch.

Wheeler hatte vor ihm kapituliert und obwohl er diesen Tag immer herbeigesehnt hatte, konnte er sich nun nicht darüber freuen.

Es ärgerte ihn, ließ ihn unruhig werden und seine eigene Arbeit in der Corporation unsauber erledigen.

Diese Situation war nicht hinzunehmen und nahezu untragbar.

Er musste etwas unternehmen.
 

Es war Samstagnachmittag, einen halben Tag später, und Joey stand unschlüssig vor der großen Doppeltür des Arbeitszimmer von Kaiba.

Der Brünette wollte ihn sprechen, was ihm netterweise das Hausmädchen übermittelt hatte.

Als ob Kaiba ihm das nicht selbst hatte sagen können!

Er gab es nicht gerne zu, aber er hatte Angst, denn seit der Entdeckung seiner Skizzen und der kurzen Autofahrt, war er mit dem Größeren nicht mehr alleine gewesen.

Abgesehen von der unfreiwilligen Begegnung, gestern Nacht in seinem Zimmer wo sie sich alles andere als nett unterhalten hatten.

Daran war er zwar nicht ganz unschuldig aber Kaiba hatte ihm eine Steilvorlage geliefert die er in seinem schwachen Zustand nicht hatte parieren können.

Zu seiner Nervosität kam noch hinzu, dass Mokuba nicht in der Villa war und er wusste nicht, was passieren würde, wenn kein Mittelsmann zwischen ihnen beiden stand.

Der Kleinere war der beste Puffer, den er sich vorstellen konnte, denn Kaiba hörte auf ihn.

Ausatmend klopfte er gegen das dicke Holz und wartete.

„Herein.“, erklang die wohlbekannte dunkle Stimme zu ihm und er trat in das Arbeitszimmer.

Der Größere saß hinter seinem riesigen Schreibtisch und arbeitete wie immer an seinem Laptop, doch als der Kleinere näher an ihn herantrat, klappte er diesen zusammen und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück.

„Setz dich, Wheeler.“

„Danke, ich stehe lieber.“

„Ich sagte: Setz dich.“

Joey versteifte sich unwillkürlich aufgrund des eisigen Tonfalls und er ließ sich steif auf einen Stuhl gegenüber des Schreibtisches nieder.

„Was willst du von mir?“

„Reden.“

„Das ist nicht gerade dein Steckenpferd, oder?“

„Ich bin ein Meister in allen Bereichen, das müsstest du eigentlich wissen. Im Gegensatz zu dir.“

„Was willst du damit andeuten?“

„Deine schulischen Leistungen sind, gelinde gesagt, katastrophal.“

„Was geht dich das an? Darum hast dich sicherlich früher auch nicht gekümmert.“

„Du wohnst in meiner Villa, das wirft ein schlechtes Licht auf mich.“

„Als ob es dich kümmern würde, was Andere von dir denken. Dafür bist du viel zu sehr von dir selbst überzeugt.“

Der Größere verkniff sich ein passendes Kommentar, da er fürchtete, dass der Blonde gleich wieder flüchten würde.

„Mokuba hat mich darum gebeten.“

Eine glatte Lüge, denn Mokuba ging ihm ebenso aus dem Weg wie der Blonde. Offenbar war sein kleiner Bruder böse auf ihn, da er Wheeler offenbar mehr als verschreckt hatte und dies war nicht gerade förderlich für seinen zukünftigen Heilungsprozess.

Der Brünette konnte es nicht leugnen, dass er es genoss Wheeler aus dem Konzept zu bringen, jedoch nicht unwissentlich, dann machte es ja keinen Spaß mehr.

„Ich brauche deine Hilfe nicht.“

Wheelers Störrigkeit ließen ihn unwillkürlich lächeln.

„Natürlich brauchst du die. In Mathematik und den wissenschaftlichen Fächern hast du ein Ungenügend, wenn du so weiter machst, wirst du nicht versetzt.“

„Das kann dir doch egal sein.“

„Wie gesagt, du wohnst in meiner Villa und das Gesamtbild ist für mich entscheidend. Natürlich wirst du niemals wirklich positive Ergebnisse in deinen schwachen Fächern erzielen, aber ein ausreichend dürfte schon reichen.“

„Du traust mir also nur ein ausreichend zu?“

„Sollte ich dir mehr zutrauen?“

„Du bist ein Arsch!“

Der Wutausbruch des Kleineren ließen den Firmenchef erneut lächeln und er beglückwünschte sich im Stillen, dass Wheeler auf seine Spitze angesprungen war.

Amnesie hin oder her, wenn man den Kleineren bei seinem Stolz packte, fühlte er sich mehr als angestachelt.

„Dann schlage ich vor, wir fangen morgen mit der Nachhilfe an.“

„Von mir aus.“

Der Blonde klang alles andere als begeistert, war wohl aber bereit einzulenken da es mit seinen Noten nicht gerade gut stand.

„Kann ich jetzt gehen?“

Die Frage des Blonden ließen Kaiba unwillkürlich den Kopf schütteln.

„Noch nicht.“

„Über was willst du denn noch reden?

„Über das, was gestern Nacht geschehen ist.“

Unwillkürlich nahm der Kleinere wieder eine angespannte Haltung ein.

„Das geht dich nichts an.“

„Sowie es mich nichts anging, warum du vor wenigen Tagen bei Yugi warst?“, entgegnete der Brünette gefährlich ruhig, sodass sein Gegenüber angespannt schlucken musste.

„Wenn du mein ganzes Anwesen zusammen schreist, geht mich das sehr wohl was an.“

„Es wird nicht wieder vorkommen.“

„Als ob du das kontrollieren könntest. Wieso hast du Alpträume?“

„Weil mir Jemand ein Halsband umlegt und mich in einen Zwinger steckt.“

„Du bist sehr amüsant, Wheeler. Wenn du solche Träume hättest, müsste ich mir wirklich Sorgen um dich machen.“

„Als ob du dir jemals irgendwelche Sorgen um mich machen würdest. Ich bin dir doch vollkommen egal.“

Die schwermütige Tonlage überraschte den Firmenchef und er wusste einige Sekunden darauf nichts zu sagen.

„Wheeler, dein widersprüchliches Wesen ruft viel Emotionalität in mir hervor, aber Gleichgültigkeit war bisher noch nie dabei.“

Nun war es an dem Blonden verdutzt zu blinzeln und dann breitete sich eine feine aber sichtbare röte auf seinen Wangen aus.

Sichtlich belustigt beugte sich der Brünette etwas vor.

„Du wirst doch nicht gerade verlegen, oder?“

„N-nein, so ein Quatsch.“, wie von der Tarantel gestochen sprang der Kleinere auf und wäre beinahe mitsamt dem Stuhl auf dem Boden gelandet.

„Ich gehe dann.“

Mit diesen kurzen Worten verschwand er fluchtartig aus dem Arbeitszimmer des Anderen was Kaiba immer noch amüsiert lächeln ließ.

Das war doch mal ein sehr interessantes Gespräch gewesen.

Nachhilfe

Einen Tag später war es dann schon soweit.

Nach dem Frühstück, saß Joey auf der großen Ledercouch im Geschäftszimmer seines unfreiwilligen Gastgebers und starrte etwas schockiert auf den Bündel mit beschriebenem Papier, dass ihm der Andere hinhielt.

„Was ist das?“

„Wonach sieht es wohl aus?“, gab der Brünette in alter Gewohnheit eine Gegenfrage retour. „Das wird im Allgemeinen als Mathematik bezeichnet.“

„Ich sehe selbst was das ist, aber warum soviel?“

„Das ist der Stoff des letzten halben Jahres. Ich war so nett, ihn für dich zusammen zu fassen. Es nützt uns beiden nichts, wenn ich nur simpel anfange den jetzigen Unterrichtsstoff zu erklären, solange ich nicht weiß welche Grundkenntnisse du hast.“

Auf die schlichte Erklärung des Brünetten starrte Joey einige Sekunden überfordert auf den Stapel von Blättern.

„Schau nicht so verschreckt wie ein ausgesetzter Welpe. Ich gebe dir eine Stunde und wir sehen, wie weit du gekommen bist und was du alleine lösen konntest. Dann sehen wir weiter.“

„Okay.“

Der Kleinere fügte sich widerwillig und nahm einen Stift zur Hand um die aufgestellten Aufgaben, sogut wie es ihm eben möglich war, zu lösen.

Kaiba nahm dies wohlwollend zur Kenntnis, setzte sich hinter seinen Schreibtisch und vertiefte sich selbst in die Dokumente seiner Corporation.

Es gab immer etwas für ihn zu tun und so konnte er den Blonden gleichzeitig im Auge behalten.

Aus den Augenwinkeln erhaschte er immer mal wieder einen kurzen Blick auf seinen Gast der mit sichtbar verzweifelter Miene über den Aufgaben brütete und ab und an einen schnellen Blick zu ihm herüber warf.

Der Brünette tat so, als bemerkte er es nicht, musste sich aber ein siegessicheres Lächeln verkneifen da Wheeler ihn endlich nach all den Tagen wieder beachtete.

Er war anscheinend mehr als nervös in seiner Gegenwart, aber diese Regung war ihm lieber als die Flucht des Kleineren.
 

Joey brauchte sein komplettes Gedächtnis nicht wieder zu erlangen um schon nach einer viertel Stunde zu wissen, dass er nichts... aber auch rein gar nichts von Mathematik verstand.

Die Aufgaben die Kaiba ihm ausgesucht hatte, waren so dermaßen undurchschaubar und verworren, dass er Kopfschmerzen davon bekam.

Ihm war es mehr als peinlich, aber es nützte ihm nichts auf ein Blatt nach dem anderen zu starren und nichts auszufüllen.

Er war nicht gerne in der Nähe des Brünetten, er fühlte sich unwohl in seiner Gegenwart aber trotz allem, hatte er es als nette Geste empfunden, dass der Andere ihm helfen wollte.

Nötig hatte der Geschäftsmann es nicht, er jedoch leider schon.

„Kaiba?“, erhob er leise seine Stimme sodass der Größere von seinem Laptop aufsah.

„Sagte ich nicht, dass du eine Stunde Zeit hast. Es sind gerade mal zwanzig Minuten um.“

„Ja, ich weiß aber ich verstehe es nicht.“

„Was verstehst du nicht?“

„Alles.“

„Alles? Was meinst du damit?“

„Na ja, alles eben. Ich verstehe gar nichts von dem Zeug.“

Einige Sekunden herrschte vollkommene Stille bevor der Brünette geräuschvoll seinen Laptop zu klappte.

„Dürfte ich mal erfahren, wo du das letzte halbe Jahr mit deinen Gedanken warst, wenn wir Unterricht hatten.“

„Woher soll ich das wissen? Immerhin habe ich Amnesie.“, gab Joey nun patziger zurück als er wollte, da er sich angegriffen fühlte.

Wieso musste Kaiba ihn so eingebildet ansehen und so arrogant reden.

„Es war deine Idee mir Nachhilfe zu geben und ich bin nur ehrlich und sage dir, wie es ist. Ich verstehe nichts von diesem Zeug.“

Wortlos stand der Brünette von seinem Drehstuhl auf und kam zu dem Kleineren hinüber um sich direkt neben ihm auf der Couch niederzulassen.

Der Blonde versteifte sich unwillkürlich, aufgrund der Nähe des Größeren jedoch wich er nicht zurück.

„Du hast eine schlechte Note in Mathe aber ich dachte, dass du wenigstens mit den Grundlagen vertraut bist.“

Auf Kaibas ruhige Aussage blickte er ihn von der Seite her an.

„Anscheinend nicht. Du musst mir wohl alles erklären.“

„Das wird ein großes Stück Arbeit. Die nächste Klausur ist schon in 2. Wochen.“

„Du musst kein Wunder vollbringen und wenn du mir nicht mehr helfen willst kann ich das verstehen.“

„Doch, ich werde es versuchen.“

Der Brünette war nicht gewillt einfach so aufzugeben, immerhin hatte er dem Kleineren die Nachhilfe angeboten.

Wenn er ihn jetzt wieder wegschickte, würde sich Joey in seinem Zimmer verschanzen und ihm nach wie vor aus dem Weg gehen.

Wenn sie beide täglich, regelmäßig lernten, konnte der Andere nicht anders als sich mit ihm auseinander zu setzen.

„Danke.“

Joeys Aussage war ehrlich gemeint und obwohl sich Kaiba darüber wunderte, nahm er dies mit einem Nicken zur Kenntnis bevor er das erste Blatt zur Hand und sich einen weiteren Stift vom Tisch nahm.

„Also, wir fangen erst einmal ganz einfach an. Kannst du mir sagen, was du als erstes bei dieser Aufgabe ausrechnen würdest? Was ist gegeben?“
 

Es war mühsam und sehr anstrengend dem Blonden die Fachkenntnisse der Mathematik näher zu bringen.

Einige Male war er kurz davor den Kleineren anzuschreien, jedoch unterließ er es immer wieder als er in die Augen von Joey sah.

Er gab sich wirklich Mühe, hörte ihm zu und versuchte zu verstehen. Jedoch machte ihm das umsetzen sehr viele Schwierigkeiten.

Er musste sich sehr oft wiederholen während der Kleinere sich alles gewissenhaft notierte.

Sie beide kamen nur stockend voran, es war gerade zu als holprig zu bezeichnen und als die dritte Stunde schon fast um war, hatten sie gerade mal eine halbe Seite hinter sich.

Solche simplen Aufgaben löste er normalerweise innerhalb weniger Minuten aber Joey fiel es so schwer, dass eine schnellere Erklärung nicht möglich war.

Der Blonde war nicht dumm, jedoch lagen ihm Zahlen wohl überhaupt nicht. Trotzdem strengte er sich an und bat nicht ein einziges mal um eine Pause, was der Andere stumm honorierte.

„Das reicht für heute.“, entschied Kaiba nach der vierten gelösten Aufgabe und lehnte sich in die Polster der Couch zurück.

Ein zustimmendes und mehr erleichtertes Seufzen war von Joey zu hören und auch er stand kurz auf um seine steifen Glieder zu strecken.

„Du hast wohl nicht gedacht, dass es so schwer wird mit mir, oder?“

„Das denke ich bei dir meist nie, dabei sollte ich darauf gefasst sein.“

Um Kaibas Mundwinkeln zuckte die Andeutung eines Lächeln was der Kleinere kaum fassen konnte.

„Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.“, gab Joey nun zurück sodass der Größere ihn von unten herauf einige Sekunden schweigend ansah.

„Ich habe es dir angeboten.“

„Aber da wusstest du noch nicht, wie viel Arbeit es machen würde.“

„Harte Arbeit macht mir nichts aus.“

Der Brünette blickte ihm noch immer direkt in die Augen.

„Du bist nicht dumm, Wheeler. Du bist nur faul.“

„Das klang beinahe wie ein Kompliment.“

„Gewöhn dich nicht dran.“

Kaibas höhnische Tonlage war dem Blonden schon eher vertraut, es ließ ihn ruhig werden und so sammelte er die beschriebenen Blätter ein.

„Ich verspreche dir, dass ich mir die Aufgaben später noch einmal durchgehen werde, damit wir morgen besser vorankommen als heute.“

„Das hoffe ich doch. Denn die nächsten Tage, werden wir das lernen nach dem Abendessen erledigen müssen und außerdem habe ich auch noch eine Firma zu leiten.“

„Ich versuche, dir nicht zur Last zu fallen.“

Joey meinte es ehrlich, jedoch erwiderte der Größere nichts darauf sondern stand nur auf und ging wieder zu seinem Schreibtisch.

„Du kannst jetzt gehen, Wheeler. Mokuba freut sich sicherlich über deine Gesellschaft.“

Der Blonde nickte wortlos, sammelte seine letzten Unterlagen ein und verließ das Zimmer. Jedoch warf er noch einen Blick zurück auf den Brünetten der nun wieder an seinem Schreibtisch saß, über seinen Laptop gebeugt und irgendwie, bekam er nun Schuldgefühle.

Der CEO vertiefte sich wieder in seine Arbeit und bekam nur am Rande mit, dass es wenige Zeit später wieder an seiner Tür klopfte.

„Herein.“

Ohne vom Monitor aufzusehen tippte er weiter und war überrascht als plötzlich neben ihm auf der großen Tischplatte ein Tablett erschien.

Darauf stand eine Kanne Kaffee mit einer Tasse und eine kleine Schale mit süßem Gebäck.

Etwas verwundert verharrten seine Finger über der Tastatur und er blickte hinauf in das Gesicht von Wheeler der ihm etwas schüchtern zulächelte.

„Ich dachte nur, da ich dich die letzten Stunden vom arbeiten abgehalten habe, könnte ich dir ja wenigstens etwas kleines zu essen und Kaffee bringen. Du trinkst doch gerne Kaffee, nicht wahr? Ich habe dich dauernd welchen trinken sehen.“

Der Brünette griff in die Schale mit dem Gebäck und nahm es genauer unter die Lupe.

„Ist das selbst gemacht?“

„Ja, das haben Mokuba und ich gestern Abend gebacken. Du hast wie immer gearbeitet und es nicht mitbekommen. - Das ist Buttergebäck. Mokuba hat es mit bunten Streusel verziert.“

„Sieht ihm ähnlich.“

Auf den dünnen Lippen des Geschäftsmannes erschien ein Lächeln, sodass Joey kurz das Herz stockte und er war froh, dass er das Tablett schon auf den Schreibtisch abgestellt hatte, sonst hätte er es sicherlich fallen gelassen.

Als der Brünette ihm wieder so direkt in die Augen sah, wich er hastig seinem Blickkontakt aus und starrte auf die Kaffeekanne.

„Soll ich es dir stehen lassen?“

„Ja, tue das.“

Joey wusste nicht wo er hinsehen und was er tun sollte, also trat er einige Schritte zurück um etwas Abstand zwischen sie zu bringen.

„Dann werde ich dich ab jetzt nicht mehr stören. Mokuba und ich sind unten im Garten, falls du uns suchst.“

Er wollte sich abwenden und den Raum verlassen, doch die Worte des Brünetten hielten ihn auf.

„Ich werde heute Abend mit euch essen. Nur falls du es wissen willst, du kannst also für mich mitdecken.“

„Okay.“

Der Blonde wusste nicht mehr darauf zu sagen, warf dem Anderen noch einen letzten Blick zu bevor er entgültig das Arbeitszimmer verließ.

Freund und Feind

In den nächsten zwei Wochen konnte die gesamte Oberstufe der Domino High inklusive Joeys Freunde eine nie gekannte Friedlichkeit zwischen den beiden, ehemaligen Erzfeinden beobachten.

Kein Gestichel, kein Wortgefecht und kein böser Blick ging zwischen dem Brünetten und Blonden einher, höchstens einige milde Neckereien waren zu hören.

Es glich einem Wunder und war vielen schlichtweg unheimlich.

Joey wurde langsam, jedoch stetig besser in seinen ehemaligen Hassfächern und konnte durch gute Mitarbeit und korrekten Antworten bei seinen Lehrkörpern punkten.

Kaiba und er verbrachten fast jede Mittagspause zusammen, die sie in Stiller Zweisamkeit nutzten.

Der Größere telefonierte meist mit einen seiner Angestellten oder tippte einige Daten auf seinem Laptop ein, während Joey neben ihm saß und meist in seinen Büchern las.

Der ehemalige Klassenclown und Raufbold war ruhig geworden und strebsam.

Yugi nahm dies mit stillem Lächeln zur Kenntnis und auch Tea half ihm bei allen anfälligen Fragen und Problemen zum Unterrichtsstoff, jedoch gab es auch Freunde des Blonden die nicht zufrieden schienen mit dieser Entwicklung.
 

"Joey, können wir uns mal unterhalten?"

Tristan stand auf einmal neben seinem geöffneten Spind und legte ein Gesicht an den Tag, was keineswegs als freundlich zu bezeichnen war.

"Sicher."

Der Blonde nickte bereitwillig, verstaute seine Schulbücher in den Spint und verschloss ihn.

Er folgte Tristan einige Meter bis zu einer ruhigen Ecke, am Ende des Flures.

"Gibt es ein Problem?"

"Ich wollte mich mal über Kaiba und dich unterhalten."

"Über mich und Kaiba? Wieso?"

"Ich finde es unpassend, wie ihr beiden euch benehmt."

"Was tun wir denn?"

Joey wusste nicht so Recht, wieso sein Freund ihn beinahe strafend ansah.

Verschwörerisch hatte er die Stimme gesenkt, sie glich fast einem zischeln.

"Ihr seit so etwas wie Freunde."

Tristan spie das letzte Wort so aus, wie ein gemeines Schimpfwort, was Joey langsam den Kopf neigen ließ.

"So würde ich das nicht bezeichnen. Wir haben eine Art Waffenstillstand oder eine friedliche Kooperation."

"Ihr verbringt jede freie Minute in der Schule zusammen."

"Richtig. Aber nur, weil er so nett war und mir Nachhilfe angeboten hat. Er ist ein guter Lehrer, etwas streng aber ich glaube, sonst würde es bei mir auch nichts bringen. Und es hilft, ich bin in Mathe schon 15 Punkte besser geworden und das nur in knappen zwei Wochen."

"Joey, du hast Kaiba immer gehasst."

"Mag sein, aber das bringt mich nicht weiter. Ich kann mich ans nichts erinnern, ich fange quasi bei euch alle wieder bei null angefangen. Kaiba ist nicht einfach, aber er ist auch kein schlechter Mensch."

"Weißt du eigentlich was du da sagst?", brauste sein Freund auf und raufte sich in einer verzweifelten Geste die Haare. "Ihr beide habt euch immer regelrecht verabscheut. Wenn du wüsstest, was dir dieser Kerl alles an den Kopf geworfen und wie er dich tagtäglich in unserem Klassenraum gedemütigt hat. Er hatte nie auch nur ein einziges gutes Wort für dich übrig!"

"Ich habe sicherlich auch meinen Teil dazu beigetragen. Ich bin auch nicht einfach, ich war früher wohl ziemlich temperamentvoll."

"Du verlierst dich selbst! Und das schlimmste ist, du verrätst dich selbst!"

"Tristan, ich kann mich nicht verlieren oder mich verraten, weil es mein altes Ich nicht mehr gibt. Verstehst du es denn nicht? Ich wohne bei den Kaibas, ich muss mich Ihm anpassen. Ich muss ihm dankbar sein und ich bin ihm dankbar. Natürlich habe ich keine Ahnung, was alles zwischen uns im Vergangenen schief gelaufen ist, aber nun ist es anders. Und das ist gut so. Er kümmert sich um mich."

"Kaiba hat ständig nur seinen eigenen Vorteil im Auge, wenn er dir jetzt hilft dann nur, weil er eine Gegenleistung erwartet."

"Er ist nicht so. Was könnte ich ihm schon geben?"

"Bitte, sei nicht so dumm."

"Ich bin nicht dumm!", erhob Joey nun langsam wütend die Stimme da auch Tristans Ton immer aggressiver wurde.

"Ich habe zwar mein Gedächtnis verloren, aber ich bin nicht dumm. Es tut mir wirklich Leid, dass du dich von mir zurück gesetzt fühlst und das nicht verstehen kannst aber der Schulstoff ist im Moment das einzige, woran ich mich klammern kann."

"Joey, ich...", setzte der Andere nach, brach jedoch ab als die hochgewachsene Gestalt des CEOs am Treppenabsatz erschien.

"Wheeler, alles in Ordnung?"

Angesprochener nickte wortlos auf die Frage bevor er sich wieder Tristan zuwandte.

"Alles okay. Ich weiß, dass du es gut meinst aber versuche bitte mich auch zu verstehen."

Sein Freund erwiderte nichts darauf, grimmig sah er ihm hinterher wie er die Treppe nach unten erklomm und Kaiba ihm nach einem kurzen Blick folgte.
 

Joey gingen Tristans Worte den ganzen Nachmittag nicht aus dem Kopf, es war der erste Tag seit langem, wo er sich nicht auf seine Schulaufgaben konzentrieren konnte.

So geschah es dann auch, dass er sich bei Zubereitung des Abendessens in den Finger schnitt.

"Mist!", fluchte er inbrünstig während er seine blutende Wunde unter das Wasser hielt und Mokuba die besudelte Gurke in den Mülleimer wandern ließ.

"Ist doch nicht schlimm. Wir haben noch mehr Gemüse.", entgegnete der Schwarzhaarige munter und ging in die Speisekammer um Nachschub zu organisieren während sich der Blonde ein Stück Küchenrolle nahm und sich mit umwickelten Finger auf einem der Stühle sinken ließ.

Er hatte Kopfschmerzen von seinen vielen Gedanken und lehnte erschöpft seinen Kopf auf die kühle Tischplatte.

"Willst du mir sagen, was dich bedrückt?", erklang Mokubas Stimme durch seine wirren Gedanken und als er den Kopf hob, saß der Jüngere ihm direkt gegenüber und besah ihn mit wachen Augen.

"Gar nichts.", wiegelte er halbherzig ab sodass Mokuba sichtbar die Augen verdrehte.

"Natürlich. Deswegen schaust du auch so glücklich."

"Es ist kompliziert."

"Ich bin ziemlich schlau für mein Alter."

Joey hob den Kopf und sah einige Sekunden schweigend in das Gesicht des jüngeren Kaibas, bevor er hörbar ausatmete.

"Tristan hat mir heute in der Schule Vorhaltungen gemacht."

"Weswegen?"

"Ich würde mich angeblich zu gut mit deinem Bruder verstehen."

"Oh..."

"Ja. Er hat mich regelrecht angeschrien. Als ob ich eine wahre Todsünde begannen hätte."

"Hast du wohl auch in seinen Augen."

"Mokuba, auf welcher Seite bist du eigentlich? Du fällst deinem großen Bruder in den Rücken."

"Das kann man auch sachlicher betrachten. Seto war nicht immer sehr nett zu dir und deinen Freunden. Ich kann Tristan schon etwas verstehen. Es ist nicht einfach mit ihm."

"Sag das nicht zu laut, nachher hört er es noch.", murmelte Joey und warf einen schnellen Blick hinter sich, so als hätte er Angst dass der Brünette genau in diesem Moment die Küche betreten würde.

"Ich bin auf gar keiner Seite, manches mal konnte ich Setos Beweggründe auch nicht verstehen oder gut heißen. Er ist ein Einzelkämpfer, das hat gute aber auch schlechte Seiten. Yugi hat ihm mehrfach seine Freundschaft angeboten und er hat immer wieder abgelehnt, obwohl er am Ende doch immer mit euch zusammen gekämpft hat. Er gibt es nicht gern zu aber so unnütz, wie er es auch immer glauben gemacht hat, findet er euch gar nicht und dich Joey, mag er."

"Mokuba...!"

"Er mag dich. Sonst würde er nicht soviel Zeit mit dir verbringen. Wann hat er dich das letzte Mal Köter genannt?"

"Erst vorgestern sagte er Idiot zu mir.", warf der Blonde eilig dazwischen obwohl er wusste, dass der Brünette dies eher im Affekt gesagt hatte, als er ein mathematisches Verfahren beim dritten Mal noch immer falsch angewendet hatte.

Auch Mokuba grinste nun vielsagend.

"Seto hat dir Nachhilfe angeboten, dass ihr beinahe jeden Abend zusammen in seinem Arbeitszimmer verbringt war nicht abgesprochen. Ich durfte noch nie über drei Stunden auf seiner Couch sitzen während er arbeitet und du bringst ihm ständig Kaffee nach oben."

"Ich will mich nur revanchieren."

"Und er isst seit einigen Tagen jeden Abend mit uns im Esszimmer. Das hat er vorher nie und er lobt dein Essen."

"Das tut er nicht."

"Er sagt nicht, dass es schlecht wäre und er isst seinen Teller immer leer. Das ist ein Lob.", gluckste der kleine Frechdachs sodass es Joey einige Augenblicke die Sprache verschlug.

"Du findest also, das Tristan Recht hat?"

"Tristan ist eifersüchtig, weil du mehr Zeit mit meinem Bruder verbringst als mit deinen ehemaligen Freunden. Aber du brauchst wohl Abstand um dich zu neu zu ordnen."

"Nicht nur das. An den Schulstoff kann ich mich klammern, mit oder ohne Gedächtnis und es hilft mir, nicht zu viel über mich nachzudenken."

"Joey, ich verstehe dich doch.", beruhigte ihn Mokuba mit einem leichten Lächeln.

"Aber ich verstehe auch Tristan, du bist nun ein vollkommen Anderer und er vermisst seinen ehemaligen Freund. Du solltest dich bald mal mit ihm treffen, alleine und ihm in Ruhe alles erklären."

"Wie alt bist du nochmal?", scherzte Joey nun ebenso lächelnd während ihm der Kleinere die neu geholte Gurke entgegenhielt.

"Ich bin eben ein Kaiba."
 

Während sich die beiden wieder etwas fröhlicher daran machten das Abendessen vorzubereiten saß Kaiba wie immer um diese Zeit in seinem Arbeitszimmer.

Jedoch blieb diesmal der Laptop unbenutzt an seinem Platz stehen und auch keine der daliegenden Mappen wurde angerührt.

Schweigend saß er in seinem großen Lederdrehstuhl und starrte ins Nichts während er ab und an seinen Kopf leicht neigte.

Auch ihm gingen viele Gedanken durch den Kopf, er konnte keinen von diesen richtig fassen.

Es lies ihn unruhig werden und an richtige Arbeit war heute nicht mehr zu denken.

Da er einige Leistungskurse besuchte und er in manchen Fächern nicht mit Wheeler eine Klasse teilte hatte er am Schultor gewartet bis dieser nach dem letzten Klingeln erschien.

Jedoch war es heute so spät geworden, dass er ihm entgegen gegangen war.

Teils aus Ärger, weil der Andere anscheinend bummelte, jedoch leider auch aus leichter Sorge, was er nicht gerne zugab. Jedoch hätte es ja sein können, dass sich der Kleinere wieder in Schwierigkeiten gebracht hatte.

Schon kurz vor dem letzten Treppenaufsatz hatte er die aufgebrachte Stimme von Taylor identifiziert und er war ganz automatisch stehen geblieben.

Er hatte nicht vorgehabt zu lauschen, ein Kaiba lauschte schließlich nicht, und ihm war es auch egal, was Irgendjemand von ihm dachte.

Jedoch hatte es ihn verwundert, wie vehement der Blonde ihn verteidigt hatte.

Er hatte sich klar auf seine Seite gestellt, hatte gegenüber seines Freundes sogar Dankbarkeit ausgedrückt und sich ganz klar positioniert.

Dies hatte ihn verwundert und es gab fast nichts was ihn noch in Verwunderung versetzte und er erschrak selbst darüber, wie ihn Wheelers Worte freuten.

Auch empfand die Anwesenheit des Kleineren nicht mehr als störend oder lästig.

Die Nachhilfe macht ihm inzwischen sogar etwas Spaß und Wheeler gab sich wirklich Mühe seine Erwartungen zu erfüllen.

Er honorierte das der Blonde ihm ab und an einen Kaffee hochbrachte und ihm still Gesellschaft leistete.

Zwar gab er es nicht gerne zu, aber wenn er in seiner Firma saß, in seinem riesigen Büro, vermisste er es manchmal die gebeugte Gestalt seines Schulkameraden zu sehen, wenn er von seinem Monitor aufblickte.

Er hatte sich an Wheeler gewöhnt und daran, dass er meist auf seiner Couch saß und in seinen Schulbüchern las oder sich irgendetwas abschrieb.

Die Missgunst von Taylor gefiel ihm gar nicht, gerade er sollte als angeblicher Freund mehr Geduld und Verständnis für den Blonden erübrigen.

Wenn er es sogar schaffte, dies zu tun, sollte es doch kein Problem darstellen.

Sich leise seufzend die Schläfe massierend stand er von seinem Stuhl auf um etwas die Beine zu vertreten, als es an der Tür klopfte.

"Herein."

Wie zu erwarten gewesen war, war es der Blonde, der wie immer mit einem Tablett mit Kaffee und etwas Gebäck zu ihm kam.

"Mokuba und ich haben angefangen das Abendessen zu kochen. In circa einer Stunde müsste es fertig sein. Ich habe gedacht, bis dahin kannst du eine kleine Stärkung vertragen."

Kaiba beobachtete wie Wheeler das Tablett auf seinen Schreibtisch stellte und sich wieder umwandte das Zimmer zu verlassen.

"Wheeler.", rief er aus einer plötzlichen Eingebung heraus noch einmal nach ihm, sodass sich der Kleinere noch einmal umdrehte, ihn wortlos ansah.

"Danke.", gab er schlicht und einfach jedoch ehrlich gemeint zurück, sodass sich die bernsteinfarbenen Augen des Blonden weiteten.

"Bitte. Gern geschehen."

Die Tür schloss sich und über die schmalen Lippen des Geschäftsmannes bahnte sich ein leichtes Lächeln.



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Kommentare zu dieser Fanfic (86)
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Von:  kakashi22
2017-07-10T13:07:14+00:00 10.07.2017 15:07
ich hoffe du schreibst weiter an der geschichte?
Würde mich super freuen!!
Liebe Grüße
Ebru
Von:  xXRuriXx
2015-11-23T16:42:05+00:00 23.11.2015 17:42
Woaa
die story ist genial
wann geht es weiter??
GLG

Von:  Ice-Kyubi
2015-09-11T17:34:30+00:00 11.09.2015 19:34
Oki alles gelesen... Story ist wirklich niedlich und ich werde sie weiter verfolgen. Hoffe es kommen schnell viele neue Kapietel die ich verschlingen kann^^
Von:  Pan18w
2015-05-23T14:42:38+00:00 23.05.2015 16:42
Nah endlich.
Die beiden kommen sich langsam näher.
Wie hat jemand mal gesagt " Man muss nicht immer gleich mit liebe anfangen, Dankbarkeit ist auch ein guter grund"
Und das hat dieses kapitel sehr gut rüber gebracht.
einfach toll, weiter so.

Freu mich auch schon sehr auf den nächsten teil.

LG Pan18w
Von:  mu_chan
2015-04-13T14:15:03+00:00 13.04.2015 16:15
ein sehr schönes kapitel *-*
ich find die entwicklung sehr gut und freue mich schon jetzt wenn es weiter geht!

glg mu_chan
Von:  Bettykings
2015-04-11T23:08:21+00:00 12.04.2015 01:08
awwww :3 ich liiiiebe diese ff.
Sie ist wirklich gut und ich lese sie gerne ^^
ich kann es kaum erwarten bis das nächste kapi kommt.
Von:  Noir10
2015-04-11T15:04:03+00:00 11.04.2015 17:04
aahhhhh kyuuu ein super kappi gefällt mir sehr gut leider kann ich tylor verstehen uind muss sagen würde genau so reagieren aaahhhh!!
^^-^^

Von:  Lunata79
2015-04-10T21:36:19+00:00 10.04.2015 23:36
Schönes Kapitel.
Mit viel Glück, bleibt die Atmosphäre so friedlich zwischen ihnen. Auch wenns abgesprochen nur ein Waffenstillstand ist.
Aber man merkt schon, dass Joey ihm ans Herz wächst. *freu*
Ich mache mir nur Sorgen, sollte Joey sein Gedächtnis wiedererlangen, dass alles wieder zunichte ist.
Bin schon gespannt aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79
Von:  Onlyknow3
2015-04-10T18:42:41+00:00 10.04.2015 20:42
Mit Speck fängt man Mäuse. Und Joey mit seinem Kaffee Seto Kaiba. Kein wunder also das Tristan so aus der Haut fährt, wenn er das mitkriegt. Yugi, Tea, Duke und Bakura dulten es wohl eher schweigend, und sind froh das Seto sich um Joey kümmert jetzt nach dem der sein Gedächnis verloren hat. Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Sellery-Attack
2015-04-10T18:01:34+00:00 10.04.2015 20:01
soooo ein schönes Kapitel ♥____♥
das sich kaiba am ende sogar bedankt echt süß x3
bin gespannt wie es weiter geht ^^


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