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Nachhilfe

H&M
von

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Zwei Welten

„Du hast WAS getan?“

„Jetzt tu nicht so überrascht. Du wusstest, dass das irgendwann passieren würde.“

„Ich hab da aber überhaupt kein bock drauf!“

„Ruka-chan, wenn sich deine Noten noch weiter verschlechtern, dann fliegst du von der Schule!“

„Das ist mir doch egal! Wer braucht die schon, ich jedenfalls nicht. Ich verdiene mehr als genug Geld. Und hör gefälligst auf mich so zu nennen, du weißt das ich das hasse!“

„Es ist mir egal wie viel Geld du verdienst. Ich und dein Vater haben diesem Vertrag nur zugestimmt, unter der Bedingung, dass du die Schule zu Ende bringst, und zwar mit akzeptablen Noten. Und derzeit sieht es so aus, als ob du nicht einmal das Halbjahr schaffst.“

„Na, und?! Du kannst mich nicht dazu zwingen!“

„Und ob ich das kann! Ich bin deine Mutter, und du noch nicht volljährig, also wirst du dir von dem Mädchen helfen lassen.“

„Aber warum muss die denn hier wohnen?“ klang es jetzt doch ziemlich verzweifelt.

„Nun ja, ihre Mutter ist eine alte Freundin von mir. Wir sind damals zusammen zur Schule gegangen, aber leider ist sie weggezogen. Sie wohnt mit ihrer Familie derzeit noch in Osaka. Ihre Tochter hat gerade ein Stipendium für die Mugen Gakuen bekommen also wollen sie wieder nach Tokio ziehen. Bis sie eine Wohnung und Arbeit gefunden haben wohnt sie eben bei uns, und wie es der Zufall so will, ist sie eine ausgezeichnete Schülerin, schreibt nur Einsen.“

„Na ganz toll `ne kleine Streberin!“

„Ruka-ch… ja schon gut, ich meine Haruka, du wirst nett zu diesem Mädchen sein. Sie ist neu in der Stadt und kennt hier niemanden. Ich erwarte von dir, dass du dich um sie kümmerst.“

„Was soll das denn heißen? Soll ich Babysitter spielen oder was?“

„Sei nicht albern. Du sollst sie lediglich ein wenig herumführen, dich mit ihr unterhalten und vielleicht freundet ihr euch sogar an.“

„Pah! Ich brauch keine Freunde. Schon gar keine kleine Streberin, die meint mir etwas beibringen zu müssen!“

„Sie möchte dir nur helfen. Außerdem ist es so etwas wie eine Gegenleistung dafür, dass sie hier kostenlos wohnen darf.“

„Von mir aus soll sie hier wohn, aber ich hab absolut keine Lust mich mit der abzugeben, und ich werde mich auch nicht von der unterrichten lassen. Ich hab sowieso gar keine Zeit. Ich muss zum Training.“

„Da mach dir mal keine Sorgen. Ich habe alles mit deinem Trainer und deinem Chef besprochen. Du hast in nächster Zeit keine wichtigen Rennen von daher brauchst du auch kein Training. Du hast so zu sagen ein paar Wochen Urlaub bekommen. Und wenn sich deine Noten nicht bald verbessern darfst du gar nicht mehr Motorrad fahren. Haben wir uns verstanden, junge Dame?!“

„WAS! Du hast mich beurlauben lassen! Hast du sie noch alle?“

„Sprich nicht in diesem Ton mit mir Haruka! Wenn sich deine Noten wieder verbessern darfst du auch wieder zum Training, aber bis dahin wirst du dich um dieses Mädchen kümmern, und sie wird dir Nachhilfe geben, ob du willst oder nicht!“

„Aber…“

„Kein aber. Im Übrigen wird sie bald eintreffen.“

„Wie? Sie kommt schon heute? Jetzt gleich?“

„Ja. Sie hat am Montag ihren ersten Schultag. Somit kann sie sich übers Wochenende noch ein wenig eingewöhnen.“

Haruka wollte noch protestieren musste sich aber wohl oder übel eingestehen, dass sie verloren hatte. Sie ließ sich zurück aufs Sofa fallen, von dem sie während des Gesprächs aufgesprungen war und sah ihre Mutter finster an.

„Ach, jetzt guck doch nicht so, Haruka. Sie wird dir gefallen, da bin ich ganz sicher. Ihre Mutter hat mir ein wenig von ihr Erzählt. Sie ist eine sehr begabte Violinisten und malt außergewöhnlich schöne Bilder, außerdem soll sie sehr hübsch sein.“

„Mir doch egal. Das sagt gar nichts über sie aus.“

Haruka war immer noch ziemlich wütend, aber inzwischen auch ein klein wenig Neugierig, das würde sie vor ihrer Mutter aber natürlich nie zugeben.

„Hhmm, … wie heißt die eigentlich?“

„Ach, ja richtig. Ihr Name ist Kaioh Michiru und sie ist genau wie du 17 Jahre alt. … Haruka wo willst du hin?“

„Weg. Einfach nur weg.“

„Was, aber sie kommt doch gleich!“

„Das ist mir doch egal.“

„Haruka! Haruka bleib stehen!“

Doch die hörte gar nicht und war schon aus dem Zimmer und somit auch aus dem Haus verschwunden.

„Ahrg, dieses Kind macht mich wahnsinnig.“

Draußen vor der Eingangstür schwang sich Haruka so schnell es ging auf ihr Motorrad und sauste in einem Affenzahn die lange einfahrt, bis zur Straße hinunter. »Nachhilfe?! Die kann mich mal. Wen interessiert schon diese dämliche Schule?!« Gerade als sie in die Straße einbiegen wollte kam ihr eine schwarze Limousine entgegen, das veranlasste sie nur dazu noch schneller zufahren und ihre Stimmung noch weiter nach unten sickern zulassen.
 

Währenddessen saß eine etwas nervöse und ziemlich erschreckte Michiru in der eben erwähnten Limousine. »Was war das?« Sie war etwas in ihrem Sitz zusammen gezuckt, da sie beinahe von einem Motorrad gerammt worden wären. Sie war sowieso schon ziemlich nervös gewesen, nicht nur das sie ganz allein, ohne ihre Eltern in eine fremde Stadt ziehen musste, nein, sie sollte auch noch bei einer völlig fremden Familie leben und deren Tochter Nachhilfe geben. Sie hatte sich zwar bereit erklärt dies zu tun, zumal sie es auch nur fair fand der Familie auch etwas zurück zu geben, doch so ganz wohl dabei war ihr nicht.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“ wurde sie von dem Fahrer gefragt.

„Was? Oh. Ja, natürlich. Nichts passiert.“

„Tut mir wirklich leid. Dieses Kind ist einfach unglaublich.“

„War das etwa die Tochter der Familie?“

„Ja. Ich fahre öfter für diese Familie, und da bin ich ihr auch schon ein paar Mal begegnet, aber ich hätte auch gut darauf verzichten können. Sie ist wirklich ein seltsames Kind.“

»Na, ganz toll. Die wird sich doch niemals etwas von mir sagen lassen. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Wahrscheinlich ist sie eine dieser reichen verzogenen Gören die sich für etwas Besseres halten. ... Aber ich hätte nie gedacht, dass die Motorrad fahren, und wieso darf sie das überhaupt? Ich dachte sie ist genauso alt wie ich.« Mit einem traurigen und etwas verwunderlichen Blick sah sie durch die Heckscheibe der Limousine, dem schon längst verschwundenen Motorrad hinterher.

„Wenn ich bitten dürfte, Kaioh-san?“

„Oh, entschuldigen Sie.“

Die Limousine war inzwischen an dem Haus angekommen und der Fahrer hielt ihr jetzt die Tür auf. Zögerlich stieg Michiru aus dem Auto aus und betrachtete dann das Anwesen vor sich. »Wow!« war das einzige was ihr dazu einfiel. Ihre Mutter hatte zwar erwähnt, dass ihre ehemalige Freundin ziemlich viel Geld besaß, aber so viel hätte Michiru nicht erwartet. Vor ihr stand eine ziemlich große Villa im westlichen Stil. Sie erstreckte sich über zwei Etagen, war in einem zarten Gelb gestrichen und hatte Schwarze Dachziegel. Überall waren große weiße Fenster, die bis zum Boden reichten, und Säulen die das jeweilige Dach abstützten. Michiru ging ein paar Schritte auf das Haus zu, damit der Fahrer die Tür hinter ihr zu machen konnte, war aber unschlüssig darüber ob sie einfach an die Tür klopfen sollte oder ob es hier irgendwelche bestimmten Richtlinien gab, an denen sie sich jetzt halten müsste. Zu ihrem Glück ging aber gerade die Tür von selber auf und eine große Frau mit langen blonden Haaren, blauen Augen und freundlichem Gesicht trat heraus.

„Du musst Michiru-san sein. Es freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Tenoh Sachiko. Wie geht es dir? Ich hoffe du hattest eine angenehme Reise.“

Sofort viel jegliche Anspannung von Michiru. Sie hatte sich solche Sorgen darüber gemacht, wie sie hier wohl aufgenommen würde, auch wenn ihre Mutter ihr versichert hatte, dass Sachiko eine liebenswürdige Person sei und sich schon auf sie freuen würde. Michiru war schon immer eher schüchtern gegenüber fremden Menschen und machte sich immer mehr Sorgen als überhaupt nötig war. Das wurde ihr auch jetzt wieder bewusst nach der herzlichen Begrüßung Sachikos.

„Ja, danke. Es freut mich auch sie kennen zu lernen.“ sagte sie und machte eine kurze Verbeugung.

„Na, komm erst mal rein. Um dein Gepäck wird sich der Fahrer schon kümmern.“

Sie ging mit Michiru ins Haus und führte sie ein wenig herum.

„Ich weiß das Haus ist ziemlich groß aber du wirst dich schon daran gewöhnen. Wenn du möchtest kannst du dich Nachher auch ein wenig selbst umsehen, jetzt zeige ich dir erst mal dein Zimmer, dann kannst du dich vor dem Essen noch ein wenig ausruhen.“

Michiru war ziemlich beeindruckt aber auch ein wenig eingeschüchtert von dem Haus. »Hoffentlich verlauf ich mich hier drinnen nicht. Aber es ist echt wunderschön.«

„Hier ist dein Zimmer, ich hoffe es gefällt dir. Du kannst es aber natürlich auch nach deinen Wünschen umgestalten.“

Sachiko öffnete die Tür und ließ Michiru den Vortritt.

„Ich denke das wird nicht nötig sein, es ist wundervoll.“

Michiru kam aus den staunen gar nicht mehr raus. Sie befand sich in einem riesigen Raum in dem sich ein prachtvolles Himmelbett, ein großer Schreibtisch, eine Sitzecke mit Sessel und Couch, eine Kommode mit Fernseher und ein mächtiger Kleiderschrank befanden. Die Wände waren in einem zarten Blau gehalten und an der gegenüberliegenden Wand der Tür waren Fenster die sich ebenfalls bis zum Boden streckten und in der sich auch eine Tür befand die auf den riesigen Balkon führte, von dem man eine wunderschöne Aussicht auf den Garten hatte.

„Freut mich, dass es dir gefällt. Deine Mutter sagte mir du magst die Farbe Blau und da dachte ich mir dieses Zimmer würde dir am besten gefallen.“

„Ja, das stimmt. Ich danke ihnen wirklich vielmals, dass Sie mich bei sich wohnen lassen, Tenoh-san. Und dieses Zimmer ist wirklich mehr als ich mir jemals erträumt habe.“

„Bitte, nenn mich Sachiko. Und du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich freu mich, wenn ich deiner Mutter helfen kann. Außerdem hoffe ich ja auch, dass du meine Tochter ein wenig in der Schule unterstützen kannst.“

„Ich werd auf jeden Fall mein Bestes geben.“

„Das weiß ich wirklich zu schätzen und ich Entschuldige mich jetzt schon, für alles was sie tun oder sagen wird. Auch wenn ich immer noch Hoffe, dass sie sich dir gegenüber benehmen wird.“

„So schlimm wird es schon nicht werden.“

„Das Hoffe ich wirklich, aber sie ist … nun sagen wir mal ein bisschen schwierig. Ich würde sie dir ja gerne vorstellen aber sie ist leider nicht da.“

„Ja, ich weiß. Sie ist uns vorhin entgegen gekommen.“

»Oder gerast!«

„Ach so, nun ja du wirst sie schon noch früh genug kennenlernen. Im Übrigen ist ihr Zimmer direkt neben deinem und die Tür dort vorn führt zum Badezimmer. Das wirst du dir mit ihr teilen müssen. Ich hoffe es stört dich nicht, ansonsten kannst du auch das am Ende des Ganges benutzen.“

Sie hatte auf eine Tür gezeigt die ebenfalls noch im Raum war. Das Badezimmer musste also genau zwischen den Räumen liegen.

„Nein, das ist schon in Ordnung.“

„Gut. So, ich denke ich werde dich jetzt mal ein wenig allein lassen. Dein Gepäck ist ja auch schon hier. Falls du noch Hilfe oder irgendetwas anderes brauchst, sag mir einfach Bescheid. Ich bin unten und bereite schon mal das Abendessen vor. Wir Essen um sieben.“

„Okay, und danke nochmal vielmals.“

„Keine Ursache.“

Damit verließ Sachiko das Zimmer und Michiru blieb allein zurück. Sie ließ sich erst mal auf das riesige Bett fallen und schloss die Augen. Lange blieb sie jedoch nicht liegen, sondern machte sich gleich daran ihre Koffer auszupacken und deren Inhalt in den Großen Kleiderschrank und die Kommode einzuräumen. Als sie mit auspacken fertig war genoss sie ein wenig die Aussicht und entdeckte zu ihrer großen Freude einen Pool im Garten und sie konnte sogar das Meer am Horizont sehen. Weit weg konnte es also nicht sein.

Überglücklich verließ auch sie das Zimmer, denn es war inzwischen kurz vor sieben und sie wollte auf gar keinen Fall zu spät zum Essen kommen. Zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie jedoch keine Probleme die Küche zu finden und war so nur wenig später dort angekommen. Sachiko war gerade dabei den Tisch zudecken an dessen Ende ein großer stattlicher dunkelhaariger Mann saß. Dieser erblickte Michiru als erster und sah sie mit einem finsteren Blick an, der Michiru irgendwie Angst einjagte.

„Wer bist du denn?“

„Oh, Michiru-san, da bist du ja. Keisuke das ist Kaioh Michiru-san die Tochter meiner Freundin aus Osaka. Ich habe dir doch erzählt, dass sie eine Weile bei uns wohnen wird und Haruka Nachhilfe geben wird. Michiru-san das ist mein Mann Tenoh Keisuke.“

„Es freut mich sehr Sie kennen zu lernen.“ sagte Michiru und machte eine höfliche Verbeugung.

„Ah, ach so. Wieso braucht Haruka Nachhilfe? Ich denk sie ist gut in der Schule.“

„Hörst du mir überhaupt zu, wenn ich mit dir rede? Ich sagte doch, dass ihre Noten in letzter Zeit immer schlechter geworden sind.“

„Oh. Na ja, solange ihr Training nicht darunter leidet. Aber findest du nicht wir sollten einen richtigen Nachhilfelehrer engagieren? Das Mädchen da ist doch nicht älter als sie.“

„Sie ist genauso alt wie Haruka und eine ausgezeichnete Schülerin. Ich glaube kaum, dass sich Haruka von einem richtigen Lehrer etwas sagen lässt, dass funktioniert in der Schule ja auch nicht, daher dachte ich jemanden in ihrem alter würde sie vielleicht eher akzeptieren.“

„Na, von mir aus. Wo ist Haruka überhaupt?“

„Ich weiß es nicht. Sie ist vorhin mit dem Motorrad weggefahren.“

„Was?! Sie ist doch nicht wohl schon wieder abgehauen? Die wird was zuhören kriegen wenn sie schon wieder so spät zurückkommt!“

„Beruhige dich. Mir war klar, dass sie nicht sonderlich begeistert sein wird. Sie soll sich ruhig erst mal ein bisschen abreagieren. … Michiru-san möchtest du dich nicht setzen?“

Michiru hatte während des ganzen Gesprächs nur schüchtern und ängstlich von einem zum anderen geguckt. Sie konnte diesen Keisuke immer weniger leiden, ließ sich aber nichts anmerken und setzte sich mit einem Lächeln an den Tisch. »Hoffentlich ist diese Haruka nicht genauso furchteinflößend wie ihr Vater.« Während des Essens wurde nicht weiter über das Thema gesprochen, eigentlich wurde überhaupt nicht mehr gesprochen. Nachdem Essen half Michiru Sachiko noch beim Abräumen und Abwaschen während Keisuke in sein Arbeitszimmer verschwand.

„Du brauchst mir wirklich nicht zu helfen, Michiru-san. Du bist hier Gast in unserem Haus.“

„Ich mach das wirklich gerne. Zuhause habe ich meiner Mutter auch immer geholfen.“

„Na, wenn das so ist, danke.“

„Hab ich das richtig verstanden, dass Haruka-san früher gut in der Schule war?“

„Ja, eigentlich war Haruka immer gut in der Schule gewesen. Sie hatte nie Probleme dem Unterricht zu folgen. Wenn sie mal schlechtere Noten geschrieben hatte lag es eher an ihrer Faulheit zu lernen, aber sie war trotzdem nie schlechter als drei. Doch seit einem Jahr werden ihre Noten kontinuierlich schlechter. Ständig kommen Beschwerden von ihren Lehrern, dass sie keine Hausaufgaben macht oder überhaupt gar nicht erst zum Unterricht erscheint. Und dann diese ständigen Schlägereien in denen sie gerät. Ich weiß wirklich nicht was in sie gefahren ist. Sie hat nur noch ihren Sport und vor allem diese schrecklichen Motorradrennen im Kopf.“

„Schlägereien? Motorradrennen?“

Michiru konnte sich beim besten Willen kein Bild von diesem Mädchen machen. Sie hatte noch nie von einem Mädchen gehört, dass Motorradrennen fuhr und sich auch noch Prügelte. Sie verabscheute jegliche Art von Gewalt und hatte plötzlich ziemliche Angst vor diesem Mädchen. »Und der soll ich jetzt sagen, dass sie lernen soll? Das kann doch nur schief gehen. Hoffentlich bin ich nicht auch noch alleine mit der in einem Raum.« Sie hatte jetzt, nachdem sie das gehört hatte auch nicht gerade das Gefühl, als würde Harukas Problem die Schule sein, sondern eher, dass sich ihr Problem, welches sie auch immer hatte, auf die Schule und ihr Verhalten auswirkte.

„Ja, ich weiß. Nicht sehr „weiblich“, oder? Eigentlich hat sie so gut wie gar nichts von einem klassischen Mädchen, aber das wirst du verstehen wenn du sie siehst. Und keine Sorge sie würde dich niemals verletzen, Prügeln tut sie sich nur mit Jungs.“

Michiru wurde immer verwirrter und das Bild im ihrem Kopf, welches sie sich trotz allem versuchte zu machen, nahm immer verrückter Züge an. »So gut wie nichts von einem Mädchen? Aber sie ist doch ein Mädchen. Das kapier ich nicht. Und sie prügelt sich mit Jungs? Wieso? Und wie kann sie das überleben?« Sie gab es nach einiger Zeit auf sich weitere Gedanken darüber zu machen und konzentrierte sich wieder darauf die Geschirrspülmaschine einzuräumen. Nachdem die Küche wieder sauber war, wünschte Michiru Sachiko schon mal eine gute Nacht, denn sie war inzwischen doch ziemlich Müde von der Zugfahrt hierher und wollte nur noch ins Bett. In dem Flur mit ihrem Zimmer blieb sie jedoch plötzlich stehen. Sie stand vor der Tür, die zu Harukas Zimmer gehören musste und sah sie einfach nur an. Eigentlich war sie nicht der Typ, der sich in fremde Zimmer schlich und herumspionierte, doch sie war inzwischen so neugierig auf dieses Mädchen, dass sie es ernsthaft in Erwägung zog. »Sie is ja schließlich nicht da und Sachiko sagte doch, dass ich mich ruhig etwas umsehen könnte, wenn ich will.« Sie wusste sehr wohl, dass das so sicher nicht gemeint war aber das interessierte sie in diesem Moment nicht. Nach weiteren fünf Minuten des Grübelns nahm sie schließlich all ihren Mut zusammen und ging auf die Tür zu. Sie horchte zunächst an der Tür, ob auch wirklich niemand im Raum war. Es war nicht das Geringste zuhören also drückte sie vorsichtig die Klinke hinunter und öffnete die Tür einen Spalt. Nachdem sie auch niemanden im Raum erkennen konnte, öffnete sie die Tür ganz. Was sie sah stellte sie aber nicht wirklich zufrieden. Es hätte das Zimmer von so gut wie jedem sein können, denn bis auf die Paar Motorrad und Auto Poster und Modelle war rein gar nichts Persönliches in diesem Raum. Die Wände waren schlicht weiß, es hatte dieselben großen Fenster und Balkontür wie Michirus Zimmer und auch in etwa dieselbe Größe. Die Möbel waren alle, vom großen Bett, bis hin zum Schreibtisch in schwarz gehalten. Auf der Kommode gegenüber dem Bett war ein mindestens doppelt so großer Fernseher wie Michiru ihn in ihrem Zimmer hatte und drum herum irgendwelche Geräte, die sie als Spielkonsolen deutete. Außer einigen Kleidungsstücken, die im sämtlichen Raum verteilt waren, war das Zimmer recht ordentlich. Na ja, das heißt wenn man Leer als Ordentlich bezeichnen konnte. Es war nicht eine Pflanze im Raum, kein einziges Foto und wenn dieses Mädchen Bücher besaß waren sie jedenfalls nicht im Regal. Autozeitschriften, ein paar Filme und Konsolenspiele konnte sie erkennen aber kein Buch. Michiru konnte sich ein Leben ohne Bücher gar nicht vorstellen und dieses Mädchen besaß offenbar nicht eins. Und dass nur diese, für sie grässlichen, Poster an der Wand waren und nicht ein schönes Bild fand sie auch mehr als seltsam. »Vielleicht war es das was Sachiko gemeint hatte. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auch sagen in diesem Zimmer wohnt ein Mann.« Nicht weniger neugierig und verwirrt verließ sie den Raum wieder. In ihrem eigenen angekommen machte sie sich schnell bettfertig und ging dann auch gleich schlafen. Sie brauchte aber noch eine Weile um einzuschlafen, da sie sich weiter darüber den Kopf zerbrach, wie diese Haruka wohl sein würde, und vor allem wie die sich ihr gegenüber verhalten würde.
 

Haruka indes war Stundenlang mit dem Motorrad durch die Gegend gerast. Eigentlich hatte sie vorgehabt in irgendeiner Bar abzusteigen und das erst beste, schöne Mädchen abzuschleppen, das sich ihr an den Hals warf. Doch sie konnte einfach nicht aufhören Gas zu geben. Letzten Endes war sie am Strand gelandet und lag jetzt da, im Sand, ließ sich den Wind durch die kurzen Haare wehen und starrte in den inzwischen dunklen Nachthimmel. Ihre Wut war mittlerweile auch wieder verraucht und sie hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter so angeschrien hatte. Sie wusste selbst, dass ihre Noten miserabel waren und wenn sie wirklich wollte, könnten sie um einiges besser sein. Aber sie konnte sich beim besten Willen einfach nicht darauf konzentrieren und fand im Moment auch nichts unwichtiger als diese blöde Schule. Ihre Schulpflicht war seit über einem Jahr vorbei und sie wollte eh nichts studieren. Sie wusste genau was sie wollte und das war an ihrer Rennfahrerkarriere arbeiten. Also wozu da überhaupt noch hingehen? »Warum können sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?« Sie richtete sich ein wenig auf und sah dann auf ihre Uhr. »Schon fast zwölf. Er wird mich mit Sicherheit umbringen.« Sie atmete einmal tief durch und grinste dann dreckig. »Soll er doch!« Es war inzwischen doch ziemlich kalt geworden, also stand sie auf, streckte sich einmal und ging dann lässig zu ihrem Motorrad zurück. Auf der Rückfahrt gab sie nicht weniger Gas und war so schon nach zehn Minuten bei der großen Villa angekommen. Sie stellte ihre Honda in der großen Garage ab und schlich sich dann leise ins Haus, in der Hoffnung, dass schon alle schlafen würden und sie niemand hören würde. Doch ihre Hoffnungen wurden ignoriert, denn als sie am Arbeitszimmer ihres Vaters vorbei schlich sprang plötzlich die Tür auf.

„Haruka! Wo zum Teufel warst du?“

Keisuke wartete erst gar nicht auf ihre Antwort, sondern packte sie gleich am Kragen und zerrte sie in sein Arbeitszimmer. Hinter sich schloss er die Tür und drückte sie dann gewaltsam an deren Innenseite.

„Ich habe dir doch gesagt, du bist zum Essen gefälligst Zuhause und treibst dich auch danach nirgends mehr rum! Ich weiß genau, wo du wieder warst!“

„Gar nichts weißt du!“ presste sie gequält hervor.

„Sprich gefälligst nicht so mit mir! Ich werde dir deine kranken Gedanken schon noch austreiben, du undankbares Kind!“

Damit ließ er von ihr ab, nur um in der nächsten Sekunde seine Faust in ihren Magen zu rammen. Haruka hatte das Gefühl ihr würde der Magen explodieren, doch sie unterdrückte den Schrei der in ihr hochkommen wollte. Stattdessen sank sie auf ihre Knie zusammen und hielt sich den Bauch vor Schmerzen. In diesem Moment war sie froh noch nichts gegessen zu haben, denn es wäre ihr wahrscheinlich jetzt sowieso wieder hochgekommen. Keisuke ließ ihr nicht viel Zeit sich von dem Schlag zu erholen. Er packte sie an den Haaren und zog sie wieder zu sich hoch. Ein paarmal schlug er noch zu bis Haruka das Gefühl hatte keine Luft mehr zu bekommen, dann packte er sie am Arm und sah sie mit einem strafenden Blick an.

„Ich warne dich! Dieses Mädchen das ab heute bei uns wohnt, solltest du auch nur daran denken sie anzufassen oder ihr irgendetwas erzählen, schwör ich dir, werde ich dich so zusammen schlagen, dass du dir wünscht nie geboren worden zu sein! Und die Kleine am besten gleich mit! ... Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass sie sich auf deine kranken Spielchen einlässt. Und jetzt mach, dass du hier verschwindest! Ich kann dich nicht mehr sehen.“

Er wartete wieder nicht bis sie reagierte, sondern schleuderte sie, immer noch am Arm packend, in dem Haruka schon längst kein Gefühl mehr hatte, nach draußen auf den dunklen Flur und schwang die Tür wieder hinter sich zu. Einige Minuten lag sie schwer atmend einfach nur da und versuchte den Schmerz zu unterdrücken. »Dieser widerliche Scheißkerl! ... Verdammt tut das weh.« Irgendwie schaffte sie es sich in ihr Zimmer zu schleppen und lag jetzt immer noch in ihrer Schuluniform gekleidet auf dem Bett und war innerhalb von Sekunden eingeschlafen, oder vielleicht verlor sie auch nur das Bewusstsein, sie wusste es nicht.

Warum muss sie so aussehen?!

Haruka wurde am nächsten Morgen von einem ihr undefinierbarem Geräusch geweckt. Sie versuchte sich aufzurichten, sackte im nächsten Moment aber wieder zusammen, da ein stechender Schmerz sie durchfuhr. Nachdem sie ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, versuchte sie es noch einmal, dieses Mal etwas langsamer. So schaffte sie es zumindest schon mal in eine sitzende Position. Das Geräusch war immer noch da, doch um diese Zeit arbeitete ihr Gehirn einfach noch nicht richtig, so kam sie nicht drauf was es sein könnte und stand stattdessen vorsichtig auf und schleppte sich zur Badezimmertür. Sie riss die Tür auf und machte einen Schritt hinein, blieb dann aber sofort stehen und sah mit großen Augen zur Duschkabine. Sofort eilte sie zurück und zog die Tür so schnell sie konnte hinter sich zu. Total geschockt lehnte sie jetzt mit dem Rücken an der Tür. »Was … was war das? Wieso zum Teufel steht da ‘ne nackte Frau unter meiner Dusche? Ich … ich hab doch nicht ….« Fieberhaft versuchte sie ihr Gehirn zum Arbeiten zu zwingen. »Nein. Nein, ich bin mir ziemlich sicher dass ich Gestern Abend alleine nachhause gekommen bin.« Das bewies auch der schmerz den sie am Körper spürte und ließ sie sicher werden, nicht nur geträumt zuhaben, von ihrem Vater mal wieder zusammen geschlagen worden zu sein. »Vielleicht träum ich ja jetzt noch? Aber ich dachte immer im Traum spürt man keine Schmerzen.« Nach kurzem Überlegen war sie sich sicher nicht zu träumen, dafür war das alles einfach viel zu real, und die Schmerzen zu groß. Sie brauchte noch eine Weile bis ihr ein Licht aufging. »Das wird doch nicht …« Sie schüttelte ungläubig mit dem Kopf. »Nein! Nein, das kann … das geht nicht! Das kann nicht das Nachhilfemädchen sein!« Sie dachte noch mal kurz daran was sie im Badezimmer gesehen hatte. Es war ziemlich viel Wasserdampf im Raum gewesen und das Mädchen stand mit dem Rücken zu ihr, aber das was sie gesehen hatte, war einfach nur göttlich, und passte so absolut gar nicht in das Bild, was sie sich von dem "Nachhilfemädchen" gemacht hatte. Sie hatte ein kleines unförmiges etwas mit Brille und arrogantem Blick erwartet, aber doch nicht SO etwas. Na ja, das Gesicht hatte sie leider nicht erkennen können aber sie konnte sich zu diesem Körper einfach kein hässliches Gesicht vorstellen. Ihr Blick wechselte jetzt immer zwischen Türklinke und der Tür selbst hin und her. Sie dachte darüber nach, ob sie noch einen weiteren Blick riskieren sollte, das Mädchen schien sie ja nicht bemerkt zu haben. Also wieso nicht? Sie hatte schon die Hand auf die Türklinke gelegt, als plötzlich die Stimme ihres Vaters durch ihren Kopf hallte. »Und die Kleine am besten gleich mit!« Ihre Hand glitt von der Klinke wieder herunter und wurde stattdessen zur Faust. »Nein! Vergiss sie, Haruka. Sie hat nichts mit der Sache zu tun. Du kannst jede andere haben, die nicht unter der Beobachtung deines Vaters steht.« tadelte sie sich selbst. Mit einem schweren Seufzer drückte sie sich von der Tür weg, schnappte sich ein paar frische Klamotten und schleppte sich dann den ganzen weg zu dem anderen Badezimmer auf diesem Stockwerk hin.
 

Michiru war heute Morgen schon ziemlich früh wach geworden. Sie streckte sich erst mal vergnügt. So gut hatte sie schon lange nicht mehr geschlafen aber dieses Bett war einfach unglaublich bequem. Voller Euphorie sprang sie aus dem Bett und genoss erst mal die wundervolle Aussicht aus den großen Fenstern. Kurzerhand entschloss sie sich mal den Balkon zu testen und öffnete die Tür. Sofort fuhr ein kräftiger Frühlingswind durch das Zimmer, der sie ein wenig frösteln ließ. So kalt, dass sie sich etwas hätte überziehen müssen, war es aber nicht, weshalb sie in ihrem kurzen, weißen Nachthemd nach draußen trat. Es war ein riesiger Balkon, der sich fast über die gesamte Länge des Hauses streckte. Und so gut wie von jedem Zimmer ging eine Tür nach draußen. Michiru ging die paar Schritte bis zum Geländer und musste feststellen, dass die Aussicht von hier noch viel schöner war als vom Fenster aus. Sie genoss den Wind der durch ihre Haare wehte und das Rauschen der Wellen, das sie in der Ferne hören konnte. Dieses Haus war wirklich ein Traum. Zuhause hatte sie mit ihrer Familie in einem Hochhaus mitten in der Stadt gewohnt. In einer, wie sie damals noch fand, großen Wohnung. Doch seitdem sie hier war, kam ihr irgendwie alles andere ziemlich klein vor. Es war aber auf jeden Fall genug Platz für drei Leute gewesen. Sie hatte ihr eigenes Zimmer, das wohl nicht mal halb so groß war, wie das in dem sie jetzt schlief, trotzdem passte alles rein was sie brauchte. Wahrscheinlich hätten sie sich inzwischen auch ein großes Haus leisten können mit dem Geld welches Michiru mittlerweile durch ihre Musik und Kunst erzielte, aber ihre Eltern fanden, dass dieses Geld allein ihr gehörte und es wurde alles auf einem Konto gesammelt an dem sie erst mit achtzehn rankommen sollte. Sie wusste selbst nicht welche zahl das Konto mittlerweile erreicht hatte. Außerdem hatte sie noch nie große Ansprüche gehabt und war ganz zufrieden mit der Wohnung die sie hatten. Nur die Entfernung zum Meer störte sie doch ein wenig. Sie brauchte zwei Busse und die U-Bahn um endlich am Strand anzukommen, und konnte für ihren Geschmack nie lange genug bleiben, denn sie musste ja auch noch den ganzen Weg wieder nach Hause zurück. Hier könnte sie wahrscheinlich zu Fuß bis zum Strand gehen und wäre immer noch schneller da, als sie es damals gewesen war. Sie träumte noch eine ganze Weile vor sich hin, bis es ihr doch ein wenig zu kalt wurde. Sie drehte sich zur Tür herum und wollte zurück in ihr Zimmer gehen, als sie mal wieder eine Tür entdeckte, die zu dem, ihr immer noch unbekanntem Mädchen führte. »Hhmm, ob sie inzwischen wieder Zuhause ist?« Sie konnte es wieder nicht lassen und schlich sich zu den großen Fenstern herüber, um einen Blick in das dahinter liegende Zimmer zu werfen. Zu ihrer großen Enttäuschung waren aber die weißen Vorhänge zu gezogen. Eigentlich waren sie transparent aber die Scheibe reflektierte zu sehr ihre Umgebung, als dass sie etwas dadurch hätte sehen können. Und sie wollte auch nicht wie eine verrückte an der Fensterscheibe kleben und riskieren entdeckt zu werden. »Schade.« Enttäuscht ging sie in ihr Zimmer zurück und beschloss erst mal duschen zu gehen. Das heiße Wasser tat unglaublich gut und ließ sie sämtliche Gedanken über dieses mysteriöse Mädchen vergessen. Sie hätte schwören können kurz irgendeinen dumpfen Knall war genommen zu haben, aber da sie im Raum nichts sehen, und den Ursprung dieses Geräusches nicht orten konnte, vergaß sie es schnell wieder. Nach dem Duschen zog sie sich schnell an und machte sich dann auf den Weg nach unten, um zu sehen ob schon irgendwer wach war. Sie fand Sachiko in der Küche, die offenbar das Frühstück vorbereitete. Sie fragte sich inzwischen wirklich wieso sie, die doch so viel Geld besaß, alles selber zumachen schien. Als Sachiko sie entdeckte wurde sie mit einem sanften lächeln Begrüßt.

„Guten Morgen, Michiru-san. Na, hast du gut geschlafen?“

„Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Morgen und ja, ich habe wundervoll geschlafen, danke.“

„Das freut mich. Hast du vielleicht schon Hunger?“

„Ja, ein wenig schon. Kann ich dir helfen?“

„Wenn du möchtest gerne, danke.“

Also half sie Sachiko beim Tischdecken. Da sie gestern Abend schon beim Abräumen geholfen hatte, hatte sie keinerlei Probleme sich in der Küche zu Recht zu finden und fand auf Anhieb alles, was sie suchte. Doch schien diese Küche nur für große Menschen gebaut zu sein, denn sie hatte schon einige Schwierigkeiten an die oberste Ebene der Hängeschränke heranzukommen. Eigentlich hatte sie sich nie für besonders klein gehalten aber hier entsprach wohl gar nichts der Norm. Sachiko war ungefähr noch einen halben Kopf größer wie sie und ihr Mann Keisuke überrag sie um mindestens zwei. Michiru versuchte gerade verzweifelt an eines der Gläser heranzukommen, als sich plötzlich eine Hand über ihren Kopf hinwegstreckte und eben dieses Glas mühelos ergriff und ihr dann unter die Nase hielt.

„Danke, das ist wirklich n … nett ….“

Sie hatte sich umgedreht und augenblicklich völlig vergessen was sie sagen wollte. Eigentlich dachte sie, Sachiko hätte ihr das Glas gereicht, doch das vor ihr war in keinem Fall Sachiko. Zwei leuchtend blaugrüne Augen blickten in ihre und sie hatte plötzlich das Gefühl der Boden unter ihren Füßen würde wegsacken. Zum Glück hatte sie die eine Hand immer noch auf die Arbeitsplatte gestützt, sonst wüsste sie nicht ob sie sich hätte halten können. »Wahnsinn!« zu mehr reichte ihr Wortschatz in diesem Moment nicht. In dem Gesicht des Blondschopfs vor ihr bildete sich plötzlich ein schiefes Grinsen, was Michiru einen Schauer über den Rücken laufen ließ, der aber keinesfalls unangenehm war.

„Kein Problem.“

Diese raue, sanfte, fast verführerisch klingende Stimme jagte ihr zusätzlich auch noch eine Gänsehaut ein und verursachte ein merkwürdiges Kribbeln in ihrer Magengegend.

„Haruka, du bist schon wach? Normalerweise stehst du samstags doch nicht vor elf auf.“ erklang Sachikos Stimme im Hintergrund.

„Heute eben mal nicht.“

Damit stellte sie das Glas neben Michiru auf die Arbeitsplatte und wendete sich von ihr ab, womit sie auch den Blickkontakt unterbrach. Das veranlasste Michiru dazu wieder zu atmen, sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. Nach ein paar Mal Blinzeln kehrte auch ihr Verstand langsam wieder zurück. »Oh mein Gott! Was war das? … Warte, hat sie gerade Haruka gesagt? Nein! Das kann unmöglich Haruka sein!« Sie sah vom Boden auf, auf dessen sie gestarrt hatte und sah die Person, die sich nun etwas von ihr entfernt hatte genauer an. Sie war auch mindestens einen Kopf größer, hatte eine schlanke, sportliche, maskuline Figur mit Meter langen Beinen und kurzes zerzaustest Sandfarbenes Haar, das sie irgendwie frech und wild aussehen ließ. Nein, nie wäre sie von selbst darauf gekommen diese Person sei eine Frau. Gut, wenn man genauer hinsah konnte man die feinen Gesichtszüge erkennen und die Schultern waren zwar breiter als bei einer Frau üblich aber längst nicht so breit wie bei einem Mann. Die Brust ließ sich unter dem weitem Hemd aber nur erahnen. Michiru schluckte. Jetzt verstand sie die Worte Sachikos von Gestern. Aber nie wäre ihr in den Sinn gekommen eine Frau, die so „männlich“ wirkte, könnte dabei auch noch so unwiderstehlich gut aussehen. »Na toll! Der bestaussehendste Typ der mir je begegnet ist, und dann ist er eine sie!«

„Michiru-san? Michiru-san?“

„Was? Oh, entschuldige. Ich war grad in Gedanken.“

Peinlich! Michiru wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sie hatte durchaus mitbekommen, dass sich die beiden anderen unterhielten aber nicht ein Stück zugehört. Und das überhebliche Grinsen im Gesicht Harukas machte die ganze Sache auch nicht besser.

„Michiru, ich möchte dir meine Tochter Haruka vorstellen. Haruka, das ist Michiru-san das Mädchen von dem ich dir Gestern erzählt habe.“

Das hübsche Gesicht der blonden verfinsterte sich auf einmal und Michiru verstand plötzlich gar nichts mehr. Wie konnte sich die Stimmung in diesem Gesicht plötzlich um hundertachtzig Grad wenden. Sah sie eben noch charmant und freundlich aus; so wirkte sie jetzt furchteinflössend, nicht ganz so schlimm wie ihr Vater aber es reichte um sie wieder unsicher werden zulassen.
 

„Ja, das dachte ich mir schon.“

Haruka hatte bis eben noch die kleine Hoffnung gehabt, dass es nicht so war. Sie bereute es jetzt; sich an die Kleinere angeschlichen zuhaben, aber sie hatte einfach nicht widerstehen können. Es sah einfach zu niedlich aus wie sie versuchte sich immer weiter zu strecken. Es hätte ihr beinahe den Boden unter den Füßen weggerissen als sie plötzlich das Gesicht der Türkishaarigen sah. Diese blauen Augen. Diese unendlich tiefen meeresblauen Augen! Sie hätte darin Versinken können. Durch den Gesichtsausdruck den ihr gegenüber ihr bot und die Röte die sich dort bildete; hatte sie sich aber ziemlich schnell wieder gefasst und konnte ein Grinsen einfach nicht zurückhalten. Doch jetzt, wo sie genau wusste, dass sie nicht einmal daran denken durfte etwas mit ihr anzufangen, war ihr das Lachen sichtlich vergangen. »Mist! Sie hat nicht nur den Körper einer Göttin sondern auch noch das Gesicht eines Engels. Verdammt, wie soll ich mich da zurückhalten? Ahrg, reiß dich zusammen Haruka!«

„Haruka, wo willst du schon wieder hin?“

„Weg.“

Sie hatte sich nämlich umgedreht und ging nun Richtung Tür. Sie wollte der "Versuchung" so weit wie möglich aus dem Weg gehen.

„Oh nein, dieses Mal nicht! Du bleibst gefälligst hier, und wirst mit uns Frühstücken. Und dann entschuldigst du dich bei Michiru-san für dein unhöfliches benehmen.“

Von Haruka war nur ein verächtliches Schnauben zuhören. Das machte Sachiko nur noch wütender, sie verlor allmählich die Geduld mit diesem Kind. Daher hielt sie, ganz untypisch für sie, Haruka plötzlich am Arm fest, um sie am Gehen zu hindern. Für die kam der Griff völlig unvorbereitet, so konnte sie einen kurzen Schmerzensschrei nicht unterdrücken, denn ihre Mutter hatte genau die Stelle des Arms erwischt, die ihr Vater gestern fast zerquetscht hätte.

„Haruka! Oh mein Gott! Ist alles in Ordnung?“

Sachiko war sofort zurück geschreckt, sie konnte ihrer Tochter doch unmöglich wehgetan haben. Der Griff war nicht mal fest gewesen.

„Ja, alles in Ordnung. Es ist nichts.“

Haruka hielt sich krampfhaft den Arm fest und versuchte den Schmerz wieder herunter zu schlucken. Auch Michiru war zu den beiden herüber geeilt und sah beide jetzt mit sorgenvollem Blick an. Sie hatte sich zu Tode erschrocken als Haruka plötzlich aufschrie.

„Lüg mich nicht an, Haruka! Zeig mir sofort deinen Arm!“

„Nein! Da ist überhaupt nichts! Lass mich in Ruhe.“

„Du zeigst mir jetzt sofort deinen Arm, Haruka!“

Das sagte sie mit solch einem Nachdruck in der Stimme, und so durchdringenden Blick, dass Haruka fast Angst vor ihr bekam und nachgab. Sie krempelte ihren Ärmel so weit nach oben, bis zum Vorschein kam, was ihre Mutter niemals hätte sehen sollen und dass jetzt auch noch Michiru es sah, fand sie einfach nur beschämend. Ihr halber Oberarm war mit einem riesigen Bluterguss übersät und zudem auch noch leicht angeschwollen.

„Oh mein Gott! Haruka was ist passiert?“

Geschockt sahen Sachiko und Michiru den Arm von Haruka an. Michiru hatte sich vor Schreck die Hand vor den Mund gehalten.

„Nichts.“

War die nicht sehr überzeugende Antwort von Haruka.

„Von nichts passiert aber nicht so etwas, also sag schon. Hast du dich schon wieder geprügelt? Hast du noch mehr solcher Verletzungen?“

„Nein! Und wenn, ist doch egal. Lass mich einfach in Ruhe.“

Sie versuchte sich wieder loszureißen doch ihre Mutter ließ sie nicht.

„Das werde ich ganz sicher nicht tun! Und jetzt setz dich hin.“

Wiederwillig ließ sie sich auf den Stuhl verfrachten. Michiru war währenddessen zum Kühlschrank geeilt und hatte eine Kühlkompresse aus dem Kühlfach geholt, noch ein Tuch drum gewickelt und reichte sie jetzt der ziemlich mies gelaunten Haruka. Dieses Mal ließ sie sich aber nicht einschüchtern, auch nicht als diese mit einem noch finsteren Blick zu ihr herauf sah.

„Es wird helfen.“

Haruka konnte diesem Gesicht einfach nicht widerstehen, nahm ihr schließlich die Kompresse ab und drückte sie auf ihren Arm. ... Es half wirklich. »Verdammt, wieso muss sie so aussehen?!« Michiru musste sich ein Lächeln verkneifen. Jetzt wirkte Haruka eher wie ein schmollendes Kleinkind und das fand sie einfach nur süß.

„Danke, Michiru-san. Das ist wirklich sehr aufmerksam von dir.“

Auch Sachiko fand dieses Bild äußerst amüsant, so hatte sie ihre Tochter lange nicht mehr gesehen. Sie deckten den Tisch noch schnell zu Enden und setzten sich dann zu Haruka, die immer noch schmollte, an den Tisch. Beim Essen besserte sich Harukas Stimmung etwas, sie hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und Schlang es jetzt förmlich herunter.

„Isst dein Mann gar nicht mit uns, Sachiko-san?“

Und schon war ihre Stimmung wieder auf dem Tiefpunkt. »Musste sie den jetzt erwähnen?«

„Nein. Er ist ein paar Tage Geschäftlich unterwegs. Er kommt erst Mittwochabend wieder zurück.“

„Wirklich?“

Haruka hätte Luftsprünge machen können. Das bedeutete sie konnte fünf Tage lang machen was sie wollte ohne dafür Schläge Kassieren zu müssen.
 

Michiru kam nicht mehr mit. Sie hatte das Gefühl schon sämtliche Gefühlsregungen, die ein Mensch zu bieten hatte im Gesicht von Haruka gesehen zu haben, dabei kannte sie sie noch nicht mal eine Stunde lang. Wie konnte ein Mensch so plötzlich zwischen sämtlichen Stimmungen hin und her springen. Eben noch saß sie wütend und schmollend auf ihrem Stuhl, wie ein kleines Kind, als sie anfing zu essen wirkte sie plötzlich total entspannt, wie jeder andere Mensch auch, dann verkrampfte sie sich plötzlich und jetzt schien sie auf einmal fröhlich zu sein. Außerdem bekam sie diesen verführerischen Blick, mit dem Haruka sie am Anfang angesehen hatte, einfach nicht mehr aus dem Kopf, obwohl sie sich inzwischen nicht mehr so sicher war, ob sie ihn sich vielleicht doch nur eigebildet hatte. »Michiru das ist verrückt. Sie ist ein Mädchen, warum sollte sie dich so ansehen? Obwohl …« Unauffällig sah sie noch einmal zu Haruka herüber. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Haruka auf Jungs stehen könnte, aber man sollte ja niemanden nach seinem äußeren beurteilen. Schnell sah sie wieder weg. »Wieso denkst du überhaupt darüber nach? Kann dir doch egal sein, ob sie auf Jungs oder Mädchen steht. Sie ist und bleibt ein Mädchen!« Ihr Blick wanderte wieder zu Haruka herüber, die gerade dabei war sich das wohl fünfte Toast herunter zu schlingen. »Aber sie sieht wirklich verdammt süß aus. Oh Gott, was denk ich denn da?! Mist, wieso muss sie so aussehen?!« Sie versuchte sich jetzt ernsthaft auf das Essen zu konzentrieren, was ihr aber nicht wirklich gelang. Ständig wanderte ihr Blick zu der großen Blonden herüber und sie merkte es immer erst wenn es schon zu spät war.
 

Harukas Stimmung wurde immer besser. Sie bemerkte die ständigen Blicke seitens Michiru sehr wohl. Und auch, wenn sie sich geschworen hatte die Finger von diesem Mädchen zulassen, warum sollte sie nicht deren Aufmerksamkeit genießen. Außerdem, würde ihr Vater ja erst in fünf Tagen wieder kommen, und bis dahin bekam er nicht das Geringste mit.

Die Sache mit dem Lernen

„Und was habt ihr heute noch so vor? Ich Hoffe doch sehr, dass ihr mit der ersten Nachhilfestunde beginnt. Außerdem könntest du Michiru-san doch noch ein wenig herumführen oder die Stadt zeigen.“

Und da war der nächste Sprung. Dieses Mal hätte Michiru ihn auch glatt voraussagen können. Harukas Gesichtsausdruck wechselte von fast arrogant zu richtigem Entsetzen.

„Ich brauche diese beschissene Nachhilfe nicht! Und wenn die da unbedingt in Stadt will, soll sie doch selbst sehen wie sie da hinkommt!“

Aua. Diese Worte taten Michiru richtig weh.

„Haruka! Benimm dich und rede gefälligst anständig. Ich dachte, ich hätte dir inzwischen klar gemacht, dass du unter keinen Umständen dieser Nachhilfe entgehen kannst, es sei denn deine Noten verbessern sich wieder und auch erst dann. Ich habe heute Morgen dein Motorrad und dein Auto in der Garage eingeschlossen und du bekommst die Schlüssel erst wieder, wenn ich der Meinung bin, dass du diese Verdient hast.“

„Du hast was?“

Harukas Hände ballten sich zu Fäusten und Michiru hatte kurz richtig Angst sie könnte Sachiko etwas antun. Doch zu ihrer Überraschung entspannten sich ihre Hände kurz darauf wieder, der Blick blieb allerdings immer noch Finster.

„Von mir aus.“

„Es freut mich, dass du endlich Einsicht zeigst. Und es war lediglich ein Vorschlag, dass du Michiru-san herumführst. Ich werde dich nicht dazu zwingen, außerhalb der Nachhilfestunden Zeit mit ihr zu verbringen, zumal ich ja gar nicht weiß, ob sie das überhaupt möchte.“

Harukas immer noch finsterer Blick wanderte zu Michiru rüber und die Wünschte sich plötzlich irgendwo anders auf dieser Welt zu sein, egal wo, nur bitte nicht hier. Diese Augen durchbohrten sie geradezu und sie hatte keine Ahnung, ob sich Harukas Wut jetzt gegen sie richtete oder ob sie schon längst in irgendeine andere Stimmung gesprungen war. Jedenfalls konnte sie mit diesem Blick, mit dem sie sie ansah gerade gar nichts anfangen, zumal sie viel zu sehr von deren Augen gefesselt war. Erst als Sachiko plötzlich aufstand und anfing den Tisch abzuräumen wendeten beide gleichzeitig den Kopf ab. Michiru stand nach kurzem Durchatmen ebenfalls auf und half ihr dabei.

Haruka blieb stumm auf ihrem Platz sitzen und beobachtete sie dabei. Sie konnte sich selbst nicht erklären was da gerade passiert war. Eigentlich wollte sie Michiru mit ihrem Blick einschüchtern, doch als sie in deren Augen sah, veränderte sich auf einmal irgendetwas in ihr, ohne dass sie es wollte, geschweige denn kontrollieren konnte. Da war plötzlich diese Ruhe. Eine unglaubliche Ruhe, die sie durchflutete. Sie war sogar noch intensiver als die, die sie beim Klavier spielen immer verspürt hatte. Aber da war noch etwas anderes, so eine merkwürdige Anziehung. Sie hatte plötzlich das Gefühl wie magisch von diesen Augen angezogen zu werden. Das war ihr noch nie passiert. Klar, fühlte sie sich schon zu dem einen oder anderem Mädchen hingezogen, aber das war irgendwie anders, und rein körperlich. Das hier war viel zu intensiv für ihren Geschmack. »Ich sollte wirklich so wenig Zeit wie möglich mit ihr verbringen, bevor ich mich noch völlig vergesse.« Sie schüttelte noch einmal mit ihrem Kopf, als könne sie damit sämtliche Gedanken von diesem Mädchen aus ihrem Gehirn werfen und stand dann auch auf.

„Ich geh in mein Zimmer. Sag Bescheid, wenn du soweit bist. Ich will das so schnell wie möglich hinter mich bringen.“

So verließ sie den Raum. Michiru starrte ihr nur verwirrt hinterher. Wie war das wieder gemeint? War sie jetzt sauer oder einfach nur genervt?

„Na, das lief besser als ich gedacht hatte. Sie scheint dich zu mögen.“ sagte Sachiko hinter ihr.

»Wie bitte, was? Sie soll mich mögen?« Michiru hätte ihren Arm darauf verwettet, dass Haruka sie mit absoluter Sicherheit hassen würde oder sie ihr zumindest völlig egal war. Aber Mögen?

„Glaub mir, es hätte wesentlich schlimmer laufen können. Und wenn sie dich nicht mögen würde, hätte sie es dir mit Sicherheit offen ins Gesicht gesagt. Außerdem hat sie, für ihre Verhältnisse, viel zu schnell nachgegeben.“

Michiru war nicht wirklich überzeugt, sagte aber nichts mehr dazu. Sie räumte noch zu Ende auf und machte sich dann ebenfalls auf den Weg nach oben, ging aber zunächst in ihr eigenes Zimmer. Dort setzte sie sich an den großen Schreibtisch und atmete erst mal tief durch. Sie war völlig durcheinander und wusste überhaupt nicht was sie jetzt denken sollte. Irgendwie ist hier alles anders, als sie es erwartet hatte. Weder in ihrer schönsten noch schlimmsten Vorstellung, hätte sie sich ausmalen können, dass die Tochter der Familie ein unverschämt gutaussehender, unberechenbarer Wildfang sein könnte. Sie seufzte schwer, legte ihre Arme auf die große Tischplatte und dann ihren Kopf darauf. »Was mach ich denn jetzt bloß?« Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie sich jetzt ihr gegenüber verhalten sollte. Einerseits hatte sie Angst vor ihr, andererseits war der Gedanke mit ihr allein in einem Raum zu sein plötzlich mehr als nur Anziehend. Nach einiger Zeit riss sie sich schließlich zusammen, kramte ihre Schulsachen heraus und verließ den Raum wieder. Sie hatte beschlossen einfach so zu sein wie immer, wusste aber nicht, ob ihr das wirklich gelingen sollte. Vor Harukas Tür blieb sie jedoch wieder stehen. Die Nervosität hatte sie wieder eingeholt und zu dem schlug ihr Herz auch noch so schnell, dass sie das Gefühl hatte, es würde ihr gleich aus der Brust springen. »Einfach so wie immer, Michiru. Denk einfach nicht darüber nach.« Nach einem weiteren tiefen Atemzug nahm sie all ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür.

„Ja?“ war aus dem Inneren des Raumes zuhören.

Michiru öffnete die Tür. »Oh Mann.« Haruka lag cool wie sie war auf ihrem Bett und starrte an die Decke.

„Hey, ich bin jetzt soweit, also wenn du möchtest, können wir anfangen.“

Sie versuchte ein freundliches Lächeln zustande zu bringen, es sah aber eher ängstlich aus.

„Ob ich möchte oder nicht, steht hier wohl nicht zur Debatte, also komm schon rein.“

Haruka musste sich ein Grinsen verkneifen. Es sah wirklich zu süß aus, wie Michiru da ängstlich an ihrer Tür stand. Gleichzeitig verfluchte sie sich für diesen Gedanken.

»Na, das fängt ja super an.« Die Violinistin trat in den Raum hinein und schloss die Tür hinter sich, während die große Sportlerin sich vom Bett erhob, einen zweiten Stuhl zu ihrem Schreibtisch stellte und sich dann auf den schon vorhandenen setzte. Nicht weniger nervös, ging Michiru zu dem Schreibtisch und setzte sich auf den anderen Stuhl.

„Also, am besten du erzählst mir erst mal in welchen Fächern du Probleme hast und welches Thema ihr dort gerade durch nimmt und welche stellen du nicht verstanden hast, damit ich einen Lehrplan zusammenstellen kann. Ich werde dir …. “

„Mo … Moment mal. Lehrplan? Du willst ‘nen ganzen Plan zusammenstellen?“

„Ja, das hatte ich vor. Es ist wirklich pra ….“

„Warte, also du brauchst dir wirklich nicht so viel Mühe zugeben, okay? Ich mein, das Einzige was ich tun muss, damit meine Noten besser werden, ist mal wieder im Unterricht zu zuhören, und regelmäßiger zu erscheinen, wäre vielleicht auch nicht schlecht, aber mit dem Stoff selbst, hab ich echt keine Probleme, das heißt wenn ich wüsste, was wir überhaupt gerade durchnehmen, aber ich bin mir sicher, dass ich keine Probleme damit hätte, was auch immer es is. Also vergiss das mit dem Plan und überhaupt mit der ganzen Nachhilfe. Wir können meiner Mutter auch einfach so sagen wir hätten gelernt. Meine Noten werden schon von selbst wieder besser werden, klar?“

„Nein.“

„Nein?“

»Sie widerspricht?!« Das hätte sie jetzt echt nicht erwartet.

„Ich halte überhaupt nichts davon Sachiko-san anzulügen. Sie will das ich dir Nachhilfe gebe, also werde ich das auch tun, egal ob ich dir den Stoff beibringen muss oder dir einfach nur helfe wieder Anschluss zu finden.“

Haruka war gerade echt sprachlos. »Auch noch ehrlich? Wenn sie jetzt auch noch Jungfrau ist, vergesse ich mein Versprechen! … Nein, so wie die aussieht hat sie mit Sicherheit einen Freund. Die Männer laufen ihr bestimmt in Scharen hinterher. Obwohl sie ist ziemlich schüchtern. Hhmm …«

Dieser Blick mit dem Haruka sie plötzlich ansah gefiel Michiru irgendwie gar nicht. »Wo zum Teufel ist die jetzt schon wieder mit ihren Gedanken? Müsste sie nicht eigentlich total sauer sein und ausrasten, oder so was?«

„Haruka-san? Ist alles in Ordnung?“ fragte sie vorsichtig.

„Hä, was? Oh ja, klar. Okay. Von mir aus lernen wir.“

Jetzt war Michiru sprachlos. »Echt jetzt? Nicht mal ein kleiner Widerspruch, oder böser Blick? Das war ja einfach.«

„Okay, gut. Was habt ihr denn als letztes für Hausaufgaben auf bekommen? Vielleicht finden wir so raus welche Themen ihr gerade durch nimmt.“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ grinste Haruka.

»Na, toll.«

„Okay, dann nehmen wir eben die Themen durch, die in meiner Schule gerade durch genommen werden. Kannst du mir wenigstens sagen, wie dein Stundenplan aussieht, damit ich überhaupt weiß welche Kurse du hast?“

Sie war schon fast verzweifelt.

„Oh warte, ich seh mal nach.“

Sie kramte in einigen Schubladen vom Schreibtisch und noch in ihrer Schultasche, bis sie einen total zerknitterten und eingerissenen Zettel gefunden hatte.

„Ja, der müsste eigentlich aktuell sein. ... Hier!“

Voller Stolz hielt sie Michiru den Zettel hin, die das das schon wieder ziemlich süß fand.

„Danke.“

Sie studierte den Zettel kurz und sah dann wieder Haruka an.

„Und in welchen Fächern hast du jetzt den Anschluss verloren?“

„Ich würd sagen in allen, bis auf Sport.“

„Alle? Okay. Also in Sport könnte ich dir sowieso nicht helfen und ich fürchte Physik wirst du auch alleine schaffen müssen, aber alle andern sind kein Problem.“

„Ich wette, du hast stattdessen Kunst und Musik, oder?“

„Ja, das stimmt. Woher weißt du das?“

„Meine Mutter sagte du spielst Violine und Malst umwerfende Bilder. Da hab ich es einfach angenommen.“

„Also ob meine Bilder umwerfend sind weiß ich nicht aber es stimmt.“

„Vielleicht zeigst du mir ja mal welche, dann kann ich es selbst beurteilen. Ich würde auch unglaublich gerne mal dein Violinspiel hören. Könntest du mir mal was vorspielen?“

„Ähm, klar gerne. Warum nicht.“

Irgendwie hatte Harukas stimme schon wieder eine unheimlich verführerische Note angenommen, was Michirus Puls mal wieder beschleunigen ließ.

„Wir sollten dann mal anfangen. Was möchtest du denn als erstes durchgehen?“

Sie versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen, was aber durch Harukas Antwort nicht wirklich gelang.

„Wie wär‘s mit Biologie?“

Haruka musste wieder grinsen. Es machte ihr einfach zufiel Spaß dieses Mädchen aus der Fassung zu bringen. Und sie sah auch noch so unwiderstehlich gut aus mit der rötlichen Färbung im Gesicht, die sich jedes Mal bildete.

»Natürlich. Was sonst.« Michiru holte die Biologiesachen raus und konzentrierte sich jetzt wirklich auf den Unterricht. Zum Glück nahmen sie in Biologie gerade ein völlig unverfängliches Thema durch, so hatte sie auch keine Schwierigkeiten Haruka alles zu erklären. So arbeiteten sie sich von Fach zu Fach und Michiru war wirklich erstaunt darüber wie einfach und unkompliziert das Arbeiten mit dem Wildfang auf einmal war. Sie war nicht einmal unhöflich oder gemein und machte auch keine weiteren Anspielungen mehr. Michiru hatte zwar ab und zu das Gefühl beobachtet zu werden aber auch sie konnte es nicht lassen einige Male zu Haruka herüber zu schielen. Es machte ihr sogar richtig Spaß mit ihr zu lernen, denn Haruka behielt recht mit dem was sie gesagt hatte. Sie hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten Michiru zu folgen, verstand alles auf Anhieb und konnte dies auch noch gleich umsetzen. In ihrer alten Schule hatte Michiru auch einigen Schülern Nachhilfe gegeben und das war um einiges komplizierter gewesen. Nur als die beiden zum Fach Japanisch kamen wurde die Sportlerin plötzlich bockig und bekam wieder schlechte Laune. Das war offenbar ein Fach welches sie absolut nicht ausstehen konnte. Also versuchte Michiru es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und kam stattdessen zu Mathe. Und siehe da, Haruka wurde wieder zahm wie ein Lämmchen. Die Violinistin musste sogar feststellen dass Haruka in Mathe noch besser war, als sie selbst, also waren sie auch mit dem Fach ziemlich schnell durch.

Die Zwei waren so mit einander und dem Lernen beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekamen, wie Sachiko, die schon leicht nervös geworden war, da sie absolut nichts mehr von den beiden Mädchen gehört hatte, kurz ins Zimmer schaute, um zu sehen, ob auch alles in Ordnung war. Sie konnte gar nicht glauben, was sie sah. Ihre Tochter schien wirklich zu lernen und sich auch noch ziemlich gut mit Michiru zu verstehen. Mit einem leichten schmunzeln auf den Lippen ließ sie die beiden wieder allein.

......

„So, ich denke das reicht für heute. War doch gar nicht so schlimm, oder?“

Michiru sah Haruka leicht grinsend an.

„Und du hattest recht. Du könntest deine Noten auch gut selbst in den Griff bekommen.“ fügte sie noch hinzu.

„Hab ich doch gesagt. Dann können wir die Nachhilfe ja doch streichen und was anderes machen, oder?“

»Ich würde dir sowieso viel lieber etwas ganz anderes beibringen. Nein, nicht! Hör auf darüber nachzudenken, Haruka!«

„Nur wenn Sachiko-san es erlaubt.“

„Also nicht.“

Seltsamerweise war sie gar nicht traurig darüber. Sie hätte es zwar vor Michiru niemals zugegeben aber es hatte ihr wirklich gefallen mit der Kleineren zu lernen. Dabei ging es weniger um das Lernen an sich, sondern eher darum das andere Mädchen einfach um sich zu haben. Sie Reden und sogar Lachen zu hören, löste schon wieder dieses komische Gefühl in ihr aus, welches sie eigentlich unterdrücken wollte, aber sie konnte einfach nicht. Seit einem Jahr hatte sie sich nicht mehr so leicht auf eine Sache konzentrieren können, die nicht mit Geschwindigkeit oder Sex zu tun hatte. Nach außen hin wirkte sie zwar immer ziemlich gelassen, das heißt wenn sie nicht gerade sauer war, aber in ihrem inneren wütete ein Sturm. Und dieses Mädchen schaffte es irgendwie mit ihrer bloßen Anwesenheit diesen Sturm zum Stillstand zu bewegen. Sie fühlte sich seltsam befreit und hatte die ganze Zeit nicht einmal über ihren Vater und die Schläge nachdenken müssen, die normaler weise immer genau dann durch ihren Kopf wirbelten, wenn sie sich konzentrieren sollte. »Wie zum Teufel macht sie das nur? Warum nur fühl ich mich so verdammt wohl in ihrer Nähe, obwohl sie doch noch sämtliche Kleidungstücke anhat. Und wieso kann ich nicht aufhören daran zu denken, sie genau derer zu entledigen?!« Haruka war zwar schon immer ziemlich Hormongesteuert und ließ auch nie eine Gelegenheit zum Flirten oder Sex verstreichen aber sobald sie merkte, dass sie keine Chance hatte oder wusste es wäre besser für sie nichts mit dem Mädchen ihrer Wahl anzufangen, verlor sie jegliches Interesse an ihr und suchte sich eben eine andere. Also warum wollte es ihr dieses Mal nicht gelingen? Okay, dieses Mädchen war wirklich das schönste welches ihr jemals begegnet war aber lag es wirklich nur daran?

„Tut mir wirklich leid. Aber für heute bist du mich los. Ich werd dich dann mal wieder in Ruhe lassen.“

Michiru stand auf und kramte ihre Sachen zusammen. Das riss Haruka wieder aus ihren Gedanken raus. »Sie will schon gehen? Ich will nicht dass sie geht. ... Hä, wieso will ich nicht dass sie geht? Ich wollte sie doch gar nicht hier haben! Ach, verdammt.«

„Warte!“

Das hatte sie schneller gesagt als sie Nachdenken konnte und jetzt wollte ihr einfach kein passender Grund einfallen warum die Künstlerin nicht gehen sollte.

„Ja?“

Michiru war verwirrt. Sie dachte es wäre besser ihr Glück nicht überzustrapazieren. Sie hätte Haruka zwar zu gerne noch das eine oder andere gefragt, fand es aber sicherer zu gehen, als später noch rausgeworfen zu werden. Außerdem dachte sie der Blondschopf könnte sie nicht schnell genug loswerden. Und jetzt sollte sie warten? Wollte sie etwa dass sie blieb? In Michiru machte sich eine nie gekannte Hoffnung breit.

„Ach nichts.“

Mit einem Lächeln aber traurigen Augen verließ Michiru niedergeschlagen das Zimmer. Ihre Hoffnung war begraben.

»Idiot! Du bist so ein Idiot, Haruka!« Jetzt war sie wieder allein und mit Michiru schien auch wieder diese Ruhe gegangen zu sein. »Na toll!« Sie hatte keine Ahnung was sie jetzt machen sollte. Zum Training durfte sie nicht und sie hatte auch keine Hoffnung darauf so schnell ihr geliebtes Motorrad oder Auto zurück zubekommen. Und zum Fernsehen war sie viel zu aufgewühlt. Sie sehnte sich jetzt schon wieder nach der Nähe dieses mystischen Mädchens. »Vergiss sie endlich, verdammt!«

Draußen vor der Tür lehnte Michiru immer noch mit dem Rücken an deren Außenseite. Sie hatte so gehofft Haruka würde sie nicht gehen lassen. Es wäre ihr vollkommen egal gewesen was sie mit ihr noch unternommen hätte, solange sie nur in deren Nähe bleiben konnte. Auch wenn sie nicht genau verstand warum sie das wollte. Gerade als sie sich von der Tür wegdrücken und gehen wollte verlor sie plötzliche jeglichen halt. Die Tür wurde ihr nach hinten weggerissen und sie drohte zufallen. Doch der erwartete Aufprall und schmerz blieb aus, stattdessen viel sie in zwei starke Arme und erblickte über sich wieder diese wundervollen blaugrünen Augen, die jetzt etwas verwirrt aussahen.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte Haruka immer noch ziemlich überrascht.

„Ja, danke. Tut mir wirklich leid.“

Ihr war die ganze Sache wirklich mehr als peinlich.

„Kein Problem.“

Und schon wieder diese sinnliche Stimme mit dem schiefen Lächeln. Michiru spürte genau wie ihr schon wieder die Röte ins Gesicht schoss. »Warum nur machte sie das ständig? Und wieso werde ich immer nervös wenn sie das tut?«

Haruka half der Türkishaarigen zurück auf die Beine und konnte einfach nicht aufhören zu Grinsen. Eigentlich wollte sie gerade fluchtartig das Haus verlassen, um so weit wie möglich von dieser "Verführung" weg zu kommen und jetzt viel sie ihr buchstäblich in die Arme. Und sie wirkte schon wieder viel zu süß, als das Haruka hätte sauer werden können. Die Rennfahrerin ging an der, immer noch verträumt aussehenden Michiru vorbei in den Flur und fing an die Sachen einzusammeln, die die Malerin vor Schreck hatte fallen lassen. Als Michiru mit ihren Gedanken wieder im hier und jetzt angekommen war, hielt Haruka ihr schon galant die Bücher hin.

„Danke.“

Schüchtern nahm Michiru ihr die Sachen ab und wandte sich zum Gehen. Sie wollte sich nur noch unter ihrer Bettdecke verkriechen und am besten nie wieder herauskommen.

„Was hattest du eigentlich heute noch so vor?“ fragte Haruka etwas verlegen.

„Was?“

Hatte sie sich das nur eingebildet oder hat Haruka sie das gerade wirklich gefragt?

„Ich weiß nicht. ... Wieso?“

Irgendwie keimte in ihr wieder diese Hoffnung auf, aber sie versuchte sie zu ignorieren, denn sie wollte nicht schon wieder enttäuscht werden.

„Na ja, ich dachte, wenn du vielleicht irgendwo hin willst, und wir meiner Mutter erzählen, dass ich ganz brav mit dir gelernt habe, was ja auch der Wahrheit entspricht, bekomme ich vielleicht mein Auto zurück, und ich könnte dich fahren wohin du willst. Natürlich nur wenn du Lust hast.“

Michiru traute ihren Ohren nicht. »War das eine Einladung? Eine richtige Einladung, Zeit mit ihr zu verbringen?« In ihr kam plötzlich der Impuls hoch der Blonden um den Hals zufallen, doch sie unterdrückte ihn und wurde stattdessen wieder skeptisch. »Oder benutzt sie mich nur um ihr Auto zurück zu bekommen? Ach, und wenn, egal.«

„Ich dachte, ich soll selbst sehen, wie ich hin komme, wo ich hin will.“

Sie konnte es sich nicht nehmen lassen die Größere ein wenig zu necken. Und es wirkte. Sofort war sie wieder eingeschnappt.

„Bitte. Dann eben nicht.“

Haruka konnte es nicht fassen. Es hatte sie gerade echt Überwindung gekostet sie das zu fragen und die schien sich über sie Lustig zu machen. Und wieso musste sich die auch noch daran erinnern, dass sie das gesagt hatte. Aus Harukas Gedächtnis war das schon längst wieder verschwunden gewesen. Sie wollte gerade wütend davon stampfen.

„Warte. Ich würde eigentlich schon gerne mal die Stadt sehen. Ich war noch nie in Tokio und Gestern hatte ich ja keine Gelegenheit mehr mich um zusehen, da ich direkt vom Bahnhof abgeholt worden bin. Also wenn ich dir damit wirklich nicht auf die Nerven gehe, würde es mich freuen, wenn du mich fahren könntest.“

Harukas Wut war in binnen von Sekunden verraucht und sie musste sich bemühen immer noch cool und lässig rüber zukommen, denn dieses Lächeln mit dem sie dieser Engel ansah, raubte ihr sämtliche Widerstandskraft.

„Tust du nicht.“

„Gut, ich bring nur schnell die Bücher weg und zieh mich um, danach können wir los. Oder wolltest du noch warten?“

Sie konnte es inzwischen gar nicht mehr erwarten.

„Nein, von mir aus können wir gleich los, aber zuerst brauch ich mein Auto wieder, sonst wird das ein ziemlich langer Spaziergang.“

Haruka hatte ihr Selbstbewusstsein wieder gefunden und konnte sich über die Euphorie der Kleineren nur amüsieren. Die konnte schon wieder nicht glauben was sie hörte. »Heißt das sie würde mich auch dann in die Stadt begleiten, wenn sie ihr Auto nicht wieder bekommt?« Sie fand die Vorstellung Stundenlang einfach nur neben der Blonden hergehen zu können nicht im Geringsten unangenehm.

„Ich glaube nicht, dass sie etwas dagegen haben wird.“

„Wir werden sehen. Ich versuch schon mal mein Glück. Du kannst ja nachkommen, wenn du fertig bist.“

„Okay, bis gleich.“

Damit ging Michiru in ihr Zimmer, sie musste sich wirklich zusammen reißen nicht zu laufen. Im Zimmer angekommen hielt sie sich nicht mehr zurück. Sie rannte erst zum Schreibtisch, um ihre Bücher abzulegen und dann zum Schrank, um ihn kurzerhand auseinander zunehmen, bis sie ihrer Meinung nach das passende Outfit gefunden hatte. Anschließend verschwand sie noch schnell im Badezimmer um sich auch dort noch etwas zu Recht zumachen.

Haruka war schon auf dem Weg nach unten um ihre Mutter zu suchen. Während sie das tat musste sie daran denken was Michiru gesagt hatte. »Wieso will sie sich überhaupt umziehen? Sie sieht doch wundervoll in diesem Kleid aus.« Haruka hatte noch nie verstanden warum Frauen sich ständig umzuziehen mussten. Sie jedenfalls hatte nicht vor noch irgendetwas an ihrem Outfit zu ändern, war aber schon gespannt darauf, wie Michiru gleich wohl aussehen könnte.

Ein kleiner Ausflug

Haruka suchte vergebens im ganzen Haus nach ihrer Mutter, erst im Garten wurde sie fündig. Sachiko war dabei ihr geliebtes Blumenbeet zu erweitern, als sie ihre Tochter über den Rasen auf sich zu schlendern sah. Ein Lächeln glitt ihr über die Lippen, denn sie konnte sich schon vorstellen was Haruka von ihr wollte.

„Na, seid ihr endlich fertig?“

„Wieso endlich?“

Verwunderlich sah sie kurz auf ihre Uhr. »Schon kurz nach eins?« Sie hatten doch tatsächlich über vier Stunden Gelernt. Ihr war gar nicht aufgefallen wie die Zeit verging.

„Oh, is mir gar nicht aufgefallen.“

„Ja, ihr wart auch ziemlich vertieft in eure Arbeit, als ich bei euch war.“

„Wann warst du bei uns?“

„So vor etwa zwei Stunden ungefähr. Ich wollte wissen, ob du Michiru schon umgebracht hast, weil ich gar nichts von euch gehört habe. Aber ihr schient ganz gut miteinander ausgekommen zu sein, da wollte ich nicht weiter stören.“

„Du hättest wenigsten anklopfen können.“

„Oh, das hab ich. Ganze dreimal.“

„Echt?“

Haruka konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern die Tür gehört zu haben, geschweige denn ein Klopfen.

„Ja, echt. Wolltest du was bestimmtest von mir?“

„Ja. Krieg ich vielleicht mein Auto zurück? …. Bitte.“

Man konnte Haruka ansehen, dass sie nicht begeistert darüber war ihren Stolz herunter schlucken und ihre Mutter um etwas bitten zu müssen.

„Du sagst sogar bitte? Wann hab ich das das letzte Mal gehört? Ich glaube das müssen schon Jahre her sein. Aber es wundert mich, dass du dein Auto und nicht das Motorrad willst. Wolltest du an einen bestimmten Ort?“

„Michiru-san, will in die Stadt und ich wollte sie fahren.“

Das klang ziemlich genervt und gequält. Sachiko hätte laut los lachen können, so komisch fand sie den Gesichtsausdruck ihrer Tochter, aber sie verkniff es sich und holte stattdessen den Schlüssel zur Garage aus ihrer Rocktasche und warf ihn Haruka entgegen.

„Aber fahr vorsichtig.“

„Du gibst sie mir, einfach so?“

Haruka hatte schon befürchtet ihre Mutter anbetteln und sonst was für versprechen geben müssen.

„Nicht einfach so. Du hast schließlich die letzten Stunden mit lernen verbracht und sogar bitte gesagt. Außerdem tust du Michiru einen gefallen damit, wie könnte ich sie dir da verweigern.“

„Oh, okay. Danke.“

Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging ins Haus zurück. Sachiko sah ihr noch verwundert hinterher. »Jetzt sogar noch ein Danke? Michiru muss wirklich etwas ganz Besonderes sein. Wie hat sie das nur hingekriegt? Ich rede mich seit Jahren um Kopf und Kragen und sie schafft es an nur einem einzigen Tag Haruka zum Lernen zu bewegen und sogar "Bitte" und "Danke" zu sagen.« Sie schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf und widmete sich dann wieder ihren Pflanzen zu.

Haruka ging sofort zur Garage und öffnete sie. Freudestrahlend ging sie zu ihren "Babys" und begrüßte sie. Zärtlich strich sie kurz über den Rot Schwarzen Lack ihrer Honda und ging dann zu ihrem leuchtend gelben Lamborghini, sprang über die Tür in ihren Sitzt und ließ so gleich den Motor aufheulen. In diesem Augenblick konnte sie sich kein schöneres Geräusch vorstellen. Sie fuhr aus der Garage raus und lenkte den Wagen bis zur Haustür, wo sie den Motor wieder abschaltete, ausstieg und das Garagentor noch schnell abschloss. Nun lehnte sie an der Beifahrertür, direkt gegenüber der Haustür und wartete auf ihre Beifahrerin. »Warum braucht die solange? Sie hätte auch wirklich in dem Outfit bleiben können. Wir fahren doch nur in die Stadt und nicht zu irgendeinem Ball.« Sie war schon kurz davor wieder rein zugehen und nachzusehen wo Michiru blieb, als sich endlich die Tür öffnete und die Türkishaarige aus der Tür trat.

„Tut mir leid, wenn du warten musstest, aber jetzt können wir los. Wow, ist das dein Auto? Du stehst echt auf Geschwindigkeit, was? Und Sachiko-san hatte nichts dagegen? … Haruka-san, ist alles in Ordnung?“

„Was? Äh, klar. Können wir los?“

Haruka hatte nicht ein Wort von dem was Michiru gesagt hatte verstanden. Sie war viel zu beschäftigt damit gewesen Michiru anzustarren. »Wie kann diese Schönheit auf einmal noch schöner aussehen?« Sie nahm alles zurück was sie vorhin noch gedacht hatte. Auf diesen Anblick hätte sie sogar Stunden gewartet.

„Das habe ich doch gerade Gesagt.“

Michiru konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Sie hatte erreicht was sie wollte. Obwohl sie überhaupt nicht wusste warum sie das wollte.

„Oh, schuldige. Hier …. wenn ich bitten dürfte?“

Haruka war von der Wagentür aufgesprungen und hielt ihr diese jetzt auf, und sogar eine Hand hin. In ihrem Gesicht war auch schon wieder dieses verführerische Grinsen aufgetaucht, welches Michiru zwar wieder ein bisschen Nervös machte aber die Tatsache, dass Haruka ihr gerade, Charmant wie ein Gentleman, die Tür aufhielt, fand sie so unglaublich, dass sie gar nicht anders konnte und wie von selbst deren Hand ergriff. Diese Berührung durchfuhr sie wie ein Stromschlag, der sich durch ihren ganzen Körper hindurch zog und schließlich in ihrem Bauch ein Blitzgewitter zu verursachen schien. Ihr Puls war plötzlich wieder bei hundertachtzig und sie hatte kurz das Gefühl in Ohnmacht zufallen, aber sie riss sich zusammen und schaffte es ins Auto zu steigen. Haruka tänzelte elegant um den Wagen herum und sprang dann wieder, genau so elegant, über die Tür in den Fahrersitz. Die Rennfahrerin startete den Motor und gab Gas. Viel zu schnell für Michirus Geschmack fuhr Haruka die lange Einfahrt bis zur Straße hinunter, aber sie war noch so durcheinander, dass sie nichts dazu sagte, sie glaubte auch nicht, dass der Wildfang wirklich vom Gas gegangen wäre. Auch auf den Straßen schien Haruka nichts von Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten, trotzdem verlor die Violinistin nach kurzer Zeit ihre Angst, denn Haruka schien den Wagen so sicher zu führen, als wären sie auf Schienen unterwegs. Nachdem sich auch ihr Puls und das Kribbeln langsam beruhigt hatten, viel Michiru wieder eine Frage ein, die sie schon von Anfang an Interessierte.

„Sag mal, wieso darfst du überhaupt schon Autofahren? Du bist doch noch gar nicht achtzehn, oder?“

„Nein, bin ich nicht. Aber ich hab schon mit sechzehn meinen Führerschein im Ausland gemacht.“

„Du warst im Ausland? Wo?“

„In Amerika. ... USA, Florida.“

„Wirklich? Wie lange?“

„Nur für ein paar Wochen bis ich den Führerschein hatte.“

„Und das geht so einfach? Du fliegst mal eben nach Amerika machst dort deinen Führerschein und darfst dann einfach so hier Auto und Motorrad fahren?“ fragte sie ungläubig.

Haruka musste kurz lachen.

„Nein, ganz so einfach ist das nicht. Eigentlich sind die in den USA inzwischen ziemlich Streng geworden und für Touristen ist es so gut wie unmöglich mal eben auf die Schnelle einen Führerschein zu machen. Aber meine Eltern besitzen zum Glück ein Haus in Florida und wie es der Zufall so will bin ich auch noch dort geboren worden. Ich besitze eine doppelte Staatsbürgerschaft die es mir erlaubt wann immer und auch wie lange ich will dort zu leben. Und durch die Immobilie konnte ich auch einen festen Wohnsitz angeben. Und hier in Japan musste ich noch ‘ne extra Prüfung ablegen, um auch wirklich hier fahren zu dürfen, aber die war kein Problem. Außerdem ist es sehr Hilfreich, wenn man schon einen gewissen Bekanntheitsgrad im Motorsport erreicht hat und ein Gewisses vermögen besitzt.“ grinste Haruka vielsagend.

„Wie lange fährst du denn schon Rennen?“

Haruka konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass Michiru sich wirklich für ihre Motorsportkarriere interessierte aber da sie sie so voller Eifer ansah erzählte sie es ihr doch.

„Ich glaube ich war fünf als ich das erste Mal auf einem Motorrad gesessen bin, danach hab ich meine Eltern angefleht, dass ich auch eins will und hab dann schließlich meine erste Cross-Maschine bekommen. Natürlich war die noch für Kinder. Bei meinem ersten Rennen war ich dann so sieben ungefähr, und ich habe gewonnen. Also bin ich immer weitere Rennen gefahren und immer besser geworden. Bei einigen waren auch Talentscouts anwesend. Als ich vierzehn war, hat mich einer von ihnen angesprochen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte mal auf einer richtigen Maschine zufahren. Ich hab natürlich sofort ja gesagt und konnte kurze Zeit später dort als Testfahrer anfangen, denn für die richtigen Rennen musste ich mindestens sechzehn sein. Und mit sechzehn habe ich dann auch gleich mehrere Verträge angeboten bekommen. Natürlich brauchte ich noch die Erlaubnis meiner Eltern und es war wirklich nicht leicht meine Mutter davon zu überzeugen aber am Ende hat sie sich doch breitschlagen lassen.“

„Wow, du warst erst sieben bei deinem ersten Rennen? Ich wusste gar nicht, dass man schon so früh Motorrad fahren kann. Und die anderen Fahrer akzeptieren dich einfach? Ich mein, ist es nicht ziemlich schwer sich gegen die Männer behaupten zu müssen?“

Haruka sah die Kleinere ungläubig an.

„Glaubst du wirklich, auch nur einer der Fahrer hält mich für eine Frau? Es ist zwar ziemlich riskant mich als Mann auszugeben, aber als Frau, wär ich nie so weit gekommen, obwohl ich nie behauptet habe ein Mann zu sein. Die Leute nehmen es einfach an und mir ist es egal, solange ich nur Rennen fahren kann. In meinem Team wissen es aber die Meisten, obwohl mich auch dort alle wie einen Mann behandeln.“

„Es macht dir echt nichts aus? Und es hat auch noch keiner bemerkt?“

„Nein, es macht mir nichts aus. Und ich weiß nicht, ob es jemanden aufgefallen ist. Wenn ja, wird einfach weiter über die Sache geschwiegen. Wer von den Fahrern will schon zugeben, gegen eine Frau verloren zu haben, die Veranstalter wollen keinen Skandal heraufbeschwören und außerdem haben sich noch nie so viele Frauen für Motorsport Interessiert. Die würden nur einen Haufen Geld verlieren, wenn sie das Veröffentlichen würden.“

Ein breites Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Michiru verdrehte nur die Augen.

„Und deine Eltern finden es auch Okay, dass du dich als Mann ausgibst.“

„Meine Mutter ist zwar nicht sonderlich begeistert aber ich denke sie hat es akzeptiert. Und außerdem hab ich ja nicht wirklich etwas an mir verändert. Ich war schon immer so. Wie gesagt, die Leute nehmen es einfach an und wir lassen sie einfach in deren Glauben.“

„Und dein Vater? Musstest du den nicht überzeugen?“

Harukas Griff um das Lenkrad verfestigte sich, sie versuchte aber ruhig zu bleiben.

„Nein. Der war von Anfang an dafür.“

Michiru traute sich nicht weiter zu Fragen. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass Haruka sich bei der Erwähnung ihres Vaters völlig verkrampfte. Irgendwie schien die Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater nicht so rosig zu sein, obwohl er sie in ihrer Rennfahrerkarriere unterstützte, mehr als ihre Mutter. »Hhmm, seltsam.«

„Wolltest du eigentlich in einen bestimmten Bezirk? Oder zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten? Wir sind nämlich schon im Stadtzentrum.“

„Oh. Ähm, ich weiß nicht. Also ich würde gern den Tokio Tower sehen, und ins Museum, oh und ich muss unbedingt shoppen gehen.“

„Shoppen?“

»Bitte nicht!«

„Ja, ich konnte noch nicht alle meine Klamotten mitnehmen, dafür war einfach nicht genügend Platz in den Koffern und ich wollte nicht mit so viel Gepäck reisen, also muss ich unbedingt Einkaufen!“

„Wenn‘s sein muss.“

Haruka war absolut nicht begeistert von der Idee. Sie hasste shoppen, besonders in Begleitung von Frauen.

„Also, was hältst du davon, wenn wir erst zum Tower fahren, dort gibt es auch einige Restaurants in denen wir etwas essen können, danach das Nationalmuseum besuchen und wenn du dann immer noch shoppen willst ins Einkaufszentrum fahren.“

„Klingt gut. Einverstanden. Aber shoppen will ich auf jeden Fall.“

„Das dacht ich mir schon.“ seufzte die Blonde vor sich hin.

Also schlug Haruka den Weg nach Minato ein, in dessen Bezirk der Tokio Tower stand. Michiru freute sich schon und Harukas Reaktion auf das Shoppen verbesserte ihre Laune nur noch mehr. Am Tower angekommen wollte Michiru unbedingt auf die zweite Plattform rauf, um die Aussicht genießen zu können und das taten sie dann auch. Zum Glück war heute ein wolkenloser, sonniger Tag, so dass sie freie Sicht auf die gesamte Stadt hatten. Die Künstlerin konnte gar nicht genug von der Aussicht bekommen und prägte sich jede Einzelheit ein. Haruka erklärte ihr hin und wieder wo was zu finden war und genoss mehr Michirus Freude an der Aussicht, als die Aussicht selbst. Nachdem Michiru sich endlich von dem Anblick losreißen konnte, gingen die Zwei in einem der Restaurants, die im Gebäude unterhalb des Towers zu finden waren, etwas Essen. Es sah ziemlich edel und teuer aus, wie Michiru fand. »Hoffentlich habe ich genug Geld dabei. Ich brauch ja auch noch was fürs shoppen.« Sie wurden am Eingang von einem Mann im Anzug begrüßt, der sie dann nach einer netten Begrüßung zu einem Tisch direkt an der großen Glasfassade führte, von der man auch eine tolle Aussicht hatte. Sie saßen noch nicht mal richtig, als auch schon eine Kellnerin angeflitzt kam. Sie war ganz hübsch und schien nur ein paar Jahre älter zu sein, als unser "Pärchen" aber als sie Harukas Gesicht sah bekam sie auf einmal so ein merkwürdiges Funkeln in den Augen, was Michiru überhaupt nicht gefiel. Sie reichte Haruka eine Karte und die andere Michiru, allerdings blieb ihr Blick an Haruka hefte.

„Guten Tag, kann ich Ihnen schon was zu Trinken bringen?“

Haruka sah mit fragendem Blick zu Michiru rüber.

„Ich hätte gern ein Wasser.“

„Also ein Wasser und ich nehme eine Cola.“

„Gern.“

Damit rannte sie freudestrahlend davon. Michiru blickte ihr noch kurz angewidert hinterher, dann versuchte sie sich auf die Karte zu konzentrieren. Dies war wirklich ein sau teures Restaurant. Die Preise hinter den Gerichten waren wirklich überirdisch. Sie freundete sich schon mit dem Günstigsten an, was auf der Karte stand. Reis. Einfach nur Reis.

„Du kannst dir aussuchen was du möchtest. Ich lad dich ein.“

„Was? Nein, … das brauchst du nicht, also ich mein … das ist wirklich nicht nötig, danke“

„Ich möchte es aber.“

Das sagte die Blonde mit solch einer Bestimmtheit das Michiru gar nicht anders konnte als zu Nicken.

„Na gut, danke.“

„Kein Problem.“

Dieses "kein Problem" wurde Michiru langsam unheimlich. Jedes Mal wenn sie es sagte verpasste es ihr eine Gänsehaut. Die Kellnerin kam wieder herbeigeeilt und brachte ihnen die Getränke.

„Haben Sie schon gewählt?“

Haruka sah wieder erst Michiru an, die eines der Fischgerichte bestellte. Haruka selbst nahm einen Salat und ein Fleischgericht.

Die Kellnerin nahm den beiden die Karten ab und zuckelte wieder zurück in die Küche.

„Gefällt es dir hier?“ fragte Haruka vorsichtig.

„Ja, es ist wirklich sehr schön hier. Bist du öfter hier?“

„Nein. Eigentlich ist es das erste Mal. Ich war zwar mal, als ich klein war, auf dem Tower und in dem Vergnügungspark hier oben auf dem Dach, mit meiner Mutter, aber Gegessen hab ich hier noch nie.“

„Es gibt ein Vergnügungspark hier auf dem Dach?“

„Ja. Hier komm ziemlich viele Touristen her also gibt’s auch viele Attraktionen. Ein Aquarium ist auch im Geb….“

„Ein Aquarium? Es gibt hier ein Aquarium? Da muss ich unbedingt hin.“

Michiru bekam sich gar nicht mehr ein vor Begeisterung. Was Haruka kurz aus der Fassung brachte.

„Ähm, ja. Wir können da gerne hin, wenn du möchtest.“

„Auf jeden Fall, danke. Ich liebe Fische, und überhaupt alles was mit dem Meer zu tun hat.“

Diese Freude und das unglaubliche Leuchten in Michirus Augen verursachte ein ganz merkwürdiges Gefühl in Haruka. Sie konnte nicht im Geringsten etwas damit anfangen also versuchte sie es wieder zu ignorieren.

„Wirklich? Dann muss dir ja die Aussicht von unserem Haus aus ja gefallen. Es liegt ganz nah am Meer und wir können gerne auch mal an den Strand wenn du möchtest.“

Michiru konnte es gar nicht fassen. »Schon wieder eine Einladung? Und dieses Mal an den Strand?« Sie konnte sich wirklich nichts romantischeres Vorstellen als mit Haruka am Strand spazieren zu gehen und bekam schon wieder Herzrasen.

„Ähm, ja das …. das wäre wirklich schön.“

Bevor sie noch tiefer in ihre Fantasien eintauchen konnte, wurden sie von der Kellnerin unterbrochen, die Michiru dadurch nur noch weniger leiden konnte. Das Mädchen stellte ihnen das Essen hin und sah dann Haruka Hoffnungsvoll an.

„Kann ich sonst noch irgendetwas für Sie tun.“

„Nein, danke.“

Haruka hatte durchaus Bemerkt, dass ihr die Kellnerin sämtliche Aufmerksam schenkte aber irgendwie hegte sie nicht das kleinste Interesse an ihr, was sie selbst wunderte. Normalerweise wäre sie schon längst darauf angesprungen und hätte wie wild mit ihr geflirtet, denn unattraktiv fand sie die Kleine nicht, aber sie hatte derzeit viel größeres Interesse an dem Engel mit dem sie Ehre hatte essen zu dürfen. Also ging die Kellnerin mit enttäuschtem Blick wieder davon.

„Also, dann guten Appetit.“

„Danke, dir auch.“

Das Essen verbrachten die Zwei größtenteils schweigend. Es war aber keines Falls unangenehm. Nach dem Essen bezahlte Haruka noch schnell die Rechnung und war nicht verwundert darüber einen Zettel mit Name und Telefonnummer in dieser zu finden. Sie legte das Geld hinein und gab es der Kellnerin, samt Zettel wieder zurück. Jetzt machten sie sich auf zum Aquarium.

„Was is denn so lustig?“ fragte Michiru sie auf dem Weg dorthin.

„Hä, was meinst du?“

„Keine Ahnung. Du bist nur so fröhlich seit dem wir das Restaurant verlassen haben.“

„Ach ja?“

„Ja.“

Haruka zuckte nur mit den Schultern, musste aber wieder grinsen. Sie konnte sich diese Stimmung selbst nicht erklären, aber sie war da und Haruka konnte nichts dagegen tun. Michiru fand das mehr als seltsam ließ sich aber von der guten Stimmung anstecken, als sie das Aquarium erreichten und sie war schlicht weg begeistert von dem gebotenem. Es war wirklich riesig und sie hatte noch nie so viele und vor allem seltene Fische gesehen. Sie waren umgeben von einer prachtvollen Unterwasserlandschaft und überall um sie herum waren die schönsten und farbenfrohsten Fische der Welt. Michiru fühlte sich wie zuhause angekommen und konnte sich nur schwer von der Welt hier drinnen wieder trennen, aber sie wollten ja auch noch wo anders hin. Und als sie im Museum waren war sie mindestens genauso begeistert. Haruka konnte sich gar nicht satt sehen an der Freude die dieses Mädchen jedes Mal entwickelte und fand sogar selbst gefallen an der Kunst. Sie verlor aber sofort jegliche Freude als sie plötzlich mit der Türkishaarigen im Einkaufszentrum stand. Ihr Versuch der kleineren doch noch auszureden shoppen zu gehen, da es ihrer Meinung nach ja schon viel zu spät dafür war, war kläglich gescheitert. Also wurde sie jetzt von Michiru durch sämtliche Modeläden, die das Einkaufszentrum zu bieten hatte geschleift und wurde genau zu dem was sie schon befürchtet hatte. Ein Packesel. Allerdings hatte dieser Einkaufsbummel auch etwas positives, was Haruka niemals Erwartet hätte. Aber nach dem endlosen warten vor den Umkleidekabinen, kam doch immer etwas Unglaubliches zum Vorschein. Haruka hatte sichtlich Schwierigkeiten damit, die Fassung zu wahren. Und das Michiru dann auch noch immer anfing sich zu drehen und in Pose zustellen machte sie echt wahnsinnig. Zwischendurch aßen sie noch eine Kleinigkeit in einem der Cafés dort, weil Haruka schon wieder Hunger bekam. Um halb zehn waren sie dann endlich wieder beim Auto und Haruka verfrachtete erst mal die ganzen tüten in den Kofferraum, um dann wieder elegant auf den Fahrersitz zu hüpfen. Michiru konnte dabei ein Lachen nicht unterdrücken.

„Du benutzt wohl nie die Tür, was?“

„Nicht, wenn das Verdeck unten ist.“

Mit einem breiten Grinsen ließ sie wieder den Motor aufheulen und fuhr dann geschickt aus dem engen Parkhaus heraus.

„Kann ich dich mal was fragen?“ fragte Michiru einige Minuten später auf der Rückfahrt.

„Klar.“ sagte Haruka, etwas verwundert darüber, dass diese erst um Erlaubnis bat.

„Wenn du mit Leichtigkeit deine Noten selbst in den Griff bekommst, warum hast du es denn nicht getan? Ich mein, wenn es nicht einmal Aufwändig für dich ist? Und es hätte dir viel Streit mit deiner Mutter erspart und du müsstest dir jetzt nicht die komplett überflüssige Nachhilfe mit mir antun.“

Haruka verkrampfte sich schon wieder auf ihrem Sitz. Mit so einer frage hätte sie jetzt nicht gerechnet. Was sollte sie ihr denn jetzt sagen? Dass sie sich einfach nicht auf die Schule konzentrieren konnte, weil ihr ständig alles wehtat und sie von Fragen zerfressen wurde auf die sie keine Antwort bekam? In ihr dann immer dieser unbändige Zorn, Verzweiflung und Hass hochkroch, die sie einfach nicht in der Lage war zu kontrollieren und dass nur das berauschende Gefühl von Sex oder Geschwindigkeit, der sie den Wind am ganzen Körper spüren ließ, ihr diese Gefühle wieder zunehmen vermag? Dass die Nachhilfestunde mit ihr alles andere als überflüssig gewesen war und ihr mehr geholfen hatte, als alles andere jemals zuvor? ... Nein! Niemals könnte sie das zugeben.

„Ich hatte einfach keine Lust dazu, okay? Ich brauch diesen dämlichen Schulabschluss nicht. Ich will einfach nur Rennen fahren, sonst nichts.“

„Okay.“

Michiru wusste es war keine gute Idee zu fragen, aber sie hatten sich in den letzten Stunden so gut verstanden, dass sie dachte, es wagen zu können. Aber der Ton in dem Haruka diese Antwort gab, machte sie nur noch neugieriger. Es hörte sich so an, als würde noch viel mehr hinter dieser Antwort stecken, als die Sportlerin bereit war zuzugeben. Aber fürs erste fand sie es besser nicht weiter in der Wunde rum zu stochern und sie in Ruhe zu lassen. Den Rest der Fahrt über blieb es still. An der Villa angekommen parkte Haruka den Wagen vor der Garage und stieg dann so schnell aus, dass Michiru dachte, sie würde sofort verschwinden und nicht ein einziges Wort mehr mit ihr reden wollen. Stattdessen stand sie plötzlich neben ihr und hielt ihr die Wagentür auf, die sie gerade Öffnen wollte. Aber sie konnte sich nicht wirklich darüber freuen, da Harukas Gesichtsausdruck weder freundlich noch Verführerisch war, sondern völlig ausdruckslos. Schweigend holte die Große Michirus Einkäufe aus dem Kofferraum und ging dann zur Tür, um sie ihr ebenfalls aufzuhalten und dann durchs Haus bis zu ihren Zimmern, wo sich dann beide immer noch schweigend gegenüberstanden.

„Also, das war wirklich ein wundervoller Tag, Haruka-san. Ich danke dir.“

„Schon okay, wir sehen uns dann Morgen.“

Damit ging sie einfach in ihr Zimmer und ließ Michiru mit den Tüten allein zurück, die jetzt wie ein ausgesetzter Hund da stand und auf Harukas Zimmertür starrte. »Warum nur konnte ich meinen Mund nicht halten? Jetzt hast du alles kaputt gemacht, Michiru.« Traurig nahm sie die Tüten auf und ging dann auch in ihr Zimmer, wo sie die Einkäufe achtlos vor den Schrank stellte und sich erst mal aufs Bett setzte. Eine ganze Weile blieb sie so sitzen, den Kopf auf die Hand gestützt und dachte über den Tag nach. Das war mit Abstand der schönste aber auch verwirrendste Tag, den sie jemals erlebt hatte. »Dieses Mädchen bringt mich völlig durcheinander. Warum nur löst sie ständig solche komischen Gefühle in mir aus? …..... Oh, nein! ... Nein! Ich kann mich doch unmöglich in ein Mädchen verliebt haben, oder? Gut, wirklich viel von einem Mädchen hat sie nicht, aber sie ist immer noch ein Mädchen!« Sie hatte sich inzwischen zurück auf die Matratze fallen lassen und sah jetzt an die Decke des Himmelbettes. »Ob ich deswegen nie etwas mit Jungs anfangen konnte? Aber ich hab mich doch auch noch nie für Mädchen Interessiert.« Sie zermarterte sich das Hirn darüber was genau sie fühlte und was sie wollte, bis sie Kopfschmerzen bekam. Dann stand sie auf und wollte sich eigentlich umziehen aber als sie ihren Zeichenblock auf dem Tisch liegen sah ging sie wie von selbst darauf zu und fing ohne zu zögern an zu malen. Erst Stunden später konnte sie ihn wieder aus der Hand legen und ging schließlich, völlig fertig, ins Bett.

Haruka hatte sich sofort auf ihr Bett geschmissen und das Gesicht in den Händen vergraben. Sie hatte schon wieder viel zu intensiv über die Sache mit ihrem Vater nachgedacht und jetzt hatte sie auch noch ein schlechtes Gewissen, weil sie Michiru einfach so hatte stehen lassen. Aber ihr war wieder Bewusst geworden wie gefährlich die Nähe zu diesem Mädchen war, und zwar nicht nur für sie. Außerdem hatte dieses Mädchen so starke Gefühle in ihr hervorgerufen, dass es ihr selbst zu unheimlich wurde. »Verdammt! Was ist nur los mit mir?« Sie konnte einfach nicht aufhören an Michiru zu denken und nach einer Viertelstunde hielt sie es nicht mehr aus, und stand wieder auf. Leise damit Michiru sie nicht hörte verließ sie ihr Zimmer und schlich sich aus dem Haus. Zum Glück hatte sie immer noch den Schlüssel für die Garage und konnte so ihr Motorrad daraus befreien. Sie schob es einige Meter die lange Einfahrt herunter bis sie meinte, dass man den Motor jetzt nicht mehr von der Villa aus hören durfte, dann startete sie die Maschine und raste davon. Dieses Mal steuerte sie direkt auf ihr Stammlokal zu, um das gestern Abend versäumte nachzuholen.

Vermisst

Michiru wurde diesen Morgen unsanft von der Sonne geweckt. Sie Blinzelte einige Male und richtete sich dann langsam auf. Diese Nacht hatte sie nicht so gut geschlafen und vor allem viel zu kurz. Sie schlich, noch total müde zum Badezimmer und ging erst mal Duschen. Eine halbe Stunde später kam sie dann, etwas wacher, fertig angezogen unten in der Küche an. Es war aber niemand zu sehen. Sie schaute kurz auf die Uhr an der Wand und konnte kaum glaube, dass es schon halb zwölf sein sollte. Michiru konnte sich nicht erinnern jemals so lange geschlafen zu haben, eigentlich war sie eine Frühaufsteherin. Etwas geschockt verließ sie die Küche wieder und fand Sachiko schließlich im Wohnzimmer, mit einem Buch und einer Tasse Tee in der Hand.

„Guten Morgen, Sachiko-san.“

„Ah, Michiru-san. Aber ich fürchte für ein "Guten Morgen" ist es schon etwas spät.“ sagte sie mit einem Lächeln.

„Ja, da hast du wohl recht.“

Michiru setzte sich etwas verlegen auf das Sofa ihr gegenüber.

„Wann seid ihr denn Gestern zurückgekommen? Ich hab euch gar nicht gehört. Scheint ja ziemlich spät geworden zu sein, wenn du so lange schläfst.“

„Ich glaub es war so gegen zehn, aber dann hab ich noch angefangen zu malen und konnte einfach nicht wieder aufhören. Ich weiß nicht wann ich dann endlich ins Bett gegangen bin.“

„Ach, so. Darf ich fragen was du gemalt hast? Wenn es dich so gefesselt hat, dass du nicht mehr aufhören konntest muss es ja ein umwerfendes Motiv gewesen sein.“

„Ähm, eigentlich waren es nur verschiedene Skizzen, also nichts Besonderes. Und ich werde eigentlich immer so vom Malen gefesselt, egal was ich male.“

Michiru wurde plötzlich ziemlich unwohl in ihrer Haut, denn jedes einzelne Bild was sie gestern gemalt hatte zeigte immer nur ein und dasselbe Motiv und das war natürlich Haruka.

„Okay, du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht möchtest, aber wie war denn euer Ausflug? Hat Haruka sich benommen? Und von dem Unterricht musst du mir auch erzählen. Ihr konntet ja gestern gar nicht mehr aufhören zu lernen.“

Sachiko war wirklich ziemlich Neugierig, was sie auch gar nicht versuchte zu verbergen.

„Also der Ausflug war einfach wundervoll. Wir waren am Tokio Tower, im Aquarium, im Nationalmuseum und danach noch shoppen.“

„Shoppen? Du warst mit Haruka shoppen?“

„Ja. Sie war auch nicht begeistert darüber aber ich glaube, so schlimm fand sie es dann doch nicht. Jeden Falls hat sie nichts gesagt.“

Michiru konnte sich sehr gut an die Blicke erinnern, die Haruka ihr jedes Mal schenkte, wenn sie aus der Umkleidekabine gekommen war, und war der Meinung, dass es für sie daher gar nicht so schlimm gewesen sein konnte.

„Wirklich? Als ich das letzte Mal mit ihr Einkaufen war, hat sie mir die ganze Zeit die Ohren voll gejammert und mit ihrer schlechten Laune sämtliche Verkäufer verschreckt.“

„Ja, das kann ich mir gut vorstellen.“ sagte sie kichernd.

„Und bei dir hat sie sich benommen? Die ganze Zeit über?“

„Ja. Sie war nicht einmal gemein oder unhöflich, sondern eher sehr zuvorkommend.“

Sachiko konnte sich das überhaupt nicht vorstellen und sah Michiru nur ungläubig an.

„Auch beim Lernen hat sie sich benommen. Ich glaube, es hat ihr sogar gefallen.“

Michiru amüsierte sich richtig über Sachikos Unglauben.

„Ich kann das alles nicht glauben. Hast du irgendein Geheimrezept, oder so was? Wenn ja, musst du es mir unbedingt verraten.“

„Nein, hab ich nicht. Ich war selbst ein bisschen überrascht, dass sie plötzlich so freundlich zu mir war. Beim Frühstück hatte ich noch richtige Angst vor ihr.“

„Schade. Aber egal was es ist, dass sie so verändert hat, ich hoffe es hält noch etwas länger an.“

„Das hoffe ich auch.“

„Und wie war der Unterricht an sich? Konntest du ihr helfen?“

„Also, eigentlich war der Unterricht nicht wirklich nötig.“ sagte sie zögerlich.

„Wie meinst du das? Haruka schreibt nur noch fünfen und sechsen. Sie brauchte auf jeden Fall Hilfe.“ fragte Sachiko verwirrt.

„Ja. Aber nicht weil sie den Unterricht nicht versteht. Sie hatte gestern nicht die geringsten Schwierigkeiten mir zu folgen und hat alle Aufgaben die ich ihr gestellt habe auf Anhieb richtig gelöst. In Mathe ist sie sogar besser als ich. Sie hat mir gesagt, sie hätte einfach keine Lust auf die Schule und deshalb nicht mehr mit gemacht, aber ich glaube, da steckt noch irgendetwas anderes dahinter, ich weiß nur nicht was.“

Sachiko verstand die Welt nicht mehr. Ihre Tochter soll mit Absicht ihre Noten so verschlechtert haben? Das konnte sie sich nicht vorstellen, also musste Michiru Recht haben und es einen anderen Grund dafür geben. Aber was könnte ihre Tochter dazu bringen so schlecht in der Schule zu werden?

„Ich hatte keine Ahnung, dass es einen anderen Grund dafür geben könnte. Ich dachte sie würde im Unterricht nicht mehr mitkommen und sei deshalb immer so schlecht gelaunt und fängt diese Schlägereien an. Aber warum sagt sie mir denn nicht, was sie für ein Problem hat? Sie kann doch über alles mit mir reden.“

„Das weiß ich leider auch nicht.“

Aber Michiru wollte es unbedingt herausfinden. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Haruka leiden oder schmerzen haben könnte.

„Ich danke dir, dass du mir das erzählt hast, Michiru-san. Ich glaube du bist an nur einem Tag näher an sie ran gekommen, als ich in einem ganzen Jahr.“

„Das glaube ich nicht.“

„Oh doch, glaub mir.“

Eine Weile saßen sie nur schweigend da, bis Michiru die Stille unterbrach.

„Ist Haruka-san eigentlich schon wach?“

„Ich glaube nicht, jeden Falls habe ich sie heute noch nicht gesehen. Ach, und da fällt mir ein, deine Mutter hat gestern Abend noch angerufen. Sie war ziemlich besorgt, weil du dich noch nicht gemeldet hast.“

Michirus Augen weiteten sich vor Schreck.

„Oh Gott, das hatte ich ja völlig vergessen. Ich hab ihr versprochen mich spätestens am nächsten Tag zu melden.“

„Ja, das hat sie auch gesagt und sich schon schreckliche Sorgen gemacht. Aber ich denke, ich konnte sie beruhigen, musste ihr aber versprechen, dass du dich heute auf jeden Fall bei ihr meldest.“

„Das mach ich am besten sofort. Darf ich euer Telefon benutzen?“

„Natürlich darfst du. Es steht da hinten auf dem Tisch. Ich werde dir inzwischen eine Kleinigkeit zu essen machen. Du musst doch schon Hunger haben.“

„Oh, aber das musst du nicht. Ich kann mir auch selbst was machen. Das ist wirklich nicht nötig.“

„Ach, was. Bei der Gelegenheit kann ich mir selbst auch noch was machen, und wenn Haruka heute noch mal aufstehen sollte, hat sie bestimmt auch Hunger.“

„Na, gut. Danke.“ Michiru ging zum Telefon herüber und wählte sofort die Nummer ihrer Eltern, während Sachiko in der Küche verschwand. Die nächste halbe Stunde verbrachte Michiru damit ihrer Mutter in allen Einzelheiten zu erzählen, wie sie es hier fand und was sie schon alles erlebt hatte. Nur gewisse Einzelheiten über Haruka ließ sie aus. Danach ging sie wieder zu Sachiko in die Küche, wo sie dann gemeinsam etwas aßen.

„Willst du Haruka gar nicht wecken, damit sie mit uns zusammen essen kann?“ fragte Michiru ganz nebenbei.

Sie vermisste die Anwesenheit der Sportlerin nämlich schon die ganze Zeit und fand es mehr als seltsam, dass sie immer noch nicht aufgestanden war.

„Auf keinen Fall! Wenn es keinen triftigen Grund gibt, dass Haruka wirklich aufstehen muss, wie die Schule zum Beispiel, tu ich mir das sicher nicht freiwillig an.“

„Wie meinst du das?“ fragte Michiru verwundert.

„Glaub mir, es ist gefährlich sie zu wecken, wenn sie eigentlich noch hätte schlafen können, und ihre Laune ist dann auch nicht zu ertragen. Obwohl sie langsam wirklich mal aufstehen könnte. Normalerweise ist sie spätestens um zwölf wach.“

Haruka kam aber nicht und so aßen die zwei alleine zu Ende. Nachdem sie alles abgeräumt hatten ging Michiru wieder nach oben. Die Künstlerin wollte unbedingt wissen wo Haruka blieb. Sie hatte die Warnung von Sachiko zwar ernst genommen, aber sie konnte ja wenigstens mal nachsehen, ob diese eventuell schon wach war und einfach nur nicht runter gekommen war. An der Tür angekommen Klopfte sie vorsichtig an. … Nichts. Sie tat es noch einmal, dieses Mal kräftiger.

„Haruka-san, darf ich reinkommen? Ich bin’s, Michiru.“

… Wieder nichts. Also machte sie einfach die Tür auf und trat vorsichtig ins Zimmer. ... Es war leer! Geschockt sah sich Michiru im ganzen Raum um. »Wieso ist sie nicht hier? Ist sie etwa weggefahren? Ohne etwas zu sagen? Oder ist sie irgendwo anders im Haus?« Michiru ging zur Badezimmertür und öffnete sie einfach. … Auch leer. Jetzt wurde sie langsam nervös. Sie verließ das Zimmer wieder und sah in jedem Raum auf dieser Etage nach aber sie konnte sie einfach nicht finden. Stattdessen fand sie das andere Badezimmer, welches Sachiko erwähnt hatte und ein Zimmer, welches sie sich unter anderen Umständen sehr viel genauer angesehen hätte, aber im Moment wollte sie einfach nur Haruka finden. Als sie diese Etage durch hatte tat sie unten genau dasselbe, nur das Wohnzimmer und die Küche ließ sie aus. Aber Haruka blieb verschwunden. Also blieb nur noch eine Möglichkeit. Sie ging nach draußen und sah vor der Garage immer noch das gelbe Auto stehen aber was viel wichtiger war, das Garagentor stand offen und es fehlte das Motorrad. Sie war also wirklich weg gefahren. Wann? Wohin? Und wieso hat sie nichts gesagt? Michiru war jetzt nicht nur besorgt und nervös sondern auch noch sauer. Wütend ging sie ins Haus zurück und landete wieder bei Sachiko im Wohnzimmer auf der Couch.

„Sie ist überhaupt nicht da!“ sagte Michiru genervt.

„Was?“

Verwundert sah Sachiko von ihrem Buch auf. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass Michiru schon wieder bei ihr war.

„Haruka-san. Ich wollte nachsehen, ob sie vielleicht doch schon wach ist, aber sie ist nicht in ihrem Zimmer und das Motorrad ist aus der Garage verschwunden. Also ist sie weg!“

„Was, sie ist weg? Ah, ich hätte die Schlüssel für die Garage zurück verlangen sollen. Na ja, was soll’s. Sie wird schon wieder auftauchen. Mach dir keine Sorgen, das ist wirklich nicht das erste Mal, dass sie plötzlich spurlos verschwindet.“

„Na gut, du hast recht. Ich bin dann in meinem Zimmer.“ sagte sie enttäuscht.

Michiru erhob sich und ging wieder rauf. Sachiko sah ihr schmunzelt hinterher. Es war auch nicht so, dass Michiru die Sorge quälte der Rennfahrerin könnte etwas passieren, sondern eher was die jetzt tat, ohne sie.

Sie kam an dem Raum vorbei den sie vorhin noch ignoriert hatte und da sie ja jetzt nichts Besseres mehr Vorhatte ging sie wieder hinein. Dieser Raum war etwas kleiner als ihr Zimmer aber nicht weniger beeindruckend. An den Wänden waren große Vitrinen und regale angebracht in denen Überall Urkunden, Medaillen und Pokale standen. Sogar Fotos waren dazwischen zu finden. Überall Haruka drauf, wie sie langsam immer älter wurde. Michiru musste unweigerlich lächeln. Haruka sah wirklich schon immer wie ein Junge aus. Auf keinem der Fotos hatte sie lange Haare oder Kleider an. Langsam ging sie an der Schrankwand entlang und sah sich alles genauer an. Es waren nicht nur Auszeichnungen im Motorsport, sondern auch so gut wie alle anderen Sportarten die Michiru kannte vertreten. Und fast überall war der erste Platz versehen. Die Violinistin war ziemlich beeindruckt, dass Haruka so sportlich, und auch noch so gut war, hatte sie nicht gewusst. Aber am interessantesten fand sie den großen Flügel der in der Mitte des Raumes stand. »Könnte es sein, dass der Haruka gehört? Wenn ja, muss ich das unbedingt hören. Vielleicht könnten wir ja sogar Mal zusammen spielen.« Michiru träumte schon von einem Duett mit Haruka und bekam wieder leuchtende Augen. Sie verließ den Raum wieder und nahm sich sofort als sie in ihrem Zimmer angekommen war, ihre Geige zur Hand und fing an zu spielen. Den Rest des Tages verbrachte sie damit Geige spielen, zu malen und wartete sehnsüchtig auf die Rückkehr Harukas. Sie zerbrach sich den Kopf darüber wo diese war, was sie tat, ob sie vielleicht immer noch sauer auf sie war und deshalb verschwunden war, was ihr Problem wegen der Schule sein könnte, ob es ihr gut ging und … und … und ….
 

Haruka war natürlich erfolgreich in ihrem Plan gewesen. Sie hatte schon nach wenigen Minuten an der Bar mehrere Angebote von hübschen Frauen erhalten. Sie hatte sich natürlich, die für sie schönste und gefügigste rausgepickt und war schon nach einigen Drinks und Flirtspielchen auf den Weg mit ihr zu deren Wohnung unterwegs. Ihre Wahl war dann zwar doch ziemlich geschockt, dass sie sich keinen Mann mit nachhause genommen hatte aber Haruka wusste genau wie sie eine Frau rumbekam, besonders wenn diese sich schon vor Lust verzehrten und so hatte sie natürlich genau das bekommen was sie wollte. Allerdings bekam sie für nicht eine Sekunde das Türkishaarige Mädchen aus ihrem Kopf. Irgendwann war sie dann völlig genervt und erschöpft neben dem Mädchen, dessen Namen sie nicht einmal wusste, eingeschlafen.

Total erschrocken riss Haruka die Augen auf. Irgendwas war ihr ins Gesicht geknallt. Sie richtete sich auf und sah neben sich. Dort lag, noch immer Nackt, ihr "Opfer" von letzter Nacht. Sie hatte sich offenbar im Schlaf umgedreht und Haruka dabei ihren Arm ins Gesicht geschlagen. Die Sportlerin ließ ein leises Grummeln von sich hören und stand dann vorsichtig auf, um die andere nicht zu wecken. Sie sammelte ihre Sachen vom Boden auf und verließ dann leise das Zimmer. Nachdem sie sich im Flur angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Motorrad, welches unten an der Straße stand. Jetzt saß sie auf ihrer Maschine und hatte keine Ahnung wo sie hin fahren sollte. Auf jeden Fall nicht nachhause, das stand fest. Dort würde sie nur auf Michiru treffen und wahrscheinlich könnte sie der Versuchung nicht widerstehen und würde mit ihr gemeinsam den Tag verbringen. Nein. Sie musste sich unbedingt von diesem Mädchen fernhalten, zum Wohl ihrer als auch deren Sicherheit. Aber sie vermisste sie schon jetzt, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte. Sie startete den Motor und fuhr erst mal zu einem Café, um zu frühstücken, doch wirklich Appetit hatte sie nicht. Es war erst acht Uhr Morgens und eigentlich war sie sonntags um diese Zeit zu nichts anderem Fähig als zu schlafen. Also quälte sie sich eher ihr Frühstück herunter und machte sich dann auf zu einem Gamecenter. Doch sie konnte sich einfach nicht auf ihr Autorennspiel konzentrieren und fuhr so ein Auto nach dem anderen zu Schrott, bis sie völlig frustriert wieder aus dem Laden verschwand. Schon wieder saß sie auf dem Motorrad und dachte Fieberhaft darüber nach, an welchem Ort sie wohl in der Lage wäre, dieses Mädchen aus dem Kopf zu bekommen. Kurzerhand entschloss sie sich zum Strand zufahren. Normaler weise halfen der Wind und das Rauschen der Wellen immer, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber sie musste feststellen, dass das Meer wohl der letzte Ort war an dem sie Michiru vergessen könnte. Erst gestern hatte diese ja erwähnt, wie sehr sie das Meer liebte und die sanften Wellen erinnerten viel zu sehr an deren Haare, das Blau des Wassers viel zu sehr an deren Augen und der Klang der Wellen aus irgend einem Grund an deren melodische Stimme. Jetzt fuhr sie komplett verzweifelt einfach nur noch durch die Gegend und selbst das schien nicht wirklich zu helfen. Wie eine besessene raste sie Stundenlang durch die Straßen Tokios und Umgebung. Um einige Strafzettel und Verwarnungen, wegen Geschwindigkeitsüberschreitung reicher, kam sie abends doch wieder bei der Villa an und stand jetzt, wie angewurzelt vor der Tür und traute sich einfach nicht hinein. Den ganzen verdammten Tag über hatte sie sich wie verrückt nach diesem Mädchen gesehnt und jetzt hatte sie plötzlich Angst davor. Aus einem für sie undefinierbaren Grund, fing ihr Herz auf einmal an schneller zu schlagen und sie hatte das Gefühl, als würde es gerade ziemlich heiß hier draußen werden. »Ah, verdammt! Reiß dich zusammen, Haruka! Sie ist doch nur irgendein Mädchen, also nichts Besonderes.« Doch sie wusste, dass das nicht zutraf, nicht für sie. Schwer seufzend öffnete sie die Tür und trat ein. Von draußen hatte sie gesehen, dass noch Licht brannte, also wusste sie, dass noch wer wach war und ganz so spät, als das sie erwartet hätte, dass schon alle schliefen, war es auch noch nicht. So war sie nicht überrascht ihre Mutter in der Küche anzutreffen, die dabei war das Geschirr aus dem Geschirrspüler in die Schränke einzuräumen.

„Ach ne, beerst du uns heute doch noch mit deiner Anwesenheit? Wo bist du gewesen? Und du kannst mir gleich die Schlüssel für die Garage zurückgeben. Ich habe dir zwar gestern erlaubt, mit dem Auto Michiru-san in die Stadt zu fahren, aber an einen Tages Ausflug mit dem Motorrad heute, kann ich mich nicht erinnern.“

Sie sah Haruka fordernd an und hielt ihr ihre Hand ausgestreckt entgegen. Diese versuchte gar nicht erst zu widersprechen. Sie war viel zu deprimiert um Widerstand zu leiste und gab ihr die Schlüssel zurück.

„Tut mir leid.“ sagte diese und setzte sich auf einen der Stühle an den Esstisch.

Das brachte Sachiko wieder aus der Fassung. »Keine Wiederrede? Kein Geschrei? Kein Gemurre und Gejauchze? Nicht einmal Wut? Und stattdessen sogar eine Entschuldigung? Wer ist das und wo ist meine Tochter geblieben?«

„Äh, schon okay. Erzählst du mir, wo du warst?“ fragte sie immer noch verwirrt.

„Ich bin einfach nur durch die Gegend gefahren.“

Das klang irgendwie traurig und abwesend, so dass es Sachiko dazu veranlasste sich ihr Gegenüber zu setzen und nun mit besorgtem Blick ansah.

„Haruka, gibt es vielleicht irgendetwas das dir Sorgen bereitet? Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, oder? Also wenn ….“

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“ unterbrach Haruka ihre Mutter geschockt.

„Ich weiß nicht. Du klangst nur so traurig, und Michiru-san hat mir erzählt, dass du überhaupt keine Nachhilfe benötigst und da dachte ich, es bedrückt dich vielleicht irgendwas.“

„Mich bedrückt überhaupt nichts, okay? Es ist alles in Ordnung!“ sagte sie gereizt und wurde fast laut dabei.

„Okay, schon gut. Du musst es mir nicht sagen. Ich wollte dir nur mitteilen, wenn du mal reden willst, ich bin für dich da, und hör dir zu. Das ist alles. ... Hast du vielleicht noch Hunger?“ fragte sie um ihre Tochter wieder zu beruhigen.

„Ja.“ kam es leise zurück.

Haruka hätte ihrer Mutter nur zu gerne alles erzählt aber sie konnte nicht. Sie konnte einfach nicht. Schon öfter hatte sie darüber nachgedacht, es ihr einfach zusagen, in der Hoffnung der Albtraum würde dann endlich Enden, aber sie hatte zu große Angst davor. Was wenn ihre Mutter auch so reagieren würde wie ihr Vater, oder wenn er ihr dann das gleich antat? Lieber würde sie sämtlichen Schmerz der Welt auf sich nehmen, als dass ihrer Mutter so etwas angetan werden könnte. Also schwieg sie, immer weiter. Ihre Mutter war inzwischen aufgestanden um ihr noch etwas zu essen zumachen.

„Übrigens hat Michiru-san dich heute sehr vermisst.“

„Wirklich?“

Haruka hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Das kam viel zu schnell und klang viel zu Hoffnungsvoll.

„Ja, wirklich. Sie wirkte ziemlich niedergeschlagen, nachdem sie dich nicht finden konnte und dein Motorrad ebenfalls verschwunden war.“

„Oh.“

Mehr sagte sie nicht dazu. Sie wusste nicht, ob sie das jetzt gut oder schlecht finden sollte. Einerseits löste der Gedanke Michiru könnte sie vielleicht ebenso vermisst haben, wie Haruka sie, ein Glücksgefühl in ihr aus, welches sie noch nie gespürt hatte, andererseits hatte sie Angst davor. »Was wenn es wirklich so ist? Kann ich mich dann noch von ihr fernhalten? Könnte sie wirklich etwas für mich empfinden, oder sieht sich mich nur als einen Freund? ... Und was empfinde ich eigentlich?« Erst als ihre Mutter ihr plötzlich etwas zu essen unter die Nase stellte, erwachte sie wieder aus ihren Gedanken.“

„Sie ist wirklich ein nettes Mädchen, oder? Du musst zugeben sie ist etwas Besonderes, sonst wärst du doch niemals mit ihr shoppen gegangen.“

Haruka sah ihre Mutter etwas nervös und genervt an. Das war doch genau das was sie sich vorhin noch hatte ausreden wollen. »Mist. Musste sie ihr das erzählen?« Sie sah immer wieder zwischen ihrem Essen und den hellblauen Augen ihrer Mutter hin und her, die gar nicht daran dachte, den fragenden Blick aufzugeben.

„Vielleicht ein bisschen.“ kam es irgendwann gequetscht aus ihr heraus.

Sachiko musste ein Lachen unterdrücken. Das war mehr, als sie jemals erwartet hätte und es bestärkte sie nur in ihrem Glauben, dass genau Michiru der Grund für Harukas verändertem Verhalten war.

„Sie ist bestimmt noch wach und wartet auf dich. Vielleicht schaust du ja noch mal kurz bei ihr rein, bevor du ins Bett gehst. Ich jedenfalls werde jetzt schlafen gehen. Ich wünsch dir einen Guten Appetit und eine Gute Nacht. Oh, und räum das bitte noch weg, bevor du hoch gehst, ja?“

Damit erhob sie sich wieder vom Stuhl, strich ihrer Tochter noch kurz durch das sandfarbene Haar und ließ sie dann allein zurück.

„Nacht.“ sagte Haruka ihr noch nach und machte sich dann übers Essen her.

Mit essen fertig räumte sie noch schnell den Teller weg und machte sich dann auch auf den Weg nach oben. Im Flur blieb sie natürlich wieder stehen. Konnte sie es wirklich wagen jetzt noch zu ihr ins Zimmer zu gehen, ohne, dass sie dann nicht noch irgendetwas Dummes anstellte? Sie hatte Michiru den ganzen Tag nicht gesehen und verzerrte sich geradezu nach ihrer Anwesenheit. Doch sie entschied sich gegen ihren Willen, das Zimmer nicht zu betreten und ging stattdessen in ihr eigenes und legte sich schlafen. Morgen kam sie auf gar keinen Fall darum herum sie zusehen, denn Morgen war Michirus erster Tag in der neuen Schule und sie selbst konnte es sich nicht mehr leisten dort nicht hinzugehen. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.

Der erste Schultag

Michiru hatte mal wieder nicht gut geschlafen. Den ganzen Tag hatte sie sich den Kopf über die androgyne Blonde zerbrochen und sich schon die schlimmsten Sorgen um sie gemacht, nur um dann festzustellen, dass diese schon längst Zuhause war. Sie war nämlich kurz bevor sie schlafen wollte noch einmal in deren Zimmer gegangen, um nach zu schauen, ob sie wirklich immer noch nicht da war. Und zu ihrem Entsetzen lag die Sportlerin in ihrem Bett und schlief in aller Seelenruhe den Schlaf der Gerechten. Wäre sie nicht so furchtbar wütend gewesen, hätte sie die Scene durchaus süß gefunden, aber was viel der ein einfach so nach Hause zu kommen, ohne ihr Bescheid zu geben, ohne ihr zu sagen wo sie war, und dann auch noch einfach schlafen zu gehen? Michiru musste sich wirklich zusammenreißen die Tür nicht mit voller Wucht zuzuknallen. Wütend stampfte sie in ihr Zimmer zurück und versuchte sich mit aller Gewalt zum Einschlafen zu zwingen, was ihr aber erst nach Stunden gelang. Jetzt saß sie, todmüde in der Küche am Esstisch und aß das Frühstück, das ihr Sachiko vorbereitet hatte.

„Du siehst müde aus. Hast du etwa gestern wieder solange gemalt?“ fragte Sachiko besorgt.

„Nein, ich konnte einfach nur nicht einschlafen.“

„Machst du dir Sorgen um die neue Schule? Ich bin mir sicher, du wirst dich dort gut zu Recht finden. Und Haruka ist ja auch noch da, sie wird dir bestimmt helfen.“

»Da bin ich mir nicht so sicher.« Sie war sich auch nicht mehr so sicher, ob sie das überhaupt wollte. Sie war immer noch sauer auf sie.

„Wo ist sie überhaupt? Sie ist doch nicht schon weg, oder?“ fragte sie plötzlich geschockt.

„Nein, sie ist ganz sicher noch da, aber sie wird nicht vor halb neun aufstehen. Sie braucht ja nur Zehn Minuten mit dem Motorrad, oder Auto zur Schule. Nimmt sie dich eigentlich mit oder soll ich einen Fahrer für dich herbestellen?“

„Ich denke nicht, dass sie mich mitnehmen wird, und du brauchst auch keinen Fahrer bestellen. Ich geh einfach zu Fuß und nehme den Bus.“

„Was? Aber so wirst du fast eine Stunde brauchen. Bist du dir sicher? Es ist wirklich kein Problem einen Fahrer zu engagieren und zudem auch noch sicherer.“

„Nein, wirklich. Ich nehme gern den Bus und mir passiert schon nichts. Und Zeit hab ich ja auch noch genug. Wir sehen uns dann Nachher, Sachiko-san. Und danke für das Frühstück.“

Sie stand auf und machte sich dann auf den Weg zur Schule. Sachiko sah ihr nur irritiert hinterher. Etwa eine halbe Stunde später kam eine verschlafene Haruka in die Küche getorkelt und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Guten Morgen, Haruka. Gut geschlafen?“

Von Haruka war nur ein Stöhnen zu vernehmen, dass alles hätte bedeuten können, und fing an sich von dem Essen etwas in den Mund zuschaufeln.

„Ich finde es übrigens sehr schade, dass du nicht gemeinsam mit Michiru-san zur Schule fährst. An ihrem ersten Tag, hättest du sie doch wenigstens mitnehmen können.“ sagte Sachiko ein paar Minuten später.

„Wie meinst du das? Wo ist sie denn?“

Sie sah sich verwirrt im Raum um.

„Na, sie fährt gerade mit dem Bus zur Schule.“

Haruka sah ihre Mutter kurz irritiert an, bis ihre Worte endlich in ihrem Gehirn angekommen waren und auch verarbeitet wurden, dann weiteten sich ihre Augen.

„Sie ist schon weg? Seit wann?“

„Ungefähr seit einer halben Stunde etwa.“

Die Sportlerin sprang von ihrem Stuhl hoch und rannte aus dem Haus. Sachiko musste mal wieder über die Situation schmunzeln, dann holte sie den Garagenschlüssel aus ihrer Tasche und hielt ihn vor sich in die Luft. Eine halbe Minute später wurde er ihr aus der Hand gerissen und Haruka rannte nun zum zweiten Mal aus dem Haus. Sie schwang sich auf ihr Motorrad und fuhr los. »Warum hat sie nicht auf mich gewartet?« Haruka hatte sich zwar gestern zusammenreißen können und hatte Michiru nicht mehr gesehen, aber doch nur in dem Gewissen sie heute auf jeden Fall sehen zu können. Und insgeheim hatte sie sich schon darauf gefreut mit der Violinistin zusammen zur Schule zufahren, vor allem weil den anderen Schülern bestimmt die Augen aus gefallen wären, wenn sie mit einer solchen Schönheit auf den Hof fuhr. Und jetzt ging sie einfach alleine? Haruka gab noch mehr Gas. Ein paar Minuten später entdeckte sie etwas Türkisenes am Ende der Straße gehen. »Gut, sie ist also noch nicht bei der Bushaltestelle angekommen. Zum Glück ist die so weit weg von unserem Haus.« Sie drosselte das Tempo etwas und kam dann neben Michiru zum Stehen.

„Du hättest ruhig auf mich warten können. Ich hätte dich mitgenommen.“ sagte sie mit dem charmantesten Lächeln, was sie zu bieten hatte und ignorierte dabei das Herzrasen, dass sich in ihr gebildet hatte, als sie Michiru in ihrer Schuluniform sah. Eigentlich hatte sie diese Uniform nie besonders gemocht aber die Künstlerin sah einfach umwerfend darin aus.

„Haruka!?“

Michiru war vor Schreck zusammen gezuckt. Sie war so in ihre Träumereien vertieft, dass sie gar nicht mitbekam das sich ihr jemand genähert hatte. Sofort wurde sie wieder nervös, nicht nur das Haruka sie schon wieder so ansah, nein, sie sah auch noch verdammt gut in dieser Schuluniform aus und es überraschte sie nicht im geringsten, dass es die Uniform für Jungs war.

„Haruka?“ wiederholte die Sportlerin mit schiefem Kopf aber einem Grinsen im Gesicht.

„Oh, tut mir leid. Ich mein natürlich Haruka-san.“

Michiru wünschte sich schon wieder ein dunkles Loch herbei in dem sie sich verkriechen konnte. Aber Haruka lachte nur.

„Du kannst es ruhig weg lassen. Es nervt sowieso nur. Soll ich dich denn jetzt noch den Rest des Weges mitnehmen, Michiru?“

Irgendwie wollte Michirus Herzschlag einfach nicht seinen normalen Rhythmus wieder finden. Und sie hatte schon längst vergessen, dass sie eigentlich sauer auf die Blonde war.

„Etwa auf dem Ding da?“ sagte sie ängstlich, nach dem sie wieder einigermaßen zu sich gekommen war.

„Nein. ... Ich dachte ich trag dich den Rest des Weges.“

Haruka hätte am liebsten ein Foto von dem Gesichtsausdruck Michirus gemacht und musste augenblicklich laut los lachen. Michiru war sofort rot angelaufen und Harukas lachen machte die Sache jetzt auch nicht besser. Beleidigt drehte sie sich um und ging davon. Haruka fuhr langsam hinter ihr her.

„Hey, warte. Tut mir wirklich leid, aber dein Gesicht sah einfach göttlich aus. Na komm, jetzt Steig schon auf. Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist vollkommen sicher bei mir. Bin schließlich Profi, schon vergessen?“

„Ich finde den Weg schon allein. Also, nein danke.“

Das klang ziemlich bissig. Aber Haruka gab nicht auf. Sie beschleunigte etwas, fuhr um die Kleinere herum und stand plötzlich quer vor ihr auf dem Gehweg, nahm dann eine Hand von Michiru in die ihre und sah dann ganz tief in ihre Augen.

„Bitte.“ flehte sie.

»Oh Gott!« Da war auf einmal wieder dieses Blitzgewitter in ihrem Bauch und ihr Herz müsste eigentlich jeden Moment aufhören zu schlagen, denn schneller ging es auf keinen Fall mehr.

„Na … na gut.“ stotterte sie.

Das überhebliche Grinsen kam auf Harukas Gesicht zurück und sie half Michiru hinter sich aufs Motorrad zu klettern.

„Halt dich gut fest. Ich fahr nicht langsam.“

„Wo denn?“

„Na, an mir.“ sagte sie schon wieder verführerisch.

Michiru musste einmal tief durch atmen, dann schlang sie die Arme um Harukas Taille und schmiegte sich an ihren Rücken. Jetzt wurde plötzlich Haruka nervös. »Vielleicht hätte ich doch das Auto nehmen sollen. Wie soll ich mich jetzt noch auf die Straße konzentrieren?« Auch sie atmete einmal tief durch, dann fuhr sie vom Gehweg auf die Straße zurück. Entgegen dem was sie gesagt hatte, fuhr sie aber doch um einiges langsamer als gewöhnlich. Michiru fand es war ein unglaubliches Gefühl hinter Haruka auf dem Motorrad mit zu fahren. Nicht nur, dass sie Haruka in ihren Armen hatte, was allein schon ziemlich berauschend war, nein, die Fahrt an sich war einfach der Wahnsinn. Und so fand sie es richtig schade, dass sie schon nach fünfzehn Minuten auf dem Schulgelände angekommen waren und sie Haruka wieder los lassen musste.

„Hat‘s dir gefallen?“

„Ja, es war echt der Wahnsinn. Jetzt versteh ich, warum du so gerne Motorrad fährst.“

„Gut, dann nimm ich dich Nachher wieder mit zurück. Also verschwinde nicht wieder.“

„Also, ich bin nicht diejenige von uns, die einfach, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wo sie hin oder wann diese gedenkt mal wieder aufzutauchen, spurlos verschwindet!“

»Oh man, wenn blicke Töten könnten!« Haruka bekam richtig Angst vor Michiru.

„Nein, richtig. Tut mir leid.“

„Wo warst du eigentlich? Und wann bist du wieder aufgetaucht? Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können, dass du wieder da bist.“

„Hast du dir etwa Sorgen gemacht?“ fragte sie grinsend.

„Na, du hättest ja auch tot in irgendeinem Straßengraben liegen können, so wie du fährst.“

„Also eben hat dir noch gefallen, wie ich gefahren bin.“

„Das war etwas anderes, außerdem bist du langsamer gefahren.“

„Wenn du meinst. Ich bin gestern einfach nur durch die Gegend gefahren und war noch in einem Gamecenter. Zurück bin ich, glaube ich, um neun gekommen oder vielleicht war es auch schon zehn, keine Ahnung. Und ich dachte, du schläfst vielleicht schon, deshalb hab ich dir nicht beschied Gesagt. Können wir denn jetzt rein gehen? Du willst doch nicht an deinem ersten Tag zu spät kommen, oder?“

„Nein, will ich nicht. Okay.“

So ganz glauben konnte Michiru die Geschichte nicht, aber sie dachte nicht weiter darüber nach, denn sie wollte wirklich nicht zu spät kommen.

„Ich muss zuerst ins Sekretariat um mich anzumelden und meinen Stundenplan abzuholen.“

„Gut. Ich bring dich hin.“

Sie gingen gemeinsam über den Hof zum Schulgebäude und Haruka bekam das Grinsen einfach nicht mehr aus dem Gesicht. Es lief genauso ab, wie sie es erwartet hatte. Überall waren ungläubige Augenpaare auf sie gerichtet, sowohl von den Jungs, die Michiru mit den Augen auszuziehen schienen, als auch von den Mädchen, die Michiru mit ihren Blicken zu Töten schienen. Der Künstlerin war sichtlich unwohl in ihrer Haut und ging so nur noch dichter neben Haruka her.

„Wieso sehen die mich alle so an?“ fragte sie Haruka leise.

„Die können nur nicht Glauben was sie sehen.“ antwortete sie ihr belustigt.

„Ach, und was sehen sie?“

„Wie der berühmte Rennfahrer Tenoh Haruka und begehrteste Typ der Schule mit einer unbeschreiblichen Schönheit über den Schulhof geht.“

Michiru war vor Schreck stehen geblieben. Unbeschreibliche Schönheit? Hatte Haruka sie gerade tatsächlich unbeschreiblich schön genannt? Nein, das muss sie sich eingebildet haben.

„Was ist?“

„Ach, nichts.“

Sie holte zu Haruka auf und ging nun wieder neben ihr.“

„Warte, Typ? Die halten dich hier doch nicht etwa auch für einen Jungen, oder?“

„Doch, die meisten schon. Wenn ich mich hier als Mädchen angemeldet hätte, wäre das doch schon längst rausgekommen, schließlich weiß die Presse, wo ich zur Schule gehe.“

„Oh, richtig. Muss ich jetzt etwa auch "er" und "ihm" sagen, wenn ich mit irgendwem über dich spreche?“

„Es wäre auf jeden Fall hilfreich mein Geheimnis zu waren. Aber ich werde dich nicht dazu zwingen. Deine Entscheidung.“

„Dann werd ich’s tun. Ich will ja nicht, dass du wegen mir deine Rennfahrerkarriere aufgeben musst.“

„Danke. … So wir sind da. Ich werd hier draußen auf dich warten, kann ja nicht so lange dauern.“

„Okay, bis gleich.“

Michiru ging durch die Tür, die zum Sekretariat führte, bei dem sie inzwischen angekommen waren und Haruka blieb lässig an der Wand lehnend zurück. Sofort als Michiru im Raum verschwunden war kamen einige Jungs, die den Beiden bis ins Gebäude gefolgt waren angeschossen.

„Mensch Tenoh-kun, wo hast du die den aufgetrieben? Die sieht ja heiß aus!“

„Ist das etwa deine Freundin, oder ist die noch zu haben?“

„Quatsch, Tenoh-kun und ‘ne Freundin? Aber zu haben ist die sicher nicht mehr, oder?“

„Das geht auch Vollpfosten nicht im Geringste etwas an, also verschwindet. Aber ich warne euch, wenn auch nur einer von euch auf die Idee kommt sie anzumachen, verpass ich ihm ein neues Gesicht, das könnt ihr auch gleich überall rum erzählen.“ sagte Haruka genervt.

„Also doch deine Freundin? Hätte nie gedacht das du dich mal festlegen könntest.“

„Na, bei der kann ich das verstehen, die würde ich auch nicht so schnell wieder gehen lassen.“

„Ich habe gesagt, das geht euch nichts an! Und jetzt verzieht euch endlich.“

„Okay, okay. Kommt wir gehen lieber, bevor er noch ausrastet.“

So schnell wie die Jungs gekommen waren verschwanden sie auch wieder und zwar gerade noch rechtzeitig, bevor Michiru aus dem Sekretariat zurückkam.

„Na, alles okay?“ fragte Haruka schnell.

„Ja, alles in Ordnung. Wir können los.“

„Wie sieht denn dein Stundenplan aus?“

„Tja, ich würd sagen genau wie deiner, mit nur zwei Ausnahmen.“

„Wir sind in derselben Klasse? Echt?“

Sie versuchte wirklich nicht zu euphorisch zu Klingen.

„Ja, sind wir. Sieht so aus, als würdest du mich nicht mal hier loswerden.“

„Wer sagt denn, dass ich das will?“

Michiru machte diese Haruka langsam Angst. Zuerst holt sie sie extra mit dem Motorrad ein, um sie mitzunehmen, dann glaubt sie Gehört zu haben, die Sportlerin hätte sie unbeschreiblich schön genannt, und jetzt sagte sie so etwas Ähnliches wie "bleib bei mir"?

„Wir sollten wirklich mal langsam los, Murasaki-sensei kann‘s gar nicht leiden wenn man zu spät kommt.“

„Ähm, okay.“

Also gingen die zwei zum Englischunterricht. In der Klasse angekommen waren sofort wieder sämtliche Augenpaare auf sie gerichtet und es wurde mucksmäuschenstill im Raum. Zum Glück war nur zwei Schritte hinter ihnen die Lehrerin in den Raum getreten. Haruka hatte sich durch die Stille nicht beirren lassen und war einfach zu ihrem Platz gegangen, während Michiru vorne stehen blieb und jetzt erst Mal von der Lehrerin Begrüßt wurde. Eigentlich sind ja um Haruka herum sämtliche Plätze besetzt, aber genau das, passte ihr gerade gar nicht. Wenn sich ihre Noten wirklich verbessern sollten, brauchte sie Michiru in ihrer Nähe, und sie hätte es auch sonst nicht anders haben wollen. Links neben ihr saß zum Glück ein ziemlich schmächtiger Junge ohne großem Selbstbewusstsein. Sie brauchte ihn nur einmal finster in die Augen sehen, um ihn von seinem Platz in die hinterste Reihe flüchten zu lassen. Haruka sah dann freudestrahlend nach vorne zur Tafel, wo Michiru sehr wohl gesehen hatte was Haruka da angestellt hatte. Sie schüttelte nur mit dem Kopf, musste aber zugeben, dass sie sich darüber freute, dass Haruka sie offenbar unbedingt neben sich haben wollte. Die Sportlerin zuckte nur unschuldig mit den Schultern und wartete jetzt ungeduldig darauf, dass sich Michiru endlich setzen konnte. Die Lehrerin stellte Michiru der Klasse vor und die erzählte kurz, wo sie herkam und wer sie war, dann endlich durfte sie sich setzen und natürlich setzte sie sich, gefolgt unter den bösen Blicken der Mädchen im Raum, auf den, für sie extra geräumten, Platz neben Haruka. Wirklich auf den Unterricht konzertierte sich aber keine von beiden. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt sich abwechselt aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. Auch die anderen im Raum schienen offenbar ein interessanteres Thema gefunden zu haben, als Englisch. Ab und an war ein Getuschel im Klassenraum zu vernehmen und sie wurden aus allen Richtungen angestarrt. So ging das den ganzen Schultag über. Egal, wo die zwei auftauchten, es wurde immer sofort still im Raum und sie wurden nur noch angestarrt. Haruka schien das nicht mal unangenehm zu sein. Michiru hatte sogar das Gefühl sie genoss diese Aufmerksamkeit. Ihr hingegen gefiel das überhaupt nicht. Sie fand es noch nie besonders toll im Rampenlicht zu stehen, wenn sie nicht gerade anderen mit ihrer Kunst oder Musik eine Freude bereiten konnte. Inzwischen hatte sich auch überall Harukas Drohung verbreitet. Und nun nahmen natürlich alle an die zwei wären ein Paar. Nun saßen die zwei in der großen Kantine der Schule und aßen zu Mittag, überall um sie herum Getuschel und Blicke.

„Haben die nicht langsam mal genug von uns. Es kann doch nicht so Interessant sein, dass wir hier zusammen essen.“ entgegnete Michiru inzwischen genervt.

„Lass sie doch. Ignorier sie einfach.“

„Stört es dich denn gar nicht?“

„Ich bin es gewohnt, so angestarrt zu werden, also nicht wirklich. Aber müsstest du das nicht auch gewohnt sein? Durch deine Konzerte mein ich.“

„Schon, aber da werd ich ja nicht so angesehen. Außerdem hab ich da ja meine Geige dabei und wenn ich erst Mal angefangen habe zu spielen, vergesse ich alles andere um mich herum.“

„Hhmm, ach so. Also wenn es dich so sehr stört, kann ich versuchen es zu beenden. Ich weiß aber nicht ob es funktioniert.“

„Wie meinst du das? Was willst du denn machen?“ fragte Michiru etwas verwirrt.

„Warts ab.“

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und knallte plötzlich mit den Handflächen auf den Tisch und sah nun ziemlich furcht einlösend aus.

„JETZT REICHT ES MIR ABER ENDGÜLTIG! HABT IHR NICHTS BESSERES ZU TUN, ALS UNS ANZUSTARREN? DA VERGEHT EINEM JA DER APPETIT! ALSO RICHTET EURE AUFMERKSAMKEIT GEFÄLLIGST WIEDER AUF EUER EIGENES LEBEN!“

Damit setzte sie sich wieder und hinterließ eine Totenstille im Raum in der man nicht nur eine Stecknadel sondern auch einen Staubkorn hätte fallen hören können. Michiru war vor Schock die Kinnlade heruntergefallen und sah Haruka total entsetzt mit geweiteten Augen an. Nach einigen Sekunden wurde es plötzlich laut im Raum und jeder schien sich tatsächlich wieder mit seinen eigenen Sachen zu beschäftigen.

„Ha! Offenbar hat’s funktioniert.“

Freudestrahlend sah sie zu Michiru, die immer noch geschockt aussah.

„Du bist echt unglaublich, weißt du das.“

„Ich fasse das jetzt mal als Kompliment auf.“

„Kannst du auch. Ich hätte mich das nie im Leben getraut.“

„Aber jetzt haben wir unsere Ruhe und können uns endlich wieder unterhalten, also was hast du als nächstes, Kunst oder Musik? Ich hab nämlich Sport.“

„Musik. Und du hast Sport? Wie machst du das Eigentlich?“

„Wie mach ich was?“

„Na, fällt es nicht auf, wenn du zu den Mädchen in die Umkleide gehst? Du ziehst dich doch nicht wirklich bei den Jungs um, oder?“

„Ach so. Nein, ich krieg so zu sagen ‘ne Sonderbehandlung. Der Direktor und mein Sportlehrer wissen Bescheid und ich darf eine der Lehrerumkleiden benutzen. Ich hab sogar meine eigene Dusche.“

„Echt? Und was sagen die anderen dazu? Finden die das nicht komisch oder ungerecht?“

„Keine Ahnung. Hat mich noch niemand drauf angesprochen, also vielleicht merken die das auch gar nicht. Ich bin eigentlich immer die erste auf dem Sportplatz, und verlasse ihn als letzte.“

„Wieso das?“

„Ich lauf immer noch ein paar extra Runden, sowohl vor als auch nach dem Training.“

„Reicht dir die Doppelstunde etwa nicht?“

„Nein, nicht wirklich. Und ich muss schließlich fit bleiben.“

„Müsstest du dann nicht langsam los, wenn du noch ein paar extra Runden drehen willst?“

„Eigentlich ja, aber ich kann auch mal drauf verzichten.“

„Du musst wirklich nicht wegen mir bleiben, den Musikraum finde ich auch noch allein.“

„Sicher? Ich kann dich auch noch hinbringen, das ist kein Problem.“

„Haruka, jetzt geh schon. Ich komm schon zurecht.“

„Na gut. Treffen wir uns dann bei meinem Motorrad wieder?“

„Ja. Und lauf auch ruhig noch nachher deine extra Runden. Ich will ja nicht, dass du noch aus der Form gerätst.“ fügte sie mit einem Grinsen hinterher.

„Aber klar doch.“

Also ging Haruka schmunzelt zum Sportunterricht. Michiru erhob sich auch kurze Zeit später von ihrem Stuhl und suchte schon mal den Musikraum. Der Musikunterricht lief ohne weitere Probleme für Michiru ab und der Musiklehrer war schlicht weg begeistert von ihrer Musik und lobte sie in den höchsten Tönen. Nach dem Unterricht ging sie direkt zu Harukas Motorrad, setzte sich kurzerhand darauf und wartete, jetzt schon sehsüchtig, auf die Sportlerin.

„Hey, du! Was machst du da?“

Erschrocken drehte sich Michiru um. Ein paar Meter hinter ihr standen ein paar Mädchen, die jetzt auf sie zukamen.

„Weißt du denn nicht, dass das Motorrad Tenoh-kun gehört!“

„Ähm, doch, das weiß ich.“ sagte sie verwirrt.

„Und was fällt dir dann ein, dich da einfach drauf zu setzen? Jeder weiß doch, dass er jeden umbringt, der es auch nur wagt sein "Baby" anzufassen.“

„Hey, Mai-chan. Ich glaube, das ist diese neue, die, die mit Tenoh-kun zusammen sein soll.“

Ein kleineres Mädchen zog dem Mädchen, welche Michiru böse anfunkelte und offenbar Mai hieß nervös am Ärmel herum.

„Die soll mit Tenoh-kun zusammen sein? Ist das wahr?“ richtete sie ihre Frage jetzt an Michiru.

„Ähm, also …“

„Was ist denn hier los?“

Haruka war von hinten an die Gruppe Mädchen heran getreten und sah nun fragend in die Runde hinein.

„Tenoh-kun, die da hat sich einfach auf dein Motorrad gesetzt. Ich wollte ihr nur sagen, dass sie da runter gehen soll, weil du das ja nicht leiden kannst, wenn es jemand anfasst.“

Michiru rutschte schnell ängstlich von der Maschine runter und sah Haruka dann entschuldigend an. Die setzte wieder ihr schiefes Grinsen auf.

„Nun, ich hab nichts dagegen wenn Michiru sich auf mein Motorrad setzt. Du kannst also ganz beruhigt sein.“

Die Mädchen fuhren sofort erstaunt zusammen.

„Er hat gar keine Endung genannt!“

„Ja, dann sind die zwei vielleicht wirklich zusammen!“ tuschelten sie.

„Mai-chan. Hey, Mai. Wir sollten besser gehen.“

Diese Mai sah total geschockt in Harukas grinsendes Gesicht und war wie versteinert. Nur mit Mühe bekamen ihre Freundinnen sie von dort weggezerrt.

„Macht es dir wirklich nichts aus? Ich wusste nicht, dass du es nicht magst wenn es irgendjemand berührt.“

„Du bist aber nicht irgendjemand. Von mir aus kannst du dich jeder Zeit darauf setzen. Es hat wirklich süß ausgesehen wie du da gesessen hast.“

»Süß? Jetzt auch noch süß?« Ein Kribbeln machte sich mal wieder in Michirus Bauch breit. Und ihr Gesicht nahm auch wieder eine rötliche Färbung an.

„Willst du eigentlich gleich nach Hause, oder wollen wir noch irgendwo anders hin?“ fragte Haruka beiläufig.

„Keine Ahnung. Hattest du einen bestimmten Ort im Kopf?“

„Na, wie wär‘s mit dem Strand? Das hatte ich dir doch vorgestern versprochen.“

Michiru bekam schon wieder ein flaues Gefühl im Magen. »Sie will wirklich mit mir zum Strand?«

„Ja, das wäre wirklich wundervoll.“

„Na, dann. Steig auf.“

Haruka schwang sich auf ihr Motorrad und Michiru wieder hinter sie. Dann fuhren sie gemeinsam Richtung Strand.

Ein netter Abend und eine böse Überraschung

Die Violinistin konnte es nicht fassen. Der Tag wurde immer besser. Jetzt war sie sogar noch mit Haruka auf dem Weg zu ihrem heißgeliebten Meer. Ohne dass sie es mitbekam drückte sie sich noch fester an Haruka heran, die merkte das aber sehr wohl, wusste aber nicht, ob es aus Angst war oder nicht. Jedenfalls bekam die schon wieder Herzrasen und hatte wirklich mühe sich auf die Straße zu konzentrieren. Sie spürte den warmen Körper Michirus an ihrem Rücken genau, jede Kurve, jede Wölbung und sogar ihren Herzschlag konnte sie spüren und es stieg plötzlich eine unbändige Hitze in ihr auf. »Oh Gott, Haruka konzentrier dich!« Sie fuhr jetzt doch fast wieder ihre gewohnte Geschwindigkeit, um so schnell wie möglich an ihrem Ziel anzukommen und nach etwa fünfzehn Minuten wurde sie erlöst. Sie parkte ihre Maschine vor einer kleinen Aussichtsplattform und wartete bis Michiru hinter ihr abgestiegen war, dann folgte sie ihr.

„Wow, es ist wirklich wunderschön hier!“

Freudestrahlend war Michiru bis zum Geländer gelaufen und sah jetzt über dieses auf das Schauspiel unter ihr hinab.

„Ja, ist es. Das hier ist mein Lieblingsplatz.“ sagte Haruka und lehnte sich mit den Unterarmen auf das Geländer.

„Heißt das, du liebst das Meer auch und bist öfters hier?“ fragte Michiru neugierig.

„Ja, ich komme ziemlich oft hierher, aber weniger wegen des Meeres, als vielmehr wegen des Windes der hier weht. Die Aussicht ist aber auch nicht schlecht.“

„Dann fährst du also nicht nur wegen der Geschwindigkeit und des Adrenalins Motorrad?“

„Richtig. Ich fahr hauptsächlich wegen des Windes, den ich dann am ganzen Körper zu spüren bekomme. Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit und deswegen kann ich auch gar nicht schnell genug fahren. Natürlich ist aber auch der Kick nicht zu verachten.“

Haruka hatte ihren Blick aufs Meer hinaus gelegt und sah jetzt ziemlich verträumt dem Horizont entgegen, während Michiru den Blick einfach nicht von Haruka abwenden konnte. Es sah einfach zu faszinierend aus und sie fühlte plötzlich eine unbeschreibliche Anziehung von der Blonden ausgehen.

„Ich kenne das Gefühl. Wenn ich schwimme, fühl ich mich auch unendlich frei. Es ist, als würde das Wasser sämtliche Sorgen und Gedanken von mir einfach wegwaschen, und nichts auf der Welt ist mehr wichtig. Es gibt nur noch mich und das Wasser, alles andere ist vergessen.“

„Wirklich? Das Meer ist wohl noch ein bisschen kalt um diese Jahreszeit, aber du kannst jederzeit den Pool in unserem Garten verwenden, wenn du möchtest.“

„Danke. Das Angebot nehme ich gerne an.“

Eine Weile war es still zwischen den Beiden und sie sahen gemeinsam aufs Meer hinaus. Haruka durchbrach als erste die Stille.

„Vermisst du dein Zuhause eigentlich? Ich mein, du musstest doch dort sämtlich Freunde zurück lassen und sogar deine Eltern, auch wenn die noch nachkommen werden, aber du weißt ja nicht, wann du sie wiedersiehst.“

„Nein. Eigentlich gab es dort nichts was ich vermissen könnte. Mit meinen Eltern kann ich jederzeit sprechen und ich weiß sie werden bald nachkommen, also ist das nicht so schlimm. Und Freunde hatte ich nie wirklich dort, jedenfalls keine die ich vermissen würde.“

Jetzt wurde Haruka neugierig und konnte die Frage die ihr auf der Zunge lag einfach nicht mehr zurück halten.

„Nicht mal einen Freund, der dich jetzt ganz doll vermisst?“

„Nein, ich habe keinen Freund.“ antwortete Michiru schmunzelnd.

Die Sportlerin konnte nur schwer ihre Freude darüber verbergen. Da sie gerade sowieso bei dem Thema waren wollte Michiru es jetzt aber auch genau wissen.

„Was ist mit dir? Hast du eine Freundin? Ich hab dich zwar bis jetzt immer alleine gesehen aber ich weiß ja nicht, wo du dich gestern noch so rum getrieben hast.“

Das Haruka auf Männer stehen könnte, war für sie inzwischen ausgeschlossen, also fragte sie erst gar nicht danach.

»Sie hat‘s also mit bekommen. Na, war wohl auch etwas zu auffällig, wie ich mit ihr geflirtet hab. Aber sie scheint nichts dagegen zu haben. Hhmm, ist das jetzt gut oder schlecht?«

„Nein, ich habe keine Freundin und habe dir schon gesagt, dass ich Gestern wirklich nur durch die Gegend gefahren bin.“

»Das mit dieser anderen Frau war ja schließlich schon vorgestern gewesen.«

„Na gut, ich will dir mal glauben.“

Aber dieser Gesichtsausdruck von Haruka sah einfach zu unschuldig aus, als dass nicht noch etwas anderes gewesen wäre.

„Wieso hast du eigentlich kein Freund? Ich mein, die Männer laufen dir doch in Scharen hinterher.“ fragte Haruka kurze Zeit später.

„Ich weiß nicht. Ja, ich hätte wahrscheinlich genug Auswahl gehabt. Es gab einige die mich gefragt haben, aber es war eben nie einer dabei, der mein Interesse geweckt hat.“

„Nicht einer? Wie muss denn dein Traumtyp aussehen der dein Interesse wecken würde?“ fragte Haruka wieder mit einem Grinsen im Gesicht.

„Keine Ahnung.“

»Eigentlich genau wie du!« waren Michirus Gedanken dazu.

„Und du? Dir werfen sich die Frauen doch auch an den Hals oder liegt es daran dass dich alle für einen Jungen halten und dann nicht damit klar kommen das du keiner bist?“

„Nein, daran liegt es ganz sicher nicht. Ich steh einfach nicht auf Beziehungen.“

„Gar nicht?“

Das klang enttäuschter als Michiru es beabsichtigt hatte.

„Also ich mein, wenn du sie wirklich liebst?“ fragte sie noch hinterher.

„Hhmm, vielleicht. Ich weiß es nicht.“

Na, das war zumindest besser als gar nichts. Trotzdem war Michiru ziemlich enttäuscht darüber. Hatte sie sich doch schon Hoffnungen gemacht Haruka könnte eventuell das gleich für sie empfinden, wie Michiru für sie. Sie selbst, war sich inzwischen sicher, dass sie sich über beide Ohren hin in Haruka verliebt hatte und es machte ihr auch nicht im Geringsten mehr etwas aus, dass diese ein Mädchen war. Man konnte sich schließlich nicht aussuchen in wen man sich verliebt und für sie war Haruka einfach der bestaussehendste, charmanteste, verführerischste, netteste, witzigste und interessanteste Mensch, dem sie jemals begegnet war.

„Hast du vielleicht noch Lust auf einen Strandspaziergang?“ fragte die Sportlerin vorsichtig.

„Auf jeden Fall!“

Also gingen die Beiden über eine Treppe die nach unten führte zum Strand herunter, bis sie kurz vor dem Wasser waren und gingen dann die Küste entlang. Schweigend genossen sie die Anwesenheit, des jeweils anderen. Michiru konnte irgendwann der Versuchung nicht mehr wiederstehen und hackte sich einfach bei der Sportlerin unter, sah aber schüchtern zum Meer hinaus, um ja nicht Harukas Reaktion darauf mitzubekommen. Die war zwar ziemlich überrascht darüber, kam aber nicht auf die Idee irgendetwas dagegen zu unternehmen. Etwa eine Stunde lang gingen sie, wie ein verliebtes Pärchen, in die eine Richtung am Strand entlang und kehrten dann wieder um. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Motorrad waren sie auch wieder an der großen Villa angekommen und gingen hinein, direkt in die Küche.

„Da seid ihr zwei ja wieder. Und wie war der erste Schultag, Michiru-san?“ fragte Sachiko, die mal wieder mit Essen machen beschäftigt war.

„Wundervoll und wir waren sogar noch am Strand.“ sagte sie freudestrahlend.

„Wirklich? Das freut mich. Ihr kommt auch genau richtig. Ich bin gerade fertig mit Essen machen. Also setzt euch doch schon mal hin.“

Haruka setzte sich sofort hin aber Michiru half noch schnell beim Tischdecken. Sie aßen alle gemeinsam und Michiru erzählte dabei Sachiko genaueres über den Tag, auch Haruka schaltete sich ab und zu ein. Nachdem Essen verdrückte sich Haruka mal wieder schnell nach oben, während die anderen zwei aufräumten, dann folgte Michiru ihr. Sie ging schnell in ihr Zimmer zog sich andere Sachen an und kramte dann ihre Schulsachen heraus. Damit verließ sie ihr Zimmer und Klopfte dann an Harukas Tür.

„Ja?“ hörte sie Harukas Stimme.

„Hast du vielleicht Lust mit mir gemeinsam Hausaufgaben zu machen? Das wäre dann auch gleich deine Nachhilfestunde.“ fragte Michiru lächelnd nachdem sie die Tür geöffnet hatte.

„Sicher.“

Ein Lächeln trat auch auf Harukas Gesicht. Sie freute sich, dass die Kleinere sie danach gefragt hatte. Alleine wäre sie mit Sicherheit nicht dazu im Stande gewesen, ihre Hausaufgaben zu bewältigen und sie wollte auch auf jeden Fall noch mehr Zeit mit ihr verbringen. Sie konnte gar nicht genug von der Künstlerin bekommen. Auch wenn sie wusste, dass es keine gute Idee war sich mit ihr zu beschäftigen. Aber die Anwesenheit der Türkishaarigen schien sie süchtig zu machen und sie war nicht in der Lage diese Sucht zu Kontrollieren. Also machten sie gemeinsam ihre Hausaufgaben, redeten und lachten sogar zusammen.
 

Währenddessen unten im Wohnzimmer:

Sachiko war mal wieder in ihr Buch vertieft als plötzlich die Tür aufging.

„Keisuke? Du bist schon wieder zurück?“

„Hallo Schatz. Ja, ich war früher fertig als geplant und da hab ich meinen Rückflug kurzerhand umgebucht.“

Er ging durch den Raum auf sie zu, gab ihr einen kurzen Kuss und setzte sich dann ihr gegenüber auf die Couch.

„Das finde ich aber schön. Hattest du denn eine angenehme Reise?“

„Ging so. Und was war hier los? Irgendetwas Ungewöhnliches?“

„Oh, nur das unsere Tochter anscheinend endlich wieder normal geworden ist.“

„Hä, was meinst du damit?

„Ach, das mit Michiru-san war die Beste Idee, die ich jemals hatte. Die zwei verstehen sich wunderbar und verbringen jede freie Minute zusammen. Na ja, bis auf gestern. Aber Ruka-chan ist auf einmal überhaupt nicht mehr gereizt und sogar richtig freundlich und höflich, und lernt auch wieder für die Schule. Und Michiru-san ist einfach ein Engel, hilft mir immer beim Tischdecken oder Aufräumen und schafft es auch noch irgendwie Haruka zu zähmen.“ erzählte Sachiko freudestrahlend.

„Ach, ist das so, ja?“

„Ja! Ich glaube, so glücklich war Ruka-chan lange nicht mehr. Insgeheim Hoffe ich, dass Yuki und ihr Mann noch etwas länger brauchen, um eine Wohnung zu finden und dass sie noch länger bei uns bleibt.“

„Wo ist Haruka denn jetzt?“

„Oh, ich glaube, die zwei machen gerade Hausaufgaben. Kannst du das fassen? Ruka macht freiwillig Hausaufgaben!“

Sachiko war schon richtig euphorisch.

„Nein, kann ich nicht. Ich werd mal in mein Arbeitszimmer verschwinden, muss noch ‘ne Menge Papierkram erledigen.“

„Okay, ist gut.“

Er stand auf, gab seiner Frau noch einmal einen Kuss und verließ dann den Raum, allerdings nicht Richtung Arbeitszimmer. Stattdessen ging er nach oben und war kurze Zeit später bei dem Zimmer seiner Tochter angekommen. Keisuke dachte nicht einmal daran anzuklopfen und stieß einfach die Tür auf.

„Haruka!“

Haruka zerbrach vor Schreck den Bleistift den sie in der Hand gehalten hatte und verkrampfte sich wieder total. Wie versteinert saß sie da an ihrem Schreibtisch, neben ihr Michiru, die auch kurz zusammen gezuckt war vor Schreck, starrte an die Wand vor sich und wurde leichenblass im Gesicht. Nur ihr Herz bewegte sich noch, mit viel zu kräftigen Schlägen in der Brust, schien es sie fast zu zerreißen. »Nein! Nein, das kann nicht sein! Die fünf Tage sind doch noch gar nicht um! Wieso ist der schon wieder da?«

„Kann ich dich mal kurz sprechen?“ sagte Keisuke ganz ruhig.

Ihre Hände zu Fäusten geballt stand Haruka ganz langsam auf und ging genau so langsam zur Tür zu ihrem Vater, gefolgt von Michirus ängstlichem Blick. Keisuke zog die Tür hinter sich zu und ging dann zu seinem Arbeitszimmer. In einem gewissen Abstand folgte Haruka ihm. Im Zimmer angekommen ging der große Mann zu seinem Mahagonischreibtisch, lehnte sich vorne an die kannte, verschränkte die Arme vor der Brust und sah seine Tochter durchdringend an, nachdem auch sie im Zimmer angekommen war und die Tür geschlossen hatte.

„Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt. Du solltest dich doch von diesem Mädchen fernhalten, und was musste ich da gerade hören? Du verbringst jede freie Minute mit ihr?“

„Ich hab sie nicht angerührt, das schwöre ich! Sie gibt mir nun mal Nachhilfe und wir gehen schließlich auf dieselbe Schule, da bin ich ab und zu in ihrer Nähe. Wir sind nur befreundet, sonst nichts und gestern hab ich nicht eine Sekunde mit ihr verbracht! Ich war nicht mal hier!“

Man sah ihr an, dass sie verzweifelt nach Ausreden suchte die ihren Vater milde stimmen könnten. … Vergebens.

„Nur befreundet also? Ach, und du warst gar nicht hier? Hast dich also mit irgend ‘ner andern Schlampe vergnügt, was?“

„Nein!“

Energisch schüttelte sie mit dem Kopf. Keisuke erhob sich vom Schreibtisch und ging mit großen Schritten auf sie zu. Haruka wich nach hinten zurück, bis sie die Tür in ihrem Rücken spürte.

„So, hast du also nicht, hä?“

Er packte sie an ihrem Hemdkragen und zog sie die Zentimeter zu sich hoch, die er größer war.

„Ich sag das jetzt nur noch ein einziges Mal. Du lässt gefälligst die Finger von diesem Mädchen und auch von allen anderen! Du wirst mit ihr zusammen lernen, von mir aus kannst du sie auch mit zur Schule und wieder zurück nehmen, aber die restliche Zeit wirst du dich von ihr fernhalten, und lernen werdet ihr von nun an im Wohnzimmer, unter Aufsicht! Wenn du nicht in der Schule oder beim Training bist, dann hast du hier zu sein, und nirgend wo anders! Keine Tages- oder Nachtausflüge mehr. Hast du das jetzt verstanden?“

„Wieso?“ fragte sie gequält.

„Weil ich es so sage!“

Er schwang sie mit voller Wucht, immer noch am Kragen packend herum und schleuderte sie gegen den massiven Schreibtisch. Sie knallte mit ihren Rippen dagegen und konnte nur schwer den Schmerzensschrei unterdrücken.

Zitternd und nach Luft ringend, mit der einen Hand auf ihren Rippen und der anderen auf den Schreibtisch gestützt hing sie dort, halb auf dem Boden halb auf dem Tisch.

„Ich habe dir zwar erlaubt, dich als Mann auszugeben, damit du diesen Vertrag als Rennfahrer unterzeichnen konntest und du Geld und Ruhm in unsere Familie bringst, aber das heißt noch lange nicht, dass du einer bist! Klar?“

„Das will ich auch gar nicht sein.“ sagte sie leise.

Er kam wieder auf sie zu, packte sie dieses Mal am Arm, genau auf den immer noch vorhandenen und schmerzhaften Bluterguss und zog sie wieder hoch.

„Dann hör auf mit Mädchen zu schlafen!“ sagte er und drückte noch fester zu.

„Argh, Aber ich …“

„Nichts aber! Du tust was ich sage, sonst ist deine kleine Freundin als nächstes dran!“

„Das würdest du nicht tun!? Das kannst du nicht! Mama oder ihre Eltern würden das merken!“ sagte sie energisch und ängstlich.

„Ihre Eltern sind aber zum Glück nicht hier und deine Mutter kann ich schon zum Schweigen bringen. Außerdem wie kommst du darauf, dass sie etwas merken würden oder die Kleine etwas sagen könnte. Bei dir ist das doch auch nicht so. Du weißt genau, wie viel Einfluss ich besitze. Wer würde dir oder ihr schon glauben. Außerdem wäre deine Karriere dann vorbei und was bist du denn schon ohne dein Motorrad? ... Nichts!“

„Mama, würdest du nie etwas antun!“ sagte sie entsetzt.

„Bist du dir da so sicher?“ fragte er mit funkelnden Augen und einem dreckigen Grinsen im Gesicht.

Geschockt und mit geweiteten Augen sah sie ihn an. Das konnte er doch nicht machen. Das würde er doch nicht wirklich tun, oder? Nein, das konnte sie auf keinen Fall riskieren, aber sie wollte um jeden Preis weiterhin in Michirus Nähe bleiben.

„Aber ich kann doch wenigstens mit ihr befreundet sein, dann würde auch niemand was merken. Ich verspreche dir, dass ich sie nicht anfassen werde, bestimmt nicht. Das würde sie wahrscheinlich sowieso nicht wollen. Aber wenn ich auf einmal nichts mehr mit ihr zu tun haben will, würde sie bestimmt was merken. Also bitte, ich mach auch alles was du willst.“

Flehend und fast mit Tränen in den Augen sah sie ihn an. Eine Weile war es still und Keisuke sah sie einfach nur durchdringend an.

„Ich trau dir zwar nicht, aber es ist wohl besser, wenn die Kleine nichts mitbekommt. Also gut, du darfst weiterhin ihre Freundin spielen, wenn da aber doch mehr laufen sollte, werde ich es erfahren und dann weißt du was passiert. Und dafür wirst du dich auch mit keiner anderen mehr treffen. Du wirst nicht mehr alleine irgendwo hin verschwinden und mehr Orte als die Schule, das Haus oder die Rennstrecke gibt es nicht mehr für dich. Wenn die Kleine irgendwo hin will, wird sie das alleine tun müssen, du bleibst hier. Ist das jetzt klar?“

„Ja, in Ordnung.“ sagte sie schnell.

„Gut. Dann verschwinde jetzt und sag der Kleinen, dass der Unterricht für heute beendet ist. Das mit dem Lernen im Wohnzimmer gilt nach wie vor.“

Endlich ließ er ihren Arm wieder los und ging um seinen Schreibtisch herum um sich zu setzen.

„Ist gut.“

Haruka überlegte nicht lange und verließ das Zimmer schnell. Draußen blieb sie erst Mal an der Wand lehnend stehen. Ihr Arm fühlte sich völlig taub an und jeder Atemzug tat ihr an den Rippen weh. Aber immerhin hatte sie erreicht, sich nicht völlig von Michiru fernhalten zu müssen. »Sie steht sowieso nur auf Männer, also hätte ich eh keine Chance gehabt. Und eine Beziehung will ich ja auch nicht. Also was soll‘s?« Aber es machte ihr mehr aus, als sie zugeben wollte. Sie hatte sichtlich Mühe die Wut, die in ihr Aufstieg zu kontrollieren. »Verdammt! Wieso krieg ich sie nicht aus meinem Kopf? Und warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Warum kann er es nicht einfach akzeptieren? Warum? WARUM, VERDAMMT?« Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, zitterte am ganzen Körper und war kurz davor gegen die Wand zu schlagen. Aber sie wusste ihr Vater würde das hören also riss sie sich zusammen und ging stattdessen langsam zu ihrem Zimmer zurück, indem sich Michiru schon langsam Sorgen machte. Es war jetzt schon eine halbe Stunde vergangen, seitdem Haruka das Zimmer mit ihrem Vater verlassen hatte. Und ihr gefiel Harukas Gesichtsausdruck und deren Haltung mit der sie das Zimmer verlassen hatte überhaupt nicht. Es schien fast so, als hätte sie Angst vor ihrem Vater gehabt. Eigentlich konnte sie das ja verstehen, da sie ihn ja auch ziemlich Furchteinflößend fand aber Haruka war so stark und selbstbewusst, dass sie sich nicht hatte vorstellen können, sie könnte vor irgendetwas Angst haben, besonders nicht vor ihrem Vater. Er ist ja schließlich ihr Vater, also was könnte zwischen den Beiden sein, dass Haruka ihn offenbar überhaupt nicht leiden konnte und sie eventuell sogar Angst vor ihm haben könnte. Sie wurde in ihren Gedankengängen unterbrochen, da die Tür aufging und Haruka wieder rein kam.

„Hey, da bist du ja wieder. Ist alles in Ordnung?“

„Ja, klar alles bestens. Sag mal, können wir vielleicht Morgen weiter machen? Mit den Hausaufgaben sind wir ja sowieso schon fertig und ich bin inzwischen schon ziemlich müde und würde gern schlafen.“

„Ähm, ja. Klar, natürlich.“

Michiru hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl im Bauch. Haruka wirkte auf einmal total verändert. Das wunderschöne Leuchten aus ihren Augen war plötzlich verschwunden und dieses Lächeln wirkte total falsch und aufgesetzt. Aber sie hatte keine Ahnung, was sie dagegen tun sollte oder könnte und vielleicht war Haruka ja auch wirklich nur müde, deswegen sammelte sie ihre Sachen ein und ging dann auf die Große zu.

„Ich wünsch dir dann eine Gute Nacht und wir sehen uns dann Morgen, okay?“ sagte sie mit einem Lächeln.

„Okay, Nacht.“ war die kurze und trockene Antwort von Haruka.

Michiru verließ mal wieder traurig das Zimmer. Die Sportlerin ging sofort, nachdem die Tür ins Schloss viel langsam zum Bett, zog sich dann vorsichtig die Schuluniform aus und legte sich dann hinein. Lange brauchte sie nicht um einzuschlafen.

Michiru hatte nun auch keine Freude mehr daran noch irgendetwas zu tun und machte sich stattdessen ebenfalls Bettfertig. Sie bekam aber einfach nicht Harukas Augen aus dem Kopf. »Warum sind sie auf einmal so traurig und glanzlos? Irgendetwas muss zwischen ihr und ihrem Vater vorgefallen sein. Aber was? Und warum müssen diese wunderschönen Tage immer im Chaos enden?« Frustriert ging sie zu Bett und schaffte es, dieses Mal auch recht schnell einzuschlafen.

Verletzt

Michiru war heute mal wieder früh aufgewacht und freute sich schon auf die Schule und ganz besonders auf Haruka. Sie hatte sich etwas mehr Zeit gelassen, als gestern, denn heute würde sie Haruka mit Sicherheit mitnehmen. Auch wenn noch immer die seltsamen traurigen blaugrünen Augen in ihrem Kopf rum schwirrten, hoffte sie, sie seien heute wieder leuchtend hell, so wie die letzten Tage. Es war jetzt schon fast halb neun und sie sah ständig zwischen Uhr und Küchentür hin und her. »Wann kommt sie denn endlich?« Sie wurde langsam ungeduldig. … Da! Endlich ging die Tür auf und Haruka kam herein.

„Guten Morgen, Haruka!“ kam es gleich aus Michirus Mund geschossen.

Haruka sah sie und ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen aber Michiru musste feststellen das ihre Augen immer noch glanzlos waren.

„Morgen.“ Kam es von ihr und setzte sich an den Tisch.

Sachiko war kurz überrascht darüber, dass Michiru die Endung weggelassen hatte, konnte sich aber nur darüber freuen. Sie begrüßte ihre Tochter auch und stellte ihr das Frühstück unter die Nase, die fing aber nicht wirklich an zu essen, sondern sah es mehr an, als dass sie wirklich etwas davon aß.

„Was ist los? Hast du gar keinen Hunger?“ fragte Sachiko überrascht.

„Nicht wirklich, is noch zu früh.“

Aber in Wirklichkeit taten ihre Rippen einfach noch zu doll weh, als das sie Hunger haben könnte. Und dann kam auch noch, zu allem Überfluss, ihr Vater in die Küche stolziert.

„Guten Morgen!“ sagte er übermäßig freundlich.

Haruka hätte brechen können. Dass er auch noch immer so übertrieben freundlich und höflich sein musste, machte sie rasend vor Wut. Michiru und Sachiko begrüßten ihn auch kurz. Haruka nicht, stattdessen stand sie auf.

„Können wir los?“ fragte sie Michiru.

„Ähm, klar.“

Michiru stand auch auf und verabschiedete sich noch bei Sachiko und Keisuke und ging dann vor Haruka, die ihr die Tür aufhielt, nach draußen. Haruka sah noch wie ihr Vater ihr einen strafenden Blick zu warf und ging dann ebenfalls nach draußen. Vor der Haustür ging die Sportlerin dann zu ihrem Auto, das noch immer vor der Garage parkte und hielt Michiru auch hier wieder die Tür auf.

„Fahren wir gar nicht mit deinem Motorrad? Es hat mir echt Spaß gemacht gestern.“

„Nein, keine Lust.“

Michiru sah sie etwas skeptisch an, setzte sich dann aber ins Auto. Das Haruka auf einmal ebenfalls ihre Tür öffnete und nicht wie sonst in den Fahrersitz sprang, fand sie auch mehr als merkwürdig.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“ fragte Michiru, als sie schon die Straße entlang fuhren.

„Klar, wieso?“

„Na ja, du bist nur irgendwie so still, hast kaum was gegessen und bist auch nicht auf deinen Sitz gesprungen, so wie sonst.“

„Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich bin einfach noch müde, das ist alles.“

Die Künstlerin glaubte ihr nicht, fragte aber auch nicht weiter nach, da Haruka offensichtlich nicht darüber reden wollte. An der Schule angekommen stiegen beide aus und gingen immer noch schweigend über den Hof zum Gebäude ins Klassenzimmer. Sie setzten sich auf ihre Plätze und warteten dann auf den Japanisch Lehrer. Beide saßen während des Unterrichts einfach nur still da und schauten zur Tafel, konzentrierten sich aber nicht im Geringsten darauf. Michiru zerbrach sich immer weiter den Kopf über Haruka. Sie war sich sicher, dass irgendetwas nicht stimmte, aber wie sollte sie Haruka helfen, wenn die einfach nicht darüber reden wollte oder ihr überhaupt sagte was los war.

Und in Haruka war schon längst wieder dieser Sturm aufgekommen, der nicht zulassen wollte, dass sie sich konzentrieren konnte. Und nicht mal Michirus Anwesenheit schien mehr zu helfen. Den ganzen Vormittag redeten sie nicht ein Wort miteinander und saßen auch jetzt schweigend beim Essen. Aber Michiru hielt es einfach nicht mehr aus.

„Haruka, jetzt sag mir doch bitte endlich was los ist. Dieses Schweigen macht mich wahnsinnig.“

„Es ist überhaupt nichts los und wenn du reden willst, dann rede, solange du mich nicht ständig fragst, ob alles in Ordnung ist, das macht mich nämlich wahnsinnig.“

„Na gut, ich werd nicht mehr Fragen aber falls es irgendetwas gibt, was du mir sagen willst, kannst du es jederzeit tun, egal was es ist, okay?“

„Du fängst schon genauso an wie meine Mutter. Warum könnt ihr mich nicht einfach alle in Ruhe lassen?“ sagte Haruka genervt und stand auf.

„Ich geh schon mal zum Unterricht. Wir sehen uns dann nachher am Auto.“

Damit ließ sie Michiru einfach sitzen, die ihr verzweifelt nach sah. »So ein Mist! Ich versteh das einfach nicht. Gestern war doch noch alles so wundervoll, und jetzt? Ahrg, was soll ich nur machen?« Michiru stand auch auf und ging ebenfalls zum Unterricht. Der Kunstunterricht lief aber alles andere als gut für sie. Irgendwie konnte sie sich nicht auf ihr Bild konzentrieren und einige Jungs im Raum hörten einfach nicht auf, sie anzustarren. Sie war sowieso schon verzweifelt wegen der Sache mit der Sportlerin und diese Blicke machte sie einfach nur wütend. Sofort, als es zum Schulschluss läutete, verließ sie das Klassenzimmer schnell, um zum Parkplatz zu kommen. Sie lehnte sich an die Motorhaube von dem gelben Auto und wartete, als sie plötzlich wieder einen der Jungs entdeckte, die sie vorhin im Kunstraum so angestarrt hatten. Er war in etwa so groß wie Haruka, hatte schwarze kurze Haare und wirkte ziemlich arrogant. Aber das schlimmste war, er kam genau auf Michiru zu.

„Hallo, Kaioh-san richtig? Ich bin Matsugami Shiro und ein riesen Fan von dir. Ich war mal in Osaka bei einer deiner Ausstellungen und ich war wirklich begeistert von deinen Bildern.“

„Oh, danke. Das ist ja wirklich … toll.“

Eigentlich hatte Michiru überhaupt keine Lust mit diesem Typen zusprechen und hoffte, dass Haruka bald auftauchen würde.

„Ja, und deine Musik ist auch wirklich schön. Sag mal, stimmt es, dass du wirklich mit Tenoh-kun zusammen bist?“

Das machte diesen Typen nur noch unsympathischer für Michiru. Von wegen nur ein Fan.

„Also, ich wüsste nicht, dass dich das etwas angeht.“

„Na ja, also wenn du nicht mit ihm zusammen bist, oder auch wenn doch, ist eigentlich egal, kannst du ja mal mit mir ausgehen.“

„Es tut mir leid aber ich habe nicht das geringste Interesse daran, mit dir auszugehen.“ sagte Michiru etwas gereizt.

„Wieso nicht? Ich versteh echt nicht, was an diesem Tenoh-kun so besonders sein soll, der wird dich sowieso bald abservieren, also kannst du auch mit mir ausgehen.“

„Ich sagte doch, ich will nicht mit dir ausgehen, und ich glaube nicht, dass du Haruka gut genug kennst um zu wissen was er tun wird oder nicht.“

„Na, du bist ja leichtgläubig. Jeder weiß doch, dass der "ach so berühmte Rennfahrer" ein Casanova ist und jede Frau sitzen lässt, sobald er mit ihr im Bett war. Ich würde dich viel besser behandeln, glaub mir.“

Der Kerl war Michiru inzwischen ziemlich nah gekommen und stützte sich mit einer Hand auf der Motorhaube ab. Sehr viel weiter nach hinten konnte die Malerin aber nicht mehr weichen.

„Du kannst über Haruka sagen was du willst. Ich kenne ihn besser als du, und jetzt lass mich bitte in Ruhe.“

Jetzt wurde Kerl langsam wütend.

„Dieser Typ geht mir langsam echt auf die Nerven! Ständig bekommt er was er will! Kriegt alles in den Arsch geschoben und sämtliche Weiber laufen ihm hinterher! Ich kap ...“

Doch weiter kam er nicht. Er wurde plötzlich herum gerissen und hatte im nächsten Moment eine Faust im Gesicht. Von der Wucht des Schlages getroffen, viel er rücklings zu Boden und knallte auf den harten Asphalt. Er hielt sich die Hand auf die Nase, die angefangen hatte zu Bluten und sah dann nach oben. Vor ihm stand eine mächtig finster dreinblickende Haruka und funkelte ihn mit ihren kalten blaugrünen Augen an.

„Haruka?“ sagte Michiru überrascht und leicht geschockt.

Doch die sah nur den Typen vor sich. Sie war sowieso schon unglaublich wütend gewesen, weil sie Michiru einfach hatte sitzen lassen und die Wut auf ihren Vater trug sie auch schon seit gestern Abend mit sich rum, und als sie eben diesen Kerl so dicht an ihrer Michiru und deren verzweifelten Blick sah, brachte dass das Fass endgültig zum Überlaufen.

„Sag mal, hast du sie noch alle?“ schrie der Kerl sie von unten an.

Er stützte sich vom Boden ab und stürmte auf sie zu, rammte sie in die Seite, genau auf ihre sowieso schon geprellten Rippen, was sie kurz aufschrien ließ und stürzte mit ihr zu Boden. Er richtete sich wieder etwas auf und schlug ihr ins Gesicht.

„HARUKA!“ schrie Michiru entsetzt.

Gerade als der Kerl noch einmal zuschlagen wollte, bekam Haruka ihn am Jackett zupacken und zog ihn zur Seite. Er verlor das Gleichgewicht und fiel von ihr runter. Die Sportlerin schwang sich zur Seite und war jetzt über ihm und schlug erneut zu und gleich darauf nochmal.

„Haruka, hör auf! ... Bitte, hör auf.“ hörte sie Michiru hinter sich schreien und flehen.

Sie hörte auf zu schlagen, packte ihn stattdessen am Kragen und zog ihn zu sich ran.

„Ich warne dich, komm noch einmal in ihre Nähe und ich bring dich um!“

Damit ließ sie ihn wieder los und stand auf. Um sie herum auf dem Parkplatz waren sämtliche Schüler stehen geblieben und hatten sich das Spektakel schockiert angesehen. Der Kerl raffte sich vom Boden auf, hustete ein paar Mal und atmete schwer.

„Du bist doch verrückt.“ keuchte er, dann drehte er sich um und ging.

Die Schüler auf dem Parkplatz kamen auch langsam wieder in Bewegung und Michiru lief zu Haruka herüber.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte sie besorgt.

„Ja, alles bestens. Lass uns hier verschwinden, okay?“

Sie ging zum Auto zurück und setzte sich ans Steuer, Michiru folgte ihr.

„Wir sollten sofort zu einem Arzt fahren!“

„Kommt gar nicht in Frage. So schlimm ist das nicht.“

„Aber ...“

„Nein! Wir fahren nach Hause.“

Schnell fuhr die Sportlerin vom Parkplatz auf die Straße und dann Richtung Villa. Schweigend saß Michiru neben ihr und sah sie besorgt an.

„Wieso hast das überhaupt gemacht? Du hättest ihn wirklich nicht gleich Schlagen müssen.“

Sie waren gerade auf der Schnellstraße die am Meer vorbei Richtung Haus führte. Haruka fuhr rechts ran und legte dann ihren Kopf auf die Hände am Lenkrad.

„Ich bin einfach durchgedreht, okay? Ich weiß nicht wieso ich das getan hab.“

Sie versuchte ruhig durchzuatmen aber ihre Rippen taten höllisch weh und eine Hand von ihr wanderte ganz von selbst an ihre Seite, was Michiru genau sah.

„Du bist ja doch verletzt! Haruka, bitte fahr sofort zu einem Arzt!“

„Es geht gleich wieder. Gib mir nur ‘ne Minute, ja?“

„Wieso lässt du dir nicht helfen? Du hast schmerzen, das seh ich doch, also bitte.“ flehte sie Haruka mit Tränen in den Augen an.

„Es geht einfach nicht, okay? Ich kann nicht. Also bitte frag nicht weiter und nimm es einfach hin.“

„Aber ich kann doch nicht einfach hin nehmen, dass du Schmerzen hast!“ sagte sie verzweifelt.

„Bitte... Michiru, bitte tu es einfach, okay?“

Haruka war jetzt selbst schon fast den Tränen nah und sah Michiru verzweifelt, etwas schwer atmend in die Augen. Michiru wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wollte ihr unbedingt helfen und ihr die Schmerzen nehmen aber der Blick mit dem Haruka sie ansah, war schon fast panisch. Also nickte sie zustimmend, konnte aber eine Träne nicht mehr zurückhalten.

„Na gut, wenn du das unbedingt willst.“

Haruka atmete erleichtert aus.

„Danke, und so schlimm ist es wirklich nicht.“

„Haruka, ich werde dich nicht weiter Fragen und du brauchst mir auch nicht alles zu sagen, wenn es dir so wichtig ist, aber ich kann sehen das du große Schmerzen hast, also lüg mich nicht an.“

Die Rennfahrerin senkte den Kopf nach unten und atmete noch einmal tief durch.

„Ist gut, tut mir leid, ... einfach alles. Auch, dass ich dich einfach in der Cafeteria hab sitzen lassen und diesen Typen geschlagen hab. Es tut mir wirklich leid.“ sagte sie und sah ihr wieder in die Augen.

„Ist schon in Ordnung.“

Eine kurze Weile sahen sie sich tief in die Augen, dann drehte Haruka ihren Kopf schnell wieder nach vorn, richtete sich langsam wieder auf und startete den Motor. Zuhause blieb sie wieder vor der Garage stehen und stieg dann aus dem Auto, oder versuchte es.

„Warte, ich helfe dir.“

Michiru sprang aus dem Wagen und lief zu der Verletzten rüber.

„Du willst was?“ fragte die irritiert.

„Na, dir helfen. Du kannst doch kaum aufrecht stehen, also stütz dich auf mich.“

„Auf gar keinen Fall. Ich schaff das schon noch nach oben. Außerdem, bin ich viel zu schwer für dich. Ich will dich nicht auch noch verletzen.“

„Hey, so zerbrechlich bin ich auch wieder nicht und du sollst dich ja nicht komplett auf mich drauflegen sondern nur abstützen. Also komm schon.“

Haruka musste bei den Worten erst mal Schlucken »Komplett auf sie drauflegen?« Schüttelte dann aber mit dem Kopf, um ja diese Gedanken wieder aus ihrem Kopf verschwinden zu lassen. Sie ließ sich von Michiru ihren Arm um sie legen und die Zwei schleppten sich zur Haustür. Ihr Vater müsste im jeden Fall auf der Arbeit sein, deswegen protestierte Haruka auch nicht mehr und ließ sich führen. Haruka schloss die Tür auf und die beiden gingen ins Haus.

„Ich werde Sachiko-san Bescheid sagen, also warte kurz hier.“

„Nein, sag es ihr nicht. Ich will nicht, dass sie davon erfährt. Sie muss es doch nicht unbedingt wissen, oder?“

Michiru sah sie kurz an.

„Haruka, wenn sie dich heute noch mal sieht, wird sie es sowieso erfahren, so wie du aussiehst.“

Irritiert sah Haruka zurück.

„Wieso, wie seh ich denn aus?“

Sie sah sich im großen Eingangsbereich nach dem Spiegel um, der hier irgendwo hängen musste, und fand ihn an der Wand rechts von ihr, ließ sich von Michiru hinführen und sah hinein.

„Oh, Mist.“

Ihre Lippe war aufgeschlagen und blutete leicht, ihre Haare waren noch zerzauster als sie es normalerweise waren und sie war auch etwas dreckig im Gesicht.

„Na ja, den Dreck kriegt man schon wieder weg und deine Harre fallen vielleicht nicht mal auf aber die Lippe wird sie so oder so sehen.“ sagte Michiru ihr.

„Na, dann bin ich eben hingefallen.“

„Du sollst hingefallen sein? Das glaubt sie doch nie und außerdem habe ich nicht vor Sachiko-san anzulügen.“

„Musst du immer so ehrlich sein? ... Na gut, dann sag es ihr eben. Ich geh schon mal rauf.“

„Auf keinen Fall, du wartest hier. Ich komm gleich zurück und helfe dir. Also beweg dich nicht.“

„Is ja schon gut, ich warte.“

Michiru lehnte Haruka an die Wand an, als wäre sie ein Gegenstand der drohte umzukippen, und ging dann schnell in die Küche. Kam aber schon nach einer halben Minute wieder raus.

„Du hast Glück, sie ist überhaupt nicht da.“

„Nicht? Wo ist sie denn?“

„Es lag ein Zettel auf dem Tisch, dass sie einkaufen gefahren ist.“

„Oh, ach so.“

Die Künstlerin nahm Haruka wieder von der Wand weg und ging dann mit ihr die Treppen nach oben, bis zu ihrem Zimmer, wo sie die Große auf dem Bett absetzte. Dann lief sie geradewegs ins Badezimmer und kam mit dem Erste-Hilfe-Set wieder und einem feuchtem Waschlappen.

„Was willst du denn jetzt damit?“ fragte Haruka verwundert und leicht nervös.

„Wenn ich dich schon nicht zu einem Arzt bringen kann, werde ich dich wenigstens selbst verarzten.“

Man konnte Haruka ansehen, dass sie absolut nicht begeistert davon war.

„Das musst du nicht. Ich hab doch nur eine aufgeschlagene Lippe, was willst du da verarzten?“

„Nur eine aufgeschlagene Lippe? Und was ist mit deinen Rippen, die du schon die ganze Zeit so krampfhaft festhältst?“

„Da kannst du auch nichts machen, sind nur ‘n bisschen geprellt.“

„Du solltest mich doch nicht mehr anlügen.“

„Na gut, vielleicht sind sie auch ‘n bisschen mehr geprellt, trotzdem kannst du nichts machen.“

„Ich will mir das aber auf jeden Fall ansehen, also zieh dich aus.“

„Ich soll was???“

„Dein Jackett und das Hemd ausziehen, damit ich mir das ansehen kann.“

„Das werde ich ganz sicher nicht tun!“

„Ach, jetzt stell dich nicht so an. Ich will doch nur sehen, wie schwer du verletzt bist und eventuell noch einen Stützverband anlegen.“

Haruka wollte das aber auf gar keinen Fall tun. Michiru könnte dann was merken, nein, sie würde auf jeden Fall etwas merken und sich vor ihr entblößen wollte sie sich auch nicht unbedingt. Nicht vor ihr, nicht in so einer Situation. Sie dachte fieberhaft darüber nach, wie sie hier wieder rauskommen sollte. Michiru machte der Gedanke, dass sie sich auszieht, zwar auch ziemlich nervös, aber im Augenblick war nichts wichtiger, als Haruka zu helfen und sie wollte abschätzen, ob sie nicht doch besser einen Krankenwagen rufen sollte, von daher, musste sie wissen wie schlimm es war.

„Haruka, jetzt mach schon, von mir aus kannst du das Hemd auch anbehalten und nur etwas hochschieben, damit ich deine Rippen sehen kann, wenn du dich nicht ausziehen willst.“

Eine kurze Zeit war es still im Raum und die beiden sahen sich einfach nur an, dann durchbrach Haruka die Stille wieder, in einem ernsten Tonfall.

„Du hast versprochen keine Fragen zu stellen. Du musst mir versprechen, auch dann keine zustellen und du wirst auch keinen Krankenwagen oder ähnliches rufen und meiner Mutter oder irgendwem sonst darfst du auch nichts erzählen. ... Dann zeig ich es dir.“

Michiru verstand nicht wirklich was sie meinte, aber wenn Haruka schon sagte sie solle keinen Krankenwagen rufen, musste es doch schlimmer sein. Sie überleckte kurz nickte dann aber.

„Okay, ich verspreche es. Ich werde es niemandem sagen und auch keinen Krankenwagen rufen.“

„Gut.“

Haruka schloss kurz die Augen, atmete dann einmal tief durch, was sie wohl besser gelassen hätte, denn es tat an den Rippen, nur noch mehr, und stand dann auf. Sie zog langsam das Jackett aus, nahm dann die Krawatte ab, zog ihr Hemd aus der Hose und begann dann langsam die Knöpf aufzumachen. Michiru musste zugeben bei jedem Kopf nervöser zu werden, konzentrierte sich aber trotzdem auf die Situation. Beim letzten Knopf angekommen strich Haruka sich das Hemd von den Schultern und ließ es dann langsam zu Boden gleiten.

Geständnisse

Was Michiru sah, ließ sie ihre Nervosität aber gänzlich vergessen und sah nur noch entsetzt mit geweiteten Augen auf den Oberkörper Harukas. Die ganze linke Rippenhälfte war komplett Gün und Blau, und das konnte in keinem Fall erst dreißig Minuten alt sein, eher mehrere Stunden. Aber das war nicht der einzige blaue Fleck, den sie hatte. An ihrem Bauch und am Rücken, den sie im Moment noch nicht sehen konnte, waren auch überall Blutergüsse und blaue Flecken, einige sahen erst ein paar Tage alt aus, andere könnten schon Wochen alt sein. Der Bluterguss an ihrem Arm, den sie schon vor drei Tagen zu Gesicht bekommen hatte, war noch viel größer und dicker geworden. Michiru sah immer wieder entsetzt von ihrem Oberkörper zu ihrem Gesicht auf aber Haruka sah sie nicht an. Sie hatte sich irgendeinen Fleck an der Wand gesucht und sah kontinuierlich dorthin, ohne jegliche Reaktionen im Gesicht.

„Haruka, was ...“

„Du hast versprochen keine Fragen zu stellen.“

„Aber ...“

„Du hast es versprochen!“

Jetzt sah sie Michiru wieder direkt in die Augen.

„Okay.“

Eigentlich brauchte Michiru auch gar nicht zu fragen. Sie konnte sich auch so zusammen reimen, wer das wohl getan haben könnte, auch wenn sie es nicht glauben konnte. Sie hatte zwar von Anfang an ein komisches Gefühl bei diesem Keisuke, aber dass er zu so etwas im Stande sein könnte, hätte sie niemals gedacht.

„Ich werd dir einen Stützverband um die Rippen wickeln, aber du könntest dir auch eine oder mehrere Rippen gebrochen haben, also solltest du dich nicht so viel bewegen. ... Obwohl eigentlich finde ich, du solltest sofort in ein Krankenhaus! Wie kannst du nur Tag täglich diese Schmerzen ertragen und wieso tust du nichts dagegen und lässt dir helfen? Und wieso kannst du überhaupt noch stehen, geschweige denn Sport treiben?“

Michiru wurde immer lauter und es hatten sich auch schon wieder Tränen in ihren Augen gebildet.

„Du stellst schon wieder Fragen.“ sagte Haruka leise und ließ sich zurück aufs Bett sinken.

„Ich hätte dir das niemals zeigen dürfen.“

Michiru kam auf sie zu und kniete sich vor ihr um sie von unten ansehen zu können, denn Haruka hatte ihren Kopf in den Händen vergraben.

„Nein, es war gut, dass du mir das gezeigt hast. Ich finde, du solltest es sogar noch mehr Leuten zeigen, deine Mutter ...“

„Nein! Sie darf nicht das Geringste erfahren! Nicht ein Sterbenswörtchen, verstanden? Du hast versprochen es niemandem zu sagen!“

Jetzt wurde Haruka laut und sah sie drohend an.

„Aber ich kann doch nicht einfach mit ansehen, wie er dir so etwas antut, das ertrage ich nicht, Haruka!“

Haruka sah sie völlig entsetzt an.

„Wieso "er"?“

„Ich weiß sehr genau wer das getan hat, Haruka. Es war nicht zu übersehen, dass du Angst vor deinem Vater hattest und das mit deinen Rippen kann erst gestern passiert sein und da waren wir den ganzen Tag zusammen bis auf diese eine halbe Stunde, die du bei deinem Vater warst.“

„Vielleicht bin ja auch gestern noch mal weg gewesen!“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du das nicht getan hast und außerdem wirktest du total verändert, als du von ihm zurückkamst.“

„Dann vergiss das sofort wieder! Michiru, du darfst davon nichts wissen! Er wird dich auch verletzen, bitte vergiss das wieder, bitte!“

Haruka war aufgestanden und lief jetzt mit den Händen überm Kopf zusammen geschlagen verzweifelt hin und her.

„Das kann ich aber nicht. Haruka, der Kerl gehört ins Gefängnis, also bitte geh zur Polizei!“

Jetzt blieb Haruka abrupt stehen und sah Michiru ungläubig an.

„Das würde überhaupt nichts bringen! Hast du eigentlich eine Ahnung was für einen Job der Kerl hat?“

Michiru überlegte kurz. Nein, das wurde ihr niemals gesagt. Sie nahm nur an, dass er ja wohl ziemlich viel Geld damit verdienen musste.

„Nein.“ sagte sie vorsichtig.

„Das dacht ich mir. Tenoh Keisuke ist der berühmteste Staatsanwalt Tokios! Er kennt praktisch jeden Richter in der Stadt und der Polizeichef ist sein bester Freund! Niemand würde mir glauben.“

„Haruka, jeder Arzt in der Stadt wird mit Sicherheit bestätigen können, dass du schwer misshandelt worden bist!“

„Jetzt vergisst du aber meinen Job! Ich bin Rennfahrer, Michiru! Prellungen, Brüche, Schürfwunden und blaue Flecken sind da praktisch mit enthalten. Er braucht nur zu sagen, ich hätte einen Unfall gehabt und es ist ja nicht so, dass ich noch nie auf der Rennstrecke gestürzt bin. Außerdem würde dann rauskommen, dass ich kein Mann bin und das ich gelogen hab, dann glaubt mir so wieso keiner mehr und meine Karriere kann ich auch vergessen!“

„Aber du kannst dir das doch nicht einfach gefallen lassen. Er darf dir das nicht antun!“ schrie Michiru verzweifelt.

„Er hat es aber schon getan. Ich muss nur tun was er sagt, dann lässt er mich auch in Ruhe. Und deshalb darfst du niemandem etwas sagen, wenn er erfährt, dass du es weißt, wird er dir auch noch wehtun und meiner Mutter eventuell auch und das kann ich auf gar keinen Fall zulassen! Ich halte das schon aus. Ich bin so wieso selbst schuld, ich hab ihn immer provoziert und nicht getan was er von mir wollte.“

Michiru sah sie mit geweiteten Augen an, dann ging sie auf sie zu und nahm ihr Gesicht in ihre Hände.

„Haruka, egal was er gesagt oder getan hat, nichts davon ist deine schuld! Rede dir das ja nicht ein, klar! Es ist ganz allein seine Schuld, er ist derjenige der seine eigene Tochter schlägt und nichts was du getan haben könntest, würde so etwas rechtfertigen.“

Jetzt war Haruka wirklich kurz davor loszuheulen. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, jemand würde ihr das sagen. Sie hatte so oft versucht, sich das selbst einzureden, aber die Zweifel waren immer da und jetzt die Bestätigung zu bekommen, es sei wirklich nicht ihre Schuld, war einfach nur befreiend. Sie konnte den Impuls nicht mehr unterdrücken und umarmte Michiru einfach, so fest es ging drückte sie die Kleinere an sich. Michiru schlang die arme um ihren immer noch nackten Oberkörper und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr damit sämtlichen Schmerz abnehmen zu können und ließ ihren Tränen wieder freien Lauf.

„Bitte hör auf zu weinen, ja? Ich ertrage es nicht, dich weinen zu sehen.“ flüsterte Haruka.

Michiru löste die Umarmung etwas, damit sie Haruka wieder ansehen konnte.

„Du erträgst es nicht mich weinen zu sehen? Ich ertrage es nicht, dich so leiden zu sehen, mit ansehen zu müssen, was er dir antut! Was will er überhaupt von dir, das du tun sollst?“

„Er will, dass ich mich von dir und allen anderen weiblichen Wesen dieser Welt fernhalte. Er kann nicht akzeptieren, dass ich lesbisch bin.“

„Darum tut er dir das an? Nur deswegen?“

„Für ihn ist es offenbar Grund genug.“

„Aber es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können. Ich kann nicht einfach tatenlos mit ansehen, wie er dich zusammenschlägt! Das halte ich nicht aus!“

„Es gibt aber keinen Ausweg! Jetzt noch nicht. Nächstes Jahr werde ich achtzehn, dann kann ich hier abhauen und nach Amerika gehen, da wird er mich schon nicht finden und ich kann einfach so einreisen und bleiben so lange ich will.“

„Du willst einfach abhauen? Und du glaubst, er lässt dich einfach so gehen? Und du willst deine Mutter einfach mit ihm hier alleine lassen? Du hast doch eben noch gesagt, dass er auch ihr etwas antun könnte.“

Haruka drehte verzweifelt den Kopf weg. Nein, das konnte sie auf gar keinen Fall tun!

„Dann bleib ich eben hier und tu was er sagt.“

„Ich glaube nicht, dass er einfach aufhören wird, nur weil du dich nicht mehr mit Mädchen triffst. Er wird irgendeinen anderen Grund finden, dich zu schlagen oder dir nicht glauben, dass du es nicht mehr tust. Er wird nicht einfach aufhören. Bitte lass es uns wenigstens versuchen? Deine Mutter wird dir bestimmt glauben und dir helfen.“

„Und wenn nicht? Sie liebt diesen Kerl doch, schließlich hat sie ihn geheiratet! Oder wenn sie auch was dagegen hat?“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nichts dagegen hat und vermutlich ahnt sie es so wieso schon. Und hätte sie gewusst, was für ein Monster ihr Mann ist, hätte sie ihn mit Sicherheit nie geheiratet!“

„Ich will aber nicht, dass sie es weiß. Das würde sie bestimmt nur unglücklich machen und alles verändern.“

„Aber das soll es doch auch! So kann das auf gar keinen Fall weiter gehen. Ich bin mir sicher, Sachiko-san würde auf jeden Reichtum verzichten, wenn du nur dafür Glücklich wirst.“

Auf einmal bildete sich ein Lächeln auf Harukas Lippen.

„Das müsste sie nicht mal.“

„Wie meinst du das? Gehört das hier nicht alles deinem Vater?“ fragte Michiru überrascht.

„Nein. Er verdient zwar auch haufenweise Geld aber dieses Anwesen gehört meiner Mutter. Sie hat es von ihren Eltern geerbt, genauso wie ihr gesamtes Vermögen. Meine Mutter besitzt sehr viel mehr Geld als er und ich zusammen.“

Michiru sah Haruka nur ungläubig an. Das hätte sie niemals erwartet.

„Aber, dann hat deine Mutter doch auch ziemlich viel Einfluss und kann dir erst recht helfen. Also bitte sag es ihr!“

„Nein! Ich kann nicht riskieren, dass er ihr wehtut und dir auch nicht! Also bitte lass es einfach gut sein!“

„Aber ich kann nicht einf ...“

„Du musst aber! In ein paar Wochen oder vielleicht schon Tagen, wenn deine Eltern herziehen, brauchst du es ja nicht mehr mit anzusehen, dann bist du weg und kannst es vergessen, dann bist du auch nicht mehr in Gefahr.“

„Ich kann das aber nicht vergessen! Und ich werde dich auch bestimmt nicht mit diesem Kerl alleine lassen! Ich liebe dich, Haruka!“

Geschockt riss Haruka die Augen auf. »Sie tut was? Nein! Nein, das kann nicht sein!«

„Was ... was hast du gesagt?“

Schüchtern sah Michiru zu Boden und drehte sich weg. Eigentlich hatte sie gar nicht vorgehabt ihr das zu sagen, doch die Worte vielen einfach so aus ihr heraus.

„Das ist nicht wahr. ... Das kann nicht sein!“ sagte Haruka immer noch geschockt.

Michiru drehte sich wieder um.

„Es ist aber wahr. Ich habe mich in dich ...“

„Nein, sag das nicht! Hör sofort auf damit! Du darfst das nicht fühlen!“

Haruka hatte schon wieder die Hände über den Kopf geschlagen und war völlig überfordert mit der Situation. Sie hatte sich doch so schön eingeredet Michiru könnte niemals etwas für sie empfinden und jetzt sagte sie ihr sie liebt sie? Noch dazu machten diese Worte sie glücklicher, als alles andere, es jemals getan hatte. Sie versuchte mit aller Gewalt ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken und lief wieder hin und her.

„Tut mir leid, aber das ist kein Gefühl, dass ich einfach abschalten kann. Es ist nun mal so. Und es ist auch okay, wenn du nicht das Gleiche fühlst, aber jetzt weißt du es wenigstens.“

Haruka wollte das aber nicht wissen! In ihr kam jetzt nämlich der drang hoch, ihr genau dasselbe zu sagen und plötzlich wusste sie, warum sie Michiru einfach nicht aus dem Kopf bekam und warum sie all diese seltsamen Gefühle in ihr auslöste. Sie hatte sich auch in Michiru verliebt. Aber sie durfte nicht mit ihr zusammen sein, dass wäre viel zu gefährlich.

Für Michiru war es natürlich nicht so egal, dass Haruka offenbar nicht das Gleiche empfand, wie sie gesagt hatte. Sie versuchte aber mit aller Gewalt die Tränen zu unterdrücken, die schon wieder in ihr aufkeimen wollten.

„Ich kann das nicht tun, Michiru. Wenn er davon erfahren würde, er würde uns beide umbringen.“

Michiru war jetzt völlig irritiert. Was bedeutete das?

„Was kannst du nicht tun? Wie meinst du das? ... Empfindest du etwa auch was für mich?“ fragte sie flehend und hielt Haruka endlich davon ab weiter hin und her zu gehen.

„Jetzt sag schon!“

„Nein, ich kann nicht.“ sagte Haruka und versuchte ihren Kopf wieder weg zu drehen, doch Michiru hielt ihn fest und zwang sie sie anzusehen.

Michirus Herzschlag war inzwischen wieder ziemlich in die Höhe gestiegen. Könnte es sein, dass Haruka doch etwas für sie empfand?

„Bitte, sag es.“

Haruka schloss die Augen. Sie konnte diesem Blick einfach nicht widerstehen. Ihr Puls war mittlerweile ebenfalls bei hundertachtzig angelangt.

„Ich ... ich hab mich ... auch ... in dich verliebt.“ kam es langsam aus ihr heraus.

Michirus Augen weiteten sich noch mehr. Sie hat es tatsächlich gesagt! Ihre Gefühle wurden wirklich erwidert! Michiru hatte das Gefühl, sie würde auf einer Wolke schweben. Wie in Trance wanderten ihre Hände von Harukas Gesicht in deren Nacken und zogen sie dann zu sich herunter. Die Sportlerin ließ sich widerstandslos zu dem Mädchen herunterziehen. Sie hatte einfach nicht mehr die Kraft, sich dieser Anziehung widersetzen zu können. Ihre Lippen trafen auf Michirus und verschmolzen in einem leidenschaftlichen Kuss. Dieser Kuss rückte alles andere was Haruka jemals mit anderen Mädchen geteilt hatte, in den Schatten. Sie legte ihre Arme um die Taille der Türkishaarigen und drückte sie noch enger an sich.

Für Michiru war es der erste Kuss überhaupt in ihrem Leben und es war ein unbeschreibliches Gefühl. Noch nie hatte sie so etwas berauschendes und so intensives gefühlt. Ihre Beine fühlten sich plötzlich an wie Wackelpudding und sie konnte sich nur aufrechthalten, weil sie von Haruka festgehalten wurde. Ewig hätte dieser Kuss andauern sollen, doch das tat er nicht. Er wurde ziemlich unsanft von einem Klopfen an der Tür unterbrochen.

Erschreckt fuhren beide auseinander und starrten die Tür an. Sie war noch geschlossen, dann sahen sie sich gegenseitig an.

„Schnell zieh dir was an!“ zischte Michiru leise, denn Haruka stand ja immer noch mit freiem Oberkörper da.

Schnell griff sie nach ihrem Hemd am Boden und verschwand damit im Badezimmer. Es klopfte erneut an der Tür.

„Ja, bitte?“ sagte Michiru schnell.

Sachiko öffnete die Tür und kam herein.

„Oh, Michiru-san. Ist Haruka gar nicht bei dir?“

„Ähm, doch. Sie ist nur kurz im Badezimmer.“

„Ach so, ich wollte eigentlich nur sehen, ob ihr schon zurück seid und ob alles in Ordnung ist. ... Was ist denn das? Ist jemand verletzt?“

„Was?“

Sachiko hatte den Erste-Hilfe-Kasten entdeckt, der immer noch auf dem Bett lag, und schon längst aus Michirus Gedächtnis gelöscht war.

„Oh, ähm, also ...“

„Mit Haruka ist doch alles in Ordnung, oder? Hat sie sich etwa schon wieder geprügelt?“

„Äh ...“

Michiru wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte, oder durfte und zum Glück ging die Badezimmertür gerade wieder auf, und eine, wieder angezogene, Haruka kam heraus. Ihr Gesicht war wieder sauber und die Haare wieder in ihrer Wildheit geordnet. Die aufgeplatzte Lippe konnte Sachiko aber sehr wohl noch erkennen.

„Mit wem hast du dich denn jetzt schon wieder geprügelt? Ich dachte, das wäre endlich vorbei.“

Sie ging auf ihre Tochter zu und sah sich die Lippe genauer an.

„Es ist nicht schlimm, wirklich.“

„Wieso kannst du nicht endlich damit aufhören?“ fragte sie verzweifelt.

„Es tut mir leid, aber ich konnte nicht anders. Er hat ...“

„Es ist mir völlig egal, womit er dich provoziert hat, das rechtfertigt nicht, dass du dich prügelst. Also bitte hör endlich auf damit.“

„Okay, versprochen. Es tut mir leid.“

Michiru fand das gar nicht gut, dass Haruka offenbar wirklich nicht vorhatte es ihrer Mutter zu sagen. Auch, wenn Haruka aufhört sich mit anderen zu prügeln, würde ihr Vater nicht aufhören sie zu verprügeln, was ihre Mutter dann wieder glauben lässt, sie hätte sich geprügelt. Das war also ein Versprechen, was sie absolut nicht einhalten konnte, selbst wenn sie es eigentlich tat.

„Das hoffe ich wirklich. Hast du noch mehr Verletzungen, soll ich einen Arzt rufen?“

„Nein, hab ich nicht. Es war nur der eine Schlag ins Gesicht, den ich abbekommen habe.“

„Na, schön. Ich lass euch zwei dann mal wieder allein.“

Sachiko wendete sich wieder von Haruka ab und verließ dann das Zimmer. Jetzt standen die zwei alleine im Raum und es machte sich langsam eine drückende Stille breit. Keiner der beiden wusste so richtig, was er jetzt sagen sollte. Haruka ging langsam von der Badezimmertür auf Michiru zu und blieb dann vor ihr stehen.

„Also ...“

„Ich bekomm dich nicht dazu, es ihr zu sagen, oder?“ unterbrach Michiru sie.

„Nein. Und du darfst es ihr auch nicht sagen.“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann, Haruka. Wenn ich nur daran denke, dass er ...“

Haruka zog Michiru in ihre Arme zurück.

„Dann denk einfach nicht dran. Er wird mich schon in Ruhe lassen, wenn ich mich an seine Regeln halte und nichts hiervon mitbekommt.“

„Mir gefällt das überhaupt nicht. Ich finde immer noch, wir sollten wenigstens versuchen den Kerl in den Knast zu verfrachten und zur Polizei gehen.“

„Das wird aber nichts nützen, glaub mir. Wir sollten jetzt besser nach unten gehen. Wenn er erfährt, dass wir zwei alleine in meinem Zimmer waren, hab ich ganz klar gegen seine Regeln verstoßen.“

„Wie kannst du das nur so locker sehen?“

„Es ist eben wie es ist. Und nachdem was du eben gesagt hast und wir getan haben, kann ich grad einfach nur glücklich sein, obwohl wir das eigentlich niemals hätten tun sollen.“

„Dann bereust du es nicht?“

„Wie könnte ich? Es war wahr wundervoll.“

Jetzt konnte Michiru ein Lächeln, trotz Situation, nicht unterdrücken.

„Ach, ja?“

„Ja. ... Für dich etwa nicht?“ fragte Haruka leicht verunsichert.

„Doch natürlich.“

Michiru drückte sich etwas fester in Harukas Umarmung und genoss kurz diesen Augenblick, dann befreite sie sich wieder daraus und sah Haruka an.

„Und jetzt zieh dein Hemd wieder aus.“

„Äh, was?“

Haruka sah sie völlig irritiert an.

„Na, ich hab dir immer noch kein Verband angelegt.“

„Muss das denn sein? Damit kann ich mich so schlecht bewegen.“

„Das ist auch der Sinn eines solchen Verbandes. Du solltest dich so wenig wie möglich bewegen, damit deine Rippen auch wieder heilen können.“

Die Sportlerin gab sich geschlagen und knöpfte ihr Hemd wieder auf.

„Du kannst es wohl gar nicht abwarten mich so schnell wie möglich wieder auszuziehen, was?“ fragte Haruka grinsend.

„Das will ich jetzt mal überhört haben, dafür ist die Situation viel zu ernst.“

Michiru wurde aber doch wieder leicht nervös. Sie ging zum Bett zurück und nahm eine der Mulden aus dem Erste-Hilfe-Kasten und ging dann wieder zu Haruka herüber, die gerade ihr Hemd zu Boden fallen ließ. Dieses Mal konnte Michiru gar nicht anders, und sah einfach mal über diese grässlichen Flecken hinweg, den Körper der Sportlerin genauer an. Das einzige Wort das Michiru dazu durch den Kopf ging war "Wow". Dieser Körper war wirklich von vorne bis hinten durchtrainiert. Und diese Muskeln und vor allem der Waschbrettbauch sahen einfach unwiderstehlich aus. Haruka hatte keinen BH unter dem Hemd getragen, so dass Michiru auch die Brust Betrachten konnte. Sie war nicht besonders groß, so dass sie keine Probleme hatte, sie zu verbergen, aber auch nicht zu klein, eigentlich passte sie perfekt zum Rest des Körpers. Michiru musste schlucken und ihr wurde gerade ziemlich warm hier drin. Auf Harukas Gesicht bildete sich wieder ein schiefes Grinsen.

„Na, gefall ich dir?“

Michiru schüttelte kurz mit dem Kopf, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, dann fing sie an vorsichtig den Verband um sie zu wickeln.

„Du könntest mir wenigstens eine Antwort geben.“ sagte Haruka gespielt verärgert.

„... Ja, tust du.“ antwortete sie ihr schüchtern.

„Wirklich?“

„Das klingt so überrascht.“

„Na ja, ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass du auf Männer stehst, also ja, ich bin schon ein bisschen überrascht.“

„Eigentlich habe ich mich bis jetzt weder für das eine noch für das andere interessiert.“

„Du warst also noch nie mit einem Mann zusammen?“

„Nein, war ich nicht. Aber du warst schon mit so einigen Frauen zusammen, hab ich recht?“

„Ja, war ich.“

„Der Typ mit dem du dich geprügelt hast, sagte, du wärst ein Casanova, der jedes Mädchen sitzenlässt nachdem du mit ihr im Bett warst, ist das wahr?“

„Ja, das stimmt so ziemlich. Aber ich habe diesen Mädchen nie mehr versprochen, sie wussten worauf sie sich einlassen.“

„Und worauf lasse ich mich ein?“ fragte Michiru vorsichtig.

Haruka hob ihr das Kinn etwas an, um ihr in die Augen sehen zu können.“

„Hey, das mit diesen Mädchen hatte rein gar nichts zu bedeuten. Es hat mir nur ein bisschen geholfen diese Sache zu vergessen. Du bist was völlig anderes. Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein, auch wenn ich das eigentlich nicht sollte, es ist viel zu riskant.“

„Ich will auch mit dir zusammen sein, Haruka. Und wegen deinem Vater, fällt mir schon noch was ein.“

„Warte, was willst du dir denn einfallen lassen? Ich dachte wir hätten die Sache jetzt vom Tisch.“

„Diese Sache ist erst vom Tisch, wenn der Kerl im Gefängnis sitzt! Ich werde unter gar keinen Umständen zu lassen, dass er dich auch nur noch ein einziges Mal anfasst! Ich weiß noch nicht, was ich machen soll, aber mir fällt schon noch was ein.“

„Aber ...“

„Kein aber! Erst mal bleiben wir ja bei deinem Plan. Auch wenn ich nicht glaube, dass er lange gut geht.“

Eigentlich wollte Haruka noch protestieren aber sie sah ein, dass sich Michiru wohl nicht umstimmen ließ, also gab sie nach.

„Na, schön. Bist du fertig mit dem Verband? Wir sollten wirklich langsam runtergehen, bevor meine Mutter ihm noch erzählt, dass wir hier solange oben waren.“

„Ja, ich bin fertig. Du kannst dich wieder anziehen.“

Also zog Haruka ihr Hemd wieder an und die beiden machten sich mit ihren Hausaufgaben auf den Weg nach unten ins Wohnzimmer.

Kontrolle behalten

Sachiko war ziemlich überrascht als die zwei zu ihr ins Wohnzimmer kamen und ihre Hausaufgaben auf den Tisch ausbreiteten.

„Wollt ihr nicht oben lernen?“

„Nein, wir dachten wir könnten dir ein wenig Gesellschaft leisten. Außerdem kann man von hier aus so schön in den Garten sehen.“ sagte Michiru ihr.

„Na schön, ganz wie ihr wollt. Ich will euch aber nicht stören.“

„Tust du nicht, wirklich.“ sagte Haruka.

Also machten die zwei ihre Hausaufgaben während Sachiko in ihrem Buch weiter las. Wirklich auf die Hausaufgaben konnte sich aber keine von beiden Konzentrieren. Einerseits konnten sie nicht die Augen von einander lassen, andererseits mussten sie ständig über ihre Situation nachdenken. Michiru versuchte verzweifelt eine Lösung zu finden, aber sie kam immer wieder zu dem Schluss, dass es das Beste wäre es Sachiko sofort zusagen und dann die Polizei anzurufen. Und dann dachte sie darüber nach, wie sie Haruka davon überzeugen könnte. Haruka selbst hatte Zweifel, ob es wirklich so gut gewesen war Michiru ihre Gefühle zu offenbaren. Jetzt war sie zwar mit ihr zusammen und könnte gar nicht glücklicher sein, hatte aber wahnsinnige Angst er könnte es herausfinden und ihr etwas antun. Irgendwann ließ Sachiko die zwei alleine und ging in die Küche um das Abendessen vorzubereiten. Michiru hatte vom vielen Nachdenken schon Kopfschmerzen bekommen und entschloss mal eine kurze Pause einzulegen. Sie Klappte ihr Buch zu und lehnte sich in den Sessel zurück.

„Hast du keine Lust mehr?“ fragte Haruka.

„Irgendwie kann ich mich sowieso nicht darauf konzentrieren.“

„Ja, geht mir genauso.“

Haruka klappte ihr Buch ebenfalls zu.

„Kann ich dich mal was fragen?“ fragte Michiru wenig später.

„Du kannst mich fragen was immer du willst.“

„Warum macht Sachiko-san eigentlich alles selbst in diesem Haus? Ich mein, wenn sie so viel Geld besitzt könnte sie sich doch einen Koch und alles Mögliche Leisten.“

Haruka atmete einmal erleichtert aus. Sie hatte schon wieder eine Frage über ihren Vater erwartet.

„Ach so. Sie kocht einfach unglaublich gerne und sie meint sie hätte ja sonst kaum noch was zu tun. Aber alles macht sie nicht selbst. Das würde sie gar nicht schaffen. Einmal in der Woche kommt eine Putzfrau und hilft meiner Mutter beim sauber machen und für den Pool und Rasen haben wir auch noch jemanden.“

„Hat sie eigentlich mal gearbeitet?“

„Ja. Sie war mal Managerin eines großen Konzerns, aber als ich geboren worden bin wollte sie nur noch Hausfrau und Mutter sein, also hat sie ihn aufgegeben. Und da sie ja sowieso genug Geld hatte, war das auch kein Problem.“

„Wann hat sie denn das ganze hier geerbt? Ich dachte erst nach dem Tod ihrer Elter ist sie so reich geworden.“

„Das stimmt auch, aber meine Mutter hat ihre Eltern schon verloren als sie neunzehn war, glaub ich. Sie sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Deswegen kann sie es auch eigentlich gar nicht leiden, dass ich Motorradrennen fahre.“

„Das kann ich gut verstehen.“

„Was machen deine Eltern eigentlich?“

„Also mein Vater ist Hotelfachmann und meine Mutter arbeitet in einer Galerie.“

„Ah, dann stellt sie auch deine Bilder aus?“

„Ja, richtig.“

„Hhmm, ich hab immer noch kein einziges deiner Bilder gesehen und ich bin inzwischen echt Neugierig, auch auf dein Violinspiel.“

„Da fällt mir ein, ich war letztens in diesem Zimmer, wo deine ganzen Pokale stehen und da stand ein umwerfender Flügel, gehört der etwa dir?“ fragte Michiru aufgeregt.

„Wann warst du denn da drin, und wieso?“

„Na am Sonntag, als du spurlos verschwunden warst. Ich hab im ganzen Haus nach dir gesucht und da hab ich zufällig das Zimmer entdeckt.“

„Ach so. Ja der Flügel gehört mir.“

„Dann spielst du wirklich Klavier?“

„Ja, tu ich.“

„Du musst mir auch unbedingt was vorspielen und vielleicht können wir ja auch mal zusammen spielen.“

Michiru wurde richtig euphorisch.

„Ich hab seit über einem Jahr nicht mehr drauf gespielt, vielleicht schaff ich es jetzt ja wieder, mit deiner Hilfe.“

„Wie meinst du das? Also Klavier kann ich nicht spielen. Und wieso hast du es nicht mehr geschafft?“ fragte sie verwirrt.

„Ich konnte mich einfach nicht mehr darauf konzentrieren, genau wie auf die Schule nicht mehr und deshalb hab ich aufgehört. Aber aus irgendeinem Grund gibst du mir die Ruhe, um mich konzentrieren zu können.“

„Dann hat das ganze also vor ungefähr einem Jahr angefangen?“

„Ja, hat es.“

„Erzählst du es mir?“

„Ich werde es dir erzählen, aber nicht hier. Und vielleicht wär es besser, wenn wir auch in die Küche gehen. Er müsste bald von der Arbeit kommen und ich weiß nicht, ob er es so gut findet, wenn wir hier alleine rumsitzen.“

„Okay, dann helfen wir Sachiko eben beim Essen.“ sagte Michiru und stand auf.

„Also du kannst ihr ja gerne helfen, aber ich werd nur zugucken.“

Haruka erhob sich auch und sie gingen gemeinsam Richtung Küche.

„Du könntest deiner Mutter ruhig mal ‘n bisschen helfen und nicht so faul sein.“

„Ich bin gar nicht faul. Ich darf ihr nicht mehr beim Kochen helfen.“

„Wieso das?“

„Na, sie hat einmal versucht es mir beizubringen, ich glaub ich war vierzehn oder so und sie hat mich danach für immer aus der Küche verbannt, weil ich nur Chaos angerichtet hab. Glaub mir du solltest mich nicht in die Nähe von Essen lassen, dass ich nicht auch essen soll.“

„Und du hast es nicht mit Absicht getan?“ fragte die Künstlerin skeptisch.

„Das würde ich nie tun.“

Der unschuldige Gesichtsausdruck von Haruka sprach Bände.

„Du könntest wenigstens beim Tischdecken oder Aufräumen helfen.“

„Also da bin ich wirklich zu faul zu.“

„Du bist wirklich unmöglich.“

„Aber du liebst mich trotzdem.“ sagte Haruka grinsend.

„Na, vielleicht überleg ich’s mir nochmal und such mir lieber jemanden mit besseren Manieren.“ erwiderte sie hochnäsig.

„Hey!“

Sie gingen gerade durch den Flur und waren noch nicht bei der Küche angekommen, also noch nicht in Sachikos Seh- oder Hörweite. Haruka hielt die Violinisten plötzlich am Handgelenk fest und drängte sie in der nächsten Sekunde an die Wand. Sie lehnte sich ganz dicht zu ihr herunter und sah ihr tief in die Augen.

„Das würdest du nicht.“ hauchte sie ihr entgegen.

Michiru war noch etwas überrumpelt, mit solch einer Aktion hatte sie jetzt nicht gerechnet und konnte auch nicht verhindern etwas rot zu werden, fasste sich dann aber wieder.

„Willst du es riskieren?“

„Also gut, ich werde helfen. Gibt es dann auch eine Belohnung dafür?“

Diese Stimme von Haruka war schon wieder so sinnlich, dass Michiru sie eigentlich nur noch Küssen wollte, aber sie wollte dieses Spiel auf keinen Fall verlieren, also riss sie sich zusammen.

„Das hängt ganz davon ab, wie sehr du dich anstrengst.“ sagte sie, tauchte unter Harukas Armen hinweg und ging weiter zur Küche. Dabei konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Haruka folgte ihr schmunzelnd.

„Können wir dir helfen Sachiko-san?“ fragte Michiru Sachiko, nachdem sie in der Küche angekommen war.

„Oh, seid ihr fertig?“

„Wohl eher kein Bock mehr.“ sagte Haruka, die auch gerade in die Küche kam.

„Haruka!“ zischte Michiru und sah Haruka strafend an.

„Was? Stimmt doch.“ tat sie unschuldig.

Sachiko musste unweigerlich zu lachen anfangen.

„Ist schon okay, du kannst mir gerne helfen Michiru-san.“

Jetzt bekam die Sportlerin einen erwarteten Blick von Michiru zugeworfen, sie ergab sich sofort, schließlich hoffte sie auf eine wundervolle Belohnung.

„Und was kann ich tun?“

Sachiko ließ vor Schreck das Messer aus der Hand fallen und sah ihre Tochter mit weit aufgerissenen Augen an.

„Du willst wirklich helfen?“

„Ja.“

„Das muss ein Traum sein. Also wenn das wirklich dein ernst sein sollte, kannst du ja den Tisch decken.“ sagte Sachiko und war immer noch ziemlich irritiert.

„Okay.“

Haruka ging zu den Schränken und holte alles raus was sie brauchte, gefolgt von den ungläubigen Augen ihrer Mutter. Michiru musste sich ein Lachen verkneifen. Sachiko versuchte sich wieder zu fassen und hob das Messer auf und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Michiru half ihr dabei. Während sie alle beschäftigt waren ging die Küchentür auf einmal auf und Keisuke kam herein.

„Hallo, alle zusammen.“

Michiru konnte sehen das Haruka sich wieder völlig verkrampfte und der schöne entspannte Gesichtsausdruck zu kalt und ernst wechselte. Das ließ in Michiru einen unglaublichen Hass auf diesen Kerl aufkommen und sie musste sich wirklich zusammen reißen, das nicht auch zu zeigen.

„Hallo Schatz, wie war die Arbeit?“

Sachiko war die einzige die völlig entspannt blieb und sich über seine Anwesenheit zu freuen schien nur leider bekam sie nichts davon mit.

„Ach, war ganz okay. Und was war hier so los?“

„Nicht sehr viel. Ich war vorhin mal wieder einkaufen und dann haben mir die zwei hier ein bisschen gesellschafft geleistet und Hausaufgaben gemacht.“

„Ah, na das ist doch schön.“ sagte er und setzte sich an den Tisch.

»Aber sicher doch!« Michiru kochte schon vor Wut. Wie konnte dieser Kerl da nur so entspannt sitzen und so tun als wäre alles in Ordnung?

Haruka war jetzt leider fertig mit Tischdecken und musste sich wohl oder übel auch zu ihrem Vater an den Tisch setzen, wählte aber den von ihm am weit entferntesten Platz aus und starrte die Wand an.

Die Künstlerin war jetzt nur noch damit beschäftigt die beiden aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. Ihr wurde richtig schlecht bei dem Gedanken, dass dieser Kerl der so viel größer war als sie und bestimmt doppelt so breit war, ihre geliebte Haruka so zugerichtet haben soll. Sie selbst wäre wahrscheinlich nach nur einem Schlag von ihm schon ohnmächtig geworden, wenn nicht sogar tot. Wie konnte Haruka das nur aushalten?

„Michiru-san? Ist alles in Ordnung?“

„Äh, was?“

Michiru wendete ihren Blick vom Tisch ab und sah dann in das fragende Gesicht Sachikos, die senkte ihren Blick kurz und sah dann wieder hoch.

„Na ja, wie viel kleiner möchtest du das denn noch schneiden?“

Erschrocken sah Michiru vor sich auf die Arbeitsplatte. Sie hatte tatsächlich die Paprika, die sie eigentlich in Scheiben schneiden sollte komplett zerhackt.

„Oh Gott, tut mir wirklich leid.“

„Na ja, schon in Ordnung. Ich denke wir können sie trotzdem noch verwenden.“

Michiru versuchte sich jetzt mehr auf ihre Arbeit zu konzentrieren, sah aber dennoch regelmäßig zu den beiden am Tisch sitzenden. Keisuke hatte sich inzwischen eine Zeitung geschnappt und las seelenruhig in dieser, während Haruka immer noch verbissen die Wand anstarrte. Als die zwei Frauen endlich fertig mit dem Essen waren setzten auch sie sich an den Tisch. Von Keisuke kam ein überfreundliches "Das sieht ja wundervoll aus" und "Einen guten Appetit" was Michiru gänzlich den Appetit verderben ließ. Mühsam zwängte sie sich was von dem Essen runter.

„Sag mal Haruka, wann gehst du eigentlich mal wieder zum Training? Du bist ja nur noch hier.“ fragte Keisuke während des Essens.

„Das hängt davon ab, wann ich wieder hingehen darf.“ sagte sie kühl.

„Hä, wie meinst du das?“

„Ich habe Haruka eine kleine Auszeit vergönnt, da sie so schlecht in der Schule geworden ist.“ schaltete sich Sachiko ein.

„Du hast ihr das Training verboten? Aber die Saison fängt doch bald an! Wie konnte ihr Trainer das zulassen?“

Man sah Keisuke an, dass er überhaupt nicht begeistert davon war.

„Der Trainer meinte es wäre gar nicht schlecht, wenn sie mal ein bisschen Pause macht, da sie die Zeit davor schon wie eine besessene Trainiert hat. Ach, und er hat irgendwas von einem neuen Motor gesagt den sie einbauen wollen und noch irgendwas Mechanisches. Ich hab nicht alles verstanden, was er da erzählt hat.“

„Na, dann okay. Aber sobald die Technischen Sachen geregelt sind geht Haruka wieder zum Training, so was wie letztes Jahr darf nicht noch einmal passieren. Du hättest wirklich gewinnen können, wenn du dich mehr auf dein Training konzentriert hättest.“

Haruka versuchte wirklich mit aller Gewalt ruhig zu bleiben und weiter auf ihr Essen zu starren.

„Keisuke, du solltest Haruka nicht so unter Druck setzen. Sie hat wirklich ihr Bestes gegeben und ich bin wirklich froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Mir wäre es lieber sie würde überhaupt nicht mehr fahren.“

Michiru kam nicht wirklich mit, bei dem Gespräch, sah aber dass ihre Freundin sichtlich um Fassung rang.

„Darf ich fragen was passiert ist?“ fragte sie vorsichtig.

„Oh, sie hätte beinahe die Meisterschaft gewonnen, aber dann ist sie im Letzten rennen gestürzt und nur zweite geworden. Dieses Jahr darf dir das aber nicht passieren und deswegen gehst du so schnell wie möglich wieder zum Training!“ bestimmte Keisuke.

»Dieser Kerl ist echt das letzte! Wie kann er nur verlangen, dass sie zum Training gehen soll? Mit den Verletzungen die sie hat, darf sie frühestens in ein paar Wochen wieder Motorrad fahren! Und er weiß doch, dass sie Verletzt ist!« Michiru hatte ihr Essen inzwischen ganz von sich geschoben und tippte unruhig mit dem Finger auf den Tisch herum und sah diesen Keisuke finster an, der aber nichts davon mitbekam da er sich wieder seinem Essen zugewandt hatte. Nach dem Essen verschwand Keisuke direkt in sein Arbeitszimmer und die drei Frauen blieben allein zurück. Die Künstlerin konnte praktisch spüren wie Haruka sich wieder entspannte und entspannte sich auch etwas. Sie halfen noch beim Aufräumen und gingen dann wieder ins Wohnzimmer, um einen neuen Versuch mit den Hausaufgaben zu starten. Sachiko leistete ihnen auch wieder Gesellschaft aber zu ihrem Unglück kam auch Keisuke nach einiger Zeit dazu und setzte sich vor den Fernseher. Zum Glück saß Keisuke mit dem Rücken zu ihnen und Sachiko hatte sich inzwischen neben ihn gesetzt. Reden war wohl zu gefährlich, also nahm Michiru einen leeren Zettel zur Hand und schrieb Haruka etwas drauf.
 

Glaubst du er lässt uns nach oben gehen? Ich halt das hier drin echt nicht mehr aus!
 

Auf jeden Fall nicht zusammen! Aber ich würd auch gern abhauen.
 

Und wenn wir nach einander gehen? Ich wollte sowieso noch meine Eltern anrufen. In der zwischen Zeit könntest du doch schon mal hoch gehen, oder?
 

Klingt gar nicht schlecht. Aber er wird später bestimmt noch mal bei mir reingucken, ob ich auch wirklich noch da, und vor allem alleine bin!
 

Dann werden wir uns heute nicht mehr sehen?
 

Ich könnte ja zu dir kommen, sobald er bei mir war. Ich glaub nicht, dass er zweimal bei mir kontrolliert.
 

Okay, so machen wir’s! Ich werd dann jetzt meine Eltern anrufen. Du gehst nach oben und sobald ich fertig bin komm ich nach und wir sehen uns dann nachher, ja?
 

Von Haruka kam ein zufriedenes Nicken und Michiru stand auf.

„Sachiko-san, darf ich nochmal euer Telefon benutzen? Ich würd ganz gern noch mal bei meinen Eltern anrufen.“

„Aber natürlich. Und du brauchst nicht jedes Mal zu fragen. Du kannst das Telefon jederzeit benutzen.“

„Okay, danke.“

Michiru ging zum Telefon herüber und fing an zu telefonieren. Ein paar Minuten wartete Haruka noch dann stand sie ebenfalls auf.

„Ich bin fertig mit mein Aufgaben und geh jetzt schlafen, okay?

„Jetzt schon? Willst du nicht noch auf Michiru-san warten? Dann könnt ihr noch was zusammen machen.“ fragte Sachiko.

Haruka musste keine Gedanken lesen können, um zu wissen was ihr Vater jetzt gerade Dachte. Die Warnung war ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

„Ähm, nein. Ich bin ziemlich müde, deswegen geh ich lieber schlafe, also bis Morgen.“

„Na schön. Ich wünsch dir eine Gute Nacht.“

Haruka kramte die Bücher (und den Zettel) zusammen und verschwand dann nach oben.

Michiru musste ihrer Mutter und dieses Mal auch ihrem Vater, der im Hintergrund mit zuhören schien, wieder alles haargenau erzählen. Aber Michiru ließ wieder so einiges weg, was sie dieses Mal nur zu gerne erzählt hätte. Nach einer halben Stunde legte sie endlich wieder auf und ging zu den anderen beiden zurück.

„Wo ist denn Haruka? Ist sie schon nach oben gegangen?“

„Ja, sie war müde und ist schon schlafen gegangen.“

„Oh, ach so. Na, dann werd ich jetzt auch nach oben gehen und euch nicht weiter stören.“

„Du kannst gerne bleiben, wenn du noch nicht müde bist. Du störst uns wirklich nicht.“ sagte Sachiko.

„Nein, danke. Ich wollte sowieso noch eins meiner Bilder fertig malen.“

„Na, dann wünsch ich dir schon mal eine Gute Nacht.“

„Wünsch ich euch auch, danke.“

Das "euch" hätte sie am liebsten weggelassen, aber es sollte ja nichts auffallen also sagte sie es doch. Die Künstlerin ging dann auch aus dem Zimmer und so schnell wie möglich die Treppen rauf. Im Flur wartete, zu ihrer großen Überraschung Haruka an ihrer Tür lehnend auf sie.

„Was machst du denn hier? Ich dachte wir treffen uns erst nachher?“ fragte Michiru leise.

„Ich wollte aber nicht solange warten, außerdem wird er wohl noch ‘ne Zeit lang warten ehe er hochkommt. Er kann ja meine Mutter nicht so einfach da unten sitzen lassen.“ sagte Haruka weniger leise und zog Michiru sofort in ihre Arme, als die dicht genug bei ihr war, die erwiderte die Umarmung sofort und lehnte ihren Kopf gegen Harukas Brust.

„Aber wir können ja schlecht rein gehen, sonst überrascht er uns noch. Und hier draußen wird er uns auch sofort sehen.“

„Ja, ich weiß. Ich wollte mich ja auch nur noch von dir verabschieden.“

„Wieso verabschieden? Wir sehen uns doch nachher wieder, oder?“

„Klar, aber ich weiß ja nicht wie lange ich noch warten muss. Deswegen wollte ich dich jetzt noch mal sehen.“

Michiru hätte dahinschmelzen können.

„Oh, das ist so süß von dir. Ich vermiss dich jetzt schon.“

„Ich dich auch. Aber könntest du vielleicht etwas weniger zudrücken, du weißt doch meine Rippen.“

„Oh Gott, tut mir leid!“

Michiru war sofort zurück gesprungen.

„Hey, ich hab gesagt weniger drücken, nicht komplett loslassen.“ sagte Haruka und streckte Michiru eine Hand entgegen.

„Aber ich will dir nicht wehtun.“

Die Malerin ging noch einen Schritt weiter zurück und Haruka ließ den Arm wieder sinken.

„Vielleicht sollten wir jetzt so wieso besser reingehen. Bevor er noch hochkommt. Ich komm aber nachher auf jeden Fall noch zu dir.“

„Ich werde darauf warten.“

Michiru ging an Haruka vorbei zu ihrer Zimmertür und wollte sie gerade öffnen, als sie die Sportlerin auf einmal wieder hinter sich spürte.

„Warte. Was ist eigentlich mit meiner Belohnung? Ich hab doch so brav den Tisch gedeckt, und sogar mit Aufgeräumt.“

Michiru drehte sich um und war nur wenige Zentimeter von Harukas verführerisch blitzenden Augen entfernt. Sie musste kurz einmal schlucken dann lächelte sie.

„Mhm, das hast allerdings.“

Sie legte ihre Arme wieder um Harukas Nacken und zog sie die letzten Zentimeter zu sich runter. Sofort als sich ihre Lippen berührten, verschwand alles um sie herum. Der eigentlich kurz geplante Kuss wurde immer leidenschaftlicher und als Harukas Zunge um Einlass bat, ließ sie sie gewähren, in dem sie den Mund ein wenig öffnete. Ihre Zungen spielten immer weiter miteinander und dachten gar nicht daran wieder auf zuhören. Michiru wurde immer heißer und ihr Herz raste. Auf einmal spürte sie die Tür in ihrem Rücken und Haruka noch dichter an sich. Wo sie waren hatte Michiru schon längst vergessen, doch auf einmal löste sich Haruka abrupt von ihr und ging einen Schritt zurück.

„Entschuldige ... ich ... wir sollten das hier lieber nicht tun.“ sagte Haruka etwas verlegen.

Michiru brauchte ein paar Sekunden um wieder zu sich zukommen.

„Oh. Ähm, ja. Du hast Recht.“

Sie ging mit einem Lächeln auf die Blonde zu.

„Aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich seh dich dann Nachher, ja?“ sagte sie und gab der Großen noch einen kurzen Kuss auf die Lippen, drehte sich dann um und verschwand dann in ihr Zimmer.

„Auf jeden Fall!“ sagte Haruka schon zur verschlossenen Tür und ging dann ebenfalls in ihr Zimmer, dort entledigte sie sich sofort der Schuluniform, zog sich noch ein Muskelshirt über und legte sich dann gleich ins Bett, um darauf zu warten dass ihr Vater kam, und hoffentlich gleich wieder ging, und auch nicht wieder kam.

Wie alles begann

Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Haruka hatte das Gefühl schon Stunden hier zu liegen und sie fragte sich inzwischen, ob ihr Vater überhaupt noch kam. Aber sie blieb weiter liegen. Er würde kommen, das wusste sie. Und sie sollte Recht behalten. So gegen Mitternacht ging auf einmal ihre Tür auf. Sie hatte sich extra mit dem Gesicht von der Tür weg hingelegt und sah jetzt den Schatte ihres Vaters an die Wand projiziert. Er ging einige Schritte ins Zimmer rein und sah sich etwas genauer um, was Haruka echt schon in Panik versetzte, doch dann drehte er sich plötzlich um und verschwand aus dem Zimmer wieder. Erleichtert atmete sie aus und drehte sich vorsichtig zur Tür um. Er war wirklich weg. Sie wartete aber noch eine viertelstundelang, erstens weil sie sich erst mal wieder beruhigen musste und zweitens für den Fall, dass er doch noch mal wieder kam. Dann stand sie auf und ging durch das Badezimmer, welches beide Räume mit einander verband in Michirus Zimmer hinein. Es bildete sich sofort ein Lächeln auf ihren Lippen, als sie die Künstlerin an ihrem Schreibtisch sitzen sah und offenbar ziemlich in ihre Arbeit vertieft war, denn sie schien Haruka nicht zu bemerken. Auch nicht als diese direkt hinter ihr stand und über ihre Schulter das Bild betrachtete, welches sie gerade malte.

„Das bin ja ich!“

„Oh Gott!“

Michiru wäre fast vom Stuhl gefallen, so sehr hatte sie sich erschrocken.

„Haruka! Musst du dich so von hinten anschleichen? Du hast mich zu Tode erschrocken.“

„Entschuldige, das wollt ich nicht. Aber geschlichen bin ich nicht, du hast mich nur nicht gehört.“ sagte Haruka grinsend.

„Dann sei das nächste Mal ein bisschen lauter.“

„Wenn du willst, dass ich alle im Haus aufwecke, klar.“

„Nein, natürlich nicht. War der Kerl denn schon bei dir? Er hat dir doch nichts getan, oder?“ fragte Michiru mit sorgenvollem Blick.

„Ja, er war bei mir und ist zum Glück auch gleich wieder gegangen. Er scheint zufrieden gewesen zu sein.“

„Gut, ich hab mir echt Sorgen gemacht.“

Die Malerin stand auf und umarmte Haruka kurz aber nicht zu fest, um ihr nicht wieder wehzutun.

„Ach, ja? Du warst doch so vertieft in dein Bild, dass du mich nicht mal gehört hast. Dir ist doch bestimmt gar nicht aufgefallen wie die Zeit verging, während ich da drüben die ganze Zeit still im Bett liegen musste.“ sagte Haruka gespielt beleidigt.

„Ich hab nur versucht mich abzulenken, damit ich nicht auf die Idee komme zu dir zukommen, um zusehen ob alles in Ordnung ist.“ verteidigte sich Michiru.

„Ach, du wolltest dich von mir ablenken? Und dann wählst du ausgerechnet mich als Motiv für dein Bild, welches mich jetzt wirklich brennend Interessiert.“

„Haruka setzte sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und zog dann die Türkishaarige vorsichtig auf ihren schoss.

„Es ist aber noch nicht fertig.“

„Wow, dafür sieht es aber schon täuschend echt aus. Du bist wirklich gut.“

„Danke.“

„Kann ich noch mehr Bilder von dir sehen?“

„Wenn du möchtest. Alle meine Bilder sind in der Mappe da vorn. Du darfst aber nicht lachen.“

„Warum sollte ich das tun?“ fragte Haruka verwundert.

„Na ja, ich hab in letzter Zeit nicht allzu unterschiedliche Motive gewählt.“ sagte die Künstlerin verlegen.

Etwas Irritiert griff Haruka nach der Mappe und öffnete sie. Dann sah sie Michiru ungläubig an und blätterte die Zeichnungen durch.

„Nicht allzu unterschiedliche Motive? Michiru, ich bin das einzige Motiv hier drin! Wann hast du die denn alle gemalt? Ich mein, wir kennen uns doch erst seit vier Tagen.“ fragte sie ungläubig aber mit einem Lächeln im Gesicht.

„Also angefangen hab ich Samstagnacht und dann, weil du ja nicht da warst auch noch Sonntag und eben ja auch noch welche. Es sind wirklich ‘n bisschen viele geworden, oder? Aber ich konnte einfach nicht aufhören.“

„Na ja, sie sind aber auch wirklich gut. Heißt das, du hast schon am Samstag etwas für mich empfunden?“ fragte die Sportlerin neugierig.

„Ich hab vom ersten Blick an etwas für dich empfunden, wusste aber noch nicht wirklich etwas damit anzufangen. Aber nach dem Ausflug mit dir, hab ich mir ernsthaft Gedanken darüber gemacht und nach dem ersten Schultag musste ich mir endgültig eingestehen, dass ich mich wirklich in dich verliebt habe.“ erzählte Michiru ihr.

„Und es hat dir wirklich nichts ausgemacht, dass ich ein Mädchen bin?“

„Am Anfang schon etwas, aber je mehr ich mit dir zusammen war, desto weniger habe ich darüber nachgedacht und jetzt, wo ich auch noch weiß, wie du ohne dieses Shirt hier aussiehst, will ich es gar nicht mehr anders haben.“

Sie spielte mit ihren Fingern an dem Träger des Shirts rum und sah dabei Haruka verführerisch an. Dieser Blick machte die Sportlerin ziemlich nervös, konnte daraufhin aber auch nur grinsen.

„Ach so, deshalb musste ich mich also erst mal ausziehen, damit du dir Sicher bist, dass du damit klar kommst?“

„Das ist überhaupt nicht witzig, Haruka. Du weißt genau, warum du dich ausziehen musstest. Und du sagt es wenn ich dir wehtue, ja? Ich kann mir auch einen zweiten Stuhl holen.“

„Du tust mir nicht weh. Und ich finde es sehr angenehm mit dir auf meinem Schoss, also bleibst du wo du bist.“ sagte Haruka bestimmend.

„Ach, du gibst mir jetzt schon befehle? Ich weiß nicht, ob ich das so gut finde.“ erwiderte sie gespielt schockiert.

„Doch tust du. Und jetzt küss mich.“

„Du hörst ja gar nicht mehr auf damit. Aber den Kuss kriegst du erst, wenn du mir erzählst wie es bei dir war.“

„Hä? Wie was bei mir war?“

„Na, wann hast du dich denn in mich verliebt? Ich hatte am Anfang den Eindruck, du würdest mich hassen.“

„Ach so, also dein Körper hab ich schon von der ersten Sekunde an geliebt. Aber du weißt schon wer, hat mir ganz klar gesagt, dass ich die Finger von dir lassen soll, also wollte ich dich hassen. Ich wollte dir aus dem Weg gehen aber meine Mutter hat mich ja nicht gelassen. Und beim Frühstück, als wir uns in die Augen gesehen haben, irgendwie war das ein ganz merkwürdiges Gefühl, und beim Lernen hat mich deine Anwesenheit so beruhigt, dass ich nicht die geringsten Schwierigkeiten hatte, mich zu konzentrieren. Na ja, obwohl du mich schon ein bisschen abgelenkt hast. Und als ich wieder vor dir fliehen wollte bist du mir plötzlich in die Arme gefallen und ich konnte es dann einfach nicht lassen, dich zu fragen ob ich dich irgendwohin fahren soll. Der Ausflug selbst hat mir so viel Spaß gemacht, wie schon lange nichts mehr. Das hat mir echt schon Angst gemacht, also bin ich abgehauen und hab den gesamten Sonntag damit verbracht dich aus meinem Kopf zu kriegen. ... Ich bin kläglich gescheitert. Ich hatte mich echt darauf gefreut dich Gestern mit zur Schule nehmen zu können und dann bist du einfach alleine los. Aber ich hab dich ja doch noch eingeholt. Die Zeit mit dir in der Schule und auch am Strand das war einfach wundervoll und ich konnte einfach nicht genug von dir bekommen. Aber dann ist er ja wieder aufgetaucht, und hat mir, mal wieder überdeutlich gesagt, dass ich mich von dir fernhalten soll. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich so abweisend behandelt hab. Ich war so wütend auf mich und ihn, dass ich mich einfach nicht mehr halten konnte, als sich dieser widerliche Kerl so an dich ran gemacht hat. Und dann musste dieser Mistkerl ja ausgerechnet meine Rippen rammen. ... Ich denke, ich hab dich schon die ganze Zeit über geliebt, aber erst als du es mir gesagt hast, wurde es mir bewusst.“

„Du brauchst dich nicht dafür entschuldigen. Ich versteht, warum du das getan hast. Erzählst du mir jetzt wie das mit deinem Vater angefangen hat?“

„Ich erzähl ‘s dir, aber was ist mit dem versprochenem Kuss?“

„Ach, so was vergisst du nicht, was?“

„Bestimmt nicht!“

Michiru zeigte Gnade und beugte sich zu ihr herunter, um sie zärtlich zu küssen. Sie hätte sich schon wieder völlig darin verlieren können, doch sie schaffte es, sich nach einiger Zeit wieder von ihr zu lösen.

„Daran könnte ich mich echt gewöhnen.“ hauchte Michiru.

„Das musst du sogar. Ich werde nicht mehr darauf verzichten können. Nicht, nachdem ich weiß wie unbeschreiblich gut sich das anfühlt.“

„Aber ich dachte, du hättest schon viele Mädchen geküsst.“

„Das hab ich auch, aber das war nichts im Vergleich hierzu. Es ist wohl doch etwas anderes, wenn man für sein gegenüber wirklich etwas empfindet.“

„Du hast nicht für eine etwas empfunden? Und trotzdem hast du mit ihnen geschlafen?“

„Ähm, ja.“

„Also, ich könnte das nicht.“

„Aber nur, weil du nicht weißt, wie es ist.“

„Dann hast du bei deinem ersten Mal also doch was für das Mädchen empfunden?“

„Äh, eigentlich nicht. Ich fand sie nur ziemlich heiß.“

„Ach, ja? Wann war das denn? Und wer war sie? Und sah sie etwa besser aus als ich?“

„Okay, jetzt sind wir wieder bei der Sache mit meinem Vater angekommen. Das hängt nämlich zusammen. Und natürlich sah sie nicht besser aus als du. Im Vergleich mit dir, sieht jedes andere Mädchen gewöhnlich und langweilig aus.“

„Hhmm, gut gerettet. Und das mit deinem Vater wolltest du mir ja sowieso erzählen, oder?“

„Ist gut. Aber können wir uns dafür woanders hinsetzen, meine Beine schlafen langsam ein.“

„Ach, eben durfte ich noch nicht von dir runter gehen. Aber gut, ich will ja nicht das deine wundervollen Beine noch absterben.“

Michiru stand auf und streckte sich kurz.

„Ich werd mir dann mal einen zweiten Stuhl holen.“

„Wozu? Hier steht doch so ein super bequemes Bett in der Gegend rum.“

Haruka war auch aufgestanden und legte sich jetzt einfach rücklings auf das große Himmelbett.

„Von wegen deine Beine sind eingeschlafen. Du wolltest mich also nur ins Bett kriegen, was?“

„Du denkst viel zu schlecht von mir. Es ist nur viel bequemer und wir passen ganz zu fällig auch noch beide drauf.“

„Aber natürlich.“ lächelte Michiru.

Sie legte sich seitlich neben Haruka auf das Bett und stützte ihren Kopf auf die Hand ab, um sie ansehen zu können. Haruka lächelte sie noch einmal kurz an dann überlegte sie.

„Also gut, wo fang ich an? ...... Ich wusste eigentlich schon immer, dass ich auf Mädchen stehe. Na ja, das heißt, seit dem Zeitpunkt an, an dem man sich für so was interessiert. Ich fand Mädchen einfach viel attraktiver, als Jungs. Durch mein Aussehen, hatte ich auch nie Probleme an Mädchen ranzukommen und das hab ich ausgenutzt. Ich hab viel mit Mädchen rumgeknutscht, bin aber nicht weitergegangen, weil ich nicht wusste wie sie reagieren, wenn sie rausfinden, dass ich ein Mädchen bin. Bis zu meinem sechzehnten Geburtstag. Ich hab an dem Tag auch noch den Vertrag als Profi Rennfahrer unterschrieben und mein Boss hat ‘ne riesen Fete veranstaltet. Und da war dieses Mädchen. Sie war wirklich heiß und ich wollte sie unbedingt. Sie war auch nicht abgeneigt und ist voll auf mein Flirtspiel eingegangen. Dummerweise bin ich auf die Wahnsinns Idee gekommen sie mit nachhause zunehmen. Wir haben wirklich ‘ne tolle Nacht miteinander verbracht und es war überraschend einfach sie davon zu überzeugen trotzdem mit mir zu schlafen, obwohl sie ziemlich geschockt darüber war, dass ich kein Mann bin. ... Am nächsten Morgen kam er auf einmal in mein Zimmer gepoltert und hat uns gesehen. ........ Meine Beziehung zu ihm, war schon immer distanziert. Er hat sich noch nie für mich interessiert. Nur im Sport hat er mich unterstützt, obwohl unterstützt stimmt nicht ganz, er hat mich eher gedrängt, nachdem er gemerkt hatte, dass ich gut darin bin. Ich musste immer und überall gewinnen, das war für ihn das Wichtigste. Ich wollte eigentlich nur den Wind spüren und Spaß dabei haben. Zum Glück war ich so gut, dass ich auch fast immer gewonnen habe und kaum Probleme mit meinem Vater hatte. Eine Zeit lang dachte ich wirklich, er wäre stolz auf mich, aber heute weiß ich, dass er nur auf das Geld und vor allem das ansehen, was seine Familie dadurch bekam, aus war. Ich hatte meinen Eltern nie erzählt, dass ich auf Mädchen stehe, weil ich nicht genau wusste, was sie dazu sagen würden, und dachte es sei nicht so wichtig. Als er uns dann da im Bett erwischt hat, hat er mich auf einmal angesehen, als hätte ich irgendeine widerliche Krankheit oder so. Ich hab wirklich Angst bekommen und zwar zu Recht. Er hat meine Begleitung sofort rausgeschmissen und ist dann auf mich losgegangen. Er hat auf mich eingeschlagen und getreten, dass ich ja nicht noch einmal daran denken soll so etwas Abartiges zu tun. Von da an hat er mich immer beobachtet, hat jeden Schritt von mir kontrolliert. Ich hab mich nicht an seine Regeln gehalten. Ich wollte nicht verleugnen was ich bin und hab zum Trotz und zum vergessen, na ja auch zum Spaß, mit sämtlichen Mädchen geschlafen, die sich mir an den Hals warfen. Immer, wenn er etwas davon mitbekam, hat er mich in sein Arbeitszimmer geschleift und versucht es aus mir heraus zu prügeln. Einige Male hab ich auch versucht zurück zu schlagen, war keine gute Idee. Ich konnte einfach nichts gegen ihn Ausrichten und er hat dann nur noch stärker zugeschlagen. Einmal hätte er mich wirklich fast umgebracht. Er hat dann doch schnell einen Krankenwagen gerufen und ich bin ins Krankenhaus gekommen. Den Ärzten hat er erzählt, ich hätte mich mit irgendwelchen Jungs geprügelt. Die Bullen haben ihm natürlich geglaubt, aber die Täter bis heute nicht gefunden. In dem letzten Rennen letztes Jahr, bin ich nur gestürzt, weil er es den Abend davor auch nicht lassen konnte, auf mich einzuschlagen. Bei dem Sturz selbst, ist mir außer einigen Schrammen und noch mehr Prellungen und blauer Flecke nichts passiert, aber da wurde wieder klar, dass mir niemand glauben würde. Die Ärzte die mich nach dem Sturz untersucht haben, hatten nicht mal angenommen, dass ich geschlagen worden sein könnte. Sie hatten alle Verletzungen dem Unfall zugeordnet und er hat mir natürlich deutlich gesagt, dass ich gefälligst die Klappe halten soll, und dass es eh mal wieder meine Schuld gewesen wäre.“

„Ist es aber nicht.“ sagte Michiru bestimmend.

Haruka hatte, während sie das erzählt hatte, die ganze Zeit ernst an die Decke des Bettes gestarrt. Erst jetzt sah sie Michiru wieder an und es bildete sich ein Lächeln in ihrem Gesicht.

„Ja, das weiß ich. Du hast mir sämtlich Zweifel genommen.“

„Ich danke dir, dass du es mir erzählt hast. Es war bestimmt nicht einfach für dich.“

Michiru kuschelte sich vorsichtig an Haruka heran und legte ihren Kopf auf deren Brust ab.

„Eigentlich war es sogar sehr befreiend.“ sagte Haruka und legte ihren Arm um sie.

„Dann erzähl es doch bitte auch deiner Mutter.“ flehte die Künstlerin.

„Ich sagte doch schon, dass ich das nicht kann.“

„Aber sie wird das beenden können, da bin ich sicher.“

„Was sollte sie denn tun? Sie hat doch nicht den Hauch einer Chance gegen ihn. Er hat überall einflussreiche Freunde, die ihm bestimmt noch den ein oder anderen Gefallen schulden. Er würde niemals im Gefängnis landen.“

„Aber er würde mit Sicherheit nicht mehr in deine Nähe kommen, weil er sonst nur riskieren würde doch noch aufzufliegen.“

„Oder uns einfach alle umbringen lassen. Nein, es geht nicht.“

„Du bist viel zu pessimistisch, Ruka. Ich bin mir sicher es kann nur besser werden.“

„... Ruka?“ fragte Haruka irritiert und sah Michiru fragend an.

„Soll ich dich nicht so nennen? Mir gefällt es irgendwie“ strahlte die zurück.

„Du kannst mich nennen wie du möchtest. Aber nicht vor meiner Mutter.“

„Wieso nicht?“

„Na ja, ich hab ihr verboten mich so zu nennen oder noch mit dem "-chan" dahinter.“

„Und wieso darf ich dich dann nennen wie ich möchte?“

„Aus deinem Mund hört sich einfach alles gut an und bekommt auch noch eine ganz andere Bedeutung.“ grinste Haruka.

„Na gut, ich werd mich bemühen es vor ihr nicht zu verwenden, Ruka-chan.“ grinste Michiru zurück.

„Oh Mann, das hätt ich dir jetzt besser nicht verraten, was?“

„Hast du aber und jetzt wirst du es auch nicht mehr los, Ruka-chan.“

„Okay, bitte lass wenigstens die Endung weg, ja?“ flehte Haruka.

Die Künstlerin lachte innerlich und kuschelte sich noch etwas mehr an ihre Freundin heran. Eine Weile lagen beide aneinander gekuschelt schweigend da, bis Michiru die Stille wieder brach.

„Musst du eigentlich wieder zurück in dein Zimmer oder kannst du bleiben?“

„Ich soll bei dir schlafen?“ fragte Haruka etwas überrascht.

„Wieso nicht? Ich find‘s hier sehr gemütlich. ... Aber ich meine wirklich nur schlafen.“ fügte sie noch schnell hinzu.

„Ich hab auch an nichts anderes gedacht, ganz ehrlich. Eigentlich dürfte er nicht noch einmal bei mir reinkommen, schließlich muss er ja auch mal schlafen. Aber wir müssten Morgen früh auf jeden Fall getrennt nach unten gehen, dann bekommt er vielleicht nichts mit.“

„Ich weiß nicht, vielleicht war es doch keine so gute Idee.“

„Was? Erst machst du mir so ein verlockendes Angebot und dann willst du es einfach wieder zurückziehen?“

„Ich will nur nicht, dass dir was passiert.“

„Ich glaub, es ist nicht zu riskant, also würde ich gern bleiben.“

„Okay, ich werd mir mal eben was anders anziehen gehen. Ich hatte eigentlich nicht vor in dieser Uniform zu schlafen.“

Michiru löste sich aus Harukas Umarmung und stieg vom Bett, holte ihr Nachthemd unterm Kopfkissen und ging damit ins Badezimmer.

„Ach, du darfst also ins Bad gehen ja? Während ich mich direkt vor dir entblößen musste?“

„Na, ich will dich ja nicht in Versuchung führen.“ zwinkerte Michiru und warf ihr ein Grinsen zu.

Haruka konnte drüber auch nur Grinsen und machte es sich schon mal unter der Bettdecke bequem. Nach einer ewig andauernden Viertelstunde kam Michiru endlich aus dem Badezimmer raus.

„Das hat ja ewig gedauert. Was hast du denn da ...“

Weiter kam Haruka nicht mehr, denn sie bekam gerade Michiru in ihrem kurzen weißen Nachthemd zu Gesicht und das ließ ihr glatt die Kinnlade runterfallen.

„Hast du nicht eben noch gesagt du willst mich nicht in Versuchung führen?“

Michiru blieb stehen und sah kurz an sich runter, dann wieder zu Haruka, die sie mit geweiteten Augen anstarrte.

„Wieso? Soll ich etwas anders anziehen?“ fragte sie schmunzelnd.

„Nein! Das ist perfekt.“

Haruka schüttelte heftig mit dem Kopf.

„Also gefällt es dir?“

„Ob es mir gefällt? Du siehst einfach atemberaubend darin aus.“

Ein unbeschreibliches Lächeln bildete sich auf Michirus Gesicht und auch wieder ein Hauch von Röte.

Sie machte noch kurz das Licht aus und kam dann zu Haruka unter die Decke gekrochen und kuschelte sich wieder an sie heran.

„Was machen wir eigentlich in der Schule? Wird dein Vater dich dort auch kontrollieren?“ fragte Michiru einige Zeit später schon mit geschlossenen Augen.

„Ich denke nicht. Er hat sich noch nie für mein Schulleben Interessiert. Außerdem denkt doch schon die gesamte Schülerschaft wir wären zusammen. Jetzt hat sie eben mal Recht. Aber wir sollten vorsichtig sein, wenn die Presse davon erfährt wird das in sämtlichen Zeitungen stehen. Und das würde er auf jeden Fall mitbekommen.“

„Also nicht zu auffällig, oder?“

„Genau.“

„Ich denke, damit kann ich leben. ... Gute Nacht, Ruka. Ich liebe dich.“ hauchte Michiru noch und war kurz darauf eingeschlafen.

„Ich liebe dich auch, Michi.“ erwiderte die Sportlerin glücklich und schlief auch bald darauf ein.

Im Einklang

Michiru erwachte aus einem wundervollen Traum und hatte das Gefühl noch nie so gut in ihrem Leben geschlafen zu haben. Sie versuchte sich von der Seite auf den Rücken zu drehen, kam sich dabei aber irgendwie befangen vor. Sie öffnete die Augen und entdeckte einen Arm um ihren Bauch gelegt. Erschrocken sah sie zur Seite. »Oh mein Gott! Es war gar kein Traum. Sie ist tatsächlich hier!« Michiru konnte es nicht fassen. Es war wirklich alles wahr, was gestern passiert war, sowohl die unbeschreiblich schönen, als auch die wirklich grausamen Dinge. Aber die versuchte sie jetzt erst mal auszublenden und betrachtete die noch schlafende Haruka neben sich. Die Sportlerin lag flach auf dem Bauch und hatte das Gesicht zu Michiru gewandt. Michiru konnte das einfach nur süß finden. Zaghaft streckte sie eine Hand in ihre Richtung aus und strich dann sanft über ihre Wange. Haruka schien nicht das Geringste davon mitzubekommen, also fuhr sie weiter über ihr Gesicht über die Schläfe rauf zur Stirn, um einige der Blonden strähnen zur Seite zu streifen, dann weiter zwischen den Augen hindurch über ihre Nase, um dann ihre Finger auf ihren Mund zu legen. Jetzt schien die Schlafende doch etwas zu bemerken, denn sie zuckte etwas mit den Augen. Michiru grinste und fuhr die Strecke rückwärst wieder hinauf zur Stirn und dann runter um wieder bei der Wange zu landen. Haruka ließ ein grummelndes Geräusch von sich und drehte den Kopf zur anderen Seite. Die Violinistin sah kurz auf die Uhr. Es war erst sieben also konnte sie Haruka ja noch ein wenig schlafen lassen. Sie stieg aus dem Bett und ging erst mal duschen. Nach etwa zwanzig Minuten kam sie wieder zurück ins Zimmer und konnte sehen, dass sich ihre Freundin offenbar nicht einen Millimeter bewegt hatte. Michiru zog sich noch schnell ihre Uniform an und ging dann wieder zum Bett rüber. Sie kniete sich direkt vor Harukas Gesicht an die Bettkante.

„Haruka? ... Ruka, wach auf.“ sagte sie leise.

Ein weiteres grummeln war zu hören und der Kopf schwang wieder zur anderen Seite. Michiru hob eine Hand und ließ sie über Harukas Arm streichen.

„Ach, bitte. Ich hatte gehofft, wir könnten noch etwas Zeit mit einander verbringen, ehe wir runter müssen.“

Harukas Kopf drehte sich in Michirus Richtung zurück und sie versuchte zu blinzeln. Ein Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht als sie die Künstlerin erkannte. Doch dann verschwand das Lächeln wider und sie sah irgendwie verärgert aus.

„Du bist ja schon angezogen.“

„Ja, und ich hab auch schon geduscht. Ich warte nur noch auf dich.“

„Aber wieso bist du denn schon angezogen?“

„Na, wir müssen gleich zur Schule, deswegen.“

„Das Nachthemd hat mir aber besser gefallen.“

„Ich kann aber schlecht in meinem Nachthemd zur Schule gehen, oder?“

Haruka richtete sich etwas auf und Michiru setzte sich vor ihr auf das Bett.

„Nein. Aber du hättest ja auf mich warten können oder mich vorher schon wecken können. Wie spät ist es überhaupt?“

„Ich dachte, ich lass dich noch ein wenig schlafen und es ist fast halb acht.“

„Was so früh noch? Wie kannst du um diese Zeit schon freiwillig aufgestanden sein?“

Haruka ließ sich zurück ins Bett fallen und zog sich die Decke übern Kopf.

„Hey, ich dachte du stehst jetzt auf?“

Es war nur irgendein unverständliches Murmeln zu hören. Das fand Michiru jetzt aber gar nicht witzig also stand sie auf und zog Haruka kurzerhand die Bettdecke weg. Die zuckte sofort zusammen und zog die Beine an den Körper ran.

„Ah, das ist kalt! Gib mir sofort die Decke zurück!“

„Wenn du sie zurück haben willst, musst du sie dir schon selbst holen.“ lachte Michiru.

Haruka sah sie kurz finster an, dann grinste sie, richtete sich auf und griff nicht nach der Decke, sondern nach Michirus Handgelenk und zog sie zu sich ins Bett. Michiru hätte fast vor Schreck aufgeschrien, konnte es aber gerade noch so unterdrücken. Jetzt lag sie auf einmal auf dem Rücken im Bett und Haruka seitlich über ihr.

„Ich nehme lieber dich.“ hauchte Haruka und kam ihr immer näher.

Michirus Puls war schon wieder mächtig in die Höhe gestiegen und ihr Atem ging unregelmäßig. Sie kam ihr das letzte Stück entgegen um den erwarteten Kuss noch schneller zu erhalten. Wie von selbst wanderten ihre Hände wieder in Harukas Nacken und zogen sie noch mehr in den Kuss hinein. Immer länger und verlangender küssten sie sich. Michirus Finger durchwühlten das Blonde kurze Haar und ein wohliges Seufzen entglitt ihr. Harukas Hand wanderte von Michirus Hüfte immer weiter den Oberschenkel hinab, an dem Rock der Schuluniform vorbei. Unterhalb diesem angekommen wanderten sie an der nackten Haut wieder hinauf. Das merkte Michiru jetzt aber doch und ließ plötzlich Panik in ihr aufsteigen. Ihre Hände schossen zu Harukas Schultern und drückten sie nach oben, um den Kuss zu unterbrechen.

„Haruka, ich ...“

Haruka sah sie völlig entgeistert an, dann betrachtete sie kurz die Situation.

„Oh! Tut mir leid. Ich ... wollte nicht ...“

Sie hatte sich so von ihren Gefühlen leiten lassen, dass sie nicht mal mitbekam, wo ihre Hand im Begriff war hin zuwandern. Schnell zog sie sie wieder zurück und richtete sich auf.

„Nein, ist schon gut, mir tut‘s leid. Aber ... das geht mir doch ein wenig zu schnell.“ sagte Michiru unsicher und richtete sich ebenfalls auf.

„Ja, ... nein, ... ich weiß, ... ich mein, ... ich wollte das auch gar nicht, also es war ... nur ein Versehen. Entschuldige.“ versuchte Haruka zu erklären.

Schweigend saßen sie sich auf dem Bett gegenüber und sahen verlegen zur Seite. Bis Haruka sich wieder gefasst hatte. Sie streckte einen Arm nach Michiru aus und legte ihr ihre Finger unters Kinn und hob es etwas an, damit sie ihr in die Augen sehen konnte.

„Ich hab mich eben hinreißen lassen, das tut mir wirklich leid, aber es wird nicht wieder vorkommen. Nicht solange du nicht willst. Ich werde dich zu nichts drängen, also lass dir einfach so viel Zeit wie du brauchst, okay?“

Erleichtert ließ sich die Kleinere in ihre Arme sinken.

„Okay. Danke, Haruka. Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“ hauchte Haruka in die türkisen Haare hinein.

„Ich werd dann jetzt auch mal Duschen gehen und mich anziehen.“ sagte sie dann weiter.

Michiru löste sich wieder von ihr und nickte ihr zu. Die Sportlerin stand auf und ging ins Badezimmer. Das heiße Wasser der Dusche machte sie erst richtig wach und tat auf ihrem geschundenen Körper richtig gut. Danach ging sie erst mal in ihr Zimmer und zog sich an. Es war erst acht, also könnte sie ja noch eine gute halbe Stunde mit Michiru auf deren Zimmer verbringen, daher schlug sie den Weg zum Badezimmer wieder ein. Wurde aber durch das Aufreißen ihrer Zimmertür davon abgehalten.

„Oh gut, du bist schon wach.“

Völlig versteinert war Haruka in ihrem Gang stehen geblieben. Keisuke schloss die Tür hinter sich und kam jetzt langsam auf sie zu.

„Mir scheint, als würdest du langsam begreifen, was gut für dich ist. Ich bin nur hier um dir zusagen, dass ich dich weiterhin nicht aus den Augen lassen werde. Nur, weil du dich mal für einen Tag zusammen reißen konntest.“

Haruka hoffte und betete, dass nicht gleich Michiru durch die Badezimmertür geschossen kam und dass er so schnell wie möglich wieder gehen würde.

Michiru hatte inzwischen all ihre Schulsachen gepackt und wartete ungeduldig auf die Rückkehr ihrer Freundin. Das Rauschen der Dusche war schon längst erloschen also musste sie schon beim Anziehen sein. Sie wollte sie nicht aus Versehen im Bad überraschen also ging sie nach draußen über den Flur zu Harukas Tür und klopfte an.

„Haruka, kann ich reinkommen?“

Verzweifelt riss Haruka die Augen auf und sah zur Tür, dann wieder ihren Vater an. Der sah ebenfalls kurz zur Tür.

„Na los, bitte sie schon rein. Du hast eine Minute, dann ist wenigstens eine von euch in der Küche unten angekommen, klar?“ zischte er sie an.

Haruka nickte heftig.

„Komm rein.“ erhob sie ihre Stimme.

Michiru öffnete die Tür und hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, als sie Keisuke entdeckte. Geschockt blieb sie in der Tür stehen.

„Guten Morgen, Michiru-san. Ich hatte nur kurz etwas mit meiner Tochter zu besprechen, aber wir sind fertig also kannst du ruhig hereinkommen. Ich werd dann schon mal runter gehen.“ sagte er aufgesetzt höflich.

„Guten Morgen, Tenoh-san.“

Michiru versuchte wirklich höflich und unbeeindruckt zu klingen und es gelang ihr erstaunlich gut.

„Ach, bitte. Du kannst mich Keisuke nennen. Also dann bis gleich.“

Er warf seiner Tochter noch einen mahnenden Blick zu und ging dann an Michiru, die etwas zurück wich, vorbei in den Flur und dann die Treppe runter. Sofort als er hinter der Ecke verschwunden war lief Michiru zu Haruka herüber.

„Ist alles in Ordnung? Hat er dir was getan? Hat er was bemerkt? Bist du Verletzt?“ fragte sie panisch.

„Nein. Es ist alles in Ordnung. Ich glaub, er hat nichts bemerkt. Ich war zum Glück schon in meinem Zimmer, als er reinkam. Und Gott sei Dank hast du angeklopft und nichts gesagt was irgendwie komisch für ihn geklungen hätte. Ich glaub, wir sollten einige Regeln aufstellen, was wir sagen und wie wir uns verhalten sollten, sobald wir uns getrennt haben.“

Erleichtert atmete Michiru erst mal aus und versuchte sich wieder einigermaßen zu entspannen.

„Ja, du hast Recht. Was wollte er denn?“

„Das erzähl ich dir später. Er hat mir eine Minute gegeben um unten zu erscheinen und ich fürchte die ist gleich um, also komm schnell.“ sagte Haruka hektisch.

Sie nahm Michiru an die Hand und verließ mit ihr das Zimmer. Erst kurz vor der Küche ließ sie ihre Hand wieder los und ging mit etwas Vorsprung in die Küche hinein. Keisuke saß schon mit einer Zeitung in der Hand am Tisch und tat so, als würde ihm das Eintreten seiner Tochter nicht im Geringsten interessieren, während Sachiko sie und Michiru freudestrahlend begrüßte.

„Guten Morgen ihr zwei. Haruka du bist schon wach?“

„Äh, ja. Muss wohl daran liegen, dass ich gestern schon so früh ins Bett gegangen bin.“ sagte sie immer noch ein wenig nervös.

„Na, dann solltest du das vielleicht öfter tun.“ lächelte Sachiko.

Haruka setzte sich wieder so weit weg wie möglich von ihrem Vater an den Tisch und auch Michiru setzte sich. Wenn sie beim Frühstück geholfen hätte, wär bestimmt wieder irgendetwas zu Kleinholz verarbeitet worden, deswegen ließ sie es lieber bleiben. Sachiko reichte ihnen allen nach einander etwas zu essen und setzte sich dann selbst an den Tisch. Einen Moment sah sie alle nach einender an und fand die Stimmung hier drin plötzlich ziemlich kalt. Keisuke las unbekümmert in seiner Zeitung, Haruka schien irgendwie angespannt und abwesend zu sein und bei Michiru fand sie einen Blick, der ihr irgendwie unheimlich war und sogar nicht zu ihrem Engelsgleichen Gesicht passen wollte. Sie fand es auch merkwürdig, dass zwischen jedem am Tisch ein Platz frei zu sein schien. Gestern hatten Haruka und Michiru noch nebeneinander gesessen. Heute war ein Platz zwischen ihnen Frei und doch hatte sie das Gefühl, die beiden währen sich näher, als sonst. Sie fragte sich, ob vielleicht irgendetwas zwischen Haruka und Michiru vorgefallen sein könnte, was sie nicht mitbekommen hatte. Entschlossen nahm sie sich vor, es auf jeden Fall heraus zu finden und widmete sich erst mal ihrem Essen zu. Fast eine halbe Stunde lang saßen die vier schweigend am Tisch, dann stand Haruka auf.

„Wir sollten jetzt langsam los.“

„Ja, du hast Recht.“

Michiru stand ebenfalls auf.

„Na gut, ich wünsch euch dann viel Spaß in der Schule.“ sagte Sachiko freudig.

„Danke.“ kam von den beiden und sie verließen den Raum.

„Findest du nicht die zwei benehmen sich seltsam?“ fragte Sachiko ein paar Minuten später.

„Seltsam? Wieso?“

Ihr Mann sah sie fragend an.

„Ich weiß nicht. Sie wirkten nur so angespannt.“

„Na, vielleicht haben sie sich ja gestritten.“

„Hhmm, möglich.“

Doch Sachiko war nicht überzeugt. Die zwei wirkten nicht als hätten sie miteinander ein Problem, sondern, als würde sie irgendetwas bedrücken.

„So, ich werd dann mal auch los. Ich muss zu einer Verhandlung. Es kann später werden heute, also brauchst du nicht mit dem Essen auf mich zu warten.“ sagte Keisuke und erhob sich vom Tisch.

„Okay, ich wünsch dir einen schönen Tag.“

„Dir auch.“

Er gab seiner Frau noch einen Kuss und verschwand dann nach draußen. Sachiko blieb noch etwas sitzen und überlegte, was für ein Problem die zwei Mädchen haben könnten.

Währenddessen waren die zwei Mädchen schon mit dem Auto auf dem Weg zur Schule.

„Erzählst du mir jetzt, was er wollte?“ fragte Michiru unsicher.

„Er hat mir nur gesagt, dass er mich weiterhin im Auge behält. Er hat wohl gestern nicht das Geringste mit gekriegt und dachte, ich hätte mich komplett an die Regeln gehalten. Er wollte nur klar stellen, dass ich das auch weiterhin tun soll.“ erzählte Haruka beruhigend.

„Ach so. Ich hab echt Angst bekommen, als ich ihn plötzlich gesehen habe.“

„Es ist alles in Ordnung, nicht mal angefasst hat er mich. Also mach dir keine Sorgen.“

Haruka hatte eine Hand vom Lenkrad genommen und auf Michirus gelegt.

„Ich mach mir aber Sorgen und das werde ich so lange tun, bis der Kerl hinter Gittern sitzt.“

„Tut mir leid, dass ich dir so viele Sorgen bereite.“

„Was redest du denn da? Es ist doch nicht deine Schuld.“

„Schon, aber ich finde du hättest etwas Besseres verdient.“ entgegnet sie ihr traurig.

„Ich finde aber es gibt nichts Besseres als dich! Und deinen Vater werden wir schon los.“ sagte sie voller Überzeugung.

„So wie du das sagst, muss man es ja glauben.“ lächelte sie jetzt wieder.

„Das kannst du auch. Ich bekomme immer was ich will.“ überzeugte sie weiter.

„Das glaub ich dir sofort.“ lachte Haruka jetzt.

Es tat gut Haruka wieder lachen zu sehen. Auch wenn Michiru wusste, dass es nicht ganz so fröhlich war, wie es hätte sein können. Aber es entspannte sie und ließ sie für kurze Zeit vergessen, wie verzweifelt sie eigentlich war. Haruka fuhr auf den Parkplatz der Schule und hielt in einer Parklücke an.

„Ich fürchte, wir müssen uns hier schon verabschieden.“ sagte sie nachdem sie den Motor abgeschaltet hatte.

„Oh, richtig. Ich hab Musik und du...? Warte! Du hast Sport, oder? Du willst doch nicht ernsthaft mit deinen verletzten Rippen zum Sportunterricht gehen, oder?“

Michiru sah sie warnend an.

„Ähm, doch.“ sagte sie vorsichtig.

„Auf keinen Fall! Das würde alles nur noch schlimmer machen! Du gehst da nicht hin!“ mahnte die Künstlerin.

„Aber was soll ich denn machen?“ fragte Haruka.

„Wenn du deinem Trainer die Rippen zeigst wird er dich schon nicht mitmachen lassen.“

„Ja, aber einen Arzt rufen und fragen was passiert ist.“ drohte sie.

„Dann sag von mir aus was du willst aber bitte mach nicht mit, Haruka.“ flehte sie jetzt.

Wie könnte Haruka diesem flehenden Blick widerstehen, also ergab sie sich.

„Also gut, ich kann ihm ja sagen, dass es mir einfach nicht gut geht. Da ich sonst immer volle Leistung bringe und seine Lieblingssportlerin bin, wird er sicherlich nichts dagegen haben.“

„Danke.“ lächelte Michiru erleichtert zurück.

„Ja, schon gut. Aber was soll ich denn jetzt die ganzen drei Stunden machen?“

„Ich bin sicher, dir fällt schon was ein.“ grinste Michiru.

„Ich muss dann mal zum Unterricht. ... Es wäre wohl zu auffällig, wenn ich dir einen Abschiedskuss geben würde, oder?“

Beide sahen sich kurz um. Überall gingen Schüler über den Hof und auch über den Parkplatz.

„Ich fürchte, ja.“ sagte Haruka verärgert.

„Na, dann denk dir einfach ich hätte es getan. Wir sehen uns dann in der Mittagspause, ja?“

Michiru stieg aus dem Auto aus und sah Haruka fragend an, die immer noch verärgert wirkte.

„Ich soll es mir denken? Das ist aber nicht halb so schön.“ meckerte sie.

„Tut mir leid, aber ich verspreche dir, du bekommst ihn noch.“

Jetzt grinste Haruka wieder.

„Ich nehme dich beim Wort und werde es nicht vergessen.“

„Ja, das vergisst du bestimmt nicht. Also bis nachher.“

„Okay.“

Michiru ging über den Hof ins Gebäude rein. Erst als sie die Türkisenen Haare aus der Ferne nicht mehr erkennen konnte, stieg auch Haruka aus dem Auto aus. Sie schlenderte zum Stadion rüber, wo sie ihren Trainer schon mit den ersten Schülern unten auf der Aschebahn vorfand. Er glaubte, ihr schon nach einem Satz und befreite sie vom Unterricht, da er der Meinung war, wenn Tenoh Haruka kein Sport mitmachen wollte, musste sie wirklich krank sein. Die Rennfahrerin lehnte jetzt wieder an ihrem Auto und überlegte was sie mit der freien Zeit anfangen sollte. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust irgendetwas ohne Michiru zu tun und sie konnte auch an nichts anderes denken, als Michiru. Also ging sie auch ins Gebäude, hinauf zu den Musikräumen. Im Flur vor den Musikräumen blieb sie dann stehen. Sie wusste überhaupt nicht in welchem Raum die Violinistin Unterricht hatte und man konnte auch leider nicht in die Räume hinein sehen. Vereinzelte klänge von unterschiedlichen Instrumenten waren zu hören. Sie ging weiter den Flur hinunter und wurde plötzlich von einem ganz bestimmten klang angezogen. Wie von selbst ging sie zielstrebig auf eine bestimmte Tür zu. Sie war sich sicher, dass Michiru genau hinter dieser Tür sein musste und diese wundervolle Melodie nur von ihr stammen konnte. Vorsichtig und lautlos öffnete sie die Tür und sah hinein. In dem großen Saal waren überall Stühle aufgestellt, die alle in Richtung Bühne positioniert waren, um die herum einige Schüler standen und ein älterer Mann. Alle sahen verträumt zur Bühne hoch und auch Haruka starrte, völlig verzaubert dort hin. Direkt auf der Bühne stand Michiru mit geschlossenen Augen und entlockte ihrer Violine eine Melodie, die Haruka in eine ganz andere Welt hinein zu ziehen schien. Ganz leise, schlich sie sich weiter in den Raum und schloss die Tür lautlos. Sie setzte sich auf einen der Stühle im Raum, der nicht sofort sichtbar für die anderen war und lauschte der Melodie. Als Michiru ihr Spiel beendete kam sofort tosender Applaus von den Schülern und sogar Jubelrufe von dem Lehrer. Haruka hätte auch gern applaudiert, aber sie wollte sich ja nicht bemerkbar machen, jedenfalls nicht für die anderen im Raum. Die Violinistin entdecke sie nämlich sofort und sah sie mit fragenden Augen an. Die Sportlerin zwinkerte nur und gab ihr ein Zeichen sie nicht zu verraten. Auf die Idee wäre Michiru natürlich nie gekommen. Sie musste sich wirklich bemühen nicht zu sehr zu strahlen, denn das Haruka hier war und sie sogar spielen gehört hatte, machte sie einfach nur glücklich. Die Schüler und auch der Lehrer wollten unbedingt noch eine Zugabe und da Haruka ihr auffordernd zu nickte, willigte die Künstlerin natürlich ein. Eine weitere verzaubernde Melodie erklang im Raum und jeder war wieder in seinen Träumen gefangen. Haruka entdeckte etwas abseits der Bühne einen riesigen schwarzen Flügel, wie sie ihn auch Zuhause hatte und konnte nicht widerstehen darauf zu zugehen. Sie setzte sich an das Instrument und fing augenblicklich an sich in das Spiel der Violine einzuklinken. Michiru riss sofort die Augen auf, hörte aber nicht auf zuspielen. Ein Lächeln glitt auf ihre Lippen und sie schloss wieder die Augen. Auch alle anderen im Raum hatten sich plötzlich umgedreht und starrten jetzt Haruka an. Einige von den Schülern wollten etwas sagen, doch der Lehrer unterband es. Die Töne des Klavieres ergänzten und verfeinerten das Violinspiel in so hohem Maße, dass er es auf jeden Fall zu Ende hören wollte. Und auch die Schüler ließen sich wieder mitreißen. Als hätten sie nie etwas anderes getan spielten sie zusammen und konnten den jeweils anderen praktisch spüren. Die Melodie wurde langsamer und verstummte schließlich ganz. Wieder dröhnte donnernder Applaus durch den Saal. Haruka und Michiru öffneten gleichzeitig die Augen und sahen sich verliebt an. Michiru wär ihrer Freundin am liebsten um den Hals gefallen. Sie hatte noch nie so eine Verbundenheit und Vertrautheit zu jemandem Gespürt. Aber die Anwesenheit der anderen im Raum ließ das ja leider nicht zu. Der Lehrer kam auf sie zu gerannt und war immer noch am Klatschen.

„Wundervoll! Das war einfach nur wundervoll!“

Da Haruka sich jetzt wohl nicht mehr verbergen konnte ging sie zu Michiru und dem Lehrer auf die Bühne.

„Ich glaube, ich hab noch nie zwei Menschen so im Einklang spielen hören. ... Oh, ich kenn sie doch?“ sagte der Lehrer an Haruka gewandt.

„Sie sind doch dieser Rennfahrer, nicht wahr? Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass jemand wie sie so wundervoll Klavier spielen könnte.“ erzählte er immer noch voller Begeisterung.

„Ähm, ja. Ich bin Tenoh Haruka.“

„Es freut mich Sie auch mal kennen zu lernen. Mein Name ist Takada Chojiro und bin der Musiklehrer ihrer Freundin hier.“

Beide rissen geschockt die Augen auf. Freundin? Hatten sie sich etwa jetzt schon verraten? Den beiden Mädchen schwirrte das Wort immer noch im Kopf herum und sie überlegten fieberhaft wie sie ihm das jetzt wieder ausreden konnten. Aber sie kamen gar nicht dazu und vielleicht hatte er das ja auch gar nicht so gemeint, wie die zwei es verstanden hatten.

„Darf ich Fragen, wie lange Sie schon zusammen spielen?“

Verwirrt sahen die zwei sich an und dann wieder den Lehrer.

„Ähm, also eigentlich war es das erste Mal, Takada-sensei.“ antwortete Michiru ihm vorsichtig.

Seine Augen weiteten sich und ungläubig sah er von einem zum anderen.

„Das ist ein Witz, oder? Sie wollen mir doch nicht etwa weiß machen, dass sie ohne es auch nur einmal geprobt zu haben so fehlerfrei und abgestimmt auf einander spielen konnten.“

„Na, offensichtlich doch.“ zuckte Haruka mit den Schultern.

Der Lehrer war ziemlich geschockt und wusste nicht, ob er den beiden glauben sollte.

„Aber Sie kennen sich doch immerhin, oder?“

„Ja, ... seit fünf Tagen.“ grinste Haruka weiter.

Es hätte nicht viel gefehlt und der Lehrer wäre von der Bühne gefallen, so wenig konnte er das glauben.

„Na ja, ist ja auch egal. Jeden falls, spielen Sie beide umwerfend zusammen. Ach, und darf ich Fragen was sie hier in meinem Unterricht überhaupt zu suchen haben, Tenoh-san? Soweit ich weiß, müssten Sie gerade Sport haben.“

„Oh, ähm ja. Eigentlich schon. Aber ich bin vom Unterricht freigestellt, weil ich verletzt bin, also wollte ich mal sehen, wie Michiru Violine spielt und es war so wundervoll, dass ich es nicht lassen konnte, selbst mit zu machen und es schien Ihnen ja gut gefallen zu haben.“

„Oh ja, das hat es wirklich. Aber leider muss ich Sie nun bitten den Raum wieder zu verlassen.“

„Natürlich, bitte entschuldigen Sie die Störung.“ sagte Haruka und wand sich zum Gehen, allerdings nicht ohne Michiru noch einmal zu zuzwinkern, welche ihr nur traurig hinterher sah. Den Rest der Zeit verbrachte Haruka einfach vor der Tür des Musikraumes. Noch viele Male konnte sie Michirus Violinklänge vernehmen und es war eine wunderbare Methode die Zeit rum zu kriegen.

Ein sonniger Nachmittag

Es klingelte endlich zur Pause und nach einigen anderen Schülern kam auch Michiru aus dem Raum wieder heraus.

„Haruka! Hast du etwa die ganze Zeit hier draußen gestanden?“ fragte Michiru, nachdem sie voller Euphorie zu der Sportlerin gelaufen war.

„Klar. Ich konnte auch von hier draußen gut zuhören.“

„Es war wirklich wundervoll mit dir zu spielen, das müssen wir unbedingt wiederholen!“

Michiru war immer noch total aufgeregt deswegen.

„Jeder Zeit. Na ja, außer er ist da.“

Am liebsten hätte Haruka jetzt einen Arm um Michiru gelegt aber das wäre wohl wieder in die Kategorie "zu auffällig" gefallen, also ließ sie es lieber bleiben. Die zwei setzten sich in Bewegung und gingen den Flur entlang.

„Glaubst du, er lässt uns nicht mal zusammen spielen? Daran kann er doch nun wirklich nichts auszusetzen haben.“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht kann ich ihn ja mal fragen.“ sagte Haruka unsicher.

„Besser nicht. Nachher gefällt es ihm überhaupt nicht und er stellt sonst was mit dir an. Es reicht doch, wenn wir hier spielen können.“

„Einverstanden.“

Sie gingen beide bis zum Ende des Flures und blieben dann vor einander stehen.

„Ich fürchte, ich muss jetzt hier lang.“

Michiru zeigte in die eine Richtung des Flures in denen es zu den Kunstsälen ging.

„Ja, ich muss dann auch mal zu Physik. Wir sehen uns dann in einer Stunde beim Essen.“

„Okay.“

Beide sahen sich tief in die Augen und hätten so gerne mehr in diese Verabschiedung gegeben aber sie konnten ja nicht, überall auf dem Flur waren Schüler verteilt und starrten sie schon wieder erwartungsvoll an. Haruka atmete einmal tief durch, dann drehte sie sich um und ging zu ihrem Physikkurs. Michiru sah ihr noch hinterher und ging dann auch zum Unterricht. Den Physikunterricht fand die Sportlerin dieses Mal einfach nur langweilig und Zeit verschwendend. Alle drei Sekunden wanderte ihr Blick zur Uhr und die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Michirus Kunstkurs dagegen war amüsanter. Matsugami Shiro, der Kerl mit dem Haruka sich gestern geprügelt hatte, saß heute mit einer geflickten Nase vor seiner Leinwand und hatte durchaus Schwierigkeiten an dem dicken verband sein Bild zu betrachten. Aber auch Michiru wünschte sich, dieser Unterricht würde schneller vergehen. Endlich klingelte es zur großen Pause und Michiru machte sich sofort auf den Weg zur Cafeteria. Sie sah sich in dem großen Saal um und entdeckte Haruka an einem der Tische. Freudestrahlend ging sie auf sie zu und setzte sich ihr gegenüber.

„Hey, wie war Physik?“

„Langweilig, sterbenslangweilig! Und wie war Kunst?“ strahlte Haruka zurück.

„Eigentlich hätte ich auch drauf verzichten können aber der Anblick von Matsugami-kun war doch ziemlich amüsant.“ sagte Michiru und begann etwas von dem Essen, welches Haruka schon mitgebracht hatte zu essen.

„Matsu... wer?“ fragte Haruka irritiert.

„Na, Matsugami-kun. Das ist der Kerl, dem du gestern die Nase gebrochen hast. Und er sieht wirklich komisch aus mit seinem Verband.“ lächelte die Künstlerin.

„Der Kerl ist in deinem Kunstkurs? Er hat dich doch nicht wieder angemacht, oder?“ fragte Haruka sichtlich geschockt.

„Wieso? Bist du eifersüchtig?“ grinste Michiru.

„Pah, ich doch nicht! Und schon gar nicht auf so einen!“ schnaubte Haruka.

Michiru musste sich echt zusammenreißen nicht laut loszulachen. Es war nur zu offensichtlich, wie eifersüchtig Haruka tatsächlich war und Michiru freute sich richtig darüber.

„Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Der Kerl war viel zu sehr damit beschäftigt, zu versuchen an seiner riesigen Nase vorbei zu schielen. Und außerdem will ich überhaupt niemand anderen, als dich.“

Den letzten Satz sagte Michiru in einem so verführerisch klingenden Tonfall, dass es Haruka einen Schauer über den Rücken laufen ließ und ihr Herz doch um einiges schneller schlagen ließ.

„Das will ich doch hoffen.“ sagte Haruka, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.

Die zwei aßen, redeten und lachten noch die ganze Pause über, dann gingen sie gemeinsam zum Geschichtsunterricht.

„Deine Ansprache, die du am Montag gemacht hast, scheint ihre Wirkung schon verloren zu haben.“ sagte Michiru im Gehen.

„Hä? Was meinst du?“

„Na, wir werden schon wieder von allen angestarrt. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“

„Oh. Nein, ist mir gar nicht aufgefallen. Aber nach dem, was gestern auf dem Parkplatz passiert ist, wundert es mich nicht gerade. Und wahrscheinlich hat sich unser kleines Duett auch schon überall rumgesprochen.“

„Ja, vermutlich.“

„Willst du, dass ich noch mal so eine Ansprache halte?“

„Nein. Es macht mir nichts mehr aus. Von mir aus, können sie starren so viel sie wollen.“ lächelte Michiru.

„Ach, ja? Wieso auf einmal?“ wunderte sich die Sportlerin.

„Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ihre Vermutungen jetzt richtig sind oder ich weiß, dass ich dich habe. Wen kümmert es schon, was die anderen denken, solange ich genau weiß, was du denkst und immer hinter mir stehen wirst.“

„Ich werde immer hinter dir stehen und wenn nötig, schmeiß ich mich auch vor dich, versprochen!“ grinste Haruka und bekam ein Lächeln von Michiru zurück.

Die beiden gingen noch dichter nebeneinanderher zu ihrem Klassenraum. Den Unterricht bekamen beide mal wieder nur am Rande mit. Stattdessen waren sie die ganzen restlichen zwei Stunden damit beschäftigt sich gegenseitig anzuschmachten. Nachdem, die lästigen zwei Stunden, dann auch endlich rum waren, verließen die zwei das Gebäude schnellst möglich und gingen zum Parkplatz und setzten sich ins Auto.

„Haruka, sieh mal, da ist er.“ sagte Michiru gerade als Haruka den Motor anlassen wollte.

„Was? Wer? Wo?“ sah die sich irritiert um.

„Na da, Matsugami-kun.“

Michiru zeigte mit dem Finger in eine bestimmte Richtung und Haruka folgte mit ihrem Blick. Sofort breitete sich ein breites selbstzufriedenes Grinsen auf ihrem Gesicht aus.

„Na, das hab ich doch sauber hinbekommen. Findest du nicht?“ sagte sie überheblich.

„Ich finde zwar immer noch, dass du übertrieben hast, aber du hast Recht.“ grinste Michiru zurück.

Die Rennfahrerin startete den Motor und fuhr mit viel zu hoher Geschwindigkeit vom Parkplatz, auf die Straße.

„Wir müssen sofort zurück nach Hause, hab ich recht?“ fragte Michiru einige Minuten später zögerlich.

„Ich ja. Du musst nicht. Wenn du noch wo anders hin willst, kannst du das natürlich gern.“

Jetzt war Harukas Stimmung wieder nach unten gesackt.

„Nein. Ohne dich will ich nirgendwohin.“ sagte Michiru überzeugend.

Haruka konnte sich nicht wirklich darüber freuen. Sie wäre am liebsten auch noch irgendwo anders mit Michiru hingefahren.

„Kannst du dann mal kurz anhalten?“ fragte die Künstlerin plötzlich.

Irritiert sah Haruka die Kleinere an.

„Wieso?“

„Tu es einfach.“ sagte sie bestimmend.

Haruka hatte dem nichts entgegen zu bringen, also fuhr sie mal wieder rechts ran und es war gar nicht so weit weg von der Stelle, an der sie Gestern gehalten hatte entfernt. Sofort als der Motor aus war befreite sich Michiru von ihrem Gurt, lehnte sich zu der Großen herüber und überfiel sie geradezu mit einem Kuss. Völlig überrumpelt riss Haruka die Augen auf, ließ sich dann aber von dem Kuss leiten und erwiderte ihn. Irgendwann trennten sich die beiden, etwas außer Atem, wieder von einender.

„Was war das denn jetzt?“ fragte Haruka immer noch überrascht aber mit einem schiefen grinsen.

„Na ja, sobald wir Zuhause angekommen sind, können wir das ja nicht mehr machen. Und das will ich schon seit unserem Duett tun. Außerdem, hatte ich dir den doch heute Morgen versprochen. Es fällt Sachiko-san bestimmt nicht auf, wenn wir ein paar Minuten später kommen.“ erzählte sie zufrieden.

„Da hast du wohl Recht. Könntest du das dann bitte noch einmal tun?“

Wie könnte Michiru dieser Aufforderung widerstehen, also beugte sie sich noch einmal zu der Blonden herüber. Haruka musste sich echt zusammen reißen Michiru nicht komplett auf ihren Schoss zu ziehen und auch ihre Hände nicht wieder wandern zulassen. Erst als beide drohten zu ersticken, lösten sie sich wieder voneinander. Nach einer kurzen Atempause ließ die Sportlerin den Motor wieder aufheulen und fuhr den Rest des Weges zur Villa zurück. Sie gingen gemeinsam ins Haus, direkt in die Küche. Es war aber keiner zusehen.

„Ob sie wieder einkaufen ist?“ fragte Michiru und suchte schon nach einem Zettel.

„Dann wären wir ja noch allein!“ grinste Haruka frech.

„Na, ich will gar nicht wissen, was du jetzt wieder denkst.“ verdrehte die Künstlerin die Augen.

„Wer hat mich denn eben im Auto überfallen?“ konterte Haruka.

Michiru ließ sich dadurch nicht beirren und ging weiter ins Wohnzimmer. Es war auch leer, aber sie konnte Sachiko durch die großen Fenster im Garten erkennen.

„Tja, leider haben wir Pech gehabt. Sachiko-san ist im Garten.“

„Mist!“ fluchte die Sportlerin.

Sie gingen beide durch die Terrassentür raus in den Garten zu Sachiko, die wieder mit ihren Blumen beschäftigt war.

„Hallo, Sachiko-san. Wir sind wieder da.“ sagte Michiru, als sie bei ihr angekommen waren.

„Ah, na ihr zwei. Hattet ihr einen schönen Tag?“

„Ja, war ganz okay.“ war Harukas immer noch etwas verärgert klingende Antwort, woraufhin sie einen strafenden Blick von ihrer Freundin bekam.

Sachiko musste sich ein Lachen verkneifen.

„Und ihr seid schon wieder hier? Ich dachte, bei einem so schönen Wetter, würde euch etwas Besseres einfallen als nachhause zukommen. Oder wolltet ihr jetzt noch wohin?“ fragte Sachiko.

„Ähm, nein. Wir dachten, wir kommen nachhause und machen ganz brav unsere Hausaufgaben.“ sagte Haruka schnell.

„Wir haben doch gar nichts aufbekommen.“ sagte Michiru verwundert und bekam jetzt den strafenden Blick von Haruka.

„Und was ist mit der Nachhilfe?“ fragte Haruka warnend.

„Die brauchst du doch gar nicht. Und Sachiko-san hat recht, es ist so ein schönes Wetter, und zudem noch richtig warm. Mir ist etwas viel Besseres eingefallen, was ich machen könnte. Du kannst ja von mir aus lernen, aber ich hab jetzt ein Date.“ strahlte Michiru.

„Wie bitte, was? Du hast was?“ fragte Haruka entsetzt.

Michiru konnte nur lachen über diesen Gesichtsausdruck und ging schon wieder zum Haus zurück, gefolgt von Haruka und Sachikos amüsierten Blick.

„Jetzt guck nicht so, Haruka. Es ist nicht so, wie du denkst. Ich hab nicht vor mich mit jemand anderem zu treffen.“ sagte Michiru immer noch lächelnd auf dem Weg nach oben.

„Aber was meinst du dann mit Date? Und wo gehst du überhaupt hin?“

Haruka war immer noch geschockt und jetzt ziemlich nervös.

„Ich geh mich umziehen.“ sagte die Malerin hochnäsig.

„Für dein Date, ja?“ fragte Haruka sarkastisch.

„Richtig.“

„Ach, und wo genau findet dieses "Date" statt, und mit wem, verdammt?“

„Jetzt hör auf dir Sorgen zu machen. Ich hab nicht vor das Anwesen zu verlassen und ich sagte schon, ich treffe mich nicht mit jemand anderem.“

„Aber was zur Hölle meinst du dann damit?“ wurde Haruka langsam laut.

Sie waren jetzt bei Michirus Zimmertür angekommen und die Künstlerin öffnete sie. Haruka wollte hinterher aber bevor sie dazu kam, wurde ihr die Tür schon vor der Nase zu gehauen.

„Michi? Was soll das denn jetzt? Wieso darf ich nicht mit rein?“ fragte sie total verwirrt.

Die Tür ging wieder auf und Michirus Kopf kam zum Vorschein.

„Ich hab doch gesagt, ich will mich umziehen. Du kannst schon mal wieder runter gehen. Ich komm dann auch gleich in den Garten.“

Michiru kam noch mal auf Haruka zu, stellte sich auf die Zehenspitzen, gab ihr einen kurzen Kuss auf den Mund und sah sie dann nochmal an.

„Du bist echt unglaublich süß, wenn du so verwirrt bist.“ grinse Michiru noch und verschwand dann in ihrem Zimmer.

Haruka verstand gar nichts mehr. Total verwirrt starrte sie Michirus Zimmertür an. »Was sollte das denn jetzt?« Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was das zu bedeuten hatte und was Michiru meinte, oder was sie jetzt tun sollte. Also folgte sie einfach Michirus Anweisungen und ging wieder nach unten in den Garten.

„Und? Was für ein Date hat Michiru-san denn?“ fragte Sachiko neugierig ihre Tochter, als diese wieder bei ihr ankam.

„Keine Ahnung!“ war die ziemlich bissige Antwort von ihr und schmiss sich auf eine der Liegen am Pool.

»Oh oh, da ist aber jemand beleidigt.« Sachiko nahm lieber etwas Abstand von Haruka, konnte sich ein schmunzeln darüber aber nicht verkneifen. Haruka zerbrach sich währenddessen den Kopf darüber was Michiru jetzt wohl vorhatte und merkte gar nicht wie diese neben sie trat.

„Na, bist du jetzt beleidigt?“ fragte Michiru grinsend.

Haruka hatte die Augen geschlossen und schmollte.

„Verrätst du mir jetzt mit wem du dieses mysteriöse Date hast?“ fragte sie immer noch mit geschlossenen Augen.

Michiru lachte kurz.

„Ich hab damit lediglich den Pool gemeint. Ich will nur ein bisschen schwimmen gehen, nichts weiter.“

„Was? Du ...“

Haruka hatte die Augen aufgerissen und wollte Michiru eigentlich vorwerfen, warum sie das nicht gleich gesagt hatte, verlor aber sämtliche Gehirnzellen, als sie Michiru plötzlich in ihrem weißen hautengen Badeanzug sah. Ihre Augen weiteten sich noch mehr und sie hielt plötzlich die Luft an, ohne es zu merken. Michiru grinste noch breiter. Auf genau diesen Ausdruck hatte sie gehofft.

„Vielleicht solltest du nicht ganz so starren, Ruka. Deine Mutter ist schließlich noch anwesend. Sie könnte sonst noch etwas merken.“ sagte Michiru keck, wandte sich zum Wasser und sprang mit einem eleganten Hechtsprung hinein.

Die Worte der Wassernixe brauchten einige Zeit, bis sie im Gehirn der Sportlerin angekommen waren. Dann fing sie schnell wieder an zu atmen und sah sich nach ihrer Mutter um. Sachiko war wieder mit ihren Blumen beschäftigt und drehte sich erst jetzt um, als sie den Sprung ins Wasser hörte. Lächelnd sah sie wie Michiru durchs Wasser geleitete und widmete sich dann wieder ihren Pflanzen zu. Haruka rückte unauffällig noch dichter mit der Liege ans Wasser ran, um Michiru noch besser betrachten zu können. Die schwamm wie ein Fisch durch das klare Wasser und schien alles um sich herum vergessen zu haben. Voller Bewunderung beobachte Haruka sie und war völlig fasziniert davon, wie schnell, elegant und vor allem wie lange Michiru sich unter Wasser bewegte. Ihre Mutter hatte sie schon längst wieder vergessen. Nach Ewigkeiten wie es Haruka vorkam schwamm Michiru an den Beckenrand heran und sah Haruka lächelnd an.

„Willst du nicht auch ins Wasser kommen?“ fragte sie hoffnungsvoll.

„Ich? Nein! Schwimmen ist nun wirklich nichts für mich.“ sagte Haruka abwehrend.

„Wieso nicht? Ich dachte, du bist für jeden Sport zu haben.“ klang es enttäuscht.

„Aber nicht schwimmen. Viel zu langsam und vor allem, zu nass.“ verteidigte die Sportlerin weiter.

„Zu nass? Tja, das hat Wasser nun mal so an sich. Aber du kannst doch schwimmen, oder?“ fragte sie herausfordernd.

„Natürlich kann ich schwimmen. Trotzdem kriegst du mich nicht ins Wasser!“ erwiderte Haruka bestimmend.

„Dann kommt das Wasser eben zu dir!“ sagte Michiru und spritzte Haruka eine Handvoll Wasser ins Gesicht.

„Hey, lass das!“ schrie Haruka und hielt sich die Arme abwehrend vors Gesicht, während Michiru zu lachen anfing.

„Ach, das findest du auch noch witzig, was? Na warte das kriegst du zurück!“

Haruka griff nach dem Handtuch, welches über der Lehne der Liege hing und warf es Michiru entgegen. Doch die war schneller und schon längst abgetaucht. Kurz darauf kam sie wieder hoch.

„Vergiss es! Im Wasser hast du nicht die geringste Chance gegen mich!“ lachte sie.

„Dann warte ich eben bis du wieder rauskommst.“ grinste Haruka zurück.

„Da kannst du lange warten. Im Übrigen hast du mein Handtuch klitschnass gemacht. Womit soll ich mich denn jetzt abtrocknen?“ fragte sie und hievte das Handtuch aus dem Wasser.

„Selbst schuld. Aber ich kann dir gerne beim Abtrocknen behilflich sein, wenn du möchtest.“ grinste sie noch breiter.

„Das hättest du wohl gerne, was? Besorg mir lieber ein neues Handtuch, sonst sehe ich mich leider gezwungen dich weiter mit Wasser zu bespritzen!“ tadelte Michiru.

„Das wagst du nicht!“ sagte Haruka warnend.

„Probier‘s aus.“

Sie sahen sich eine Weile in die Augen, dann gab Haruka auf und stand auf.

„Aber schwimm nicht weg, ja?“ sagte die Sportlerin noch und ging dann lässig ins Haus zurück.

Michiru lachte noch kurz, dann tauchte sie wieder ab und drehte noch einige runden. Sachiko war doch etwas irritiert über diese Szene. Sie konnte zwar nicht alles genau verstehen, dafür war sie zu weit weg, aber sie konnte sehr wohl sehen, wie die zwei miteinander umgegangen und vor allem wie sie sich angesehen haben. Sie sah kurz auf ihre Uhr und entschloss sich langsam mal um das Abendessen zu kümmern, also ging sie auch ins Haus zurück. Auf dem Weg in die Küche begegnete sie Haruka, die mit einem neuen Handtuch bewaffnet die Treppen herunter kam.

„Worum ging‘s denn in der Schlacht?“ fragte sie ihre Tochter grinsend.

„Was? Welche Schlacht?“ fragte Haruka irritiert.

„Sie hat dich doch nicht ohne Grund mit Wasser bespritzt, oder?“

Sie deutete auf das, etwas nass gewordene, Hemd von Haruka.

„Ach so, sie wollte mich nur auch ins Wasser kriegen.“

„Und sie hat es nicht geschafft? Dann gibt es also doch noch etwas, wozu selbst sie dich nicht überreden kann?“

„Ich weiß nicht, was du meinst.“ war Haruka jetzt wieder irritiert.

„Musst du auch nicht. Ich werde jetzt Abendessen machen. Seid also in etwa einer halben Stunde wieder in der Küche, okay?“

„Okay.“ sagte Haruka und ging wieder in den Garten zum Pool, wo Michiru immer noch ihre Runden drehte.

Haruka setzte sich wieder auf die Liege, zog Schuhe und Socken aus und krempelte ihre Hose etwas hoch, dann tauchte sie mit dem einen Fuß etwas ins Wasser ein. Michiru sah das von unten und schwamm wie ein Fisch zum Angelhaken zu Harukas Fuß hinauf. Sie hielt sich mit beiden Händen daran fest und tauchte dann direkt vor Haruka auf.

„Ich könnte dich jetzt so leicht ins Wasser ziehen.“ sagte die Meerjungfrau lüstern.

„Tust du aber nicht.“ war sich Haruka sicher.

Michiru seufzte einmal enttäuscht.

„Hast Recht. Wo ist Sachiko-san?“

„Sie macht Essen, wir sollen in ‘ner halben Stunde in der Küche erscheinen.“

„Also kann sie uns hier draußen nicht sehen, ja?“ fragte Michiru.

„Nein. Wieso?“ grinste Haruka.

Michiru ließ Harukas Fuß los und schlang ihre Hände stattdessen um deren Hals. Haruka ließ sich widerstandslos dichter an sie heran ziehen und nahm den erhaltenden Kuss nur zu gerne entgegen. Irgendwie viel es den beiden jedes Mal schwerer sich wieder voneinander zu lösen. Aber nach einer Ewigkeit, wie es den beiden vorkam, schafften sie es doch.

„Ich sollte vielleicht langsam hier rauskommen. Ich wollte vor dem Essen noch duschen.“ sagte Michiru noch etwas benebelt.

„Okay. Warte, ich helfe dir.“ grinste Haruka, stand auf und reichte Michiru eine Hand.

Michiru ergriff sie und die Sportlerin zog sie mühelos aus dem Wasser auf die Beine.

„Wolltest du mir damit demonstrieren wie stark du bist?“ fragte Michiru, doch etwas beeindruckt.

„Ich wollte euch lediglich behilflich sein, Prinzessin.“ grinste Haruka.

„Oh, Prinzessin? Hat mein Buttler mir denn auch ein neues Handtuch besorgt?“ fragte sie arrogant.

„Aber gewiss.“

Haruka reichte ihr, verbeugend, das Handtuch.

„Vielen Dank.“ sagte sie, nahm es entgegen und trocknete sich etwas ab.

„Ich geh dann erst mal hoch duschen, du kannst ja solange Sachiko-san beim Essen helfen.“ fügte sie dann noch hinzu.

„Gibt‘s auch wieder ‘ne Belohnung dafür?“ fragte die Sportlern erwartungsvoll.

„Vielleicht.“ antwortete Michiru geheimnisvoll.

händchenhaltend gingen sie ins Haus zurück und trennten sich dann, mit einem kurzen Kuss, erst kurz vor der Küche.

Gute Nachrichten. ... Oder?

„Soll ich wieder Tischdecken?“ fragte Haruka in der Küche angekommen ihre Mutter.

„Äh, klar. Natürlich.“

Sachiko konnte sich noch nicht so ganz an die neue Haruka gewöhnen. Dass ihre Tochter neuerdings freiwillig den Tisch deckte, konnte sie sich einfach nicht erklären, war sich aber sicher, Michiru sei der Grund dafür.

„... Sag mal, was genau läuft da eigentlich zwischen dir und Michiru-san.“ traute sie sich schließlich zu fragen.

Haruka riss sofort die Augen auf und hätte beinahe den Teller fallen lassen, den sie gerade auf den Tisch stellen wollte.

„Was? Wie ... wie meinst du das? Wir ... sind Freunde.“ stotterte Haruka nervös.

„Ach, wirklich? Nur Freunde?“ betonte Sachiko.

„J ... ja. Was sonst?“

Jetzt wurde Haruka richtig nervös. Warum musste sie ausgerechnet jetzt solche Fragen stellen?

„Na ja, so wir ihr euch angesehen habt dachte ich, ihr wärt mehr als das.“

„Was? Aber sie ist doch ...“

„... ein Mädchen?“ beendete Sachiko ihren Satz fragend.

„Willst du mir etwa weiß machen, dass es nicht das ist, was du willst?“ fragte Sachiko weiter.

„Äh, ich ... also ...“

Haruka fühlte sich plötzlich in eine Ecke gedrängt aus der es keinen Ausweg mehr gab. Verzweifelt suchte sie in ihrem Gehirn nach einer passenden Antwort darauf, was sie jetzt tun sollte, aber dort war rein gar nichts mehr. Sachiko kam langsam zu Haruka rüber und blieb dann vor ihr stehen.

„Haruka, du kannst es mir ruhig sagen. Ich ahne es sowieso schon seit Jahren, aber ich dachte, du erzählst es mir irgendwann selbst.“ versuchte sie ihre Tochter zu beruhigen.

„Ach, ja?“

In Haruka wirbelten gerade sämtliche Gefühle durcheinander. Sie war so erleichtert und glücklich das ihre Mutter offenbar nichts dagegen hatte, gleichzeitig hatte sie eine Heiden Angst davor, was Keisuke tun würde wenn er genau das heraus bekam.

„Ja. Und mir ist es egal, solange du glücklich bist. Also ist da nun mehr zwischen dir und Michiru-san? Ich werde es auch nicht ihrer Mutter sagen, falls sie Angst davor hat. Ich kann ganz gut Dinge für mich behalten.“ lächelte Sachiko weiter.

„... Auch vor ihm?“ fragte Haruka jetzt plötzlich ernst.

„Ihm? Meinst du deinen Vater?“ fragte sie verwirrt.

„Ja. Versprichst du mir, ihm nichts davon zu erzählen? Ich meine von gar nichts hier.“

Das klang schon fast furchteinflössend.

„Wieso? Ich weiß, er ist ziemlich streng aber ...“

„Bitte, sag ihm nichts!“ flehte sie jetzt.

„Ähm, na gut. Wenn es dir so wichtig ist. Ich verspreche dir ihm nichts zu sagen.“ willigte Sachiko ein, war aber immer noch ein wenig verwundert darüber, dieses Versprechen überhaupt geben zu müssen.

„Danke. ... Also gut, ja. Michiru und ich, wir sind zusammen, also so richtig mein ich.“ sagte Haruka etwas verlegen.

Auf Sachikos Gesicht breitete sich ein riesen lächeln aus.

„Ah, ich wusste da ist was! Ich freu mich für euch. Ihr zwei seht so süß zusammen aus. Und seit wann? Ihr kennt euch doch erst seit ein paar Tagen. Ich dachte mir zwar, dass ihr mehr für einander empfindet, aber dass ihr schon so weit seit, hätte ich nicht gedacht.“ fragte Sachiko voller Euphorie.

„Na, du bist ja gar nicht neugierig.“

Haruka war total irritiert so eine Reaktion hatte sie niemals erwartet und es stand im krassen Gegensatz zu dem, wie ihr Vater reagiert hatte.

„Ähm, okay. Also eigentlich sind wir erst seit gestern zusammen.“ erzählte sie dann.

„Ach so, dann ist die blutige Lippe also ein Teil davon gewesen?“

„So in etwa.“

„Dann hat es sich ja wenigstens gelohnt. Wo ist Michiru-san eigentlich?“

„Sie ist noch duschen gegangen.“

„Ach, so.“

Immer noch freudestrahlend widmete Sachiko sich wieder dem Essen zu. Haruka musste sich erst mal setzten. Total geschockt und verwirrt saß sie da am Tisch und beobachtete ihre Mutter beim Essen machen. Sie konnte gar nicht glauben, was sie alles in nicht mal zwei Tagen alles angestellt hatte. Nicht nur, dass sie hinter dem Rücken ihres Vaters mit Michiru zusammen war, nein, jetzt wusste ihre Mutter auch noch davon und freute sich sogar darüber. »Oh Gott, wenn der das rauskriegt, bringt er uns alle um!« Sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, weil Michiru gerade den Raum betrat. Zuerst war Michiru ziemlich verwundert darüber, dass Haruka am Tisch saß und nichts tat. Sie wollte sie schon zu Recht weisen, als sie plötzlich ihren geschockten Gesichtsausdruck sah. Langsam trat sie auf die Blonde zu und flüsterte dann, damit Sachiko, die sie noch nicht bemerkt hatte, sie nicht hören konnte.

„Was ist denn passiert?“

„Sie weiß es!“ flüsterte Haruka zurück.

„Was weiß sie?“

„Na, das mit uns. Das wir zusammen sind.“

„Du hast es ihr erzählt?“

„Sie hat es selbst herausgefunden. Ich hab’s nur bestätigt.“

„Und die Sache mit deinem Vater?“

„Nein, das weiß sie nicht und sie hat mir versprochen ihm nichts von uns zu erzählen, auch wenn sie nicht weiß wieso.“

„Na, dann ist das doch gut, oder?“

„Keine Ahnung. Ist es das?“

„Hat sie denn etwa was dagegen?“

„Nein, im Gegenteil. Sie freut sich richtig!“

„Dann kannst du ihr doch auch den Rest erzählen.“

„Auf keinen Fall! Du weißt doch warum das nicht geht.“

„Nein, weiß ich nicht! Selbst wenn dein Vater gute Beziehungen hat, können wir es trotzdem schaffen ihn ins Gefängnis zu bringen. Schließlich sagen wir ja die Wahrheit.“

„Das Risiko ist zu groß, also lass es!“

„Michiru-san, da bist du ja wieder.“ schaltete Sachiko sich ein, da sie Michiru entdeckt hatte.

Michiru sah Haruka noch einmal mit einem Blick an, der nur bedeuten konnte "Sag es ihr" und wendete sich dann Sachiko zu.

„Ähm, ja. Ich war noch schnell duschen.“ versuchte sie zu lächeln.

„Ja, Haruka sagte das schon. Und ich nehme an, sie hat dir gerade von unserem kleinen Gespräch erzählt. Also braucht ihr euch nicht mehr zu verstecken. Oh, und keine Sorge, ich werde deiner Mutter schon nichts sagen, wenn du das nicht möchtest.“

Sachiko war immer noch total begeistert von der Sache.

„Ja, danke. Ich werde es meinen Eltern schon irgendwann selbst sagen.“ sagte sie verlegen.

Daran hatte Michiru noch überhaupt nicht gedacht. Ihre Eltern! Sie war sich zwar sicher, dass sie … na ja, sagen wir fast sicher, dass sie nichts dagegen haben würden, aber sie wären mit Sicherheit ziemlich geschockt. Bis vor ein paar Tagen noch, wäre sie ja selbst nie auf die Idee gekommen, sie könnte sich jemals in ein Mädchen verlieben. Und was würden ihre Eltern überhaupt von Haruka halten? Was, wenn sie sie nicht leiden konnten. Müsste sie sich dann etwa zwischen Haruka und ihren Eltern entscheiden? Nein, das war eine Entscheidung die sie niemals treffen wollte. Sie mussten Haruka einfach mögen. Wie könnten sie jemanden, der ihre Tochter so glücklich machte nicht mögen? Michiru hörte auf darüber nach zu denken. So lange Harukas Vater anwesend war, würde sie es ihren Eltern sowieso nicht sagen können.

„Gut.“ strahlte Sachiko weiter und machte sich wieder ans Essen.

Michiru widmete sich noch einmal Haruka zu, die das alles noch immer nicht glauben konnte.

„Hey, freu dich doch erst mal. Jetzt weißt du immerhin wie deine Mutter über die Sache denkt und dass sie immer hinter dir stehen wird.“ flüsterte sie Haruka aufmunternd zu.

„Ja, aber wieso? Ich mein, warum macht es ihr überhaupt nichts aus, während er alles daran setzt, es aus mir raus zu prügeln? Warum kann es ihm nicht auch egal sein?“ fragte die Sportlerin verzweifelt.

„Das kann ich dir leider auch nicht beantworten. Aber deine Mutter liebt dich und das einzige was sie will, ist das du glücklich bist, deswegen ist es ihr egal. Und deswegen würde sie deinen Vater um jeden Preis aufhalten wollen.“ sagte sie bestimmend.

„Ja ich weiß. ... Und er tut es nicht.“

Das sagte die Sportlerin so leise, dass Michiru es fast nicht verstanden hätte. Haruka erhob sich von ihrem Stuhl und begann den Tisch weiter zu decken. Michiru sah ihr dabei zu und plötzlich wurde ihr klar, dass es noch einen anderen Grund dafür gab, warum Haruka solange Stillschweigen über diese Sache bewahrte. Er war immerhin ihr Vater. Auch, wenn er total krank und ein riesen Arschloch war, ist und bleibt er ihr Vater und vielleicht hatte Haruka ja immer noch die Hoffnung gehabt, er würde irgendwann damit aufhören und sie so akzeptieren wie sie war. Welche Tochter wünscht sich denn nicht von ihrem Vater bedingungslos geliebt und akzeptiert zu werden? Michiru konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es sich anfühlen musste, von seinem eigenen Vater geschlagen zu werden. Die Beziehung zu ihrem Vater war immer liebevoll und behütet gewesen. Sie wurde von ihrem Vater immer vor allem und jedem beschützt. Ein Lächeln von ihr, war ausreichend, um ihn glücklich zu machen. Haruka konnte machen was sie wollte, egal wie sehr sie sich anstrengte, wie viele Rennen sie auch gewann, es war nie gut genug für ihren Vater und würde es auch niemals sein. Und jetzt bestrafte er sie auch noch für das, was sie war. Jetzt ließ sich Michiru verzweifelt auf den Stuhl sinken. Wie sollte sie ihr denn jetzt helfen? Sie hatte gedacht, es würde reichen Keisuke einfach verschwinden zu lassen. Wenn er nicht mehr da war, konnte er ihr auch nicht mehr wehtun. Aber würde es wirklich reichen? Was er ihr angetan hatte, konnte sie niemals rückgängig machen und Haruka würde niemals den Vater bekommen, den sie brauchte und verdient hatte. Ihre Grübelei wurde durch das Klingeln des Telefons unterbrochen.

„Oh. Ähm, Michiru-san? Könntest du vielleicht mal rangehen? Ich habe gerade keine Hand frei.“ sagte Sachiko, die versuchte drei Dinge auf einmal zu tun.

„Ja, natürlich.“ gab Michiru lächelnd zurück und machte sich auf ins Wohnzimmer zum Telefon, welches immer noch klingelte.

„Hallo? Hier bei Tenoh, Kaioh Michiru am Apparat.“ meldete sie sich.

„Ah, Michiru-chan! Ich bin‘s.“ kam aus dem Hörer heraus.

„Mama? Wieso rufst du an? Ist etwas passiert?“ war Michiru überrascht.

„Wieso muss etwas passiert sein, wenn ich mit dir reden möchte? Darf ich dich jetzt nicht mehr anrufen?“ fragte Yuki verwundert.

„Oh, doch natürlich. Tut mir leid. Ich hatte nur nicht mit dir gerechnet, das ist alles.“ versuchte sie zu erklären.

„Na gut. Aber so falsch liegst du gar nicht. Es ist wirklich etwas passiert, aber nichts Schlimmes.“

„Ach, und was?“ fragte die Künstlerin zögerlich, da sie kein gutes Gefühl dabei hatte.

„Wir haben endlich eine Wohnung in Tokio gefunden und die Versetzung deines Vaters wurde auch genehmigt, das bedeutet wir können schon nächste Woche umziehen. Ist das nicht toll?“

„Ja, super.“

Michiru war alles andere als glücklich darüber. Zwar freute sie sich ihre Eltern wieder zu sehen aber sie wollte um jeden Preis bei Haruka bleiben und das nicht nur, weil Keisuke immer noch hier war, nein, sie wollte auch so mit ihr zusammen bleiben. Jede freie Minute mit ihr verbringen dürfen. Sie würde Haruka bestimmt nur noch in der Schule zu Gesicht bekommen, da Haruka das Haus ja nicht mehr verlassen durfte.

„Um neue Räume für die Galerie, werde ich mich dann noch Vorort kümmern und ich dachte, du könntest mir dabei helfen, schließlich sollen ja auch viele deiner Bilder ausgestellt werden.“ redete Yuki weiter.

„Ähm, ja. Wieso nicht.“

Sie gab sich wirklich mühe begeistert zu klingen. ... Es misslang völlig. Aber Yuki merkte offenbar nichts davon.

„Schön. Und wie war dein Tag heute so, irgendwas Besonderes?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich bin ein bisschen im Pool geschwommen, sonst alles wie immer.“

Michiru hatte gerade absolut keine Lust und keine Nerven für ein Gespräch mit ihrer Mutter und wollte sie so schnell wie möglich wieder abwimmeln und schließlich hatte sie erst gestern alles bis ins kleinste mit ihr diskutiert.

„Und was ist mit Haruka-san?“

„Was soll mit ihr sein?“ fragte Michiru genervt.

„Na, du erzählst so wenig über sie. Bisher weiß ich nur, dass sie nett ist. Das ist das einzige, was du über sie preisgegeben hast.“

„Mama, du wirst sie bestimmt selbst noch kennenlernen. Dann kannst du dir selbst ein Bild von ihr machen.“

„Ja, aber es wundert mich, dass du gar nichts über sie erzählst. Normalerweise erzählst du mir immer, was du über andere Menschen denkst, besonders wenn du Tag täglich etwas mit ihnen zu tun hast. Ist sie etwa gemein zu dir oder versteht ihr euch nicht? Du kannst es mir ruhig sagen, wenn du dich unwohl fühlst oder so.“

„Es ist wirklich alles in Ordnung, Mama. Haruka und ich verstehen uns super und sind die besten Freundinnen!“

So langsam nervte ihre Mutter aber.

„Ihr seid beste Freundinnen, wirklich? Also dann musst du mir erst recht von ihr erzählen. Du hattest doch noch nie eine beste Freundin oder irgendwelche anderen Freundinnen.“

„Ja, danke, dass du mich daran erinnerst. Ich muss jetzt wirklich zurück in die Küche. Wir wollten gerade zu Abendessen. Ich erzähl dir ein andern mal wie Haruka ist oder besser warte bis nächste Woche, dann wirst du sie sowieso kennenlernen.“ sagte Michiru jetzt etwas gereizt.

„Na schön, dann warte ich eben, auch wenn ich nicht verstehe warum du es so spannend machst. Grüß Sachiko von mir, ja? Und erzähl ihr, dass wir nächste Woche umziehen.“

„Okay, mach ich. Bis dann!“ und legte auf.

Niedergeschlagen lehnte sich Michiru an die Wand hinter sich und starrte an die Decke. »Wieso musste das jetzt denn so schnell gehen? Sie hat doch gesagt, es kann mehrere Wochen dauern, bis sie eine geeignete Wohnung finden. Und nun haben sie nicht mal eine gebraucht.« Die Künstlerin ging in die Küche zurück und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.

„Und wer war dran?“ fragte Sachiko.

„Nur meine Mutter. Ich soll dich schön grüßen“

„Oh, danke. Was wollte sie denn?“

„Sie haben eine Wohnung gefunden, so dass sie schon nächste Woche herziehen.“ sagte Michiru langsam und sah dabei vorsichtig zu ihrer Freundin rüber, die auch wieder am Tisch saß.

„Oh, das finde ich ehrlich gesagt ein bisschen schade. Ich hatte gehofft, du würdest noch länger bei uns bleiben.“

„Ja, das hatte ich auch.“ erwiderte Michiru traurig.

„Na ja, du wirst wohl trotzdem jede Menge Zeit hier verbringen, nehme ich an. Und du bist hier jeder Zeit willkommen.“ Versuchte Sachiko sie aufzumuntern und sah auch kurz zu ihrer Tochter rüber.

Haruka schien sich nur noch für die Tischplatte zu interessieren, denn sie starrte ununterbrochen auf deren Oberfläche. Was hätte sie auch sonst tun sollen. Sie wollte nicht das Michiru ging. Sie hatten sich doch gerade erst gefunden, warum mussten sie sich jetzt schon wieder trennen? Warum nur musste alles so verdamm schief laufen? Wenn Michiru nicht mehr hier wohnte, könnte sie sie nur noch in der Schule sehen und dort würde sie ihr auch nicht richtig nahe kommen können. Das wird alles kaputt machen. »Michiru wird das bestimmt nicht lange mitmachen und mich dann wieder verlassen!« Vorsichtig hob sie ihren Blick und sah Michiru an. Die erwiderter ihren Blick und schenkte ihr dann ein aufmunterndes Lächeln. »Nein! Das werde ich nicht zulassen, egal was passiert. Ich werd alles dafür tun, damit sie bei mir bleibt, für immer!« Sie gab sich selbst ein versprechen und lächelte dann zurück. Die drei aßen gemeinsam zu Abend und als Haruka und Michiru hörten dass Keisuke erst sehr spät von der Arbeit zurückkommen würde, verbesserte es noch einmal ihre Stimmung. Sie halfen danach noch beim Aufräumen und verschwanden dann gemeinsam nach oben.

„Hat deine Mutter gesagt, wann genau sie her kommen? Und musst du dann sofort von hier weg?“ fragte Haruka einige Zeit später.

Sie hatte es sich auf Michirus Bett bequem gemacht und sah verträumt an deren Decke, während die Künstlerin mit ihrem Zeichenblock auf dem Stuhl am Schreibtisch saß und sie genau musterte.

„Nein, hat sie nicht. Ich denke, ich kann noch so lange bleiben, bis die Wohnung fertig eingerichtet ist. Aber meine Mutter ist leider in solchen Dingen ziemlich schnell. Das ist das erste Mal, dass ich mir wünsche, meine Mutter würde keinen Wert auf Ordnung legen.“

„Schade.“

„Mach dir keine Sorgen. Wir werden uns weiterhin jeden Tag in der Schule sehen und auch wenn wir da nicht auffallen wollen, finden wir mit Sicherheit einen Ort an dem wir ungestört sind.“

„Ja, den finden wir.“ sagte Haruka überheblich wurde dann aber wieder ernst.

„Aber was ist mit den Wochenenden? Das wären zwei ganze Tage, die wir uns nicht sehen können.“

Michiru stand von ihrem Stuhl auf und ging zu der Blonden zum Bett rüber. Sie legte den Zeichenblock auf den Nachtschrank ab und setzte sich dann auf die Matratze.

„Wozu gibt es Telefone? Oder Internet? Ich denke, ich werde meinen Vater jetzt doch um das Handy bitten, was er mir schon seit Jahren andrehen will.“

„Du hast kein Handy?“ fragte Haruka ungläubig.

„Ich hab bisher nie eins gebraucht und fand es sinnlos so was mit mir rumzuschleppen, also nein.“

„Du bekommst auf jeden Fall eins! Und wenn ich‘s dir selbst kaufen muss.“

„Mein Vater wird mir schon eins besorgen und bezahlen werde ich es schon selbst also behalt dein Geld.“

„Du verdienst bestimmt genauso so viel wie ich mit deiner Kunst, oder?

„Ich weiß nicht wie viel du verdienst und wie viel ich verdiene auch nicht. Ich komm erst mit achtzehn an das Geld ran und ich seh auch nie nach wie viel es inzwischen ist.“

„Du hast keine Ahnung wie reich du bist? Hast du überhaupt nichts, was du dir leisten willst? Ich mein, irgendwelche Träume oder Wünsche?“

„Meine Träume und Wünsche konnte ich nie mit Geld bezahlen, erst du hast sie mir erfüllt.“

Michiru beugte sich zu Haruka herunter und gab ihr einen zärtlichen Kuss.

„Ach ja? Darf ich fragen, was das für welche waren? Und hast du jetzt überhaupt keine mehr?“ fragte Haruka neugierig.

„Na ja, ich hab mir immer gewünscht jemanden zu haben der mich versteht, mit dem ich über alles reden kann, dem ich vertrauen kann und der mich liebt. Jemanden, der mich nicht nur auf meine Musik, Kunst oder mein Aussehen beschränkt. Mit dir hab ich das alles in einer Person gefunden. Und ich habe schon noch Träume und Wünsche aber die verrate ich dir noch nicht.“ grinste Michiru und gab Haruka noch einen kurzen Kuss.

„Wieso nicht?“ war Haruka leicht enttäuscht.

„Dafür ist es noch ein wenig zu früh?“ lächelte Michiru.

„Wieso früh? Willst du mich etwa noch genauer kennenlernen? Ich erzähl dir alles was du wissen willst. Oder vertraust du mir nicht? Ich werd‘s niemandem verraten, das schwöre ich.“

Haruka wollte alles über ihre Freundin wissen und verstand nicht warum sie ihr ihre Träume vorenthalten sollte. Aber Michiru lächelte nur weiter.

„Ich vertrau dir, Ruka. Und du wirst sie alle erfahren, das verspreche ich dir. Im Moment, wünsche ich mir aber nichts sehnlicher als mit dir zusammen zu sein. ... Oh, und das dein Vater für den Rest seines Lebens im Knast versauert, damit er dir nie wieder wehtun kann.“

„Da du ihn gerade erwähnst. Er wird heute Abend bestimmt wieder nachsehen, ob ich in meinem Bett liege, also sollte ich wohl bald mal rüber gehen.“

„Jetzt schon? Aber du kommst doch nachher wieder, oder?“

„Hhmm, wenn ich wieder bei dir schlafen darf und du dieses wundervolle Stück Stoff anziehst, könnte ich es in Erwägung ziehen.“

„Ich hab mich geirrt, du bist total auf mein Äußeres fixiert.“ tat Michiru erschüttert und wollte aufstehen, doch Haruka war schneller und hielt sie fest.

„Was kann ich denn dafür, dass du so unwiderstehlich aussiehst?“ grinste Haruka und zog Michiru zu sich herunter. Die ließ sich widerstandslos führen und war nur wenig später direkt vor Harukas Gesicht angekommen.

„Unwiderstehlich?“ fragte sie noch einmal nach.

„Unwiderstehlich, ... heiß, sexy, atemberaubend, ...“

Haruka wäre noch so einiges mehr eingefallen aber Michiru war die letzten Zentimeter auf sie zu geschossen und Küsste sie. Lange dauerte der Kuss und wurde immer verlangender bis Harukas Hände kurz davor waren wieder ein Eigenleben zu beginnen, also unterbrach sie ihn vorsichtig und grinste Michiru an.

„Du hast mich gar nicht ausreden lassen.“

„Das hat mir schon gereicht und du bist genau so unwiderstehlich, also hatte ich gar keine andere Wahl.“

„Ach ja?“

„Ja.“

„Siehst du! Du bist genauso auf mein äußeres fixiert.“ triumphierte Haruka.

Michiru verdrehte nur die Augen. »War ja klar dass sie darauf noch mal zurückkommen würde.« Sie gab ihr noch einen kurzen Kuss und stand dann wirklich auf, Haruka folgte ihr.

„Ich will gar nicht gehen. Er kommt bestimmt wieder erst gegen Mitternacht.“

„Ich will auch nicht, dass du gehst. Aber ich fürchte, du musst. Es sei denn. du hast deine Meinung über die Anzeige geändert, dann könnte er uns nie wieder trennen.“

„Ich glaube, das würde uns eher für immer trennen, also nein. Ich komm nachher wieder, Schatz. Also mach dir keine Sorgen. Du kannst dich ja wieder mit Malen ablenken, während ich wahrscheinlich vor Langeweile sterben werde.“ sagte Haruka, küsste die Türkishaarige noch einmal intensiv und verließ dann den Raum.

Michiru stand einfach nur da und starrte auf die Tür. »Schatz? Sie hat Schatz zu mir gesagt!« Dieses kleine Wort ließ in Michiru ein Freuden Feuerwerk aufsteigen. Voller Euphorie griff sie nach ihrem Zeichenblock und widmete sich wieder dar angefangenem Skizze. Haruka wäre wirklich fast vor Langeweile gestorben, wobei Sehnsucht wohl eher gepasst hätte. Sie hatte den Fernseher angemacht aber nicht mal der Sportkanal konnte ihre Gedanken an Michiru vertreiben. So gegen zehn hat sie ihn dann endlich ausgemacht und wartete jetzt nur noch darauf, dass Keisuke auftauchen würde. Sie machte sich inzwischen ernsthaft Gedanken darüber, ob sie nicht vielleicht doch Recht haben könnte. Das Gespräch mit ihrer Mutter hatte sie irgendwie völlig aus der Bahn geworfen. Wie konnte sie nur so begeistert davon sein, während er alles dagegen unternahm damit es aufhörte. »Ob sie ihn wirklich verlassen würde? Was würde sie überhaupt dazu sagen, wenn sie es wüsste? Aber ich kann doch unmöglich Riskieren, dass er ihr oder Michi was antut.« Immer mehr Fragen und Zweifel machten sich in ihrem Kopf breit bis sie auf einmal die Tür hörte. Schnell drehte sie sich zur Seite und versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen. Wieder kam er ein paar Schritte ins Zimmer rein und schien stehen zu bleiben. Harukas Herzschlag wurde immer schneller und sie hatte schon Angst, er könnte es vielleicht hören. Aber dann drehte er sich wieder um und ging hinaus. Haruka entspannte sich wieder und sah dann auf die Uhr. Es war schon halb zwei! » Ob sie wirklich noch wach ist?« Sie kletterte aus dem Bett und machte sich dann auf ins Nachbarzimmer.

„Haruka!“ kam es erleichtert von Michiru.

Sie war sofort aus dem Bett gesprungen und umarmte ihre Freundin stürmisch.

„Ist alles in Ordnung? Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“

„Hey, es ist alles in Ordnung. Er hat sich nur mächtig viel Zeit gelassen, tut mir leid.“ sagte sie beruhigend und erwiderte die Umarmung.

„Dir muss das nicht leid tun. Ich hab mir nur Sorgen gemacht. Aber er hat dich nicht angerührt, oder?“ fragte Michiru besorgt und löste sich aus der Umarmung um Haruka genauer anzusehen.

„Nein, hat er nicht. Er is gleich wieder gegangen.“

„Was machen eigentlich deine Rippen, tun die noch sehr weh? Ich hab dich ja fast umgerannt, tut mir leid, wenn ich dir wieder weh getan hab.“

„Du hast mir nicht weh getan. Ich spüre meine Rippen zwar noch bei jeder Bewegung aber ich hab mich inzwischen schon fast daran gewöhnt, also nicht so schlimm.“

„An Schmerzen sollte man sich nie gewöhnen müssen, also versuch ja nicht, mich damit zu beruhigen. ... Trägst du den Verband eigentlich noch? Du hast ihn doch nicht abgemacht, oder?“

„Ähm, also ... eigentlich doch.“ sagte Haruka vorsichtig.

„Was? Wann? Wieso?“

„Na, heute Morgen. Ich musste schließlich Duschen und das Ding hat nur genervt. Komm ja nicht auf die Idee mir das noch mal anlegen zu wollen.“

„Du bist wirklich ein Sturkopf, weißt du das? Ich wollte dir nur helfen.“

„Und das weiß ich wirklich zu schätzen, aber diesen Verband brauch ich nicht. Du hilfst mir schon genug mit deiner Anwesenheit, das reicht schon, um mir sämtliche Schmerzen zu nehmen.“

Michiru konnte sich diesem Blick nicht entziehen und schmiegte sich wieder an den Körper der anderen.

„Ich wünsch mir wirklich, dass ich das könnte.“ sagte Michiru traurig.

Haruka presste den Körper der kleinere noch enger an sich und legte ihren Kopf auf ihren. Ein paar Minuten standen sie da, bis Haruka die Stille als erste unterbrach.

„Können wir jetzt vielleicht ins Bett gehen? Ich schlaf gleich sonst noch im Stehen ein.“

„Ja, das is ‘ne gute Idee.“ lächelte Michiru und zog Haruka dann hinter sich zum Bett.

Sie kuschelten sich beide eng aneinander und waren schon nach kurzer Zeit eingeschlafen.

Training

Die nächsten zwei Tage liefen ähnlich ab, wie der Letze. Morgens schaffte Haruka es immer noch gerade Rechtzeitig, dank Michiru, in ihr Zimmer zu kommen bevor ihr Vater rein geplatzt kam, um sie ja nicht vergessen zu lassen, dass er immer noch da war. In der Schule verbrachten sie jede freie Minute miteinander und in der Pause verzogen sie sich in den Musikraum, um gemeinsam zu spielen oder einfach nur alleine zu sein. Das Haruka auf dem nach Hause Weg einen kleinen Zwischenstopp einlegte, wurde langsam zur Gewohnheit, denn beide konnten einfach nicht genug voneinander bekommen und die Fahrt nachhause war eindeutig zu lang, um bis dahin warten zu können. Außerdem wollten sie auch nicht von Sachiko beobachtet werden. Auch, wenn Harukas Mutter nichts dagegen hatte, wollten sie ihr Glück nicht überstrapazieren und riskieren, dass Keisuke doch noch etwas mitbekam. So verbrachten sie auch die Nachmittage Zuhause unter Sachikos Aufsicht, was beiden doch etwas auf die Nerven ging. Erst Nachts, nachdem sich Haruka in Michirus Zimmer schleichen konnte, hatten sie endlich richtig Zeit füreinander und kamen sich so immer näher. Sie redeten, küssten oder kuschelten immer bis in die frühen Morgenstunden hinein, so war es nicht verwunderlich, dass Haruka noch mehr Schwierigkeiten hatte als sonst, aus den Federn zu kommen. Auch Michiru kämpfte inzwischen mit der Müdigkeit aber sie zwang sich aufzuwachen, da sie Haruka in ihr Zimmer zurück verfrachten musste. Heute war Samstag und eigentlich hätten sie ausschlafen können aber Keisuke machte bestimmt auch am Wochenende keine Ausnahme.

„Ruka, wach auf!“ quälte Michiru hervor und rieb sich die Augen.

Haruka gab keinen Mucks von sich, also rüttelte sie ein paar Mal an ihrer Schulter.

„Haruka! Jetzt komm schon, wach auf!“

Von der Blonden kam nur ein genervter Laut und sie zog sich die Decke noch höher über den Kopf. Wäre diese Sache nicht so furchtbar ernst und sie nicht todmüde, hätte sie das total süß gefunden und würde Haruka auf eine ganz andere Art wecken, aber so verlor sie allmählich die Geduld.

„Bitte, Haruka. Du weißt doch, dass er jeder Zeit auftauchen kann!“ flehte Michiru und zog Haruka die Decke weg.

Erschreckt fuhr Haruka zusammen und stöhnte laut auf.

„Aahh, was machst du! Ich hab doch noch gar nicht richtig geschlafen, verdammt!“ wurde Haruka wütend.

„Du musst zurück in dein Zimmer und zwar sofort! Da kannst du ja weiterschlafen, wenn du willst.“

Michiru griff nach ihrer Hand und zog sie aus dem Bett. Haruka ließ sich von ihr mitziehen aber nur, weil sie so schnell wie möglich weiter schlafen wollte.

„Ab heute Abend komm ich zu dir ins Zimmer! Bis ich dich aus dem Bett bekommen habe, könnte ich schon fünf Mal das Zimmer verlassen haben!“ sagte Michiru auf dem Weg in Harukas Zimmer genervt.

Von Haruka kam nur wieder ein Stöhnen, denn sie schlief noch halb und hatte die Augen schon wieder geschlossen. Michiru würde sie ja schon nicht gegen eine Wand laufen lassen, das hoffte sie zumindest. Die Künstlerin führte ihre Freundin direkt zu ihrem Bett und die ließ sich sofort darauf fallen und schlief weiter. Okay, das fand Michiru jetzt doch furchtbar süß und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie deckte Haruka noch schnell zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann ging sie in ihr eigenes Zimmer zurück und legte sich auch wieder ins Bett. So wirklich einschlafen konnte sie aber nicht mehr, also stand sie nach einiger Zeit wieder auf und gönnte sich mal wieder ein entspannendes Bad. Das warme Wasser ließ sie wieder zur Ruhe kommen und auch ihre Müdigkeit konnte es vertreiben. Ausgelassen und entspannt stieg sie wieder aus der Wanne und zog sich an. Sie wollte sich auf den Weg zur Küche begeben, denn Sachiko bereitet bestimmt schon das Frühstück vor. Auf dem Flur jedoch blieb sie wie angewurzelt stehen. Keisuke war ebenfalls auf dem Flur und wollte wohl gerade seinen täglichen Kontrollgang absolvieren. Eine unbändige Angst, kroch ihr plötzlich den Rücken empor und ließ ihr Herz schneller schlagen.

„Ah, guten Morgen Michiru-san! Hast du gut geschlafen?“ sagte er wieder mit dieser übertrieben Freundlichkeit.

„Ich wünsche ebenfalls einen guten Morgen. Und ja, habe ich, danke.“

Aus einem ihr undefinierbarem Grund schaffte sie es, das komplett normal klingen zu lassen.

„Ich wollte nur mal nachsehen, ob Haruka schon wach ist. Wir wollen gleich Frühstücken. Also geh doch schon mal runter.“

Michiru wollte nicht gehen, wollte nicht das er ihr Zimmer betrat, sie anfasst oder auch nur ansieht! Aber was sollte sie tun?

„Ich glaube, sie schläft noch. Ein Frühaufsteher ist sie ja nicht gerade und heute kann sie schließlich ausschlafen.“ sagte Michiru ganz ruhig und freundlich, als wäre alles in Ordnung.

Keisuke sah sie einen Moment mit einem Blick an bei dem sie normalerweise sofort die Flucht ergriffen hätte. Aber so einfach würde sie ihm das nicht machen. Und wenn sie selbst Schläge dafür kassieren müsste! Alles würde sie ertragen, wenn Haruka nur verschont blieb.

„Ihr zwei versteht euch schon ziemlich gut, oder?“ fragte Keisuke dann, mit etwas Misstrauen in der Stimme.

»Jetzt nur nichts Falsches sagen, Michiru!«

„Ja, sie ist wirklich nett und ich bin froh darüber, gleich eine Freundin hier gefunden zu haben.“

„Ich verstehe. ... Und du findest es gar nicht seltsam, wie sie sich kleidet oder benimmt?“

„Haruka hat mir erzählt, dass sie sich wegen ihres Berufes als Mann ausgeben muss und es stört mich nicht. Ich weiß ja, dass sie ein Mädchen ist. Aber was meinst du mit "wie sie sich benimmt"? Sie ist zwar manchmal etwas launisch aber sonst ist mir nichts ungewöhnliches aufgefallen.“ tat Michiru völlig ahnungslos.

„Ach, gar nichts. Würdest du jetzt schon mal runter gehen, ich komm dann gleich nach.“ versuchte Keisuke sie ab zu wimmeln.

Michiru wusste nicht, wie sie hätte nein sagen können, also wollte sie gehen, doch noch bevor sie ihren ersten Schritt machen konnte, ging auf einmal Harukas Tür auf. Entsetzt sah die Blonde auf die Scene die sich ihr bot. Abwechselnd sah sie von einem zum anderen. Vor ein paar Sekunden noch war sie todmüde gewesen, da sie nach Michirus Rauswurf auch nicht mehr viel Schlaf finden konnte, doch jetzt war sie auf einmal hellwach. Sie war unsicher was passiert sein könnte.

„Guten Morgen, Haruka.“ lächelte sie Michiru an.

Haruka entspannte sich etwas, das hieß wohl, er wusste von nichts und die Begegnung war rein zufällig. Trotzdem gefiel ihr der Gedanke, dass die zwei hier völlig alleine rumstanden überhaupt nicht. Sie musste unbedingt besser aufpassen und Michiru nicht mehr alleine durch das Haus gehen lassen, wenn er da war. Er hätte ihr sonst was antun können.

„Morgen.“ gab sie ernst zurück.

„Ich wollte nachsehen, ob du schon wach bist. Deine Mutter hat das Frühstück fertig, also komm.“ sagte Keisuke gleichgültig.

Haruka wusste, dass das bedeuten sollte nicht eine Sekunde alleine mit Michiru auf dem Flur zu verbringen, deshalb folgte sie ihm schweigend und Michiru kam ebenfalls hinterher. Unten in der Küche wurden sie sofort von Sachiko begrüßt. Aber Haruka und Michiru schienen mit den Gedanken ganz woanders zu sein, nur Keisuke schenkte ihr Aufmerksamkeit. Das Frühstück lief größtenteils schweigend ab, bis Sachiko diese drückende Stille nicht mehr aushielt.

„Und, was habt ihr zwei für heute geplant? Ihr wollt doch sicher nicht schon wieder den ganzen Tag hier drinnen verbringen, oder?“

Natürlich wollten sie nicht. Aber was hatten sie schon für eine Wahl.

„Doch, eigentlich schon.“ sagte Haruka tonlos.

„Ich versteh euch nicht. Es ist so schönes Wetter draußen und ihr habt seit Tagen nichts Besseres zu tun, als hier drinnen rum zu hocken. Haruka, du bist doch sonst immer unterwegs. Wieso fahrt ihr nicht mal wieder an den Strand oder in die Stadt? Ich bin mir sicher, Michiru hat noch nicht alles gesehen von Tokio.“

Die Mädchen sahen nur bedrückt auf ihr Essen vor sich, welches sie heute einfach nicht runter bekamen.

„Ach lass sie doch, Sa-chan. Wenn sie keine Lust haben.“ sagte Keisuke viel zu fröhlich.

Michiru hätte diesem Typen am liebsten den Kopf abgeschlagen. Noch nie hatte sie in ihrem Leben für einen Menschen oder irgendeinem anderen Wesen einen solchen Hass verspürt. Im Gegenteil. Sie hatte nie verstanden, wie man einen anderen Menschen derart hassen konnte, dass man ihm den Tod wünschte oder dieses sogar in die Tat umsetzte. Mitleid war das einzige, was sie für solche Menschen übrig hatte. Aber dieser Mann löste in ihr wirklich den Wunsch aus, er würde sofort tot umfallen. Er machte sich doch tatsächlich auch noch einen Spaß daraus, dass Haruka seine Befehle befolgte und sich praktisch hier drinnen einsperren ließ.

„Na gut, wie ihr wollt. Ich bin jeden falls gleich noch mit einer Freundin verabredet und komme erst am Nachmittag zurück. Wenn ihr Hunger bekommt, müsst ihr euch schon selbst etwas machen aber ich denke das werdet ihr schon schaffen.“

Haruka und Michiru wurden beide leicht nervös. Sollten sie jetzt etwa den ganzen Tag mit Keisuke alleine herumhängen? Auch Keisuke fand Sachikos Pläne offenbar nicht gerade gut, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, klingelte das Telefon.

„Ich geh schon.“ sagte er und stand auf.

„Wann genau kommst du denn wieder?“ fragte Haruka nachdem Keisuke den Raum verlassen hatte.

„Ich weiß nicht. Vielleicht gegen vier oder fünf. Wieso?“

„Nur so.“ war ihre abwesende Antwort.

Wie sollte sie das Überleben? Ohne ihre Mutter als Schutz, konnte er doch tun was er wollte! Wenn sie auch nur den kleinsten Fehler machte, wäre alles aus! Es war ihr egal, was er mit ihr anstellen würde, aber niemals könnte sie ertragen, wenn Michiru etwas passiert. Sie musste unbedingt einen Weg finden die beiden voneinander fernzuhalten. Vielleicht konnte sie Michiru davon überzeugen, alleine irgendetwas zu unternehmen, außerhalb der Villa. Ihre Überlegungen wurden unterbrochen, da Keisuke in die Küche zurückkam.

„Haruka, deine Pläne haben sich für heute geändert.“ sagte er und setzte sich an den Tisch.

Die Sportlerin sah ihn geschockt an. Was hatte er jetzt wieder vor?

„Das war dein Trainer. Die Mechaniker haben deine Maschine fertig und du sollst sie testen. Ich habe ihm bereits zugesagt, dass du gleich nach dem Frühstück zum Training erscheinen wirst.“

Wieder war es still im Raum. Haruka musste sich echt zusammenreißen nicht auszurasten. Sie hatte zwar nichts dagegen zum Training zu gehen aber unter keinen Umständen, würde sie Michiru hier mit ihm alleine lassen. Nein, niemals! Michiru war genauso geschockt. Er bestimmte einfach so, dass sie Motorrad fährt, obwohl ihre Rippen immer noch angeschlagen waren? Haruka behauptete zwar immer, sie hätte nicht die geringsten schmerzen mehr, aber glauben tat sie es nicht. Sie hatte sich erst gestern ihre Verletzungen noch einmal angesehen, als ihre Freundin seelenruhig geschlafen hatte, und sie waren immer noch grün und blau, zwar nicht mehr ganz so furchtbar wie am Anfang der Woche aber immer noch deutlich erkennbar. Und sie hatte durchaus mitbekommen, dass Haruka ab und zu zusammen zuckte, wenn sie sich zu fest umarmten oder sie sich im Schlaf umdrehte. Um jeden Preis musste sie das verhindern. Ihr konnte noch viel Schlimmeres passieren, wenn sie in diesem Zustand Motorrad fuhr, und das auch noch auf der Rennstrecke! Michiru konnte sich nicht einmal vorstellen, mit was für einer Geschwindigkeit Haruka da über die Strecke heizen würde. Beide wollten gerade protestieren aber Keisuke erhob als erster das Wort.

„Ich werde dich persönlich dorthin begleiten. Mal sehen, ob du inzwischen fortschritte geleistet hast und ich hoffe wirklich, dass deine kleine Pause nicht zu viel Schaden angerichtet hat.“

Haruka war zwar nicht sonderlich begeistert aber so lange er bei ihr war, konnte er Michiru immerhin nichts antun. Sie war fast schon erleichtert deswegen. Michiru allerdings fand diese Tatsache noch weniger gut als wenn Haruka alleine zum Training gefahren wäre. Sie konnte die Beiden doch unmöglich zusammen verschwinden lassen! Richtige Panik überkam sie und ließ sie verzweifeln.

„Ihr könntet doch auch Michiru-san mitnehmen, oder? Ich weiß zwar nicht, ob sie Interesse daran hat, aber es ist doch besser, als wenn sie hier ganz alleine zurückbleibt.“ schaltete sich Sachiko auf einmal ein.

„Ich glaube nicht, dass Motorradrennen etwas für sie sind. Sie wird bestimmt etwas anderes machen wollen.“ kam es von Keisuke bestimmend.

Aber Michiru wollte sich nicht abwimmeln lassen, und dass dieser Kerl jetzt auch noch einfach über sie hinweg bestimmen wollte, machte sie nur noch wütender. Er wusste schließlich nicht, dass sie es wusste und wenn Haruka schon zu diesem Training musste, würde sie in jedem Fall mitkommen, um sich im Notfall zwischen sie und ihrem Vater zu stellen.

„Eigentlich würde es mich schon Interessieren. Ich habe noch nie ein Motorradrennen gesehen oder war auf einer Rennstrecke und ich würde gerne mal sehen, wie Haruka fährt.“ lächelte sie ihn freundlich an.

„Aber gern, wenn du das möchtest.“ lächelte er zurück aber Michiru konnte die Verachtung und das Misstrauen dahinter sehr wohl erkennen.

„Wunderbar!“ freute sich Sachiko.

Haruka war total entsetzt. Eben noch dachte sie, sie hätte Michiru aus dem Schussfeld befreit, und jetzt stellte sie sich freiwillig wieder hinein!

„Ich werd mich umziehen gehen.“ sagte sie schließlich und stand auf.

„Ja, ich denke ich sollte mir auch etwas anderes anziehen gehen. Also bis gleich.“

Michiru folgte Haruka die schon verschwunden war. Oben im Flur holte sie sie wieder ein.

„Ruka, warte.“

Haruka drehte sich um und sah sie aufgebracht an.

„Bist du völlig Wahnsinnig! Wieso hast du gesagt, du kommst mit? Du bleibst hier, hast du verstanden? Hier bist du viel sicherer!“

„Ich werde dich auf keinen Fall mit diesem Typen alleine Fahren lassen, also vergiss es!“

„Aber ich kann nicht auf dich aufpassen, wenn ich auf dem Motorrad sitze! Und konzentrieren schon gar nicht!“

„Dort werden ja wohl auch noch andere Leute sein, als nur dein Vater. Er wird mir nichts tun, das wäre viel zu riskant für ihn. Also mach dir keine Sorgen um mich. Ich finde es sowieso absolut nicht in Ordnung, dass du mit deinen angeschlagenen Rippen fahren sollst. Du wirst mich nicht davon abbringen können mitzukommen schon allein um zu wissen, dass dir nichts passiert. Ich will hier nicht rumsitzen und wahnsinnig vor Sorge werden. Was ist wenn du stürzt, oder ...“

Michiru war inzwischen den Tränen nahe. Haruka zog sie schnell in ihre Arme und versuchte sie zu beruhigen.

„Hey, mir passiert schon nichts. Glaub mir. Ich bin schon in wesentlich schlechterer Verfassung gefahren und da ist mir auch nichts passiert. Wenn ich eins kann, dann ist es Motorrad fahren. Also bitte weine nicht, ja?“

„Tut mir leid.“

„Ist schon gut. In Ordnung, dann komm mit, aber du wirst dich von ihm fernhalten.“

„Ich würde niemals freiwillig in seine Nähe gehen, also mach dir darüber keine Gedanken.“

„Dann sollten wir uns jetzt lieber beeilen, sonst merkt er noch was.“

„Okay, bis gleich.“

Michiru küsste sie noch kurz dann löste sie sich von ihr und ging in ihr Zimmer. Haruka beeilte sich ebenfalls und zog sich so schnell es ging ihren Rennanzug an, griff nach ihrem Helm und den Handschuhen und rannte wieder nach unten. Offenbar war Michiru noch nicht wieder zurück und Keisuke saß auch nicht mehr am Küchentisch. Sie fand nur Sachiko die noch aufräumte.

„Wo ist er?“ fragte sie ihre Mutter.

„Er wollte sich ebenfalls umziehen und noch kurz in sein Arbeitszimmer. Anscheinend muss er nachher noch zu einem Termin und wollte direkt von dort aus hinfahren.“

„Das heißt er wird nicht die ganze Zeit über da sein? Wann hat er den Termin?“

„Ich glaube, so gegen zwölf.“

Haruka war sofort wieder in Hochstimmung. Wenn er schon in knapp drei Stunden einen Termin hatte würde er mit Sicherheit nicht lange bleiben und sie hätte Praktisch den Rest des Tages frei mit Michiru. Und, wenn sie schon bei ihr war, konnte er sie ja schlecht einfach verschwinden lassen. Michiru kam in die Küche und verstand Harukas gute Laune gerade gar nicht, deren Grinsen noch breiter wurde, als sie ihre Freundin mal wieder in einem umwerfenden Outfit betrachten durfte. Auch Michiru kam nicht umher ihre Freundin unglaublich Sexy in diesem Anzug zu finden und dieses schiefe Lächeln in ihrem Gesicht unterstrich das Ganze auch noch. Leider verschwand es, und auch ihre ganze entspannte Haltung sofort, als Keisuke plötzlich hinter ihr stand.

„Können wir dann los?“ fragte er in die Runde.

„Ja.“ antwortete Haruka angespannt.

„Gut. Ich werde meinen Wagen nehmen, da ich Nachher noch einen Termin habe. Und du wirst wohl mit dem Motorrad fahren, nehme ich an. Du kannst also bei mir mit fahren Michiru-san. Nachher ...“

„Nein, sie fährt bei mir mit!“ unterbrach Haruka ihren Vater sofort.

Sie hatte nicht wirklich darüber nachgedacht und wusste, dass sie wohl für diesen Wiederspruch bezahlen musste aber das war ihr gerade völlig egal. Ihre Michiru zusammen mit dem alleine in einem Auto? Niemals!

„Ich würde auch lieber bei Haruka mitfahren, wenn du nichts dagegen hast, Keisuke-san.“ tat Michiru unschuldig.

„Aber natürlich.“

Keisukes Maske schien langsam zu bröckeln. Seine Meinung darüber schien im buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

„Aber fahrt vorsichtig. Und Haruka, übertreib es nicht. Ich erwarte dich in einem Stück zurück, hast du verstanden?“ mischte Sachiko sich ins Gespräch ein.

„Aber klar doch.“ sagte Haruka und schenkte ihrer Mutter ein Lächeln.

Die drei verließen also das Haus, allen voran Keisuke, der ohne ein Wort zu sagen in seinen teuren Mercedes stieg, aber nicht losfuhr. War ja klar, dass er warten würde, bis Haruka mit Michiru losfuhr um hinter ihnen her zu fahren, um sie im Auge zu behalten. Die Rennfahrerin holte ihre Honda aus der Garage, setzte ihren Helm auf und gab Michiru einen zweiten.

„Tu ich dir nicht weh, wenn ich mich an dir festhalte?“ fragte Michiru besorgt, als sie hinter Haruka auf das Motorrad stieg.

„Quatsch! Jetzt halt dich schon fest.“

Vorsichtig umfasste Michiru ihre Taille. Haruka zögerte keine Sekunde und fuhr los, gefolgt von ihrem Vater. Doch Haruka wäre keine Rennfahrerin, wenn sie diese Herausforderung nicht angenommen hätte und so hatte sie ihren Vater schon nach dreißig Sekunden abgehängt. Zufrieden mit sich selbst und der Gewissheit, dass sie heute Abend auf keinen Fall ohne Schmerzen ins Bett gehen würde, fuhr sie auf den Parkplatz der Rennstrecke. Sie ließ erst Michiru absteigen und folgte ihr dann.

„Glaubst du es war so eine gute Idee ihn abzuhängen?“ fragte Michiru auf dem Weg zur Strecke.

„Mir doch egal! Er hat selbst schuld, wenn er glaubt sich mit mir auf der Straße anlegen zu können.“

„Aber damit provozierst du ihn bloß! Also bitte lass das.“

Haruka seufzte einmal schwer.

„Ja, ist gut. Ich werd‘s versuchen.“

Die beiden gingen direkt zu den Boxen, wo auch schon Harukas Trainer und einige Mechaniker versammelt waren.

„Haruka-kun! Da bist du ja. Wie geht‘s dir?“ wurde sie freudestrahlend von ihrem Trainer begrüßt und auch die Mechaniker winkten ihr zu.

„Gut, danke. Und wie sieht‘s hier aus? Was habt ihr alles mit meiner Maschine angestellt?“

„Oh, nur das Beste! Du wirst sehen. Aber wen hast du denn da mitgebracht?“ sah er neugierig auf das Türkishaarige Mädchen neben Haruka.

„Das ist Kaioh Michiru. Sie ist eine Freundin von mir und wollte mir unbedingt mal zusehen. Michiru, das ist Ogawa Koichi-san, mein Trainer.“

„Es freut mich sehr Sie kennen zu lernen, Ogawa-san.“ sagte Michiru mit einer höflichen Verbeugung.

„Die Freude ist ganz meiner Seitz.“

Haruka stellte Michiru auch noch den anderen vor und wie es schien, kam sie mehr als gut bei den Männern an, was der Sportlerin überhaupt nicht gefiel. Keisuke traf auch einige Zeit später ein und sah seine Tochter mit einem Blick an, der nur Verachtung in sich trug aber sie ignorierte ihn. Die Mechaniker erklärten Haruka alle sämtlichen technischen Details zu ihrer Maschine, die sie Verändert hatten. Danach sollte sie erst mal ein paar Runden zum warm werden drehen. Bevor sie aber auf ihre Maschine stieg, nahm sie sich noch einen der Mechaniker zur Seite. Er war nur einige Jahre älter als sie und einer der wenigen Menschen, die sie als Freund betrachten würde.

„Tust du mir ‘nen Gefallen, Yamato-kun?“

„Äh, klar. Was gibst denn?“ fragte er verwundert.

„Könntest du darauf achten, dass Michiru nicht zu nah an meinem Vater kommt?“

„Hä? Wieso das? Und wie meinst du das?“

„Sorg einfach dafür, dass die zwei nicht alleine zusammen stehen und sich unterhalten können, okay?“

„Ich kapier echt nicht wieso? Aber wenn du willst, meinetwegen. Ich werd sie im Auge behalten, versprochen!“

Das sagte er mit einem Grinsen im Gesicht, dass Haruka nur allzu gut von sich selber kannte. Mit funkelnden Augen sah sie ihn durchdringend an.

„Hey! Sieh sie nicht so an, klar? Solltest du es wagen sie an zu graben, mach ich dich kalt! Hast du verstanden?“

„Oh Mann, beruhige dich. Ich verspreche es dir, okay? Hätt ich mir ja denken können, dass sie deine Freundin ist.“ sagte er etwas enttäuscht.

„Erzähl das aber niemandem, ja? Ich will nicht, dass die Presse Wind davon bekommt.“

„Okay, versprochen. Und jetzt sieh zu, dass du losfährst. Aber übertreib es nicht wieder, der Motor ist nagelneu und ich hab keine Lust ihn gleich wieder ersetzen zu müssen.“

„Ich werd mein Bestes geben. Aber du könntest ja auch einfach mal einen Motor in die Maschine einbauen der meinem Können gerecht wird.“ grinste Haruka arrogant setzte ihren Helm auf und stieg auf ihre Rennmaschine.

„Sieh lieber erst mal zu, wie du mit dem klar kommst. Ich bin mir sicher, er wird dich an deine Grenzen bringen.“

„So etwas habe ich gar nicht!“ dementierte sie lachend und gab Gas.

„Das befürchte ich auch.“ sagte Yamato seufzend, der davon rasenden Haruka hinterher.

Eine Runde nach der anderen raste Haruka um die Strecke und wurde immer schneller. Michiru hatte am Anfang richtig Panik bekommen, als sie sah wie schnell ihre Freundin da um die Kurven fuhr. Doch, je länger sie ihr dabei zu sah, desto mehr verlor sie ihre Angst und bewunderte sie nur noch. Für sie sah es mehr und mehr danach aus, als würde Haruka über die Bahn fliegen und nicht fahren. Als wäre sie eins mit dem Wind, als würde er sie tragen und beschützen. Die Leute um sie herum schienen auch begeistert zu sein, denn sie jubelten jedes Mal wenn Haruka die Ziellinie überquerte. Alle, bis auf einen. Keisuke stand etwas abseits und sah nur arrogant und überheblich drein. Nach etwa einer Stunde befehligte ihr Trainer sie solle mal eine Pause einlegen und sie kam zurück in die Box. Wo sie gleich von allen umringt wurde und beglückwünscht wurde. Yamato und die anderen untersuchten die Maschine während Haruka auf ihren Trainer und Michiru zukam, die daneben stand.

„Das war unglaublich Haruka, wirklich!“ strahlte Michiru und wäre ihr am liebsten in die Arme gesprungen aber sie hielt sich zurück.

„Da hat sie Recht. Die kleine Auszeit hat dir echt gut getan.“ stimmte ihr Trainer zu.

„Ach was, es war doch nur etwas über eine Woche, also daran kann es jetzt nicht gelegen haben.“

„Auf jeden Fall hat es nicht geschadet. Du hast sogar noch deine Bestzeit unterboten. Ich glaube, dieses Jahr wirst du es schaffen, da bin ich sicher. Du musst nur die Nerven behalten.“

Er klopfte Haruka einmal auf die Schulter und ging dann zu den Mechanikern rüber, um sich nach dem Zustand der Maschine zu informieren. Noch bevor sich Haruka und Michiru unterhalten konnten, ertönte plötzlich Keisukes Stimme hinter ihnen.

„Haruka, kann ich dich mal eben sprechen?“

„Sicher.“

Wiederwillig folgte sie ihm einige Meter weg, bis sie außer Hörweite von Michiru waren, die das Ganze mit sorgenvoller Miene beobachtete.

„Ich werde jetzt gehen. Du weißt genau, was ich von dir erwarte, also tu ja nichts unüberlegtes. Deine Worte von heute Morgen werden auch noch ein Nachspiel haben, also falls du nicht willst, dass deiner kleinen Freundin auch etwas Passiert, halte dich lieber an die Regeln. Ich erwarte, dass du nach dem Training sofort nachhause fährst und dich in dein Zimmer begibst. Allein! Mir ist egal, was du dafür anstellen musst, aber sollte ich herausfinden, dass ihr zwei alleine in einem Raum wart oder sonst etwas zusammen gemacht habt, halte ich mich nicht länger zurück, verstanden?“

„Ja, verstanden.“ antwortete sie kühl.

„Gut. Ich hoffe, ich brauch nicht solange bei meinem Termin und ich werde danach auch sofort wieder nachhause kommen.“

Er sah noch einmal verachtend auf sie herab, dann drehte er sich um und ging. Sofort, als er nicht mehr zu sehen war, rannte Michiru zu ihr und sah sie fragend an.

„Und?“

„Er hat mich nur noch mal gewarnt. Wir sollen, wenn das Training vorbei ist, sofort nachhause fahren und uns getrennt von einender beschäftigen, also nichts Neues.“ zuckte Haruka mit den Schultern.

„Du nimmst das Ganze nicht ernst genug, Ruka. Wieso lässt du das mit dir machen?“

„Ich hab doch gar keine andere Wahl. Und von mir aus, soll er mich kurz und klein schlagen, solange dir nichts passiert, ist es mir egal.“

„Mir aber nicht! Wieso verstehst du nicht, dass ich genau so wenig will, dass er dir etwas tut, wie du, dass er mir etwas tut?“

„Aber du bist um einiges zerbrechlicher als ich, mein Engel. Ich bin das schließlich schon gewöhnt. Und keine Sorge, bisher hat er noch nicht das Geringste mitbekommen. Nächste Woche musst du sowieso ausziehen und wenn du weg bist, wird er dir nichts mehr antun können und mir nicht mehr so auf die Pelle rücken. Ich finde, es zwar nicht gut, dass du gehst aber ich denke, es ist für uns beide sicherer.“

„Am Sichersten wäre es immer noch, wenn er geht!“

„Ja, ich weiß. ... Jetzt komm wir müssen wieder zurück.“

Nicht gerade zufrieden mit dem Ausgang des Gespräches, ließ sich Michiru zurück zu den Boxe ziehen, wo beide schon sehnsüchtig erwartet wurden.

Die Maske fällt!

Haruka fuhr noch so einige Runden um die Rennstrecke und diskutierte mit ihrem Team über Fahrverhalten, Mechanik und sonst irgendeinen Kram, von dem Michiru keine Ahnung hatte. Aber aus irgendeinem Grund wurde ihr kein bisschen langweilig, im Gegenteil, sie fand das alles sehr Interessant, das heißt bis auf die Gespräche über irgendwelche Motorradteile, da verstand sie nicht ein Wort. Aber Harukas Begeisterung dafür und zu zusehen, wie sie eins mit dem Wind zu werden schien, machten sie glücklich und sie wünschte sich plötzlich ihre Malsachen herbei oder einfach nur Papier und Bleistift. Aber leider schien das keiner der Anwesenden dabei zu haben, lediglich ein Kugelschreiber hätte sie haben können, doch der eignete sich überhaupt nicht zum Zeichnen. Also versuchte sie sich so, jedes Detail einzuprägen, um es später doch noch zu Papier bringen zu können. Erst gegen zwei wurde das Training beendet und Haruka und Michiru fuhren zurück zur Villa. Ausgelassen kamen sie in der Küche an. Haruka schmiss sich geschafft auf einen der Stühle.

„Und, was sollen wir jetzt machen?“ fragte Michiru.

„Also mir würde da schon was einfallen!“ grinste Haruka frech, zog Michiru auf ihren Schoß und küsste sie.

Etwas überrascht erwiderte die Künstlerin den Kuss und schlang ihre Arme um ihren Hals. Nach ein paar Minuten löste sie sich von ihr.

„Eigentlich war die Frage anders gemeint aber ich freu mich trotzdem über deine Reaktion.“ lächelte Michiru.

„Ach, und wie war sie gemeint?“ fragte Haruka irritiert.

„Dein Vater sagte doch, wir sollen in getrennte Zimmer gehen, wenn wir zurückkommen. Glaubst du, wir können riskieren es nicht zu tun?“

„Ja! Wir müssen nur aufpassen, dass wir mitbekommen wann er wieder kommt.“ bestimmte Haruka.

„Na gut. Wollen wir dann erst mal was essen?“

„Super Idee! Ich sterbe schon vor Hunger! Aber ich geh mich erst Umziehen und Duschen.“

„Oh, du willst das hier ausziehen? Es steht dir aber verdammt gut.“ schmollte Michiru.

„Ach, findest du ja?“ grinste Haruka noch breiter.

„Ja, finde ich.“

Die zwei kamen sich immer nähe und küssten sich erneut.

„Ich fürchte, ich muss ihn trotzdem ausziehen. Mir wird nämlich ziemlich warm hier drinnen und du hilfst mir nicht gerade dabei, mich abzukühlen.“ sagte Haruka als der Kuss endete.

„Na gut, ausnahmsweise. Aber beeil dich.“

Michiru stand von ihrem Schoß auf und Haruka erhob sich ebenfalls. Die Sportlerin lehnte sich ganz dicht zu ihr herunter und sah ihr direkt in die Augen.

„Du könntest ja mitkommen.“ hauchte sie ihr entgegen.

Augenblicklich schoss Michiru die Röte ins Gesicht und sie musste schwer schlucken. Haruka fing wieder an zu Grinsen.

„Ich liebe es, wenn du so rot wirst.“ lachte sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Ich bin gleich wieder da.“ fügte sie noch hinzu bevor sie die Küche verließ.

Michiru musste sich erst mal wieder setzen und ihren Herzschlag beruhigen. »Oh Mann, sie schafft es echt jedes Mal mich völlig aus der Fassung zu bringen.« Erst, nachdem das Kribbeln in ihrem Bauch langsam ab geklommen war, stand sie auf und fing an, etwas zu essen zu suchen. Haruka grinste immer noch vor sich hin, auch als sie unter der Dusche stand. Nachdem das warme Wasser den ganzen Dreck und Schweiß von ihr gewaschen hatte, stellte sie das Wasser wieder ab und stieg aus der Dusche. Als sie ihr Spiegelbild im Spiegel sah, verschwand ihr Grinsen vom Gesicht. Sie trat etwas näher heran und sah ihren Körper an. Die meisten blauen Flecke waren kaum noch zu sehen, nur der an ihrem Oberarm und der riesige an ihren Rippen war unübersehbar. Es war doch um einiges anstrengender gewesen, als sie erwartet hatte, damit zu fahren aber sie war inzwischen ziemlich gut darin, Schmerzen auszublenden, und das tat sie auch jetzt. Sie griff nach einem Handtuch und trocknete sich ab, zog sich danach an und ging runter in die Küche. Als sie Michiru am Herd entdeckte, sah sie auf einmal ziemlich irritiert aus.

„Was machst du da?“

„Wonach sieht es denn aus? Ich mach uns was zu essen. Du hast doch gesagt, du hast Hunger.“ lachte Michiru über ihren Gesichtsausdruck.

„Du kannst kochen?“ runzelte Haruka die Stirn.

„Natürlich kann ich das. Im Gegensatz zu dir, war ich ein braves Mädchen und hab es mir von meiner Mutter beibringen lassen, außerdem macht es Spaß.“

„Ach ja?“

Haruka konnte das überhaupt nicht nachvollziehen.

„Ja. Deckst du schon mal den Tisch?“

„Na schön.“ stöhnte Haruka.

„Etwas mehr Begeisterung, wenn ich bitte darf.“ tadelte Michiru.

„Wenn ich wieder ‘ne Belohnung kriege, vielleicht.“

„Du und deine Belohnung. Wir küssen uns doch in jeder freie Minute, wie kann es da noch eine Belohnung für dich sein?“

„Jeder Kuss von dir ist eine Belohnung für mich, egal wie oft ich schon einen bekommen habe.“

Michiru hätte schon wieder schmelzen können.

„Also allein dafür, hättest du dir schon wieder einen verdient.“

„Wieso tust du’s dann nicht?“ grinste die Blonde.

„Tut mir leid, aber ich habe gerade keine Zeit.“

„Du bist gemein!“ war Haruka enttäuscht.

„Und du unglaublich süß! Keine Sorge, du bekommst ihn schon noch aber jetzt lass uns erst mal essen, okay?“

„Wenn‘s denn sein muss.“

„Hey, eben bist du doch noch vor Hunger gestorben.“

Michiru richtete das Essen auf dem Tisch an, den Haruka inzwischen gedeckt hatte und setzte sich zu ihr.

„Mein Hunger nach dir ist aber sehr viel größer!“ sagte Haruka verführerisch.

Das machte Michiru schon wieder total nervös und ließ sie abermals erröten.

„Iss jetzt.“ befahl Michiru.

Haruka konnte sich das Lachen nicht verkneifen, fing dann aber an zu essen. Auch Michiru musste lächeln.

„Wow, das schmeckt richtig gut!“ stellte Haruka fest.

„Danke.“

„... Weißt du eigentlich, dass jede Sekunde perfekter wirst.“

„Was? Wie meinst du das?“

„Na ja, du bist unglaublich schön, intelligent, witzig, ehrlich und jetzt kannst du auch noch kochen. Ich ... bin wirklich froh, dass du bei mir bist und weiß gar nicht, womit ich dich verdient habe.“ wurde Haruka auf einmal nachdenklich und sah auf ihr essen vor sich.

Michiru griff nach ihrer Hand.

„Hey, ich bin genau so froh dich zu haben. Ich liebe dich, genauso wie du bist. Für mich bist du genauso perfekt also hör auf dich schlecht zu reden.“

„Mitfühlend, verständnisvoll, das hatte ich noch vergessen.“ lächelte Haruka.

„Denk bitte nicht darüber nach, ob ich gut genug für dich wäre oder so, das entscheide ich ganz allein. Also wo ist dein Selbstbewusstsein hin? Du bist doch die starke und erfahrene von uns.“ versuchte Michiru sie aufzumuntern.

„Ich glaube langsam, du bist viel stärker als ich und meine Erfahrung bezieht sich nur auf ein Thema, das hier ist völlig neu für mich.“

„Das ist es für mich auch. Aber ich möchte es unter keinen Umständen mehr verlieren.“

„Ja, ich auch nicht.“ lächelte Haruka und widmete sich wieder ihrem Essen zu.

Auch Michiru aß wieder, ihre Hand blieb allerdings auf Harukas liegen.

„Kochst du jetzt öfter für mich?“ fragte die Sportlerin einige Zeit später.

„Hhmm, mal sehen. Was bekomme ich denn dafür?“

„Du willst was dafür?“

„Warum solltest immer nur du eine Belohnung bekommen?“

„Dann sag was du willst.“

Michiru wollte zurzeit eigentlich nur eins, aber wenn sie Keisuke erwähnen würde, wäre Harukas Stimmung im nu wieder auf dem Tiefpunkt gewesen, und da viel ihr auch schon etwas viel besseres ein.

„Geh mit mir schwimmen!“

„Was?“ fragte Haruka total entsetzt.

„Ach, komm schon, bitte.“ blinzelte Michiru sie flehend an.

»Ah, dieser Blick! Muss sie mich so anhimmeln? Da kann man ja gar nicht widerstehen!«

„Also gut, von mir aus. … Aber nicht mehr heute! Wir wissen ja nicht wann er wieder kommt, das wäre viel zu riskant.“

Das klang jetzt zwar mehr wie eine Ausrede, aber Michiru strahlte trotzdem bis über beide Ohren.

„Versprochen?“ fragte sie nach.

„Versprochen.“ seufzte die Sportlerin.

„In Ordnung. Es wird sich schon eine Gelegenheit bieten.“

Die zwei aßen noch zu Ende auf und räumten dann gemeinsam das Geschirr weg, danach gingen sie hoch in Harukas Zimmer.

„Und du glaubst, es ist nicht zu gefährlich, wenn wir allein hier drin sind? So kriegen wir doch gar nicht mit wann er wiederkommt.“ fragte Michiru im Zimmer angekommen.

„Vermutlich hast du Recht. Und wo gehen wir dann hin? Ich glaub es ist überall im Haus gefährlich, solange wir zusammen sind.“ sagte Haruka niedergeschlagen und legte sich aufs Bett.

„Auch wieder wahr. Aber ich finde, wir sollten irgendwohin gehen wo wir sein Auto hören können, wenn es kommt.“

Sie setzte sich neben Haruka auf die Bettkante, die inzwischen seufzend die Augen geschlossen hatte.

„Du bist immer noch Müde, oder?“ lächelte Michiru sie an.

„Hey, Motorrad fahren ist anstrengend und ich hab die letzten Nächte schließlich nicht besonders viel Schlaf bekommen.“ rechtfertigte Haruka sich.

„Das sollte auch kein Vorwurf sein. Vielleicht sollte ich dich dann ein bisschen schlafen lassen und in mein Zimmer gehen. Dann würden wir auch genau das tun, was er von uns verlangt.“

„Ich will aber nicht, dass du gehst. Und ohne dich kann ich sowieso nicht mehr schlafen.“

„Ach nein?“

„Nein. Als du mich heute Morgen hier abgelegt hast, wollte ich nichts sehnlicher als weiterschlafen aber irgendwie hat das nicht sehr lange funktioniert. Du hast einfach gefehlt.“

„Oh, du schaffst es heute echt noch mich zum Schmelzen zu bringen, weist du das?“ sagte Michiru und beugte sich ganz dicht zu ihr hinunter.

„Wie meinst du das?“

„Das ist jetzt schon das, ich weiß nicht wie vielte Mal, dass du so etwas unwiderstehliches zu mir sagst.“ flüsterte sie ihr zu.

„Ach ja?“

„Ja!“ hauchte Michiru noch, bevor sie die letzten Zentimeter auf sie zukam und leidenschaftlich küsste.

Der Kuss wurde immer intensiver und alles um sie herum war vergessen. Michiru fand ihre halb verdrehte Position entschieden zu unbequem und kroch kurzerhand ohne den Kuss zu unterbrechen oder es bewusst war zunehmen zu Haruka ins Bett und schlang ein Bein um sie herum. Harukas Hände streichelten inzwischen über ihren gesamten Rücken. Sie atmeten immer heftiger und der Kuss wurde immer verlangender. Michirus Hände wanderten über Harukas Brust und diese stöhnte jetzt auf.

„Michi ...“ versuchte sie etwas zu sagen doch Michiru küsste sie weiter und Haruka war nicht in der Position den Kuss unterbrechen zu können.

„….. was …... wir sollten …... hör lieber auf.“ bekam sie nacheinander heraus.

„Wieso?“ hauchte sie und begann Haruka am Hals zu küssen.

„Du machst …... mich wahnsinnig …... damit! Und ich verlier ….. sonst noch die ….. Kontrolle ...“ versuchte die Sportlerin zu erklären aber das Michiru jetzt begann an ihrem Ohrläppchen zu knabbern und ihre Hand immer noch auf ihrer Brust lag benebelte sie vollkommen.

„Und wenn ich das will?“ drang es an ihr Ohr.

Haruka riss die Augen auf, packte sie an den Oberarmen und drückte sie etwas nach oben, um sie anzusehen.

„Was?“

Michiru wurde wieder rot. Sie hatte gehofft, es nicht erklären zu müssen. Es war mehr eine spontane Entscheidung gewesen, aber es hatte sich alles so gut und richtig angefühlt. Also warum nicht? Es dauerte ein paar Sekunden ehe sie weiter sprach.

„Ich will .......“

BOOOOM!

Total erschrocken fuhren beide zusammen und starrten mit weit aufgerissenen Augen in Richtung Tür. Ja, das war die Tür gewesen, die mit einem lauten Knall aufgestoßen wurde.

„Oh, ich wusste es! Du konntest dich noch nie von einem schönen Mädchen fernhalten. Warum hätte es dieses Mal anders sein sollen?“

Die pure Angst stand beiden ins Gesicht geschrieben. Haruka schien völlig versteinert und fing leicht an zu zittern an. Michiru zitterte auch, riss sich aber zusammen und ging von Haruka runter und stellte sich vor sie, vors Bett.

„Du wirst ihr nichts antun! Das lasse ich nicht zu!“

Sie versuchte überzeugend zu klingen aber dieses Mal wollte es nicht gelingen.

„Du hast es ihr auch noch erzählt?“ wurde Keisuke jetzt richtig wütend.

Er kam mit großen Schritten auf sie zu und blieb vor der Künstlerin stehen.

„Was willst du denn machen, Kleines?“

Er sah von oben auf sie runter und es wirkte in jeder Form herablassend.

„Du bist auch nicht besser, als sie. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ein so schönes Mädchen wie du, sich jemals auf so abartiges Zeug einlassen würde. Ist dir nicht klar, dass du jeden Mann der Welt haben könntest! Was willst du mit der?“ fragte er laut und zornig.

„Das einzig abartige hier bist du! Haruka ist der wundervollste Mensch, der mir jemals begegnet ist und es ist mir egal, ob sie ein Mann oder eine Frau ist! Ich liebe sie!“ schrie Michiru fast.

Keisuke sah sie nur angewidert an.

„Ihr zwei seid doch total krank!“

Er holte aus, was Haruka endlich aus ihrer Starre befreite und sie aus dem Bett springen ließ, um sich vor Michiru zu stellen. Mit voller Wucht bekam sie die, für ihre Freundin bestimmte, Ohrfeige ins Gesicht.

„RUKA!“ schrie Michiru entsetzt auf.

Haruka richtete ihren Blick vom Boden wieder auf und sah ihren Vater mit Hass erfüllten Augen an.

„Du wirst sie nicht anrühren!“ knurrte sie.

„Du hast wohl immer noch nicht kapiert, dass du nichts gegen mich ausrichten kannst, was?“ grinste er überheblich.

Blitzschnell streckte er seinen Arm aus und packte Haruka am Hals und drückte zu.

„NEIN! LASS SIE SOFORT LOS!“ schrie Michiru jetzt völlig verzweifelt und zerrte an seinem Arm.

„Halt dich da raus!“

Mit nur einer Armbewegung schleuderte er Michiru einige Meter von sich und sie landete auf dem Boden.

„Nein!“ presste Haruka erstickt hervor und versuchte sich aus dem Würgegriff zu befreien. Doch der Griff verfestigte sich dadurch nur noch mehr, erst als sie ihn mit einem Tritt voll im Magen traf ließ er los und sie viel schwer atmend und hustend zu Boden. Michiru wollte zu ihr kriechen aber Keisuke schien der Tritt nicht so viel ausgemacht zu haben, denn er stand wieder aufrecht und war schneller bei Haruka als sie. Er zog sie am Hemd nach oben und schlug ihr voll ins Gesicht. Dieses Mal konnte Michiru nicht mehr aufschreien, so geschockt war sie von dem Anblick, als Haruka mit blutender Nase am Boden lag.

„Wag das ja nicht noch einmal, du kleine Missgeburt!“

Haruka richtet sich wieder auf und wischte sich das Blut von der Nase.

„Dann fass du nie wieder meine Freundin an!“ funkelte sie ihn an.

Von Keisuke kam ein dreckiges Lachen.

„Spielst du jetzt den starken Mann, oder was? Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass du eine Frau bist? Und als solche hast du niemals eine Chance gegen mich!“

Er kam wieder auf sie zu und griff mal wieder an ihren Arm mit dem Bluterguss. Haruka erstickte den Schrei der in ihr hochkommen wollte.

„NEIN, BITTE!“ kam Michiru wieder dazwischen.

„Wieso tust du das? Was ist so schlimm daran, dass wir uns lieben? Sie ist doch deine Tochter, verdammt!“ weinte Michiru jetzt.

„Michi, verschwinde hier! Bitte!“ flehte Haruka sie an.

„Gerade weil sie meine Tochter ist, dulde ich diese kranken Spielchen nicht! So etwas Abartiges hat in meiner Familie nichts zu suchen!“ sagte Keisuke und stieß sie erneut weg.

„NEIN! ... AAHHH!“

Er hatte auf Harukas Schrei hin noch fester um ihren Arm gedrückt und dieses Mal, ließ sich der Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Sein Arm holte erneut aus und schlug sie in die Seite, was einen weiteren Schrei ertönen ließ. Immer noch am Arm packend schleuderte er Haruka an die nächste Wand. Michiru saß nur zitternd am Boden und wusste nicht, was sie tun sollte. Haruka lehnte schwer atmend an der Wand und hielt sich die Rippen vor Schmerzen, sie war sich sicher es eben knacken gehört zu haben, aber sie hatte keine Zeit sich weiter damit zu beschäftigen. Mit nur zwei Schritten war Keisuke bei ihr und griff ein weiteres Mal um ihren Hals und drückte sie an die Wand.

„Nein!“

Michiru liefen die Tränen nur so die Wange herunter und sie wollte wieder aufstehen aber eine weitere Stimme hinderte sie daran.

„Was ist denn hier los? ……. Keisuke! Was zur Hölle machst du da?!“

Erschrocken sahen alle drei Augenpaare zur Tür.

„Sachiko?“

Geschockt ließ Keisuke von Haruka ab, die Luft ringend zu Boden sank. Michiru lief sofort zu ihr und hielt sie fest.

„Was hast du getan?!“

Sachiko war gerade erst nachhause gekommen, als sie plötzlich schreie von unten hörte und war dann sofort nach oben geeilt. Jetzt starrte sie völlig entgeistert auf das Bild, welches sich ihr Bot. Haruka schwer atmend und blutend am Boden, Michiru weinend und leichenblass neben ihr, und Keisuke, der da stand und offenbar verzweifelt nach einer plausiblen Erklärung für die Situation suchte.

„Ich ….. sie …….. DIE ZWEI SCHLAFEN MITEINANDER!“ schrie Keisuke und war offenbar wirklich überzeugt davon, dass das eine plausible Erklärung war.

„UND?“ fragte Sachiko entsetzt, da sie nicht glauben konnte, dass das seine Antwort war.

„Aber ...“ wollte er weiter sprechen, wurde aber unterbrochen.

„Wolltest du deswegen nicht, dass ich es ihm sage? Hat er das schon mal gemacht?“ richtete Sachiko sich Haruka zu, die voller Panik von einem zum anderen sah.

„Sag schon!“ wurde jetzt auch Sachiko panisch, da Harukas Augen sie schon verrieten.

„Ja, hat er!“ antwortete Michiru ihr.

„Michi!“

„Nein, Haruka! Länger werde ich bestimmt nicht mehr schweigen. Er schlägt sie seit über einem Jahr, nur weil sie lesbisch ist, und sich nicht an seine kranken Regeln hält! Deswegen wurden ihre Noten immer schlechter und daher ihre ganzen Verletzungen! Er war es!“ nickte Michiru in Keisukes Richtung.

Sachiko wich einige Schritte zurück und musste sich an der Tür festhalten um nicht umzukippen.

„Wie konntest du so etwas tun? ... WIE KANNST DU NUR, KEISUKE?“ schrie sie ihren Mann an.

„Und wie kannst du so etwas dulden? Ich werde nicht zulassen, dass auch nur eine von euch meinen Namen in den Dreck zieht!“

„Deinen Namen? Es geht dir um deinen dämlichen Namen?! Wer bist du bloß? Und wieso hab ich die ganzen Jahre nicht gemerkt, was für ein Monster du bist?“ fragte sie sich selbst.

„Du nennst mich Monster? Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas da befürworten würdest.“

„So etwas? Die zwei sind verliebt! Was ist daran schlecht? ... Ich will das du hier sofort verschwindest!“

„Was hast du gesagt?“

„Geh! Verlass sofort dieses Haus! Ich will dich nie wieder sehen!“ befahl sie ihm.

„Du kannst mich nicht rauswerfen! Ich bin dein Mann und ich sage, was hier passiert und was nicht!“

„Dies ist mein Haus, und du hast mir gar nichts zu sagen! Du bist nicht länger mein Mann! Ich werde dich Anzeigen und die Scheidung einr ....“

Weiter kam sie nicht, denn Keisuke hatte ihr eine Ohrfeige verpasst und sie fiel nach hinten. Das ließ in Haruka eine Sicherung durchbrennen und ohne es zu realisieren drückte sie sich von der Wand ab und rammte ihren Vater zu Boden. Sie richtete sich auf und schlug ihm ins Gesicht.

„Du widerliches Schwein!“ schrie sie und schlug ein weiteres Mal zu.

Die nächsten Schläge, wurden aber von Keisuke abgefangen. Er versuchte sie von sich runter zu stoßen aber er hatte alle Hände voll damit zu tun ihre Fäuste fest zu halten.

„Ich werd jetzt die Polizei rufen!“ rief Sachiko dazwischen.

„Das wirst du schön bleiben lassen!“ presste Keisuke hervor.

„Dann verschwinde hier! Sofort!“

„Dir wird das sowieso niemand glauben! Ich bin Staatsanwalt und habe viele Freunde!“ sagte er weiter und versuchte immer noch Haruka von sich runter zu bekommen.

„Das ist mir völlig gleich! Wir wissen beide, dass dein Ruf mit solch einer Anzeige ruiniert wäre! Es gibt Zeugen für deine Tat und ich besitze wesentlich mehr Mittel als du!“

Geschockt sah Keisuke seine Frau an, die von oben auf ihn herab sah. Mit einem kräftigen Ruck schaffte er es Haruka von sich zu schubsen und stand auf. Sachiko wich keinen Schritt zurück, als er vor sie trat. Beide funkelten sich entschlossen an.

„Mit so was wie euch, will ich sowieso nichts zu tun haben!“ sagte Keisuke schließlich und ging aus dem Zimmer und auch aus dem Haus.

Erleichtert atmete Sachiko einmal aus und lief dann zu Haruka und Michiru herüber, die beide völlig fassungslos auf dem Boden saßen.

„Wieso hast du mir das nie gesagt?“ war Sachiko inzwischen den Tränen nahe.

Haruka sah beschämend zur Seite.

„Würdest du bitte einen Krankenwagen rufen, Michiru?“

„Natürlich.“ sagte Michiru und rannte sofort los.

„Was? Nein! So etwas brauch ich nicht!“ protestierte Haruka.

„Du entscheidest das aber nicht!“

Sachiko sah sie bestimmend an und Haruka konnte nichts dagegen sagen. Dann veränderte sich der Blick ihrer Mutter und sie nahm Harukas Gesicht in ihre Hände.

„Es tut mir so unendlich leid, Haruka. Ich hätte das viel früher Bemerken müssen. Wie kannst du mir das nur jemals verzeihen?“ weinte sie jetzt.

Haruka sah sie Hilflos an.

„Nein, es ist nicht deine schuld! Ich hab doch nichts gesagt! Ich wollte nicht, dass du davon erfährst.“

„Aber wieso nicht? Wie konntest du das nur solange verschweigen und ertragen? Ich hätte dir doch jeder Zeit geholfen!“

„Er hat gesagt, er würde dir auch etwas antun, und dass mir eh niemand glauben würde. Und ich wusste nicht was du von der Sache halten würdest.“ flüsterte Haruka in Richtung Fußboden.

„Ach, Ruka.“

Sachiko Umarmte sie fest und Haruka konnte nicht anders als die Umarmung zu erwidern und auch die Tränen konnte sie nicht mehr länger zurückhalten.

„Ich habe dir bereits vor zwei Tagen gesagt, dass es mir vollkommen egal ist, so lange du glücklich bist. Aber das hätte ich dir wohl schon viel früher sagen sollen. Ich verspreche dir, dass er dir nie wieder etwas antun wird. Und auch sonst niemandem!“

Haruka löste sich aus der Umarmung und sah sie fragend an.

„Wie meinst du das?“

„Meine Drohung wird keine Drohung bleiben. Ich werde ihn auf jeden Fall Anzeigen und dafür sorgen, dass entweder seine Karriere so ruiniert ist, dass er nie wieder einen Job bekommen wird und völlig bankrott ist, oder er im Gefängnis landet, wo er danach selbige Zukunft vor sich hätte.

„Was, aber ...“

„Haruka, nichts was du sagen könntest, würde mich davon abbringen! Hast du verstanden?“

„Hat sie! Und ich werde dir dabei helfen.“ mischte sich Michiru ein die wider ins Zimmer kam.

„Der Krankenwagen kommt gleich.“ fügte sie noch hinzu, als sie bei den beiden angekommen war und sich zu ihnen kniete.

„Siehst du. Du wurdest überstimmt.“ sagte Sachiko zu Haruka und wendete sich dann Michiru zu.

„Ich danke dir, Michiru. Für alles. Ich glaube, wenn du nicht hergekommen wärst, wäre alles noch viel schlimmer ausgegangen oder ich hätte es nie erfahren.“

„Nein, dank mir nicht. Ich hätte es dir gleich sagen sollen, nachdem ich es erfahren hatte, es tut mir leid.“

„Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Es wäre schließlich meine Aufgabe ...“

„Hört auf damit, okay? Von euch hat nun wirklicher keiner Schuld!“ ging Haruka dazwischen.

„Du hast Recht, entschuldige.“ beruhigte Sachiko sie.

„Dieses Gesülze geht mir auf die Nerven.“ beschwerte Haruka sich und wollte aufstehen, aber sie wurde gleich von vier Händen fest gehalten.

„Du wirst nicht aufstehen, sondern warten bis der Krankenwagen hier ist!“ befahl Michiru ihr.

„Aber mir geht‘s gut! Ich brauch keinen dämlichen Arzt! Und ich will auch nicht ins Krankenhaus! Ich hasse diese Dinger!“

„Das Interessiert hier aber niemanden. Und du hast ja schon bewiesen, dass du absolut nicht in der Lage bist über deinen Gesundheitszustand zu diagnostizieren! Ich will gar nicht wissen, wie schlimm deine Verletzungen die ganze Zeit über wirklich gewesen sind und dann bist du auch noch in diesem Zustand Motorrad gefahren!“ stellte Sachiko entsetzt fest.

„Mir is ja nichts passiert.“ sagte Haruka kleinlaut.

„Ja, dem Himmel sei Dank.“

Haruka hatte natürlich keine Chance gegen beide anzukommen und musste wohl oder übel sitzen bleiben und auf den Krankenwagen warten, der auch wenige Minuten später eintraf. Michiru war runter gelaufen, um die Tür zu öffnen und kam dann mit gleich zwei Notärzten zurück, die sie sofort untersuchten, auf eine, ihr völlig überflüssig erscheinende Trage schnallten und dann nach unten trugen und in den Krankenwagen schoben. Michiru und Sachiko stiegen ebenfalls ein und der Wagen fuhr los.

Alles wieder gut?

Im Krankenhaus musste Haruka natürlich unzählige Untersuchungen über sich ergehen lassen, was ihr überhaupt nicht gefiel. Michiru und Sachiko warteten die ganze Zeit ungeduldig im Wartezimmer.

„Wann hat sie es dir eigentlich erzählt?“ fragte Sachiko in die Stille hinein.

„So wirklich freiwillig hat sie es mir nicht gesagt. Sie hatte sich doch am Dienstag mit diesem Jungen in der Schule geprügelt und dabei hat er sie in die Rippen gerammt, an denen Keisuke sie am Vortag irgendwie verletzt hatte. Ich wollte sie Zuhause verarzten und hab sie gezwungen mir die Verletzung zu zeigen. Ich hab mir dann selbst zusammen gereimt was passiert ist, denn es war offensichtlich, dass ihre Verletzungen nicht von einem kleinen Rippenstoß stammen konnten und mir war aufgefallen, dass sie ziemliche Angst vor ihrem Vater hatte.“

„Wieso ist es mir nicht aufgefallen? Ich hätte doch was merken müssen!“

„Ich glaube, Haruka hat sich alle Mühe gegeben, dass du es nicht merkst, also mach dir keine Vorwürfe. Ich weiß nicht, ob ich darauf gekommen wäre, hätte ich die Verletzungen nicht gesehen.“

„Aber dir ist sofort aufgefallen, dass Haruka Angst vor ihm hat. Ich wusste zwar, dass sich die Zwei nicht besonders gut verstehen, aber dass er ihr derart wehtut? Darauf wäre ich nie gekommen.“

Die zwei wurden unterbrochen, denn der behandelnde Arzt von Haruka kam auf sie zu.

„Wie geht es ihr? Ist sie schwer verletzt?“ fragte Sachiko ihn.

„Nun, sie hat eine gebrochene Rippe, zwei weitere geprellt, ziemlich viele blaue Flecken und die Nase ist verstaucht. Außerdem eine massive Quetschung am Arm. Wir werden sie noch einige Tage zur Beobachtung hier behalten, aber sie wird wieder ganz gesund, machen Sie sich da keine Sorgen. Die nächsten Wochen sollte sie sich aber noch schonen, und es langsam angehen lassen. Das Motorradfahren ist fürs erste auch gestrichen, vor allem die Rennen. Erst wenn ihre Rippen vollständig geheilt sind, darf sie wieder fahren. Für mich ist es ein Rätsel wie sie überhaupt noch fahren konnte. Die Fraktur und die Verstauchung der Nase, sind zwar frisch, aber dennoch muss sie große Schmerzen gehabt haben. Sie wurde in den letzten Wochen und Monaten offenbar regelmäßig geschlagen. Auf den Röntgenbildern haben wir auch viele ältere Frakturen entdeckt. Und auch einige innere Organe wurden in Mitleidenschaft gezogen. Derzeit sieht es aber so aus, als würde sie keine bleibenden Schäden davon tragen.“

„Oh mein Gott.“

Sachiko hatte sich fassungslos die Hand vor den Mund gehalten, und auch einige Tränen liefen ihr die Wange hinab. Michiru war genauso geschockt, und legte einen Arm um Sachiko.

„Ich werde natürlich dafür sorgen, dass sie kein Motorrad mehr fährt und sich ausruht. Ich hätte sie auch niemals fahren lassen, wenn ich das gewusst hätte.“ sagte Sachiko dann, wieder etwas gefasst.

„Gut. Im Übrigen, habe ich mir erlaubt die Polizei zu verständigen. Das ist Vorschrift bei Misshandlungsfällen.“

„Ja, das ist in Ordnung. Ich wäre sowieso noch dort hingegangen.“

„Okay. Ich werde Ihnen Bescheid geben, wenn die Polizisten mit Ihnen reden wollen. Sie können dann jetzt zu ihrer Tochter gehen. Sie liegt in dem Zimmer gleich dort vorne.“ zeigte der Arzt auf eine Tür.

Er verabschiedete sich noch von ihnen und verschwand dann. Die zwei Frauen standen noch eine Weile einfach nur da.

„Ich werde ihn umbringen! Wie konnte er ihr das nur antun?! ... Wieso hab ich das nicht mitbekommen?!“ schluchzte Sachiko verzweifelt.

Michiru war auch kurz davor loszuheulen und umarmte Sachiko, um sie irgendwie zu trösten, oder zu beruhigen.

„Ach, Sachiko. Es wird alles wieder gut. Jetzt ist es ja vorbei.“ sagte sie und versuchte sich damit selbst zu überzeugen.

Sachiko erwiderte ihre Umarmung und ließ ihren Tränen einen Moment freien Lauf. Dann aber löste sie sich von der Kleineren und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Na, komm. Wir sollten zu ihr gehen.“

Michiru nickte und gemeinsam gingen sie zu Haruka ins Zimmer. Die Blonde sah ziemlich wütend aus, wie sie da im Bett lag und an die Decke starrte.

„Hey, wie geht es dir?“ fragte Sachiko sie gleich.

„Mir geht‘s bestens, und ich will sofort hier weg!“

„Darfst du aber nicht. Du musst noch zur Beobachtung hier bleiben, also hör auf dich aufzuregen, das bringt sowieso nichts.“ sagte Michiru ruhig, setzte sich zu ihr aufs Bett und nahm ihre Hand in die Ihre.

Haruka wollte sich eigentlich nicht beruhigen aber Michiru schien sie schon wieder automatisch mit ihrer Ruhe anzustecken, also sagte sie nichts mehr und sah sie einfach nur an. Sie konnte beim Besten willen nicht glauben, was heute passiert war. War es jetzt wirklich vorbei? Konnte sie jetzt wirklich mit Michiru zusammen sein, ganz offen, und ohne bei jedem Schritt darauf achten zu müssen, was sie tat? Oder würde er doch noch wieder kommen? Könnte jetzt alles noch viel schlimmer werden?

„Sie hat Recht.“ wurde Haruka von ihrer Mutter aus den Gedanken gerissen.

„Und wie lange muss ich hierbleiben?“ fragte sie nicht mehr ganz so wütend.

„So lange es die Ärzte für Nötig halten.“ lächelte Sachiko.

Von Haruka war nur ein genervtes stöhnen zu hören.

„So schlimm wird es schon nicht werden. Du wirst hier von vorne bis Hinten bedient, das muss dir doch gefallen.“ grinste Michiru.

„Das Essen ist grausam und ich darf nicht aufstehen! Was soll mir daran gefallen?“

Noch bevor jemand ein Wort dazu sagen konnte, ging die Tür auf und eine Schwester trat ein.

„Entschuldigen Sie die Störung, aber zwei Polizisten würden gerne mit Ihnen reden.“ sagte sie an Sachiko gerichtet.

„Ja, natürlich. Ich komme sofort.“

Die Schwester verließ den Raum wieder und Sachiko bewegte sich ebenfalls in deren Richtung. Kurz bevor sie an der Tür war, drehte sie sich aber noch einmal um.

„Ich bin mir sicher die Polizei wird auch mit dir noch reden wollen und ich erwarte von dir, dass du ihnen alles genauso erzählst, wie es gewesen ist. Komm also nicht auf die Idee irgendetwas zu beschönigen oder auszulassen, verstanden?“

Mit einem durchdringendem Blick ging sie dann durch die Tür und ließ Haruka und Michiru allein zurück.

„Das wirst du doch, oder?“ fragte Michiru sie sofort, als die Tür ins Schloss viel.

„Ich hab wohl gar keine andere Wahl.“

„Er wird ins Gefängnis kommen, da bin ich mir ganz sicher. Also mach dir bitte keine Sorgen mehr. Er wird dir oder irgendwem sonst nie wieder wehtun, versprochen.“ versuchte Michiru sie aufzumuntern und strich ihr ein paar strähnen aus der Stirn.

„Das hoffe ich, aber glauben kann ich es noch nicht. ... Geht es dir eigentlich gut? Bist du verletzt worden?“

„Nein, mir geht es gut. Er hat mir nichts getan. ....... Oh Gott, ich hatte solche Angst um dich! Ich dachte schon, er bringt dich um!“ schluchzte Michiru auf einmal und warf sich Haruka in die Arme.

„Hey, mir geht‘s gut. So schnell bin ich nicht klein zu kriegen. Also bitte nicht weinen, ja?“

Haruka streichelte zärtlich über ihren Rücken, um sie zu trösten. Ein paar Minuten brauchte die Künstlerin noch um sich wieder zu beruhigen, dann richtete sie sich wieder auf und sah ihre Freundin an.

„Tut mir leid.“

„Is schon okay. Eigentlich müsste ich mich bei dir entschuldigen. Ich hätte nicht so leichtsinnig seien sollen und auf dich hören sollen. Wenn ...“

„Ruka, hör auf darüber nachzudenken, was wäre wenn. Es ist jetzt so wie es ist. Und zum Glück ist die ganze Sache ja noch gut ausgegangen.“

„Okay. ... Was glaubst du passiert denn jetzt? Und wo ist er wohl hin? Ihr wollt doch nicht etwa ganz alleine wieder zurück in die Villa, oder? Er könnte dort jeder Zeit auftauchen!“ bekam sie plötzlich Panik.

„Haruka, deine Mutter weiß schon was zu tun ist. Sie redet gerade mit der Polizei und die werden ihn bestimmt sofort in Gewahrsam nehmen und dafür sorgen, dass uns nichts passiert.“

Die Sportlerin war nicht wirklich überzeugt davon.

„Könnt ihr nicht wenigsten in ein Hotel oder so?“

„Jetzt lass uns doch erst mal abwarten, was die unternehmen.“

„Aber ...“

„Kein aber! Hör auf dir Sorgen zu machen. Es wird alles gut. Du denkst jetzt nur daran wieder gesund zu werden, ja? Ich will dich nämlich auch so schnell wie möglich wieder Zuhause haben.“

„Ich könnte auch jetzt schon nach Hause. Ein Bett steht da schließlich auch und ich bin bis her auch immer allein damit klar gekommen.“

„Das war aber alles andere als gut, Haruka. Es war längst mal Zeit, dass sich ein Arzt deine Verletzungen ansieht und sie richtig behandelt werden.“

Haruka sah sie wütend an, denn sie wusste, dass sie keine Chance hatte Michiru umzustimmen, die konnte darauf nur lächeln.

„Guck nicht so böse. Ich bin mir sicher in ein paar Tagen darfst du wieder gehen.“

„Aber in ein paar Tagen kommen deine Eltern doch schon und du musst ausziehen.“

Das Lächeln verschwand aus Michirus Gesicht. Das hatte sie völlig vergessen.

„Richtig. Aber jetzt, wo dein Vater weg ist, können wir uns jederzeit sehen, nicht nur in der Schule. Ich komm jeden Tag nach der Schule zu dir oder du kommst zu mir und wir können es mit Sicherheit auch einrichten, dass wir auch mal bei dem anderen übernachten können.“

„Du meinst, wenn deine Eltern nichts dagegen haben. Du hast ihnen noch nichts von mir erzählt, oder?“ fragte die Sportlerin unsicher.

„Nein.“

Michiru wirkte jetzt ziemlich niedergeschlagen.

„Bisher konnte ich es auch gar nicht in Erwägung ziehen, wegen ... du weißt schon. Aber jetzt werde ich es ihnen wohl sagen müssen.“

„Du musst nicht, wenn du nicht willst. Ich kann wohl am besten verstehen, dass du nicht willst, dass sie es wissen. Wir können so tun, als wären wir normale Freundinnen und meine Mutter wird es ihnen auch nicht sagen, wenn du das nicht willst. Bei dir komm deine Eltern bestimmt nicht von selbst auf die Idee, du könntest mit einem Mädchen zusammen sein.“

„Ich weiß nicht, meine Mutter war immer schon ziemlich aufmerksam, aber das ist auch egal. Ich möchte es ihnen sagen. Ich glaub nicht, dass sie etwas dagegen haben, vielleicht werden sie ziemlich überrascht sein aber es akzeptieren, das hoffe ich jedenfalls. Aber verheimlichen will ich es auf keinen Fall.“

„Na gut. Du hast ja noch ein bisschen Zeit, um darüber nach zu denken. Egal, wie du dich entscheidest, ich steh in jedem Fall hinter dir.“

„Das weiß ich.“

Die zwei sahen sich einen Augenblick tief in die Augen. Gerade als sich Michiru zu ihr runter beugen wollte, um sie zu küssen ging die Tür wieder auf.

„Oh, tut mir leid. Ich wollte euch nicht stören aber die Polizisten würden jetzt gerne mit dir reden, Haruka.“

Sachiko betrat den Raum, gefolgt von einem Mann und einer Frau in Uniform. Haruka nickte nur und Michiru stand vom Bett auf. Sie schenkte ihr noch einen "du schaffst das schon" und "lass ja nichts aus" Blick und verließ dann mit Sachiko den Raum. Die nächste halbe Stunde war Haruka damit beschäftigt den Polizisten ihre Fragen zu beantworten. Da jetzt sowieso alles raus war und sie nur noch versuchen konnte diesen Kerl soweit wie möglich von ihr, Michiru und Sachiko weg zu bekommen, erzählte sie den Beamten alles genauso, wie es gewesen war, was er alles getan hatte und auch wieso. Die Polizisten blieben dabei ziemlich sachlich und sie konnte nicht einschätzen, ob sie ihr nun glaubten oder nicht. Sie versicherten ihr aber, dass Keisuke fürs erste in Gewahrsam genommen werden würde, er seine Aussage machen müsse und dann ein Richter entscheidet, ob er, bis zur offiziellen Verhandlung, in Untersuchungshaft bleiben muss, oder nicht. Aber auch, wenn er vorläufig entlassen werden würde, müsste er sich von ihr und auch den anderen Fernhalten. Das beruhigte Haruka doch ein wenig und war froh, dieses Gespräch hinter sich zu haben. Ein paar Minuten nach dem die Polizisten gegangen waren, kam auch Sachiko in den Raum zurück.

„Na, alles okay?“ fragte sie ihre Tochter und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett.

„Ja. Wo is Michi?“

„Die Polizisten wollen auch noch mit ihr reden, aber sie kommt gleich.“

„Oh. Ach, so.“

„Und, hast du ihnen alles erzählt?“

„Ja, hab ich. Genauso wie es gewesen ist.“

Sachiko lächelte erleichtert und nahm die Hand ihrer Tochter in die ihre.

„Ich bin stolz auf dich.“

Haruka sah nur verlegen auf ihre Bettdecke. Während ihre Mutter es genoss ihre Tochter lebendig, und einigermaßen gesund, vor sich zu haben. Dass es auch anders hätte laufen können, wollte sie sich gar nicht vorstellen. Als sie da so schweigend saßen, kam Michiru auch wieder ins Zimmer herein. Über das Bild was sie sah musste sie kurz lächeln, dann setzte sie sich auf die andere Seite von Haruka zu ihr ins Bett.

„Alles in Ordnung?“ fragte sie Haruka.

„Ja, sehr sogar. Einer der Beamten bekam eben noch die Mitteilung, dass Keisuke in seinem Büro fest genommen wurde. Er soll sich massiv gewehrt haben, aber er wurde überwältigt und sitzt jetzt erst mal in Untersuchungshaft.“

Haruka sah sie mit großen Augen an. »Er sitzt im Gefängnis? So schnell? Er wurde tatsächlich verhaftet? Und er konnte nichts dagegen tun?« Das konnte sie einfach nicht glauben. Sie hatte gedacht, niemals würde ihn jemand einfach so verhaften können. Wo waren seine Beziehungen?

„Du kannst heute Nacht also ganz beruhigt schlafen. Er kann gar nicht bei uns auftauchen.“ fügte Michiru noch hinzu.

„Ich werde zur Sicherheit aber trotzdem ein paar Wachmänner engagiert, die uns beschützen. Ich bin kein Freund von bösen Überraschungen, und da ich weiß, wie viel Einfluss er hat, will ich lieber auf Nummer Sicher gehen. Ich habe vorhin auch schon mit meinem Anwalt gesprochen. Ich habe Morgen einen Termin bei ihm, um alles weitere zu besprechen, über den Prozess, der uns wohl erwartet, und auch über meine Scheidung.“ erzählte Sachiko.

Die Augen der Sportlerin wurden immer größer und ihr Gesichtsausdruck immer ungläubiger.

„Ich ... ich kann das alles nicht glauben. Du willst dich wirklich von ihm scheiden lassen? Du denkst nicht mal darüber nach? Ich dachte, du liebst ihn?“

Sachiko beugte sich noch etwas zu ihr vor und sah sie sanft an.

„Ich habe ihn geliebt. Damals als ich ihn kennengelernt habe, war er der perfekte Mann für mich, das dachte ich jeden Falls. Aber schon seit deiner Geburt haben wir uns immer mehr auseinander gelebt und heute musste ich erfahren, dass er mir die ganze Zeit über sein wahres Gesicht vorenthalten hat. Du bist mir das Wichtigste auf der Welt, Haruka. Niemals könnte ich jemanden lieben, der dir so etwas antut. Und wenn ich schon früher gemerkt hätte, was für ein Mensch Keisuke ist, hätte ich ihn schon viel früher verlassen. Ich bin so verdammt blind gewesen!“

„Nein, is schon gut. Ich hätte es dir doch einfach sagen sollen. Tut mir leid.“

„Ich verstehe warum du es nicht getan hast. Du hattest Angst, und bist nun mal noch ein halbes Kind, also gibt es da nichts, was dir leid tun könnte. Versprich mir nur, dass du von jetzt an immer ehrlich zu mir bist, ja? Du kannst mir wirklich alles sagen, egal was es ist.“

„Ja, ich verspreche es. Den Fehler mach ich sicher nicht noch mal.“

„Gut. Dann ruh dich jetzt erst mal aus, und schlaf am besten eine Runde. Du siehst nämlich ziemlich müde aus. Wir kommen Morgen wieder.“

„Was ihr wollt gehen, jetzt schon?“

„Die Besuchszeit ist leider gleich vorbei, und du brauchst unbedingt Ruhe.“

„Aber ...“

„Nein, sie hat Recht. Du warst doch nach dem Training schon völlig fertig. Du solltest jetzt wirklich schlafen.“ unterbrach Michiru sie.

„Bei den Worten Michirus viel Haruka auch wieder etwas anderes ein, aber das konnte sie ja jetzt unmöglich ansprechen, und eigentlich war sie wirklich todmüde, wollte aber auch nicht völlig alleine zurück bleiben.

„Wir kommen gleich morgen früh wieder, also mach einfach die Augen zu und schlaf jetzt. Bis du aufgewacht bist sind wir schon längst wieder hier.“ lächelte Sachiko.

„Da hat sie allerdings Recht.“ stimmte Michiru mit ein.

„Macht euch ruhig lustig über mich.“ war Haruka gleich wieder eingeschnappt und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Schlaf schön, mein Schatz. Und denk nicht mehr so viel nach.“

Sachiko stand auf und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, dann bewegte sie sich schon mal Richtung Tür.

„Ja, ich wünsch dir auch eine Gute Nacht.“ sagte Michiru und stand ebenfalls auf.

Sie sah einen Moment in Harukas blaugrüne Augen und vergaß einfach mal, dass Sachiko immer noch im Raum war und küsste sie einfach. Haruka war doch ein wenig überrascht, erwiderte den Kuss aber.

„Ich liebe dich.“ hauchte Michiru ihr noch zu, dann ging sie zu Sachiko und gemeinsam gingen sie nach draußen.

„Ich dich auch.“ sagte Haruka schon zur verschlossenen Tür.

Sie lehnte sich in die Kissen zurück und schloss ergeben die Augen. Innerhalb von Sekunden war sie eingeschlafen.

Sachiko und Michiru fuhren mit dem Taxi nach Hause. Die beiden Frauen gingen erst mal in die Küche, und bevor sie irgendetwas anderes tat, griff Sachiko zum Telefon und rief bei einer Sicherheitsfirma an, um die erwähnten Wachmänner zu engagieren. Ihr wurde gesagt, dass noch heute einige Männer vorbei kommen würden und den Posten übernahmen. Damit legte sie wieder auf und machte für sich und der Türkishaarigen erst mal einen Tee. Michiru hatte sich schon erschöpft auf einen der Stühle sinken lassen und stützte ihren Kopf mit einer Hand ab. Sie war auch schon ziemlich müde und die ganze Sache hatte sie doch ziemlich mitgenommen.

„Vielleicht solltest du auch langsam ins Bett.“ riet Sachiko ihr.

„Ja, aber ich fürchte ich kann doch nicht einschlafen.“

„Haruka geht es gut. Ich bin mir sicher, sie ist sofort eingeschlafen nach dem wir das Zimmer verlassen haben.“

„Ja, das glaube ich auch. Sie war ja den ganzen Tag schon müde.“

„Mir ist aufgefallen, dass ihr beide in den letzten Tagen immer müde wart. Ihr seid wohl ziemlich lange wach gewesen, oder?“ fragte Sachiko schmunzelnd.

„Ähm, schon.“

Michiru wurde doch etwas nervös bei dieser Frage.

„Schon, okay. Ich kann mir schon vorstellen warum.“

„Eigentlich war das auch seine Schuld. Wir wären bestimmt nicht so lange wach geblieben, wenn wir am Tag mehr Zeit für uns gehabt hätten. Aber er hat Haruka ja verboten mit mir alleine in einem Raum zu sein, oder auch nur irgendetwas anderes mit mir zu unternehmen.“

„Er hat was? Seit ihr deshalb den ganzen Nachmittag nicht von meiner Seite gewichen?“

„Ja. Er hätte es mit Sicherheit mitbekommen, wenn wir es trotzdem getan hätten. Er ist auch jeden Abend und Morgen zu Haruka ins Zimmer geplatzt, um sich zu vergewissern, dass sie noch da und alleine ist. Das ist auch ein Grund warum wir solange wach geblieben sind, denn erst danach konnte Haruka sich in mein Zimmer schleichen.“

„Nicht mal, das hab ich mitbekommen. Er hat euch ja regelrecht terrorisiert. Und was ist heute passiert? Ihr wart doch alle zusammen auf der Rennstrecke, oder?“

„Ja, aber er is dann irgendwann zu seinem Termin gegangen und wir später alleine nach Hause. Nachdem wir was gegessen hatten sind wir in Harukas Zimmer gegangen und ...“

Ihr viel gerade wieder ein, bei was Keisuke sie gestört hatte und wurde leicht rot im Gesicht.

„... dann ist er auf einmal aufgetaucht. Na ja, und dann ist er auch schon auf sie losgegangen. Ich dachte wirklich er würde sie umbringen. Ich konnte nicht das Geringste dagegen tun. ... Zum Glück bist du dann noch rechtzeitig zurückgekommen.“

Michiru war schon wieder den Tränen nahe, konnte sie aber noch zurückhalten. Sachiko legte ihr tröstend eine Hand auf die Ihre.

„Ja, und das war wirklich Glück. Eigentlich wollte ich noch länger bei meiner Freundin bleiben, aber sie hatte vergessen, dass sie noch einen wichtigen Termin hatte, also bin ich früher gegangen. Ich will gar nicht wissen was passiert wäre, wenn ich doch noch da geblieben wäre.“

„Ich auch nicht.“

Die beiden saßen eine Weile schweigend da und tranken ihren Tee zu Ende. Michiru durchbrach als erste die Stille wieder.

„Ich glaub, ich werde jetzt doch mal versuchen zu schlafen.“

„Ja, das ist eine gute Idee. Ich wünsch dir eine gute Nacht, Michiru.“

„Danke Sachiko, die wünsch ich dir auch.“

Damit stand Michiru auf und ging, nachdem sie ihre Tasse weggeräumt hatte, nach oben. Ihr war durchaus aufgefallen, dass Sachiko auf einmal die Endung an ihrem Namen wegließ, also tat sie es auch. Nach diesem Tag und dem was alles passiert und gesagt wurde, war solch eine Förmlichkeit wirklich überflüssig. In ihrem Zimmer zog sich die Türkishaarige sofort um und legte sich ins Bett. Einerseits war sie wirklich froh, dass es jetzt wohl wirklich vorbei war, andererseits machte sie sich schon einige Sorgen darüber, wie es jetzt wohl weiterging. Erst wenn Keisuke endgültig verurteilt wurde, würde diese Sache wohl wirklich vorbei sein. Keisuke war im Moment aber nicht ihre einzige Sorge. Sie dachte jetzt wirklich darüber nach, wie sie ihren Eltern sagen könnte, dass sie mit Haruka zusammen war und auch diese Sache die passiert war, oder besser fast passiert wäre, bevor Keisuke sie unterbrochen hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie hätte es wohl wirklich getan. Sie hatte nicht mal groß darüber nachgedacht. Doch sie fand auch jetzt keinen Grund dafür, warum sie es nicht tun sollte. Sie waren zwar erst seit ein paar Tagen zusammen und eigentlich hätte sie gedacht viel länger zu brauchen um bereit dafür zu sein, aber sie liebte Haruka, über alles und sie wollte sie, ganz und vollkommen. Sie hatte zwar auch Angst und war leicht unsicher darüber, was zu tun war, aber sie vertraute Haruka, und die wusste mit Sicherheit was sie tat. »Warum bekommt man auch nur erzählt, wie das Ganze mit einem Mann funktioniert?« Sie zog sich verzweifelt die Decke übern Kopf und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Sonst hätte sie am Ende wahrscheinlich doch noch einen Rückzieher gemacht und das wollte sie nicht. Eine Weile brauchte sie noch um die ganzen Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben, dann schlief sie endlich ein.

In Freiheit

Am Nächsten Tag machten sich Michiru und Sachiko gleich nach dem Frühstück auf den Weg zu Haruka ins Krankenhaus. Haruka wurde natürlich viel zu früh für ihren Geschmack von den Schwestern Geweckt und sollte ein ungenießbares Frühstück hinunter zwängen. So war sie also mal wieder total mies gelaunt, als die beiden Frauen bei ihr ankamen. Doch als Michiru freudestrahlend auf sie zu ging und mit einem zärtlichen Kuss begrüßte, war die miese Laune wie weggeblasen.

„Hi, hast du gut geschlafen? Hast du noch Schmerzen?“ fragte die Türkishaarige nachdem sie den Kuss beendet hatte.

„Die geben mir was gegen die schmerzen, also nein. Und ich hätte viel besser geschlafen, wenn du gestern nicht gegangen wärst.“ grinste Haruka.

Hinter ihnen war ein räuspern zu hören.

„Soll ich vielleicht wieder gehen?“ meldete sich Sachiko zu Wort.

„Oh, du bist ja auch da.“

Haruka hatte ihre Mutter nicht mal wahrgenommen.

„Ja. Freut mich, dass es dir anscheinend schon wieder besser geht.“

„Mir geht’s bestens und ich seh überhaupt keinen Grund dafür, warum ich noch länger hierbleiben sollte.“

„Die Ärzte aber anscheinend schon, also bleibst du.“ bestimmte Sachiko.

Haruka verdrehte genervt die Augen, sagte aber nichts mehr dazu.

„Ich hab dir ein bisschen was zum Anziehen mitgebracht, falls du nicht die ganze Zeit dieses Krankenhaus Hemd tragen möchtest.“ redete Sachiko weiter und stellte die Tasche, die sie mitgebracht hatte auf einen Stuhl.

„Das is ‘ne super Idee, dieses Ding is einfach grausam.“

Haruka machte sich schon daran aufzustehen.

„Warte! Darfst du überhaupt aufstehen?“ hielt Michiru sie davon ab.

„Klar, darf ich! Ich werd bestimmt nicht den ganzen Tag im Bett liegen, da kann ich mich ja gleich aufhängen.“

„Du bleibst liegen. Ich werde zuerst deinen Arzt fragen, also warte noch so lange.“

Haruka stöhnte und ließ ihren Kopf nach hinten fallen. Währenddessen ging Sachiko nach draußen und suchte den Arzt. Zehn Minuten später kam sie wieder zurück.

„Also gut, du darfst aufstehen. Aber vermeide hektische Bewegungen.“

„Na, also!“ freute Haruka sich und stand auf.

Sie schlug sofort den Weg zur Tasche ein.

„Ich werd mir dann schnell was anderes Anziehen.“

„Schaffst du das allein?“ fragte Michiru besorgt.

„Hey, ich bin kein Krüppel, okay? Also hört auf mich so zu behandeln!“ schimpfte Haruka und verschwand im Badezimmer.

„Dieser blöde Stolz bringt sie nochmal um.“ seufzte Sachiko und setzte sich auf einen Stuhl.

Michiru seufzte ebenfalls. Ein paar Minuten später kam Haruka frisch angezogen aus dem Badezimmer zurück.

„Seht ihr, kein Problem!“ strahlte Haruka.

„Und wie schlimm waren die Schmerzen dabei?“ fragte Michiru.

„Ich sagte doch schon, ich habe keine Schmerzen, also hört auf mich ständig danach zu fragen, das nervt.“

„Wenn du nicht die ganze Zeit so tun würdest, als wäre alles in Ordnung, müssten wir auch nicht ständig fragen.“

„Es ist aber so! Also können wir jetzt über was anderes reden?“

„Ja, ist gut.“ stimmte Sachiko ein.

Also wurde das Thema abgehackt. Die drei beschlossen nach einiger Zeit rauszugehen und machten einen Spaziergang durch den hiesigen Park, da Haruka um jeden Preis aus dem Gebäude wollte. Die Sportlerin war froh endlich wieder frische Luft und vor allem Bewegung zu bekommen. Irgendwann gegen Mittag verließ Sachiko die anderen Zwei, um sich mit ihrem Anwalt zu treffen. Haruka und Michiru setzten sich auf eine der Parkbänke und genossen den warmen Frühsommertag.

„Hast du eigentlich schon weiter darüber nachgedacht, was du deinen Eltern sagen wirst?“ fragte Haruka.

„Ja. Eigentlich ist das Thema die ganze Zeit in meinem Kopf. Ich werd’s ihnen auf jeden Fall sagen, doch ich weiß einfach nicht wie. Irgendwie hab ich doch ein wenig Angst davor.“

„Also wenn du es ihnen unbedingt sagen willst, dann tu es einfach, ohne darüber nachzudenken. Einfach gerade heraus. Planen kannst du das sowieso nicht.“

„Ja, von dir hätte ich keinen andern Rat erwartet. Aber das ist gar nicht so einfach.“

„Ich kann es sagen, wenn du dich nicht traust.“

„Nein, das will ich schon selbst tun. Aber du musst auf jeden Fall dabei sein, sonst mach ich doch noch einen Rückzieher.“

„Keine Sorge, ich würde dich niemals alleine mit ihnen reden lassen. Nachher passiert dir noch was.“

„Haruka, weder mein Vater noch meine Mutter würden mir jemals so etwas antun, wie es dir angetan wurde. Da bin ich mir zu hundert Prozent sicher. Trotzdem weiß ich nicht, wie sie dazu stehen werden und auch nicht was sie von dir halten werden.“

„Wahrscheinlich werden sie mich nicht im Geringsten ausstehen können. Und dein Vater wird vermutlich versuchen mich umzubringen, schließlich nehme ich ihm sein kleines Mädchen weg.“ grinste Haruka.

„Hör auf das witzig zu finden. Machst du dir überhaupt keine Sorgen?“

„Natürlich mach ich mir die. Eigentlich habe ich sogar mächtig Schiss davor deine Eltern kennenzulernen, vor allem deinen Vater. Aber egal was passiert, wir bleiben zusammen, oder?“

„Auf jeden Fall werden wir das!“

„Siehst du, dann ist doch alles in Ordnung.“ grinste Haruka.

Jetzt lächelte auch Michiru wieder und schmiegte sich enger an ihre Freundin ran.

„Ja, du hast Recht.“

Sie saßen eine ganze Weile eng aneinander gelehnt schweigend da und genossen die Anwesenheit des anderen. Bis Haruka irgendwann die Sache ansprach, die sie seit gestern nicht mehr aus dem Kopf bekam.

„Michi?“

„Mhm.“

„Gestern, bevor wir so unsanft unterbrochen worden sind, da wolltest du etwas sagen. Was war es?“ fragte sie leicht unsicher.

Michiru atmete einmal tief durch, konnte aber nicht verhindern, dass sich ihr Puls etwas beschleunigte.

„Ich ... ich glaub du weißt was ich sagen wollte.“

Haruka drehte sich auf der Bank zur Seite, um ihr gegenüber zu sitzen und sie ansehen zu können.

„Ich will es aber von dir hören, sonst bin ich mir nicht sicher genug, ob du wirklich das sagen wolltest, was ich denke. Nachher versteh ich dich völlig falsch und tu noch etwas, was du gar nicht willst. Also sag es mir bitte.“

Noch einmal musste die Künstlerin tief durchatmen, dann sah sie Haruka direkt in die Augen.

„Haruka, ich liebe dich, über alles, und ich bin einfach verrückt nach dir. Also gibt es für mich keinen Grund noch länger zu warten. Wenn du es also auch willst, dann ... dann bin ich bereit mit dir ... mit dir zu schlafen.“

Die letzten Worte waren nur noch ein flüstern, trotzdem halten sie in Harukas Kopf überdeutlich nach. Haruka war wirklich sprachlos und musste erst mal schlucken. Eine glühende Hitze durchflutete sie und ein ziemlich starkes Kribbeln trat in ihrer Magengegend auf.

„Wow. ... Also mich musst du das wirklich nicht fragen. Du weißt ich liebe dich auch und ich wollte dich schon von der ersten Sekunde an. Aber ich dachte wirklich nicht, dass es so schnell geht.“

„Ich auch nicht. Aber du bist einfach zu unwiderstehlich für mich.“ lächelte Michiru erleichtert.

Auf Harukas Gesicht kam natürlich gleich ihr arrogantes Grinsen zurück und sie verringerte den Abstand zwischen ihr und Michiru immer mehr. Es folgte ein langer leidenschaftlicher Kuss, der sie alles um sich herum vergessen ließ.

„Jetzt kann ich es noch weniger erwarten, endlich aus diesem Krankenhaus zu entkommen.“ sagte Haruka als der Kuss endete.

„Du musst sowieso erst mal wieder ganz gesund werden, also ist es egal, wo du bist.“

„Was? Nein! Du kannst mir doch nicht so etwas sagen und dann doch wieder von mir verlangen zu warten! Das geht nicht!“ war Haruka jetzt richtig entsetzt.

„Ruka, deine Rippe ist gebrochen. Ich werd das bestimmt nicht tun, bis ich mir nicht vollkommen sicher sein kann, dir nicht weh zu tun. Also wirst du dich wohl noch etwas gedulden müssen, tut mir leid.“

„Aber der Arzt sagte, das kann bis zu sechs Wochen dauern! Ich bekomm doch Schmerzmittel und ich bin wirklich bereit jeden Schmerz dafür zu ertragen, also bitte lass mich nicht so lange warten, ja?“ flehte Haruka sie an.

Michiru sah sie zögerlich an. Sechs Wochen waren wirklich verdammt lang, so lange wollte selbst sie nicht warten, aber sie wollte Haruka auch nicht noch mehr verletzen.

„Mal sehen. Vielleicht müssen wir auch nicht ganz so lange warten, aber gib deinen Rippen wenigstens ein bisschen Zeit sich zu erholen.“

Haruka war nicht gerade begeistert von der Antwort, aber es war besser als nichts und das Michiru von der Wartezeit auch nicht sonderlich begeistert war, sagte ihr zumindest, dass sie es auch wirklich wollte.

„Na schön. Wenn‘s sein muss.“

„Du dachtest doch sowieso, du müsstest noch warten und sagtest, ich könnte mir so viel Zeit lassen, wie ich brauche. Oder hast du das nur gesagt, um mich nicht unter Druck zu setzen?“

„Nein, das war wirklich ernst gemeint. Solange du selbst nicht bereit dafür bist und mich nicht so willst wie ich dich, würde ich auch nicht mit dir schlafen wollen. Aber wie soll ich darauf verzichten, wenn ich genau weiß, dass du es auch willst?“

„Du wolltest es ja unbedingt wissen. Ich hätte es dir sonst auch erst gesagt, wenn du wieder Gesund gewesen wärst.“

„Na toll! Das macht es jetzt auch nicht besser.“ schnaubte Haruka.

Michiru musste augenblicklich zu lachen anfangen. Haruka sah einfach zu niedlich aus.

„Du kriegst schon noch was du willst und je weniger du dich gegen die Anweisungen der Ärzte währst, desto schneller bekommst du es auch. Jetzt lass uns erst mal irgendwo was essen gehen, ja? Ich hab nämlich inzwischen ziemlich Hunger bekommen.“

Haruka ließ sich widerstandslos von der Bank ziehen. Ihre Laune wurde aber auch durch das Essen nicht besser. Jetzt konnte sie natürlich an nichts anderes mehr denken, als daran, Michiru auszuziehen. Die Zwei verbrachten auch den Rest des Tages draußen im Park, da Haruka nicht in dieses grässliche Krankenzimmer zurück wollte. Erst als es langsam kühl draußen wurde, gingen sie doch hoch, und auch Sachiko stieß wenig später wieder dazu. Sie musste den beiden leider erzählen, dass Keisuke inzwischen auf Kaution wieder draußen war, aber sich unter keinen Umständen einer von ihnen nähern durfte. Die Scheidung hatte sie inzwischen eingereicht und die würde wohl kein Problem werden. Außerdem hatte ihr Anwalt ihnen gute Chancen für einen erfolgreichen Prozess gegeben, da der Richter der mit diesem Fall beauftragt worden war, wohl kein großer Fan von Keisuke war. Natürlich hieß das noch lange nichts aber da ein ärztliches Gutachten bestätigt, dass Haruka über mehrere Monate lang misshandelt worden war und es auch noch Zeugen für die Tat gab, standen die Chancen für eine Verurteilung gar nicht schlecht. Haruka gefiel die Vorstellung, dass Keisuke frei da draußen rum lief überhaupt nicht, aber wenn er auch nur etwas Wert auf seine Karriere legte, würde er wohl nichts riskieren. Außerdem wurde das Haus ja auch noch bewacht. Später am Abend bekam Haruka sogar noch eine richtig gute Neuigkeit. Sie durfte am nächsten Morgen das Krankenhaus wieder verlassen. Leider mussten dann aber auch Michiru und Sachiko schon wieder gehen und Haruka blieb allein zurück. Aber mit dem Wissen, dass sie Morgen entlassen wurde, viel die Trennung nicht ganz so schwer. Dummerweise hatte Haruka nicht daran gedacht, dass am nächsten Tag Montag war und so war sie ziemlich wütend darüber, dass Michiru sie nicht mit abholte und stattdessen ganz alleine in der Schule war. Sie wäre jetzt sogar freiwillig in die Schule gegangen, nur um in Michirus Nähe sein zu können und vor allem auf sie auf zu passen, aber sie war noch für die ganze Woche krankgeschrieben und für den Sportunterricht sogar die nächsten drei. Und die Nachricht, dass sie für mindestens genauso lange kein Motorrad fahren durfte brachte sie regelrecht zur Verzweiflung. Sie sah schon die schlimmste Zeit ihres Lebens vor sich. Kein Sport, kein Motorrad, weder für Rennen noch sonst, kein Sex und nicht mal den ganzen Tag konnte sie mit Michiru verbringen. Sie war wirklich der Meinung die Ärzte hätten ihre Freundin ebenfalls Krankschreiben müssen, wie sollte sie sich auch erholen, wenn ihre beste Medizin nicht anwesend war?

„Jetzt guck nicht so, Haruka. Michiru kommt doch bald wieder.“ versuchte Sachiko Haruka von ihrer miesen Laune zu befreien, denn sie ging ihr allmehlig auf die Nerven.

Sie saßen zusammen in der Küche der großen Villa und aßen zu Mittag.

„Warum hat mir denn gestern niemand mehr gesagt, dass Michiru heute wieder zur Schule muss?“

„Tja, auch Michiru ist erst gestern Abend, als wir schon Zuhause waren, klar geworden, dass sie heute zur Schule muss. Sie war auch nicht gerade froh darüber.“

„Hättest du ihr nicht ‘ne Entschuldigung oder so was schreiben können?“

„Nein, hätte ich nicht. Du wirst doch mal ein paar Stunden ohne sie auskommen, oder?“

„Ich musste doch schon die ganze Nacht auf sie verzichten! Und die davor auch.“ schmollte Haruka weiter.

„Ich erkenn dich wirklich kaum wieder. Wer hätte gedacht, dass du dich mal so sehr nach der Anwesenheit eines anderen Menschen sehnen würdest. Sie bedeutet dir wirklich viel, nicht wahr?“

„Ja, mehr als alles andere auf der Welt. Ich liebe sie.“ sagte Haruka, mehr in Richtung ihres Essens gewandt.

„Du glaubst gar nicht, wie glücklich ich darüber bin, dass du so jemanden gefunden hast. Eine Zeit lang dachte ich wirklich, du würdest nie jemanden an dich ran lassen, aber das lag wohl auch hauptsächlich an deinem Vater.“

Haruka sagte lieber nichts dazu. Ihr war klar, dass nicht nur ihr Vater der Grund dafür war, warum sie nie eine Beziehung eingegangen war. Und was sie sonst noch alles so getan hatte, musste sie ja auch nicht unbedingt erfahren. Als Haruka fertig mit essen war, stand sie auf und sah ihre Mutter bittend an.

„Darf ich sie abholen? Auto werde ich doch wohl noch fahren dürfen, oder?“

Sachiko seufzte tief.

„Na, schön. Aber fahr vorsichtig.“

„Klar, doch! Danke.“ freute sie sich und ging schon zur Tür bis sie sich plötzlich wieder umdrehte.

„Müssen wir gleich nach Hause kommen? Ich verspreche auch, ich werde nichts zu anstrengendes machen.“

„Da du dich schon letzte Woche hier praktisch hast einschließen lassen, will ich mal nicht so sein. Ich vertraue auch darauf, dass Michiru dich wohl nichts tun lassen würde was dir schaden könnte, also von mir aus.“

Vor Freude strahlend verließ Haruka das Haus und fuhr dann mit ihrem Auto Richtung Schule, um ihre Freundin abzuholen. Als sie dort ankam, war die letzte Stunde noch nicht ganz vorbei, also musste sie noch etwas warten. Sie stieg aus dem Auto aus und lehnte sich an die Motorhaube, um auch ja für jeden sichtbar zu sein (als wäre das Auto nicht schon Blickfang genug). Es klingelte endlich und nach und nach füllte sich der Hof mit Schülern. Wenig später konnte sie endlich Türkisfarbene Locken in der Menge aufblitzen sehen. Geschockt blieb Michiru erst mal stehen, als sie auf einmal Haruka auf dem Parkplatz erkannte. Sie blinzelte ein paar Mal, um sich sicher zu sein, dass sie wirklich sah, was sie zu sehen glaubte, dann rannte sie auf sie zu.

„Was machst du denn hier?“ strahlte Michiru und hätte sich beinahe in ihr Arme fallen lassen, aber ihr fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass das wohl keine gute Idee wäre.

„Ich freu mich auch dich zu sehen, mein Schatz.“ grinste Haruka und zog sie trotzdem in ihre Arme.

Die Sportlerin löste sich wieder von Michiru, hob ihr Kinn etwas an und küsste sie. Sofort waren sämtlich Schüler um sie herum stehen geblieben und starrten sie mit großen Augen an. Die Künstlerin hatte schon nach zwei Sekunden vergessen, wo sie sich befanden und genoss den Kuss in vollen Zügen. Erst als sie sich voneinander lösten bemerkte sie die anderen um sich.

„Was ist denn aus dem "nicht zu auffällig" geworden?“

„Das gibt es nicht mehr. Von mir aus, kann es jetzt die ganze Welt erfahren. Keine Heimlichtuereien mehr. Es soll jeder Wissen, dass du allein mir gehörst.“

„Dann wolltest du also klar stellen, dass niemand mehr versucht sich an mich ran zu machen, ja?“

„Das, und ich konnte nicht eine Sekunde länger darauf warten.“

„Na gut, ich gebe zu, ich auch nicht. Ich hab dich schon den ganzen Tag vermisst, aber darfst du überhaupt hier sein?“

„Meine Mutter hat es mir erlaubt und sogar, dass wir nicht gleich nach Hause fahren müssen. Also, was willst du tun? Ich fahr dich hin, wo immer du hin willst.“

„Wirklich? Dann will ich zum Strand.“

Haruka lächelte, denn sie hatte schon fast mit dieser Antwort gerechnet. Sie ging um den Wagen herum und hielt Michiru die Tür auf. Nachdem beide eingestiegen waren, fuhr die Sportlerin vom Parkplatz, vorbei an den immer noch erstarrten Schülern. Die Zwei verbrachten den ganzen Nachmittag am Strand, gingen am Meer entlang oder saßen einfach nur im Sand und redeten. Zuhause verschwand das Paar dann gleich nach dem Abendessen in Michirus Zimmer. Die Künstlerin war dabei ihre Hausaufgaben zu machen während Haruka es sich in ihrem Bett gemütlich gemacht hatte und ungeduldig darauf wartete, dass sie fertig wurde.

„Musst du die denn unbedingt machen?“

„Haruka, ich hab gerade erst ein Stipendium für die Schule erhalten und wenn sich meine Noten verschlechtern verlier ich es wieder und muss die Schule verlassen. Willst du das etwa? Dann können wir uns nämlich nicht mal mehr dort sehen.“

„Nein, schon gut. Nur beeil dich etwas, ja?“

„Du könntest ruhig auch etwas tun. Nur, weil du krankgeschrieben bist, heißt das ja nicht, dass du gar nichts mehr tun musst. Schließlich sind deine Noten noch nicht gerade besser geworden.“

„Wie sollen die das denn bitte, in nur einer Woche, werden? Bei den nächsten Arbeiten werden sie besser, versprochen. Und du weißt doch, dass ich nicht lernen brauche. Also warum sollte ich mir die Mühe machen?“

„In Japanisch täte dir das üben aber gar nicht schlecht. In dem Fach bist du nicht gerade die Beste.“

„Das Fach is ja auch total bescheuert. Es reicht doch wenn ich die Sprache sprechen kann, oder nicht?“

Michiru verdrehte seufzten die Augen.

„Dir ist echt nicht mehr zu helfen. Und jetzt sei still, sonst werde ich niemals fertig.“

„Ja, ja.“ stöhnte Haruka und lehnte sich wieder auf die Matratze zurück.

Es war eine Weile still, bis es auf einmal an der Tür Klopfte.

„Ja, bitte?“ sagte Michiru.

Die Tür öffnete sich und Sachiko trat ein.

„Michiru, deine Mutter ist am Telefon.“

„Oh, ich komme.“

„Ich habe mir die Freiheit genommen, ihr alles über Keisuke und was in den letzten Tagen passiert ist, zu erzählen. Aber keine Angst, über euch habe ich ihr nichts gesagt.“

Haruka und Michiru sahen kurz richtig nervös aus.

„Was hat sie gesagt?“ fragte Michiru vorsichtig.

„Na ja, sie ist ziemlich besorgt darüber, wie es dir jetzt geht. Und ich glaube, ein wenig geschockt ist sie auch.“

„Dann werde ich mal versuchen sie zu beruhigen.“

Michiru ging an Sachiko vorbei nach unten ins Wohnzimmer.

„Jetzt werden sie wahrscheinlich noch schneller herziehen, was?“ fragte Haruka niedergeschlagen.

„Sie hatten vor am Freitag zu kommen und das werden sie auch jetzt noch. Also nein.“

Sachiko ging etwas näher zu ihrer Tochter hin.

„Ich habe Yuki versichert, dass Michiru hier sicher ist und sie hat sich auch große Sorgen um dich gemacht.“

„Um mich? Sie kennt mich doch gar nicht.“ war Haruka irritiert und sah Sachiko ungläubig an.

„Aber du bist schließlich meine Tochter und Michirus "beste Freundin", wie sie annimmt.“

„Du kennst sie doch ziemlich gut, oder? Wie glaubst du, wird sie die Sache zwischen Michi und mir aufnehmen?“

„Tja, ich glaube sie wird etwas geschockt sein aber solange Michiru glücklich ist, wird sie nichts dagegen haben.“

„Sicher?“

„Ganz sicher bin ich natürlich nicht. Aber ich glaube es.“

Das war nicht genug um Harukas Zweifel verschwinden zu lassen. Sie machte sich schon die ganze Zeit Sorgen darüber was Michirus Eltern von ihr denken könnten. Eigentlich war es ihr nie wichtig gewesen, was andere Menschen über sie dachten, doch bei Michiru und jetzt auch ihren Eltern, war es das auf einmal.

„Mach dir keine Sorgen. Sie werden es schon verstehen.“ versuchte Sachiko sie noch aufzumuntern, dann ging auch sie wieder nach unten.

Michiru war währenddessen im Wohnzimmer angekommen und nahm den Hörer von der Ablage.

„Hallo? Mama?“

„Chiru-chan? Geht es dir gut? Sachiko hat mir erzählt was passiert ist. Wieso hast du nicht gleich angerufen?“

„Beruhige dich. Mir geht es gut und ich habe einfach nicht daran gedacht dich anzurufen, tut mir leid.“

„Ach, schon in Ordnung. Du hattest bestimmt ganz andere Dinge im Kopf. Wie geht es denn Haruka-san? Sachiko sagte zwar, ihr ginge es körperlich schon wieder besser, aber seelisch muss sie doch sehr gelitten haben?“

„Ja, ich denke sie hat sehr gelitten. Aber ich glaube, jetzt wo ihr Vater weg ist, und sie weiß, dass ihre Mutter immer für sie da ist, geht es ihr schon wesentlich besser. Sie ist aber kein Mensch, der offen über ihre Gefühle redet, also weiß ich es nicht genau. Wenn man sie fragt geht es ihr immer nur gut oder bestens.“

„Armes Kind. Wie kann ein Vater seinem Kind nur solch grausame Dinge antun. Sachiko macht sich solche Vorwürfe. Am liebsten würde ich sofort zu euch fahren, um ihr helfen zu können.“

„Du kommst doch bald und ich glaube im Moment könntest du auch nicht mehr machen.“

„Aber ich könnte sie immerhin in den Arm nehmen. Ich bin froh, dass wenigstens Haruka-san jetzt eine Freundin bei sich hat. Du kümmerst dich doch um sie, oder?“

„Äh, ja.“ »Gott, wenn du wüsstest wie sehr ich das tu!«

„Gut, ich hatte auch nichts anderes von dir erwartet. Hoffentlich kommt dieser Keisuke-san auch wirklich ins Gefängnis. Hat er eigentlich irgendeinen Grund für sein Handeln genannt?“

Oh Mist! Offenbar hatte Sachiko ihr auch verschwiegen was Keisuke gegen seine Tochter hatte.

„Ähm, also ...“

„Ach, wahrscheinlich braucht jemand, der so was tut überhaupt keinen Grund dafür. Ich will lieber gar nicht wissen, mit was für Ausreden er seine Taten gerechtfertigt hat.“

Uff! Noch mal Glück gehabt.

„Genau. Der Kerl ist einfach nur krank.“

„Du hast Recht. Na gut, dann will ich euch nicht länger stören. Wir werden uns am Freitagvormittag auf den Weg nach Tokio machen und dann, sobald wir alles in die neue Wohnung gebracht haben, zu euch kommen. Ich halte es für das Beste, wenn du noch solange bei Sachiko bleibst, bis wir alles fertig eingerichtet haben. Dann kannst du dich auch noch ein wenig länger um deine Freundin kümmern.“

„Ja, in Ordnung.“

„Gut, dann schlaf schön. Und ruf mich an, wenn es was Neues gibt, ja?“

„Okay, mach ich. Bis dann.“

Michiru legte den Hörer auf und atmete erst mal tief durch. »Ob sie das auch gesagt hätte, wenn sie wüsste das wir zusammen sind? ... Oh Gott, wie soll ich ihr das nur sagen?!« Niedergeschlagen ging sie nach oben in ihr Zimmer zurück, wo ihre Freundin immer noch auf dem Bett lag.

„Und?“

„Sie war nur besorgt und traurig darüber, dass sie nicht mehr für Sachiko tun kann.“ sagte Michiru und legte sich zu ihr.

„Weiß sie jetzt etwa, dass ich lesbisch bin?“

„Nein. Sachiko hat ihr den Grund nicht gesagt und ich auch nicht.“

„Fragt sich nur, ob das jetzt besser oder schlechter ist.“

„Wie meinst du das?“

„Na ja, wenn sie zumindest das schon wüsste, wüsstest du wenigstens wie sie allgemein zu dem Thema steht. Andererseits könnte sie das auch dazu veranlassen Vermutungen aufzustellen.“

„Ich denke es ist besser, dass sie es noch nicht weiß. Ich möchte es ihr und meinem Vater persönlich sagen und dass sie dich vorher kennenlernen. Wenn sie jetzt schon wüsste, dass du lesbisch bist, hätte sie mich eben garantiert solange über die Sache ausquetscht, bis ich es ihr gesagt hätte und dann weiß ich nicht, was sie getan hätte.“

„Ja, da hast wohl Recht. Was glaubst du eigentlich haben deine Eltern für ein Bild von mir im Kopf, wissen sie wie ich aussehe oder kennen sie mich eventuell schon von meinen Rennen?“

„Keine Ahnung. Meine Mutter garantiert nicht. Sie hält dich bestimmt für ein ganz normales Mädchen, das auch aussieht wie eins und nicht in Jungs Klamotten durch die Gegend läuft. Mein Vater sieht eigentlich öfter mal den Sportkanal oder liest den Sportteil der Zeitung, aber dort ist Tenoh Haruka ja ein Mann und die Freundin meiner Mutter hat schließlich eine Tochter. Also weiß ich nicht ob er darauf kommt.“

„Wird bestimmt ‘n Schock für sie was?“ grinste Haruka.

„Also überrascht werden sie auf jeden Fall sein.“

„Wahrscheinlich werden sie es dann sofort annehmen, oder?“

„Ich glaub nicht, dass sie aus deinem Aussehen voreilige Schlüsse ziehen werden.“

„Aber du hast mich auch nicht danach gefragt und bist einfach davon ausgegangen, dass ich auf Mädchen stehe.“

„Deine Blicke waren aber auch mehr als deutlich. Am Anfang hab ich wirklich noch versucht objektiv zu sein, aber so wie du mich angesehen hast und mit mir geflirtet hast, ließ mir dann gar keine andere Wahl mehr, als das Offensichtliche anzunehmen.“

„Ja, das stimmt wohl.“

„Aber überraschen wird es sie wohl nicht mehr großartig. Nur werden sie bestimmt nicht annehmen, dass ich es auch bin.“

„Bist du es denn?“

„Was?“

„Na ja, ich weiß du bist mit mir zusammen und liebst mich, was wohl automatisch bedeuten würde, dass du es bist. Aber wenn es mich nicht geben würde, wärst du dann jemals auf die Idee gekommen du könntest lesbisch sein? Oder wärst du mit einem Mann zusammen gekommen? Und wenn das mit uns jemals vorbei sein sollte, was ich wirklich nicht hoffe, könntest du dir dann vorstellen mit einer anderen Frau zusammen zu sein, oder würdest du dir dann eher einen Mann suchen?“

„Hhmm, ich weiß nicht genau. Bevor ich dich kennen gelernt habe, hätte ich mir wirklich nicht vorstellen können jemals mit einer Frau zusammen zu sein, allerdings hatte ich auch nicht gerade Interesse an Männern, jedenfalls an keinem der mir begegnet ist. Und jetzt kann ich mir auch nicht vorstellen jemals mit jemand anderem zusammen zu sein, als mit dir, egal ob Mann oder Frau.“

„Also mir soll‘s Recht sein. Ich hab sowieso beschlossen, dass du für den Rest deines Lebens mit mir zusammen sein wirst.“

„Ach, ja?“

Michiru war doch ziemlich überrascht über diese Ansage und wusste wirklich nicht, ob sie sie ernst nehmen konnte.

„Ja! Was dagegen?“

„Nein. Anders will ich es auch gar nicht haben.“

„Na, dann sind wir uns ja einig.“ grinste Haruka, lehnte sich über die Türkishaarige und küsste sie.

Michiru ließ sofort ihre Hände in Harukas Nacken wandern und zog sie noch enger an sich. Haruka ließ den Kuss immer verlangender werden und wanderte mit ihrer Hand unter Michirus Oberteil den Bauch entlang nach oben.

„Ruka, ... deine Rippen.“ flüsterte Michiru, unterbrach den Kuss aber nicht.

„Die sind völlig egal!“ gab sie zurück und fing an mit ihrer Hand über Michirus BH zu streichen.

Von Michiru war ein wohliger Seufzer zu vernehmen, welcher Haruka nur noch mehr antrieb. Sie wollte sich mehr auf Michiru drauf legen und begann sich zu drehen. Plötzlich verkrampfte sie sich aber und unterbrach den Kuss.

„Ah, Fuck! Okay, vielleicht sind sie doch nicht so egal.“ stöhnte sie schmerzhaft.

„Das hast du nun davon! Los leg dich sofort wieder hin!“

Haruka drehte sich ganz vorsichtig wieder zurück und ließ sich auf den Rücken fallen.

„Blöden Mistdinger, verdammt!“ schimpfte Haruka und hielt sich die Hand an die Rippen.

„Sie werden schon noch wieder heilen, also beweg dich einfach nicht so viel.“

„Dann sollen sie das gefälligst schneller machen. Das is total unfair!“

„Sei nicht so ungeduldig. Ich lauf dir ja nicht weg. Und jetzt entspann dich wieder, sonst tut’s nur noch mehr weh.“

Haruka stöhnte genervt, versuchte aber Michirus Rat zu befolgen. Die Künstlerin stand währenddessen auf und begab sich wieder zu ihren Hausaufgaben. Sie sagte zwar nichts, musste sich aber eingestehen, dass sie auch gerne weiter gemacht hätte.

Michirus Eltern

Einen weiteren Versuch mit Michiru zu schlafen unternahm Haruka nicht und auch sonst hielt sie sich die Woche über zurück. Es nervte sie zwar tierisch, dass sie sich kaum bewegen durfte, kein Motorrad fahren konnte und auch noch die Finger von ihrer Freundin lassen musste aber sobald sie Michiru zu Gesicht bekam, war die Welt für sie in Ordnung. Vormittags während Michiru in der Schule war, wusste sie aber nicht wirklich etwas mit sich anzufangen. Meistens schlief sie endlos lange und sah dann Fern oder spielte eines ihrer Konsolen spiele. Sehr zur Freude ihrer Mutter, begann Haruka auch wieder auf ihrem Flügel Zuhause zuspielen. Sachiko hatte es ihrer Tochter zwar nie gesagt, aber sie hatte ihr Spiel wirklich vermisst und genoss die Melodien jetzt richtig, die durch das Haus flogen. Noch wundervoller fand sie es aber, wenn die zwei Mädchen zusammen spielten, was sie fast jeden Abend taten. Nachmittags stand Haruka natürlich immer pünktlich zum Schulschluss auf dem Parkplatz um Michiru abzuholen, wie sie es auch heute wieder tat. Heute war Freitag, der Tag vor dem sich Haruka schon die ganze Woche fürchtete, denn heute würden Michirus Eltern kommen. Den ganzen Morgen war sie schon nervös durchs Haus gelaufen und hatte ihre Mutter in den Wahnsinn getrieben. Und auch jetzt konnte sie nicht ganz still halten. Sie lehnte wie immer an ihrem Wagen und gab sich cool aber ihr Finger tippte nervös auf ihren verschränkten Armen herum und wollte einfach nicht still halten. Michiru war auch nicht gerade gelassen und nervös darüber, was heute noch alles passieren würde aber sie schaffte es ruhiger zu bleiben und freute sich wieder Haruka an ihrem Auto zu sehen, als sie das Schulgebäude verließ.

„Hi.“ begrüßte Michiru sie und gab ihr einen kurzen Kuss.

„Hallo.“

Haruka klang nicht sehr begeistert, sondern eher abwesend.

„Hey, jetzt mach dich nicht verrückt. Es wird schon alles gut werden.“

„Ja, ich weiß. Ich kann aber nichts dagegen tun. Wollen wir dann?“

„Wieso hast du es so eilig?“

„Hier rum zu stehen macht mich nur noch nervöser. Fahren dagegen entspannt.“

„Okay, dann lass uns fahren.“

Michiru ging an Haruka vorbei, die ihr schon die Tür aufhielt und stieg ein. Dieses Mal schlug die Sportlerin den direkten Weg zur Villa ein, anstatt wie die letzten Tage noch mit Michiru irgendwo anders hin zu fahren.

„Weißt du wann sie kommen?“ fragte Haruka wenig später während der Fahrt.

„Nicht genau. Ich vermute aber erst gegen Abend rum.“

„Und willst du es ihnen heute schon sagen?“

„Weiß ich noch nicht. Mal sehen wie sich das ganze entwickelt. Vielleicht bietet sich ja eine Gelegenheit. Eigentlich will ich ja aber ... ach, ich weiß auch nicht!“ seufzte Michiru und ließ ihren Kopf in die Hände fallen.

„Hey, du schaffst das schon. Ich bin bei dir.“ versuchte Haruka ihr Mut zu machen, obwohl sie den gerade selber verloren hatte.

„Ja, ich weiß. Lass uns einfach erst mal sehen was heute passiert, okay?“

„Ich richte mich ganz nach dir, also tu einfach was du für richtig hältst.“

„Okay.“ nickte Michiru.

Zuhause angekommen gingen beide in die Küche und setzten sich an den Tisch. Sachiko, die ebenfalls in der Küche war sah sie abwechselnd an.

„Ihr macht euch doch nicht immer noch Sorgen darüber, was Yuki und ihr Mann über euch denken werden, oder? Sie werden schon nichts dagegen haben, also hört auf euch den Kopf darüber zu zerbrechen.“

„Ja, du hast Recht.“ seufzte Michiru und stand wieder auf.

„Na komm, lass uns hochgehen.“ sagte sie an Haruka gewandt und zog sie mit sich nach oben.

„Was machen wir denn jetzt noch so lange?“ fragte Haruka sie schon im Zimmer angekommen.

„Keine Ahnung. Ich zieh mir erst mal was anderes an.“

Michiru ging zu ihrem Kleiderschrank und kramte ein paar Klamotten heraus.

„Darf ich dir beim Ausziehen helfen?“ grinste Haruka frech.

„Haruka, du weißt, dass das nicht geht.“ sah Michiru sie mahnend an.

Die Sportlerin ging zu ihr und beugte sich tief zu ihr hinunter.

„Ich habe nichts von Sex gesagt, nur das ich dich gerne ausziehen würde.“ flüsterte sie ihr ins Ohr.

Michiru wurde schlagartig rot und hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Sie versuchte tief durch zu atmen, um wieder klar denken zu können, doch es gelang ihr nicht.

„Ach bitte, du hast mich doch auch schon halb nackt gesehen. Die zwei Sekunden die ich dich von hinten betrachten durfte, haben bei weitem nicht ausgereicht, um sich alles einprägen zu können, und es war ja nur von hinten.“

Jetzt war Michiru wieder hell wach.

„Warte! Was für zwei Sekunden, und wann bitte hast du mich wo und wie von hinten gesehen?“ fragte Michiru irritiert und auch drohend.

„Ach so, das wusstest du ja noch gar nicht.“

Haruka hätte sich Ohrfeigen können. Das hatte sie eigentlich für sich behalten wollen.

„Jetzt sag schon!“

„Hey, ganz ruhig. Es war an deinem ersten Tag hier, oder nein warte, es war ja schon der zweite. Na ja, jedenfalls der Morgen an dem wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich bin von dem Geräusch des Wassers wach geworden, wusste aber nicht, dass es die Dusche is, denn ich war einfach noch nicht wach, und bin einfach ins Badezimmer gegangen und da standst du unter der Dusche. Ich bin aber sofort wieder rausgegangen, und ich schwöre dir, dass ich nicht noch mal reingesehen habe. Und viel konnte ich durch den Wasserdampf ja auch nicht erkennen.“

Haruka war gerade wirklich froh darüber, dass sie sich damals zusammen gerissen hatte, denn Michiru schien geradewegs in sie hinein zu sehen.

„Na, ich hoffe es hat dir wenigstens gefallen, denn mehr wirst du fürs erste nicht zu Gesicht bekommen. Ich kenn dich inzwischen schon ziemlich gut und bin mir sicher, dass du dich nicht beherrschen kannst, also geh ich ins Badezimmer. ... Außerdem, will ich dir doch die Überraschung nicht verderben.“ grinste Michiru, strich Haruka mit einem Finger zärtlich übers Gesicht und ging dann ins Badezimmer.

Haruka seufzte tief und ließ enttäuscht die Schultern und den Kopf hängen. »Mann, die macht mich fertig! Kann sich diese scheiß Rippe nicht schneller zusammensetzen?« Langsam ging sie zu Michirus Bett rüber und wartete dort bis ihre Freundin aus dem Badezimmer zurückkam. Nach wenigen Minuten tat diese es auch und setzte sich neben Haruka, die sich hingelegt hatte.

„Bist du sehr enttäuscht?“

„Schon, aber ich gebe meinen Rippen die Schuld.“

„Jetzt wäre sowieso nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wir wissen ja nicht, wann meine Eltern hier aufschlagen.“

„Also ich finde es gibt keine bessere Methode, um sich abzulenken.“

„Ich will aber nicht nur eine Ablenkung sein.“

Haruka sah sie ungläubig an und zog sie zu sich runter in die Arme.

„Das wärst du nicht, glaub mir. Okay du hast Recht, blöder Zeitpunkt. Aber was machen wir denn dann? Vom nichts tun, werd ich wahnsinnig.“

Die Künstlerin überlegte kurz.

„Spielst du mit mir?“ fragte sie dann hoffnungsvoll.

„Natürlich.“ lächelte Haruka, sie hatte schon fast damit gerechnet.

Also standen beide auf und gingen in den Raum mit dem großen Flügel, auf dessen sich auch Michirus Geige befand. Und so wurde das ganze Haus wieder von wundervollen Melodien durchflutet. Sie brauchten nichts zu sagen, sich nicht abzustimmen, sie spielten als wären sie eins. Die Zeit verging, ohne dass sie es mitbekamen. Abrupt als wäre die Zeit angehalten worden endete ihr Spiel, als die Türklingel durchs Haus dröhnte. Mit weit aufgerissenen Augen und geschocktem Gesichtsausdruck sahen sich beide an.

„Das sind sie noch nicht, oder?“ fragte Haruka panisch.

„Bestimmt nicht, dafür ist es noch viel zu früh! ... Wie spät ist es?“

Die Sportlerin sah auf ihre Uhr und ihre Augen wurden noch größer.

„Kurz vor sieben.“

„Was? Schon? Oh, nein! Ich weiß doch noch gar nicht was ich sagen soll!“

Michiru legte ihre Geige aus der Hand und lief nervös hin und her.

„Hey, beruhige dich. Wir haben doch gesagt, wir warten erst mal ab, was passiert, oder? Also gehen wir einfach runter, sagen Hallo, und sehen was passiert. Wir benehmen uns ganz normal, nur eben mit mehr Abstand zwischen uns.“

Haruka war aufgestanden und umarmte Michiru.

„Okay. Ja, du hast Recht.“

Sie atmeten beide noch einmal tief durch und begaben sich dann nach unten. Kurz vor der Treppe ließ Haruka die Hand ihrer Freundin los und gab ihr etwas Vorsprung. Die Sportlerin konnte sich nicht erinnern jemals solche Angst gehabt zu haben, in einer Situation, die nichts mit ihrem eigenen Vater zu tun hatte. Sie waren unten im Eingangsbereich angekommen. … Es war keiner da.

„Vielleicht waren sie es ja doch nicht.“ sagte Haruka hoffnungsvoll.

Michiru sah sie ungläubig an und ging dann Richtung Wohnzimmer. Ein Blick auf die Terrasse brachte ihren Herzschlag fast zum Stillstand. Da waren sie! Sachiko hatte bei den warmen Temperaturen kurzer Hand draußen auf dem Tisch das Essen angerichtet und wohl gerade erst Michirus Eltern dort hingeführt. Sie redeten noch zusammen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden.

„Das sind also deine Eltern.“ sagte Haruka nervös, die die beiden jetzt auch entdeckt hatte.

Aus irgendeinem Grund freute sich Michiru sogar sie wieder zu sehen und das legte ihre Nervosität ein wenig.

„Also dann.“ atmete sie noch einmal tief durch und wollte gehen aber sie wurde aufgehalten.

„Warte kurz. Wie heißt dein Vater eigentlich? Den Namen deiner Mutter habe ich inzwischen mitgekriegt aber wie er heißt, weiß ich gar nicht.“

„Oh. Ähm, Seiichiro. Kaioh Seiichiro.“

„Alles klar.“

Haruka sah noch mal raus. Eigentlich sah der Mann ja ganz Freundlich aus, aber das hatten auch viele von ihrem Vater gedacht, also konnte das wohl alles bedeuten. Er war groß, nicht so groß wie Keisuke, aber doch ein Stück größer als sie, eine schlanke stattliche Figur und kurze azurblaue Haare. Die kleine Frau neben ihm sah Michiru verdammt ähnlich, nur die Haare waren noch sehr viel länger und tief schwarz, mit einem leichten grün Schimmer, jetzt in der Sonne. Michiru ging jetzt wirklich zur Tür nach draußen, wo sie gleich freudestrahlend begrüßt wurde.

„Michiru-chan! Da bist du ja.“ lief ihre Mutter gleich auf sie zu und umarmte sie.

„Mama.“

Sie erwiderte die Umarmung und war fast schon wieder richtig gelassen.

„Oh, ich hab dich so vermisst.“ sagte Yuki zu ihr und drückte noch fester zu.

„Es waren doch nur zwei Wochen.“

„Trotzdem.“

Yuki löste sich wieder von ihr und sah sie an.

„Du bist in den zwei Wochen ja noch schöner geworden.“ strahlte ihre Mutter.

„Das bildest du dir ein.“

„Oh nein, sie hat Recht.“ mischte sich ihr Vater ein.

Auch er umarmte sie jetzt.

„Wie geht’s dir? Alles in Ordnung?“ sah er sie jetzt mit einem sorgenvollen Blick an.

„Ja, mir geht’s gut.“

Haruka hatte sich das Ganze noch aus sicherer Entfernung angesehen, erst jetzt traute sie sich raus. Ausgerechnet Seiichiro entdeckte sie als erster und sofort bekam er große Augen. Der Sportlerin gefiel dieser Blick überhaupt nicht, das sah überhaupt nicht gut aus.

„Das ist … Oh mein Gott!“

Seiichiro war auf einmal total aufgeregt und schoss auf Haruka zu, die nur völlig perplex dastand und ihn ängstlich ansah.

„Sie sind Tenoh Haruka-sama, hab ich Recht? Der Rennfahrer! Ich hab letztes Jahr all Ihre Rennen gesehen. Sie waren wirklich unglaublich!“ freute er sich.

„Äh, … danke.“

Haruka konnte es nicht fassen. Ein Fan! Michirus Vater war ein Fan von ihr! »Na, das kann ja was werden.«

„Dass ich Sie mal persönlich kennenlernen darf, hätte ich nie erwartet! Ich hatte mir schon fest vorgenommen dieses Jahr Mal auf jeden Fall ein Rennen live anzusehen, aus Osaka war mir das ja leider nicht vergönnt. Aber wo ich jetzt schon mal hier wohne. ... Sagen Sie mal, was machen Sie eigentlich hier?“ viel ihm plötzlich wieder ein, wo er sich gerade befand.

Michiru wäre am liebsten im Boden versunken, das war nun wirklich mehr als peinlich. Nicht nur, dass er Haruka für einen Mann hielt, nein, er benahm sich auch noch wie ein kleines Kind das den Weihnachtsmann kennen lernen durfte. Sachiko musste sich wirklich ein Lachen verkneifen, dann löste sie die Situation auf.

„Seiichiro-san, Yuki, ich möchte euch meine Tochter vorstellen. Haruka.“

„Seiichiro sah jetzt abwechselnd immer Sachiko dann Haruka an. Irgendwann blieb sein Blick an Haruka heften, er Blinzelte ein paar Mal, bis ihm das komplette Gesicht entglitt.

„WAS? Sie sind eine Frau?!“ war er total geschockt.

Haruka die das jetzt doch einfach nur komisch fand grinste breit.

„Ja.“ antwortete sie knapp.

„Heilige Sch...ande, da wär ich ja im Leben nicht drauf gekommen. Und sie ist deine Tochter?“ fragte er Richtung Sachiko, die nur Nickte.

„... Zufälle gibt‘s.“

„Ich weiß gar nicht warum du so überrascht bist. Ich habe dir ihren Namen doch schon gesagt.“ mischte Yuki sich auf einmal ein.

„Ja, aber das die Tochter deiner Freundin "der berühmte Tenoh Haruka" ist, konnte ich doch nicht ahnen. Außerdem dachte ich ja er, ich meine sie, sei ein Mann.“

Yuki verdrehte nur die Augen und ging dann auf Haruka zu.

„Hallo, es freut mich dich endlich kennen zu lernen, Haruka-san. Ich bin Yuki.“

„Äh ... ja, Hallo. ... Es freut mich auch.“

Jetzt wurde sie doch langsam wieder nervös. Yuki hatte fast dieselben blauen Augen wie Michiru und sie waren mindestens genauso durchdringend, was ihr verriet, dass sie wohl genauso Aufmerksam war. »Wenn die auch nur halb so viel mitbekommt, wie ihre Tochter, merkt die doch sofort, dass wir zusammen sind. Mist!«

„Also, was haltet ihr davon wenn wir erst mal was essen?“ fragte Sachiko in die Runde.

„Ja, das ist eine gute Idee. Wir hatten Zuhause überhaupt keine Zeit mehr dafür.“ sagte Yuki.

Sie gingen alle gemeinsam zu dem schon gedeckten Tisch und setzten sich. Haruka und Michiru hatten die anderen vorgelassen und kamen als letztes dort an und irgendwie hatten sich die drei so hingesetzt, dass sie jetzt nur noch nebeneinander Platz nehmen konnten. Bei jeder anderen Gesellschaft, hätten sie es gar nicht anders haben wollen, aber ausgerechnet jetzt, war es mehr als hinderlich, wo sie doch etwas Abstand zwischen sich schaffen wollten. Sie sahen sich einmal kurz an, um sich gegenseitig Mut zu schenken, dann setzten auch sie sich.

„Wie weit seit ihr denn schon mit der Wohnung?“ fragte Michiru vorsichtig.

„Ach, noch nicht sehr weit. Wir haben es gerade mal geschafft den Umzugswagen auszuräumen. Die Wohnung kann man kaum noch betreten, so voll gestellt ist die.“ antwortete ihr Yuki.

Michiru atmete erleichtert aus. Dann konnte sie ja vielleicht noch ein paar Tage bleiben.

„Habt ihr denn wenigstens schon ein Bett in eurer Wohnung? Ihr müsst doch irgendwo schlafen.“ fragte Sachiko. „Nein, leider nicht.“ seufzte Yuki.

„Das werd ich heute Abend noch zusammenbauen müssen.“ meinte Seiichiro.

„Wieso bleibt ihr nicht einfach hier? Ich habe noch genug Zimmer frei, in denen ihr, ein schon fertig zusammen gebautes Bett vorfindet.“

Haruka und Michiru hätten sich beinahe an ihrem Essen verschluckt.

„Sachiko, du hast doch schon unsere Tochter aufgenommen. Das können wir unmöglich annehmen.“

„Natürlich könnt ihr. Michiru ist nun wirklich keine Last gewesen und ihr werdet es auch nicht sein. Ich würde mich freuen, wenn ihr bleibt, so könnt ihr Morgen ganz in Ruhe das Bett zusammen bauen.“

„Also ich hätte nichts dagegen.“ freute sich Seiichiro schon darauf heute Nacht keine schweißtreibende Arbeit mehr verrichten zu müssen.

„Na, schön. Danke Sachiko.“

„Nicht der Rede wert.“

Haruka und Michiru sahen aus als hätte man ihnen einen Eimer Wasser übern Kopf gekippt. Jetzt würde dieser Abend nicht nur kein Ende haben, sondern auch noch einen Morgen. Schweigend aßen sie weiter.

„Sagen Sie mal Tenoh-sama, meinen Sie, es wäre vielleicht möglich, dass Sie mir ein Autogramm geben? Oder wenn ich mir mal ihr Motorrad ansehe, oder mal in die Box ...“

„Sei-chan! Hör auf dich so aufzudrängen! Nachher bringst du sie noch in Schwierigkeiten.“ unterbrach Yuki ihren Mann.

„Ach was, das ist schon in Ordnung. Und bitte nennen Sie mich Haruka.“ mischte Haruka sich schnell ein.

Das Seiichiro sich immer noch für sie als Rennfahrer interessierte, obwohl er jetzt wusste, dass sie eine Frau war, konnte sie nur begrüßen.

„In Ordnung. Und du kannst mich auch Seiichiro nennen.“

„Okay. Es ist übrigens kein Problem für mich dich mal mitzunehmen. Michiru hat mir auch schon beim Training zugeschaut.“

„Wirklich? Ich darf beim Training zugucken? Das wäre ja Wahnsinn! Michi, ich wusste gar nicht, dass du dich für so was interessierst.“

„Ähm, eigentlich hab ich das bis jetzt auch nicht, aber ich wollte unbedingt mal sehen, wie Haruka fährt und es hat mir wirklich gefallen ihr zuzusehen.“ lächelte Michiru unschuldig.

„Ja, sie fährt wirklich unglaublich, oder?“ bestätigte er.

„Wenn du übrigens bei den Rennen dabei sein willst, brauchst du dir nicht extra ‘ne Karte zu kaufen. Wenn du mit mir kommst, kannst du umsonst rein und dir das Rennen direkt aus der Box ansehen.“ fügte Haruka noch hinzu, da es ja nicht schaden konnte bei diesem Mann ein paar plus Punkte zu sammeln.

Seiichiro bekam ganz große leuchtende Augen.

„Im ernst? Und das macht dir auch keine Schwierigkeiten?“

„Nein, keine Sorge. Ich Regel das schon.“ versprach sie ihm.

„Also zunächst mal, musst du überhaupt erst mal wieder Motorrad fahren dürfen. Das ist dir doch klar, oder?“

Michiru fand es gar nicht witzig, dass Haruka schon wieder daran dachte Motorrad zu fahren. Es war nicht mal sicher, ob sie überhaupt in dieser Saison an den Start gehen konnte. Ihr Trainer war echt geschockt gewesen, als er erfahren hatte, dass Haruka im Krankenhaus lag und erst mal keine Motorradrennen mehr fahren durfte. Noch dazu konnte Keisuke jederzeit Rubrik machen, dass Haruka kein Mann war und was dann mit ihrer Karriere passierte, war völlig unklar.

„Wieso darf sie nicht fahren?“ fragte Seiichiro verwundert.

„Sei-chan!“

„Was denn?“

Er sah zu seiner Frau rüber, die ihn ziemlich mahnend ansah. Er brauchte ein paar Sekunden bis er drauf kam. Dann wurde sein Blick plötzlich ernst und wechselte wieder zu Haruka herüber, die begann in ihrem Essen herum zu stochern.

„Oh, richtig. Tut mir wirklich leid.“

Yuki hatte ihm erzählt was Sachikos Mann seiner Tochter angetan hatte und war jetzt richtig entsetzt. Das war er zwar schon gewesen, als er es erfahren hatte, aber dass er jetzt dieser Person gegenüber saß, und es sich wirklich um dieselbe handelte, die er aus dem Fernsehen kannte, konnte er überhaupt nicht Glauben. Der Rennfahrer wirkte immer so erwachsen, stark, selbstbewusst und teilweise sogar arrogant. Wie Falsch das Bild doch sein konnte, das man sich über einen Menschen zu Recht gelegt hatte. Jetzt saß vor ihm ein junges Mädchen, fast noch ein Kind, war nett und freundlich, wirkte eher unsicher und tat ihm sogar einen Gefallen. Und jetzt sollte genau dieses Mädchen über mehrere Monate hinweg von ihrem eigenen Vater brutal zusammen geschlagen worden sein? Wie hatte sie das nur ausgehalten? Die ganze Zeit, ohne mit jemandem darüber reden zu können, Tag täglich diese Rennen zu fahren, im Rampenlicht zu stehen und dabei bei jedem den Eindruck zu hinterlassen, es sei alles in Ordnung. Was für ein Mensch musste dieser Keisuke sein, wenn er in der Lage war, sein eigenes Kind derart leiden zu lassen?

„Also wenn es nach mir ginge, säße ich schon längst wieder auf meiner Maschine, aber ich darf ja nicht.“ unterbrach Haruka ihn in seinem Gedankengang und somit auch die Stille am Tisch.

„Du kannst froh sein, dass du überhaupt noch Motorrad fahren darfst. Am liebsten würde ich dich nie wieder auf einer dieser Teufelsmaschinen sehen.“ sagte Sachiko zu ihrer Tochter.

„Ja, ja.“ verdrehte Haruka nur die Augen.

„Heißt das, du fährst diese Saison gar nicht mit?“ fragte Seiichiro.

„Mal sehen. Der Arzt meinte, es dauert etwa vier bis sechs Wochen bis ich wieder Motorrad fahren darf und das erste Rennen beginnt erst in acht. Also wenn keine weiteren Probleme auftauchen und mein Trainer mit meiner Leistung zufrieden ist, müsste ich starten können.“

„Na, dann hoffe ich mal, dass du ganz schnell wieder gesund wirst. Und das nicht nur wegen des Rennens. Ich hatte zwar schon fest damit gerechnet, dass du dir dieses Jahr den Titel holst, aber vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn du dir nach der harten Zeit erst mal eine Pause gönnst.“ sorgte Seiichiro sich jetzt.

„Auf keinen Fall. Wenn ich fahren darf, dann tu ich das auch.“

„Aber willst du deinem Körper nicht erst mal ein wenig Ruhe gönnen? Ich mein, das ist doch sehr anstrengend, oder? Und nachher passiert dir noch etwas schlimmeres.“ wandte Yuki ein, die nicht erwartet hätte, dass jemand der so etwas durchgemacht hatte, gleich wieder solch ein Risiko auf sich nehmen würde.

„Mein Körper hat noch genau acht Wochen um sich zu erholen, das wird ja wohl reichen. Außerdem bin ich schon in wesentlich schlechterer Verfassung gefahren. Mir passiert schon nichts.“

Yuki und auch Seiichiro sahen sie geschockt an.

„Ja, aber ...“ wollte Yuki ihr widersprechen aber Michiru unterbrach sie.

„Vergiss es, Mama. Für Haruka gibt’s nichts Wichtigeres als ihre Rennen und das Motorrad. Außerdem ist sie viel zu stur um einzusehen, dass es besser für sie wäre, sich zu schonen.“

„Ich weiß gar nicht was du hast. Ich fahr doch derzeit überhaupt nicht.“ verteidigte Haruka sich.

Außerdem hatte Michiru nicht ganz Recht mit dem was sie sagte. Es gab inzwischen eine Sache die ihr sehr viel wichtiger war, als Rennen fahren.

„Aber du würdest, wenn du könntest, oder?“

Natürlich würde sie. Erst wenn sie den Schmerz wirklich nicht mehr aushielt, würde sie wieder absteigen und auch dann nur solange warten bis der Schmerz wieder ab klomm. Offenbar sprach ihr Gesichtsausdruck Bände, denn Michiru wusste genau was sie dachte.

„Siehst du.“

„Ja ja, schon gut.“ stöhnte Haruka.

Yuki schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf. Eine Weile war es still am Tisch, in der sich alle ihrem Essen widmeten.

„Jetzt würde mich aber doch mal interessieren, was euch zwei noch so verbindet. Nur von dem, dass die eine Motorrad fährt und die andere zusieht könnt ihr doch nicht so enge Freundinnen geworden sein.“ fragte Yuki neugierig als alle fertig waren.

Das war natürlich genau der Moment, das Gesprächsthema, vor dem beide solche Angst gehabt hatten. Was jetzt? Haruka sah zu Michiru herüber, um eventuell erkennen zu können, ob sie es jetzt sagen wollte oder nicht. Es sah nicht so aus, als ob sie schon den Mut dafür aufbringen könnte.

„Also wir ...“ setzte die Türkishaarige an.

„... lieben beide Musik. Ich spiele Klavier. Und wir spielen fast jeden Tag zusammen.“ beendete Haruka den Satz für sie.

Erleichtert atmete Michiru aus. Sie hatte gerade wirklich einen Blackout gehabt.

„Oh, wirklich? Das ist ja wundervoll! Das würde ich zu gerne mal hören.“ war Yuki begeistert.

„Wow, ich hätte niemals erwartet, dass ein Rennfahrer wie du sich auch noch für klassische Musik interessieren könnte und sogar selbst spielt.“ freute sich auch Seiichiro.

„Ja, es is praktisch ein Ausgleich für das Adrenalin, hilft mir wieder runter zu kommen.“

„Ach so, verstehe.“

„Und sie spielt wirklich wundervoll.“ wandte Michiru ein.

„Du übertreibst, so gut wie du auf deiner Geige bin ich bei weitem nicht.“

„Oh doch, das bist du.“

„Na gut, wenn du es sagst, Schhha...Chiru.“

Oh Gott, das war knapp. Sie hätte doch tatsächlich beinahe Schatz gesagt. Michiru hatte das durchaus bemerkt und vor Schreck scharf die Luft eingezogen. Vorsichtig sahen beide Michirus Eltern an.

„Ihr könnt uns ja nachher mal etwas vorspielen, wenn ihr Lust dazu habt.“ schlug Seiichiro vor.

„Ähm, klar.“ sagte Michiru immer noch nervös.

Glück gehabt, die beiden schienen nichts bemerkt zu haben.

Wieso nicht?

Sachiko hatte diesen kleinen Versprecher sehr wohl mitbekommen und verstand wirklich nicht, warum sie es nicht einfach sagten. Sie seufzte einmal kurz und stützte ihren Kopf in der Hand auf dem Tisch ab.

„Ist alles in Ordnung, Sachiko?“ fragte Yuki besorgt.

„Was? Oh ja, natürlich.“

„Sachiko ... gibt es eigentlich schon irgendetwas neues, wegen Keisuke-san?“

Diese Frage lies Sachiko ein weiteres Mal seufzen, während Haruka und Michiru die Zähne zusammen bissen und aufmerksam zu hörten. Keine von beiden hatte, seitdem sie erfahren hatten, dass er wieder frei war, etwas von ihm gehört, oder auch nur nach ihm gefragt.

„Nein, bis jetzt noch nicht. Ich weiß, dass er sich in einem Hotel am anderen Ende der Stadt verbarrikadiert hat. Aber bis her habe ich nicht mal was von seinem Anwalt gehört, was ich äußerst beunruhigend finde.“

„Du weißt, wo er ist? Woher?“ fragte Haruka geschockt.

„Haruka, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich ihn da draußen frei rumlaufen lasse, ohne ihn dabei im Auge zu behalten. Ich lasse ihn Überwachen.“

„Echt jetzt ...?“

Haruka konnte es nicht fassen. Sie ließ ihn doch tatsächlich überwachen! So was hätte sie ihr gar nicht zugetraut. Schon bei den Wachmännern war sie total überrascht gewesen, aber das jetzt war einfach unfassbar.

„Natürlich, mein Schatz. Du kannst also weiterhin ganz beruhigt sein.“

„Aber angezeigt hast du ihn doch, oder?“ fragte Seiichiro.

„Ja. Der erste Verhandlungstag ist in drei Wochen. Ich hatte eigentlich erwartet, dass er einen Aufstand veranstaltet, sofort an die Presse geht und uns alle als Lügner hinstellt. Ich wüsste wirklich gerne, was er jetzt vorhat.“

„Na, vielleicht hat er ja Angst bekommen und glaubt, dass er verlieren wird und will deshalb nicht, dass es so viele erfahren.“ mutmaßte Yuki.

„Das glaube ich nicht.“

Das war von Haruka mehr laut Gedacht, als an die anderen Gerichtet. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dieser Mann könnte so etwas wie Angst empfinden. Wie auch? Er selbst war es erst gewesen, der ihr beibrachte was richtige Angst bedeutete.

„Nein, ich auch nicht. Wenn er Angst hätte, würde er erst recht an die Öffentlichkeit gehen. Dass er wegen Kindesmisshandlung angezeigt wurde, wird sich so oder so irgendwann herumsprechen, seine Karriere wird er also so auch nicht schützen können.“ fügte Sachiko noch hinzu.

Ein betrübtes Schweigen legte sich über die beteiligten am Tisch. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken darüber, was Keisuke wohl als nächstes tun würde und wann. Bis Sachiko mit einem Mal aufstand.

„So, genug Trübsal geblasen. Was auch immer passiert, es wird passieren und wir können im Moment nichts dagegen tun. Also sollten wir uns keine unnötigen Gedanken darüber machen.“

Sie begann die Sachen vom Tisch zusammen zu räumen und trug dann einiges hinein.

„Sie hat Recht.“

Michiru stand ebenfalls auf und half ihr, genauso wie Yuki. Haruka und Seiichiro blieben noch sitzen.

„Machst du dir Sorgen, dass er der Öffentlichkeit erzählt, dass du ein Mädchen bist?“ fragte Seiichiro vorsichtig.

„Er hat es mir mehr als einmal angedroht, also kann man wohl davon ausgehen, dass er es tun wird. Er muss es nicht mahl erzählen. Sobald jemand von dem Prozess erfährt, wird ganz automatisch herauskommen, dass ich ein Mädchen bin und das war’s dann.“

„Ich glaube nicht, dass du um deine Karriere besorgt sein musst. Du fährst doch nicht anders, nur weil du ein Mädchen bist. Also ich bin auf jeden Fall weiterhin dein Fan.“ lächelte er sie an.

„Danke. Aber ich fürchte, nicht jeder nimmt die Sache so locker wie du.“

„Das wird sich zeigen.“

„Ja, das wird es wohl. Aber ich wird‘ in jedem Fall weiterfahren. Vielleicht kann ich ja wieder als Testfahrer anfangen und meine Maschine habe ich ja auch noch.“

„Gib nicht so schnell auf. Ich bin mir sicher, wir finden einen Weg, damit du weiterhin Profi bleiben kannst. Aber was war das eben mit der Maschine? Hast du etwa ein eigenes Motorrad?“ fragte er aufgeregt.

„Klar, hab ich. Willst du’s sehen?“

„Oh ja, bitte!“ strahlte er.

„Na dann, komm.“

„Was? Jetzt sofort?“

„Wieso nicht?“ zuckte Haruka mit den Schultern und stand auf.

Seiichiro folgte ihr aufgeregt. Die Sportlerin führte ihn außen ums Haus herum zur Garage. Sie öffnete das Tor und der blauhaarige Mann bekam ganz große leuchtende Augen.

„Wahnsinn! Das ist ‘ne Fireblade, nicht wahr?“

Er ging näher heran und betrachtete sie aus sicherer Entfernung, als wäre sie heilig oder so was.

„Richtig.“ grinste Haruka.

Haruka fing an diesen Mann richtig zu mögen. Er freute sich wie ein kleines Kind an Weihnachten, nur weil sie ihm sein Motorrad zeigte und er hatte kein Problem damit, dass sie eine Frau war. Er wollte sie sogar weiter anfeuern und ihr helfen, dass sie weiterhin Rennen fahren konnte, wenn ihr kleines Geheimnis rauskam.

„Ich wollte auch schon immer mal so eine Maschine haben, aber meine Frau gefällt der Gedanke nicht, dass ich so was gefährliches mache und das Geld hatte ich auch nie dafür.“ seufzte Seiichiro.

„Kannst du denn Motorrad fahren?“

„Ähm, nein. Zu einem Motorradführerschein bin ich leider auch nie gekommen.“ kratze er sich verlegen am Kopf.

„Den kannst du doch immer noch machen. Gegen die Bedenken deiner Frau kann ich zwar nichts tun, aber ‘ne Maschine könnt ich dir schon günstig besorgen.“

„Was? Das könntest du wirklich? Wie? ... Warte, nein! Sag es mir nicht, sonst komm ich nur auf blöde Gedanken, und hab nachher ein Riesenstreit mit Yuki.“

„Sicher?“

„Ja, sicher.“

„Na gut, aber falls du’s dir anders überlegst, sprich mich einfach an.“

„Das mach ich, danke. ... Gehört der Wagen etwa auch dir?“

Seiichiro hatte den gelben Lamborghini entdeckt, der ebenfalls in der Garage stand und zeigte jetzt mit dem Finger darauf.

„Ja, der gehört auch mir.“

„Wow, da kann man ja richtig neidisch werden.“

„Du kannst gerne mal ‘ne Spritztour machen, wenn du willst.“

„Was? Nein, lieber nicht. Nachher fahr ich noch ‘n Kratzer rein.“

„Dann nehme ich dich einfach mal mit.“

„Also das Angebot nehme dankend an. Mit dem berühmten Rennfahrer Tenoh Haruka-sama durch die Straßen Tokios fahren, welch eine Ehre.“

„Du übertreibst Seiichiro-san, ich bin auch nur ein Mensch.“

Haruka fühlte sich überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass dieser Mann sie so verehrte, wo sie doch hinter seinem Rücken mit seiner Tochter zusammen war. Sie hatte auch plötzlich Angst davor, Seiichiro zu enttäuschen.

„Ja, aber ein außergewöhnlich talentierter Mensch, genauso wie meine Michiru-chan. Du glaubst gar nicht, wie froh ich darüber bin, dass sie endlich eine Freundin gefunden hat.“

„Äh, ja.“

Oh Gott, da war das Thema wieder.

„Ich muss zugeben, dass ich niemals erwartet hätte, Michiru und du, ihr könntet euch anfreunden. Ihr seid wirklich von Grund auf verschieden. Aber wie sagt man so schön, Gegensätze ziehen sich an.“ lachte er.

Haruka schluckte nervös. Wenn er nur wüsste, wie sehr sie sich anzogen.

„Ich glaub, wir sollten langsam wieder zurück, sonst werden wir noch vermisst.“ meinte Seiichiro noch.

„Ja, du hast Recht.“

Er hatte wirklich Recht, denn Michiru war inzwischen zurück auf die Terrasse gekommen und fragte sich, wo die beiden wohl abgeblieben waren. Sie wurde sogar schon leicht nervös. Aber zum Glück kamen dann die Zwei um die Ecke zurück und sie entspannte sich wieder.

„Wo wart ihr denn?“

„Haruka hat mir ihr Motorrad gezeigt. Wirklich ‘n tolle Maschine.“ strahlte Seiichiro begeistert und legte einen Arm um Harukas Schulter, die doch etwas irritiert drein blickte.

Wo war denn auf einmal die Endung hin verschwunden? Es machte ihr zwar nichts aus, aber das gab ihr ein noch schlechteres Gewissen.

„Ja, das stimmt und das Fahren macht auch wirklich Spaß.“

„Wie bitte ist das gemeint?“

Yuki stand plötzlich hinter ihr in der Tür und sah sie entsetzt an. Oh oh!

„Äh, ... ich ... also, Haruka hat mich mal mitgenommen.“ erklärte sie vorsichtig.

„Du hast auf einer dieser Monstermaschinen gesessen? Du hättest sterben können!“

„Mama, beruhige dich. Mir ist nichts passiert und Haruka fährt wirklich gut.“ wehrte sie ab.

„Du bist wirklich mitgefahren? ... Wie war es?“ fragte Seiichiro neugierig.

„Sei-chan! Ihr hätte was passieren können!“

„Aber sie ist doch mit Haruka gefahren, von daher mache ich mir gar keine Sorgen. Wenn jemand diese Maschinen beherrscht, dann sie.“ blieb er ganz ruhig.

„Es ist mir völlig egal, wie gut sie fährt! Sie ...“

„Yuki-chan, ihr geht’s doch gut und ich finde, wenn sie Spaß daran hat, warum sollte sie dann nicht mitfahren?“

Yuki war überhaupt nicht begeistert.

„Ich glaube, du kannst nicht viel dagegen machen, Yuki. Was glaubst du, hab ich schon alles angestellt um Haruka von diesen Dingern fern zu halten und du siehst ja, was es gebracht hat.“

Sachiko war auf einmal auch wieder dazu gestoßen und legte ihrer Freundin tröstend eine Hand auf die Schulter.

Yuki seufzte ergeben.

„Versprecht mir aber, dass ihr vorsichtig seid.“ flehte sie die beiden Mädchen an.

„Du kannst ganz beruhigt sein, Yuki-san. Im Moment darf ich ja sowieso nicht fahren und ich würde nie riskieren, dass Michiru etwas zustößt, also versprochen.“ stimmte Haruka aufrichtig zu.

Die Worte von ihr beruhigten Yuki tatsächlich etwas. Dieser Nachdruck mit dem sie das Wort "nie" betont hatte überzeugte sie und zeigte ihr, wie wichtig Michiru für sie sein musste.

„Na gut. Ich vertraue sie dir an, also pass gut auf sie auf.“

Diese Worte irritierten Haruka jetzt aber. Hoffentlich war das auch nur aufs Motorrad fahren bezogen. Oder wusste sie etwa schon mehr? Sie nickte nur vorsichtig und genauso vorsichtig sah sie ihre Freundin an, die wirkte aber in keiner Hinsicht beunruhigt, also war wohl alles in Ordnung. Sie gingen nun alle gemeinsam rein, da die Sonne langsam unterging und es allmählich kühl wurde. Haruka und Michiru gaben den anderen Dreien noch ein kleines Konzert und Michirus Eltern waren einfach hin und weg. Sie applaudierten begeistert und konnten gar nicht genug von der Musik bekommen. Erst spät am Abend trennten sie sich dann alle und gingen ins Bett. Haruka und Michiru gaben natürlich auch vor in getrennte Zimmer zu gehen, aber noch bevor irgendjemand im Haus schlief, schlich sich Haruka durchs Badezimmer zu ihrer Freundin rüber, wie jeden Abend.

„Glaubst du, sie haben was mitgekriegt?“ fragte Haruka.

Die zwei lagen eng an einander gekuschelt im Bett und konnten einfach nicht einschlafen.

„Nein, glaub ich nicht. Aber dein Versprecher war wirklich knapp.“

„Ja, ich weiß. Tut mir leid, aber das war Reflex. Zum Glück is es mir noch rechtzeitig klar geworden.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich hätte es auch einfach sagen können. Ich bin so ein Feigling.“ seufzte sie den letzten Satz.

„Hey, ich kann dich gut verstehen. Trotzdem sollten wir es ihnen bald sagen. Irgendwie, hab ich das Gefühl, ich würde sie hintergehen oder so. Deine Eltern sind echt nett.“

„Ja, ich will ja auch, dass sie es wissen. Okay, morgen sagen wir es ihnen, egal was kommt!“ bestimmte Michiru, war aber selbst nicht ganz überzeugt davon.

„Na gut.“ stimmte Haruka leicht nervös zu.

„Ob dein Vater dann immer noch ein Fan von mir ist?“ fragte die Sportlerin kurze Zeit später.

„Bestimmt. Ich glaub nicht, dass sie dich weniger mögen werden, nur weil du eben ‘n bisschen mehr als nur meine Freundin bist. … Hoffentlich. Lass uns aufhören darüber nachzudenken, okay? Sonst machen wir doch noch wieder ein Rückzieher.“

„Einverstanden.“

Haruka zerbrach sich aber doch noch eine Weile den Kopf darüber, während sie merkte dass Michiru langsam in ihren Armen einschlief. Lange würde sie diese Nächte wohl nicht mehr genießen können, denn egal wie Michirus Eltern auch auf diese Sache reagieren würden, ausziehen müsste sie, so oder so.
 

Irgendetwas bewegte sich sanft über Michirus Arm und ließ sie langsam wach werden. Nach ein paar Mal blinzeln schaffte sie es, ihre Augen zu öffnen. Sie lag noch immer in Harukas Armen, die gedankenverloren an die Decke des Bettes starrte und sanft ihre Finger über ihre zarte Haut streichen ließ.

„Du bist schon wach?“ fragte Michiru müde und irritiert.

„Oh, du bist aufgewacht. Ähm ja, ich weiß auch nicht wieso. Ich bin schon ziemlich früh wach geworden und konnte nicht wieder einschlafen.“

„Sieht dir gar nicht ähnlich. Und das passiert dir ausgerechnet an dem Tag, wo ich ausschlafen kann?“

„Du kannst ja noch weiter schlafen. Ich lauf schon nicht weg.“

„Nein, jetzt bin ich wach und wahrscheinlich würdest du mich eh wieder wecken.“

„Ich hab dich geweckt? Ich war doch ganz still.“

„Du vielleicht schon, aber deine Hand nicht.“

Erst jetzt bemerkte Haruka, dass sie Michiru die ganze Zeit streichelte.

„Oh, tut mir leid. Das hab ich gar nicht gemerkt.“ sagte sie und hörte auf damit.

„Ist schon okay. Es war eine sehr angenehme Art geweckt zu werden. Und du brauchst auch nicht aufzuhören.“

Michiru kam etwas zu ihr hoch und gab ihr einen Kuss auf den Mund.

„Guten Morgen.“ lächelte sie sie danach an.

„Morgen“ grinste Haruka zurück.

„Wie spät ist es überhaupt?“

„Ähm, … zwanzig nach acht.“ antwortete Haruka ihr, nach einem kurzen Blick auf die Uhr.

„Dann haben wir ja noch ein bisschen Zeit bis zum Frühstück.“ grinste Michiru verführerisch und kam ihrer Freundin erneut näher, um sie zu küssen.

Haruka nahm das nur zu gerne entgegen. Lange und leidenschaftlich küssten sie sich und wurden immer verlangender. Haruka konnte ihre Hände wieder nicht still halten und streichelte über Michirus ganzen Rücken, während die Türkishaarige mehr und mehr zu ihr herauf kroch. Sie schaffte es aber daran zu denken sich auf dem Bett abzustützen, um nicht Harukas Rippen zu gefährden. Dadurch, dass Haruka keinen Schmerz spürte, fand die aber auch keinen Grund weniger aktiv zu werden. Ihre Hände wanderten auf einmal zu Michirus Po und dann unter das kurze Nachthemd, den nackten Rücken hinauf. Ein heißer Schauer lief Michiru den Rücken hinunter und entfachte ein Kribbeln in ihrem Magen. Sie unterbrach den Kuss und sah ihrer Freundin entschuldigend in die Augen.

„Ja ja, ich weiß.“ seufzte Haruka und zog ihre Hände wieder zurück.

„Aber es tut gar nicht mehr weh. Also können wir es nicht wenigstens versuchen?“ flehte sie weiter.

„Und dann wird es schlimmer und wir müssen noch länger warten. Willst du das wirklich riskieren?“

Die Blonde überlegte. Eigentlich würde sie gerade alles riskieren, um mit ihr schlafen zu können. Sie wollte sie unbedingt. Aber wenn sie jetzt schon nicht mehr warten konnte, wie sollte sie dann noch länger warten?

„Aber wir müssen doch so schon noch drei bis fünf Wochen warten. Das is Folter!“

Michiru drehte sich von ihr runter auf die Matratze zurück und seufzte.

„Ja ich weiß. Aber es geht nun mal nicht anders. Also bitte gedulde dich noch etwas, ja?“ versuchte sie Haruka zu beruhigen, klang aber selbst ziemlich deprimiert.

Haruka stützte sich auf ihren Ellbogen ab und sah sie einen Moment schief an, dann Grinste sie auf einmal, was Michiru jetzt gar nicht verstand.

„Was?“ fragte sie verwirrt.

„Du kannst es auch kaum noch erwarten, oder?“

„Was soll die Frage denn? Du weißt doch, dass ich es auch will.“ war sie nun noch verwirrter.

„Ja, aber nicht, dass du so scharf darauf bist.“ grinste Haruka und drehte sich auf einmal auf Michiru drauf.

Inzwischen wusste sie auch, wie sie sich drehen musste, damit sich ihre Rippe nicht meldete.

„Haruka!“ sagte Michiru mahnend und wurde leicht nervös.

„Ja?“ fragte die Sportlerin weiterhin grinsend.

„Was soll das hier werden?“

„Oh, ich will dich nur ein wenig nervös machen.“ hauchte sie und begann Michirus Hals zu küssen.

Eine Weile genoss die Türkishaarige die Liebkosungen ihrer Freundin, aber die wanderte immer tiefer und das machte sie nun wirklich nervös, richtig sogar.

„Bitte tu das nicht.“ flüsterte sie hilflos.

„Wieso nicht?“

Haruka war inzwischen bei ihrem Schlüsselbein angekommen und streifte nun sanft den dünnen Träger des Hemdchens beiseite.

„Weil ...“

„Weil?“

Verführerisch ließ die Blonde ihre Zunge über das Dekolleté ihrer Freundin wandern.

„Weil ... ich will dir nicht weh tun ...“

Das klang schon richtig verzweifelt.

„Das tust du doch gar nicht.“

„Aber das würde ich bestimmt, also bitte hör auf.“

Haruka löste sich von ihr und kam genau über sie um sie anzusehen.

„Ich habe doch gesagt, ich wollte dich nur ein wenig nervös machen. Ich glaube zwar nicht, dass du mir besonders wehtun würdest, aber ich weiß auch, dass du nichts tun wirst, solange ich nicht wieder vollkommen gesund bin. Trotzdem ist es schön zusehen, wie sehr du dich dafür beherrschen musst.“ grinste Haruka wieder.

„Ah, du bist ...“ setzte Michiru wütend an, aber ihr wollte einfach keine Beleidigung einfallen.

„Ja?“ lachte Haruka.

„... Ach, vergiss es! Los geh runter von mir.“ sagte sie beleidigt.

„Aber mir gefällt‘s hier.“

„Ruka!“

„Ja, okay is gut.“

Haruka grinste immer noch, drehte sich jetzt aber langsam wieder von ihr runter. Michiru stand sofort auf und ging zu ihrem Schrank rüber.

„Ich geh duschen.“ sagte sie in einem immer noch leicht bissigen Tonfall.

Haruka sah ihr schmunzelnd hinterher, ehe die Tür ihr den Blick verwehrte. Über eine halbe Stunde verging, ohne dass Michiru aus dem Bad zurückkehrte. Der Sportlerin wurde langsam langweilig und so beschloss sie auf zustehen. Sie richtete sich auf und streckte sich vergnügt. Auf einmal klopfte es an der Tür und nur Sekunden später wurde sie auch geöffnet. Wie versteinert starrte Haruka auf die sich öffnende Tür und versuchte verzweifelt einen Ausweg zu finden. Aber dafür ging das ganze viel zu schnell und so konnte sie den Augen Yukis nicht mehr ausweichen.

„Guten Morgen Michiru-chan, das… Oh, Haruka-san. Tut mir leid, ich hab mich wohl … Nein warte, das ist doch Michirus Zimmer, oder?“

„Ääähhh..…“

Haruka hatte absolut keine Ahnung was sie jetzt sagen sollte. Ihr verstand schien sich gerade völlig verabschiedet zu haben. Sie sah nur weiter, total geschockt, die verwunderte Yuki an, und betete, dass ein Wunder geschehen würde. Zu ihrem Glück, oder auch Pech, sie wusste nicht, ob das jetzt besser oder schlechter war, ging die Badezimmertür auf und Michiru kam heraus.

„So, wenn du willst kannst … was ist denn?“

Michiru hatte auf einmal den entsetzten Blick ihrer Freundin gesehen und blieb stehen.

„Guten Morgen, Michiru-chan.“

Als wär sie vom Blitz getroffen worden schnellte sie herum und sah jetzt ebenfalls entsetzt zur Tür.

„Mama? Was …?“

„Ich wollte dir eigentlich nur Bescheid geben, dass das Frühstück fertig ist. Was macht Haruka-san denn in deinem Bett? Habt ihr hier etwa zusammen geschlafen?“ fragte Yuki leicht verwirrt und hielt den Kopf etwas schief.

Na toll! Was jetzt? Fieberhaft überlegten Beide, was sie jetzt sagen könnten. Bis Michiru sich ergab. Sie wollte es ja sowieso sagen, oder?

„Ja, … haben wir.“ flüsterte sie fast und sah verlegen zu Boden.

„Ihr zwei seid ja wirklich unzertrennlich geworden. Kommt ihr dann jetzt?“

„Hä?“

Mit großen ungläubigen Augen sahen die Mädchen erst Yuki, dann sich gegenseitig an. Sie hatte es offenbar überhaupt nicht begriffen.

„Na, das Frühstück.“

„Ach, so. Äh, ja. Wir kommen gleich.“ versuchte Michiru ihre Mutter abzuwimmeln.

„Okay, bis gleich.“ sagte Yuki und schloss die Tür hinter sich.

Haruka ließ sich erleichtert ins Bett zurück fallen.

„Oh Mann, ich hätte fast ‘nen Herzinfarkt bekommen.“

Michiru musste sich ebenfalls erst mal setzen und kam neben sie.

„Ja, ich auch.“

„Sie hat’s aber gar nicht merkwürdig gefunden, dass wir im selben Bett geschlafen haben. Also ich hätte deine Mutter aber für wesentlich aufmerksamer gehalten.“

„Ich dachte eigentlich auch, sie würde jetzt sofort draufkommen. Wahrscheinlich ist es für sie einfach undenkbar, dass ich mit dir zusammen sein könnte. … Was mach ich denn jetzt nur?“ seufzte sie den letzten Satz.

„Na ja, es trotzdem sagen. Nur diesmal klar und deutlich.“

„Wieso hätte sie es nicht einfach kapieren können? Dann wär es jetzt raus und ich hätte es hinter mir.“

„Dein Vater hätte aber noch gefehlt, so kannst du’s ihnen wenigstens gleichzeitig sagen. Und wenn du es jetzt wirklich hinter dir haben willst, sagen wir‘s gleich unten beim Frühstück.“

„Glaubst du das ist ‘ne gute Idee? Vielleicht …“

„Michi, es wird nie der richtige Zeitpunkt kommen. Also entweder jetzt oder nie.“

„Wo ist denn auf einmal deine Angst geblieben? Du bist doch sonst diejenige, die alles für sich behält.“

„Ich habe Angst und würde am liebsten einfach mit dir durchbrennen aber das würde dich nicht glücklich machen und ich kann auch nicht mehr mit ansehen, wie du dich quälst, also lass es uns einfach tun.“

„Na gut.“ sagte Michiru immer noch unsicher.

„Ich zieh mir schnell noch was an. Wartest du auf mich?“

„Du glaubst doch nicht, dass ich ohne dich da runter gehe, oder?“

„Okay, ich beeil mich.“

Sie schenkte der Türkishaarigen noch ein aufmunterndes lächeln und ging dann in ihr Zimmer rüber. Eigentlich hatte sie ja noch vorgehabt zu duschen aber das ließ sie jetzt einfach mal ausfallen. Sie brauchte auch nur zwei Minuten und war dann wieder bei ihrer Freundin angekommen.

„Dann mal los.“

Haruka ergriff Michirus Hand und zog sie dann hinter sich her nach unten.

Outing

Kurz bevor die Beiden bei der Küche ankamen, drehte sich Haruka noch mal um.

„Bereit?“

Michiru atmete einmal tief durch.

„Ja, bereit.“

Haruka ließ der Kleineren den Vortritt und folgte ihr dann in die Küche. Die drei Erwachsenen saßen schon am Tisch und aßen bereits. Freudestrahlend wurden sie von Sachiko und Seiichiro begrüßt. Nachdem auch sie ein etwas nervös klingendes Morgen von sich gaben, setzten sie sich dazu.

„Und, habt ihr gut geschlafen? Also ich finde diese Betten einfach großartig. Ich glaube, ich habe noch nie so gut geschlafen.“ strahlte Seiichiro richtig.

„Ähm, ja das stimmt.“

Michiru versuchte gerade einen Anfang für ihren Satz zu finden und fand es überhaupt nicht witzig, von ihrem Vater unterbrochen zu werden. Und er sollte nicht der einzige bleiben.

„Die zwei haben sogar in einem Bett geschlafen.“ fügte Yuki hinzu.

»Musste sie das jetzt erwähnen?« Michiru hätte sie echt umbringen können.

„Ach echt?“ war Seiichiro verwundert.

Er sah die zwei Mädchen etwas genauer an und hatte irgendwie ein komisches Gefühl dabei, wenn er daran dachte, die Zwei würden sich ein Bett teilen. In seinen Augen war Haruka immer noch ein halber Kerl.

Sachiko hörte weiterhin aufmerksam zu und sah gespannt von der einen Tischhälfte zur anderen. Sie hatte schon, als die beiden reinkamen das Gefühl, als hätten die Zwei irgendetwas Wichtiges zu sagen.

„Ja, ich glaube wir müssen uns darauf einstellen Michiru nicht mehr so oft zu Gesicht zu bekommen und wenn doch, nur noch mit Begleitung.“ freute Yuki sich.

„Also ich hab ja nichts dagegen, aber schlafen könnten sie doch schon jeder in seinem eigenen Bett, oder?“ war Seiichiro immer noch skeptisch was diese Sache anbelangte.

Bei der Aussage war wirklich kurz Panik in den Gesichtern der beiden Mädchen zu erkennen, ihm Gefiel es offenbar überhaupt nicht.

„Ach was, lass sie doch. Ich bin froh, dass Michiru-chan so eine gute Freundin gefunden hat.“

„Ja, aber sie sollen doch schlafen und nicht nur quatschen, oder so.“

„Ich bin mir sicher, die Zwei kriegen noch genug schlaf. Was hast du überhaupt dagegen? Sie sind doch beide Mädchen.“

„Ja, schon aber …“

„Aber was?“

Seiichiro fühlte sich plötzlich gar nicht mehr wohl in seiner Haut. Er hatte schon so einige Gerüchte über den Rennfahrer gehört, doch wusste er ja nicht, ob sie stimmen und, dass Haruka jetzt ein Mädchen war, machte diese auch so ziemlich unmöglich. Es sei denn …. Und das befürchtete er fast, wollte es aber auch nicht einfach in den Raum hinein stellen. Nachher stimmte es doch nicht.

Michiru reichte es jetzt aber. Die Tatsache, dass ihr Vater von der Sache offenbar sehr viel mehr Begriff, als ihre Mutter, verwirrte sie nur noch mehr. Eigentlich wusste ihre Mutter immer alles, während ihr Vater drei Jahre länger brauchte, um es zu kapieren. Aber hier schien es irgendwie umgekehrt. Also fasste sie all ihren Mut zusammen und versuchte es jetzt endlich klar zu stelle.

„Äh, Mama? … Haruka ist … lesbisch.“

„... Oh.“

Yuki bekam auf einmal ganz große Augen. Und auch die beiden anderen am Tisch. Sachiko, weil sie überrascht war, dass sie sich wirklich traute es auszusprechen und Seiichiro, weil er doch tatsächlich mal Recht mit seiner Vermutung hatte, und ahnte worauf das hinauslief. Haruka sah doch etwas ängstlich aus.

„Oh, … na ja, das … das ist doch in Ordnung. Also ich habe nichts dagegen. Und du sicherlich auch nicht Sei-chan, oder?“ sagte Yuki, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte.

Seiichiro schüttelte langsam mit dem Kopf aber er konnte seiner Tochter ansehen, dass die noch nicht fertig war mit ihrem Geständnis und das machte ihm Sorgen. Sein Blick wanderte immer wieder zu Haruka rüber, die dem aber gekonnt auswich, was ihn nur noch mehr beunruhigte.

Michiru konnte es nicht fassen. Sie schien es immer noch nicht kapiert zu haben. »Mann, is die heute schwer von Begriff!«

„Mama, Haruka ist nicht nur meine Freundin.“

Das Klang jetzt schon ein bisschen gereizt.

„Wie meinst du das?“ fragte Yuki verwirrt.

Einmal atmete Michiru noch tief durch, dann sprach sie weiter.

„Ich bin mit ihr zusammen, sie is meine feste Freundin. Ich liebe sie!“

Yuki klappte doch tatsächlich der Mund auf. Damit hätte sie nun überhaupt nicht gerechnet. Seiichiro der das schon geahnt hatte, konnte es dennoch nicht fassen. Sein kleines Mädchen. ... Verliebt in ein Mädchen?! Jetzt sah er wirklich nur noch gezielt Haruka an. Haruka bekam von dem Blick aber langsam Panik. Sie hatte ihn zwar nicht direkt gesehen, denn ansehen konnte sie ihn nicht, aber spüren dafür umso deutlicher. Der letzte Mann der sie so intensiv ansah, war ihr Vater gewesen, und seine Reaktion darauf würde sie wohl nie vergessen. In ihr kroch langsam die Angst hoch, Seiichiro könnte genauso reagieren.

„Du liebst sie?“ fand Yuki endlich ihre Stimme wieder.

„Ja.“ nickte Michiru schüchtern.

„Oh, ich … also darauf wär ich wirklich nie gekommen. Seit wann? Wieso hast du nicht mit mir darüber geredet?“

„Ich konnte nicht mit dir darüber reden. Am Anfang war ja noch Keisuke hier und ich wollte es dir nicht am Telefon sagen.“

„Keisuke! War das etwa sein Grund?“ wurde Seiichiro gerade wieder Bewusst, was Haruka angetan wurde und gab seinen gezielten Blick sofort auf.

„Ja, das war sein Vorwand dafür.“ mischte Sachiko sich ein.

„Michiru, du weißt aber, dass wir dir nie so etwas antun würden, oder? Ich gebe zu, etwas ... überrascht zu sein aber wenn du sie liebst und es dich glücklich macht, habe ich kein Problem damit.“ versicherte Yuki ihr.

Von Michiru viel sofort sämtliche Anspannung. Fehlte nur noch ihr Vater. Vorsichtig sah sie ihn an. Seiichiro seufzte einmal, dann lächelte er seine Tochter sanft an.

„Natürlich habe ich auch kein Problem damit. Ob Mann oder Frau, ist im Grunde egal. Mich stört mehr, dass mein kleines Mädchen jetzt langsam Erwachsen wird.“

„Ich werde immer dein kleines Mädchen bleiben, versprochen Papa.“

Michiru war richtig glücklich. Sie war mit der Person zusammen, die sie liebte und ihre Eltern akzeptierten das. Freudestrahlend sah sie ihre Freundin an, die aber alles andere als glücklich aussah.

„Haruka, alles in Ordnung? ... Ruka?“

Haruka hatte nicht ein Wort mehr mitbekommen und war mit ihren Gedanken vollkommen abgedriftet. Die Angst davor, das alles nochmal durchleben zu müssen, und die Erinnerungen an das erste Mal, übernahmen sie komplett.

„Hey, Schatz. Was is denn?“

Sachiko bemerkte den leeren Blick den Haruka aufgesetzt hatte, jetzt auch, und er kam ihr nur allzu bekannt vor. Sachte legte sie eine Hand auf den Arm ihrer Tochter und holte die so wieder aus ihrer starre heraus.

„Was?“

„Geht es dir gut?“ fragte Sachiko weiter.

„Ähm, ja. Klar, alles bestens.“ lächelte sie gezwungen.

Keiner am Tisch schien Haruka zu glauben und sie wurde von jedem besorgt angesehen. Diese durchdringenden Blicke machten sie nur noch nervöser und lösten in ihr das Bedürfnis aus wegzulaufen.

„Ich brauch mal frische Luft.“ sagte sie schnell und verschwand auch genauso schnell aus dem Raum.

„Haruka?“ rief Michiru ihr noch nach, aber sie war schon weg.

Sie wollte ihr hinter her, wurde aber aufgehalten.

„Warte, lass mich gehen. Ich glaub, ich bin dran schuld.“ sagte Seiichiro und stand auf.

„Du? Was hast du denn getan?“ wunderte Yuki sich.

Aber Seiichiro antwortete nicht darauf und folgte Haruka nach draußen.

„Er hat gar nichts getan, Yuki. Keisuke ist schuld.“ beantwortete Sachiko ihre Frage.

„Ach so, verstehe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was sie alles durchgemacht haben muss. Hoffentlich bekommt dieser Mann seine gerechte Strafe dafür.“

Einen kurzen Moment war es still am Tisch, dann wandte Yuki sich noch einmal an ihre Tochter.

„Du hast dich also wirklich in sie verliebt? Dann war das also der Grund, warum du die ganze Zeit nichts über sie Preis geben wolltest, oder?“

„Ja, ich hatte Angst du würdest was merken, wenn ich über sie rede.“

„Offenbar hättest du die gar nicht haben müssen. Ich hab‘s ja nicht mal hier kapiert. Obwohl, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hätte es mir eigentlich auffallen müssen. Ich muss zugeben, auf den ersten Blick hatte ich Haruka-san auch für einen Jungen gehalten, aber als ich erfahren hatte, wer sie ist habe ich nicht weiter darüber nachgedacht, auch nicht, dass sie lesbisch sein könnte. Ich war einfach froh, dass du endlich eine Freundin gefunden hast. … Wusstest du es eigentlich schon vorher? Ich dachte wirklich, du würdest auf Jungs stehen.“

„Das habe ich auch gedacht. Ich war wirklich völlig durcheinander, als ich Haruka begegnet bin. Sie sieht zwar aus wie ein Junge und meistens benimmt sie sich auch wie einer aber ich wusste ja, dass sie ein Mädchen ist trotzdem wollten diese Gefühle einfach nicht verschwinden und wurden stattdessen immer stärker.“

„Und wie seid ihr dann zusammen gekommen? Und vor allem wann, das kann doch noch gar nicht lange her sein, wenn Keisuke-san erst letzte Woche verhaftet wurde.“

„Also, eigentlich sind wir schon seit zehn Tagen zusammen.“

„Zehn? Aber du bist doch erst seit vierzehn hier. Und ich dachte Keisuke-san hatte was dagegen, dass Haruka lesbisch ist, wie konntet ihr also ...?“

„Wir haben es vor ihm und auch Sachiko geheim gehalten. An dem Tag, an dem wir zusammen gekommen sind, hat sie mir auch erzählt, oder besser, ich hab‘s herausgefunden, was er ihr antut. Ich wollte, dass sie zur Polizei geht aber sie hat sich geweigert und mich angefleht, dass ich es niemandem sage. Ich wusste nicht was ich machen sollte und so haben wir erst mal gar nichts gemacht. Aber lange ist es ja nicht gut gegangen. Letzten Samstag hat er uns erwischt und dann weißt du ja, was passiert ist.“

„Ich kann das alles nicht glauben. Dir hätte auch was passieren können!“ war Yuki geschockt.

„Es tut mir wirklich unendlich leid, Yuki. Wenn ich gewusst hätte, dass Keisuke so ein Monster ist, hätte ich deine Tochter nie bei mir aufgenommen.“

„Du brauchst dich wirklich nicht entschuldigen, Sachiko. Deiner Tochter hat er ja noch viel Schlimmeres angetan.“

Yuki legte tröstend eine Hand auf Sachikos Arm, die schon mit den Tränen kämpfte.

„Aber ich hätte was merken müssen. Ich war schließlich mit ihm verheiratet und hab ihn fast jeden Tag gesehen.“

„Hör auf dir Vorwürfe zu machen, Sachiko. Es ist wirklich nicht deine Schuld. Und jetzt ist es ja vorbei.“ versuchte auch Michiru sie zu trösten.

„Ja, ich weiß.“

Trotzdem machte Sachiko sich Vorwürfe und das würde sie wohl auch noch ihr Leben lang tun.
 

Währenddessen fand Seiichiro Haruka in der Garage. Sie saß auf dem Boden angelehnt an ihr Motorrad, den Kopf in die Hände, auf den angewinkelten Knien abgestützt. Der Blauhaarige fand es besser etwas Abstand zu halten und lehnte sich vorne an ihr Auto.

„Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen.“

Haruka sah erschrocken auf. Sie hatte nicht bemerkt, dass Seiichiro ihr gefolgt war und war jetzt sichtlich nervös, mit ihm alleine zu sein.

„Ich wollte dir wirklich keine Angst einjagen. Haruka, ich würde nie auf die Idee kommen dir, oder Michiru, so etwas anzutun, wie dein Vater es getan hat, das musst du mir glauben.“

Haruka entspannte sich etwas. Er sah sie so verständnis- und vertrauensvoll an, dass sie sich fast schämte, solche Gedanken gehabt zu haben.

„Ich gebe zu, dass ich nicht sonderlich begeistert davon bin, dass sie mit jemandem zusammen ist aber irgendwann musste das ja mal passieren. Und es ist völlig egal, ob du ein Junge oder Mädchen bist, solange sie glücklich ist.“

Jetzt viel auch der Rest Anspannung von ihr ab. Sie atmete erleichtert aus.

„Tut mir Leid, dass ich nicht eher was gesagt habe.“

„Das muss es nicht. Wir kennen uns doch erst seit gestern und es war schon richtig, dass Michiru es uns persönlich gesagt hat.“

Seiichiro ging jetzt langsam auf sie zu und kniete sich vor sie.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ich hab nur Panik bekommen, als du mich so angesehen hast, das ist alles.“

„Er hat dich auch so angesehen, oder?“

„Nein. ... Noch viel schlimmer.“

„Ich kann leider nicht ungeschehen machen, was er dir angetan hat, aber du bist nicht allein, vergiss das nicht. Du kannst jederzeit mit mir, Yuki, Michiru oder deiner Mutter reden, also friss nicht alles in dich hinein. Keiner von uns verurteilt dich, wir machen uns nur Sorgen.“

Haruka fühlte sich doch ein bisschen unwohl bei diesem Gespräch, nicht weil sie Angst hatte, nein, die hatte sie nicht mehr vor Seiichiro, sondern weil dieser, ihr doch eigentlich fremde Mann, genau das Verständnis entgegenbrachte, welches sie schon ihr ganzes Leben lang bei ihrem Vater gesucht hatte. Sie konnte nichts weiter als nicken.

„Gut. Dann will ich dir jetzt eine Frage stellen. Und sei ehrlich.“ sagte er drohend.

„Ähm, okay.“

„Was genau empfindest du für meine Tochter? So schlimm es auch gewesen ist, was dir angetan wurde, werde ich nicht zulassen, dass du meiner Tochter wehtust.“

Haruka musste erst mal schlucken. Das klang wirklich ernst.

„Ich würde ihr niemals wehtun. Ich liebe sie, mehr als mein Leben, das schwöre ich.“

Einen Augenblick lang sah Seiichiro ihr regungslos in die Augen, dann lächelte er wieder sanft.

„Dann bin ich froh, dass sie dich gefunden hat. ... Na komm, wir sollten wieder rein. Das Frühstück wartet.“

Er stand auf und reichte Haruka eine Hand. Erleichtert nahm die Sportlerin sie entgegen und ließ sich hochziehen. Seiichiro legte seinen Arm um ihre Schultern und führte sie ins Haus zurück. Sie setzten sich zu den anderen an den Tisch zurück und fingen gleich an zu essen. Michiru war klar, dass Haruka hier am Tisch bestimmt nicht erzählen würde, was passiert war aber sie konnte ihr ansehen, dass wieder alles in Ordnung war, also schloss sie sich den beiden an. Auch Sachiko rechnete nicht damit, genaueres von ihrer Tochter zu erfahren. Yuki hätte nur zu gerne gewusst, was los gewesen war, aber nach einem Blick von ihrem Mann, entschied sie sich, nicht weiter nachzufragen. Eine Weile saßen sie schweigend am Tisch.

„Michiru, du hast mir immer noch nicht gesagt, wie ihr zwei denn nun zusammen gekommen seid. Und wann hast du dich eigentlich in Michiru verliebt Haruka-san? ... Du liebst sie doch, oder?“ fragte sie fast genauso so drohend nach wie Seiichiro vorhin.

„Ja. Ja, ich liebe sie auch.“ sagte Haruka schnell.

„Es war wohl bei uns beiden liebe auf den ersten Blick. Aber Haruka hatte die Anweisung von ihrem Vater erhalten, sich unter jeden Umständen von mir fernzuhalten. Als ich ein paar Tage später herausfand, was er getan hat, ist es mir irgendwie, bei dem Versuch sie davon zu überzeugen es jemandem zu erzählen, rausgerutscht.“ erzählte Michiru.

„Rausgerutscht? Du wolltest es mir also gar nicht sagen?“ fragte Haruka verwundert.

„Natürlich nicht. Du hattest mir doch erst am Vortag gesagt, dass du überhaupt nichts von Beziehungen hältst und ich wusste ja nicht, was du für mich empfindest, also geplant war das sicher nicht.“

„Na, dann bin ja fast froh, dass der Kerl auf mich losgegangen ist.“

„Haruka!“ rief ihre Mutter entsetzt.

„Was?“

„Du kannst doch nicht allen Ernstes noch gut heißen, was dein Vater getan hat!“

„Oh, den hab ich auch gar nicht gemeint.“

„Nicht?“ verstand Sachiko nicht.

„Nein, ich meinte diesen ... Wie heißt der noch gleich?“ fragte sie ihre Freundin.

„Matsugami-kun.“

„Ja, genau den.“

„Und wer bitte ist das? Und was meinst du mit losgegangen?“ fragte Yuki verwirrt.

„Haruka hat sich mit ihm auf dem Schulhof geprügelt, dabei hat er sie in die Rippen gerammt, an denen Keisuke sie schon am Vortag verletzt hatte. Weil ihre Schmerzen unübersehbar waren, hab ich sie gezwungen es mir zu zeigen, so hab ich dann die ganze Sache rausbekommen.“

„Und warum hast du dich mit diesem Jungen geprügelt? Wenn du schon Verletzt gewesen bist, war das doch mehr als riskant. Hättet ihr nicht darüber reden können?“

„Er hat sich an Michiru rangemacht, und ich war sowieso schon stinksauer, wegen dem was am Abend davor passiert war, und da hab ich eben zugeschlagen. Er wagt sich sicher nicht noch einmal in ihre Nähe.“ grinste Haruka arrogant.

Yuki und auch Sachiko sahen sie nur ungläubig an.

„Du hättest ihm trotzdem nicht gleich die Nase brechen müssen.“ verdrehte Michiru die Augen.

„Du lagst schon fast auf der Motorhaube! Ich finde, er ist noch glimpflich davon gekommen.“

„Das finde ich auch. Gut gemacht, Haruka.“ stimmte Seiichiro ihr zu.

„Sei-chan! Wie kannst du verurteilen was Keisuke-san getan hat, aber gut heißen, wenn sie jemanden schlägt?“ war Yuki entsetzt.

„Hey, sie hat immerhin unsere Tochter beschützt. Wer weiß, was sich der Kerl sonst noch alles erlaubt hätte.“ verteidigte er sich.

Yuki schüttelte nur mit dem Kopf. Es hatte ja doch keinen Sinn weiter darüber zu diskutieren.

Das Frühstück war inzwischen beendet und auch schon reichlich Zeit vergangen.

„So, ich glaube wir müssen langsam mal los. Vielen Dank Sachiko, dass wir hier übernachten durften.“ sagte Yuki.

„Ach, das ist doch kein Problem. Ich freu mich wirklich, dass du jetzt wieder in der Stadt wohnst und hoffe, dass wir uns jetzt öfter sehen.“

„Auf jeden Fall werden wir das. Dafür werden allein schon unsere Töchter Sorgen.“ lächelte sie die zwei Mädchen an und erhob sich.

Die anderen standen ebenfalls auf und brachten Yuki und Seiichiro noch zur Tür.

„Ich werde dir Bescheid geben, sobald wir fertig sind mit der Wohnung, Michiru-chan.“ umarmte Yuki ihre Tochter zum Abschied.

„Is gut.“

Das klang überhaupt nicht begeistert.

„Du würdest wohl lieber hier bleiben, was? Tut mir leid, aber du wirst zu uns ziehen müssen.“

„Ja, ich weiß.“

„Kopf hoch. Du kannst sie weiterhin jeden Tag sehen und auch gerne mal mitbringen.“ versuchte Yuki sie aufzuheitern aber sie scheiterte.

„Ich freu mich schon dich wieder zu sehen, Haruka. Und pass ja gut auf meine Tochter auf.“ verabschiedete sich Seiichiro von Haruka.

„Versprochen.“

Seiichiro umarmte auch noch seine Tochter zum Abschied.

„Es hat mich wirklich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Haruka-san. Ich hoffe aber, dass ich dich noch besser kennenlerne, also komm doch öfter mal zu uns.“

„Das mach ich gern. Und du kannst die Endung ruhig weglassen. Dein Mann macht es ja auch.“

„Ja, er verzichtet da gerne drauf. Aber ich nehme das Angebot gerne an und du kannst sie auch weglassen.“

„Okay.“

Yuki und Seiichiro verabschiedeten sich noch von Sachiko und verließen dann das Haus. Die drei übrig gebliebenen gingen in die Küche zurück. Erleichtert aber auch geschafft ließen sich Haruka und Michiru auf die Stühle fallen, während Sachiko den Tisch abräumte.

„Ich bin wirklich stolz auf euch, dass ihr es gesagt habt. Ich wusste, sie würden nichts dagegen haben.“

„Ja, du hattest Recht. Trotzdem war es echt schwer sich zu überwinden.“ seufzte Michiru.

„Das verstehe ich.“

„Deine Eltern sind echt toll. Besonders dein Vater.“ mischte sich Haruka ein.

„Ja, das stimmt.“

Michiru war richtig froh, dass sich die beiden so gut verstanden. Davor, wie die Zwei aufeinander reagierten, hatte sie sich am meisten gefürchtet. Ihr Vater versuchte schon seitdem sie dreizehn war, sämtliche Verehrer von ihr fernzuhalten und mit Harukas Vergangenheit, war es mehr als fraglich gewesen, ob das gut gehen könnte.

„Ich hoffe trotzdem, sie lassen sich Zeit mit der Wohnung.“ unterbrach Haruka ihre Gedanken.

„Ja, das hoffe ich auch, aber ich fürchte, sie werden schon Montag oder Dienstag damit fertig sein.“

„Was so schnell schon? ... Glaubst du, sie lassen dich hier mal wieder übernachten?“

„Ich denke schon, nur nicht jede Nacht, sonst hätte ich ja gar nicht ausziehen brauchen.“

„Und wenn ich bei dir übernachte?“

„Also jede Nacht lasse ich dich aber auch nicht weg.“ meldete Sachiko sich dazwischen.

„Ich glaub, wenn du bei mir übernachten willst, setzt dich mein Vater auf die Couch. Oder wenn meine Mutter ihn doch davon überzeugen kann, dass du in meinem Zimmer schlafen darfst, wird er die ganze Nacht kein Auge zu machen, wahrscheinlich würde er auch noch an der Tür lauschen.“

Michiru konnte sich das nur allzu gut vorstellen, wie er da an ihrer Tür stand und versuchte unauffällig zu lauschen. Väter konnten ja so was von peinlich sein.

„Na toll. Wie soll ich denn ohne dich einschlafen?“ schnaubte Haruka.

„Sagt mal, verbringt ihr eigentlich jede Nacht in einem Bett? Ich hab davon gar nichts mit bekommen.“ war Sachiko neugierig.

„Ähm, ... ja.“ sagte Michiru verlegen.

„Ihr wisst aber schon, dass deine Rippe noch gebrochen ist und du dich nicht so viel bewegen darfst, oder?“ fragte Sachiko mit hochgezogener Augenbraue.

„Da mach dir mal keine Sorgen. Michiru erinnert mich Tag täglich daran. Außer reden und schlafen tun wir gar nichts im Bett.“ sagte Haruka genervt.

„Na, dann bin ich ja beruhigt.“ schmunzelte Sachiko.

„Ähm, ... komm lass uns hoch gehen, ja?“ sagte Michiru etwas verlegen und zog die Blonde auch gleich hinter sich her nach oben.

Umbruch

„Das hättest du auch wesentlich dezenter sagen können.“

Die Beiden waren mittlerweile im Flur angekommen.

„Was denn? Stimmt doch.“ tat Haruka unschuldig.

„Ja, aber das muss sie ja nicht unbedingt wissen.“

„Dann wär es dir lieber gewesen, sie würde denken, wir haben jede Nacht Sex?“ grinste Haruka herausfordernd.

„So hab ich das jetzt nicht gemeint.“

„Wie dann?“

„Ach, vergiss es einfach.“

Das Grinsen der Sportlerin wurde noch breiter. In Michirus Zimmer angekommen, ließ sich Haruka mal wieder auf ihr Bett fallen.

„Und, was machen wir heute noch?“

„Also ich würde gerne hier bleiben. Das Wetter ist sowieso nicht allzu berauschend und ich habe lange kein Bild mehr gemalt.“

„Ach nein? Und was ist mit dem Haufen Papier in deiner Mappe, der sich kaum noch bändigen lässt? Sind das keine Bilder?“

„Das sind doch nur Skizzen, allein für mich. Ich meinte ein richtiges Bild, auf einer Leinwand mit Pinsel und Acrylfarben gemalt. Eins ,das ich vielleicht auch ausstellen kann.“

„Ach so. Darf ich zugucken?“

„Wenn du das gerne möchtest. Aber das kann langweilig für dich werden. Hab ich erst mal angefangen, hör ich so schnell nicht wieder auf, und reagier auch nicht mehr auf meine Umwelt.“

„Damit komm ich klar. Ich wüsste sowieso nicht, was ich sonst tun sollte. Ich darf ja kein Motorrad fahren und auch alle anderen Sportarten sind mir nicht gestattet. Du bist das einzige, was mich davon abhält, komplett durchzudrehen, also bleib ich bei dir.“

Michiru konnte sich nur darüber freuen. Unter den neugierigen Blicken ihrer Freundin begann sie ihre Sachen zusammenzusuchen, die Staffelei aufzubauen und sich alles fein säuberlich zu recht zulegen. Haruka war wirklich neugierig. Sie fand die "Skizzen" wie Michiru sie nannte schon einfach umwerfend und war ziemlich gespannt darauf, was sie mit einem "richtigen Bild" meinte. Mit Spannung wartete sie darauf, dass Michiru anfing, doch erst mal passierte überhaupt nichts. Die Künstlerin stand ein paar Minuten einfach nur vor der riesigen Leinwand und starrte sie an. Haruka fand es besser, sie dabei nicht zu unterbrechen und lag wohl richtig damit. Denn plötzlich griff Michiru zum Pinsel und fing einfach an. Ohne vorherige Skizze, begann sie nach und nach das Bild mit Leben zu füllen. Der Sportlerin wurde nicht im Geringsten langweilig dabei, jeder neue Pinselstrich gab etwas mehr von dem Bild frei und sie konnte gar nicht fassen, wie ihre Freundin da, aus dem nichts, einfach so ein Kunstwerk entstehen lassen konnte. Michiru war wirklich nicht mehr ansprechbar, aber Haruka versuchte auch gar nicht erst mit ihr zu reden. Als Sachiko die Zwei zum Mittagessen holen wollte, reagierte die Türkishaarige auch nicht darauf, und ohne sie wollte Haruka auch nicht gehen, also aß Sachiko alleine und hob den anderen was für später auf. Erst am späten Nachmittag trat Michiru von ihrem Bild zurück, sah es wieder ein paar Minuten an und legte dann ihre Farben und den Pinsel beiseite.

„So, ich denke ich bin fertig.“ strahlte sie.

Haruka stand vom Bett auf, von dem sie sich nicht eine Sekunde weg bewegt hatte und umarmte sie von hinten.

„Es ist einfach umwerfend. Ich kann immer noch nicht glauben, wie du das da rauf gekriegt hast.“

„Warst du wirklich die ganze Zeit hier? Wie spät ist es überhaupt?“

„Sag bloß, nicht mal das hast du mit bekommen? Natürlich war ich die ganze Zeit hier und es war wirklich ein Genuss dir bei der Arbeit zu zusehen. Und es ist fast sechs.“

„Was so spät schon? Ich sagte ja, ich vergesse alles um mich herum.“

„Das hab ich gemerkt.“ grinste Haruka.

Eine Weile standen die Beiden eng umschlungen vor Michirus Meisterwerk und sahen es an. Es zeigte eine prachtvolle Unterwasser Landschaft, ähnlich, wie sie sie im Aquarium gesehen hatten. Danach begaben sie sich nach unten, um auch endlich was zu essen.
 

Die Zeit verging wie im Flug und so kam der Tag, an dem Michiru ausziehen musste viel zu schnell für die Beiden. Es war gleich der Montag an dem Yuki anrief und erzählte, sie seien fertig mit der Wohnung. Es war auch Harukas erster Tag wieder in der Schule und so waren Beide mächtig geknickt, als sie nachhause kamen und die Neuigkeit von Sachiko erfuhren. Schweren Herzens machte sich Michiru daran ihre Sachen zu packen, denn ihr Vater wollte sie bereits am Abend abholen. Haruka war ihr nicht gerade eine Hilfe dabei. Sie lag nur wieder auf ihrem Bett und war mehr als schlecht gelaunt und je später es wurde, desto mehr wandelte sich ihre schlechte Laune in Traurigkeit um. Als es an der Tür klingelte, war sie einfach nur noch verzweifelt. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als Michiru gehen zu lassen, die mindestens genauso traurig war, wie sie. Sie umarmten sich eine halbe Ewigkeit, bis Seiichiro langsam die Geduld verlor und die Zwei trennte.

„Ihr seht euch doch gleich Morgen wieder, also tut doch nicht so, als würde die Welt untergehen.“ sagte er genervt und zog seine Tochter langsam aus dem Haus.

„Ich hol dich gleich morgen früh ab, okay?“ rief Haruka den Beiden noch hinterher, ehe sie im Auto verschwanden und los fuhren.

Seufzend ließ Sachiko die Tür zufallen.

„Ich gebe zu, ich bin auch etwas traurig, dass sie gehen muss. Aber sie wird ja wohl noch öfter herkommen. Na komm, Seiichiro hat recht, du siehst sie Morgen wieder, also Kopf hoch.“

„Aber das ist noch viel zu lange hin.“ stöhnte Haruka und ging nach oben.

Sie legte sich gleich ins Bett in der Hoffnung der Morgige Tag würde schneller kommen, doch konnte sie überhaupt nicht einschlafen. Auch Michiru hatte Probleme einzuschlafen. Die neue Wohnung gefiel ihr zwar sehr gut, aber im Vergleich mit der Villa, an die sie sich schon gewöhnt hatte, war sie doch ziemlich winzig, obwohl sie größer war, als ihre letzte Wohnung. Haruka stand am nächsten Morgen natürlich überpünktlich vor ihrer Tür und zerdrückte sie fast bei der Begrüßung. Den ganzen Tag über ließen sie sich nur noch los, wenn sie mussten und verbrachten natürlich auch den Nachmittag nach der Schule zusammen. Sie hatten nicht vor, noch eine Nacht getrennt voneinander zu sein und begannen so, immer abwechselnd bei dem jeweils anderen zu schlafen. Seiichiro war wirklich nicht begeistert davon, dass die Beiden hinter verschlossenen Türen, in einem Bett schliefen, aber als Yuki ihm klar machte, dass Haruka mit ihrer gebrochenen Rippe sowieso nicht mehr tun konnte als schlafen, war er beruhigt und ließ die Zwei in Ruhe. Da Haruka und Michiru vor niemandem mehr verheimlichten, dass sie zusammen waren, war es auch kein Wunder, dass die Presse davon Wind bekam, und so standen die Neuigkeiten in sämtlichen Zeitungen. Auch Harukas Trainingsabbruch blieb nicht geheim. Die Presse zerriss sich regelrecht das Maul darüber und berichtete sogar schon von ihrem Rücktritt. Haruka selbst sagte nichts dazu, genauso wenig wie ihr Trainer, Chef oder sonst irgendwer von ihrem Team. Der Gerichtstermin wegen Keisuke rückte immer näher und der Prozess schien das einzige zu sein, was die Presse noch nicht rausbekommen hatte, und das fanden alle mehr als merkwürdig. Sachiko vermutete, dass Keisuke alle die etwas von der Anzeige wussten, zum Schweigen brachte. Sie verstand nur nicht wieso. Jetzt waren es nur noch zwei Tage bis zum Verhandlungstermin und Haruka wurde immer unruhiger. Diese Stille gefiel ihr überhaupt nicht.

„Jetzt mach dir nicht allzu große Sorgen. Es wird schon alles gut werden.“ versuchte Michiru sie aufzuheitern.

Die beiden Mädchen saßen in der Cafeteria beim Mittagessen.

„Das versuch ich ja, aber irgendwie hab ich ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er das alles einfach so hinnehmen wird.“

„Ich weiß. Ich versteh es auch nicht aber wir können nichts dagegen tun, also denk an was anderes.“

„Wie denn? Seit fast vier Wochen sitze ich einfach nur rum. Wenn ich wenigstens laufen dürfte, könnte ich mich zumindest etwas ablenken, aber ich darf ja nichts tun.“

„Das ist bald vorbei.“

„Na, hoffentlich. Ich hab gleich schon wieder frei, weil ich kein Sport mitmachen darf. Wenn du wenigstens auch frei hättest, wäre das ja gar nicht so schlimm, aber so ist das echt langweilig.“

„Tut mir leid. Glaub mir, ich würde auch lieber die Zeit mit dir verbringen, aber das geht nun mal nicht. Ich muss auch langsam los. Treffen wir uns wieder beim Auto?“

„Klar doch. Ich warte auf dich.“

„Wir sehen uns dann nachher und zerbrech dir nicht weiter den Kopf, okay?“

Die Künstlerin stand auf und gab ihrer Freundin noch einen Abschiedskuss, ehe sie den Saal verließ. Haruka seufzte einmal tief und ging dann ebenfalls nach draußen. Sie hatte keine Lust die ganze Zeit im Wagen zu Sitzen also schlug sie den Weg Richtung Park ein. Gemütlich spazierte sie den Weg entlang und genoss die warme Sonne auf ihrer Haut. Fast zwei ganze Runden drehte sie dort, ehe sie sich langsam auf den Rückweg begab. Sie war schon fast aus dem Park draußen, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich vernahm.

„Das du dich überhaupt noch auf die Straße traust!“

Haruka blieb abrupt stehen, als wäre sie zu stein erstarrt. Ihr Herz fing an zu rasen und sie wagte nicht, weiter zu atmen. »Das kann nicht sein! Er darf nicht hier sein!«

„Na, was is? Hast du etwa geglaubt, du wirst mich einfach so los?“

Haruka löste sich aus ihrer starre, ballte die Hände zu Fäusten und drehte sich um. Nur zwei Meter von ihr entfernt, stand tatsächlich Keisuke und grinste sie überheblich an. Die Angst, die sie überfallen hatte, wandelte sich immer mehr in Wut um.

„Was willst du hier? Du darfst dich mir überhaupt nicht nähern, falls du das vergessen haben solltest!“ schrie sie ihn an.

„Als ob mich das interessieren würde! ... Hast du eigentlich eine Ahnung wie viel Geld ich deinetwegen verloren habe?! Und das alles nur, weil du deine Klappe nicht halten konntest!“

„Dein bescheuertes Geld ist mir vollkommen egal, und du bist schließlich selbst schuld daran!“

Haruka sah sich einmal kurz um, aber der Park schien gerade wie ausgestorben zu sein. Es war also völlig egal wie laut sie schreien würde, hören würde sie keiner.

„Wenn du dich an meine Regeln gehalten hättest, wäre das alles nicht passiert, du kleine Missgeburt!“ wurde er jetzt auch laut.

„Deine Regeln sind unmenschlich, und ich werde nie wieder tun, was du sagst, oder mir sonst irgendetwas von dir gefallen lassen! Du wirst in den Knast wandern, und bis an dein Lebensende darin verrotten!“

„Jetzt mach dich nicht lächerlich. Keiner wird wegen der paar Schläge Lebenslänglich bekommen, und ich so wieso nicht. Ich sagte doch, du hast mich sehr viel Geld gekostet. Man wird mich niemals verurteilen. Und du, deine Mutter und deine kleine Freundin werden dafür bezahlen, dass ihr es gewagt habt, mich herauszufordern.“ lachte er schäbig.

„Was willst du damit sagen? Was hast du getan?“ fragte Haruka geschockt.

„Das wirst du schon noch früh genug erfahren. Jetzt werd ich dir erst mal beibringen, wie man mit seinem Vater zu sprechen hat!“

„Du bist nicht mein Vater! Du bist vielleicht mein Erzeuger, aber sonst nichts! Du bist mir niemals ein Vater gewesen und das wirst du auch niemals sein, also verschwinde endlich aus meinem Leben, du Mistkerl!“ schrie sie ihn an.

Keisuke kam schon auf sie zu und wollte sie packen, aber Haruka war schneller, drehte sich um und lief los.

„Bleib stehen! Du kannst mir sowieso nicht entkommen!“ rief er ihr nach und rannte hinterher.
 

Die letzte Schulstunde war schon seit einigen Minuten vorbei und Michiru machte sich allmählich sorgen, wo ihre Freundin abgeblieben war. Normalerweise wartete sie immer schon beim Auto auf sie, wenn sie früher Schluss hatte, aber heute war sie weit und breit nicht zu sehen. Irgendwie hatte sie ein ganz flaues Gefühl im Magen, und wurde richtig nervös. Sie ging über den Parkplatz zum Tor, um einen besseren Überblick auf die Straße zu erhalten. Drei Mal sah sie von der einen bis zur anderen Seite, fand sie aber nicht. Es waren nicht gerade wenig Menschen auf den Fußwegen unterwegs und die vielen Autos, die an ihr vorbeirasten, gaben ihr keine gute Sicht auf die andere Seite. ... Aber dann erkannte sie Haruka doch zwischen den Autos. Sie lief aus dem gegenüberliegendem Park auf sie zu und …. Michiru traute ihren Augen nicht. Keisuke war direkt hinter ihr! Michiru erstarrte komplett. Mit angsterfüllten Augen, sah sie zu, wie Haruka auf die dicht befahrene Straße zu lief. Ohne sich umzusehen, betrat sie die Fahrbahn, Keisuke nur zwei Schritte hinter ihr. ... Lautes Hupen, quietschende Reifen und ein monströser Krach, waren die Folgen.

„HARUKA!“ schrie Michiru verzweifelt und rannte auf die Straße.

Mehrere Autos waren ineinander gekracht und standen kreuz und quer herum, Leute schrien und überall hupten Autos. Michiru zwängte sich durch diese hindurch und fand ihre Freundin auf der Straße sitzend.

„Haruka! Haruka, geht es dir gut? Bist du verletzt?“

Völlig aufgelöst kniete sie neben ihr und tastete ihr ganzes Gesicht ab.

„Mir ist nichts passiert.“ sagte sie tonlos und starrte einfach nur die Straße an.

„Oh Gott, ich hatte solche Angst. Was ist passiert?“ fragte sie erleichtert und umarmte sie.

Sie bekam keine Antwort und ihre Umarmung wurde auch nicht erwidert, also löste sie sich wieder von ihr und sah sie besorgt an.

„Was ist los?“

Michiru folgte ihrem ausdruckslosen Blick.

„Oh mein Gott.“ flüsterte sie geschockt und hielt sich die Hand vor dem Mund.

Keisuke war voll von einem der Autos erfasst worden und lag ein paar Meter weiter blutend auf der Straße. Einige Menschen standen hilflos um ihn herum, auch um die beiden Mädchen kreisten immer mehr Leute und fragten, ob alles in Ordnung sei. Haruka reagierte darauf überhaupt nicht, und saß einfach nur weiter da. Michiru nickte ihnen dankend zu, wich aber nicht von Harukas Seite. Nach nur wenigen Minuten waren laute Sirenen zu hören und einige Kranken- sowie Polizeiwagen kamen herbeigeeilt. Die Sanitäter kümmerten sich, sofort um Keisuke und einige der Autofahrer, während die Polizei versuchte Platz und Ordnung zu schaffen. Haruka wurde, nachdem ihr Vater in einen der Krankenwagen abtransportiert wurde, ebenfalls in einen gebracht. Sie wehrte sich nicht, ließ aber nicht die Hand ihrer Freundin los und zog sie mit sich in den Wagen. Im Krankenhaus musste Michiru mal wieder im Wartezimmer warten, während Haruka untersucht wurde.

„Sie hatten wirklich Glück. Sie haben nicht einen Kratzer abbekommen, also dürfen Sie wieder gehen. Auch Ihre Rippen sind sehr gut verheilt. Wenn sie möchten, dürfen sie nun wieder Sport treiben, aber wenn Sie Schmerzen haben, hören Sie sofort auf. Mit dem Motorradfahren empfehle ich Ihnen, aber wirklich erst in einer Woche anzufangen und dann auch bitte nicht gleich zu übertreiben, ja?“

Harukas Behandelnder Arzt sah sie auffordernd an.

„Okay, ist gut. Danke Doktor.“

Diese Nachricht heiterte sie tatsächlich etwas auf.

„... Wissen Sie wie es ihm geht?“ fragte sie dann vorsichtig nach.

„Nein, tut mir leid. Aber Sie werden darüber informiert, sobald es etwas Neues gibt.“

Mehr als Nicken konnte sie darauf nicht. Sie wusste wirklich nicht, was sie von der ganzen Sache halten sollte. Sie hasste diesen Kerl und ihretwegen konnte er gerne verrecken, dennoch war es echt schockierend, ihn da auf der Straße liegen zu sehen. Das ganze Blut, diese entsetzliche Haltung und dann noch der leblose Gesichtsausdruck. Sie fragte sich wirklich, ob er das überlebt haben könnte und was passieren würde, wenn es so war, ... oder wenn nicht? Der Arzt verabschiedete sich von ihr und sie begab sich ins Wartezimmer zu ihrer Freundin.

„Hey, wie geht‘s dir? Was hat der Arzt gesagt?“ fragte Michiru sofort und umarmte sie wieder.

„Es ist alles in Ordnung. Ich hab nicht mal ‘nen Kratzer abbekommen und darf nach Hause.“ beruhigte sie sie und drückte sie etwas enger an sich.

„Gott sei Dank. Ich hatte solche Angst.“

Michiru löste sich von ihr und sah sie erleichtert an.

„Ich hab deine Mutter angerufen und auch meine Eltern. Sie wollen herkommen.“

„Gut.“

Sie setzten sich beide auf die Stühle im Raum und warteten. Aber schon nach wenigen Sekunden, kamen zwei Polizisten zu ihnen.

„Entschuldigen Sie aber wir würden Ihnen gerne einige Fragen stellen.“ sagte der eine gleich.

Haruka erzählte ihnen die ganze Geschichte, vom Park bis zur Straße, so erfuhr auch ihre Freundin alles. Die beiden Männer bedankten sich und verschwanden dann wieder. Kurze Zeit später, stürmte Sachiko in den Raum.

„Haruka!“ brachte sie atemlos heraus und umarmte sie stürmisch.

„Es geht mir gut, mir ist nichts passiert, also beruhige dich.“

„Oh Gott, ich hab mir solche Sorgen gemacht. Was ist passiert? Michiru hat was von einem Autounfall und Keisuke erzählt? Wo ist er? Hat er dir was getan? Dieser Privatdetektiv wird keinen Cent von mir erhalten, wie konnte er ihn aus den Augen verlieren?!“

Den letzten Satz sagte sie nur zu sich selbst, und flüsterte fast.

„Mama, ich sagte doch, es geht mir gut. Er hat ...“

„Haruka! Michiru-chan! Was ist passiert?“

Jetzt waren auch Seiichiro und Yuki eingetroffen, die sie ebenfalls stürmisch begrüßten. Haruka begann die Geschichte noch einmal zu erzählen. Die drei Erwachsenen waren ziemlich geschockt, von dem geschehenen.

„Ich kann das einfach nicht glauben. Ist er etwa ... “ traute Sachiko sich gar nicht zu fragen.

„Keine Ahnung. Wir haben noch nichts weiter gehört.“ beantwortete Haruka ihre Frage.

Alle saßen sie schweigend da und wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten, bis ein Arzt den Raum betrat.

„Entschuldigung, sind Sie die Angehörigen von Tenoh Keisuke?“

„Ähm, ja. Ich bin seine ... Frau.“

Sachiko stand von ihrem Stuhl auf und ging auf ihn zu.

„... Es tut mir wirklich leid, Ihnen das sagen zu müsse, aber ... Ihr Mann hat den Unfall nicht überlebt. Wir haben getan was wir konnten, aber seine Verletzungen waren einfach zu groß.“

Sachiko nickte nur und der Arzt verließ den Raum wieder. Erneutes Schweigen machte sich breit.

„Hört es sich sehr krank an, wenn ich sage, dass ich froh darüber bin?“ durchbrach Haruka die Stille als erste.

„Nein. Er ist selbst schuld daran und hat es nicht anders verdient.“ stimmte Michiru ihr zu.

„Sie hat Recht. Er ist ein Monster gewesen. Nachdem, was du eben erzählt hast, hat er es wohl doch irgendwie geschafft, den Richter zu bestechen. Wer weiß, was passiert wäre, wenn das nicht geschehen wäre und er auch nicht im Gefängnis gelandet wär. Es ist besser so.“

„Dann ist es jetzt tatsächlich vorbei?“

Haruka konnte das irgendwie nicht richtig glauben.

„Das ist es. Er ist weg und wird auch niemals wiederkommen.“ bestätigte ihr Seiichiro.

„Können wir dann endlich hier weg? Ich mag diesen Ort nicht.“ beschwerte Haruka sich.

„Natürlich.“ lächelte Sachiko.

Sie standen alle auf und verließen das Krankenhaus. Auf dem Parkplatz trennten sie sich.

„Ähm, Mama? Ich würde ganz gerne mit zu Haruka. Ich weiß, ich hab gestern schon bei ihr geschlafen aber ...“

„Natürlich darfst du bei ihr bleiben. Ruf einfach heute Abend noch mal an, okay?“ unterbrach Yuki ihre Tochter, strich noch einmal zärtlich über ihre Wange und ging dann mit ihrem Mann, zu ihrem Auto.

Sachiko war schon dabei ein Taxi herbei zu winken.

„Kannst du uns bei der Schule absetzten?“ fragte Haruka ihre Mutter während sie ins Auto stiegen.

„Was willst du in der Schule?“

„Mein Auto steht doch noch da. Wir fahren dann mit dem nach Hause.“

„Und das kannst du nicht später abholen?“

„Nein. Ich werd‘s bestimmt nicht über Nacht da stehen lassen.“

„Na schön. Aber du fährst vorsichtig, ja? Noch so einen Anruf heute, überlebe ich nicht.“

„Versprochen. Ich werd direkt hinter dem Taxi herfahren.“ grinste Haruka.

„Aber natürlich wirst du das.“ seufzte Sachiko und wusste, dass sie genau das Gegenteil tun würde.

Du hast es versprochen!

Der Taxifahrer ließ Haruka und Michiru direkt auf dem Parkplatz der Schule raus und fuhr dann mit Sachiko alleine weiter. Sie gingen gemeinsam zu dem gelben Lamborghini und machten sich ebenfalls auf den Weg.

„Ich kann echt nicht glauben, dass er wirklich weg ist.“ sagte Haruka auf der Fahrt.

„Ja, ich auch nicht. Glaubst du wirklich, er hat irgendeinen Handel mit dem Richter abgeschlossen?“

„Keine Ahnung. Aber das würde doch erklären, warum er die ganze Zeit so geschwiegen hat, oder? Ich mein, wenn er sich sicher war, dass ihm nichts passieren würde, wollte er die Sache bestimmt nicht an die große Glocke hängen, um uns danach einfach weiter terrorisieren zu können. Wahrscheinlich wollte er auch weiterhin von dem Reichtum meiner Mutter profitieren.“

„Aber sie hat doch schon die Scheidung eingereicht. Er hätte also gar nichts von ihr bekommen.“

„Ich wette, er hätte auch die Scheidung noch verhindert. Das wär für ihn doch ‘n Klacks gewesen, wenn er schon hin bekam, dass er nicht ins Gefängnis muss.“

„Ja, da hast du wohl recht. Hey, und weißt du was? Durch sein Schweigen wird die Öffentlichkeit jetzt nie herausfinden, dass du eine Frau bist und du brauchst dir keine Gedanken mehr, um deine Karriere machen.“

„Oh mein Gott, du hast Recht! Daran hab ich noch überhaupt nicht gedacht. Dann kann ich dieses Jahr wirklich an der Meisterschaft teilnehmen, und vielleicht sogar gewinnen.“ freute Haruka sich wahnsinnig.

„Nicht so schnell. Du musst erst mal wieder gesund werden, falls du das Vergessen hast.“ tadelte Michiru.

„Tja, dann habe ich sehr gute Nachrichten für dich. Der Arzt vorhin hat gesagt, meine Rippen sind sehr gut verheilt und ich darf wieder Sport treiben. Ab nächster Woche sogar wieder Motorrad fahren.“ grinste die Sportlerin.

„Wirklich? ... Alle Sportarten?“

„Oh ja, alle!“

Haruka nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie auf Michirus Oberschenkel. Die Künstlerin wurde doch etwas nervös dabei, freute sich aber auch. Sie nahm Harukas Hand in die ihren und lächelte sie vielsagend an. Bei der Villa angekommen, sprang Haruka schnell aus dem Auto und hielt ihrer Freundin die Tür auf.

„Wenn ich bitten dürfte?“ sagte sie charmant und reichte ihr eine Hand.

„Aber gerne doch.“ ergriff Michiru diese und ließ sich von ihr aus dem Auto ziehen.

Diesen vollkommen sorglosen, glücklichen und selbstbewussten Gesichtsausdruck, hatte die Violinistin nicht mehr gesehen, seitdem Keisuke auf dieser Geschäftsreise war und es machte sie überglücklich, diesen wieder zu sehen. Es löste sogar ein Kribbeln in ihrem Bauch aus. Bei ihrer großen Freundin untergehakt, gingen sie gemeinsam ins Haus. Haruka war natürlich wieder so schnell gefahren, dass sie noch vor Sachiko, dort angekommen waren. In der Küche hielt die Sportlerin es nicht mehr aus, drehte sich zu ihrer Freundin um und küsste sie stürmisch. Michiru war doch ziemlich überrumpelt, ging dann aber sofort darauf ein. Sie kraulte Harukas Nacken und ließ sich von ihrer Zunge verführen. Sie spürte wie eine Hand der Blonden unter ihr Oberteil glitt.

„... Ruka, ... deine Mutter ... wird gleich ... hier sein.“ brachte sie zwischen dem Kuss hervor.

„Mir egal.“ stöhnte Haruka und ließ ihre Hand weiter nach oben wandern.

„Dann willst du, dass sie uns hier so sieht?“

Haruka beendete den Kuss und sah sie an.

„Nein, will ich nicht.“ seufzte sie und zog ihre Hand ergeben wieder zurück.

„Und wenn ich ehrlich bin, hab ich ziemlich Hunger.“ fügte sie noch hinzu.

„Das glaub ich dir gern, so schlecht wie du die letzten Tage gegessen hast. Sachiko macht uns bestimmt gleich was zu essen.“

„Kannst du nicht wieder kochen? Du hast es nicht einmal wieder getan. Wenn du willst, helfe ich dir auch.“

Sie sah ihre Freundin bittend an.

„Du willst helfen? Das muss ich sehen. Also gut.“

Die Beiden lösten sich voneinander und Michiru ging erst mal zum Kühlschrank, um zu sehen, was drin war.

„Du weißt aber schon, dass du dann auch dein Versprechen einlösen musst, oder?“ sagte sie während sie verschiedene Sachen zusammen suchte.

„Was denn für ein Versprechen?“ fragte Haruka verwirrt.

„Das hast du doch nicht etwa vergessen? Dann denk mal scharf nach, meine Liebe.“

Das Gesicht der Blonden verzog sich zu einer nachdenklichen Miene, die Michiru ziemlich süß fand. Haruka kam aber nicht drauf.

„Ääähhhm, ... keine Ahnung.“ zuckte sie entschuldigend mit den Schultern.

„Es ist etwas was du überhaupt nicht leiden kannst und hat mit Wasser zu tun.“

„Ach, Fuck. Das.“ viel Haruka es wieder ein.

„Ja, das.“ grinste die Türkishaarige.

„Na, willst du immer noch, dass ich koche?“ fragte sie weiter.

„Klar will ich. Die Tatsache, dass ich dein wundervolles Essen genießen und dich im Badeanzug betrachten darf, ist eine annehmbare Entschädigung dafür, dass ich ins Wasser muss.“

„Das hätt ich mir ja denken können.“ verdrehte Michiru die Augen.

Sie begann mit dem Essen und gab ihrer Freundin was zum Schneiden ab, danach wies sie sie an, den Tisch zu decken. Sachiko kam während sie damit beschäftigt waren auch endlich Zuhause an.

„Ihr macht essen? Ich hätte euch schon was gemacht, wenn ihr so großen Hunger habt.“ wunderte sie sich.

„Aber ich wollte das Michi kocht. Sie kann wirklich wunderbar kochen, das musst du unbedingt probieren.“

„Wenn ich was abkriege, gerne.“ lächelte Sachiko.

„Natürlich kannst du auch was haben. Ich glaub, für uns zwei ist es sowieso ein bisschen viel geworden.“

„Sicher? Also wenn es so gut schmeckt, wie es aussieht, schaff ich das auch allein.“ sah Haruka der Kleineren über die Schulter.

„Vielleicht sollte ich doch nicht für dich kochen. Nachher wirst du noch fett.“

„Quatsch, jetzt wo ich mich wider bewegen darf, brauchst du dir überhaupt keine Sorgen darüber zu machen. Also kannst du gerne noch mehr machen.“ grinste sie.

„Heißt das, der Arzt hat dir wieder Sport erlaubt?“ fragte Sachiko neugierig.

„Ja. Und in einer Woche darf ich sogar wieder Motorrad fahren.“

„Ich weiß wirklich nicht, ob ich mich darüber freuen soll.“

„Kannst du ruhig. Auf dem Motorrad passiert mir nichts, das ist gar nicht möglich, also hör auf dir Sorgen zu machen.“

„Ich werd’s versuchen.“

Michiru war fertig mit dem Essen und so setzten sie sich alle an den Tisch. Sachiko schmeckte es wirklich und Haruka konnte überhaupt nicht genug davon bekommen. Pappsatt, ließ sie sich in den Stuhl zurückfallen, so gut hatte sie wirklich schon länger nicht gegessen. In den letzten Wochen, und besonders in den letzten Tagen, hatte sie sich viel zu große Sorgen darum gemacht, was Keisuke vorhaben könnte und was passieren würde, als dass sie wirklich etwas essen konnte.

„Das war echt gut.“ seufzte sie zufrieden.

„Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.“

„Ich fand es auch wirklich lecker. Du bist wirklich eine hervorragende Köchin.“

„Danke Sachiko.“

Sie begannen alle gemeinsam den Tisch abzudecken.

„Ich werd euch gleich noch mal alleine lassen. Ich muss unbedingt einkaufen und auch noch etwas anderes erledigen. Eigentlich wollte ich vorhin gerade los, als dein Anruf kam.“ sagte Sachiko.

„Okay, is gut.“ freute sich Haruka schon darauf, mit ihrer Freundin alleine zu sein.

„Habt ihr vor hier zu bleiben oder wollt ihr noch irgendwohin fahren.“

„Wir bleiben hier.“ antwortete die Sportlerin schnell.

„Ja. Haruka muss unbedingt noch ihr Versprechen einlösen.“ bestätigte Michiru.

„Was? Doch nicht etwa jetzt gleich?“

„Natürlich jetzt gleich. Du vergisst es doch sonst nur wieder und heute ist so ein schönes Wetter, also kommst du nicht drum herum.“

Von Haruka kam ein unverständliches Gemurmel und stöhnen.

„Ach komm, du hast es versprochen und eben fandst du es doch gar nicht so schlimm. ... Oder glaubst du, es ist noch zu früh dafür? Wenn du Schmerzen...“

„Nein, das ist es nicht. Was meinen Körper angeht, hab ich inzwischen wirklich, und das meine ganz ehrlich, ohne irgendetwas herunterzuspielen, absolut keine Schmerzen mehr. Also schön. Ich hab‘s dir ja versprochen.“

Michiru strahlte übers ganze Gesicht.

„... Darf ich vielleicht fragen, um was es geht?“ war Sachiko ein wenig verwirrt.

„Ruka hat mir vor einiger Zeit versprochen, dass sie mit mir schwimmen geht, wenn ich wieder für sie koche.“

„Ach so.“ lachte Sachiko.

„Was is ‘n daran so witzig?“ fragte Haruka ihre Mutter beleidigt.

„Ach, gar nichts. Ich wünsch euch jedenfalls viel Spaß dabei.“ verabschiedete Sachiko sich von den beiden und verließ immer noch lachend die Küche.

„Wollen wir dann?“

Michiru stand auffordernd vor ihrer Freundin, die sich schon wieder auf einen der Stühle hatte fallenlassen.

„Aber man soll doch nicht mit vollem Magen ins Wasser.“ versuchte Haruka sie doch noch umzustimmen.

„Ausrede. Ich geh schon mal hoch und zieh mich um.“

Michiru beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie noch mal kurz.

„So schlimm wird’s schon nicht werden.“ hauchte sie noch und ging dann hoch.

Jetzt grinste Haruka doch wieder und freute sich schon, ihren Engel im Badeanzug sehen zu können. Michiru hatte, weil sie fast jede zweite Nacht wieder hier verbrachte, einige Sachen bei Haruka im Zimmer gelagert. Zum Glück auch ihre Badesachen. Dieses Mal suchte sie sich einen extra knappen Bikini raus, um Haruka noch mehr Grund zu geben, ihr ins Wasser zu folgen. Sie zog sich schnell um, nahm zwei Handtücher aus dem Badezimmer mit und machte sich dann wieder auf den Weg nach unten. Haruka war nicht mehr in der Küche zu finden, also ging sie nach draußen. Die Sportlerin hatte sich eine Liege zurechtgerückt und sonnte sich etwas.

„Glaub mal ja nicht, dass du hier liegen bleiben darfst.“ sagte Michiru hinter ihr.

„Ich ruh mich nur noch ein biss....... Wow!“

Haruka hatte sich zu ihr umgedreht und bekam mächtig große Augen. Die Künstlerin grinste triumphierend und warf ihr die Handtücher ins Gesicht.

Schnell befreite sich die Blonde von ihnen und stand auf.

„Bist du sicher, dass du schwimmen willst? Wir könnten auch was ganz anders tun.“

Haruka kam ihr immer näher und wollte sie küssen, doch Michiru legte ihr einen Finger auf die Lippen.

„Ja, bin ich.“

Sie befreite sich aus ihrem Griff und ging zum Beckenrand des Pools.

„Na los, ich warte.“

Haruka war noch etwas verdutzt, aber dann grinste sie frech. Zu Michirus Verwirrung warf die ihre Krawatte auf die liege und begann auf einmal ihr Hemd auf zu knöpfen.

„Warte, w ... was machst du da?“ fragte sie nervös.

„Na, ich werd bestimmt nicht mit meinen Klamotten ins Wasser springen.“

„Das ist mir auch klar, und dafür wurden ja auch Badeanzüge erfunden, also geh dich umziehen. ... Oben.“

„Tja, das wird schwierig. So was besitze ich überhaupt nicht.“

„Was? Du hast nicht einen Badeanzug?“

„Ganz genau.“ grinste Haruka.

„Aber .... Okay, dann leih ich dir eben einen von meinen.“

„Du glaubst doch nicht, dass ich da rein passe, oder?“

„Ein Badeanzug ist vielleicht wirklich zu klein aber ein Bikini ...“ überlegte Michiru weiter.

„Vergiss es. Ich zieh weder einen Badeanzug noch ‘nen Bikini an, also wenn du mit mir schwimmen willst, musst du mich schon so nehmen wie ich bin.“

„Du ... du schwimmst lieber Nackt als mit Bikini, wieso?“

„Ich trag ‘s eben nicht gern, außerdem glaub ich auch nicht, dass mir einer von deinen passen wird.“

Haruka kam auf sie zu und blieb nur wenige Zentimeter vor ihr stehen.

„Warum machst du eigentlich so einen Aufstand deswegen? Du hast mich doch schon oben ohne gesehen. Und keine Sorge, komplett Nackt wollte ich jetzt nicht ins Wasser. Du wolltest ja nur schwimmen, oder hast du es dir anders überlegt?“ fragte sie verführerisch.

Michiru schüttelte hektisch mit dem Kopf.

„Nein. Und ich mach gar keinen Aufstand. Ich ... mach mir nur Sorgen, dass dich jemand sehen könnte.“

„Hast du dich mal umgesehen? Hier ist nichts außer Gras, Blumen und Bäumen. Dieses Grundstück ist riesig und wird von drei Meter hohen Mauer umringt, wer außer dir sollte mich also sehen? Wir sind vollkommen allein.“

Michiru musste schlucken. Dieser Ton in dem sie das sagte, jagte ihr echt eine Gänsehaut ein.

„Also, soll ich jetzt ins Wasser, oder nicht? Mir würde es auch reichen dir zu zusehen.“

„N ... nein, du ... hast es versprochen.“

„Na, dann...“

Haruka trat einen Schritt von ihr zurück und knöpfte ihr Hemd weiter auf. In nur wenigen Sekunden hatte sie die knöpfe auf und ließ es zu Boden wandern. Danach widmete sie sich sofort dem Gürtel ihrer Hose. »Oh Mann.« Michiru bekam total weiche Knie. Es war schließlich doch schon eine ganze Zeit her, seitdem sie sie so gesehen hatte und ihre Verletzungen damals hatten das meiste überschattet. Aber jetzt war wirklich so gut wie nichts mehr davon zu sehen. Nur noch die Stelle an ihrem Oberarm wurde von einem dunkel braunen Abdruck gekennzeichnet, ansonsten sah sie einfach perfekt aus. Sie hatte inzwischen die Hose auf, sich Schuhe und Socken ausgezogen und warf jetzt auch die Hose beiseite. Nur noch in enger Boxershorts stand sie vor ihrer Freundin und Grinste überheblich, bei dem nervösen Blick, der sich ihr bot. Sie kam ihr wieder ganz nahe.

„Soll ich weiter machen?“ flüsterte sie ihr ins Ohr.

„Ich ... ich denke das reicht.“

„Ganz wie du möchtest.“

Haruka griff plötzlich um sie herum, und zog ihr mit dem anderen Arm die Beine nach oben, so dass sie sie auf dem Arm hatte. Michiru kreischte erschreckt auf und war nach nur wenigen Sekunden im Wasser gelandet. Als sie prustend wieder auftauchte lachte Haruka immer noch am Beckenrand.

„Oh warte, das kriegst du zurück!“

„Versuchs doch!“

Mit einem eleganten Hechtsprung über Michirus Kopf hinweg, sprang sie auch ins Wasser. Ein paar Meter von der Künstlerin entfernt, tauchte sie wieder auf.

„Ah, Fuck! Is das kalt!“

Jetzt musste Michiru lachen.

„Dieser Anblick ist wirklich Entschädigung genug.“

„Ha ha, echt komisch. So ich bin im Wasser, können wir jetzt wieder raus?“ flehte Haruka.

„Auf keinen Fall. So schnell lass ich dich hier nicht weg.“

Michiru tauchte kurz ab und kam genau vor ihrer Freundin wieder hoch.

„Und dass du dich wieder anziehst, will ich auch nicht unbedingt.“ sagte sie und hielt sich an ihren Schultern fest.

„Aha, jetzt war’s also doch ‘ne gute Idee, was?“

„Ja. Es lenkt zwar ein bisschen ab, aber es gefällt mir.“

„Es lenkt dich also ab, ja? Ich würd dich wirklich wahnsinnig gern noch mehr ablenken.“

Harukas Hände umfassten die Taille der Türkishaarigen und streichelten sie leicht.

„Hhmm, später vielleicht.“ lächelte die verführerisch, befreite sich aus ihrem Griff und schwamm davon.

»Später? Heute später? Ist das ihr ernst?« Der Gedanke daran, ließ sie die Kälte des Wassers komplett vergessen und ihr wurde eher ziemlich warm.

„Hey, Michi, warte! Wie war das gemeint?“

„Das werden wir sehen.“ lachte diese und tauchte unter.

Haruka versuchte sie einzuholen aber Michiru schaffte es immer irgendwie noch schneller zu werden. Die Türkishaarige musste sich aber wirklich anstrengen damit ihr dies gelang. Bis jetzt hatte es noch nie jemand geschafft, ihr derart nahe im Wasser zu kommen, ohne dass sie es wollte. Sie alberten eine ganze Weile im Wasser herum, bis Haruka allmählich die Puste ausging.

„Oh Mann, wie schaffst du’s nur so lange die Luft anzuhalten? Ich bin schon völlig fertig.“

Schwer atmend lehnte sie sich an den Beckenrand.

„Ich denk, du bist so ‘ne super Sportlerin? Und da geht dir schon nach so ‘n bisschen Schwimmen und Tauchen die Puste aus? Ich bin schwer enttäuscht.“ tat Michiru empört.

„Ein bisschen is gut. Außerdem hab ich seit fast vier Wochen kein Sport mehr gemacht, falls du das vergessen haben solltest. Ich brauch ‘ne Pause.“ flehte sie ihre Freundin an.

„Na schön, die sei dir gegönnt.“

Haruka hievte sich aus dem Wasser und ließ sich auf die Liege fallen. Michiru blieb vorne im Wasser, am Beckenrand und konnte gar nicht anders, als ihre Freundin genau zu mustern. Mit den, in der Sonne glitzernden Wassertropfen auf ihrer Haut, sah sie noch viel unwiderstehlicher aus. Sie beobachtete wie sich ihre Brust auf und ab bewegte und sich ihre Atmung langsam beruhigte.

„Was denkst du gerade?“ fragte Haruka, die das durchaus bemerkt hatte.

Michiru stieg auch aus dem Wasser und kam langsam auf sie zu. Sie schwang ein Bein um Haruka herum, auf die andere Seite der Liege, und setzte sich auf ihren Bauch.

„Wow, was ...“

Michirus Lippen auf den ihrigen unterbrach ihre Frage. Haruka war doch ein wenig überrumpelt, vergaß aber schnell alles andere um sich herum.

„Ich denke nur, dass du wunderschön bist.“ sagte die Künstlerin, nachdem sie den Kuss auflöste.

„Nicht so schön wie du.“ erwiderte Haruka noch etwas benebelt.

„Das ist Geschmackssache. Aber jetzt mal im Ernst, wieso versteckst du diesen Körper?“

Die Künstlerin richtete ihren Oberkörper wieder auf und ging mit ihren Fingern auf Wanderschaft. Noch etwas zurückhaltend, strich sie über ihren Bauch und über ihre Brust.

„Tu ich das denn?“ fragte Haruka und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Ihr gefielen Michirus Berührungen wirklich ausgesprochen gut.

„Na ja, unter den Männerklamotten lässt sich dieser Körper nun wirklich nicht vermuten.“

„Dann wär es dir lieber, ich würde kurze Röcke und Kleider tragen?“ fragte sie jetzt unsicher.

„Das hab ich nicht gesagt. Ich finde deine Sachen stehen dir ausgesprochen gut, obwohl du in einem Kleid wohl auch eine gute Figur abgeben würdest. Mich Interessiert nur, warum du dich so dagegen sträubst.“

„Mir gefällt es eben nicht. Es ist unbequem, unpraktisch und ich hab auch keinen Bock, dass mir irgendwelche Typen hinterher glotzen. So hab ich meine Ruhe vor denen und komm gleichzeitig auch noch viel leichter an Frauen ran.“ grinste sie überheblich.

„Also ich hoffe doch sehr, das letzte gehört der Vergangenheit an.“

„Da mach dir mal keine Sorgen. Du bist die einzige Frau, die ich will. Aber du willst doch jetzt nicht, dass ich ein Kleid anziehe, oder?“ fragte Haruka wieder unsicher.

„Nein. Du sollst das tragen in dem du dich wohl fühlst. Ich liebe dich, genauso wie du bist.“

„Gott sei Dank. Und ich liebe dich auch, mein Engel.“

Michiru beugte sich erneut zu ihr hinunter und küsste sie verlangend. Sie hatte echt mühe sich wieder von ihr zu lösen und ihre Hände nicht komplett auf Harukas Brust wandern zulassen, aber Sachiko könnte jeder Zeit wiederkommen und so schaffte sie es doch, nach einer gefühlten Ewigkeit, sich wieder von ihr loszureißen.

„Ich werd noch ein paar Runden schwimmen, okay? Ich denke, ich hab dich für heute genug gequält, also musste du nicht mehr mit rein.“

„So schlimm war es gar nicht. Mit dir macht irgendwie alles Spaß, sogar schwimmen.“

„Dann können wir das ja jetzt öfter tun.“ grinste sie.

„Ähm, ... mal sehen.“

Mit einem Lachen stieg Michiru langsam von ihr ab und ging dann zum Pool zurück. Mit einem Kopfsprung war sie wieder in ihrem Element und gleitete, wie ein Fisch durchs Wasser. Haruka trocknete sich etwas mit dem Handtuch ab, zog sich ihr Hemd über und rückte sich die Liege zurecht um die Meerjungfrau besser im Blick zu haben. Verträumt beobachtete die Sportlerin ihre Freundin und bemerkte so die Anwesenheit ihrer Mutter gar nicht.

„Du warst also wirklich im Wasser?“ fragte Sachiko, als sie die noch etwas nassen Haare ihrer Tochter bemerkte, und sah, dass sie keine Hose anhatte.

Etwas erschreckt dreht sich die Blonde zu ihr um.

„Oh, du bist wieder da. Äh ja, war ich. Was dagegen?“

„Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil, ich freu mich darüber. Ganz besonders, weil du endlich dein Glück gefunden haben zu scheinst. ... Lass es ja nie wieder los.“ sagte Sachiko mahnend, mit einem Lächeln im Gesicht und ging durch die Terrassentür nach drinnen zurück.

„Bestimmt nicht.“ grinste Haruka ihr noch hinterher und widmete sich wieder ihrer Freundin, die rein gar nichts davon mitbekommen hatte.

Das erste Mal

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verraten

Michiru erwachte am nächsten Morgen natürlich als Erste. Sie brauchte aber eine Weile, um zu realisieren, wo sie war und was Gestern alles passiert war. Keisuke war tot. Haruka wäre auch beinahe ums Leben gekommen, dann dieser wundervolle Nachmittag am Pool und danach..... Michiru riss die Augen auf und sah neben sich. Ein überglückliches Lächeln trat in ihr Gesicht, als sie ihre Freundin, immer noch Nackt, neben sich entdeckte. Es war wirklich passiert! Sie konnte es überhaupt nicht fassen. Sie hatte tatsächlich Sex! Ihr allererstes Mal! Und es war mit Abstand das schönste, was sie jemals erlebt hatte. Der Körper neben ihr sah einfach viel zu unwiderstehlich aus, als dass sie ihn einfach nur hätte ansehen können, also kam sie näher an ihn heran. Haruka lag auf dem Bauch mit dem Gesicht zur anderen Seite gewandt. Michiru hatte keine Ahnung, wie spät es war und wahrscheinlich würde die Blonde überhaupt nicht begeistert darüber sein, schon wieder so früh geweckt zu werden, aber das war Michiru im Moment vollkommen egal. Mit den Fingerspitzen strich sie sanft über den nackten Rücken ihrer Freundin, nachdem sie die Bettdecke ein wenig zurückgezogen hatte. Von der Blonden kam erst mal keine Reaktion, also machte die Künstlerin weiter. Sie verwendete ihre ganze Handfläche um sie zu streicheln und begann zusätzlich sie zu küssen. Jetzt bemerkte die Blonde offenbar doch etwas, aber es kam kein genervtes Stöhnen, wie Michiru erwartet hätte, sondern ein wohlklingender Seufzer von ihr. Da ihrer Freundin dies zu gefallen schien, intensivierte sie ihre Küsse noch und nahm auch ihre Zunge zur Hilfe. Sie wanderte bis zu Harukas Schulter hoch, um sie ansehen zu können.

„Guten Morgen.“ hauchte sie ihr ins Ohr.

Ein breites Grinsen erschien im Gesicht der Blonden und sie öffnete langsam die Augen.

„Ein sehr guter Morgen, da hast du recht.“

Haruka drehte sich unter der Türkishaarigen auf den Rücken um und strich ihr zart über die Wange.

„Du bist ja gar nicht genervt oder wütend.“ stellte Michiru verwundert fest.

„Warum sollte ich das sein?“

„Na, weil du das jeden Morgen bist, wenn ich dich wecke.“

„Aber bestimmt nicht nach so einer Nacht. Und diese Art geweckt zu werden, gefällt mir äußerst gut.“

„Aha, dann hab ich jetzt endlich herausgefunden, wie du wach zu kriegen bist. Gut zu wissen.“

„Ich hätte wirklich nichts dagegen jeden Morgen so von dir geweckt zu werden. Also kannst du dir das gerne merken.“ grinste Haruka noch, bevor sie ihre Freundin zu einem Kuss zu sich herunter zog.

Die Sportlerin ließ ihre Hände über den Rücken und Po ihrer Freundin wandern und wurde immer verlangender dabei. Ohne es wirklich zu wollen beendete Michiru den Kuss.

„Haruka, ich würde das hier wirklich gerne noch weiter ausführen, aber ich fürchte, wir müssen zur Schule.“

Jetzt kam doch ein genervtes Stöhnen von der Blonden.

„Muss das denn sein? Können wir nicht einfach im Bett liegen bleiben?“

„Ich glaube, dass würde Sachiko irgendwann auffallen und uns wecken kommen.“

„Kann sie uns nicht mal einen Tag blau machen lassen? Schließlich ist … du weißt schon wer, gestern erst gestorben und ich wäre beinahe selbst von einem Auto überrollt worden. Es wäre also nur verständlich, wenn ich heute nicht in der Schule erscheinen würde. Und du musst natürlich bei mir bleiben, um mir über meine Trauer hinweg zu helfen.“

„Trauer? Du hast aber eine sehr merkwürdige Art zu trauern.“

„Wieso? Ich verarbeite meinen Schmerz mit Sex. Das ist gar nicht so ungewöhnlich.“

„Genau, weil es dir ja so große Schmerzen bereitet deinen Vater verloren zu haben.“

„Na, das wissen die da draußen doch nicht.“

„Hör auf rum zu spinnen und komm lieber. Ich will nicht, dass Sachiko uns noch so sieht.“

Wieder stöhnte Haruka, ließ aber ihre Freundin los, damit sie aufstehen konnte.

„Wie spät ist es eigentlich? Vielleicht haben wir ja noch ein bisschen Zeit.“ fragte Haruka.

Michiru sah von der Bettkante aus, auf der sie saß, zum Nachtisch rüber zu der Uhr, die dort stand und weitete ihre Augen vor Schreck.

„Oh mein Gott! Es ist schon fast zehn!“

„Na, dann sind wir sowieso schon zu spät. Da können wir doch gleich hier bleiben.“ lachte Haruka vergnügt.

„Aber warum hat Sachiko uns nicht geweckt? ... Oder hat sie es etwa doch getan und so zusammen gesehen?“

Michiru schlug sich die Hände ins Gesicht und schloss die Augen vor Scham.

„Ich glaub, das hätte sie nicht davon abgehalten uns trotzdem zu wecken. Am besten wir fragen sie einfach.“

Haruka richtete sich auf und streckte sich vergnügt.

„Ach, komm schon, Schatz. Selbst, wenn sie uns gesehen hat, was ist schon dabei?“

„Du hast wohl überhaupt kein Schamgefühl, was?“

„Wir haben doch nur geschlafen. Wenn sie uns inflagranti erwischt hätte, wär es was anderes gewesen, aber so?“ zuckte Haruka mit den Schultern und war schon bei ihrem Kleiderschrank angekommen.

„Aber wir sind nackt. Und es is ja wohl mehr als offensichtlich, was wir getan haben.“

„Vielleicht hat sie uns ja gar nicht gesehen, also mach dich nicht verrückt. Ich werd runter gehen und sie fragen. Du kannst ja hier bleiben.“

„Nein, ich komm auch mit. Ich will wissen warum sie uns nicht geweckt hat, auch, wenn sie nicht hier gewesen sein sollte.“

Michiru stand auch auf und begann sich genau wie ihre Freundin anzuziehen. Danach gingen sie gemeinsam nach unten. In der Küche fanden sie Sachiko, die mit einer Fernbedienung in der Hand und ernstem Gesicht in den kleinen Fernseher starrte, der in der Ecke stand.

„Hey, Mom.“ begrüßte Haruka ihre Mutter beiläufig.

Sachiko drehte sich etwas erschrocken um und schaltete den Fernseher aus.

„Oh, guten Morgen ihr zwei.“ lächelte sie freundlich.

„Wieso hast du uns nicht geweckt?“ fragte die Sportlerin weiter.

„Ich habe beschlossen, dass ihr heute nicht zur Schule müsst.“

„Echt jetzt? Cool!“

Die Freude ihrer Freundin konnte Michiru nicht ganz teilen, schließlich musste es irgendeinen Hacken daran geben.

„Wieso nicht? Ist etwas passiert?“

„Ja, das ist es. Die Nachricht, dass Keisuke tot ist, hat sich wie ein Laubfeuer verbreitet und noch einiges mehr. Hier lest selbst.“

Sachiko hielt den Beiden eine Zeitung unter die Nase. Michiru nahm sie ihr ab und setzte sich an den Tisch, um das Papier vor sich aus zu breiten. Haruka folgte ihr und nahm neben ihr Platz. Schon ein Blick auf die Zeitung genügte, um zu wissen worum es in dem Bericht ging. Ein Foto, das kurz nach dem Unfall gestern geschossen worden sein musste, zierte die große Titelseite und darüber stand in fetten Buchstaben:
 

DER BERÜHMT BERÜCHTIGTE STAATSANWALT TENOH KEISUKE IST TOT!
 

Das war aber nicht alles. Ebenso befand sich ein Bild von Haruka auf der Seite, die in ihren Rennfahrerklamotten schief in die Kamera grinste.
 

UND SEIN EBENSO BERÜHMTER SOHN, DER SPITZENSPORTLER UND RENNFAHRER TENOH HARUKA, IST IN WAHRHEIT EINE FRAU!
 

„WAS?! SCHEIßE! Wie haben die das rausgekriegt?!“

Haruka riss entsetzt die Zeitung an sich und las die Sätze noch mehrere Male durch, ehe sie sich wirklich sicher war, sich nicht verlesen zu haben.

„Es steht alles in dem Bericht auf der nächsten Seite.“ sagte Sachiko seufzend.

Hektisch blätterte Haruka die Seite um und fing an zu lesen.
 

Gestern Nachmittag, gegen halb vier, wurde auf der Straße vor der renommierten Privatschule "Mugen Gakuen" der Staatsanwalt Tenoh Keisuke (43) von einem Auto erfasst und erlag letzten Endes, trotz schneller Hilfe, seinen Verletzungen im Krankenhaus. Zeugen zu Folge war er, mit seinem "Sohn", der die dortige Schule besucht, einfach auf die dicht befahrene Straße gerannt, ohne auf den Verkehr zu achten. Genaue Gründe, warum dies der Fall war, sind noch nicht bekannt. Auch offizielle Bestätigungen, ob Tenoh Haruka (17) ebenfalls verletzt worden ist, gibt es nicht, jedoch soll man gesehen haben wie "er" unbeschadet das Krankenhaus verlassen hat. Und jetzt zum eigentlichen Skandal, denn diese Familie verbarg offenbar so einige Geheimnisse, hinter ihren Mauern. Nicht nur, dass der Staatsanwalt und seine Frau, die Milliardärs Tochter Tenoh Sachiko (41), schon seit einigen Wochen getrennt leben sollen, nein, wie aus zuverlässiger Quelle berichtet wurde, ist ihr einziges Kind, der begnadete Profirennfahrer Tenoh Haruka, in Wahrheit eine Frau! Das erschüttert nicht nur die Motorsportwelt und sicherlich Millionen von Fans des Rennfahrers. Wie wir seit mehreren Wochen berichten, wird der Rennfahrer stetig in Begleitung der jungen Ausnahme Künstlerin aus Osaka Kaioh Michiru (17) gesichtet. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Zwei eindeutig ein Paar sind. Stellt sich jetzt also die Frage, ob die Violinistin über diese Tatsache bereits Bescheid wusste und in Wahrheit, zur großen Enttäuschung der Männerwelt, lesbisch ist oder sie gerade den größten Schock ihres Lebens erfährt. Dass die Rennfahrerin auch wirklich auf Frauen steht, ist wohl keine große Überraschung, das heißt, sollte ihr ganzes Auftreten nicht auch nur ein Schauspiel sein.

Was jetzt aus ihrer Karriere wird und ob sie überhaupt jemals wieder an den Start gehen darf, ist noch nicht bekannt. Auch, ob irgendwer bereits von der Tatsache wusste, dass sie eine Frau ist, wollte uns niemand beantworten. Das gesamte Team der Sportlerin hält sich weiterhin bedeckt und ist nicht bereit Stellung zu der Sache zu beziehen. Wir werden Sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden halten, sollt...
 

Weiter las Haruka nicht und warf die Zeitung von sich auf den Tisch zurück. Michiru griff sie sich und las den Text ebenfalls durch.

„Fuck!“ fluchte Haruka vor sich hin.

Sie wartete noch kurz, bis Michiru fertig mit lesen war und geschockt aufsah, ehe sie weiter sprach.

„Wer zum Teufel hat den das verraten? Wer ist diese zuverlässige Quelle? Und wieso wissen die das, aber nichts von dem Prozess und dem was er getan hat?!“

„So wie es aussieht war es Keisukes Anwalt, der geplaudert hat. Und natürlich hat er denen nichts gesagt, was ihn in ein schlechtes Licht rücken würde.“

„Das Schwein mach ich kalt!“ fluchte Haruka laut.

„Das brauchst du gar nicht. Ich hab schon in die Wege geleitet, dass der Kerl seinen Job verliert und auch nie wieder als Anwalt tätig sein wird.“ beruhigte Sachiko ihre Tochter.

Nur widerwillig ließ sich Haruka aber tatsächlich beruhigen und war doch wieder etwas beeindruckt davon, was ihre Mutter da getan hatte und vor allem wie schnell.

„Oh, gut.“

„Dann wartet die Presse vermutlich schon bei der Schule auf uns, oder?“ fragte Michiru.

„Nicht nur vor der Schule. Die haben sich sogar vor unserem Tor platziert.“

„Na toll! Was mach ich denn jetzt? Dieser dämlich Mistkerl schafft es doch tatsächlich auch noch im Tod meine Karriere zu ruinieren!“

„Mach dir nicht allzu große Sorgen, Schatz. Ich hab vorhin mit deinem Trainer telefoniert. Es gibt keine Regel die besagt, eine Frau dürfe nicht im Motorsport an den Start gehen und sie wollen weiterhin dich als ihren ersten Fahrer. Sie werden also dafür kämpfen, dass du weiterhin Fahren kannst.“

„Aber sicher, dass ich das darf, ist es nicht.“

„Die finden bestimmt einen Weg, dass du fahren darfst. Die können dich doch nicht, nur weil du ihnen dein Geschlecht vorenthalten hast, komplett sperren. Denen muss doch klar sein, warum du das getan hast. Die hätten dich als Frau doch nie so weit kommen lassen. Du hattest praktisch gar keine andere Wahl.“ versuchte auch Michiru sie aufzumuntern.

„Das sehen die vom Rennsportkomitee bestimmt anders. ... Tut mir leid. Meinetwegen ist jetzt auch noch deiner Karriere in Gefahr.“ wurde Haruka bewusst, und ließ traurig den Kopf in die Hände fallen.

„Das ist nicht deine Schuld. Außerdem kann ich auf Menschen, die nur wegen meines Aussehens oder Orientierung zu meinen Konzerten oder Ausstellungen gekommen sind, gut und gerne verzichten. Für dich würde ich jederzeit meine Karriere aufgeben.“ lächelte sie Michiru voller Überzeugung an.

„Ich will aber nicht, dass du das tust. Du liebst es doch auf der Bühne zu stehen und Geige zu spielen.“

„Das werde ich auch weiterhin, egal wie klein mein Publikum auch geworden ist. ... Wissen meine Eltern eigentlich schon von dem Artikel?“ fragte sie an Sachiko gewandt.

„Ja. Ich habe auch schon mit deiner Mutter telefoniert. Sie hat sich etwas Sorgen darüber gemacht, wie du die Sache aufnehmen könntest, aber du scheinst ganz gut damit klar zu kommen. Ruf sie am besten Nachher noch Mal an.“

„Ja, das werde ich.“

„Haruka, dein Team trifft sich heute Vormittag noch um alles weitere zu besprechen, wobei du auch Anwesend sein sollst.“ sagte Sachiko noch an ihre Tochter gewandt.

„Ja, is gut.“

„Hey, jetzt mach dir mal keine Sorgen. Sollten die dich wirklich nicht mehr fahren lassen, verklangen wir sie.“ meinte Sachiko noch ernst.

„Du willst sie verklagen? Müsstest du dich nicht darüber freuen, dass ich dann nicht mehr fahren darf?“ fragte Haruka ungläubig und überrascht.

„Wie soll ich mich über etwas freuen, dass dich unglücklich macht? Außerdem würdest du doch trotzdem noch durch die Straßen rasen. Nein, du sollst weiterhin das machen können, was du liebst. Glaub mir, die können dich gar nicht für immer sperren. Vielleicht für diese Saison oder ein paar rennen, eventuell eine Geldstrafe verhängen, aber wenn sie dich gar nicht mehr starten lassen, hätten die nicht nur eine Klage am Hals, sondern auch noch den Ruf, Frauen nicht die gleichen Chancen zu kommen zu lassen wie Männern. Das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse.“

„Im Moment hat die Presse es aber auf mich abgesehen.“

„Dann solltest du sie vielleicht auf deine Seite ziehen.“ mischte Michiru sich ein.

„Und wie bitte stell ich das an?“

„Mach denen klar, dass du genau der Mensch bist, den du auch vorgeben hast zu sein, nur eben nicht männlich. Und wie deine Chancen gestanden hätten, wenn du die Leute nicht in dem Glaube gelassen hättest ein Mann zu sein.“

„Na schön, sagen wir mal ich schaffe es die Presse auf meine Seite zu ziehen. Was ist mit meinen Fans? Die meisten davon sind schließlich weiblich und jetzt wohl mächtig enttäuscht darüber, dass ich kein Mann bin. Und welcher Mann, außer deinem Vater, will schon dass eine Frau in dieser Männerdomizile mit fährt? ... Und auch noch gewinnt?“

„Das wird sich zeigen.“

Haruka seufzte und gab sich damit geschlagen. Gegen den Optimismus der beiden Frauen kam sie sowieso nicht an.

„Gibt es eigentlich gar kein Frühstück heute?“ fragte sie, um das Thema zu wechseln und weil sie wirklich Hunger hatte.

„Doch, natürlich.“ lächelte Sachiko und machte sich an die Arbeit.

Die drei aßen gemeinsam und schoben das Thema fürs erste beiseite. Sie konnten ja jetzt sowieso nichts daran ändern. Haruka ließ sich auch nicht mehr davon runterziehen. Bisher hatte es sie doch auch nicht interessiert, was die Presse oder irgendein anderer Mensch über sie dachte. Sie würde schon einen Weg finden weiter Rennen zu fahren, selbst wenn sie ihre Lizenz verlieren würde. Alles was sie brauchte um glücklich zu sein, war Michiru. So lange sie bei ihr war, konnte sie auf alles verzichten. Auch sie würde jederzeit ihre Karriere für sie aufgeben. Also wollte sie die Dinge einfach auf sich zukommen lassen und vielleicht würde sich ja doch noch alles zum Guten wenden. Nachdem Essen gingen die Sportlerin und ihre Freundin nach oben, um sich ein wenig frisch zu machen und sich umzuziehen. Michiru und sogar Sachiko wollten ebenfalls mit zu dem Treffen von Harukas Team.

„Ich ruf schnell meine Mutter an, damit sie sich keine Sorgen macht.“ sagte Michiru im Zimmer angekommen und nahm schon ihr Handy zur Hand.

„Is gut.“

Haruka ließ sich erschöpft auf ihr Bett fallen und schloss die Augen. Ein wenig müde war sie doch noch. Zwar war die Art, wie sie geweckt worden war traumhaft, aber besonders viel Schlaf hatte sie letzte Nacht ja nicht bekommen. Sie hörte wie Michiru ihrer Mutter versicherte, dass alles in Ordnung war und sie sich keine Sorgen machen brauchte.

„... Nein Mama, ihr solltet wirklich nicht herkommen. Es geht mir gut und Haruka auch. Ihr würdet wahrscheinlich sowieso nicht mal aufs Grundstück kommen. Die Presse hat wirklich die komplette einfahrt versperrt. ...... Ja, das mach ich, is gut. ..... Oh, okay. Warte kurz.“

Die Türkishaarige kam auf Haruka zu und hielt ihr das Telefon entgegen.

„Hier, mein Vater will mit dir Reden.“

„Äh, okay.“

Etwas verwirrt darüber, nahm die Blonde das Handy entgegen und hielt es sich ans Ohr.

„Hallo?“

„Hi Haruka, wie geht‘s dir?“ hörte sie Seiichiro am anderen Ende.

„Mir geht‘s gut. Mach dir keine Sorgen, Seiichiro. Dann weiß die Öffentlichkeit jetzt halt, dass ich ein Mädchen bin. Was soll‘s.“

„Das ist die richtige Einstellung. Und du wirst sehen, weiterfahren darfst du trotzdem.“

„Das hoffe ich.“

„Die können so ein riesen Talent wie dich doch nicht einfach wegwerfen. Deine Fans würden das gar nicht zu lassen.“

„Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch welche habe.“

„Natürlich hast du die!“

„Seiichiro, nur weil du das so einfach akzeptieren kannst, heißt das nicht, dass alle anderen das auch können. Ich hab sie schließlich alle belogen.“

„Ach was. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals gesagt hast "Ich bin ein Mann".“

„Das nicht, aber ich hab auch niemandem widersprochen, der mich so genannt hat. Außerdem weißt du doch, dass die meisten meiner Fans nur meine Fans sind, weil sie mich für einen Typen halten.“

„Ich glaube nicht, dass es die Frauen großartig stören wird, dass du auch eine Frau bist. Du siehst schließlich noch genauso aus wie vorher. Und meine Tochter hat es ja auch nicht gestört.“

„Also Michiru ist ja wohl etwas ganz anderes.“

„Das will auch hoffen. Das du mir ja nicht auf dumme Gedanken kommst, wenn die Frauen sich weiterhin an deinen Hals werfen.“

„Bestimmt nicht.“

„Gut. Weißt du eigentlich schon was dein Team machen wird? Gibt es in nächster Zeit eine Pressekonferenz?“

„Ich weiß es noch nicht. Wir treffen uns gleich mit denen. Mal sehen, ob die schon einen Plan haben.“

„Die haben bestimmt einen. Halt mich auf dem laufendem, ja?“

„Okay, mach ich.“

„Gibst du mir meine Tochter nochmal?“

„Ja klar, bis dann.“

Haruka hörte noch ein "Mach‘s gut" und "viel Glück" am anderen Ende, als sie ihrer Freundin schon den Hörer reichte. Michiru unterhielt sich noch kurz mit ihrem Vater und legte dann auf. Die Künstlerin legte ihr Handy neben das Bett auf den Nachtschrank und kroch dann über ihre Freundin ins Bett.

„Wir sollten uns wohl fertig machen.“ sagte sie verführerisch und strich ein paar strähnen aus dem Gesicht der Blonden.

„Ja, das sollten wir.“ grinste Haruka zurück.

„Kommst du mit duschen?“

„Auf jeden Fall!“

Michiru lachte. Sie hatte nichts anderes erwartet. Obwohl sie viel lieber auf ihrer Freundin liegen geblieben wäre, rappelte sie sich auf und zog die Sportlerin mit sich ins Badezimmer.

Ein kleiner Abstecher unter die Dusche

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Harukas Trainer

„Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon, ihr würdet überhaupt nicht mehr runterkommen. Was habt ihr denn so lange gemacht?“

Sachiko sah die beiden Mädchen, die gerade in die Küche kamen, gestresst an und wartete auf eine Antwort.

„Äh, geduscht.“ kam es von Haruka langgezogen.

„Natürlich habt ihr das. Los ab mit euch.“

Sachiko dirigierte die Zwei aus der Küche raus, hin zur Haustür.

„Ach so, hier Haruka. Wir fahren mit dem Wagen.“

„Hä?“

Haruka bekam auf einmal einen Schlüssel von ihrer Mutter in die Hand gedrückt und sah ihn irritiert an.

„Wo hast du den denn her? Das ist doch ...“

„Keisukes Wagen, richtig.“ grinste die blonde Frau.

„Tja, da er ihn ja jetzt nicht mehr braucht, und ich immer noch seine Frau war, gehört er jetzt mir. Na ja, und noch so einiges mehr.“

„Gibt’s ja nicht. ... Und warum genau soll ich jetzt mit dem fahren?“

„Du hast wohl vergessen, dass dein Wagen ein Zweisitzer ist. Außerdem hat der hier getönte Scheiben, was jetzt doch sehr vorteilhaft ist.“

Haruka hatte nichts dagegen einzuwenden und ging mit Vorfreude nach draußen. Man konnte schon von hier aus das Blitzgewitter am Tor sehen, dass die Paparazzi gerade veranstalteten, doch keine von ihnen ließ sich davon aus der Ruhe bringen. Haruka hatte keine Ahnung seit wann der schwarze Mercedes hier schon stand, aber sie vermutete, dass das wohl die Sache gewesen sei, die ihre Mutter gestern noch, neben dem Einkaufen erledigt hatte. Sie hielt den beiden Frauen die Tür auf und stieg dann selber ein. Ha! Hier zu sitzen war echt eine Genugtuung für sie. Nie hatte sie auch nur einen Fuß in dieses Auto setzen dürfen. Der Wagen war heilig für ihren Vater gewesen. Den Gesichtsausdruck, wenn er sehen könnte, wie sie ihn jetzt sogar fuhr, hätte sie echt gerne gesehen. Er wär glatt noch mal gestorben. Das breite Grinsen verging ihr aber wieder, als sie versuchte vom Grundstück zu fahren. Diese dämlichen Fotografen lagen ihr schon fast alle auf der Motorhaube drauf. Irgendwann verlor sie die Geduld und gab so viel Gas, dass die Leute doch ziemliche Angst bekamen und ihr eine Lücke boten, die sie natürlich auch sofort nutzte. Auf der Fahrt entspannte sie sich wieder etwas, aber nur solange, bis sie bei ihrem Ziel ankam. Der Eingang war auch komplett mit Fotografen belagert und stürmte sofort auf den Wagen zu, nachdem sie angehalten hatte.

„Na, toll!“ stöhnte Haruka genervt.

„Ganz ruhig bleiben, Haruka. Reg dich jetzt bloß nicht auf und beantworte ja keine Fragen.“ versuchte Sachiko sie zu beruhigen.

„Ja, ja.“

Zum Glück kamen auch gleich ein paar Security angerannt, die die Menge etwas von ihnen abschirmte, aber ein Gedrängel gab es trotzdem. Haruka nahm Michiru sofort an die Hand und versuchte sie etwas mit ihrem Körper zu schützen, während Sachiko unbeeindruckt voranging. Auf dem ganzen Weg, bis zur Tür, worden sie von allen Seiten mit Fragen bombardiert. An Michiru gingen mindestens genausoviele, wie an Haruka und die Tatsache, dass sie hier zusammen auftauchten, war offenbar wahnsinnig Interessant für die. Endlich im Gebäude angekommen, atmete die Sportlerin erst mal erleichtert aus.

„Das die einem immer so auf die Pelle rücken müssen!“

„Ignorier sie einfach.“ lächelte Michiru sie an.

Bei so einem zauberhaften Lächeln konnte Haruka gar nicht anders, als sich zu beruhigen.

„Ich versuch‘s. ... Morgen steht bestimmt in allen Zeitungen, dass du wirklich lesbisch bist. Vielleicht wärst du doch lieber Zuhause geblieben.“ seufzte sie noch hinterher.

„Von mir aus können die schreiben was sie wollen. Ist mir egal. Außerdem; liegen die ja gar nicht so falsch damit.“

„Kommt ihr zwei jetzt endlich? Wir sind sowieso schon spät dran.“ unterbrach Sachiko sie, die schon weiter gegangen war, bis ihr auffiel, dass überhaupt niemand mehr hinter ihr war.

„Wir komm ja schon.“ verdrehte Haruka die Augen und ging mit Michiru an der Hand weiter.

Diese Hektik konnte sie überhaupt nicht nachvollziehen. Aber sie wusste, dass ihre Mutter Unpünktlichkeit absolut nicht ausstehen konnte, also regte sie sich nicht weiter darüber auf.

„Haruka-kun, da bist du ja! Oh, und gleich mit Begleitung.“ wurden sie strahlend von Harukas Trainer begrüßt, als sie in einem Besprechungsraum ankamen.

„Guten Tag, Ogawa-san. Es freut mich Sie mal wieder zu sehen, und nicht nur zu hören.“ begrüßte Sachiko ihn mit einer kurzen Verbeugung.

„Die Freude ist ganz meiner Seits. Und es ist natürlich auch schön Sie wieder zusehen, Kaioh-san.“

„Ich freue mich auch, Ogawa-san. Und ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich mitgekommen bin.“

„Aber natürlich, machen Sie sich keine Sorgen. … So, und nun zu dir. Ich hab noch ‘n ernstes Wörtchen mit dir zureden, Haruka-kun. Was fällt dir eigentlich ein, mich nicht über deinen Gesundheitszustand zu informieren! Ist die eigentlich klar, was alles hätte passieren können?! Ich glaub einfach nicht, dass du die ganze Zeit über nichts gesagt hast! Wenn dein Vater nicht gestern drauf gegangen wär, schwöre ich, ich hätt ihn selbst umgebracht! Dieser Mistkerl kam mir gleich so komisch vor. … Ich warne dich, wenn so was noch mal vorkommen sollte und du mir wieder nichts davon erzählst, schmeiß ich dich eiskalt raus! Hast du verstanden?!“

Haruka musste erst mal schlucken. So aufgebracht hatte sie ihren Trainer noch nie erlebt. Zwar hatte sie sich schon öfter die ein oder andere Standpauke von ihm anhören müssen, wenn sie es mal wieder nicht nach seinen Anweisungen fuhr, aber so… Sie warf erst mal einen ziemlich bösen Blick zu ihrer Mutter rüber, da ja nur sie ihm davon erzählt haben konnte, und dann wieder den großen Mann vor sich.

„Ja, verstanden.“

„Gut. Wie geht‘s dir überhaupt? Deine Mutter sagte, dass du nächste Woche wieder Motorrad fahren darfst.“

„Richtig! Meine Rippen sind wieder verheilt, also können wir gleich nächste Woche wieder mit dem Training anfangen!“ freute sie sich schon.

„Nun mal langsam, junge Dame. Du glaubst doch nicht im ernst, dass du sofort wieder auf Hochtouren laufen darfst. Wir gehen das ganz langsam an. Außerdem, müssen wir‘s ja erst mal schaffen deine Lizenz am Leben zu erhalten.“

Jetzt war Harukas gute Laune wieder verflogen. Sie hatte schon völlig vergessen, warum sie überhaupt hier waren.

„Mach dir keine Sorgen, das wird schon.“ versuchte sie ihr Trainer aufzuheitern und legte ihr dabei seine Hand auf ihre Schulter.

„Na, komm. Dann wollen wir mal anfangen.“

Damit führte er sie und die anderen Beiden weiter in den Raum hinein, wo sich schon so einige Leute versammelt hatten. Sie begrüßten sie alle und setzten sich dann gemeinsam an den großen Tisch, um mit der Besprechung anzufangen. Hauptsächlich wurden irgendwelche rechtlichen Dinge durchgegangen, bei denen Haruka nicht wirklich zuhörte und sich mehr mit der Hand ihrer Freundin beschäftigte. Michiru dagegen hörte aufmerksam zu und versuchte den diskutierenden so gut es ging zu folgen. Offenbar waren dem Team, seit Bekanntgabe von Harukas wahrem Geschlecht, schon so einige Sponsoren abgesprungen, die auch ziemlich wütend gewesen waren. Ein paar hatten sogar mit Klagen gedroht, wenn die Verträge nicht fristlos gekündigt würden. Dabei hat das Team natürlich sehr viel Geld verloren. Aber aus irgendeinem Grund kamen auf die verloren gegangenen Sponsoren, doppelt so viele neue Angebote von neuen Firmen, die nur zu gerne die weibliche Tenoh Haruka unterstützen wollten. Natürlich musste die dafür aber erst mal weiter fahren dürfen. Am Ende war eine Strategie festgelegt worden, wie sie das Komitee dazu bringen wollten Haruka weiter fahren zu lassen und auch wie sie mit der Presse weiter verfahren wollten. Noch heute sollte es eine Pressekonferenz geben in der sie Stellung zu der Sache beziehen würden. Natürlich war Haruka die Hauptperson bei der Veranstaltung. Den Part hatte auch sie dann wieder mitbekommen und fand das eigentlich gar nicht witzig, aber sie wehrte sich auch nicht. Die Runde am Tisch löste sich allmehlig auf und auch unsere drei Frauen erhoben sich.

„Was machen wir denn jetzt noch, bis die Pressekonferenz anfängt?“ fragte Haruka dabei.

„Wir könnten entweder nach Hause fahren oder vielleicht hier in der Nähe was essen gehen. Die Besprechung hat sich doch ganz schön lange hingezogen. ... Wie ihr möchtet.“ bat Sachiko an.

„Also wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie alle drei gerne zum Essen einladen. Ich hätt da sowieso noch ‘n paar Fragen an Haruka-kun.“ mischte sich Harukas Trainer von hinten ins Gespräch ein.

„Was ‘n für Fragen?“ fragte die Blonde entsetzt.

„Das siehst du dann schon.“

„Also ich würde mich freuen, wenn Sie uns begleiten. Wie sieht’s mit dir aus Michiru?“ lächelte Sachiko.

„Ich hab auch nichts dagegen.“

„Gut. Dann entführen Sie uns mal.“

Der schwarzhaarige Mann grinste und ging voraus.

„Hey, ich werd wohl gar nicht gefragt, was?“

Haruka stand etwas verlassen im Raum herum, denn es achtete irgendwie niemand auf sie. Erst nach ein paar Sekunden tauchte ihre Freundin in der Tür wieder auf.

„Kommst du jetzt, Schatz? Sonst bleibst du hier.“

Etwas geknickt setzte sich die Sportlerin in Bewegung und nahm Michirus Hand entgegen.

„Was hast du überhaupt? Ist doch nett von ihm, uns einzuladen.“

„Aber ich hab keine Lust seine Fragen zu beantworten.“

„So schlimm wird’s schon nicht werden. Und ich bin ja auch noch da.“

„Ich versteh nur nicht, warum sie ihm das überhaupt erzählen musste. Hätte sie das nicht für sich behalten können? Und wem hat sie es wohl noch alles gesagt?“

„Ich glaub nicht, dass Sachiko sonst noch wem davon erzählt hat. Die anderen im Raum schienen es jedenfalls nicht zu wissen, sonst hätten sie euch wohl kaum ihr Beileid ausgesprochen. Und dein Trainer sollte doch nun wirklich von der Sache wissen, zumal er sich ja anscheinend ziemliche Sorgen um dich gemacht hat.“

„Sorgen? Ich hatte eher das Gefühl, er sei sauer auf mich.“

„Nein, ist er nicht. Wenn er auf jemandem wütend ist, dann sicher auf Keisuke oder auf sich selbst, weil er es nicht bemerkt hat und nicht verhindern konnte.“

„Meinst du wirklich?“ fragte Haruka skeptisch nach und bekam nur ein zuversichtliches Lächeln von Michiru zurück.

Sie holten jetzt auch die beiden Erwachsenen am Eingang des Gebäudes wieder ein, die schon auf sie warteten.

„Wo soll’s denn eigentlich hingehen?“ wollte die Sportlerin von ihrem Trainer wissen.

„Lass dich einfach überraschen.“

„Wird schwierig, wenn ich nicht weiß, wo ich hin fahren soll.“

„Du fährst aber nicht.“ sagte der Mann bestimmend und hielt der Blonden seine Hand entgegen als würde er etwas von ihr erwarten.

Haruka sah ein paarmal von seiner Hand zu seinem Gesicht, bis ihr klar wurde, was er von ihr wollte.

„Vergiss es!“

„Haruka-kun, ich verschieb dein Training noch mal um eine Wochen nach hinten, wenn du sie mir nicht gibst, also überleg es dir gut.“

„Aber das sind...“

„...Meine Schlüssel. Und mein Wagen. Also gib sie ihm schon.“ fuhr Sachiko ihr ins Wort.

Haruka sah beide finster an und holte dann mit einem Grummeln die Autoschlüssel aus ihrer Hosentasche. Widerwillig reichte sie ihm ihren Trainer, der sie mit einem zufriedenen Grinsen annahm.

„Vielen Dank.“ sagte er noch, ehe er sich mit Sachiko auf den Weg nach draußen machte.

„Du wirst es überleben. Na, komm schon.“

Michiru fand die ganze Sache irgendwie belustigend, versuchte aber nicht allzu breit zu grinsen und zog stattdessen ihre Freundin mit nach draußen. Inzwischen waren nicht mehr ganz so viele Reporter auf dem Parkplatz, so dass sie recht schnell beim Auto ankamen und losfahren konnten. Ziemlich unwohl fühlte sich Haruka auf der Rückbank und musste sich wirklich zusammenreißen dem Fahrer nicht ins Lenkrad zugreifen. Eigentlich waren Michirus Hände auf den ihren der einzige Grund dafür, warum sie sich zurück hielt. Sie hasste es auf der Rückbank zu sitzen. Irgendwie kam sie sich dabei so hilflos vor, auch wenn sie den Fahrkünsten ihres Trainers voll und ganz vertraute. So war sie trotzdem froh, als sie endlich am Ziel ankamen und sie aussteigen konnte. Michiru folgte ihr Kopfschüttelnd. Im Gegensatz zu ihr, freute sie sich auf das Essen und der Ort an dem sie waren stimmte sie noch viel fröhlicher. Sie waren bei einem Restaurant angekommen, hinter dem man das Meer erkennen konnte. Tief atmete sie die salzige Luft ein und fühlte sich sofort rund um wohl. Auch Harukas Laune besserte sich etwas bei dem Gefühl den Wind um sich herum zu haben.

„Es ist wirklich wunderschön hier, Ogawa-san.“ freute sich auch Sachiko.

„Schön, dass es Ihnen gefällt. Das hier ist eines meiner Lieblingsrestaurants. Ich hoffe das Essen gefällt Ihnen genauso wie die Aussicht.“

Der Mann ging voran und führte sie alle hinein. Es war ein eher kleines Restaurant und auch nur wenige Gäste verteilten sich an den Tischen. Ein Kellner kam auf sie zugesteuert und nach einer kleinen Begrüßung führte er sie an einen Tisch, von dem man einen super Blick auf das Meer und den davor liegenden Strand hatte. Sie bestellten schon mal ihre Getränke und bekamen dann noch jeder eine Karte von dem Kellner in die Hand gedrückt, ehe er in die Küche verschwand. Sachiko und der Trainer unterhielten sich angeregt über irgendwelche Gerichte und unsere Künstlerin beobachtete sie Aufmerksam dabei. Schon im Auto hatten die Zwei sich die ganze Zeit über Gott und die Welt unterhalten und Michiru wurde immer neugieriger.

„Hey, Ruka. Sag mal, deine Mutter und Ogawa-san scheinen sich ja ziemlich gut zu kennen, oder?“ flüsterte sie ihrer Freundin hinter vorgehaltener Karte zu, die ihre intensiv studierte.

„Äh, was? ... Oh, ähm, eigentlich nicht. Wieso?“

Haruka war doch ein wenig irritiert über dieses geheimnisvolle Flüstern der Türkishaarigen, flüsterte aber lieber auch.

„Dafür, dass sie sich nicht kennen, reden sie aber ziemlich vertraut miteinander.“

„Ach, ja?“

Sie warf kurz einen Blick auf die andere Seite des Tisches und sah sie ein wenig genauer an. Michiru hatte Recht. Es war zwar eine gewisse Distanz zwischen ihnen und auch ihr Ton war immer höflich bedacht, dennoch konnte sie so was wie eine Vertrautheit erkennen.

„Du siehst es auch, oder?“ hörte sie Michiru wieder neben sich.

„Keine Ahnung, wo her die sich plötzlich kennen. Soweit ich weiß haben sie sich höchstens zwei- oder dreimal persönlich gesehen. Na ja, und vielleicht ‘n paar Mal miteinander telefoniert.“

„Hhmm, und wie lange kennst du Ogawa-san jetzt schon?“

„Ähm, so ungefähr....“

„Sagt mal, was gibt es denn da zu tuscheln? Wollt ihr uns nicht an eurem Gespräch teilhaben?“ unterbrach Sachiko die Beiden plötzlich und lies sie etwas zusammen schrecken.

„Äh, also....“

„Ich hatte Haruka nur gefragt, wie lange sie Ogawa-san schon kennt.“ half Michiru ihr weiter.

„Oh, das müssen jetzt etwa drei Jahre sein. Sie hatte damals als Testfahrer bei uns angefangen und unsere besten Fahrer einfach in den Schatten gestellt. Ich dachte echt, ich seh nicht richtig. Da kam dieses junge, freche und völlig von sich überzeugte Mädchen zu uns auf die Strecke, setzte sich zum allerersten Mal in ihrem Leben auf ein Superbike und bricht mal eben unseren Rundenrekord, und tut danach auch noch so, als sei es das normalste auf der Welt für sie. So was ist mir echt noch nie begegnet. ... Ich wollte sie damals schon ins Team holen aber dafür war sie ja leider noch zu jung, erst letztes Jahr bin ich dann offiziell ihr Trainer geworden.“ erzählte der Trainer angeregt.

Michiru hatte die Szene praktisch vor Augen, wie Haruka da cool und unbeeindruckt vor versammelter Mannschaft stand und schief grinste. Wie gerne wäre sie live dabei gewesen. Der Gedanke daran löste sogar ein Kribbeln in ihrer Magengegend aus. Es machte sie auch irgendwie ein wenig stolz mit so einer talentierten Rennfahrerin zusammen zu sein. Sie konnte gerade nichts anderes tun, als ihre Freundin verliebt anzusehen.

„So, jetzt hab ich aber auch mal ‘ne Frage. Wieso hast du mir nicht erzählt, dass dieses reizende Mädchen neben dir deine Freundin ist? Mir war zwar klar, dass du auf Mädchen stehst und als du sie damals mitgebracht hast, hatte ich schon so etwas vermutet aber ich hätte wirklich von dir erwartet, dass du es mir selbst sagst.“ richtete der Trainer sich mit strengem Blick Haruka zu.

„Du wusstest es? Woher?“ fragte sie geschockt.

„Ach, komm. Die Presse hat dir oft genug irgendwelche Affären nachgesagt, und dass sie alle nur erfunden oder als Tarnung dienten, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Außerdem warst du viel zu sehr über deine weiblichen Fans begeistert, als dass es anders sein konnte.“

Haruka gefiel es überhaupt nicht, dass er so offen darüber redete, wo doch ihre Mutter und Freundin anwesend waren. Die Beiden sahen sie auch mit hochgezogenen Augenbrauen warnend an.

„Okay, du hast ja Recht. ... Aber das mit Michiru konnte ich dir nicht sagen, eigentlich auch nicht das Andere, weil ich es nicht durfte.“

Es wurde still am Tisch. In der Zeit kam auch der Kellner zu ihnen zurück und brachte ihnen ihre Getränke. Sie bestellten sich alle reihum ein Gericht, womit der Mann dann wieder verschwand.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass mir das nicht aufgefallen ist.“

Haruka sah zu ihrem Trainer auf, der wohl mehr mit sich selbst zu sprechen schien. Dann hatte ihre Freundin also schon wieder Recht gehabt. Der Mann macht sich wirklich Vorwürfe.

„Es ist nicht deine Schuld, klar! Und es ist ja jetzt vorbei, also können wir den Typen und diese Sache nicht einfach vergessen?“ regte sich die Sportlerin schon wieder etwas auf.

Sie verstand nicht warum sich alle anderen die Schuld dafür gaben, wo sie doch diejenige war, die nichts gesagt hatte.

„Es einfach zu vergessen macht es nicht ungeschehen, Haruka-kun. Ich kann verstehen, wenn du das willst und ich wünschte, du könntest es auch, aber glaub mir, du wirst es niemals vergessen. Und wenn du nicht darüber redest, wird es dich irgendwann auffressen. ... Natürlich kann ich verstehen, dass du nicht mit mir darüber reden willst und ich glaube, ich brauch mir in dieser Hinsicht auch gar keine Sorgen mehr zu machen, aber ich wollte es wenigstens gesagt haben.“ lächelte er wieder und sah kurz zu Michiru rüber, die das sehr wohl mitbekam und auch verstand.

Sie würde schon dafür sorgen, dass Haruka nicht alles in sich hinein fraß und glücklich wurde, egal was sie dafür tun musste. Der Mann schien auch ihren Blick zu verstehen und beendete das Thema somit selbst.

„So, dann komm ich mal zur nächsten Frage. Woher kennt ihr Zwei euch eigentlich? Etwa aus der Schule?“

Haruka war zu irritiert über diesen plötzlichen Themenwechsel, als dass sie Antworten konnte, weshalb Michiru das reden übernahm und ihm die Geschichte erzählte. Irgendwann bekamen sie auch ihr Essen gebracht und unterhielten sich dabei weiter. Michiru erfuhr dabei noch, dass Harukas Trainer sogar selbst mal ein großer Rennfahrer gewesen war, durch einen schlimmen Unfall seine Karriere aber leider aufgeben musste und somit Trainer wurde. Bei dem Gespräch beteiligte sich sogar Haruka wieder, die wohl mehr als begeistert über seine früheren Erfolge war und den beiden Frauen fast eine Biographie darlegte.

„Haruka-kun, du übertreibst maßlos. Du fährst heute sehr viel besser, als ich damals und sehr lang hat mein Erfolg ja auch nicht angedauert.“ versuchte er sie zu stoppen.

„Aber das lag doch nur an diesem Unfall. Wenn der nicht gewesen wär, wärst du bestimmt auch in der Formel 1 Weltmeister geworden.“

„In der Formel 1?“ fragte Sachiko neugierig nach.

„Ja, er hätte eigentlich in der nächsten Saison dorthin gewechselt aber leider kam es ja nicht mehr dazu.“

„Möchtest du denn auch mal zur Formel 1?“ fragte jetzt Michiru ihre Freundin neugierig, der das funkeln in ihren Augen aufgefallen war.

„Na, klar! Ich liebe zwar die Motorradrennen aber die Formel 1 ist doch noch mal eine Klasse für sich, und da mal mitzufahren, wäre echt ein Traum.“

„Der wird dir schon noch erfüllt. Ich bin mir sicher, du schaffst das.“ versicherte ihr ihr Trainer.

„Ja, wenn ich meine Lizenz behalte.“ seufzte die Blonde.

„Dann werden wir mal dafür sorgen, dass du das tust. Wir sollten wohl mal langsam zurück. Die Pressekonferenz beginnt gleich.“

Damit winkte der Trainer den Kellner zu sich ran und fragte nach der Rechnung. Er bezahlte sie und gemeinsam verließen sie das Restaurant wieder. Zu ihrer großen Überraschung bekam Haruka plötzlich die Schlüssel zu dem Wagen von ihrem Trainer zugeworfen.

„Dann fahr uns mal zurück. ... Aber vorsichtig.“

Die Rennfahrerin strahlte und stieg so schnell es ging ins Auto ein, bevor er es sich anders überlegte. Sachiko setzte sich zusammen mit dem schwarzhaarigen Mann auf die Rückbank, während Michiru auf dem Beifahrersitz platz nahm. Haruka ließ den Motor aufheulen, und los ging die Fahrt.

Die Pressekonferenz

Wieder zurück auf dem Parkplatz, vor der Rennstrecke wurden sie schon wieder von ein paar Fotografen belagert. Die meisten würden wohl schon drinnen auf sie warten aber nicht alle wurden auch dazu eingeladen, weshalb auch hier immer noch welche standen. Nach ein wenig Gedrängel kamen sie im Gebäude an und gingen gleich Richtung, des verabredeten Saals.

„Private Fragen musst du nicht beantworten, verstanden? Es geht hier allein um den Rennsport. Die Presse weiß zwar, dass solche Fragen nicht erlaubt sind, aber du kennst sie ja. Und lass dich nicht von ihnen provozieren. Damit würdest du ihnen nur noch mehr Zündstoff geben.“ redete der Trainer während des Gehens auf Haruka ein.

„Ja, kapiert. Ich werd nicht ausrasten.“

Zumindest hoffte sie das. So ganz sicher war sie sich nämlich selbst nicht genau.

„Na, dann wollen wir mal.“ atmete auch ihr Trainer nochmal besorgt ein und aus, ehe er die Tür zum Pressesaal öffnete. Sie waren erst mal in einem kleinen Vorraum, wo sich auch schon die anderen versammelt hatten, die an der Konferenz teilnahmen. Zum einen war das Ito Takanobu, der Chef des ganzen hier, noch andere vom Vorstand, ein Pressesprecher und Harukas Trainer würde natürlich auch mit rauskommen. Als erster ging der Pressesprecher, begrüßte die Meute da draußen, sagte ein paar Sätze und kündigte dann die anderen an.

„Viel Glück, du schaffst das schon.“ umarmte Michiru die Große noch mal.

„Aber klar doch, bin gleich wieder da.“ grinste Haruka sie an, gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und folgte dann den Anderen. Sofort, als sie sichtbar für die Fotografen wurde, ging das Blitzgewitter los und lies sie fast erblinden. Sie versuchte es aber zu ignorieren und setzte sich an den langen Tisch mit den Mikros. Die Leute riefen jetzt schon wild Fragen durcheinander und die waren natürlich allesamt privat.

„Tenoh-san, ist es war, dass Sie lesbisch sind?“

„Sind Sie wirklich mit Kaioh-san zusammen?“

„Wusste Sie über ihr falsches Spiel Bescheid?“

„Sind Sie in sie verliebt?“

„Was ist zwischen Ihnen und ihrem Vater vorgefallen, dass er auf die Straße rannte?“

„Wie lange lebten Ihre Eltern schon getrennt?“

„Sind all Ihre Affären wahr?“

„Was........“

„... Ich bitte um Ruhe meine Damen und Herren. Ich muss Sie wohl daran erinnern, dass private Fragen nicht gestattet sind.“ unterband der Pressesprecher das Geschrei der Reporter, und so langsam wurde es leiser im Raum.

„Gut. ... Jeder der eine Frage bezüglich des Rennsports hat, meldet sich bitte. Sie werden einzeln dran genommen und ich bitte die anderen in der Zeit ruhig zu bleiben.“

Viele Hände flogen in die Höhe von denen sich der Mann eine raussuchte und auf sie zeigte.

„Tenoh-san, wieso haben Sie sich als Mann ausgegeben?“

Die Frage hatte zwar auch nicht viel mit dem Sport zu tun, aber es war ja wohl der Grund weshalb sie hier war, also beantwortete sie sie.

„Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, jemals behauptet zu haben, ich sei ein Mann, dennoch habe ich dem natürlich auch nie widersprochen. Und zwar zum einen, weil es mir egal ist für was Sie mich halten, und zum anderen, weil ich die gleichen Chancen wie alle anderen Fahrer auch haben wollte. Und wir wissen doch alle, dass das nie so gewesen wäre.“

„Dann behaupten Sie also sich nicht verstellt zuhaben und immer wie ein Mann rumzulaufen?“

„Ich behaupte es nur nicht, es ist so. Bis auf die Tatsache, dass ich eine Frau bin habe ich nie vorgegeben etwas zu sein, was ich nicht auch bin. Halten Sie davon was Sie wollen.“

„Dann sind Sie wirklich lesbisch?“

„Keine persönlichen Fragen bitte! Und nur eine Frage pro Reporter!“ mischte sich der Pressesprecher wieder ein.

„Ist schon gut. Ja, das bin ich. Mehr werde ich zu dem Thema aber nicht sagen.“

„Aber was ist mit Kaioh-san?“

„Ist sie auch lesbisch?“

„Sind Sie mit ihr zusammen?“

Jetzt begannen sie wieder alle wild durcheinander zu schreien und mussten erneut zur Ruhe gebracht werden. Haruka wartete ganz ruhig, fast schon gelangweilt ab, bis dies geschah und erneut jemand seine Frage stellen durfte.

„Wie geht es denn jetzt mit Ihrer Karriere weiter? Haben Sie vor zurückzutreten?“

„Das werde ich ganz sicher nicht tun. Ich werde alles daransetzten, um noch in dieser Saison wieder an den Start zugehen.“

„Dann haben Sie weiterhin Unterstützung von ihrem Team?“

„Wir stehen alle voll und ganz hinter ihr. Tenoh-san ist ein riesen Ausnahmetalent und hat uns allen letztes Jahr bewiesen, dass sie mehr als würdig ist, ganz oben mitzufahren. Von daher werden wir sie bestimmt nicht aufgeben.“ erzählte Ito Takanobu, der Chef.

„Dann haben Sie bereits gewusst, dass sie eine Frau ist?“

„Ja, das habe ich.“

Jetzt stürzten sich die Reporter erst mal mit Fragen auf ihn und die anderen Männer, womit Haruka kurz ihre Ruhe hatte. Sie riskierte einen Blick zur Seite, wo sie ihre Freundin neben ihrer Mutter in der Tür zu dem kleinen Raum entdeckte, von wo aus sie unsichtbar für die Presse waren. Sie bekam ein Lächeln und Zwinkern von der Türkishaarigen geschenkt und musste sich wirklich zusammenreißen nicht zurückzugrinsen, sie war ja sehr wohl noch für alle sichtbar.

„Tenoh-san, was werden Sie tun, sollte man Ihnen nicht erlauben weiterzufahren?“ wurde Haruka aus ihrem Blickkontakt mit Michirus wundervollen Augen gerissen.

„Darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Rennsport ist mein Leben und egal was passiert, ich werde weiterfahren.“

„Wie steht Kaioh-san zu ihrer Entscheidung weiterzufahren und wie geht es mit ihrer Karriere weiter?“

„Okay, damit erkläre ich die Pressekonferenz für beendet. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.“ schaltete sich der Pressesprecher wieder ein.

Damit waren die Reporte natürlich überhaupt nicht einverstanden und brüllten auch gleich wieder los.

„Sachiko, meinst du es wäre klug, ihre Fragen über mich unbeantwortet zulassen?“ fragte Michiru sie nachdenklich.

„Was? Willst du das etwa tun?“ fragte Sachiko ein wenig geschockt.

„Ich weiß nicht. Aber sie werden uns bestimmt nicht eher in Ruhe lassen, bis sie es bestätigt bekommen.“

„Michiru, ich glaube, sie werden euch auch dann nicht in Ruhe lassen. … Wenn du die Sache allerdings klarstellen willst, ist wohl jetzt der passende Zeitpunkt dafür. Aber überleg es dir gut. Was einmal gesagt ist, kann nicht wieder zurückgenommen werden. Und die Presse kann grausam sein.“

„Das ist sie doch jetzt schon. Sie werden es aber sowieso herausfinden, da ich mich bestimmt nicht zurückhalten werde oder so was, also wäre es vielleicht besser die Sache gleich klarzustellen.“

„Es ist deine Entscheidung. Haruka hätte mit Sicherheit nichts dagegen und deine Eltern und ich stehen in jedem Fall hinter dir.“

„Danke, Sachiko.“

Michiru atmete noch mal tief durch und trat dann nach draußen. Es war ihr egal, was die Leute über sie dachten oder ob auch nur noch ein Mensch zu ihren Konzerten kommen würde – na ja, so egal nun auch wieder nicht, aber das, was ihr am wichtigsten war, war Haruka, und von ihr aus sollte die ganze Welt erfahren, dass sie zu ihr gehörte. Die Reporter stellten immer noch ihre Fragen, obwohl sich inzwischen alle am Tisch erhoben hatten und sich zum Gehen wanden. Auch Haruka stand schon, als es plötzlich still um sie wurde und ein Raunen durch den Saal hallte. Verwundert folgte sie den Blicken der anderen und bekam riesig große Augen, als sie ihre Freundin auf sie zukam sah. »Was hat sie denn jetzt auf einmal vor? Mann, dieses Mädchen ist echt unberechenbar!« Das war aber in keinem Fall negativ von ihr gedacht. Es machte die Türkishaarige nur noch viel interessanter für sie, obwohl sie jetzt doch ein wenig nervös wurde. Sie hätte doch lieber gerne vorher über diesen Plan Bescheid gewusst, oder war es eventuell gar nicht geplant gewesen? Diese Frage musste sie wohl auf später verschieben, denn Michiru kam gerade bei ihr an. Sie erhielt ein beruhigendes Lächeln von ihr und setzte sich dann auf ihren Stuhl, vors Mikro.

„Um auf ihre letzte Frage zurückzukommen, ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung meiner Freundin. Und ich werde auch nicht aufhören Geige zu spielen.“ erzählte die Künstlerin vollkommen ruhig, den erstarrten Reportern.

In diesem Zustand blieben die jedoch nicht lange und waren jetzt natürlich noch neugieriger als vorher.

„Wie ist das Wort "Freundin" gemeint?“

„Dann sind Sie wirklich lesbisch?“

„Wann haben Sie erfahren, dass Sie eine Frau ist?“

Es wurden noch mehrere solcher Fragen in den Raum geworfen und Michiru wartete ganz gelassen ab, bis es allmählich wieder ruhiger wurde.

„Ich habe von Anfang an gewusst, dass sie eine Frau ist und … ja, ... wir sind zusammen.“

Damit erhob sie sich wieder vom Stuhl griff nach der Hand ihrer Freundin und bewegte sich mit ihr Richtung Ausgang.

„Warten Sie! Wie lange sind sie schon zusammen?“

„Sind Sie in sie verliebt?“

„Tenoh-san, wie sieht es bei Ihnen aus?“

„Was ist mit Ihren weiblichen Fans, Tenoh-san? Haben Sie denen noch etwas zu sagen?“

Haruka blieb auf die Frage hin abrupt stehen und zwang so auch Michiru dazu. Die Sportlerin bückte sich zu dem letzten Mikro am Tisch, vor dem sie stand, hinunter und hatte einen Blick aufgesetzt, der Michiru alles andere als gefiel.

„Ich würde mich natürlich weiterhin über jeden weiblichen Fan freuen. Es war nie meine Absicht eine von ihnen zu täuschen und ich bin ja immer noch ich. Ich habe nichts dagegen von hübschen Mädchen angefeuert zu werden und hoffe sogar darauf.“

Sie sah kurz zu ihrer Freundin hoch, die sie mit ihrem Blick schon umzubringen schien. Haruka grinste nur weiter und sah schnell wieder nach vorn. Sie hatte mit keinem anderen Blick gerechnet und trotzdem jagte er ihr mächtige Angst ein.

„Jedoch, ... gehört mein Herz bereits einer anderen.“ fügte sie noch hinzu und kam dann wieder zu der Türkishaarigen hoch, legte ihr ihre Finger unters Kinn, hob es ein wenig an und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss.

Michiru wusste gar nicht, wie ihr geschah und konnte überhaupt nichts anderes tun, als den Kuss zu erwidern. Das Blitzlichtgewitter um sie herum bemerkte sie nicht einmal. Haruka löste sich irgendwann wieder von ihr und zog sie dann schnell aus dem Raum hinaus, direkt auf ihre Mutter zu, wo sie endlich aus dem Blickwinkel der Fotografen verschwanden.

„Dir ist schon klar, dass das Morgen auf sämtlichen Titelblättern zu sehen sein wird, oder?“ wurde sie gleich von Sachiko fragend angesehen.

„Na, das hoffe ich doch.“ grinste die Blonde nur überheblich.

Ihre Mutter seufzte kopfschüttelnd.

„Na, wenn das mal keine überraschende Vorstellung war. Ich hoffe wirklich, ihr wisst was ihr da tut.“ kam Harukas Trainer gerade bei ihnen an, mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Ich wünsche in Zukunft über solche Aktionen in Kenntnis gesetzt zu werden! Ist Ihnen klar, was Sie damit für einen Skandal ausgelöst haben!“ wurden sie von dem Pressesprecher angefaucht, der plötzlich vor sie trat.

„Ach komm, beruhigen Sie sich Mori-san. Im Gegensatz zu dem, dass Haruka-kun ein Mädchen ist, ist das doch halb so wild. Und es war ihre Entscheidung die Presse darüber zu informieren oder nicht.“ sah der Trainer ihn mit einem warnenden Blick an.

„Ach! Machen Sie doch alle was Sie wollen!“

Beleidigt zuckelte der kleine Mann von dannen. Gleich hinter dem Pressesprecher war Harukas Chef aufgetaucht, der sie alle freundlich anlächelte.

„Ignorieren Sie den Mann einfach. Er kann es nur nicht ausstehen nicht über Alles Bescheid zu wissen. … So, ich werde mich dann mal verabschieden. Es hat mich sehr gefreut, Sie kennengelernt zu haben Kaioh-san. Ich muss gestehen, ich bin ein heimlicher Fan ihrer Musik, und hoffe doch sehr, dass bald mal wieder ein Konzert stattfindet. Ab jetzt werde ich wohl auch nicht mehr ganz bis nach Osaka anreisen müssen, um es zu besuchen, nicht wahr?“ sah er Michiru hoffnungsvoll an, die freundlich zurück lächelte und sich kurz verbeugte.

„Es hat mich auch sehr gefreut Sie kennengelernt zu haben, Ito-sama. Und ja, es ist bereits ein Konzert hier in Tokio in Planung. Ein wenig müssen Sie sich aber noch gedulden.“

„Oh, das freut mich zuhören. Ich werde auf jeden Fall kommen. … Sie wiedergesehen zu haben, hat mich natürlich auch gefreut, Tenoh-san. Ich wünsche Ihnen alles Gute, und hoffe, dass Sie in dieser schweren Zeit zurechtkommen. Falls Sie bei irgendetwas Hilfe brauchen, können Sie gerne jederzeit anrufen.“ sagte der ältere Mann fürsorglich an Sachiko gerichtet.

„Haben Sie vielen Dank, aber ich denke, das wird nicht nötig sein. Mir geht es gut.“ lächelte sie höflich.

Außer Harukas Trainer hatte sie niemandem von Keisukes Taten erzählt, und auch diesen gebeten es nicht weiter zu sagen. Sie fand, solange es nicht unbedingt notwendig war, ging es niemandem etwas an, was ihrer Tochter angetan wurde. Außerdem würde Haruka garantiert nicht wollen, dass alle davon wussten. Die Verletzungen, die Keisuke ihr zugefügt hatte, welche sie vom Training ausschlossen, hatten sie mit einem Unfall auf ihrem eigenen Motorrad erklärt. Natürlich hatten sie nicht gewusst, was Keisuke tun würde, oder was er der Presse erzählen könnte, doch hatten sie es damals für die bessere Lösung gehalten, so wenigen wie möglich davon zu erzählen, und bis jetzt, schien das ja auch gut gewesen zu sein. Außer diesem nervigen Anwalt – der es, seit heute Morgen wohl nicht mehr wagen würde auch nur noch ein Sterbenswörtchen auszuplaudern – wäre eigentlich niemand, der sonst noch davon wusste, in der Lage Haruka zu verraten, entweder aus persönlichen oder rechtlichen Gründen. Also dürfte dies vor der Presse sicher sein.

„Na gut. … Haruka-san, werde schnell wieder gesund, ja? Wir werden dich natürlich sofort darüber in Kenntnis setzten, wenn wir wissen, wie man über dich entschieden hat. Und keine Sorge, wenn das Urteil negativ ausfallen sollte, werden wir sofort in Berufung gehen.“ wand sich der Mann nun an Haruka.

„Vielen Dank, Ito-sama. Ich weiß gar nicht, wie ich das wieder gut machen soll.“ verbeugte sich Haruka kurz vor ihm.

„Fahr einfach weiterhin so gut wie bis her, das würde mir schon reichen. Außerdem … ist die ganze Sache ja wohl eher meine Schuld. Ich hatte damals schließlich von dir verlangt, dich als Mann auszugeben, um mir den Ärger damit zu ersparen. Das musste sich ja irgendwann rächen. Dafür entschuldige ich mich bei dir. Und auch bei Ihnen Ogawa-san. Ich hätte auf sie hören sollen.“

„Das hätten Sie wirklich. Aber das ist nicht mehr wichtig. Hauptsache wir schaffen es Haruka-kun im Team zu behalten.“

„Das werden wir. ... Also dann, ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Tag.“

Damit ging der Mann auch aus dem Raum und die vier waren allein.

„Heißt das, du hattest versucht ihn davon zu überzeugen, mich als Mädchen fahren zulassen?“ fragte Haruka irritiert.

„Ja, das hatte ich.“ antwortete er und ging auch schon mal langsam nach draußen, gefolgt von den anderen.

„Wieso?“

„Wieso nicht? Es war doch klar, dass diese Lüge irgendwann ans Tageslicht kommen würde und damit deine ganze Karriere auf dem Spiel steht. Ich wollte verhindern, dass dir das gleiche, oder so ein ähnliches Schicksal blüht wie mir.“

„Oh.“ mehr viel Haruka gerade nicht dazu ein.

„Warum haben Sie mich nicht darüber in Kenntnis gesetzt? Ich hätte diesem Vertrag niemals so schnell zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass Sie sich für sie eingesetzt hatten. Mir wäre es damals auch viel lieber gewesen nicht zu lügen.“

„Das tut mir leid. Ich wusste nicht, dass Sie auch dagegen waren. Ihr Mann und auch Haruka-kun waren ja sofort damit einverstanden, da dachte ich, Sie würden genauso darüber denken. Zumal dann ja auch ziemlich schnell Ihre Unterschrift auf dem Vertrag war. Ich hatte gar nicht richtig die Gelegenheit dagegen vorzugehen.“

„So ein Mist. Ich hätte mich nicht so schnell breitschlagen lassen sollen.“ seufzte Sachiko.

„Hey, das ist doch jetzt egal. Wir kriegen das schon wieder hin. Machen Sie sich keine Sorgen.“ munterte der Mann sie wieder auf.

„Sie haben Recht. Und ich danke Ihnen wirklich vielmals für ihre Hilfe, sowohl die heutige als auch die damalige. Ich würde mich gerne bei Ihnen erkenntlich zeigen. Hätten Sie nicht mal Lust zu uns zum Essen zu kommen?“

„Oh, also das ... das würde ich wirklich gerne.“

Haruka gefiel die Richtung, in die sich das Gespräch entwickelt hatte, irgendwie überhaupt nicht. Und ganz besonderes nicht wie die Zwei sich anlächelten, und ihr Trainer nun auch noch leicht rot wurde. Sie hatte das dringende Bedürfnis mindestens einen Meter Platz zwischen ihnen zu schaffen. Das hätte sie sogar getan, wenn ihre Freundin sie nicht fester als nötig an der Hand gehalten hätte und anscheinend mit Absicht immer weiter mit ihr zurückblieb. Natürlich war es Absicht von Michiru, denn sie bemerkte sehr wohl, dass Haruka der Anblick gar nicht gefiel und wohl gerne dazwischen gegangen wäre. Sie allerdings freute sich riesig darüber und war gespannt darauf, wie sich das Ganze wohl weiterentwickeln würde.

„Gut, dann rufen Sie mich doch einfach an und sagen mir wann es Ihnen recht wäre. Meine Nummer haben Sie ja bereits.“

„Okay, abgemacht. .... So, ich fürchte ich muss mich dann leider verabschieden.“

Sie waren inzwischen beim Eingang des Gebäudes angekommen und blieben dort vor einander stehen. Haruka und Michiru stießen auch dazu, wobei Michiru ihre Freundin weiterhin festhielt und so verhinderte, dass diese noch näher ran ging.

„Ich sehe Sie dann ja sicher bald alle wieder und du schon dich ruhig noch ein bisschen, Haruka-kun.“

Er verbeugt sich kurz vor Sachiko und Michiru und klopfte Haruka noch auf die Schulter, als er an ihr vorbei ging. Die Sportlerin sah ihm nur noch finster hinterher.

„Na dann, lasst uns endlich wieder nach Hause fahren. Bleibst du eigentlich wieder bei uns oder musst du zu deinen Eltern zurück?“ fragte Sachiko die Künstlerin.

„Weiß ich noch nicht. Ich ruf nachher noch meine Mutter an. Aber erst mal komm ich mit zu euch.“

„Ist gut.“ freute Sachiko sich und ging nach draußen.

„Hey, warte mal!“

Haruka eilte ihr hinterher und zog somit auch Michiru mit. Sie mussten sich allerdings erst durch die jetzt hier versammelten Reporter zum Auto zwängen, ehe sie weiterreden konnte. Sie fuhr auch erst mal los, um Ruhe vor den Fotografen zu haben. Als sie die Straße entlang fuhr, sprach sie ihre Mutter wieder an.

„Sag mal, was sollte das eigentlich?“

„Was meinst du?“

„Warum hast du ihn zu uns nach Hause eingeladen?“

„Um mich bei ihm zu bedanken, das hast du doch gehört.“

„Ein einfaches "Danke" hätte es auch getan.“ grummelte die Blonde vor sich hin.

„Haruka, der Mann hat so viel für dich getan und uns ja heute auch zum Essen eingeladen, da ist es nur fair sich zu revanchieren.“

„Aha. Und was sollte dieser komische Blick?“

„Was denn für ein Blick?“

„Na, der Blick mit dem du ihn angesehen hast!“

„Haruka, achte auf die Straße!“

Die Sportlerin hatte sich nämlich gerade zu ihr umgedreht. Wiederwillig folgte sie dem Befehl und sah wieder nach vorn.

„Ich weiß wirklich nicht was du meinst. Ich habe ihn angesehen wie jeden anderen Menschen auch.“

„Genau, deswegen is er auch komplett rot angelaufen!“

„Haruka! Wenn du dich noch einmal umdrehst, fahr ich!“

Mit einem grummelnden Geräusch drehte sich Haruka erneut nach vorne und schmollte vor sich hin. Plötzlich beugte Sachiko sich etwas nach vorne zwischen die beiden Vordersitze und sah beide Mädchen hoffnungsvoll an.

„Ist er wirklich rot geworden? Das habe ich gar nicht bemerkt.“

Haruka hätte vor Entsetzen beinahe eine Vollbremsung hingelegt. Michiru dagegen musste sich bemühen nicht zu lachen.

„Ja, Sachiko, ist er. Ich hab‘s auch gesehen.“

Die Frau mit den stahlblauen Augen lehnte sich in ihrem Sitz zurück und sah nachdenklich an die Decke des Wagens.

„Hhmm, ich muss zugeben, er sieht ja wirklich gut aus.“

„WAS?!“

Jetzt trat Haruka wirklich auf die Bremse. ... Okay, das war bei einer roten Ampel auch so üblich, aber sie hätte wohl auch gebremst, wenn‘s grün gewesen wäre. Erneut drehte sie sich zu ihrer Mutter um.

„Das ist nicht dein Ernst! Du denkst nicht wirklich darüber nach was mit meinem Trainer anzufangen, oder?!“

„Ich wüsste wirklich nicht, was dich das angeht, mein Schatz.“ lächelte diese unschuldig.

„Und ob mich das was angeht! Du bist meine Mutter!“

„Ganz genau, von daher hast du mir überhaupt nichts zusagen. Und jetzt fahr weiter. ... Es ist grün.“

Haruka kochte richtig vor Wut, tat aber trotzdem was sie sollte. Michiru konnte gerade überhaupt nicht begreifen warum sich ihre Freundin so aufregte. Warum freute sie sich nicht einfach für ihre Mutter? Nach diesem Monster von einem Mann täte es ihr bestimmt richtig gut. Und verdient hätte sie es auch. Na ja, sie würde den Sturkopf schon dazu bringen damit einverstanden zu sein. Sie hatte sogar schon eine Idee wie, was sie augenblicklich zum Grinsen brachte. Die Rennfahrerin bekam davon nichts mit und bekam gleich noch schlechtere Laune, als sie die Paparazzi vor dem Tor zur Villa entdeckte und versuchte an ihnen vorbeizufahren. Sie dachte aber gar nicht daran auf irgendjemanden Rücksicht zu nehmen und schaffte es daher auch recht schnell aufs Grundstück. Sie hielt direkt vor der Eingangstür an und stieg auch sofort aus. Zu Michirus Überraschung öffnete sie ihr aber dennoch die Autotür und hielt ihr ihre Hand entgegen. Freudig ergriff sie diese und ließ sich von ihr aus dem Wagen ziehen und auch gleich weiter zum Haus. Sachiko wurde, wie nicht anders zu erwarten, von ihr ignoriert und musste sich selbst die Tür öffnen.

Machtlos – Teil I

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Machtlos – Teil II

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das Zimmer in dem ...

Die zwei Mädchen fanden Sachiko in der Küche, am Tisch sitzend. Dort war sie mit irgendwelch Papierkram beschäftigt, welches sie vor sich ausgebreitete hatte.

„Was machst du da?“ fragte Haruka irritiert, als sie das sah.

„Oh, dass ich dich heute nochmal wiedersehe, hätte ich nicht erwartet. Schmollst du gar nicht mehr?“

Haruka war augenblicklich eingeschnappt und wäre am liebsten wieder nach oben verschwunden. Aber der Blick ihrer Freundin hielt sie davon ab. Sie wurde sogar noch leicht nach vorne geschubst, was wohl unmissverständlich hieß, dass sie jetzt ihr Versprechen einlösen sollte. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte und damit ihren Ärger herunterschluckte, ging sie auf den Tisch zu und setzte sich ihrer Mutter gegenüber.

„Nein. Ich möchte mich entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dich so angeschrienen hab. Ich habe überhaupt kein Recht mich da einzumischen.“

Sachikos Blick wanderte einmal kurz zu der Türkishaarigen herüber, die sehr zufrieden aussah und auch sie konnte nicht anders als grinsen.

„Recht hast du. ... Entschuldigung angenommen.“ fügte sie nach kurzer Pause noch hinzu.

Michiru ging jetzt auch zu dem Tisch rüber und setzte sich neben Haruka.

„Sachiko? Ich habe eben mit meiner Mutter telefoniert und ich muss gleich wieder nach Hause. ... Darf Haruka mit?“ fragte sie hoffnungsvoll.

Die blonde Frau ihnen gegenüber sah sie abwechselnd an, dann lächelte sie.

„Von mir aus. Sie würde mir hier ja eh nur auf die Nerven gehen.“

Die Beiden strahlten.

„Danke, Sachiko.“

„Schon gut. Aber ihr werdet morgen wieder zur Schule gehen, also vergiss deine Sachen nicht, Haruka.“

„Was, wir müssen wieder zur Schule?“ stöhnte die Sportlerin.

„Ja. Ein Tag frei reicht ja wohl. Auf das Schulgelände dürfen die Fotografen sowieso nicht, also habt ihr da nichts zu befürchten.“

„Ach, nein? Und was ist mit den Schülern und Lehrern?“

„Der Direktor wusste ja schon, dass du ein Mädchen bist, also würd ich mir um die Lehrer keine Gedanken machen. Und mit den Schülern kommst du ja wohl selbst klar. Das war doch bisher auch kein Problem für dich.“

Von Haruka kam noch ein Stöhnen.

„Aber nervig wird‘s trotzdem. ... Was ist denn das hier nun?“ fragte sie, als sie sich wieder über den Haufen Papier wunderte.

„Ach, es müssen noch so einige Sachen, bezüglich Keisuke geregelt werden. Unter anderem seine Beerdigung.“

„Was? Der Kerl kriegt ‘ne Beerdigung? Können wir den nicht einfach in irgend ‘n Loch werfen und wertig ist.“

Von Sachiko kam ein verständliches Lächeln zurück.

„Mach dir mal keinen Kopf deswegen. Es wird keine große Feier geben. Und um den Rest kümmere ich mich selbst.“

„Oh, okay.“ war Haruka einigermaßen wieder beruhigt.

„Haruka, ich habe übrigens beschlossen, dass sein gesamtes Geld an dich übergeht.“

Es wurde auf einmal richtig still im Raum. Haruka sah ihre Mutter mit geweiteten Augen an und auch Michiru war sprachlos.

„Was?“ kam es dann endlich aus der Blonden heraus.

„Dein Vater hatte kein Testament gemacht, von daher geht sein ganzer Besitz an mich über. Wir waren ja noch verheiratet und hatten damals einen Ehevertrag abgeschlossen, der besagt, dass der Ehepartner das gesamte Vermögen des jeweils anderen in Falle eines Todes erbt. Ich schätze mal, er war eigentlich auf mein Geld aus. Pech für ihn, dass er vor mir gestorben ist. ... Ich weiß allerdings nichts mit seinem Geld anzufangen und hab ja eh schon genug, also möchte ich, dass du es bekommst. Es wird zwar nichts von dem was geschehen ist wieder gut machen, aber ich finde es ist nur fair.“

„Ähm, ... na gut.“ mehr konnte Haruka im Moment nicht dazu sagen.

Von diesem Ehevertrag wusste sie gar nichts. Ihr wurde gerade Bewusst, dass Keisuke sie jeder Zeit hätte aus dem Weg räumen können, wenn er nur hinter ihrem Geld her war. Noch ein Grund warum sie mehr als froh darüber war, dass er nie wieder kommen würde. ... Aber wieso hatte er es eigentlich nicht getan?

„Ich bin mir sicher Keisuke würde ausflippen, wenn er das wüsste.“ lächelte Michiru und holte Haruka so aus ihren Gedanken raus.

„Ja, da hast wohl recht.“ grinste Haruka jetzt auch.

„Gut. Ich werde mich darum kümmern, dass das Geld auf dein Konto überwiesen wird, sobald mir das Erbe ausgezahlt wird.“

Haruka hatte eigentlich nichts dagegen. Sie hatte zwar ebenfalls genug Geld und bräuchte es nicht wirklich aber die Vorstellung, wie Keisuke darauf reagieren würde, war noch befriedigender als das Gefühl, wie sie vorhin seinen Wagen gefahren war.

„Dir gehört jetzt wirklich alles von ihm?“ fragte sie bei ihrer Mutter nochmal nach.

„Ja. Möchtest du vielleicht noch was von ihm?“

„...... Seinen Schreibtisch.“ sagte Haruka nach einiger Zeit entschlossen.

„Seinen Schreibtisch? Du meinst den Mahagonieschreibtisch in seinem Arbeitszimmer?“ war Sachiko verwirrt.

„Genau den.“

„Was willst damit?

„Weiß ich noch nicht. Vielleicht verkaufe ich ihn. ... Oder Verschenk ihn. .... Nein, noch besser, ... ich vernichte ihn!“

„Was genau hast du denn gegen den Tisch, wenn ich fragen darf?“ fragte Michiru vorsichtig nach, denn Harukas Gesichtsausdruck machte ihr fast Angst.

„Das Teil hat mir schon den ein oder anderen Knochen im Körper geprellt oder gebrochen. Ich hasse dieses Ding. Er hat an diesem Tisch immer wie ein König gesessen, und auf mich herabgesehen.“

Sachiko und auch Michiru sahen ziemlich geschockt aus.

„... Okay, du hast mich überzeugt. Das Teil kommt weg!“ versicherte Sachiko ihr und sah aus, als wäre sie den Tränen nahe.

Michiru musste sich auch zusammenreißen. Sie ergriff die Hand ihrer Freundin unterm Tisch und versuchte nicht daran zu denken, was Keisuke alles getan hatte. Haruka erwiderte den Händedruck und sah sie sanft an.

„Hey, ist schon okay. Es ist Vergangenheit.“ versuchte sie die Zwei aufzumuntern.

„Ja, aber...“ setzte Michiru an, wurde aber unterbrochen.

„Kein aber. Ich könnte gerade nicht glücklicher sein, also macht euch keine Sorgen, oder Vorwürfe. Was geschehen ist, ist geschehen. Und ich komm schon damit klar.“

„Tust du das wirklich? Oder tust du nur so?“ fragte Sachiko besorgt nach.

„Tu ich wirklich. ... Ich hab ja euch.“ grinste sie.

„Na gut, ich werd dir wohl glauben müssen. ... Und jetzt macht, dass ihr hier verschwindet. Ich muss das noch fertig machen.“ sagte Sachiko streng, aber mit einem Lächeln im Gesicht.

Die beiden Mädchen nickten verständlich und gingen zusammen nach oben.

„Meinst du, sie wird das jemals vergessen?“ fragte Haruka im Flur.

„Ich fürchte sie wird das niemals vergessen können, Haruka. Und ich auch nicht.“ antwortete Michiru ihr und drückte ihre Hand dabei noch etwas fester.

Von der Sportlerin kam erst mal ein Seufzen.

„Aber ich will nicht, dass eine von euch beiden leidet.“

„Keine von uns leidet auch nur ansatzweise so sehr, wie du gelitten hast, nur damit das klar ist, Haruka. Wir können es eben genau so wenig vergessen wie du, das musst du akzeptieren. Aber ich denke, wenn Sachiko sieht, dass du glücklich bist, dann wird sie es auch sein, genau wie ich.“

„Na, dann ist das ja ganz leicht. Ich bin nämlich überglücklich.“ grinste Haruka breit.

Michiru konnte auch nur lächeln und schlang im Gehen beide Arme um Harukas Taille und drückte sich fest an sie. Haruka legte ihren Arm um ihre Schulter und so gingen sie gemeinsam in ihr Zimmer.

„Wollen wir eigentlich jetzt schon los?“ fragte die Künstlerin dort angekommen.

„Jetzt schon? Wollen wir nicht noch ein bisschen hier bleiben?“

„Und was willst du machen?“

„Na ja, ... vielleicht da weiter wo wir vorhin aufgehört haben?“

„Du hast echt nichts anderes mehr im Kopf, oder?“ fragte Michiru gespielt empört.

„Wie könnte ich, bei deinem Anblick?“ hauchte die Blonde verführerisch und beugte sich zu ihr hinunter.

Michiru fühlte sich zwar geschmeichelt, verdrehte aber nur die Augen und befreite sich aus ihrem Griff. Sie wusste, dass wenn sie sich jetzt ergab heute nicht mehr hier weg kam.

„Los, pack deine Sachen zusammen.“

Haruka stöhnte, tat aber trotzdem was ihre Freundin ihr sagte und holte ihre Tasche aus dem Schrank. Sie hatte zwar auch einige Sachen bei Michiru gelagert aber so viele waren es nicht. Seiichiro hatte es nämlich überhaupt nicht witzig gefunden, dass auf einmal überall ihre Klamotten in dem Zimmer seiner Tochter zu finden waren und hatte sie fast wirklich auf die Couch im Wohnzimmer verband. Nur weil Michiru richtig Laut geworden war und auch ihre Mutter auf ihrer Seite gehabt hatte, war das nicht passiert. Trotzdem bemühte sich Haruka jetzt so wenig Spuren wie möglich in dem Zimmer zu hinterlassen. Nicht nur weil sie doch ein klein wenig Angst vor Seiichiro hatte, nein, auch weil sie nicht wollte, dass sich ihretwegen Michiru mit ihren Eltern stritt. Michiru hatte ihr zwar versichert, dass das gar nicht so ernst gewesen war, wie es ausgesehen hatte, und ihr Vater sich nur übermäßig Sorgen machte, aber für sie hatte es doch sehr ernst ausgesehen. Nun warf sie wahllos irgendwelche Kleidungstücke plus Schuluniform in ihre Tasche, fügte noch ihre Schulsachen hinzu und zog dann den Reißverschluss zu.

„So, fertig!“

Das hatte nicht mal zwei Minuten gedauert.

„Du und deine Ordnung. ... Also gut, du kannst ja schon mal runtergehen. Ich hol noch eben meine Geige.“

„Ist gut.“

Und schon schulterte Haruka ihre Tasche und ging aus dem Zimmer, gefolgt von Michiru. Die Türkishaarige schlug allerdings den Weg zu dem Zimmer mit dem Flügel ein. Sie verstaute ihre Geige sorgsam in dem Koffer und ging dann auch nach unten. Unten an der Treppe angekommen blieb sie plötzlich abrupt stehen. Ihr Blick wanderte über ihre Schulter den Gang, abseits der Küche entlang. Fast wie in Trance setzte sie ihren Geigenkoffer auf den Boden ab, ließ ihre Handtasche auf den Boden fallen und ging den langen Flur entlang. Vor einer bestimmten Tür blieb sie wieder stehen. Sie wusste, was sich dahinter verbarg. Sie hatte diesen Raum, genauso wie alle anderen entdeckt, als sie Haruka den einen Sonntag über gesucht hatte. Damals hatte sie das Zimmer nicht weiter beachtet, war ohne groß zu überlegen hinein gegangen. ... Nun stand sie davor und wusste nicht, ob sie wirklich diese Tür öffnen sollte oder nicht. Ihr Herz schlug ihr jetzt schon bis zum Hals. Könnte sie den Anblick des Zimmers ertragen, jetzt wo sie wusste, was Haruka da drinnen angetan wurde? Sie wusste nicht einmal warum sie hier stand und da rein wollte. Aber irgendetwas zwang sie dazu. Ihre Hand erhob sich langsam und drückte die Klinke herunter. Mit einem leichten knarren schwang die Tür auf und gab so Einblick in das Innere des Raumes. Michiru stand immer noch vor der Türschwelle und sah einfach nur hinein. Es hatte sich nichts verändert. Obwohl alles in diesem Raum nun eine andere Wirkung auf sie hatte, sah er doch noch genauso aus wie bei ihrem letzten eintreten. Der große teure Schreibtisch in der Mitte, die vielen Regale und Schränke an den Wänden, mit Ordnern darin, und einzelne Kunstwerke überall verteilt, die sie damals schon scheußlich gefunden hatte. Zögernd setzte sie einen Fuß vor den anderen und ging so weiter hinein. Ihre Hände wanderten automatisch zu ihren Oberarmen und rieben sie etwas, so als wäre ihr kalt. Und ihr kam es wirklich kalt hier drinnen vor. Kalt, drückend und angsteinflößend. Wie hatte sie damals nur so achtlos hier rein sehen können?

Haruka indes betrat gerade den Flur vor der Haustür. Sie hatte sich noch von Sachiko verabschiedet und die hatte sie erst gehen lassen, nachdem sie sie davon überzeugt hatte, dass sie auch wirklich ihre Schulsachen eingepackt hatte. Und dann musste sie sich auch noch anhören, dass sich ihre Noten immer noch nicht auf dem Stand befanden auf dem sie einmal waren und sie doch bitte mal wieder einen Blick in ihre Bücher werfen sollte. Haruka hatte nur die Augen verdreht und mit den Kopf genickt. Nun hatte sie endlich flüchten können und entdeckte im vorbeigehen Michirus Geigenkoffer am Absatz der Treppe. »Seit wann lässt sie den unachtsam in der Gegend stehen?« Das gefiel ihr irgendwie nicht und so sah sie sich erst mal um. Sie konnte die Türkishaarige aber nirgends entdecken. Allerdings fiel ihr Blick den langen Flur hinab. Ihre Augen verengten sich und sie ließ ihre Tasche auf den Boden fallen. Sie konnte schon beim entlang gehen des Ganges erkennen, dass eine Tür offen stand. Genau davor blieb sie stehen und fand in dem Raum dahinter ihre Freundin wieder, wie sie sich ängstlich im Raum umsah. Haruka seufzte einmal innerlich und holte tief Luft, bevor sie ebenfalls rein ging. Eigentlich war sie gar nicht besonders leise gewesen, trotzdem fuhr die Künstlerin erschrocken zusammen, als sich plötzlich zwei Arme von hinten um sie schlangen. Sie entspannte sich daraufhin aber gleich wieder und lehnte sich an den warmen Körper hinter sich.

„Was machst du hier?“ fragte Haruka ruhig.

„Ich ... weiß es nicht. Meine Füße haben mich einfach hergetragen.“

„Es war wohl keine gute Idee, das mit dem Schreibtisch zu erwähnen, was?“

„Nein. Nein, es war richtig. Ich ... ich versuch das nur alles zu verarbeiten, weißt du.“

„Und deswegen kommst du hier her? Ich würde sagen, das macht es nur noch schlimmer, oder nicht?“

„Nein. Auch wenn ich es furchtbar hier drinnen finde, hilft es doch ein wenig zu realisieren, dass er weg ist. … Tut mir Leid. Meinetwegen bist du hergekommen. Für dich ist es bestimmt noch viel schrecklicher hier zu sein.“

Michiru kullerten dabei doch tatsächlich ein paar Tränen die Wange hinab.

„Es geht schon. Du bist ja da. Aber mir wär es trotzdem lieber, wenn wir jetzt gehen könnten. Schon allein deswegen damit du aufhörst zu weinen.“

„Tut mir leid.“

Schnell wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Muss es nicht.“ lächelte Haruka sanft und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Ist es wirklich okay für dich hier drinnen zu sein?“

„Das Zimmer war nie das Problem, Michiru. Nur der Mann dem es gehörte, und der ist ja jetzt weg. Auch, wenn es einige Erinnerungen hochbringt, die ich lieber vergessen würde, finde ich es doch weniger angsteinflößend als früher. ... Es könnte aber schon mal ‘nen neuen Anstrich vertragen. ... Und neue Möbel. Der Schreibtisch ist ja schon für die Schrottpresse vorgesehen, da kann man den Rest ja gleich mit reinwerfen.“

Jetzt musste Michiru auch wieder Lächeln.

„Ja, finde ich auch. Der Kerl hatte echt einen grausamen Kunst Geschmack, weißt du das?“

„Alles Geschenke seiner "ach so tollen Freunde". Die Sachen waren so was wie Trophäen für ihn.“

„Ach, deswegen ist alles so wild durcheinander gewürfelt. Ganz ehrlich? Deine Pokale sind sehr viel schöner. Und dazu auch noch ehrlich verdient.“

Ein breites Grinsen trat in Harukas Gesicht.

„Glaubst du, er hat sie nicht ehrlich verdient?“

„Bestimmt nicht. Ich will gar nicht wissen, was er getan hat, um sich die Dinger zu verdienen, aber ehrlich war es auf kein Fall.“

„Da könntest du Recht haben. ... Wollen wir dann jetzt gehen?“ fragte Haruka, nachdem sie ein paar Minuten schweigend da gestanden hatten.

„Ja, natürlich.“

Michiru befreite sich aus Harukas Umarmung, nahm eine Hand von ihr in die ihre und ging dann zusammen mit ihr nach draußen. Haruka zog noch die Tür hinter ihnen zu und wenig später kamen sie bei der Treppe an, an der immer noch die Sporttasche und der Geigenkoffer standen.

„Ich werd mich noch schnell bei Sachiko verabschieden.“ sagte Michiru.

„Ist gut. Ich warte im Auto auf dich.“

Haruka nahm sich die zwei Sachen vom Boden und machte sich auf den Weg nach draußen, während Michiru ihre Handtasche aufhob und in die Küche ging. Als die Sportlerin vor die Haustür trat, konnte sie sofort ein Blitzgewitter vom Tor aus sehen. »Sind die etwa immer noch da? Die hatten doch jetzt ihr Sensationsinterview, was wollen die denn noch alles?!« Schnell ging sie zu ihrem Wagen rüber und verstaute die Sachen im Kofferraum. Damit die Fotografen so wenig wie möglich von ihnen sehen konnten, fuhr sie erst mal das Verdeck aus, als sie im Wagen saß. Ein paar Minuten später ging die Beifahrertür auf und Michiru kam ins Auto.

„So, wir können los.“

„Alles klar.“

Und schon raste Haruka die Einfahrt hinunter. Die Paparazzi hatten wohl inzwischen kapiert, dass es besser war ein wenig Abstand von dem Wagen der Rennfahrerin zu halten und so schaffte sie es auch, relativ schnell auf die Straße hinaus.

„Wie lange glaubst du sind wir noch das Thema Nummer eins der Presse? Ich mein, die können doch nicht ewig eure Auffahrt blockieren.“ fragte Michiru auf der Fahrt.

„Keine Ahnung. Als ich damals mein erstes Rennen gewonnen habe, haben die zwei ganze Wochen vor unserem Tor kampiert.“

„Zwei Wochen! Na, toll. Hoffentlich wissen die nicht auch noch wo ich wohne.“

„Wenn sie es jetzt noch nicht wissen, fürchte ich, wird es nicht mehr sehr lange dauern, bis sie es tun. ... Aber sind dir nicht auch schon in Osaka Paparazzi nachgelaufen?“

„Nein. So berühmt wie du bin, oder besser war, ich bei weitem nicht. Außerdem is meine Zielgruppe auch eine ganz andere. Die sind eben nicht so sensationsgeil, wie deine kreischenden Weiber, sondern interessieren sich wirklich für meine Musik und Kunst.“ stellte sie hochnäsig klar.

„Aber natürlich.“ schmunzelte Haruka nur.

Bei der nächsten roten Ampel beugte sich die Sportlerin etwas zu ihrer Freundin rüber und sah sie eindringlich an.

„Jetzt mal ganz ehrlich, Michi. Wenn du nicht zu uns gekommen wärst, also mich überhaupt nicht kennengelernt hättest und dann in der Schule von mir gehört, oder mich im Fernsehen, oder sonst wo gesehen hättest, wärst du auch eines dieser Mädchen geworden?“

Michiru versuchte wirklich die aufkommende Röte in ihren Wangen zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. Natürlich wäre sie. Sie war sich sicher, dass sie Haruka genau wie alle anderen Mädchen angehimmelt hätte.

„Ich hätte nicht gekreischt.“ kam es schließlich kleinlaut aus ihr heraus.

Haruka fing sofort lauthals an zu lachen und fuhr dann weiter, als die Ampel auf Grün schaltete.

„Nein, hättest du nicht. Du wärst wohl eher schüchtern in der Menge untergetaucht, so dass ich dich nie zu Gesicht bekommen hätte. Ich bin schon ganz zufrieden damit wie es gekommen ist.“

„Und wenn du mich doch gesehen hättest? Was hättest du gemacht?“

„Na, alles daran gesetzt dich ins Bett zu bekommen.“ grinste Haruka breit.

„War ja klar.“ verdrehte Michiru die Augen.

„Keine Sorge, Schatz. Ich hätt mich dabei auf jeden Fall unsterblich in dich verliebt. Genau wie jetzt auch.“

„Na, dann ist ja gut.“

Haruka grinste immer noch vor sich hin, auch als sie vor dem Haus in dem Michirus Wohnung lag ankam und sich einen Parkplatz suchte. Sie fand einen gar nicht weit von der Haustür entfernt und ging dann zusammen mit Michiru rein. Paparazzi waren hier keine zu sehen, also wussten die offenbar noch nicht, wo die Künstlerin wohnte. Hoffentlich blieb das auch noch eine Weile so.

Zu Besuch bei Schwiegereltern in Spe

Michirus Wohnung, oder besser gesagt die ihrer Eltern, befand sich im fünften Stock eines großen Wohnturms, gar nicht weit von der Schule entfernt. Es war eine geräumige dreieinhalb Zimmer Wohnung mit Küche, Bad, Wohnzimmer, zwei Schlafzimmern und einem kleinen Büro. Haruka hatte in den letzten zwei Wochen fast jeden zweiten Tag hier verbracht und fühlte sich deshalb schon ganz wie Zuhause. Es war zwar alles sehr viel kleiner, als sie es gewohnt war, aber irgendwie fand sie es ganz gemütlich. Als die beiden Mädchen in der Wohnung ankamen, konnten sie schon von der Haustür aus riechen, dass Yuki offenbar dabei war das Abendessen zu kochen. Haruka freute sich augenblicklich darauf. Sie hatte feststellen müssen, dass Yuki mindestens genauso gut kochen konnte, wie Michiru. Überhaupt fand sie, dass die Zwei sich echt verdammt ähnlich waren. Sie hatten fast dieselbe Größe, die gleichen Augen, waren beide offen, herzlich, ehrlich und verständnisvoll. Yuki spielte zwar kein Instrument, malte dafür aber auch ab und zu. Die meiste Zeit war sie allerdings mit ihrer neuen Galerie beschäftigt, die Haruka auch schon besucht hatte. Sie war echt total sprachlos gewesen als sie die ganzen Bilder ihrer Freundin gesehen hatte. Eines umwerfender als das Andere. Aber auch Kunstwerke von anderen Künstlern waren dort vertreten gewesen. Natürlich fand Haruka aber, dass die bei weitem nicht so schön waren, wie die Michirus. Ein wenig unterschieden sich die beiden Frauen aber doch voneinander. Da wo Michiru schüchtern war und sich zurück hielt, kannte Yuki überhaupt keine Scham. Sie war echt total neugierig und fragte einfach drauf los, wenn sie was interessierte. Auch von der anfänglichen Begriffsstutzigkeit war nichts mehr zu erkennen. Haruka hatte ständig das Gefühl von dieser Frau geröntgt zu werden. Nur bei der Sache mit Keisuke wusste sie sich zurückzuhalten, wofür Haruka auch dankbar war. In der Küche angekommen ging Michiru sofort freudestrahlend zu ihrer Mutter rüber und begrüßte sie.

„Hallo, Mama.“

„Oh, Michiru-chan. Da bist du ja schon. Und Haruka hast du natürlich auch mitgebracht. Freut mich, dass du mitgekommen bist.“ lächelte Yuki, während sie ihre Tochter umarmte.

„Mich auch. Was gibt‘s zu essen?“ fragte die Sportlerin gleich voller Vorfreude.

„Lass dich überraschen, es ist fast fertig.“

„Super! ... Wo ist Seiichiro?“

„Noch auf der Arbeit, aber er müsste jeden Moment kommen.“

„Okay. Ich bring schnell die Sachen weg.“

Haruka deutete auf die Tasche und den Geigenkoffer in ihren Händen und machte sich auch gleich auf den Weg in Michirus Zimmer, während die Künstlerin ihrer Mutter noch half den Tisch zu deckte. Diese kurzen Wege zwischen den Zimmern waren für sie doch noch etwas gewöhnungsbedürftig. Man brauchte immer nur vier oder fünf Schritte durch den Flur, um an sein Ziel zu gelangen. In der Villa musste sie immer fast durch das halbe Haus Laufen, um von ihrem Zimmer in die Küche zu kommen. Hier konnte sie aus Michirus Zimmer heraus immer noch die beiden Frauen hören, wie sie miteinander redeten und das Geschirr auf den Küchentisch stellten. Einerseits fand sie es gut, man war irgendwie immer zusammen und wusste wo sich die anderen gerade aufhielten, andererseits liebte sie ihre Ruhe und Privatsphäre. Bei sich zu Haus konnte sie problemlos mit Michiru alleine sein. Ihre Mutter hatte sich ihr noch nie aufgedrängt und befand sich meistens am anderen Ende des Hauses. Falls sie doch mal etwas von ihr wollte klopfte sie immer an, das taten Yuki und Seiichiro zwar auch aber es war völlig egal wo sie sich in der Wohnung befanden, sie waren nie weit weg und es bestand immer die Möglichkeit gehört zu werden. Außerdem drängte Seiichiro sich doch ziemlich auf. Zwar schaffte Yuki es ganz gut ihn von ihnen fernzuhalten aber trotzdem fühlte sich Haruka von ihm beobachtet. Irgendwie war ihr Verhältnis zu dem Blauhaarigen in den letzten zwei Wochen ziemlich zwiespältig geworden. Auf der einen Seite verstand sie sich super mit ihm. Er war immer noch ein begeisterter Fan von ihr, sie unterhielten sich ständig über Autos, Motorräder, Sport oder sonst was. Er war ziemlich leicht zu begeistern und hatte immer gute Laune. Nur bei einer einzigen Sache verstand er absolut keinen Spaß. Seiner Tochter. Und mit der war Haruka nun mal zusammen und obwohl er sich für Michiru freute und auch sich selbst, darüber. dass sie glücklich war, konnte er sich doch nicht ganz damit abfinden, dass sein kleines Mädchen jetzt Erwachsen war, und Dinge tat, oder tun würde (er wusste ja noch nichts davon), die nun mal dazu gehörten. Haruka konnte das schon irgendwie verstehen und wenn Michiru ihr die Möglichkeit ließe sich zurück zu halten würde sie es auch tun, schon allein um keinen Ärger mit Seiichiro zu bekommen, oder einen in der Familie auszulösen. Doch ihrer Freundin war es offenbar völlig egal, was ihr Vater darüber dachte, denn die hielt sich überhaupt nicht zurück. Sie hielt ständig ihre Hand, küsste sie direkt vor seinen Augen, setzte sich auf ihren Schoss, wenn es die Gelegenheit dazu gab und kuschelte sich richtig an sie. Na, was sollte Haruka denn auch machen? Sie konnte Michiru nun mal einfach nicht widerstehen und ließ sich das natürlich auch alles gefallen, obwohl Seiichiro sie jedes Mal mit seinem Blick zu töten versuchte. Haruka hoffte wirklich, dass weder Seiichiro noch Yuki mitbekamen, was sie zusammen inzwischen so alles taten. Bei Seiichiro war sie sogar der Meinung, dass es klappen könnte aber Yuki... Nein, die würde es mit Sicherheit irgendwann herausfinden, eventuell sogar von Michiru selbst erfahren. Sie würde es der Türkishaarigen zumindest zutrauen es ihrer Mutter zu erzählen. Im Grunde machte es ihr auch gar nichts aus, wenn Michiru sich ihr anvertrauen wollte, sollte sie es tun, nur wusste sie nicht wirklich was Yuki davon hielt. Sie hatte zwar nichts dagegen, dass die Zwei sich ein Bett teilten und machte auch nicht den Eindruck als würde es sie stören, wie die Zwei miteinander umgingen, doch war diese Frau für Haruka so durchschaubar wie eine meterbreite Betonmauer. Außerdem dachte sie ja Haruka müsste sich immer noch schonen. Wer weiß also ob sie anderer Meinung wäre, wenn sie wüsste, dass es nicht mehr so war. Noch dazu fürchtete Haruka, wenn Yuki es erst mal wusste, würde es sicherlich nicht sehr lange dauern bis auch ihr Mann davon Wind bekam. Also besser es erfuhr keiner, auch nicht, dass sie wieder gesund war. Obwohl das höchst wahrscheinlich nächste Woche sowieso rauskommen würde. Sie hatte nämlich nicht vor auch nur eine Sekunde länger, als es der Arzt vorgeschrieben hatte, zu warten sich wieder auf ihr Motorrad zu schwingen. Jetzt schwang sie aber erst mal ihre Tasche auf Michirus Bett und platzierte dann vorsichtig den Geigenkoffer auf den Schreibtisch. Sie konnte ja eh nichts anderes tun als die Sache auf sich zukommen zulassen. Michirus Zimmer war gerade mal halb so groß wie ihrs, wenn nicht sogar noch kleiner. Aber das störte Haruka nicht weiter. Das wichtigste war ja drinnen. Das Bett. Eigentlich war es sogar ganz gut, dass das Zimmer nicht größer war, sonst hätte Seiichiro bestimmt noch ‘ne zweite Matratze ausgegraben mit der sie dann auf dem Boden kampieren durfte. So konnte sie, dank Michirus und Yukis Einsatz, zusammen mit ihrer Freundin in dem großen Bett schlafen. Die Tasche ließ sie erst mal so wie sie war dort stehen und ging zurück in die Küche, wo sich die zwei Frauen beim Tischdecken angeregt unterhielten.

„... wär doch schön. wenn sie mit ihm glücklich wird, oder?“ hörte sie Michiru aufgeregt zu ihrer Mutter sagen.

Haruka blieb abrupt stehen und lauschte dem Gespräch vom Flur aus weiter zu.

„Ja, verdient hätte sie es. Aber ich glaube sie sollte sich erst mal noch ein bisschen Zeit für sich nehmen. Schließlich ist ... du weißt schon wer gerade erst gestorben. Und ich bin mir sicher so ganz kalt, wie sie sich Gestern gegeben hat, hat es sie dann doch nicht gelassen.“

„... Aber du glaubst doch nicht, dass sie noch was für ihn empfunden hat, oder? Ich mein, nachdem was er Ruka angetan hat.“

„Ich vermute nicht. Aber immerhin hat sie ihn mal geliebt, also ... ich weiß nicht, was gerade in ihr vorgeht.“

Kurz war es still im Raum.

„Aber sie wirkte nicht so als ob ... es ihr was ausmachen würde.“

„Stimmt. Aber weißt du, Sachiko war schon immer sehr gut darin Dinge für sich zu behalten, und sich dabei auch noch nicht das Geringste anmerken zu lassen. Wenn sie nicht wollte, dass jemand etwas von, oder über sie erfuhr, dann erfuhr es auch keiner. Du glaubst gar nicht wie oft ich mir damals schon an ihr die Zähne ausgebissen habe. Weißt du wie lange ich gebraucht habe, um herauszufinden, dass sie stinkreich ist? ... Ein ganzes Jahr!“

„Ein Jahr? Warst du denn nie bei ihr Zuhause gewesen?“

„Nein. Wir haben uns immer nur bei mir getroffen oder sind gleich durch die Stadt gezogen. Das sie Reich ist, wusste so gut wie niemand an unserer Schule. Es war ja auch keine teure Privatschule, sondern eine ganz normale öffentliche.“

„Aber sie hätte doch locker auf eine Privatschule gehen können, oder nicht?“

„Natürlich hätte sie. War sie ja auch, bevor sie in der Mittelstufe zu uns wechselte. Aber auf ihrer alten Schule wussten alle wie reich ihre Familie war, und ihr gefiel es nicht ständig daran gemessen zu werden, deswegen hatte sie ihre Eltern überredet auf eine öffentliche Schule gehen zu dürfen.“

„Ja, das passt zu ihr.“

„... Sie scheint aber ihren Sturkopf an ihre Tochter weiter vererbt zu haben, nicht wahr?“ kam es nach kurzer Pause von Yuki.

„Ja, auf jeden Fall. Haruka ist auch Meisterin darin über eine Sache Stillschweigen zu bewahren. Nur dass es sich bei ihr um ihre Gefühle handelt, und nicht so was belangloses wie Geld.“

„Das ist mir aufgefallen. ... Weißt du, wie sie wirklich über den Tot von Keisuke denkt?“

„Wie? Was meinst du damit?“

„Na ja, sie hat gestern gesagt, sie würde sich über seinen Tot freuen. Glaubst du, das stimmt wirklich?“

„Ähm, wieso sollte es nicht? Nachdem was er getan hat. Also ich bin’s.“

„So kaltherzig kenne ich dich gar nicht.“

„Du hast ihn auch nicht erlebt.“

„Stimmt, hab ich nicht. Aber findest du wirklich, er hat gleich den Tot verdient? Ich mein, ja, er hat etwas unverzeihliches getan und eine Strafe verdient, aber ... gleich den Tod?“

Es war wieder einen Augenblick still. Ohne, dass sie es mitbekam beschleunigte sich Harukas Atmung etwas und die Zeit bis zu Michirus Antwort kam ihr ungewöhnlich lang vor.

„Ich ... ich weiß nicht. ... Aber an seinem Tod war er selbst schuld. ... Eigentlich ... hätte es mir auch gereicht wenn er ins Gefängnis gekommen wär, aber ... wer weiß, ob das je passiert wäre. ... Und wenn doch, dann ... dann wär er bestimmt nicht für immer weg gewesen und ... und ... was wenn er dann wieder bei uns aufgetaucht wär? Deswegen ... ach, ich weiß auch nicht.“

Michirus Stimme hörte sich jetzt ziemlich weinerlich an.

„Ach, Schatz. Ich kann dich ja verstehen. Das sollte auch kein Vorwurf sein. Es ist ja jetzt auch nun mal so gekommen und er kann euch nie wieder etwas antun. Ich finde nur ihr solltet euch nicht allzu sehr über seinen Tot freuen. Er war schließlich auch ein Mensch.“

Offenbar hatte Yuki ihre Tochter in den Arm genommen und tröstete sie damit. Haruka ballte ihre Hände zu Fäusten und musste sich Mühe geben nicht auch eine Träne zu verlieren. Sie wusste nicht wieso aber irgendwie war ihr gerade auch nach heulen zu mute. Michiru indes schien sich allmählich wieder zu beruhigen.

„Mama, ... glaubst du ... glaubst du Haruka kommt vielleicht doch nicht so gut damit klar, wie sie vorgibt? Immerhin war er ihr Vater.“

„Das weiß ich leider nicht. Sie ist deine Freundin. Ich versuch lieber herauszufinden was in Sachiko vorgeht.“

„Ja, aber die redet ja wenigstens über ihre Gefühle. Haruka nicht.“ klang es etwas genervt.

„Ich bin mir sicher, wenn sie mit jemanden redet, dann mit dir. Vielleicht braucht sie einfach noch etwas Zeit, um das Ganze überhaupt zu realisieren. Wahrscheinlich weiß sie im Moment noch nicht mal selbst, was sie fühlt. Sei einfach weiterhin für sie da. Ich denke, sie kommt von selbst zu dir, wenn sie soweit ist.“

„Das werd ich auf jeden Fall. Danke, Mama.“

„Schon gut. So, jetzt muss ich aber schnell wieder nach dem Essen sehen. Ich glaube, es wird der hungrigen Haruka nicht gefallen, wenn ich das Essen anbrennen lasse.“

„Da hast du Recht.“ lachte Michiru jetzt offensichtlich und Haruka konnte hören wie Yuki die paar Schritte zum Herd zurückging.

Sie selbst stand immer noch im Flur und wusste gerade nicht was sie denken sollte, oder fühlen. Irgendwie war sie total durcheinander. Sie atmete ein paar Mal tief durch und überlegte, ob sie jetzt in die Küche gehen sollte oder lieber zurück in Michirus Zimmer, um nachzudenken. Diese Entscheidung wurde ihr allerdings abgenommen, als plötzlich die Haustür am Ende des Ganges aufging und Seiichiro eintrat.

„Oh, Haruka! Schön, dass du bei uns bist. Ich hab dir auch gleich was zu erzählen und ich will auch unbedingt noch mehr Details von dir wissen.“

Der blauhaarige Mann kam freudestrahlend auf Haruka zu und legte ihr gleich einen Arm um die Schulter, mit dem er sie auch gleichzeitig mit in die Küche zog.

„Äh, hi, Seiichiro.“

Haruka war noch ein bisschen überrumpelt und nicht ganz im Hier und Jetzt.

„Ah, da sind ja auch meine zwei Lieblings Frauen. Hallo, Schatz.“

Seiichiro löste sich erst mal von Haruka und gab seiner Frau einen Kuss, danach umarmte er noch seine Tochter, ehe er sich wieder ihr zu wandte.

„Ich hab im Hotel schon von der große Show gehört. Viele Gäste haben sich praktisch das Maul um euch zerrissen. Einige waren mächtig empört, andere haben es ziemlich lässig genommen. Aber jetzt erzählt doch mal selbst. Ich hab zwar einen kurzen Ausschnitt auf einen der Monitore bei uns gesehen, aber in den Nachrichten zeigen sie ja immer nur das, was sie zeigen wollen. Ich möchte die ganze Geschichte hören, von vorne bis hinten.“

Erwartungsvoll und voller Spannung sah er abwechselnd die zwei Mädchen an.

„Jetzt setzt dich doch erst mal in Ruhe hin. Ihr könnt euch ja während des Essens darüber unterhalten. Sonst wird es noch kalt.“ bremste Yuki ihn etwas.

Ungeduldig setzte sich Seiichiro auch gleich an seinen Platz, während Yuki das Essen auf den Tisch stellte. Haruka und Michiru sahen sich einmal kurz an und setzten sich dann ebenfalls. Sie erzählten ihm dann auch alles was er wissen wollte, während sie Yukis Essen genossen.

„Diese Presse kennt auch wirklich überhaupt keine Grenzen. Dass die immer noch bei euch vor dem Tor lauern.“ regte sich Seiichiro etwas auf.

„Ich fürchte, die werden auch bald vor eurer Tür sein. Tut mir leid.“

„Ach, was. Du kannst ja nichts dafür. Heute im Hotel sind auch unzählige Kollegen und Gäste auf mich zu gekommen und haben mich ausgefragt. Sogar über den Tot von Keisuke. Ich hab natürlich nicht geantwortet, aber dass die alleine schon die Frechheit besitzen so was zu fragen. ... Unmöglich.“ schüttelte er fassungslos mit dem Kopf.

„Ich war zum Glück schon Zuhause, als die Pressekonferenz in den Nachrichten ausgestrahlt wurde, aber auf den Zeitungsartikel haben mich auch einige meiner Kunden angesprochen.“ erzählte Yuki.

„Oh, Mann. Wir haben da wohl einen richtigen Skandal ausgelöst, was?“ fragte Michiru leicht nervös.

„Tja, so was passiert nun mal, wenn man vor laufender Kamera mit einem Mädchen wild rumknutscht.“ machte sich Seiichiro über die Scene lustig.

Michiru klappte erst mal der Mund auf.

„Das war gar nicht wild geknutscht! Sondern nur ein kurzer, ganz kleiner Kuss. ... Das ist deine Schuld, Haruka!“ fügte sie beleidigt an ihre Freundin hinzu.

„Hey, vorhin hat‘s dir noch gefallen.“ verteidigte die sich.

Seiichiro und Yuki fingen daraufhin an zu lachen und auch die beiden Mädchen stimmten irgendwann mit ein.

„So, dann lasst uns mal den Tisch abräumen.“ sagte Yuki und stand auf.

Die anderen drei taten es ihr gleich und halfen dabei das Geschirr auf die Arbeitsplatte zu bringen. Hier bei Michiru Zuhause war es üblich, dass alle gemeinsam den Tisch abräumten, somit hatte Haruka gar keine Chance dem zu entkommen und inzwischen machte es ihr auch nichts mehr aus zu helfen. Auch Zuhause übernahm sie diese Aufgabe inzwischen Kommentarlos und ganz von sich aus. Es war für sie schon fast selbstverständlich geworden.

„Wollt ihr Zwei euch vielleicht gleich noch einen Film mit uns gemeinsam angucken? Es läuft so ein super romantischer Film im Fernsehen, den ich unbedingt sehen will.“ fragte Yuki, als sie mit abräumen fertig waren.

„Oh. Danke, Mama. Aber ich nicht. Ich bin wirklich todmüde und eigentlich müssen Haruka und ich noch Hausaufgaben machen.“

„Wir müssen was?“ fragte Haruka entsetzt.

„Du hast mich schon richtig verstanden, oder kannst du dich daran erinnern, dass wir gestern so was in der Art noch getan hätten?“

Haruka fiel bei der Erinnerung an gestern Abend nur eine Sache ein, und die hatte eindeutig nichts mit Schule zu tun.

„Siehst du.“ sagte Michiru auf ihrem Blick hin.

„Aber muss das denn sein? Du hast doch selbst gesagt, dass du müde bist, und ich hätte gegen Schlafen wirklich nichts einzuwenden.“

Michiru schüttelte zu ihrer Enttäuschung mit dem Kopf.

„Nein, als deine Nachhilfelehrerin bin ich dafür verantwortlich, dass deine Noten nicht wieder schlechter werden.“

Haruka stöhnte und ließ den Kopf hängen.

„Na, dann wünsch ich euch viel Spaß damit.“ lachte Yuki und auch ihr Mann grinste darüber.

Als die beiden Mädchen sich in Michirus Zimmer begeben wollten, wurden sie noch mal aufgehalten.

„Ach, Haruka? Weißt du eigentlich schon wann du wieder Motorrad fahren darfst? Wenn die Entscheiden, dass du weiterhin fahren darfst, und davon gehe ich aus, müsstest du doch sicherlich bald wieder mit Training anfangen, oder? Meinst du es klappt, dass du diese Saison schon wieder mitfährst?“ fragte Seiichiro mit Hoffnung in der Stimme.

Haruka allerdings zögerte mit der Antwort. Wenn sie ihm jetzt erzählt, dass sie nächste Woche schon wieder fahren dürfte und eigentlich jetzt auch schon wieder gesund...

„Es klappt sogar ganz bestimmt. Sie darf schon nächste Woche wieder fahren.“ fuhr Michiru ihr dazwischen.

Haruka riss entsetzt die Augen auf und sah zu ihrer Freundin rüber, die das aber gar nicht mitbekam und einfach weiter Lächelte.

„Nächste Woche schon! Das ist ja Großartig! Dann kannst du diese Saison ja doch an den Start gehen, und dir endlich deinen wohlverdienten Titel holen.“ freute er sich riesig.

Haruka sagte nichts dazu und beobachtete ihn weiter. Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis sein Gesicht eine nachdenkliche Miene annahm. Wieder ein paar Sekunden später sah er Haruka eindringlich an.

„Warte, heißt das, du bist wieder vollkommen Gesund?“

Haruka schluckte. Jetzt war sie genau da angekommen, wo sie niemals hatte hin wollen.

„Ja, ist sie. Sie darf auch jetzt schon wieder ganz normal Sport treiben! Gestern Nachmittag hab ich sie sogar zum Schwimmen überreden können. Der Pool in ihrem Garten ist wirklich Großartig!“

Es war natürlich wieder Michiru die für sie so euphorisch antwortete. Haruka konnte diese Freude allerdings gerade gar nicht teilen. Im Gegenteil. Sie musste ein weiteres Mal schlucken, bei dem Blick von Seiichiro.

„Aha. Und du hast wirklich überhaupt keine Schmerzen mehr?“ fragte der Blauhaarige noch mal nach.

Antworten konnte die Sportlerin immer noch nicht also schüttelte sie nur langsam mit dem Kopf.

„Das ist ja wundervoll. Das freut mich für dich, Haruka.“ schaltete Yuki sich dazwischen, die sich wirklich darüber freute und natürlich mitbekam, welche Sorge ihren Mann jetzt schon wieder plagte.

„Und das war schon Gestern Abend so?“

„Sei-chan, der Film fängt gleich an, und ich will den Anfang nicht verpassen. Also komm.“

Ohne auf ihrem Mann zu achten, zog sie ihn aus der Küche. Aus dem Flur heraus konnte man die Zwei aber immer noch hören.

„Aber hast du das gehört? Sie ist wieder...“

„Gesund. Ja, hab ich. Freu dich doch einfach darüber.“

„Aber...“

„Lass die Zwei in Ruhe.“ unterbrach Yuki ihn erneut.

Ob die Beiden sich noch weiter unterhielten war von der Küche aus jetzt nicht mehr zu hören. Nur noch das die Wohnzimmertür ins Schloss fiel war noch zu vernehmen. Haruka atmete erst mal erleichtert aus.

„Oh Mann, das war knapp. Ich dachte der bringt mich gleich um.“

„Ach, so ein Unsinn. Der macht sich nur schon wieder unnütze Sorgen.“

„Sag mal, musste das eben sein?“

„Was denn?“

„Dass ich wieder vollkommen Gesund bin, musst du ihm doch nicht gleich so unter die Nase reiben. Jetzt ist ihm doch vollkommen klar, was wir gestern Nacht so alles getrieben haben! ... Und heute Morgen. ... Und heute Nachmittag.“

Bei der Aufzählung bekam sie gleich wieder bessere Laune und es stahl sich auch ein verschmitztes Grinsen in ihr Gesicht. Michiru schmunzelte kurz darüber.

„Es ist mir völlig egal was er denkt. Er muss endlich akzeptieren, dass ich kein kleines Kind mehr bin. ... Und jetzt komm. Unsere Hausaufgaben warten.“ grinste die Künstlerin.

Daraufhin seufzte Haruka erst mal wieder, ließ sich dann aber Bedingungslos von ihrer Freundin in ihr Zimmer mitziehen.

Loslassen

Den Rest des Abends machten die zwei Mädchen brav ihre Hausaufgaben. Auch Haruka sagte nichts mehr dagegen und hatte sogar, wie eigentlich immer, wenn sie sich erst einmal darauf einließ, richtig Spaß dabei, und alberte zwischendurch mit ihrer Freundin rum.
 

Währenddessen saß ein überführsorglicher Vater im Wohnzimmer auf der Couch, mit seiner Frau im Arm und starrte wie ein besessener zur Seite, die Tür an.

„Sei, würdest du bitte aufhören die Tür anzustarren und dich endlich auf den Film konzentrieren. … Oder tu wenigstens so!“

Yuki ließ sich diese Abwesenheit ihres Mannes jetzt schon über eine Stunde lang gefallen, und so langsam reichte es ihr. Sie hatte sich schon die ganze Woche auf diesen Film gefreut und nun bekam sie kaum etwas davon mit.

„Tut mir leid, Schatz. Ich werd jetzt aufpassen, versprochen.“

Er richtete seinen Blick nach vorne, zum Fernseher und atmete noch mal tief durch um sich zu sammeln. … Es vergingen genau drei Minuten und sein Kopf drehte sich wieder nach rechts.

„Aber … glaubst du, die Beiden machen wirklich nur Hausaufgaben?“ fragte er abwesend, mehr die Tür als seine Frau.

Yuki seufzte. Das war‘s dann wohl mit dem Film. Zum Glück gab es den Morgen noch mal in der Wiederholung. Vielleicht schaffte sie es ja ihn Aufzunehmen.

„Ja, das glaube ich sogar wirklich. Aber selbst wenn nicht, ist das doch vollkommen egal.“

„Egal? Wie kann dir das egal sein?“ fragte er geschockt.

„Warum bist du so besorgt deswegen?“ stellte sie die Gegenfrage.

„Na, … sie ist doch noch ein Kind.“

„Sie ist schon lange kein Kind mehr, Sei. Sie ist siebzehn und total in Haruka verliebt, und Haruka in sie. Also lass den Zweien doch ihr Glück.“

„Und dir macht das wirklich gar nichts aus?“

„Nein. … Na gut, ein bisschen wehmütig werde ich schon bei dem Gedanken, aber ich freu mich auch. Weißt du, vor wenigen Wochen noch haben wir uns darüber Sorgen gemacht, dass sie vielleicht nie Freunde oder auch einen Freund findet. Und dass sie jetzt Haruka gefunden hat, macht mich einfach überglücklich. Haruka ist hinter ihrer harten Schale doch ein ganz wunderbarer Mensch, und unsere Tochter scheint sie doch ganz gut im Griff zu haben. Du musst zugeben, die Beiden sind ziemlich süß zusammen. … Dass unsere Kleine sich ausgerechnet in ein Mädchen verliebt, hätte ich zwar nicht unbedingt erwartet, aber so muss ich mir wenigstens keine Sorgen darüber machen, dass sie gleich schwanger wird. … Obwohl ich eigentlich schon gerne Enkelkinder gehabt hätte.“ wurde sie ein wenig nachdenklich.

„Du bist jetzt schon bei Enkelkindern? Meinst du nicht, du bist da ein wenig voreilig? Die Beiden sind doch erst seit ein paar Wochen zusammen.“

Bei dem Wort "Enkelkinder" kam Seiichiro doch ein wenig ins Schwitzen. Allerdings musste er zugeben, dass der Gedanke, dass seine Tochter ja keines Falls von Haruka schwanger werden könnte, ihn doch ein wenig beruhigte. Obwohl er sich ja eigentlich auch Enkelkinder gewünscht hatte. … Also wenn seine Tochter so dreißig war. … Oder vierzig.

„Ich weiß, dass sie erst seit ein paar Wochen zusammen sind, aber mein Gefühl sagt mir, dass sich da Zwei gefunden haben, die zusammen gehören. Ich glaube nicht, dass sie sich je wieder trennen werden. Jedenfalls nicht endgültig. Streitereien und Meinungsverschiedenheiten, die für kurze Pausen sorgen sind natürlich immer möglich.“

„Du meinst echt es ist den Beiden so ernst miteinander? Also auch Haruka?“

„Ja. Hast du nicht gesehen wie sie Michiru ansieht? Ich glaube, es ist ihr sehr ernst.“

„So einen Blick dafür hab nicht, da werd ich auf deinen vertrauen müssen. Ich dachte nur, weil … na ja, damals wurden dem coolen Rennfahrer ziemlich viele Affären nachgesagt. Und heute auf der Pressekonferenz hat sie ja auch wieder solche Anspielungen gemacht.“

„Ich glaube Haruka spielt gerne Spielchen, und natürlich gefällt es ihr von hübschen Mädchen umringt zu sein. Aber das ist auch alles. Außerdem hat sie ja, nach ihrem Kommentar, der ganzen Welt ihre Liebe zu Michiru gestanden, und sie leidenschaftlich geküsst. Damit hat sie in Kauf genommen, jedes Mädchen, welches sie bis dahin angehimmelt hatte, als Fan zu verlieren.“

„Hhmm, stimmt allerdings.“

„Kannst du denn jetzt endlich aufhören dir Sorgen um unser Mädchen zu machen? Sie ist da wo sie ist, in guten Händen.“

Seiichiro warf, mit einem Seufzen, einen gequälten Blick zur Tür.

„Es wird so oder so passieren, wenn es nicht schon passiert ist. Du kannst also überhaupt nichts dagegen tun. Und wenn du dich weiterhin so zwischen die Beiden stellst, wird das nur deiner Beziehung zu Michiru schaden. Irgendwann wird sie genug davon haben, und ich auch.“ sagte Yuki ernst.

„Ja, du hast ja Recht. Es tut mir leid. Ich will mich auch gar nicht so darüber aufregen, aber irgendwie kommt das ganz automatisch. … Aber ab jetzt, werd ich die Zwei in Ruhe lassen. Und sollte ich doch wieder die Kontrolle verlieren, darfst du mich gerne bremsen.“

„Das werde ich auf jeden Fall.“ grinste Yuki.

„Gut, dann lass uns jetzt deinen Film zu Ende sehen. Jetzt pass ich auch wirklich auf.“

„Ach, das bringt jetzt sowieso nichts mehr. Der Film ist fast vorbei, und besonders viel hab ich auch nicht mitbekommen.“

„Ach, Mist. Jetzt hab ich dir auch noch den Film ruiniert.“ seufzte er.

„Wenn du die Wiederholung morgen früh für mich aufnimmst, verzeih ich dir vielleicht.“

„Dann werd ich das sofort einprogrammieren!“

Schnell griff Seiichiro nach der Fernbedienung und begann auf den Tasten rum zudrücken. Yuki lächelte einmal zufrieden und löste sich dann aus seiner Umarmung.

„Ich geh schon mal vor ins Bett.“ sagte sie und gab ihm noch einen Kuss auf die Wange.

„Ist gut. Ich komm gleich nach.“

Yuki stand damit auf und verließ das Zimmer, während der Blauhaarige noch die Aufnahme zu Ende programmierte. Als er damit fertig war schaltete er den Fernseher aus und ging dann auch nach draußen. Als er an dem Zimmer seiner Tochter vorbei kam, war die Versuchung, mal eben ein Ohr an die Tür zuhalten verdammt groß. Aber bei einem tiefen Atemzug, schloss er kurz die Augen und ging einfach weiter Richtung Schlafzimmer. Er würde die Beziehung zu seiner Tochter nicht weiter gefährden. Um nichts in der Welt wollte er sie verlieren, also musste er sich wohl zusammenreißen. Im Grunde hatte er ja auch Haruka sehr gern und auch die Beziehung zu ihr wollte er nicht mehr zwiespalten. Ihm war Bewusst, dass er ihr mit seinen Blicken ziemliche Angst einjagte und er könnte sich Ohrfeigen deswegen. Sie hatte doch schon genug wegen ihrem Vater durchgemacht, und er wusste doch welche Auswirkungen seine Blicke auf sie haben konnten. Das durfte nicht noch einmal passieren. Er schwor sich, ihr das nie wieder anzutun, jeden falls nicht, wenn sie es nicht auch wirklich verdient hatte. So entschlossen gesellte er sich zu seiner Frau ins Schlafzimmer.
 

Haruka und Michiru saßen immer noch vor ihren Hausaufgaben, doch allmehlig fielen der Blonden die Augen zu.

„Michi, bitte. Können wir nicht für heute Schluss machen? Ich schlaf hier gleich ein.“

„Okay, ist gut. Mir geht‘s genauso.“ lächelte Michiru sanft und machte ihr Buch zu.

Haruka tat es ihr mit einem zufriedenen Seufzer gleich, und streckte sich dann noch kurz. Danach stand sie auf, ging die zwei Schritte zu dem großen Bett rüber und ließ sich einfach darauf fallen. Michiru erhob sich mit einem Lachen und ging zu ihr.

„Willst du dich nicht wenigstens noch ausziehen?“

„Nö. … Kannst du ja machen.“

„Ich soll dich ausziehen?“ fragte Michiru belustigt noch mal nach.

Von der Blonden kam nur ein Nicken, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ihre Augen waren dabei aber immer noch geschlossen.

„Das mach ich glatt. Aber vorher zieh ich mich erst mal um.“

Michiru war schon dabei ihr Kleid auszuziehen und als das weg war, auch noch ihren BH. Danach holte sie unter ihrem Kopfkissen, das dort liegende Nachthemd hervor. Die Türkishaarige bekam durchaus mit, dass ihre Freundin eines ihrer Augen sehr weit aufgerissen hatte und jeden ihrer Schritte beobachtete, wobei sie wohl weniger auf ihre Füße, als vielmehr auf ihren Oberkörper starrte. Sie versuchte wirklich nicht zu sehr darüber zu grinsen, auch nicht über die Enttäuschung in Harukas Gesicht, als das Nachthemd ihr jeden weiteren Blick verwehrte.

„So, dann wolle wir uns mal um dich kümmern.“ sagte Michiru und ging bis zur Bettkante ran.

Wieder ein sehr breites Grinsen trat in Harukas Gesicht.

„Du musst dich aber schon umdrehen, sonst wird das nichts.“ fügte die Künstlerin noch hinzu, da die Sportlich auf ihrem Bauch lag.

Mit gequälten Geräuschen, drehte sie sich um und sah Michiru jetzt von unten her an. Die machte sich gleich daran ihr die Knöpfe an ihrem Hemd zu öffnen. Es dauerte auch nicht lange und sie waren alle offen. Bevor sie es ihr aber ganz aus zog, widmete sie sich erst mal dem Verschluss ihrer Hose. Gürtel, Knopf und Reißverschluss waren auf, also zog sie sie ihr von den Beinen und hängte sie dann über den einen Stuhl am Schreibtisch. Haruka schüttelte kurz schmunzelnd mit dem Kopf, als sie das sah, wurde dann aber, von dem wieder herantreten Michirus, abgelenkt. Die Türkishaarige befahl ihr nämlich gerade, mit einem Fingerzeichen, dass sie sich aufrichten sollte. Natürlich folgte die Sportlerin der Aufforderung und ließ sich dann auch noch ihr Hemd ausziehen, welches ebenfalls über der Stuhllehne landete. Michiru genoss kurz den Anblick ihrer Freundin, bis sie sie mit einem Schupser, vorne aufs Brustbein, wieder komplett auf die Matratze schickte. Haruka hatte schon wieder dieses schiefe Grinsen aufgesetzt und sie wusste genau, was es bedeutete, aber heute wollte sie einfach nur noch schlafen. Sie zog der Blonden noch schnell die Socken aus und ging dann rüber zu ihrer Tasche, die inzwischen neben dem Schreibtisch stand. Sie kramte darin etwas rum, bis sie fand was sie suchte.

„Hier, möchtest du das noch überziehen?“

Die Blonde hatte ihre Augen schon wieder geschlossen und öffnete auch nur eins halb, um zu sehen was Michiru ihr hinhielt. Es war eins ihrer Muskelshirts, und somit richtete sie sich schwerfällig wieder auf.

„Ja.“

„Ich verschwinde noch mal kurz im Bad, dann komm ich zu dir, okay?“ sagte Michiru und reichte ihr das Shirt.

„Is gut.“ gähnte Haruka und zog sich etwas unbeholfen das Shirt über.

Dieses Bild hätte die Künstlerin am liebsten Fotografiert, oder noch besser gemalt. Es sah einfach zu süß aus. Sie versuchte es sich einzuprägen, damit sie es später wirklich auf Papier bringen konnte und verschwand dann kurz aus dem Zimmer richtung Bad. Haruka krabbelte indes unter die Bettdecke und machte es sich gemütlich. Als die Türkishaarige zurückkam musste sie feststellen, dass ihre Freundin schon eingeschlafen war. Um sie nicht wieder zu wecken, kam sie ganz vorsichtig und langsam zu ihr ins Bett und legte sich so dicht neben sie, wie sie konnte. Sie wusste nicht, ob sie Haruka jetzt doch geweckte hatte oder nicht, aber die schlang augenblicklich einen Arm um sie und kuschelte sich noch enger an sie. Michiru ließ es sich gefallen und schloss glücklich die Augen. Es dauerte auch nicht lange bis sie ebenfalls eingeschlafen war.
 

Am nächsten Morgen wurde Michiru von einem Klopfen geweckt. Sie konnte das Geräusch nicht wirklich einordnen und bekam auch nur langsam die Augen auf. Mühsam quälte sie sich, sich aufzurichten. Es klopfte ein weiteres Mal, dieses Mal ging die Tür kurz darauf mit auf.

„Hey, ihr Beiden. Wenn ihr nicht langsam aufsteht kommt ihr zu spät. Außerdem ist das Frühstück fertig.“

Nachdem sich Michiru noch mal die Augen gerieben hatte, konnte sie endlich ihre Mutter im Türrahmen erkennen.

„Was? … Oh. Ähm, okay. … Wir kommen gleich.“ quetschte die Türkishaarige müde hervor.

Mit einem Lächeln schloss Yuki die Tür hinter sich wieder. Michiru gähnte und streckte sich noch mal kurz, dann sah sie neben sich. Haruka schlief offenbar immer noch. Sie lag flach auf dem Bauch, den Kopf zu ihr gerichtet und mit halb geöffneten Mund. Michiru streckte ihre Hand aus und fuhr ihr damit durch ihr zerzaustes kurzes Haar, dabei beugte sie sich auch zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Hey, mein Schatz. Aufwachen.“

Haruka zuckte kurz zusammen und ließ dann ein brummen von sich hören. Michiru streichelte ihr weiter übern Kopf und wartete bis ihre Freundin die Augen öffnete. Es dauerte schon ein paar Sekunden, doch dann fing sie an zu blinzeln.

„Ein wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir.“ strahlte Michiru sie an.

Es kam erst mal ein weiteres brummen von der Blonden.

„Dass du um diese Uhrzeit immer schon so fröhlich sein kannst.“ stöhnte sie dann auch noch und ließ ihre Augen wieder zu fallen.

„Hey, nicht wieder einschlafen. Sonst kommen wir zu spät.“

Die Sportlerin öffnete ihre Augen wieder und sah sie verwirrt an.

„Zu spät? … Och nö, ich will nicht zur Schule!“ fiel es ihr wieder ein und sie warf demonstrativ ihren Kopf auf die andere Seite.

„Du musst aber. Ein bisschen Zeit lass ich dir noch, aber wenn ich vom Duschen zurück bin, will ich das du zumindest schon mal eine aufrechte Position eingenommen hast, verstanden?“

Michiru sah sie streng an aber da die ihren Kopf zur anderen Seite gerichtet hatte, brachte das nicht sehr viel. Sie stieg aus dem Bett, holte sich frische Sachen, also ihre Schuluniform, aus dem Schrank und machte sich dann aus dem Zimmer.

„Warte.“ hörte sie da aus dem Bett murmeln, als sie schon fast bei der Tür war.

Sie drehte sich wieder um und sah wie Haruka sich mühsam aus dem Bett quälte.

„Ich auch duschen.“ sagte sie schlaftrunken und torkelte auf sie zu.

„Du auch duschen? Sehr wortschatzreich.“

„Ich eben nich wach.“

Michiru musste sich ein Lachen verkneifen und sah zu, wie Haruka noch in ihrer Tasche nach ihre Uniform kramte. Als sie sie gefunden hatte kam sie auch die letzten Schritte zu ihr.

„Alles hab.“ grinste sie zufrieden.

Jetzt konnte die Künstlerin sich das Lachen doch nicht verkneifen. Noch während sie lachte öffnete sie ihre Zimmertür und machte sich mit ihrer Freundin im Schlepptau auf ins Badezimmer. Im Flur war keiner zusehen, doch die Küchentür stand offen, und Seiichiro konnte von seinem Platz aus sehr wohl sehen, dass die Zwei da gerade gemeinsam im Bad verschwanden. Er atmete aber einfach wieder tief ein und konzentrierte sich wieder auf seine Zeitung. Yuki hatte die Beiden zwar nicht gesehen aber gehört sehr wohl, und war sehr zufrieden mit der Reaktion ihres Mannes. Offenbar hatte das kleine Gespräch von gestern seine Wirkung gezeigt.

Haruka und Michiru indes waren mit duschen beschäftigt (also wirklich nur duschen) und zogen sich danach ihre Uniformen an. Nach etwa zwanzig Minuten standen sie sauber und ordentlich Angezogen in der Küche.

„Ah, guten Morgen ihr Zwei. Gut geschlafen?“ fragte Seiichiro sie mit einem Lächeln im Gesicht.

„Äh. … Ja, danke.“ war Harukas knappe Antwort und wunderte sich ein wenig darüber, dass sie nicht mit einem abschätzenden, oder sogar wütenden Blick bestraft wurde.

Normalerweise erhielt sie den morgens immer, wenn sie mit Michiru aus ihrem Zimmer kam.

„Guten Morgen, Papa.“ begrüßte auch Michiru ihren Vater und umarmte ihn kurz.

Die Zwei setzten sich dann mit an den Tisch und frühstückten noch mit den Erwachsenen zusammen, bis Seiichiro sich als erster erhob.

„So, ich muss dann. Ich wünsch euch beiden heute viel Glück in der Schule. Und lasst euch nicht alles gefallen.“ sagte er zu den beiden Mädchen und brachte noch sein Geschirr zur Spüle. Danach verabschiedete er sich von seiner Frau und verließ die Wohnung.

„Das wird bestimmt ‘n lustiger Tag heute.“ meinte Haruka sarkastisch.

„Ja, ich freu mich auch nicht gerade. Ich wette, sie starren uns heute wieder alle an. Und dabei hatte das gerade erst nachgelassen.“ seufzte Michiru.

„Ihr schafft das schon. Am besten ihr ignoriert die Anderen einfach.“ versuchte Yuki sie aufzumuntern.

„Hoffen wir mal, es bleibt beim nur Starren.“

„Was meinst du könnten die denn noch so tun?“ fragte Michiru ihre Freundin vorsichtig.

„Keine Ahnung. Ein paar Kommentare dürfen wir uns wohl bestimmt noch anhören. … Oh, und der Sportunterricht mit den Jungs wird bestimmt auch nicht komplett reibungslos bei mir ablaufen.“

„Richtig, du darfst ja wieder mitmachen. Bitte, Haruka. Bitte, versprich mir, dass du dich nicht zu einer Schlägerei provozieren lässt. Deine Rippen sind doch gerade erst wieder heil.“

„Hey, ich werd mein Bestes tun, aber wenn sie auf mich losgehen, kann ich auch nichts daran ändern.“

„Das gefällt mir überhaupt. … Können wir heute nicht doch hier bleiben?“ flehte Michiru ihre Mutter an.

„Ihr könnt nicht ewig vor der Schule weglaufen. Und ich hoffe ja wohl, dass bei euch auch noch Lehrer anwesend sind, die solche Auseinandersetzungen zu verhindern wissen. Macht euch jetzt nicht so viele Gedanken deswegen, vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm.“

„Wir werden sehen. … Na komm, lass uns los.“ sagte Haruka und stand auf.

Sie brachte ihr Geschirr ebenfalls zur Spüle und wartete dann darauf, dass ihre Freundin dies ebenfalls tat. Mit einem ergebenen Seufzer erhob sie sich schließlich auch. Yuki stand ebenfalls auf und so räumten sie noch die restlichen Sachen ab. Haruka ging schon mal vor in Michirus Zimmer und holte sowohl ihre als auch Michirus Sachen, damit begab sie sich wieder in die Küche. Die Künstlerin verabschiedete sich dort gerade von ihrer Mutter.

„Seh ich dich heute eigentlich nochmal wieder?“ fragte Yuki ihre Tochter, als sie die Umarmung auflöste.

„Ähm, weiß ich noch nicht.“

„Na gut, ruf aber an, wenn du nicht mehr kommst.“

„Okay, mach ich. Bis dann.“

Haruka verabschiedete sich nur mit einem Winken von Yuki, was die mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm, und so verließen die beiden Mädchen die Wohnung.

Nervige Jungs

Als Haruka und Michiru unten im Hausflur des Hochhauses ankamen, spähte die Große erst mal vorsichtig durch die Eingangstür nach draußen, auf die Straße.

„Hhmm, sieht so aus, als ob die Presse immer noch nicht rausgefunden hat, wo du wohnst. Es scheint auf jeden Fall alles ruhig zu sein.“

Haruka öffnete die Tür ganz und ließ ihrer Freundin den Vortritt.

„Na, wenigstens was das angeht haben wir Glück. Hoffentlich bleibt das auch noch ein bisschen so.“ sagte Michiru und ging nach draußen, gefolgt von Haruka.

Sie stiegen beide in den gelben Lamborghini ein und fuhren Richtung Schule. Dort angekommen war die Ruhe allerdings vorbei. Die Beiden konnten schon vom weiten sehen, dass sich unzählige Menschen vor der Einfahrt zu dem Schulparkplatz versammelt hatten. Nicht nur Fotografen, sondern sogar das Fernsehen war da, und offenbar auch eine Menge Fans.

„Na, toll! Wie bitte soll ich denn da jetzt durchkommen?“ stöhnte Haruka.

„Vielleicht solltest du dir woanders einen Parkplatz suchen.“

„Kommt gar nicht in Frage. Ich lass mich doch nicht von denen durch die Gegend scheuchen. Ich werd da rauf fahren, und wenn die dafür alle umnieten muss, is mir das auch egal.“

„Haruka lenkte ohne Rücksicht in die Einfahrt ein, woraufhin die Leute davor panisch zur Seite schwärmten. Allerdings musste die Sportlerin schon vom Gas gehen, um wirklich niemanden zu verletzten, und als sie langsamer wurde klebten schon unzählige Reporter an der Windschutzscheibe. Zum Glück war immer noch das Verdeck geschlossen, sonst säßen jetzt wahrscheinlich noch ein paar Leute mehr in dem Auto. Haruka achtete nicht auf die Fragen, die sie von außen schrien und fuhr einfach langsam weiter. Als sie komplett auf dem Schulgelände war, verschwand die Masse augenblicklich um sie herum und blieb enttäuscht an der Einfahrt zurück.

„Wenigstens halten die sich an die Regel, und betreten das Schulgelände wirklich nicht.“ sagte Michiru erleichtert.

„Ja. Aber ‘ne Anzeige können die sich wohl wirklich nicht leisten. ... Also dann. Bereit für die, denen wir nicht ausweichen können?“

„Nein.“ schüttelte Michiru mit dem Kopf.

Haruka nahm eine ihrer Hände in die ihre und sah sie sanft an.

„Ach, komm. So schlimm wird es schon nicht. Wir müssen einfach nur zusammenbleiben.“

„Aber wir haben nachher getrennt Unterricht. Wie sollen wir da zusammenbleiben?“

„Das ist ja zum Glück erst nach dem Mittagessen. Lass uns zuerst mal den Vormittag überstehen. Danach sehen wir weiter.“

Michiru sah sie noch einen Moment an, und überlegte hin und her, ob es nicht doch einen Weg gab da nicht rein zu müssen. Aber den gab es nicht, und eigentlich war sie auch nicht der Mensch der weglief, wenn es mal schwierig wurde.

„Na, schön.“

„Ich bin bei dir, also keine Angst.“ lächelte Haruka ihr zu und gab ihr noch mal einen kurzen Kuss.

Danach stiegen beide aus dem Auto aus und nahmen sich sofort an die Hand, als sie vor dem Auto wieder zusammen fanden. Die Rufe, Schreie und das Blitzgewitter, welche vom Tor aus kamen, ignorierten sie einfach und gingen richtung Gebäude. Die Schüler um sie herum standen alle in kleinen Grüppchen zusammen und starrten sie an, zeigten mit dem Finger auf sie oder tuschelten miteinander. Haruka hatte nichts anderes erwartet und eigentlich kannte sie das ja schon. Also im Grunde war alles so wie immer, nur das die Schüler jetzt wohl alle wussten, dass sie ein Mädchen war. Aber irgendwie machte ihr das nicht mal etwas aus. Michiru fühlte sich komischer Weise zurück an ihren ersten Tag hier versetzt. Es war genau wie damals. Nur eine Sache war anders. Dieses Mal hielt Haruka ihre Hand, und das war auch der einzige Grund warum sie jetzt keine Angst hatte. Trotzdem ging sie noch etwas näher neben ihrer Freundin her. Einfach, weil es so unsagbar guttat bei ihr zu sein. Sie sah gar nicht erst in die Gesichter der Anderen, sondern ignorierte sie. Sollten die doch denken was sie wollen. Solange Haruka bei ihr war, konnte sie alles ertragen. Sie kamen im Gebäude an und machten sich auf in ihren Klassenraum. Auch hier in den Gängen wurde es sofort mucksmäuschenstill um sie herum, als man sie entdeckte. So allmählich fand die Blonde das doch sehr unterhaltsam, weshalb sich auch ein kleines Grinsen in ihr Gesicht stahl. Sie konnte es nicht lassen herauszufinden wie die Anderen, vor allem die Mädchen, jetzt wohl auf ihre Blicke reagieren würden. Sie sah einmal kurz zur Seite, immer noch mit ihrem schiefen Grinsen auf den Lippen, und entdeckte eine kleine Gruppe von Mädchen. Die Drei erstarrten augenblicklich, schienen die Luft anzuhalten und die Röte schoss ihnen ins Gesicht. Haruka sah wieder nach vorn und musste sich wirklich zusammenreißen nicht zu lachen. Es funktionierte also immer noch. Michiru bemerkte, dass ihre Freundin gerade irgendetwas sehr Lustig fand und entdeckte die Roten Gesichter der Mädchen, als sie einmal nach hinten sah. Daraufhin seufzte sie nur und verdrehte die Augen. Sie kamen endlich im Klassenzimmer an und begaben sich sofort zu ihren Plätzen. Auch hier waren alle Blicke auf sie gerichtet. Haruka sah sich einmal um, und dass keiner auch nur ansatzweise den Anstand besaß sich daraufhin wieder umzudrehen, fand sie mehr als dreist.

„Is irgendwas?“ fragte sie überdeutlich, in die Stille hinein.

Jetzt erst drehten sich augenblicklich alle schnell nach vorne, nur die Stille blieb. Haruka sah wieder zu Michiru herüber, die sie zufrieden anlächelte. Sie grinste zurück und fügte noch ein zwinkern hinzu. Diese Stille war echt furchtbar drückend, aber zum Glück kam nach kurzer Zeit der Lehrer in die Klasse, und so wurde mit dem Unterricht begonnen. Den Vormittag überstanden sie eigentlich ganz gut. Es wurde zwar immer still um sie und die Blicke hörten auch nicht auf, aber so lange die Beiden zusammen waren, traute sich keiner an sie heran. Beim Mittagessen in der Cafeteria war es das gleiche. Obwohl es hier nicht ganz so Still war. Es unterhielten sich doch viele Schüler miteinander, allerdings war es mehr ein flüstern, und was das Gesprächsthema dieser war, konnte man sich denken.

„Also, wenn die nicht bald damit aufhören, mach ich wieder so ‘ne Ansage, wie an deinem ersten Tag hier.“ stöhnte Haruka, inzwischen sichtlich genervt.

„Nein, tu das nicht. Lass sie doch einfach. Solange es bei diesen Blicken und dem Getuschel bleibt, ist das doch in Ordnung. Und seit wann stört es dich mehr als mich?“

„Keine Ahnung, aber so langsam nervt ‘s. Wenn die irgendwas zu sagen haben, sollen sie‘s gefälligst tun, und wenn nicht, aufhören uns anzustarren.“

„Das gibt sich schon wieder. Also bitte reg dich nicht auf.“

Michiru hoffte wirklich, dass sie sich wieder beruhigte, schließlich musste sie ihre Freundin in den nächsten zwei Stunden alleine lassen. Und sie befürchtete, dass die Schüler sich weniger zurückhalten werden, wenn sie alleine waren.

„Ich glaub, wir müssen langsam los. Ich werd dich auf jeden Fall noch zu den Musikräumen bringen.“ sagte Haruka, mit einem Blick auf ihre Uhr.

„Und was ist mit deinen extra Runden?“

„Ach, was. Die hab ich so lange nicht gedreht, da werd heute auch drauf verzichten können. Ich werd mich auch nach dem Sportunterricht beeilen, und so schnell wie möglich am Auto sein.“

Besonders gefallen tat das Michiru nicht. Sie wusste, dass sie das nur tat, weil sie Angst um sie hatte.

„Na, toll. Jetzt darfst du endlich wieder Sport machen, und kannst doch nicht in Ruhe deine extra Runden laufen.“ seufzte sie.

„Hey, is nicht schlimm. Laufen kann ich schließlich überall. Vielleicht geh ich einfach heute Abend oder so noch mal kurz Raus, wenn ich weiß, dass du in Sicherheit bist.“

„Mir wird schon nichts passieren. Und so hilflos bin ich auch wieder nicht. Also komm, lass uns los.“

Damit stand sie auf und Haruka tat es ihr gleich. Händchenhaltend, und verfolgt von sämtlichen Augenpaaren, verließen sie den Saal und die Sportlerin brachte ihre Freundin, wie angekündigt, bis vor ihren Klassenraum.

„Bitte, stell nichts Dummes an, ja? Ich will dich in einem Stück zurück.“ flehte Michiru sie noch mal an.

„Hey, wird schon schief gehen. Pass du lieber auf dich auf.“

Haruka schenkte ihr ein sanftes Lächeln und gab ihr noch einen Kuss.

„Is gut, wir sehen uns am Auto.“ sagte Michiru, als sie sich wieder voneinander lösten und ging dann in den Musikraum hinein.

Haruka sah ihr noch hinterher und machte sich dann, nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, zum Sportunterricht. Sie verließ das Gebäude und kam nach kurzem Fußmarsch beim Stadion an. Obwohl sie nicht wusste, ob alles glatt laufen würde, freute sie sich wahnsinnig darauf wieder richtig laufen zu können. Sie verschwand erst mal schnell in ihrer privaten Umkleidekabine, und zog sich um. Als sie diese wieder verließ, gingen gerade ein paar Jungs daran vorbei, die wohl gerade aus ihrer eigenen Umkleide kamen.

„Ach ne, jetzt wissen wir also, warum sich der "ach so große Tenoh-kun" nie bei uns in der Umkleide hat blicken lassen.“ sagte der eine arrogant und blieb in seinem Gang stehen.

„Ja. Hey, du glaubst doch wohl nicht etwa, dass du noch länger bei uns mit machen darfst, oder? Sieh zu, dass du zu den Mädchen verschwindest!“ brüllte ein anderer zu ihr herüber.

Haruka grinste nur arrogant, verschränkte die Arme vor der Brust und ging an ihnen vorbei, Richtung Ausgang.

„Wieso? Könnt ihr es nicht ertragen, von einem Mädchen besiegt worden zu sein?“ meinte sie noch hochnäsig.

„Was?“

„Was erlaubst du dir eigentlich, du...“

Ihm viel offenbar keine Beleidigung ein, denn er unterbrach seinen Satz.

„Ach, kommt. Die is es nicht wehrt. Der Trainer wird sie schon von selbst rauswerfen.“ hielt der dritte im Bunde, die anderen Zwei etwas zurück.

Mit einem noch breiteren Grinsen betrat Haruka den Sportplatz. Sie war sich sicher, auf jeden Fall weiterhin bei den Jungs mitmachen zu dürfen. Schließlich wusste der Trainer von Anfang an, dass sie ein Mädchen war, und er würde doch nie zulassen, dass seine beste Sportlerin ihr Talent bei dem weiniger anspruchsvollen Training der Mädchen verschwendete. Sie machte schon mal ein paar Dehnungsübungen und während sie damit beschäftigt war, kam auch schon der Sportlehrer auf sie zu.

„Tenoh-san, freut mich, dass Sie endlich wieder mitmachen dürfen.“ begrüßte sie der Mann von hinten.

„Oh. Ähm, ja. Danke. Mich auch.“

Etwas erschreckt drehte sie sich zu ihm um.

„Tenoh-san, die Sache mit ihrem Vater, tut mir wirklich aufrichtig leid. Ich hoffe es geht Ihnen einigermaßen gut, wenn nicht, dann...“

„Oh, Nein, nein. Keine Sorge, Sensei. Mir geht‘s gut.“

Dass ihr ständig irgendwer sein Beileid über den Tot von Keisuke aussprach, kam ihr total absurd vor. Aber die Leute wussten schließlich nichts von dem was er getan hatte, also musste sie das wohl ertragen.

„Na gut. Dann wollen wir mal anfangen.“

Damit drehte er sich zum Rest der Klasse, und rief alle zu sich. Dass der Trainer einfach so mit dem Unterricht begann, und überhaupt nichts wegen Haruka sagte, sondern sie einfach so wie immer mitmachen ließ, gefiel den meisten Jungs offenbar gar nicht. Mit ziemlich wütenden Blicken sahen sie ständig zu ihr hin, aber die Sportlerin kümmerte sich nicht drum, und genoss es lieber sich endlich wieder vollkommen frei bewegen zu dürfen. Das Laufen verpasste ihr sogar richtig gute Laune, und die Tatsache, dass sie sämtliche anderen Schüler hinter sich ließ ebenso. Der Sportlehrer lobte sie in den höchsten Tönen, und war mehr als zufrieden mit ihrer Leistung, besonders nachdem sie solange aussetzen musste. Die Jungs um sie herum schien das aber nur noch mehr aufzuregen. Doch keiner von ihnen traute sich, in der Anwesenheit des Lehrers, etwas zu sagen. So liefen die letzten zwei Stunden ziemlich gut für Haruka zu Ende und so machte sie sich danach glücklich und schnellst möglichst zu ihrer Umkleidekabine auf. Beim Verlassen dieser, warteten aber schon wieder ein paar Jungs davor auf sie. Genervt verdrehte sie die Augen und machte sich schon auf das schlimmste gefasst. In der Hoffnung dem doch noch entkommen zu können, ging sie einfach, ohne auf die Typen zu achten, an ihnen vorbei.

„Hey, so einfach kommst du uns nicht davon. Bleib gefälligst stehen.“

„Sorry, Leute. Keine Zeit.“ sagte sie unbeeindruckt und ging weiter.

Die Jungs folgten ihr und stellten sich ihr in den Weg. Wie eine Mauer standen die fünf um sie herum.

„Du glaubst wohl du kannst dir alles erlauben, was?“

„Ich weiß nicht, was ihr meint. Und jetzt geht mir aus dem Weg.“

„Willst wohl zu deiner kleinen Freundin zurück, hä? Ich weiß echt nicht, was die an dir findet.“

„Ja, ich auch nicht. Die ist doch an dir völlig verschwendet. Sollte sich lieber ‘nen richtigen Kerl suchen.“

Okay, jetzt wurde Haruka aber langsam wütend. Sie kniff ihre Augen zusammen und funkelte die Typen damit finster an. Die zwei Kleineren in der Runde schreckten sogar etwas davor zurück.

„Als ob auch nur einer von euch das wär.“ erwiderte sie, immer noch einigermaßen ruhig.

„Was hast du gesagt?!“

Einer der Jungs, der größte von ihnen, und damit einen ganzen Kopf größer als Haruka, kam einen Schritte auf sie zu, und hielt ihr seine Faust unter die Nase.

„Du hast mich schon richtig verstanden. Und jetzt tritt endlich beiseite, bevor ich richtig wütend werde.“

Der Kerl vor ihr, fing an zu knurren und schien wirklich kurz davor zu zuschlagen. Einer der Jungs in der Runde, der schon von Anfang an, eher ängstlich dreinblickte, wandte sich mit brüchiger Stimme an den großen Kleiderschrank.

„Alter, du willst doch nicht wirklich ein Mädchen schlagen, oder? Sie hat doch eigentlich gar nichts getan, also können wir nicht wieder gehen?“

„Gar nichts getan?! Diese kleine Lesbe hat sich als Kerl ausgegeben und uns alle für dumm verkauft! Und jetzt wird sie nicht mal dafür bestraft, sondern darf einfach weiterhin bei uns mitmachen! Noch dazu läuft die immer noch wie ‘n Kerl rum!“

„Na, und? Lass sie doch, wenn sie will. Und ich hab auch nichts dagegen, dass sie bei uns mitmacht, schließlich ist sie sogar besser als wir.“

„Sag mal, nimmst du die jetzt auch noch Schutz, oder was?“ wandte sich der Kleiderschrank jetzt wütend an ihn.

„Ich sag nur wie es is. Außerdem will ich nicht von der Schule fliegen.“

Zwei der Jungs, die bis eben nur zugesehen hatten, waren sich jetzt wohl auch nicht mehr ganz so sicher bei dieser Aktion, denn sie wirkten doch etwas nachdenklich. Haruka sah sich das Spektakel nur noch belustigt an.

„Eigentlich hat er Recht.“ stimmte der eine von ihnen schließlich zu.

„Ja, ich will auch nicht von der Schule fliegen. Mein Vater bringt mich um, wenn das passiert.“

„Und du hast doch schon eine Verwarnung, oder nicht? Willst du hierfür wirklich dein Stipendium aufgeben?“ fragte der eine noch an den Kleiderschrank gewandt.

Der drehte sich nochmal knurrend zu Haruka hin und sah sie noch mal einen Moment an. Die erwiderte den Blick entschlossen, sehr viel entschlossener als er.

„Na, schön. Du hast noch mal Glück gehabt, Blondchen. Aber pass in Zukunft besser auf, was du sagst, sonst schwör ich dir mach ich dich kalt, egal ob du ein Mädchen bist, oder nicht.“

Die Sportlerin verschränkte nur die Arme hinterm Kopf und ging hochnäsig zwischen den Typen hindurch.

„Aber sicher doch.“ kam es noch arrogant aus ihr heraus und sie konnte hören, wie die Jungs den Großen offenbar daran hinderten ihr zu folgen.

Endlich machte sie sich auf den Weg zum Parkplatz. Augenblicklich überkam sie die Sorge, dass Michiru vielleicht nicht so viel Glück gehabt haben könnte wie sie, und jetzt beeilte sie sich lieber.
 

Michiru hatte sich, nachdem sie den Musikraum betreten hatte, gleich zu einem der vielen Stühle begeben und packte erst mal vorsichtig ihre Geige aus.

„Hey, Kaioh-san.“

Michiru drehte sich um und sah in das freundliche Gesicht eines Jungen. Er hatte kurze braune Haare, eine eher schmächtige Figur und war vielleicht ein kleines bisschen kleiner als Haruka.

„Oh. Hallo, Kato-kun.“

Sie kannte diesen Jungen. Er war ebenfalls in ihrem Musikkurs und spielte genauso wie sie Geige. Sie hatte auch schon öfters mit ihm zusammen spielen müssen, und ihm auch ab und zu helfen müssen. Eigentlich war er ganz nett. Er war immer begeistert von ihrem Spiel und hatte sie auch noch nie wegen Haruka angesprochen, wie es die meisten getan hatten, nachdem klar war, dass sie mit ihr, bzw. ihm, wie damals noch alle dachten, zusammen war. Allerdings gab es da eine Sache, die sie an ihm störte. Es war offensichtlich, dass er auf sie stand. Er hatte sie zwar auch darauf noch niemals angesprochen und auch nicht versucht sie anzugraben, doch war er ständig in ihrer Nähe, während des Kurses. Bei jedem Stück, das vorgeführt wurde, versuchte er in ihre Gruppe zu kommen, oder sogar alleine mit ihr spielen zu können. Zum Glück gab es nicht allzu viele Violinisten im Kurs, und so wurden sie meistens in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Aber er tauchte trotzdem ständig bei ihr auf, fragte wie er was besser machen könnte, oder wie sie sein Spiel fand. Sie hatte ja nichts dagegen ihm zu helfen und tat dies auch eigentlich gern, doch fühlte sie sich schon ein bisschen unwohl dabei. Schließlich hatte er Hoffnungen in sich, die sie ihm niemals erfüllen könnte, geschweige denn wollte.

„Wie geht‘s dir? Ist alles in Ordnung?“ fragte er jetzt besorgt, und auch etwas verlegen.

„Ähm, ja. Klar. Warum nicht?“

„Ach, weißt du ich ... ich hab nur das von Gestern gehört und da ... da dachte ich...“

Michiru erhob sich von ihrem Stuhl und lächelte ihn etwas zaghaft an.

„Es ist alles in Ordnung, Kato-kun. Wirklich.“

„Oh. Ach, so. Na, gut. Verstehe.“

Der Junge hielt sich beschämt, mit einem aufgesetztem Lächeln, die Hand hinterm Kopf, und schien wohl noch so einige Fragen mehr auf dem Herzen zu haben, wollte wohl aber auch nicht nach bohren. Michiru sah sich das ein paar Sekunden lang an, dann entschloss sie sich ihn von seiner Last zu befreien.

„Kato-kun, möchtest du mich vielleicht noch irgendetwas fragen?“

„Was? Nein, nein. Nein, nichts. Gar nichts.“

„Wirklich? Ich hab nichts dagegen. Also wenn du noch wissen willst, dann frag. Ob ich dir antworte, weiß ich allerdings noch nicht.“

Das sagte sie mit einem noch breiteren Lächeln im Gesicht, was dazu führte, dass der Junge erst mal rot anlief.

„Ähm, okay. ... Weißt du, ... ich hab mich nur gefragt, ob ... ob das auch wirklich stimmt.“ brachte er leise hervor und sah verlegen zu Boden.

„Du musst schon ein klein wenig genauer werden. Ob was stimmt?“

Michiru konnte sich zwar schon denken was er meinte, aber sie musste es ihm ja nicht zu einfach machen. Schließlich wollte er es unbedingt wissen.

„Oh. Ähm, ... also, ... dass ... dass Tenoh-kun ... na ja, ein Mädchen ist? Und wenn ja, ob du wirklich ... also ich mein, ... das würde ja bedeuten, dass ... dass du ...“

„Lesbisch bist?“

Die Frage hatte ihr allmehlig zu lange gedauert, und sie glaubte auch nicht daran, dass er sich getraut hätte das Wort auszusprechen, weshalb sie seine Frage beendete. Seine Reaktion darauf bestätigte ihre Meinung nur noch mehr. Er schreckte leicht zurück und bekam ziemlich große Augen.

„B ... bist du’s?“ fragte er dann immer noch etwas geschockt.

„Warum ist das wichtig für dich?“

Bei der Frage wurde er wieder rot.

„Ääähhh, ich ... weißt du ich ...“

Michiru seufzte kurz. Wenn der sich nicht langsam mal beeilte, würde sie hier Morgen noch stehen. Außerdem konnte jederzeit der Lehrer hereinkommen. ... Wo blieb der überhaupt? Müsste der nicht eigentlich schon längst hier sein? Gerade als Michiru ihren Blick zur Uhr richten wollte, holte sie der Junger, ihr Gegenüber, mit seinem Gestotter, in die Realität zurück.

„... ich mag dich wirklich sehr und ... und ich dachte ...“

„Kato-kun, es tut mir leid, aber ich bin mit Haruka zusammen, und ja, sie ist ein Mädchen.“ unterbrach sie ihn lieber schnell.

„Oh. Also stehst du wirklich auf Frauen?“

Jetzt wurde Michiru skeptisch und hob eine Augenbraue an.

„Ich sagte doch gerade, dass ich mit Haruka zusammen bin, also wieso fragst du mich das schon wieder?“

„Na ja, wir wissen doch alle wie lange seine, äh, ich meine ihre, Beziehungen halten. Von daher...“

„Was, von daher?“ schnitt sie ihm das Wort ab, und sah ihn jetzt ziemlich wütend an.

Der Typ wich wieder ein ganzes Stück zurück, diesmal aus Angst. Er hatte wohl gerade überhaupt nicht nachgedacht und etwas gesagt was er eigentlich gar nicht sagen wollte.

„Ähm...“

„Glaubst du etwa, ich würde mich dann einfach in deine Arme werfen?!“ fauchte sie ihn an.

„Ähm, nein, nein, natürlich nicht. Tut mir leid, ich wollte nicht...“

Der Junge schien gerade echt verzweifelt zu sein.

„Ich ... ich dachte nur, ich hätte dann ... vielleicht eine Chance, also wenn ... ihr nicht mehr zusammen seid.“ versuchte er weiter zu erklären.

Bei diesem verzweifelten Anblick beruhigte sie sich wieder etwas. Sie atmete einmal tief durch um sich wieder zu entspannen.

„Wir werden uns aber nicht trennen, also mach dir keine Hoffnungen.“

„Oh, okay. ... Aber wenn...“

„WENN dieser unmögliche Fall wirklich eintreffen sollte, hättest du auch dann keine Chance, Kato-kun! Ich empfinde rein gar nichts für dich!“ unterbrach sie ihn wieder, leicht gereizt.

„Okay, alles klar. Ich hab‘s verstanden. Tut mir leid. Ich wollte es nur wenigstens versuchen.“

Die Künstlerin musste erneut tief durchatmen, um sich wieder zu entspannen.

„Schon in Ordnung.“ sagte sie und versuchte dabei zu Lächeln.

Der Junge lächelte auch zurück und ließ sie dann nach einem Nicken allein. Michiru war erleichtert, dass der Kerl nicht so hartnäckig und vor allem aufdringlich war, wie der, dem Haruka erst die Nase brechen musste, damit er sie in Ruhe ließ. Jetzt richtete sie aber wirklich ihren Blick auf die Uhr und stellte fest, dass der Lehrer schon zehn Minuten Verspätung hatte. Die anderen Schüler im Raum hatten alle einen großen Abstand von ihr eingenommen und unterhielten sich miteinander. Oder besser tuschelten. Michiru beachtete sie nicht weiter und setzte sich stattdessen wieder auf ihren Stuhl. Nach ein paar weiteren Minuten des Wartens, kam dann auch endlich der Musiklehrer in den Raum und entschuldigte sich für seine Verspätung, aber er hatte noch mit einem anderen Lehrer etwas besprechen müssen. Der Unterricht konnte jetzt also endlich beginnen und der lief auch im Grunde so wie immer für die Türkishaarige ab. Nur hatte sie das Gefühl, dass der braunhaarige Junge jetzt wesentlich mehr Abstand zu ihr hielt, was ihr auch durchaus Recht war. Allerdings kam sie sich schon ein bisschen einsam vor. Er war ja nicht der Einzige der sich von ihr fernhielt, sondern alle. Sie hatte sogar das Gefühl, als würde der Lehrer sie heute auch etwas anders ansehen, als auch behandeln. Es machte ihr doch mehr aus als sie zugeben wollte. Sie ließ sich aber nichts anmerken und konzentrierte sich einfach nur auf den Unterricht. Nachdem der vorbei war machte sie sich dann so schnell wie möglich auf zum Parkplatz, um zu der Person zu gelangen, nach der sie sich jetzt schon über alle Maßen sehnte.

Aufdringliche Mädchen

Michiru kam allerdings nicht so schnell beim Parkplatz an, wie sie wollte. Kurz bevor sie das Gebäude verlassen hatte standen plötzlich drei Mädchen um sie herum.

„Ähm, darf ich mal bitte durch?“ fragte sie etwas irritiert.

„Wieso, damit du zurück zu deiner "Freundin" kannst?“ fragte die eine hochnäsig, und setzte das Wort wirklich mit ihren Fingern in Anführungszeichen.

„Äh...“

Michiru hatte wirklich keine Ahnung worauf das Mädchen hinaus wollte. Allerdings fiel ihr auf, dass sie sie, und auch die anderen Zwei kannte. Oder was heißt kannte, sie gingen in ihre und Harukas Klasse, also hatte sie sie schon mal gesehen. Geredet hatte sie noch mit keiner von ihnen.

„Sag schon, was ist das für ein Spiel, was du mit ihm spielst?!“

„Mit ihm?“ fragte Michiru ungläubig nach.

„Ja! Du kannst uns doch nicht erzählen, dass Tenoh-kun wirklich ein Mädchen ist!“

Michiru sah die drei an, und war sich nicht sicher, ob die das auch wirklich ernst meinten. Als sie sich aber sicher war, dass es doch so war, musste sie sich ein Lachen verkneifen.

„Tja, es tut mir ja Leid euch enttäuschen zu müssen, aber sie ist wirklich ein Mädchen. ... Und jetzt lasst mich bitte durch.“ fügte sie noch ernst hinzu, und versuchte sich an ihnen vorbei zu zwängen, doch die Mädchen ließen sie nicht.

„Behaupte von mir aus was du willst, trotzdem wirst du dich von ihm fernhalten!“ bestimmte das eine Mädchen, und schubste Michiru damit in ihre Ausgangsposition zurück.

„Äh, nein. Ich werde mich ganz bestimmt nicht von IHR fernhalten! Und ich wüsste auch nicht, was euch das angeht!“

Allmählich wurde ihr das Ganze hier zu bunt. Wer gab diesen Mädchen überhaupt das Recht sich da einzumischen?!

„Ach, komm. Du benutzt ihn doch sowieso nur um dein Image ein wenig aufzupolieren. Wir wissen alle, dass du arrogant und kaltherzig bist. Dir liegt doch überhaupt nichts an ihm! Du willst nur, dass dein Bild mal wieder in die Zeitung kommt, weil du das mit deiner Musik ja nicht mehr schaffst!“

„Genau, und dafür verführst du den armen Tenoh-kun einfach! Glaubst du, nur weil du schön bist, hast du das Recht ihn so auszunutzen?! Das werden wir nicht zu lassen!“

Michiru war fassungslos. So etwas musste sie sich doch nicht bieten lassen.

„Ihr seid ja völlig verrückt! Aber von mir aus denkt was ihr wollt. Ich muss mich vor euch nicht rechtfertigen.“

Damit versuchte sie ein weiteres Mal an ihnen vorbei zu kommen.

„Oh nein, du bleibst schön hier! Wir sind noch nicht fertig mit dir!“

Das eine Mädchen packte Michiru plötzlich am Arm und zog sie unsanft zurück.

„Hey, nimm gefälligst deine Pfoten von mir!“

Eigentlich hätte sie eben am liebsten vor Schmerz aufgeschrien. Das Mädchen hatte doch einen ganz schön festen Griff. Aber diesen Triumph wollte sie der Anderen nicht gönnen, also biss sie tapfer die Zähne zusammen.

„Wieso? Rufst du sonst deine "Freundin" um Hilfe? Tenoh-kun wird nicht kommen, glaub mir. Wahrscheinlich flirtet er sowieso schon wieder mit ‘ner Anderen. Du wirst sehen, bald serviert er dich eh ab.“

„Ach, wenn du dir so sicher bist, dass SIE mich sowieso verlässt, warum soll ich mich dann von ihr fernhalten? Warte doch einfach ab.“

„Damit du dich in der Zwischenzeit weiter in seinem Glanz sonnen kannst? Das hättest du wohl gern.“

„Also, so langsam reicht es mir aber! Zum letzten Mal, ich werde mich nicht von ihr fernhalten! ... Und hör gefälligst auf sie als Jungen anzusprechen! Sie ist ein Mädchen!!“

Michiru war inzwischen ziemlich sauer, und besonders diese Kleinigkeit regte sie gerade tierisch auf.

„Aber klar, als würde so was wie du auf Mädchen stehen. Ich weiß zwar nicht, was es euch bringt zu sagen er sei ein Mädchen aber ich werd euch das auf gar keinen Fall glauben.“

„Genau, Tenoh-kun sieht viel zu gut aus.“

„Und zu männlich. Er kann gar kein Mädchen sein!“ stimmten auch die beiden anderen Mädchen mit ein.

Irgendwie fand Michiru das jetzt schon wieder sehr belustigend, und ihr kam gerade eine Idee wie sie die Mädchen vielleicht loswurde. Sie war sich zwar nicht sicher, ob sie es hin bekam, aber versuchen konnte sie es ja und Haruka hatte schließlich gesagt es würde sie nicht stören – wobei sie sich allerdings sicher war, dass diese ihre Meinung nochmal überdenken würde, wenn sie hiervon erfuhr. Aber irgendwie musste sie sich ja aus dieser Situation befreien, und dieser Weg war ihr lieber als sich von diesem Mädchen in die Knie zwingen zu lassen.

„Hhmm, seid euch da mal nicht zu sicher. Sie ist ganz bestimmt ein Mädchen, das kann ich bezeugen. ... Und wie kommt ihr eigentlich auf die Idee, ich könnte nicht auf Mädchen stehen? Mein Aussehen hat doch nichts mit meiner Orientierung zu tun. ... Glaub mir, ich stehe total auf Mädchen.“

Mit dem letzten Satz, war sie dem Mädchen, welches sie immer noch am Arm festhielt und offenbar diese Truppe anführte, bedrohlich nahe gekommen. Sie sah ihr ziemlich tief in die Augen und hatte ein verführerisches, aber auch gleichzeitig angsteinflößendes Lächeln aufgesetzt. Das schwarzhaarige Mädchen riss entsetzt die Augen auf, ließ sie augenblicklich los, und wich noch einen Schritt weiter zurück.

„Was... du .... du...“ stammelte die nervös vor sich hin, und war wohl gerade ziemlich durcheinander.

Michiru setzte noch einen Drauf und folgte ihr die paar Schritte, die sie nach hinten gewichen war, um ihr wieder gefährlich nahe zu kommen.

„Was ist mit dir? Haruka scheint es dir ja ziemlich angetan zu haben. Wenn es so ist, scheinst du Mädchen gegenüber ja auch nicht abgeneigt zu sein.“

Sogar ihre Stimme hatte eine verführerische Note angenommen, was das Mädchen vor ihr offenbar noch nervöser machte, und jetzt sogar rot anlaufen ließ.

„Was? ... Nein! ... Nein, ... ich...“

„Hhmm. Na, dann weiß ich wirklich nicht warum du dich so aufregst. ... Aber vielleicht überlegst du es dir ja noch mal. Eigentlich bist du ja ganz süß.“ hauchte sie ihr verführerisch entgegen und strich sogar kurz mit dem Zeigefinger über ihre, inzwischen tief rote Wange.

Ohne noch groß auf die Anderen zu achten, die auch ziemlich geschockt aussahen, ging Michiru an ihnen vorbei, und wurde dieses Mal natürlich nicht aufgehalten. Beim Weggehen konnte sie sich das Grinsen aber nicht mehr verkneifen und hätte sogar fast angefangen laut zu lachen. Das war viel einfacher, als sie erwartet hätte, und dass es ihr so leicht fallen würde, das zu tun bzw. zu sagen, hätte sie auch nicht gedacht. Nun wollte sie aber endlich zu ihrer Freundin zurück und ging eiligen Schrittes zum Parkplatz rüber. Das gelbe Auto fand sie problemlos, aber die dazugehörigen Fahrerin nicht. Haruka war nirgends zu sehen. Jetzt überkam sie doch wieder die Sorge ihr könnte was zu gestoßen sein, schließlich war sie selbst schon spät dran. Oder war sie schon hier gewesen und suchte sie jetzt panisch? Michiru beschloss einfach hier zu warten. Wenn sie jetzt auch loslaufen würde, würden sie bestimmt ständig aneinander vorbeilaufen.
 

Haruka war aber noch gar nicht beim Auto gewesen. Sie war überhaupt noch nicht sehr viel weiter gekommen, als vorhin. Schon an der nächsten Ecke wäre sie beinahe mit einem Mädchen zusammen gestoßen. Sie war vor Schreck etwas zurück gesprungen. Das Mädchen vor ihr, schien aber keines Falls Überrascht zu sein sie hier anzutreffen. Die kleine war höchstens vierzehn, hatte lange blonde Haare und sah sie etwas schüchtern, mit rosa Wangen an.

„Hallo, Tenoh-senpai!“

„Äh, hi.“

Eigentlich wollte Haruka sich gleich weiter zum Auto machen, doch das Mädchen redete einfach weiter.

„Stimmt es wirklich, dass du ein Mädchen bist?“

„Ja, tut es.“

Haruka ging jetzt doch einfach an dem Mädchen vorbei, schließlich wollte sie wissen, ob es ihrem Engel gut ging. Doch die kleine Blondine folgte ihr daraufhin, und redete munter weiter.

„Wow, da wär ich echt nie drauf gekommen. Aber weißt du was? Mir macht das überhaupt nichts aus. Ich bin ein riesen Fan von dir und werde dich auf jeden Fall weiter anfeuern.“

Jetzt musste Haruka doch grinsen, und sah in ihrem Gang zu der Kleinen hinunter.

„Wirklich? Das freut mich aber.“

Das Mädchen nickte heftig, mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Als die Sportlerin ihren Blick wieder nach vorne richtete blieb sie erneut erschreckt stehen. Auf einmal standen noch vier weitere Mädchen vor ihr. Sie schienen alle in dem gleichen Alter zu sein, wie die Blonde, und wanden sich auch sofort erst mal an die.

„Und hast du schon gefragt?“

„Stimmt es wirklich?“

„Ja, sie ist wirklich ein Mädchen.“ antwortete diese schließlich.

Vier ungläubige Augenpaare starrten Haruka an und ein lang gezogenes "Ooohh" war auch zu vernehmen. Die Sportlerin selbst sah nur mit einem Grinsen zurück.

„Und stimmt das Andere denn auch?“ traute sich nach einiger Zeit eines der vier Mädchen zu fragen.

„Ähm, was genau meinst du denn?“ fragte Haruka nach.

„Na, das mit Kaioh-senpai. Bist du wirklich mit ihr zusammen?“

„Sag mal, hast du den Beitrag denn gestern nicht gesehen? Natürlich stimmt das! Sonst hätten sie sich ja wohl kaum geküsst.“ kreischte eines der anderen Mädchen plötzlich dazwischen.

„Ja, aber es kann doch sein, dass das nur gespielt war, oder nicht?“

„Quatsch, das war doch nicht gespielt, dafür sah das viel zu echt aus.“

„Ja, und es war so romantisch. Habt ihr gesehen wie überrascht Kaioh-senpai war?“

Die fünf Mädchen fingen jetzt an sich angeregt über diese Scene zu unterhalten. Haruka währenddessen verlor langsam die Geduld. Sie hatte keine Lust hier dumm rumzustehen und diesen Weibern beim Kaffeeklatsch zu zuhören, während ihrer Freundin gerade wer weiß was passierte.

„.... Ähm, entschuldigt mich Mädels, aber ich hab‘s ein bisschen eilig.“ unterbrach sie die Mädchen und setzte auch gleich ihren Gang fort.

Die fünf dachten aber gar nicht daran sie in Ruhe zu lassen und gingen einfach neben ihr her.

„Wo musst du denn so dringend hin?“

„Na, wo wohl? Zu Kaioh-senpai natürlich, hab ich Recht?“

„Dann stimmt es also wirklich, dass du mit ihr zusammen bist?“

„Ja, es stimmt, und ja, ich will zu ihr.“ antwortete Haruka ihnen schließlich.

„Siehst du, hab ich dir doch gesagt!“

„Ja, ja, schon gut. Du hattest Recht.“

„Das was du zu ihr gesagt hast, stimmt das dann auch? Ich mein, dass ihr dein Herz gehört. Bedeutet das, dass du sie liebst?“

Haruka seufzte einmal. Diese Fragerei nahm ja überhaupt kein Ende. Sie entschied sich aber ihnen einfach zu antworten, in der Hoffnung dann bald in Ruhe gelassen zu werden.

„Ja, ich liebe sie.“

Sofort fingen die Mädchen wieder an zu schwärmen, kreischen, tuscheln und eine schien kurz davor zu heulen. Haruka verdrehte nur die Augen und beschleunigte ihren Gang noch etwas. Sie war auch schon fast beim Parkplatz angekommen. Eigentlich müsste sie ihr Auto schon bald sehen können. Gerade als sie ihren Blick dort hinwerfen wollte, musste sie zwangsläufig wieder stehen bleiben. Vor ihr waren noch sehr viel mehr Mädchen aufgekreuzt. Nein, nicht nur vor ihr, sondern überall um sie herum, wimmelte es plötzlich von kreischenden Weibern. Sie redeten alle so wild durcheinander, dass Haruka kein einziges Wort verstand. Hilflos stand sie da und versuchte irgendwie einen Weg da raus zu finden.

Michiru konnte vom Auto aus das ganze Treiben beobachten. Als sie Haruka entdeckt hatte war sie zuerst einfach nur erleichtert. Ihr war also nichts passiert, und sie konnte auch keine blutige Nase oder so was entdecken. Allerdings gefiel ihr die Gesellschaft mit der ihre Freundin unterwegs war überhaupt nicht. Aus der Ferne konnte sie nicht erkennen wie alt diese Mädchen waren, nur dass es sich dabei eindeutig um Mädchen handelte. Inzwischen fand sie die Scene aber ziemlich belustigend. Es waren immer mehr Mädchen auf Haruka zu gestürmt und jetzt stand diese ziemlich hilflos in deren Mitte. Da die Sportlerin alle anderen überragte war es auch nicht sonderlich schwer sie in dem Kreis auszumachen, oder ihren Gesichtsausdruck zu beobachten. Michiru sah sich das Ganze noch eine Weile an, dann entschloss sie sich ihrer Freundin zur Hilfe zu eilen. In aller Ruhe ging sie über den Parkplatz auf den Mädchenschwarm zu. Als sie nur noch einen Schritt von den ersten Mädchen entfernt war, wurde sie auch gleich von denen entdeckt. Sie schreckten etwas zurück und wurden augenblicklich still. So ging das Ganze weiter. Immer mehr Mädchen entdeckten sie und so wurde es immer leiser. Michiru musste nicht ein einziges Mal stehen bleiben. Allmählich bildete sich ein Gang, der direkt zu ihrer Freundin führte. Sie kam sich dabei schon ein bisschen merkwürdig vor. Hatten die jetzt Angst vor ihr? Oder konnten die sie einfach nur nicht ausstehen? Sie wusste es nicht, und versuchte sich ihre Unsicherheit darüber nicht anmerken zu lassen. Als auch die letzten Mädchen ihr aus dem Weg sprangen, kam sie endlich bei Haruka an. Die hatte sich gewundert, warum es plötzlich immer leiser um sie herum wurde. Als sie aber Michiru sah, konnte sie gar nicht anders als vor Freude zu strahlen. Sie standen sich eine kurze Zeit gegenüber und lächelten sich an, dann durchbrach Michiru die Stille, die entstanden war.

„Kommst du jetzt endlich?“ fragte sie und legte den Kopf etwas schief.

„Bin schon da.“ grinste Haruka zurück und kam auf sie zu.

Sie legte ihren Arm um die Schulter ihrer Freundin und gemeinsam verließen sie den Kreis der Mädchen, gingen über den Parkplatz zu Harukas Auto hin.

„Oh Mann, du hast mich echt gerettet.“ stöhnte die Sportlerin als sie endlich in ihrem Wagen saß.

„Ja, du hast wirklich hilflos ausgesehen.“

„Ich weiß gar nicht wo die plötzlich alle hergekommen sind. Zuerst war es nur eine, dann auf einmal fünf und eh ich mich versah waren da nur noch Mädchen.“

Immer noch verwirrt darüber ließ sie den Motor aufheulen.

„Und diese Aufmerksamkeit hat dir nicht gefallen?“ fragte Michiru skeptisch nach.

„Das war keine Aufmerksamkeit mehr, sondern eine Belagerung. Und außerdem wollte ich doch so schnell wie möglich zu dir.“

Haruka ließ erst mal von ihrem Auto ab und sah sich ihre Freundin etwas genauer an.

„Dir ist doch nichts passiert, oder? Hat dich irgendjemand angefasst?“

„Nein, alles in Ordnung.“

Eigentlich hatte sie ja schon jemand angefasst, aber das ignorierte sie jetzt mal.

„Gut. Ich hab mir echt Sorgen gemacht.“

„Ich mir auch.“

Sie kamen sich langsam immer näher und küssten sich schließlich leidenschaftlich.

„Können wir jetzt endlich hier weg?“ fragte Michiru, nachdem sie den Kuss löste.

„Aber gern.“

Haruka griff wieder ans Lenkrad und fuhr dann so schnell es ging vom Parkplatz, was eigentlich ziemlich langsam von statten ging, denn die Paparazzi von heute Morgen waren immer noch da.

„Wo soll ich denn eigentlich hinfahren?“ fragte Haruka, nachdem sie schon eine Weile auf der Hauptstraße entlang fuhr.

„Irgendwohin wo nicht so viele Menschen sind. Von denen hab ich erst mal genug.“

„Da stimme ich dir voll und ganz zu. ... Ich denke, ich kenne da auch schon einen Ort, an dem wir uns beide wohl fühlen.“

Michiru ahnte wo die Fahrt hingehen würde und freute sich schon darauf. Eigentlich war es jetzt auch genau das was sie brauchte. Der Tag war ja doch noch ziemlich anstrengend gewesen und das würde ihr mit Sicherheit helfen sich wieder zu entspannen.

„Ist wirklich alles in Ordnung bei dir?“ fragte Haruka, während der Autofahrt noch mal nach.

„Was?“ verwirrt drehte Michiru ihren Kopf zu ihr hin, den sie bis eben richtung Seitenfenster hatte.

„Na ja, du wirkst irgendwie so niedergeschlagen.“

„Ach, ich bin nur etwas müde. Die letzten zwei Stunden waren doch ziemlich anstrengend.“ wehrte sie ab.

„Dann ist bei dir doch nicht alles in Ordnung gewesen.“ stellte Haruka entsetzt fest.

„Das war halb so schlimm, nur ...“

Michiru brach den Satz ab und sah nach vorn. Sie wusste nicht ob sie es Haruka erzählen sollte oder nicht. Andererseits predigte sie ihr ständig vor, sie solle offen über ihre Gefühle sprechen, und jetzt tat sie es selbst nicht? Das kam ihr irgendwie heuchlerisch vor.

„Nur was?“ fragte Haruka auffordernd nach.

„Nur … hab ich mich doch ziemlich allein in dem Unterricht gefühlt. Ich bin es zwar gewohnt, dass mich die anderen Schüler ignorieren, das war auf meiner alten Schule auch nicht anderes, aber da hab ich mich immerhin mit einigen noch normal unterhalten können. Hier scheinen mich wirklich alle zu hassen, oder sogar Angst vor mir zu haben.“ erzählte Michiru schließlich.

„Tut mir leid. Das alles nur, weil du mit mir zusammen bist.“

Jetzt war Haruka auch niedergeschlagen.

„Nein, das stimmt nicht. Und ich hoffe du weißt, dass selbst, wenn kein Mensch der Welt mehr mit mir reden würde, ich immer noch glücklich wäre, solange du bei mir bist.“ lächelte Michiru sie liebevoll an.

Haruka konnte nicht verhindern glücklich über diese Ansage zu wirken.

„Das gleiche gilt auch für mich.“ erwiderte sie und nahm eine Hand vom Lenkrad, um sie in Michirus Hände zu legen.

Diese ergriff sie sofort und streichelte sanft über den Handrücken ihrer Freundin.

„Was meintest du denn damit, es stimmt nicht? Welchen Grund sollten die Leute denn noch haben dir aus dem Weg zu gehen?“ fragte Haruka nach einiger Zeit der Stille.

Michiru seufzte einmal kurz.

„Na ja, irgendwie hab ich den Ruf arrogant, kaltherzig und menschenverachtend zu sein.“

„Was, du? Wie kommen die denn auf den Quatsch? Du bist der liebevollste Mensch der mir jemals begegnet ist.“

„Weißt du, im Gegensatz zu dir habe ich noch nie eine Pressekonferenz gegeben, oder auch nur ein Interview geführt. Ich bin irgendwie ziemlich plötzlich und unerwartet zu meinem Erfolg gekommen. Und du weißt doch wie schüchtern ich bin. Ich hab mich von sämtlichen Kameras und Mikros ferngehalten, und dank meines Vaters, der sich immer dazwischen gestellt hat, ist mir das auch ganz gut gelungen. Dieses Schweigen über mich hat die Presse allerdings so aufgenommen, das ich mich für etwas Besseres halten würde, und das natürlich auch gleich groß in die Zeitung gebracht.“

„Das sieht den ähnlich. Bestimmt wollten die dich damit aus der Reserve locken, damit du endlich doch mal mit denen sprichst.“

„Ja, das denke ich auch. Bis gestern allerdings hab ich noch nie mit denen geredet.“

„Oh, verdammt. Dein erster Auftritt vor ‘ner Kamera, und ich fall gleich über dich her? Ich hoffe ich hab dicht nicht allzu sehr geschockt.“

Haruka kam sich gerade wirklich wie ein unsensibler Trampel vor. Da traute sich Michiru endlich mal in die Öffentlichkeit, und das auch nur um sie zu unterstützen, und dann hatte sie nichts Besseres zu tun als ihren Ruf wahrscheinlich noch mehr zu schädigen. Michiru allerdings lachte nur.

„Du hast mich zwar wirklich überrascht mit der Aktion aber die Kameras hatte ich in dem Moment völlig vergessen. Und ich fand‘s auch nicht schlimm. Von mir aus kannst du mich jederzeit in der Öffentlichkeit küssen, egal ob Kameras in der Nähe sind, oder nicht.“

„Gut.“ war Haruka erleichtert.

Sie konzentrierte sich eine Weile auf den Verkehr, bis sie an der Schnellstraße, die an der Küste entlang lief angekommen war, und jetzt endlich richtig beschleunigen konnte.

„Sag mal, wie hat das denn nun mit deiner Karriere angefangen? Das würde mich ja jetzt schon mal interessieren. So wie du das eben gesagt hast, schien das gar nicht geplant gewesen zu sein.“

„So richtig geplant war das auch nicht. Also ich hab schon davon geträumt irgendwann mal mit meiner Musik und den Bildern mein Geld verdienen zu können, aber dass das so schnell geht, hätte ich nicht erwartet. In dem Hotel, in dem mein Vater noch in Osaka gearbeitet hatte, wurden öfter Feste, Galas und so was veranstaltet, und bei einer dieser Veranstaltungen ist dann ganz kurzfristig die Band ausgefallen. Mein Vater hat mich gefragt ob ich nicht einspringen wollte. Ich war zuerst überhaupt nicht begeistert. Ich hatte noch nie vor Publikum gespielt, also vor anderem als meinen Eltern, oder den paar Schülern in meiner Klasse, und ich sollte ja nur der Ersatz sein. Die Leute hatten schließlich etwas ganz anderes erwartet, als eine kleine fünfzehn jährige mit ihrer Geige. Irgendwie haben meine Eltern mich aber doch dazu bekommen zu spielen. Ich war so nervös wie noch nie in meinem Leben, ich war echt kurz davor einfach weg zu laufen. Aber als ich angefangen habe zu spielen, hatte ich alles andere um mich vergessen. Als ich meine Augen wieder geöffnet hatte, waren sämtliche Blicke im Saal auf mich gerichtet und dann haben alle wie wild applaudiert. Ich war so perplex, dass ich ganz schnell rückwärts hinter dem Vorhang verschwunden bin.“

Haruka unterbrach Michirus Erzählung mit einem leichten Lachen.

„Das kann ich mir nur allzu gut vorstellen. … Und dann?“

„Mein Vater hat mir im Nachhinein erzählt, dass der Veranstalter total begeistert war, und ob ich nicht Lust hätte öfter aufzutreten. Das tat ich dann auch und allmählich sprach sich mein Name herum. Irgendwann wollten so viele Leute meine Musik hören, dass mein Vater alles in die Wege geleitet hatte, damit ich mein eigenes Konzert geben konnte. Davon hatte dann natürlich auch die Presse wind bekommen, und kaum war das Konzert vorbei, stand mein Name in sämtlichen Zeitungen. Anfangs haben die mich noch in den höchsten Tönen gelobt. Meine Bilder verkauften sich dann plötzlich auch ziemlich gut. Meine Mutter bekam immer mehr Anfragen, nach meinen Bildern und neuen Werken, in ihrer Galerie.“

„Dann bist du ja doch ziemlich berühmt. Von wegen nicht so sehr wie ich.“

„Na ja, am Anfang haben die einen ziemlichen Wirbel um mich gemacht, aber in dem letzten halben Jahr, war nur noch wenig von mir zu hören. Ich hab zwar weiterhin meine Konzerte gegeben und die waren auch immer ausverkauft, aber die Presse schien, zum Glück, das Interesse an mir verloren zu haben. Aber jetzt musste ich mich ja ausgerechnet in den berühmtesten und begehrtesten Nachwuchsrennfahrer Japans verlieben, der sich auch noch als Mädchen heraus gestellt hat.“ schwafelte Michiru übertrieben empört.

„Ja, diese Rennfahrer…. Dass die sich auch immer so in den Vordergrund spielen müssen.“ steuerte Haruka bei.

Die Beiden fingen laut an zu lachen, nachdem sie sich kurz angesehen hatten.

Viel Spaß und ein ernsthaftes Gespräch

„Sag mal, wo willst du überhaupt ganz hinfahren?“ fragte Michiru, noch leicht lachend, als ihr auffiel, dass sie immer noch an der Küste entlang fuhren.

„Oh, ich dachte ich fahr etwas weiter raus, damit es nicht ganz so voll ist, wo wir sind. Wir wollten doch unsere Ruhe, und bei den warmen Temperaturen, ist der Strand, direkt an der Stadt doch ziemlich überfüllt.“

„Ach so, ist gut.“

„Ich denke das reicht jetzt aber. Ich kann jedenfalls keine Menschen am Strand entdecken.“

Also wurde die Sportlerin etwas langsamer und parkte den Wagen schließlich an einer kleinen Haltebucht. Gemeinsam stiegen die beiden Mädchen aus dem Auto aus und gingen zusammen zum Strand hinunter. Michiru hatte ihre Schuhe und Socken schon im Auto ausgezogen und watete jetzt freudig durchs Wasser, während Haruka einen sicheren Abstand zu dem Nass hielt.

„Jetzt komm schon, Ruka! Das Wasser tut dir nichts und ist sogar richtig warm.“ rief sie der Blonden zu und hielt ihr auffordernd die Hand entgegen.

„Das sagst du doch nur so. Ich bleib lieber hier. Hier ist es schön trocken. Außerdem hab ich keine Lust meine Schuhe mit mir rum zuschleppen.“

„Die hättest du ja auch im Auto lassen können. Und wie sollen wir zusammen spazieren gehen, wenn du drei Meter Abstand zu mir hältst?“

„Du könntest ja auch einfach herkommen.“

„Haruka, du kannst mich nicht zum Strand bringen und dann erwarten, dass ich mich vom Wasser fernhalte. Ich sag ja auch nichts, wenn du wie eine Irre durch die Straßen heizt, nur damit du den Wind spüren kannst. … Also gut, dann geh von mir aus am Strand, aber ich bleib im Wasser.“ sagte sie in einem gereizten Tonfall, und verschränkte noch die Arme vor der Brust.

Von der Blonden war ein beleidigtes Grummeln zu hören. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als sei das doch eine Aufforderung gewesen, ihr gefälligst zu folgen. Und da sie um jeden Preis neben ihrer Freundin gehen wollte und auch nicht besonders scharf darauf war, dass sie wütend auf sie war, ergab sie sich. Sie zog ihre Schuhe und Socken aus, krempelte ihre Hose ein wenig nach oben und ging dann langsam durchs Wasser auf Michiru zu. Die hatte währenddessen schon wieder ein strahlen im Gesicht, das Haruka das kühle Nass glatt vergessen ließ. Sie legte ihren Arm um Michirus Taille und so eng aneinander gepresst gingen sie dann den Strand entlang. Nach einer ganzen Weile fingen sie doch wieder an rum zualbern und Michiru hatte es nicht lassen können Haruka mit Wasser zu bespritzen. Die fand das natürlich absolut nicht witzig und jagte ihrer Freundin, die sofort die Flucht ergriffen hatte hinterher. Im Laufen hatte die Türkishaarige natürlich absolut keine Chance und so fand sie sich nach kurzer Zeit auf dem Arm von Haruka wieder.

„Wehe Haruka, ich warne dich!“

„Wieso denn? Ich denke, du liebst das Wasser so sehr?“

„Ja, aber mehr als die Klamotten die an habe, hab ich nicht dabei!“

„Na, und? Ich nehm dich auch nass wieder mit zurück.“

„Haruka!“

„Was? Du hast mich auch nass gemacht.“

„Die paar Tropfen …“

„Meine halbe Hose is nass! … Und meine Schuhe hab ich auch irgendwo verloren. Keine Ahnung wo die jetzt sind.“ viel Haruka plötzlich ein und sah sich, immer noch mit Michiru auf ihrem Arm, um.

Michiru musste dabei wieder anfangen zu lachen.

„Hör auf zu lachen, sonst lass ich dich wirklich fallen.“ mahnte Haruka sie beleidigt.

„Okay, okay. Ich hör schon auf. Wenn du mich runter lässt, helf ich dir beim Suchen.“ bot sie ihr an und versuchte wirklich nicht mehr zu lachen, aber das war gar nicht so einfach.

„Versprichst du mich nicht mehr mit Wasser zu bespritzen?“

„Ich versprech‘s.“ sagte Michiru einigermaßen ernst.

„Na gut.“

Also ließ Haruka ihre Freundin wieder auf ihre eigenen Füße. Danach watete sie einen Teil der Strecke zurück und suchte nach ihren Schuhen, die hier eigentlich irgendwo im Wasser sein müssten.

„Hier, ich hab einen. Oh… ich fürchte das dauert ‘ne Weile bis der wieder trocken ist.“ hörte sie Michiru hinter sich.

Haruka drehte sich zu ihr um und nahm ihr den klitschnassen Schuh aus der Hand, als sie bei ihr war.

„Na, toll! Kannst du mir mal verraten, wie ich damit wieder nach Hause fahren soll?“

„Dann bleiben wir eben noch eine Weile, bis er wieder einigermaßen trocken ist. Außerdem bin ich mir sicher, dass du auch ohne Schuhe Auto fahren kannst.“

„Könnte ich sogar. Du weißt aber schon, dass man das eigentlich nicht sollte, oder?“

„Da vertraue ich voll und ganz deinen Fahrkünsten.“ grinste Michiru.

„Na, schön… Wo ist denn jetzt der Andere? Und meine Socken vermisse ich auch immer noch.“

Haruka setzte ihre Suche fort und Michiru half ihr dabei. Nach kurzer Zeit hatten sie auch den anderen Schuh gefunden und auch die Socken waren nicht sehr weit davon entfernt. Damit alles wieder trocknen konnte, legte Haruka alles zusammen in die Sonne, einige Meter vom Wasser entfernt in den Sand. Sich selbst packte sie auch gleich daneben und ließ sich seufzend nach hinten fallen. Michiru beobachtete das Ganze schmunzelnd, dann folgte sie ihr schließlich und setzte sich neben sie. Sie sah verträumt aufs Meer hinaus und beobachtete das Spiel der Sonnenstrahlen auf den leichten Wellen, die der Wind verursachte.

„Michiru?“

„Ja?“

Sie wandte sich der Blonden zu, die sie von unter her ziemlich ernst ansah.

„Ich weiß zwar nicht, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, oder ob ich damit die schöne Stimmung versau, aber es gibt da noch etwas, das ich dir sagen beziehungsweise worüber ich mit dir reden wollte. Auch wenn es mir nicht gerade leicht fällt, oder ich überhaupt weiß, was ich dazu sagen soll.“

Haruka richtete sich langsam wieder auf und sah nachdenklich in den Sand vor sich. Michiru war doch ein wenig verwirrt.

„Worum geht es denn?“ fragte sie vorsichtig, da sie nicht wusste, was sie jetzt erwartete.

„Ich … ich hab gestern das Gespräch zwischen dir und deiner Mutter mitgekriegt.“

Darüber musste die Künstlerin erst mal nachdenken. Welches Gespräch meinte sie denn?

„Ähm…“

„Ich meine, das in der Küche, gleich nachdem wir bei dir angekommen sind. Über den Tot m… meines Vaters.“

Das musste Michiru erst mal verdauen. Nicht das, dass Haruka ihr Gespräch mit ihrer Mutter mitbekommen hatte, sondern nur die letzten Worte, die sie eben sagte. Das war das allererste Mal, dass sie hörte, wie Haruka Keisuke als ihren Vater bezeichnete. Ihr war vorher schon aufgefallen, dass immer wenn sie über ihn geredet hatte sie nur "ihm" und "er" verwendete, aber nie "mein Vater". Warum also verwendete sie es ausgerechnet jetzt? Vielleicht, weil er jetzt tot war, und keine Bedrohung mehr für sie darstellte? Michiru wusste es nicht und schob die Gedanken daran auch erst mal beiseite.

„Ich weiß, dass ich mich darüber aufgeregt habe, dass du nicht über deine Gefühle redest, aber ich will dich auch nicht dazu zwingen es mir zu sagen.“

„Tust du ja auch nicht. Deine Mutter hat allerdings recht, du bist die Einzige mit der ich darüber reden würde.“

„Du würdest? Heißt das, du willst es jetzt gar nicht?“

Haruka seufzte kurz.

„Nicht direkt. Aber wie ich eben schon sagte, weiß ich nicht was ich dazu sagen soll.“

„Na ja, was du fühlst oder darüber denkst.“

„Und wenn ich das selbst nicht weiß?“ seufzte Haruka erneut und klang etwas verzweifelt dabei.

Michiru schenkte ihr ein sanftes Lächeln und lehnte sich noch mehr zu ihr hin.

„Das ist doch verständlich. … Aber im Krankenhaus sagtest du, du seist froh. dass er tot ist. War das nicht wahr, oder einfach nur die erste Reaktion darauf?“

„Es war die erste Reaktion. Allerdings war das weniger Freude, als vielmehr … Erleichterung.“

„Erleichterung?“

„Ja, Erleichterung. Und das empfinde ich jetzt auch noch so. Ich weiß nicht wann ich mich zuletzt so frei gefühlt habe. Ich brauch keine Angst mehr zu haben, nach Hause zu fahren. Muss nicht ständig darüber nachdenken, wo er gerade ist, und was er als nächstes tut, ob es nicht vielleicht doch besser wäre einfach auf ihn zu hören, das zu tun was er von mir verlangt, in der Hoffnung, die Schläge würden endlich aufhören, oder ob er es nicht doch irgendwann akzeptiert. Und ich brauch mir keine Sorgen mehr zu machen, dass er meiner Mutter oder dir das gleiche antun könnte. Und darüber bin ich wirklich froh. … Allerdings…“

„Allerdings?“

„… Ach, ich weiß auch nicht!“

Haruka fuhr sich verzweifelt mit den Händen durch die Haare und sah weiterhin auf den gleichfarbigen Sand.

„Ich hab diesen Kerl gehasst, mir jeden Tag gewünscht, er würde einfach verschwinden! Ich will das Ganze vergessen, ihn vergessen! Also wieso kann ich es nicht?! Jetzt wo er wirklich weg ist. Das ist doch total bescheuert!“

„Das ist nicht bescheuert, Haruka.“

Michiru nahm eine der Hände, die Haruka an ihren Kopf gepresst hatte in die ihre und streichelte mit der anderen sanft über ihre Stirn, um einige der blonden Strähnen aus ihrem Gesicht, zurück nach hinten zu streichen. Jetzt konnte sie auch erkennen, dass ihre Augenlider leicht zuckten und sie sich offenbar alle Mühe gab ihre Tränen zurückzuhalten. Dieser Anblick versetzte ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz, und sie musste sich zusammenreißen nicht auch einfach zu weinen. Das würde Haruka jetzt bestimmt nicht helfen.

„Erinnerungen lassen sich nun mal nicht einfach auslöschen. Aber ich bin mir sicher mit der Zeit werden sie schwächer und rücken immer weiter in den Hintergrund. Aber vielleicht … vielleicht solltest du ihn auch nicht ganz vergessen. Ich mein, er war doch schließlich dein Vater, und du hast ihn doch nicht immer gehasst, oder?“

„Nein, nicht immer. Aber mich konnte er noch nie leiden. … Das ist jetzt übrigens total unfair von ihm! Ich dachte, vielleicht würde er mir diese Frage irgendwann mal beantworten.“ lächelte Haruka bitter, und jetzt fand doch eine Träne den Weg aus ihrem Auge.

„Du meinst, warum?“

„Ja, warum? Warum hat er das getan? Warum konnte er es nicht einfach akzeptieren? Und was genau hab ich ihm eigentlich getan, dass er mich überhaupt nicht ausstehen konnte? Dass mit den Schlägen hat zwar erst vor einem Jahr angefangen, aber er hat mich ja schon vorher nicht leiden können. Wieso? Er war doch mein Vater! Und bis zu dem letzten Jahr hab ich wirklich alles … na gut, fast alles, getan um ihn zufrieden zu stellen, damit er stolz auf mich sein kann. Du glaubst gar nicht. wie sehr ich mir gewünscht hatte nur einmal von ihm diese Worte zu hören. Oder auch nur einen kleinen Hinweis darauf zu erhalten, dass ich ihm nicht vollkommen egal bin. … Aber er hat nie irgendetwas gesagt oder getan. Er hat niemals gesagt, dass er mich liebt, mich nicht ein einziges Mal umarmt, oder auch nur mit einem Blick angesehen, der nicht von Verachtung geprägt war. … Aber weißt du was das schlimmste ist? Warum ich das alles wirklich nicht verstehe?“

Michiru schüttelte nur mit dem Kopf. Sie hatte es trotz aller Mühe nicht geschafft ihre Tränen zurückzuhalten, und jetzt liefen sie ihr nur so die Wange herab. Sie klammerte sich inzwischen auch ziemlich fest an den Arm ihrer Freundin, den Haruka zusammen mit dem Anderen auf ihren Knien abgestützt hatte.

„Ich weiß, dass er durchaus in der Lage war so etwas zu fühlen. Ich denke, auch wenn er mir angedroht hatte ihr auch etwas anzutun, und sie sogar geschlagen hat, denke ich, dass er meine Mutter wirklich geliebt hat. Irgendwo auf seine Art und Weise hat er sie geliebt. Zu ihr war er immer ganz anders. In ihrer Gegenwart war er schon anders. Sie hat er ständig umarmt. Ihr gesagt, er liebt sie. Hat sie geküsst und auch ganz anders angesehen. … Und dann noch dieser Ehevertrag. Ich hab davon gar nichts gewusst. Wenn er sich also sicher war, ihr ganzes Vermögen zu erben, warum hat er sie dann nicht gleich aus dem Weg geräumt? … Nein, ich bin mir sicher, dass er das gar nicht gewollt hätte. Also warum konnte er sie lieben, aber nicht mich?“

„Ich … ich kann dir darauf leider keine Antwort geben. Ich wünschte, ich könnte es.“ schluchzte Michiru neben ihr.

Haruka lächelte sanft, und entzog Michiru ihren Arm, nur um ihn dann um sie zu legen und sie noch enger an sich heran zu ziehen.

„Das hab ich auch nicht erwartet. Ich hab eigentlich nur laut gedacht. Tut mir leid, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. … Schon wieder.“

„Das ist in Ordnung, und nicht deine Schuld. Ich bin nun mal nah am Wasser gebaut.“

„Nein, du bit im Wasser gebaut.“ unterbrach Haruka sie grinsend.

„Na, von mir aus auch das. Aber ich bin froh, dass du mir das erzählt hast. Ich weiß, es ist nicht einfach für dich.“

„Bei dir geht das, irgendwie. Ich glaub, es war auch ganz gut so, denn ich fühl mich schon viel besser. … Befreiter.“ lächelte Haruka und gab Michiru einen Kuss auf die Stirn.

Die hatte inzwischen auch aufgehört zu weinen und schloss wohlwollend die Augen bei dem Kuss. Nachdem Haruka sich wieder von ihr löste schlang Michiru ihre Arme um ihren Oberkörper und kuschelte sich an ihre Brust. Haruka freute sich darüber und ließ ihr Kinn in die türkisenen Haare sinken. So saßen sie eine Weile schweigend da und sahen aufs Meer hinaus. Michiru durchbrach als erste die Stille.

„Hat Sachiko eigentlich nie etwas dazu gesagt, dass dein Vater dich so ignoriert? Ich mein, sie wusste doch, dass eure Beziehung nicht gerade perfekt ist.“

„Doch, hat sie. Ziemlich oft sogar. Sie hat ständig versucht zwischen uns zu vermitteln, hat sich öfter mit ihm gestritten, dass er sich mehr um mich kümmern sollte, aber es hat nicht besonders viel gebracht. Na ja, als er dann gemerkt hat, dass ich ziemlich gut im Sport bin, hat er sich ja doch mehr in meine "Erziehung" eingemischt. Wahrscheinlich hat er es anfangs auch nur als Vorwand getan, damit meine Mutter endlich Ruhe gibt, bis sich rausstellte, dass er sogar Geld damit machen konnte, beziehungsweise Ruhm dafür erlangte, weil meine Mutter gleich dafür gesorgt hatte, dass ich das Geld bekomme, welches ich verdiene. Also nicht sofort, aber seitdem ich sechzehn bin, darf ich auf das Konto zugreifen. Wie sehr er mich unter Druck gesetzt hatte, oder auch wie wenig leiden er mich wirklich konnte, hat sie aber, glaube ich, gar nicht mit bekommen. In ihrer Gegenwart hat er sich ja immer ganz anders benommen.“

„Und bei diesen Streitereien ist er niemals handgreiflich geworden?“

„Nein, niemals. Ich denke, wenn er auch nur einmal die Hand gegen sie erhoben hätte, hätte sie sich sofort von ihm getrennt. Jedenfalls sehe ich das jetzt so, damals war ich mir da noch nicht so sicher.“

„Doch, das hätte sie auf jeden Fall. ……. Hhmm, deine Mutter hat sich doch ständig um dich gekümmert, oder?“

„Ähm, ja, klar. Also was die Beziehung zu mir angeht, war sie schon immer das krasse Gegenteil zu ihm. Sie war immer für mich da, hat mich in allem unterstütz und auch offen und deutlich gezeigt, dass sie mich liebt.“

„Habt ihr eigentlich auch mal was zu dritt unternommen? Ich meine, so richtig als Familie, an den Wochenenden oder so?“

„Selten. Ich kann mich da dunkel an ein paar Ausflüge erinnern, als ich noch kleiner war. Wir sind auch mal zusammen in den Urlaub geflogen, also nach Florida, oder so. Aber meistens hat mein Vater auch da gearbeitet. Ich war ziemlich oft mit ihr allein. Er ist ja auch öfter geschäftlich unterwegs gewesen, und auch an den Wochenenden hat er sich mit seinen Mandanten oder "Freunden" getroffen.“

„Und die Beiden zusammen? Sind sie auch mal alleine ausgegangen?“

„Nein, nicht das ich wüsste. Mein Vater hat sie oft zu irgendwelchen Treffen mit seinen Geschäftsleuten eingeladen, oder zu anderen Festen, aber sie wollte lieber bei mir bleiben. Auch als ich älter wurde, und eigentlich hätte alleine bleiben können, ist sie nicht mitgegangen. Ich glaub, sie konnte seine Freunde auch nicht besonders leiden. Na ja, und eigentlich hab ich auch immer ziemlichen Blödsinn angestellt, wenn sie mich mal doch alleine lassen musste. … Wieso fragst du das eigentlich alles?“

Haruka kamen diese Frage inzwischen ziemlich gezielt vor, also musste Michiru ja auf irgendetwas hinaus wollen.

„Ach, ich hab nur gedacht, dass … na ja, meinst du, es wäre vielleicht möglich, dass … also … er eventuell … eifersüchtig war?“

„Eifersüchtig? Auf wen oder was hätte er denn eifersüchtig sein sollen?“ fragte sie ungläubig.

„Na, auf dich. … Besser gesagt auf die Beziehung zwischen dir und deiner Mutter.“

„… Hä?“

Haruka blinzelte ihre Freundin, die sie etwas von sich geschoben hatte, um sie ansehen zu können, nur mit gerunzelter Stirn verständnislos an. Das klang für sie völlig absurd.

„Es ist nur so ein Gedanke. Ich hab natürlich keine Ahnung, ob es stimmt, aber … Weißt du, ich hätte Keisuke nicht so eingeschätzt, als dass er jemals Kinder gewollt hätte. Als es dann aber doch passiert ist, konnte er ja schlecht etwas dagegen tun. Und wahrscheinlich hat sich Sachiko auch noch tierisch darüber gefreut. Sie hat ja sofort ihren Job aufgegeben und sich nur noch voll und ganz dir gewidmet. Wenn er wirklich was für sie empfunden hat, und dabei kann ich mir nicht vorstellen, dass es sich wirklich um wahre Liebe gehandelt haben könnte, denn wenn so gewesen wär, hätte er sich für sie gefreut, und dich ebenso geliebt wie sie, schließlich bist du ein Teil von ihr, und auch von ihm, also dann … dann hat es ihm bestimmt nicht gefallen, dass sie dich sehr viel mehr geliebt hat, als ihn. Und du für sie immer an erster Stelle kamst. Vielleicht konnte er dich deswegen nie akzeptieren. … Na ja, und dass das Mädchen, welches er dann ja schließlich doch in die Welt gesetzt hatte, sich so gar nicht der Norm entsprechend verhielt, hat ihm dann bestimmt auch nicht sonderlich gefallen. Vielleicht hatte er dann ja auch noch irgendetwas gegen Homosexuelle persönlich, dass er auch noch so was Grausames getan hat. … Keine Ahnung.“

„Hhmm…“

Haruka konnte nichts dazu sagen. Sie wusste auch nicht, ob es stimmen könnte. Ihr wäre nie in den Sinn gekommen ihr Vater könnte eifersüchtig sein. Er hatte sie doch vollkommen in der Hand. Er war es doch, der die Macht gehabt hatte, und sie hatte nicht das Geringste gegen ihn ausrichten können. Und jetzt sollte er eifersüchtig gewesen sein? Auf sie? Ein wehrloses Kind? Deswegen hatte er ihr all das angetan?

„Wie gesagt, es ist nur eine Vermutung. Ich kann auch völlig falsch damit liegen.“

„Ja, schon klar. … Aber es ist immerhin eine Erklärung. Und so dämlich klingt das ja gar nicht. … Also, ich mein nur, dass sich das ganz plausibel anhört. Dass das wirklich der Grund gewesen sein sollte, kann ich mir nicht so ganz vorstellen. Denn wenn es doch so war, dann … dann … dann ist der Kerl doch einfach nur … Bemitleidenswert! Wie kann man auf sein eigenes Kind eifersüchtig sein, nur weil die Mutter es liebt?! Das ist doch völlig krank!“ wurde Haruka richtig laut.

„Das war er so oder so. Egal, warum er es nun getan hat.“ versuchte Michiru sie wieder zu beruhigen.

Haruka atmete einmal tief durch, ehe sie weiter sprach.

„Ja, hast Recht. Ich weiß auch gar nicht, warum ich mich so aufrege. Er ist tot. Also was soll’s? Ich will mir auch keine Gedanken mehr um ihn machen, besonders nicht, wenn es stimmt was du vermutest. Der Kerl hat es gar nicht verdient, dass ich auch nur noch einen Gedanken an ihn verschwende. Ich bin glücklich so wie es jetzt ist. Ich hab meine Mom, die mich liebt und so akzeptiert wie ich bin. Und natürlich dich, was mein Leben erst so richtig vollkommen macht.“

Bei den Worten strich Haruka zärtlich über Michirus Wange.

„Du bist so ein Romantiker.“ verdrehte die nur die Augen, konnte aber nicht verhindern dabei etwas rot zu werden.

„Wieso? Ich sag nur wie es ist.“

„Ja, und dafür liebe ich dich.“ hauchte Michiru, legte der Blonden ihre Hände in den Nacken und zog sie zu sich hin.

Haruka ließ dies grinsend geschehen und kam Michiru sogar noch näher, als diese es eigentlich Beabsichtigt hatte. Die große stoppte nämlich nicht als sich ihre Lippen trafen, sondern warf sie mit ihrem ganzen Gewicht einfach um. Jetzt lag die Türkishaarige flach auf ihrem Rücken im Sand und Haruka auf ihr, während sie sich weiterhin leidenschaftlich küssten. Nach einer Ewigkeit lösten sich die Zwei voneinander, um wieder Luft zu holen.

„Das du immer so stürmisch sein musst. Jetzt hab ich überall Sand in den Haaren.“ tat Michiru beleidigt, allerdings lächelte sie dabei so glücklich, dass es ihr kaum wirklich etwas ausmachen konnte.

„Der geht schon wieder raus. Und du kannst mir nicht erzählen, es würde dir nicht gefallen, dass ich so bin.“

„Hab ich ja auch nicht.“

Um das noch zu unterstreichen zog sie Haruka erneut zu einem Kuss herunter. Die Beiden lagen noch eine Weile da im Sand und küssten, streichelten sich, oder sahen sich einfach nur an.

„… Wollen wir dann nicht langsam mal wieder zurück? Wir haben ja noch ein ganzes Stück vor uns.“ entgegnete Haruka irgendwann.

„Ja, du hast Recht. Es ist auch bestimmt schon spät.“

Haruka erhob sich und reichte ihrer Freundin die Hand, um sie ebenfalls hochzuziehen. Dann sah sie noch auf ihre Uhr.

„Naja, wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch rechtzeitig zum Abendessen meiner Mutter. Wir fahren doch zu mir, oder?“

„Ich hab nichts dagegen.“ grinste Michiru, und war sich sicher, dass Haruka ihre Hintergedanken bei der Frage hatte.

Zumal morgen Samstag war, und sie dann ja ausschlafen konnten. Mit viel Schlaf rechnete sie diese Nacht allerdings jedenfalls nicht. Und wenn sie ehrlich war, wollte sie es auch gar nicht anders haben.



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Von:  MiHa-San
2019-11-19T11:42:47+00:00 19.11.2019 12:42
Puh ich bin freudig überrascht dass es doch noch eine Fortsetzung gab und hoffentlich auch bald wieder gibt. Wenn ich ehrlich bin hatte ich mit der Story schon abgeschlossen und sie ist etwas in Vergessenheit geraten, weil so lange nichts mehr neues kam. Durch Zufall bin ich wieder darauf gestoßen und musste gleich zweimal hinschauen um es wirklich zu glauben.
Hab die Story nochmal von Anfang an gelesen und bin immer noch ein riesen Fan....bekomm nicht genug davon....bitte mehr
Antwort von:  Wolfseye
21.11.2019 14:09
Vielen Dank, für deinen Kommentar^^ Ich hatte selbst nicht mehr damit gerechnet, dass ich noch mal weiterschreibe aber vor ein paar Monaten, hat's mich dann wieder gepackt. Im Moment schreibe ich eher an meiner anderen Story weiter aber ich habe vor, auch diese hier "irgendwann" fertigzustellen. Wir dürfen also gespannt sein^^'
Von:  MiHa-San
2017-07-05T10:21:38+00:00 05.07.2017 12:21
hammer Story, gut ausgearbeitet, wäre schön, wenn du sie noch zu Ende bringen würdest. dadurch würde sie perfekt werden.
Von:  RizaHawkeye
2016-08-28T22:05:43+00:00 29.08.2016 00:05
Ich würde mich auch freuen wenn es noch ein Abschluss Kapitel geben würde.
Von:  michu92
2015-01-15T09:16:53+00:00 15.01.2015 10:16
Hi, :-D
ich wünsche mir auch das du weiter schreibst
und evtl. sogar eine Fortsetzung? :-)
das ist wirklich eine überaus gute Geschichte!
Bitte schreib doch weiter :-D ich würde mich sehr darüber freuen (und ich bin mir sicher nicht nur ich)
Von:  jojo1307
2014-11-26T21:41:30+00:00 26.11.2014 22:41
Hi,
ich wollte mal fragen ob du uns vergessen hast???
Wir können es kaum erwarten, dass es endlich weiter geht
Von:  Ruka_S_Orion
2014-09-01T20:08:23+00:00 01.09.2014 22:08
Unglaublich gut! Fast sogar noch besser als deine zweite FF. Obwohl die schon fantastisch ist....
Die Thematik ist whnsinnig tiefsinnig. Es schaffen nur wenige Autoren (damit meine ich diese erfolgreichen, berühmten), dass mir nicht nur zwei (oder sogar noch mehr) Charaktere ans Herz wachsen, sondern auch noch, dass mich ein Charakter so unglaublich wütend macht (was auf gar keinem Fall eine Kritik an Keisuke sein soll! Dieser Widerling schafft es sogar noch nach seinem Ableben Haruka das Leben schwer zu machen.... Und doch hasst man ihn nicht nur, sondern wird auch nich zum grübeln angeregt.... Fantastisch!).
Die Geschichte liest sich wie von selbst und man taucht ganz automatisch ab, jede Figur ist gut durchdacht und passt perfekt in die Story. Wenn es nach mir ginge, könnte sowohl diese als auch deine andere FF gar nicht genug Kapitel haben! Oder sogar ganz in extra dicken Bänden verlegt werden :)
Ich bitte ganz schnell um MEEEHR!! ;)
Von:  jojo1307
2014-07-17T19:33:29+00:00 17.07.2014 21:33
Wirklich super geschrieben.
Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen.
Ich hoffe du schreibst bald weiter
Von:  beatjoker
2014-05-30T23:01:57+00:00 31.05.2014 01:01
Genau so gut wie deine andere ff auch hoffe du schreibst bald weiter
Von:  SakuyaGladius
2014-02-08T22:07:56+00:00 08.02.2014 23:07
Super Story, ich kann nicht genug davon bekommen. BITTE schreib weiter :D
Ich fand alles genial, deine Schreibstill ist echt genial. Ich bin nur ein paar Mal durcheinander geworden, aber sonst einfach großartig.

SakuyaGladius
Von:  SakuyaGladius
2014-02-08T01:04:20+00:00 08.02.2014 02:04
Ich... Ich kann mich der anderen beiden nur zustimmen :O
Ich wollte eigentlich am Ende ein Kommentar schreiben. Aber hab es mir anders überlegt. Ich habe alles, also bis diesen Kapitel in ca. 2 Tage gelesen und kann nicht genug davon bekommen. Du schreibst einfach großartig!!! Super super super Kapitaln, kann mich gar nicht beschweren. Naja hab zwischendurch mal paar Fehler gefunden, aber sofort übersehen, weil es gerade so spannend war. Ich freu mich schon aufs weiter lesen. :D

SakuyaGladius


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